Die verlorene Spur: Ästhetische Reflexionen zur Schraffur in der Vormoderne 9783110762860, 9783110762808

This publication is devoted to a hitherto little examined aspect of hand drawing and printmaking: How was hatching refle

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Die verlorene Spur: Ästhetische Reflexionen zur Schraffur in der Vormoderne
 9783110762860, 9783110762808

Table of contents :
Inhalt
Dank
Vorwort
Das Entstehen der Schraffur
Kontur
Verdichtung
Kalligraphie
Semantisierung
(In-)Kongruenz
Die Auflösung der Schraffur
Farbtafeln
Literaturverzeichnis
Namensregister
Abbildungsverzeichnis
Bildnachweise

Citation preview

Die verlorene Spur

Elvira Bojilova

Die verlorene Spur Ästhetische Reflexionen zur Schraffur in der Vormoderne

Inhalt

6 Dank 8 Vorwort 15 Das Entstehen der Schraffur 25 Kontur 25 „circumscriptio“: Linie als Fixierung 41 Ohne Worte 57 Verdichtung 57 „trattolini troppo minuti“: Zarte Schraffur (Teil I) 74 „sanza tratti“: Verschwindende Schraffur 79 Kalligraphie 79 „tratti naturali“: Linie als Geometrie 89 „stilstaende letter“: Linie als Bild 129 129 156

Semantisierung „toutes les formes d‘hachures“: Universalregeln der Faktur „aller Dingen Eigenschaft“: Terminologische Adaptionen

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(In-)Kongruenz „brutalite du graveur“: Zarte Schraffur (Teil II) „resemblance fort imparfaite”: macchia – Linie

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Die Auflösung der Schraffur

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Farbtafeln

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Literaturverzeichnis

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Namensregister

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Abbildungsverzeichnis

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Bildnachweise

Dank

Dieses Buch ist die überarbeitete Fassung meiner im Oktober 2018 eingereichten und im August 2019 an der Universität Hamburg verteidigten Dissertationsschrift. Ich danke meinen Gutachtern, Frank Fehrenbach und Robert Felfe, für alle Freiheiten, die sie mir bei der Er­arbeitung gewährt haben, sowie für die unverzichtbaren Hinweise und Empfehlungs­ schreiben. Durch Nicola Suthor lernte ich während meines Grundstudiums in Heidelberg anhand einer Zeichnung von Guercino die graphischen Künste kennen (Florenz, Gabinetto dei ­disegni e delle stampe degli Uffizi, Inv. Nr. 3659 S). Ihrer kontinuierlichen Unterstützung und den gemeinsamen Diskussionen verdanke nicht nur ich sehr viel, sondern auch dieses Buch. Gefördert wurde die Dissertationsschrift von 2015 bis 2019 mit einem überaus groß­ zügigen Doktorandenvertrag vom Kunsthistorischen Institut in Florenz – Max-Planck-­Institut. Ohne die einzigartige Bibliothek und den genius loci des KHIs wäre dieses Buch nicht das gleiche geworden; ich hätte mir keine bessere Heimat dafür vorstellen können. Dank gebührt insbesondere Hannah Baader und Gerhard Wolf – für alles, was sie vor, während und nach dieser Zeit für mich getan haben. Nicht minder sei Ester Fasino und Eva Mußotter für ihr herzliches Engagement gedankt, mit dem sie mir in sämtlichen Belangen den Rücken freigehalten haben. Sie alle haben stets Nachsicht und Verständnis aufgebracht. Wichtige Teile der Überarbeitung konnte ich während meines Aufenthaltes an der Villa I Tatti, The Harvard University Center for Italian Renaissance Studies im Winter 2020 fertigstellen. Alina Payne danke ich von Herzen für die Chance, an diesem magischen Ort forschen zu dürfen. Es hat mir mehr bedeutet als ich hier in Worte fassen könnte. Ebenfalls in der Zeit der Manuskriptüberarbeitung stand mir Karin Leonhard mit Rat und Hilfe zur Seite, wann immer ich sie benötigte. Über die Jahre konnte ich verschiedene Aspekte des Buchs im Rahmen von Konferenzen und Workshops vorstellen. Alle Beobachtungen, Korrekturen und weiterführenden Fragen waren eine Bereicherung. Bedanken möchte ich mich insbesondere bei folgenden Organisatorinnen und Organisatoren, die dies ermöglicht haben: Iris Brahms, Thomas Dittelbach,

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Dank

Norberto Gramaccini, Klaus Krüger, Claudia Lehmann, Alexander Marr, Elisabeth Oy-Marra, Johannes Rößler und Claudia Steinhardt-Hirsch. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern folgender Institutionen haben mir die Recherche immens erleichtert: Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin, Ornamentstichsammlung der Kunstbibliothek Berlin, Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, ­British Museum und Cabinet des dessins du musée du Louvre. Besonderer Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bibliothek des Kunstgeschichtlichen Seminars in Hamburg. Hier entstanden die ersten Ideen. Düsseldorf, im Mai 2023

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Vorwort

„Man müsste tausend Worte haben“ Wie lässt sich etwas beschreiben, das es nie gegeben hat? Die Frage ist in einer Aporie begründet, die aus der Vorstellung hervorgeht, dass das vermehrte Interesse an ästhetischen Qualitäten graphischer Kunstwerke – und in einem zweiten Schritt an Techniken wie der Schraffur – erst mit der sich sukzessive professionalisierenden Connoisseurship im Verlauf des 18. Jhs. begann.1 Das Interesse an der Schraffur wurde mit der Etablierung der Kunstwissenschaft als Wissenschaftsdisziplin im 19. Jh. ausdifferenziert. Die Beobachtung trifft insofern zu, als dass sich eine auf ‚systematische‘ Untersuchungen abzielende Reflexion der Schraffur tatsächlich erst in diesem historiographisch nachzuvollziehendem Zweischritt abzeichnete. So erfolgte die erste stilistische Erfassung druckgraphischer Stile beispiels­weise, und darauffolgend der Schraffur, von Éduard Ernst Kolloff (1811–1879) im Jahre 1878. Er unterschied in ­einem Lexikonartikel zu Baccio Baldinis (1436–1487) Druckgraphiken die mit Parallelschraffur geführte sogenannte „breite Manier“, die er gegen die „feine Manier“ absetzte. Letztere ­zeichne sich durch die ausschließliche Verwendung eines feinen Netzes aus Kreuzschraffuren aus, die dem Stil seinen Namen schenkte. Die „breite“ Manier hingegen er­schöpfe sich Kolloff zufolge in Parallelschraffuren, die im Vergleich zur „feinen“ Manier größere Zwischen­räume zwischen den einzelnen Schraffurlinien boten.2 Die Einbettung dieser Stile in einen Lexikon­artikel war symptomatisch für den Versuch einer wissensorientierten Kategorisierung. Sie traf den Nerv der Zeit, denn nur vier Jahre später nahm sich der Künstler Philip Gilbert Hamerton (1834–1894) in seinem Werk The Graphic Arts (1882) der Aufgabe an, Linie und Schraffur in Raffaels (1483–1520) Zeichnungen in vier wesentliche Kategorien mit je eigenen miteinander verschränkten Wirkungs- und Funktionsweisen zu unterteilen.3 1 2 3

Norberto Gramaccinis Quellenanthologie (1997) zur Druckgraphik im Frankreich des 18. Jhs. bietet noch immer eine der wichtigsten Übersichten zu diesem Thema. Kolloff 1878, zit n. Allgemeines Künstlerlexikon, 1878, 2. Bd., S. 574– 612. Anhand von Raffaels Heilige Familie (Lille, Palais des Beaux-Arts, Inv. Nr. 458) unterschied er folgende Linien- und Schraffurtypen: „All the elements of Raphael’s pen-drawing will be found, on analysis, to reduce themselves in these four. 1. Pure line, indicating forms of persons, folds of drapery, &c. This line

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Vorwort

Es verwundert indes, dass ausgerechnet im 16. und 17. Jh., also jener Periode, in der die graphischen Künste ihre Hochkonjunktur hatten und einem rasanten Wandel unter­ lagen, die Schraffur als eines ihrer markantesten Charakteristika unter kunsttheoretischen Gesichtspunkten gänzlich unberücksichtigt geblieben sein soll. Wie in jeweiligen historischen Kontexten auf kunsttheoretischer Ebene über diese Technik reflektiert wurde, ist daher noch immer ein Desiderat, das auch, aber nicht ausschließlich, durch die spezifisch kunsthistorischen Zurichtungen des Gegenstands bedingt wurde: Für die Kunstgeschichte kann die Schraffur als Untersuchungsgegenstand noch heute vor allem als kennerschaftliches, formal-stilistisches oder ‚entwicklungsgeschichtliches‘ Kriterium dienen. In Kolloffs Ansatz konvergieren diese Aspekte; für ihn waren „feine“ und „breite“ Manier vornehmlich formal-kennerschaftliche Kriterien zur Beschreibung einer Entwicklungsgeschichte der Graphik. Folgt man jedoch dem zumindest impliziten kunsthistorischen Kanon, der sich im ