Die Versicherung für fremde Rechnung an der Schadensversicherung [Reprint 2021 ed.] 9783112432501, 9783112432495

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Die Versicherung für fremde Rechnung an der Schadensversicherung [Reprint 2021 ed.]
 9783112432501, 9783112432495

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DIE

VERSICHERUNG FÜR FREMDE RECHNUNG IN DER SCHADENSVERSICHERUNG VON

Dß. Iüß. WALTER FISCHER

LEIPZIG V E R L A G VON V E I T & COMP. 1913

Leipziger juristische Inauguraldissertation.

Bruck von Metzger & Wittig in Leipzig.

Inhalt. Seite

Einleitung

1 § 1. Einheitliche Regelung der V. f. f. R. im VVG. und im HGB. — Das Vorkommen der V. f. f. R. und ihre Bedeutung im Verkehrsleben

I. Begriff, Voraussetzungen und juristische Natur der V. f. f. R § 2. Begriff, Gegenstand und systematische Stellung der V. f. f. R

1 3 3

Die V. f. f. R. ist Versicherung eines fremden Interesses im eigenen Namen. — Der Ausdruck „V. f. f. R . " ist ungenau. — Gegenstand der V. f. f. R. ist ein Interesse. — Die V. f. f. R. ist mit Recht im VVG. in der Schadensversicherung geregelt. — Die Arbeit beschäftigt sich nur mit der V. f. f. R. in der Schadensversicherung. § 3. Voraussetzungen der V. f. f. R. im einzelnen I . Es handelt sich um ein f r e m d e s Interesse. — Vereinbarung hierüber. — Es kann bei Vertragsschluß unbestimmt bleiben, ob eigenes oder fremdes Interesse versichert sein soll. Versicherung für Rechnung „wen es angeht". — Verflüchtigung des Interesse-Erfordernisses I I . Der Versicherungsnehmer handelt im eigenen Namen. — Vermutung gegen das Vorliegen direkter Stellvertretung. — Grundsatz vom Verbot der Wettversicherung. Durchführung dieses Grundsatzes dadurch, daß der Interessent grundsätzlich aus dem Vertrage berechtigt wird. Ausnahmen. — Die V. f. f. R. im technischen Sinn III.

§ 782 a. F.

HGB. aufgehoben

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5

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IV

Inhalt. Seite

§ 4. Mehrheit von Interessen bezüglich desselben Objekts

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I. a) Koinzidenzinteressen: es liegt keine V. f. f. R . vor b) Konkurrenzinteressen: sie sind nicht ohne weiteres mitversichert bei Versicherung des Eigentums-Interesses

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I I . Schutz der dinglich Berechtigten in Fällen

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besonderen 14

a) § 1127ff. B G B . : keine V. f. f. R

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b) § 1045f. BGB.: V. f. f. R

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c) kein dingliches Recht des Faustpfandgläubigers an der Versicherungsforderung

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§ 5. Die juristische Konstruktion der V. f. f. R

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I. 1. Sie ist Vertrag zugunsten eines Dritten . . . . 2. Sie ist auch Kommissionsverhältnis im weiteren Sinn II. Abweichende Ansichten

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a) EHRENBERGS A n s i c h t

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b) andere Konstruktionen auf Grund des neueren Reohts

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1. SCHLOSSMANN: D i e V. f. f. R . i s t ein b e s o n d e r s

geartetes, fortschrittlich entwickeltes vertretungsverhältnis

Stell21

2. MÜLLER-ERZBACH : g r u n d s ä t z l i c h wie z u 1 . .

3. SCHNEIDER:

Versicherungsnehmer

und

21

Ver-

sicherter sind Vertragsbeteiligte

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4. JOSEF: g r u n d s ä t z l i c h wie zu 3

23

5. GERHARD-HAGEN: grundsätzlich Vertrag zugunsten eines Dritten

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II. Die Ausgestaltung der V. f. f. R. im einzelnen § 6. Die Pflichten aus dem Versicherungsverträge gegenüber dem Versicherer I. Verschiedene Arten von Pflichten a) Die Prämie zu zahlen, ev. Vertragsstrafen . . .

24 24 24 24

b) Anzeigepflichten

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c) Die übrigen „Obliegenheiten" Unterscheidung zwischen „eigentlichen Rechtsverbindlichkeiten" und „positiven bezw. negativen Voraussetzungen"

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Inhalt.

V Seite

II. Von wem sind die Obliegenheiten zu erfüllen ? . . .

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1. Vom Versicherungsnehmer grundsätzlich stets . 2. Vom Versicherten: zu unterscheiden a) bei Vertragsschluß b) während des Laufs der Versicherung . . .

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§ 7. Die Rechte aus dem Versicherungsvertrage I. Inhalt der Rechte II. Entstehung der Rechte: Sie fallen dem Versicherten mit Vertragsschluß an. — Ausnahme bei Unbestimmtheit des Versicherten. — Anfall bei der Versicherung für Rechnung „wen es angeht". —Keine Annahme, keine Zustimmung erforderlich . . . .

33 33

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III. Die Gläubiger des Versicherten können sich grundsätzlich an die Rechte aus der Versicherung halten, die Gläubiger des Versicherungsnehmers grundsätzlich nicht

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§ 8. Die Zurückweisung der Rechte seitens des Versicherten I. Der Versicherte kann nach § 333 BGB. zurückweisen. — Diese Zurückweisung ist keine „Verfügung" im Sinne des BGB.; sie ist zu unterscheiden vom Verzicht bezw. Erlaß, der echte Verfügung ist. — Annahme als „Befestigung des eingetretenen Rechtserwerbs". — Zurückweisung und Annahme im einzelnen

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II. Folgen der Zurückweisung: die Leistung des Versicherers wird unmöglich. Der Versicherer behält den Anspruch auf die Prämie. — Unanwendbarkeit der §§ 323, 324 BGB., § 68 VVG

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§ 9. Das Verfügungsrecht über die Rechte aus dem Versicherungsvertrage

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I. Verteilung der Verfügungsmacht. Interesse des Verkehrs an der Verfügungsmacht des Versicherungsnehmers

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II. Konstruktion des Verfügungsrechts des Versicherungsnehmers: er verfügt über fremde, ihm nicht zustehende Rechte im eigenen Namen . . . . III. Der Inhalt des Verfügungsrechts

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IV. Unberechtigte Verfügungen

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V. Doppelte und widersprechende Verfügungen . .

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VI. Rechtliche Natur des Versicherungsscheins . .

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VI

Inhalt. Seite

VII. 1. Eigentum am Versicherungsschein, § 952 BGB. — Der Versicherte hat das Eigentum, aber nicht ohne weiteres den mittelbaren Besitz . . . .

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3. Schlechtgläubigkeit des Besitzers

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§ 10. Besonderheiten in der Rechtsstellung des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer und dem Versicherten I. Aufrechnungsbefugnis des Versicherers a) mit Forderungen gegen den Versicherten . . . b) mit Forderungen gegen den Versicherungsnehmer §§ 78 VVG, 890 HGB., 812 a. F. HGB. . . . II. Einwendungen aus dem Vertrage, § 334 BGB. . . III. Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, insbesondere Anwendbarkeit des § 123 I I 2 BGB. . . . IV. Übergang von Ersatzansprüchen auf den Versicherer, § 67 VVG., § 804 HGB § 11. Das Innenverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherten I. Es gehört grundsätzlich nicht dem Versicherungsverhältnis an. Es entsteht aber doch durch die Versicherungsnahme ein bestimmter Kreis von Rechtsbeziehungen, die „mit dem Versicherungsverhältnis stehen und fallen": Das sog. „versicherungsrechtliche Innenverhältnis". Dieses ist z. T. geregelt in § 77 W G . , § 888 HGB II. Das Zurückbehaltungsrecht am Versicherungsschein nach § 77 VVG., § 888 HGB III. Das Vorzugsrecht des Versicherungsnehmers nach § 77 W G . , § 888 HGB IV. Anwendbarkeit der Vorschriften über das handelsrechtliche Kommissionsgeschäft hinsichtlich des versicherungsrechtlichen Innenverhältnisses . . . Anhang

58 58 58 58 60 61 62 63

63 65 66

69 72

§ 12. Die besonderen Fälle des § 85 und § 151 W G . . . . Es liegt eine wirkliche V. f. f. R. im technischen Sinn vor. Literatur

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2. Besitz im Sinne der §§ 75, 76 VVG. (886, 887 HGB.) begreift auch den „mittelbaren Besitz"

72 75

Einleitung. § i. In dem Reichsgesetz über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908 (YY6.) ist im Rahmen der Schadensversicherung der Abschnitt der §§ 74—80 der Versicherung für fremde Rechnung (V. f. f. R.) gewidmet. Eine reichsgesetzliche Regelung dieses Rechtsinstituts fand sich bis zum Inkrafttreten des VV6. nur im H 6 B . unter den Vorschriften über die Seeversicherung. In der Binnenversicherung war Landesrecht maßgebend (Art. 75 EGBGB.). Da es aber an geschriebenem Rechte fehlte, entwickelte sich das Versicherungsrecht im allgemeinen als Gewohnheitsrecht, das sich zumeist in übereinstimmenden Versicherungsbedingungen der größeren Versicherungsgesellschaften niedergeschlagen hatte. Auf diesem so entstandenen Gewohnheitsrecht beruht im wesentlichen das VVG., das nun auch für die V. f. f. R. an Stelle eines immerhin unsicheren Gewohnheitsrechts Einheitlichkeit und Rechtssicherheit gesetzt hat. Hierzu kommt, daß die Vorschriften des HGB. über Seeversicherung, die neben dem VVG. in Kraft geblieben sind, durch das Gesetz vom 30. Mai 1908 betr. Änderung der Vorschriften des HGB. über Seeversicherung hinsichtlich der V. f. f. R. mit dem VVG. in Einklang gebracht worden sind, so daß jetzt für das Institut der V. f. f. R. einheitliches Reichsrecht für Seeund Binnenversicherung gilt. Diese einheitliche gesetzliche Regelung war ein dringendes Bedürfnis des modernen Verkehrs. Wie dieser überhaupt die gewaltige Entwicklung des gesamten Versicherungswesens hervorgerufen hat, so heischte er auch eine feste Grundlage für die Versicherungsform, bei der der Versicherungsnehmer nicht wie im FISCHER, Versicherang für fremde Rechnung.

1

2

Einleitung.

allgemeinen sein e i g e n e s Interesse versichert, sondern ein f r e m d e s. Hierum handelt es sich bei der V. f. f. E . „Eine Y. f. f. E. liegt vor, wenn der, welcher den Vertrag mit dem Versicherer im eigenen Namen abschließt, durch diesen Vertrag das Interesse eines andern versichert" (Begr. zu § 74). Die Fälle, in denen eine solche Versicherung eingegangen wird, sind sehr häufig. Die Begründung zum VVG. (zu § 74) zählt auf: Kommissionäre, Spediteure, Lagerhalter, Färber, Kürschner, Goldschmiede als solche, die in ihren Gewerbebetrieben fremde Sachen zum Verkauf, zur Beförderung, zur Aufbewahrung, zur Bearbeitung angenommen haben und sie für Eechnung der Eigentümer versichern; ferner die Dienstherrschaft, die zugleich die Habe ihres Gesindes versichert (§ 85 VVG.), und bei der Haftpflichtversicherung die Betriebsunternehmer, die für ihre Angestellten, Körperschaften, die für ihre Vertreter solche Versicherungen nehmen (§ 151 VVG.). Besonders häufig tritt die V. f. f. E . auf in der Form der Versicherung für Eechnung „wen es angeht" oder „für eigene und / oder fremde Eechnung" und zugleich als sog. laufende Versicherung (vgl. LENNE, S.

lf.).

Auf diese Weise kann der Lagerhalter die von vielen Dritten bei ihm eingelagerten Güter insgesamt durch eine Versicherung versichern. Die einzelnen Interessenten, die vielleicht nur zu ganz kleinen Beträgen beteiligt sind, treten beim Vertragsschluß und während des Laufs der Versicherung gar nicht hervor. Durch eine Versicherung können so die Interessen mehrerer Personen, die nacheinander zu der Sache in Beziehung treten, gedeckt werden, oder Interessen, die erst nach Vertragsschluß in ein bestimmtes, wirtschaftliches Verhältnis eintreten, werden von vornherein durch die eine Versicherung mit umfaßt, bei der „die versicherten Interessen bei der Schließung des Vertrags nur der Gattung nach bezeichnet und erst nach ihrer Entstehung dem Versicherer einzeln aufgegeben werden" (§ 187 II VVG., laufende Versicherung).

Begriff, Gegenstand und systematische Stellung der V, f. f. R.

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I. Begriff, Voraussetzungen und juristische Natur der V. f. f. ß. § 2. Begriff, Gegenstand und systematische Stellung der V. f. f. R.

Das VYG. (§ 74) versteht unter V. f. f. E. eine Versicherung, die von demjenigen, welcher den Vertrag mit dem Versicherer schließt, im eigenen Namen für einen anderen genommen wird. Es ist hiermit dasselbe gemeint, was das HGB. (§ 781) mit den Worten ausdrückt: „Der Versicherungsnehmer kann . . . . das Interesse eines Dritten unter Versicherung bringen". Derjenige, welcher die Versicherung nimmt, heißt „Versicherungsnehmer", während derjenige, dessen Interesse versichert ist, der „Versicherte" ist. —• Die beiden grundsätzlichen Erfordernisse einer V. f. f. E. sind also, daß ein f r e m d e s Interesse versichert wird, und daß derjenige, welcher es versichert, hierbei im e i g e n e n N a m e n handelt. Hieraus ist schon ersichtlich, daß der Ausdruck „Versicherung für fremde Eechnung" nicht ganz zutreffend ist (EHRENBERG, VE. S. 188). An sich bedeutet „für fremde Eechnung" nur, daß die Kosten der Versicherung im Verhältnis des Versicherungsnehmers zum Träger des versicherten Interesses diesem zur Last fallen. Dies trifft aber auch zu, wenn derjenige, welcher die Versicherung nimmt, den Vertrag im Namen des Dritten als sein direkter Stellvertreter schließt. Dieser Eall bildet aber gerade den Gegensatz zu der vom Gesetz gemeinten V. f. f. E. Andrerseits kann man aber ein fremdes Interesse auch derart versichern, daß man selbst die Kosten der Versicherung tragen will. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß dieser Fall von der Bezeichnung „Versicherung für fremde Eechnung" mit umfaßt wird. Es kommt nur darauf an, daß der Vertragschließende im eigenen Namen ein fremdes Interesse versichert. Die Bezeichnung „für fremde Eechnung" trifft nur die Hauptfälle, in denen der Versicherungsnehmer für seine Auslagen vom Versicherten Ersatz erhält. Der Ausdruck dürfte sich daraus erklären, daß er zuerst im Handelsrecht eingeführt wurde und von dort ins allgemeine bürgerliche Eecht 1*

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Begriff, Voraussetzungen und juristische Natur der V. f. f. R.

übernommen worden ist. In handelsrechtlichen Verhältnissen kommt aber eine unentgeltliche Geschäftsbesorgung mit Verzicht auf Auslagen' so gut wie gar nicht vor, konnte deshalb auch unberücksichtigt bleiben (HELLWIG S. 555). Im bürgerlichen Recht ist jedoch mit solchen Fällen zu. rechnen, wenn auch h i e r ihr Vorkommen selten ist (Beispiel: Versicherung der Effekten der Dienstboten durch die Herrschaft). Der Gegenstand der V. f. f. R. ist ein I n t e r e s s e . Interesse ist „die Beziehung, kraft deren jemand durch eine gewisse Tatsache einen Vermögensschaden erleidet" (EHEENBEEG, VE. S. 8). Während nach der früheren Rechtsprechung überwiegend die Auffassung herrschte, daß bei der Binnenversicherung, soweit es sich um Sachversicherung handelte, die Sache selbst versichert sei, hat sich das VVG. auf den im Seeversicherungsrecht längst anerkannten Standpunkt gestellt, daß bei der Schadensversicherung stets ein Interesse versichert ist. Wenn das VVG. trotzdem hin und wieder von der „versicherten Sache" spricht (z. B. § 69), so erklärt sich dies daraus, daß nach § 52 VVG. bei Sachen im Zweifel der Wert der Sache als Versicherungswert gelten soll. Der Ausdruck „versicherte Sache" stellt daher nur eine abgekürzte Bezeichnung dar. Daraus, daß die V. f. f. R. als wesentliches Erfordernis das Vorhandensein eines Interesses in der Person des Versicherten aufstellt, geht hervor, daß sie mit Recht vom VVG. unter den Vorschriften für die gesamte S c h a d e n s Versicherung behandelt wird. Denn in der Personenversicherung, insbesondere in der Lebensversicherung, wird in der Regel von der Frage nach dem Interesse ganz abgesehen (EHEENBEEG, VR. S. 296); nur soweit die Versicherung auf den Todesfall einer dritten Person genommen ist, kann sie von Bedeutung werden. Dagegen hat die Unfallversicherung in verschiedenen Punkten Berührung mit der Schadensversicherung. Deshalb sind auch bei der Versicherung auf den Unfall einer dritten Person die Vorschriften der V. f. f. R. im Zweifel für entsprechend anwendbar erklärt worden (§ 179 I I VVG.). Soll sonst in der Personenversicherung ein Dritter aus dem Versicherungsvertrage berechtigt werden, so wird er in der Regel als „Bezugsberechtigter" in das Versicherungsverhältnis ein-

Voraussetzungen der V. f. f. R. im einzelnen.

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geführt. Über die rechtliche Stellung dieses Bezugsberechtigten enthält das VVG. besondere Vorschriften (bes. § 166 ff.), die in der Hauptsache eine Ergänzung der Vorschriften des BGB. über die Verträge zugunsten Dritter (§ 328 ff.) darstellen. Der Bezugsberechtigte ist richtigerweise auch nicht als „Versicherter" zu bezeichnen; vielmehr ist in solchen Fällen der Versicherungsnehmer mit dem Versicherten identisch (HÜLSSE, Ztschr. f. Vers.-Becht 5, S. 241 ff.). Die vorliegende Arbeit soll sich nur mit der V. f. f. B. in der Schadensversicherung befassen, also ihr etwaiges Vorkommen sowie die entsprechende Anwendung ihrer Begeln auf dem Gebiet der Personenversicherung unberücksichtigt lassen.

§ 3. Voraussetzungen der V. f. f. R. im einzelnen.

I. Bei der V. f. f. B. handelt es sich um ein f r e m d e s Interesse. Daß ein fremdes Interesse versichert sein soll, braucht nicht ausdrücklich im Vertrage gesagt zu sein, sondern es genügt, wenn es aus den Umständen hervorgeht (§ 80 I VVG., § 781 III HGB.). Die Absicht des Versicherungsnehmers, fremdes Interesse zu versichern, braucht nur irgendwie erkennbar hervorzutreten, nicht gerade notwendig in dem Vertrage. „Der geschäftliche Hintergrund der Erklärung, die Persönlichkeit des Erklärenden, die zwischen ihm und dem Versicherer oder dem Versicherten bestehenden Verhältnisse hinsichtlich des zu versichernden Gegenstandes genügen." 1 Ebenso genügt es, wenn nur der Versicherungsnehmer ein fremdes Interesse versichern w i l l , der Versicherer aber keinen Wert darauf legt, wem das Interesse zusteht. 1 Ist eine solche Vereinbarung nicht zu finden, so gilt die Versicherung als Eigenversicherung, d. h. der Versicherungsnehmer wird als Träger des versicherten Interesses angesehen, das er bei Erhebung des Anspruchs aus der Versicherung nachzuweisen hat. Kann er nach 1

GERHARD-HAGEN § 8 0 A n m . 1, vgl. PLANCK, Vorb. I l b z u § 116 B G B . ,

OAG. Kiel in SEUFF. Arch. 6; 180.

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Begriff, Voraussetzungen und juristische Natur der V. f. f. R.

Eintritt des Versicherungsfalls ein eigenes Interesse nicht nachweisen, so ist der Versicherer in der Eegel zur Zahlung nicht verpflichtet (HÄGER-BRUCK § 80 Anm. 1, zu beachten LENNE S. 95). Es kann mitunter zweifelhaft sein, ob eigenes oder fremdes Interesse versichert sein soll, so z. B. bei der Versicherung schwimmender Ware, ob für Rechnung des Absenders oder des erst aufzusuchenden Käufers (EG. E. 19, 207) oder bei Versicherung von Lagergütern, ob für Rechnung des Eigentümers oder des für unversehrte Rückgabe haftenden Lagerhalters (RG. E. 35, 48). Die Entscheidung muß stets auf Grund der näheren Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Verkehrsgewohnheit getroffen werden. Die Person des Versicherten kann einstweilen unbenannt bleiben (§ 74 VVG., § 781 HGB.). Es ist aber nicht einmal erforderlich, daß bereits bei Vertragsschluß hervortritt, ob überhaupt ein Dritter oder etwa der Vertragschließende selbst versichert sein soll. Das Gesetz (§ 80 II VVG., § 781 II HGB.) gibt die Möglichkeit, die Versicherung für Rechnung „wen es angeht" zu nehmen oder sonst im Vertrage unbestimmt zulassen, ob eigenes oder fremdes Interesse versichert sein soll. Je nachdem sich später herausstellt, ob eigenes oder fremdes Interesse versichert ist, gelten die Vorschriften über Eigenversicherung oder über V. f. f. R. Spätestens bei Eintritt des Versicherungsfalls und Einforderung der Entschädigungssumme muß dargelegt werden, wer der Interessent ist. — Hier erhebt sich nun die Frage, ob bereits bei Vertragsschluß das Interesse vorhanden und individuell bestimmt, wenn auch nicht notwendigerweise bekannt sein muß, oder ob das Interesse und die Person des Versicherten auch durch eine nach Abschluß der Versicherung eintretende Tatsache bestimmt werden kann (HAGEN, Ztschr. f. d. ges. Vers. Wiss. 7, S. 27). Diese Frage ist verschieden beantwortet worden. Das Reichsoberhandelsgericht (E. 14, 129) hatte verlangt, daß dem Versicherten von Anbeginn der Versicherung das Interesse zugestanden habe; EHRENBERG (IH. Jb. 80, 447) hält (für das frühere Recht) für nötig, daß der Versicherungsnehmer eine individuelle Vorstellung von der Person des Versicherten beim Abschluß des Vertrags gehabt habe; das Reichsgericht dagegen hat sich (E. 18, 99) im Anschluß an

Voraussetzungen der V. f. f. R. im einzelnen.

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(S. 31) zu der Ansicht bekannt, daß das Interesse und die Person des Versicherten auch durch eine nach Abschluß der Versicherung eintretende Tatsache bestimmt werden könne. Da es jetzt allgemein anerkannt ist, daß nicht nur ein aktuelles und zweifelloses Interesse, sondern auch ein zukünftiges, eventuelles, ungewisses, bedingtes oder sonst zweifelhaftes Interesse versicherbar ist, so daß es sich erst durch eine nach Abschluß des Versicherungsvertrages eintretende Tatsache bestimmen kann, liegen keine Gründe vor, bei der V. f. f. E. eine einschränkende Auffassung Platz greifen zu lassen (HAGEN a. a. 0 . S. 16, 28). Nur so viel wird zu fordern sein, daß die A r t feststehen muß, in der schließlich der Versicherte bestimmt werden soll, daß es also z. B. der Käufer bestimmter Waren sein soll. Der Versicherungsnehmer muß wenigstens der „Disponent" des zugrunde liegenden Geschäftes sein, und aus dem Verlaufe dieses letzteren muß es sich ergeben, wer die Stelle des Versicherten einzunehmen hat. Das Interesse muß sonach zwar nicht b e s t i m m t , wohl aber bes t i m m b a r sein, wie mit Eecht GERHARD-HAGEN sagt. 1 So kann also durch die Versicherung für Rechnung „wen es angeht" ein und derselbe Versicherungsvertrag sowohl eine Eigenversicherung als auch eine V. f. f. E . darstellen, je nachdem die eine oder die andere Art der Versicherung als von Anbeginn an gemeint gilt. Hieraus ergibt sich weiter: Wenn derselbe Versicherungsvertrag beide Vertragsgestaltungen in sich zu fassen vermag, von denen dann später die eine als von Anbeginn gemeint gilt, so steht kein Hindernis entgegen, daß sich beide Gestaltungen zeitlich ablösen, daß also ein und derselbe Versicherungsvertrag zunächst als Eigenversicherung, nachher aber infolge Wechsels des Interesseträgers als V. f. f. E . aufzufassen ist (GERHARD-HAGEN § 80 Anm. 2 Ziff. 3). So kann z. B. durch eine Versicherung das aktuelle Interesse des Eigentümers und das eventuelle des Käufers gedeckt werden. EG. E. 13, S. 100 führt hierzu aus: Der Absender VOIGT

G E R H A R D - H A G E N § 80 Anm 2 Ziff. 2; vgl. H Ä G E R - B R U C K § 80 Anm. 2. HAGEN, Ztschr. f. d. ges. Vers. Wiss. 7, S. 28. VOIGT S. 31 ff. LENNE S. 96, 99 u. S. 172 bezgl. des § 883 HGB. SCHNEIDER, Ztschr. 5, S. 232. 1

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Begriff, Voraussetzungen und juristische Natur der V. f. f. R.

einer Ware kann so sein aktuelles Eigentümerinteresse und das eventuelle Eigentümerinteresse des Käufers bezw das Ungewisse Interesse des einen oder des anderen versichern. Hierdurch wird es erspart, zwei Versicherungen zu nehmen, von denen die eine wegen mangelnden Interesses des betreffenden Versicherten sich schließlich als unwirksam herausteilen würde. Dieser Fall ist leicht denkbar, wenn zur Erfüllung eines Gattungskaufs der Verkäufer Ware an den Käufer absendet. Mit der Übergabe der Ware an die Beförderungsanstalt geht die Gefahr auf den Käufer über, vorausgesetzt, daß es die vertragsmäßig beschaffene Ware war; bei nicht-vertragsmäßig beschaffener Ware bleibt dagegen die Gefahr beim Verkäufer. So kann eine ganze Reihe von Versicherten folgen, deren verschiedene Interessen durch ein und dieselbe Versicherung gedeckt sind ( S C H N E I D E R , Ztschr 5, S . 232), Z.B.Absender—Spediteur —Frachtführer—ablehnende Empfänger—Lagerhalter. Ist das Eigentümerinteresse versichert, so kann später z. B. der Spediteur das mindere Interesse des Pfandgläubigers geltend machen ( S C H N E I DER a. a. 0 . Note 1). Wie die beiden Gestaltungen der Eigenversicherung und der V. f. f. R. nacheinander aus demselben Versicherungsvertrage in die Erscheinung treten können, so können sie auch nebeneinander in Kraft sein derart, daß zu gleicher Zeit durch dieselbe Versicherung sowohl eigenes Interesse des Versicherungsnehmers als auch das Interesse eines Dritten versichert sein kann ( G E R H A R D - H A G E N § 80 Anm. 2 Ziff. 4). Es kann daher vorkommen, daß bei Eintritt des Versicherungsfalls mehrere Versicherte auftreten, von denen jeder ein eigenes, durch dieselbe Versicherung gedecktes Interesse geltend macht. Diese Ausgestaltung der Versicherung für Rechnung „wen es angeht" hat zu einer gewissen Verflüchtigung des Interesse-Erfordernisses geführt und ein Ergebnis gezeitigt, welches von der Versicherung des objektiven, d. h. nur der Art nach bestimmten Interesses nicht weit entfernt ist. Doch gilt dies nur hinsichtlich des A b s c h l u s s e s der Versicherung und der Zeit vor Eintritt des Versicherungsfalls. Bei Eintritt dieses und bei Einforderung der Entschädigungssumme tritt das subjektive Moment wieder

Voraussetzungen der V. f. f. R. im einzelnen.

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in den Vordergrund; denn dann muß allemal der Träger des Interesses offenbar werden (HAGEN, a. a. 0 . S. 30, LENNE S. 97). II. Das weitere Erfordernis einer Y. f. f. E. ist — wie schon angedeutet —, daß der Vertragschließende im e i g e n e n N a m e n handelt. Den Gegensatz hierzu bildet die Versicherung eines fremden Interesses im Namen des Interesseträgers. Hierbei gelten die allgemeinen Eegeln der direkten Stellvertretung, eine versicherungsrechtliche Besonderheit Hegt nicht vor. Das Gesetz (§ 74 II VVG., § 788 II HGB.) stellt eine Vermutung gegen die Annahme direkter Stellvertretung für die Fälle auf, in denen der Versicherungsnehmer das Interesse eines b e n a n n t e n Dritten versichert. In Übereinstimmung mit dem Grundsatz des § 164 II BGB. soll auch in diesen Fällen im Zweifel angenommen werden, daß der Versicherungsnehmer im e i g e n e n Namen handelt. Nimmt nun der Versicherungsnehmer im eigenen Namen eine Versicherung auf das Interesse eines Dritten, so ist die Frage, wie der oberste versicherungsrechtliche Grundsatz gewahrt wird, daß nämlich keine Versicherung zu einer Bereicherung führen darf, oder wie man gewöhnlich sagt, daß „Wettversicherungen" unzulässig sind. Denn es ist klar, daß die Gefahr einer solchen unzulässigen Wettversicherung bei Versicherung eines fremden Interesses besonders nahe liegt. Begegnet wird dieser Gefahr dadurch, daß der Träger des versicherten Interesses selbst die Rechte aus der Versicherung unmittelbar erwirbt. So bestimmen § 75 I 1 VVG. und § 886 1 1 HGB., daß die Eechte aus dem Versicherungsvertrage dem Versicherten zustehen sollen. Es erhebt sich nun die Frage, ob stets bei der Versicherung fremden Interesses der Interessent unmittelbar berechtigt werden muß, oder ob die Eechte aus dem Versicherungsvertrage auch dem Versicherungsnehmer zufallen können, wenn nur genügend vorgesorgt ist, daß nicht eine Wettversicherung entstehe, ob insbesondere eine genügende Vorsorge darin zu erblicken ist, wenn der Versicherungsnehmer obligatorisch zur Abtretung der Eechte aus dem Versicherungsvertrage bezw. zur Auskehrung der Entschädigungssumme an den Interessenten verpflichtet ist. EHRENBERG 1 1

MEYER

VR. S. 190. — IH. Jb. 30, S. 436, 424. — Vgl. auch VOIGT, S. 37—40; im „Recht" 09, S. 306 und in der L Z . 1910, S. 441.

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Begriff, Voraussetzungen und juristische Natur der V. f. f. R.

sagt, es gelte der absolute durch Parteiwillkür nicht abzuändernde Eechtssatz, daß aus einem durch Mittelspersonen abgeschlossenen Versicherungsverträge nie ein anderer als der Versicherte berechtigt werden könne. Im entgegengesetzten Sinne wird die Frage mit ausführlicher Begründung insbesondere von HELLWIG 1 beantwortet. Bei der Entscheidung dieser Präge ist m. E. den Ausführungen LENNES (S. 19) beizustimmen, daß zwar die Identität des Interesseträgers und des Versicherungsberechtigten als Grundsatz und Eegel anzusehen ist, daß dieser Grundsatz aber, der nicht um seiner selbst willen aufgestellt ist, sondern lediglich um schädliche Wettversicherungen zu verhüten, dann eine Ausnahme erleiden kann, wenn schon aus anderen Gründen diese Gefahr ausgeschlossen ist und wenn das Interesse des Verkehrs es erfordert und erlaubt. Als genügende Sicherung von Wettversicherungen wird es von HELLWIG (S. 543) angesehen, wenn der Versicherungsnehmer zu dem Interessenten in einem Eechtsverhältnis steht, auf Grund dessen er verpflichtet ist, ihm die Versicherungsforderung abzutreten bezw. die einkassierte Entschädigungssumme herauszugeben. Es fragt sich jedoch, welche Fälle unter diesen Gesichtspunkt fallen. Auch hier ist m. E. LENNE beizupflichten, der — gegenüber HELLWIG einschränkend — nur diejenigen Fälle hierher rechnet, in denen der Versicherungsnehmer durch ein besonderes Eechtsverhältnis, in dem er zur Zeit der V'ersicherungsnahme zu dem Interessenten steht (Auftrag, Verwahrung, Leihe, Kommissions-, Lager-, Speditionsgeschäft usw.), berechtigt oder verpflichtet ist, dessen Geschäfte im eigenen Namen zu erledigen und verbunden ist, den Erlös dem Interessenten herauszugeben, und weiter die Fälle, in denen der Versicherungsnehmer nicht schon vor der Versicherungsnahme zu der versicherten Sache in Beziehung gestanden hat, sich jedoch dem Träger des Interesses gegenüber zur Versicherungsnahme und zur Auskehrung des Erlöses kraft besonderer Abmachung verpflichtet hat (LENNE S. 27). 1 S . 538f. 543f. — Ebenso G I E R K E , I H . Jb. 40, S . 385ff., G E R H A R D HAGEN § 51 Zus. 8. HAGEN, Ztschr. f. d. ges. Vers. Wiss. 7, S. 24f. — Einschränkend L E W I S , § 9 Note 5. S C H N E I D E R , Kom. Vorb. zu § 74. L E N N E S . 18 ff.

Mehrheit von Interessen bezüglich desselben Objekts.

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Wenn man diese Ausnahmen von dem Grundsatz der Identität des Versicherungsberechtigten und des Interessenten berücksichtigt, so kann man, da auch in diesen Ausnahmefällen der Versicherungsnehmer ein fremdes Interesse im eigenen Namen versichert, insoweit von einer „V. f. f. R. im weiteren Sinn" reden (LENNE S. 9, 19), während als „V. f. f. E . im engeren Sinn" nur die Fälle zu verstehen sind, in denen die Rechte aus dem Versicherungsvertrage unmittelbar dem Interesseträger zugewendet werden, in denen also den Vorschriften der §§ 75 VVG. 886 H G B . genügt ist. Bei der V. f. f. E . im weiteren Sinn scheidet der Interessent versicherungsrechtlich überhaupt aus. Es liegt eine Versicherung fremder Interessen in den Formen der Versicherung für eigene Eechnung vor (LENNE S . 1 9 ) oder, wie SCHNEIDER (Komm. Einl. S. 29) sagt, eine „Versicherung fremder Interessen als eigener". Nur die Versicherung für fremde Eechnung im engeren, technischen Sinne beschäftigt uns hier. III. Weitere besondere Voraussetzungen kennt das geltende Becht nicht. Im früheren Recht der Seeversicherung fand sich die Bestimmung (§ 782 HGB., jetzt aufgehoben), daß eine V. f. f. R. für den Versicherer nur verbindlich war, wenn entweder der Versicherungsnehmer zur Eingehung der Versicherung beauftragt war oder wenn der Mangel eines solchen Auftrags von dem Versicherungsnehmer bei dem Abschluß des Vertrages dem Versicherer angezeigt wurde. Selbst nachträgliche Zustimmung des Versicherten konnte die Versicherung nicht wirksam machen, wenn der Mangel des Auftrags nicht angezeigt war. Da ein Auftrag auch stillschweigend erteilt werden kann, bestand stets die große Schwierigkeit festzustellen, ob ein Auftrag vorlag oder nicht (vgl. VOIGT S. 50 ff.). — Auftraglosigkeit und Anzeige hiervon spielt im VVG. nur noch in der Vorschrift des § 79 IV eine Rolle (vgl. § 807 I I I H G B . und unten § 6 I I 2 a). § 4. Mehrheit von Interessen bezüglich desselben Objekts.

I. Einer besonderen Betrachtung bedürfen die Fälle, in denen mehreren Personen an demselben Objekt ein Interesse zusteht.

12

Begriff, Voraussetzungen und juristische Natur der V. f. f. R.

Gerade hier kann es zweifelhaft werden, ob eine V. f. f. E. vorliegt. Man muß unterscheiden zwischen gleichartigen und ungleichartigen Interessen mehrerer Personen. Gleichartige Interessen haben z. B. die mehreren Miteigentümer einer Sache. Bei den ungleichartigen Interessen unterscheidet E H K E N B E R G (VE. S . 1 1 f.): a) K o i n z i d e n z i n t e r e s s e n : Das schädigende Ereignis hat für eine Person unmittelbar eine Vermögenseinbuße oder einen Erwerbsentgang zur Folge; es begründet aber zugleich eine diese Yermögenseinbuße oder den Erwerbsentgang ausgleichende Ersatzpflicht einer anderen Person. Die Interessen beider Personen sind Koinzidenzinteressen. Zum Beispiel: Die bei einem Gastwirt eingebrachten Sachen werden durch Feuer vernichtet. Der Eigentümer ist hierdurch unmittelbar geschädigt. Das schädigende Ereignis löst aber zugleich die Pflicht des Gastwirts aus — vorausgesetzt, daß er haftbar ist —, dem Gast den Schaden zu ersetzen. Hier hat der Gast an den Sachen (in der Eegel) das EigentumsInteresse, der Gastwirt - hat ein Haftpflicht-Interesse. Der Gast kann sein Eigentümer-Interesse selbst versichern, ebenso der Gastwirt sein Haftpflicht-Interesse. Welcher von den beiden Versicherern dann schließlich den Schaden trägt, ist eine ganz andere Frage. 1 — Ferner kann aber auch der Gastwirt das EigentumsInteresse des Gastes für dessen Eechnung versichern. Hier ist die Frage aufgeworfen worden, ob der Gastwirt durch diese Versicherung etwa zugleich seih Haftpflicht-Interesse unmittelbar versichere, so daß er insoweit selbst Versicherter sei. Mit Eecht ist diese Frage von F L E C H T H E I M (a. a. 0.) und von M O L D E N H A U E R (a. a. 0.) verneint worden. Ein und dieselbe Versicherung kann nicht gleichzeitig eine Feuer-Versicherung und eine HaftpflichtVersicherung sein. Das sind ganz verschiedene Versicherungsa r t e n , bei denen die gegenseitigen Leistungen, besonders die Prämienleistung, nach ganz verschiedenen Grundsätzen normiert werden. Hat der Gastwirt eine Feuerversicherung für fremde Eechnung genommen, so ist es undenkbar, daß er bei Eintritt des Schadensfalles aus dieser Versicherung eigene Ansprüche auf 1

V g l . h i e r ü b e r MOLDENHATTER LZ. 1909, S. 4 2 ; 1911, S. 688.

HEIM, LZ. 1911, S. 675.

FLECHT-

JOSEF, Ztschr. f. d. ges. Vers.-Wiss. 1912, S. 778ff.

Mehrheit von Interessen bezüglich desselben Objekts.

13

Grund seines Haftpflicht-Interesses herleiten könnte. Die von ihm genommene Versicherung ist eine reine V. f. f. B., durch die er nur m i t t e l b a r sein Haftpflichtinteresse s c h ü t z t , nicht „versichert" (vgl. MOLDENHAUER und FLECHTHEIM a. a. 0 . ) . — Hat dagegen der Gastwirt eine Haftpflichtversicherung genommen, so ist ebenso das Interesse des Gastes ein durchaus anderes als das unter Versicherung gebrachte. Es hat mit der Haftpflichtversicherung als solcher gar nichts zu tun, und eine V. f. f. E. liegt in keiner Weise vor ( L E N N E S. 55, Ztschr. 12, S. 1221). b) K o n k u r r e n z i n t e r e s s e n : Das Interesse der einen Person schmälert das Interesse der anderen. Entsteht an einer Sache ein dingliches Recht, so wird das Interesse des Eigentümers geschmälert und zwar regelmäßig um den Wert des dinglichen Eechts. Beide Interessen zusammen machen das volle Eigentums-Interesse aus. Eigentums-Interesse ist das Interesse, wie es an sich, d. h. abgesehen von sonstigen auf das Gut sich beziehenden Rechtsverhältnissen der Eigentümer hat (RG. E. 13, 100; 74, 128). Das geschmälerte Eigentums-Interesse und das Interesse des DinglichBerechtigten sind Konkurrenzinteressen. Solche Konkurrenzinteressen können auch auf Grund obligatorischer Rechtsverhältnisse (Miete, Pacht) bestehen (EHRENBERG VR. S. 3 0 4 ) . — Unbestritten ist, daß jeder Konkurrenzinteressent sein eigenes Interesse für eigene Rechnung versichern kann. Ferner ist es auch nicht zweifelhaft, daß einer der Konkurrenzinteressenten den vollen Sachwert versichert, indem er eine Versicherung für Rechnung „wen es angeht" nimmt. Soweit der Versicherungsnehmer dann selbst interessiert ist, gilt die Versicherung als für eigene Rechnung, im übrigen als für fremde Rechnung genommen (§ 80 I I VVG. § 781 II HGB.), d. h. die anderen Konkurrenzinteressenten sind im übrigen Versicherte und als solche aus dem Vertrage anspruchsberechtigt ( L E N N E , S. 5 9 , Ztschr. 1 2 , S. 1 2 2 4 . EHRENBERG S. 3 1 4 Note 8 7 ) . Fraglich ist dagegen, ob neben der Versicherung des vollen Eigentums-Interesses auch noch eine Versicherung eines Konkurrenzinteresses möglich ist, ohne daß dabei eine Doppelversicherung entsteht. Nach der von EHRENBERG vertretenen Auffassung wäre diese Möglichkeit zu verneinen (EHRENBERG VR. S . 3 1 5 ) , nach dem geltenden Recht aber ist sie zu bejahen. Das geltende Recht

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Begriff, Voraussetzungen und juristische Natur der V. f. f. R.

teilt nicht die Auffassung, daß die Konkurrenzinteressen sich derart schmälern, daß sie erst zusammen das volle Eigentümer-Interesse ausmachen, sondern läßt die Konkurrenzinteressen als selbständige, verschiedenartige Interessen nebeneinander bestehen, wenn sie auch materiell gleichbedeutend sein mögen (GERHARDHAGEN §§ 58—-60 Anm. 4, Ziff 1). Es kann deshalb das volle Eigentümer-Interesse und daneben auch selbständig das eine oder andere Konkurrenzinteresse versichert werden, ohne daß eine Doppelversicherung entsteht. „Die so begründeten Versicherungsverhältnisse stehen in keinerlei innerem Zusammenhang miteinander, keins wird vom andern beeinflußt" (GERHARD-HAGEN a. a. 0.). Die Eechte Dritter, die auf der versicherten Sache lasten, berühren nur eine außerhalb des Versicherungsverhältnisses liegende Rechtsbeziehung des Versicherungsnehmers zu dem Dritten. Solche Rechtsbeziehungen aber bleiben für die Versicherung des Eigentümer-Interesses unberücksichtigt. Nur soweit etwa durch doppelte Entschädigung eine Bereicherung eintreten würde, hat der Versicherer einen Einwand (HAGEN, Ztschr. f. d. ges. Vers. Wiss. 7, S. 24). Der Eigentümer kann trotz Vorhandenseins von Konkurrenzinteressen das volle Eigentums-Interesse versichern und im Schadensfalle die volle Entschädigung liquidieren. Zwischen dem Eigentümer und dem Dritten ist es auszumachen, inwieweit ersterer zur Auskehrung der Entschädigungssumme an den Dritten verpflichtet ist (RG. E. 30, 176). Die Konkurrenzinteressen sind —• soweit es sich nicht um gleichartige Interessen handelt (vgl. LENNE S. 67; Ztschr. 12, S. 1227) — nicht als Teile eines objektiven Gesamtinteresses aufzufassen. Vielmehr behält der Eigentümer auch bei Vorhandensein von Konkurrenzinteressen sein spezifisches Eigentums-Interesse; er hat „nach wie vor das volle Interesse daran, die Sache sich zu erhalten" (LENNE S. 68, Ztschr. 12, S. 1 2 2 7 ) . Die Konkurrenzinteressen sind daher durch die Versicherung des Eigentums-Interesses nicht als mitversichert anzusehen. Es liegt deshalb auch keine V. f. f. R. vor. 1 II. Um den außerhalb des Versicherungsverhältnisses stehen1 Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung bei LENNE S. 57 ff., Ztschr. 12, S. 1222 ff.

Mehrheit von Interessen bezüglich desselben Objekts.

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den Dinglich-Berechtigten einen Schutz zu gewähren, hat das Gesetz in einzelnen Fällen eine besondere Begelung getroffen: a) Nach § 1127 BGB. erstreckt sich, wenn Gegenstände, die der Hypothek unterliegen, für den Eigentümer oder den Eigenbesitzer des Grundstücks unter Versicherung gebracht sind, die Hypothek auf die Forderung gegen den Versicherer. Die Ausgestaltung dieser Haftung der Versicherungsforderung ist keine versicherungsrechtliche, sondern eine Frage des reinen Zivilrechts ( E H R E N B E R G VE. S. 468). Sie ist in den §§ 1127—1130 BGB. enthalten und außerdem in § 99 VVG., der eine Ergänzung jener Vorschriften darstellt. Der Hypothekengläubiger erwirbt aus dem Versicherungsvertrage selbst keine Bechte; er hat nur ein Pfandrecht an der dem Eigentümer ausschließlich zustehenden Versicherungsforderung. Er ist nicht „Versicherter". Hiergegen spricht auch nicht die Tatsache, daß dem Hypothekengläubiger in §§ 100, 101 VVG. unmittelbare Bechte gegen den Versicherer gewährt werden. Diese Vorschriften bezwecken lediglich die E r h a l t u n g der dem Hypothekengläubiger schon zustehenden Bechte, die als selbständige Rechte „bestehen" bleiben sollen, wenn der Versicherungsnehmer seine Bechte gegen den Versicherer verwirkt hat. Eine V. f. f. B. liegt nach alledem nicht vor. 1 b) § 1045 BGB. gibt dem Nießbraucher auf, die Sache, an welcher sein Nießbrauch besteht, für die Dauer des Nießbrauchs auf seine Kosten gegen Brandschäden und sonstige Unfälle in der Art zu versichern, daß die Forderung gegen den Versicherer dem Eigentümer zusteht. Er soll also den vollen Sachwert, demnach das volle Eigentümer-Interesse (vgl. § 52 VVG.), unter Versicherung bringen. „Die Versicherungspflicht des Nießbrauchers erstreckt sich auf die Sache in ihrer Totalität" ( G I E R K E , IH. Jb. 40, S. 358). Der Nießbraucher versichert das ihm fremde Eigentümer-Interesse im eigenen Namen derart, daß die Versicherungsforderung dem Eigentümer zusteht. Es liegt deshalb eine V. f. f. B. im tech1

So:

GIERKE, I H .

H Ü L L S E , BAUMGARTNERS S.

1232ff. —

SCHNEIDER,

Jb. 40, S. 381 ff. — HELLWIG, S. 558 Note 128. — Ztsohr. 03, S. 170. — L E N N E S. 75ff., Ztschr. 12, Ztsohr. 5, S . 272; Komm. § 74, § 101; LZ. 09, S . 506ff.

a . A . : G E R H A R D - H A G E N , ZUS. ZU §§ 1 0 0 , 1 0 1 . —

HAGEN, IH. J b . 51, S .

83.

16

Begriff, Voraussetzungen und juristische Natur der V. f. f. R.

irischen Sinn vor. 1 Soweit die Vorschriften der §§ 1045, 1046 BGB. der Ergänzung bedürfen, sind sonach die Regeln des VVG. über V. f. f. B. anzuwenden. c) Der Faustpfandgläubiger genießt einen besonderen Schutz nicht. Sein Pfandrecht erstreckt sich nicht auf die Versicherungsforderung. Über die sog. „Assekuranz-Zertifikate", deren Erteilung den Versicherer verpflichtet, die Entschädigungssumme in erster Linie an die Kreditgeber zu zahlen, vgl. L E N N E S. 7 7 , Note 103. Eine V. f. f. B. liegt hierbei nicht vor.

§ 5Die juristische Konstruktion der V.f. f. R.

I. 1. Bei der V. f. f. B. im technischen Sinn stehen die Bechte aus dem Versicherungsvertrage, wie schon erwähnt wurde, dem Versicherten zu (§ 75 1 1 VVG., § 886 1 1 HGB.). Dieser vom Versicherungsnehmer mit dem Versicherer abgeschlossene Versicherungsvertrag bildet die Grundlage des ganzen Bechtsverhältnisses. Da ihn der Versicherungsnehmer im eigenen Namen abschließt, müssen ihn die Verpflichtungen aus dem Vertrage, also insbesondere die Prämien-Leistungspflicht, treffen (vgl. Begr. zu §§ 75, 76 VVG.). Die Bechte aus dem Vertrage fallen dagegen unmittelbar dem Dritten, dem Versicherten, zu. Dieser Erfolg ist, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, selbst dann als gewollt anzusehen, wenn die Parteien nicht gerade an ihn gedacht haben, oder man kann sagen: es liegt ein Bechtsverhältnis vor, das kraft Gesetzes mit dem bezeichneten Erfolge ausgestattet ist ( L E N N E S. 33). Auf jeden Fall liegt eine Ausgestaltung vor, wie sie in § 328 BGB. allgemein normiert ist, also ein Vertrag zugunsten eines Dritten. Der Dritte (der Versicherte) ist am Vertragsschluß nicht beteiligt und steht grundsätzlich außerhalb des zu seinen 1

So die herrschende Meinung; vgl. auch H E L L W I G , S. 553, Note 113. Bürg. R . I I I , § 187 Nr. 10. — G E R H A R D - H Ä G E N , § 74 Anm. 4. A. A.: G I E R K E , I H . Jb. 40, S . 341 ff. — S C H N E I D E R , Ztschr. 5, S . 273; Komm. § 74. — DERNBURG,

17

Die juristische Konstruktion der V. f. f. R.

Gunsten abgeschlossenen Yertragsverhältnisses, wenn er allerdings auch, wie schon hier hervorgehoben sei, in einzelnen Beziehungen stärker hervortritt, als dies bei den Verträgen zugunsten Dritter im allgemeinen der Fall ist; man denke insbesondere an die ihn treffenden „Obliegenheiten" (vgl. § 79 VVG.), wodurch in einzelnen Punkten das gleiche Ergebnis zutage tritt, wie bei der Stellvertretung. Hierdurch und durch andere Sonderbestimmungen hebt sich die V. f. f. E . von den Verträgen zugunsten Dritter im allgemeinen und auch von den Versicherungsverträgen zugunsten eines Bezugsberechtigten ab ( L E N N E S. 8 4 ) . Trotzdem sind diese Besonderheiten nicht derart, daß sie dazu zwängen, die Auffassung der V. f. f. E . als eines Vertrages zugunsten eines Dritten fallen zu lassen. 1 Es sind deshalb auf die V. f. f. E., soweit erforderlich, ergänzend die Vorschriften der §§ 328ff BGB. anzuwenden. 2. Bestritten ist es nun immer gewesen, in welchem Verhältnis die V. f. f. E. zum Kommissionsgeschäft stehe. 2 Unter Kommissionsgeschäft ist hierbei nicht nur das Kommissionsgeschäft im Sinn des § 383 HGB., sondern die allgemeine Eechtsform zu verstehen, bei der jemand für Eechnung eines anderen Geschäfte im eigenen Namen abschließt. Auch der Versicherungsnehmer bei der V. f. f. E. schließt den Versicherungsvertrag im eigenen Namen ab und versichert das Interesse eines anderen für dessen Eechnung. Es fragt sich nun, ob durch die Auffassung der V. f. f. E . als eines Vertrags zugunsten eines Dritten die Annahme ausgeschlossen wird, daß die V. f. f. E . zugleich einen Fall des Kommissionsgeschäfts im weiteren Sinn darstellt. Daß der Versicherungsnehmer 1

V g l . HELLWIG, S . 5 3 7 f f . — GIERKE, Y e r s i c h e r u n g s f o r d e r u n g , S . 3 8 .

HÜLSSE, recht

BAUMGARTNERS

S. 742. —

Ztschr. 5,

S.

250ff., 442 ff. —

LENNE S. 3 2 ff., Ztschr.

12,

S. 1209. —

COSACK,



Handels-

GERHARD-HAGEN

§ 74 Anm. 3. — SCHNEIDER, Ztschr. 5, S. 236 (der die Regeln der §§ 328ff. anwendet, obwohl er sonst abweichender Ansicht ist, vgl. unten IIb, 3). — RG. JW. 1902, S . 432, Nr. 51 wird wohl von L E N N E ( S . 34 Note 50, 3) zu Unrecht zitiert. In der angeführten Entscheidung handelt es sich um eine E i g e n Versicherung mit der Abrede, daß die Leistung an einen Dritten erfolgen soll (vgl. L E N N E S . 9). 2 Vgl. hierzu und zu den folgenden Ausführungen: L E N N E S . 10ff., Ztschr. 12, S. 1209ff.; vgl. auch MAKOWER, § 890; a. A. BYK. FISCHER, Versicherung für fremde Rechnung.

2

18

Begriff, Voraussetzungen und juristische Natur der V. f. f. R.

den Vertrag für Rechnung des Versicherten abschließt, berührt nur das Innenverhältnis zwischen diesen beiden. Da dieses Innenverhältnis bei einem Vertrage zugunsten eines Dritten unbeachtlich ist, kann es keinen Grund gegen die Annahme eines Kommissionsverhältnisses abgeben. Fraglich ist nur, ob das durch die Versicherungsnahme zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer begründete Vertragsverhältnis so beschaffen ist, daß es mit den Normen des Kommissionsverhältnisses nicht in Einklang zu bringen ist. Dies ist zu verneinen. Wesentlich ist beim Kommissionsgeschäft nur, daß der Kommissionär i m e i g e n e n N a m e n das Geschäft abschließt, dagegen n i c h t , wie er dem Kommittenten die aus dem Geschäft entstehenden Rechte zuwendet. Der Regelfall ist allerdings, daß er diese Rechte selbst erwirbt und nachträglich auf den Kommittenten überträgt. Es steht jedoch nichts entgegen, daß er in dem von ihm geschlossenen Vertrag sich die Gegenleistung derart ausbedingt, daß sie statt an ihn an den Kommittenten geleistet werde und daß dieser sogar ein unmittelbares Recht auf sie erhalten soll. Die Leistung an den Dritten ist, wie bei jedem Vertrage zu Gunsten eines Dritten, nur modifizierte Leistung an den Versprechensempfänger. LENNE (S. 11, Ztschr. 12, S. 1210) führt als ein nicht-versicherungsrechtliches Beispiel, bei dem auch ein Kommissionär die Rechte aus dem von ihm geschlossenen Vertrage dem Kommittenten durch alteri stipulari unmittelbar zuwendet, den Frachtvertrag an, den ein für den Adressaten als Kommittenten handelnder Spediteur abschließt. Der Spediteur ist Kommissionär i. w. S. Der Adressat, für dessen Rechnung er in diesem Falle den Frachtvertrag abschließt, ist der Kommittent und erwirbt aus dem Frachtvertrag, der nach herrschender Meinung als Vertrag zugunsten eines Dritten aufzufassen ist, unmittelbar Rechte gegen den Frachtführer als den Versprechenden. Die V. f. f. R. ist sonach als „ein allerdings vom gewöhnlichen Typus abweichendes Kommissionsverhältnis i. w. S." aufzufassen (LENNE a. a. 0 . S. 12 bezw. 1 2 1 1 ) . 1 Wie der Kommissionär, so ist 1 Über die Anwendung der §§ 383 ff. HGB. vgl. unten § 11 IV. — S. auch EHRENBERG, VR. S. 199, IH. Jb. 30, S. 472.

Die juristische Konstruktion der V. f. f. R.

19

auch der Versicherungsnehmer bei der V. f. f. R. Mittelsperson. Dadurch, daß er im eigenen Namen handelt, ist die Annahme direkter Stellvertretung ausgeschlossen. In Abweichung vom Regelfall erwirbt er aber aus dem von ihm im eigenen Namen abgeschlossenen Versicherungsverträge nicht selbst die Rechte, (um sie dann seinem Kommittenten zu übertragen), sondern verschafft diese Rechte seinem Kommittenten (dem Versicherten) unmittelbar durch alteri stipulari. 1 II. a) Von den abweichenden Ansichten können diejenigen, die für das Recht v o r der Herrschaft des BGB. aufgestellt worden sind, insoweit hier außer Betracht bleiben, als sie durch das neue Recht ohne weiteres erledigt sind. Eine ausführliche Darlegung befindet sich bei L E N N E S. 35 ff. Besonderer Betrachtung bedarf nur die Ansicht E H R E N B E R G S (VR. S. 189ff., IH. Jb. 80, S. 422ff.). E H R E N B E R G sagt: „Für die Geltendmachung der Vertragsr e c h t e ist der Versicherungsnehmer Stellvertreter, für die Erfüllung der V e r t r a g s p f l i c h t e n ist er Kommissionär. Der Interessent seinerseits (der Versicherte) ist für die Geltendmachung der Vertrags r e c h t e allemal selber Vertragspartei, für die Erfüllung der Pflichten dagegen ist er es gar nicht oder nur beiläufig und ausnahmsweise." Es kann nicht zweifelhaft sein, daß die Möglichkeit dieser Konstruktion sich theoretisch nicht in Abrede stellen läßt ( H E L L W I G , S. 242, L E N N E S. 89). Mit Recht fragt aber L E N N E a. a. 0 . , ob eine derartige Zwittergestaltung befriedigt und ob sie geboten ist, und führt hierzu aus, daß bei einer solchen Auffassung die Einordnung der V. f. f. R. in das ganze Rechtssystem und ihre Erfassung als eines einheitlichen Ganzen bedeutend erschwert wird; daß ferner sich besondere Schwierigkeiten ergeben, wenn die Person des Versicherten noch nicht existiert oder unbestimmt ist (vgl. auch H E L L W I G S. 242) und wenn es sich um die Erklärung der dem Versicherungsnehmer zustehenden Rechte handelt (vgl. auch H E L L W I G , S. 576) und schließlich, daß der Stellvertretungsgedanke (nämlich d i r e k t e Vertretung) von der neuesten Gesetzgebung abgelehnt wird. 1

Über die Möglichkeit einer vom Regelfall abweichenden Ausgestaltung des Kommissionsverhältnisses i. w. S. vgl. auch den (allerdings anders gearteten) Fall: RG. JW. 1913, S. 20. Nr. 6. 2*

20

Begriff, Voraussetzungen und juristische Natur der V. f. f. R.

E H R E N B E R G sagt weiter: Die Y . f. f. R. sei nicht zu verwechseln mit einem Vertrage zugunsten eines Dritten, von dem sie sich wirtschaftlich und juristisch streng unterscheide. Zunächst wirtschaftlich, denn die Versicherung für Rechnung eines anderen sei niemals Abschluß eines e i g e n e n , sondern Mitwirkung bei dem Abschluß eines f r e m d e n Rechtsgeschäftes, der Versicherungsnehmer könne niemals selber ein Interesse daran haben, daß der Versicherer den Vertrag erfülle, vielmehr sei stets nur derjenige, für dessen Rechnung er handele — der Versicherte —, der alleinige Interessent. Hieraus erkläre sich die juristische Folge, , daß der Versicherungsnehmer niemals einen selbständigen Anspruch auf Erfüllung des Versicherungsvertrages erhalte und daß daher der Verzicht des Versicherten allemal den Vertrag unwirksam mache, während beim Vertrag zugunsten eines Dritten der Verzicht dieses Dritten zwar dessen eigenen Anspruch vernichte, damit aber keineswegs den Anspruch dessen, der den Vertrag zugunsten des Verzichtenden abgeschlossen hatte. Die ablehnende Haltung E H R E N B E R G S gegenüber der Annahme eines Vertrags zugunsten eines Dritten erklärt sich wohl hauptsächlich daraus, daß dieses Institut damals noch nicht die Ausgestaltung erfahren hatte, die es jetzt im BGB. gefunden hat. Im einzelnen ist zu bemerken: Was das wirtschaftliche Interesse des Versicherungsnehmers an der Leistung des Versicherers anlangt, so hat der Versicherungsnehmer ganz regelmäßig ein solches ( H Ü L S S E , B A U M G A R T N E R S Ztschr. 5 , S . 4 4 8 , L E N N E S . 4 0 ) . Dadurch, daß der Versicherer an den Versicherten leistet, leistet er gleichzeitig dem Versicherungsnehmer. Hierzu kommt, daß der Versicherungsnehmer ganz regelmäßig einen Anspruch auf Ersatz der Prämie oder sonstige Forderungen gegen den Versicherten hat. Er hat deshalb ein Interesse daran, daß der Versicherte trotz Beschädigung oder Verlustes des Guts zahlungsfähig bleibt ( L E N N E S. 4 1 ) . — Ob weiter der Verzicht des Dritten den Vertrag bei der V. f. f. R. unwirksam macht, bedarf eingehender Erörterung (s. unten § 8 II.). Keinesfalls kann etwa der Umstand, daß bei Verzicht des Dritten der Versprechensempfänger den Anspruch selbst auch nicht mehr erheben kann, ein Argument gegen das Vorliegen eines Vertrages zugunsten eines Dritten sein. Viel-

Die juristische Konstruktion der V. f. f. R.

21

mehr muß bei jedem Vertrage zugunsten eines Dritten aus dem Vertragszweck und aus der Interessenlage der Beteiligten festgestellt werden, ob bei Zurückweisung (§ 33B BGB.) seitens des Dritten der Versprechensempfänger nun selbst die Leistung verlangen kann. Das BGB. stellt weder für die eine noch für die andere Annahme eine Vermutung auf. — Die Vorschrift schließlich, die früher der Annahme eines Vertrages zugunsten eines Dritten besonders hinderlich entgegenstand, nämlich die subsidiäre Haftung des Versicherten für die Prämie ( E H R E N B E R G , IH. Jb. 80, S. 426 Note 4), ist jetzt beseitigt, weil sie mit dem sonstigen bürgerlichen Recht nicht im Einklang stand (Begr. zu §§ 75, 76 VVG.). b) Einer besonderen Hervorhebung bedürfen die auf Grund des neueren Rechts aufgestellten Konstruktionen von SCHLOSSMANN,

MÜLLER-ERZBACH,

SCHNEIDER,

JOSEF

und

GERHARD-

HAGEN. 1 . SCHLOSSMANN faßt die V. f. f. R. als ein „Stellvertretungsverhältnis" auf. Unter „Stellvertretung" versteht er aber jede Art von Vertretung, sei es direkte, sei es indirekte. Ob der Dritte unmittelbar berechtigt wird oder nicht, soll dem positiven Recht im besonderen Falle überlassen bleiben. Da es aber allgemeine Grundsätze, die sowohl die direkte wie die indirekte Stellvertretung umfassen, nicht im ausreichenden Maße gibt ( L E N N E S . 44), ist der SCHLOSSMANN sehe Standpunkt an sich nicht geeignet eine rechtliche Erfassung der V. f. f. R. ausreichend zu ermöglichen. Vor allem aber ist nach unserem geltenden Recht eine scharfe Unterscheidung zwischen direkter und indirekter Stellvertretung zu machen. 2. M Ü L L E R - E R Z B A C H rechnet die V. f. f. R. zum Kommissionsgeschäft, bei dem stets die direkte Stellvertretung „durchbreche". Er unterscheidet also zwar im Gegensatz zu SCHLOSSMANN noch die direkte und indirekte Stellvertretung, behauptet aber doch eine starke Annäherung beider Institute, ja, läßt sie ineinander übergehen. Die unmittelbare Berechtigung des Versicherten soll sich nicht so sehr aus versicherungsrechtlichen Gründen (Verhütung von Wettversicherungen), als vielmehr aus einem fortschrittlich entwickelten Stellvertretungsverhältnisse herausgebildet haben, bei dem derjenige, in dessen Interesse — nicht aber in dessen

22

Begriff, Voraussetzungen und juristische Natur der V. f. f. R.

Namen — gehandelt wird, in eine unmittelbare Rechtsbeziehung zu demjenigen tritt, mit dem der mittelbare Stellvertreter kontrahiert hat. M Ü L L E R - E R Z B A C H und S C H L O S S M A N N vertreten also grundsätzlich gleiche Standpunkte. Sie konstruieren eine fortschrittlich entwickelte, direkte und indirekte Stellvertretung umfassende Yertreterschaft ( L E N N E S. 4 2 ) . Eine solche aber widerspricht der Auffassung des geltenden Bechts. 1 8. S C H N E I D E R (Ztschr. 5, S . 236ff., Komm. § 79) sieht den Versicherungsnehmer und den Versicherten beide als wirkliche Vertragsbeteiligte an und erachtet die Leistung an den Dritten nicht als bloße „Leistung an einen Dritten", sondern als die an einen dritten Vertragsbeteiligten. Wie im einzelnen diese Vertragsbeteiligung des Dritten erklärt und ausgestaltet sein soll, wird nicht ausgeführt. —• Der Versicherte ist nun aber beim Vertragsschluß gerade vollkommen ausgeschaltet. Allerdings treffen ihn unter Umständen, wie schon angedeutet, Verpflichtungen („Obliegenheiten") aus dem Vertrage. Diese Pflichten gerade sollen nach S C H N E I D E R dazu nötigen, den Versicherten als Vertragspartei aufzufassen. Die Tatsache jedoch, daß den Versicherten Obliegenheiten aus dem Versicherungsvertrage treffen, ist in der Eigenart des Versicherungsverhältnisses sowie darin begründet, daß der Versicherte der Interessent ist und ihm die Versicherung zugute kommen soll. Sie nötigt nicht dazu, ihn als Vertragspartei aufzufassen. Überdies hat der Versicherte niemals, auch nicht subsidiär (vgl. § 812 a. F. HGB.), die eigentliche Gegenleistung, die Prämie, zu erbringen. Der Umstand, daß der Versicherte aus dem Vertrage in gewisser Weise verpflichtet wird, beweist nichts gegen die Möglichkeit, einen Vertrag zugunsten eines Dritten anzunehmen. Mit Recht verweist hier L E N N E ( S . 48) auf den Empfänger beim Frachtvertrag, der nach herrschender Lehre ein Vertrag zugunsten Dritter ist. Bei diesem wird der Empfänger mit der Annahme des Guts sogar zur Leistung der Eracht, also der Hauptverbindlichkeit, dem Frachtführer gegenüber (neben dem Absender) verpflichtet. 1

Handelsrecht, S . 567. — E. I, Vertretung, Vorb. 8.

COSACK,

STAUDINGER

MÜLLER,

DJZ. 1906,

S.

164. —

Die juristische Konstruktion der V. f. f. R.

Trotz

23

seines sonst abweichenden Standpunktes verweist doch bezüglich des unmittelbaren Bechtserwerbs und der Zurückweisung durch den Versicherten auf §§ 328, 333 BGB. Als befriedigend kann daher die Konstruktion S C H N E I D E R S nicht angesehen werden. 4 . Das gleiche gilt von J O S E F S Anschauung (Komm. §§ 74, 75; Ztschr. 10, S. 58), der im allgemeinen den Standpunkt S C H N E I D E R S teilt. Versicherungsnehmer und Versicherter sollen gemeinsam die dem Versicherer gegenüberstehende Partei bilden; beiden sollen die Bechte aus der Versicherung zustehen, aber nur zum wirtschaftlichen Vorteil des Versicherten. 5. Der Kommentar von G E R H A R D - H A G E N steht m. E. auf dem Standpunkt, daß die V. f. f. B. als Vertrag zugunsten eines Dritten aufzufassen ist (vgl. § 74 Anm. 3). Er sieht in dem Versicherten keinen Vertragsbeteiligten, wenigstens nicht in dem S C H N E I D E R sehen Sinne (anders z. T. L E N N E S. 50). — Wenn er sagt, die Versicherung könne sich durch Einigung zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherten derart auf den Versicherten „konzentrieren", daß auf diesen sogar die Prämienleistungspflicht übergehe, und der Versicherer sich darauf berufen könne, so kann dem allerdings nicht in vollem Maße beigestimmt werden. Es können zwar durch eine Vereinbarung zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherten alle Bechte des ersteren (insbesondere sein Verfügungsrecht) auf den letzteren übergehen derart, daß der Versicherungsnehmer insoweit ganz ausscheidet; der Versicherte kann sich auch gegenüber dem Versicherungsnehmer zur Erfüllung aller Verbindlichkeiten verpflichten (Erfüllungsübernahme), allein dem Versicherer gegenüber bleibt immer der Versicherungsnehmer Vertragspartei und zur Erfüllung der Verbindlichkeiten, insbesondere der Prämienzahlung, verpflichtet. Eine Änderung könnte nur durch Schuldübernahme herbeigeführt werden. SCHNEIDER

24

Die Ausgestaltung der V. f. f. R. im einzelnen.

II. Die Ausgestaltung der Versicherung für fremde Rechnung im einzelnen. § 6. Die Pflichten aus dem Versicherungsvertrage gegenüber dem Versicherer.

I. Aus jedem Versicherungsverträge entspringt für den Versicherungsnehmer eine Reihe von Verbindlichkeiten und „Obliegenheiten", die er dem Versicherer gegenüber zu erfüllen hat. Hinsichtlich der Art und des Inhalts dieser Obliegenheiten gilt bei der V. f. f. E . nichts Besonderes, wohl aber erhebt sich bei ihr die Frage, ob und inwieweit etwa diese Pflichten von dem V e r s i c h e r t e n neben dem Versicherungsnehmer oder an dessen Stelle zu erfüllen sind mit Rücksicht nämlich darauf, daß der Versicherte der materiell Interessierte ist, dem die Versicherung zugute kommen soll. Was die Pflichten im allgemeinen anlangt, so muß man sich vergegenwärtigen, daß sie verschiedener Art sind. a) An erster Stelle steht natürlich die Pflicht des Versicherungsnehmers, die Prämie zu zahlen. Diese Pflicht bietet für sich nichts Besonderes; es handelt sich um eine Geldschuld, deren Erfüllung der Versicherer erzwingen kann. Sie trifft lediglich den Versicherungsnehmer als den alleinigen Gegenkontrahenten des Versicherers. Der Versicherte haftet für sie auch nicht mehr subsidiär (§ 812 III. a. F. HGB.). Auf gleicher Stufe mit dieser Pflicht steht die besonders ausbedungene Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe, deren Verfall vertragsmäßig an ein bestimmtes Verhalten oder an den Eintritt eines bestimmten Ereignisses geknüpft ist, wobei es vielfach auf ein Verschulden gar nicht ankommen soll. Auch für eine solche Vertragsstrafe muß grundsätzlich der Versicherungsnehmer haften.. Dieser ist allemal der richtige Beklagte. Ist die Strafe nur bei Verschulden verwirkt und trifft dieses Verschulden den Versicherten, so muß die Entscheidung von Fall zu Fall erfolgen. Dadurch daß eine Vertragsstrafe für den Fall eines gewissen Verhaltens oder des Eintritts eines gewissen Er-

Die Pflichten aus dem Versicherungsvertrage gegenüber dem Versicherer.

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eignisses festgesetzt ist, ist zugleich eine Obliegenheit begründet, nämlich das betr. Verhalten bezw. den Eintritt des betr. Ereignisses zu vermeiden; zum mindesten wirkt die Vertragsstrafe als Antrieb hierzu (vgl. S C H N E I D E B , LZ. 1907, S . 259ff.). Mit Rücksicht auf die mit der Vertragsstrafe erstrebte Sicherung des Versicherers wird man in der Regel annehmen können, daß diese Obliegenheit auch den Versicherten trifft und der Versicherungsnehmer für das Verhalten des Versicherten einzustehen hat ( G E R H A R D - H A G E N Zus. zu § 79, Anm. 2 a. E.; a. A. S C H N E I D E R , Ztschr. 5, S . 256). b) Anderer Art sind dagegen die zahlreichen Anzeigepflichten, die in dem Versicherungsverhältnis begründet sind, so zunächst beim Vertragsschluß die Pflicht zur richtigen Anzeige aller erheblichen Gefahrumstände (§§ 16, 17 VVG.), ferner während des Laufs der Versicherung: die Anzeige von Gefahrerhöhungen (§§ 23 II, 27 II VVG.), die Anzeige einer Doppelversicherung (§§ 58, 90 VVG.), die Anzeige der Veräußerung der versicherten Sache (§ 71 VVG.), und nach Eintritt des Versicherungsfalls die Anzeige dieses (§ 33 VVG.). c) Wieder eine andere Reihe bilden die Obliegenheiten: deren Erfüllung vertragsmäßig besonders übernommen wird, § 32 VVG., den Versicherungsfall nicht vorsätzlich oder grobfahrlässig bezw. überhaupt fahrlässig herbeizuführen (§§ 61, 130 VVG. § 821 IV HGB. — § 152 VVG.), keine Gefahrerhöhungen vorzunehmen oder zu dulden (§ 23 VVG.), bei Eintritt des Versicherungsfalls nach Möglichkeit für Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen (§ 62 VVG.), Auskunft und Belege zu erteilen (§ 34 VVG.), den Tatbestand nicht zu verdunkeln (§§ 93, 111 VVG.), binnen bestimmter Frist Klage zu erheben (vgl. § 12 II VVG.), Ersatzansprüche gegen Dritte nicht aufzugeben (§67 VVG.).

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Die Ausgestaltung der V. f. f. R. im einzelnen.

Die zu b, und c, genannten Pflichten sind regelmäßig nicht erzwingbar. Ihre Verletzung berechtigt aber den Versicherer entweder zum Schadensersatz oder zieht andere besondere Folgen nach sich, so Leistungsfreiheit, Rücktritts- oder Kündigungsrecht des Versicherers. In der neueren Literatur und Rechtsprechung werden die gesamten Obliegenheiten geschieden in „wahre Rechtsverbindlichkeiten" und in „positive bezw. negative Voraussetzungen für die Erhaltung der Ansprüche gegen den Versicherer" oder in „eigentliche" und „uneigentliche Pflichten". Aus diesem Gesichtspunkte will man insbesondere entscheiden, ob und inwieweit der Versicherungsnehmer für fremdes Verschulden gemäß § 278 BGB. einzustehen hat. 1 S C H N E I D E R hält diese Unterscheidung für sehr fruchtbar. Nach den Ausführungen B R O D M A N N S dürfte es jedoch sehr zweifelhaft sein, ob wirklich die Anwendbarkeit des § 278 BGB. aus diesem Gesichtspunkte entschieden werden kann oder ob man die Entscheidung nicht besser und sicherer durch eine engere Auslegung des § 278 BGB. in Verbindung mit dem Zweck des Versicherungsvertrages finden wird. „Fruchtbar" ist diese Unterscheidung zweifellos insoweit gewesen, als sie eine ungeheure Meinungsverschiedenheit über die Frage, zu welcher Kategorie nun diese oder jene Obliegenheit zu rechnen sei, hervorgerufen hat. In manchen Fällen ist die Entscheidung einfach, in vielen aber so zweifelhaft, daß nur eine — lediglich dialektisch begründete — Gefühlsentscheidung gefunden wird, die allein im Hinblick auf den Zweck gefällt wird, die Anwendbarkeit des § 278 BGB. zu bejahen oder zu verneinen. Sehr mit Recht sagt B R O D M A N N (a. a. 0 . S. 273), daß der Satz, der Versicherungsnehmer habe nicht die V e r b i n d l i c h k e i t , sich der grobfahrlässigen oder vorsätzlichen 1 Vgl. hierzu: SCHNEIDER, LZ. 1907, S. 259ff., 1909, S. 402ff. 1910, S. 97ff., 198ff., 732ff.; IH. Jb. 53, S. Iff.; Komm. § 6. JOSEF, LZ. 1907 S. 483ff.; GRUCHOTS Beitr. 52, S. 268ff., IH. Jb. 55, S. 260ff., Ztschr. f. d. ges. Vers.-

W i s s . 1911, S. 2 0 1 ff.

S. 260ff.

GIERKE, L Z . 1 9 0 9 , S . 7 2 1 f f .

BRODMANN, I H . J b .

58,

Außerdem bezgl der Unterscheidung: EHRENBERG, VR. S. 195,

I H . J b . 3 0 , S. 4 6 2 , N r . 5 6 ; LENNE S. 129, 4 7 , Z t s c h r . 12, S. 1 2 3 8 f f . —

KOHLER,

S . 4 2 7 f f . — L E H M A N N , H a n d e l s r e c h t S . 9 9 4 . — SCHNEIDER, Z t s c h r . 5 , S . 2 5 4 f f . RG.E.

52,

S.

192; 58,

S.

346.

Die Pflichten aus dem Versicherungsvertrage gegenüber dem Versicherer.

27

Verursachung des Brandes zu enthalten, nicht wahrer ist als sein kontradiktorisches Gegenteil. Für die uns hier interessierende Frage, ob und inwieweit der V e r s i c h e r t e die Obliegenheiten aus dem Versicherungsvertrage zu erfüllen hat, bedürfen wir dieser Unterscheidung nicht. Die Entscheidung wird vielmehr auf anderem Wege zu finden sein. II. 1. Fassen wir zunächst noch einmal die Person des Versicherungsnehmers ins Auge! Wir hatten bereits gesehen, daß ihn allein die Pflicht zur Prämienzahlung und zur Zahlung von Vertragsstrafen trifft. Er hat aber auch alle anderen Obliegenheiten grundsätzlich zu erfüllen, genau so wie ein Versicherungsnehmer bei der Versicherung für eigene Rechnung.1 Nur soweit die Verletzung einer Obliegenheit ein Verschulden voraussetzt, ist es möglich, daß den Versicherungsnehmer ein solches nicht trifft, dann nämlich insbesondere, wenn er nicht die tatsächliche Verfügungsgewalt über die versicherte Sache hat (LENNE S. 122). Der Umstand, daß der Versicherungsnehmer die tatsächliche Verfügungsgewalt nicht hat, kommt also nach der hier vertretenen Auffassung nur insofern in Betracht, als er geeignet ist, den Versicherungsnehmer von einer ihn grundsätzlich treffenden Obliegenheit zu befreien, wenn ihn infolge dieses Umstandes ein — im Einzelfall erforderliches — Verschulden nicht trifft. Das gilt auch für die Anzeigepflichten. Nach EHRENBERG2 dagegen soll bei diesen die Kenntnis des Versicherungsnehmers von dem anzuzeigenden Umstände überhaupt nur dann dem Versicherten schaden, wenn der Versicherungsnehmer die faktische Gewalt über die versicherten Gegenstände innehat. Ist der Versicherungsnehmer von einer ihn grundsätzlich treffenden Obliegenheit wegen mangelnden Verschuldens befreit, so ist es möglich, daß an seiner Stelle der Versicherte die betr. Obliegenheit zu erfüllen hat, insbesondere seine Kenntnis von einem anzuzeigenden Umstände präjudizierlich wirkt, wenn er den Versicherungsnehmer darüber in Unkenntnis gehalten hat. — Mit Recht hebt LENNE (S. 122) hervor, 1

LENNE S. 121; Ztschr. 12, S. 1237; SCHNEIDER, Ztschr. 5, S. 251;

LEHMANN, H a n d e l s r e c h t ,

S. 9 9 4 ; COSACK, H a n d e l s r e c h t ,

S. 6 3 7 ; KOHLER,

S. 4 4 3 . 2

VR. S. 196, IH. Jb. 30, S. 468 f. Vgl. auch VR. S. 434 Note 5.

28

D i e Ausgestaltung der V. f. f. R . im einzelnen.

daß es sich hierbei nicht um eine Folge handelt, die sich aus der rechtlichen Natur der V. f. f. E. ergibt, sondern um eine reine Yerschuldensfrage; daß man deshalb auch nicht eigentlich von einer Verteilung der Obliegenheiten und Pflichten zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem sprechen darf (vgl. S C H N E I D E R , Ztschr. 5, S. 252). „Der Versicherungsnehmer wird als Vertragspartei stets von ihnen betroffen und ist höchstens frei, wenn es auf ein Verschulden ankommt, ihn aber ein solches nicht trifft; der Versicherte dagegen wird jene zwar häufig . . . . neben dem Versicherungsnehmer oder an Stelle desselben erfüllen müssen, wird aber als Dritter nicht wie der Versicherungsnehmer grundsätzlich von ihnen betroffen" ( L E N N E S. 122). Erfüllt der Versicherungsnehmer eine ihm in concreto obliegende Verpflichtung nicht und wird hierdurch die Leistungspflicht des Versicherers beeinflußt, so muß der Versicherte das gegen sich gelten lassen, muß sich das Verhalten des Versicherungsnehmers allemal „zurechnen" lassen ( S C H N E I D E R , . Ztschr. 5, S . 254). Er erwirbt die Rechte aus dem Vertrage „so wie sie der Versicherungsnehmer im Verkehr mit dem Versicherer hat entstehen lassen" ( L E N N E S. 123, vgl. § 384 BGB.). E H R E N B E R G (VE. S. 195, I H . Jb. 30, S. 466) dagegen läßt in konsequenter Durchführung der Auffassung des Versicherungsnehmers als eines beauftragten oder gesetzlichen Stellvertreters die Pflichtverletzungen, die vom Versicherungsnehmer ausgehen, dem Versicherten nur so weit schaden, als überhaupt ein „Angestellter" in diesen Fällen dem Anspruch des Versicherten zu präjudizieren vermag. 2. Schwieriger ist die Frage, wann der V e r s i c h e r t e , den wir ja als Dritten, nicht Vertragsbeteiligten, auffassen, Obliegenheiten neben dem Versicherungsnehmer oder an seiner Stelle zu erfüllen hat. Es ist hier zwischen dem Vertragsschluß und dem späteren Laufe der Versicherung zu unterscheiden. a) Inwiefern beim Vertragsschluß Kenntnis und Arglist des Versicherten ihm schädlich sind, ist in § 79 VVG. geregelt. Danach schadet die Verschweigung oder die unrichtige Anzeige eines Gefahrumstandes dem Versicherten selbst dann, wenn nur er, nicht der Versicherungsnehmer Kenntnis von diesen Umständen gehabt hat. Der Versicherte hat also auch seinerseits die Pflicht,

Die Pflichten aus dem Versicherungsverträge gegenüber dem Versicherer.

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die Gefahrumstände richtig anzuzeigen (§ 16 VVG.). Dieser Pflicht wird er in der Eegel durch richtige Information des Versicherungsnehmers nachzukommen haben (vgl. § 79 III a. E.), doch dürfte nichts entgegenstehen, daß er in besonders gearteten Fällen auch zur unmittelbaren Mitteilung an den Versicherer als verpflichtet angesehen werden kann. 1 — Ebenso schlägt der Einwand, daß die Anzeige eines erheblichen Umstandes ohne Verschulden unterblieben oder unrichtig gemacht sei, nur durch, wenn weder den Versicherungsnehmer noch den Versicherten ein Verschulden trifft. — In gleicher Weise präjudiziert auch bei einer rückdatierten Versicherung die Kenntnis sowohl des Versicherungsnehmers wie des Versicherten davon, daß der Versicherungsfall schon eingetreten ist, dem Versicherungsanspruch (§ 79 II VVG.). In der Behandlung dieser Fälle zeigt sich eine starke Annäherung an die vom Gesetz für die Fälle getroffene Regelung, in denen der Versicherungsvertrag durch einen Bevollmächtigten oder durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht abgeschlossen worden ist (§19 VVG.). Soweit es sich um die Verschweigung oder unrichtige Anzeige eines Gefahrumstandes handelt, stimmen die für die Vertretung gegebenen Normen mit denen des § 79 I durchaus überein. Zum Bücktritt ist der Versicherer nur berechtigt, wenn auf der anderen Seite ein Verschulden vorliegt (§§ 16, 17 VVG.). Es genügt aber ein Verschulden des Vertreters oder des Vertretenen, ebenso des Versicherungsnehmers oder des Versicherten. Ein Verschulden des Vertretenen bezw. des Versicherten aber ist ausgeschlossen, wenn der Vertretene bezw. der Versicherte bei der V. f. f. R. keine Kenntnis von der Schließung des Vertrages hat. Insoweit versteht sich daher die Vorschrift des § 79 III, wonach es auf die Kenntnis des Versicherten nicht ankommen soll, wenn der Vertrag ohne sein Wissen geschlossen ist, von selbst. Sie gibt nur zwei Beispiele der Nichtschuld des Versicherten (LENNE S. 110). — Soweit es sich dagegen um die rückdatierte Versicherung handelt, stimmen zwar § 2 III und § 79 II VVG. auch überein, insofern sie auch die Kenntnis des Vertretenen bezw. des Versicherten bei 1 GERHARD-HAGEN, § 79 A n m . 1. — SCHNEIDER, Ztschr. 5, 251, N o t e 1 ; K o m m . § 79. — LENNE S. 111.

30

Die Ausgestaltung der V. f. f. R. im einzelnen.

der Y. f. f. E. von dem schon erfolgten Eintritt des Versicherungsfalls als maßgeblich behandeln. Es genügt aber nach § 2 VVG. die bloße Kenntnis, ein Verschulden an der Nichtanzeige wird nicht gefordert. Hier ist für die V. f. f. E. eine Milderung durch § 79 I I I eingetreten, insofern die Kenntnis des Versicherten diesem nicht schaden soll, wenn der Vertrag ohne sein Wissen geschlossen worden ist oder eine rechtzeitige Benachrichtigung des Versicherungsnehmers nicht tunlich war. Für die in § 79 I—III behandelten Fälle tritt eine besondere Regelung ein, wenn der Versicherungsnehmer den Vertrag ohne Auftrag des Versicherten geschlossen und bei der Schließung des Vertrags den Mangel des Auftrags dem Versicherer nicht angezeigt hat. Dann braucht nämlich der Versicherer den Einwand, daß der Vertrag ohne Wissen des Versicherten geschlossen sei, in keinem Falle gegen sich gelten zu lassen, § 79 IV. Während früher eine in dieser Weise geschlossene V. f. f. E. für den Versicherer überhaupt nicht verbindlich war (§ 782 a. F. HGB.), so ist sie jetzt allerdings für den Versicherer verbindlich und zeitigt nur die soeben bezeichnete Folge. Der Grund für diese Bestimmung liegt darin, daß bei auftragloser V. f. f. E. der Versicherer stets mit der Gefahr rechnen muß, daß der Versicherte hinsichtlich der Verschweigung oder unrichtigen Anzeige eines Gefahrumstandes bezw. hinsichtlich des schon erfolgten Eintritts des Versicherungsfalls sich auf Unkenntnis vom Abschluß der Versicherung beruft. Der Versicherer hat deshalb ein Interesse daran, ob der Versicherte Auftrag gegeben hat, denn in solchem Falle hat er ja Kenntnis von der Versicherung (vgl. Begr. zu § 79), zum mindesten muß er jederzeit damit rechnen, daß die Versicherung auf Grund seines Auftrags genommen wird, und der Einwand aus § 79 I I I ist nicht zu erwarten. Zeigt der Versicherungsnehmer die Auftraglosigkeit an, so weiß der Versicherer, daß er mit der bezeichneten Gefahr rechnen muß; er kann dann seine Maßnahmen dagegen treffen. Erfolgt die Anzeige von der Auftraglosigkeit nicht, so muß sich der Versicherte so behandeln lassen, als ob er von der Versicherung Kenntnis gehabt hätte. — Ist die Versicherung etwa mit der Klausel „mit oder ohne Auftrag" genommen, so zessiert die Vorschrift des § 79 IV (vgl. LENNE S. 112); es soll dann eben auf die

Die Pflichten aus dem Versicherungsvertrage gegenüber dem Versicherer.

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Anzeige von der Auftraglosigkeit kein Wert gelegt sein; sie gilt als erfolgt, wenn sich herausstellt, daß kein Auftrag vorlag. L E N N E (S. 113) bespricht im Anschluß hieran noch den Fall, daß der Versicherte einen Auftrag erteilt hat, diesen dann aus Gründen interner Natur anficht, später aber trotzdem die Aufrechterhaltung des Versicherungsverhältnisses gegenüber dem Versicherer durchzuführen versucht wird. Zu beachten ist hier in erster Linie, daß der Versicherungsvertrag zustande kommt und bei Bestand bleibt ganz unabhängig von dem zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem bestehenden internen Rechtsverhältnis, also unabhängig auch von einer etwa erfolgten Anfechtung des Auftrags. Nahm der Versicherungsnehmer die Versicherung v o r der Anfechtung des Auftrags, so lag zur Zeit der Versicherungsnahme zwar ein Auftrag vor. Allein infolge der später erfolgten Anfechtung gilt er als von Anbeginn nicht vorhanden; die Versicherung muß also als eine ohne Auftrag genommene angesehen werden, so daß sich der Versicherte auf seine etwaige Unkenntnis von der Schließung des Vertrages nicht berufen kann (so L E N N E a. a. 0.). Sachlich ganz dieselbe Regelung wie im VVG. ist jetzt in den §§ 785, 806—809 HGB. enthalten. b) Hinsichtlich der Frage, welche Obliegenheiten den Versicherten während des Laufs der Versicherung treffen, muß von Fall zu Fall entschieden werden. Die Grundsätze von Treu und Glauben im allgemeinen, insbesondere der Grundsatz der uberrima fides im Versicherungsrecht, allgemeine Billigkeitsrücksichten, event. entsprechende Anwendung von § 79 VVG., ferner der Umstand, ob der Versicherte zu der Einwirkung auf die versicherte Sache imstande ist, die nach dem Vertragswillen ausgeschlossen werden sollte, müssen hier die Richtlinien abgeben. 1 Im einzelnen ist hervorzuheben: Die Anzeigepflichten (vgl. oben Ib) werden den Versicherten in der Regel nach Treu und Glauben dann treffen, wenn er von dem anzuzeigenden Umstände und von dem Abschluß der Versicherung 1

Vgl. GERHARD-HAGEN, ZUS. ZU § 79, A n m . 1; LENNE S. 129.

BERG, V R . S. 7 3 ; IH. J b . 30, S. 4 6 3 ; Ztschr. 3, S. 206.

EHREN-

32

Die Ausgestaltung der V. f. f. R. im einzelnen.

Kenntnis hat. Hinsichtlich der Erfüllung dieser Anzeigepflicht dürfte dasselbe zu gelten haben wie oben zu II 2a (Seite 29) ausgeführt (vgl. E H R E N B E R G IH. Jb. 30, S. 467, L E N N E S. 140). Leitender Grundsatz wird immer sein, daß der Versicherte sich nicht hinter dem Versicherungsnehmer „verstecken" ( E H R E N B E R G , VE. S. 194) darf. Hinsichtlich der übrigen Obliegenheiten (vgl. oben Ic) ist folgendes zu sagen: Hat der Versicherte den Versicherungsfall mit dem in concreto erforderlichen Verschulden selbst herbeigeführt, so tritt auf jeden Fall Befreiung des Versicherers ein. Da der Versicherte Träger des Interesses ist und ihm die Entschädigung zugute kommen soll, muß sie ihm in diesen Fällen nach allgemeinen Grundsätzen des Versicherungsrechts und nach Treu und Glauben verweigert werden. Es kommt nicht darauf an, ob der Versicherte Kenntnis von der Versicherung gehabt hat; maßgebend ist nur, ob das Ereignis mit dem nötigen Verschuldensgrade herbeigeführt worden ist. Hat er von der Versicherung nichts gewußt, so Hegt gar kein Anlaß vor, ihm bei Herbeiführung des schädigenden Ereignisses den unverhofften Gewinn einer Entschädigung zukommen zu lassen. 1 Das gleiche gilt auch von Gefahrerhöhungen. Die an solche vom Gesetz geknüpften Folgen müssen auch dann eintreten, wenn der Versicherte als der materiell Interessierte eine unzulässige Gefahrerhöhung vorgenommen hat. Auch hier braucht die Versicherung dem Versicherten nicht bekannt zu sein. Es kommt nur darauf an, ob er den Eintritt des gefahrerhöhenden Umstandes gewollt und sich seiner Eigenschaft als solchen bewußt gewesen ist. 2 Die Pflicht für Abwendung und Minderung des Schadens besorgt zu sein, muß den Versicherten allemal dann treffen, wenn er Kenntnis vom Vertrag hat und tatsächlich in der Lage ist, dieser Verpflichtung nachzukommen, also insbesondere wenn er 1

Jb. 30.

G E R H A R D - H A G E N , ZUS. ZU § 7 9 N r . 5 ; E H R E N B E R G , V R .

S. 1 9 5 ;

IH.

466; a. A. SCHNEIDER, Ztschr. 5, S . 260f. 2 So L E N N E S. 1 3 4 , ebenso im Ergebnis E H R E N B E R G , VR. S. 1 9 5 , I H . Jb. 3 0 , S. 4 6 6 . — a. A. G E R H A R D - H A G E N , ZUS. ZU § 7 5 Nr. 4 , der Kenntnis des Versicherten von der Versicherung fordert; abw. SCHNEIDER, Ztschr. 5 , S. 2 6 2 f. und JOSEF, § 7 5 Note lc. S.

Die Rechte aus dem Versicherungsverträge.

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die versicherte Sache in seiner Obhut hat. Dies entspricht allgemeinen Billigkeitsrücksichten: der Versicherte erhält die Entschädigung; dafür muß er auch alles tun, was sonst bei der gewöhnlichen Eigenversicherung dem Versicherungsnehmer als dem Anspruchsberechtigten in dieser Beziehung obliegt.1 Die Verpflichtung, dem Versicherer Auskunft zu erteilen und Belege zu geben, wird dem Versicherten mit Recht aus allgemeinen Billigkeitsrücksichten auferlegt, da er oft allein oder wenigstens am besten dazu imstande ist. 2 Von selbst versteht es sich, daß auch der Versicherte den Tatbestand nach Eintritt des Versicherungsfalls nicht verdunkeln und daß er nicht Ersatzansprüche gegen Dritte aufgeben darf (vgl. zu letzterem unten § 10IV). Jeder dolus des Versicherten in bezug auf das Versicherungsverhältnis ist ebenso zu beurteilen, wie wenn er auf Seiten des Versicherungsnehmers vorläge. Das ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 79 VVG. und aus den Grundsätzen von Treu und Glauben (vgl. LENNE S. 142). § 7. Die Rechte aus dem Versicherungsvertrage.

I. Die Rechte aus dem Versicherungsvertrage stehen dem Versicherten zu. Hierunter fällt nicht nur der. eigentliche Versicherungsanspruch, sondern jedes durch den Versicherungsvertrag begründete Recht gegenüber dem Versicherer (LENNE, S. 124, HÄGER-BRUCK § 75 Anm. 1). Ausgenommen ist nur kraft positiver Vorschrift (§ 75 I 2 VVG., § 886 I 2 HGB.) das Recht auf Aushändigung des Versicherungsscheins. Dieses steht nur dem Versicherungsnehmer zu. Diese Regelung ist mit Rücksicht auf die Rechtsfolgen, die der Besitz des Scheines nach sich zieht, getroffen. Deshalb kann auch nur der Versicherungsnehmer die Aushändigung einer Ersatzurkunde (§ 3 II VVG.) verlangen (HÄGER-BRUCK 1

§ 79

S o G E R H A R D - H A G E N , ZUS. ZU § 7 9 , N r . 6 ; L E N N E S . 1 3 8 , H Ä G E R - B R U C K ,

Anm. 2

1.

S o HÄGER-BRUCK,

VR. S. 193.

IH.

§ 79 Anm.

1.

LENNE S. 141.

Vgl.

Jb. S. 463.

FISCHER, Versicherung für fremde Rechnung.

3

EHRENBERG,

34

Die Ausgestaltung der V. f. f. R . im einzelnen.

a. a. 0.). — Neben dem Anspruch auf die Leistung der Entschädigungssumme kommen hauptsächlich in Betracht: Der Anspruch auf Erteilung von Abschriften (§ 3 I I I VVG.), auf Rückzahlung von Prämien bei Aufhebung des Versicherungsvertrages, auf Bewirken der Sicherheitsleistung (§ 150 I I I VVG.), auf Ersatz von Aufwendungen und Kosten (§ 1 5 0 I VVG.) ( H Ä G E R - B R U C K a. a. 0 . ) . II. Der Dritte erwirbt diese Rechte unmittelbar aus dem zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer geschlossenen Versicherungsvertrage (vgl. § 328 BGB.). Er erlangt unmittelbare Rechte gegen den Versicherer. Mit HELLWIG (S. 43) zu sprechen, liegt also ein „berechtigender" Vertrag auf Leistung an einen Dritten vor, im Gegensatz zu einem „bloß ermächtigenden" Vertrag, bei dem bloß der Versprechensempfänger das Recht hat, vom Versprechenden Leistung an den Dritten zu verlangen, der Dritte selbst aber kein Recht gegen den Versprechenden erwirbt (vgl. § 329 BGB.). Der Versicherte erwirbt die Rechte sofort mit dem Vertragsschluß. Hiermit ist eine Konstruktion abgelehnt, die von HELLWIG (S. 5 7 0 ) für das frühere Recht vertreten wurde. Dieser sagte: Da sich auf Grund des Einstehens für den Schaden erst mit Eintritt dieses ein bestimmter Leistungsanspruch entwickele, sei im Zweifel anzunehmen, daß auch erst mit Eintritt des Schadens dem Dritten das Recht auf die Leistung anfallen solle. Möglich, aber im Zweifel nicht anzunehmen, sei auch, daß dem Dritten sofort das Recht auf die künftige Leistung verliehen werde. Gerade letztere Auffassung hat das Gesetz zur Grundlage gewählt. Bei der HELLWIG sehen Auffassung würde sich für die Zeit bis zum Eintritt des Versicherungsfalls eine bloße, rechtlich belanglose Anwartschaft des Versicherten und hieraus wieder feine freie Verfügungsgewalt des Versicherungsnehmers über die Rechte aus dem Vertrage ergeben. Auch würde bei dieser Auffassung der Eintritt des Versicherungsfalls eine ganz besondere Bedeutung haben, während er nach der gesetzlichen Regelung auf die Rechtsstellung der Beteiligten als solche überhaupt keine Einwirkung äußert. Ein sofortiger, d. h. mit Vertragsschluß erfolgender Anfall der Rechte ist naturgemäß nicht möglich, wenn der Dritte (Versicherte) zur Zeit des Vertragsschlusses noch nicht bestimmt ist;

Die Rechte aus dem Versicherungsvertrage.

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so wenn der Kürschner im voraus alle ihm zur Aufbewahrung gegebenen Pelzsachen versichert. Die sich erst künftig bestimmenden Versicherten erwerben die Eechte erst mit dem Zeitpunkt, in dem sie bestimmt werden, aber sie erwerben sie kraft des damaligen Vertrages. Bei der Versicherung für Rechnung „wen es angeht" fallen den jeweiligen Trägern des versicherten Interesses die Eechte aus dem Versicherungsvertrage mit dem Zeitpunkt zu, in dem sie Träger des Interesses werden. Hierbei ist nur Voraussetzung, daß sie das Interesse in der im Vertrag oder nach den Umständen vorausgesetzten Art und Weise erwerben (vgl. oben § 8 1 ) . Treten mehrere Personen als Versicherte nacheinander in das Versicherungsverhältnis ein, so erwerben auch diese die Eechte auf dieselbe Art, nämlich unmittelbar kraft des Versicherungsvertrages. Dies darf jedoch nicht dahin verstanden werden, daß sie die Eechte als neue, vom Eecht ihres Vormanns unabhängige erwürben, etwa wie bei Begebung einer Tratte mittels Indossaments; vielmehr fallen ihnen die Eechte — wenn auch ohne Vermittlung des Vormanns — so an, wie sie begründet waren, also insbesondere behaftet mit allen Mängeln etwa versäumter Anzeigepflichten. Das ergibt sich schon aus der Natur des Versicherungsverhältnisses. Mit Eecht weist SCHNEIDER (Ztschr. 5 , S . 2 4 7 ) darauf hin, daß die erstbezeichnete Wirkung nicht einmal bei der indossierten TransportOrder-Police nach herrschender Meinung eintritt (vgl. hierzu unten § 9 VI). Eine cessis legis liegt nicht vor; denn der Erwerb erfolgt nicht kraft gesetzlichen Eechtsübergangs, sondern kraft des ursprünglichen Versicherungsvertrages. E r ist daher auch nicht zu verwechseln mit dem Fall des § 69 VVG. (vgl. L E N N E S . 1 2 5 , SCHNEIDER Ztschr. 5 , S . 2 4 7 ) . —- Aus der Natur eines Vertrages zu Gunsten eines Dritten erklärt, handelt es sich hier um einen Vertrag auf Leistung an einen unbestimmten oder noch zu bes t i m m e n d e n D r i t t e n (HELLWIG S . 2 2 0 ) .

Die Entstehung der Eechte des Versicherten bedarf weiter keiner Voraussetzungen, insbesondere keiner „Annahme" oder „Zustimmung". E r erwirbt sie auch ohne seinen Willen und ohne sein Wissen, allerdings mit der Möglichkeit, sie zurückzuweisen (§ 333 B G B . , vgl. unten § 8). I I I . Aus der Tatsache, daß sämtliche Eechte aus dem Ver3*

36

Die Ausgestaltung der V. f. f. R. im einzelnen.

sicherungsvertrage dem Versicherten zustehen, ergibt sich, daß den Gläubigern des Versicherten der Zugriff auf diese Rechte grundsätzlich offen steht. Sie können also insbesondere diese Eechte pfänden. Da vor Eintritt des Versicherungsfalls nur ein ganz unbestimmtes Becht vorhanden ist, wird der Gläubiger sich in der Regel an die versicherte Sache halten (Pfändung dieser oder des auf sie gerichteten Herausgabeanspruchs); erst nach Eintritt des Versicherungsfalls wird er die Entschädigungsforderung pfänden. Den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß muß er sowohl dem Versicherten als dem Berechtigten wie auch dem Versicherungsnehmer als dem Verfügungsberechtigten (vgl. unten § 9 I) zustellen (HÄGER-BRUCK § 76 Anm. 2, LENNE S. 165). Soweit sich die Versicherung auf unpfändbare Sachen bezieht, kann die Forderung aus der Versicherung nur von solchen Gläubigern gepfändet werden, die dem Versicherten zum Ersatz der zerstörten oder beschädigten Sachen andere Sachen geliefert haben (§ 15 VVG. i. V. § 851 I ZPO.). Mit Bücksicht auf diese Vorschrift muß bei unpfändbaren Sachen eine Pfändung der Rechte aus dem Versicherungsvertrage v o r Eintritt des Versicherungsfalls überhaupt für unzulässig erachtet werden (LENNE S. 164). Auch der Versicherungsnehmer kann die Rechte des Versicherten aus dem Versicherungsvertrage für sich pfänden, soweit es sich nicht um solche Ansprüche handelt, für die ihm nach § 77 VVG., § 888 HGB. ein besonderes Vorzugsrecht gegenüber dem Versicherten und dessen Gläubiger eingeräumt ist; denn insoweit bedarf er des ihm durch Pfändung zu gewährenden Bechtsschutzes nicht (LENNE a. a. 0.). Dieses dem Versicherungsnehmer wegen bestimmter Ansprüche gewährte Vorzugsrecht ist so stark, daß alle anderen Gläubiger des Versicherten ihm nachstehen (vgl. unten § 11 III). Andererseits sind die Bechte aus dem Versicherungsvertrage dem Zugriff der Gläubiger des Versicherungsnehmers, der über sie lediglich als über fremde, wenn auch im eigenen Namen verfügen kann, entzogen. Gegen eine etwaige Pfändung würde der Versicherte die Widerspruchsklage aus § 771 ZPO. haben, zu der er natürlich weder der Zustimmung des Versicherungsnehmers noch des Besitzes des Versicherungsscheins (vgl. unten § 9 I) bedarf, da sich diese' gerichtliche Geltendmachung nicht gegen

Die Zurückweisung der Rechte seitens des Versicherten.

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den Versicherer richtet (SCHNEIDER, Ztschr. 5, S. 241). Der Konkurs des Versicherungsnehmers läßt die Entschädigungsforderung unberührt; sie gehört nicht zur Konkursmasse. Der Versicherte hat hinsichtlich ihrer ein Aussonderungsrecht. Ist sie vom Konkursverwalter eingezogen worden, so greift § 46 Satz 2, event. § 59 Ziff 1, 3 K O . ein. 1 Auch hinsichtlich des Versicherungsscheins ist der Versicherte aussonderungsberechtigt (§ 9 5 2 B G B . , L E N N E S. 168, vgl. unten § 9 V I I , 1). Ebensowenig unterliegt das B e c h t auf die Entschädigungssumme der A n f e c h t u n g seitens der Gläubiger des Versicherungsnehmers. Nur eine Anfechtung gegen den Versicherten in Höhe der gezahlten Prämien ist bei unentgeltlicher Zuwendung anerkannt worden. 2

§ 8. Die Zurückweisung der Rechte seitens des Versicherten. I. Wie schon gezeigt ist, fallen dem Versicherten die B e c h t e aus dem Versicherungsvertrage ohne sein Zutun, j a unter Umständen ohne sein Wissen und ohne seinen Willen zu. E s ist ihm aber die Möglichkeit gegeben, diesen Bechtserwerb zurückzuweisen. Das ergibt sich bei der hier zugrunde gelegten Auffassung der V. f. f. B . bereits aus § 333 B G B . und entspricht auch dem Zweck der V. f. f. B . Durch sie versichert der Versicherungsnehmer das Interesse des Dritten für dessen Bechnung, und diesem Dritten soll die Entschädigungssumme zugute kommen. Will er diese gar nicht haben, vielleicht weil er schon anderweit sein Interesse selbst versichert hat, so muß er in der Lage sein, den Bechtserwerb aus der V. f. f. B . zurückzuweisen. Macht er von dieser Möglichkeit Gebrauch, so gelten die B e c h t e als nicht erworben (§ 333 B G B . ) . Diese Zurückweisung entspricht ganz der Ausschlagung eines Vermächtnisses, bei der auch der aus der letztwilligen Verfügung erworbene Vermächtnisanspruch gegen den Beschwerten als nicht 1

Begr. zu §§75, 76. — SCHNEIDER, Ztschr. 5, S. 239; Komm. § 75. —

GERHARD-HAGEN §§ 75, 76 Anm. 3. — JOSEF, § 7 5 N. l a . — HÄGER-BRUCK

§ 77 Anm. 2. — Im Ergebnis ebenso: HELLWIG S. 580. 2 R G . E . S. 61, 217, über die Streitfrage vgl. JAEGER, KO. § 32 Anm. 26.

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Die Ausgestaltung der V. f. f. R. im einzelnen.

erworben gilt (§§ 2174, 2176, 2180, 1953 I BGB.). Es empfiehlt sich nicht, diese Zurückweisung als „Verzicht" zu .bezeichnen, da man hierunter auch das nachträgliche, nicht rückwirkende Aufgeben der aus dem Versicherungsvertrage erworbenen Rechte verstehen kann. Ein s o l c h e r Verzicht bezw. Erlaß ist eine echte Verfügung im Sinne des BGB. Er setzt daher voraus, daß dem Versicherten die Verfügungsmacht über die Rechte aus dem Versicherungsvertrage zusteht, was keineswegs — wie später (vgl. unten § 9 I) zu zeigen ist — stets der Fall ist. Die Zurückweisung ist dagegen keine Verfügung im Sinne des BGB., ebensowenig wie die Ausschlagung eines Vermächtnisses eine „Verfügung" über den Vermächtnisanspruch darstellt. Sie fällt daher nicht unter § 75 II VVG., § 886 I I HGB. Das Gegenteil der Zurückweisung ist die A n n a h m e der Rechte aus dem Versicherungsvertrage. Diese ist wie bei jedem Vertrage auf Leistung an Dritte möglich (HELLWIG, S. 262, PLANCK § 333). Sie bedeutet nicht — vgl. oben § 7 II —, daß der Dritte durch sie erst die Rechte aus dem zu seinen Gunsten geschlossenen Vertrage erwürbe, vielmehr stellt sie nur eine „Befestigung des eingetretenen Rechtserwerbs" dar mit der Folge, daß nunmehr eine Zurückweisung nicht mehr möglich ist (HELLWIG S. 262, 264). Eine „Annahme" liegt insbesondere dann vor, wenn der Versicherte ohne Einwendung die Entschädigungssumme in Empfang nimmt oder sonstwie die Versicherung ihm zugute kommt (LENNE S. 147). Sowohl die Annahme wie die Zurückweisung sind unwiderruflich. 1 Sie haben gegenüber dem Versicherer zu erfolgen, wie sich aus § 333 BGB. ergibt. Man wird jedoch sagen können, daß diesem Erfordernis schon dann genügt ist, wenn der Versicherte die Erklärung dem Versicherungsnehmer abgibt zu dem Zwecke, daß dieser sie dem Versicherer weitergebe. Es wird z. B. eine Zurückweisung darin erblickt werden können, daß der Versicherte dem Versicherungsnehmer gegenüber, der die nach § 76 III VVG. (§ 887 III HGB.) erforderliche Zustimmung einholen will, diese Zustimmung versagt (LENNE S. 146). Die Zurückweisung im 1

PLANCK

§ 333 Note 3. —

GERHARD-HAGEN

§ 74 Anm. 3,

LENNE

S. 146.

Die Zurückweisung der Rechte seitens des Versicherten.

39

Sinne des § 333 BGB. ist so lange möglich, als nicht die Annahme erfolgt ist. Auch wenn der Versicherungsnehmer bereits die Entschädigungssumme erhalten hat, muß die Zurückweisung noch möglich sein, da sonst die Versicherung zu einer Bereicherung des Versicherungsnehmers führen könnte; denn dem Versicherer würde keine Möglichkeit zur Rückforderung gegeben sein, da er durch die Leistung an den Versicherungsnehmer keine Nichtschuld gezahlt hat (LENNE S. 147).1 Die Zurückweisung kann praktisch werden, wenn der Versicherte sein Interesse bereits selbst unter Versicherung gebracht hat und mit der für ihn von anderer Seite genommenen Versicherung nichts zu tun haben will, weil er durch ihre Benutzung die Geschäftsführung des Versicherungsnehmers genehmigen und sich dadurch zum Ersatz der diesem entstandenen Auslagen, also insbesondere der Prämie, verpflichten würde, oder wenn er bereits von anderer Seite, z. B. dem Brandstifter, Ersatz erhalten hat (HELLWIG, S. 5 7 4 ; LENNE S. 147). Zu beachten ist indes, daß es sich hierbei regelmäßig um solche Fälle handelt, in denen der Versicherungsnehmer als negotiorum gestor die Versicherung genommen hat. Dies aber ist, wie später (unten § 11 I) noch dargelegt werden wird, gerade selten der Fall. In der Regel liegt Auftrag des Versicherten vor. II. Was nun die Folge einer solchen Zurückweisung anlangt, so ist zunächst festzustellen, daß nicht etwa der Versicherungsnehmer nun Leistung an sich fordern kann. Das ist bei der Schadensversicherung infolge des Verbots der Wettversicherung selbstverständlich. Es würde dem Zweck des Vertrages und der Parteiabsicht zuwiderlaufen (LENNE S. 147, HELLWIG, S. 574 Nr. 2). Über die Frage wie sich im übrigen das Rechtsverhältnis bei der Zurückweisung gestaltet, sind die Ansichten verschieden. Am meisten vertreten (vgl. LENNE S. 148 Note 168) wird die Ansicht, daß durch die Zurückweisung die Leistung des Versprechenden ohne sein Verschulden und auch ohne Verschulden 1

Ob die Zurückweisung auch vor Eintritt des Rechtserwerbes erfolgen kann, ist bestritten, dürfte aber zu bejahen sein, vgl. PLAHCK § 333, N. 2. CROME, II § 180, 3 N. 26, SCHOLLMEYER, § 333, 2. A. A. OERTMANN, § 333, 2. — HELLWIG S. 263.

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Die Ausgestaltung der V. f. f. R. im einzelnen.

des Stipulanten unmöglich werde und deshalb §§ 275, 323 BGB. anzuwenden seien. Ausführlich behandelt die Frage PLANCK (§ 335 BGB.), der die verschiedenen Möglichkeiten erörtert und mit Recht hervorhebt, daß sich bei der großen Verschiedenheit der einzelnen Fälle eine allgemeine Entscheidung nicht geben läßt. — Gegen die Annahme einer Unmöglichkeit überhaupt sprechen sich aus: HELLWIG, S. 267 und WINDSCHEID-KIPP II S. 311. Diese setzen an ihre Stelle Annahmeverzug des Stipulanten bezw. des Dritten, dessen Verzug sich der Stipulant zurechnen lassen muß. Unmöglichkeit der Leistung und Annahmeverzug des Gläubigers sind aber, wie auch LENNE (S. 149) mit Recht hervorhebt, überhaupt nicht in dieser Weise einander gegenüberzustellen. •— Bezüglich der V. f. f. R. im speziellen spricht sich GERHARD-HAGEN (§ 7 4 Anm. 3) dahin aus, daß weder eine Unmöglichkeit der Erfüllung noch ein Anspruch des Versicherungsnehmers auf Leistung an sich oder an den Versicherten bestände; der Vertrag bleibe bestehen; der Versicherungsnehmer müsse die Prämie zahlen, der Versicherer sei zur Leistung nicht verpflichtet. Eine befriedigende Erklärung ist jedoch hiermit in keiner Weise gegeben. — LENNE (S. 150) will § 3 2 4 BGB. anwenden, SCHNEIDER (Ztschr. 5, S. 237, Komm. § 75) dagegen § 68 VVG. M. E. ist folgendes zu sagen: Wenn man die Wirkungen der Zurückweisung des Rechtserwerbs seitens des Dritten bei den Verträgen zugunsten Dritter ins Auge faßt, so muß man unterscheiden, ob der Dritte aus dem Vertrage ausschließlich berechtigt ist oder ob neben diesem Rechte noch das Recht des Stipulanten auf Leistung an den Dritten steht. Sofern nicht ein anderer Wille der Vertragschließenden anzunehmen ist, soll dieses Recht dem Stipulanten zustehen (§ 335 BGB.). Ist der Dritte ausschließlich berechtigt, so wird der Versprechende, wenn der Dritte zurückweist, ohne weiteres frei, da es am Gläubiger fehlt (PLANCK, § 335 Bern. 2a). Besteht dagegen das Recht des Stipulanten nach § 335 BGB., so ist die Sachlage bei Zurückweisung seitens des Dritten gerade so, als ob der Vertrag von vornherein nur als sog. ermächtigender Vertrag, bei dem der Dritte überhaupt keine eigenen Rechte erwirbt, abgeschlossen wäre. Wie sich in einem solchen Falle dann das Rechtsverhältnis gestaltet, ist nach Lage des Falls

Die Zurückweisung der Rechte seitens des Versicherten.

41

verschieden. Bei der Y. f. f. E. liegt kein Anlaß vor, die Berechtigung des Versicherungsnehmers gemäß § 335 BGB. nicht als gegeben anzusehen (vgl. oben § 5 IIa) 1 . Nun besteht aber gerade der Zweck der V. f. f. R. darin, dem Dritten die Rechte aus dem Versicherungsverträge zuzuwenden. Auf Grund dieser Rechte soll der Dritte dann die eventuelle Entschädigung erhalten, da er ja der materiell Interessierte ist. Wenn er diese Rechte zurückweist, ist ohne weiteres anzunehmen, daß er auch eine eventuelle Leistung nicht haben will (vgl. LENNE S. 150). Man muß deshalb sagen: Durch die Zurückweisung ist der ganze Zweck des Vertrages vereitelt. Dem Versicherer wird die Leistung gemäß § 275 BGB. unmöglich; er wird deshalb frei.2 Der Versicherungsnehmer kann nichts mehr von ihm verlangen. Der Versicherer steht daher hier im Endergebnis ebenso da, wie wenn der Dritte überhaupt von vornherein ausschließlich hätte berechtigt werden sollen, den Rechtserwerb aber ausgeschlagen hätte. Im Verhältnis zum Versicherungsnehmer hat er alles getan, was ihm aus dem Vertrage diesem gegenüber zu tun oblag, indem er dem Versicherten die Möglichkeit gab, die Rechte aus dem Versicherungsvertrage zu erwerben. Er muß deshalb seinen Anspruch auf die Gegenleistung schlechthin behalten (vgl. PLANCK, § 335 Bern. 4 a). Hiermit erübrigt es sich, zu erörtern, wer den Umstand, der die Unmöglichkeit herbeiführte, zu vertreten hat. Diese Frage müßte man wohl dahin beantworten, daß ihn weder der Versicherungsnehmer noch der Versicherer zu vertreten hat. Eine Anwendung von § 323 BGB. ist aber nach dem Inhalt und Zweck des Vertrages bei der V. f. f. R. ausgeschlossen. Daß der Versicherer die Prämie herausgeben müßte, wäre ein unerträgliches Ergebnis. Dagegen ist das hier gewonnene Ergebnis nach Lage der Sache durchaus gerechtfertigt. Der Versicherer ist für die Versicherung geschäftlich tätig geworden; er hat regelmäßig bis zur Zurückweisung die Gefahr getragen, hat Gelder bereit gehalten und Kosten aufgewendet (vgl. LENNE S. 152). Es ist daher gar 1

So auch HELLWIG, S. 266 f. — SCHNEIDER, Ztschr. 5. S. 240 N. 1. —

LENNE S. 148. 2

Komm, von Reichsgerichtsräten § 333 Bern. 2. — PLANCK, § 335 Bern. 2.

— LENNE S. 150.

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Die Ausgestaltung der V. f. f. R. im einzelnen.

nicht einzusehen, warum er durch die Zurückweisung in seinem einmal in den Geschäftsplan aufgenommenen Prämienanspruch beeinträchtigt werden sollte. Es muß Sache des Versicherungsnehmers bleiben, sich vorher zu vergewissern, wie der Versicherte sich zu der Versicherung stellt. L E N N E (S.150f.), der § 324 BGB. anwenden will, konstruiert eine „Vertretungspflicht" des Versicherungsnehmers dadurch, daß er sagt, der Versicherte sei Gläubiger des Versicherers und habe durch seine Weigerung auch das Leistungsunvermögen des Versicherers verschuldet, der Versicherungsnehmer habe sich dieses Verschulden zurechnen zu lassen. Nun dürfte es aber doch bedenklich sein zu sagen, der Versicherte sei „Gläubiger des Versicherers" und habe als solcher „verschuldet", daß die Leistung des Versicherers unmöglich wurde, da der Versicherte durch seine Zurückweisung gerade nicht Gläubiger des Versicherers geworden ist und es so angesehen wird, als ob er es niemals gewesen sei. Auch die Durchführung der Eegel des § 324 BGB. erregt Bedenken. Nach § 324 BGB. muß sich derjenige, der den Anspruch auf die Gegenleistung behält, dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Befreiung von der Leistung erspart. Ist zur Zeit der Zurückweisung der Versicherungsfall schon eingetreten, so erspart der Versicherer — wie auch L E N N E S. 154 ausdrücklich feststellt — „einen Betrag, der seiner vertragsmäßigen Leistungspflicht gleichkommt". Diese Ersparnis soll aber, wie L E N N E weiter fortfährt, keine rechtlichen Wirkungen äußern, da eine Anrechnung nur gegenüber dem noch bestehenden und vom Gläubiger geltend gemachten „Anspruch auf die Gegenleistung", den er „behält" (§ 324 I BGB.), also auf etwa noch ausstehende Prämienansprüche stattfinden könnte, nicht aber rückwirkend auf die durch Zahlung schon erledigte Prämienforderung, bezüglich deren eine Geltendmachung nicht mehr stattfinden könne. Dem kann nicht beigestimmt werden. Diese Unterscheidung würde zu dem Resultat führen, daß eine Anrechnung allemal dann unmöglich wäre, wenn der andere Teil die Gegenleistung schon erhalten hätte, sie also nicht mehr „geltend machen" könnte. Tatsächlich kommt L E N N E auch zu dem Ergebnis, daß gegenüber rückständigen Prämien eine Anrechnung stattzufinden habe.

Das Verfügungarecht über die Rechte aus dem Versicherungsverträge.

43

Die Vorschrift des § 68 VVG. ist nicht anwendbar, auch nicht entsprechend. Bei ihr ist das Nichtbestehen bezw. der spätere Wegfall des Interesses wesentliche Voraussetzung, während hiervon bei der Zurückweisung keine Eede ist (vgl. G E R H A R D - H A G E N § 74 A n m .

3., L E N N E

S.

155).

§ 9. Das Verfügungsrecht über die Rechte aus dem Versicherungsvertrage.

I. Die Eechte aus dem Versicherungsvertrage stehen zwar dem Versicherten zu. Dieser aber ist in der Verfügung über sie erheblich beschränkt. In erster Linie steht diese Verfügung dem Versicherungsnehmer zu. Dieser kann über die Eechte aus dem Versicherungsvertrage im eigenen Namen verfügen (§ 76 I VVG., § 887 I HGB.). Beschränkt ist er in der Verfügung nur, wenn ein Versicherungsschein ausgestellt ist, was allerdings die Eegel ist. Dann bedarf er nämlich zur Annahme der Zahlung sowie zur Übertragung der Eechte des Versicherten entweder der Zustimmung des Versicherten oder des Besitzes des Versicherungsscheins (§ 76 II VVG., § 887 II HGB.). Der Versicherte dagegen kann überhaupt stets nur mit Zustimmung des Versicherungsnehmers oder wenn er im Besitze des Versicherungsscheins ist, über seine Eechte verfügen (§ 75 II VVG., § 886 II HGB.). Diese Eegelung trägt hauptsächlich dem praktischen Bedürfnis Eechnung, daß das Versicherungsverhältnis sich zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer abwickeln kann, ohne daß der Versicherungsnehmer an den Versicherten gebunden ist und ohne daß der Versicherer sich um diesen zu kümmern braucht. In den allgemeinen Versicherungsbedingungen ist sogar das Verfügungsrecht des Versicherungsnehmers auf Kosten desjenigen des Versicherten noch erweitert (vgl. allgemeine Versicherungsbedingungen der vom Aufsichtsamt im Jahre 1909 genehmigten Verbandspolicen, Feuerversicherung § 16, Wasserversicherung § 16, Einbruchsversicherung § 17). Dort ist bestimmt, daß der Versicherungsnehmer, selbst wenn er nicht im Besitz des Versicherungsscheins

44

Die Ausgestaltung der V. f. f. R. im einzelnen.

ist, ohne Zustimmung des Versicherten zur Annahme der Entschädigungszahlung sowie zur Übertragung der Rechte des Versicherten befugt ist, und andererseits der Versicherte über seine Eechte nicht verfügen kann, selbst wenn er im Besitz des Versicherungsscheins ist, und die Zahlung der Entschädigung nur mit Zustimmung des Versicherungsnehmers von dem Versicherer verlangen kann. II. Wie gesagt, verfügt der Versicherungsnehmer über die Eechte aus dem Versicherungsvertrage im eigenen Namen. SCHNEIDER (Ztschr. 5, S. 246) sagt deshalb in bezug hierauf: „Wer aber ein fremdes Recht „im eigenen Namen" geltend machen darf und wo dieses als wirtschaftlich ihm fremd nur seinen Gläubigern und Konkursgläubigern gegenüber rechtlich anerkannt wird, ist meiner Ansicht nach wirklich und voll Mitberechtigter." Man würde hiermit zu dem Ergebnis kommen, daß die Rechte aus dem Versicherungsvertrag dem Versicherungsnehmer als f o r m a l e zuständen. Hiermit wäre aber nicht viel gewonnen, da man gleichzeitig betonen müßte, daß die Rechte sich doch durchaus aus der Person des Versicherten bestimmen. Schwierigkeiten würden sich besonders ergeben bei der Frage, wem das Eigentum am Versicherungsschein zusteht (§ 952 BGB., vgl. unten VII, 1). Es scheint deshalb der Sachlage besser zu entsprechen, wenn man daran festhält, daß die Rechte aus dem Versicherungsvertrage dem Versicherungsnehmer n i c h t z u s t e h e n , d a ß s i e für ihn f r e m d e Rechte sind. Der Inhalt ist, wie LENNE (S. 1 5 7 ) sagt, auch „verschieden von dem des Rechts des Versicherten, da er lediglich auf Geltendmachung des fremden Rechts geht und damit gegen den Versicherten und Versicherer auf Anerkennung dieser seiner Befugnis zur Geltendmachung". Daß der Versicherungsnehmer überhaupt ein Verfügungsrecht hat, erklärt sich bei der hier zugrunde gelegten Auffassung der V. f. f. R. als eines Vertrages zugunsten eines Dritten daraus, daß der Versicherungsnehmer der „eigentliche und alleinige Gegenkontrahent" des Versicherers ist. Schon §328 II BGB. gibt den V e r t r a g s c h l i e ß e n d e n die Möglichkeit weitgehender Verfügungen und § 832 BGB. auch dem V e r s p r e c h e n s e m p f ä n g e r a l l e i n (LENNE S.156). Dieses Verfügungsrecht des Versicherungsnehmers

Das Verfügungsrecht über die Rechte aus dem Versicherungsvertrage.

45

bestimmt sich lediglich nach dem versicherungsrechtlichen Verhältnis, wie es durch den Vertrag geschaffen ist. Es kommt nur darauf an, ob sich der Versicherungsnehmer durch den Besitz des Versicherungsscheins oder den Nachweis der Zustimmung des Versicherten legitimieren kann. Hat er diese Legitimation, so kann der Versicherer stets an ihn mit befreiender Wirkung leisten; darum, ob etwa der Versicherungsnehmer aus seinem Innenverhältnis zum Versicherten verpflichtet ist, von seinem Verfügungsrecht keinen Gebrauch zu machen oder ihm den Versicherungsschein auszuhändigen, braucht sich der Versicherer nicht zu kümmern. Allerdings kann er bei Kenntnis der Sachlage dem Versicherten durch eine Leistung an den Versicherungsnehmer unter Umständen nach den Begeln über unerlaubte Handlung schadensersatzpflichtig werden (vgl. LENNE S. 168). Festzuhalten ist aber, daß das Verfügungsrecht des Versicherungsnehmers auf dem von ihm im eigenen Namen abgeschlossenen Versicherungsvertrage, nicht auf dem Innenverhältnis beruht. I I I . Das Verfügungsrecht des Versicherungsnehmers bezieht sich auf die Rechte aus dem Versicherungsvertrage im weitesten Sinne. Es gehört hierzu (vgl. HÄGER-BRUCK § 76, Begr. zu §§ 75,76): Die Befugnis bestimmte Erklärungen an den Versicherer abzugeben, welche für .das Versicherungsverhältnis erheblich sind, so den Widerspruch nach § 5 VVG., die Kündigung nach § 80 I I VVG., ferner die Entgegennahme aller das Versicherungsverhältnis beeinflussender Erklärungen des Versicherers. Denn durch diese Entgegennahme verfügt er über ein Recht aus dem Versicherungsvertrage, insofern als dieses durch die ordnungsmäßig abgegebene und zugegangene Erklärung des Versicherers eine Änderung erleiden kann, z. B. die Kündigungs- und Rücktrittserklärung des Versicherers (§§ 16, 24, 38 VVG.); ferner die Befugnis, alle Verhandlungen mit dem Versicherer zu führen, welche eine Änderung oder Aufhebung des Vertrags zum Gegenstand haben, z. B. über Verlängerung des Versicherungsvertrags, über die Folgen einer Gefahrerhöhung, Herabsetzung der Versicherungssumme und der Prämie bei Überversicherung

46

Die Ausgestaltung der V. f. f. R. im einzelnen.

(§ 51 YVG.) und bei Doppelversicherung (§ 60 VVG.), Vereinbarung eines Gerichtsstandes; ferner vor allen Dingen die Befugnis, den Entschädigungsanspruch geltend zu machen, die zu seiner Feststellung nötigen Verhandlungen zu führen, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen (vgl. § 64 VVG.) und Vergleiche abzuschließen. Insbesondere kann er auch hinsichtlich der Eechte aus dem Versicherungsvertrage einen Erlaßvertrag mit dem Versicherer schließen, gleichgültig ob der Versicherungsfall bereits eingetreten ist oder nicht, und sowohl hinsichtlich der Entschädigungssumme als auch aller anderen Eechte. Bei diesem „Verzicht" handelt es sich um eine echte Verfügung im Gegensatz zu dem „Verzicht" des Dritten, den wir „Zurückweisung" oder „Ausschlagung" genannt haben. — Das Gesetz setzt in dieser Eichtung dem Versicherungsnehmer keine Schranke, und es ist nicht ersichtlich, weshalb er aus anderen Gründen insoweit beschränkt sein sollte (so auch L E N N E S. 161). E H R E N B E R G (VE. S. 465, 192) unterscheidet: für die Zeit n a c h Eintritt des Versicherungsfalls soll ein reiner Verzicht des Versicherungsnehmers wirkungslos sein, er soll dagegen rechtswirksam sein v o r Eintritt des Versicherungsfalls. G E R H A R D - H A G E N ( § § 75, 76 Anm. 2 Ziff. 4) schließt sich E H R E N B E R G S Ansicht an bezüglich des Verzichts n a c h Eintritt des Versicherungsfalls, läßt die Frage aber im übrigen unentschieden. Konsequenterweise müßte er die Wirksamkeit auch v o r Eintritt des Versicherungsfalls verneinen, denn die Eechtsstellung des Versicherungsnehmers erfährt nach dem VVG. (ebenso HGB.) durch Eintritt des Versicherungsfalls überhaupt keine Änderung (vgl. oben § 7 II). Schließlich kann der Versicherungsnehmer auch durch Vertrag mit dem Versicherer die ganze Versicherung aufheben, vgl. § 328 I I BGB. Die Handlungen des Versicherungsnehmers unterbrechen die Verjährung. Alle die genannten Eechte kann der Versicherungsnehmer im eigenen Namen gerichtlich geltend machen. Er ist Partei. Ihm werden Parteieide zugeschoben. Er wird gegebenenfalls in die Kosten verurteilt. Der Versicherte kann Zeuge und Neben-

Das Verfügungsrecht über die Rechte aus dem Versicherungsverträge.

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intervenient sein, letzteres allerdings regelmäßig gemäß §§ 69, 61, 62 ZPO.1 Besonderer Untersuchung bedarf die in § 76 II VVG. (§ 887 II HGB.) genannte „Übertragung der Rechte des Versicherten". Zu verstehen ist hierunter eine Abtretung der sich aus dem Versicherungsverträge für den Versicherten ergebenden Rechte ohne Veränderung des vereinbarten Interesses; der Träger des Interesses muß derselbe bleiben. Die Frage ist deshalb nicht zu verwechseln mit derjenigen, ob der Versicherungsnehmer ohne Zustimmung des Versicherers an Stelle des ursprünglich vereinbarten einen anderen Versicherten setzen kann unter Anwendung von § 332 BGB. Das ist mit GERHARD-HAGEN (§§ 75, 7 6 Anm 2, Ziff. 5) zu verneinen; denn dies würde eine Veränderung des vereinbarten Interesses sein, also eines wesentlichen Vertragsbestandteiles. Bei der hier in Frage stehenden Abtretung der Rechte des Versicherten wird aber die Rechtslage des Versicherers nicht verändert. Es ist nichts anderes, als wenn irgend ein Gläubiger seine Rechte abtritt. Die Abtretbarkeit war für die Seeversicherung schon immer zulässig (Art. 896 AHGB., § 891 HGB.). Für den Zessionar hat der Besitz des Versicherungsscheins dieselbe Bedeutung wie für den Versicherten.2 Denkbar ist eine solche Übertragung beispielsweise an einen Gläubiger des Versicherten in dessen Einverständnis oder auch in dessen Auftrag. Eine Grenze setzt § 15 VVG., der entsprechend anzuwenden ist (vgl. LENNE S. 164). Bei einer solchen Übertragung bleibt der Versicherungsnehmer bezw. an seiner Stelle oder neben ihm der Versicherte zur Erfüllung aller Obliegenheiten auch weiterhin verpflichtet (vgl. oben § 6 II). Der Versicherungsanspruch bleibt an ihr Verhalten geknüpft (LENNE S. 163).

Nicht zu verwechseln mit einer solchen Übertragung ist der Übergang der Rechte des Versicherten im Falle der Übertragung des Eigentums an der versicherten Sache (vgl. § 69 VVG., HÄGERBRUCK § 76, Anm. 1). Hier ist der Übergang der Rechte des Versicherten gesetzliche Folge des Übergangs des Interesses. 1

LENNE 2

GERHARD-HAGEN §§ 75, 76 A n m . 2, Ziff. 1. — HELLWIG, S. 5 8 6 f . — S.

158.

V g l . HELLWIG, S . 5 3 9 . — EHRENBERG V R . S. 3 9 0 f f . , 4 6 2 , 4 7 6 .

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Die Ausgestaltung der V. f. f. R . im einzelnen.

Der Versicherungsnehmer kann aber nicht bloß die Rechte des Versicherten übertragen dergestalt, daß er selbst sein Verfügungsrecht behält, sondern er kann auch dieses sein Verfügungsrecht übertragen. Versicherungsrechtlich steht dem nichts entgegen. Es handelt sich weder um Veräußerung einer versicherten Sache noch um Änderung oder Übertragung des Interesses (GERHARD-HAGEN, § 7 5 , 7 6 Anm. 2 , Ziff. 6 ) . Am häufigsten wird sich eine solche Übertragung bei der Veräußerung des Geschäftsbetriebs des Versicherungsnehmers ereignen. Der Versicherungsnehmer kann sein Verfügungsrecht auch auf den Versicherten übertragen ( G E R H A R D - H A G E N §§ 7 5 , 7 6 Anm. 1 Ziff. 3). Hierdurch scheidet der Versicherungsnehmer als Verfügungsberechtigter aus. Er ist also nun nicht mehr in der Lage, das Recht des Dritten irgendwie zu beeinträchtigen. Das Recht des Dritten ist fest, unwiderruflich geworden. Zu dieser Übertragung gehört nur die Willenseinigung zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherten. Die Übergabe des Versicherungsscheins k a n n diese Willenseinigung enthalten. In der Regel jedoch ist dies nicht anzunehmen, da der Versicherungsnehmer trotz Übergabe des Scheins außer zur Annahme der Zahlung und Übertragung der Rechte des Versicherten noch frei verfügungsberechtigt bleibt. Durch eine solche Übertragung des Verfügungsrechts auf den Versicherten wird dieser der allein Verfügungsberechtigte. Daß er nicht etwa hierdurch erst die Befugnis erhält, die Rechte aus dem Versicherungsvertrage zurückzuweisen, ist nach dem oben in § 8 Ausgeführten selbstverständlich. Die Zurückweisung ist keine Verfügung im technischen Sinn und im Sinne des § 75 II VVG. (§ 886 II HGB.). Daß in einem solchen Falle der Übertragung des Verfügungsrechts des Versicherungsnehmers auf den Versicherten auch die Verpflichtung zur Prämienzahlung auf diesen überginge, kann nicht anerkannt werden (a. A. GERHARD-HAGEN §§ 7 5 , 7 6 Anm. 1 Ziff. 3 ) . Der Versicherungsnehmer bleibt dem Versicherer gegenüber aus dem Vertrage verpflichtet. Er kann sich dieser Verpflichtung nicht einseitig entziehen. Der Versicherte kann zwar dem Versicherungsnehmer gegenüber durch Erfüllungsübernahme die Prämienzahlungspflicht übernehmen; der Versicherungsnehmer aber kann nur durch privative Schuldüber-

Das Verfügungsrecht über die Rechte aus dem Versicherungsvertrage.

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nähme gemäß §§ 414, 415 BGB. frei werden (vgl. oben § 5 IIb, 5). Das gleiche muß auch hinsichtlich der sonstigen aus dem Vertragsverhältnisse sich ergebenden Obliegenheiten gelten. In der Übertragung der Rechte des Versicherten ist der Versicherungsnehmer insofern beschränkt, als er dazu, wie schon erwähnt, entweder der Zustimmung des Versicherten oder des Besitzes des Versicherungsscheins bedarf; diese Beschränkung tritt jedoch nur ein, wenn ein Versicherungsschein ausgestellt ist. Das gleiche gilt hinsichtlich der Annahme der Zahlung. Wenn das Gesetz nur von Annahme der Zahlung spricht, so wird man dem gleichzustellen haben die Annahme anderer Erfüllungshandlungen, wie Aufrechnung, Annahme an Zahlungsstatt, Entschädigung in natura (HÄGER-BRUCK § 76 Anm. 2). Es fallen unter die Beschränkung alle Verfügungen, durch die materiell der Versicherungsnehmer die Entschädigung in seine Hand bekommt, so daß die Gefahr besteht, daß er sich auf Kosten des Versicherten bereichere (SCHNEIDER, Ztschr. 5, S. 240). Aber auch nur s o l c h e Verfügungen werden durch die Beschränkung getroffen, nicht schon die Klage auf die Entschädigung. Diese kann der Versicherungsnehmer erheben, ohne dazu den Schein vorlegen oder die Zustimmung des Versicherten nachweisen zu müssen. Es kann dadurch zu einem nicht-vollstreckbaren Urteil kommen (GERHARD-HAGEN §§ 75, 76 Anm. 2, Ziff. 4). Nicht fallen unter die Beschränkung solche Verfügungen, die das Recht des Dritten aufheben (z. B. Erlaß). 1 Es ist m. E. sehr fraglich, ob diese Beschränkung des Versicherungsnehmers überhaupt am Platze ist. Mehr noch als jede andere Versicherung muß die V. f. f. R. sich auf gegenseitigem Vertrauen aufbauen. Vor allem aber gewährt die Beschränkung nur einen sehr geringen Schutz gegen einen etwaigen Vertrauensmißbrauch des Versicherungsnehmers. Denn da allein der Versicherungsnehmer die Aushändigung des Versicherungsscheins vom Versicherer verlangen kann, ist er in der Lage, sich sein unbeschränktes Verfügungsrecht dadurch zu erhalten, daß er den Schein dem Versicherten nicht aushändigt. In die allgemeinen Versicherungsbedingungen ist deshalb diese Beschränkung des Versicherungsnehmers nicht aufgenommen worden (vgl. oben I). 1

So SCHNEIDER, Ztschr. 5, S. 240. — A. A. LENNE S. 182.

FISCHER, Versicherung für fremde Rechnung.

4

Die Ausgestaltung der V. f. f. R. im einzelnen.

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Eine ganz andere Bedeutung hat die Vorschrift des § 76 I I I YYG. (§ 887 I I I HGB.), wonach der Versicherer zur Zahlung an den Versicherungsnehmer nur v e r p f l i c h t e t ist, wenn dieser ihm gegenüber nachweist, daß der Versicherte seine Zustimmung zu der Versicherung erteilt hat. Nur wenn dieser Nachweis erbracht wird, ist der Versicherer zur Zahlung an den Versicherungsnehmer v e r p f l i c h t e t , b e r e c h t i g t ist er hierzu auch sonst gemäß § 76 I und I I VVG. (§ 887 I und II HGB.). Den Nachweis der Zustimmung des Versicherten zu der Versicherung kann der Versicherer dann nicht verlangen, wenn das Gesetz die Befugnis zur Versicherung fremder Interessen gibt. 1 Diese gesetzliche Befugnis ersetzt die Zustimmung des Versicherten. — Bei einer Klage des Versicherungsnehmers auf Zahlung der Entschädigungssumme an ihn ist diese Zustimmung als klagbegründende Tatsache anzusehen, da eine Verpflichtung zur Zahlung eben nur bei Nachweis der Zustimmung besteht ( G E R H A R D - H A G E N §§ 75, 76 Anm. 5). — Zweck der Bestimmung ist die Verhütung einer Bereicherung des Versicherungsnehmers. Der Versicherte weiß unter Umständen von der Versicherung überhaupt nichts, so daß es möglich wäre, daß der Versicherungsnehmer die Entschädigungssumme einzöge und für sich behielte. Wenn der Versicherte die Eechte aus der Versicherung zurückweist, so ist, wie wir gesehen haben, der Zweck des Vertrages vereitelt. Eine Entschädigungsforderung besteht nicht. Auch das Recht des Versicherungsnehmers, Leistung an den Versicherten zu fordern, ist hinfällig geworden. Der Versicherte hat keine Rechte erworben. Der Versicherungsnehmer kann deshalb auch nicht „über die Rechte des Versicherten" verfügen. Der Vertrag an sich ist aber durch die Zurückweisung nicht aufgehoben. Der Versicherungsnehmer ist und bleibt der Gegenkontrahent, der einerseits aus dem Vertrage in bestimmter Weise verpflichtet bleibt, andrerseits alle die Rechte ausüben kann, die seiner Stellung als Vertragsgegner entspringen, also insbesondere den Vertrag wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung anfechten oder gegebenenfalls vom Vertrage zurücktreten kann. Lediglich sein 1

Vgl. §§ 85, 151 VVG., §§ 1045, 1374 BGB.,

LENNE

S. 171., u. unten § 12.

Das Verfügungsrecht über die Rechte aus dem Versicherungsvertrage.

51

Yerfügungsrecht im Sinne von § 76 I VYG. (§ 887 I HGB.) wird hinfällig. Was über den Umfang des Yerfügungsrechts des Versicherungsnehmers gesagt ist, gilt entsprechend auch für das Verfügungsrecht des Versicherten, wenn es ihm zusteht. IV. Bei der eigenartigen Verteilung der Verfügungsmacht über die Rechte aus dem Versicherungsvertrage zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherten ist die Möglichkeit gegeben, daß einer von ihnen eine Verfügung vornimmt, ohne dazu berechtigt zu sein. Es fragt sich, welche Folgen eine solche Verfügung hat. SCHNEIDER, Ztschr. 5, S. 248, will bei einer den Vorschriften des § 75 I I VVG., § 886 I I H G B . zuwiderlaufenden Verfügung des Versicherten § 185 I B G B . Platz greifen lassen. M. E . liegt das nicht im Sinne des Gesetzes. Dieses will nicht „Veräußerungsverbote" aufstellen, sondern es will die Rechte der Beteiligten inhaltlich begrenzen, 1 so daß eine zuwiderlaufende Verfügung unwirksam ist, nicht weil sie verboten, sondern weil sie von einem Nichtberechtigten vorgenommen ist (vgl. OERTMANN, § 135, Note 2). Zahlt demnach der Versicherer an den zur Verfügung nicht-berechtigten Versicherten die Entschädigungssumme, so hat er an einen Nichtberechtigten geleistet und wird deshalb von seiner Schuld gegenüber dem Versicherungsnehmer nicht befreit (LENNE S. 175). Denn obwohl dem Versicherten die Eechte aus dem Versicherungsvertrage z u s t e h e n , so war er doch zur V e r f ü g u n g nicht berechtigt. Der Versicherer wollte mit der Leistung seine Verbindlichkeit erfüllen. Dieser „nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg" ist nicht eingetreten. Der Versicherer kann deshalb seine Leistung auf Grund von § 812 I 2 B G B . kondizieren. Mit diesem Kondiktionsanspruch kann er auch gegenüber dem die Leistung nochmals verlangenden Versicherungsnehmer aufrechnen. Denn mit Ansprüchen, die dem Versicherer gegenüber dem Versicherten zustehen, kann der Versicherer stets aufrechnen, da der Versicherungsnehmer nur das Recht des Versicherten geltend macht ( L E N N E S . 145; S C H N E I D E R , Ztschr. 5, S. 246). Steht ihm dieser Kondiktionsanspruch nicht 1

Vgl. KOHLES S. 443. 4*

Die Ausgestaltung der V. f. f. R. im einzelnen.

52

zu, etwa weil die Bereicherung nicht mehr vorhanden ist und der Versicherte bei Empfang der Leistung gutgläubig war (§ 818 I I I BGB., vgl. L E N N E S. 170), so kann er einwenden, daß dem Versicherten doch tatsächlich der Schaden bereits ersetzt sei, so daß die Versicherung, insoweit der Versicherungsnehmer dem Versicherten zur Auskehrung der Entschädigungssumme verpflichtet wäre, zu einer Bereicherung führen würde. Soweit dagegen der Versicherungsnehmer gegen den Versicherten „Ansprüche in bezug auf die versicherte Sache" hat, wegen deren er sich aus der Entschädigungsforderung bezw. aus der eingezogenen Entschädigungssumme vorzugsweise befriedigen kann, steht dieser Einwand dem Versicherer nicht zu. 1 Insoweit muß er noch einmal an den Versicherungsnehmer leisten. Dies bestimmt noch ausdrücklich § 889 HGB. Infolge des erwähnten Vorzugsrechts des Versicherungsnehmers ist der oben bezeichnete Kondiktionsanspruch, selbst wenn er dem Versicherer noch in voller Höhe gegenüber dem Versicherten zusteht, insoweit zur Aufrechnung gegenüber dem Versicherungsnehmer nicht geeignet, als dadurch das Vorzugsrecht des Versicherungsnehmers beeinträchtigt werden würde. Der Versicherungsnehmer darf durch die unberechtigte Verfügung des Versicherten nicht schlechter gestellt werden, wenigstens nicht, soweit es sich bei ihm um Ansprüche in bezug auf die versicherte Sache handelt. Im übrigen vgl. unten § 11 III. — Eine ganz andere Frage ist, ob der Versicherer dem Versicherungsnehmer etwa infolge unberechtigter Auszahlung an den Versicherten schadensersatzpflichtig ist. Einen Schaden könnte der Versicherungsnehmer z. B. dadurch erleiden, daß ihm infolge der Auszahlung der Entschädigungssumme an den Versicherten, die Möglichkeit genommen wurde, etwa andere nicht auf die versicherte Sache Bezug habende Ansprüche gegenüber der Forderung des Versicherten auf Auskehrung der Entschädigungssumme aufzurechnen. Zieht andrerseits der Versicherungsnehmer unbefugt (entgegen § 76 II VVG., § 887 I I HGB.) die Entschädigungssumme ein, so wird wiederum der Versicherer gegenüber dem V e r s i c h e r t e n nicht befreit ( L E N N E S. 181). Zwar hat er gegenüber dem Ver1

Vgl. § 77 V V G . , § 888 H G B . , u n t e n § 11 I I I , LENNE S. 169f.

Das Verfügungsrecht über die Rechte aus dem Versicherungsvertrage.

53

Sicherungsnehmer einen Kondiktionsanspruch, allein dieser nützt ihm gegen den Versicherten nichts. Er kann mit ihm gegenüber dem Versicherten nicht aufrechnen, da § 78 VVG. (§ 890 HGB.) nicht einschlägt. Denn dieser Kondiktionsanspruch beruht nicht auf der für den Versicherten genommenen Versicherung, sondern auf der ungerechtfertigten Einziehung durch den Versicherungsnehmer. Der Versicherte als Subjekt des Rechts muß, wenn er das Verfügungsrecht darüber erlangt hat, gegen unbefugte Verfügungen des Versicherungsnehmers geschützt sein; der Versicherer andrerseits hat es sich selbst zuzuschreiben, wenn er unvorsichtig auszahlt. V. Möglich ist, daß — insbesondere nach der gesetzlichen Regelung, weniger nach den allgemeinen Versicherungsbedingungen — doppelte Verfügungen durch den Versicherungsnehmer und den Versicherten vorgenommen werden, so z. B. wenn der Versicherte im Besitz des Versicherungsscheins ist und dann dem Versicherungsnehmer die Zustimmung zur Annahme der Zahlung oder zur Übertragung der Rechte des Versicherten erteilt. 1 Bei doppelten Abtretungen, also sowohl seitens des Versicherungsnehmers wie seitens des Versicherten ist nur die zuerst erfolgte gültig (a. A. V O I G T , S. 37). Der Versicherer ist gegen doppelte Zahlung durch entsprechende Anwendung der §§ 408, 407 BGB. zu schützen. Auch widersprechende Verfügungen sind möglich, z. B. Aufhebung der Versicherung durch den Versicherten und Abtretung der Rechte durch den Versicherungsnehmer. Ist die Aufhebung v o r der Abtretung erfolgt, so ist letztere inhaltlos, da der Abtretende gar keine Rechte mehr hatte. Erfolgte die Aufhebung n a c h der Abtretung, so muß die Aufhebung durch den Versicherten als unwirksam angesehen werden, da er infolge der Abtretung gar keine Rechte mehr aus dem Versicherungsvertrage besaß. Auch hier ist der Versicherer durch entsprechende Anwendung von § 407 BGB. zu schützen (vgl. S C H N E I D E R a. a. 0 . ) . Auch zwei Prozesse können, wie S C H N E I D E R (a. a. 0 . ) hervorhebt, nebeneinander herlaufen, ohne daß die Einrede der Rechts1

V g l . LENNE S . 1 8 3 f . — SCHNEIDER, Z t s c h r . 5, S . 2 4 4 . —

GOLDSCHMIDTS Z t s c h r . 5 5 , S .

155f.

SIBVEKINO,

54

Die Ausgestaltung der V. f. f. R. im einzelnen.

hängigkeit in einem gebracht werden könnte, da es sich nicht um einen Rechtsstreit inter easdem personas handelt. Daß der Versicherer niemals zu doppelter Zahlung verpflichtet sein kann, ergibt sich daraus, daß nur eine Forderung besteht und der Versicherungsnehmer nur die Forderung des Versicherten geltend macht ( L E N N E S . 1 8 4 ) . — Denkbar sind sogar widersprechende Urteile in der gleichen Sache ( L E N N E a. a. 0.). VI. Wir haben gesehen, daß der Versicherungsschein bei der V. f. f. R. eine ganz besondere Legitimationswirkung ausübt. Es soll deshalb jetzt auf die rechtliche Natur des Versicherungsscheins näher eingegangen werden. Der Versicherungsschein ist nach .§ 3 VVG. eine vom Versicherer unterzeichnete Urkunde über den Versicherungsvertrag. Er ist kein Erfordernis seines Zustandekommens, sondern hat nur deklaratorische Bedeutung. Auf seine Ausstellung kann verzichtet werden (§ 35 VVG.). In der Regel ist er reine Beweisurkunde, doch können ihn die Parteien auch zu einem sog. Präsentationspapier machen, so daß der Versicherer nur gegen Rückgabe des Scheins zu leisten braucht (§ 4 II VVG., vgl. S C H N E I D E R , Ztschr. 5, S. 241; Begr. zu §§ 75, 76). Dagegen kann er niemals reines Inhaberpapier in dem Sinne sein, daß der Inhaber als solcher kraft Rechts aus dem Papier Zahlung vom Versicherer verlangen könnte. Ist er auf den Inhaber ausgestellt, so hat er doch nur die in § 808 BGB. bestimmten Wirkungen (§ 4 I VVG.). Fraglich ist die Wirkung einer an Order lautenden Police, wie eine solche bei der Transportversicherung zulässig ist, insbesondere ob das Indossament einer solchen Orderpolice die gesteigerte Transportfunktion gemäß § 364 HGB. besitzt, derart daß der Versicherer gegenüber dem Indossatar keine Einwendungen aus dem zugrunde liegenden Vertragsverhältnisse herleiten kann. Diese Frage wird teils bejaht, 1 teils verneint. 2 Für die Bejahung spricht der Umstand, daß die Transportversicherungspolice an Order in § 363 II 1

GERHARD-HAGEN § 4 A n m . 1 u n d Z u s . 3 z u § 6 9 f f . —

HÄGER-BRUCK

§ 3 Anm. l c . — VOIGT, S. 71 ff., der jedoch ausführlich die Verfehltheit der seiner Meinung nach so aufzufassenden gesetzlichen Bestimmungen darlegt. 2

EHRENBERG V R . S. 4 7 5 . — GOLDSCHMIDT S. 2 5 4 . — HELLWIG S . 5 6 0 ,

5 6 8 . — LEHMANN H R . S. 6 9 4 . — LENNE S . f s s u n d d i e h e r r s c h e n d e M e i n u n g .

Das Verfügungsrecht über die Rechte aus dem Versicherungsvertrage.

55

HGB. ausdrücklich als indossabel bezeichnet wird und der § 364 HGB., der die gesteigerte Transportfunktion des Indossaments regelt, eine Ausnahme für die indossierte Ordertransportversicherungspolice nicht enthält, schließlich auch daß der frühere Absatz IY des § 899 HGB. nicht als gegenstandslos, sondern als selbstverständlich gestrichen worden ist ( G E R H A R D - H A G E N , Z U S . zu § 69ff.).- Es ist jedoch folgendes zu bedenken: Der Versicherungsschein ist durchaus ungeeignet, als negoziables Papier verwendet zu werden. Er enthält kein abstraktes Schuldversprechen, vielmehr ist in ihm regelmäßig nur der abgeschlossene Versicherungsvertrag wiedergegeben. Die Leistungspflicht des Versicherers als des „Verpflichteten" ist durchaus ungewiß und in ihrer Höhe zwar begrenzt, aber innerhalb dieser Grenze unbestimmt. Erst bei Eintritt des Versicherungsfalls bestimmt sie sich und zwar aus dem Versicherungsvertrag und aus anderen aus dem Versicherungsschein nicht ersichtlichen Umständen. Wenn aber zur Bestimmung der Leistung des Verpflichteten nicht ein abstraktes Schuldversprechen, sondern der Inhalt des zugrunde liegenden Vertrags herangezogen werden muß, so geht schon hieraus hervor, daß dem Verpflichteten wenigstens teilweise auch die aus diesem Vertrage ihm zustehenden Einwendungen gegeben sein müssen. Man kann dies mit dem § 364 HGB., der in Verbindung mit § 363 HGB. eben nur an reine Skripturobligationen denkt, dadurch in Einklang bringen, daß man sagt: Aus dem „Inhalt der Urkunde" geht hervor, daß der Anspruch von den Bedingungen eines Versicherungsanspruchs abhängig ist. Alle rein versicherungsrechtlichen Einwendungen, die sich aus der Verletzung von Obliegenheiten (Gefahrserhöhungen, verletzte Anzeigepflicht usw.) ergeben, müssen deshalb auch gegenüber dem Indossator zulässig sein. Alle Einwendungen dagegen, die dem Versicherer nach allg e m e i n e m bürgerlichen Recht gegen den Indossanten zustehen, kann er gegen den redlichen Indossatar nicht vorbringen. Während in der Eegel das Indossament der Police die Übertragung der Rechte aus dem Versicherungsvertrage bezweckt, kann es bei der V. f. f. R. lediglich zur Legitimation des Indossatars bestimmt sein, wenn nämlich der Versicherungsnehmer den Schein auf den Versicherten, also auf den an sich schon aus dem

56

Die Ausgestaltung der V. f. f. R. im einzelnen.

Versicherungsverträge Berechtigten, giriert. In diesem Falle kommt die besondere Wirkung des Indossaments überhaupt in Wegfall ( v g l . GERHARD-HAGEN, ZUS. 3 z u § 6 9 f f . ) .

VII. 1. Aus dieser Eigenschaft des Versicherungsscheins geht hervor, daß das Eigentum an ihm allemal dem Gläubiger zustehen muß (§ 952 BGB.). Gläubiger, Subjekt der Rechte aus dem Versicherungsvertrage, ist aber nur der Versicherte. Dieser hat also das Eigentum am Schein. 1 Durch die Aushändigung des Versicherungsscheins, die ja nur der Versicherungsnehmer verlangen kann, erwirbt der Versicherungsnehmer nicht Eigentum, sondern nur den unmittelbaren Besitz. Das Eigentum erwirbt sofort der Versicherte. Dadurch hat er noch keinen mittelbaren Besitz erworben; denn es fehlt an dem in § 868 BGB. bezeichneten Verhältnisse, vermöge dessen der Versicherungsnehmer dem Versicherten gegenüber auf Zeit zum Besitze berechtigt wäre. Die Berechtigung zum Besitz ergibt sich vielmehr aus dem vom Versicherungsnehmer im eigenen Namen mit dem Versicherer abgeschlossenen Versicherungsvertrage. 2. Wenn im Gesetze dem „Besitz" des Scheins eine Legitimationswirkung beigelegt wird, so ist die Frage, ob hierunter auch mittelbarer Besitz zu verstehen ist. Mit Recht weist LENNE (S. 176f.) darauf hin, daß bei der anerkannt sorgfältigen Redaktion des Gesetzes eine Hervorhebung dessen, daß hier „Besitz" nur als „unmittelbarer Besitz" aufzufassen sei, nicht unterblieben wäre. Es wird auch nicht als zufällig anzusehen sein, daß von der früher im HGB. geforderten „Beibringung" der Police sowohl im VVG. wie im HGB. abgesehen worden ist. Ein beachtenswerter Grund, mittelbaren Besitz nicht als hinreichend im Sinne der hier in Frage stehenden Vorschriften aufzufassen, läge dann vor, wenn man annähme, daß der Versicherte stets ohne weiteres den mittelbaren Besitz am Schein habe; denn dann wären ja die gesetzlichen Bestimmungen, wenn man auch mittelbaren Besitz als ausreichend ansähe, unverständlich. Wie gesagt, liegt aber ein solcher mittelbarer Besitz des Versicherten gar nicht vor (oben 1.). 1

V g l . GERHARD-HAGEN § 4 A n m . 7. —

SCHNEIDER,

Komm. §

3. —

JOSEF, § 7 5

Anm.

HAGER-BRTJCK, § 4 , A n m . 1 . 2, § 4

Zusatz. —



LENNE S. 173.

Das Verfügungsrecht über die Rechte aus dem Versicherungsvertrage.

57

Hiermit entfällt aber der Hauptgrund, weshalb man den mittelbaren Besitz nicht mit unter dem Begriff „Besitz" in den angeführten gesetzlichen Bestimmungen begreifen sollte. 1 3. Eine weitere Frage ergibt sich, wenn der Besitzer des Scheins schlechtgläubig ist. a) Der Versicherungsnehmer ist, wenn er den Schein besitzt, schlechthin zu allen Verfügungsakten, insbesondere zur Annahme der Zahlung legitimiert. Es fragt sich nun, ob der Versicherer zur Zahlung v e r p f l i c h t e t ist, selbst wenn er die Schlechtgläubigkeit des Besitzers kennt. Daran, daß er dazu b e r e c h t i g t ist, muß festgehalten werden, denn er braucht sich eben überhaupt nicht darum zu kümmern, ob der Besitzer gut- oder schlechtgläubig ist. Die Frage nach der Verpflichtung wird man zu verneinen haben. Positive Kenntnis von der Schlechtgläubigkeit des Besitzes gibt dem Versicherer die exceptio doli.2 Leistet er aber trotzdem an den Versicherungsnehmer, so ist, da er zu dieser Leistung an sich berechtigt ist, die Verbindlichkeit getilgt. Der Versicherer aber kann dem Versicherten nach Deliktsgrundsätzen (§ 826 BGB.) schadensersatzpflichtig werden. b) Grundsätzlich das gleiche gilt bei Zahlung an den schlechtgläubigen Versicherten. Auch hier wird der Versicherer, wenn er auch bei Kenntnis der Schlechtgläubigkeit zur Zahlung nicht v e r p f l i c h t e t ist, durch die trotzdem an den Versicherten erfolgende Leistung befreit. Er kann aber dem Versicherungsnehmer haftbar sein, wenn er ihm durch die Leistung an den Versicherten sein Vorzugsrecht (gemäß § 77 Satz 2 VVG., § 888 Satz 2 HGB.) beeinträchtigt hat. 3 1

155. —

So

LENNE

S.

SCHNEIDER,

176. — A . A . Ztschr. 5, 240.

SIEVEKING,

GOLDSOHMIDTS

Ztschr. 55,

2 So G-EBHARD-HAGEN §§ 7 5 , 7 6 , Anm. 1 Ziff. 4 . — H Ä G E R - B R U C K Anm. 3 . — L E W I S S . 1 7 1 . — L E N N E S . 1 7 5 —• einschränkend SCHNEIDER Ztschr. 5, S. 241. 3 Vgl. L E N N E S . 179f. Hinsichtlich der Frage, ob bei den Inhaberpapieren und ebenso bei den Legitimationspapieren der Aussteller mit befreiender Wirkung an den Inhaber leisten könne, auch wenn er von dem Mangel des Verfügungsrechts des Inhabers Kenntnis hat, vgl. PLANCK, § 793, 3c; 808, 3b; STAUDINGER, § 793, Note 4, § 808 Note II, lb, Komm, von Reichsgerichts-

§ 75

58

Die Ausgestaltung der V. f. f. R. im einzelnen.

§ 10. Besonderheiten in der Rechtsstellung des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer und dem Versicherten.

Die Rechtstellung des Versicherers ergibt sich im allgemeinen bereits aus dem bisher Besprochenen; hier sollen nur einzelne Besonderheiten hervorgehoben werden, welche bisher noch nicht berücksichtigt werden konnten. I. Besonderer Betrachtung bedarf zunächst die Aufrechnungsbefugnis des Versicherers: a) Forderungen des Versicherers gegen den Versicherten: Da dem Versicherten die Entschädigungsforderung'zusteht, kann der Versicherer mit Forderungen gegen ihn nach allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts immer aufrechnen. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob der Versicherte oder der Versicherungsnehmer die Entschädigung fordert; denn letzterer macht ja lediglich die Forderung des Versicherten geltend. Ebenso kann der Versicherer solche Forderungen gegen denjenigen aufrechnen, dem die Entschädigungsforderung abgetreten ist, § 406 BGB. Die E r k l ä r u n g der Aufrechnung muß allemal gegenüber demjenigen erfolgen, der zur Verfügung über die Versicherungsforderung legitimiert ist ( H Ä G E R - B R U C K § 78). Eine Grenze für die Aufrechnung bildet das dem Versicherungsnehmer nach § 77 VVG. (§ 888 HGB.) zustehende Vorzugsrecht, vgl. hierüber unten § 11 I I I und oben § 9 IV. b) Forderungen des Versicherers gegen den Versicherungsnehmer: Solche Forderungen sind von der Aufrechnung grundsätzlich ausgeschlossen, da es an der Gegenseitigkeit ermangelt. Eine Ausnahme ist jedoch durch besondere gesetzliche Bestimmung (§ 78 VVG., § 890 HGB.) bezüglich derjenigen Forderung geschaffen, die auf der für den Versicherten genommenen Versicheräten § 793, Note 3; welche die Frage bejahen im Anschluß insbesondere an Prot. I I . Bd. 2, S. 529 ff., Bd. 6, S. 209 ff. — A. A. OERTMANN, § 793 Note 4. — STROHAI, I H . Jb. 33, S. 375 ff. de lege ferenda. — STAUB, Exk. z. § 365, Anm. 2. Hinsichtlich der V. f. f. R. wie hier und in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung: SCHNEIDER, Komm. § 75, S . 286.

Besonderheiten in der Rechtsstellung des Versicherers usw.

59

rung beruhen. Hierunter fällt in erster Linie der Anspruch des Versicherers auf rückständige Prämie; doch kommen auch Ansprüche auf Vertragsstrafe oder Schadensersatz wegen Vertragsverletzung in Betracht (SCHNEIDER, Komm. § 7 8 , L E N N E S . 1 4 4 ) . Solche Forderungen kann der Versicherer gegen die Entschädigungsforderung aufrechnen und zwar ohne Eücksicht darauf, wer die Entschädigungsforderung geltend macht, ob der Versicherungsnehmer, der Versicherte, ein Zessionar oder ein Gläubiger des Versicherten, der sie gepfändet hat. Hierdurch werden alle auf die Entschädigungsforderung Berechtigten gezwungen, für etwaige Prämienrückstände aufzukommen (LENNE S. 1 4 5 ) . Sind die Interessen mehrerer Personen versichert, so kann der Versicherer nur mit solchen Forderungen aufrechnen, die sich auf die Versicherung desjenigen Versicherten beziehen, für dessen Entschädigungsanspruch Befriedigung verlangt wird (Begr. zu § 7 8 ; SCHNEIDER, Ztschr. 5 ; S. 2 5 6 Note 1 , Komm. § 7 8 , JOSEF § 7 8 Note 1 ; L E N N E S . 1 4 5 ) . Nach früherem Seeversicherungsrecht war diese Aufrechnung ausdrücklich ausgeschlossen (§ 890 a. F. HGB.). Dafür gab aber § 812 a. F. HGB. dem Versicherer das Eecht, auch den Versicherten auf Zahlung der Prämie in Anspruch zu nehmen, wenn der Versicherungsnehmer zahlungsunfähig geworden war und die Prämie von dem Versicherten noch nicht erhalten hatte. Die jetzt zugelassene Aufrechnungsbefugnis bietet dem Versicherer einen Ersatz für die weggefallene Bestimmung des § 812 a. F. HGB. Die Aufrechnungsbefugnis bezweckt, daß der Versicherer nicht gezwungen sein soll, dem auf die Entschädigungssumme Berechtigten die Entschädigung auszuzahlen, bevor er seinerseits für seine Gegenansprüche aus der Versicherung gedeckt ist. Ein besonderer gesetzgeberischer Grund lag auch darin, daß — wie unten § 11 I I I zu zeigen sein wird — der Versicherungsnehmer das Eecht hat, sich für seine gegen den Versicherten gerichteten Ansprüche in bezug auf die versicherte Sache vorzugsweise aus der Entschädigungsforderung bezw. aus der eingezogenen Entschädigungssumme zu befriedigen. Es wäre deshalb unbillig, wenn er, ohne seinerseits seinen Verpflichtungen gegen den Versicherer nachgekommen zu sein, die Auszahlung der Entschädigungssumme vom Versicherer verlangen und sich daraus befriedigen

60

Die Ausgestaltung der V. f. f. R. im einzelnen.

könnte (LENNE S. 144, 145). Die Aufrechnungsbefugnis besteht aber nicht nur insoweit, als dieses Vorzugsrecht des Versicherungsnehmers reicht, sondern ohne Rücksicht hierauf schlechthin für alle Forderungen des Versicherers gegen den Versicherungsnehmer, soweit sie auf der Versicherung beruhen (s. dag. EHRENBERG VE. S. 466 für das frühere Eecht). Diese Regelung geht über die bei den Verträgen zugunsten Dritter im allgemeinen geltenden Regeln hinaus. Bei jenen hat der Versprechende, der vom Versprechensempfänger noch nicht die Gegenleistung erhalten hat, gegenüber dem Anspruch des Dritten nur ein Zurückbehaltungsrecht (§§ 273, 3 3 4 BGB., HELLWIG, S. 278f.). — Hätte der Versicherungsnehmer die Versicherung in der beim Kommissionsgeschäft gewöhnlichen Art genommen und nicht dem Kommittenten durch alteri stipulari unmittelbar die Rechte aus dem Versicherungsvertrage verschafft, so würde die Forderung dem Versicherungsnehmer selbst zustehen, und eine Aufrechnung wäre ohne weiteres möglich. Soweit es sich um konnexe Gegenforderungen des Versicherers gegen den Versicherungsnehmer handelt, führt das Gesetz durch die zugelassene Aufrechnungsbefugnis das gleiche Ergebnis trotz des alteri stipulari herbei: es behandelt insoweit die Entschädigungsforderung wie eine dem Versicherungsnehmer zustehende (vgl. unten §11 III). II. Hinsichtlich der Einwendungen, welche der Versicherer dem Versicherten entgegensetzen kann, kommt § 334 BGB. in Anwendung. Soweit der Versicherer Einwendungen gegen den Versicherungsnehmer aus dem Vertrage hat, stehen ihm diese auch gegenüber dem Versicherten zu (HELLWIG S. 5 7 3 ; SCHNEIDER, Ztschr. 5, S. 235). Es gelten hier die allgemeinen Grundsätze des bürgerlichen Rechts bezüglich der Verträge zugunsten Dritter (vgl. insbes. HELLWIG S. 2 6 8 — 3 1 0 ) . Hervorgehoben sei nur, daß Anfechtung und Rücktritt stets gegenüber dem Versicherungsnehmer als dem Vertragsgegner zu erfolgen haben, 1 daß aber sowohl aus der geschehenen Anfechtung wie auch aus der Anfechtbarkeit Einwendungen gegen den Versicherten gegeben sind (vgl. HELLWIG S. 2 9 5 , 2 9 2 f f . ; LENNE S. 166). 1

Über eine Ausnahme vgl. unten III.

Besonderheiten in der Rechtsstellung des Versicherers usw.

61

III. Einer besonderen Betrachtung sei die Frage der Anfechtung seitens des Versicherers wegen arglistiger Täuschung unterworfen. Hinsichtlich der Anfechtung wegen Irrtums gilt bei der Y. f. f. R. keine Besonderheit; zu beachten ist vor allem, daß eine Anfechtung wegen Irrtums über Gefahrumstände gemäß § 22 VVG. (§ 811b HGB.) durch argumentum e contrario und mit Rücksicht auf die im Gesetz ausschließlich erfolgte Regelung der Rechte, die dem Versicherer deshalb zustehen, als ausgeschlossen anzusehen ist. 1 Fraglich ist, unter welchen Umständen der Versicherer zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung berechtigt ist. Daß die Anfechtung zulässig ist, wenn die Täuschung vom Versicherungsnehmer ausgegangen ist, ist ohne weiteres klar (§ 123 I BGB.). Ging die Täuschung aber von dem Versicherten aus, so ist zu unterscheiden, ob der Versicherungsnehmer sie kannte bezw. kennen mußte, oder ob dies nicht der Fall war. Nach § 123 II 1 BGB. ist, wenn ein Dritter die Täuschung verübt, eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen mußte. Die Anfechtung hat dann gegenüber dem Vertragsgegner, also dem Versicherungsnehmer zu erfolgen. Nach § 123 II 2 BGB. ist, soweit ein anderer als derjenige, welchem die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen mußte. Da der Versicherte aus der dem Versicherungsnehmer gegenüber abgegebenen Erklärung des Versicherers ein unmittelbares Recht erworben hat, ist ihm (dem Versicherten) gegenüber (§ 143 I I BGB.) die Erklärung anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen mußte und erst recht, wenn er sie selbst bewirkte. Daß § 123 II 2 BGB. auf die Verträge zugunsten Dritter überhaupt anwendbar ist, ist mit der herrschenden Meinung zu bejahen. 2 1

HÄGER-BRUCK,

Vorb.

II

vor § 16;

LENNE S.

114f.;

GERHARD-HAGEN

§ 16 Anm. 1. 2 PLANCK, § 123 Note 5 . — OERTMANN § 123 B 3 hß. — STAUDINGER § 123 I V 3c. — A. A. HELLWIG, S. 285ff., vgl. L E N N E S. 116ff., insbesondere auch S. 118o.

62

D i e A u s g e s t a l t u n g der V . f. f. R . i m e i n z e l n e n .

Durch die Anfechtung wird das Yertragsverhältnis rückwirkend aufgehoben. Es gilt als von Anbeginn nicht vorhanden. Was auf Grund des angefochtenen Vertrags geleistet worden ist, muß zurückgewährt werden. Der Versicherer muß deshalb die bereits erhaltenen Prämien zurückzahlen ( H Ä G E R - B R U C K § 22, § 40 Anm. 1). L E N N E (S. 119ff.) will § 40 I VVG. bezw. § 811 II HGB. entsprechend anwenden. M. E. können die Gründe, die für eine solche analoge Anwendung der genannten Gesetzesvorschriften sprechen, nicht durchschlagen. Die Folgen der Anfechtung eines Rechtsgeschäfts sind im BGB. geregelt. Eine so erhebliche Abweichung von diesen Folgen hätte einer besonderen gesetzlichen Bestimmung bedurft, zumal da die Anfechtung ja lediglich auf Grund der allgemein bürgerlich-rechtlichen Vorschriften erfolgt. § 40 I VVG. (§ 811 II HGB.) bezieht sich gerade nur auf die dort einzeln aufgeführten Fälle, nicht auf die Anfechtung. Das Ergebnis ist auch keinesfalls unbillig zu nennen. Einerseits ist dem Versicherer bei dem praktisch häufigsten Fall einer arglistigen Verletzung der Anzeigepflicht ein allerdings befristetes Rücktrittsrecht gewährt, für welches hinsichtlich der Prämie § 40 I VVG. Anwendung findet. Andrerseits kann ihm im Falle der Anfechtung der Täuschende schadensersatzpflichtig sein. — Wenn L E N N E (S. 120) sich auf E H R E N B E R G (S. 274a 275b) bezieht, so tut er dies m. E. zu Unrecht. E H R E N B E R G spricht a. a. O. nur von den Folgen, die eintreten, wenn der Versicherungsvertrag für den Versicherer „unverbindlich" ist. Bei einer solchen Unverbindlichkeit wird aber gerade im Gegensatz zu der Anfechtung der Vertrag als fortbestehend betrachtet, und nur die Leistungspflicht des Versicherers entfällt. Die dort angeführte „Anfechtung der Verbindlichkeit des Versicherungsvertrages" oder „der Wirksamkeit des Vertrages" ist nicht die Anfechtung, wie sie heute im BGB. geregelt und mit ganz besonderen Folgen ausgestattet ist. IV. Steht dem Versicherungsnehmer ein Anspruch auf Ersatz des Schadens gegen einen Dritten zu, so geht der Anspruch auf den Versicherer über, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt (§ 67 VVG., § 804 HGB.). Bei der V. f. f. R. steht der Ersatzanspruch ganz regelmäßig dem Versicherten zu. Damit also die genannte gesetzliche Bestimmung nicht gegen-

Das Innenverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer usw.

68

standslos werde, muß sie sich auch auf den dem Versicherten zustehenden Ersatzanspruch beziehen ( G E R H A R D - H A G E N , Zus. zu § 79 Nr. 9, H A L L B A U E R , LZ. 1910, 650). Dieser Anspruch geht insoweit auf den Versicherer über, als der Ersatzberechtigte von ihm Ersatz erlangt hat. Auch in den Worten „soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt hat" ist also bei der V. f. f. E. in erster Linie der Versicherte zu verstehen. Ebenso fällt hierunter aber auch eine Zahlung an den Versicherungsnehmer. Denn leistet er diesem mit rechtlicher Wirksamkeit, so hat er dadurch schon „dem Versicherten den Schaden ersetzt". Er tilgt auf diese Weise seine Verbindlichkeit und darf hinsichtlich des Übergangs eines etwaigen Ersatzanspruchs nicht schlechter gestellt sein, als wenn er an den Versicherten geleistet hätte (teilweise abw. H A L L B A U E R a. a. 0 . ) . Hat der Versicherer an den den Versicherungsschein vorlegenden Versicherungsnehmer geleistet, obwohl er wußte, daß dieser den Schein schlechtgläubig besaß, so ist die Leistung nach der hier vertretenen Ansicht (vgl. oben § 9 VII 3) trotzdem wirksam; das stellvertretende commodum muß also auch in solchem Falle auf den Versicherer übergehen. Allerdings kann auf Grund seiner eventuellen Schadensersatzpflicht der Versicherer zur Bückübertragung bezw. zu dem Anerkenntnis, daß der Ersatzanspruch weiterhin dem Versicherten zusteht, gezwungen werden. — Nach der gegenteiligen Auffassung (vgl. oben S. 57, Note 8) würde ein Übergang des stellvertretenden commodum in diesem Falle nicht stattfinden. § 11. Das Innenverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherten. .

I. Das interne Verhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherten gehört grundsätzlich dem Versicherungsrechte nicht an und hat insbesondere auf die Entstehung und Fortwirkung des Versicherungsvertrages keinen Einfluß. Es unterliegt der Beurteilung nach allgemeinem bürgerlichen Becht und ist infolgedessen im VVG. wie auch im HGB. nicht besonders geregelt.

64

Die Ausgestaltung der V. f. f. R. im einzelnen.

Eine Ausnahme bildet nur die gleich zu besprechende Vorschrift des § 77 YYG. (§ 888 HGB.). Diesem Innenverhältnis liegt entweder ein Auftrag oder eine Geschäftsführung ohne Auftrag zugrunde. Der Auftrag kann in einem selbständigen, lediglich die Yersicherungsnahme bezweckenden Vertrag oder in einem in erster Linie auf etwas anderes gerichteten Vertrage liegen ( E H R E N B E R G , VR. S. 196, IH. Jb. 30, S.470). Im einzelnen kann ein Werkvertrag, ein Verwahrungsvertrag, ein Lagerhalterverhältnis, ein Nießbrauch, ein Kommissions- oder Speditionsverhältnis, ein Prachtvertrag usw. vorliegen ( L E N N E S. 189 f., Ztschr. 12, S. 1212f.). In der Eegel wird dann auch eine Abrede über die Versicherungsnahme getroffen. Ob der Versicherungsnehmer auch ohne solche zur Versicherungsnahme befugt bezw. verpflichtet ist, ergibt sich hauptsächlich aus der Übung des Verkehrs; bei dem echten Kommissionsverhältnis soll der Kommissionär wegen Unterlassung der Versicherung nur verantwortlich sein, wenn er von dem Kommittenten zur Versicherungsnahme angewiesen war (§ 390 II HGB.). Eine auftraglose Geschäftsführung kommt bei weitem seltener vor. Der Anstoß zur Versicherungsnahme geht der Eegel nach vom Versicherten aus. Der Versicherungsnehmer wird als Mittelsperson tätig, die durch den im eigenen Namen zugunsten des Versicherten geschlossenen Vertrag diesem die Eechte aus ihm zuwendet. Nach dem Innenverhältnis regelt sich insbesondere auch die Pflicht des Versicherten zum Ersatz der dem Versicherungsnehmer erwachsenen Auslagen, insbesondere der Prämie, und andrerseits die Pflicht des Versicherungsnehmers zur Auszahlung der von ihm etwa eingezogenen Entschädigungssumme. Neben diesem Kreis von Eechtsbeziehungen zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherten, die gänzlich außerhalb des Versicherungsverhältnisses liegen, wird nun aber durch die Versicherungsnahme ein weiterer Kreis von besonderen Eechtsbeziehungen zwischen den Genannten begründet, den L E N N E (S. 191, Ztschr. 12, S. 1212) nicht mit Unrecht als das „versicherungsrechtliche Innenverhältnis" bezeichnet. Es sind das diejenigen Eechtsbeziehungen, die „mit dem Versicherungsverhältnis stehen und fallen". Das VVG. (und ebenso das HGB.) gibt für einen besonderen Fall dieser Eechtsbeziehungen eine Vorschrift,

Das Innenverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer usw.

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die die Deckung des Versicherungsnehmers wegen der ihm gegen den Versicherten in bezug auf die versicherte Sache zustehenden Ansprüche regelt (§ 77 VVG., § 888 HGB.). II. Der Versicherungsnehmer ist hiernach nicht verpflichtet, dem Versicherten oder, falls über das Vermögen des Versicherten der Konkurs eröffnet ist, der Konkursmasse den Versicherungsschein auszuliefern, bevor er wegen der ihm gegen den Versicherten in bezug auf die versicherte Sache zustehenden Ansprüche befriedigt ist. Ob der Versicherungsnehmer verpflichtet ist, den Versicherungsschein dem Versicherten herauszugeben, richtet sich in erster Linie nach dem Innenverhältnis. Ist der Versicherungsnehmer auf Grund dieses an sich zur Herausgabe verpflichtet, so kann er diese doch verweigern, wenn ihm noch die im Gesetz bezeichneten Ansprüche zustehen. Dieses Recht würde sich, soweit es sich um konnexe Ansprüche handelt, bereits aus § 278 BGB. ergeben. Hier ist jedoch der Kreis der Forderungen, wegen deren die Zurückbehaltung des Scheins zulässig ist, größer. In erster Linie kommen allerdings auch hier konnexe Forderungen in Betracht, so der Anspruch auf Ersatz der gezahlten Prämie und sonstiger Auslagen, auf Befreiung von dem Versicherer gegenüber eingegangener Verbindlichkeiten, event. auf Provision. Der Anspruch braucht aber überhaupt nur auf die versicherte Sache Bezug zu haben. Das trifft auch zu, wenn etwa dem Versicherungsnehmer vom Versicherten ein Pfandrecht an der versicherten Sache für eine Forderung eingeräumt ist, die gar nicht mit dem Versicherungsvertrage zusammenhängt ( H A G E R - B K U C K , §77 Anm. 1 ) Hier spielen insbesondere eine Bolle die Forderungen des Kommissionärs, Spediteurs, Lagerhalters, Frachtführers, die diese in bezug auf die ihnen übergebenen und von ihnen unter Versicherung gebrachten Sachen haben. Wenn ihnen auch an den Sachen ein gesetzliches Pfandrecht zusteht, so verliert dieses doch bei Untergang der Sachen jede Bedeutung. Dadurch, daß sie den Schein zurückbehalten können, wahren sie sich ihr freies Verfügungsrecht über die Rechte aus dem Versicherungsvertrage, so daß sie nach Eintritt des Versicherungsfalls selbst die Entschädigungssumme einziehen und sich kraft des ihnen zustehenden — gleich zu besprechenden — Vorzugsrechts aus ihr vorweg befriedigen können. FISCHER, Versicherung für fremde Rechnung.

5

66

Die Ausgestaltung der V. f. f. R. im einzelnen.

Dieses Zurückbehaltungsrecht ist auch insofern weitergehend als dasjenige des BGB., als es durch Sicherheitsleistung nicht abwendbar ist und auch nicht Fälligkeit der Gegenforderung voraussetzt (GERHARD-HAGEN, §77 Anm. 2; a. A. hinsichtlich der Fälligkeit: LENNE S. 198.). Das Zurückbehaltungsrecht wirkt auch gegenüber dem Anspruch des Versicherten auf Aushändigung des Versicherungsscheins, wenn der Versicherte den Anspruch nicht auf das vertragliche Innenverhältnis, sondern auf sein Eigentum am Schein stützt (§ 952 BGB., vgl. oben 9 VII 1). III. Wegen der gleichen Ansprüche (wie unter II) kann sich der Versicherungsnehmer aus der Entschädigungsforderung gegen den Versicherer und nach der Einziehung der Forderung aus der Entschädigungssumme vor dem Versicherten und dessen Gläubigern befriedigen (§ 77 Satz 2 VVG., § 888 Satz 2 HGB.). Um dieses „Vorzugsrecht" richtig zu erfassen, soll zunächst von dem Regelfall ausgegangen werden, daß der Versicherungsnehmer den Versicherungsschein noch im Besitz hat und die Entschädigungsforderung geltend macht. Es ist dies deshalb als der Regelfall bezeichnet, weil für gewöhnlich kein Versicherungsnehmer den Schein dem Versicherten herausgeben wird, bevor er nicht selbst wegen der in Frage stehenden Ansprüche befriedigt ist. Wir haben oben (§ 9 I, II) gesehen, daß der Versicherungsnehmer die Entschädigungsforderung im eigenen Namen geltend machen kann, wenn auch als eine dem Versicherten z u s t e h e n d e Forderung. Höchstens kann man sagen, daß dem Versicherungsnehmer die Forderung f o r m e l l zusteht; m a t e r i e l l gehört sie nicht zu seinem Vermögen. Das ändert sich aber, soweit ihm noch die in Frage stehenden Ansprüche gegen den Versicherten zustehen. Insoweit soll er sich aus der Forderung befriedigen können. Das heißt aber nichts anderes, als daß die Forderung insoweit ihm auch sachlich zusteht, daß sie als seine eigene Forderung behandelt wird. Er hat deshalb nicht nur gegenüber dem Versicherten, sondern auch gegenüber dessen Gläubigern und Konkursgläubigern das Recht, daß diese ihm die Befriedigung aus der Entschädigungsforderung gestatten. Das ist aber etwas ganz anderes als das Recht auf Duldung der Befriedigung, was demjenigen zusteht, der an einer

Das Innenverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer usw.

