Die Verwalterauswahl: Gerichtliche Informationsgewinnung, Qualitätsmessung und der Einfluss von Zertifizierungen 9783814558080

Das Werk beschäftigt sich detailliert mit der Frage, welche Kriterien ein Insolvenzgericht abfragen und berücksichtigen

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Die Verwalterauswahl: Gerichtliche Informationsgewinnung, Qualitätsmessung und der Einfluss von Zertifizierungen
 9783814558080

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Bork/Thole Die Verwalterauswahl

Die Verwalterauswahl Gerichtliche Informationsgewinnung, Qualitätsmessung und der Einfluss von Zertifizierungen

von Prof. Dr. Reinhard Bork, Hamburg Prof. Dr. Christoph Thole, Köln

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH ˜ Köln

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© 2018 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH Postfach 27 01 25, 50508 Köln E-Mail: [email protected], Internet: http://www.rws-verlag.de Das vorliegende Werk ist in all seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der Übersetzung, des Vortrags, der Reproduktion, der Vervielfältigung auf fotomechanischem oder anderen Wegen und der Speicherung in elektronischen Medien. Satz und Datenverarbeitung: SEUME Publishing Services GmbH, Erfurt Druck und Verarbeitung: CPI books GmbH, Leck

Vorwort Die vorliegende Schrift beschäftigt sich mit der Frage, welche Kriterien ein Insolvenzgericht abfragen und berücksichtigen muss bzw. darf, wenn es über die Aufnahme von Bewerberinnen und Bewerbern auf die Vorauswahlliste und die spätere Bestellung von Insolvenzverwaltern entscheidet. Es geht also um das „Feintuning“ bei Informationsgewinnung und Qualitätsevaluierung, wobei ein deutlicher Schwerpunkt auf der Bedeutung von Zertifizierungen liegt. Die beiden Teile dieser Untersuchung gehen auf zwei Rechtsgutachten zurück, die die Verfasser im Sommer 2017 im Auftrag des Gravenbrucher Kreis e. V. erstellt haben. Sie werden hier der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht, um die oft sehr pauschal geführte Diskussion mit detaillierteren Überlegungen anzureichern. Wir würden uns freuen, wenn unsere Thesen in der aktuellen Debatte aufgenommen und – durchaus auch kritisch – gewürdigt würden. Die Ausarbeitung befindet sich auf dem Stand vom 1. Oktober 2017. Später erschienene Rechtsprechung und Literatur konnten nicht mehr eingearbeitet werden. Die Verfasser danken Herrn Wiss. Mitarb. Florian Brüggemann (Hamburg) für die wertvolle Unterstützung bei der Vorbereitung des ersten Teils dieser Schrift, ferner Frau stud. iur. Anisja Porschke (Hamburg), Frau stud. iur. Kristina Behrens und Herrn stud. iur. Dennis Schmidt (Köln) sowie Frau stud. iur. Georgia Makridou (Köln) für die Erstellung des Literaturverzeichnisses sowie die Durchsicht der Druckfahnen. Dem RWS Verlag ist für die Aufnahme der Schrift in sein Verlagsprogramm, dem Gravenbrucher Kreis e. V. für die Finanzierung der Druckkosten zu danken. Hamburg/Köln, im Oktober 2017

Reinhard Bork Christoph Thole

V

Inhaltsverzeichnis Rz.

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Vorwort ................................................................................................................ V Literaturverzeichnis ....................................................................................... XIII Teil A Die gerichtliche Informationsgewinnung im Vorfeld der Bestellung von Insolvenzverwaltern ............................. 1 ............ 1 I.

Einführung .................................................................................. 1 ............ 1

II.

Allgemeine Grundsätze des Vorauswahlverfahrens ................. 4 1. Gesetzliche Grundlagen der Insolvenzverwalterbestellung nach § 56 Abs. 1 InsO ....................................... 5 a) Insolvenzverwalter ......................................................... 6 b) Sachwalter ....................................................................... 8 c) Eigenverwaltender Schuldner ........................................ 9 d) Einfluss der Gläubigerorgane ...................................... 10 aa) Vorschlag des vorläufigen Gläubigerausschusses ................................................................ 11 bb) Wahl durch die Gläubigerversammlung ............. 14 2. Konkretisierung des Vorauswahlverfahrens durch die Rechtsprechung ............................................................ 16 a) Kriterien für die Feststellung der Eignung ................. 17 aa) Sachgerechte Kriterien zur Feststellung der Eignung ......................................................... 21 bb) Verfassungsrechtliche Kontrolle i. S. e. Verhältnismäßigkeitsprüfung ............................. 24 (1) Rechtsdogmatische Herleitung ................. 26 (2) Bestätigung des Ergebnisses durch die Praxis des Bundesverfassungsgerichts ....... 31 cc) Zwischenergebnis ................................................ 33 b) Die Informationsgewinnung im Vorauswahlverfahren ....................................................................... 34 aa) Sinn und Zweck der Vorauswahl ........................ 36 bb) Inhalt und Gestaltung der Vorauswahlliste ....... 37 (1) Zu erhebende Daten ................................... 38 (2) Gestaltungsspielraum der Fachgerichte .... 42 cc) Abgrenzung zur Aufnahme auf die Vorauswahlliste ............................................................... 43

............ 2 ............ 3 ............ 3 ............ 5 ............ 5 ............ 6 ............ 6 ............ 7 ............ 8 ............ 8 .......... 10 .......... 11 .......... 12 .......... 15 .......... 15 .......... 15 .......... 16 .......... 17 .......... 17 .......... 19 .......... 20

VII

Inhaltsverzeichnis Rz.

3. Einfachgesetzliche Verfahrensausgestaltung ................... a) Anwendbarkeit des Amtsermittlungsgrundsatzes .... b) Rechtsfolgen für die Ermittlungstätigkeit ................. 4. Verifizierung der Daten und Mitwirkungsobliegenheiten des Bewerbers ......................................................... a) Offenbarungspflicht .................................................... b) Auskunftsrecht des Insolvenzgerichts ....................... c) Pflicht zur Einreichung von Nachweisen .................. d) Differenzierung nach Neu- und Altbewerbern ......... e) Spätere Überprüfung („Updates“) ............................. 5. Europarechtliche Dimension ............................................ a) Dienstleitungsrichtlinie ............................................... aa) Sachlicher und räumlich-persönlicher Anwendungsbereich ........................................... bb) Konsequenzen für das (Vor-)Auswahlverfahren ............................................................. b) Richtlinienvorschlag über präventive Restrukturierungsrahmen ........................................................ aa) Anwendungsbereich ........................................... bb) Die relevanten Regelungen ................................ cc) Ergebnis und Zeitrahmen ................................... 6. Zwischenergebnis .............................................................. III.

VIII

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48 .......... 22 49 .......... 23 53 .......... 25 54 55 56 58 59 63 66 67

.......... .......... .......... .......... .......... .......... .......... ..........

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Die im Vorauswahlverfahren relevanten Eignungskriterien im Einzelnen ............................................................................ 83 1. Fachliche Eignung (Geschäftskunde) .............................. 85 a) Formale Qualifikation und Berufsausbildung ........... 86 b) Praktische Erfahrungen ............................................... 89 c) Branchen- und Spezialkenntnisse ............................... 91 d) Fremdsprachenkenntnisse .......................................... 93 2. Persönliche Eignung .......................................................... 95 a) Unabhängigkeit ........................................................... 96 aa) Generelle Unabhängigkeit ................................. 97 (1) Offenlegungspflichten ............................... 98 (2) Anwaltliche Verschwiegenheitspflicht ... 102 bb) Spezielle Unabhängigkeit im konkreten Einzelfall ............................................................ 107 b) Höchstpersönlichkeit ................................................ 108 c) Alter ........................................................................... 111 d) Integrität und Zuverlässigkeit .................................. 115 aa) Relevante Vorstrafen und Ermittlungsverfahren ........................................................... 116

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39 39 40 41 42 43 44 44 45 45 46

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48 49 51 53

.......... 54

Inhaltsverzeichnis

IV.

Rz.

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bb) Informationserhebung ...................................... 119 (1) Gegenständliche Einschränkung ............. 120 (2) Zeitliche Einschränkung .......................... 121 cc) Ergebnis ............................................................. 123 e) Bonität ........................................................................ 124 aa) Vermögensschadenshaftpflichtversicherung ... 125 bb) Geordnete Vermögensverhältnisse .................. 127 f) Softskills (Charaktereigenschaften) ......................... 131 3. Sachliche Eignung ............................................................ 135 a) Ortsnähe und Erreichbarkeit vor Ort ...................... 136 b) Organisatorischer Unterbau ..................................... 139

.......... 55 .......... 56 .......... 57 .......... 58 .......... 59 .......... 59 .......... 61 .......... 62 .......... 64 .......... 64 .......... 66

Informationsaustausch zwischen den Insolvenzgerichten ................................................................................. 143 1. Meinungsstand ................................................................. 145 2. Grenzen des Amtsermittlungsgrundsatzes .................... 147 3. Information im Wege der Rechtshilfe auf Ersuchen des Insolvenz gerichts ...................................................... 149 a) Rechtsgrundlage und Prüfungsmaßstab ................... 151 aa) 1. Ansicht: Keine Interessenabwägung erforderlich ........................................................ 153 bb) 2. Ansicht: Anwendung allgemeiner Grundsätze gesetzmäßigen Handelns ......................... 154 cc) Stellungnahme ................................................... 155 b) Anwendung auf die Akteneinsichtnahme durch den Insolvenzrichter .................................................. 159 aa) Datenschutzrecht .............................................. 160 bb) Verhältnismäßigkeit .......................................... 163 c) Zuständigkeit für die Gewähr der Akteneinsicht .... 167 d) Ergebnis ...................................................................... 168 4. Mitteilungen von Amts wegen ........................................ 169 a) Meinungsstand ........................................................... 170 b) Prüfung anhand der §§ 12 ff. EGGVG ..................... 172 c) Ergebnis ...................................................................... 177 5. Ergebnis zu IV. ................................................................. 178

.......... 69 .......... 70 .......... 71 .......... 72 .......... 73 .......... 74 .......... 74 .......... 75 .......... 77 .......... 77 .......... 78 .......... 80 .......... 80 .......... 80 .......... 81 .......... 82 .......... 85 .......... 85

V.

Abschließende Bemerkungen ................................................ 179 .......... 86 1. Bundeseinheitliche Lösung .............................................. 180 .......... 86 2. Zertifizierung der Gerichte ............................................. 181 .......... 86

VI.

Gesamtergebnisse ................................................................... 182 .......... 87

IX

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

Teil B Qualitätsmessung und die Bedeutung von Zertifizierungen bei der Verwalterauswahl .................... 183 .......... 89 I.

Einführung ............................................................................. 183 .......... 89

II.

Gesetzliche Grundlagen der Verwalterauswahl ................... 185 .......... 89

III.

Konkretisierung der Erfordernisse des § 56 InsO ............... 1. Verfassungsrechtliche Vorgaben .................................... 2. Vorgaben des BGH für die Prüfung der Eignung i. S. d. § 56 InsO .............................................................. 3. Das Merkmal der Eignung im Schrifttum ...................... 4. Qualität als Auswahlkriterium ........................................ 5. Messbarkeit der Qualität .................................................

IV.

X

Diskussion zur Messung der Verwalterqualität ................... 1. Zwei Methoden zur Qualitätsmessung .......................... a) Erhebung von vergangenheitsbezogenen Kennzahlen und Informationen ............................... b) Zertifizierung als Beurteilung der Eignung auf der Grundlage des infrastrukturellen Umfelds und des Verwalterbüros ............................................ 2. Die Diskussion zur Qualitätsmessung durch (gerichtliche) Datenabfrage und Kennzahlen ................ a) Befürwortende Auffassungen zur Qualitätsmessung durch Kennzahlenabfrage .......................... b) Ablehnende Auffassungen ........................................ c) Stellungnahme ........................................................... 3. Zertifizierung von internen Kanzleiabläufen als Qualitätsmerkmal ............................................................ a) Wesen der Zertifizierung .......................................... b) Diskussionsstand ....................................................... c) Stellungnahme ........................................................... aa) Zertifizierung kann Aussage zur Qualität und Eignung treffen ......................................... bb) Zertifizierung als Seriositätsindiz .................... cc) Zertifizierung als aktuelle Aussage .................. dd) Zertifizierungen mit bundesweiter Aussagekraft ................................................................... 4. Zwischenergebnis ............................................................

191 .......... 91 192 .......... 91 199 207 213 219

.......... .......... .......... ..........

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262 ........ 108 269 ........ 109 270 ........ 109 272 ........ 110 273 ........ 110

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

V.

Die Zertifizierungen im Einzelnen ........................................ 274 1. Zertifizierung nach ISO 9001:2015 ................................. 275 2. Zertifizierung nach GOI (bzw. VID-Cert) ................... 281 3. Zertifizierung nach InsO Excellence .............................. 294

........ 110 ........ 110 ........ 112 ........ 114

VI.

Bindung des Insolvenzgerichts an die Zertifizierungen bei der Auswahl ...................................................................... 310 1. Zertifizierungen als privat gesetzte Regeln .................... 311 2. Fälle des § 56a InsO ......................................................... 317 a) Grundsätzliche Voraussetzungen an die Eignungsprüfung bei § 56a InsO .............................................. 318 b) Einfluss der Zertifizierung ........................................ 324 3. Gewöhnliche Bestellung durch das Insolvenzgericht .... 327 a) Auswahl kann ermessensfehlerhaft sein ................... 328 b) Zertifizierungen sind bei der Ermessensentscheidung einzubinden .............................................. 331 aa) Zertifizierung erhöhen Chance auf optimierte Masseabwicklung .............................................. 334 bb) Zertifizierung kann Rückgriff auf veraltete gerichtliche Daten entbehrlich machen ........... 340 cc) Zertifizierung als außergerichtliche Überprüfung der Verwaltertätigkeit ......................... 344 dd) Auswahl nach den Spezifika des Verfahrens ... 345 4. Zwischenergebnis ............................................................. 347 5. Vorgaben für Gläubigerausschussmitglieder .................. 351

........ 117 ........ 117 ........ 119 ........ 119 ........ 120 ........ 121 ........ 121 ........ 122 ........ 123 ........ 124 ........ 125 ........ 126 ........ 126 ........ 127

VII. Gesamtergebnisse ................................................................... 354 ........ 128 Stichwortverzeichnis ....................................................................................... 131

XI

Literaturverzeichnis Andres Messbarkeit der Qualität der Verwaltertätigkeit aus der Sicht eines Insolvenzverwalters, NZI 2008, 522 – 525 Andres/Leithaus (Hrsg.) Insolvenzordnung, 3. Aufl., München 2014 (zit.: Andres/Leithaus-Bearbeiter, InsO) Antholz Zur Notwendigkeit der Objektivierung des Gläubigereinflusses bei der Verwalterauswahl, ZInsO 2012, 1189 – 1197 Bader/Ronellenfitsch (Hrsg.) Beck’scher Onlinekommentar VwVfG, 37. Ed. ab 2016, München (zit.: Bearbeiter, in: BeckOK-VwVfG) Beck/Depré (Hrsg.) Praxis der Insolvenz, 3. Aufl., München 2017 (zit.: Bearbeiter, in: Beck/Depré, Praxis der Insolvenz) Bergner Das Kreuz mit der Zertifizierung, NZI 2007, 642 – 644 Blankenburg/Kram/Noll/Sauer-Colberg Verwalterauswahl nach dem Hannoveraner Modell, ZInsO 2017, 1018 – 1022 Blersch/Goetsch/Haas (Hrsg.) Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Loseblatt, 61. EL, Köln, Stand: Juni 2017 (zit.: Bearbeiter, in: BerlKomm-InsO) Bluhm Der Ausschluss juristischer Personen vom Insolvenzverwalteramt: Ein Verstoß gegen Verfassungs- und Europarecht, ZIP 2014, 555 – 563 Bluhm Die Anwendbarkeit und Auswirkungen der EU-Dienstleistungsrichtlinie auf Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters, Frankfurt am Main 2014 Bluhm/Piekenbrock Anmerkung zu einer Entscheidung des BVerfG, Beschl. v. 12.1.2016 – 1 BvR 3102/13, NJW 2016, 935 Borges Selbstregulierung im Gesellschaftsrecht – zur Bindung an Corporate Governance Kodizes, ZGR 2003, 508 – 540

XIII

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XV

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Frind Geister, die ich rief – Zur Notwendigkeit, EU-Bewerbungen zum Zugang für das Insolvenzverwalteramt zu regeln, ZInsO 2010, 1678 – 1683 Frind Kann Verwaltungserfolg gemessen werden?, NZI 2008, 518 Frind Insolvenzverwaltung als private Dienstleistung?, ZInsO 2008, 1248 – 1252 Frind 25 Fragen und Antworten zur Praxis der Verwalter-Vorauswahl, ZInsO 2008, 655 – 662 Frind Vorbestrafte als Insolvenzverwalter?, ZInsO 2008, 18 – 21 Frind/Schmidt Insolvenzverwalterbestellung – Auswahlkriterien und Grenzen der Justiziabilität in der Praxis, NZI 2004, 533 – 538 Gaier Verfassungsrechtliche Aspekte der Auswahl und der Abwahl des Insolvenzverwalters, ZInsO 2006, 1177 – 1183 Gehrlein Zulassung von Gesellschaften als Insolvenzverwalter kraft Dienstleistungsrichtlinie?, NJW 2013, 3756 – 3758 Gola/Schomerus BDSG, 12. Aufl., München 2015 (zit.: Gola/Schomerus-Bearbeiter, BDSG) Graeber Auswirkungen der Entscheidung des BVerfG zur Vorauswahl des Insolvenzverwalters auf die Insolvenzgerichte, NZI 2004, 546 – 548 Graeber Die Aufgabe des Insolvenzverwalters im Spannungsfeld zwischen Delegationsbefugnis und Höchstpersönlichkeit, NZI 2003, 569 Graf-Schlicker (Hrsg.) InsO, Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl., Köln 2014 (zit.: Graf-Schlicker-Bearbeiter, InsO) Graf-Schlicker/Prütting/Uhlenbruck (Hrsg.) Festschrift Heinz Vallender zum 65. Geburtstag, Köln 2015 (zit.: Bearbeiter, in: FS H. Vallender)

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XX

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XXIII

Teil A Die gerichtliche Informationsgewinnung im Vorfeld der Bestellung von Insolvenzverwaltern I.

Einführung

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Insolvenzverwalter werden von den Insolvenzgerichten auf der Basis von § 56 1 InsO bestellt. Um die dafür erforderliche Auswahlentscheidung im Einzelfall schnell und auf gesicherter Informationsgrundlage treffen zu können, werden bei den Insolvenzgerichten sog. Vorauswahllisten geführt, auf denen generell geeignete und zur Übernahme von Insolvenzverwaltungen bereite Personen aufgeführt werden. Zahlreiche Insolvenzgerichte haben mittlerweile Fragenkataloge entwickelt, mit 2 denen von Personen, die auf die Vorauswahllisten aufgenommen werden möchten, Informationen abverlangt und Nachweise gefordert werden. Einige dieser Fragenkataloge sind öffentlich zugänglich, etwa die des AG Charlottenburg1), des AG Hannover2) und des AG München3), ferner der Heidelberger Musterfragebogen der Insolvenzgerichte Baden-Württembergs4) sowie die Hamburger Leitlinien zu Reichweite und Durchführung des „Conflict Check“ des AG Hamburg.5) Andere Fragebögen konnten für die Vorbereitung dieser Untersuchung eingesehen werden. Dies betrifft die Amtsgerichte Ansbach, Bamberg, Bayreuth, Darmstadt, Dortmund, Duisburg, Fürth, Hildesheim, Köln, Leipzig, Nürnberg, Offenbach, Regensburg, Reinbek, Rottweil, Weiden und Wiesbaden. Die Informationsbeschaffung durch die Insolvenzgerichte mit Hilfe solcher Fragebögen ist verschiedentlich, auch in der Literatur, auf Kritik gestoßen.6) Dies hat Anlass zu der vorliegenden Untersuchung gegeben, die sich der Thematik der Fragenkataloge der Insolvenzgerichte zur Bewerbung als Insolvenzverwalter bzw. zur Insolvenzverwalterauswahl wissenschaftlich aus verschiedenen rechtlichen Per___________ 1) 2)

3) 4) 5)

6)

Fragebogen AG Charlottenburg, abrufbar unter: https://www.berlin.de. Der Fragebogen wird begleitet von einer Verfahrensordnung zur Verwalterbestellung (abrufbar ebenda). Fragebogen AG Hannover, abrufbar unter: http://www.amtsgericht-hannover.niedersachsen.de. Auch dieser Fragebogen wird begleitet von einer Verfahrensordnung zur Verwalterbestellung (abrufbar ebenda). Die Unterlagen der Amtsgerichte Charlottenburg und Hannover sind insoweit identisch. Fragenkatalog AG München, ZInsO 2009, 421 ff. Heidelberger Musterfragebogen, NZI 2009, 97 ff. Hamburger Leitlinien AG Hamburg, ZInsO 2017, 375 f.; wegen weiterer gerichtlicher Antragsformulare bzw. Fragebögen und Fragenkataloge, mittels derer standardisiert Informationen über die Bewerber erhoben werden, vgl. bspw. AG Dresden, ZIP 2004, 2299; AG Karlsruhe, ZInsO 2006, 78; AG Münster, ZInsO 2007, 876; ein Überblick findet sich bei Hess, in: KK-InsO, § 56 Rz. 217 ff. Vgl. zum Hannoveraner Modell etwa Moderegger, NZI 2017, 241 ff.; dagegen Blankenburg/ Kramer/Noll/Sauer-Colberg, ZInsO 2017, 1018 ff.; vgl. auch OLG Celle, ZIP 2017, 1237.

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1

Teil A Gerichtliche Informationsgewinnung im Vorfeld der Insolvenzverwalterbestellung

spektiven nähert. Im Wesentlichen soll es um die Prüfung gehen, was das Insolvenzgericht im Rahmen der Vorauswahl- und Bestellungsentscheidung nach den Anforderungen von Gesetz und Rechtsprechung wissen soll und muss und welche Eignungskriterien letztlich zu verwenden sind, um einen geeigneten Insolvenzverwalter i. S. d. § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO auszuwählen und zu bestellen. Angesichts der verfassungsrechtlich gebotenen Vorauswahl geeigneter Bewerber soll insbesondere untersucht werden, welche Informationen und Daten in den sog. Vorauswahllisten stehen dürfen und ob und inwieweit sich diesbezüglich von Rechts wegen Einschränkungen ergeben. 3 Das Thema erfordert ein zu dem zu bewertenden Ablauf des Vorauswahl- und Bestellungsprozesses entsprechendes Vorgehen. In einem ersten Abschnitt (Rz. 4 ff.) sind deshalb die allgemeinen Grundsätze des Vorauswahlverfahrens herauszuarbeiten. Dazu ist ausgehend von den gesetzlichen Grundlagen der Insolvenzverwalterbestellung gemäß § 56 InsO die Vorauswahl- und Bestellungsentscheidung darzustellen und voneinander abzugrenzen, wobei insbesondere die sich aus der verfassungsgerichtlichen und der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergebenden Anforderungen an die Eignungskriterien herauszuarbeiten sind und ein allgemeiner Prüfungsmaßstab für deren Verwendbarkeit zu entwickeln ist. Denn diese Entscheidungen sind Ausgangspunkt jedes Informationsund Datenerhebungsinteresses seitens der Insolvenzgerichte. Die gewonnenen Erkenntnisse können sodann in dem sich anschließenden Abschnitt (Rz. 83 ff.) auf die einzelnen, von den Insolvenzgerichten herangezogenen und in Rechtsprechung und Literatur diskutierten Eignungskriterien angewendet werden, um die für die Vorauswahl- und Bestellungsentscheidung maßgeblichen Kriterien herauszufiltern und ihre jeweilige Konkretisierung und die diesbezügliche Informationsgewinnung einer Prüfung zu unterziehen. Einem gesonderten Abschnitt (Rz. 143 ff.) vorbehalten ist schließlich die von der Datenerhebung und -verifizierung im Vorauswahlverfahren durch das einzelne Insolvenzgericht zu trennende Frage, ob und inwieweit bereits erhobene und verarbeitete Daten auch einer inter- und intragerichtlichen Informationsweitergabe zugänglich sind. Nach kurzen übergreifenden Bemerkungen (Rz. 179 ff.) schließt eine Zusammenfassung der Ergebnisse die Untersuchung ab (Rz. 182 ff.). II.

Allgemeine Grundsätze des Vorauswahlverfahrens

4 Im folgenden Abschnitt wird zunächst das zweistufige Vorauswahlverfahren untersucht. Dazu werden ausgehend von den gesetzlichen Grundlagen (Rz. 5 ff.) zunächst die Anforderungen der Rechtsprechung dargelegt (Rz. 16 ff.) und es wird eine einfachgesetzliche Einordnung vorgenommen (Rz. 48 ff.). Möglicherweise auf das Vorauswahlverfahren anwendbare europarechtliche Vorgaben schließen den Abschnitt ab (Rz. 66 ff.).

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II. Allgemeine Grundsätze des Vorauswahlverfahrens

1.

Gesetzliche Grundlagen der Insolvenzverwalterbestellung nach § 56 Abs. 1 InsO

Gesetzliche Grundlage für die Auswahl des Insolvenzverwalters im Regelinsol- 5 venzverfahren ist § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO.7) Nach dessen Wortlaut ist zum Insolvenzverwalter eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person zu bestellen, die aus dem Kreis aller zur Übernahme von Insolvenzverwaltungen bereiten Personen auszuwählen ist. Allgemein lässt sich dazu gleich zu Beginn Folgendes sagen: a)

Insolvenzverwalter

§ 56 InsO benennt einzelne Voraussetzungen und Kriterien für die Auswahl 6 und Bestellung des Insolvenzverwalters, die das Insolvenzgericht (§ 2 Abs. 1 InsO) bzw. der für die Ernennung des Insolvenzverwalters funktional zuständige Insolvenzrichter (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG) im Rahmen seines Auswahlermessens zu berücksichtigen hat.8) In ihrem Kern normiert die Vorschrift dabei zwei wesentliche Anforderungen an die als Insolvenzverwalter zu bestellende Person. Zum einen muss es sich, was zuletzt insbesondere unter verfassungsund europarechtlichen Gesichtspunkten kontrovers diskutiert wurde, um eine natürliche Person handeln, was indes nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sein soll.9) Zum anderen muss – und dies ist das im vorliegenden Zusammenhang zentral zu untersuchende Tatbestandsmerkmal – eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete Person ausgewählt werden. Der Begriff der Eignung wird in § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO mittels der einzig normierten Kriterien „Geschäftskunde“ und „Unabhängigkeit“ beispielhaft konturiert („insbeson-

___________ 7)

8)

9)

Die Anweisung, dass das Insolvenzgericht einen Insolvenzverwalter zu bestellen hat, trifft hingegen schon § 27 Abs. 1 Satz 1 InsO, siehe Nerlich/Römermann-Delhaes/Römermann, InsO, § 56 Rz. 1. Andres/Leithaus-Andres, InsO, § 56 Rz. 1; Braun-Blümle, InsO, § 56 Rz. 1; Riedel, in: HKInsO, § 56 Rz. 1; K/B/P-Lüke, InsO, § 56 Rz. 4; Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 2. Vgl. zur Verfassungsmäßigkeit dieser Voraussetzung BVerfGE 141, 121 amtl. Ls. und Rz. 31 ff. (mit krit. Anm. Römermann, ZIP 2016, 328) sowie BGHZ 198, 225 amtl. Ls. und Rz. 5 ff. (mit krit. Bespr. u. a. von Bluhm, ZIP 2014, 555). Danach verstößt der Ausschluss juristischer Personen von der Bestellung zum Insolvenzverwalter durch § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO weder gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) noch gegen das Grundrecht auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG). Zur europarechtlichen, durch die Frage der Anwendbarkeit der Dienstleistungsrichtlinie (2006/123/EG v. 12.12.2006, ABl. EU L 376, S. 36) determinierten Diskussion siehe Gehrlein, NJW 2013, 3756; Wimmer/Sabel, ZIP 2008, 2097. Zu den beiden, entgegengesetzten Entscheidungen AG Mannheim, ZIP 2016, 132 einerseits und AG Mannheim, ZIP 2016, 431, andererseits vgl. Hess, in: KKInsO, § 56 Rz. 9 f.

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Teil A Gerichtliche Informationsgewinnung im Vorfeld der Insolvenzverwalterbestellung

dere“),10) indessen vom Gesetz nicht abschließend definiert.11) Sowohl bei dem Merkmal der Geschäftskunde als auch bei dem der Unabhängigkeit handelt sich daher nur um Basiskriterien mit der Folge, dass der weitgehend unbestimmte Rechtsbegriff der Eignung12) durch weitere Anforderungen und Teilaspekte ausfüllungs- und konkretisierungsbedürftig und dementsprechend zu ergänzen ist.13) 7 Vor diesem Hintergrund sind in Rechtsprechung und Literatur eine Vielzahl weiterer Kriterien entwickelt worden, anhand derer sich die Eignung des Kandidaten für das Amt des Insolvenzverwalters feststellen lassen soll.14) Dabei ist anerkanntermaßen zwischen der von § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO ausdrücklich angesprochenen Eignung in Bezug auf ein konkretes Insolvenzverfahren einerseits sowie der generellen, von den Spezifika eines einzelnen Insolvenzverfahrens losgelösten Eignung andererseits zu differenzieren. Diese Unterscheidung ergibt sich aus dem Umstand, dass § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO keine Regelung zu der Frage enthält, wie sich der Insolvenzrichter (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG) einen Überblick über die als geeignet in Betracht kommenden Personen verschaffen soll.15) Insofern kommt dem anerkannten Vorauswahlverfahren entscheidende Bedeutung zu. Das Vorauswahlverfahren entscheidet ohne Bezug zu einem konkreten Verfahren über den Kreis potentieller Insolvenzverwalter,16) indem in einem ersten Schritt generell geeignete Bewerber auf eine Vorauswahlliste des Insolvenzgerichts aufgenommen werden.17) Die Feststellung der dafür notwendigen generellen, von den Spezifika des einzelnen Insolvenzverfahrens losgelösten Eignung eröffnet dem Bewerber insofern lediglich die Chance, zukünftig und vorbehaltlich der Feststellung der konkreten Eignung im Einzelfall in einem zu eröffnenden Insolvenzverfahren zum Insolvenzverwalter, Treuhänder oder Sachwalter bestellt zu werden.18) ___________ 10) Bork, ZIP 2013, 145, 146; Riedel, in: HK-InsO, § 56 Rz. 4; K/P/B-Lüke, InsO, § 56 Rz. 5; Lüke, ZIP 2007, 701, 702. 11) Preuß, KTS 2005, 155, 165. Einer weiteren Ausdifferenzierung der Eignungskriterien hat der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens (v. 13.4.2007, BGBl. I 2007 S. 509) eine Absage erteilt, da die ggf. zu kodifizierenden Kriterien ohnehin bereits die Praxis der Verwalterbestellung prägten, vgl. RegE, BT-Drucks. 16/3227, S. 18. 12) So ausdrücklich BVerfGK 16, 84 = ZIP 2009, 1722 Rz. 22. 13) Braun-Blümle, InsO, § 56 Rz. 29; Jahntz, in: FK-InsO, § 56 InsO Rz. 6; Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 14. 14) Kruth, DStR 2017, 669, 670; siehe zu den einzelnen Eignungskriterien und der diesbezüglichen Datenerhebung im Detail unter Rz. 83 ff. 15) So auch schon BVerfGK 4, 1 = ZIP 2004, 1649 Rz. 3; Jaeger-Gerhardt, InsO, § 56 Rz. 60; Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 82, 91. 16) BVerfGK 4, 1 = ZIP 2004, 1649 Rz. 24. 17) K/B/P-Lüke, InsO, § 56 Rz. 8; Kruth, DStR 2017, 669. 18) OLG München, ZIP 2005, 670, 671.

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II. Allgemeine Grundsätze des Vorauswahlverfahrens

b)

Sachwalter

§ 56 InsO gilt nicht nur für den Insolvenzverwalter im Regelinsolvenzverfahren, 8 sondern über § 274 Abs. 1 InsO auch für den Sachwalter im Eigenverwaltungsverfahren. Obgleich der Sachwalter nur eingeschränkte Kompetenzen hat, ihm insbesondere keine Verwaltungs- und Verfügungsmacht übertragen wird, entspricht es allgemeiner Meinung, dass das aus § 56 InsO abzuleitende Anforderungsprofil hier nicht anders ist als beim Insolvenzverwalter im Regelinsolvenzverfahren.19) Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein einstimmiger Vorschlag des vorläufigen Gläubigerausschusses vorliegt.20) Nehmen die Gläubiger aber keinen Einfluss, unterscheiden sich die Auswahlkriterien beim Sachwalter nicht von denen beim Insolvenzverwalter. Daher wird auf das Eigenverwaltungsverfahren in dieser Ausarbeitung nicht weiter eingegangen. c)

Eigenverwaltender Schuldner

Unberücksichtigt bleiben auch die Anforderungen an den eigenverwaltenden 9 Schuldner. Zwar ist es so, dass der Schuldner in der Eigenverwaltung die Insolvenzverwaltungskompetenzen übertragen bekommt, er also durch die Anordnung der Eigenverwaltung gleichsam sein eigener Insolvenzverwalter wird.21) Eine besondere Auswahlentscheidung des Insolvenzgerichts findet dabei aber nicht statt. Es liegt in der Natur der Sache, dass der Schuldner in seinem eigenen Verfahren nicht unabhängig i. S. v. § 56 InsO ist und dass sowohl seine Geschäftskunde als auch seine sonstige Eignung zweifelhaft sein können. Das Gesetz verlangt das aber schon deshalb nicht, weil der Schuldner hier nicht wie ein Insolvenzverwalter für fremdes Vermögen zuständig ist, sondern eben sein eigenes Vermögen verwaltet. Dabei muss er zwar wie ein Insolvenzverwalter im bestmöglichen Gläubigerinteresse handeln. Aber ob er die dafür notwendigen Voraussetzungen mitbringt, wird nicht bei einer Auswahlentscheidung nach § 56 InsO geprüft, sondern bei der Anordnung der Eigenverwaltung selbst, die gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 1 InsO voraussetzt, dass keine Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird. Die Seriositätskontrolle findet also auf eine ganz andere Weise statt, nämlich dadurch, dass nicht nach einem geeigneten Verwalter gesucht, sondern nur der ungeeignete (Eigen-)Verwalter ausgeschieden wird, der nicht einmal die Mindeststandards erfüllt. Deshalb muss auf den eigenverwaltenden Schuldner im vorliegenden Zusammenhang nicht weiter eingegangen werden. ___________ 19) Vgl. nur K/P/B-Pape, InsO, § 274 Rz. 9; Tetzlaff/Kern, in: MünchKomm-InsO, § 274 Rz. 14. 20) Dazu sogleich unter Rz. 10. 21) Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, Rz. 471 Fn. 17 m. w. N.; K/P/B-Pape, InsO, § 270 Rz. 1; Tetzlaff, in: MünchKomm-InsO, § 270 Rz. 147.

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Teil A Gerichtliche Informationsgewinnung im Vorfeld der Insolvenzverwalterbestellung

d)

Einfluss der Gläubigerorgane

10 Interessanterweise erlaubt das Gesetz den Gläubigern, durch Entscheidung der Gläubigerorgane die Verantwortung für die Auswahl des Insolvenzverwalters zu übernehmen. aa)

Vorschlag des vorläufigen Gläubigerausschusses

11 Dies geschieht zum einen gemäß § 56a Abs. 2 InsO, wenn ein vorläufiger Gläubigerausschuss einstimmig eine bestimmte Person als Insolvenzverwalter vorschlägt. In diesem Fall darf das Insolvenzgericht die Bestellung der vorgeschlagenen Person nur verweigern, wenn diese für die Übernahme des Amtes nicht geeignet ist (§ 56a Abs. 2 Satz 1 InsO). Dabei ist ein vom vorläufigen Gläubigerausschuss formuliertes Anforderungsprofil zugrunde zu legen (§ 56a Abs. 2 Satz 2 InsO). Der Gesetzgeber hat ausdrücklich klargestellt, dass bei der Prüfung der Geeignetheit der vorgeschlagenen Person die beim zuständigen Gericht geführte Vorauswahlliste irrelevant ist.22) Ob die vorgeschlagene Person auf dieser23) Liste steht, hat daher keine Bedeutung. Es kommt vielmehr nur auf die Eignung i. S. v. § 56 InsO an, also insbesondere auf die Unabhängigkeit und die Geschäftskunde. Insoweit gilt dann allerdings inhaltlich dasselbe wie bei der Auswahl eines Insolvenzverwalters durch das Insolvenzgericht, d. h. es sind dieselben Maßstäbe anzulegen wie bei § 56 InsO.24) Eine Reduzierung auf eine „offensichtliche“ Ungeeignetheit hat das Gesetz nicht vorgesehen.25) 12 Verfahrensrechtlich kann sich das Gericht freilich, weil die Vorauswahlliste keine Rolle spielt, auf die Informationsgewinnung im Vorfeld der Bestellung nur dann stützen, wenn die vom vorläufigen Gläubigerausschuss vorgeschlagene Person zufällig beim zuständigen Gericht gelistet ist. Ist das nicht der Fall, muss das Gericht bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte, die zu vernünftigen Zweifeln Anlass geben,26) die in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit im Rahmen summarischer Kontrolle zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten ausschöpfen, insbesondere diese Frage mit der vorgeschlagenen Person, dem Schuldner und den Mitgliedern des vorläufigen Gläubigerausschusses diskutieren. Das Ausfüllen langer Fragebögen27) oder das Beibringen von Belegen kann aber nicht verlangt werden. Es wäre weder mit der Eilbedürftigkeit der Entscheidung noch ___________ 22) Siehe RegE ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 26. 23) Hingegen wird man verlangen können, dass die vorgeschlagene Person überhaupt bei irgendeinem deutschen Insolvenzgericht gelistet ist; vgl. Hölzle, Praxisleitfaden ESUG, §§ 56, 56a InsO Rz. 51; ferner Braun-Blümle, InsO, § 56a Rz. 24. 24) Siehe RegE ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 26; K/P/B-Lüke, InsO, § 56a Rz. 13; K. SchmidtRies, InsO, § 56a Rz. 20. 25) Riedel, in: HK-InsO, § 56a Rz. 23; anders aber wohl Römermann, NJW 2012, 645, 649. 26) Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56a Rz. 9. 27) A. M. Frind, in: HambKomm-InsO, § 56a Rz. 25b; Riedel, in: HK-InsO, § 56a Rz. 23.

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II. Allgemeine Grundsätze des Vorauswahlverfahrens

mit dem in § 56a Abs. 2 InsO zum Ausdruck kommenden Primat der Gläubigerautonomie vereinbar. Insoweit läuft es dann unter dem Aspekt der Amtsermittlung letztlich doch auf offensichtliche Hindernisse und sich vernünftigerweise aufdrängende Zweifel hinaus.28) Das ergibt sich auch daraus, dass das Gericht nicht befugt ist, seine Ermessensentscheidung an die Stelle der der Gläubigerversammlung zu setzen. § 56a InsO ist eng auszulegen. Der Vorschlag des vorläufigen Gläubigerausschusses ist grundsätzlich bindend29) und das Gericht kann von ihm nur abweichen, wenn die Ernennung der vorgeschlagenen Person gesetzwidrig wäre, nicht aber schon dann, wenn es eine andere Person für besser geeignet hielte.30) Anders gewendet: Das Gericht hat jetzt keine Auswahlkompetenz mehr, sondern nur noch die Kompetenz zur Überprüfung der gesetzlichen Grenzen, prüft also nicht die Eignung, sondern nur die Nichteignung.31) Verstößt das Insolvenzgericht gegen die Vorgaben des § 56a InsO, so ist seine 13 Bestellungsentscheidung – wie auch sonst in den Fällen des § 56 InsO – nicht anfechtbar (§ 6 Abs. 1 Satz 1 InsO).32) Die Gläubiger haben aber die Möglichkeit, unter den Voraussetzungen des § 56a Abs. 3 InsO durch den vorläufigen Gläubigerausschuss oder gemäß § 57 InsO durch die Gläubigerversammlung eine andere als die vom Gericht bestellte Person zu wählen. bb)

Wahl durch die Gläubigerversammlung

Die vorstehenden Überlegungen geltend auch für die in § 57 InsO vorgesehene 14 Möglichkeit einer Abwahl. Der vom Insolvenzgericht bestellte Insolvenzverwalter kann von der ersten auf die Bestellung folgenden Gläubigerversammlung abgewählt und durch eine andere Person ersetzt werden. Wiederum darf das Insolvenzgericht die Bestellung der gewählten Person nur verweigern, wenn diese ungeeignet ist (§ 57 Abs. 1 Satz 3 InsO), nicht aber dann, wenn es sich selbst für eine andere Person entschieden hätte.33) Angesichts des Primats der Gläubigerautonomie34) darf das Insolvenzgericht insoweit auch hier weder auf seiner Vorauswahlliste bestehen35) noch darf es das Ausfüllen von Fragebögen oder nur umständlich zu beschaffende Belege verlangen. Das folgt nicht zuletzt daraus, dass die Gläubiger nach § 57 InsO ein Recht auf Mitbestimmung bei der Bestellung des Insolvenzverwalters haben, in dem sich ihr verfassungsrechtlicher ___________ 28) 29) 30) 31) 32) 33) 34) 35)

Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56a Rz. 41; K. Schmidt-Ries, InsO, § 56a Rz. 20. Siehe RegE ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 26. Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56a Rz. 37, 40; K. Schmidt-Ries, InsO, § 56a Rz. 20. Braun-Blümle, InsO, § 56a Rz. 11; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56a Rz. 9. Siehe RegE ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 26. Riedel, in: HK-InsO, § 57 Rz. 6; Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 57 Rz. 27. BGH, ZIP 2004, 2341, 2342. K. Schmidt-Ries, InsO, § 57 Rz. 12; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 57 Rz. 23.

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Teil A Gerichtliche Informationsgewinnung im Vorfeld der Insolvenzverwalterbestellung

Anspruch auf ein die effektive Durchsetzung ihrer Forderungen ermöglichendes Verfahren verwirklicht.36) Das Insolvenzgericht darf daher die Entscheidung der Gläubigerversammlung auch verfahrenstechnisch nicht unterlaufen,37) sondern muss sich auf die ihm in der Kürze der Zeit zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten beschränken, insbesondere sich aufgrund konkreter Anhaltspunkte vernünftigerweise aufdrängenden Zweifeln nachgehen.38) 15 Versagt das Gericht der von der Gläubigerversammlung gewählten Person die Bestellung, so ist das gemäß § 57 Satz 4 InsO mit der sofortigen Beschwerde überprüfbar, für die jeder Insolvenzgläubiger, nicht aber der Schuldner und auch nicht die gewählte Person beschwerdebefugt ist. 2.

Konkretisierung des Vorauswahlverfahrens durch die Rechtsprechung

16 Sowohl die Einungskriterien als auch das Vorauswahlverfahren selbst sind mangels konkreter gesetzlicher Vorgaben verschiedentlich durch die Rechtsprechung konkretisiert worden. So haben die Insolvenzrichter am Amtsgericht BerlinMitte schon 1929 „Richtlinien (…) für die dort tätigen Konkursverwalter“ formuliert.39) Den vorläufigen Abschluss dieser Entwicklung bilden die hier zu beurteilenden Fragebögen. a)

Kriterien für die Feststellung der Eignung

17 Im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand sind zunächst die Vorgaben der Rechtsprechung für die Eignungskriterien zu untersuchen. Denn sie sind Ausganspunkt einer jeden Informationsgewinnung im (justizverwaltungsrechtlichen) Vorauswahlverfahren der Insolvenzgerichte und bilden gleichsam einen ersten, äußeren Rahmen. Denn Kriterien, die zur Feststellung der Eignung von vornherein irrelevant sind und deshalb außer Betracht zu bleiben haben, erfordern auch keine diesbezügliche Informationsgewinnung. 18 Ausgangspunkt ist, dass § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO dem Insolvenzgericht bei der Bestellung des Insolvenzverwalters in einem konkreten Verfahren anerkanntermaßen ein weites Auswahlermessen einräumt,40) welches ihm eine Entscheidung unter angemessener Berücksichtigung der Interessen der Gläubiger und des Schuldners erlaubt sowie sachwidrigen Verzögerungen vorbeugt.41) Eine ___________ 36) 37) 38) 39) 40)

BGH, ZIP 2013, 1286 Rz. 7. Vgl. BGH, ZIP 2013, 1286 Rz. 7, 12 ff. Riedel, in: HK-InsO, § 57 Rz. 10; K. Schmidt-Ries, InsO, § 57 Rz. 11. AG Berlin-Mitte, JW 1929, 1633 ff. BVerfGK 8, 418 = ZIP 2006, 1541 Rz. 6; BVerfGK 8, 372 = ZIP 2006, 1956 Rz. 10; BVerfGE 116, 1 amtl. Ls. 1 und Rz. 30; BVerfGK 4, 1 = ZIP 2004, 1649 Rz. 30; BGH, ZIP 2008, 515 Rz. 17; vgl. aus der Literatur statt aller Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 62. 41) BVerfGE 116, 1 Rz. 32, 41.

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II. Allgemeine Grundsätze des Vorauswahlverfahrens

Letzterem entgegenstehende Bestenauslese ist bei der Auswahlentscheidung nicht zu gewährleisten, da Art. 33 Abs. 2 GG mangels Wahrnehmung eines öffentlichen Amtes durch den Insolvenzverwalter nicht gilt.42) Die Auswahlentscheidung ist gleichwohl nicht in das freie Belieben des Insolvenz- 19 gerichts gestellt, sondern muss von diesem wegen der Grundrechtsbindung (Art. 1 Abs. 3 GG) sachgerecht ausgeübt werden, insbesondere unter Beachtung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG. Dies hat zur Folge, dass bei der Auswahlentscheidung auch die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten43) Interessen der Bewerber zu berücksichtigen sind, die zwar keinen Anspruch auf Bestellung in einem konkreten Verfahren,44) wohl aber auf pflichtgemäße und damit sachgerechte Ermessensausübung haben.45) Jeder Bewerber um das Amt des Insolvenzverwalters muss deshalb grundsätzlich eine faire Chance erhalten, entsprechend seiner in § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO vorausgesetzten Eignung berücksichtigt zu werden.46) Hiermit ist für die zuvörderst in Frage stehenden Kriterien zur Beurteilung der 20 Eignung zunächst noch nichts gewonnen. Denn nur i. S. d. § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO geeigneten Bewerbern steht insofern ein subjektives Recht auf chancengleichen Zugang zu. Die Eignung ist stets als Vorstufe zu der konkreten Auswahlentscheidung festzustellen. Dies wird nicht zuletzt dadurch deutlich, dass das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der konkreten Auswahlentscheidung stets von den bereits geeigneten Bewerbern spricht und betont, dass es regelmäßig mehrere (konkret) geeignete Bewerber geben wird, aus denen auszuwählen ist.47) Vor diesem Hintergrund sind dann auch die Ausführungen in der Leitentscheidung vom 23. Mai 2006 zu verstehen, wonach bei der Auswahl sachgerechter Kriterien die Interessen der Gläubiger und des Schuldners des konkreten Verfahrens maßgebend sind.48) Hiermit wird in erster Linie klargestellt, dass sich die Auswahl nicht nach sachwidrigen Kriterien, wie etwa Bedarf, Sympathie, Zufall, materielle Vorteile oder Freundschaft, ohne jeden Bezug zum konkreten Verfahren richten darf,49) sondern allein danach, den für das konkrete Verfahren am ehesten geeigneten, wenngleich nicht notwendigerweise den objektiv bestgeeigneten Kandidaten auszuwählen. ___________ 42) 43) 44) 45) 46) 47) 48) 49)

BVerfGE 116, 1 Rz. 32. BVerfGE 141, 121 Rz. 35 ff.; BVerfGK 4, 1 = ZIP 2004, 1649 Rz. 28. BVerfGE 116, 1 Rz. 30. BVerfGK 8, 372 = ZIP 2006, 1956 Rz. 10; BVerfGK 8, 368 = ZIP 2006, 1954 Rz. 10; BVerfGE 116, 1 Rz. 31. BVerfGK 8, 418 = ZIP 2006, 1541 Rz. 10; BVerfGE 116, 1 Rz. 31; BVerfGK 4, 1 = ZIP 2004, 1649 Rz. 27. Siehe BVerfGE 116, 1 Rz. 30 – 33, insb. Rz. 32. BVerfGE 116, 1 Rz. 33 ff. Vgl. zu sachwidrigen Auswahlkriterien zuvor schon Hess/Ruppe, NZI 2004, 641; ferner Gaier, ZInsO 2006, 1177, 1181.

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Teil A Gerichtliche Informationsgewinnung im Vorfeld der Insolvenzverwalterbestellung

aa)

Sachgerechte Kriterien zur Feststellung der Eignung

21 Erst in einem späteren Abschnitt der Leitentscheidung vom 23. Mai 2006 wird neben dem Auswahlermessen dann auch die Feststellung der Eignung thematisiert. Nach dem Bundesverfassungsgericht ist es dabei grundsätzlich Aufgabe der Fachgerichte, die Kriterien für die Feststellung der Eignung sowie für die sachgerechte Ausübung des Auswahlermessens zu entwickeln.50) Die vorliegend zu untersuchende Frage, welche Kriterien zur Bestimmung der konkreten (als auch der generellen) Eignung herangezogenen werden können, ist damit im Ergebnis zunächst eine des einfachen Rechts.51) 22 Sie ist im Grundsatz dem für die Bestellung zuständigen Insolvenzrichter (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG) überantwortet, der – obgleich es sich funktional um Akte der Justizverwaltung handelt – in richterlicher Unabhängigkeit tätig wird. Das bedeutet nur, dass mit der richterlichen Unabhängigkeit einhergeht, dass das Insolvenzgericht als Teil der insoweit tätigen Justizverwaltungsbehörde Weisungen nicht unterworfen ist,52) nicht aber, dass die Festlegung der Eignungskriterien der (verfassungs-)gerichtlichen Kontrolle entzogen wäre.53) Sie sind vielmehr im Instanzenzug sowie als fachgerichtliche Entscheidungen letztlich durch das Bundesverfassungsgericht jedenfalls auf die zutreffende Beurteilung der Reichweite und Wirkkraft der Grundrechte überprüfbar.54) Ein Grundrechtsverstoß liegt dabei insbesondere vor, wenn die konkrete Bestellungsentscheidung oder schon die Aufnahme auf die Vorauswahlliste von Voraussetzungen abhängig gemacht wird, die aus Sachgründen offensichtlich nicht mehr zu rechtfertigen sind.55) Die für die Feststellung der konkreten wie auch der generellen Eignung verwendeten Kriterien sind somit jedenfalls überprüfungsfähig und -bedürftig, wenngleich sich aus dem Prüfungsmaßstab der Sachgerechtigkeit allein noch wenig Konkretes gewinnen lässt. Die Detailfragen zu den jeweiligen Eignungskriterien können deshalb schwerlich abstrakt, sondern – wie nachfolgend – nur in Ansehung des jeweiligen Eignungskriteriums unter Heranziehung der dazu ergangenen fachgerichtlichen Rechtsprechung und der einschlägigen Literatur beantworten werden.

___________ 50) BVerfGE 141, 121 Rz. 29; BVerfGK 16, 84 = ZIP 2009, 1722 Rz. 14, 25; BVerfGK 8, 418 = ZIP 2006, 1541 Rz. 6; BVerfGK 8, 372 = ZIP 2006, 1956 Rz. 10; BVerfGK 8, 368 = ZIP 2006, 1954 Rz. 14; BVerfGE 116, 1 Rz. 45; vgl. ferner BGH, ZIP 2008, 515 Rz. 19; zuvor auch schon Hess/Ruppe, NZI 2004, 641. 51) Gaier, ZInsO 2006, 1177, 1181; Vallender, NJW 2006, 2597, 2598. 52) BGH, ZIP 2016, 876 Rz. 18; Laroche/Pollmächer/Frind, ZInsO 2017, 492 (Anm. zu BGH, ZInsO 2017, 490 = ZIP 2017, 487). 53) Gaier, ZInsO 2006, 1177, 1181. 54) BVerfGK 16, 84 = ZIP 2009, 1722 Rz. 14; Gaier, ZInsO 2006, 1177, 1181. 55) BVerfGK 16, 84 = ZIP 2009, 1722 Rz. 14.

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II. Allgemeine Grundsätze des Vorauswahlverfahrens

Aus der zu den einzelnen Eignungskriterien ergangenen verfassungsgerichtlichen 23 Rechtsprechung lässt sich aber immerhin ableiten, dass es hinsichtlich der Ausdifferenzierung der Eignungskriterien verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn der unbestimmte Rechtsbegriff der Eignung i. S. d. § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht nur auf Eigenschaften bezogen wird, die unmittelbar der Person des Bewerbers innewohnen, sondern auch darauf, in welcher Weise der Bewerber das ihm übertragene Amt im Falle seiner Bestellung voraussichtlich ausüben wird.56) Denn Bezugspunkt der Eignung ist gerade die später auszuübende Tätigkeit als Insolvenzverwalter.57) Verallgemeinert man diese Aussage über die dort streitgegenständliche Frage (Höchstpersönlichkeit) hinaus, ergibt sich hieraus die Erwägung, dass es für die Eignung i. S. d. § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO auch auf Umstände ankommen kann, die sich auf die (zukünftige) Wahrnehmung der Tätigkeit als Insolvenzverwalter durch den Kandidaten beziehen,58) mithin auf dessen konkrete Berufsausübung. Aus verfassungsrechtlicher Sicht eröffnet dies insbesondere den Komplex der sachlichen Eignung, der Kriterien zum organisatorischen Unterbau (Kanzlei- und Mitarbeiterausstattung)59) sowie der Ortsnähe und Erreichbarkeit60) enthält. bb)

Verfassungsrechtliche Kontrolle i. S. e. Verhältnismäßigkeitsprüfung

Fraglich ist weiterhin, ob neben den soeben dargelegten Anforderungen auch 24 die Verhältnismäßig der Eignungskriterien überprüft werden kann. Dies ist weniger von Interesse für die bloße Festlegung der sachgerechten Eignungskriterien in abstrahierender Weise als vielmehr für deren nähere Ausgestaltung und Konkretisierung. Die aufgeworfene Frage ist zu bejahen. Denn die Bestimmung und Konkreti- 25 sierung der Kriterien zur Feststellung der Eignung ist rechtsmethodisch nichts anderes als die Auslegung und Anwendung eines einfachgesetzlichen unbestimmten Rechtsbegriffs im Einzelfall, bei welcher das Insolvenzgericht aufgrund der Gesetzes- und Grundrechtsbindung gemäß Art. 1 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG auch die Grundrechte der Bewerber zu berücksichtigen hat. Aus der verfassungsgerichtlichen Überantwortung der Aufgabe an die Fachgerichte, sachgerechte Kriterien für die Feststellung der Eignung eines Bewerbers zu entwickeln,61) folgt selbstverständlich nichts anderes. Denn das Bundesverfassungsgericht hat sich – wie ___________ 56) BVerfGK 16, 84 = ZIP 2009, 1722 Rz. 22; siehe zu dem dort streitgegenständlichen Kriterium der höchstpersönlichen Bearbeitung noch unter Rz. 108 ff. 57) BVerfGK 16, 84 = ZIP 2009, 1722 Rz. 22. 58) Jacoby, ZIP 2009, 2081, 2082. 59) Siehe dazu Rz. 139 ff. 60) Näheres siehe unter Rz. 96 ff. 61) BVerfGE 116, 1 Rz. 45.

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bereits angemerkt62) – hierdurch nicht auch der Kontrolle der Eignungskriterien auf die Einhaltung von Reichweite und Wirkkraft der Grundrechte begeben, sondern lediglich auf deren abschließende Entwicklung verzichtet, da es dafür nicht zuständig ist.63) Damit sind schon bei der Bestimmung des Anforderungsprofils für die Eignung i. S. d. § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO sowie dessen näherer Ausgestaltung insbesondere auch etwaige sich aus der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG ergebende Einschränkungen zu beachten. Dies ergibt sich im Einzelnen aus der folgenden Grundrechtsprüfung (Rz. 26 ff.) und wird zugleich erreicht und bestätigt durch die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Rz. 31 f.). (1)

Rechtsdogmatische Herleitung

26 Die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG schützt anerkanntermaßen neben der freien Ausübung des Berufs auch die Berufswahl, also das Recht, einen Beruf frei zu wählen.64) Die Tätigkeit als Insolvenzverwalter ist seit der grundlegenden Leitentscheidung des Bundesverfassungsgerichts65) zur Justiziabilität des Vorauswahlverfahrens als eigenständiger Beruf allgemein anerkannt.66) Sie unterfällt damit dem Schutzbereich der Berufsfreiheit, der die freie Wahl und Ausübung des Berufs gewährleistet. Im Grundsatz gilt dies für jeden Bewerber, der die Tätigkeit des Insolvenzverwalters ernsthaft, für eine gewisse Dauer und zur Schaffung und Erhaltung der Lebensgrundlage ergreifen will. Nichts anderes folgt aus dem Umstand, dass § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO den Zugang zum Amt des Insolvenzverwalters nur bei Vorliegen der Geeignetheit ermöglicht und insofern einfachgesetzlich gerade nicht schlechthin jedermann offensteht. Denn zutreffenderweise handelt es sich hierbei schon nicht mehr um eine Frage des Schutzbereichs,67) sondern um die Frage des Eingriffs und dessen Rechtfertigung.68) Die Eröffnung des Schutzbereichs darf insofern nicht schon zur Disposition des einfachen Rechts gestellt und durch die Voraussetzung der Eignung in § 56 Abs. 1

___________ 62) Siehe unter Rz. 21 ff. 63) Gaier, ZInsO 2006, 1177, 1181. 64) BVerfGE 141, 121 Rz. 34; Ruffert, in: BeckOK-GG (33. Ed., Stand: März 2017), Art. 12 Rz. 47; Maunz/Dürig-Scholz, GG, Art. 12 Rz. 25, 266. 65) BVerfGK 4, 1 = ZIP 2004, 1649 Rz. 28. 66) Siehe zuletzt BVerfGE 141, 121 Rz. 32 ff. 67) So auch Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 59, wonach jedem, der sich zur Tätigkeit als Insolvenzverwalter berufen fühlt, im Grundsatz auch der grundrechtliche Schutz dieses Berufes zusteht. 68) Wobei nochmals klargestellt sei, dass es vorliegend nicht um die Überprüfung des gesetzlichen Eignungskriteriums in § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO im Allgemeinen geht, sondern um dessen Konkretisierung und Ausgestaltung durch das Insolvenzgericht im Einzelfall.

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II. Allgemeine Grundsätze des Vorauswahlverfahrens

Satz 1 InsO und deren nähere Ausgestaltung von vornherein eingeschränkt werden.69) Die Ausformung und Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Eig- 27 nung durch Festlegung weiterer Voraussetzungen durch das Insolvenzgericht beeinträchtigt den einzelnen Kandidaten in seinem Recht, den geschützten Beruf des Insolvenzverwalters frei zu ergreifen. Denn wer die seitens des Insolvenzgerichts aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllt, ist nicht geeignet und kann damit von vornherein nicht zum Insolvenzverwalter bestellt werden, den Beruf mithin schon nicht ergreifen. Für die konkrete Bestellungsentscheidung folgt dies im jeweiligen Einzelfall unmittelbar aus § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO. Doch auch für die Festlegung der Eignungskriterien im Vorauswahlverfahren gilt nichts anderes. Zwar bindet die Vorauswahlliste das Gericht bei dessen konkreter Bestellungsentscheidung nicht an die gelisteten Bewerber. Gleichwohl werden Bewerber, die mangels Vorliegens der aufgestellten Voraussetzungen als generell ungeeignet angesehen werden und infolgedessen keine Aufnahme auf die Vorauswahlliste finden, bei einer anstehenden Auswahlentscheidung kaum je Beachtung finden.70) Bereits die anhand des Maßstabs der generellen Eignung vorgenommene Entscheidung über die Aufnahme auf die Vorauswahlliste berührt den Bewerber daher schon gegenwärtig und nicht „irgendwann einmal in der Zukunft“71) in seiner Berufsfreiheit.72) Sowohl bei der Festlegung der Eignungskriterien im Vorauswahlverfahren für die generelle Eignung als auch für die konkrete Bestellungsentscheidung handelt es sich daher um subjektive Berufszugangsregelungen.73) Selbstverständlich können und werden die mit dem Aufstellen zusätzlicher Eig- 28 nungsvoraussetzungen einhergehenden Eingriffe in die Berufsfreiheit verfassungsrechtlich regelmäßig gerechtfertigt sein. Denn mit § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO ___________ 69) Wer dies anders sieht und meint, der Gesetzgeber habe das Berufsbild des Insolvenzverwalters von vornherein in zulässiger Weise normativ dergestalt fixiert, dass nur nach bestimmten Spezifikationen geeignete Personen i. S. d. § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO Zugang erhalten können, verkennt, dass hinsichtlich des Zugangs zum Beruf eine normative Fixierung gerade nicht existiert, vgl. auch BVerfGE 141, 121 Rz. 35. Im Übrigen wäre auch eine derartige rechtliche Ausgestaltung durch den Gesetzgeber und die damit einhergehende Verengung des Schutzbereichs am Maßstab der Verhältnismäßigkeit überprüfungsfähig, vgl. BVerfGK 5, 91 = ZIP 2005, 537 Rz. 9 (dort für die bejahte normative Fixierung des Berufsbilds durch die Abwahlmöglichkeit der Gläubiger gemäß § 57 InsO). Kritisch zu dieser grundrechtsdogmatischen Figur Ruffert, in: BeckOK-GG (33. Ed., Stand: März 2017), Art. 12 Rz. 50. 70) So auch BVerfGE 141, 121 Rz. 30. 71) BVerfGE 72, 1, 5 (Rz. 14 – juris). 72) Vgl. BVerfGE 141, 121 Rz. 28. 73) So wohl auch Höfling, JZ 2009, 339, 343 unter Hinweis auf die von der sog. UhlenbruckKommission erarbeiteten Empfehlungen zu den Eignungskriterien (abgedr. in ZIP 2007, 1432); ähnlich Preuß, KTS 2005, 155, 168, wonach zumindest die Aufnahme auf die Vorauswahlliste den Zugang zum Verwalterberuf und nicht nur dessen Ausübung betrifft.

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Teil A Gerichtliche Informationsgewinnung im Vorfeld der Insolvenzverwalterbestellung

ist zunächst eine für Eingriffe in die Berufsfreiheit hinreichende gesetzliche Grundlage vorhanden.74) Im Hinblick auf das Aufstellen der Eignungsvoraussetzungen für die konkrete Auswahlentscheidung folgt dies schon aus dem Wortlaut der Norm („insbesondere“), der die Eignungskriterien nicht abschließend festlegt. Doch auch für das Vorauswahlverfahren soll nichts anderes gelten und § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO eine hinreichende gesetzliche Grundlage darstellen.75) Der Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG – der aufgrund der Einheitlichkeit des Grundrechts auch für Eingriffe in die Berufswahlfreiheit gilt76) – ist somit auch für die nähere Ausgestaltung und Konkretisierung der Eignung durch das Insolvenzgericht gewahrt. 29 Entscheidend ist danach allein, ob bei der Festlegung des Anforderungsprofils zur Feststellung der Eignung auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet worden ist.77) Der Eingriff, d. h. die Aufstellung bzw. Konkretisierung eines Eignungskriteriums, muss insofern zur Erreichung eines legitimen Eingriffsziels geeignet und erforderlich sein und dessen Zweck muss in einem angemessenen Verhältnis zur Eingriffsintensität stehen.78) Mit der Ausformung und Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Eignung durch die Festlegung weiterer Voraussetzungen wird freilich – wie auch mittels § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO im Allgemeinen – die geordnete Durchführung des Insolvenzverfahrens bezweckt.79) Dieses Ziel stellt anerkanntermaßen ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut dar und kann vorbehaltlich der weiteren Prüfungspunkte grundsätzlich auch subjektive (Berufswahl-)Zulassungsvoraussetzungen – wie es die Eignungskriterien sind80) – rechtfertigen.81) 30 Ob das jeweilige Eignungskriterium zur Erreichung dieses legitimen Ziels geeignet, erforderlich und angemessen ist, kann jeweils nur im Einzelfall entschieden werden. Im Ergebnis bleibt jedenfalls festzuhalten, dass hinsichtlich der Eignungskriterien auch die Verhältnismäßigkeitsprüfung eröffnet ist, die zum Prüfungsmaßstab der Sachgerechtigkeit hinzutritt und insbesondere überzogenen Anforderungen im Einzelfall methodisch Einhalt gebieten kann. ___________ 74) So zuletzt BVerfGE 141, 121 Rz. 41. 75) So ausdrücklich BVerfGK 16, 84 = ZIP 2009, 1722 Rz. 10; vgl. ferner schon BVerfGK 8, 418 = ZIP 2006, 1541 Rz. 6. 76) Ruffert, in: BeckOK-GG (33. Ed., Stand: März 2017), Art. 12 Rz. 74. 77) St. Rspr., siehe nur BVerfGE 135, 90 Rz. 63 m. w. N. 78) St. Rspr., siehe nur BVerfGE 141, 121 Rz. 40 m. w. N. 79) Vgl. auch BVerfGE 116, 1 Rz. 30, wonach § 56 Abs. 1 InsO – und damit maßgeblich die Eignung als zentrales Tatbestandsmerkmal – der sachgerechten Durchführung des Insolvenzverfahrens und damit der Wahrung der Interessen der Gläubiger sowie auch des Schuldners dient. 80) Vgl. Ruffert, in: BeckOK-GG (33. Ed., Stand: März 2017), Art. 12 Rz. 121. 81) So ausdrücklich BGHZ 198, 225 Rz. 28 in Bezug auf das Erfordernis der natürlichen Person als Teilaspekt der Eignung i. S. d. § 56 Abs. 1 Satz1 InsO.

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II. Allgemeine Grundsätze des Vorauswahlverfahrens

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Bestätigung des Ergebnisses durch die Praxis des Bundesverfassungsgerichts

Diese grundsätzlichen Erwägungen sind zuletzt inzidenter auch durch die Ent- 31 scheidung des Bundesverfassungsgerichts zur (Nicht-)Zulassung juristischer Personen zum Insolvenzverwalteramt bestätigt worden. Das Bundesverfassungsgericht bejaht dort – dem soeben dargestellten Prüfprogramm im Wesentlichen entsprechend –, ob das gesetzgeberisch normierte Erfordernis der natürlichen Person insbesondere vor dem Hintergrund der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist.82) Es versteht dieses Erfordernis dabei auch als gesetzlich normierten Teilaspekt der Eignung als dem zentralen Tatbestandsmerkmal des § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO.83) Nichts anderes kann dann aber für die weiteren Teilaspekte der Eignung gelten, einerseits also für die gesetzlich fixierten Eignungskriterien der Geschäftskunde und der Unabhängigkeit, andererseits aber auch für die seitens des Insolvenzgerichts im Rahmen des nicht abschließenden Wortlauts des § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO zusätzlich aufgestellten und bei der Listungs- und Bestellungsentscheidung angewendeten Voraussetzungen der Eignung. Grundrechtsdogmatisch entscheidend ist insofern allein, dass sowohl die gesetzliche Grundlage als auch ihre konkrete Anwendung im Einzelfall einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten muss. Dementsprechend lässt sich auch der zu einzelnen Eignungskriterien ergange- 32 nen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung entnehmen, dass die zur Ausfüllung der Eignung in § 56 Abs. 1 InsO herangezogenen Kriterien nicht dazu führen dürfen, dass den Bewerbern der Zugang zum Insolvenzverwalteramt gänzlich oder zumindest in unzumutbarer Weise erschwert wird.84) cc)

Zwischenergebnis

Im Ergebnis muss es sich bei den Kriterien für die Feststellung der Eignung 33 somit nicht nur um sachgerechte Kriterien handeln, sondern auch um solche, die im Hinblick auf die Berufsfreiheit verhältnismäßig, d. h. geeignet, erforderlich und angemessen sind. b)

Die Informationsgewinnung im Vorauswahlverfahren

Nachdem vorliegend in einem ersten Schritt die rechtlichen Anforderungen an 34 die Eignungskriterien selbst untersucht wurden, ist nunmehr danach zu fragen, in welchem Verfahren die Eignung der Bewerber festgestellt werden kann. ___________ 82) BVerfGE 141, 121 Rz. 31 ff.; siehe demgegenüber noch die in erster Linie am allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG orientierte Prüfung des vorlegenden IX. Senats in BGHZ 198, 225. 83) BVerfGE 116, 1 Rz. 30. 84) BVerfG, ZIP 2009, 975 Rz. 11; BVerfGK 8, 418 = ZIP 2006, 1541 Rz. 10; Gaier, ZInsO 2006, 1177, 1182. Dieses verfassungsrechtliche Erfordernis ist vor allem bei der Frage der praktischen Erfahrungen von Relevanz, siehe dazu noch unter Rz. 89 f.

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35 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfordert das durch den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG geschützte Interesse eines jeden Bewerbers auf chancengleichen Zugang zum Amt des Insolvenzverwalters in einem konkreten Verfahren auch eine angemessene Verfahrensgestaltung im Vorfeld der Auswahlentscheidung.85) Hinzukommt, dass die als eigenständiger Beruf geschützte Tätigkeit des Insolvenzverwalters86) nur aufgrund der Zuteilung durch einen Träger öffentlicher Gewalt wahrgenommen werden kann, sodass auch Art. 12 Abs. 1 GG eine der Bedeutung der Berufsfreiheit angemessene Verfahrensgestaltung gebietet.87) Denn fehlte es an einer solchen Verfahrensgestaltung, wäre der Berufszugang weitgehend von den Zufälligkeiten der Bekanntheit eines Insolvenzverwalterbüros oder der Bekanntschaft zwischen potentiellen Insolvenzverwaltern, Richtern und Rechtspflegern abhängig,88) nicht aber ausschließlich von der gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO entscheidenden Eignung der Bewerber. aa)

Sinn und Zweck der Vorauswahl

36 Von Verfassungs wegen erforderlich ist daher eine Gestaltung des Auswahlverfahrens, die dem Insolvenzgericht angesichts der regelmäßig vorliegenden Eilbedürftigkeit eine zügige Eignungsprüfung für das konkrete Insolvenzverfahren ermöglicht und ihm außerdem hinreichende Informationen für eine pflichtgemäße Ausübung des Auswahlermessens verschafft und verfügbar macht.89) Zur Erfüllung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben kommt dem anerkannten und weithin üblichen Vorauswahlverfahren entscheidende Bedeutung zu. Denn dieses kann (und muss, um den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht zu werden) dem Gericht trotz der regelmäßig vorliegenden Eilbedürftigkeit für seine sachgerechte Auswahlentscheidung eine hinreichend sichere Tatsachengrundlage vermitteln.90) Das Vorauswahlverfahren ist damit grundsätzlich unverzichtbar,91) ___________ 85) 86) 87) 88) 89) 90) 91)

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BVerfGE 116, 1 Rz. 43. BVerfGE 141, 121 Rz. 35 ff.; BVerfGK 4, 1 = ZIP 2004, 1649 Rz. 28. BVerfGK 16, 84 = ZIP 2009, 1722 Rz. 10, BVerfGK 4, 1 = ZIP 2004, 1649 Rz. 28 f. BVerfGK 4, 1 = ZIP 2004, 1649 Rz. 33. BVerfGE 116, 1 Rz. 43. BVerfGE 141, 121 Rz. 29; BVerfGE 116, 1 Rz. 43; BVerfGK 4, 1 = ZIP 2004, 1649 Rz. 31. Dies gilt jedenfalls solange, bis eine andere Möglichkeit gefunden (und angewandt) wird, die dem Gericht die für seine konkrete Auswahlentscheidung notwendigen Informationen verschafft, vgl. Gaier, ZInsO 2006, 1177, 1182; K. Schmidt-Ries, InsO, § 56 Rz. 48, 49; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 7. Uhlenbruck/Mönning, ZIP 2008, 157, 158 gehen davon aus, dass an der rechtlichen Notwendigkeit der Vorauswahlliste kein Zweifel besteht; ebenso die Uhlenbruck-Kommission, ZIP 2007, 1432. Für die Einführung eines zentralen Zulassungsverfahrens siehe Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 138; vgl. auch Eichel, KTS 2017, 1, 6, passim mit einer Untersuchung zu Möglichkeiten einer (Teil-)Zentralisierung des derzeitigen dezentralen Vorauswahl(listen)verfahrens de lege lata; ferner Pollmächer/Siemon, NZI 2017, 93 ff. mit einem Vorschlag zur zentralen Datenerhebung durch einen Bundesinsolvenzverwalter de lege ferenda.

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II. Allgemeine Grundsätze des Vorauswahlverfahrens

um einerseits den chancengleichen Zugang zum Amt des Insolvenzverwalters zu gewährleisten, andererseits – und für die vorliegende Untersuchung entscheidend – aber auch deswegen, um eine zügige Eignungsprüfung für das konkrete Verfahren zu ermöglichen. Beides ist Voraussetzung für eine ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung i. S. d. § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO. Dem Verfahren kommt insofern also eine Doppelfunktion zu.92) Fraglich ist freilich, was aus dieser Funktion für den Vorauswahlprozess folgt. bb)

Inhalt und Gestaltung der Vorauswahlliste

Die Ausgestaltung der im Rahmen des Vorauswahlverfahrens geführten Vor- 37 auswahllisten ist zunächst den Fachgerichten überlassen.93) Bei deren Führung wird durch das Insolvenzgericht (als unselbständiger Teil der funktional tätigen Justizverwaltungsbehörde) vollziehende Gewalt in richterlicher Unabhängigkeit ausgeübt.94) Gleichwohl bedingt die soeben dargelegte Doppelfunktion auch die Ausgestaltung des dem konkreten Insolvenzverfahren vorgelagerten Vorauswahlverfahrens. Dieses darf sich nach den verfassungsgerichtlichen Vorgaben nicht nur auf das Erstellen einer Namens- und Adressliste interessierter Bewerber beschränken.95) Es muss nach den ausdrücklichen Worten des Bundesverfassungsgerichts vielmehr auch die Erhebung, Verifizierung und Strukturierung der Daten gewährleisten, die nach der Einschätzung des jeweiligen Insolvenzgerichts nicht nur für die Feststellung der Eignung eines Bewerbers im konkreten Fall maßgebend sind, sondern vor allem auch eine sachgerechte Ermessensausübung bei der Auswahl des Insolvenzverwalters aus dem Kreis der geeigneten Bewerber ermöglichen.96) Für die im Vorauswahlverfahren zu erhebenden Daten ergibt sich hieraus Zweierlei: Zum einen wird für den Inhalt der Vorauswahllisten ein gewisser Rahmen vorgegeben (Rz. 38 ff.), zum anderen wird den Fachgerichten innerhalb dieses Rahmens ein Gestaltungsspielraum überlassen (Rz. 42). (1)

Zu erhebende Daten

Das Vorauswahlverfahren und die in diesem Rahmen geführten Vorauswahllisten 38 sollen die konkrete Auswahlentscheidung vorbereiten.97) Die dort erhobenen Daten müssen deshalb vor allem eine zügige Eignungsprüfung für das konkrete

___________ 92) 93) 94) 95) 96) 97)

Eichel, KTS 2017, 1, 3; Preuß, KTS 2005, 155, 158. BVerfGK 16, 84 = ZIP 2009, 1722 Rz. 12. BGH, ZIP 2017, 487 Rz. 13. BVerfGE 116, 1 Rz. 44. BVerfGE 116, 1 Rz. 44. So auch schon BVerfGK 4, 1 = ZIP 2004, 1649 Rz. 28.

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Teil A Gerichtliche Informationsgewinnung im Vorfeld der Insolvenzverwalterbestellung

Verfahren ermöglichen. Die Vorauswahlliste hat dem Gericht insofern eine wesentliche Erkenntnisquelle für die konkrete Bestellungsentscheidung zu liefern.98) 39 Daraus folgt, dass nicht nur diejenigen Daten zu erheben sind, die für die noch näher zu untersuchende generelle Eignung zur Aufnahme auf die Vorauswahlliste zwingend von Relevanz sind,99) sondern darüber hinaus auch diejenigen, die bei einer konkreten, in ihrer Ausprägung aber noch ungewissen Bestellungsentscheidung maßgebend sind bzw. nach der Einschätzung des Insolvenzgerichts sein werden. Das Vorauswahlverfahren und mit ihm die Datenerhebung durch die gerichtlichen Fragebögen hat mithin nicht den Selbstzweck, den Bewerbern nur die Aufnahme auf die Vorauswahlliste zu ermöglichen. Die erhobenen Daten müssen also nicht nur die Prüfung der generellen Eignung für die Aufnahme auf die Vorauswahlliste ermöglichen, sondern müssen auch – und in erster Linie – für die jeweiligen konkreten Bestellungsentscheidungen zwecks (konkreter) Eignungsprüfung und sachgerechter Ausübung des Auswahlermessens zur Verfügung stehen. Auch wenn die konkrete Eignung naturgemäß zum Zeitpunkt des Vorauswahlverfahrens noch nicht geprüft werden kann, ist eine diesbezügliche Datenerhebung nicht schlechthin ausgeschlossen. Denn es können schon diejenigen Daten erhoben werden, die typischerweise und nach der Einschätzung und Erfahrung des Insolvenzgerichts bei zukünftigen konkreten Bestellungsentscheidungen regelmäßig von Relevanz sein werden.100) Festhalten lässt sich daher, dass der Maßstab für die zu erhebenden Daten grundsätzlich nicht nur diejenigen (sachgerechten) Eignungskriterien sind, die für die Feststellung der generellen Eignung erforderlich sind, sondern auch solche, die typischerweise erst in einem konkreten Verfahren von Relevanz sind. 40 Diese Erkenntnis wird vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 3. August 2009 bestätigt. Dort hat es ausgeführt, dass die Gestaltung der Listen auch dem Umstand Rechnung tragen muss, dass nicht jeder generell für eine Verwaltertätigkeit geeignete Bewerber auch für jede Art von Verfahren geeignet ist.101) Diese Erkenntnis ergebe sich schon aus § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO, der ___________ 98) So auch K/P/B-Lüke, InsO, § 56 Rz. 19; Lüke, ZIP 2007, 701, 703. 99) Siehe hierzu noch unter Rz. 43 ff. 100) Zutr. Riedel, in: HK-InsO, § 56 Rz. 13, wonach möglichst alle tatsächlichen Grundlagen abzufragen sind, die für die konkrete Bestellungsentscheidung des Insolvenzrichters von Bedeutung sein können; ebenso Lüke, ZIP 2007, 701, 706 (dort um und bei Fn. 63), 709, der zutreffend auf die wohl wenig kontroversen, zur Veranschaulichung gleichwohl plakativen Fremdsprachen- und Branchenkenntnisse hinweist (siehe dazu im Detail noch Rz. 91 f. und Rz. 93 f.). Diese dürften regelmäßig nur bei der konkreten Bestellungsentscheidung Relevanz erlangen (Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a, Rz. 64), können indes schon in den Vorauswahllisten vermerkt werden; Graf-Schlicker-GrafSchlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 14. 101) BVerfGK 16, 84 = ZIP 2009, 1722 Rz. 13.

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II. Allgemeine Grundsätze des Vorauswahlverfahrens

auf die Eignung „für den jeweiligen Einzelfall“ abstelle.102) Die Eignung in Bezug auf ein konkretes Verfahren kann insofern an weitergehende Voraussetzungen zu knüpfen sein als die generelle, von den Spezifika des einzelnen Insolvenzverfahrens gelöste Eignung für das Insolvenzverwalteramt im Allgemeinen.103) Dieser Erkenntnis sei durch die Erhebung der maßgeblichen Daten und durch entsprechende Strukturierung der Listen Rechnung zu tragen.104) Auch hiernach sind also nicht nur die für die Feststellung der generellen, von den Spezifika des einzelnen Insolvenzverfahrens gelöste Eignung im Allgemeinen erforderlichen Daten zu erheben, sondern auch solche, die nur in einigen Kategorien von Insolvenzverfahren relevant werden können. Erreicht wird anhand dieser an Sinn und Zweck des Vorauswahlverfahrens orien- 41 tierten Verfahrensgestaltung auch gleichsam eine gewisse – wenngleich vorerst noch recht konturlose – Beschränkung der Datenerhebung. Denn aufgrund der soeben dargestellten Zweckbindung der Datenerhebung sind selbstverständlich nur diejenigen Daten zu erheben und vom Gericht anzufordern, die Aufschluss über das Vor- oder Nichtvorliegen eines sachgerechten Eignungskriteriums geben können. Umgekehrt muss dann freilich gelten, dass ein als für die (konkrete) Eignungsprüfung nicht für sachgerecht befundenes Eignungskriterium auch keinerlei Datenerhebung erfordert. Denn diesbezügliche Daten wären weder zur Feststellung der (konkreten) Eignung des Bewerbers geeignet noch könnte deren Verwendung zu einer sachgerechten Ermessensausübung bei der Auswahl des Insolvenzverwalters aus dem Kreis der (generell) geeigneten Bewerber führen. (2)

Gestaltungsspielraum der Fachgerichte

Besonderer Hervorhebung bedarf ferner die Aussage des Bundesverfassungsge- 42 richts, dass sich die Beurteilung, welche Daten zur Feststellung der Eignung im konkreten Fall erforderlich sind, grundsätzlich nach der Einschätzung des Insolvenzgerichts richtet. Die Aussage führt die bereits dargestellte Grundannahme fort, dass schon die Festlegung und Ausgestaltung der Eignungskriterien – freilich innerhalb der dargestellten Grenzen – dem Insolvenzgericht als Fachgericht überantwortet ist. Der insoweit funktional zuständige Insolvenzrichter hat nicht nur die für die Feststellung der Eignung maßgeblichen (sachgerechten und verhältnismäßigen) Kriterien aufzustellen und zu konkretisieren, sondern kann grundsätzlich auch entscheiden, welche Daten und Informationen nach seiner Einschätzung zur Subsumtion unter diese Kriterien erforderlich

___________ 102) BVerfGK 16, 84 = ZIP 2009, 1722 Rz. 13. 103) BVerfGK 16, 84 = ZIP 2009, 1722 Rz. 13; BVerfGK 4, 1 = ZIP 2004, 1649 Rz. 34; JaegerGerhardt, InsO, § 56 Rz. 54 ff. 104) BVerfGK 16, 84 = ZIP 2009, 1722 Rz. 13.

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sind.105) Auch insoweit wird man dem Insolvenzgericht daher einen gewissen Einschätzungsspielraum zuzugestehen haben. cc)

Abgrenzung zur Aufnahme auf die Vorauswahlliste

43 Von dieser soeben dargestellten Funktion des Vorauswahlverfahrens und den sich daraus ergebenden Inhalten der Vorauswahlliste ist die Entscheidung über die Aufnahme auf die Vorauswahlliste abzugrenzen. 44 Wiederum aus der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ergibt sich insofern die Maßgabe, dass die Vorauswahlliste so zu führen ist, dass in sie jeder Bewerber einzutragen ist, der die grundsätzlich zu stellenden Anforderungen an eine generelle, von der Typizität des einzelnen Insolvenzverfahrens losgelöste Eignung für das Amt des Insolvenzverwalters erfüllt.106) Damit ist in der Leitentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Mai 2006 zunächst dem Modell einer „geschlossenen Liste“ (sog. Closed Shop), auf die ein neuer Bewerber nur bei Ausscheiden einer bisher gelisteten Person aufgenommen wurde, eine Absage erteilt worden.107) Die Abkehr vom Modell der geschlossenen Liste ist mittlerweile auch seitens des Gesetzgebers durch Einfügung des § 56 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 InsO klargestellt worden,108) der bestimmt, dass der Insolvenzverwalter aus dem Kreis aller zur Übernahme bereiten Personen auszuwählen ist. Infolgedessen kann die Aufnahme auf die Vorauswahlliste nur mit der Begründung abgelehnt werden, dass der Bewerber für das Amt des Insolvenzverwalters generell ungeeignet ist.109) ___________ 105) So wohl auch K/P/B-Lüke, InsO, § 56 Rz. 23 („In welcher Form das Gericht die Voraussetzungen ermittelt, ist ihm überlassen. Auch insoweit besteht ein Ermessensspielraum.“); Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 95 („Über die Art und Weise des Aufnahmeverfahrens und der hierbei vorzubringenden Umstände haben die einzelnen Insolvenzgerichte bzw. Insolvenzrichter selbständig zu entscheiden.“); Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 34 („bei der Art und Weise der Beschaffung der Entscheidungsgrundlagen bestehe ein pflichtgemäßes Ermessen des Richters“). 106) BVerfGE 141, 121 Rz. 29; BVerfGK 16, 84 = ZIP 2009, 1722 Rz. 11; BVerfGK 8, 418 = ZIP 2006, 1541 Rz. 8; BVerfGE 116, 1 Rz. 45; Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 34 m. w. N. 107) BVerfGE 116, 1 Rz. 45; Jahntz, in: FK-InsO, § 56 Rz. 7; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 14; auch eine turnusmäßige Bestellung anhand der Listenreihenfolge ist unzulässig, BVerfGE 116, 1 Rz. 45. 108) Eingefügt durch das Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens (InsVereinfG) v. 13.4.2007, BGBl. I 2007 S. 509; vgl. zum historischen Willen des Gesetzgebers auch RegE, BT-Drucks. 16/3227, S. 18. 109) Siehe für die h. M. statt aller Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 10; a. A. Frind, in: HambKomm-InsO, § 56 Rz. 23 ff., der auch den transparent gemachten gerichtlichen Bedarf als sachgerechtes Kriterium ansieht und eine Begrenzung der Gesamtzahl von Bewerbern auf der Vorauswahlliste ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung bereits de lege lata für zulässig erachtet. Nerlich/Römermann-Delhaes/Römermann, InsO, § 56 Rz. 10 halten es dagegen jedenfalls für zulässig, im Falle einer immer umfangreicher werdenden Liste die Anforderungskriterien zur Aufnahme auf die Vorauswahlliste sachgerecht zu erhöhen. Dies dürfte noch auf einer Linie mit der h. M. liegen, soweit Bewerber infolgedessen als generell ungeeignet abgelehnt werden.

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II. Allgemeine Grundsätze des Vorauswahlverfahrens

Der Bundesgerichtshof hat sich dem ausdrücklich angeschlossen.110) Für das Vor- 45 auswahlverfahren steht ihm zufolge dabei die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der persönlichen und fachlichen Eignung im Vordergrund. Hierfür ist durch das Insolvenzgericht ein bestimmtes Anforderungsprofil mit Eignungskriterien zu erstellen, an welchem die Qualifikation des jeweiligen Bewerbers zu messen ist.111) Die aufgestellten generellen Eignungskriterien sind dabei vom Insolvenzgericht transparent zu machen, was beispielsweise durch Veröffentlichung im Internet oder durch Verweis auf einen gerichtlichen Fragebogen geschehen kann.112) Das Insolvenzgericht darf weder das Verfahren im Allgemeinen noch die Eignungskriterien für das Anforderungsprofil im Besonderen willkürlich bestimmen,113) d. h. diese müssen sachgerecht sein.114) Seine ständige Vergabepraxis kann darüber hinaus zu einer Selbstbindung führen.115) Erfüllt der Bewerber diese persönlichen und fachlichen Anforderungen für das 46 Amt des Insolvenzverwalters im Allgemeinen, kann ihm die Aufnahme auf die Vorauswalliste nicht versagt werden.116) Bei der Prüfung, d. h. der Subsumtion, ob der Bewerber die allgemeinen Kriterien für die fachliche und persönliche Eignung (= generelle Eignung) erfüllt, ist dem Insolvenzgericht allerdings ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen,117) da der Beurteilung ein prognostisches ___________ 110) BGH, ZIP 2016, 876 Rz. 18; 2008, 515 Rz. 19. Der Insolvenzrichter ist nicht verpflichtet, eine auf die Typizität einzelner Insolvenzverfahren (Kleinverfahren/Großverfahren, etc.) beruhende, getrennte Liste zu führen, er kann die Eignung der Bewerber nach generellen Maßstäben prüfen, vgl. OLG Hamburg, ZInsO 2011, 1655 (Rz. 34 – juris). 111) BGH, ZIP 2016, 876 Rz. 24; 2008, 515 Rz. 21. 112) BGH, ZIP 2016, 876 Rz. 24; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 9; nach Frind, ZInsO 2016, 1083, 1088 und Frind, in: HambKomm-InsO, § 56 Rz. 7a soll auch die bloße Bezugnahme auf eine Kommentierung ausreichen; dem folgt OLG Hamburg, ZInsO 2011, 1655 (Rz. 37 – juris). 113) BGH, ZIP 2016, 876 Rz. 24; BVerfGK 16, 84 = ZIP 2009, 1722 Rz. 14; Laroche/ Pollmächer/Frind, ZInsO 2017, 492 (Anm. zu BGH, ZInsO 2017, 490 = ZIP 2017, 487). 114) Die Begrifflichkeiten „nicht offensichtlich sachwidrig“ und „willkürlich“ werden in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts häufig synonym verwendet, vgl. BVerfGE 57, 39, amtl. Ls.; hierauf weist auch Jacoby, ZIP 2009, 2081, 2084 hin. Auch der Übergang von der Negativdefinition der Eignungskriterien als „nicht willkürlich“ bzw. „nicht offensichtlich sachwidrig“ zur Positivdefinition als „sachgerecht“ wird vom Bundesgerichtshof praktiziert, vgl. BGH, ZIP 2016, 930 amtl. Ls. und Rz. 24; ferner BGH, KTS 2017, 57 Rz. 24 (im Wesentlichen inhaltsgleich). Nach alledem wird man die Sachgerechtigkeit eines aufgestellten Kriteriums nicht allein deshalb vermuten können, weil es von einem Insolvenzgericht herangezogen wurde. 115) BGH, ZIP 2016, 876 Rz. 24; vgl. ferner BVerfGK 16, 84 = ZIP 2009, 1722 Rz. 11; BVerfGE 116, 135 Rz. 65. 116) BGH, ZIP 2016, 876 Rz. 24; 2008, 515 Rz. 20. 117) Nach der verwaltungsrechtlichen Literatur unterliegen Beurteilungsspielräume einer eingeschränkten Kontrolle insoweit, als (nur) zu überprüfen ist, ob die Behörde gegen Verfahrensvorschriften verstoßen oder den Beurteilungsspielraum verkannt hat, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet oder sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen, vgl. Aschke, in: BeckOKVwVfG (37. Ed., Stand: 1.4.2017), § 40 Rz. 133.

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Teil A Gerichtliche Informationsgewinnung im Vorfeld der Insolvenzverwalterbestellung

Element immanent ist.118) Erst wenn diese Prüfung ergibt, dass der Bewerber die Anforderungen erfüllt, er also generell geeignet ist, besteht ein einklagbarer Anspruch auf Aufnahme auf die Vorauswahlliste.119) Ein darüber hinausgehendes (Auswahl-)Ermessen des die Vorauswahlliste führenden Insolvenzgerichts besteht im Vorauswahlverfahren dagegen nicht,120) sondern kommt erst zum Tragen, wenn es darum geht, diejenige Person aus der Liste auszuwählen, die im Einzelfall für am ehesten geeignet gehalten wird. 47 Hieraus folgt, dass der Bewerber zur Aufnahme auf die Vorauswahlliste zumindest diejenigen Tatsachen darzulegen hat, die seine generelle Eignung nachweisen. Maßstab der Informationsgewinnung ist die generelle Eignung aber nicht. Denn im Rahmen des Vorauswahlverfahrens ist nicht nur die generelle Eignung zu prüfen, sondern es sind auch diejenigen Daten zu erheben und zu verifizieren, die das Insolvenzgericht zur Feststellung der konkreten Eignung benötigt. Die Feststellung der generellen Eignung ist insofern zwar ein wichtiger, aber nicht allein maßgeblicher Teil des Vorauswahlverfahrens. 3.

Einfachgesetzliche Verfahrensausgestaltung

48 Für die Ermittlungsbefugnisse des Insolvenzgerichts im Vorauswahlverfahren von Bedeutung ist die Frage nach dem anwendbaren Ermittlungsgrundsatz. Nach wohl allgemeiner Meinung in Rechtsprechung121) und Schrifttum122) gilt der Grundsatz der Amtsermittlung (Untersuchungsgrundsatz123)). Ein rechtlicher Anknüpfungspunkt wird mangels Kodifizierung des Vorauswahlverfahrens indes regelmäßig nicht genannt, sodass zur Verifizierung der Anwendbarkeit ___________ 118) BGH, ZIP 2016, 876 Rz. 24; 2008, 515 Rz. 21. 119) BGH, ZIP 2016, 876 Rz. 24; 2008, 515 Rz. 20. 120) BGH, ZIP 2016, 876 Rz. 24; 2008, 515 Rz. 20. Nichts anderes folgt aus der vielzitierten Entscheidung BVerfGK 16, 84 = ZIP 2009, 1722 Rz. 11 (vgl. den Wortlaut: „Dabei ist der Insolvenzrichter von Verfassungs wegen nicht gehindert, unter dem Gesichtspunkt fehlender genereller Eignung [Hervorh. d. Verf.] auch solche Bewerber unberücksichtigt zu lassen, die nach Kriterien seiner ständigen Ermessenspraxis […] keinerlei Aussicht auf tatsächliche Berücksichtigung haben.“). Bei keinerlei Aussicht auf tatsächliche Berücksichtigung kann den Bewerbern (an diesem Gericht) also die generelle Eignung abgesprochen und die Aufnahme auf die Vorauswahlliste verwehrt werden. Eine Ermessensentscheidung läge erst vor, wenn ihnen trotz genereller Eignung die Aufnahme verweigert werden könnte (vgl. Jacoby, ZIP 2009, 2081, 2083). Gegen ein Auswahlermessen spricht ferner, dass bei der Beurteilung der generellen Geeignetheit ein direkter Vergleich mit anderen Bewerbern gerade nicht vorgesehen ist, vgl. Graeber, NZI 2004, 546, 547. 121) OLG Hamburg, NZI 2011, 762, 765 (wohl nur in Bezug auf das gerichtliche Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG); OLG Koblenz, ZIP 2005, 2005, 1283 (Rz. 36 – juris). 122) Göcke, in: BeckOK-InsO, § 56 Rz. 13; Frind, in: HambKomm-InsO, § 56 Rz. 7a; Riedel, in: HK-InsO, § 56 Rz. 15; K/P/B-Lüke, InsO, § 56 Rz. 23; Laukemann, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters, S. 217; K. Schmidt-Ries, InsO, § 56 Rz. 13; im Ergebnis auch Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 33. 123) Dieser Terminus ist im Verwaltungsverfahren üblich, vgl. § 24 VwVfG, § 88 AO.

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II. Allgemeine Grundsätze des Vorauswahlverfahrens

des Amtsermittlungsgrundsatzes zunächst dessen Herleitung zu untersuchen ist (Rz. 49 ff.), bevor auf die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen eingegangen werden kann (Rz. 53). a)

Anwendbarkeit des Amtsermittlungsgrundsatzes

Zur Begründung der Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes wird teilweise auf 49 § 5 Abs. 1 InsO verwiesen, der schon im Vorauswahlverfahren eine gewisse Vorwirkung entfalte.124) Hiergegen spricht indes, dass die Norm die Amtsermittlung nur in Bezug auf ein konkretes Insolvenzverfahren anordnet; notwendig ist insofern ein bereits eingeleitetes Insolvenzverfahren125) in der Weise, dass ein zulässiger Eröffnungsantrag vorliegt.126) Hieran fehlt es im Vorauswahlverfahren aber gerade noch. Sachnäher dürfte deshalb eine Herleitung aus anderen Verfahrensvorschriften sein. Gegen die im Vorauswahlverfahren zu treffende Entscheidung des Insolvenz- 50 gerichts über die Aufnahme auf die Vorauswahlliste steht anerkanntermaßen der Rechtsweg in dem Verfahren gemäß §§ 23 ff. EGGVG offen; die Entscheidung wird insofern als überprüfungsfähiger Justizverwaltungsakt sui generis charakterisiert.127) Da auch die §§ 23 ff. EGGVG keine umfassende Verfahrenskodifikation enthalten, gelten dort ergänzend – und trotzt Abschaffung des ausdrücklichen Verweises in § 29 EGGVG Abs. 2 a. F.128) – die Vorschriften des FamFG entsprechend und damit insbesondere auch der Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 26 FamFG.129) Gegen die Übertragung auf das vorgelagerte Justizverwaltungsverfahren lässt sich freilich anführen, dass die §§ 23 ff. EGGVG und damit auch § 26 FamFG nur für das gerichtliche Verfahren zur Überprüfung des Justizverwaltungsakts gelten, indessen keine entsprechende Vorschrift für die vorgeschaltete Vorauswahl als Justizverwaltungsverfahren existiert, welches die gerichtlich überprüfbare Aufnahmeentscheidung als Justizverwaltungsakt überhaupt erst hervorbringt. Ein sich insoweit dem Anschein nach anbietender Rekurs auf die allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Vorschrift des § 24 VwVfG bleibt verwehrt, da das Verwaltungsverfahrensgesetz gemäß § 2 Abs. 3 ___________ 124) Frind/Schmidt, NZI 2004, 533, 537; Frind, in: HambKomm-InsO, § 56 Rz. 22. 125) Madaus, in: BeckOK-InsO, § 5 Rz. 1; Graf-Schlicker-Kexel, InsO, § 5 Rz. 2; Ganter/ Lohmann, in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 13; K. Schmidt-Stephan, § 5 Rz. 3. 126) BGHZ 153, 205, 207; BGH, ZIP 2007, 1868 Rz. 8. 127) BVerfGK 4, 1 = ZIP 2004, 1649 Rz. 23; Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 37; Frind, in: HambKomm-InsO, § 56 Rz. 7a; Riedel, in: HK-InsO, § 56 Rz. 17; K/P/B-Lüke, InsO, § 56 Rz. 24. 128) § 29 Abs. 2 EGGVG lautete bis zum 31.8.2009: „Im übrigen sind auf das Verfahren vor dem Zivilsenat die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit über das Beschwerdeverfahren, auf das Verfahren vor dem Strafsenat die Vorschriften der Strafprozeßordnung über das Beschwerdeverfahren sinngemäß anzuwenden.“ 129) Pabst, in: MünchKomm-ZPO, Vor §§ 23 ff. EGGVG Rz. 5 m. w. N.

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Teil A Gerichtliche Informationsgewinnung im Vorfeld der Insolvenzverwalterbestellung

Nr. 1 VwVfG nicht für den Erlass von Justizverwaltungsakten i. S. d. § 23 Abs. 1 EGGVG gilt.130) Eine unmittelbar anwendbare Norm für das Vorauswahlverfahren existiert daher nicht. 51 Unbestritten ist gleichwohl dessen Charakter als Justizverwaltungsverfahren, sodass das Prinzip der Amtsermittlung zumindest als allgemeiner Grundsatz des Verwaltungshandelns in Abgrenzung zur theoretisch alternativ in Betracht kommenden Verhandlungsmaxime (Beibringungsgrundsatz)131) zur Anwendung kommen muss.132) Rechtsmethodisch lässt sich die nachgerade dargestellte Regelungslücke durch eine Gesamtanalogie zu § 5 InsO, § 26 FamFG, § 24 VwVfG schließen. Denn der Amtsermittlungsgrundsatz rechtfertigt sich allgemein aus der Erwägung, dass den einschlägigen Verfahren ein besonderes öffentliches – jedenfalls aber nicht zur Disposition der Beteiligten stehendes – Interesse immanent ist und die Entscheidung daher auf Grundlage der materiellen – und nicht der allein von den Beteiligten vorgebrachten formellen – Wahrheit basieren soll.133) Es geht um die Wahrung besonders schutzwürdiger, nicht disponibler Interessen, weshalb die Beschaffung der Tatsachengrundlage nicht allein den Beteiligten überlassen werden kann.134) Dieser Gedanke gilt auch im Vorauswahlverfahren, welches sich nach Sinn und Zweck eben nicht nur auf die Sichtbarmachung der Bewerber beschränkt,135) sondern dem Gericht vor allem eine hinreichende Tatsachengrundlage für die allein im maßgeblichen Gläubiger- und Schuldnerinteresse zu treffende Eignungsprüfung vermitteln soll.136) Im Ergebnis wird man daher in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung auch für das Vorauswahlverfahren und die in diesem Zusammenhang durchgeführte Datenerhebung, -strukturierung und -verifizierung den Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 5 InsO, § 26 FamFG, § 24 VwVfG analog anzuwenden haben. 52 Zu beachten ist jedoch, dass die sich aus der Wirkkraft der Grundrechte ergebenden und insoweit vom Bundesverfassungsgericht konkretisierten Anforderungen an das Vorauswahlverfahren nicht negiert werden dürfen, sondern im Gegenteil im Wege einer verfassungskonformen Anwendung des Amtsermittlungsgrundsatzes zur umfassenden Anwendung zu bringen sind.137) ___________ 130) 131) 132) 133) 134) 135) 136) 137)

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Stelkens/Bonk/Sachs-Schmitz, VwVfG, § 2 Rz. 108. Siehe dazu nur Rauscher, in: MünchKomm-ZPO, Einl. Rz. 328 ff. So auch Laukemann, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters, S. 217. Vgl. bspw. Ulrici, in: MünchKomm-FamFG, § 26 Rz. 5; Ganter/Lohmann, in: MünchKommInsO, § 5 Rz. 4. Ulrici, in: MünchKomm-FamFG, § 26 Rz. 5. Hierfür würde in der Tat eine Liste mit Namen und Anschriften interessierter Bewerber genügen. Vgl. BVerfGE 116, 1 Rz. 44. So wohl auch Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 33. Die sich aus der Verfassung ergebenden Vorgaben gehen nach dem Grundsatz des höherrangigen Rechts (lex superior derogat legi inferiori) insofern vor.

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II. Allgemeine Grundsätze des Vorauswahlverfahrens

b)

Rechtsfolgen für die Ermittlungstätigkeit

Gemäß § 26 FamFG hat das Insolvenzgericht von Amts wegen die zur Fest- 53 stellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Dieser Grundsatz ist freilich durch die Mitwirkungsobliegenheiten des Bewerbers begrenzt, der seine Eignung durch detaillierte und verifizierbare Angaben darzustellen hat.138) In welcher Form das Gericht ermittelt, ob die Voraussetzungen für die Aufnahme auf die Vorauswahlliste bzw. für die Bestellung in einem konkreten Insolvenzverfahren erfüllt sind, ist grundsätzlich ihm überlassen,139) wobei es sich am Gebot der materiellen Wahrheit zu orientieren hat.140) In der Regel erfolgt die Datenerhebung mittels eines einheitlichen Fragebogens; auch ein ergänzendes persönliches Vorstellungsgespräch ist, insbesondere zur Überprüfung der Validität mittels eines Fragebogens nicht verifizierbarer Angaben, zulässig. Insbesondere aus der Geltung des Untersuchungsgrundsatzes i. V. m. § 29 Abs. 1 Satz 2 FamFG folgt, dass sich das Gesetz insofern nicht mit der formellen Wahrheit begnügt, sondern die materielle Richtigkeit der Entscheidung zu sichern ist.141) Rechtsfolge des Amtsermittlungsgrundsatzes ist auch, dass das Gericht bei Unklarheiten des Antrages oder in ihm enthaltener Angaben beim Antragsteller nachfragen muss und nicht unter Hinweis auf eben diese Unklarheiten die Aufnahme auf die Liste ohne Weiteres versagen darf.142) 4.

Verifizierung der Daten und Mitwirkungsobliegenheiten des Bewerbers

Damit kann sich die Untersuchung der Verifizierung der mitgeteilten Informa- 54 tionen und den Mitwirkungsobliegenheiten des Bewerbers zuwenden. Allfällige Mitwirkungsobliegenheiten werden immer dann besonders relevant, wenn sich bestimmte Eignungskriterien, insbesondere solche der persönlichen Qualifikation, nicht durch den Nachweis des Vorliegens bestimmter Umstände verifizieren lassen, sondern gerade durch das Nichtvorliegen solcher Umstände. Es geht also um die Frage, ob der Bewerber auch Gründe vortragen muss, die gegen seine generelle oder konkrete Eignung sprechen. Insofern ist zu differenzieren zwischen der Annahme einer eigenständigen Offenbarungspflicht (Rz. 55) sowie einem Auskunftsrecht des Insolvenzgerichts, welches – weitergehend – eine spezifische Pflicht zur wahrheitsgemäßen Beantwortung begründet (Rz. 56 f.). Abschließend sind Nachweispflichten in den Blick zu nehmen (Rz. 58).

___________ 138) 139) 140) 141) 142)

Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 33. K/P/B-Lüke, InsO, § 56 Rz. 23. Ulrici, in: MünchKomm-FamFG, § 26 Rz. 11. Ulrici, in: MünchKomm-FamFG, § 26 Rz. 5. K/P/B-Lüke, InsO, § 56 Rz. 23.

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Teil A Gerichtliche Informationsgewinnung im Vorfeld der Insolvenzverwalterbestellung

a)

Offenbarungspflicht

55 Der Insolvenzverwalter ist wichtigstes Organ des Insolvenzverfahrens; ihm kommt eine zentrale Rolle zu.143) Er nimmt treuhänderisch fremde Vermögensangelegenheiten wahr und genießt eine besondere Vertrauensstellung. Die Person des Insolvenzverwalters hat eine überragende Bedeutung für die ordnungsgemäße Abwicklung des Insolvenzverfahrens; sie hat eine den Interessen sowohl der Gläubiger als auch des Schuldners verpflichtete Stellung inne.144) Der Insolvenzverwalterkandidat ist deshalb nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwar nicht verpflichtet, dem Insolvenzgericht vor der Bestellung ungefragt jegliche Pflichtwidrigkeit aus anderen Verfahren mitzuteilen.145) Die aus der besonderen Stellung des Insolvenzverwalters entspringenden Treuepflichten gegenüber dem Insolvenzgericht sowie auch gegenüber den Gläubigern und dem Schuldner verbieten es aber, bei der Bestellung Umstände zu verschweigen, welche die fehlende Integrität des Kandidaten belegen.146) Bis dahin muss also der Bewerber nicht von sich aus aktiv werden und das Gericht mit Informationen versorgen, sondern er kann abwarten, welche Informationen das Gericht haben möchte. b)

Auskunftsrecht des Insolvenzgerichts

56 Die Erkenntnis, dass der Insolvenzverwalter bei der Bestellung von sich aus Umstände offenbaren muss, die seine fehlende Integrität belegen und in Insolvenzverfahren zu seiner Entlassung führen müssten, bedeutet im Umkehrschluss nicht auch, dass er über alle anderen kompromittierenden Umstände, welche diese Schwelle nicht erreichen, im Bewerbungsprozess generell schweigen dürfte. Denn der Bundesgerichtshof hat in der zuvor referierten Entscheidung ausdrücklich ausgeführt, dass der obige Maßstab nur dann gilt, wenn nicht nach diesen Umständen gefragt wurde.147) Für das Vorauswahlverfahren von Bedeutung ist aber die Frage, welche Umstände auf ausdrückliche Fragen hin wahrheitsgemäß mitzuteilen sind. Der Verweis auf die notwendige Integrität und Ehrlichkeit des Insolvenzverwalters gibt zur Beantwortung allein nichts her, denn eine daraus abzuleitende Pflicht zur wahrheitsgemäßen Beantwortung von Fragen setzt die Zulässigkeit der Frage schon voraus.148) ___________ 143) 144) 145) 146) 147)

BGH, NZI 2004, 440, 443; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 1. BGH, ZIP 2017, 1230 Rz. 11. BGH, ZIP 2016, 1648 Rz. 9. BGH, ZIP 2016, 1648 Rz. 9. BGH, ZIP 2016, 1648 Rz. 9 („ein Insolvenzverwalter [ist] nicht verpflichtet, dem Insolvenzgericht vor der Bestellung ungefragt jegliche Pflichtverletzung aus anderen Verfahren mitzuteilen […]“). 148) Vgl. zu diesem Erfordernis nur BGH, ZIP 2017, 1230 Rz. 14.

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II. Allgemeine Grundsätze des Vorauswahlverfahrens

Anzusetzen ist deshalb erneut bei der Funktion des Vorauswahlverfahrens, 57 welches die Erhebung, Strukturierung und Verifizierung der Daten gewährleisten muss, die dem Gericht die Feststellung der Eignung sowie die Ausübung des Auswahlermessens ermöglichen. Wie bereits ausgeführt, dienen die Fragen im Vorauswahlverfahren zur Beschaffung eben dieser Daten und müssen daher ebenfalls darauf gerichtet sein, Informationen zu erheben, die für die Feststellung der Eignung und die Ausübung des Auswahlermessens relevant sind. Dies ist der Fall, wenn sich die Informationen entweder unmittelbar unter ein für sachgerecht befundenes Eignungskriterium subsumieren lassen oder zumindest Aufschluss über Tatsachen geben, die ihrerseits wieder Informationen von Relevanz für die Eignungskriterien enthalten. Rechtsgrund ist auch hier die aus der besonderen Stellung des Insolvenzverwalters entspringende Treuepflicht gegenüber dem Insolvenzgericht.149) Obgleich das Bestehen dieser Pflicht bisher nur im Vorfeld einer konkreten Bestellungsentscheidung festgestellt wurde, kann für das Vorauswahlverfahren im Grundsatz nichts anderes gelten. Denn die Vorauswahl bereitet die konkrete Bestellungsentscheidung maßgeblich vor, indem Daten vorab erhoben und teilweise bereits für die Prüfung der generellen Eignung verwendet werden, die ansonsten vor jeder konkreten Bestellung zu erheben wären. c)

Pflicht zur Einreichung von Nachweisen

Die bloße pauschale Behauptung von Tatsachen durch den Bewerber gibt dem In- 58 solvenzgericht keine Prüfmöglichkeit, und die ungeprüfte und unverifizierte Aufnahme in die Vorauswahlliste wäre mit Blick auf die schützenswerten Interessen der Insolvenzgläubiger und des Insolvenzschuldners nicht zu rechtfertigen.150) Die Bewerber sind deshalb im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verpflichtet, die Erfüllung der aufgestellten Voraussetzungen zu belegen, beispielsweise durch Referenzen und Befähigungsnachweise.151) d)

Differenzierung nach Neu- und Altbewerbern

Im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stellt sich abschließend zu 59 diesem Abschnitt noch die Frage, ob die Gerichte gehalten sind zu unterscheiden zwischen solchen Personen, die sich erstmalig um die Aufnahme auf die Vorauswahlliste und damit auch um die Bestellung in konkreten Insolvenzverfahren bewerben, und solchen, mit denen das Gericht bereits seit längerer Zeit zusammenarbeitet. Da die hier zu untersuchenden Fragebögen von einigen Gerichten erst vor kurzer Zeit, dabei aber unterschiedslos für Alt- und Neubewerber eingeführt wurden, kann man dieser Frage nicht ausweichen. ___________ 149) BGH, ZIP 2016, 1648 Rz. 9. 150) OLG Hamburg, ZInsO 2011, 1655 (Rz. 40 – juris). 151) Nerlich/Römermann-Mönning, InsO, § 21 Rz. 92 f.

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Teil A Gerichtliche Informationsgewinnung im Vorfeld der Insolvenzverwalterbestellung

60 Eine erste Antwort ergibt sich aus § 4 InsO i. V. m. § 291 ZPO. Tatsachen, die beim Insolvenzgericht offenkundig, ihm also aus seiner dienstlichen Tätigkeit bekannt sind, bedürfen (in der Terminologie der Zivilprozessordnung) „keines Beweises“. Unter dem Amtsermittlungsgrundsatz (§ 5 Abs. 1 Satz 1 InsO) müssen sie folglich weder vorgetragen noch nachgewiesen werden.152) Was das Gericht aus der Zusammenarbeit mit einem Insolvenzverwalter bereits weiß, darf es daher auch nicht sanktionsbewehrt abfragen. Kennt das Gericht beispielsweise die fachliche Eignung eines Bewerbers153) und hat es in mehreren Verfahren so mit ihm zusammengearbeitet, dass es sich von seiner Eignung, etwa von seiner Integrität154) und seiner organisatorischen Ausstattung155), überzeugen konnte, dann ist es nicht gerechtfertigt, von ihm das Ausfüllen von Fragebögen und die aufwändige Beschaffung von Nachweisen zu verlangen. 61 Aus demselben Grund sind solche Verlangen dann auch unverhältnismäßig, denn vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gedeckt sind nur erforderliche Maßnahmen,156) so dass, was nicht erforderlich ist, auch nicht verhältnismäßig und damit rechtswidrig ist. Man kann dieses Vorgehen auch nicht mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG) rechtfertigen, denn gleichbehandelt werden darf und muss nur, was gleich ist, und es ist evident, dass Fälle, in denen die notwendigen Informationen fehlen, und solche, in denen sie bereits vorhanden sind, nicht gleichgelagert sind. Es bestehen daher – vorsichtig ausgedrückt – massive Bedenken dagegen, wenn ein Insolvenzgericht seinen Fragebogen unterschiedslos an alle Bewerber schickt, also auch an solche, die bereits auf der Vorauswahlliste stehen und mit denen das Gericht in vielen Verfahren erfolgreich zusammengearbeitet hat, und dann in einem Begleitschreiben hinzufügt: „Sollten Sie den Fragebogen nicht zurücksenden oder die weiteren Unterlagen nicht einreichen, gehen wir davon aus, dass Sie an einer weiteren Listung als Insolvenzverwalterin oder Insolvenzverwalter beim Amtsgericht (…) nicht interessiert sind, und werden Sie ohne Weiteres von der Liste streichen.“ Ganz abgesehen davon, dass mit dieser maßregelnden Formulierung das – unbeschadet der selbstverständlich ernst zu nehmenden gerichtlichen Aufsichtspflicht aus § 58 InsO – erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen Gericht und Verwalter gefährdet wird, ohne das eine optimale Bewältigung von Insolvenzen nicht gelingen kann, werden hier in rechtlich unzulässiger, nämlich den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz grob missachtender repressiver Weise berufliche Sanktionen angedroht, für die es keinerlei Rechtfertigung gibt. ___________ 152) Zur Grenze der Erforderlichkeit bei der Amtsermittlung siehe Bork/Jacoby/SchwabJacoby, FamFG, § 26 Rz. 13; zur Anwendung von § 291 ZPO ebenda, Rz. 15; vgl. auch K/P/B-Lüke, InsO, § 56 Rz. 26. 153) Näher unter Rz. 85 ff. 154) Siehe dazu Rz. 15 ff. 155) Vgl. Rz. 135 ff. 156) Vgl. nur BVerfGE 65, 1, 54 (Rz. 175 – juris); zuletzt BVerfG FamRZ 2017, 1055 Rz. 26 f.

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II. Allgemeine Grundsätze des Vorauswahlverfahrens

Je nach Fallgestaltung kann das im Übrigen auch dann gelten, wenn nur be- 62 stimmte Detailinformationen beim Gericht nicht vorhanden sind, sich aber aus der bisherigen Zusammenarbeit auch ohne diese Informationen keinerlei Zweifel an der Eignung des Bewerbers ergeben. Hat das Gericht bisher beispielsweise die juristischen Examenszeugnisse eines im Gerichtsbezirk als seriös, kompetent und zuverlässig bekannten Insolvenzverwalters nicht in seinen Akten, dann kann man schon bezweifeln, dass die nachträgliche Anforderung dieser Urkunden überhaupt erforderlich ist. Jedenfalls ist es aber unverhältnismäßig, sie unter Androhung der Streichung von der Vorauswahlliste einzufordern. e)

Spätere Überprüfung („Updates“)

Derselbe Aspekt wird relevant, wenn sich die Gerichte vorbehalten, die Ver- 63 hältnisse aller auf der Vorauswahlliste befindlichen Personen in regelmäßigen Abständen erneut zu überprüfen. Insoweit ist zunächst erheblich, dass auch hier keine grundsätzliche Offenbarungspflicht besteht,157) wenn sich die Verhältnisse nachträglich ändern. Hat beispielsweise ein Bewerber einen spanischen Juristen in seinem Team und deshalb in seiner Bewerbung besondere Kenntnisse im spanischen Recht angegeben, so löst es noch keine Pflicht aus, diese Angabe ungefragt zu korrigieren, wenn der betreffende Mitarbeiter das Team verlässt. Nicht mehr richtige Angaben sind nur auf Anfrage des Gerichts158) sowie dann zu korrigieren, wenn sie bei einer konkreten Bestellung relevant werden.159) Im Übrigen können auch „Updates“ nicht pauschal und ohne Rücksicht auf den 64 konkreten Einzelfall eingefordert werden, sondern nur unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Es muss daher auch insoweit nach der Erforderlichkeit gefragt und auch bei erforderlichen Aktualisierungen die Verhältnismäßigkeit der Mittel gewahrt werden.160) Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass eine relativ „schlanke“ Möglichkeit zur 65 regelmäßigen Überprüfung früherer Angaben besteht, wenn sich der Verwalter einem permanenten Zertifizierungsprozess unterwirft.161) Liegt dem Gericht eine ___________ 157) 158) 159) 160)

Siehe dazu bereits Rz. 55. Vgl. vorstehend Rz. 56 f. Vgl. vorstehend Rz. 139 ff. Bedenklich deshalb insoweit die in den Verfahrensordnung des AG Charlottenburg und des AG Hannover enthaltene Formulierung: „Das Gericht behält sich vor, stichprobenartig von Bewerbern/Bewerberinnen ein Testat über die Richtigkeit und Vollständigkeit der mitgeteilten Daten zu erfordern. Das Testat ist innerhalb einer angemessenen Frist auf eigene Kosten beizubringen. Es ist von einer geeigneten Zertifizierungsstelle oder einer sonst geeigneten, unabhängigen Person (z. B. Wirtschaftsprüfern) zu erstellen. Ob die Organisation oder Person geeignet ist, soll vorab mit dem Gericht geklärt werden. Weitere Überprüfungen durch das Gericht bleiben vorbehalten. Die Prüfung erfolgt schwerpunktmäßig bei den Verwaltern/Verwalterinnen, die regelmäßig mit einer Beauftragung rechnen können.“ 161) Näher dazu Rz. 70 ff.

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Teil A Gerichtliche Informationsgewinnung im Vorfeld der Insolvenzverwalterbestellung

Zertifizierung vor und wir diese in regelmäßigen (typischerweise: jährlichen) Abständen unter Überprüfung der Aktualität der für die Zertifizierung erheblichen Umstände erneuert, dann entspricht es dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wenn das Gericht die regelmäßigen „Zertifizierungsupdates“ anfordert. Stichprobenartige Überprüfungen zwischen den Zertifizierungsintervallen werden dann regelmäßig nicht erforderlich (und damit auch nicht verhältnismäßig) sein, soweit die relevanten Umstände von der Zertifizierung erfasst werden. 5.

Europarechtliche Dimension

66 Weitere zu beachtende Anforderungen für die Ausgestaltung des Vorauswahlverfahrens könnten sich aus dem unionsrechtlichen Sekundärrecht ergeben, namentlich der sog. Dienstleistungsrichtlinie162) (im Folgenden auch kurz: DLRL) (Rz. 67 ff.) sowie zukünftig – ein Inkrafttreten unterstellt – dem Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission vom 22. November 2016 über präventive Restrukturierungsmaßnahmen163) (im Folgenden kurz: RRL-E) (Rz. 74 ff.). a)

Dienstleitungsrichtlinie

67 Die Dienstleistungsrichtlinie enthält einen eigenständigen europarechtlichen Prüfungsmaßstab für mitgliedstaatliche Zugangsbeschränkungen im Hinblick auf die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen. Die im Rahmen der Vorauswahl seitens des Insolvenzgerichts auszugestaltenden Eignungskriterien i. S. d. § 56 Abs. 1 InsO könnten daher auch an einem europarechtlichen Rechtfertigungsmaßstab zu messen sein, der zu den bereits dargestellten Anforderungen hinzutritt.164) Die Richtlinie war gemäß Art. 44 Abs. 1 DL-RL bis zum 28. Dezember 2009 in nationales Recht umzusetzen. Mit Ablauf der Frist wäre sie gemäß ständiger Rechtsprechung des EuGH165) im Wege der unmittelbaren (vertikalen) Wirkung von Amts wegen zu berücksichtigen,166) wenn und soweit eine Umsetzung mit Blick auf deren Ziel und Reichweite nicht oder ___________ 162) Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. EU Nr. L 376/36. 163) Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30/EU, COM(2016) 723 final. 164) Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Art. 9, 10, 14, 15 DL-RL; vgl. dazu noch näher unter Rz. 70 ff.; siehe zum Ganzen ausführlich Graf-Schlicker, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, S. 235 ff. 165) EuGH, Rs. C-438/99, Slg. 2001, I-6915 amtl. Ls. 1 und Rz. 31 – 34 = NJW 2002, 125; EuGH, Rs. C-188/89, Slg. 1990, I-3313 amtl. Ls. 1 und Rz. 16 = NJW 1991, 3086. 166) Göcke, in: BeckOK-InsO, § 56 Rz. 4; Römermann/Nerlich-Delhaes/Römermann, InsO, § 56 Rz. 12.

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II. Allgemeine Grundsätze des Vorauswahlverfahrens

nur unzureichend erfolgte.167) Für die vorliegenden Zwecke erlangt dies freilich nur Relevanz, wenn die Richtlinie auf die deutsche Insolvenzverwalterauswahl anwendbar ist. Bekanntermaßen bestehen Einschränkungen in gleich zweifacher Hinsicht: aa)

Sachlicher und räumlich-persönlicher Anwendungsbereich

Zunächst muss es sich bei der Insolvenzverwaltung um eine Dienstleistung 68 i. S. d. Art. 2 Abs. 1 DL-RL handeln, die nicht durch Art. 2 Abs. 2 DL-RL ausdrücklich von dem sachlichen Anwendungsbereich ausgenommen wird.168) Während an der Charakterisierung der Insolvenzverwaltung als selbstständige und regelmäßig entgeltliche Tätigkeit wenig Zweifel bestehen, es sich mithin um eine Dienstleistung i. S. d. Art. 4 Abs. 1 DL-RL handelt,169) ist das Eingreifen der Bereichsausnahme des Art. 2 Abs. 2 lit. i) DL-RL weiterhin umstritten. Danach findet die Richtlinie keine Anwendung auf Tätigkeiten, die mit der Ausübung öffentlicher Gewalt i. S. d. Art. 51 AEUV (früher: Art. 45 EGV) verbunden sind. Ein erheblicher Teil der Literatur bejaht dies mit der Erwägung, dass der Insolvenzverwalter ein in den gerichtlichen Prozess der Gesamtvollstreckung eingebundenes Rechtspflegeorgan sei, das die ihm übertragenen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse eigenverantwortlich auch gegenüber dem Schuldner wahrnehme, um den jedem Gläubiger zustehenden Vollstreckungsanspruch zu verwirklichen.170) Eine gleichfalls nicht unerhebliche Auffassung lehnt die Bereichsausnahme des Art. 2 Abs. 2 lit. i) DL-RL demgegenüber unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH ab.171) Danach muss die Tätigkeit unmittelbar und spezifisch mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sein.172) Dies sei mit Blick auf die gerichtliche Aufsicht über die Tätigkeit des Insolvenzverwalters und insbesondere das Erfordernis der Inanspruchnahme staatlicher Gewalt zur

___________ 167) Vgl. zu den einzelnen Voraussetzungen dieser anerkannten Rechtsfigur Callies/RuffertRuffert, EUV/AEUV, Art. 288 AEUV Rz. 47 ff. 168) Ausführlich zum Ganzen Bluhm, Die Anwendbarkeit und Auswirkungen der EUDienstleistungsrichtlinie auf Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 151 ff. 169) Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 9; Sabel/Wimmerer, ZIP 2008, 2097, 2101. 170) Frind, ZInsO 2016, 672, 674 f.; 2010, 1678, 1681 f; 2008, 1248, 1252; Gehrlein, NJW 2013, 3756, 3758; Riedel, in: HK-InsO, § 56 Rz. 3; Hess, in: KK-InsO, § 56 Rz. 10; Marotzke, ZInsO 2009, 1929, 1931; Preuß, ZIP 2011, 933, 938; K. Schmidt-Ries, InsO, § 56 Rz. 6; Slopek, ZInsO 2008, 1243, 1246 f. 171) Bluhm, Die Anwendbarkeit und Auswirkungen der EU-Dienstleistungsrichtlinie auf Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 167 ff.; Bluhm/Piekenbrock, NJW 2016, 935 (Anm. zu BVerfGE 141, 121); Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 9 f.; dies., in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, S. 237 ff.; Kleine-Cosack, ZIP 2016, 741, 747; Sabel/Wimmerer, ZIP 2008, 2097, 2101 f.; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 5. 172) EuGH, Rs. C-54/08, Slg. 2011, I-4355 Rz. 83 ff., 86 = NJW 2011, 2941.

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Teil A Gerichtliche Informationsgewinnung im Vorfeld der Insolvenzverwalterbestellung

Zwangsanwendung (vgl. §§ 98 ff., 148 Abs. 2 InsO) gerade nicht der Fall.173) Ober- oder höchstrichterliche Rechtsprechung existiert insoweit noch nicht.174) Der Gesetzgeber hat sich im Rahmen der Richtlinienumsetzung mit der Einführung des Art. 102a EGInsO zur Bewerbung ausländischer Insolvenzverwalter indes der letztgenannten Ansicht angeschlossen und die sachliche Anwendbarkeit bejaht.175) Davon wird auch im Folgenden ausgegangen. 69 Letztlich kommt es darauf aber für die vorliegenden Zwecke nicht an. Denn im Ausgangspunkt unbestritten – und für die vorliegende Untersuchung entscheidend – ist die Begrenzung des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs auf die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung. Die Dienstleistungsrichtlinie ist auf rein innerstaatliche Sachverhalte, d. h. solche, deren wesentliche Elemente nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaates hinausgehen, nicht anwendbar.176) Sie gilt vielmehr nur für Dienstleistungserbringer, die sich in einem anderen Mitgliedstaat niederlassen oder die in einem anderen Mitgliedstaat Dienstleistungen erbringen wollen, ohne dort niedergelassen zu sein.177) Allein ausländische Insolvenzverwalter178) könnten sich demzufolge auf eine möglicherweise richtlinienwidrige Ausgestaltung des (Vor-)Auswahlverfahrens nach Art. 102a EGInsO i. V. m. § 56 InsO berufen, nicht aber inländische Bewerber.

___________ 173) Vgl. Bluhm, Die Anwendbarkeit und Auswirkungen der EU-Dienstleistungsrichtlinie auf Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 167 ff.; Bluhm/Piekenbrock, NJW 2016, 935 (Anm. zu BVerfGE 141, 121); Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 9 f.; dies., in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, S. 237 ff.; Kleine-Cosack, ZIP 2016, 741, 747; Sabel/Wimmerer, ZIP 2008, 2097, 2101 f.; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 5. 174) Den sachlichen Anwendungsbereich bejaht aber AG Mannheim, ZIP 2016, 132 (Rz. 13 ff. – juris); offengelassen dagegen hingegen vom AG Mannheim, ZIP 2016, 431 (Rz. 10 – juris). Die Ausführungen in BGHZ 198, 225 Rz. 29 ff. verhalten sich nicht zur sachlichen, sondern nur zur (dort freilich verneinten) räumlich-persönlichen Anwendbarkeit. Die Frage ist höchstrichterlich somit noch nicht entschieden. 175) RegE zum Gesetz zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie in der Justiz und zur Änderung weiterer Vorschriften, BT-Drucks. 17/3356, S. 15. 176) BGHZ 198, 225 Rz. 30; Europäische Kommission, Handbuch der Kommission zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie, S. 43; Göcke, in: BeckOK-InsO, § 56 Rz. 5; Bluhm, Die Anwendbarkeit und Auswirkungen der EU-Dienstleistungsrichtlinie auf Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 329; Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 8; Sabel/Wimmerer, ZIP 2008, 2097, 2102; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 5. 177) BGHZ 198, 225 Rz. 30 unter Hinweis auf die Erwägungsgründe (5) und (116) sowie für die aktive Dienstleistungsfreiheit auf Art. 16 Abs. 1 DL-RL. 178) Erfasst werden insoweit Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder Vertragsstaates des Abkommens über den EWR oder Personen, die in einem dieser Staaten ihre berufliche Niederlassung haben, vgl. Art. 102a EGInsO; ferner BTDrucks. 17/3356, S. 15.

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II. Allgemeine Grundsätze des Vorauswahlverfahrens

bb)

Konsequenzen für das (Vor-)Auswahlverfahren

Unmittelbare Anwendung auf das vorliegend zuvörderst zu untersuchende 70 (Vor-)Auswahlverfahren für inländische Insolvenzverwalter findet die Dienstleistungsrichtlinie (selbst bei Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs) damit nicht. Allenfalls äußerst mittelbar könnte sich ein Bezug ergeben, nämlich insofern, 71 als inländische Insolvenzverwalter gegenüber in Deutschland lediglich niedergelassenen oder Dienstleistungen erbringenden ausländischen Insolvenzverwaltern dadurch benachteiligt werden könnten, dass etwaige richtlinienwidrige Beschränkungen im Vorauswahlverfahren für deutsche Verwalter aufrechterhalten bleiben.179) Diese sog. Inländerdiskriminierung wäre aber eine Angelegenheit des nationalen Verfassungsrechts und als solche an Art. 3 Abs. 1 GG zu messen, wobei eine Ungleichbehandlung schon dann hinzunehmen wäre, wenn sie im Einklang mit dem Willkürverbot steht, durch sachliche Gründe also gerechtfertigt ist.180) Mit anderen Worten müsste zunächst einmal feststehen, dass sich aus der spezifischen Ausgestaltung des (Vor-)Auswahlverfahrens in einem grenzüberschreitenden Kontext (!) gemäß Art. 102a EGInsO i. V. m. § 56 InsO eine richtlinienwidrige Beschränkung ergibt. Und erst wenn eine solche tatsächlich existierte, ließe sich in einem zweiten Schritt untersuchen, ob Art. 3 Abs. 1 GG es gebietet, auch inländische Bewerber von derartigen richtlinienwidrigen Beschränkungen zu befreien.181) Regelmäßig wird sich schon Ersteres im Hinblick auf die hier interessierende 72 Ausgestaltung der Eignungskriterien nicht feststellen lassen. Denn die bisherige Diskussion zu richtlinienwidrigen Beschränkungen fokussiert sich in erster Linie auf den gemäß Art. 15 Abs. 2 lit. b), Abs. 3 DL-RL rechtfertigungsbedürftigen Ausschluss (ausländischer) juristischer Personen,182) der schon im Ansatz nicht Gegenstand dieser Untersuchung ist. Zwar dürften auch die übrigen vom Insol___________ 179) Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 8; Sabel/Wimmerer, ZIP 2008, 2097, 2102. 180) BVerwGE 129, 226 Rz. 40; BGHZ 198, 225 Rz. 31 (dort sah der Bundesgerichtshof im Hinblick auf das Erfordernis der natürlichen Person in § 56 Abs. 1 InsO in der Ausgestaltung des nationalen Gesellschaftsrecht hinreichend sachliche Gründe und demzufolge keine unzulässige Ungleichbehandlung inländischer Gesellschaften im Vergleich zu möglicherweise zuzulassenden juristischen Personen aus dem Bereich der EU; krit. hierzu Piekenbrock, LMK 2013, 353032). 181) Für eine pauschale Gleichbehandlung dagegen Bluhm, Die Anwendbarkeit und Auswirkungen der EU-Dienstleistungsrichtlinie auf Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 329; Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 8; dies., in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, S. 237; Sabel/Wimmerer, ZIP 2008, 2097, 2102. 182) Einen Verstoß bejahend AG Mannheim, ZIP 2016, 132 (Rz. 15 ff. – juris); verneinend dagegen AG Mannheim, ZIP 2016, 431 (Rz. 11 – juris); siehe hierzu aus der Literatur Göcke, in: BeckOK-InsO, § 56 Rz. 6; Bluhm, ZIP 2014, 555; Bluhm/Piekenbrock, NJW 2016, 935 (Anm. zu BVerfGE 141, 121); Piekenbrock, LMK 2013, 353032; K. Schmidt-Ries, InsO, § 56 Rz. 11.

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Teil A Gerichtliche Informationsgewinnung im Vorfeld der Insolvenzverwalterbestellung

venzgericht festgelegten Eignungskriterien in grenzüberschreitenden Kontexten theoretisch einer europarechtlichen Überprüfung unterliegen,183) in forensischer Hinsicht geschehen ist dies – soweit ersichtlich – aber noch nicht. 73 Festzuhalten ist insofern auch, dass für die sachliche Rechtfertigung auf europäischer Ebene grundsätzlich keine anderen Anforderungen als auf der Ebene des nationalen Verfassungsrechts gelten.184) So sind regelmäßig solche Kriterien und Anforderungen zulässig, die nicht diskriminierend, durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt und verhältnismäßig sind (vgl. Art. 9 Abs. 1, 10 Abs. 2 lit. a) – c), 15 Abs. 3 DL-RL). Dies entspricht im Wesentlichen der auch aufgrund des Art. 12 Abs. 1 GG vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung auf nationaler Ebene. Auch das aus Art. 10 Abs. 2 lit. d) – g) DL-RL folgende Transparenzgebot, wonach die Kriterien klar und unzweideutig, objektiv, im Voraus bekannt zu machen und transparent und zugänglich sein müssen, findet sich schon in der nationalen Rechtsprechung wieder.185) Vor diesem Hintergrund erscheint es wenig lohnend, jedes der im weiteren Verlauf der Untersuchung auf seine Sachgerechtigkeit und Verhältnismäßigkeit zu prüfenden Eignungskriterien zugleich auch einer eigenständigen Kontrolle am Maßstab der Dienstleistungsrichtlinie in einem (hypothetisch) grenzüberschreitenden Kontext zu unterziehen, nur um einen möglichen Anknüpfungspunkt für eine Inländerdiskriminierung zu finden. Dies gilt insofern erst recht, als die Ausgestaltung eines Eignungskriteriums nur Vorfrage zu der vorliegend zu untersuchenden Informationsgewinnung im Vorauswahlverfahren ist. Hierfür ergeben sich aus der Dienstleistungsrichtlinie jedenfalls keine unmittelbaren Vorgaben.186) b)

Richtlinienvorschlag über präventive Restrukturierungsrahmen

74 Bisher unerörtert geblieben sind die Auswirkungen der möglicherweise zukünftig in Kraft tretenden Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen auf das zweistufige (Vor-)Auswahlverfahren. Der Vorschlag der Kommission enthält unter seinem Titel IV Maßnahmen für effizientere Verfahren, die auch Vorgaben für die Aus- und Weiterbildung, die Bestellung sowie die Beaufsichtigung von Verwaltern im Bereich Restrukturierung, Insolvenz und zweite Chance um___________ 183) Dies folgt daraus, dass der Aufnahmeentscheidung auf die Vorauswahlliste Berufszulassungscharakter zukommt und die hierfür maßgeblichen Voraussetzungen für die generelle Eignung Genehmigungsregelungen und Anforderungen i. S. d. Art. 4 Nr. 6, 7 DL-RL darstellen, die gemäß Art. 9, 10, 14, 15 DL-RL rechtfertigungsbedürftig sind, vgl. BTDrucks. 17/3356, S. 15; siehe auch Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 5. 184) Seagon, NZI 2015, 825, 829; wohl auch Frind, ZInsO 2016, 672, 674. 185) BGH, ZIP 2016, 876 Rz. 24. 186) Weitere Hinweise auf die Dienstleistungsrichtlinie erfolgen daher nur zu einigen wenigen in der Literatur diskutierten Eignungskriterien, vgl. etwa die Diskussion zur Kanzlei- und Präsenzpflicht unter Rz. 136 ff. sowie zu den Zertifizierungen unter Rz. 139 ff.

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II. Allgemeine Grundsätze des Vorauswahlverfahrens

fassen (Art. 25 – 27 RLL-E). Es soll daher untersucht werden, ob sich hieraus Vorgaben für das (Vor-)Auswahlverfahren und die Eignungskriterien i. S. d. § 56 Abs. 1 InsO ergeben, die der nationale Gesetzgeber im Falle des Inkrafttretens des Kommissionsvorschlags zu beachten hätte. aa)

Anwendungsbereich

Die Vorschriften der Art. 25 – 27 RRL-E gelten ihrem Wortlaut187) und ihrer 75 systematischen Stellung in Titel IV nach nicht nur für den präventiven Restrukturierungsrahmen (Titel II) sowie im Entschuldungsverfahren für Unternehmer (Titel III), sondern auch für das förmliche Insolvenzverfahren (Liquidationsverfahren) insgesamt.188) Auch Art. 1 Abs. 1 lit. c) RRL-E ist insoweit eindeutig.189) Erfasst sind damit neben dem ggf. neu zu schaffenden Restrukturierungsverwalter (vgl. Art. 2 Nr. 15 RRL-E) auch alle bisher schon gerichtlich bestellten Verwalter.190) Allein die von Gläubigern und Schuldnern frei mandatierten Berater fallen nicht unter den Anwendungsbereich der Art. 25 – 27 RRLE.191) Der Vorschlag schafft somit nicht nur Neues, sondern dient auch zur Konsolidierung bestehender Verfahren durch Schaffung substanzieller Mindeststandards für die Zugangskontrolle der gerichtlich bestellten Verwalter und damit insbesondere auch der Insolvenzverwalter.192) Obgleich die Art. 25 – 27 RRL-E in einem möglichen Umsetzungsverfahren in erster Linie bei den neu zu schaffenden nationalen Vorschriften über die Restrukturierungsverwalter Relevanz erlangen dürften, müssten auch die schon bestehenden Regelungen für Insolvenzverwalter den Mindeststandards gerecht werden, allen voran das hierzulande praktizierte (Vor-)Auswahlverfahren gemäß § 56 InsO.193) ___________ 187) Der Entwurf verwendet in den Art. 25 – 27 RRL-E und dem dazugehörigen Erwägungsgrund (40) regelmäßig den weiten Sammelbegriff der von Justiz- oder Verwaltungsbehörden bestellten Verwalter im Bereich Restrukturierung, Insolvenz und zweite Chance. Dieser ist sachlich weiter gefasst als der des legal definierten Restrukturierungsverwalters gemäß Art. 2 Nr. 15 RRL-E. 188) Dies ist auch in der Zusammenfassung klargestellt, vgl. COM(2016) 723 final, S. 17, 26 (die Seitenangaben beziehen sich im Folgenden auf die deutsche Sprachfassung); siehe für den ebenfalls Titel IV unterfallenden Art. 24 RRL-E schon Zipperer, NZI Sonderbeilage 1/2017, 39. 189) Wohl verkürzend Mankowski, NZI Sonderbeilage 1/2017, 15, denn Art. 1 Abs. 1 lit. c) verschreibt sich nicht nur effizienzsteigernden Maßnahmen innerhalb der von lit. a) und b) skizzierten Anwendungsbereiche, sondern auch der Effizienzsteigerung von Insolvenzverfahren im Allgemeinen. Auch eine Beschränkung auf grenzüberschreitende Sachverhalte liegt nicht vor, vgl. COM(2016) 723 final, S. 8, 17. 190) Vgl. auch Erwägungsgrund (40), COM(2016) 723 final, S. 41. 191) Schluck-Amend, NZI Sonderbeilage 1/2017, 41 ff., die dort im Weiteren dann aber nur auf die Restrukturierungsverwalter eingeht und die Verwalter im Bereich Insolvenz ausspart. 192) Vgl. entsprechend für die Insolvenzrichterschaft Zipperer, NZI Sonderbeilage 1/2017, 39, 40. 193) So wohl inzident auch Mock, NZI 2016, 977, 982, der das derzeitige Verfahren nach § 56 InsO insofern als defizitär ansieht.

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Teil A Gerichtliche Informationsgewinnung im Vorfeld der Insolvenzverwalterbestellung

bb)

Die relevanten Regelungen

76 Nach Art. 25 Abs. 1 RRL-E ist seitens der Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die gerichtlich bestellten Verwalter die erforderliche Aus- und Weiterbildung erhalten, um ihre Dienste effektiv, unparteiisch und unabhängig sowie in sachkundiger Weise zu erbringen.194) Gemäß Art. 25 Abs. 2 RRL-E soll zudem die Einhaltung freiwilliger Verhaltenskodizes durch geeignet erscheinende Mittel gefördert werden. Auf nationaler Ebene angesprochen sein dürften damit vor allem die Praxis der Fachanwaltschaft195) (bzw. entsprechender Fortbildungen für andere Berufsgruppen) sowie die freiwilligen Berufsausübungsregelungen diverser Verbände.196) Unmittelbare Umsetzungszwänge für das Vorauswahlverfahren ergeben sich hieraus nicht. Denn nach Art. 25 RRL-E sollen die Mitgliedstaaten zunächst nur sicherstellen, dass Angebote zur Aus- und Weiterbildung sowie Verhaltenskodizes überhaupt existieren. Dies ist in Deutschland der Fall. Soweit die Aus- und Weiterbildung sicherzustellen bzw. die Einhaltung der Verhaltenskodizes zu fördern ist, kann dem Rechnung getragen werden, indem die Aus- und Weiterbildung sowie Selbstverpflichtungen – wie auch bisher schon – im Rahmen der Eignungsprüfung als Indizien Berücksichtigung finden.197) 77 Konkret zum Ablauf des Bestellungsverfahrens verhält sich dagegen Art. 26 RRL-E. Nach dessen Absatz 1 ist sicherzustellen, dass das Verfahren klar, berechenbar und fair ist, wobei die Anforderungen in den Absätzen 2 bis 4 näher konkretisiert werden. Aus Art. 26 Abs. 2 RRL-E ergibt sich, dass die Zulassungsvoraussetzungen und die Gründe, aus denen ein Verwalter198) möglicherweise nicht für eine Bestellung in Betracht kommt, klar und transparent sein müssen. Dasselbe gilt gemäß Art. 26 Abs. 3 Satz 1 RRL-E für die Kriterien, nach denen die Justiz- oder Verwaltungsbehörde einen Verwalter auswählt. Wie bereits ausgeführt, fehlt es hieran im deutschen System noch vielerorts. Die Fragebögen lassen zwar Rückschlüsse auf die Eignungskriterien zu, die das einzelne Gericht ___________ 194) COM(2016) 723 final, S. 58. 195) Schluck-Amend, NZI Sonderbeilage 1/2017, 41, 42. 196) Als Beispiele genannt seien die Berufsgrundsätze der Insolvenzverwalter v. 3.5.2013 sowie die Grundsätze ordnungsgemäßer Insolvenzverwaltung (GOI) v. 22.4.2016 des Verbandes der Insolvenzverwalter Deutschlands e. V. (VID), ferner die unter dem Zertifikat „InsO Excellence“ zusammengefassten Leistungsstandards des Gravenbrucher Kreises. 197) Vgl. auch Erwägungsgrund (40), wonach die Standards erreicht werden können, ohne neue Berufe oder Befähigungsnachweise einzuführen; siehe zur Relevanz der Fachanwaltschaft und der Einhaltung freiwilliger Verhaltenskodizes auch noch unter Rz. 86 ff. 198) Art. 26 Abs. 2 RRL-E verwendet nicht den weiten Sammelbegriff des Verwalters im Bereich Restrukturierung, Insolvenz und zweite Chance, sondern spricht nur von Insolvenzverwaltern. Es ist naheliegend, dass es sich um ein Redaktionsversehen handelt und auch Restrukturierungsverwalter miterfasst werden sollen, vgl. Schluck-Amend, NZI Sonderbeilage 1/2017, 41, 42. Selbst wenn man dies anders sähe, ergäben sich für die vorliegende Untersuchung der Insolvenzverwalterbestellung freilich keine Änderungen, da die Norm diese in jedem Fall erfasst.

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II. Allgemeine Grundsätze des Vorauswahlverfahrens

bei seiner Auswahlentscheidung zugrunde legt. Insbesondere die (Mindest-)Voraussetzungen für die generelle Eignung dürften aber regelmäßig unklar bleiben und sich nur partiell aus den zu begründenden Ablehnungsbescheiden ergeben. Diesbezüglich bietet sich der Erlass einer eigenen Verfahrensordnung an, wie dies bereits bei einigen Gerichten geschehen ist.199) Die weitergehende Pflicht zur gesetzlichen Ausdifferenzierung der Eignungs- 78 kriterien ist dem Transparenzgebot des Art. 26 Abs. 2, 3 RRL-E dagegen mangels konkreter Vorgaben meines Erachtens nicht zu entnehmen.200) Inhaltliche Anforderungen an die Eignungskriterien enthält zum einen Art. 26 Abs. 3 Satz 2 RRL-E, demzufolge bei der Bestellung für eine bestimmte Sache der Erfahrung und Sachkunde gebührend Rechnung zu tragen ist, zum anderen Art. 26 Abs. 4 RRL-E, wonach bei Verfahren mit grenzüberschreitenden Bezug auch die Kommunikationsfähigkeiten des Verwalters sowie dessen personelle und administrative Ressourcen zu beachten sind. Der weite Eignungsbegriff des § 56 InsO steht dem nicht entgegen und die aufgezählten Kriterien sind längst in der Praxis der Verwalterbestellung etabliert. Entsprechendes gilt im Wesentlichen auch für die Vorgabe des Art. 27 Abs. 1 79 RRL-E, der insbesondere effektive Aufsichtsstrukturen einfordert, die sich für den Insolvenzverwalter aus §§ 58, 59 InsO ergeben. cc)

Ergebnis und Zeitrahmen

Festhalten lässt sich damit, dass der Maßnahmenkatalog der Art. 25 – 27 RRL-E 80 einen einheitlichen, wenn auch recht vagen Mindeststandard für gerichtlich bestellte Verwalter einführt, der im Grundsatz auch die Insolvenzverwalterbestellung gemäß § 56 InsO erfasst. Aus dem Wortlaut ergibt sich dabei aber weder die zwingende Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen Regelung des Vorauswahlverfahrens noch das Erfordernis einer weiteren gesetzlichen Ausdifferenzierung der Eignungskriterien. Den Vorgaben kann vielmehr auch im bestehenden zweistufigen Auswahlsystem Rechnung getragen werden, sofern insbesondere dessen Transparenz verbessert wird. In zeitlicher Hinsicht wären die Regelungen der Richtlinie innerhalb von zwei 81 Jahren nach deren Inkrafttreten in nationales Recht umzusetzen (Art. 34 Abs. 1 Unterabs. 1 RRL-E); die Einhaltung der Vorschriften des Titels IV müsste indes erst nach drei Jahren gewährleistet werden (Art. 34 Abs. 1 Unterabs. 2 RRL-E). ___________ 199) Vgl. etwa die Verfahrensordnung des AG Charlottenburg unter Ziff. 2(1) mit Mindestaufnahmevoraussetzungen; siehe dazu Brückner, DZWIR 2016, 406. 200) A. A. Mock, NZI 2016, 977, 982, nach dem die Gründe für eine Geeignetheit oder fehlende Eignung gesetzlich geregelt werden müssten und § 56 InsO dieser Anforderung (wohl) nicht gerecht werden dürfte.

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Teil A Gerichtliche Informationsgewinnung im Vorfeld der Insolvenzverwalterbestellung

6.

Zwischenergebnis

82 Im Ergebnis kann damit hinsichtlich des Vorauswahlverfahrens und Inhalts der Vorauswahlliste Folgendes festgehalten werden: 1. Die Feststellung der Eignung des Prätendenten für die Bestellung als Insolvenzverwalter gemäß § 56 Abs. 1 InsO muss anhand sachgerechter Kriterien erfolgen. Deren Auswahl und Gewichtung durch den Insolvenzrichter (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG) hat sich nach den maßgeblichen Interessen der Gläubiger und des Schuldners im konkreten Insolvenzverfahren zu richten.201) Inhaltlich und prozedural ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. 2. Die Vorauswahlliste dient der Vorbereitung der eigentlichen Auswahlentscheidung im Einzelfall gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO und darf sich deshalb ihrem Inhalt nach nicht nur auf Namen und Anschrift der interessierten Bewerber beschränken, sondern muss auch die Daten umfassen, die das jeweilige Insolvenzgericht nach der eigenen Einschätzung für die Eignungsprüfung im jeweiligen Einzelfall sowie zur sachgerechten Ermessensausübung benötigt. Die Datenerhebung muss damit nicht nur diejenigen Informationen umfassen, die zur Feststellung der generellen Eignung notwendig sind, sondern auch solche, die erst bei der konkreten Bestellungsentscheidung Verwendung finden können.202) Dafür müssen die Daten in einer konkreten Bestellungsentscheidung zur Subsumtion unter als sachgerecht erachtete Auswahlkriterien in Betracht kommen. Ein Kriterium, welches schon unter keinen Umständen für die Auswahl in (irgend-)einem konkreten Verfahren als sachgerecht angesehen werden kann, erfordert auch keine diesbezügliche Information in den Vorauswahllisten und dementsprechend auch nicht von den Bewerbern im Rahmen des Vorauswahlprozesses. 3. Im Vorauswahlverfahren gilt der Amtsermittlungsgrundsatz. Das Gericht hat sich also an der Erforschung der materiellen Wahrheit zu orientieren. Mangels ausreichender anderer Erkenntnismöglichkeiten ist das Gericht auf die Mitwirkung des Bewerbers angewiesen, der seine Eignung im Rahmen der Fragebögen von sich aus darzustellen und anhand geeigneter Nachweise zu verifizieren hat. Daneben kann sich das Gericht nicht hinreichend verifizierbarer Umstände zusätzlich selbst versichern, etwa in einem Bewerbungsgespräch. Voraussetzung ist aber stets, dass die angeforderten Informationen erforderlich sind. Daran fehlt es insbesondere, wenn das Insolvenzgericht ___________ 201) BVerfGE 116, 1 Rz. 33. 202) BVerfGK 16, 84 = ZIP 2009, 1722 Rz. 13 (dort heißt es, „dass die Eignung für ein konkretes Verfahren an weitergehende Voraussetzungen geknüpft sein kann als die generelle, von der Typizität des einzelnen Insolvenzverfahrens gelöste Eignung für das Insolvenzverwalteramt im Allgemeinen […]. Dem ist durch Erhebung der maßgeblichen Daten und durch entsprechende Strukturierung der Listen Rechnung zu tragen“).

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III. Die im Vorauswahlverfahren relevanten Eignungskriterien im Einzelnen

die Informationen aus seiner dienstlichen Tätigkeit bereits hat, sie also gerichtsbekannt sind. 4. Die Dienstleistungsrichtlinie hat mangels grenzüberschreitenden Kontexts keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Vorauswahlverfahren bzw. die dort überprüften Eignungskriterien für inländische Bewerber. Einer hypothetisch möglichen Inländerdiskriminierung soll an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen werden. Der Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission vom 22. November 2016 über präventive Restrukturierungsmaßnahmen beinhaltet insbesondere in Art. 26 RRL-E Vorgaben für das Auswahlund Bestellungsverfahren. Sowohl die Mindestvoraussetzungen für die Aufnahme auf die Vorauswahlliste (generelle Eignung) als auch die Auswahlkriterien im Einzelfall (konkrete Eignung) müssen hinreichend klar und transparent sein. Eine Pflicht zur weiteren gesetzlichen Ausdifferenzierung der Eignungskriterien geht damit aber nicht einher. III.

Die im Vorauswahlverfahren relevanten Eignungskriterien im Einzelnen

Nachdem vorstehend der Prüfungsmaßstab für die Festlegung der Eignungs- 83 kriterien und für die diesbezügliche Informationsgewinnung im Vorauswahlverfahren dargestellt worden ist, soll der folgende Abschnitt zu den einzelnen im Vorauswahlverfahren relevanten Eignungskriterien näher Stellung nehmen. Die dabei vorgenommene terminologische Kategorisierung ist dabei nicht zwin- 84 gend und wird mitunter abweichend behandelt. Sie entspricht im Wesentlichen aber der vom Bundesgerichtshof vorgenommenen Differenzierung zwischen fachlicher (Rz. 85 ff.) und persönlicher Eignung (Rz. 95 ff.) sowie der weitergehenden Erkenntnis, dass neben unmittelbar die Person des Insolvenzverwalters betreffenden Eigenschaften auch solche Umstände für die Eignungsprüfung relevant sind, die dem Arbeitsumfeld und organisatorischen Unterbau203) des Bewerbers zuzuordnen sind (Rz. 135 ff.). 1.

Fachliche Eignung (Geschäftskunde)

Relativ unumstritten und in der gebotenen Kürze deshalb vorangestellt sind die 85 Eignungskriterien der sog. fachlichen Eignung. Damit wird vor allem auf die ausdrücklich in § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO normierte Geschäftskunde Bezug genommen. Der Begriff der Geschäftskunde umfasst diejenigen Kenntnisse, die ein Verwalter im Allgemeinen zur Durchführung eines Insolvenzverfahrens aufweisen muss, womit neben rechtlichen auch wirtschaftliche Kenntnisse erfasst sind.204) Dessen Vorliegen lässt sich anhand der Ausbildung (Rz. 86 ff.) und ___________ 203) Braun-Blümle, InsO, § 56 Rz. 30. 204) Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 17.

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Teil A Gerichtliche Informationsgewinnung im Vorfeld der Insolvenzverwalterbestellung

Berufserfahrung (Rz. 89 f.) sowie etwaiger Spezialkenntnisse (Rz. 91 f. und Rz. 93 f.) des Bewerbers beurteilen. a)

Formale Qualifikation und Berufsausbildung

86 § 56 Abs. 1 InsO schreibt keine bestimmte formale Qualifikation als Zugangsvoraussetzung vor und das Amt steht damit im Ansatz jeder Berufsgruppe offen.205) Naturgemäß ergibt sich jedoch aus den Anforderungen der Geschäftskunde eine Eingrenzung. Denn der Bewerber muss nicht nur das Insolvenzrecht in verfahrensrechtlicher und materiell-rechtlicher Hinsicht beherrschen, sondern auch über fundiertes Wissen in angrenzenden Rechtsgebieten wie dem Handelsund Gesellschaftsrecht, dem Steuerrecht und dem Arbeits- und Sozialrecht verfügen.206) Hinzu kommen betriebswirtschaftliche Kenntnisse in Buchführung, Bilanzierung und Rechnungslegung.207) Da derartige Kenntnisse regelmäßig nur über eine bestimmte Vorbildung zu erlangen sind, kommen faktisch nur Juristen, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Kaufleute, Buchprüfer und ähnlich vorgebildete Personen in Betracht.208) Auch wenn diese Berufsgruppen sich nicht nur auf ihre berufsspezifischen Kenntnisse beschränken können, kommt deren formaler Qualifikation jedenfalls wichtige Indizwirkung zum Nachweis der zu fordernden theoretischen Kenntnisse zu.209) 87 Vor diesem Hintergrund begegnet es keinen Bedenken, dass die berufliche Qualifikation im Rahmen der Vorauswahl erhoben und auch überprüft („verifiziert“) wird.210) Im Fall der die Bestellungspraxis beherrschenden Rechtsanwälte kann zum Nachweis insolvenzspezifischer Kenntnisse auch auf zusätzliche Fachanwaltstitel, insbesondere den des Insolvenzrechts, zurückgegriffen werden,211) ohne dass diese selbst (mangels gesetzlicher Kodifikation) zur zwingenden Voraus___________ 205) Jahntz, in: FK-InsO, § 56 Rz. 15; K/P/B-Lüke, InsO, § 56 Rz. 5; Graeber, in: MünchKommInsO, § 56 Rz. 56 f. 206) Jahntz, in: FK-InsO, § 56 Rz. 15; K/P/B-Lüke, InsO, § 56 Rz. 39; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 18. 207) Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 18. Bei einer Beschränkung gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 InsO auf Kleininsolvenzen, Nachlass- und Verbraucherinsolvenzverfahren sind die Anforderungen maßvoll herabzusetzen. 208) Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 18. Wegen des unbestimmten Wortlauts des § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO ist damit im Einzelfall aber nicht ausgeschlossen, dass auch ein Angehöriger anderer Berufe die erforderlichen Kenntnisse erwirbt und nachweist. 209) BGH, NZI 2004, 440, 443. 210) BGH, NZI 2004, 440, 443, wonach im Hinblick auf die ansonsten schwierige Prüfung der Geeignetheit jedenfalls über die formale Qualifikation von vornherein Gewissheit bestehen muss; vgl. auch Uhlenbruck-Kommission, ZIP 2007, 1432 f., die einen rechtswissenschaftlichen, wirtschaftswissenschaftlichen oder anderen Hochschulabschluss mit wirtschaftswissenschaftlicher Ausrichtung sowie § 14 FAO entsprechende theoretische Kenntnisse fordert. 211) BerlKomm-Blersch, InsO, § 56 Rz. 13; Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, §§ 56, 56a Rz. 18; krit., aber nur in Bezug auf den dadurch zu führende Nachweis praktischer Erfahrung (dazu sogleich), Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 19.

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III. Die im Vorauswahlverfahren relevanten Eignungskriterien im Einzelnen

setzung für die Aufnahme auf die Vorauswahlliste gemacht werden können. Da die Datenerhebung aufgrund der Funktion der Vorauswahlliste nicht schon bei der Überprüfung der Minimalstandards der generellen Eignung ihr Bewenden haben muss, können auch weitere relevante Zusatzausbildungen, Veröffentlichungen oder Vortragstätigkeiten erhoben werden,212) die einen Rückschluss auf entsprechende theoretische Kenntnisse zulassen. Im Zusammenhang mit der Erhebung und Verifizierung der formalen Qualifi- 88 kation wird die Relevanz der Examensergebnisse, insbesondere in den juristischen Staatsexamina, kontrovers diskutiert. Diese stellen nunmehr auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kein geeignetes Qualifizierungsmerkmal für die Aufnahme auf die Vorauswahlliste dar.213) Dies allein schlösse eine Datenerhebung zwar dann noch nicht aus, wenn man zu dem Ergebnis gelänge, dass die Examensergebnisse jedenfalls in einem konkreten Einzelfall ein sachgerechtes Eignungskriterium darstellen. Auch dies wird man aber zu verneinen haben, denn allein die Note lässt noch keine hinreichenden Rückschlüsse auf das insolvenzrechtliche Fachwissen und Können des Kandidaten zu.214) Die Noten brauchen deshalb in den Vorauswahllisten nicht erhoben zu werden; im Rahmen der Verifizierung einzureichende Zeugnisse können daher geschwärzt werden.215) b)

Praktische Erfahrungen

Neben den theoretischen Grundkenntnissen stellen auch praktische Erfahrun- 89 gen ein sachgerechtes Kriterium schon für die Aufnahme auf die Vorauswahlliste dar.216) Denn zum Schutz der maßgeblichen Gläubiger- und Schuldnerinteressen muss der Bewerber von Anfang an und ohne Einschränkung die Gewähr für eine ordnungsgemäße Verfahrensabwicklung bieten, womit es grundsätzlich nicht vereinbar wäre, eine in praktischer Hinsicht vollkommen unerfahrene und nur mit theoretischem Wissen ausgestattete Personen auf Kosten und Risiko der Verfahrensbeteiligten mit dem Amt des Insolvenzverwalters zu betrauen.217) Der verfassungsrechtlich geschützte Zugang zum Beruf des Insol___________ 212) I. E. auch Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 18. 213) BGH, ZIP 2016, 935 Rz. 29; OLG Hamburg, NZI 2008, 744, 746 f.; a. A. Frind, in: HambKomm-InsO, § 56 Rz. 13, 21, der die Note nunmehr zumindest zur Abrundung heranziehen möchte. 214) So auch Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 18. 215) Vgl. insofern etwa Ziff. 3(2)a) der Verfahrensordnung des AG Charlottenburg. 216) BVerfGK 8, 418 = ZIP 2006, 1541 Rz. 10; OLG Düsseldorf, NZI 2008, 614, 616; OLG Hamburg, NZI 2009, 853, 855; OLG Köln, NZI 2007, 105, 106; K/P/B-Lüke, InsO, § 56 Rz. 41; Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 19. 217) OLG Hamburg, NZI 2009, 853, 855; Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 19a. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts wäre es nicht schlechthin sachwidrig, auch Bewerber ohne praktische Erfahrungen, jedoch mit ausreichendem theoretischem Wissen zum Insolvenzverwalter in einfach gelagerten Fällen (insb. IK-Verfahren) zu bestellen. Praktische Erfahrungen zu fordern, ist aber gleichwohl sachgerecht, sodass die Entscheidung im Ergebnis dem Gericht überlassen ist, siehe BVerfGK 8, 418 = ZIP 2006, 1541 Rz. 10.

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venzverwalters (Art. 12 Abs. 1 GG) wird hierdurch weder verstellt noch unzumutbar erschwert, da es nicht erforderlich ist, dass der Bewerber selbst als Verwalter tätig war bzw. ist.218) Die praktischen Erfahrungen können vielmehr sowohl im Wege der Anstellung als auch in eigener Kanzlei durch Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Insolvenzverwalter unter dessen Aufsicht und Verantwortung erworben werden.219) Ob hinreichende praktische Erfahrungen eine zwei-, drei- oder fünfjährige Tätigkeit voraussetzt oder ob an eine gewisse Verfahrensanzahl anzuknüpfen ist, obliegt im Rahmen der Sachgerechtigkeit und Verhältnismäßigkeit der Entscheidung des einzelnen Insolvenzgerichts.220) Die Berechtigung zum Führen der Bezeichnung des Fachanwalts für Insolvenzrecht wird insofern noch nicht als hinreichende Qualifikation angesehen, wenn es an genügender praktischer Erfahrung fehlt.221) 90 Die Datenerhebung und Verifizierung im Vorauswahlverfahren muss diesen Anforderungen zunächst Rechnung tragen und zumindest diejenigen Daten vom Bewerber erheben, die zur Feststellung der generellen Eignung notwendig sind. Er muss daher anhand geeigneter Nachweise über seine bisherige insolvenzrechtliche Berufserfahrung Auskunft geben. Da sich die Datenerhebung aber nicht nur auf die Feststellung der generellen Eignung beschränkt, sondern dem Gericht auch die Feststellung der Eignung im konkreten Fall ermöglichen soll, können darüber hinaus auch detailliertere Erhebungen erfolgen, selbst wenn deren Durchführung mit einigem administrativen Aufwand für den Bewerber verbunden sein wird. c)

Branchen- und Spezialkenntnisse

91 Für die konkrete Eignung im Einzelfall können mitunter besondere Branchenund andere Spezialkenntnisse (etwa im internationalen Insolvenzrecht) erforderlich sein.222) Denn die besonderen Erfahrungen in einem bestimmten Geschäftsbereich können die Verfahrensabwicklung beschleunigen, einen Sanie___________ 218) Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 17; K/P/B-Lüke, InsO, § 56 Rz. 41. 219) BVerfGK 8, 418 = ZIP 2006, 1541 Rz. 10; BVerfG, ZIP 2009, 975 Rz. 11; OLG Hamburg, NZI 2009, 853, 855; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 19; krit. hinsichtlich der Möglichkeit des Erwerbs im Wege der selbständigen Zusammenarbeit aber Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 19b. 220) Offengelassen von OLG Düsseldorf, NZI 2008, 614, 616; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 18; für eine mindestens dreijährige Tätigkeit Uhlenbruck-Kommission, ZIP 2007, 1432, 1433. 221) BVerfG, ZIP 2009, 975 Rz. 9; Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 19 m. w. N. 222) Braun-Blümle, InsO, § 56 Rz. 81; Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 64; Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 21; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 40; Uhlenbruck-Kommission, ZIP 2007, 1432, 1434; vorsichtiger Jaeger-Gerhardt, InsO, § 56 Rz. 56, der meint, Branchenkenntnisse seien sicherlich vorteilhaft, aber keine zwingende Voraussetzung.

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rungsversuch erleichtern sowie zu einer Massemaximierung führen.223) Besondere Branchen- und Spezialkenntnisse sind deshalb ein sachgerechtes Kriterium zur Feststellung der Eignung und Ausübung des Auswahlermessens bei einer konkreten Bestellungsentscheidung; deren Erforderlichkeit muss sich freilich aus den Eigenheiten des konkret zu vergebenden Verfahrens ergeben. Als Voraussetzung für die Aufnahme auf die Vorauswahlliste spielen sie dage- 92 gen keine Rolle.224) Denn sie sind nur gelegentlich, nicht aber stets Voraussetzung für die sachgerechte Verfahrensdurchführung und werden insbesondere bei kleineren Regel- und Verbraucherinsolvenzverfahren regelmäßig nicht erforderlich sein. Die Aufnahme auf die Vorauswahlliste kann von ihnen folglich nicht abhängig gemacht werden. Da sich das Vorauswahlverfahren aber nicht nur auf die Feststellung der generellen Eignung beschränkt, sondern dem Gericht auch eine hinreichende Tatsachengrundlage für die konkrete Eignungsprüfung vermitteln soll, ist eine Datenerhebung gleichwohl zulässig und geradezu geboten.225) Denn nicht selten werden spezielle Kenntnisse in einschlägigen Geschäfts- und Rechtsbereichen gerade in Verfahren über das Vermögen eines größeren Unternehmens ausschlaggebendes Kriterium für die Auswahl zwischen im Übrigen gleich geeigneten Kandidaten sein. Die Frage ist in rechtstatsächlicher Hinsicht freilich wenig kontrovers, da sie von den Bewerbern keine Angabe von möglicherweise kompromittierenden Umständen verlangt und zudem wenig Erhebungs- und Verifizierungsaufwand226) verursacht. d)

Fremdsprachenkenntnisse

Das zu den Branchen- und Spezialkenntnissen Gesagte gilt entsprechend auch 93 für die Fremdsprachenkenntnisse. Diese können im konkreten Einzelfall bei Insolvenzverfahren mit Auslandsbezug erforderlich sein,227) beispielsweise wenn der Schuldner ein in erster Linie exportierendes Unternehmen ist.228) Immer dann, wenn maßgebliche Beteiligte wie etwa Großgläubiger, der deutschen Sprache (vgl. § 4 InsO i. V. m. § 184 GVG229)) nicht mächtig sind, wird die Bestellung eines die jeweilige Fremdsprache beherrschenden Insolvenzverwalters Sprachbarrieren vorbeugen und einer sachgerechten und zügigen Durchführung des Insolvenzverfahrens dienlich sein. Für die Mitarbeiter des zu bestellenden In___________ Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 24. Pape, ZInsO 2017, 1341, 1344. Im Ergebnis wohl ebenso Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 14. Regelmäßig wird von den Gerichten nur eine schriftliche Darlegung verlangt, vgl. Heidelberger Musterfragebogen, NZI 2009, 97, 98; AG München, ZInsO 2009, 421 Ziff. 4.13. 227) Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 17, 64; Jaeger-Gerhardt, InsO, § 56 Rz. 56; Uhlenbruck-Kommission, ZIP 2007, 1432, 1434. 228) K/P/B-Lüke, InsO, § 56 Rz. 42. 229) Schmerbach, in: FK-InsO, § 4 Rz. 26. 223) 224) 225) 226)

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Teil A Gerichtliche Informationsgewinnung im Vorfeld der Insolvenzverwalterbestellung

solvenzverwalters gilt Entsprechendes,230) da sie mitunter an der Verfahrensabwicklung – freilich nur im Rahmen der delegierbaren Aufgaben – maßgeblich beteiligt sind. 94 Als Voraussetzung für die Aufnahme auf die Vorauswahlliste sind Fremdsprachenkennnisse dagegen ohne Relevanz,231) denn das Gros der zu vergebenden Verfahren wird sie gerade nicht erfordern. Wie auch bei den Branchen- und Spezialkenntnissen ist eine Datenerhebung im Vorauswahlverfahren angesichts des die konkrete Bestellungsentscheidung vorbereitenden Charakters gleichwohl zulässig und geboten, um dem Insolvenzgericht im Einzelfall ein möglicherweise ausschlaggebendes Entscheidungskriterium zu vermitteln.232) Die Datenerhebung und -verifizierung verlangt gleichfalls nur einen geringen Aufwand.233) 2.

Persönliche Eignung

95 Nach dem bereits Gesagten sind in § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO nur einige grundlegende Voraussetzungen der Eignung, insbesondere die Unabhängigkeit und Geschäftskunde, normiert worden. Aufgrund der nicht abschließenden Formulierung ergeben sich weitere Eignungskriterien aus der besonderen Stellung des Insolvenzverwalters, der treuhänderisch fremdes Vermögen zu verwalten hat (§§ 80 Abs. 1, 148 Abs. 1 InsO).234) Charakteristisch für die Kriterien der persönlichen Eignung ist ihre Ausschlussfunktion. Es geht im Gegensatz zur fachlichen Eignung regelmäßig nicht um den positiven Nachweis gewisser Erfahrungen oder Qualifikationen, sondern vielmehr darum, dass bestimmte Tatsachen gerade nicht vorliegen. a)

Unabhängigkeit

96 Der Bewerber muss generell unabhängig sein, weil er bei der Erfüllung der Verwalteraufgaben die Interessen sämtlicher Beteiligten zu wahren hat.235)

___________ 230) Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 40. 231) K/P/B-Lüke, InsO, § 56 Rz. 42; Lüke, ZIP 2007, 701, 706. 232) K/P/B-Lüke, InsO, § 56 Rz. 42; ebenso Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 14. 233) Auch hier wird regelmäßig nur die Angabe der (ggf. verhandlungssicher) gesprochenen Sprache(n) verlangt, vgl. Heidelberger Musterfragebogen, NZI 2009, 97, 98; AG München, ZInsO 2009, 421, 424; teilweise werden auch die Sprachkenntnisse der Mitarbeiter erhoben, vgl. Brückner, DZWIR 2016, 406, 407 zu dem am AG Charlottenburg verwendeten, vom Hannoveraner Modell adaptierten Vorauswahlverfahren. 234) Siehe nur BGH, ZIP 2016, 1648, 893; Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 12. 235) BGH, ZIP 2016, 2127 Rz. 22; Frind, ZInsO 2014, 119, 123; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 25.

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III. Die im Vorauswahlverfahren relevanten Eignungskriterien im Einzelnen

aa)

Generelle Unabhängigkeit

Der Bewerber muss für die Aufnahme auf die Vorauswahlliste eine generelle Un- 97 abhängigkeit aufweisen.236) Diese prüft das Insolvenzgericht losgelöst vom Eignungsprofil des konkreten Verfahrens bereits bei der Entscheidung über die Aufnahme des Prätendenten in die Vorauswahlliste.237) Soweit sich Zweifel an der generellen Unabhängigkeit nicht bereits aus Verhalten in früheren Verfahren ergeben, gilt Folgendes: (1)

Offenlegungspflichten

Bei Bewerbern, die auf eine Vorauswahlliste aufgenommen werden möchten, sind 98 die künftigen Verfahrensbeteiligten nicht bekannt und eine konkrete Abhängigkeit kann deswegen nicht geprüft werden.238) Einer Offenlegung in der Bewerbungsschrift bzw. in einem übersandten Fragebogen bedarf es nach Ansicht des Bundesgerichtshofs239) aber dann, wenn eine wirtschaftliche Verbundenheit mit einem Großgläubiger besteht, der – aus Sicht des Bewerbers – erfahrungsgemäß an vielen Insolvenzverfahren als Insolvenzgläubiger beteiligt ist, die an dem Insolvenzgericht geführt werden, bei dem die Aufnahme auf die Vorauswahlliste begehrt wird. Von einer solchen wirtschaftlichen Verbundenheit sei aber nur auszugehen, wenn der Bewerber nicht unerhebliche Beteiligungen an dem Großgläubiger hält (1.), also gesellschaftsrechtlich mit ihm verbunden ist, wenn er in die Führungsebene eingebunden ist (2.) oder wenn er den Gläubiger in bedeutendem Umfang regelmäßig berät (3.). Im Hinblick auf die nachfolgend zu erörternde anwaltliche Verschwiegenheits- 99 pflicht sind die Grenzen der Offenbarungspflicht eng zu ziehen.240) Der Bundesgerichtshof hat deshalb zu Recht ausdrücklich betont, dass es sich um einen Großgläubiger handeln muss und dass dieser erfahrungsgemäß an vielen Insolvenzverfahren beteiligt sein muss. In der Praxis wird es sich dabei in aller Regel um institutionelle Gläubiger wie Banken, Kreditversicherer, Finanzämter oder Sozialversicherungsträger handeln. Hat der Bewerber beispielsweise die örtliche Sparkasse regelmäßig und in bedeutendem Umfang beraten oder gerichtlich vertreten, dann muss er das nach diesen Kriterien anzeigen, während die Finanzierung einzelner Geschäfte oder das Führen von Konten bei dieser Bank ebenso ___________ 236) BGH, ZIP 2016, 876 Rz. 27; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 25; UhlenbruckKommission, ZIP 2007, 1432, 1433. 237) Laukemann, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters, S. 216. 238) Vgl. auch Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 28, die betont, dass sich die Frage der Unabhängigkeit in erster Linie bei der Auswahlentscheidung für ein konkretes Verfahren stellt, aber auch schon bei der Vorauswahl von Bedeutung sein kann. 239) BGH, ZIP 2016, 2127 Rz. 22 ff. 240) Näher unter Rz. 102 ff.

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wenig ausreicht,241) wie beispielsweise das Führen eines einzelnen (mit dem Insolvenzverfahren nicht zusammenhängenden) Rechtsstreits. Angesichts dessen erscheint die Frage nach der generellen beruflichen Tätigkeit für potentielle Gläubiger oder Schuldner und bejahendenfalls die Forderung nach Angabe der Anzahl an aktuellen Mandaten im Vorauswahlverfahren unverhältnismäßig.242) Nicht anders ist es zu beurteilen, wenn in manchen Fragebögen ohne jede Relevanzschwelle sämtliche gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen oder Organstellungen abgefragt werden.243) 100 Besteht nach diesen Maßstäben eine Offenbarungspflicht, so bedeutet das in der Rechtsfolge nur, dass die wirtschaftliche Verbundenheit als solche im Vorauswahlverfahren offengelegt werden muss. Hingegen kann wegen dieses offengelegten Umstands nicht schon die generelle Unabhängigkeit verneint und deshalb die Aufnahme auf die Vorauswahlliste versagt werden. Denn allein die Tatsache der wirtschaftlichen Verbundenheit mit einem Großgläubiger bietet keinen Anlass zu dem Schluss, dass der Insolvenzverwalter generell, also auch in Insolvenzverfahren ohne Beteiligung eben dieses Großgläubigers, die Interessen sämtlicher Beteiligten nicht wahren würde.244) Die Offenlegung kann also nur zu dem Zweck erfolgen, dass das Insolvenzgericht schon ohne Ansehung eines konkreten Verfahrens Kenntnis von der wirtschaftlichen Verbundenheit hat und bei der Auswahl in einem konkreten Verfahren mit Beteiligung eben dieses Großgläubigers den Insolvenzverwalterprätendenten von vornherein – vollkommen zu Recht – unberücksichtigt lässt, ohne darauf angewiesen zu sein, dass dieser seine Inhabilität von sich aus anzeigt. Es geht also in erster Linie um Praktikabilitätserwägungen und Zwecke der Verfahrensvereinfachung. 101 Dies darf aber – wie gesagt – nicht dazu führen, dass der Insolvenzverwalter generell von einer Tätigkeit an diesem Insolvenzgericht ausgeschlossen wird, denn auch wenn der wirtschaftlich verbundene Großgläubiger in vielen Insolvenzverfahren beteiligt sein mag, so wird er nicht in alle, wahrscheinlich nicht einmal in die überwiegende Anzahl der Fälle involviert sein. (2)

Anwaltliche Verschwiegenheitspflicht

102 Zu beachten ist ferner, dass der Bewerber Informationen im Rahmen des Bewerbungsprozesses nur dann offenlegen darf, wenn er daran nicht von Rechts ___________ 241) BGH, ZIP 2016, 2127 Rz. 24 f. 242) So aber AG Duisburg, Frage 29; das ist unbeanstandet geblieben, vgl. OLG Düsseldorf, ZIP 2011, 341 (Rz. 36 – juris). 243) Vgl. aber AG Charlottenburg und AG Hannover, jeweils unter lit. K (Kooperationen und Beteiligungen); AG Duisburg, Ziff. 27 ff.; AG München, Ziff. 6.1, 6.2. 244) A. A. aber anscheinend Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 28 (und Rz. 73), die einen Bewerber für (generell) nicht unabhängig hält, der sehr häufig für am Insolvenzverfahren Beteiligte, wie z. B. Banken, Kreditversicherer und Sozialversicherungsträger, tätig ist. Dies geht nach der hier vertretenen Auffassung in dieser Pauschalität zu weit.

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III. Die im Vorauswahlverfahren relevanten Eignungskriterien im Einzelnen

wegen gehindert ist. Der Pflicht zur Offenbarung könnten insofern insbesondere Verschwiegenheitspflichten entgegenstehen. Jedenfalls in der Fallgruppe der „regelmäßigen Beratung in bedeutendem Umfang“ könnte die für Rechtsanwälte gemäß §§ 43a Abs. 2 BRAO, 2 Abs. 1 BORA geltende – gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB sogar strafbewehrte – Verschwiegenheitspflicht einer Offenbarung entgegenstehen,245) da diese auch schon das Mandatsverhältnis als solches erfasst.246) Da das anwaltliche Berufsrecht nach herrschender Meinung ergänzend zur Insolvenzordnung auch für als Insolvenzverwalter tätige Rechtsanwälte gilt,247) ist dieser Frage näher nachzugehen. Denn der auch als Rechtsanwalt tätige Insolvenzverwalterprätendent könnte demnach aufgrund der Verschwiegenheitspflicht gehindert sein, sein Mandatsverhältnis offenzulegen. Der Umstand, dass der Richter gemäß § 43 DRiG sowie ggf. nach Landesrich- 103 tergesetzen für Berufsrichter im Landesdienst selbst zur Verschwiegenheit verpflichtet ist,248) ändert hieran zunächst nichts, weil die richterliche Verschwiegenheitspflicht im Verhältnis zum Mandanten nicht auf vertragsrechtlicher Grundlage und nicht auf der Basis und mit den Ausgestaltungen des anwaltlichen Berufsrechts besteht.249) Es müssten daher andere Erlaubnistatbestände eingreifen, die dem Insolvenzver- 104 walterprätendenten die Offenlegung gestatten. Insofern kann hier § 2 Abs. 3 BORA herangezogen werden, demzufolge ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht nicht vorliegt, soweit Gesetz und Recht eine Ausnahme fordern oder zulassen. Zwar äußert sich die Insolvenzordnung zu der hier zu beantwortenden Frage nicht ausdrücklich. Das ist aber auch nicht nötig.250) Es genügt, dass sich aus der nach § 56 InsO erforderlichen Eignungsprüfung, die die Information über maßgebliche Mandatsbeziehungen voraussetzt, ergibt, dass insoweit eine Offenlegungspflicht besteht. Diese geht dann der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht nach § 2 Abs. 3 BORA vor.251) Es kann beispielsweise ___________ 245) Hiervon gehen z. B. im Grundsatz wohl auch die vom AG Hamburg – Insolvenzgericht – erlassenen Hamburger Leitlinien zur Reichweite und Durchführung des „Conflict Check“ aus, vgl. ZInsO 2017, 375 (dort unter Ziff. 1.1 Generelle Umstände), da dort (erst) Befreiungsvorschriften als Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht für einschlägig gehalten werden. 246) Römermann/Praß, in: BeckOK-BORA (15. Ed., Stand: 1.6.2016), § 43a BRAO Rz. 62.1; Feuerich/Weyland-Träger, BRAO, § 43a Rz. 16; Henssler/Prütting-Henssler, BRAO, § 43a Rz. 47; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rz. 12. 247) BGH, ZIP 2015, 1546 Rz. 17 ff.; Henssler/Prütting-Henssler, BRAO, § 43a Rz. 46; Thole, NZI 2017, 737 ff.; entsprechend für Wirtschaftsprüfer BGH, NJW 2005, 1057, 1058; a. M. Deckenbrock, AnwBl. 2016, 316 ff.; Prütting, Festheft für K. Knauth, ZIP 2016, Beilage zu Heft 22, 61 ff. 248) Dazu nur Scheuch, in: BeckOK-ZPO, § 376 Rz. 2 f. 249) Römermann/Praß, in: BeckOK-BORA, § 43a BRAO Rz. 90; a. M. Frind, ZInsO 2017, 363, 370. 250) Fischer, AnwBl. 2009, 178, 179. 251) Ebenso Frind, ZInsO 2017, 363, 370.

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nach den vorstehenden Überlegungen252) nicht zweifelhaft sein, dass der Hausanwalt der örtlichen Sparkasse dieses Dauermandat anzeigen muss. Ganz vergleichbar hat der Bundesgerichtshof für einen Steuerberater, der trotz Nachfrage ein Mandatsverhältnis zur Schuldnerin verschwiegen hatte, einen Entlassungsgrund angenommen, ohne die parallel gelegene Verschwiegenheitspflicht aus § 5 BOStB zu problematisieren.253) Die mit der Information des Gerichts verbundene Verschwiegenheitspflichtverletzung ist in beiden Fällen durch die auf § 56 InsO und damit auf Gesetz beruhende Offenbarungsverpflichtung gerechtfertigt und damit auch berufsrechtlich erlaubt. 105 Ein weiterer Rechtfertigungsgrund kann sich aus der Wahrnehmung berechtigter Eigeninteressen des Bewerbers ergeben. Der Bundesgerichtshof hat etwa verlangt, dass ein Rechtsanwalt, dem ein Mandat angetragen wird, darüber aufklären muss, dass er in anderer Sache bereits für den Gegner tätig geworden ist.254) Er hat damit – allerdings unter heftiger Kritik der Literatur255) – anerkannt, dass beruflich relevante Normen – dort das Verbot widerstreitender Interessen aus §§ 43a Abs. 4 BRAO, 3 BORA, hier § 56 InsO – die Preisgabe eines Mandatsverhältnisses rechtfertigen können. 106 Freilich wird man aus diesem Zusammenwirken der genannten Normen folgern müssen, dass die insolvenzrechtliche Auskunftspflicht auf das Nötigste beschränkt wird. Das entspricht der oben256) beschriebenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der etwaige Offenbarungspflichten auf dem Bewerber wirtschaftlich verbundene Großgläubiger beschränkt, die erfahrungsgemäß an vielen Insolvenzverfahren beteiligt sind. bb)

Spezielle Unabhängigkeit im konkreten Einzelfall

107 Die vorausgesetzte Unabhängigkeit fehlt nicht erst dann, wenn eine Abhängigkeit der zu bestellenden Person von Beteiligteninteressen positiv feststeht.257) Wegen der überragenden Bedeutung der Person des Insolvenzverwalters für die ordnungsgemäße Abwicklung des Insolvenzverfahrens und seiner den Interessen sowohl der Gläubiger als auch des Schuldners verpflichteten Stellung ist eine ___________ 252) 253) 254) 255)

Siehe Rz. 98 ff. BGH, ZIP 2017, 1230. BGHZ 174, 186, 189 ff.; BGH, NJW 1985, 41. Vgl. etwa Hartung-Hartung, BORA/FAO, § 2 BORA Rz. 41; Henssler/Deckenbrock, NJW 2008, 1275 ff.; Henssler/Prütting-Henssler, BRAO, § 43a Rz. 115 ff.; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rz. 31; ders., AnwBl. 2008, 278 ff.; dem BGH zustimmend hingegen Fischer, AnwBl. 2009, 178 ff.; Grunewald, JZ 2008, 691 f. 256) Siehe Rz. 98 ff. 257) In einem solchen Fall wäre dann auch an eine Verletzung des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen aus §§ 43a Abs. 4 BRAO, 3 BORA (vgl. BGH, ZIP 2017, 1377 Rz. 9) oder des Vorbefassungsverbots aus § 45 BRAO zu denken; vgl. dazu Thole, NZI 2017, 737 ff.; allgemein zur Anwendung des anwaltlichen Berufsrechts siehe Rz. 102 ff.

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III. Die im Vorauswahlverfahren relevanten Eignungskriterien im Einzelnen

Bestellung bereits dann ausgeschlossen, wenn objektive Umstände feststehen, die aus der Sicht eines vernünftigen Gläubigers oder Schuldners berechtigte Zweifel an der Unvoreingenommenheit oder Unparteilichkeit der in Aussicht genommenen Person begründen.258) Solche im Einzelfall die Unabhängigkeit in Frage stellenden Umstände muss der Bewerber dann auch offenlegen.259) b)

Höchstpersönlichkeit

Das Amt des Insolvenzverwalters ist nicht übertragbar; es ist vielmehr höchst- 108 persönlich wahrzunehmen.260) Die Verfahrensabwicklung kann daher weder generell noch größtenteils auf andere Personen übertragen werden.261) Mag der Einsatz von Mitarbeitern in größeren Verfahren vielfach unvermeidbar und mitunter geradezu geboten sein, muss der Verwalter jedenfalls die insolvenzverfahrensspezifischen Handlungen262) selbst vornehmen.263) Da diese Pflicht unabhängig von der Ausgestaltung des konkreten Verfahrens gilt, handelt es sich jedenfalls bei der Bereitschaft zur höchstpersönlichen Amtswahrnehmung im Grundsatz schon um eine Eigenschaft der generellen Eignung.264) Steht zu be___________ 258) BGH, ZIP 2017, 1230 Rz. 11; Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 67; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 56 Rz. 42 m. w. N. 259) BGH, ZIP 2016, 876 Rz. 26. 260) BGHZ 198, 225 Rz. 9; BGH, ZIP 2016, 2127 Rz. 13; siehe auch BVerfGK 16, 84 = ZIP 2009, 1722 Rz. 23. 261) Nerlich/Römermann-Delhaes/Römermann, InsO, § 56 Rz. 22. 262) Hierzu gehören unter anderem die Führung von Anfechtungsprozessen und die Aufnahme von gemäß § 240 ZPO unterbrochenen Prozessen, die Entscheidungen über die Kündigung und Entlassung von Arbeitnehmern sowie über die Art der Verwertung der Masse. Auch Berichtspflichten gegenüber den Verfahrensbeteiligten (§§ 58 Abs. 1 Satz 2, 69, 79, 152, 156 InsO), die etwaige Erstellung eines Insolvenzplans (§ 218 InsO) sowie die Schlussrechnungslegung (§ 66 InsO) muss vom Insolvenzverwalter im Wesentlichen selbst vorgenommen werden, vgl. BGHZ 198, 225 Rz. 9; siehe ferner die Auflistung bei GrafSchlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 25. 263) BGHZ 198, 225 Rz. 9. 264) BVerfGK 16, 84 = ZIP 2009, 1722 Rz. 11, 21 f. Das Bundesverfassungsgericht hat dies ausdrücklich nur für die dort streitgegenständlichen Kategorien „Unternehmensinsolvenzen“ und „spezielle Fallgestaltungen“ festgestellt und konnte zunächst offenlassen, ob die höchstpersönliche Aufgabenwahrnehmung auch für alle anderen Arten von Insolvenzverfahren ein verfassungsrechtlich zulässiges Kriterium für die Aufnahme auf die Vorauswahlliste darstellt. Wenn das Kriterium der höchstpersönlichen Bearbeitung aber selbst bei Unternehmensinsolvenzen und in speziellen Fallgestaltungen zulässig ist, in denen notwendigerweise mehr Aufgaben delegierbar sein müssen, kann für typischerweise vom Arbeitsumfang geringere Regelinsolvenzverfahren natürlicher Personen und Verbraucherinsolvenzverfahren nichts anderes gelten. Das Argument, die höchstpersönliche Wahrnehmung durch den bestellten Verwalter sei nur bei Unternehmensinsolvenzen und in speziellen Fallgestaltungen besonders wichtig, während es bei typischerweise von der Komplexität her einfacheren Verbraucher- und Regelinsolvenzverfahren natürlicher Personen auch zentrale Entscheidungen an Mitarbeiter oder Dritte delegierbar seien, verkennt, dass der sog. Akquisitionsverwalter gerade als Negativbild unzulässiger Delegation gilt, vgl. nur Frind, in: HambKomm-InsO, § 56 Rz. 16b; Nerlich/Römermann-Delhaes/Römermann, InsO, § 56 Rz. 22; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 20.

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fürchten, dass der Prätendent nicht delegierbare Aufgaben auf andere überträgt, also nur als sog. Akquisitionsverwalter auftritt und nach dem Subunternehmerprinzip arbeitet,265) kann ihm deshalb schon die Aufnahme auf die Vorauswahlliste versagt werden.266) 109 Voraussetzung hierfür ist nach dem Bundesgerichtshof allerdings ein begründeter Verdacht, dass sich der Bewerber insoweit auch pflichtwidrig verhalten wird.267) Dies kann dann anzunehmen sein, wenn dem Insolvenzgericht aus anderen Verfahren bekannt ist, dass der Bewerber die insolvenzverfahrensspezifischen Handlungen nicht selbst vornimmt und sich etwa in Berichts- oder Prüfungsterminen268) regelmäßig vertreten lässt.269) Allein die Anzahl der zum Zeitpunkt der Bewerbung bearbeiteten Verfahren lässt aber noch keine Rückschlüsse auf die (mangelnde) höchstpersönliche Wahrnehmung der Aufgaben zu, da sich die (Überlastungs-)Situation zum Zeitpunkt einer konkreten Bestellung geändert haben kann.270) Die momentane Belastung ist daher nur bei der konkreten Bestellung von Bedeutung, nicht aber generell als Indiz für eine mangelnde höchstpersönliche Aufgabenwahrnehmung und damit eine fehlende generelle Eignung.271) 110 Festhalten lässt sich damit, dass für das sachgerechte Kriterium der höchstpersönlichen Aufgabenwahrnehmung zunächst allein gewisse Ausschlussindizien bestehen, die Prüfung mithin grundsätzlich negativ erfolgt (Akquisitionsverwaltung, Nichtvornahme insolvenzverfahrensspezifischer Handlungen, regelmäßige Vertretung in Berichts- und Prüfungsterminen). Fehlt es an solchen Verdachtsmomenten, kann dem Bewerber die Aufnahme auf die Vorauswahlliste unter dem Aspekt der Höchstpersönlichkeit grundsätzlich nicht versagt werden. Fraglich bleibt nur, ob die höchstpersönliche Aufgabenwahrnehmung anlassunabhängig auch in gewisser Weise positiv nachzuweisen ist. Dies wird man im Hinblick auf das Verifizierungsgebot im Grundsatz zwar bejahen können, sich indes auf hierfür zur Verfügung stehende Mittel zu beschränken haben. So hat der Bundesgerichtshof es in seiner Entscheidung vom 13. Oktober 2016 – bei Nichtvorliegen negativer Erfahrungen – ausreichen lassen, dass der Bewerber Mitglied des Verbandes der Insolvenzverwalter Deutschlands e. V. (VID) war und ___________ 265) Siehe hierzu auch schon BVerfGK 16, 84 = ZIP 2009, 1722 Rz. 24. Dort hatte das Bundesverfassungsgericht noch offengelassen, ob auch die Akquisitionsverwaltung zulässig sein kann; dies ist nach der Entscheidung BGH, ZIP 2016, 2127 Rz. 14 nunmehr eindeutig zu verneinen. 266) BGH, ZIP 2016, 2127 Rz. 14; Pape, ZInsO 2017, 1341, 1349. 267) BGH, ZIP 2016, 2127 Rz. 14; Pape, ZInsO 2017, 1341, 1349. 268) Eine Vertretung dort aber noch für zulässig erachtend Preß/Henningsmeier, in: HambKommInsO, § 176 Rz. 5; Depré, in: HK-InsO, § 176 Rz. 2. 269) BGH, ZIP 2016, 2127 Rz. 14. 270) BGH, ZIP 2016, 2127 Rz. 14. 271) OLG Brandenburg, NZI 2009, 647, 649; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 20.

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erklärt hatte, dessen Berufsgrundsätze272) sowie die Grundsätze ordnungsgemäßer Insolvenzverwaltung (GOI)273) strikt einzuhalten, die durch einen Verweis auf die Internetseite in Bezug genommen wurden.274) Hieraus wird man schließen können, dass diese das Merkmal der Höchstpersönlichkeit zutreffend wiedergeben und eine dementsprechende Arbeitsweise daher auch den höchstrichterlichen Anforderungen gerecht wird.275) Eine Versicherung zu dessen Einhaltung muss als Nachweis deshalb – vorbehaltlich negativer Erfahrungen – ausreichen. Der Bewerber muss dafür auch nicht Mitglied im VID sein, denn dies würde faktisch zu einer mit Art. 9 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarenden Zwangsmitgliedschaft in einer privatrechtlichen Vereinigung führen,276) für die § 56 InsO keine Grundlage darstellt. Die ernstliche Versicherung, dass man sich an die dortigen Grundsätze gebunden sieht, ist daher schon ausreichend. Selbst eine eigenständig verfasste Konformitätserklärung muss im Grundsatz ausreichen, wenn sie ihrem Inhalt nach mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung übereinstimmt. Wenn einem Insolvenzgericht derartige Zusicherungen nicht genügen sollten, muss es – wie dies mitunter auch rechtstatsächlich praktiziert wird277) – selbst den Bewerbern ausdrückliche Erklärungen abverlangen.278) c)

Alter

Ein kontrovers diskutiertes Kriterium zur Feststellung der Eignung ist das Alter 111 des Prätendenten. Nach ganz herrschender Meinung in Rechtsprechung279) und

___________ 272) 273) 274) 275)

276) 277)

278) 279)

Vgl. § 5 Abs. 1 der VID-Berufsgrundsätze der Insolvenzverwalter. Vgl. Ziff. II.1. der GOI. BGH, ZIP 2016, 2127 Rz. 15 f. Zu beachten ist, dass verbandsinternen Grundsätzen keine normative Kraft zukommt und sie das Merkmal der Höchstpersönlichkeit nicht konkretisieren i. S. v. wertend prägen können (a. A. aber wohl AG Hamburg, ZIP 2001, 2147 Ls. 1; krit. hierzu Holzer, EWiR 2002, 71 f.). Vielmehr umschreiben diese regelmäßig nur die Grundsätze, die sich methodisch auch aus der Wertung der InsO ableiten lassen. Gehen sie darüber hinaus, bedeutet ein Verstoß nicht auch einen Verstoß gegen das Gesetz. Siehe hierzu Maunz/Dürig-Scholz, GG, Art. 9 Rz. 89. So etwa AG Duisburg, Ziff. 60; AG Regensburg, S. 6 des PDF; AG München, ZInsO 2009, 421 Ziff. 7.5 – Höchstpersönliche Wahrnehmung der Kernaufgaben und der gerichtlichen Termine. BGH, ZIP 2016, 2127 Rz. 16. KG, ZIP 2008, 284 Ls. (und Rz. 9 – juris; Altersgrenze von 62 Jahren); OLG Hamburg, ZIP 2012, 336 (Rz. 19 ff. – juris; Altersgrenze von 65 Jahren); OLG Hamm, ZIP 2007, 1722 Ls. 2 (und Rz. 24 ff. – juris; Altersgrenze von 65 Jahren verletzt die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit, da es schon an der gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG notwendigen gesetzlichen Grundlage fehle und weder normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften noch eine ständige Verwaltungspraxis hierfür ausreichten).

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Literatur280) stellt dieses jedenfalls kein sachgerechtes Kriterium dar, um dem Bewerber die generelle Eignung abzusprechen und ihm infolgedessen die Aufnahme auf die Vorauswahlliste zu verwehren. Für die Bestellungsentscheidung im konkreten Einzelfall wird dagegen mitunter vertreten, auch das Alter des Prätendenten zu berücksichtigen und insbesondere bei prognostiziert mehrjährigen Insolvenzverfahren von einer Bestellung (auch ohne Hinweis auf eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit) abzusehen.281) Andere halten eine Berücksichtigung des Alters dagegen auch bei der konkreten Bestellungsentscheidung für unzulässig.282) 112 Fest steht damit zunächst nur, dass das Alter jedenfalls als Entscheidungskriterium für die Aufnahme auf die Vorauswahlliste außer Betracht zu bleiben hat und die Erhebung des Alters des Bewerbers insoweit nicht erforderlich ist. Nach dem bereits Gesagten geht damit aber nicht notwendigerweise auch ein Verbot der Datenerhebung einher, denn diese soll aufgrund des vorbereitenden Charakters der Vorauswahlliste (Doppelfunktion) auch die Eignungsprüfung und das Ausüben des Auswahlermessens gerade im konkreten Fall ermöglichen. Entscheidend ist daher, ob das Alter im konkreten Fall ein sachgerechtes Kriterium darstellt, für welches eine Voraberhebung im Rahmen des Vorauswahlverfahrens geboten erscheint. Auch diese Frage wird man im Ergebnis zu verneinen haben. 113 Zwar ist der eine Berücksichtigung des Alters befürwortenden Meinung zuzugeben, dass das Ziel der Verhinderung eines Wechsels des Insolvenzverwalters (sowie der damit einhergehenden Kostenfolgen)283) im laufenden Verfahren sicherlich im maßgeblichen Interesse der Gläubigerschaft und des Schuldners liegen dürfte, sachliche Gründe also auf den ersten Blick vorzuliegen scheinen. Das Alter als solches bietet zur Erreichung dieses Ziels aber keinen geeigneten, je___________ 280) Jahntz, in: FK-InsO, § 56 Rz. 13; Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 22; K/P/B-Lüke, InsO, § 56 Rz. 34; K. Schmidt-Ries, InsO, § 56 Rz. 52; a. A. aber Hess, in: KK-InsO, § 56 Rz. 184; eine generelle Altersgrenze von 70 Jahren de lege ferenda zuletzt erwägend aber Prütting, in: FS H. Vallender, S. 455, 461; vgl. auch Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 32, wonach eine generelle Altersgrenze gegen §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG verstoße, die auch im Rahmen öffentlich-rechtlicher Betätigungsverhältnisse (§ 24 AGG) anwendbar seien. Der Insolvenzverwalter übt nach der h. M. kein öffentliches, sondern ein privates Amt aus (Amtstheorie), in Rahmen dessen er durch das Insolvenzgericht legitimierte und durch die InsO vorgegebene Hoheitsrechte wahrnimmt, vgl. Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 142 f. Einer Anwendung des AGG steht dies freilich nicht entgegen, da § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG allein eine Benachteiligung aus Gründen des Alters für den Zugang zur Erwerbstätigkeit voraussetzt. 281) Frind, in: HambKomm-InsO, § 56 Rz. 13; Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 55a, 111a; auch Göcke, in: BeckOK-InsO, § 56 Rz. 25 erachtet es wohl als Kriterium für die konkrete Bestellungsentscheidung als zulässig. 282) Jahntz, in: FK-InsO, § 56 Rz. 13; K/P/B-Lüke, InsO, § 56 Rz. 34. 283) So ausdrücklich Frind, in: HambKomm-InsO, § 56 Rz. 13.

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denfalls keinen erforderlichen Anknüpfungspunkt.284) Denn der pauschalisierte Rückschluss vom Alter auf die Ungeeignetheit für ein konkretes Verfahren wird der mitunter ganz unterschiedlich zu beurteilenden Leistungsfähigkeit der Prätendenten nicht gerecht. Es ist daher nicht das Alter entscheidend, sondern eine möglicherweise bestehende Beeinträchtigung der (zukünftigen) Leistungsfähigkeit. Diese kann sachgerecht allein in direkter Absprache zwischen dem Insolvenzgericht und dem im Übrigen in Betracht kommenden Kandidaten vor der konkreten Bestellungsentscheidung abgeklärt werden, nicht aber durch einen Rückgriff auf das in der Vorauswahlliste vermerkte Alter. Folgt man dem, ist das Alter des Prätendenten per se kein sachgerechtes und in 114 Anbetracht der Verhältnismäßigkeitskontrolle (Art. 12 Abs. 1 GG) geeignetes Kriterium, um Rückschlüsse auf die Eignung des Bewerbers und insbesondere dessen Leistungsfähigkeit zu ziehen. Ein diesbezügliches Informationsinteresse des Gerichts besteht folglich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt. Die auf tatsächlicher Ebene durchgeführte Feststellung des Alters des Bewerbers (durch direkte Angabe oder indirekte Erhebung des Geburtsdatums) ist danach weder für die (generelle und konkrete) Eignungsprüfung erforderlich noch ermöglicht sie eine sachgerechte Ausübung des Auswahlermessens i. S. d. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts;285) einfachgesetzlich handelt es sich nicht um eine entscheidungserhebliche Tatsache i. S. d. § 26 FamFG (analog). Die Vorauswahlliste hat Informationen über das Alter daher nicht zu enthalten. Eine diesbezügliche Datenerhebung bzw. Ermittlung seitens des Insolvenzgerichts muss dann konsequenterweise von vornherein unterbleiben; die Nichtbeantwortung einer derartigen Abfrage müsste ohne Konsequenzen bleiben. d)

Integrität und Zuverlässigkeit

Zu der persönlichen Eignung gehört auch die Integrität des Kandidaten.286) Auf- 115 grund der Pflicht des Insolvenzverwalters zur Sicherung und Erhaltung des ihm anvertrauten Vermögens ist unerlässliche Voraussetzung der Bestellung die absolute persönliche Zuverlässigkeit und Korrektheit im Umgang mit fremdem Vermögen, nicht zuletzt deshalb, weil das Gericht nur begrenzte Kontrollmöglichkeiten hat.287) Im Rahmen der Vorauswahl überprüft wird diesbezüglich re___________ 284) Einen Verstoß gegen §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG wird man nicht annehmen können, denn es geht bei der konkreten Bestellung gerade nicht um den vom Wortlaut vorausgesetzten allgemeinen Zugang zur Erwerbstätigkeit, sondern nur um die Nichtbestellung in einem konkreten Einzelfall. 285) Vgl. BVerfGE 116, 1 Rz. 44. 286) BGHZ 159, 122, 129; BGH, ZIP 2017, 1230 Rz. 14; 2016, 1648 Rz. 8; 2011, 1526 Rz. 6; 2011, 282 Rz. 20; auch Erwägungsgrund (40) der RRL-E erwähnt die integre Aufgabenerfüllung, vgl. COM(2016) 723 final, S. 41. 287) BGH, ZIP 2016, 1648 Rz. 8; Jahntz, in: FK-InsO, § 56 Rz. 12; Graeber, in: MünchKommInsO, § 56 Rz. 55.

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Teil A Gerichtliche Informationsgewinnung im Vorfeld der Insolvenzverwalterbestellung

gelmäßig das (Nicht-)Vorliegen von Vorstrafen.288) Fraglich ist, welche Vorstrafen die erforderliche Integrität des Bewerbers entfallen lassen (Rz. 116 ff.) und ob und inwieweit diese in gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht im Vorauswahlverfahren abgefragt werden können (Rz. 119 ff.). aa)

Relevante Vorstrafen und Ermittlungsverfahren

116 Eine Vorstrafe wegen Insolvenzvergehen begründet anerkanntermaßen selbst bei fehlendem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt oder Insolvenzverwalter Zweifel an der Integrität des Bewerbers, welche es unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes rechtfertigen, von einer Aufnahme auf die Vorauswahlliste abzusehen.289) Es kommt demnach nicht darauf an, in welchem persönlichen Zusammenhang (beruflich oder privat) die Straftat begangen wurde, sondern vielmehr auf deren sachlichen Bezug zur Tätigkeit des Insolvenzverwalters.290) Die Straftat darf der besonderen Stellung des Insolvenzverwalters nicht entgegenstehen. Ausgehend hiervon wird verallgemeinert, dass zumindest vermögensbezogene Straftaten mit dessen Amt generell unvereinbar sind.291) Dies ist angesichts der treuhänderischen Verwaltung fremden Vermögens zweifelsohne richtig. Die Stellung des Insolvenzverwalters erschöpft sich aber nicht hierin, sondern umfasst allgemein die Inanspruchnahme einer besonderen Vertrauensstellung gegenüber allen Verfahrensbeteiligten.292) So betont der Bundesgerichtshof im Rahmen der Integrität etwa stets auch die Ehrlichkeit des Verwalters.293) Straftaten, die Zweifel hieran aufkommen lassen, können der Bestellbarkeit daher ebenfalls entgegenstehen.294) Beispielhaft anführen ließen sich insofern etwa Aussagedelikte gemäß §§ 153 ff. StGB (geschütztes Rechtsgut: staatliche Rechtspflege295)), Straftaten betreffend die Verletzung von Geheimnissen (insbesondere § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB)296) oder auch Ur___________ 288) Vgl. BGH, ZIP 2016, 876 Rz. 28; Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 55. 289) BGH, ZIP 2016, 876 Rz. 28; 2008, 466 Rz. 5; a. A. hinsichtlich des nicht erforderlichen persönlichen Zusammenhangs noch die Vorinstanz OLG Stuttgart, ZIP 2007, 1822 Ls. 2 (und Rz. 41 f. – juris). 290) Zutr. AG Potsdam, NZI 2017, 450, 451; nach sämtlichen Strafverfahren fragen hingegen das AG Charlottenburg und das AG Hannover, jeweils unter lit. L (Erklärungen); ebenso AG Duisburg, Ziff. 54, 56. 291) Frind, in: HambKomm-InsO, § 56 Rz. 13b; Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 55. 292) BGHZ 159, 122 (Rz. 19 – juris). 293) BGHZ 159, 122 (Rz. 19 – juris); BGH, ZIP 2017, 1230 Rz. 14 m. w. N. 294) Vgl. BGHZ 159, 122 (Rz. 19 – juris), wo aufgrund eines strafbaren Missbrauchs von Titeln gemäß § 132a Abs. 1 StGB auf die persönliche Ungeeignetheit des Bewerbers geschlossen wurde. 295) Schönke/Schröder-Lenckner/Bosch, StGB, Vor §§ 153 ff. Rz. 2. 296) Dass sich ein Insolvenzverwalter wegen der enumerativen Nennung und des Analogieverbots selbst nicht nach dieser Norm strafbar machen kann, schließt es nach dem Vorgesagten nicht aus, derartige Verurteilungen des Bewerbers in einem anderen Zusammenhang bei der Eignungsprüfung i. S. d. § 56 InsO zu berücksichtigen.

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III. Die im Vorauswahlverfahren relevanten Eignungskriterien im Einzelnen

kundsdelikte gemäß §§ 267 ff. StGB, bei denen es gemäß dem Verhältnismäßigkeitsprinzip je nach Ausgestaltung und Schwere des Einzelfalls möglich erscheint, dass sie dem Amt des Insolvenzverwalters entgegenstehen. Damit kann zwar nicht schlechthin jede strafrechtlich relevante Verfehlung es 117 per se rechtfertigen, den Bewerber von der Beauftragung mit Insolvenzverfahren auszuschließen (zu denken ist etwa an eine ohne Bezug zu einem Insolvenzverfahren stehende fahrlässige Körperverletzung gemäß § 229 StGB),297) eine Beschränkung auf Insolvenz- und Vermögensdelikte greift in dieser Allgemeinheit aber jedenfalls zu kurz. Es ist vielmehr im jeweiligen Einzelfall zu überprüfen, ob sich aus dem Charakter, der Anzahl oder der Schwere der Tat(en) der Schluss ergibt, dass dem Bewerber die für das Amt notwendige Redlichkeit und charakterliche Integrität fehlt und er mithin keine hinreichende Gewähr dafür bietet, das ihm übertragene Amt ordnungsgemäß auszuüben.298) Entsprechendes gilt im Ansatz auch für anhängige Ermittlungsverfahren, wenn 118 diese – entsprechend den Vorstrafen – Zweifel an der persönlichen Eignung begründen können.299) Die Unschuldsvermutung gemäß Art. 6 Abs. 2 EMRK steht dem im Grundsatz nicht entgegen, da sie unmittelbar nur den entscheidenden Richter bindet und nicht zur Folge hat, dass aus einem anhängigen Verfahren überhaupt keine Nachteile entstehen dürfen.300) Anhängige Ermittlungsverfahren müssen also bei der Eignungsprüfung nicht schlechthin unberücksichtigt bleiben. Dies würde auch zu dem für die potentiellen Verfahrensbeteiligten unzumutbaren Ergebnis führen, dass ein möglicherweise strafrechtlich in Erscheinung getretener Bewerber vorerst für das Amt des Insolvenzverwalters in Betracht käme und konkrete Verfahren übernehmen könnte. Bei Vorliegen relevanter Ermittlungsverfahren kann eine generelle Eignung daher (vorerst) nicht angenommen werden. Aufgrund der einstweilen nicht erwiesenen Schuld gebietet es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aber, die endgültige Beurteilung der Geeignetheit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Ermittlungs- und eines sich ggf. anschließenden Strafverfahrens aufzuschieben.301) bb)

Informationserhebung

Von der Frage, welche Vorstrafen bzw. Ermittlungsverfahren der Integrität des 119 Kandidaten letztlich entgegenstehen bzw. (zeitweise) Zweifel begründen, wenn sie dem Insolvenzgericht bekannt sind, ist die Frage der Informationsgewinnung im Vorauswahlverfahren zu trennen. Im Grundsatz sind diejenigen Daten ___________ 297) So auch AG Potsdam, NZI 2017, 450, 451. 298) Wohl noch weitergehend Frind, ZInsO 2008, 18, 20, nach dem auch „vermögensferne“ Verurteilungen regelmäßig zur generellen Ungeeignetheit führen müssten. 299) Vgl. allg. auch BAG, NJW 2013, 1115 Rz. 24; 2006, 252, 254; 1999, 3653, 3654. 300) Siehe BAG, NJW 2013, 1115 Rz. 24; 2006, 252, 254; 1999, 3653, 3654. 301) So wohl auch AG Mannheim, NZI 2010, 107, 110; vgl. auch BAG, NJW 2006, 252, 254.

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zu erheben, die für die Feststellung der Eignung maßgebend sind. Danach ließe sich im Vorauswahlverfahren nach denjenigen soeben dargestellten Vorstrafen und anhängigen Ermittlungsverfahren fragen, die dem Amt des Insolvenzverwalters entgegenstehen, also einen hinreichenden sachlichen Bezug aufweisen. Der Kandidat ist insoweit grundsätzlich zur wahrheitsgemäßen Antwort auf Fragen verpflichtet,302) die von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung seiner Integrität und Eignung sind. Der Bewerber wäre nach diesem Grundsatz also jedenfalls verpflichtet, eine Vorstrafe oder ein anhängiges Ermittlungsverfahren wegen eines Vermögensdelikts zu offenbaren. Für die Informationserhebung im Vorauswahlverfahren von Interesse ist aber auch, ob Vorstrafen auf Nachfragen hin auch ohne gegenständliche Einschränkung offenzulegen sind (Rz. 120) und inwieweit die Offenlegung zeitlich zurückreicht (Rz. 121 f.). (1)

Gegenständliche Einschränkung

120 Hinsichtlich einer gegenständlichen Einschränkung ist zu beachten, dass das Insolvenzgericht gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 1 BZRG eine unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister einholen kann.303) Darin werden alle Verurteilungen und anderen Umstände abgebildet, die nicht in ein Führungszeugnis aufgenommen werden. Eine gegenständliche Einschränkung findet mithin schon im Ansatz nicht statt. Die unbeschränkte Auskunft ist nach § 41 Abs. 1 Nr. 1 BZRG Gerichten auf Antrag für Zwecke der Rechtspflege, die gemäß Absatz 4 Satz 2 anzugeben sind, zu gewähren. Der Begriff der Rechtspflege ist dabei weit auszulegen.304) Hierzu sind neben der Rechtsprechung im engeren Sinne auch solche Aufgaben zu zählen, die den Gerichten im Zusammenhang mit ihrer rechtsprechenden Tätigkeit übertragen worden sind, nicht hingegen aber Verwaltungs- oder Personalangelegenheiten.305) Obgleich die Abgrenzung im Einzelnen schwierig sein mag, soll ein Auskunftsrecht bestehen, wenn dem Gericht durch Gesetz bestimmte Entscheidungen übertragen worden sind.306) Dies wird man bei § 56 InsO anzunehmen haben, denn das Gericht wird bei der Insolvenzverwalterbestellung und der Eignungsprüfung hoheitlich tätig; es geht nicht (nur) um eine interne Personalangelegenheit des Gerichts, sondern um die Suche nach geeigneten Bewerbern für die ordnungsgemäße Abwicklung von Insolvenzverfahren als Teil des staatlicherseits zu garantierenden Justizgewährleistungsanspruchs.307) Mit der Eignungsprüfung wird mithin auch ein besonderes öffentliches Interesse verfolgt, was es nach Sinn und Zweck des § 41 BZRG rechtfertigt, ___________ 302) 303) 304) 305) 306) 307)

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Vgl. zur grundsätzlich notwendigen Ehrlichkeit BGH, ZIP 2017, 1230 Rz. 14. BerlKomm-Blersch, InsO, § 56 Rz. 14; Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 20. Hase, BZRG, § 41 Rz. 4; Tolzmann, BZRG, § 41 Rz. 15. Begr. zum RegE, BT-Drucks. VI/477 zu § 37; Tolzmann, BZRG, § 41 Rz. 15. Tolzmann, BZRG, § 41 Rz. 15. Vgl. BVerfGE 141, 121 Rz. 44 f.; ferner Pape, ZInsO 2017, 1341, 1343.

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III. Die im Vorauswahlverfahren relevanten Eignungskriterien im Einzelnen

der staatlichen Stelle das kriminelle Vorleben vollständig zu offenbaren und ihr eine unbeschränkte Auskunft zu erteilen.308) Wenngleich es daher nicht jede strafrechtliche Verfehlung rechtfertigen mag, dem Bewerber die generelle Eignung abzusprechen, so folgt aus der Wertentscheidung des § 41 BZRG doch, dass das Insolvenzgericht im Rahmen der Eignungsprüfung jedenfalls von allen eintragungsfähigen Verfehlungen Kenntnis erlangen darf, um daraufhin eine Prüfung im Einzelfall vornehmen zu können. Dies determiniert dann auch den Umfang des Fragerechts nach Vorstrafen im Vorauswahlverfahren. Nach der § 41 BZRG zu entnehmenden Wertung des Gesetzgebers sind dem Insolvenzgericht daher im Grundsatz und vorbehaltlich einer sogleich zu erörternden zeitlichen Einschränkung alle Vorstrafen ohne gegenständliche Einschränkung mitzuteilen, wenn danach gefragt wird. (2)

Zeitliche Einschränkung

Eine weitere Frage ist, inwieweit die Offenbarungspflicht zeitlich zurückreicht. 121 Insofern ist die Wertung des Verschweigerechts gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 2 BZRG zu beachten, wonach die Verurteilung und der ihr zugrunde liegende Sachverhalt nicht offenbart werden muss, wenn sie aus dem Zentralregister getilgt wurde, §§ 45 ff. BZRG. Zwar gilt gemäß § 53 Abs. 2 BZRG eine Ausnahme von dem Verschweigerecht gegenüber Gerichten und Behörden, soweit diesen – wie vorliegend – ein unbeschränktes Auskunftsrecht gemäß § 41 ZBRG zusteht und der Verurteilte hierüber belehrt worden ist. Diese bezieht sich nach dem klaren Wortlaut aber nur auf § 53 Abs. 1 Nr. 1 BZRG, nicht auch auf bereits getilgte Vorstrafen gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 2 BZRG.309) Vorstrafen, die getilgt worden sind und deshalb auch nicht mehr in einer unbeschränkten Auskunft gemäß § 41 BZRG mitgeteilt werden könnten, brauchen deshalb nicht offenbart zu werden. Hierfür spricht auch das Verwertungsverbot aus § 51 Abs. 1 BZRG, wonach die Tat und die Verurteilung bei Tilgungsreife dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und zu seinem Nachteil verwertet werden dürfen. Zwar existiert auch zu dem Verwertungsverbot in § 52 Abs. 1 N. 4 BZRG eine Ausnahme für Berufszulassungen, wenn diese sonst zu einer erheblichen Gefährdung der Allgemeinheit führen würden. Die zeitliche Begrenzung der Offenbarungspflicht beeinträchtigt dies aber nicht, sondern es er___________ 308) Vgl. Tolzmann, BZRG, § 41 Rz. 5 f. Auf die mitunter seitens der Gerichte eingeholte Einverständniserklärung zur Einholung einer entsprechenden Auskunft (z. B. in den Fragebögen des AG Charlottenburg und des AG Hannover, jeweils unter lit. L [Erklärungen]) kommt es deshalb nicht an. Gelangte man zu dem Ergebnis, dass Insolvenzgerichte nicht selbst eine unbeschränkte Auskunft nach § 41 Abs. 1 Nr. 1 BZRG einholen können, wäre eine solche Einverständniserklärung unbeachtlich, da hierdurch der Schutzzweck der Norm umgangen würde, siehe Tolzmann, BZRG, § 41 Rz. 11. Entsprechendes gilt für die Aufforderung an den Bewerber, sich gemäß § 42 BZRG selbst eine Auskunft erteilen zu lassen und diese dem Insolvenzgericht vorzulegen; vgl. AG Duisburg, Ziff. 55. 309) BAG, NJW 2013, 1115 Rz. 34.

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Teil A Gerichtliche Informationsgewinnung im Vorfeld der Insolvenzverwalterbestellung

weitert nur die Verwertungsmöglichkeit bei anderweitiger Kenntniserlangung.310) Getilgte oder tilgungsreife Vorstrafen dürfen deshalb rechtmäßig verschwiegen werden.311) 122 Ähnliches wird man für eingestellte (nicht mehr laufende) Ermittlungsverfahren anzunehmen haben. Denn eingestellte Ermittlungsverfahren werden von vornherein nicht in einer unbeschränkten Auskunft gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 1 BZRG mitgeteilt312) und es wäre unvertretbar, den Betroffenen nach Abschluss des Verfahrens ohne Schuldnachweis zu belasten.313) Besteht ein Verschweigerecht gegenüber Behörden und Gerichten schon in den von § 53 Abs. 1 Nr. 2 BZRG ausdrücklich geregelten Fällen (Verurteilungen), muss dies erst recht für solche Umstände gelten, die von vornherein nicht in das Register eingetragen werden.314) Der Bewerber braucht eingestellte Ermittlungsverfahren nach den Wertungen des § 41 BZRG i. V. m. § 53 BZRG daher überhaupt nicht aufzuführen und darf diese rechtmäßig verschweigen. cc)

Ergebnis

123 Im Ergebnis festhalten lässt sich damit, dass Vorstrafen mit einem sachlichen Bezug zum Amt des Insolvenzverwalters Zweifel an der Integrität begründen und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die generelle Eignung des Bewerbers ausschließen. Anhängige Ermittlungsverfahren führen zu einem Aufschub der Eignungsprüfung. Der Kreis der relevanten strafrechtlichen Verfehlungen ist dabei weit zu ziehen und nicht nur auf Vermögensdelikte zu begrenzen; es ist jeweils eine Prüfung im Einzelfall vorzunehmen. Angesichts dessen sowie des Umstandes, dass das Insolvenzgericht eine unbeschränkte Auskunft aus dem Zentralregister gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 1 BZRG einholen kann, ist der Bewerber daher auf Fragen hin zunächst verpflichtet, Vorstrafen und anhängige Ermittlungsverfahren wahrheitsgemäß ohne jede gegenständliche Einschränkungen mitzuteilen. Wegen der Wertentscheidung der §§ 51, 53, 41 BZRG ___________ 310) BAG, NJW 2013, 115 Rz. 43; Hase, BZRG, § 52 Rz. 1; Tolzmann, BZRG, § 52 Rz. 6. 311) Zu pauschal deshalb die Fragebögen des AG Charlottenburg und des AG Hannover, jeweils unter lit. L (Erklärungen); ebenso AG Duisburg, Ziff. 54. Dort wird auf einen ZehnJahres-Zeitraum abgestellt, während das § 46 BZRG zwischen fünf-, zehn-, fünfzehn- und zwanzigjährigen Tilgungsfristen differenziert. Das Gericht muss natürlich nicht den möglichen Höchstzeitraum ausschöpfen, darf aber nicht nach Verurteilungen fragen, die wegen einer nur fünfjährigen Tilgungsfrist nach § 46 Abs. 1 Nr. 1 BZRG bereits aus dem Register entfernt sind. 312) BAGE 143, 343 Rz. 25. 313) Vgl. BAG, NJW 2013, 1115 Rz. 50 (die Ausführungen des BAG sind zwar im Zusammenhang mit einem öffentlichen Anstellungsverhältnis für den allgemeinen Vollzugsdienst ergangen; die Wertungen des §§ 53, 41 BZRG gelten aber unabhängig vom Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses und sind daher auch vorliegend anwendbar). 314) BAGE 143, 343 Rz. 25; BAG, NJW 2013, 1115 Rz. 50; krit. aber Tolzmann, BZRG, § 53 Rz. 5 m. w. N.

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III. Die im Vorauswahlverfahren relevanten Eignungskriterien im Einzelnen

gilt die Offenlegungspflicht dagegen nicht für Verurteilungen, die bereits der Tilgung unterliegen, sowie für eingestellte Ermittlungsverfahren.315) e)

Bonität

Zur persönlichen Eignung des Bewerbers gehört auch dessen Bonität.316) Hier- 124 bei handelt es sich – jedenfalls im Ausgangspunkt – um eine Voraussetzung, die stets und unabhängig von dem konkreten Insolvenzverfahren gegeben sein muss und deshalb schon zur generellen, von den Spezifika des einzelnen Insolvenzverfahrens losgelösten Eignung gehört. Im Rahmen der Vorauswahlliste werden insofern regelmäßig das Bestehen eines Versicherungsschutzes abgefragt sowie den Bewerbern Zusicherungen über geordnete Vermögensverhältnisse abverlangt, die mitunter auch Erklärungen zu Einzel- oder Gesamtvollstreckungsverfahren umfassen.317) aa)

Vermögensschadenshaftpflichtversicherung

Eine gesetzliche Versicherungspflicht des Insolvenzverwalters i. S. v. § 113 Abs. 1 125 VVG besteht nicht.318) Gleichwohl sind die Insolvenzgerichte im Rahmen der konkreten Bestellungsentscheidung und der ihnen obliegenden Aufsicht gemäß §§ 56, 58 InsO angehalten zu überprüfen, dass die Verwalter eine im Hinblick auf die Haftungsrisiken angemessene Versicherung nachweisen können.319) Diese dient dem Schutz der Masse und der Verfahrensbeteiligten320) sowie der Absicherung der finanziellen Unabhängigkeit des Verwalters321). Eine unterbliebene Überprüfung seitens des Insolvenzgerichts kann zu einem Amtshaftungsan___________ 315) Eine insoweit vollumfänglich zulässige Abfrage erfolgt etwa im Heidelberger Musterfragebogen, NZI 2009, 97, 99. 316) Siehe BVerfGE 141, 121 Rz. 49, wonach die sachdienliche Durchführung und Erledigung des Insolvenzverfahrens auch von der Bonität des Insolvenzverwalters abhängen. 317) Heilmaier, in: Beck/Depré, Praxis der Insolvenz, § 8 Rz. 30. 318) Graeber, in: Pape/Graeber, Handbuch der Insolvenzverwalterhaftung, 3. Teil Rz. 1699. In Art. 1 Nr. 9 des Gesetzes zur Verbesserung und Vereinfachung der Aufsicht in Insolvenzverfahren (GAVI) war noch die Einführung eines § 60a InsO-E vorgesehen, der sich an der Parallelvorschrift des § 51 BRAO orientierte und eine allgemeine Berufshaftpflichtversicherung mit einer Mindestversicherungssumme von 1.5 Mio. € (500.000 € für Verbraucherinsolvenzverfahren) für jeden Versicherungsfall vorsah, vgl. BT-Drucks. 16/7251, S. 6, 13. Das Gesetzgebungsverfahren ist dem Grundsatz der sachlichen Diskontinuität zum Opfer gefallen und nicht weiter verfolgt worden. 319) Braun-Baumert, InsO, § 60 Rz. 43; Graeber, in: Pape/Graeber, Handbuch der Insolvenzverwalterhaftung, 3. Teil Rz. 1699; Frind, in: HambKomm-InsO, § 56 Rz. 15, § 58 Rz. 3a; Zimmermann, NZI 2006, 386, 387. 320) Haarmeyer/Wutzke/Förster-Haarmeyer/Mock, InsVV, § 4 Rz. 100; Nerlich/RömermannDelhaes/Römermann, InsO, § 56 Rz. 14 (allerdings unter Verweis auf OLG Koblenz, ZInsO 2005, 1171, wo es um die Pflicht zum Abschluss einer Vermögensschadenshaftpflichtversicherung durch den Zwangsverwalter nach § 1 Abs. 4 ZwVwV geht, dessen Vorhandensein als Kriterium für das dortige Vorauswahlverfahren als sachgerecht angesehen wird, vgl. OLG Koblenz, a. a. O., Rz. 14 – juris). 321) Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 25; dies rezipierend BGH, ZIP 2016, 2127 Rz. 22.

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Teil A Gerichtliche Informationsgewinnung im Vorfeld der Insolvenzverwalterbestellung

spruch nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG führen.322) Ein angemessener Versicherungsschutz ist deshalb ein sachgerechtes Kriterium zur Feststellung der konkreten Eignung des Verwalters. Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, die Haftpflichtversicherung bereits im Rahmen des Vorauswahlverfahrens zu überprüfen, denn dieses soll dem Insolvenzgericht zum Zwecke einer zügigen Eignungsprüfung gerade eine hinreichende Tatsachengrundlage für die konkrete Bestellungsentscheidung verschaffen. Angesichts des Gebots der Verifizierung ist auch die von den Gerichten geforderte Einreichung der Versicherungspolice323) nicht zu beanstanden.324) 126 Hinsichtlich der Höhe des Versicherungsschutzes ist aber zu differenzieren, soweit schon die Aufnahme auf die Vorauswahlliste von einer bestimmten Mindestversicherungssumme pro Versicherungsfall abhängig gemacht werden soll und diese insoweit auch Teil der generellen, von der Typizität des einzelnen Insolvenzverfahrens losgelösten Eignung wird. Denn die Höhe der zu verlangenden Absicherung hängt maßgeblich vom Inhalt und Umfang der konkret zu übertragenden Insolvenzverfahren ab.325) Dem Bewerber kann deshalb nicht schon die generelle Eignung abgesprochen werden, weil sein Versicherungsschutz nicht für die gesamte Bandbreite der von dem Insolvenzgericht zu vergebenden Verfahren ausreicht. Die Höhe als solche ist deshalb – abgesehen von einem maßvollen Mindestschutz, der bei ca. 500.000 € für Verbraucherinsolvenzverfahren sowie ca. 1,5 Mio. € für (kleinere) Regelinsolvenzverfahren liegen dürfte – kein Kriterium schon der generellen Eignung, sondern vielmehr erst bei der Auswahlentscheidung im Einzelfall zu berücksichtigen.326) Vor diesem Hintergrund ___________ 322) Braun-Baumert, InsO, § 60 Rz. 43; Graeber, in: Pape/Graeber, Handbuch der Insolvenzverwalterhaftung, 3. Teil Rz. 1699; Zimmermann, NZI 2006, 386, 387. 323) Siehe etwa Ziff. 3(2)d) der Verfahrensordnung zur Insolvenzverwalterbestellung beim AG Charlottenburg; insoweit inhaltsgleich die Verfahrensordnung des AG Hannover; ebenfalls einen Nachweis fordert das AG Köln gemäß dem Begleitschreiben zu den Kölner Leitlinien vom 23. Februar 2017. Nur die Angabe der Schadenssumme im Fragebogen dagegen beim AG München, ZInsO 2009, 421, 429 (Ziff. 7.3); ebenso der Heidelberger Musterfragebogen, NZI 2009, 97, 99. 324) So inzident auch OLG Düsseldorf, ZIP 2011, 341 (Rz. 35 – juris). 325) Von Insolvenzverwaltern, die auch größere Verfahren abwickeln, wird regelmäßig eine Deckungssumme von 2.5 Mio. € verlangt, wohingegen bei der ausschließlichen Bearbeitung von Insolvenzverfahren natürlicher Personen ohne unternehmerische Tätigkeit 500.000 € als ausreichend erachtet werden, vgl. Graeber, in: Pape/Graeber, Handbuch der Insolvenzverwalterhaftung, 3. Teil Rz. 1703 m. w. N. Die GOI (Grundsatz 16) fordern einen stets vorzuhaltenden Mindestversicherungsschutz i. H. v. 2 Mio. € pro Versicherungsfall und 4 Mio. € Jahreshöchstleistung. 326) Der Entwurf des Bundesrates zum GAVI nahm in seiner Begründung zu § 60a InsO-E auf die Bewerbungsbögen der Insolvenzgerichte zur Insolvenzverwaltervorauswahl und den darin geforderten Mindestversicherungssummen i. H. v. regelmäßig 1,5 Mio. € für IN-Verfahren bzw. 500.000 € für IK-Verfahren Bezug und sah die Streichung von der Vorauswahlliste bei Nichtvorliegen einer derartigen Versicherung als zulässige Konsequenz seitens der Insolvenzgerichte an, vgl. BT-Drucks. 16/7251, S. 13.

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III. Die im Vorauswahlverfahren relevanten Eignungskriterien im Einzelnen

erscheinen etwa pauschale Forderungen nach einem Versicherungsschutz von 2 – 5 Mio. € schon für die Aufnahme auf die Vorauswahlliste jedenfalls zu hoch gegriffen.327) Dies gilt erst recht, wenn der Bewerber gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 InsO seine Bereitschaft auf Verbraucher- und kleinere Regelinsolvenzverfahren beschränkt hat. bb)

Geordnete Vermögensverhältnisse

Teilaspekt der Bonität und ungeschriebenes Merkmal der Eignung ist auch, dass 127 der Prätendent in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt,328) sich insbesondere nicht im Vermögensverfall befindet.329) Denn eine Person, deren finanzielle Verhältnisse ungeordnet sind, bietet keine Gewähr und Kompetenz, fremdes Vermögen zum Zwecke der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung zu verwalten und ein Insolvenzverfahren ordnungsgemäß durchzuführen. Da sich dieses Merkmal nicht aus den Anforderungen eines konkreten Verfahrens ergibt, sondern auf allgemeingültigen Wertungen der Insolvenzordnung beruht (§§ 1, 80 InsO), handelt es sich um eine Eigenschaft der generellen Eignung. Einem Bewerber, der sich nicht in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen befindet, kann daher schon die Aufnahme auf die Vorauswahlliste versagt werden. Geordnete wirtschaftliche Verhältnisse sind u. a. dann nicht gegeben, wenn ge- 128 gen den Bewerber selbst ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Aber auch andere Anzeichen können schon ausreichen, etwa die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Bewerber, die Abgabe einer an Eides statt zu versichernden Vermögensauskunft gemäß §§ 802c, 802f ZPO oder der Erlass eines Haftbefehls in einem solchen Verfahren gemäß § 802g ZPO, ferner die Aufnahme in das Schuldnerverzeichnis gemäß § 882b ZPO (etwa wegen eines gemäß § 26 Abs. 2 InsO mangels Masse nicht eröffneten Insolvenzverfahrens).330) Vor diesem Hintergrund und der Maßgabe, dass das Insolvenzgericht die für 129 die Eignungsprüfung maßgeblichen Daten zu erheben und zu verifizieren hat, ___________ 327) So aber wohl Frind, in: HambKomm-InsO, § 56 Rz. 15. 328) OLG Düsseldorf, ZIP 2011, 341 (Rz. 34 – juris); BerlKomm-Blersch, InsO, § 56 Rz. 14; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rz. 991e; Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 20; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 16. 329) Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 79. 330) Vgl. BGH, NJW-RR 2006, 559; Feuerich/Weyland-Vossebürger, BRAO, § 7 Rz. 142. Die Nachweise beziehen sich zwar auf den von §§ 7 Nr. 9, 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO vorausgesetzten Vermögensverfall bei Rechtsanwälten. Liegen die dortigen Anzeichen vor, muss aber erst recht von nicht geordneten Vermögensverhältnissen ausgegangen werden, da dieser Begriff weiter gefasst ist, vgl. BVerwG, NJW 2005, 3795, 3796 (zu §§ 16 Abs. 1 Nr. 7, 20 Abs. 2 Nr. 5 WPO). Vgl. auch zur insoweit übereinstimmenden Definition nicht geordneter Vermögensverhältnisse im Rahmen der Eignungsprüfung öffentlich bestellter Sachverständiger gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 GewO, Landmann/Rohmer-Bleutge, GewO (75. Lfg. Stand: März 2017), § 36 Rz. 78. Insofern kann angenommen werden, dass die dargestellten Beweisanzeichen allgemeingültig sind.

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Teil A Gerichtliche Informationsgewinnung im Vorfeld der Insolvenzverwalterbestellung

begegnet es zunächst keinen grundsätzlichen Bedenken, wenn das Insolvenzgericht diese Parameter im Rahmen des Vorauswahlverfahrens abfragt, sich insbesondere über das Nichtvorliegen anhängiger Gesamt- oder Einzelvollstreckungsverfahren vergewissert.331) Die Verifizierung dieser Angaben durch die Einholung entsprechender Negativbescheinigungen seitens des zuständigen Insolvenzund Vollstreckungsgerichts für den Hauptwohnsitz und den beruflichen Mittelpunkt332) begegnet nach der Rechtsprechung und Literatur keinen Bedenken hinsichtlich der sachlichen Angemessenheit.333) 130 Fraglich bleibt damit allein eine zeitliche Begrenzung. Gemäß § 882e ZPO werden Eintragungen in das Schuldnerverzeichnis nach drei Jahren gelöscht. Angesichts der überragenden Bedeutung der Bonität für die Eignung erscheint dieser Zeitraum zu kurz. Ist beispielsweise gegen einen Bewerber vor dreieinhalb Jahren ein Insolvenzantrag gestellt und dieser mangels Masse abgewiesen worden, so ist dieser Umstand auch heute noch relevant. Eine zeitliche Begrenzung kommt damit nicht in Betracht. Bei Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, die auch andere Ursachen haben können als mangelnde Bonität, erscheint eine unbegrenzt in die Vergangenheit zurückreichende Offenbarungspflicht334) hingegen unverhältnismäßig. Insofern mag es bei der in § 882e ZPO genannten Drei-Jahres-Frist bleiben.335) f)

Softskills (Charaktereigenschaften)

131 Als weitere kontroverse Kriterien zur Beurteilung der persönlichen Eignung kommen bestimmte Charaktereigenschaften und Persönlichkeitsmerkmale in Betracht, die gemeinhin unter dem Begriff der Softskills zusammengefasst werden. In der Literatur genannt werden beispielsweise Führungsqualitäten, Verhandlungsgeschick, Zeitmanagement, Teamfähigkeit und Konfliktmanagement, ferner Mut, Rückgrat und Entscheidungsfreude.336) Einigkeit besteht darüber, dass es sich um nützliche und teilweise auch unverzichtbare Eigenschaften handelt, die unter bestimmten Bedingungen im konkreten Einzelfall von Relevanz ___________ 331) So auch OLG Düsseldorf, ZIP 2011, 341 (Rz. 34 – juris); BerlKomm-Blersch, InsO, § 56 Rz. 14; Riedel, in: HK-InsO, § 56 Rz. 13. 332) AG Duisburg, Ziff. 58. 333) OLG Düsseldorf, ZIP 2011, 341 (Rz. 34 – juris); BerlKomm-Blersch, InsO, § 56 Rz. 14. 334) Diese fordert das AG Köln in seinem Schreiben vom 23. Februar 2017 ein. Genau gegenteilig beschränkt sich der Heidelberger Musterfragebogen auf noch laufende Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. 335) Diese Frist findet sich z. B. auch in den Fragebögen des AG Charlottenburg und des AG Hannover, jeweils unter lit. L (Erklärungen). Für eine Zehn-Jahresfrist hingegen das AG Duisburg, Ziff. 58. 336) Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 19; Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 55; Stapper, NJW 1999, 3441, 3443; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 30; Uhlenbruck/Mönning, ZIP 2008, 157, 165.

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III. Die im Vorauswahlverfahren relevanten Eignungskriterien im Einzelnen

sein können, von Evidenzfällen abgesehen aber nicht auch schon bei der Entscheidung über die Aufnahme auf die Vorauswahlliste eine Rolle spielen sollen.337) Einer Erfassung im Vorauswahlverfahren steht die Relevanz allein bei der kon- 132 kreten Bestellungsentscheidung nach den bisherigen Erkenntnissen im Grundsatz zwar nicht entgegen. Problematisch erscheint indes, ob und inwieweit sich derartige Eigenschaften zuverlässig beurteilen und vorab überprüfen lassen. Es geht also weniger um die Sachgerechtigkeit der Kriterien im engeren Sinne, mithin die Frage, ob sie abstrakt betrachtet eine Gewähr dafür bieten, dass der mit ihnen ausgestattete Bewerber Insolvenzverfahren im Allgemeinen (generelle Eignung) oder im jeweiligen Einzelfall (konkrete Eignung) entsprechend den maßgeblichen Gläubiger- und Schuldnerinteressen abzuwickeln vermag (beides ließe sich abstrakt wohl bejahen), als vielmehr um deren zuverlässige Messbarkeit.338) Nach der vom Bundesverfassungsgericht begründeten und vom Bundesgerichtshof übernommenen Formel müssen diejenigen Daten erhoben und verifiziert werden, die zur Feststellung der konkreten Eignung und zur Ausübung des Auswahlermessens nötig sind.339) Voraussetzung dafür ist freilich, dass die Kriterien einer objektivierbaren Erhebung/Überprüfung zugänglich sind.340) Hieran fehlt es in Bezug auf die genannten Eigenschaften, denn es existieren insoweit keine anerkannten Messverfahren oder Leistungskontrollen, auf die für eine Datenerhebung zurückgegriffen werden könnte.341) Vor diesem Hintergrund abzulehnen ist daher das mitunter anzutreffende An- 133 sinnen, zum Beleg der Softskills schriftliche Leumundszeugnisse von Personen beizubringen, die dem Insolvenzgericht als vertrauenswürdig, sachkundig und urteilsfähig bekannt sind.342) Die darin vorzunehmende Bestätigung gewisser (Charakter-)Eigenschaften, wie etwa Vertrauenswürdigkeit, Zuverlässigkeit, Pflichtbewusstsein, Einsatzbereitschaft, geistige Regsamkeit und Kreativität sowie wirtschaftliches und soziales Verständnis,343) bietet dem Insolvenzgericht keine verobjektivierbaren und auch keine einem Vergleich mit anderen Prätendenten zugänglichen Anhaltspunkte, um sich von diesen Fähigkeiten zu überzeugen. Die Leumundszeugnisse basieren allein auf dem subjektiven Werturteil des jeweiligen Fürsprechers. Sie sind für die Feststellung der Eignung i. S. d. § 56 Abs. 1 ___________ 337) Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 30; Uhlenbruck/Mönning, ZIP 2008, 157, 165; Uhlenbruck-Kommission, ZIP 2007, 1432, 1434. 338) Diese Erwägung stellt auch das OLG Düsseldorf, ZIP 2011, 341, 342 f. an. 339) BVerfGE 116, 1, Rz. 44; BGH, ZIP 2016, 876 Rz. 18, 24. 340) Im Anwendungsbereich der DL-RL folgt dies schon aus dessen Art. 10 Abs. 2 lit. e). 341) OLG Düsseldorf, ZIP 2011, 341, 342 f.; Kruth, DStR 2017, 669, 671; im Ergebnis ebenso wohl Riedel, in: HK-InsO, § 56 Rz. 15, wonach sich das Gericht über nicht urkundlich zu belegende Voraussetzungen vielmehr in einem persönlichen Gespräch zu vergewissern hat. 342) Vgl. AG Duisburg, Ziff. 30 f.; dazu auch OLG Düsseldorf, ZIP 2011, 341, 342 f. 343) Vgl. OLG Düsseldorf, ZIP 2011, 341, 342 f.

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Satz 1 InsO ersichtlich ungeeignet344) und mithin unzulässig. Überdies führt das Erfordernis zu einer Art des vom Bundesverfassungsgericht für unzulässig erklärten Closed Shop,345) wenn die das Leumundszeugnis erteilende Person dem jeweiligen Insolvenzgericht als vertrauenswürdig, sachkundig und urteilfähig bekannt sein muss.346) Denn dies werden regelmäßig die dort gelisteten Insolvenzverwalter sowie andere dem Insolvenzgericht als sachkundig bekannte Persönlichkeiten sein, sodass ein ortsfremder Bewerber schon aufgrund der Konkurrenzsituation und fehlender lokaler Bekanntheit nicht ernsthaft mit der Erteilung eines solchen Zeugnisses rechnen kann. Der Zugang zum Amt des Insolvenzverwalters an dem Gericht wird damit unzumutbar beeinträchtigt und der Bewerber infolgedessen in seiner Berufswahlfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt. 134 Obgleich Softskills daher im Einzelfall von Relevanz sein können, darf im Ergebnis weder die Aufnahme auf die Vorausauswahlliste von ihnen abhängig gemacht werden noch generell eine Datenerhebung i. S. e. positiven Nachweises der Softskills erfolgen.347) Bei einer konkreten Bestellungsentscheidung können sie allenfalls dann berücksichtigt werden, wenn konkrete, auf Tatsachen beruhende und nachweisbare Anhaltspunkte auf das Fehlen einer im jeweiligen Einzelfall erforderlichen Eigenschaft hinweisen.348) 3.

Sachliche Eignung

135 Neben der persönlichen und fachlichen Eignung sind auch solche Eigenschaften von Relevanz, die nicht unmittelbar die Person des Bewerbers betreffen, sondern dessen Kanzlei- oder Büroorganisation zuzurechnen sind. Zu unterscheiden ist zwischen der Erreichbarkeit des Insolvenzverwalters vor Ort auf der einen Seite (Rz. 136 ff.) sowie inhaltlichen Anforderungen an die Büroorganisation auf der anderen Seite (Rz. 139 ff.). a)

Ortsnähe und Erreichbarkeit vor Ort

136 In Rechtsprechung und Literatur war lange umstritten, ob und inwieweit die Ortsnähe des Büros und die persönliche Erreichbarkeit des Insolvenzverwalters

___________ 344) Hierfür muss das eingesetzte Mittel zur Erreichung des verfolgten Ziels „objektiv untauglich“ sein, vgl. BVerfG, NVwZ 1987, 401, 402; ferner Maunz/Dürig-Kirchhof, GG, Art. 3 Rz. 258. 345) BVerfGE 116, 1 Rz. 45; bestätigt durch den Gesetzgeber in RegE zum Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens, BT-Drucks. 16/3227, S. 18. 346) So im Verfahren vor dem OLG Düsseldorf, ZIP 2011, 341, 342 f. 347) So auch BerlKomm-Blersch, InsO, § 56 Rz. 10; Jahntz, in: FK-InsO, § 56 Rz. 12. 348) Ähnlich Kruth, DStR 2017, 669, 771.

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III. Die im Vorauswahlverfahren relevanten Eignungskriterien im Einzelnen

vor Ort sachgerechte Eignungskriterien darstellen.349) Mit drei Beschlüssen vom 17. März 2016350) hat der Bundesgerichtshof nunmehr klargestellt, dass es sich hierbei jedenfalls nicht um sachgerechte Kriterien für die Feststellung der generellen Eignung eines Bewerbers zur Aufnahme auf die Vorauswahlliste handelt.351) Dies folge im Wesentlichen aus der Überlegung, dass angesichts moderner Datenübermittlungs- und Kommunikationsmittel auch der nicht ortsnahe Verwalter regelmäßig Kontakt zu den Verfahrensbeteiligten halten könne.352) In größeren Unternehmensinsolvenzen seien die maßgeblichen Entscheidungsträger ohnehin nicht notwendigerweise in der Nähe des Insolvenzgerichts erreichbar, sodass für eine Beschränkung auf ortsnahe Verwalter erst recht kein Grund bestehe, sondern dies im Gegenteil die Gefahr begründe, dass ortsferne Bewerber mit sachdienlichen Spezialkenntnissen und Erfahrungen von vornherein übergangen würden.353) Nur in Verbraucher- oder kleineren Regelinsolvenzverfahren könne es im Einzelfall sinnvoll sein, einen in Bezug auf den Wohnsitz des Schuldners und der Gläubiger ortsnah ansässigen Insolvenzverwalter zu bestellen, da geschäftlich weniger erfahrene Verfahrensbeteiligte eher ein Büro in der Nähe benötigten, um Unterlagen abgeben und Fragen stellen zu können.354) Diese Differenzierungen verdeutlichten, dass sich sowohl das Erfordernis als auch die Feststellung der Ortsnähe nur aus den Anforderungen des konkreten Verfahrens ergeben könnten, nicht aber stets und unabhängig davon relevant sind.355) ___________ 349) Siehe BGH, ZIP 2016, 930 Rz. 25 m. w. N. zum Streitstand und der divergierenden obergerichtlichen Rechtsprechung hinsichtlich der Berechnungsmethoden. 350) BGH, ZIP 2016, 930 (IX AR (VZ) 2/15); BGH, Beschl. v. 17.3.2016 – IX AR (VZ) 3/15; BGH, KTS 2017, 57 (IX AR (VZ) 4/15). Den inhaltsgleichen Beschlüssen liegen Anträge ein und derselben Bewerberin zur Aufnahme auf die Vorauswahlliste der Abteilungen 67a-c des Insolvenzgerichts Hamburg zugrunde. 351) BGH, ZIP 2016, 930 amtl. Ls. 1 und Rz. 24 ff.; vorher schon OLG Nürnberg, ZIP 2008, 1490 (Rz. 16 – juris). 352) BGH, ZIP 2016, 930 Rz. 26. 353) BGH, ZIP 2016, 930 Rz. 27. 354) BGH, ZIP 2016, 930 Rz. 27. Zutreffend betont der Bundesgerichtshof bei der ggf. im Einzelfall erforderlichen Ortsnähe die Erreichbarkeit für den Schuldner und die Gläubiger, nicht aber auch die Nähe zum Insolvenzgericht selbst. Wenngleich dies wegen § 3 InsO jedenfalls in Bezug auf den Schuldner keinen großen Unterschied machen dürfte, ist damit auch für den konkreten Einzelfall denjenigen Ansichten eine Absage erteilt worden, die zur Ermittlung der Ortsnähe auf eine nach Kilometern bemessene (OLG Bamberg, ZIP 2008, 82, 85) oder nach Land- oder Oberlandesgerichtsbezirk (Uhlenbruck-Kommission, ZIP 2007, 1433, 1432; Uhlenbruck/Mönning, ZIP 2008, 157, 156) zu bestimmende Nähe zum Insolvenzgericht abstellen wollen. Zukünftiger Bezugspunkt für die Bestimmung der Ortsnähe im Einzelfall muss daher der Wohnort des Schuldners oder der Gläubiger sein. Vor diesem Hintergrund ist die mitunter in Fragebögen erhobene Entfernung vom Standort des Insolvenzgerichts wenig aufschlussreich. 355) BGH, ZIP 2016, 930 Rz. 28. Schon zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtliche Zweifel an der pauschalen Forderung nach einer Präsenz vor Ort angemeldet, konnte die Frage indes noch offenlassen, vgl. BVerfGK 16, 84 = ZIP 2009, 1722 Rz. 16 ff. Die Nichtbeanstandung der mangelnden Präsenz vor Ort in BVerfGK 8, 368 = ZIP 2006, 1954 Rz. 14 bezieht sich auf die konkrete Bestellungsentscheidung im Einzelfall.

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Teil A Gerichtliche Informationsgewinnung im Vorfeld der Insolvenzverwalterbestellung

Die Ortsnähe des Büros und die Erreichbarkeit des Insolvenzverwalters vor Ort können daher nur bei der konkreten Bestellungsentscheidung von (mitunter sogar entscheidender) Bedeutung sein, stellen aber keinesfalls sachgerechte Merkmale zur Bestimmung der generellen Eignung dar. 137 Diese Merkmale zur Voraussetzung für die Aufnahme auf die Vorauswahlliste zu erheben soll im Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie zugleich gegen Art. 15 Abs. 2 lit. a) DL-RL verstoßen, da es sich entsprechend dem zuvor Gesagten um eine sachwidrige und damit nicht zu rechtfertigende territoriale Beschränkung handelt.356) 138 Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird erhebliche Auswirkungen auf die Anzahl der bei den einzelnen Insolvenzgerichten bzw. jeweiligen Richtern gelisteten Verwalter haben, da mit dem Wegfall des Kriteriums der Ortsnähe die Vorauswahllisten bundesweit für Bewerber geöffnet worden sind.357) Überregional und bundesweit tätige Insolvenzverwalterkanzleien können dies nutzen, um auch auf die Vorauswahllisten entfernter Gerichte aufgenommen zu werden. Unmittelbare Auswirkungen auf den spezifischen Inhalt der Vorauswahlliste bzw. die über den Bewerber zu erhebenden Daten folgen hieraus indes nicht, denn es entfällt nicht auch das Informationsbedürfnis über den Kanzleistandort als solchen (dies folgt ohnehin schon aus § 27 Abs. 2 Nr. 2 InsO). Aufschluss über die bezüglich der Büroorganisation zu erhebenden Daten geben vielmehr die inhaltlichen Anforderungen an die personelle und sachliche Ausstattung, die im Folgenden eigenständig dargestellt werden. b)

Organisatorischer Unterbau

139 Schon zur generellen – weil in jedem Verfahren erforderlichen – Eignung des Bewerbers gehört ein Büroapparat, der die sachlichen (i. S. v. technischen) und personellen Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Verfahrensabwicklung gewährleistet.358) Dabei soll nach dem Bundesgerichtshof eine Büroorganisation vorhanden sein, die es dem Insolvenzverwalter ermöglicht, einen Betrieb zeitweilig fortzuführen und die dabei notwendigerweise anfallenden Arbeiten, wie beispielsweise die Erfassung der Sozialdaten der Arbeitnehmer, der Debitoren und Kreditoren sowie die Aufgaben nach dem Insolvenzausfallgeldgesetz (§ 165 SGB III) und nach dem Betriebsrentengesetz (BetrAVG), zu überneh-

___________ 356) So Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 32. 357) So auch Eichel, KTS 2017, 1, 2; Zipperer, EWiR 2016, 341, 342. 358) Frind, in: HambKomm-InsO, § 56 Rz. 15; Nerlich/Römermann-Delhaes/Römermann, InsO, § 56 Rz. 14.

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III. Die im Vorauswahlverfahren relevanten Eignungskriterien im Einzelnen

men.359) Die Ausstattung muss dem Stand der Technik entsprechen und insbesondere eine mit der des Insolvenzgerichts kompatible Software umfassen.360) In personeller Hinsicht sind eine ausreichende Ausbildung, Verfügbarkeit und fachliche Kompetenz der Mitarbeiter nötig.361) Eine derartige Büroorganisation muss dabei – in Fortsetzung der Rechtspre- 140 chung zur Ortsnähe – nicht zwingend am Bürostandort des Bewerbers vorgehalten werden, sofern er Mitglied einer bundesweit tätigen Insolvenzverwalterkanzlei ist; es kann dem Bewerber insofern nicht verwehrt werden, anfallende Arbeiten durch Mitarbeiter an anderen Standorten erbringen und diese bei Bedarf anreisen zu lassen.362) Wie schon beim Kriterium der Ortsnähe ist auch für diese Erwägung maßgeblich, dass der Bewerber aufgrund der modernen Datenübermittlungs- und Kommunikationsmöglichkeiten bei einer ausgelagerten Büroorganisation jederzeit Zugriff auf sämtliche Informationen hat, die das Verfahren betreffen.363) Eine diesen Mindestanforderungen gerecht werdende Büroorganisation ist durch 141 Auskünfte des Bewerbers zu belegen und kann vom Insolvenzgericht durch Fragen überprüft werden, deren Beantwortung der Bewerber zum Zwecke der Aufnahme auf die Vorauswahlliste im Grundsatz nicht verweigern darf.364) Zur Erhebung und Verifizierung der entsprechenden Daten muss der Bewerber Auskünfte über sein Büro und die Büroausstattung einschließlich der dort eingesetzten Computerprogramme sowie über die Anzahl und Qualifikation der dort ___________ 359) BGH, ZIP 2016, 2127 Rz. 17; 2016, 930 Rz. 29; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 27. Diese Rechtsprechung kann nur überzeugen, wenn sich der Bewerber allgemein um die Übernahme von Verfahren und damit insbesondere für (Regel-)Unternehmensinsolvenzen bewirbt, nicht aber, wenn er – wie nach § 56 Abs. 1 Satz 2 InsO zulässig – seine Bereitschaft auf die Übernahme von Verbraucherinsolvenzverfahren beschränkt. Denn es ist kein Grund ersichtlich, warum die Büroorganisation für Letzteres einer Betriebsfortführung gewachsen sein soll. Dass bei Verbraucherinsolvenzverfahren unterschiedliche Anforderungen auch an die Büroorganisation existieren, hat der Gesetzgeber selbst festgestellt, vgl. RegE, BT-Drucks. 16/3227, S. 18. 360) Frind, in: HambKomm-InsO, § 56 Rz. 15; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 27. Angesichts der Schwierigkeiten, die die Justizverwaltung damit hat, ein für sie selbst akzeptables EDV-Programm zu entwickeln (vgl. nur Lissner/Skudelny, ZInsO 2017, 1474 ff.), muss dieses Kriterium allerdings äußerst defensiv gehandhabt werden. 361) BGH, ZIP 2016, 2127 Rz. 17; 2016, 930 Rz. 29; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 27. 362) BGH, ZIP 2016, 2127 Rz. 19; 2016, 930 Rz. 29; a. A. hinsichtlich des Vorhaltens von Mitarbeitern noch OLG Köln, ZInsO 2015, 798 (Rz. 17 – juris). 363) BGH, ZIP 2016, 2127 Rz. 19; 2016, 930 Rz. 29. Kombiniert man diese Rechtsprechung mit derjenigen zur Ortsnähe, ließe sich einem Bewerber, der an einem ortsfernen Standort in einer Niederlassung einer bundesweit operierenden Insolvenzverwalterkanzlei tätig ist und zur Verfahrensabwicklung auf Mitarbeiter eines weiteren (ebenfalls ortsfernen) Standortes zurückgreifen will, die generelle Eignung nicht absprechen; vielmehr wäre im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden, ob diese Büroorganisation für das konkrete Verfahren ungeeignet ist. 364) Pape, ZInsO 2017, 1341, 1350.

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Teil A Gerichtliche Informationsgewinnung im Vorfeld der Insolvenzverwalterbestellung

arbeitenden Mitarbeiter erteilen.365) Für Letzteres hat der Bundesgerichtshof die Angabe standardisierter Berufsbezeichnungen (etwa: Rechtsanwalt, zusätzlich die Fachanwaltsbezeichnung oder Aufgaben- und Rechtsgebietsschwerpunkte, Sekretär, Insolvenzsachbearbeiter etc.) nebst ergänzenden Angaben zum Alter366) und zur Betriebszugehörigkeit als ausreichend erachtet, denn insbesondere aus der Berufsbezeichnung ergibt sich der Ausbildungsstand der Mitarbeiter.367) Es steht dem Bewerber dabei grundsätzlich frei, die Auskünfte über den Büroapparat auf den Standort zu beschränken, an dem die seitens des Insolvenzgerichts zugeteilten Verfahren bearbeitet werden sollen.368) Der Bewerber, der Mitglied einer bundesweit (oder überregional) tätigen Insolvenzverwalterkanzlei ist, kann sich also nur mit einem bestimmten Standort bei dem Insolvenzgericht bewerben und braucht dann selbstverständlich nur über die technische und personelle Ausstattung an diesem Standort Auskunft zu geben, nicht auch – möglicherweise mit einem ungleich höheren administrativen Aufwand – über alle anderen Standorte der Kanzlei.369) Freilich bleiben ihm weitergehende Angaben unbenommen. Entsprechendes gilt für die Angabe von Spezialkenntnissen und besondere Fähigkeiten der Mitarbeiter.370) 142 Eine Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001:2015, also beispielsweise die „VID Cert“ des VID, die „InsO Excellence“ des Gravenbrucher Kreises oder vergleichbare Standards371), kann vom Insolvenzgericht als Indiz für eine effektive und leistungsfähige Bürostrukturierung ergänzend herangezogen werden.372) Sie trifft indes keine Aussage über insolvenzspezifische Vorgänge. Sie kann vom Insolvenzgericht nicht selbst zur Voraussetzung für die Aufnahme auf die Vorauswahlliste, also zu einem generellen Eignungskriterium, gemacht werden.373) Denn maßgeblich sind allein die von der Rechtsprechung konkretisierten An___________ 365) BGH, ZIP 2016, 2127 Rz. 18; OLG Hamburg, NZI 2011, 762, 765. 366) Angaben zum Alter der Mitarbeiter wird der Insolvenzrichter nicht zwingend einfordern können, denn es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, warum dieser Aspekt für die generelle oder konkrete Eignungsprüfung eine Rolle spielen sollte. Vgl. zum Alter des Insolvenzverwalters als Eignungskriterium schon unter Rz. 111 ff. 367) BGH, ZIP 2016, 2127 Rz. 18. 368) BGH, ZIP 2016, 2127 Rz. 19. Dieser Standort muss die Mindestvoraussetzungen zur Aufnahme auf die Vorauswahlliste dann freilich allein erfüllen. 369) Dies hatte der Insolvenzrichter in dem BGH, ZIP 2016, 2127 zugrundeliegenden Bewerbungsverfahren aber gefordert, siehe BGH, ZIP 2016, 2127 Rz. 19; vgl. auch AG Duisburg, Ziff. 32 ff. 370) Pape, ZInsO 2017, 1341, 1350; siehe etwa zu der zulässigen, wenngleich optionalen Abfrage von Fremdsprachenkenntnissen der Mitarbeiter schon unter Rz. 93 f. 371) Wegen der Detailanforderungen an aussagekräftige und verlässliche Zertifizierungsstandards verweise ich auf die Ausführungen von Thole in Teil B dieses Buches. 372) Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 29, 33:; a. M. vor allem Siemon, NZI 2017, 741 ff. 373) So aber z. B. AG Ansbach, AG Fürth und AG Nürnberg.

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IV. Informationsaustausch zwischen den Insolvenzgerichten

forderungen an den Büroapparat, die den Eignungsbegriff des § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO ausfüllen. Auf der Ebene der Festlegung der Eignungskriterien besteht keine Gewähr, dass ein derart zertifiziertes Büro Insolvenzverfahren besser abwickelt als ein nicht zertifiziertes, aber gleichwohl den höchstrichterlichen Anforderungen entsprechend ausgestattetes Büro.374) Eine solche Zertifizierung schon zum abstrakten Eignungskriterium zu machen, wäre daher sachwidrig. Zertifizierungen können also erst auf der Subsumtionsebene berücksichtigt werden, wenn es darum geht, den Sachverhalt unter die Eignungskriterien zu subsumieren. Insofern wird auch eine Zertifizierung als Indiz zu berücksichtigen sein. Gleichzeitig muss aber auch entsprechender Sachvortrag des nicht zertifizierten Bewerbers zum Zwecke der vollständigen Ermittlung des Sachverhalts (materielle Wahrheit) berücksichtigt und gewürdigt werden. Eine Nichtberücksichtigung wäre gerichtlich im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG überprüfbar, denn auch innerhalb des dem Gericht bei der Subsumtion zugebilligten Beurteilungsspielraums ist die vollständige Sachverhaltsermittlung kontrollfähig. IV.

Informationsaustausch zwischen den Insolvenzgerichten

Datenerhebung und -verifizierung erfolgen im Vorauswahlverfahren regelmäßig 143 mittels eines standardisierten Fragebogens, den der Bewerber ausfüllt.375) Das Insolvenzgericht ist aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes376) indes nicht an die Angaben des Bewerbers gebunden (vgl. § 29 Abs. 1 Satz 2 FamFG), sondern kann im Rahmen seines pflichtgemäß auszuübenden Ermessens377) auch weitergehende Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhalts anstellen.378) Neben einem persönlichen Bewerbungsgespräch379) kommt insbesondere der Rückgriff auf Informationen über den Bewerber in Betracht, die der Insolvenzrichter von anderen Stellen erhält und die mithin nicht bei dem Bewerber selbst erhoben werden. ___________ 374) Diese Überlegung schließt nicht aus, vom Vorliegen einer Zertifizierung darauf zu schließen, dass eine effektive und leistungsfähige Bürostrukturierung vorliegt; allein der Umkehrschluss ist also unzulässig. 375) Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 95; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 11, 33. 376) K/P/B-Lüke, InsO, § 56 Rz. 23. 377) Dieses Ermessen hat weder etwas mit dem Auswahlermessen des Richters bei der konkreten Bestellungsentscheidung gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO noch mit einem – nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ohnehin nicht existenten (siehe nur BGH, ZIP 2016, 876 Rz. 24 m. w. N.), in der Literatur aber diskutierten (vgl. Frind, in: HambKomm-InsO, § 56 Rz. 9a) – Ermessen bei der Aufnahme auf die Vorauswahlliste zu tun. Es folgt vielmehr selbstständig aus dem Amtsermittlungsgrundsatz, der dem Richter die Entscheidung über die Art und Weise der Durchführung der Ermittlungen anheimstellt. 378) K/P/B-Lüke, InsO, § 56 Rz. 23; Ulrici, in: MünchKomm-FamFG, § 26 Rz. 6, 9. 379) Hierzu Frind, in: HambKomm-InsO, § 56 Rz. 21.

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Teil A Gerichtliche Informationsgewinnung im Vorfeld der Insolvenzverwalterbestellung

144 Im Folgenden wird zunächst der Meinungsstand zur Zulässigkeit dieser Art der Informationsgewinnung dargestellt (Rz. 145 f.), bevor die prinzipiellen Grenzen des Amtsermittlungsgrundsatzes in den Blick genommen werden können (Rz. 147 f.). Im Anschluss daran ist zu fragen, ob ein Insolvenzgericht einem anderen auf Anfrage im Wege der Rechtshilfe (Rz. 149 ff.) oder von Amts wegen (Rz. 169 ff.) Informationen aus seinen Verfahren übermitteln darf. 1.

Meinungsstand

145 Die Verwertung von Erfahrungen mit dem Bewerber in anderen Insolvenzverfahren beim selben Gericht zur Feststellung der Eignung ist in der insolvenzrechtlichen Rechtsprechung und Literatur im Grundsatz anerkannt. So können nach Ansicht des Bundesgerichtshofs negative Erfahrungen aus früheren Insolvenzverfahren auch vor anderen Insolvenzrichtern zur Ablehnung der Aufnahme eines Bewerbers auf die (und zu dessen Streichung von der) Vorauswahlliste führen.380) Nach obergerichtlicher Rechtsprechung soll es dem Insolvenzrichter dabei insbesondere nicht verwehrt sein, eine eigene Bewertung der von dem Bewerber bereits erbrachten Tätigkeiten in Insolvenzverfahren bei anderen Abteilungen desselben Insolvenzgerichts vorzunehmen und sich hierdurch ein eigenes Bild von der Integrität sowie Qualifikation und Arbeitsleistung des Bewerbers zu verschaffen.381) Auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht ist weder der Rückgriff auf Beanstandungen in Insolvenzverfahren außerhalb der Zuständigkeit des entscheidenden Insolvenzrichters noch die Verwertung von Mitteilungen von Amtsvorgängern oder den am Gericht tätigen Rechtspflegern bei der Eignungsprüfung auf Bedenken gestoßen.382) 146 Während somit jedenfalls der Verwertung derartiger Umstände im Justizverwaltungsverfahren zur Aufnahme auf die Vorauswahlliste keine generellen Hindernisse entgegenstehen, verhält sich die dargestellte Rechtsprechung und Literatur nicht ausdrücklich zum Weg der – für das gefundene Ergebnis indessen inzident vorausgesetzten – Informationsbeschaffung. Insofern findet sich lediglich die Auffassung, dass ein ständiger Austausch mit den Rechtspflegern wie

___________ 380) BGH, ZIP 2016, 2127 Rz. 14 (Zweifel wegen mangelnder höchstpersönlicher Aufgabenwahrnehmung); 2016, 935 Rz. 27; 2016, 876 Rz. 28 (Zweifel an der Zuverlässigkeit wegen schwerwiegender negativer Erfahrungen); OLG Hamburg, NJW 2006, 451, 452; OLG Schleswig, ZIP 2007, 831, 832; AG Mannheim, NZI 2010, 107, 108; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 16. 381) OLG Hamburg, NJW 2006, 451, 452 (der Weg der Kenntniserlangung bleibt in der Entscheidung indes unklar); zust. K/P/B-Lüke, InsO, § 56 Rz. 26 („gerichtsbekannte Tatsachen“). 382) BVerfGK 8, 372 = ZIP 2006, 1956 Rz. 3, 12; 8, 368 = ZIP 2006, 1954 Rz. 3, 14.

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auch den Geschäftsstellenmitarbeitern unerlässlich sei383) und dass sich der Insolvenzrichter auch bei anderen Abteilungen des eigenen Gerichts sowie bei anderen Insolvenzgerichten über die Verfahrensführung des Bewerbers erkundigen und diese Erkenntnisse letztlich auch verwerten könne.384) Diesen sei lediglich eindeutig mitzuteilen, dass die Angaben in einem justizförmigen Verfahren Verwendung finden sollen.385) Auch die Erkundigung bei vom Bewerber angegebenen früheren Arbeitgebern wird darüber hinaus als zulässig angesehen.386) 2.

Grenzen des Amtsermittlungsgrundsatzes

In rechtlicher Hinsicht kann man diese Informationsbeschaffung bei Dritten 147 der dem einzelnen Richter im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 26 FamFG) überantworteten Art und Weise der Ermittlungstätigkeit zurechnen.387) Danach kann das Gericht zur Ermittlung der entscheidungserheblichen Tatsachen (hier: Aufschluss über die Eignung des Bewerbers i. S. d. § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO) im Wege des Freibeweises (§ 29 Abs. 1 Satz 1 FamFG) auch auf Auskunftspersonen zurückgreifen und diese informell persönlich oder schriftlich befragen.388) Hierunter fallen nicht nur Privatpersonen, sondern auch Amtsträger und andere öffentlich-rechtlich Bedienstete, die amtliche Auskünfte und dienstliche Stellungnahmen abgeben können.389) Im Grundsatz kann der Insolvenzrichter bei der Sachverhaltserforschung daher auch auf diese zurückgreifen. Ein solches Vorgehen ist grundsätzlich vom Amtsermittlungsgrundsatz gedeckt. Allerdings hat auch der Amtsermittlungsgrundsatz rechtliche Grenzen. Sofern 148 nämlich Interna aus einzelnen Insolvenzverfahren offenbart werden sollen, ist grundsätzlich der Geheimnisschutz zu wahren. So folgt aus § 29 Abs. 2 FamFG, dass insbesondere die Vorschriften über die Amtsverschwiegenheit (§ 376 ZPO) zu beachten sind. Der Umfang der Verschwiegenheitspflicht bestimmt sich dabei nach den entsprechenden Sondergesetzen für die Auskunftsperson, für Richter also nach §§ 43, 46 DRiG i. V. m. § 67 BBG bzw. § 71 DRiG i. V. m.

___________ 383) Frind, in: HambKomm-InsO, § 56 Rz. 25 m. w. N.; K/P/B-Lüke, InsO, § 56 Rz. 26; darauf, dass eine Anhörung des zuständigen Rechtspflegers jedenfalls vor der Aufnahme auf die Vorauswahlliste nicht vorgesehen sei, weist Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 12 hin. 384) Frind, ZInsO 2008, 655, 660; Frind, in: HambKomm-InsO, § 56 Rz. 7b. 385) Frind, ZInsO 2008, 655, 660. 386) Frind, in: HambKomm-InsO, § 56 Rz. 7b unter Verweis auf OLG Hamburg, ZInsO 2011, 1655, wo diese Frage indes nicht abschließend positiv beantwortet wird, vgl. OLG Hamburg ebenda (Rz. 11, 41 – juris). 387) Vgl. Ulrici, in: MünchKomm-FamFG, § 26 Rz. 6, 9. 388) Keidel-Sternal, FamFG, § 29 Rz. 19 f.; Ulrici, in: MünchKomm-FamFG, § 29 Rz. 12. 389) Keidel-Sternal, FamFG, § 26 Rz. 19a, 24.

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§ 37 BeamtStG.390) Allerdings sind diese Verschwiegenheitspflichten in Relation zu anderen Normen zu setzen, die Mitteilungen im Wege der Amts- bzw. Rechtshilfe (§§ 156 ff. GVG; dazu sogleich unter Rz. 149 ff.) oder von Amts wegen (§§ 12 ff. EGGVG; dazu nachfolgend unter Rz. 169 ff.) unter bestimmten Voraussetzungen und in gewissen Grenzen zulassen. Die Verschwiegenheitspflicht bezieht sich nicht auf Mitteilungen, die im dienstlichen Verkehr geboten sind (§ 67 Abs. 2 Nr. 1 BBG bzw. § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtStG), und kann daher beispielsweise nicht verletzt sein, wenn eine Behörde einer anderen im Wege der Amtshilfe zulässigerweise dienstliche Mitteilungen macht.391) 3.

Information im Wege der Rechtshilfe auf Ersuchen des Insolvenzgerichts

149 Fraglich ist also zunächst, ob ein Insolvenzgericht auf Ersuchen eines anderen im Wege der Rechtshilfe Informationen aus eigenen Insolvenzverfahrensakten übermitteln darf, die das ersuchende Gericht für die Beurteilung der Geeignetheit eines Bewerbers für die Vorauswahlliste benötigt. Das soll zugespitzt erörtert werden anhand eines Ersuchens des für das Vorauswahlverfahren zuständigen Gerichts, Einsicht392) in Insolvenzverfahrensakten nehmen zu dürfen, in denen der Bewerber bereits als Insolvenzverwalter tätig war. Ausgangspunkt ist auch hier wie gesagt der Amtsermittlungsgrundsatz (§§ 26, 29 Abs. 1 FamFG), der das Insolvenzgericht berechtigt und verpflichtet, die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Als Mittel der Sachaufklärung kommt grundsätzlich auch die Beiziehung von Akten in Betracht, wenn hierdurch weitere Aufklärung zu erwarten und diese für das Gericht rechtlich möglich ist.393) 150 Die Einsichtnahme böte dem Insolvenzrichter unmittelbaren Zugriff auf bereits geleistete Arbeitsergebnisse des Prätendenten und ließe eine eigene Bewertung der eignungsrelevanten insolvenzverfahrensspezifischen Kenntnisse und Berufserfahrungen des Bewerbers zu.394) Es erscheint daher grundsätzlich möglich, dass die Einsichtnahme zur weiteren Sachaufklärung für die Zwecke der ___________ 390) Nach allgemeiner Ansicht folgt allerdings aus der unzulässigen Information durch eine zur Amtsverschwiegenheit unterliegende Auskunftsperson kein Verwertungsverbot, da die Verschwiegenheit allein dem Schutz des öffentlichen Interesses und nicht demjenigen der Verfahrensbeteiligten dient, vgl. nur Keidel-Sternal, FamFG, § 30 Rz. 60; Ulrici, in: MünchKomm-FamFG, § 29 Rz. 19. 391) BayObLGZ 1990, 63. 392) Von der Einsichtnahme abzugrenzen ist zunächst die Erteilung von anonymisierten Abschriften von Gerichtsentscheidungen, welche eine Auskunftsbitte eigener Art darstellt, vgl. BGH, NJW 2017, 1819. Um diese geht es vorliegend nicht. 393) BT-Drucks. 16/6308, S. 188; Keidel-Sternal, FamFG, § 26 Rz. 16 f., 37; Ulrici, in: MünchKomm-FamFG, § 26 Rz. 16 ff., § 29 Rz. 12. 394) Beides sind sachgerechte Eignungskriterien, siehe Rz. 86 ff. und Rz. 89 ff.

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Eignungsprüfung beitragen kann. Entscheidend ist deshalb, ob die Einsichtnahme durch den Insolvenzrichter in die für ihn fremden Verfahrensakten auch rechtmäßig erfolgen kann. a)

Rechtsgrundlage und Prüfungsmaßstab

Rechtsgrundlage für die Einsicht in Insolvenzakten ist eigentlich § 299 ZPO 151 i. V. m. § 4 InsO, wonach den Beteiligten des Insolvenzverfahrens ohne Weiteres (§ 299 Abs. 1 ZPO), Dritten hingegen nur bei Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses Einsicht gewährt wird (§ 299 Abs. 2 ZPO).395) Für die Akteneinsicht durch Behörden und andere Gerichte ist diese Vorschrift indes dann nicht anwendbar, wenn die Einsichtnahme nicht aufgrund einer Gläubigerstellung der Einsicht nehmenden Stelle,396) sondern – wie hier im Fall des § 56 Abs. 1 InsO – zur Wahrnehmung hoheitlicher Tätigkeiten erfolgt.397) Die Akteneinsicht richtet sich in einem solchen Fall vielmehr nach den Grundsätzen der Amtshilfe (Art. 35 Abs. 1 GG).398) In verfassungsrechtlicher Hinsicht enthält Art. 35 Abs. 1 GG zunächst nur die 152 Vorgabe, dass sich alle Behörden des Bundes und der Länder – wozu auch Gerichte zählen399) – gegenseitig Rechts- und Amtshilfe leisten. Es handelt sich dabei anerkanntermaßen um eine Rahmenvorschrift, die durch eine Vielzahl von spezialgesetzlichen Regelungen in den Fachgesetzen weiter ausgestaltet ist (§§ 4 ff. VwVfG, §§ 3 ff. SGB X, §§ 111 ff. AO, §§ 156 ff. GVG).400) Auch diese Normen enthalten regelmäßig aber nur die Anordnung der Pflicht zur Amtshilfe, ohne selbst weitergehende materiell-rechtliche Voraussetzungen ___________ 395) Siehe statt aller Andres/Leithaus-Andres, InsO, § 4 Rz. 9 ff. 396) Bei einer Gläubigerstellung entspricht das Akteneinsichtsrecht dagegen dem eines privaten Gläubigers. Es richtet sich je nach Verfahrensstadium nach § 299 Abs. 1 ZPO (im eröffneten und – bei eigener Antragstellung – im zu eröffnenden Verfahren) oder nach § 299 Abs. 2 ZPO (bei fehlender eigener Antragstellung im zu eröffnenden Verfahren und nach Abweisung mangels Masse), siehe nur Andres/Leithaus-Andres, InsO, § 4 Rz. 16; Rein, in: FS H. Vallender, S. 471, 472 f. m. w. N. 397) BVerfGE 138, 33 Rz. 20 f.; OLG Düsseldorf, NJOZ 2016, 1075; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.11.2009 – 3 VA 2/09, Rz. 8 – juris; FamRZ 2008, 1871 (Rz. 21 – juris); Andres/ Leithaus-Andres, InsO, § 4 Rz. 16; Dörner, NZA 1989, 950, 952; Musielak/Voit-Huber, ZPO, § 299 Rz. 3; Prütting, in: MünchKomm-ZPO, § 299 Rz. 20; Rein, in: FS H. Vallender, S. 474; ders., NJW-Spezial 2012, 213; Uhlenbruck-Pape, InsO, § 4 Rz. 26; a. A. aber Bacher, in: BeckOK-ZPO, § 299 Rz. 37; Stein/Jonas-Leipold, ZPO, § 299 Rz. 63 – 65, wonach nicht beteiligte Behörden und Gerichte unter § 299 Abs. 2 ZPO fallen, mit dem Ziel, auch ersuchenden Behörden die Glaubhaftmachung eines rechtlichen Interesses abzuverlangen. 398) Siehe BVerfGE 138, 33 Rz. 20 f.; OLG Düsseldorf, NJOZ 2016, 1075; Andres/LeithausAndres, InsO, § 4 Rz. 16; Dörner, NZA 1989, 950, 952; Musielak/Voit-Huber, ZPO, § 299 Rz. 3; Prütting, in: MünchKomm-ZPO, § 299 Rz. 20. 399) Maunz/Dürig-Maunz, GG, Art. 35 Rz. 3; Dörner, NZA 1989, 950, 952. 400) So jetzt auch BVerfGE 138, 33 Rz. 31; Andres/Leithaus-Andres, InsO, § 4 Rz. 16; Ganter/ Lohmann, in: MünchKomm-InsO, § 4 Rz. 68; K. Schmidt-Stephan, InsO, § 4 Rz. 26; Zipperer, NZI 2002, 244, 245.

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aufzustellen.401) Ob solche weitergehenden Voraussetzungen zu prüfen sind, ist umstritten. aa)

1. Ansicht: Keine Interessenabwägung erforderlich

153 Unter Verweis auf diese umfassend normierte Amtshilfepflicht geht eine beachtliche Ansicht davon aus, dass die Akteneinsicht von Behörden und Gerichten in Insolvenzakten im Wege der Amtshilfe regelmäßig und ohne weitere Interessenabwägung zu gewähren sei, sofern eine Beeinträchtigung des Fortgangs des Insolvenzverfahrens nicht entgegenstehe.402) Bei Unentbehrlichkeit der Akten im laufenden Verfahren könne dem Zweck des Ersuchens auch durch die Versendung von Kopien entsprochen werden.403) Bei Zugrundelegung dieser Ansicht wäre die Akteneinsicht in die Verfahrensakten an den ersuchenden Insolvenzrichter daher immer schon dann zu erteilen, wenn die Belange eines laufenden Verfahrens nicht entgegenstehen. Abschriften oder Kopien wären in jedem Fall zu erteilen. Auf entgegenstehende Interessen der Verfahrensbeteiligten käme es nicht an. bb)

2. Ansicht: Anwendung allgemeiner Grundsätze gesetzmäßigen Handelns

154 Da die von der vorstehenden Ansicht herangezogenen Regelungen nur formell die Amtshilfepflicht anordnen, aber keine materiell-rechtlichen Voraussetzungen aufstellen, will eine andere Auffassung die Rechtmäßigkeit der Akteneinsichtnahme zusätzlich unter Rückgriff auf allgemeine Grundsätze beurteilen. Danach darf dem Ersuchen nur entsprochen werden, wenn es vom geltenden Recht gedeckt ist und die Einsicht zu dem verfolgten Zweck eingesetzt werden darf, was anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu überprüfen sei.404) Insofern müsse ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht bestehen, welches sich aus dem gesetzlichen Aufgabenbereich der ersuchenden Stelle ergebe und zu dessen Erfüllung die Einsichtnahme geeignet, erforderlich und im Hinblick auf die be___________ 401) Andres/Leithaus-Andres, InsO, § 4 Rz. 16. 402) Schmerbach, in: FK-InsO, § 4 Rz. 84; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rz. 182 (denen zufolge die Akteneinsicht im Rahmen des § 299 Abs. 2 ZPO geschehen solle und aus der Pflicht des Art. 35 GG folge, dass diese regelmäßig zur Erfüllung der Aufgaben der ersuchenden Behörde zu gewähren sei); Rüther, in: HambKomm-InsO, § 4 Rz. 39; Ganter/ Lohmann, in: MünchKomm-InsO, § 4 Rz. 68 („stets zu ermöglichen“); ähnlich auch Uhlenbruck-Pape, InsO, § 4 Rz. 26, 29. 403) Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rz. 188; Ganter/Lohmann, in: MünchKomm-InsO, § 4 Rz. 68. 404) Andres/Leithaus-Andres, InsO, § 4 Rz. 16; Rein, in: FS H. Vallender, S. 476 f.; ders., NJW-Spezial 2012, 213; K. Schmidt-Stephan, § 4 Rz. 26; Zipperer, NZI 2002, 244, 245; wohl auch Prütting, in: MünchKomm-ZPO, § 299 Rz. 20; aus der Rechtsprechung: OLG Köln, NJW 1994, 1075 (juris, für die Einsichtnahme in Scheidungsakten durch das Finanzgericht).

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einträchtigten Interessen der Verfahrensbeteiligten auch angemessen zu sein habe.405) Bei Zugrundelegung dieser Ansicht wäre also im jeweiligen Einzelfall zwischen den Interessen der Verfahrensbeteiligten einerseits und dem Interesse des Einsicht nehmenden Insolvenzgerichts andererseits abzuwägen. cc)

Stellungnahme

Der letztgenannten Auffassung ist zu folgen. Insolvenzgerichtsakten enthalten 155 personenbezogene Daten der Verfahrensbeteiligten, sodass die Gewährung der Akteneinsicht einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG) derjenigen darstellt, deren personenbezogene Daten auf diese Weise zugänglich gemacht werden.406) Selbst wo es nur um das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person geht, sind zumindest die Grundrechte der Verfahrensbeteiligten aus Art. 12, 14 GG beeinträchtigt, sofern man das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung auf nicht natürliche Personen nicht für anwendbar hält.407) Diese geschützten Interessen sind daher bei der Akteneinsichtnahme durch nichtverfahrensbeteiligte Behörden und Gerichte für verfahrensfremde Zwecke mit zu berücksichtigen. Wenngleich weder Art. 35 Abs. 1 GG noch die Fachgesetze (etwa §§ 156 ff. 156 GVG, §§ 4 ff. VwVfG) materiell-rechtliche Voraussetzungen i. S. d. Darlegung eines berechtigen Interesses zur Einsichtnahme o. Ä. enthalten, im Rahmen dessen sich die Abwägung vornehmen ließe, wird man die vorstehende Wertung doch den jeweiligen Abschnitten der Fachgesetze zumindest mittelbar entnehmen können. So soll beispielsweise zwar die Gewährung von Akteneinsicht und die Überlassung von Akten an das ersuchende Gericht grundsätzlich von der Rechtshilfe gemäß § 156 GVG408) erfasst sein.409) Auch dies gilt indes nicht ohne Schranken, denn § 158 Abs. 2 Satz 1 GVG bestimmt, dass das Ersuchen abzulehnen ist, wenn die vorzunehmende Handlung nach dem Recht des ersuchten Gerichts verboten ist. Insofern sollen insbesondere die Grundrechte der Beteiligten sowie die Vorgaben des Datenschutzes zu beachten sein.410) Auch die

___________ 405) Vgl. Andres/Leithaus-Andres, InsO, § 4 Rz. 16; Rein, in: FS H. Vallender, S. 476 f.; K. Schmidt-Stephan, § 4 Rz. 26; aus der Rechtsprechung: OLG Köln, NJW 1994, 1075 (juris, für die Einsichtnahme in Scheidungsakten durch das Finanzgericht). 406) Rein, in: FS H. Vallender, S. 480 mit Beispielen; vgl. auch BGH, NJW 2017, 1819 Rz. 14; siehe ferner BVerfGE 138, 33 Rz. 31. 407) Rein, in: FS H. Vallender, S. 481 m. w. N.; siehe auch Zipperer, NZI 2002, 244, 246. 408) § 168 GVG hingegen erfasst nur die Mitteilung von Behörden an Gerichte, nicht aber den intergerichtlichen Austausch. 409) Zimmermann, in: MünchKomm-ZPO, § 156 GVG Rz. 5. 410) Zimmermann, in: MünchKomm-ZPO, § 158 GVG Rz. 6.

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Anwendung der §§ 4 ff. VwVfG würde zu keinem anderen Ergebnis führen.411) Damit sind bei der Prüfung des Einsichtsersuchens zwingend auch die jeweiligen Interessen der Verfahrensbeteiligten mit in den Blick zu nehmen. Eine vorbehaltlose Einsichtsgewährung kann mithin nicht erfolgen. 157 Soweit personenbezogene Daten betroffen sind, ist überdies zu beachten, dass weder Art. 35 Abs. 1 GG412) noch die allgemeinen Bestimmungen der Amtshilfe in den Fachgesetzen eine hinreichende Eingriffsnorm darstellen; vielmehr bedarf es einer bereichsspezifischen Rechtsgrundlage für den Eingriff.413) Diese kann nicht in §§ 12 ff. EGGVG gesehen werden,414) da diese Vorschriften nur die Informationsübermittlung durch Gerichte von Amts wegen regeln,415) nicht hingegen die auf Ersuchen einer öffentlichen Stelle wie im Fall der Amtshilfe.416) Einer analogen Anwendung417) der Vorschriften steht der Wille des Gesetzgebers entgegen, der davon ausging, dass die Datenübermittlung auf Ersuchen in den jeweiligen Fachgesetzen geregelt ist.418) 158 Damit bleibt für die Übermittlung personenbezogener Daten durch Gerichte im Wege der Amtshilfe nur der Rückgriff auf das Bundesdatenschutzgesetz bzw. die entsprechend vorranging anwendbaren Landesdatenschutzgesetze419) (vgl. ___________ 411) Insofern würde aus § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG folgen, dass das Ersuchen abzulehnen ist, wenn die ersuchte Stelle hierzu aus rechtlichen Gründen nicht in der Lage ist; nach Satz 2 ist insbesondere die Vorlage von Akten abzulehnen, wenn die Vorgänge nach einem Gesetz (etwa nach den Datenschutzgesetzen) oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen; vgl. hierzu Stelkens/Bonk/Sachs-Schmitz, VwVfG, § 5 Rz. 19, 27 ff. 412) So jetzt auch BVerfGE 138, 33 Rz. 31; Andres/Leithaus-Andres, InsO, § 4 Rz. 16; Zipperer, NZI 2002, 244, 245; unklar dagegen noch BVerfG, NJW 1970, 555, wo die Rechtsgrundlage für das Einsichtsgesuch nicht thematisiert und sogleich eine Interessenabwägung vorgenommen wird. 413) Funke-Kaiser, in: BeckOK-VwVfG (37. Ed., Stand: Oktober 2016), § 5 Rz. 56 (für §§ 4 ff. VwVfG). Wollte man dies für §§ 156 ff. GVG anders sehen, bliebe es gleichwohl bei einer (dann klassischen) Verhältnismäßigkeitsprüfung. Nur die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes wären in diesem Fall gemäß § 1 Abs. 3 BDSG nicht anwendbar. 414) So aber wohl Prütting, in: MünchKomm-ZPO, § 299 Rz. 33, 34. 415) Siehe näher zur Übermittlung von Amts wegen unter Rz. 169 ff. 416) OLG Düsseldorf, NJOZ 2016, 1075, 1076; Beschl. v. 25.11.2009 – 3 VA 2/09, Rz. 9 – juris; FamRZ 2008, 1871, 1872 (Rz. 20 – juris); KG, Beschl. v. 20.5.2014 – 1 VA 7/14, Rz. 3, juris; Pabst, in: MünchKomm-ZPO, § 12 EGGVG Rz. 15. 417) So aber OLG Brandenburg, NZI 2003, 36, 37 (der zugrunde liegende Fall ist mit der vorliegenden Konstellation aber nicht vergleichbar, da die um Einsicht ersuchende Behörde Gläubigerin war, sodass sich ihr Einsichtsrecht primär nach dem Vorhandensein eines berechtigten Interesses gemäß § 299 Abs. 2 ZPO richtete; das OLG Brandenburg prüfte und verneinte darüber hinaus eine Übermittlungsbefugnis nach §§ 12 ff. EGGVG analog). 418) BT-Drucks. 13/4709, S. 17; so auch OLG Düsseldorf, NJOZ 2016, 1075, 1076; Rein, in: FS H. Vallender, S. 476. 419) Da die Landesdatenschutzgesetze dem Bundesdatenschutzgesetz im Wesentlichen entsprechen, wird im Folgenden der Einfachheit halber nur auf das BDSG eingegangen.

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§ 1 Abs. 2 Nr. 2 BDSG).420) Auch Gerichte sind gemäß § 2 Abs. 1 und 2 BDSG als Organe der Rechtspflege datenschutzpflichtig, und zwar nicht nur die Justizverwaltung, sondern auch die Spruchkörper.421) Soweit (nur) die durch Art. 12, 14 GG geschützten Interessen betroffen sind, dürften die allgemeinen Vorschriften der Amtshilfe (etwa § 156 GVG, § 4 VwVfG) zwar noch eine hinreichende gesetzliche Grundlage darstellen,422) eine Abwägung mit dem Einsichtsinteresse hat aber gleichwohl zu erfolgen (vgl. § 158 Abs. 2 Satz 1 GVG).423) b)

Anwendung auf die Akteneinsichtnahme durch den Insolvenzrichter

Nimmt man vor diesem Hintergrund die Einsichtnahme von Insolvenzverfah- 159 rensakten durch den für das Vorauswahlverfahren zuständigen Insolvenzrichter näher in den Blick, so wird man als formelle Grundlage zunächst auf Art. 35 Abs. 1 GG i. V. m. § 156 GVG zurückgreifen können, da es um die Gewährung intergerichtlicher Akteneinsicht geht.424) Nach dem soeben Ausgeführten sind der Datenschutz sowie die beeinträchtigten Grundrechtspositionen zu beachten. Vorbehaltlich besonders gelagerter Umstände des Einzelfalles ist dazu Folgendes auszuführen: aa)

Datenschutzrecht

Festhalten lässt sich zunächst, dass jedenfalls im Anwendungsbereich der Da- 160 tenschutzgesetze425) für die Übermittlung personenbezogener Daten an öffentliche Stellen für verfahrensfremde Zwecke hohe Hürden gelten (vgl. §§ 15 Abs. 1, 14 Abs. 2 BDSG), die insofern als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes anzusehen sind. Für deren Einhaltung ist regelmäßig die ersuchende Stelle zuständig (§ 15 Abs. 2 Satz 2 BDSG), wohingegen die ersuchte Stelle nur zu ___________ 420) So konsequent nun auch OLG Düsseldorf NJOZ, 2016, 1075, 1075 f. nach Zurückverweisung durch BVerfGE 138, 33 Rz. 31. 421) Vgl. Hanloser, in: BeckOK-Datenschutzrecht (21. Ed., Stand: Februar 2017), § 2 Rz. 15; Gola/Schomerus-Gola/Klug/Körffer, BDSG, § 2 Rz. 10. Daraus folgt übrigens auch, dass die Gerichte nach Maßgabe der Vorschriften der Datenschutzgesetze für die dort vorgeschriebene Datensicherheit zu sorgen haben. 422) Rein, in: FS H. Vallender, S. 486. 423) Vgl. die Nachweise unter Rz. 154. 424) Da der Einsicht nehmende Insolvenzrichter funktional als Justizverwaltungsbehörde handelt, ließe sich auch die Anwendbarkeit der §§ 4 ff. VwVfG erwägen. Dies dürfte aber wohl schon wegen § 2 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG ausgeschlossen sein. Im Ergebnis kann die Entscheidung aber dahinstehen, da die Einhaltung des Datenschutzes und die Interessenabwägung in jedem Fall zu gewährleisten ist. Mit Blick auf die Rahmenvorschrift des Art. 35 Abs. 1 GG wird die fachgesetzliche Norm daher auch regelmäßig offengelassen, vgl. nur BVerfGE 138, 33 Rz. 21; BVerfG, NJW 1970, 555 (Rz. 22 – juris); OLG Düsseldorf, FamRZ 2015, 1926 (Rz. 6 – juris); KG, Beschl. v. 20.5.2014 – 1 VA 7/14, Rz. 3 – juris (Amtshilfeersuchen des Polizeipräsidenten auf Einsichtsgewährung in Betreuungsakten). 425) Zu beachten ist insofern die datenschutzrechtliche Anknüpfung an den Begriff der Stelle als kleinste datenschutzrechtlich relevante Organisationseinheit, vgl. § 2 BDSG.

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prüfen hat, ob das Übermittlungsersuchen im Rahmen der Aufgaben der empfangenden Stelle liegt (§ 15 Abs. 2 Satz 3 BDSG). Eine im Rahmen der Akteneinsicht erfolgende Übermittlung personenbezogener Daten müsste gemäß § 15 Abs. 1 BDSG zur Erfüllung von in der Zuständigkeit des Übermittlungsempfängers liegenden Aufgaben erforderlich sein (Nr. 1) und es müssten zusätzlich die Voraussetzungen des Zweckänderungstatbestandes gemäß § 14 Abs. 2 BDSG vorliegen (Nr. 2). Fehlt es hieran, kann die Auskunft insoweit nicht erteilt werden. 161 Während die von § 15 Abs. 1 Nr. 3 BDSG verlangte Erforderlichkeit regelmäßig keine Probleme bereiten dürfte, weil es generell plausibel erscheint, dass sich aus Akten über andere Insolvenzverfahren positive oder negative Erkenntnisse über die Geeignetheit der Person gewinnen lassen, die in diesen Verfahren als Insolvenzverwalter agiert hat,426) sind die Hürden des von § 15 Abs. 1 Nr. 2 BDSG in Bezug genommenen § 14 Abs. 2 BDSG nur schwer zu überwinden. Denkbar ist eine Einwilligung des Bewerbers (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 BDSG), die dann aber auf der autonomen Entscheidung des Betroffenen beruhen muss (§ 4a Abs. 1 Satz 1 BDSG).427) Daran wird es regelmäßig fehlen, wenn das Insolvenzgericht die Aufnahme auf die Vorauswahlliste von einer solchen Einwilligung abhängig macht. Die Voraussetzungen von § 14 Abs. 2 Nr. 6 BDSG (zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder zur Wahrung erheblicher Belange des Gemeinwohls erforderlich) und § 14 Abs. 2 Nr. 8 BDSG (zur Abwehr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechte einer anderen Person erforderlich) werden in aller Regel ebenfalls nicht erfüllt sein, zumal die Beeinträchtigung reiner Vermögensinteressen ohnehin nicht ausreicht.428) Die in diesen Normen vorausgesetzte Erheblichkeitsschwelle wird in aller Regel nicht erreicht sein. Allenfalls in Ausnahmefällen kommt eine Zulässigkeit nach § 14 Abs. 2 Nr. 4 BDSG in Betracht, wenn die Akteneinsicht erforderlich ist, um einen konkret begründeten Verdacht zu überprüfen, dass in der Bewerbung um die Aufnahme auf die Vorauswahlliste die Unwahrheit gesagt wurde. 162 Im Ergebnis scheitert daher die Rechtshilfe der Insolvenzgerichte untereinander regelmäßig an den Voraussetzungen des Datenschutzrechts. bb)

Verhältnismäßigkeit

163 Unabhängig davon ist jedenfalls eine Abwägung anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorzunehmen. Dazu muss die anfragende Stelle ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht geltend machen, welches sich regelmäßig aus ihrem ___________ 426) Vgl. schon Rz. 151 f. sowie Rz. 163 ff. 427) Dazu Kühling, in: BeckOK-Datenschutzrecht (21. Ed., Stand August 2017), § 4a BDSG Rz. 35. 428) Gola/Schomerus-Gola/Klug/Körffer, BDSG, § 14 Rz. 22.

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IV. Informationsaustausch zwischen den Insolvenzgerichten

Aufgabenbereich ergibt.429) Der für das Vorauswahlverfahren zuständige Insolvenzrichter hat gemäß § 56 Abs. 1 InsO die generelle Eignung des Bewerbers zu prüfen und insofern ein Interesse, sich neben den Bewerberangaben auch anhand bereits geleisteter Arbeitsergebnisse von der Qualifikation und Leistungsfähigkeit des Insolvenzverwalters zu überzeugen. Ein im Grundsatz berechtigtes Interesse besteht damit. Die erbetene Einsichtnahme muss verhältnismäßig, also zur Erfüllung dieser 164 Aufgabe geeignet, erforderlich und angemessen sein.430) Die Geeignetheit wird regelmäßig gegeben sein, da die Akteneinsicht eine Bewertung der eignungsrelevanten insolvenzverfahrensspezifischen Kenntnisse und Berufserfahrungen des Bewerbers zulässt, die dem Insolvenzgericht in dieser Form im Rahmen des Vorauswahlverfahrens regelmäßig nicht möglich ist. Bezüglich der Erforderlichkeit gibt es Zweifel immer dann, wenn sich die Einsicht nehmende Stelle die benötigten Informationen auch auf andere Weise beschaffen kann,431) insbesondere durch Einforderung gesetzlicher Mitwirkungspflichten.432) Insofern ließe sich erwägen, ob statt einer Akteneinsichtnahme im Wege der Amtshilfe nicht der Bewerber selbst dem Insolvenzrichter entsprechende Unterlagen zugänglich machen könnte. Dieses Mittel wird man aber schon nicht als gleichermaßen geeignet ansehen können, denn es würde auf einer allzu subjektiven Vorauswahl durch den Bewerber beruhen, die nicht mit einer Akteneinsicht vergleichbar ist. Die Angemessenheit begegnet insofern keinen Bedenken, als die Intensität des Grundrechtseingriffs für die übrigen Verfahrensbeteiligten als vergleichsweise gering anzusehen ist, da die Akteneinsicht durch den Insolvenzrichter primär zu dem Zweck erfolgt, sich ein eigenes Bild über die Qualität des Bewerbers zu verschaffen, nicht aber, um die in der Akte enthaltenen Informationen anderweitig in seinem Aufgabenbereich zu verwenden. Der Bewerber selbst hat schon kein schützenswertes Interesse daran, dass sich 165 der für das Vorauswahlverfahren zuständige Richter nicht mittels Rückgriffs auf Verfahrensakten von seiner Qualität überzeugt. Jedenfalls überwiegt insofern das staatliche Informationsinteresse an der Bestellung eines i. S. d. § 56 InsO geeigneten Insolvenzverwalters das Interesse des Bewerbers, seine bisherigen Arbeitsergebnisse als Insolvenzverwalter bei anderen Insolvenzgerichten geheim zu halten. Im Ergebnis lassen sich daher aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der 166 Regel keine zusätzlichen Grenzen ableiten.

___________ 429) 430) 431) 432)

Holzer, ZIP 1998, 1333. Andres/Leithaus-Andres, InsO, § 4 Rz. 16; Zipperer, NZI 2002, 244, 247. Vgl. bereits Rz. 59 ff. Andres/Leithaus-Andres, InsO, § 4 Rz. 16.

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c)

Zuständigkeit für die Gewähr der Akteneinsicht

167 Sollte sich nach alledem gleichwohl die Zulässigkeit eines (ggf. eingeschränkten) Einsichtsgesuchs ergeben, liegt die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Akteneinsicht nicht – wie im Anwendungsbereich des § 299 Abs. 2 ZPO – beim Vorstand des Gerichts,433) sondern nach zutreffender Ansicht beim zuständigen Richter, der während eines laufenden Verfahrens in richterlicher Unabhängigkeit entscheidet.434) Unabhängig hiervon ist mittlerweile jedenfalls geklärt, dass es sich bei der Übermittlung – auch wenn sie durch den Richter erfolgt – nicht um spruchrichterliche Tätigkeit, sondern um (Justiz-)Verwaltungstätigkeit handelt, sodass für die Beteiligten des Verfahrens gegen die Einsichtnahme in jedem Fall der Rechtsschutz gemäß §§ 23 ff. EGGVG gegeben ist.435) d)

Ergebnis

168 Im Ergebnis kann damit festgehalten werden, dass sich die Akteneinsichtnahme durch das Insolvenzgericht nach den Grundsätzen der Amts- bzw. Rechtshilfe gemäß Art. 35 Abs. 1 GG i. V. m. §§ 156 ff. GVG richtet. Dabei sind jedoch materiell-rechtliche Einschränkungen zu beachten. So ist in seinem Anwendungsbereich jedenfalls der Datenschutz einzuhalten, der an die Übermittlung personenbezogener Daten für andere Zwecke als die des (Ausgangs-)Verfahrens gemäß §§ 15 Abs. 1, 14 Abs. 2 BDSG als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hohe Hürden knüpft, die einer Rechtshilfe regelmäßig entgegenstehen werden. Daneben ist eine klassische Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen, die freilich in der Regel keine zusätzlichen Grenzen ziehen wird. 4.

Mitteilungen von Amts wegen

169 Letztlich ist noch die bereits aufgeworfene Frage zu klären, unter welchen Voraussetzungen ein Informationsaustausch auch bereits „von Amts wegen“ und nicht erst – wie bei der Amts- oder Rechtshilfe – auf Ersuchen einer anderen Behörde oder eines Gerichts erfolgen kann. Bedeutung erlangt diese Frage vor allem bei der Streichung eines Kandidaten von der Vorauswahlliste (Delisting). Diese in Form eines Bescheids ergehende und als Justizverwaltungsakt i. S. d.

___________ 433) So aber OLG Köln, FamRZ 2015, 1916 (Rz. 6 – juris, Antrag einer nicht am Verfahren beteiligten Behörde auf Gewährung von Akteneinsicht in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist Amtshilfeersuchen gemäß Art. 35 GG, über das der Vorstand des Gerichts zu entscheiden hat). 434) BGHZ 51, 193 = NJW 1969, 1302, 1303; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.11.2009 – 3 VA 2/09, Rz. 9 – juris; FamRZ 2008, 1871, 1872 (Rz. 20 – juris); KG, Beschl. v. 20.5.2014 – 1 VA 7/14, Rz. 2. 435) BVerfGE 138, 33 Rz. 20 ff.

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IV. Informationsaustausch zwischen den Insolvenzgerichten

§§ 23 ff. EGGVG zu qualifizierende436) Entscheidung könnte einer Weiterleitung an andere Insolvenzgerichte zur Kenntnisnahme zugänglich sein, um diesen eine Bewertung des zugrunde liegenden Sachverhalts zu ermöglichen und eigene Maßnahmen gegen den dort ebenfalls gelisteten Verwalter zu ergreifen. Es soll dabei an dieser Stelle nicht um die Rechtmäßigkeit des Delistings als solchen gehen,437) sondern allein um die Frage, ob ein Gericht seine DelistingEntscheidung von Amts wegen anderen Gerichten übermitteln darf. a)

Meinungsstand

In der Literatur wird insofern teilweise vertreten, dass die Weiterleitung eines 170 Delisting-Bescheids an andere Insolvenzgerichte – jedenfalls nach Eintritt der Rechtskraft (vgl. § 26 Abs. 1 EGGVG) – möglich und mitunter zum Zwecke der Sicherstellung qualitativer Insolvenzverwaltung geradezu geboten sei.438) Andere halten dies unter Namensnennung indes für unzulässig, da es an einer einschlägigen Rechtsgrundlage mangele und personenbezogene Daten nur nach den §§ 12 ff. EGGVG weitergeleitet werden dürften.439) Im Ausgangspunkt Einigkeit besteht darüber, dass es sich bei der Übermitt- 171 lung des Delisting-Bescheids um einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Bewerbers aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG sowie um eine Beeinträchtigung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG440) han___________ 436) OLG Hamburg, ZIP 2012, 336 (Rz. 8 – juris); Frind/Schmidt, NZI 2004, 533, 538; GrafSchlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 44; Frind, in: HambKomm-InsO, § 56 Rz. 25; Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 114 Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 37; siehe ferner BGH, ZIP 2016, 876 Rz. 24, wonach die Grundsätze zur Aufnahme eines Bewerbers auf die Vorauswahlliste entsprechend bei dessen Streichung gelten, mithin auch der Rechtsschutz gemäß §§ 23 ff. EGGVG eröffnet ist. 437) Wegen der einschneidenden beruflichen Konsequenzen (Art. 12 Abs. 1 GG) ist dabei jedenfalls stets der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, BGH, ZIP 2016, 876 Rz. 29. Zu den in Betracht kommenden Gründen für das Delisting siehe nur Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 110 f. 438) Frind, ZInsO 2011, 30, 31 ff.; Frind, in: HambKomm-InsO, § 56 Rz. 25; Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 114 (der eine Information – jedenfalls bei schwerwiegenden Gründen – über das nur für Insolvenzgerichte zugängliche Internetforum des BAKInsO für sachdienlich hält); siehe auch Göcke, in: BeckOK-InsO, § 56 Rz. 31, wonach zwar Zurückhaltung geboten, eine derartige Praxis rechtlich aber jedenfalls nicht unzulässig sei (indes ohne nähere Begründung). 439) Rundschreiben des OLG Hamm v. 8.6.2010, ZInsO 2011, 33; Graf-Schlicker-GrafSchlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 44; Rechel, Die Aufsicht des Insolvenzgerichts über den Insolvenzverwalter, S. 194; mit Einschränkungen auch Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 37. 440) Die Rechtsprechung, der zufolge ein in der Sache zutreffendes staatliches Informationshandeln unter bestimmten Voraussetzungen schon keinen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 12 GG darstellt (sog. Glykol-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 105, 252), ist hier nicht einschlägig, weil es an der notwendigen gesetzlich definierten Aufgabenzuweisung zum intergerichtlichen Informationsaustausch fehlt, vgl. OLG Hamm, ZInsO 2011, 33, 34; Rechel, Die Aufsicht des Insolvenzgerichts über den Insolvenzverwalter, S. 194 f.

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delt.441) Denn die in dem Delisting-Verfahren angefallenen personenbezogenen Daten442) werden für verfahrensfremde Zwecke an dritte Gerichte weitergegeben, welche diese unabhängig von dem Ausgangsverfahren zur eigenen Aufgabenwahrnehmung verwenden bzw. ein wiederum für die Berufsfreiheit des Bewerbers relevantes Tätigwerden (etwa durch einen eigenen Delisting-Bescheid) von Amts wegen prüfen sollen. Damit bedarf es zur Rechtfertigung des Eingriffs zwingend einer gesetzlichen Grundlage. b)

Prüfung anhand der §§ 12 ff. EGGVG

172 Diese könnte in §§ 12 ff. EGGVG gesehen werden. Die Vorschriften gehen als leges speciales denen des Bundesdatenschutzgesetzes gemäß dessen § 1 Abs. 3 Satz 1 vor,443) entsprechen ihnen aber inhaltlich und sind deshalb synchron auszulegen.444) Sie enthalten Erlaubnistatbestände für die verfahrensübergreifende Übermittlung personenbezogener Daten von Amts wegen durch Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit an öffentliche Stellen des Bundes oder eines Landes, wozu wiederum die Gerichte gehören (vgl. § 2 BDSG445), § 12 Abs. 1 EGGVG.446) ___________ 441) OLG Hamm, ZInsO 2011, 33, 34; Frind, ZInsO 2011, 30, 32; Graf-Schlicker-GrafSchlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 44; Rechel, in: Smid, Aktuelle Probleme des geltenden deutschen Insolvenzrechts, S. 39; ders., Die Aufsicht des Insolvenzgerichts über den Insolvenzverwalter, S. 194 f. 442) Personenbezogene Daten sind Einzelangaben (Informationen) über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmen oder bestimmbaren Person (vgl. § 3 Abs. 1 BDSG). Der Delisting-Bescheid enthält sowohl persönliche (Name, Anschrift etc.) als auch sachliche (sachverhaltsbezogene) Einzelangaben über den Bewerber. 443) Pabst, in: MünchKomm-ZPO, § 12 EGGVG Rz. 13; Zöller-Lückemann, ZPO, § 12 EGGVG Rz. 1. 444) Wegen desselben Schutzziels hat die Auslegung der §§ 12 ff. EGGVG in gleicher Weise wie diejenige des BDSG zu erfolgen, siehe nur Pabst, in: MünchKomm-ZPO, § 12 EGGVG Rz. 13. 445) Vgl. Hanloser, in: BeckOK-Datenschutzrecht (21. Ed., Stand: Februar 2017), § 2 Rz. 15; Gola/ Schomerus-Gola/Klug/Körffer, BDSG, § 2 Rz. 10. Daraus folgt übrigens auch, dass die Gerichte nach Maßgabe der Vorschriften der Datenschutzgesetze für die dort vorgeschriebene Datensicherheit zu sorgen haben. 446) Siehe auch BGH, ZIP 2008, 466 Rz. 6. Nach OLG Hamm, ZInsO 2011, 33, 34 soll schon der sachliche Anwendungsbereich der § 12 ff. EGGVG in der vorliegenden Konstellation zweifelhaft sein, da die Datenübermittlung zur Wahrnehmung von Aufsichts- und Kontrollbefugnissen hiervon ausgenommen sei (siehe Pabst, in: MünchKomm-ZPO, § 12 EGGVG Rz. 9). Diese Ausnahme bezieht sich indes in Anwendung des allgemeinen Grundsatzes des § 14 Abs. 3 BDSG nur auf die Datenübermittlung an übergeordnete Stellen (Dienst- und Fachaufsicht), die noch vom Primärzweck der Datenerhebung im Ausgangsverfahren miterfasst wird und insofern nicht als „für andere Zwecke als die des Verfahrens“ i. S. d. § 12 Abs. 1 Satz 1 EGGVG erfolgt und mithin keiner eigenständigen Rechtsgrundlage bedarf, vgl. RegE, BT-Drucks. 13/4709, S. 20; Gola/Schomerus-Gola/ Klug/Körffer, BDSG, § 14 Rz. 24 f. Da das die Daten übermittelnde Insolvenzgericht keiner Aufsicht durch das empfangende Insolvenzgericht unterliegt, ist diese Bereichsausnahme nicht einschlägig und die §§ 12 ff. EGGVG sind folglich anwendbar.

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IV. Informationsaustausch zwischen den Insolvenzgerichten

Mit den durch das Justizmitteilungsgesetz447) eingefügten Vorschriften sollte ausdrücklich den im Volkszählungsurteil448) des Bundesverfassungsgerichts niedergelegten Grundsätzen Rechnung getragen und das Justizmitteilungswesen auf die verfassungsrechtlich gebotene (bereichsspezifische) Rechtsgrundlage gestellt werden.449) Fraglich ist daher, ob einer der Erlaubnistatbestände der §§ 12 ff. EGGVG eingreift. Die Übermittlung könnte insofern zunächst aufgrund einer Einwilligung des 173 Betroffenen gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 EGGVG rechtmäßig sein.450) Eine solche wird aber naturgemäß gerade nicht vorliegen. Sollte seitens der Insolvenzgerichte schon im Rahmen der Bewerbung zur Vorauswahlliste das Einverständnis zur Weitergabe von Informationen auch an andere Insolvenzgerichte eingeholt worden sein,451) kann dies nicht ausreichen. Denn diese Einwilligung wird regelmäßig nicht freiwillig i. S. d. § 13 Abs. 1 Nr. 2 EGGVG sein, d. h. auf einer autonomen Entscheidung des Bewerbers beruhen,452) wenn schon deren Erteilung zur Aufnahmevoraussetzung gemacht worden ist bzw. dem Bewerber eine vorgefertigte Erklärung zur Unterschrift vorgelegt wurde. Von einer freien Entscheidung des Betroffenen bezüglich der Datenübermittlung für verfahrensübergreifende Zwecke kann dann keine Rede sein. Entscheidend ist daher, ob die Informationsweitergabe auch ohne das (unfreiwillige) Einverständnis des Bewerbers erfolgen kann. Dies könnte sich aus dem Erlaubnistatbestand des § 13 Abs. 1 Nr. 5 EGGVG 174 ergeben. Danach darf die Übermittlung erfolgen, wenn aufgrund einer Entscheidung bestimmte Rechtsfolgen eingetreten sind, wie insbesondere der Verlust der Rechtsstellung aus einem öffentlich-rechtlichen Amts- oder Dienstverhältnis (lit. a), und die Kenntnis der Daten aus Sicht der übermittelnden Stelle für die Verwirklichung der Rechtsfolgen erforderlich ist (lit. b). Für den vorliegenden Fall werden diese Voraussetzungen mitunter als erfüllt angesehen, da der Insolvenzverwalter infolge des Delistings seiner nicht rein privaten, sondern aus der Funktionseinheit „Gericht/Verwalter“ herrührenden Amtsstellung verlustig gehe und die Kenntnis der Daten zur Erfüllung der Kontroll- und Aufsichtsaufgaben des empfangenden Gerichts (vgl. §§ 56, 58 InsO) als erforder___________ 447) Justizmitteilungsgesetz und Gesetz zur Änderung kostenrechtlicher Vorschriften und anderer Gesetze v. 18.6.1997, BGBl. I S. 1430, siehe hierzu auch RegE, BT-Drucks. 13/4709. 448) BVerfGE 65, 1. 449) RegE, BT-Drucks. 13/4709, S. 1; siehe auch Pabst, in: MünchKomm-ZPO, Vor §§ 12 ff. EGGVG Rz. 1 ff. 450) So auch Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 37. 451) So z. B. das Anschreiben des AG Köln, wonach nicht nur Informationen von anderen Insolvenzgerichten eingeholt, sondern auch an andere Insolvenzgerichte weitergegeben werden sollen. 452) Vgl. auch § 4a Abs. 1 Satz 1 BDSG sowie Kühling, in: BeckOK-Datenschutzrecht (21. Ed., Stand August 2017), § 4a BDSG Rz. 35.

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lich anzusehen seien.453) Hiergegen wird eingewandt, dass der Insolvenzverwalter weder ein öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis bekleide454) noch infolge des Delistings auch nur irgendeiner Amtsstellung verlustig gehe, da die Listung nur die Möglichkeit eröffne, mit der Wahrnehmung des Amtes beauftragt zu werden.455) 175 Wenngleich es überzeugt, den lediglich gelisteten Insolvenzverwalter nicht als i. S. v. § 13 Abs. 1 Nr. 5 EGGVG in einem öffentlich-rechtlichen Amts- oder Dienstverhältnis stehend anzusehen, verliert dieser Streit doch in Ansehung des Wortlauts („insbesondere“) seine Relevanz. Die Voraussetzungen der Norm liegen vielmehr aus anderen Gründen nicht vor. Denn entscheidend ist nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck, dass auf Grund der Entscheidung bestimmte Rechtsfolgen eingetreten sind und die Mitteilung erforderlich ist, um deren (!) Beachtung und Umsetzung zu gewährleisten („Verwirklichung der Rechtsfolgen“).456) Es geht also um weiteres Verwaltungshandeln, welches zur Durchoder Umsetzung der Rechtsfolgen der Entscheidung erforderlich ist und dazu eine Übermittlung der Daten an die hierfür zuständige Stelle voraussetzt.457) Hieran fehlt es aber in der hier zu untersuchenden Konstellation, denn die Rechtsfolgen des Delistings von der Vorauswahlliste treten mit Rechtskraft des Bescheids vollumfänglich ohne weitere Umsetzungsakte ein; der Richter kann die Streichung selbst vornehmen und der Betroffene hat den Ausschluss von Bestellungen an dem jeweiligen Insolvenzgericht hinzunehmen.458) Da jeder Insolvenzrichter Herr über seine eigene Liste ist und die Kriterien im Rahmen der Sachgerechtigkeit auch eigenständig aufstellt,459) bedarf es der Datenweiterleitung zur Durch- und Umsetzung des Delistings nicht. § 13 Abs. 1 Nr. 5 EGGVG ist daher keine taugliche Rechtsgrundlage für die Datenübermittlung in der vorliegenden Konstellation. 176 Die als Generalklauseln weiter in Betracht kommenden Erlaubnistatbestände der §§ 13 Abs. 2, 17 Nr. 3 und Nr. 4 EGGVG sind mangels Überschreitens der jeweiligen Erheblichkeitsschwelle nicht einschlägig. Die Übermittlung des Delisting-Bescheids ist weder zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit (Nr. 3) noch – von krassen Ausnahmefällen abgesehen – zur Abwehr schwerwiegender Nachteile für ___________ 453) Frind, ZInsO 2011, 30, 33; Frind, in: HambKomm-InsO, § 56 Rz. 25. 454) Unter Verweis auf BVerfGE 116, 1 Rz. 32 sowie BT-Drucks. 17/3556, S. 15. 455) Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 44; i. E. wohl ähnlich UhlenbruckZipperer, InsO, § 56 Rz. 37, der § 13 Abs. 1 Nr. 5 EGGVG im Rahmen der §§ 12 ff. EGGVG unerwähnt lässt. 456) RegE, BT-Drucks. 13/4709, S. 21 (dort noch unter Nr. 4). 457) Vgl. Pabst, in: MünchKomm-ZPO, § 13 EGGVG Rz. 10. 458) Vgl. Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 114. 459) BGH, ZIP 2016, 935 Rz. 23.

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IV. Informationsaustausch zwischen den Insolvenzgerichten

potentielle Insolvenzverfahrensbeteiligte erforderlich (Nr. 4).460) Da die §§ 12 ff. EGGVG dem BDSG (§ 1 Abs. 3 BDSG) bzw. den entsprechenden Landesdatenschutzgesetzen (bspw. § 2 Abs. 7 HmbDSG) als Spezialregelung vorgehen,461) kommt ein Rückgriff auf weitere datenschutzrechtliche Erlaubnistatbestände für die Übermittlung von Amts wegen nicht in Betracht. Damit fehlt es de lege lata462) an einer die Weiterleitung des Delisting-Bescheids von Amts wegen rechtfertigenden Rechtsgrundlage. c)

Ergebnis

Damit kann festgehalten werden, dass die Information anderer Insolvenzge- 177 richte von Amts wegen, insbesondere die Weiterleitung eines Delisting-Bescheids an andere Insolvenzgerichte, ohne (freiwilliges) Einverständnis des Betroffenen gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 EGGVG grundsätzlich unzulässig ist. 5.

Ergebnis zu IV.

Im Ergebnis kann damit festgehalten werden, dass sich die Akteneinsichtnahme 178 durch den Insolvenzrichter nach den Grundsätzen der Amts- bzw. Rechtshilfe gemäß Art 35 Abs. 1 GG i. V. m. §§ 156 ff. GVG richtet. Dabei sind jedoch materiell-rechtliche Einschränkungen zu beachten. So ist in seinem Anwendungsbereich jedenfalls der Datenschutz einzuhalten, der an die Übermittlung personenbezogener Daten für andere Zwecke als die des (Ausgangs-)Verfahrens gemäß §§ 15 Abs. 1, 14 Abs. 2 BDSG als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hohe Hürden knüpft, die einer Rechtshilfe regelmäßig entgegenstehen werden. Daneben ist eine klassische Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen, die freilich in der Regel keine zusätzlichen Grenzen ziehen wird. Auch die Information anderer Insolvenzgerichte von Amts wegen, insbesondere die Weiterleitung eines Delisting-Bescheids an andere Insolvenzgerichte, ist ohne (freiwilliges) Einverständnis des Betroffenen grundsätzlich unzulässig. ___________ 460) OLG Hamm, ZInsO 2011, 33, 34; weitergehend aber Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 37, der § 17 Nr. 4 EGGVG nicht nur bei erheblichen Vermögensdelikten oder Insichgeschäften zulasten der Masse, sondern auch bei nicht offenbarten Vorbefassungen für einschlägig hält. 461) Vgl. Pabst, in: MünchKomm-ZPO, § 12 EGGVG Rz. 13; Zöller-Lückemann, ZPO, § 12 EGGVG Rz. 1. 462) Hierfür spricht auch die im gescheiterten Gesetzgebungsverfahren zum GAVI diskutierte Neufassung des § 58 Abs. 3 InsO-E (Art. 1 Nr. 6 GAVI), wonach Gerichte und Behörden personenbezogene Informationen, die für Aufsichtsmaßnahmen des Insolvenzgerichts aus Sicht der übermittelnden Stelle erforderlich sind, den für die Kanzleisitze des Verwalters örtlich zuständigen Insolvenzgerichten übermitteln sollten, vgl. BRatE, BTDrucks. 16/7251, S. 5, 10, 12. Der Entwurf ging ausdrücklich davon aus, dass ein Mechanismus, durch den sichergestellt wird, dass das Insolvenzgericht von Zivil-, Straf-, und Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Insolvenzverwalter Kenntnis erlangt, bisher nicht existiert, und wollte mit § 58 Abs. 3 InsO-E die datenschutzrechtliche Grundlage erst schaffen, siehe BT-Drucks. 16/7251, S. 10.

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V.

Abschließende Bemerkungen

179 Zwei kurze übergreifende Bemerkungen dürfen am Ende nicht fehlen. 1.

Bundeseinheitliche Lösung

180 Die erste betrifft die Beobachtung, dass die gerichtliche Informationsgewinnung im Vorfeld der Bestellung von Insolvenzverwaltern von den einzelnen Gerichten sehr unterschiedlich gehandhabt wird.463) Etliche Gerichte bedienen sich standardisierter Fragebögen, andere sehen von deren Verwendung ab oder erheben damit zwar Daten, die aber dann bei der Auswahlentscheidung keine Rolle spielen. Einige Gerichte haben eigene Fragenkataloge entwickelt, andere haben Fragebögen anderer Gerichte übernommen, aber insgesamt gibt es innerhalb derjenigen Gruppe, die auf solche Fragenkataloge zurückgreift, inhaltlich (und zwar sowohl in der Breite als auch in der Tiefe) sowie prozedural erhebliche Unterschiede. Das ist misslich, insbesondere wenn man bedenkt, dass hier ein Bundesgesetz administriert wird, was nicht zuletzt unter dem Gleichheitssatz (Art. 3 GG) eigentlich eine bundeseinheitliche Handhabung erfordert. Es kann daher nicht verwundern, dass der Ruf nach einer bundeseinheitlichen Lösung immer lauter wird.464) 2.

Zertifizierung der Gerichte

181 Es fällt auf, dass viele Gerichte intensiv Informationen über die Leistungsfähigkeit und Qualität von Insolvenzverwaltern bzw. Insolvenzverwalterkanzleien erheben, dass aber eine transparente Qualitätskontrolle auf der Justizebene bisher nicht einmal angedacht ist. Dass lässt sich nicht damit erklären, dass die Eignungsprüfung für Insolvenzverwalter in § 56 InsO eine gesetzliche Grundlage hat, denn auch für die Gerichte gibt es mit § 22 Abs. 6 GVG und § 18 Abs. 4 RPflG eine entsprechende gesetzliche Grundlage. Gemäß § 22 Abs. 6 GVG sollen Richter in Insolvenzsachen über belegbare Kenntnisse auf den Gebieten des Insolvenzrechts, des Handels- und Gesellschaftsrechts sowie über Grundkenntnisse der für das Insolvenzverfahren notwendigen Teile des Arbeits-, Sozial- und Steuerrechts und des Rechnungswesens verfügen. Es wäre wünschenswert, dass diese Anforderungen nicht nur justizintern bei der Besetzung von Planstellen am Insolvenzgericht überprüft, sondern in einer für die beteiligten Verkehrskreise transparenten Weise nachprüfbar dokumentiert werden. Denn die gesetzlich beschriebene Eignung von Richtern und Rechtspflegern ist ___________ 463) Vgl. nur – auch zum Folgenden – Prütting, in: FS H. Vallender, S. 455, 463. 464) Vgl. zu unterschiedlichen Modellen etwa Eichel, KTS 2017, 1 ff.; Graeber, in: MünchKommInsO, § 56 Rz. 138; Pollmächer/Siemon, NZI 2017, 93 ff.; Prütting, in: FS H. Vallender, S. 455 ff.; Römermann, INDat Report 6/2017, 22 ff.; Vallender, NZI 2017, 641 ff. sowie K. Schmidt-Ries, InsO, § 56 Rz. 48, 49; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 7.

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VI. Gesamtergebnisse

in derselben Weise für das Gelingen von Insolvenzverfahren erheblich wie die Unabhängigkeit und Eignung von Insolvenzverwaltern. VI.

Gesamtergebnisse

Die wesentlichen Ergebnisse können damit wie folgt zusammengefasst werden: 182 1. Die Feststellung der Eignung des Prätendenten für die Bestellung als Insolvenzverwalter gemäß § 56 Abs. 1 InsO muss anhand sachgerechter Kriterien erfolgen. Deren Auswahl und Gewichtung durch den Insolvenzrichter (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG) hat sich nach den maßgeblichen Interessen der Gläubiger und des Schuldners im konkreten Insolvenzverfahren zu richten. Inhaltlich und prozedural ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. 2. Die Vorauswahlliste dient der Vorbereitung der eigentlichen Auswahlentscheidung im Einzelfall gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO und darf sich deshalb ihrem Inhalt nach nicht nur auf Namen und Anschrift der interessierten Bewerber beschränken, sondern muss auch die Daten umfassen, die das jeweilige Insolvenzgericht nach der eigenen Einschätzung für die Eignungsprüfung im jeweiligen Einzelfall sowie zur sachgerechten Ermessensausübung benötigt. Die Datenerhebung muss damit nicht nur diejenigen Informationen umfassen, die zur Feststellung der generellen Eignung notwendig sind, sondern auch solche, die erst bei der konkreten Bestellungsentscheidung Verwendung finden können. Dafür müssen die Daten in einer konkreten Bestellungsentscheidung zur Subsumtion unter als sachgerecht erachtete Auswahlkriterien in Betracht kommen. Ein Kriterium, welches schon unter keinen Umständen für die Auswahl in (irgend-)einem konkreten Verfahren als sachgerecht angesehen werden kann, erfordert auch keine diesbezügliche Information in den Vorauswahllisten und dementsprechend auch nicht von den Bewerbern im Rahmen des Vorauswahlprozesses. 3. Im Vorauswahlverfahren gilt der Amtsermittlungsgrundsatz; das Gericht hat sich also an der Erforschung der materiellen Wahrheit zu orientieren. Mangels ausreichender anderer Erkenntnismöglichkeiten ist das Gericht auf die Mitwirkung des Bewerbers angewiesen, der seine Eignung im Rahmen der Fragebögen von sich aus darzustellen und anhand geeigneter Nachweise zu verifizieren hat. Daneben kann sich das Gericht nicht hinreichend verifizierbarer Umstände zusätzlich selbst versichern, etwa in einem Bewerbungsgespräch. Voraussetzung ist aber stets, dass die angeforderten Informationen erforderlich sind. Daran fehlt es insbesondere, wenn das Insolvenzgericht die Informationen aus seiner dienstlichen Tätigkeit bereits hat, sie also gerichtsbekannt sind. 4. Die Dienstleistungsrichtlinie hat mangels grenzüberschreitenden Kontexts keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Vorauswahlverfahren bzw. die dort

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Teil A Gerichtliche Informationsgewinnung im Vorfeld der Insolvenzverwalterbestellung

überprüften Eignungskriterien für inländische Bewerber. Einer hypothetisch möglichen Inländerdiskriminierung soll an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen werden. Der Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission vom 22. November 2016 über präventive Restrukturierungsmaßnahmen beinhaltet insbesondere in Art. 26 RRL-E Vorgaben für das Auswahl- und Bestellungsverfahren. Sowohl die Mindestvoraussetzungen für die Aufnahme auf die Vorauswahlliste (generelle Eignung) als auch die Auswahlkriterien im Einzelfall (konkrete Eignung) müssen hinreichend klar und transparent sein. Eine Pflicht zur weiteren gesetzlichen Ausdifferenzierung der Eignungskriterien geht damit aber nicht einher. 5. Die Akteneinsichtnahme durch das Insolvenzgericht richtet sich nach den Grundsätzen der Amts- bzw. Rechtshilfe gemäß Art. 35 Abs. 1 GG i. V. m. §§ 156 ff. GVG. Dabei sind jedoch materiell-rechtliche Einschränkungen zu beachten. So ist in seinem Anwendungsbereich jedenfalls der Datenschutz einzuhalten, der an die Übermittlung personenbezogener Daten für andere Zwecke als die des (Ausgangs-)Verfahrens gemäß §§ 15 Abs. 1, 14 Abs. 2 BDSG als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hohe Hürden knüpft, die einer Rechtshilfe regelmäßig entgegenstehen werden. Daneben ist eine klassische Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen, die freilich in der Regel keine zusätzlichen Grenzen ziehen wird. Auch die Information anderer Insolvenzgerichte von Amts wegen, insbesondere die Weiterleitung eines Delisting-Bescheids an andere Insolvenzgerichte, ist ohne (freiwilliges) Einverständnis des Betroffenen grundsätzlich unzulässig.

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Teil B Qualitätsmessung und die Bedeutung von Zertifizierungen bei der Verwalterauswahl I.

Einführung

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Im folgenden Teil dieses Buches soll untersucht werden, ob und in welcher Weise 183 die im Bereich der Insolvenzverwaltung von verschiedenen Verbänden und Organisationen angebotenen Zertifizierungen (namentlich ISO 9001:2015, die GOI465) bzw. „VID-Cert“ und Berufsgrundsätze des VID sowie „InsO Excellence“) bei der Anwendung der gesetzlichen Regelungen zur Verwalterbestellung beachtlich sind oder sein können. Damit verbunden ist die Prüfung, welche Qualitätsbzw. Eignungsanforderungen an den Insolvenzverwalter bei der Verwalterauswahl zu stellen sind und ob und inwieweit diese (gesetzlichen) Anforderungen durch die Zertifizierungsverfahren adressiert werden. Die Untersuchungsfrage erfordert ein gestuftes Vorgehen. Es sind zunächst die 184 gesetzlichen Grundlagen und die in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Anforderungen an die Verwalterbestellung zu untersuchen, bevor daran anschließend deren Ausfüllung durch die vorhandenen Zertifizierungsverfahren beurteilt werden kann. II.

Gesetzliche Grundlagen der Verwalterauswahl

Die Verwalterauswahl richtet sich nach § 56 InsO und § 56a InsO. Nach § 56 185 InsO ist zum Insolvenzverwalter eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person zu bestellen, die aus dem Kreis aller zur Übernahme von Insolvenzverwaltungen bereiten Person auszuwählen ist. Auf dieser Grundlage führen die Insolvenzgerichte Vorauswahllisten mit (all- 186 gemein) geeigneten Personen, die sodann für den jeweiligen Einzelfall ausgewählt und bestellt werden. Sowohl für die Vorauswahl als auch für die konkrete Bestellung muss die jeweilige Person geeignet sein. Bei der konkreten Bestellung treten neben die allgemeinen Qualifikationen und Kriterien, die der Insolvenzverwalter erfüllen muss, noch besondere Auswahlkriterien, die der Insolvenzrichter nach den Umständen des Falles anlegt, etwa Branchenkenntnisse oder Fremdsprachenkenntnisse.466) Das Gericht hat ein Auswahlermessen,467) vorbehaltlich der noch zu erörternden Bindung an ein einstimmiges Votum des vorläufigen Gläubigerausschusses i. S. d. § 56a Abs. 2 InsO zur Person des (vorläu___________ 465) Grundsätze ordnungsgemäßer Insolvenzverwaltung des VID e. V. 466) Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 64; Jahntz, in: FK-InsO, § 56 Rz. 29. 467) Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 62; Jahntz, in: FK-InsO, § 56 Rz. 29; Riedel, in: HK-InsO, § 56 Rz. 22.

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Teil B Qualitätsmessung und Bedeutung von Zertifizierungen bei der Verwalterauswahl

figen) Insolvenzverwalters (dazu Rz. 317 ff.). Darüber hinaus kann auch ohne einstimmigen Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses das Auswahlermessen des Gerichts insoweit begrenzt sein, als der vorläufige Gläubigerausschuss ein Anforderungsprofil erstellen kann (§ 56a Abs. 1 InsO), das vom Insolvenzgericht sodann – soweit es nicht gesetzeswidrige Kriterien enthält468) – bei der Bestellung zugrunde zu legen ist, § 56a Abs. 2 Satz 2 InsO. 187 Sowohl im gewöhnlichen Fall des § 56 InsO als auch im Fall der Beteiligung des vorläufigen Gläubigerausschusses gemäß § 56a InsO kommt es auf die Eignung der jeweils in Betracht kommenden Personen an. Nach dem Wortlaut des § 56 InsO ist die Eignung das zentrale Tatbestandsmerkmal, das sodann in Unterkriterien aufgespalten wird. So gehört zur Eignung nach dem Wortlaut des § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO „insbesondere“ die Geschäftskundigkeit, d. h. die entsprechenden juristischen oder betriebswirtschaftlichen Kenntnisse, die für die Insolvenzverwaltung erforderlich sind.469) 188 Es ist außerdem anerkannt, dass bei der Eignung zwischen der persönlichen Eignung des Insolvenzverwalters und der sachlichen Eignung bzw. Ausstattung des entsprechenden Organisationsumfelds, etwa mit Blick auf eine leistungsfähige Büroorganisation, zu unterscheiden ist.470) Beide Aspekte sind Gegenstand der Eignungsprüfung. 189 Im Ansatz ist ferner zwischen der Vorauswahl und der Bestellung im konkreten Fall zu unterscheiden. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass § 56 InsO insoweit nicht differenziert, sondern im Ausgangspunkt stets von der Eignung für den jeweiligen Einzelfall ausgeht, also die konkrete Bestellung meint. Bei der konkreten Bestellung ist die auch für die Vorauswahl beachtliche, von einem konkreten Verfahren losgelöste generelle Eignung eines Kandidaten mit Blick auf Person und Organisationsumfeld zu beachten und es sind dieselben sachgerechten Kriterien anzulegen.471) Es geht sodann darüber hinaus lediglich noch um die Eignung im Einzelfall, bei der die Spezifika des Falles eine Rolle spielen können, etwa die Erfahrung mit der Branche, die Größe des Verfahrens, die Erfahrung und Vertrautheit mit Betriebsfortführungen, ggf. auch die Qualität der bisherigen Verwaltungen u. a. m. Das Bundesverfassungsgericht hat es für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten, die generelle Eignung für die Vorauswahlliste mit Blick auf die konkrete Bestellung um zusätzliche Voraussetzungen im Einzelfall zu ergänzen.472) ___________ 468) Frind, in: HambKomm-InsO, § 56a Rz. 18. 469) K/P/B-Lüke, InsO, § 56 Rz. 38; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 18. 470) Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 29; K/P/B-Lüke, § 56 Rz. 53; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 27. 471) Jahntz, in: FK-InsO, § 56 Rz. 29; Göcke, in: BeckOK-InsO (5. Ed., Stand: 31.1.2017), § 56 Rz. 35. 472) BVerfG, Beschl. v. 3.8.2009 – 1 BvR 369/08, ZIP 2009, 1722 Rz. 13.

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III. Konkretisierung der Erfordernisse des § 56 InsO

Es müssen daher stets sowohl die verfahrensunabhängige Qualitätsmessung 190 bzw. Eignungsprüfung als auch die Eignungsprüfung für den Einzelfall in den Blick genommen werden. III.

Konkretisierung der Erfordernisse des § 56 InsO

Die Rechtsprechung hat die Erfordernisse des § 56 InsO sowohl mit Blick auf 191 die Vorauswahlliste als auch mit Blick auf die konkrete Bestellung des Insolvenzverwalters verschiedenfach konkretisiert. 1.

Verfassungsrechtliche Vorgaben

Dabei steht die Bestellungspraxis unter dem Einfluss der grundrechtlichen 192 Bindung des Insolvenzgerichts, bei dessen Entscheidung zur Bestellung des Insolvenzverwalters die Berufsfreiheit des Insolvenzverwalters (Art. 12 GG), vor allem aber der Gleichheitssatz (Art. 3 GG) zu beachten sind. Das Bundesverfassungsgericht räumt dem Insolvenzgericht allerdings bei der konkreten Auswahlbestellung ein Ermessen ein, das aber Grenzen hat. Das Gericht hat in seiner Entscheidung vom 23.5.2006 zum Ausdruck gebracht, dass § 56 InsO „der sachgerechten Durchführung des Insolvenzverfahrens und damit der Wahrung der Interessen der Gläubiger sowie auch des Schuldners“ dient.473) Zugleich hat das Bundesverfassungsgericht betont, dass die Auswahlentscheidung der Bindung an die Grundrechte, insbesondere an den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG unterliegt. Diese grundgesetzlichen Vorgaben sind von Zipperer wie folgt zusammenge- 193 fasst:474) „Dem Insolvenzrichter ist ein weites Auswahlermessen eingeräumt, um unter dem Druck besonderer Eilbedürftigkeit vorrangig die unterschiedlichen Interessen der Gläubiger und des Schuldners berücksichtigen zu können (BVerfG, NZI 2006, 453, 455 Rz. 41). Gleichwohl ist die Entscheidung nicht in sein freies Belieben gestellt, er hat sein Ermessen pflichtgemäß auszuüben. Das bedeutet, er hat die durch den Gleichheitsgrundsatz gem Art. 3 Abs 1 GG geschützten Interessen der als Insolvenzverwalter geeigneten Bewerber zu berücksichtigen, denen hierauf ein Anspruch zusteht und für dessen Erfüllung die persönliche und richterliche Unabhängigkeit und seine strikte Rechtsbindung sorgt (BVerfG, NZI 2006, 453, 455 Rz. 42; ZIP 2006, 1956, 1957 zu II 1a; krit K/P/B/Lüke § 56 Rz. 31). Durch das Übergehen von Interessenten kann die Berufsausübungsfreiheit berührt werden, wenn ihm die Bestellung in einem konkreten Verfahren verweigert wird, aber auch die Berufswahl, wenn durch die Bestellpraxis dem Bewerber die Berufstätigkeit gänzlich versperrt wird (BVerfG, NZI 2006, 574, 576 zu III 2cc), deshalb muss jeder generell geeignete Bewerber eine faire Chance haben, berücksichtigt zu werden (BVerfG ZIP 2006, 1956, 1957 zu II 1a; BGH NZI 2008, 161,

___________ 473) BVerfG, Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, NZI 2006, 453 Rz. 30. 474) Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 39.

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Teil B Qualitätsmessung und Bedeutung von Zertifizierungen bei der Verwalterauswahl 162 Rz. 17). Daraus erwächst allerdings nicht die Pflicht zu gleichmäßiger Bestellung (BVerfG, ZIP 2006, 1954, 1955 zu II 2b; Graf-Schlicker § 56 Rz. 34).“

194 Nach alledem besteht für den Bewerber ein Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensausübung durch den Insolvenzrichter.475) Daraus folgt, dass der Insolvenzrichter bei der Bestellung des Insolvenzverwalters zwar ein weites Ermessen genießt, aber dennoch nicht die Grenzen des Ermessens über- oder unterschreiten darf, beispielsweise durch Anlegung zweckwidriger Kriterien. 195 Zu diesen Kriterien im Einzelnen hat das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss vom 23.5.2006 Folgendes ausgeführt:476) „[33] aa) Bei der Auswahl des Insolvenzverwalters aus dem Kreis der geeigneten Bewerber sind die Interessen der Gläubiger und des Schuldners des konkreten Insolvenzverfahrens maßgebend. Danach richtet sich die Auswahl sachgerechter Kriterien. [34] aaa) Das Insolvenzverfahren ist Teil des Zwangsvollstreckungsrechts. Es zielt damit unmittelbar auf den Schutz und die Durchsetzung verfassungsrechtlich geschützter privater Interessen. Nach § 1 InsO dient das Insolvenzverfahren dazu, die Forderungen der Gläubiger gemeinschaftlich zu befriedigen, indem Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Vorrangiger Zweck des Insolvenzverfahrens ist damit unter Berücksichtigung der Lage des Schuldners die bestmögliche Befriedigung der Forderungen der Gläubiger, die auch im Rahmen der Zwangsvollstreckung als private vermögenswerte Rechte von Art. 14 Absatz 1 GG geschützt sind … . [35] Auch die Interessen des Schuldners spielen eine Rolle, weil die InsO nicht nur die Verwertung seines Vermögens, sondern auch die Möglichkeit einer Entscheidung für den Erhalt eines Unternehmens des Schuldners vorsieht; außerdem gibt es für natürliche Personen die Möglichkeit der Restschuldbefreiung … . [36] bbb) Insbesondere der Schutz der Gläubigerrechte erfordert eine zügige Entscheidung über die Bestellung des Insolvenzverwalters und damit auch eine schleunige Auswahl unter den Bewerbern. …“

196 Aus der Entscheidung kann man ableiten, dass der Insolvenzrichter bei der Ausübung des Ermessens bei der konkreten Bestellung sachgerechte Kriterien anlegen muss, die mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens und den geschützten Interessen übereinstimmen müssen; das BVerfG spricht von der bestmöglichen Befriedigung der Gläubigerforderungen, was folglich auch für die Auswahl des Verwalters maßgeblich ist. Außerdem muss eine zügige Entscheidung sichergestellt sein.

___________ 475) BVerfG, Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, NZI 2006, 453 Rz. 31; Riedel, in: HKInsO, § 56 Rz. 22; Jahntz, in: FK-InsO, § 56 Rz. 30. 476) BVerfG, Beschl v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, NZI 2006, 453.

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III. Konkretisierung der Erfordernisse des § 56 InsO

Weitere Hinweise ergeben sich auch aus der Entscheidung des Bundesverfas- 197 sungsgerichts vom 3.8.2009. Dort heißt es:477) „Auch muss die Gestaltung der Listen dem Umstand Rechnung tragen, dass nicht jeder generell für eine Verwaltertätigkeit geeignete Bewerber auch für jede Art von Verfahren geeignet ist. Das macht § 56 Abs. 1 InsO deutlich, der auf die Eignung des Bewerbers „für den jeweiligen Einzelfall” abstellt. Das bedeutet, dass die Eignung für ein konkretes Verfahren an weitergehende Voraussetzungen geknüpft sein kann als die generelle, von der Typizität des einzelnen Insolvenzverfahrens gelöste Eignung für das Insolvenzverwalteramt im Allgemeinen (…). Dem ist durch Erhebung der maßgeblichen Daten und durch entsprechende Strukturierung der Listen Rechnung zu tragen (…). Vor diesem Hintergrund ist es jedenfalls verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn Insolvenzrichter wie im vorliegenden Fall differenzierte Vorauswahllisten führen, in denen sie zwischen verschiedenen Kategorien von Verfahren oder verschiedenen Anforderungen an den Verwalter unterscheiden (vgl. Wieland, ZIP 2005, 233, 237; Hess/Ruppe, NZI 2004, 641, 642 f.; krit. Frind, in: Hamburger Komm. z. InsolvenzR, 3. Aufl. [2009], § 56 Rdnr. 35). Dies trägt auch der gesetzlichen Neuregelung des § 56 Abs. 1 S. 2 InsO Rechnung, wonach ein Bewerber seine Bereitschaft zur Übernahme von Insolvenzverwaltungen auf bestimmte Verfahren beschränken darf.“

Auch das Bundesverfassungsgericht betont also, dass eine Differenzierung nach 198 Verfahrensarten bei der (generellen) Eignungsprüfung in Betracht kommt (dazu noch Rz. 327 ff.). 2.

Vorgaben des BGH für die Prüfung der Eignung i. S. d. § 56 InsO

Der BGH geht davon aus, dass das Insolvenzgericht bei der Aufnahme in die 199 Vorauswahlliste grundsätzlich kein Auswahlermessen habe, sondern es sich um eine letztlich gebundene Entscheidung handele, wie der BGH in seiner Entscheidung vom 19.12.2007 wie folgt formuliert hat:478) „Um diese Funktion erfüllen zu können, muss ein dem konkreten Insolvenzverfahren vorgelagertes allgemeines Vorauswahlverfahren die Erhebung, Verifizierung und Strukturierung der Daten gewährleisten, die nach der Einschätzung des jeweiligen Insolvenzrichters nicht nur für die Feststellung der Eignung eines Bewerbers im konkreten Fall maßgebend sind, sondern vor allem auch eine sachgerechte Ermessensausübung bei der Auswahl des Insolvenzverwalters aus dem Kreis der geeigneten Bewerber ermöglichen. Es ist Aufgabe der Fachgerichte, Kriterien für die Feststellung der Eignung eines Bewerbers sowie für eine sachgerechte Ausübung des Auswahlermessens zu entwickeln. Eine Liste ist so zu führen, dass in sie jeder Bewerber eingetragen werden muss, der die grundsätzlich zu stellenden Anforderungen an eine generelle, von der Typizität des einzelnen Insolvenzverfahrens gelöste Eignung für das erstrebte Amt im Rahmen eines Insolvenzverfahrens erfüllt (…). … Das bedeutet: Wird ein Bewerber als generell geeignet angesehen, zum Insolvenzverwalter bestellt zu werden, ist er in die Liste einzutragen. Ein weitergehendes Auswahlermessen besteht nicht. Kommt die Justizverwaltungsbehörde zu

___________ 477) BVerfG, Beschl. v. 3.8.2009 – 1 BvR 369/08, ZIP 2009, 1722 Rz. 13. 478) BGH, Beschl. v. 19.12.2007 – IV AR (VZ) 6/07, NZI 2008, 161 Rz. 19.

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Teil B Qualitätsmessung und Bedeutung von Zertifizierungen bei der Verwalterauswahl dem Schluss, dass der Bewerber die persönlichen und fachlichen Anforderungen für das Amt des Insolvenzverwalters im Allgemeinen erfüllt, kann ihm die Aufnahme in die Liste nicht versagt werden. Ein Ermessen des zuständigen Insolvenzrichters besteht erst, wenn es darum geht, aus dem Kreis der in der Liste geführten Kandidaten denjenigen auszuwählen, den er im Einzelfall für am besten geeignet hält, um ihm das Amt des Insolvenzverwalters zu übertragen. Der Liste kommt mithin keine weitergehende Funktion zu, als dem Insolvenzrichter für das konkrete Insolvenzverfahren die Ausübung des Ermessens bei der Auswahl des Insolvenzverwalters zu erleichtern, indem er auf einen Kreis von Bewerbern zurückgreifen kann, auf deren allgemeine Qualifikation er sich verlassen kann, weil deren generelle persönliche und fachliche Eignung bereits geprüft und bejaht worden ist. Darauf zielen die Ausführungen des BVerfG (NJW 2004, 2725), der Insolvenzrichter bedürfe wegen der Eilbedürftigkeit seiner Bestellungsentscheidung im jeweiligen Insolvenzverfahren eines Rahmens, wenn er im konkreten Fall in Bezug auf die Person des Insolvenzverwalters eine Auswahl treffe.“

200 Nichts anderes dürfte nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3.8.2009 gelten. Dort lässt es allerdings das BVerfG mit Blick auf die Listung zu, dass einzelne Bewerber trotz genereller Eignung nicht auf die Liste genommen werden, weil sie nach der Einschätzung des Richters wegen der bei der konkreten Bestellung zusätzlich angelegten Eignungskriterien für den Einzelfall nicht zum Zuge kommen würden und keine Chance auf tatsächliche Berücksichtigung haben.479) Dies wird man nicht als umfassendes Auswahlermessen mit Blick auf die Listung ansehen können,480) sondern im Ergebnis wird hier (lediglich antizipiert) die Einzelfalleignung, auf die § 56 InsO abstellt, verneint. 201 In der Entscheidung vom 17.3.2016 hat der BGH dem Insolvenzgericht allerdings einen gewissen Beurteilungsspielraum bei der Anwendung der Eignungskriterien zugebilligt und Folgendes ausgeführt:481) „Ihm [dem Insolvenzgericht, d. Verf.] ist allerdings ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen, wenn er den Bewerber an den allgemeinen Kriterien für die fachliche und persönliche Eignung misst. Denn seiner Beurteilung, ob der Bewerber dem Anforderungsprofil genügt, ist ein prognostisches Element immanent (BGH, NZI 2008, 161 Rz. 21; vgl. Uhlenbruck/Zipperer, § 56 Rz. 34).“

202 Weiter heißt es a. a. O.: „Damit die Vorauswahlliste die ihr zukommende Funktion erfüllen kann, darf sich das Vorauswahlverfahren nicht nur auf das Erstellen einer Liste mit Namen und Anschriften interessierter Bewerber beschränken, vielmehr müssen die Daten über die Bewerber erhoben, verifiziert und strukturiert werden, die der jeweilige Insolvenzrichter nach der eigenen Einschätzung für eine sachgerechte Ermessensausübung bei der Auswahlentscheidung benötigt (BVerfGE 116, 1 = NZI 2006, 453).“

203 Das Insolvenzgericht muss daher die Eignung feststellen, indem es Daten verifiziert und strukturiert feststellt. Es wird zu zeigen sein, dass gerade die Zerti___________ 479) BVerfG, Beschl. v. 3.8.2009 – 1 BvR 369/08, ZIP 2009, 1722 Rz. 11. 480) So aber Jacoby, ZIP 2009, 2081, 2082. 481) BGH, Beschl. v. 17.3.2016 – IX AR (VZ) 5/15, NZI 2016, 516 Rz. 24.

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III. Konkretisierung der Erfordernisse des § 56 InsO

fizierungen dazu beitragen können, entsprechende Daten zu verifizieren und verlässlich nachzuweisen (dazu Rz. 310 ff.). Zu den Eignungskriterien hat sich der BGH in einer weiteren Entscheidung 204 vom 17.3.2016 geäußert. Er führt aus:482) „Allerdings hat ein Bewerber über eine Büroorganisation zu verfügen, die es ermöglicht, nicht nur einen Betrieb zeitweilig fortzuführen, sondern auch die zwangsläufig anfallenden Arbeiten – wie Erfassung der Sozialdaten der Arbeitnehmer, Debitoren und Kreditoren sowie die Aufgaben nach dem Insolvenzausfallgeldgesetz und des Betriebsrentengesetzes – zu übernehmen. Neben der notwendigen Ausstattung des Büros sind eine ausreichende Ausbildung, Verfügbarkeit und fachliche Kompetenz der Mitarbeiter zu fordern (Uhlenbruck/Zipperer, InsO, 14. Aufl., § 56 Rz. 27). Eine solche Büroorganisation muss ein Bewerber jedoch nicht zwingend vor Ort vorhalten. Es ist ihm nicht verwehrt, sein Büro so zu organisieren, dass er, sofern er Mitglied einer bundesweit tätigen Insolvenzverwalterkanzlei ist, die anfallenden Arbeiten durch geschultes Personal an anderen Standorten erbringen und seine Mitarbeiter bei Bedarf anreisen lässt. Angesichts der modernen Datenübermittlung und Kommunikationsmöglichkeiten hat der Bewerber auch bei einer solchen ausgelagerten Büroorganisation jederzeit Zugriff auf sämtliche Informationen, die das Verfahren betreffen.“

Demgemäß erkennt der BGH die Ortsnähe nicht als maßgebliches Kriterium 205 bei der Aufnahme in die Vorauswahlliste an. Entsprechendes muss – da es stets um die Subsumtion unter § 56 InsO geht – richtigerweise auch bei der ermessensabhängigen konkreten Bestellung gelten, jedenfalls solange gewährleistet ist, dass die fehlende Ortsnähe einer reibungslosen Insolvenzverwaltung nicht entgegensteht. Zusammenfassend gilt:

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Aus der Judikatur kann abgeleitet werden, dass bei der Auswahl sachgerechte Kriterien angelegt werden müssen und dass sich diese Kriterien an dem Grundsatz der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung und an den Aufgaben und Pflichten, die der Insolvenzverwalter im (jeweiligen) Insolvenzverfahren zu erfüllen hat, messen lassen müssen. Das Insolvenzgericht muss Daten verifizieren und strukturieren. 3.

Das Merkmal der Eignung im Schrifttum

Im Schrifttum werden die Anforderungen an die Eignung des Insolvenzverwal- 207 ters vor allem in der Kommentarliteratur behandelt. Dabei wird eine Reihe von Gesichtspunkten zusammengetragen, die bei der Eignungsprüfung beachtlich sind. Unter dem Gesichtspunkt der Geschäftskundigkeit wird insbesondere verlangt, 208 dass der Insolvenzverwalter diejenigen Kenntnisse mit sich bringt, die ein Verwalter im Allgemeinen für eine Insolvenzverwaltung benötigt, insbesondere be___________ 482) BGH, Beschl. v. 17.3.2016 – IX AR (VZ) 2/15, NZI 2016, 512 Rz. 29.

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Teil B Qualitätsmessung und Bedeutung von Zertifizierungen bei der Verwalterauswahl

triebswirtschaftliche und juristische Kenntnisse.483) Dazu gehören auch praktische Erfahrungen in vertretbarem Umfang.484) Auch die Vertrauenswürdigkeit des Verwalters kann bei der Auswahlentscheidung beachtlich sein,485) darf aber nach zunehmend vertretener Ansicht zulasten des Verwalters nur herangezogen werden, wenn die Annahme fehlenden Vertrauens auf konkreten, objektiv nachprüfbaren Fakten beruht.486) Jedenfalls genügt ein diffuses Störgefühl des Insolvenzrichters oder fehlende Sympathie für den Kandidaten noch nicht für sich genommen, um die Bestellung oder die Aufnahme in die Vorauswahlliste abzulehnen. 209 Zur sachlichen Eignung gehört insbesondere auch die entsprechende Leistungsfähigkeit des Verwalterbüros. Es muss die Gewähr dafür bieten, dass das Verfahren zuverlässig abgewickelt und durchgeführt werden und damit das Ziel der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung umgesetzt werden kann.487) 210 In diesem Zusammenhang wird auch die wirtschaftliche Absicherung des Insolvenzverwalters als Kriterium genannt,488) ebenso wie eine entsprechende Haftpflichtversicherung.489) 211 Teilweise wird versucht, diese Kriterien noch weiter zu systematisieren. So schreibt Stapper:490) „Danach dürften folgende Punkte als „hart“ anzusehen sein: 

Tätigkeit in allen Arten von Insolvenzverfahren (bzw. Konkurs-, Gesamtvollstreckungs- und Vergleichsverfahren),



Führung von Prozessen mit insolvenzrechtlichem Bezug,



frühere Mitarbeit in der Kanzlei eines Insolvenzverwalters oder mehrjährige eigene Erfahrung,



Spezialkenntnisse im Insolvenz-, Steuer-, Arbeits- oder Grundbuchrecht,



betriebswirtschaftliche Kenntnisse (insbesondere Buchführung und Bilanzierung, aber auch Unternehmensführung),



Besuch einschlägiger Seminare und Fortbildungsveranstaltungen,



Nachweis einer Kanzleiorganisation, die die Abwicklung von Insolvenzverfahren gewährleistet,



technische Ausstattung des Büros,

___________ 483) K/P/B-Lüke, InsO, § 56 Rz. 38; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 18. 484) Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 37; K/P/B-Lüke, § 56 Rz. 41; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 19. 485) Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 45. 486) Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 23. 487) Vgl. K/P/B-Lüke, InsO, § 56 Rz. 53; Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 62, 73. 488) Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 124. 489) Frind, in: HambKomm-InsO, § 56 Rz. 15b m. w. N. 490) Stapper, NJW 1999, 3441, 3444.

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III. Konkretisierung der Erfordernisse des § 56 InsO 

Präsenz vor Ort,



ausschließliche Tätigkeit als Insolvenzverwalter,



Bereitschaft, sich auf die Arbeitsweise des Gerichts einzustellen,



Abrechnungspraxis (etwa ständige Abrechnung zu Höchstsätzen),

während die nachstehenden Kriterien als „weich“ bezeichnet werden können: 

Tätigkeit an anderen Insolvenzgerichten als Gutachter, vorläufiger Insolvenzverwalter und Insolvenzverwalter,



frühere Tätigkeit als Insolvenzrichter oder Rechtspfleger,



Veröffentlichungen über insolvenzrechtliche Themen,



Zusatzqualifikationen (Fachanwalt für Insolvenz-, Steuer- oder Arbeitsrecht, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer),



Abwicklung von Insolvenzverfahren mit Auslandsbezug,



Tätigkeit als Anwaltsnotar oder Notarvertreter (vertiefte Kenntnisse im Gesellschafts- und Immobilienrecht),



Sprachkenntnisse,



Kanzlei im Gerichtsbezirk (LG- oder OLG-Bezirk),



Erreichbarkeit rund um die Uhr.“

Aus allem folgt, dass das Insolvenzgericht bei der Auswahl des Insolvenzver- 212 walters auf personenbezogene Fähigkeiten einerseits und auf sachbezogene Anforderungen andererseits zu achten hat. Die Verwalterbestellung steht ebenso wie das gesamte Insolvenzverfahren unter dem Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung des § 1 InsO. Das Verständnis der an den Verwalter gestellten Anforderungen muss sich an diesem Grundsatz ausrichten. Zudem sind die Pflichten des Insolvenzverwalters über § 60 InsO abgesichert. Zu der Grundpflicht des Insolvenzverwalters gehört die Pflicht zur bestmöglichen und zugleich zügigen Masseverwertung.491) Er muss die für die Gläubiger günstigste Verwertungschance wahrnehmen, etwa aussichtsreiche Sanierungsmöglichkeiten ergreifen, wenn dies für die Gläubiger ein besseres Verfahrensergebnis bedeutet.492) An dieser Pflicht des Insolvenzverwalters muss sich auch die Auswahl orientieren; es muss derjenige Verwalter gewählt werden, der nach den Umständen des Einzelfalls die bestmögliche Masseverwertung und damit eine sorgfältige und pflichtgemäße Amtsführung erwarten lässt. 4.

Qualität als Auswahlkriterium

Das führt nun zu der Frage, ob auch die „Qualität der Verwalterleistung“ ein 213 Auswahlkriterium ist. Die Frage muss nach dem Vorgesagten ohne Weiteres bejaht werden, weil die Realisierung der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung ___________ 491) K. Schmidt-Thole, § 60 Rz. 11; vgl. BGHZ 70, 86, 91 = NJW 1978, 538; vgl. auch BGH, Urt. v. 16.3.2017 – IX ZR 253/15, Rz. 13 – 15. 492) Vgl. BGH, Urt. v. 16.3.2017 – IX ZR 253/15, Rz. 13 – 15.

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Teil B Qualitätsmessung und Bedeutung von Zertifizierungen bei der Verwalterauswahl

nur durch qualitativ gute Arbeit des Insolvenzverwalters erreicht werden kann. „Schlechte“ Insolvenzverwaltung bietet nicht die Gewähr für eine Erfüllung der Verwalterpflichten und für die Realisierung des gesamten Verfahrensziels einer bestmöglichen und nach Lage der Dinge optimalen Verwertung durch Liquidation oder Sanierung. 214 Dementsprechend schreibt Graf-Schlicker mit vollem Recht:493) „Die Realisierung der Ziele des Insolvenzverfahrens kann nur durch qualitativ hochwertige Arbeiten der Insolvenzverwaltung erreicht werden“.

215 Auch im Übrigen wird anerkannt, dass Qualität ein Auswahlkriterium sein kann,494) das sogleich zu erörternde Problem ist alleine seine Messbarkeit.495) Nur darauf beruht die im Schrifttum teilweise gezeigte Zurückhaltung gegenüber dem Qualitätsmerkmal.496) 216 Zudem ist anerkannt, dass negative Erfahrungen wie unzureichende Berichterstattung, fehlerhafte Insolvenzplanbearbeitung oder kontraproduktive Betriebsfortführung zum Delisting führen können,497) und folglich Qualität in diesem Sinne ein Eignungskriterium sein muss. 217 Es kann daher festgehalten werden, dass Qualität in einem noch zu definierenden Sinne geradezu der Prototyp eines Auswahlkriteriums sein muss, weil qualitativ hochwertige Insolvenzverwaltung genau dem entspricht, was Sinn der Auswahlbestellung ist, nämlich der Sicherstellung der ordnungsgemäßen und bestmöglichen Insolvenzverwaltung. 218 Insoweit ist Qualität bereits notwendiger Teil der Eignungsprüfung, weil demjenigen die Eignung abgesprochen werden muss, der nach prognostischer Einschätzung nicht die bestmögliche Abwicklung bei einer Bestellung im Einzelfall erreicht oder erreichen wird. 5.

Messbarkeit der Qualität

219 Das Problem liegt allein darin, dass es zwar ein gewisses Grundverständnis von dem Begriff der Qualität geben mag, aber der Begriff bisher nicht trennscharf und allgemein konkretisiert ist. Zudem stellt sich die Frage, ob Qualität hinreichend messbar ist, falls man diese Qualität retrospektiv, anhand bisher erzielter Verfahrensergebnisse, messen wollte.

___________ 493) Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 33. 494) Braun-Blümle, InsO, § 56 Rz. 2 ff.; Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 125; Andres, NZI 2008, 522. 495) Vgl. Frind, in: HambKomm-InsO, § 56 Rz. 15c ff.; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 31. 496) So bei Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 31; Göcke, in: BeckOK-InsO, § 56 Rz. 24. 497) Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 111.

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IV. Diskussion zur Messung der Verwalterqualität

Daher ist nun im Folgenden darauf einzugehen, ob Zertifizierungen oder ge- 220 richtliche Erhebungen und Kennzahlabfragen als Qualitätskriterien und als Beleg für Qualität herangezogen werden können. IV.

Diskussion zur Messung der Verwalterqualität

Die Diskussion über Qualitätsstandards für Insolvenzverwalter und die Verob- 221 jektivierung dieser Qualität in Gestalt von Kennzahlen, Ratings oder Zertifizierungen ist noch jung, wird aber zunehmend geführt, wie eine wachsende Zahl von Veröffentlichungen zu dem Thema zeigt.498) Eine solche Verrechtlichung und Objektivierung ist insbesondere kein Selbstzweck, sondern dient gerade dazu, die Verfahrensziele sowohl im konkreten Fall als auch in institutioneller Hinsicht zu fördern.499) Insoweit geht es bei der Diskussion einerseits darum, Kriterien zu definieren, die den oben bereits angesprochenen Einzelkriterien zur Geschäftskundigkeit und Eignung weitere, objektivierbare Unterkriterien hinzufügen. Andererseits geht es ggf. auch darum, einen Vergleichsmaßstab zwischen Insolvenzverwaltern aufzustellen, also Aussagen treffen zu können, nach denen ein Verwalter besser geeignet ist als ein anderer. Als Ausgangspunkt kann aus der bisherigen Untersuchung, insbesondere der 222 Pflichtgebundenheit der richterlichen Ermessensentscheidung, abgeleitet werden, dass eine Bemessung von Qualität in diesem Sinne stets eine verlässliche und objektivierbare Grundlage benötigt,500) wenn daraus die konkrete Auswahlentscheidung abgeleitet werden soll. Die der Eignungsfeststellung im konkreten Fall zugrunde gelegten Daten sind zu verifizieren und zu strukturieren. 1.

Zwei Methoden zur Qualitätsmessung

Aus den Stellungnahmen im Schrifttum lässt sich ableiten, dass grob zu unter- 223 scheiden ist zwischen der Messung oder Erhebung von Daten und Kennzahlen aus vergangenen Insolvenzverfahren einerseits sowie einer Beurteilung bzw. der Zertifizierung von (internen) Prozessen der Insolvenzverwaltung andererseits. a)

Erhebung von vergangenheitsbezogenen Kennzahlen und Informationen

Die erste Methode fragt nicht nur nach „statischen“ Informationen (wie z. B. 224 Examenszeugnissen), sondern insbesondere nach der Höhe der erzielten Quoten, nach der Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen, nach der Quote in ___________ 498) Dazu Bergner, NZI 2007, 642; Frind, NZI 2008, 518; ders., ZInsO 2011, 1913; Andres, NZI 2008, 522; Förster, ZInsO 2004, 1244; Heyer, ZIP 2011, 557; Antholz, ZInsO 2012, 1189; Kück, ZInsO 2007, 637; zuletzt Siemon, NZI 2017, 825. 499) Heyer, ZIP 2011, 557, 558; Frind, in: HambKomm-InsO, § 56 Rz. 15c. 500) So auch Frind, NZI 2008, 518, 519.

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Teil B Qualitätsmessung und Bedeutung von Zertifizierungen bei der Verwalterauswahl

Fällen der Betriebsfortführung, nach der Anzahl geretteter Arbeitsplätze und nach Kosten/Nutzen-Verhältnissen etc. Es geht um die (meist einmalige) Messung und Erhebung von vergangenheitsbezogenen Kennzahlen oder Informationen. Diese Methode wird insbesondere von den Gerichten eingesetzt, soweit sie in eigenen Fragebögen bestimmte Informationen abfragen. b)

Zertifizierung als Beurteilung der Eignung auf der Grundlage des infrastrukturellen Umfelds und des Verwalterbüros

225 Die zweite Methode setzt bei dem Kanzleimanagement, den internen Betriebsabläufen und den allgemeinen Grundsätzen bei der Insolvenzabwicklung an, die zum Gegenstand einer Zertifizierung/Auditierung gemacht werden. Im Rahmen der Zertifizierung kann dies zugleich eine fortlaufende, permanente Sicherstellung der entsprechenden Abläufe beinhalten, weil die Zertifizierung eine Rezertifizierung in bestimmten Zeitabläufen (bei InsO Excellence z. B. eine jährliche Überprüfung) erfordert. 226 Man kann grob sagen, dass die erste Prüfung eine „direkte Ergebnisqualität“,501) d. h. die Wertschöpfung im Verfahren,502) zu ermitteln sucht und die zweite Prüfung eine indirekte Qualitätsermittlung darstellt, weil ein geordneter Prozess – trotz der Gefahr damit verbundener Kosten503) – die Wahrscheinlichkeit für ordnungsgemäße und pflichtkonforme Verfahrensergebnisse erhöht oder erhöhen mag. Es geht insoweit primär um Qualitätssicherung durch Qualitätsmanagementsysteme und Prozessoptimierung. Die erste Methode ist notwendig retrospektiv, die zweite eher zukunftsorientiert im Hinblick auf die dauerhafte Gewährleistung der Funktionserfüllung in künftigen Verfahren. 2.

Die Diskussion zur Qualitätsmessung durch (gerichtliche) Datenabfrage und Kennzahlen

a)

Befürwortende Auffassungen zur Qualitätsmessung durch Kennzahlenabfrage

227 Umstritten ist, ob eine Qualitätsmessung anhand von Vergangenheitswerten in Gestalt der ersten Methode erfolgen darf, wie sie bei verschiedenen gerichtlichen Fragebögen erfolgt,504) oder auch bei echten Ratings, wie dies zeitweise vom Deutschen Institut für Angewandtes Insolvenzrecht (DIAI e. V.) angeboten worden war.505) ___________ Frind, NZI 2008, 518, 520. Frind, NZI 2008, 518, 520. Dazu kritisch Siemon, ZInsO 2013, 666, 667. Vgl. Holzer, in: Beck/Depré, Praxis der Insolvenz, § 3 Rz. 32; Graf-Schlicker-GrafSchlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 33; Frind, in: HambKomm-InsO, § 56 Rz. 15d; Bergner, NZI 2007, 642, 643 f.; Andres, NZI 2008, 522, 523. 505) Haarmeyer/Schaprian, ZInsO 2006, 673; sehr kritisch dazu Bork, ZIP 2007, 793.

501) 502) 503) 504)

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IV. Diskussion zur Messung der Verwalterqualität

Zu den Befürwortern einer solchen Analyse zählt u. a. Frind.506) Er geht davon 228 aus, dass eine Optimierung des Arbeitsablaufs, wie sie bei den Zertifizierungen im Vordergrund stehe (dazu Rz. 248 ff.), nicht genüge, weil dies keine wertschöpfenden Handlungsmaximen erfasse. Vielmehr sei ähnlich wie bei einem Manager, der an seinen Umsatz- oder Exportzahlen gemessen werde, bei den Verwaltern ebenfalls eine entsprechende Benchmark zu setzen, an der der Verwaltererfolg zu messen sei.507) Es gehe dabei nicht um absolute Werte, sondern um Parameter wie das Verhältnis eines Werts zur konkreten Masse (wie bei der Insolvenzquote oder dem Anteil der Insolvenzanfechtungserlöse am Gesamtergebnis) oder um Durchschnittswerte über alle vom Verwalter betreuten Verfahren. Diese Kennzahlen des einzelnen Verwalters seien dann mit den Durchschnittswerten für alle Verwalter in dem Gerichtsbezirk zu vergleichen. Es sei allerdings auch zu gewichten nach der Art der vom Insolvenzverwalter bisher betreuten Verfahren und eine Mindestanzahl schlussgerechneter Verfahren zu fordern, damit die für den einzelnen Verwalter ausgewiesenen Ergebnisse Aussagekraft hätten. Bei der Struktur sei nach „Ordnungsverfahren“, „kleinen Betriebsfortführungen“ und großen Verfahren zu unterscheiden. Die so ermittelten Ergebnisse können dann nach Auffassung von Frind sowohl beim Listing als auch bei der konkreten Bestellung und auch im Falle eines Anforderungsprofils i. S. d. § 56a Abs. 2 Satz 2 InsO beachtlich sein. So könne etwa bei einem Großverfahren verlangt werden, dass der Insolvenzverwalter im Durchschnitt mehr als 10 % Insolvenzquote, einen Debitoreneinzug von 80 % des Wertbetrags der prognostizierten Forderungen, eine Fortführungsquote von mindestens 55 % u. a. m. vorweisen kann.508) Die kontinuierliche Beobachtung der Verfahrenskennzahlen sei aussagekräftiger als eine Zertifizierung.509) Diese Praxis des AG Hamburg hat auch zu einem Formblatt des BAK InsO e. V. geführt.510) Verschiedene Gerichte arbeiten ebenfalls mit entsprechenden Kennzahlen.511) b)

Ablehnende Auffassungen

Die Frage, ob auf diese Weise verlässliche Qualität nachprüfbar und transparent 229 erkennbar gemacht werden kann und ob entsprechende Kennzahlen bei der Auswahlentscheidung oder auch bei der Vorauswahl beachtlich sein dürfen, wird allerdings vielfach verneint. ___________ 506) 507) 508) 509) 510) 511)

Frind, NZI 2008, 518; Frind, in: HambKomm-InsO, § 56 Rz. 15d. Frind, NZI 2008, 518, 520. Frind, ZInsO 2011, 1913, 1921. Frind, ZInsO 2011, 1913, 1921. Formblatt des BAK InsO e. V., abrufbar unter: http://www.bakinso.de. Zum AG Berlin-Charlottenburg siehe Brückner, DZWIR 2016, 406; vgl. auch zur Praxis des AG Hannover Blankenburg/Kramer/Noll/Sauer-Colberg, ZInsO 2017, 1018 (dort aber mit Punkten für nicht empirisch erfassbare Kriterien).

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Teil B Qualitätsmessung und Bedeutung von Zertifizierungen bei der Verwalterauswahl

230 Zum Teil wird darauf hingewiesen, dass die erzielten Werte nicht hinreichend aussagekräftig und nicht wissenschaftlich stichhaltig seien, weil der Verwalter die Masse so nehmen müsse, wie er sie vorfinde, und er das wirtschaftliche Umfeld, in dem er sich bewege, nicht ändern könne. Eine echte Erfolgsmessung sei nur unter Auswertung der Insolvenzverwalterakten und bei nachträglicher Untersuchung der konkreten Situation möglich. 231 So schreibt Graf-Schlicker:512) „Ratingsysteme dagegen, die sich an den ausgeschütteten Quoten, der Anzahl der Forderungsbeitreibungen und Anfechtungsstreitigkeiten sowie den Betriebsfortführungen orientieren, sind als Maßstab zur Qualitätsmessung der Insolvenzverwaltung nicht geeignet, denn sie hängen nicht allein vom Insolvenzverwalter und seinem Team ab, sondern auch von zahlreichen anderen Umständen, die der Insolvenzverwalter nicht beeinflussen kann, z. B. der Masse, die er bei Insolvenzantragstellung vorfindet sowie dem wirtschaftlichen Umfeld, in dem das Unternehmen tätig ist. Ob ein Verfahren optimal abgewickelt wurde, kann daher nur im Einzelfall durch umfangreiche Auswertung der Insolvenzverwalterakten und nachträgliche Beleuchtung des wirtschaftlichen Umfeldes festgestellt werden. Für solche Maßnahmen fehlen aber bereits die gesetzlichen Grundlagen“.

232 Auch andere Autoren äußern sich, teils fundamental, kritisch,513) weil die Zahlen vom Insolvenzverwalter nur in geringem Umfang beeinflussbar seien, jedenfalls aber eine wissenschaftliche Vergleichbarkeit nicht gegeben sei. Zum Teil wird auch darauf hingewiesen, der so gemessene Erfolg hänge zu sehr von der geographischen Lage und der jeweiligen Branche ab.514) 233 Zipperer führt aus:515) „Als Aufnahmekriterium in die Vorauswahlliste wird zunehmend die Qualität der Abwicklung gefordert, die je nach Interessenstandort ein gesetzliches Gütesiegel oder eine Zertifizierung darstellen, in Ratings münden sollen oder an quantifizierbaren Qualitätsstandards gemessen werden (Darstellung bei HaKo-Frind § 56 Rz. 15a und b). Was aber ist Qualität? Die für die ungesicherten Gläubiger erzielte Quote hängt vor allem von der „Qualität des Verfahrens“ ab, die der Verwalter vorfindet; entsprechendes gilt für Verfahrenskennzahlen. Die vom Verband der Insolvenzverwalter Deutschlands beschlossene verpflichtende ISO-Zertifizierung nach DIN 9001 ihrer Mitglieder (Frind NZI 2008, 518; Andres NZI 2008, 522) ist ein zu begrüßender Ansatz, wird aber von verschiedenen, kaum noch zu überblickenden Anbietern mit sog. „Konformitätsbescheinigungen“ kopiert und erfordertet ein stets Fortschreiben der zu prüfenden Parameter. Es bleiben daher nur Mindestqualitätsstandards oder Eckdaten wie die Sicherstellung der Verfahrenseröffnung, Verfahrensdauer, Vollabwicklung, Erfassung und Bewertung, bestmögliche Verwertung, Betriebsfortführung und ökonomisch Effizienz (Frind ZInsO 2007, 850f; Kück ZInsO 2007, 637; Uhlenbruck/Mönning ZIP 2008, 157, 161f). Letztlich ergeben sich valide Daten nur aus längerer gerichtlicher Beo-

___________ 512) 513) 514) 515)

Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, § 56 Rz. 33. Hess, ZIP 2007, 1142, 1143; Holzer, in: Beck/Depré, Praxis der Insolvenz, § 3 Rz. 32. Andres, NZI 2008, 522, 523. Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 31.

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IV. Diskussion zur Messung der Verwalterqualität bachtung, namentlich der systematischen Auswertung der Berichte der Verwalter einschließlich der Schlussrechnung (Graf-Schlicker § 56 Rz. 25). Das aber ist der Bestellung im Einzelfall nachgelagert und lässt sich nicht, scheinbar objektiviert, in das Vorauswahlverfahren vorziehen, wo nur eine objektiv abstrakte Gesamtschau über die Berufsfreiheit entscheidet. Deshalb ist ihre Beurteilungserheblichkeit für das Vorauswahlverfahren höchst fraglich.“

Kruth schreibt:516)

234

„Einzelne Insolvenzgerichte nehmen eine Qualitätsbewertung der Verwalter ergänzend anhand von Verfahrenskennzahlen vor, die aus den vom jeweiligen Verwalter betreuten Insolvenzverfahren gewonnen werden. Allerdings darf die Eignung eines Bewertungsverfahrens, das sich allein an Verfahrensergebnissen orientiert, aufgrund des Dienstleistungscharakters der Tätigkeit von Insolvenzverwaltern bezweifelt werden. Hinzu kommt, dass die Erhebung und Überprüfung ausreichender Daten, um eine valide Entscheidungsgrundlage zu haben, bei einer Vielzahl von Bewerbern für die Insolvenzgerichte kaum zu bewerkstelligen ist.“

Ferner wird zum Teil darauf hingewiesen, dass die vergangenheitsorientierte 235 Betrachtung nicht notwendigerweise auch Aussagekraft für die Zukunft haben muss, so dass stattdessen eher bei der Leistungsfähigkeit der Person des Insolvenzverwalters und seiner Infrastruktur anzusetzen sei.517) Lüke formuliert, es müsse stets das Verwalterhandeln auch anhand der Verfah- 236 rensakten ausgewertet werden, wenn man eine Qualitätserfassung vornehmen wolle.518) c)

Stellungnahme

Eine „Qualitätsmessung“ mittels Abfrage von Kennzahlen aus vergangenen Ver- 237 fahren ist kritisch zu bewerten. Die Verfahrenskennzahlenauswertung muss stets auf aktueller Basis operieren, um ihrem Zweck, Aussage für die Eignung in künftigen bzw. dem konkret anstehenden Verfahren zu treffen, gerecht werden zu können. Soweit die vom Verwalter erzielten Ergebnisse zu lange zurückliegen, ist ihre Aussagekraft beeinträchtigt, wenn und weil in der Zwischenzeit das infrastrukturelle Umfeld des Verwalters ein anderes sein kann. Insofern ist erkennbar, dass jedenfalls die für die Listung gesammelten Informationen in aller Regel mangels permanenter Aktualisierung und gerichtlicher Kapazität zur fortlaufenden Überprüfung im Laufe der Zeit veralten. Eine veraltete Information kann aber keine zweckgerechte Eignungsbeurteilung begründen. Differenziert zu sehen ist der Einwand, die Kennzahlen seien nicht vergleich- 238 bar. Das ist insofern falsch, als ihre Messung an Durchschnittswerten und eine Messung mit Durchschnittswerten (statt absoluten Werten) stets typisiert und ___________ 516) Kruth, DStR 2017, 669, 671. 517) Bergner, NZI 2007, 642, 643 f. 518) K/P/B-Lüke, InsO, § 56 Rz. 52 (wohl bezogen auf Ratings, wie ursprünglich vom DIAI angeboten).

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Teil B Qualitätsmessung und Bedeutung von Zertifizierungen bei der Verwalterauswahl

der Vergleichsmaßstab eben im Abgleich mit den anderen Verwaltern besteht. Das Problem besteht aber darin, dass eine bundesweite Erhebung der Zahlen nicht stattfindet, sondern nur die jeweiligen Verfahren des jeweiligen Gerichts berücksichtigt werden. Insbesondere der Einwand, die Branche des jeweiligen Unternehmens würde nicht hinreichend berücksichtigt, ist berechtigt, weil es für die Fortführungsfähigkeit und die Verwertungsoptionen einen Unterschied machen kann, ob ein Pharmaunternehmen oder ein Immobilienunternehmen verwertet wird.519) Eine Gewichtung allein anhand der Struktur des Verfahrens, anstatt (auch) nach Branchen, verzerrt die Einschätzung. 239 Zudem bleibt die Frage, ob die Erfolgsmessung eine hinreichende Aussagekraft für die persönliche Eignung des Verwalters hat. Die zugrundeliegende Parallele mit einem Manager, der sich – meist kraft entsprechender Abrede mit seinem Arbeitgeber – an bestimmten Branchenkennzahlen messen lassen muss, trägt nur bedingt, weil das Insolvenzverfahren stärker auf eine gesetzliche, rechtsstaatlich überformte Verfahrensabwicklung gerichtet ist und der Insolvenzverwalter trotz des Einrückens in die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis ein (zudem ja im Insolvenzverfahren befindliches) Unternehmen nicht in gleicher Weise auf Erfolg trimmen kann wie ein gesundes Unternehmen. Das schließt nicht aus, anhand der von allen Insolvenzverwaltern im Gerichtsbezirk erzielten, gewichteten Durchschnittswerten eine gewisse Näherung zu erhalten; letztlich kann dies aber nur zu einer Scheingenauigkeit verhelfen, wenn die konkreten Verfahren und die möglichen Abwicklungshemmnisse im jeweiligen Verfahren nicht untersucht werden. So kann beispielsweise in einem M&A-Prozess das späte Abspringen eines Investors den dann später erzielten Veräußerungserlös massiv beeinträchtigen, weil andere Erwerbsinteressenten die dadurch entstehende „Notlage“ auszunutzen wissen. Es ist daher richtig, dass der Insolvenzverwalter viele Effekte im Insolvenzverfahren nicht beherrschen kann. 240 Zudem drohen Verfälschungen, wenn die Kennzahlen z. B. nach Größe der Verfahren gewichtet werden sowie nach Struktur des Verfahrens. Es mag richtig sein, dass bestimmte Verfahren tendenziell eher Ordnungscharakter haben, während andere tendenziell sanierungsgeeigneter sind, aber auch insoweit kann die Abgrenzung schwierig sein. Sie lässt sich jedenfalls nicht allein mit der Größe der Masse korrelieren, und auch eine Betriebsfortführung ist grundsätzlich größenunabhängig. 241 Im Detail kann man kritisieren, dass manche angebliche Erfolgsfaktoren mit der Zielrichtung der Gläubigerbefriedigung nicht konform laufen. Die Quote der geretteten Arbeitsplätze ist als Unterscheidungsmerkmal kaum geeignet, weil sie keine Aussagekraft für die Frage hat, ob ein Insolvenzverwalter mit Blick auf die allein maßgebliche Frage der Befriedigung der Gläubiger erfolgreich ist. ___________ 519) A. A. Frind, NZI 2008, 518, 521.

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IV. Diskussion zur Messung der Verwalterqualität

Im Gegenteil, es kann unter dem Gesichtspunkt bestmöglicher Masseverwertung, aber auch der Nachhaltigkeit der Sanierung geradezu unerlässlich und wünschenswert sein, Personal massiv abzubauen. Arbeitsplatzerhalt ist jedenfalls kein Schutzziel des Insolvenzverfahrens, sondern nur ein erwünschter Schutzreflex. Im Ergebnis führen diese Überlegungen zu der Einschätzung, dass eine Verfah- 242 renskennzahlabfrage zwar eine gewisse Verobjektivierung der Bewertung der Eignung ermöglichen kann. Allerdings besteht trotz der Arbeit mit Durchschnittswerten die große Gefahr, dass etwas verglichen wird, was sich nicht sachgerecht vergleichen lässt. Bleiben die vom Verwalter erzielten Ergebnisse hinter den Durchschnittswerten 243 zurück, so kann das zwar auch auf mangelnde Qualität des Verwalterhandelns zurückzuführen sein. Es wäre aber unzulässig, in den Kennzahlen den alleinigen Gewichtungsfaktor 244 bei der Auswahlentscheidung zu sehen, jedenfalls solange ein einheitliches Verständnis der Qualitätsmessung noch nicht besteht. Auf veraltete Daten zurückzugreifen, wäre erst recht fehlerhaft, denn dies sind 245 keine „verifizierte Daten“, deren Feststellung das Bundesverfassungsgericht verlangt. Davon abgesehen, ist die Entwicklung verschiedener Abfragemethoden an den 246 verschiedenen Insolvenzgerichten auch rechtspolitisch nicht wünschenswert, weil dadurch ein Flickenteppich entsteht, obwohl § 56 InsO eine bundesweit einheitliche Vorgabe macht. Daraus folgt:

247

Eine Bemessung von Qualität sollte nicht und jedenfalls nicht allein durch die direkte Abfrage vergangenheitsbezogener Kennzahlen und Daten erfolgen. Eine hinreichend transparente Methode mit Vergleichbarkeit der Ergebnisse ist damit nicht gewährleistet. 3.

Zertifizierung von internen Kanzleiabläufen als Qualitätsmerkmal

Ist damit geklärt, dass eine direkte Qualitätskontrolle als Ergebniskontrolle man- 248 gels belastbaren Zahlenmaterials nur mit Zurückhaltung erfolgen kann, führt dies nun zu der zweiten Methode der Qualitätsmessung durch Zertifizierung von Kanzleiprozessen nach dem Modell der ISO 9001:2015, der GOI und der „InsO Excellence“. Diese Verfahren zielen sämtlich auf ein Qualitätsmanagement von Abläufen und Verfahrensschritten und auf die Strukturierung der Organisation. Mit dieser Methode soll durch den geordneten Ablauf die weitreichende Gewähr für die Erfüllung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Insolvenzverwaltung geschaffen werden.

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Teil B Qualitätsmessung und Bedeutung von Zertifizierungen bei der Verwalterauswahl

a)

Wesen der Zertifizierung

249 Bei diesen Zertifizierungen handelt es sich um Beurteilungen, die nicht durch eine staatliche, sondern durch eine private Stelle getätigt werden. Zwar erfolgt die Zertifizierung über eine von dem Insolvenzverwalter unabhängige Auditierungsgesellschaft. Obwohl diese Zertifizierungsstelle von der (u. a. vom Bund als Gesellschafterin geführten) Deutschen Akkreditierungsstelle (DAKKS) akkreditiert ist, nimmt die Zertifizierungsstelle für sich genommen keine hoheitliche Aufgaben wahr und handelt insofern auch nicht als Beliehener. Eine gesetzliche Regelung über die Zertifizierung im Bereich der Insolvenzverwaltung fehlt bislang. Dies ist anders als beispielsweise bei dem zertifizierten Mediator nach § 6 MediationsG, weil dafür eine Verordnung des BMJV erlassen wurde, die auch Anforderungen an die zertifizierende Stelle enthält.520) 250 Die zertifizierende Stelle ist allerdings unabhängig. Es handelt sich bei der Zertifizierung also nicht um die gleichsam willkürliche Vergabe von Zertifikaten durch den jeweiligen Insolvenzverwalterverband (VID oder Gravenbrucher Kreis) selbst, sondern um eine Zertifizierung auf der Grundlage einer Bescheinigung von einer unabhängigen und unparteilichen Organisation, etwa der DQS (Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung von Managementsystemen). b)

Diskussionsstand

251 Vor diesem Hintergrund ist die Diskussion zur Beachtlichkeit und Aussagekraft der genannten Zertifizierungen darzustellen. 252 Das AG Hamburg hat in einer Entscheidung vom 21.11.2001 angenommen, dass die vom VID (seinerzeit: Arbeitskreis der Insolvenzverwalter Deutschland e. V.) beschlossenen Verhaltensrichtlinien, d. h. nunmehr die Berufsgrundsätze der Insolvenzverwalter, geeignet seien, die Auswahlkriterien des § 56 InsO zu konkretisieren521). 253 In der Literatur ist diese Auffassung zum Teil zurückgewiesen worden, weil damit den Berufsgrundsätzen eine normative Wirkung verliehen würde, die ohne gesetzliche Grundlage nicht möglich sei.522) 254 Im Schrifttum wird es allerdings mehrheitlich für möglich erachtet, die GOI oder andere Zertifizierungen des Verwalterbüros bei der Eignungsfeststellung zu berücksichtigen. 255 Frind schreibt zwar, das Gericht sei daran nicht gebunden523) und es könne vom Gericht nicht verlangt werden, die Zertifizierungshandbücher zu studieren, ___________ 520) § 5 der ab 1.9.2017 geltenden Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren (Zertifizierte-Mediatoren-Ausbildungsverordnung–ZMediatAusbV), BGBl. I 2016 S. 1994. 521) AG Hamburg, Beschl. v. 21.11.2001 – 67g IN 280/01, ZIP 2001, 2147. 522) Prütting, ZIP 2002, 1965, 1973 f.; Holzer, EWiR 2002, 71 f.; Braun-Blümle, InsO, § 56 Rz. 33. 523) Frind, ZInsO 2011, 1913, 1920.

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IV. Diskussion zur Messung der Verwalterqualität

meint aber doch, dass diese Grundsätze Mindeststandards darstellten, deren Einhaltung das Gericht als verbindlich anordnen könne.524) Graeber führt Folgendes aus:525)

256

„Aber auch die berufsspezifischen Verhaltenskodexe, sei es als Rechtsanwalt oder als Insolvenzverwalter, sowie die Einhaltung akzeptierter Abwicklungsregelungen des Insolvenzgerichts sind zu beachten. Spätestens bei einer erstmaligen Tätigkeit für ein Insolvenzgericht sollte der Insolvenzverwalter erklären, ob er sich als verpflichtet ansieht, sich an die entsprechenden Verhaltensregelungen, Berufsordnungen usw. zu halten. Auch wenn diese Regelungen keinen Normcharakter haben, können sie als geeignete Umschreibungen für eine ordnungsgemäße und sachgerechte Handlungsweise von Insolvenzverwaltern angesehen werden. Die Orientierung des Verwalters an diesen Regelungen dürfte selbstverständlich sein und kann vom Insolvenzgericht zur generellen Abstimmung über die Verfahrensabwicklungen gefordert werden. Eine Verweigerung einer Konformitätserklärung durch einen Insolvenzverwalter dürfte als ausreichend angesehen werden, diesem Verwalter eine Bestellbarkeit generell zu versagen. Auch eine Verletzung beruflicher Pflichten in einem früheren Verfahren rechtfertigen Zweifel an der persönlichen Eignung und eine Ablehnung einer Bestellung.“

Bergner hält eine Qualitätsmessung anhand der äußeren Faktoren der Infrastruk- 257 tur für unbedenklich, weil insoweit allein Faktoren bemessen werden, die der Verwalter durch Strukturierung seiner Büroprozesse selbst steuern könne.526) Graf-Schlicker meint, die Zertifizierung, z. B. nach der ISO 9001, könne zur 258 Grundlage der Entscheidung für die Aufnahme in die Vorauswahlliste gemacht werden.527) Andres geht davon aus, die Zertifizierung könne „zumindest ein Teilaspekt für 259 die Bewertung des Insolvenzverwalters sein“.528) Demgegenüber geht Siemon davon aus, die im Insolvenzbereich erhältlichen Zer- 260 tifikate könnten für sich genommen kein geeignetes Bestellungskriterium sein.529) c)

Stellungnahme

Die Diskussion vermengt zwei unterschiedliche Fragen. Die erste Frage betrifft 261 die Frage, ob die vorhandenen und gebräuchlichen Zertifizierungen eine Aussage zur Eignung des Insolvenzverwalters i. S. d. § 56 InsO treffen können. Die zweite Frage ist sodann die Frage, welche Bedeutung die Zertifizierung bei der Auswahlentscheidung hat oder haben kann. ___________ 524) 525) 526) 527) 528) 529)

Frind, in: HambKomm-InsO, § 56 Rz. 19a. Graeber, in: MünchKomm-InsO-Graeber, § 56 Rz. 55. Bergner, NZI 2007, 642, 644. Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, § 56 Rz. 33. Andres, NZI 2008, 522, 523. Siemon, NZI 2017, 741, 744.

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Teil B Qualitätsmessung und Bedeutung von Zertifizierungen bei der Verwalterauswahl

aa)

Zertifizierung kann Aussage zur Qualität und Eignung treffen

262 Widmet man sich zunächst allein der ersten Frage, so ist auf die oben gemachte Einsicht zurückzukommen, dass die Eignung des Insolvenzverwalters mit den Zielen eines Insolvenzverfahrens und den Pflichten eines Insolvenzverwalters verknüpft ist. Eine Aussage zur Eignung können Zertifizierungsvorgaben also dann treffen, wenn sich aus ihnen – alleine oder ggf. im Zusammenwirken mit anderen Erkenntnissen – eine hinreichend gesicherte Erkenntnis darüber gewinnen lässt, ob der Insolvenzverwalter sowohl hinsichtlich seiner persönlichen Kenntnisse als auch hinsichtlich des infrastrukturellen und organisatorischen Umfelds in der Lage sein wird, das Insolvenzverfahren ordnungsgemäß und gesetzeskonform durchzuführen und insbesondere der Pflicht zur bestmöglichen Masseverwertung gerecht zu werden. 263 Die Zertifizierung trifft also dann eine Aussage über die Eignung des Insolvenzverwalters, wenn damit zugleich eine Aussage darüber getroffen werden kann, ob zumindest im Allgemeinen die Gewähr für eine sorgfältige, mit den Verkehrsanforderungen übereinstimmende Insolvenzverwaltung gegeben ist. Vorbehaltlich einer genaueren Prüfung der einzelnen hier untersuchten Zertifizierungssysteme lässt sich jedenfalls grundsätzlich sagen, dass eine Zertifizierung zwar wenig zu den weichen Faktoren aussagen kann, die für den Erfolg einer Insolvenzverwaltung maßgeblich sind, wie etwa die Persönlichkeit des Insolvenzverwalters oder seine Durchsetzungsfähigkeit oder Verhandlungsgeschick, wohl aber Aussagen zu den fachlichen Fähigkeiten der Insolvenzverwaltung und vor allem zu der Infrastruktur des Insolvenzverwalters erlaubt und somit zu einem maßgeblichen Teilaspekt der Eignungsprüfung. 264 Das gilt jedenfalls dann und zugleich insbesondere dann, wenn das jeweilige Zertifizierungswerk Voraussetzungen aufstellt, die Ausdruck eines anerkannten Grundkonsenses innerhalb des relevanten Verkehrskreises über die Ordnungsgemäßheit der Insolvenzverwaltung sind, wenn also die Zertifizierungsregeln Vorgaben machen, die dem entsprechen, was (ohnehin) im Lichte der den Verwalter treffenden Pflicht zur sorgfältigen und bestmöglichen Masseabwicklung von der Insolvenzverwaltung erwartet wird. 265 Insofern kann eine Zertifizierung Ausdruck einer „Best Practice“ sein, und ähnlich wie bei den anerkannten Regeln zur Corporate Governance im Bereich der Unternehmensführung zwar nicht selbst normative Wirkung haben,530) aber sich als anerkannter Standard, als gelebte Grundüberzeugung bestimmter Prozesse und Abwicklungsprinzipien erweisen. 266 Wenn man sich dies vor Augen führt, dann kann eine Zertifizierung, sofern sie eine bestmögliche Masseabwicklung fördert, sehr wohl Aussagen über Teilas___________ 530) Vgl. zu dieser Diskussion Borges, ZGR 2003, 508, 514 f. m. Nachw.; vgl. allerdings die Besonderheiten dieser Diskussion wegen der Einführung des § 161 AktG.

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IV. Diskussion zur Messung der Verwalterqualität

pekte der Eignung treffen. Insbesondere kann eine bestimmte Gestaltung des kanzleiinternen Betriebs gewährleisten, dass masserelevante Vorgänge bei der Verfahrensabwicklung nicht unbeachtet bleiben, also z. B. Anfechtungsansprüche geprüft werden etc. Die Zertifizierung kann zwar keine Aussagen darüber treffen, ob im konkreten 267 Fall eine entsprechende Prüfung tatsächlich richtig erfolgt, ob z. B. anfechtungsrechtlich relevante Vorgänge überhaupt als solche erfasst werden, weil dies immer auch eine rechtliche Würdigung voraussetzt. Aber die Sicherstellung entsprechender Abläufe kann das Risiko vermindern, dass solche massemehrenden Aktivitäten o. Ä. unterbleiben, und in diesem Sinne also zu dem Ziel der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung beitragen. Daher erlaubt ein Qualitätsmanagement, das sich an den Grundpflichten des Insolvenzverwalters orientiert, sehr wohl eine zumindest generelle Einschätzung darüber, ob eine ordnungsgemäße Insolvenzverwaltung wahrscheinlich ist. Auf dieser Grundlage hat es damit auch eine Aussagekraft für die Eignung des Insolvenzverwalters. Mönning schreibt dazu:531)

268

„Das Kriterium „Eignung“ bezieht sich nicht allein auf die persönliche Eignung des Insolvenzverwalters. Da professionell arbeitende Insolvenzverwalter ein Netzwerk von internen und externen Mitarbeitern aufgebaut haben, die den Insolvenzverwalter bei der Abwicklung unterstützen, gelten auch für diese die gleichen Eignungskriterien, die für den Insolvenzverwalter selbst maßgeblich sind. Die Qualitätsanforderungen der maßgeblichen Verbände (Gravenbrucher Kreis, VID) gehen weit über eine Eignungsprüfung hinaus.“

bb)

Zertifizierung als Seriositätsindiz

Insoweit kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu. Die Zertifizierung kann über 269 die inhaltliche Aussage hinaus zudem als ein Seriositätsindiz verstanden werden. Denn ein Bewerber, der sich den Vorgaben eines Qualitätsmanagements unterwirft, gibt – in einem in seinem Gewicht allerdings zu würdigenden Umfang – zu erkennen, dass er sich den anerkannten Sorgfaltspflichten des Insolvenzverwalters unterwerfen möchte. Die Selbstbindung kann als ein Zuverlässigkeitsmerkmal bei der Verwalterauswahl beachtlich sein.532) cc)

Zertifizierung als aktuelle Aussage

Wie eben dargestellt, leiden gerichtliche Datenerhebungen daran, dass die Kenn- 270 zahlen und Informationen, soweit ersichtlich, nicht laufend und regelmäßig vom Gericht überprüft werden können. Überhaupt beruhen die Informationen häufig ___________ 531) Mönning, in: Nerlich/Römermann-Mönning, InsO (32. EL., Stand: April 2017), § 21 Rz. 73;. für die Berücksichtigung von Zertifikaten auch Mönning/Schäfer/Schiller, BB Beilage 2017, Nr. 01, S. 23. 532) Frind, in: HambKomm-InsO, § 56 Rz. 18.

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Teil B Qualitätsmessung und Bedeutung von Zertifizierungen bei der Verwalterauswahl

auf Selbstauskünften der Bewerber; eine genauere, konkrete Überprüfung durch die Gerichte findet nicht systematisch statt. 271 Demgegenüber gehen die Zertifizierungswerke davon aus, dass in einem bestimmten Zeitabstand zu rezertifizieren ist. Dadurch wird sichergestellt, dass die Informationen kein Zerrbild vergangener Qualität in diesem Sinne darstellen, sondern eine aktuelle Aussage erlauben. dd)

Zertifizierungen mit bundesweiter Aussagekraft

272 Während die gerichtlichen Fragebögen in Deutschland einen gewissen Flickenteppich darstellen, werden die Zertifizierungen wie GOI und InsO Excellence bundesweit einheitlich angeboten. Damit wird sichergestellt, dass Qualität in dem dort zugrunde gelegten Sinne nicht regional unterschiedlich gehandhabt und verstanden wird. Das passt zu der bundesgesetzlichen Vorgabe der Eignung in § 56 InsO. Es erscheint fragwürdig, wenn (vermittelt über das Auswahlermessen der Gerichte) eigene, aber stets unterschiedliche Fragebögen zu einer jeweils eigenen Auslegung des Begriffs der Eignung führen. Während etwa manche Gerichte Informationen wie die Examensnote für wichtig erachten mögen, erkennen andere eine Bedeutung in der Obsiegensquote bei Prozessen usw. Das führt zu einer uneinheitlichen Handhabung der Verwalterbestellung trotz bundesweit einheitlicher gesetzlicher Vorgabe. 4.

Zwischenergebnis

273 Aus dem Vorstehenden folgt, dass eine Zertifizierung des Kanzleimanagements und der internen Abläufe sehr wohl eine aktuelle Aussage über die Eignung des Insolvenzverwalters i. S. d. § 56 InsO erlaubt, wenn und weil sie inhaltlich partiell diejenigen Anforderungen abbildet, die nach den Anschauungen des Verkehrs an einen sorgfältigen und gewissenhaften und dem Ziel des § 1 InsO verpflichteten Insolvenzverwalter zu stellen sind. Dies wird im Folgenden näher für die einzelnen Zertifizierungswerke zu untersuchen sein, bevor daran anschließend auf die Frage der gerichtlichen Bindung im Rahmen der Verwalterauswahl zurückzukommen ist. V.

Die Zertifizierungen im Einzelnen

274 Es ist nunmehr zu untersuchen, inwieweit die drei hier untersuchten Zertifizierungswerke im Einzelnen bei der Eignungsprüfung beachtlich sein können. 1.

Zertifizierung nach ISO 9001:2015

275 Die Zertifizierung nach ISO 9001:2015 erfolgt durch unabhängige Zertifizierungsgesellschaften, die eine Konformität mit den Anforderungen der Norm zertifizieren.

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V. Die Zertifizierungen im Einzelnen

ISO steht für die internationale Organisation für Normung (International Or- 276 ganization for Standardization); Deutschland ist über das Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN) in dieser Organisation vertreten. Die Normen werden von einem technischen Komitee erarbeitet. Die ISO 9001:2015 stellt damit eine internationale Norm dar, die in Europa zugleich von dem gemäß der EU-Verordnung 1025/2012533) zuständigen europäischen Komitee (CEN) als europäische Norm (Kürzel EN) angenommen wurde und damit in Deutschland für das DIN-Institut verbindlich ist. Die ISO 9001:2015 stellt eine allgemeine Norm für die Anforderungen an ein Qualitätsmanagementsystem (QM-System) dar. Sie ist für sich genommen nicht auf die Insolvenzverwaltung zugeschnitten, sondern universeller Natur. ISO 9001:2015 folgt einem prozessorientierten Ansatz, der insbesondere erreichen will, dass die Organisation ihre Abläufe an dem Planen-Durchführen-Prüfen-Handeln-Modell (Plan-Do-Check-Act, PDCA) ausrichtet und zugleich risikobasiertes Denken umfasst. Letzteres meint, dass diejenigen Faktoren bestimmt werden, die bewirken könnten, dass die Prozesse von den geplanten Ergebnissen abweichen, und dass sodann vorbeugende Maßnahmen ermöglicht werden (Einleitung ISO 9001:2015 0.1.). Die Norm enthält zehn Kapitel, zu denen u. a. Abschnitte zum „Kontext der 277 Organisation“ (4.), „Unterstützung“ (7.), „Betrieb“ (8.), „Bewertung der Leistung“ (9.) gehören. Es soll ein Qualitätsmanagementsystem errichtet werden, das die Arbeitsabläufe verständlich macht und beständig überprüft und fortentwickelt. Dazu gehören auch Maßnahmen zum Kompetenzerwerb, etwa durch Schulungen (7.2.), und die Bestimmungen von Anforderungen für Produkte und Dienstleistungen (8.1.), einschließlich der Steuerung auch extern bereitgestellter Produkte und Dienstleistungen (8.4) sowie die ständige Überwachung (9.). Bei Nichtkonformität mit den gesetzten Anforderungen, was im Wege eines Audits festgestellt wird, müssen Korrekturmaßnahmen ergriffen werden; Risiken einer Nichtkonformität müssen bedacht werden (10.). Es ist insgesamt auch eine Kernaufgabe des Qualitätsmanagementsystems, als vorbeugendes Instrument zu wirken. Das Qualitätsmanagementsystem muss beständig weiterentwickelt werden. Insgesamt zielt also die ISO-Norm auf eine gewisse Standardisierung der Ab- 278 läufe und die Messung der internen Strukturen an den gesetzten Anforderungen. Im Bereich der Insolvenzverwaltung kann man die ISO-Zertifizierung, da sie 279 insolvenzspezifische Tätigkeiten und Vorgänge nicht adressiert, als ein Basis___________ 533) Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 zur europäischen Normung, zur Änderung der Richtlinien 89/686/EWG und 93/15/EWG des Rates sowie der Richtlinien 94/9/EG, 94/25/EG, 95/16/EG, 97/23/EG, 98/34/EG, 2004/22/EG, 2007/23/EG, 2009/23/EG und 2009/105/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung des Beschlusses 87/95/EWG des Rates und des Beschlusses Nr. 1673/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates.

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Teil B Qualitätsmessung und Bedeutung von Zertifizierungen bei der Verwalterauswahl

zertifikat bezeichnen. Sie sorgt für eine Strukturierung der Büroabläufe und transparente Arbeitszusammenhänge. 280 Insoweit kann die ISO-Zertifizierung noch wenig darüber aussagen, ob eine qualitativ hochwertige und im Interesse der Gläubigerbefriedigung liegende Insolvenzverwaltung erfolgt; die Zertifizierung zeigt indes, dass geordnete und strukturierte interne Arbeitsprozesse vorhanden sind und auch dem Kompetenzerwerb auf den Mitarbeiterebenen Beachtung geschenkt wird. Die Standardisierung kann die Gewähr dafür erhöhen, dass wichtige Vorgänge im Bereich der Insolvenzverfahrensabwicklung nicht „unter den Tisch fallen“. Die Aussagekraft bleibt aber begrenzt, weil die insolvenzspezifischen Besonderheiten von der ISO-Norm und der Zertifizierung nicht berücksichtigt werden. 2.

Zertifizierung nach GOI (bzw. VID-Cert)

281 Es ist nunmehr konkreter auf die bereits angesprochenen GOI einzugehen. Der VID hat zunächst Berufsgrundsätze aufgestellt, die 2011 durch die Grundsätze ordnungsgemäßer Insolvenzverwaltung (GOI) erweitert wurden. Diese Grundsätze werden von unabhängigen Auditoren überprüft und bei dem jeweiligen Insolvenzverwalter zertifiziert. Für die durch die Zertifizierung bestätigte Einhaltung der GOI und bei einer Zertifizierung nach ISO 9001:2015 verleiht der VID an Mitglieder auch das Gütesiegel VID-Cert. Auch unabhängig von einer Mitgliedschaft im VID bieten Zertifizierungsgesellschaften eine GOIZertifizierung an. 282 Nach der GOI-Prüfungsordnung erfolgt insoweit eine Kontrolle grundsätzlich anhand von zehn Verfahren des jeweiligen Verwalters. Geprüft werden insgesamt 70 Grundsätze, zu denen auch Motive/Erläuterungen vorliegen. Die Zertifizierung erfolgt, wenn im Durchschnitt aller überprüfbaren Verfahren 80 % der in ihnen prüfbaren GOI erfüllt sind. Ein fehlender ausreichender Haftpflichtversicherungsschutz und die fehlende Einrichtung von Treuhandkonten sind stets Versagungsgrund. 283 Inhaltlich sind die GOI in allgemeine Anforderungen an den Verwalter und sein Büro (Grundsätze 1 – 21) sowie Regeln zum Verfahrensablauf (Grundsätze 22 – 70) unterteilt. Beide Bereiche enthalten Kriterien, die für die Eignungsprüfung und die vom Insolvenzverwalter zu erfüllenden Pflichten höchst relevant sind. 284 So wird in den Grundsätzen 1 – 6 die Höchstpersönlichkeit der Tätigkeit bei den verfahrensleitenden Vorgängen vorgesehen. Dies stimmt mit der allgemein vorherrschenden Auffassung in der Literatur überein, die zwar den Kreis der nicht delegationsfähigen Aufgaben mit Nuancen im Detail unterschiedlich beurteilt,534) aber sich darüber einig ist, dass die Terminsteilnahme höchstpersön___________ 534) Siehe K. Schmidt-Ries, § 56 Rz. 28 f.; Graeber, NZI 2003, 569, 570; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56 Rz. 22.

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V. Die Zertifizierungen im Einzelnen

lich vorzunehmen ist (Grundsatz 2 – 4 der GOI) und die grundlegenden Aufgaben vom Verwalter selbst wahrzunehmen sind.535) Insoweit sind diese Regeln der GOI Ausdruck geltender Standards. Die in den Grundsätzen 11 – 15 angesprochenen Vorgaben, qualifiziertes Per- 285 sonal einzusetzen und insbesondere eine leistungsfähige elektronische Datenverarbeitung vorzuhalten, sind unmittelbar eignungsrelevant und entsprechen gerade der Definition der Eignung im engeren Sinne (dazu Rz. 207 ff.). Dazu gehört es gerade, eine für Zwecke der Verfahrensabwicklung leistungsfähige persönliche und sachliche Büroausstattung aufzuweisen. Hinsichtlich des Verfahrensablaufs zeigt sich in den GOI eine Verknüpfung mit 286 dem, was eine pflichtenkonforme Insolvenzabwicklung nach dem Maßstab eines gewissenhaften und sorgfältigen Insolvenzverwalters (§ 60 Abs. 1 Satz 2 InsO) erfordert. Die Prüfung und Beantragung von Sicherungsmaßnahmen (Grundsätze 26 – 34) entspringt der Pflicht zur Erhaltung der Masse. Die geprüften Kriterien zum Umgang mit den Arbeitnehmern des Insolvenzschuldners (III. 4., Grundsätze 35 – 39) sind jedenfalls insofern pflichtrelevant, als aus Gründen der Liquiditätsschöpfung eine Insolvenzgeldvorfinanzierung zwingend vorzunehmen ist (Grundsatz 36) und die Einbindung und Kommunikation mit den Arbeitnehmern für die (vorläufige) Betriebsfortführung und damit auch für die Wahrung von Sanierungschancen relevant ist. Auch weitere Gesichtspunkte zeigen, dass die Grundsätze im Wesentlichen den 287 vorherrschenden Pflichtenkanon eines Insolvenzverwalters wiedergeben und damit eignungsrelevant sind; das gilt insbesondere für die Anlegung von Treuhandkonten (Grundsätze 43 – 44) und die ordnungsgemäße Buchführung und Rechnungslegung (Grundsätze 47 – 48), zu der der Insolvenzverwalter nach § 155 InsO bereits kraft Gesetzes verpflichtet ist. Die weiteren Grundsätze geben im Wesentlichen die gesetzlichen Aufgaben 288 des Insolvenzverwalters wieder, z. B. die Wahrung der Interessen von Aus- und Absonderungsberechtigten (Grundsatz 49) oder die Prüfung der voraussichtlichen Zulänglichkeit der Masse bei der Begründung von Masseverbindlichkeiten (Grundsatz 52, entspricht § 61 InsO) ebenso wie die aktuelle Führung der Insolvenztabelle und die Forderungsprüfung (Grundsatz 63). Wenn dies in den geprüften Verfahren eingehalten wurde, lässt sich daraus ein Rückschluss auf eine entsprechende Zuverlässigkeit des Verwalters und die Prognose ziehen, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Die Regeln zur Unternehmensveräußerung und zur optimalen Gestaltung des 289 Veräußerungsprozesses (III. 17., Grundsätze 61 – 62) entsprechen dem, was die Rechtsprechung ohnehin verlangt; so hat der BGH zuletzt am 16.3.2017 deut___________ 535) Siehe ebenso K. Schmidt-Ries, § 56 Rz. 28 f.; Graeber, NZI 2003, 569, 570; UhlenbruckZipperer, InsO, § 56 Rz. 22.

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Teil B Qualitätsmessung und Bedeutung von Zertifizierungen bei der Verwalterauswahl

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lich gemacht, dass der Insolvenzverwalter günstige Verwertungsmöglichkeiten nutzen muss.536) Auch die weiteren Grundsätze lassen sich bereits als Ausdruck dessen verstehen, was vernünftigerweise von einem Insolvenzverwalter mindestens erwartet werden kann, etwa die Prüfung eines Insolvenzplans (Grundsatz 68). In der Literatur wird kritisiert, dass die GOI nicht auf die Sanierungssituation zugeschnitten seien.537) Mit der Betriebsfortführung befassen sich die Grundsätze 56 – 57, die in der Tat eher allgemein gehalten sind und dem Insolvenzverwalter die Ausschöpfung der Möglichkeiten zur Betriebsfortführung und eine zeitnahe Liquiditätsplanung aufgeben, was zumindest eine Mindestpflicht des Insolvenzverwalters wiedergibt. Es handelt sich bei den GOI also tendenziell um Mindeststandards. Die Grundsätze sind ihrer Natur nach eher allgemein gefasst und sie lassen in der konkreten Umsetzung in einem konkreten Fall teils noch gewisse Spielräume. Dennoch ergibt sich der Eindruck, dass die GOI als Ausdruck dessen gelten können, was nach den Anforderungen des Verkehrs im Hinblick auf Zuverlässigkeit, persönliche Anforderungen und vor allem die sachlichen, infrastrukturellen Anforderungen von einer ordnungsgemäßen und zugleich der Pflicht zur bestmöglichen Masseverwertung entsprechenden Insolvenzverwaltung (mindestens) verlangt wird. Auf dieser Grundlage bestätigt sich, dass die Zertifizierung nach der GOI eine Aussage über die Eignung des Insolvenzverwalters und die weitreichende Gewähr für eine im Hinblick auf den Verfahrensablauf pflichtkonforme Insolvenzverwaltung geben kann.

3. Zertifizierung nach InsO Excellence 294 Damit ist nunmehr auf die InsO Excellence des Gravenbrucher Kreises einzugehen. Diese Zertifizierung folgt einem etwas anderen System, weil sie nicht auf einer Prüfungsordnung und Grundsätzen aufbaut, sondern auf einem umfangreichen Kriterienkatalog. Der Katalog umfasst insgesamt 216 Kriterien und ist unterteilt in die folgenden Themenbereiche: x Kanzleimanagement x

Personalmanagement

x

Insolvenzverfahrensmanagement

x

Betriebsfortführung

x

Externe Kommunikation

x

Berichtswesen

x weitere Themen (darunter u. a. der Aspekt Gerichtsprozesse). ___________ 536) BGH, Urt. v. 16.3.2017 – IX ZR 253/15, Rz. 13 – 15. 537) Siemon, ZInsO 2013, 666, 667.

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V. Die Zertifizierungen im Einzelnen

Das Zertifikat erfolgt auf der Vergabe von Punkten; für die Erstzertifizierung 295 müssen 134 von 230 möglichen Punkten erreicht werden. Dabei werden allerdings Gewichtungen der einzelnen Themenbereiche vorgenommen. Für die Erstzertifizierung müssen in den Bereichen Personalmanagement, Insolvenzverfahrensmanagement und Betriebsfortführung mindestens 70 % der dort erzielbaren Punkte erreicht werden, in den anderen 50 %. Dabei sind die GOI-Grundsätze in die Prüfung bei InsO Excellence integriert. 296 Kriterium Nr. 9 verlangt, dass die Berufsausübung den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Insolvenzverwaltung entspricht, was durch Vorlage des gültigen GOI-Zertifikats nachzuweisen ist. Außerdem werden die einzelnen Grundsätze der GOI in einzelnen weiteren Kriterien des Fragenkatalogs aufgegriffen. Der Kriterienkatalog der InsO Excellence geht damit im Detaillierungsgrad und in den Prüfanforderungen über die GOI hinaus. Die in den Kriterien abgefragten Umstände betreffen unmittelbar die für die 297 Eignung i. S. d. § 56 InsO relevanten Merkmale einschließlich der Frage der Unabhängigkeit. Beispielsweise ist bei Verfahrenseingang eine Kollisionsprüfung bzw. ein Konfliktcheck vorzunehmen (Kriterium Nr. 15). Der Katalog enthält detaillierte Fragen zur Aktenführung und verlangt insoweit eine regelmäßige Überprüfung des Ablagesystems und verbindliche Arbeitsanweisungen an die Mitarbeiter (Kriterien 17 – 24). Der Katalog sieht auch ein leistungsfähiges IT-System vor mit einer aktuellen 298 Version eines Insolvenzbearbeitungsprogramms und die Anwendung von ITSystemen im Austausch mit Gerichten und Gläubigern (dazu Kriterium Nr. 42). Datenschutz- und Datensicherheitsanforderungen werden abgefragt (Kriterien 43 – 55). Im Themenbereich 2 werden die Anforderungen an die Unabhängigkeit des 299 Verwalters und der Mitarbeiter sowie an die Qualifikation der Mitarbeiter geprüft. Dazu gehört u. a. eine Versorgung aller Mitarbeiter mit der entsprechenden Literatur und aktueller Rechtsprechung und aktuellen Informationen (Kriterium Nr. 67 sowie Kriterien Nr. 68 – 72), die Aus- und Fortbildung (Kriterien Nr. 73 – 76) und eine tragfähige und dem Bedarf entsprechende Personalplanung (Kriterium Nr. 61). Unmittelbare Aussagekraft über die Eignung des Insolvenzverwalters haben die 300 Kriterien zum Insolvenzverfahrensmanagement (Themenbereich 3), u. a. auch zur Unabhängigkeit (Kriterien Nr. 107 – 109). Darüber hinaus werden für internationale Insolvenzverfahren ausreichende Kenntnisse im Internationalen Insolvenzrecht und Sprachkenntnisse abgefragt (Kriterium Nr. 110). In Kriterium Nr. 111 wird verlangt zu gewährleisten, dass der Insolvenzverwalter schon während der Annahme eines Insolvenzverfahrens unmittelbar die besonderen Erfordernisse des Verfahrens (Branchenspezifika etc.) ermittelt und diesen durch eigene oder fremde Ressourcen gerecht wird. Der Kapazitätsgrad

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Teil B Qualitätsmessung und Bedeutung von Zertifizierungen bei der Verwalterauswahl

und die Auslastung der Kanzlei werden regelmäßig überprüft (Kriterium Nr. 114 – 115), es muss ein Kontroll- oder Warnsystem zur Überwachung der verfügbaren Ressourcen geben (Kriterium Nr. 118), so dass die Verfahrensabwicklung nicht an Überlastung scheitern kann bzw. dieses Risiko verringert wird. 301 Bei der inhaltlichen Bearbeitung des Insolvenzverfahrens (Themenschwerpunkt 4) werden Sicherungsmaßnahmen geprüft (Kriterien Nr. 126 – 132), die Daten im schuldnerischen Unternehmen gesichert (Kriterien Nr. 133 – 136). Es werden auch detaillierte Regelungen zum Umgang mit Dauerschuldverhältnissen (§§ 103 ff. InsO) vorgesehen (Kriterien Nr. 143 – 145). Der Katalog fragt Kenntnisse des Insolvenzverwalters und seiner Mitarbeiter zum Insolvenzplan ab (Kriterium Nr. 146) und zum Umgang mit Insolvenzplänen (Kriterien Nr. 147 – 150), so dass der Insolvenzverwalter folglich seiner Pflicht zur Prüfung und ggf. Umsetzung von Insolvenzplänen nachkommen kann. 302 Es finden sich ferner detaillierte Regelungen zur Forderungsanmeldung, auch mit Blick auf internationale Anmeldungen (Kriterien Nr. 151 – 153) sowie zur Verwertung (Kriterien Nr. 154 – 158). Die Pflicht des Verwalters, Anfechtungsansprüche geltend zu machen, wird umfangreich mit verschiedenen Fragen geprüft (Kriterien Nr. 159 – 164), hier sind auch Fallbeispiele zu prüfen. Eine systematische Aufarbeitung, ggf. mit einem Anfechtungsteam, ist vorgesehen, insbesondere in Konzernsachverhalten (Kriterium Nr. 160 – 161). Es gibt auch Fragen zur internen Revision (Kriterium Nr. 165 – 169). 303 Der Katalog widmet sich auch mit zehn Fragen detailliert den Betriebsfortführungen, u. a. müssen hier taggenaue Überblicke über Zahlungsbestätigungen erfolgen (Kriterium Nr. 174) und es wird die Nachkalkulation der vorhandenen Aufträge durch qualifizierte Mitarbeiter des Insolvenzverwalters verlangt (Kriterium Nr. 171), um Planungssicherheit und die richtige Kalkulationsgrundlage zu schaffen. Dazu gehört die Gewährleistung einer ausreichenden Präsenz des Insolvenzverwalters an den verschiedenen Standorten des Unternehmens (Kriterium Nr. 177). 304 Es finden sich Fragen zur Externen Kommunikation (Themenbereich 6). Das betrifft sowohl die Kommunikation mit den Gläubigern als auch mit dem Insolvenzgericht. 305 Das Berichtswesen (Themenbereich 7) wird abgefragt, etwa die Gewährleistung einer gewissenhaften Forderungsprüfung (Kriterium Nr. 198). 306 Bei den weiteren Themen (Themenbereich 8) wird die Prüfung verlangt, Erfolgsaussichten von Aktiv- und Passivprozessen systematisch zu B (Kriterien Nr. 208 – 212). 307 Insgesamt machen die Kriterien der InsO Excellence sehr weitreichende Vorgaben, die unmittelbar für die Optimierung des Verfahrensergebnisses und die Pflichtenkonformität der Insolvenzverwaltung und damit für die Eignung des Insolvenzverwalters relevant sind. Sie zeigen eine „Best Practice“ des Verfahrens116

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VI. Bindung des Insolvenzgerichts an die Zertifizierungen bei der Auswahl

managements, die vor allem für größere Insolvenzverfahren sinnvoll erscheint, zumal hier die Sorge vor kostenintensiver Überregulierung nicht maßgeblich ins Gewicht fällt.538) Die Kriterien konkretisieren vielmehr detailliert die allgemeinen Pflichten des Insolvenzverwalters zur bestmöglichen Masseerhaltung und -verwertung, etwa durch die eigens abgefragte Sicherstellung der systematischen Prüfung von Anfechtungsansprüchen. Der Katalog geht über bloße Mindeststandards hinaus. Zugleich wird mit den Anforderungen an das Kanzleimanagement gewährleistet, dass sich das Risiko einer Überlastung des Insolvenzverwalterbüros und zugleich das Risiko einer unzureichenden Liquiditätsplanung des Insolvenzverwalterbüros nicht zulasten der übernommenen Insolvenzverfahren realisieren. Erkennbar wird in den Kriterien der InsO Excellence auch Wert auf Betriebs- 308 fortführungen gelegt, indem die dazu maßgeblichen Kriterien die besonderen Anforderungen an die aktuelle Finanz- und Liquiditätsplanung u. a. m. betonen. Insgesamt kann die InsO Excellence damit eine belastbare Aussage über die 309 (objektiven) Teilaspekte der Eignungsprüfung unter § 56 InsO und die Qualität des Verwalters treffen. Sie sind ein verlässlicher und überprüfbarer Maßstab für die Bewertung der Kanzlei. VI.

Bindung des Insolvenzgerichts an die Zertifizierungen bei der Auswahl

Es ist damit geklärt, dass die vorgestellten Zertifizierungswerke das Eignungs- 310 merkmal des § 56 InsO konkretisieren und zum Teil sogar auch deutlich darüber hinausgehen sowie eine Aussage über die Qualität des Insolvenzverwalters treffen (im Sinne einer Aussage zur Leistungsfähigkeit und zum Verfahrensmanagement und einer daher zu erwartenden Erfüllung der Pflicht zur bestmöglichen Gläubigerbefriedigung). Nunmehr bleibt die Frage zu beantworten, inwieweit das Insolvenzgericht daran bei der konkreten Bestellung gebunden ist. 1.

Zertifizierungen als privat gesetzte Regeln

Dass Zertifizierungen auf privater Grundlage erfolgen und die Zertifizierung nicht 311 auf gesetzlicher Grundlage erfolgt, steht einer Beachtung durch das Insolvenzgericht nicht grundsätzlich entgegen.539) Es ist zwar richtig, dass das Gesetz eine solche Zertifizierung nicht verlangt und es damit an einer entsprechenden Aussage des Gesetzgebers fehlt. Diese Kritik geht jedoch an dem Kern des Problems vorbei. Die Zertifizierung 312 wirkt in die Eignungsprüfung des Insolvenzgerichts hinein, wenn und weil sie etwas bestätigt, dass ohnehin vom Gericht bei der Eignungsprüfung zu prüfen ___________ 538) Teils kritisch zur Zertifizierung nach den GOI Siemon, ZInsO 2013, 666, 667. 539) Entgegen Holzer, EWiR 2002, 71 f.

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Teil B Qualitätsmessung und Bedeutung von Zertifizierungen bei der Verwalterauswahl

ist, nämlich deshalb, weil die Zertifizierungsvorgaben inhaltlich das konkretisieren, was nach den im Verkehrskreis der Insolvenzverwalter vorherrschenden Überzeugungen von einem Insolvenzverwalter zu erwarten ist. 313 Auf dieser Grundlage lässt sich auch der Entscheidung des AG Hamburg vom 21.11.2001540) nicht vorhalten, den Verhaltensgrundsätzen des (vormaligen) Arbeitskreises der Insolvenzverwalter Deutschland e. V. würde eine gesetzliche Wirkung beigemessen, die diese nicht haben. Vielmehr übernehmen die Verhaltensrichtlinien sozusagen deklaratorisch Grundsätze, die man auch ganz unabhängig von der Zertifizierung an einen sorgfältigen (und damit also geeigneten) Insolvenzverwalter anlegen kann oder muss. Prütting erkennt dies in seiner im Übrigen kritischen Stellungnahme auch an.541) 314 Davon unabhängig gilt, dass die Zertifizierungswerke, obwohl es sich um privat gesetzte Regelwerke handelt, Beachtung als Normen erlangen können, soweit sie von der Rechtsprechung rezipiert werden. Dass private Regelwerke im Recht beachtet werden, ist nichts Ungewöhnliches. So werden vor allem privat gesetzte technische Regeln häufig herangezogen, wenn es beispielsweise um die Wesentlichkeitsschwelle bei Immissionen i. S. d. § 906 BGB geht, etwa die Richtlinie des Verbands der Deutschen Industrie e. V.542) oder auch die DIN-Normen, die ebenfalls private Regeln sind und dennoch einen Hinweis darauf geben können, ob ein Pflichtverstoß vorliegt.543) 315 Im Bereich der Bestellung des Testamentsvollstreckers, der wie der Insolvenzverwalter eine Privatperson ist, hatte der BGH die „Rheinische Tabelle“ über die Gebühren, die von dem (privaten) Verein für das Notariat in Rheinpreußen aus dem Jahr 1925 stammen, „als geeignete Grundlage für die Berechnung einer angemessenen Vergütung im Regelfall“ anerkannt.544) 316 Es zeigt sich also, dass private Normen und Regelwerke Konkretisierungen dessen enthalten können, was das Gesetz insbesondere mit ausfüllungsbedürftigen Begriffen vorgibt. Ein solcher ausfüllungsbedürftiger Begriff ist hier die „Eignung“. Wie gesehen, lassen die Zertifizierungen – in jeweils unterschiedlichem Ausmaß – Rückschlüsse auf die Eignung des Insolvenzverwalters im Hinblick auf die bestmögliche Erfüllung der Verwalteraufgaben zu. Schon deshalb darf das Insolvenzgericht die Zertifizierung bei der Eignungsprüfung nicht unberücksichtigt lassen.

___________ 540) 541) 542) 543) 544)

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AG Hamburg, ZIP 2001, 2147. Prütting, ZIP 2002, 1965, 1974. Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht, S. 272 mit Nachw. zur Rechtsprechung. Vgl. z. B. BGH, NJW 2001, 2019, 2020. BGH, NJW 1967, 2400, 2402; dazu Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht, S. 274 ff.

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VI. Bindung des Insolvenzgerichts an die Zertifizierungen bei der Auswahl

2.

Fälle des § 56a InsO

Dies vorausgeschickt, so ist bei der Frage der Bindung des Insolvenzgerichts im 317 Ausgangspunkt zu unterscheiden zwischen den Fällen des §§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 56a Abs. 2 Satz 1 InsO, d. h. einem einstimmigen Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses zur Person des Verwalters, und der gewöhnlichen Bestellung des Verwalters durch den Insolvenzrichter. a)

Grundsätzliche Voraussetzungen an die Eignungsprüfung bei § 56a InsO

Hat der vorläufige Gläubigerausschuss einstimmig eine Person vorgeschlagen, die 318 zum (vorläufigen) Insolvenzverwalter bestellt werden soll, ist das Gericht daran gebunden, es sei denn, der Vorgeschlagene ist für die Übernahme des Amtes nicht geeignet. Diese Eignung bezieht sich auf die Eignung i. S. d. § 56 Abs. 1 InsO, meint also durchaus auch die Eignung für den jeweiligen Einzelfall und schließt die Unabhängigkeit ein.545) Umstritten ist, in welcher Tiefe der Richter die Eignung prüfen darf.546) Das 319 Problem liegt darin, dass es auf ein Auswahlermessen wie bei § 56 Abs. 1 InsO gerade nicht ankommen kann, weil sonst die Bindung an den Vorschlag obsolet wäre. Unter dieser Prämisse muss aber auch verhindert werden, dass das Insolvenzgericht zwar nicht auf der Rechtsfolgenebene, wohl aber auf der Tatbestandsebene ansetzt und sodann eigene Eignungsvorstellungen definiert, um letztlich doch die eigenen Maßstäbe anzulegen. Ein Gericht, das auf diese Weise die Bindung abzustreifen versuchte, verstieße gegen § 56a Abs. 2 Satz 1 InsO. Insbesondere ist die fehlende Listung auf der Vorauswahlliste kein Grund, den Vorschlag abzulehnen.547) Auf dieser Grundlage ist richtigerweise zu differenzieren. Das Gesetz verlangt 320 zunächst nicht die Prüfung der Eignung, sondern der Nichteignung. Zweifel lösen die Bindung an den Vorschlag daher nicht generell auf.548) Zipperer führt mit Recht Folgendes aus:549) „Das war auch Ausgangspunkt des DisE, der „begründete Zweifel“ reklamierte (NZI Beilage 16/2010 S. 10), die sich auf „konkrete Anhaltspunkte“ stützen (a. a. O. S. 12). Im weiteren Gesetzgebungsverfahren gingen diese Ermittlungsschranken verloren, stattdessen forderte der RA eine „eingehende Prüfung der Unabhängigkeit“ (BT Drs 17/7512 S. 35), ohne dass deshalb der Gesetzeswortlaut geändert worden wäre. Dieser bleibt deshalb ungeachtet der unterschiedlichen Schwerpunkte in den Motiven beachtlich. Liegen hiernach keine konkreten An-

___________ Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, §§ 56, 56a Rz. 52; Bork, ZIP 2013, 145. Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56a Rz. 9. BT-Drucks. 17/5712, S. 26. K. Schmidt-Ries, § 56a Rz. 20; Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56a Rz. 9; a. A. wohl Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56a Rz. 41 f. 549) Uhlenbruck-Zipperer, InsO, § 56a Rz. 9.

545) 546) 547) 548)

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Teil B Qualitätsmessung und Bedeutung von Zertifizierungen bei der Verwalterauswahl haltspunkte vor, die gegen die Geeignetheit der vorgeschlagenen Person sprechen, bleibt die Bindungswirkung erhalten, der Kandidat ist zu bestellen. Die konkrete Rechtsanwendung bleibt auf offenkundige Fälle mangelnder Eignung beschränkt …“

321 Unter dieser Prämisse kann es aber nicht angehen, dass das Gericht seine eigenen – wie auch immer formulierten – vermeintlichen Qualitätsstandards oder die Abfrage von Verfahrenskennzahlen an die Stelle des Vorschlags setzt oder bestimmte „weiche“ Faktoren heranzieht wie etwa die Persönlichkeit des Verwalters, um die vorgeschlagene Person als ungeeignet einzuordnen. 322 Die grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers für die Bindung des Insolvenzrichters an den Vorschlag in diesen Fällen würde andernfalls ad absurdum geführt und die Bestellung im Ergebnis doch wieder ermessensabhängig. Daher muss auch die Feststellung der Nichteignung an konkrete Anhaltspunkte geknüpft werden. Diese Anhaltspunkte dürfen aber nicht vollständig jene sein, die der Richter bei seiner eigenen Vorauswahlliste anlegt, denn das liefe in der Sache jedenfalls faktisch wieder auf ein Abstreifen der Bindung zugunsten der gelisteten Verwalter hinaus. Im Ergebnis kann daher die Nichteignung nur bejaht bzw. die Eignung verneint werden, wenn der Vorgeschlagene offensichtlich nicht die personellen und organisatorischen Anforderungen an das konkrete Verfahren erfüllt und es daher feststeht, dass er nicht die Gewähr für eine ordnungsgemäße Insolvenzverwaltung erfüllt. Beispielsweise könnte die Eignung in einem großen Verfahren, das auf Betriebsfortführung ausgerichtet ist, verneint werden, wenn feststeht, dass der Insolvenzverwalter keine Erfahrungen damit hat. 323 Richtigerweise ist es auch nicht erforderlich, einen namentlichen Personalvorschlag und ein begleitendes Anforderungsprofil zu kombinieren, um die Bindung des Gerichts herbeizuführen. Soweit im Schrifttum eine andere Auffassung vertreten wird,550) erscheint dies mit der Konzeption des § 56a Abs. 2 InsO nicht vereinbar, weil der Gesetzgeber dem vorläufigen Gläubigerausschuss gerade die Wahl lassen wollte, ob er dem Richter nur ein Anforderungsprofil vorgibt oder einen konkreten Personenvorschlag macht. b)

Einfluss der Zertifizierung

324 Auf dieser Grundlage ist nun auf die Bedeutung der Zertifizierungen einzugehen. Sind die vorgeschlagenen Bewerber nach den maßgeblichen Zertifizierungswerken zertifiziert, dürfte das Gericht regelmäßig weder einen Grund noch ein Recht dazu haben, die Nichteignung des Bewerbers im Hinblick auf die Kanzleiorganisation anzunehmen. Das kommt noch in Betracht bei der bloßen Basiszertifizierung nach der ISO 9001:2015. Werden dagegen die GOI eingehalten, kann die Nichteignung nur unter den besonderen Umständen des Einzelfalls ausgesprochen werden, etwa weil im konkreten Fall ersichtlich besondere Fähigkeiten ___________ 550) Frind, ZInsO 2011, 2249, 2257.

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VI. Bindung des Insolvenzgerichts an die Zertifizierungen bei der Auswahl

erforderlich sind, die der vorgeschlagene Verwalter nicht hat. Insbesondere dann, wenn die noch anspruchsvollere Zertifizierung nach der InsO Excellence gegeben ist, kann die Nichteignung kaum unter Hinweis auf eine mangelnde fachliche oder infrastrukturelle Organisation des Verwalters oder des Verwalterbüros angenommen werden. Insbesondere darf das Gericht die Zertifizierungen nicht mangels normativer Kraft der Zertifizierung unberücksichtigt lassen. Sie ermöglichen eine belastbare Aussage über die pflichtkonforme Aufgabenerfüllung und die dafür bestehende Gewähr und beschreiben (mindestens) das, was man vom Insolvenzverwalter nach den Anschauungen des Verkehrs als Qualitätsstandard erwarten kann. Ein zertifizierter Verwalter in diesem Sinne kann zwar im jeweiligen Einzelfall 325 durchaus ungeeignet sein, aber konkrete Anhaltspunkte für die Nichteignung können dann allenfalls mit den besonderen Umständen des Falles (z. B. fehlende Sprachkenntnisse in einem internationalen Fall) begründet werden, nicht aber mit dem Umstand, dass keine hinreichenden Informationen über den Kandidaten oder erzielte Verfahrensergebnisse vorlägen oder damit, dass der Vorgeschlagene nicht die vom Gericht sonst verlangten Vorauswahlkriterien hinsichtlich seines infrastrukturellen Umfelds erfülle oder dies nicht geprüft sei. Wie oben aufgezeigt, sind mit den GOI und der InsO Excellence bereits zahlreiche eignungsrelevante Merkmale abgeprüft. Das Gericht kann sich darauf verlassen und muss dies insoweit auch, wenn es in der Kürze der Zeit entsprechende Prüfungen nicht selbst bewerkstelligen kann. Ein Gericht, dass die Zertifizierung schon wegen ihrer Natur als privat gesetzte 326 Regeln außer Betracht lässt, verstieße genauso gegen seine Pflicht zur sachgerechten Ermittlung der Information wie ein Gericht, das von einem Bewerber (für eine Vorauswahlliste) vorgelegte Bewerbungsunterlagen vollständig ignorierte. 3. Gewöhnliche Bestellung durch das Insolvenzgericht Damit ist nun auf die gewöhnliche Auswahl des Insolvenzverwalters einzuge- 327 hen. Dabei ist im Ausgangspunkt von dem weiten Auswahlermessen des Gerichts und dem Beurteilungsspielraum bei der Messung der Umstände an den Eignungskriterien auszugehen. a) Auswahl kann ermessensfehlerhaft sein Allerdings hat auch das Bundesverfassungsgericht betont, dass eine mit Blick 328 auf die Eigenheiten des konkreten Verfahrens und die spezielle Eignung der Bewerber sachgerechte und damit pflichtgemäße Ermessensausübung bei der Bestellung erfolgen muss.551) Es handelt sich keineswegs um eine gesetzesfreie, sondern vielmehr an den Zielen des Insolvenzverfahrens zu orientierende Aus___________ 551) BVerfG, 23.5.2006, 1 BvR 2530/04, NZI 2006, 453 Rz. 45.

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Teil B Qualitätsmessung und Bedeutung von Zertifizierungen bei der Verwalterauswahl

wahl. Es ist auch anerkannt, dass der Insolvenzrichter bzw. der Staat gemäß § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG für eine fehlerhafte Auswahl ebenso wie für die fehlende Abberufung eines ungeeigneten Bewerbers haftet.552) 329 Dazu schreibt Graeber:553) „Das Insolvenzgericht hat hierbei zu versuchen, den nach Bedarf und Einzelfall bestmöglichen Insolvenzverwalter zu bestellen. Dieser sollte Erfahrungen mit den zu erwartenden Schwierigkeiten des Insolvenzverfahrens vorweisen. Die Entscheidung des Insolvenzgerichts ist u. a. daran zu orientieren, ob das eröffnete Insolvenzverfahren mehr von rechtlichen oder von wirtschaftlichen Fragestellungen geprägt sein wird. Es ist davon auszugehen, dass nicht jeder Verwalter in der Lage ist, jedes Verfahren zu bewältigen.“

330 Auf dieser Grundlage ist die Bestellungsentscheidung jedenfalls dann ermessensfehlerhaft, wenn die Grenzen des Ermessens überschritten sind oder bei der Feststellung der Eignung der Beurteilungsspielraum nicht eingehalten wurde. Davon kann dann ausgegangen werden, wenn bestimmte, entscheidungsrelevante Aspekte bei der Entscheidung nicht gewürdigt wurden bzw. anerkannte Bewertungsmaßstäbe überschritten werden oder sachfremde, weil nicht durch den Zweck der Norm gedeckte Erwägungen angestellt werden.554) b)

Zertifizierungen sind bei der Ermessensentscheidung einzubinden

331 Unter dieser Prämisse kann von einer pflichtgemäßen Beurteilung der Eignung einerseits und einer pflichtgemäßen Ermessensausübung bei der Auswahl zwischen mehreren Verwaltern andererseits dann keine Rede sein, wenn maßgebliche Parameter, die für die Prognose über den unter den gegebenen Umständen des Falles bestmöglichen Insolvenzverwalter beachtlich sind, bei der Entscheidung nicht einfließen. Das Insolvenzgericht muss nach anerkannten Kriterien, die für § 56 InsO gelten, die fachlichen und sachlich-organisatorischen Voraussetzungen des Verwalters prüfen und dies in seine Entscheidung einbeziehen. 332 Liegt eine Zertifizierung vor, insbesondere jene nach den GOI oder die noch weitergehende Zertifizierung nach InsO Excellence, so darf das Gericht diese Zertifizierung, bzw. genauer: den damit verbundenen Beleg einer infrastrukturellen Leistungsfähigkeit des Verwalterbüros nicht unberücksichtigt lassen. 333 Zu beachten ist, dass sich die Auswahlentscheidung nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Gesetzes (§ 1 InsO) an den Interessen der Gläubiger (und des Schuldners) orientieren muss.555) Zwar gilt nicht das Prinzip der Bestenauslese im strengen beamtenrechtlichen Sinne, weil insbesondere Kon___________ 552) K/P/B-Lüke, § 56 Rz. 61. 553) Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 23 (Hervorhebung hinzugefügt). 554) Vgl. zu den Ermessensfehlern statt vieler Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40 Rz. 62 ff. 555) BVerfG, 23.5.2006, 1 BvR 2530/04, NZI 2006, 453 Rz. 33.

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VI. Bindung des Insolvenzgerichts an die Zertifizierungen bei der Auswahl

kurrentenklagen vermieden werden müssen und die Auswahl zügig erfolgen muss, aber gleichwohl besteht das Ziel der Ermessensausübung darin, den für das spezielle Verfahren optimalen, bestmöglichen Verwalter auszuwählen. aa)

Zertifizierung erhöhen Chance auf optimierte Masseabwicklung

Auf dieser Grundlage wäre es fehlerhaft, eine Zertifizierung als Ausdruck der 334 Einhaltung geordneter Verfahrensgrundsätze und teils anspruchsvoller Standards außer Betracht zu lassen. Sonst würden maßgebliche Entscheidungsparameter nicht berücksichtigt, denn diese Zertifizierungen als Qualitätsnachweise berücksichtigen alle maßgeblichen Aspekte, die für die Eignung im Hinblick auf die organisatorischen Anforderungen relevant sind, und sie gehen vielfach noch darüber hinaus. Zwar ist Zertifizierung für sich selbst genommen nicht (alleinige) Grundlage der Bestellung,556) wohl aber wegen der damit verbundenen Darlegung einer Gewähr für die Erfüllung der an § 1 InsO orientierten Pflichten und Aufgaben des Insolvenzverwalters zu berücksichtigen, weil sie einen Nachweis liefert, den das Gericht sonst auf eigener Basis ermitteln und stets aktuell halten müsste. Die Einhaltung der Regelwerke gibt keine vollständige Gewähr, wohl aber wegen der Strukturierung der internen Abläufe eine – im Vergleich mit nicht zertifizierten Verwaltern – zumindest tendenziell erhöhte Chance auf eine optimierte Masseabwicklung. Insofern lässt sich bereits festhalten, dass die Zertifizierungsvorgaben – neben 335 dem Seriositätsindiz – zugleich Ausdruck eines im Verkehrskreis anerkannten Best-Practice-Standards sind und den vom Insolvenzverwalter zu erwartenden Sorgfaltsmaßstab beeinflussen. In der Literatur heißt es dazu mit Recht:557)

336

„Erleichtert wird die Auswahlentscheidung auch durch die nachgewiesene Spezialisierung und Qualifizierung potentieller Insolvenzverwalter durch Erlangung der einschlägigen Zertifikate (InsO-Excellence, ISO 9001, InsO 9001), die immer strenger werdenden Anforderungen, die die einzelnen Insolvenzverwalter und ihre Kanzleien im Zuge der Zertifizierungs-Audits zu erfüllen haben, gewährleisten die notwendige Qualität der Abwicklung durch qualifizierte Verwalter. Abweichungen wird es damit bei zertifizierten Verwaltern lediglich noch im Bereich der sogenannten Softskills geben, die insbesondere bei Großverfahren zwangsläufig die Auswahl des Insolvenzverwalters bestimmen. Denn hier sind die auf der Persönlichkeit des Verwalters beruhende hohe Akzeptanz und das Vertrauen bei allen Beteiligten des Verfahrens von ausschlaggebender Bedeutung, wobei Durchsetzungsfähigkeit, Führungsstärke, Verhandlungsgeschick, Auftreten und allgemeine Seriosität und Bonität nicht messbare, aber gleichwohl entscheidende Größen sind.“

___________ 556) Vgl. insoweit Siemon, NZI 2017, 741, 743. 557) Nerlich/Römermann-Mönning, InsO, § 21 Rz. 105.

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Teil B Qualitätsmessung und Bedeutung von Zertifizierungen bei der Verwalterauswahl

337 Das bedeutet nicht, dass eine Auswahl eines nicht zertifizierten Verwalters zwingend ausgeschlossen wäre, wohl aber, dass der Umstand, dass über die Zertifizierung eine verlässliche Ablauf- und Büroorganisation und die Einhaltung der ordnungsgemäßen Grundsätze der Berufsausübung gewährleistet wird, nicht ohne Weiteres in Frage gestellt werden kann und dass diese Eignung bei anderen nicht zertifizierten Verwaltern auf anderer Grundlage geprüft sein muss oder müsste. Die Zertifizierung erleichtert insoweit die Nachprüfbarkeit der Eignungsprüfung und der Auswahl zwischen mehreren Bewerbern und sie verhindert zugleich, dass nicht objektiv überprüfbare Kriterien wie z. B. das „Vertrauen“ des Richters die Entscheidung beeinflussen.558) Die Zertifizierung ist in diesem Sinne eine gewisse „Eignungsvermutung“ hinsichtlich der sachlichen Aspekte der Verwalterauswahl. 338 Zwar sind Zertifizierungen bei der konkreten Bestellung nicht im strengen Sinne für das Gericht bindend, weil sie nicht auf einen konkreten Einzelfall abzielen. Im Einzelfall können auch nicht zertifizierte Verwalter in Betracht kommen, ebenso wie zertifizierte Verwalter ausscheiden mögen (etwa mangels Branchenerfahrung oder fehlender Unabhängigkeit). 339 Dennoch sind Zertifizierungen entgegen Frind nicht schon deshalb für das Gericht unverbindlich, weil das Gericht dann die Zertifizierungshandbücher zur Kenntnis nehmen und daraufhin überprüfen müsste, ob vom Gericht für notwendig angesehene Abläufe darin enthalten sind.559) Damit wird nicht hinreichend gewürdigt, dass andere Bewerbungsunterlagen eines Bewerbers auch zur Kenntnis zu nehmen wären. Vor allem liegt in der Kritik auch eine Überbetonung des Spielraums des Gerichts, bestimmte Abläufe für notwendig oder nicht notwendig anzusehen. Bei den GOI und der InsO Excellence handelt es sich um insolvenzspezifische Standards, die – mit unterschiedlichem Detaillierungsgrad – anerkannte Standards des angesprochenen Verkehrskreises darstellen und damit gerade in Ermangelung gesetzlicher Konkretisierungen die allgemeinen Sorgfaltspflichten des Insolvenzverwalters und qualitativ hochwertige Insolvenzverwaltung beschreiben. Das einzelne Gericht kann sich nicht ohne Weiteres von dem im relevanten Verkehr vorherrschenden Verständnis guter Insolvenzverwaltung lösen; jedenfalls wäre dies begründungsbedürftig. bb)

Zertifizierung kann Rückgriff auf veraltete gerichtliche Daten entbehrlich machen

340 Das gilt insbesondere dann, wenn das jeweilige Insolvenzgericht selbst nicht über die Kapazitäten oder die Daten verfügt, um die Qualität des Insolvenz___________ 558) Zum Vertrauen als untauglichem Kriterium Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, § 56 Rz. 23. 559) Frind, NZI 2008, 518, 519.

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VI. Bindung des Insolvenzgerichts an die Zertifizierungen bei der Auswahl

verwalters in einem objektiv nachprüfbaren Sinne einzuschätzen. Der vom BGH und vom Bundesverfassungsgericht angesprochenen Pflicht des Insolvenzgerichts, die Daten zur Eignung des Bewerbers zu verifizieren, kann das Gericht bei Fehlen eigener Kapazitäten auch dadurch gerecht werden, dass es die Zertifizierung als Ausweis ordnungsgemäßer Einrichtung des infrastrukturellen Umfelds des Verwalters ansieht. Zu beachten ist auch Folgendes: Das Gericht muss – wie oben angesprochen – 341 die Eignung nach aktuellen Informationen beurteilen. Die Zertifizierungen ermöglichen eine aktuelle Aussage, weil sie eine Überprüfung in engen Zeitabständen erfordern. Es wäre mit dem Eignungserfordernis nicht kongruent und daher ermessens- 342 fehlerhaft, wenn sich das Gericht auf veraltete Informationen aus einem Jahre zurückliegenden Listungsverfahren stützte, statt auf aktuelle Nachweise, wie sie mit einer Zertifizierung belegt sind. Eine Auswahlentscheidung, die einen Bewerber beispielsweise wegen der im Listungsverfahren angegebenen Sprachkenntnisse der Mitarbeiter einem anderen Bewerber vorzieht, wäre möglicherweise rechtswidrig, wenn die Sprachkenntnisse im Verwalterbüro nach Weggang der Mitarbeiter mittlerweile (möglicherweise) gar nicht mehr verfügbar sind. Soweit Frind meint, die Grundlagen der Zertifizierung seien für die Gerichte 343 nicht überprüfbar,560) trifft dies schon deshalb nicht zu, weil die Bewertungsgrundlagen für die GOI und die InsO Excellence offengelegt sind und die Zertifizierung durch eine akkreditierte, unabhängige Zertifizierungsstelle erfolgt. Darauf kann sich das Gericht verlassen, wenn andere objektiv prüfbare Umstände nicht verfügbar oder in der Kürze der Zeit nicht erhältlich sind oder das Gericht keine eigene Überprüfung in strukturierter Form vornehmen kann. cc)

Zertifizierung als außergerichtliche Überprüfung der Verwaltertätigkeit

Letztlich gilt, dass die Zertifizierungen eine außergerichtliche Überprüfung der 344 Verwaltertätigkeit darstellen, und anders als gerichtliche Erhebungen stets aktuell gehalten werden. Graeber formuliert mit Recht, dass diese Überprüfung in Gestalt der Zertifizierung regelmäßig zu beachten ist. Er schreibt:561) „Entsprechend sollte der Insolvenzrichter versuchen, auch einen Überblick über die Qualität der Leistungen der Bewerber zu erlangen. Neben der Prüfung der von den Verwaltern abgewickelten Verfahren kann sich hierbei auch eine Überprüfung außerhalb des Insolvenzgerichts anbieten. Bei einer Vergleichbarkeit der hierbei gewonnenen Ergebnisse und Beurteilungen wird eine Bevorzugung der besonders gut wirtschaftenden Verwalter im Interesse der Insolvenzgläubiger und des Schuldners sein, wenn nicht besondere Gründe (Interessenkollision, Überlastung u. ä.) im Einzelfall dagegen sprechen.“

___________ 560) Frind, in: HambKomm-InsO, § 56 Rz. 15; Frind, NZI 2008, 518, 519. 561) Graeber, in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 125 (Hervorhebung hinzugefügt).

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Teil B Qualitätsmessung und Bedeutung von Zertifizierungen bei der Verwalterauswahl

dd)

Auswahl nach den Spezifika des Verfahrens

345 Im Übrigen gilt, dass die Auswahl des Verwalters auch die Art des konkreten Verfahrens und dessen Spezifika berücksichtigen muss. Auch insoweit kann und muss sich das Gericht auf die Zertifizierungen stützen und sich daran zumindest orientieren. So zeigt sich beispielsweise, dass die InsO Excellence einen Schwerpunkt auf größere Verfahren und die Betriebsfortführung legt (siehe Rz. 294 ff.). In Betriebsfortführungsverfahren kann das Gericht in der Zertifizierung nach InsO Excellence daher ein – im Lichte der Umstände zu gewichtendes – Indiz für eine Betriebsfortführungskompetenz des Verwalters erkennen. Eine völlige Missachtung der mit der Zertifizierung zum Ausdruck gebrachten Kompetenz für die Betriebsfortführung wäre daher womöglich ermessensfehlerhaft, insbesondere und jedenfalls dann, wenn andere gewichtige und objektiv überprüfbare Umstände, die eine Auswahl eines nicht zertifizierten Verwalters nahelegen, nicht ersichtlich sind bzw. die Betriebsfortführungskompetenz des nicht zertifizierten Verwalters nicht gleichermaßen verlässlich dokumentiert ist. 346 Entsprechendes gilt auch sonst für große Verfahren; hier trifft etwa die InsO Excellence für eine ausreichende Kapazitätsprüfung Vorsorge (Kriterium Nr. 114 – 115); zudem werden partiell auch Konzernsachverhalte angesprochen. Daher erlauben die Zertifizierungen gewisse Rückschlüsse auf die infrastrukturelle Leistungsfähigkeit des Verwalterbüros in Großverfahren und insbesondere auch in Konzernverfahren mit einheitlichem Verwalter oder etwa auch in komplexen Koordinationsverfahren nach den neuen §§ 269a ff. InsO. 4.

Zwischenergebnis

347 Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Zertifizierungswerke als Eignungsnachweis in der ermessensabhängigen Auswahlentscheidung Berücksichtigung finden können und müssen. Das Gericht kann die Zertifizierung als verlässlichen Maßstab für die Verwalterbewertung im Hinblick auf die sachbezogenen Aspekte nehmen. Das gilt umso stärker, je detaillierter die Zertifizierungsregeln die insolvenzspezifischen Besonderheiten einbeziehen und je weniger das Gericht selbst in der Lage ist, eine Überprüfung der Kanzlei vorzunehmen. Andere Arten der Qualitätsmessung, insbesondere die direkte Ergebnismessung mittels Verfahrenskennzahlen, können nicht in gleicher Weise eine objektiv nachprüfbare, belastbare und vergleichbare Aussage treffen. 348 Die Pflicht zur Berücksichtigung von Zertifizierungen bedeutet nicht, dass nicht zertifizierte Verwalter zwingend nicht berücksichtigt werden dürften und stets und ausnahmslos zertifizierte Verwalter zu wählen wären. Wohl aber sind die Zertifizierung und der damit zum Ausdruck gebrachte Eignungs- und Seriositätsnachweis bei der Auswahl in die Waagschale zu werfen. Ihre vollständige Nichtberücksichtigung macht die Auswahl ermessensfehlerhaft; ihre fehlende hinreichende Gewichtung kann zu einer ermessensfehlerhaften Auswahl füh-

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VI. Bindung des Insolvenzgerichts an die Zertifizierungen bei der Auswahl

ren, insbesondere wenn andere gewichtige und besondere Umstände zugunsten nicht zertifizierter Verwalter im engeren Kreis der Kandidaten nicht ersichtlich sind. Das gilt insbesondere dann, wenn das Gericht keine verlässlichen eigenen und in ähnlicher Weise belastbaren Erkenntnisse über die Eignung der Kandidaten zur Verfügung hat. Auf veraltete Daten darf das Gericht seine Auswahlentscheidung nicht verlässlich stützen. Erst recht bildet die Zertifizierung einen Hinweis auf die Eignung (bzw. das 349 Fehlen der Ungeeignetheit) in den Fällen des § 56a Abs. 2 InsO bei einem Personenvorschlag des vorläufigen Gläubigerausschusses; in diesen Fällen kommt eine Ablehnung durch das Gericht kaum und nur wegen etwaiger Besonderheiten des Verfahrens in Betracht. Die konkrete Auswahl folgt zwar nicht dem verfassungsrechtlichen Prinzip der 350 Bestenauslese, wohl aber einfachrechtlich dem Ziel, einen für das Verfahrensziel bestmöglichen Verwalter zu finden.562) Daher dürfen je nach Größe des Verfahrens nur bestimmte Verwalter mit leistungsfähiger Büroorganisation ausgewählt werden.563) Insoweit müssen Kompetenznachweise und Verlässlichkeitsindizien wie die Zertifizierungen nach GOI und InsO Excellence Beachtung finden, weil sie das Verkehrsverständnis darüber zum Ausdruck bringen, was von einem guten Verwalter und einer ordnungsgemäßen Arbeitsorganisation im Lichte der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung erwartet werden kann. 5.

Vorgaben für Gläubigerausschussmitglieder

Mitglieder des (vorläufigen) Gläubigerausschusses sind in den Fällen des § 56a 351 InsO in die Bestellung des Insolvenzverwalters eingebunden. Auch Gläubigerausschussmitglieder unterliegen bei ihrem Vorschlag zum Insolvenzverwalter der Pflicht, den bestmöglichen Verwalter vorzuschlagen. Nach Auffassung der Rechtsprechung hat der Gläubigerausschuss bei seiner Tätigkeit die Interessen aller Verfahrensbeteiligten zu wahren.564) Daher müssen sich die Entscheidungen des Gläubigerausschusses an der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung orientieren.565) Eine pflichtwidrige Handlung kann gemäß § 71 InsO haftbar machen. Auf dieser Grundlage kann für das Vorschlagsrecht nichts anderes gelten als für 352 den Insolvenzrichter selbst. Das ist schon deshalb einleuchtend, weil der Gläubigerausschuss bei § 56a InsO partiell an dessen Stelle tritt, soweit das Gericht an den Vorschlag oder das Anforderungsprofil gebunden ist. Sowohl das Gericht als auch der Gläubigerausschuss müssen das Verfahrensziel des § 1 InsO fördern helfen. ___________ 562) 563) 564) 565)

Riedel, in: HK-InsO, § 56 Rz. 22. Riedel, in: HK-InsO, § 56 Rz. 22. BGH, Urt. v. 11.11.1993 – IX ZR 35/93, BGHZ 124, 86, 93 = NJW 1994, 453, 454. K. Schmidt-Jungmann, InsO, § 69 Rz. 4.

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Teil B Qualitätsmessung und Bedeutung von Zertifizierungen bei der Verwalterauswahl

353 Es folgt, dass ein Vorschlag des Gläubigerausschusses, der Zertifizierungen bei dieser Entscheidung unberücksichtigt lässt, ebenso wie die gerichtliche Auswahlentscheidung unter bestimmten Umständen pflichtwidrig sein kann und daher auch ein gewisses Haftungsrisiko beinhalten kann. VII. Gesamtergebnisse 354 1. Bei der Auswahl des Insolvenzverwalters hat sich die Feststellung der Eignung i. S. d. § 56 InsO an dem Ziel einer bestmöglichen Gläubigerbefriedigung und den Verfahrenszielen zu orientieren. Das Gericht hat ein Auswahlermessen, das aber pflichtgemäß auszuüben ist. 355 2. Zu den Unterkriterien der Eignung gehört auch die Qualität der Insolvenzverwaltung. 356 3. Eine Qualitätsmessung kann nur mit großer Zurückhaltung im Wege einer direkten gerichtlichen Ergebnismessung anhand von bestimmten Kennzahlen und Informationen aus vergangenen Insolvenzverfahren erfolgen. 357 4. Eine indirekte Qualitätsmessung kann sich über die Zertifizierung der internen Arbeitsaufläufe des Verfahrensmanagements sowie die insolvenzspezifische Beurteilung des Verwalterbüros und seiner Büroorganisation ergeben, weil die sachgerechte Organisation des Verfahrensmanagements ebenso wie die entsprechende Infrastruktur die Voraussetzungen für eine bestmögliche Gläubigerbefriedigung schafft und insofern unmittelbar die Eignung des Insolvenzverwalters i. S. d. § 56 InsO betrifft. 358 5. Die Zertifizierung nach ISO 9001:2015 beinhaltet eine Basiszertifizierung ohne Rücksicht auf die konkreten Besonderheiten der Insolvenzverwaltung. Demgegenüber sprechen die GOI und die InsO Excellence die Erfordernisse der in einem Insolvenzverfahren zu erwartenden Vorgänge und Abläufe an und können als Ausdruck der Sorgfaltsstandards der Insolvenzverwaltung angesehen werden. Die InsO Excellence geht dabei in dem Detaillierungsgrad ihres Kriterienkatalogs über die GOI hinaus und adressiert manche Themenbereiche spezifischer, wie z. B. Betriebsfortführungs- und Großverfahren. 359 6. Zertifizierungen sind für das Gericht bei der Bestellung des Insolvenzverwalters nicht schon deshalb unbeachtlich, weil sie auf privaten Regelwerken beruhen. Soweit sie und weil sie gelebte und anerkannte Grundregeln einer sorgfältigen und qualitativ hochwertigen Insolvenzverwaltung darstellen, muss der mit der Zertifizierung erbrachte Nachweis dieser Sorgfältigkeit und Kompetenz berücksichtigt werden. 360 7. Die Auswahl eines Verwalters ohne Berücksichtigung des mit der Zertifizierung erbrachten Belegs einer leistungsfähigen Büro- und Prozessorganisation kann ermessensfehlerhaft sein und die Grenzen des Beurteilungsspielraums bei der Eignungsprüfung und des Ermessensspielraums bei der Auswahlentscheidung überschreiten. Das gilt insbesondere dann, wenn das Gericht 128

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VII. Gesamtergebnisse

keine verlässlichen eigenen und in ähnlicher Weise belastbaren und aktuellen Erkenntnisse über die Eignung und Qualität der Kandidaten und ihrer Büroorganisation zur Verfügung hat. Die Zertifizierungen bilden einen durchaus verlässlichen Nachweis eines entsprechenden infrastrukturellen Umfelds und eines im Allgemeinen sorgfältigen Verfahrensmanagements. 8. Erst recht bildet die Zertifizierung einen Hinweis auf die Eignung (bzw. das 361 Fehlen der Ungeeignetheit) in den Fällen des § 56a Abs. 2 InsO bei einem Personenvorschlag des vorläufigen Gläubigerausschusses. In diesen Fällen darf das Gericht ohnedies nur die offenkundige Nichteignung des Vorgeschlagenen feststellen. 9. Ein Vorschlag des Gläubigerausschusses, der den Aussagegehalt von Zerti- 362 fizierungen bei dieser Entscheidung unberücksichtigt lässt, kann ebenso wie die gerichtliche Auswahlentscheidung unter bestimmten Umständen pflichtwidrig sein und daher auch ein gewisses Haftungsrisiko für die Gläubigerausschussmitglieder beinhalten.

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Stichwortverzeichnis Akteneinsicht

153 ff. – Insolvenzrichter 159, 167 – Recht auf informationelle Selbstbestimmung 155 Amtsermittlungsgrundsatz 82, 182 – Anwendbarkeit 49 ff. – Grenzen 147 f. – Informationsaustausch 143 ff. – Insolvenzgericht 48 ff. – Rechtsfolgen 53 Auswahlermessen – Insolvenzgericht 6, 18, 186, 192 ff., 204, 327 – Insolvenzrichter 199 f. – Zertifizierungen 310 ff.

Datenerhebung

39 ff., 53, 83 ff., 90,

143 ff., 184 Datenschutz 158, 160 ff. Datenverifizierung 37, 54 ff., 90, 141, 143 ff. Delisting 169 ff. Dienstleistungsrichtlinie (DL-RL) 67 ff., 82, 137 – Anwendungsbereich 68 f. – Konsequenzen 70 ff.

Eigenverwaltender Schuldner

9 ff.

Eignung 83 ff., 199 ff. – fachliche 85 ff. – formale Qualifikation 86 ff. – Fremdsprachenkenntnisse 93 f. – praktische Erfahrungen 89 f. – Spezialkenntnisse 91 f. – Kriterien 17 ff. – persönliche 95 ff. – Alter 111 ff. – Bonität 124 ff. – Höchstpersönlichkeit 108 ff.

– Integrität und Zuverlässigkeit 115 ff. – Softskills 131 ff.; s. a. Softskills – Unabhängigkeit 96 ff. – Rechtsprechung 31, 204 – sachliche 135 ff. – Büroorganisation 139 ff. – Ortsnähe 136 – Schrifttum 207 – Verhältnismäßigkeitsprüfung 24 ff. Eignungskriterien s. Eignung Ermessen s. Auswahlermessen

Fragenkataloge

2, 180

Gläubigerausschuss (vorläufiger) 8, 11 ff., 156, 318, 351 ff., 361 – Mitglieder 351 ff. Gläubigerorgane 10 ff. Gläubigerversammlung 14 f. GOI (VID-Cert) 183, 248, 272, 281 ff., 296, 339, 358

Informationsaustausch – Amtsermittlungsgrundsatz 147 – im Wege der Rechtshilfe 149 – Meinungsstand 145 – von Amts wegen 169 ff. – zwischen Insolvenzgerichten 143 ff. InsO Excellence 142, 183, 248, 294 ff., 309, 358 Insolvenzgericht – Amtsermittlungsgrundsatz 49 ff. – Auskunftsrecht 56 f.

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Stichwortverzeichnis

– Auswahl Insolvenzverwalter 327 ff. – Auswahlermessen 199 f. – Differenzierung Neu-/Altbewerber 59 ff. – Informationsaustausch 143 ff. – Zertifizierungen 311 ff. Insolvenzrichter – Akteneinsicht 159, 178 – Auswahlermessen 193, 199 ff. – Eignungsprüfung 163 ff. Insolvenzverwalter 1 ff., 26 f., 82 – Eignung 83 ff. – Höchstpersönlichkeit 108 ff. – Nachweispflicht 58 – Offenbarungspflicht 55 ff. – Unabhängigkeit 96 ff. Insolvenzverwalterbestellung 5 ff. – Auswahl 183 ff. – gesetzliche Grundlagen 5 ff. – Qualität 221 ff. – Zertifizierung 248 ff. ISO 9001:2015 275 ff. ISO 9001:2016 142 ISO 9001:2017 183 ISO 9001:2018 248 ISO 9001:2019 358

Mitwirkungsobliegenheiten Offenbarungspflicht

54 ff.

55, 99, 121

Qualität

s. Verwalterauswahl – Qualität und Verwalterqualität Qualitätsmessung – Kennzahlen und Informationen 223 ff. – Zertifizierung 225 ff., 248 ff.

Richtlinie Präventive Restrukturierungsrahmen (RRL-E) 66, 74 ff., 82 – Anwendungsbereich 75 132

– Ergebnis und Zeitrahmen 80 – relevante Regelungen 76 ff.

Sachwalter

8 ff. Softskills 131 ff., 336

Verhältnismäßigkeitsprüfung

24 ff., 73, 163 ff. Verschwiegenheitspflicht, anwaltliche 102 ff. Verwalterauswahl 183 ff. – gesetzliche Grundlagen 185 ff.; s. a. Insolvenzverwalterbestellung – gesetzliche Grundlagen – Qualität 213 ff. Verwalterqualität 221 ff. – Qualitätsmessung 223 ff. – Zertifizierung 248 ff. Vorauswahllisten 1, 7, 11, 82, 138, 182, 186 – Inhalt und Gestaltung 37 ff. – Gestaltungsspielraum 42 – zu erhebende Daten 38 ff. Vorauswahlverfahren – Abgrenzung zur Aufnahme auf die Vorauswahlliste 43 ff. – allgemeine Grundsätze 4 ff. – Amtsermittlungsgrundsatz 49 ff. – Anforderungen der Rechtsprechung 16 ff. – Datenerhebung 38 ff. – Datenverifizierung 54 ff. – Eignungskriterien 83 ff.; s. a. Eignung – Informationsgewinnung 34 ff. – Vorauswahllisten 37 ff.

Zertifizierung – als aktuelle Aussage 270 f. – als Überprüfung der Verwaltertätigkeit 344 – Aussagekraft 272

Stichwortverzeichnis

– Bindung des Insolvenzgerichts 310 ff. – Einfluss 324 ff. – Fälle des § 56a InsO 317 ff. – GOI (VID-Cert) 281 ff. – InsO Excellence 294 ff.

– ISO 9001:2015 275 ff. – optimierte Masseabwicklung 334 ff. – Seriositätsindiz 269 – Verfahrensspezifika 345 f. – Wesen 249

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