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Sache ein kaufmännisches Zurückbehaltungsrecht ausübt. Den Ausführungen LENNES (S. 194f.) kann deshalb insoweit nicht beigestimmt werden. Das kaufmännische Befriedigungsrecht hat die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts zur Voraussetzung; das hier in Frage stehende„Befriedigungsrecht" hat seinen Grund darin, daß insoweit die Forderung als eigene Forderung des Versicherungsnehmers behandelt wird, es ist von dem Zurückbehaltungsrecht am Versicherungsschein durchaus nicht abhängig. Deshalb kommt hier auch hinsichtlich der Durchführung in keiner Weise die Vorschrift des § 371 II, III HGB. in Frage. Wenn der Versicherungsnehmer bei der vorausgesetzten Sachlage die Entschädigungsforderung einzieht in der Absicht, den Erlös, soweit zulässig, für sich zu behalten, so befriedigt er sich streng genommen schon aus der Entschädigungsforderung, nicht aus der eingezogenen Entschädigungssumme, da er eben die Forderung insoweit als eigene einzieht. Er befriedigt sich auf diese Weise aus der Entschädigungsforderung gerade so, als wenn er sie anders, z. B. durch Verkauf, verwertet. Es kommt deshalb insofern die weitere gesetzliche Bestimmung, daß er sich auch aus der Entschädigungssumme vorweg befriedigen kann, nicht in Betracht. Dies wird erst praktisch, wenn die Forderung nicht vom V e r s i c h e r u n g s n e h m e r eingezogen wird, oder wenn zwar der Versicherungsnehmer sie eingezogen hat, ihm aber erst nachher die bezeichneten Ansprüche gegen den Versicherten erwachsen, wenn er also die Forderung zunächst nur als die dem Versicherten zustehende eingezogen hat. In jedem Falle hat er an der Entschädigungssumme Eigentum erworben, da er sie im eigenen Namen kassiert hat (vgl. LENNE S. 195,196). Soweit sein Vorzugsrecht reicht, ist er nur nicht verpflichtet, die Gelder herauszugeben. Soweit das Vorzugsrecht reicht, muß die Entschädigungsforderung wie auch die eingezogene Entschädigungssumme in die Konkursmasse fallen, wenn der Versicherungsnehmer in Konkurs gerät. Ist die Entschädigungssumme vom Versicherten oder von dessen Gläubigern oder vom Konkursverwalter, wenn über das Vermögen des Versicherten Konkurs eröffnet ist, eingezogen worden, so hat natürlich der Versicherte bzw. dessen Gläubiger 5*

68

D i e Ausgestaltung der V. f. f. R . im einzelnen.

das Eigentum an den Geldern erworben, denn der Versicherte oder dessen Gläubiger haben sie im eigenen Namen kassiert. Der Versicherungsnehmer hat aber den obligatorischen Anspruch gegen sie auf Herauszahlung des ihm gebührenden Teils und zwar vor allen anderen Gläubigern, mögen sie nun dingliche oder persönliche Ansprüche in bezug auf die Entschädigungssumme haben (vgl. L E N N E S. 197). Das Gesetz macht keinen Unterschied darin, von wem die Forderung eingegangen war, sondern gibt dem Versicherungsnehmer das Vorzugsrecht schlechthin. Es muß deshalb auch gegenüber der Konkursmasse gelten (vgl. H Ä G E R - B R U C K , § 77 Anm. 2), Ist die Forderung noch nicht eingezogen, hat aber der Versicherungsnehmer, weil er sich nicht mehr im Besitz des Scheins befindet, die Verfügungsmacht verloren, so muß wieder der Gesichtspunkt durchschlagen, daß die Forderung, insoweit dem Versicherungsnehmer die bezeichneten Ansprüche zustehen, sachlich ihm zusteht. Er muß sie daher insoweit auch gegen den Versicherer geltend machen können, selbst wenn er im übrigen zur Verfügung über die Eechte aus dem Versicherungsvertrage nicht befugt ist (so auch H Ä G E R - B R U C K , § 77 Anm. 2). Einer Pfändung seitens eines Gläubigers des Versicherten kann er deshalb auch insoweit widersprechen. § 771 ZPO. muß zum mindesten entsprechend angewendet werden (a. A. G E R H A R D - H A G E N , § 77 Anm. 3, L E N N E S. 197). Daß der Versicherungsnehmer, wie L E N N E sagt, die Forderung unbekümmert um ein etwaiges Pfändungspfandrecht einziehen könne, kann nicht zugegeben werden. Wenn die Entschädigungsforderung in vollem Umfange gepfändet ist, so kann sich weder der Versicherungsnehmer noch der Versicherer hierüber einfach hinwegsetzen. — Gegenüber dem Konkursverwalter (wenn der Versicherte in Konkurs geraten ist) kann der Versicherungsnehmer ebenso geltend machen, daß die Forderung, soweit er Ansprüche der bezeichneten Art gegen den Versicherten hat, sachlich ihm zusteht. Der Konkursverwalter kann sich daher allerdings nicht über das Vorzugsrecht „hinwegsetzen" ( G E R H A R D HAGEN, § 77 A n m .

B, B G . E .

42,

85).

Daß die Entschädigungsforderung, soweit sie der Versicherungsnehmer in Verfolgung seines Vorzugsrechts geltend macht,

Das Innenverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer usw.

69

tatsächlich als Forderung des Versicherungsnehmers zu betrachten ist, zeigt sich auch darin, daß sich der Versicherungsnehmer nicht gefallen zu lassen braucht, daß der Versicherer ihn dadurch beeinträchtigt, daß er gegen die Entschädigungsforderung andere als auf der Versicherung beruhende Forderungen — die er gegen den Versicherten hat — zur Aufrechnung bringt, was er ja im übrigen tun kann (vgl. oben § 1 0 Ia). GERHARD-HAGEN (a. a. 0 . ) drückt dies mit der Wendung aus: Das Vorzugsrecht richte sich auch gegen den Versicherer (ebenso LENNE S. 198). — Soweit der Versicherungsnehmer die Entschädigungsforderung lediglich gestützt auf sein Vorzugsrecht geltend macht, dürfte nichts entgegenstehen, daß der Versicherer ihm gegenüber auch andere Gegenforderungen aufrechnet, als sonst nach § 78 VVG. (§ 890 HGB.) zulässig ist. Insoweit steht eben der Versicherungsnehmer wie ein anderer Gläubiger dem Versicherer gegenüber. Wenn auch die Entschädigungsforderung, soweit das Vorzugsrecht des Versicherungsnehmers reicht, als eigene Forderung des Versicherungsnehmers anzusehen ist, so ist doch immer zu beachten, daß zunächst die Entschädigungsforderung als solche in der Person des Versicherten entstanden sein muß. Ihre Existenz ist notwendige Voraussetzung des Vorzugsrechts. Hat der Versicherte die Rechte aus dem Versicherungsvertrage zurückgewiesen, so besteht eine Entschädigungsforderung nicht, demnach auch kein „Vorzugsrecht" des Versicherungsnehmers. IV. Abgesehen von § 77 VVG. (§ 888 HGB.) sind für das sog. versicherungsrechtliche Innenverhältnis gesetzüche Bestimmungen für die V. f. f. R. nicht getroffen. Da wir aber die V. f. f. R. als ein Kommissionsverhältnis im weiteren Sinn auffassen, ist zu untersuchen, inwieweit die für das Kommissionsgeschäft des HGB. gegebenen Regeln Anwendung finden können. Eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschriften ist von vornherein nur dann ausgeschlossen, wenn § 406 HGB. nicht zutrifft. In solchen Fällen wird die e n t s p r e c h e n d e Anwendung der handelsgesetzlichen Bestimmungen vielfach möglich sein; soweit auch dies nicht zutrifft, müssen die allgemeinen Grundsätze über mittelbare Stellvertretung und die Vorschriften des BGB. aushelfen (LENNE S. 200).

70

Die Ausgestaltung der V. f. f. R. im einzelnen.

Die Anwendung der §§ 384—405 HGB. ergibt folgendes: Als Kommissionsgut kann nicht die versicherte Sache bezeichnet werden, sondern die aus der Versicherung entstandenen Eechte, „denen die Versicherungspolice pertinenzähnlich folgt" (LENNE S. 201, Ztschr. 12, S. 1213). Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, die Versicherung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns abzuschließen. Einen ihm zur Versicherungsnahme erteilten Auftrag hat er schleunigst auszuführen, da Verzögerung gerade hier höchst gefährlich werden kann. Kann er das Eisiko nicht unterbringen, so muß er dies unverzüglich dem Versicherten mitteilen (EHRENBERG, VE. S. 200). Er hat bei der Versicherungsnahme das Interesse des Versicherten wahrzunehmen und dessen Weisungen zu befolgen (§ 384 I HGB.). Soweit sich letztere auf die Zeit n a c h dem Abschluß des Versicherungsvertrags beziehen, wird der Versicherungsnehmer meist ziemlich ungebunden sein (vgl. LENNE S. 205). Die Auswahl des Versicherers bleibt im Zweifel dem pflichtmäßigen Ermessen des Versicherungsnehmers überlassen (EHRENBERG, VE. S. 201). Ferner hat der Versicherungsnehmer dem Versicherten die erforderlichen Nachrichten zu geben. Er hat ihm auch von dem Abschluß der Versicherung unverzüglich Anzeige zu machen und zugleich mit der Anzeige den Versicherer namhaft zu machen, andernfalls er für die Erfüllung haftet (§384 II, I I I HGB., LENNE S. 204, Ztschr. 12, S. 1215). Ein Verzicht des Versicherten auf diese Benachrichtigung dürfte vielfach anzunehmen sein. Insbesondere wird man den Versicherungsnehmer von dieser Verpflichtung dann als befreit ansehen können, wenn der Versicherte nach den Umständen annehmbar ein Interesse an dieser Benachrichtigung nicht hat. Soweit der Versicherungsnehmer an die Weisungen des Versicherten gebunden ist, ist er bei Zuwiderhandlung gegen sie zum Schadensersatz verpflichtet. Der Versicherte braucht das Geschäft nicht für seine Eechnung gelten zu lassen (§ 385 HGB.). Er ist dann dem Versicherungsnehmer zur Erstattung seiner Auslagen nicht verpflichtet. Will er von dieser Befugnis Gebrauch machen, so muß er dem Versicherer gegenüber die ihm durch den Vertragsschluß nun einmal schon angefallenen Eechte

Das Innenverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer usw.

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zurückweisen (§ B33 BGB.). Denn er kann naturgemäß nicht diese Rechte etwa annehmen, dem Versicherungsnehmer aber erklären, er lasse die Versicherung nicht für seine Rechnung gelten. Die Annahme der Rechte aus dem Versicherungsvertrage schließt die Genehmigung der Geschäftsführung in diesem Falle stets in sich. Die Anwendung des § 885 HGB. ergibt also, wann der Versicherte im V e r h ä l t n i s z u m V e r s i c h e r u n g s n e h m e r zur Zurückweisung der Rechte aus dem Versicherungsvertrage berechtigt ist; 1 dem V e r s i c h e r e r g e g e n ü b e r ist er stets hierzu berechtigt, wenn er auch durch Ausübung dieses Rechts dem Versicherungsnehmer gegenüber verantwortlich werden kann. Diese Berechtigung des Versicherten im Verhältnis zum Versicherungsnehmer erleidet eine Beschränkung durch § 386 HGB. für die Fälle, in denen der Versicherungsnehmer den Prämiensatz überschritten hat. Dann muß der Versicherte, wenn er die Versicherung nicht für seine Rechnung gelten lassen will, dies u n v e r z ü g l i c h auf die Anzeige von der Versicherungsnahme erklären; andernfalls gilt die Abweichung als genehmigt (LENNE S. 204, Ztschr. 12, S. 1216). Ebenso finden § 386 II und § 387 HGB. Anwendung. Der Versicherungsnehmer haftet dem Versicherten auch für eine schuldhafte Beeinträchtigung der aus der Versicherung erwachsenen Rechte, über die er ja in der Regel die Verfügung hat, und insbesondere auch für den Verlust des Versicherungsscheins. Dies ergibt eine entsprechende Anwendung des § 390 I HGB. (vgl. LENNE S. 205, Ztschr. 12, S. 1216). — § 390 I I betrifft lediglich das nicht-versicherungsrechtliche Innenverhältnis. Die Folgen eines vom Versicherungsnehmer gewährten Kredits richten sich nach § 393 HGB. Provision (§ 394 HGB.) kann der Versicherungsnehmer fordern, wenn er mit dem Versicherten dies besonders vereinbart hat, oder wenn er Kaufmann ist und die Versicherung im Betriebe seines Handelsgewerbes genommen hat (vgl. § 354 HGB.). Dieselben Voraussetzungen gelten von Zinsen für die von dem Versicherungsnehmer gezahlten Prämien und für sonstige Auslagen 1

Es gibt natürlich auch noch andere Fälle, in denen er hierzu berechtigt ist gegenüber dem Versicherungsnehmer.

Anhang.

72

(EHRENBERG, YE. S. 204; I H . Jb. 30, S. 480). Häufig wird die Provision jedoch bereits in dem Entgelt für das Geschäft, bei dessen Abwicklung die Yersicherung genommen wurde, enthalten sein und deshalb nicht besonders berechnet werden dürfen (vgl. LENNE S. 206, Ztschr. 12, S. 1217). Bestritten ist, ob ein Selbsteintrittsrecht des Versicherungsnehmers (§§400—405 HGB.) schlechthin unzulässig ist, 1 oder zwar nach dem Parteiwillen in der Eegel als ausgeschlossen, trotzdem aber nicht grundsätzlich als unzulässig anzusehen ist. 2 M. E. ist der letzteren Ansicht beizustimmen. Es muß nach der Lage des Einzelfalls entschieden werden. Die übrigen im HGB. über das Kommissionsgeschäft gegebenen Bestimmungen sind für die Y. f. f. E. nicht anwendbar, da sie entweder auf sie nicht passen oder ihnen eine anderweite Eegelung entgegensteht. Ersteres ist der Fall bei den §§ 888,389, 391, 395, 396 II HGB. § 394 HGB. wird nicht praktisch werden. Wegen anderweiter Eegelung kommen nicht in Betracht: § 392 HGB., da der Versicherte die Eechte mittels Vertrags zu seinen Gunsten unmittelbar erwirbt, und §§ 397—399 HGB., da hinsichtlich der Sicherstellung und Befriedigung des Versicherungsnehmers in § 77 VVG., § 888 HGB. ausschließliche Vorschriften gegeben sind, die für die Bestimmungen der §§ 397—399 HGB. keinen Eaum lassen (vgl. LENNE S. 201 f., Ztschr. 12, S. 1 2 1 4 ) .

Anhang. § 12. Die besonderen Fälle des § 8 5 und § 151 VVG.

Im VVG. sind hinsichtlich der Schadensversicherung zwei Fälle besonders geregelt, in denen an sich eine Eigenversicherung genommen ist, durch diese aber ohne weiteres fremdes Interesse als mitversichert und die Versicherung insoweit als für fremde Eechnung genommen gelten soll. 1

S o EHRENBERG V R .

2

So

LENNE

S. 2 0 1 ; IH.

J b . 30,

S. 203, Ztschr. 12, S. 1215.

S.

476.

VOIGT,

S. 55f.

Anhang.

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(EHRENBERG, YE. S. 204; I H . Jb. 30, S. 480). Häufig wird die Provision jedoch bereits in dem Entgelt für das Geschäft, bei dessen Abwicklung die Yersicherung genommen wurde, enthalten sein und deshalb nicht besonders berechnet werden dürfen (vgl. LENNE S. 206, Ztschr. 12, S. 1217). Bestritten ist, ob ein Selbsteintrittsrecht des Versicherungsnehmers (§§400—405 HGB.) schlechthin unzulässig ist, 1 oder zwar nach dem Parteiwillen in der Eegel als ausgeschlossen, trotzdem aber nicht grundsätzlich als unzulässig anzusehen ist. 2 M. E. ist der letzteren Ansicht beizustimmen. Es muß nach der Lage des Einzelfalls entschieden werden. Die übrigen im HGB. über das Kommissionsgeschäft gegebenen Bestimmungen sind für die Y. f. f. E. nicht anwendbar, da sie entweder auf sie nicht passen oder ihnen eine anderweite Eegelung entgegensteht. Ersteres ist der Fall bei den §§ 888,389, 391, 395, 396 II HGB. § 394 HGB. wird nicht praktisch werden. Wegen anderweiter Eegelung kommen nicht in Betracht: § 392 HGB., da der Versicherte die Eechte mittels Vertrags zu seinen Gunsten unmittelbar erwirbt, und §§ 397—399 HGB., da hinsichtlich der Sicherstellung und Befriedigung des Versicherungsnehmers in § 77 VVG., § 888 HGB. ausschließliche Vorschriften gegeben sind, die für die Bestimmungen der §§ 397—399 HGB. keinen Eaum lassen (vgl. LENNE S. 201 f., Ztschr. 12, S. 1 2 1 4 ) .

Anhang. § 12. Die besonderen Fälle des § 8 5 und § 151 VVG.

Im VVG. sind hinsichtlich der Schadensversicherung zwei Fälle besonders geregelt, in denen an sich eine Eigenversicherung genommen ist, durch diese aber ohne weiteres fremdes Interesse als mitversichert und die Versicherung insoweit als für fremde Eechnung genommen gelten soll. 1

S o EHRENBERG V R .

2

So

LENNE

S. 2 0 1 ; IH.

J b . 30,

S. 203, Ztschr. 12, S. 1215.

S.

476.

VOIGT,

S. 55f.

Die besonderen Fälle des § 85 und § 151 VVG.

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a) § 85 W G . bestimmt hinsichtlich der Feuerversicherung: „Ist die Versicherung für einen Inbegriff von Sachen genommen, so erstreckt sie sich auf die Sachen der zur Familie des Versicherungsnehmers gehörenden sowie der in einem Dienstverhältnisse zu ihm stehenden Personen, insofern diese Personen in häuslicher Gemeinschaft mit dem Versicherungsnehmer leben. Die Versicherung gilt insoweit als für fremde Rechnung genommen." Diese Vorschrift bildet eine Ausnahme von § 80 I VVG., indem hier ohne weiteres fremde Interessen als mitversichert gelten. Es entspricht dem mutmaßlichen Willen der Beteiligten, daß in Ermangelung einer abweichenden Vereinbarung die für einen Inbegriff von Sachen genommene Feuerversicherung sich auf die Sachen derjenigen Familienangehörigen und Bediensteten des Versicherungsnehmers erstreckt, welche mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben (Begr. zu § 85). Wenn das Gesetz sagt, die Versicherung gelte insoweit als für fremde Rechnung genommen, so ist damit gesagt, daß der Versicherungsvertrag, soweit fremdes Interesse in Frage steht, als eine V. f. f. R. aufzufassen ist. Das ist dasselbe Ergebnis, wie es bei der Versicherung für Rechnung „wen es angeht" möglich ist, nämlich daß Eigenversicherung und V. f. f. R. in e i n e m Vertrage zusammentreffen (vgl. oben 31). Der Dritte muß daher aus dem Vertrage unmittelbar berechtigt werden, denn dies ist ja gerade das Hauptmoment bei einer V. f. f. R. im technischen Sinn. Soweit das Interesse des Dritten reicht, steht ihm also die Entschädigungsforderung zu. Ein Gläubiger des Versicherungsnehmers kann deshalb insoweit den Anspruch auf die Entschädigungssumme nicht pfänden; im Konkurs des Versicherungsnehmers hat der Dritte ein Aussonderungsrecht, event. den Anspruch aus § 46 Satz 2 KO. Andrerseits kann sich der Versicherungsnehmer aus der Entschädigungsforderung bezw. aus der eingezogenen Entschädigungssumme vor dem Dritten und seinen Gläubigern gemäß § 77 VVG. befriedigen. Allerdings wird gerade in den hier in Frage kommenden Fällen der Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Prämienersatz nicht haben wollen. In der Regel wird dem Versicherungsnehmer nach dem Parteiwillen ein unbeschränktes Verfügungsrecht zustehen sollen

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Anhang.

und die Erteilung eines Versicherungsscheins für den Dritten ausgeschlossen sein. Da sich der Inbegriff der Sachen in der Herrschaftssphäre des Versicherungsnehmers befindet, wird es dem Parteiwillen entsprechen, daß der Dritte überhaupt nicht hervorzutreten braucht, daß ihn auch keine Anzeigepflichten und sonstige Obliegenheiten treffen sollen. Nur wenn er selbst den Versicherungsfall herbeiführt, geht er nach allgemein versicherungsrechtlichem Grundsatze seines Anspruchs verlustig. — Da der Versicherungsnehmer hier durch das Gesetz ermächtigt ist, fremdes Interesse zu versichern, entfällt die Bestimmung des § 76 I I I VVG.; für die Zustimmung des Versicherten ist kein Raum (vgl. oben § 9 III). Die Regeln des § 85 VVG. gelten entsprechend auch bei Versicherung gegen Einbruchsdiebstahl, Wasserleitungsschäden usw. 1 b) § 151 VVG. bestimmt: „Ist die Versicherung für die Haftpflicht aus einem geschäftlichen Betriebe des Versicherungsnehmers genommen, so erstreckt sie sich auf die Haftpflicht der Vertreter des Versicherunsgnehmers sowie auf die Haftpflicht solcher Personen, welche er zurLeitung oder Beaufsichtigung des Betriebs oder eines Teiles des Betriebs angestellt hat. Die Versicherung gilt insoweit als für fremde Rechnung genommen." Der Zweck dieser Vorschrift ist, Verwickelungen zu vermeiden, die unausbleiblich wären, wenn nur das Interesse des Versicherungsnehmers gedeckt wäre, da im Einzelfalle höchst zweifelhaft sein kann, ob gerade der Versicherungsnehmer oder eine andere von ihm zur Leitung oder Beaufsichtigung angestellte Person haftpflichtig ist. Auch in diesem Falle ist die Versicherung nur als Eigenversicherung bezeichnet, gilt aber, soweit fremdes Interesse in Frage kommt, als V. f. f. R. Alles was insoweit zu § 85 VVG. gesagt ist, gilt auch hier entsprechend. 1

Vgl. zu obigem: L E N N E S. 1 0 1 ff. — GERHABD-HAGEN § 85, § 7 4 Anm. 6 , Ziff. 1. - HAGER-BRUCK § 85.—A. A. SCHNEIDER, Ztschr. 5, S. 268ff., Komm. § 85, der verneint, daß eine wirkliche V. f. f. R. vorliege. — Vgl. auch Begr. zu § 85.

Literatur. Kommentar zum Reichsgesetz über den Versicherungsvertrag, Stuttgart 1908. B R O D M A N N , Die Haftung des Schuldners nach § 278 B G B . , insbesondere die Haftung des Versicherungsnehmers, in Iherings Jahrb. 58, S. 187—302. BYK, Die Versicherung für fremde Rechnung verglichen mit der Kommission, Diss. Berlin 1911. COSACK, Lehrbuch des Handelsrechts, 7 . Aufl., Stuttgart 1 9 1 0 . CROME, System des Deutsohen bürgerlichen Rechts. Tübingen und Leipzig 1902. D E R N B U R G , Das bürgerliche Recht des Deutschen Reichs und Preußens, die Schuldverhältnisse, 4. Aufl., Halle a. S. 1909. E H R E N B E R G , Versicherungsrecht, 1. Bd., Leipzig 1893; zit: E H R E N B E R G , VR. — Die Versicherung für fremde Rechnung, in I H E R I N G S Jahrb. 3 0 , S . 4 2 2 bis BEST,

4 8 2 ; z i t : EHRENBERG, I H . J b .

30.

— Über Doppelversicherung, in I H E R I N G S Jahrb. 33, S. 460ff. — Entwurf eines Gesetzes über den Versicherungsvertrag, in Ztschr f. d. ges. Vers.-Wiss. 1903, S. 315ff. F L E C H T H E I M , Schutz durch mittelbare Versicherung, in Leipziger Zeitschr. für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht (zit.: LZ.) 1911, S. 675ff. G E R H A R D , H A G E N , V. K N E B E L - D O E B R I T Z , B R O E C K E R , M A N E S , Kommentar zum Deutschen Reichsgesetz über den Versicherungsvertrag, Berlin 1908; zit.:

GERHARD-HAGEN.

Der Versicherungsvertrag beim Nießbrauch im B G B . , in Jahrb. 4 0 , S. 3 4 1 — 4 5 0 . — Die Versicherungsforderung bei Veräußerung der versicherten Sache, nebst Anhang, Berlin 1899. — Die Haftung des Versicherungsnehmers für fremdes Verschulden, in Leipz. Zeitschr. 1909, S. 721—743. GOLDSCHMIDT, System des Handelsrechts, Stuttgart 1 8 9 2 . H A G E N , Die Haftung der Versicherungsforderung für die Hypotheken, in I H E R I N G S Jahrb. 51, S. 83—126. — Der versicherungsrechtliche Interessebegriff, in Zeitschr. f. d. ges. Vers.Wiss. 1907, S. 15ff. GIERKE,

JULIUS,

IHERINGS

76 HÄGER-BRUCK,

Literatur. Reichsgesetz über den Versicherungsvertrag,

2.

Aufl., Berlin

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Das Recht des gutgläubigen und des diesem gleich zu behandelnden Ehegatten bei Nichtigkeit der Ehe nach §§ 1 3 4 5 - 1 3 4 7 , 1251 BGB. Von

Dr. iur. Georg Kießling. gr. 8.

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geh. 4 M-

Die

Rechtsstellung der Frau als Gattin und Mutter, Geschichtliche Entwicklung ihrer persönlichen Stellung im Privatrecht bis in das achtzehnte Jahrhundert von

Dr. Robert Bartsch, Priratdozent der Hechte a. d. U. Wien,

gr. 8.

1903.

geh. 5 Ji.

Der Eigentumsvorbehalt beim Kauf. (BGB. § 455.) Von

Dr. iur. Richard Jaffe. gr. 8.

1910.

geh. 3 Ji.

Das Wesen des kaufmännischen Zurückbehaltungsrechts. Geschichtlich entwickelt. Von

Prof. Dr. Johannes Planitz. gr. 8.

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Die vorläufige Vollstreckbarkeit. Von

Rechtsanwalt gr. 8.

Dr. Ernst Raydt. 1904.

geh. 3 Jt.

Metzger £ Wittig. i^ipzig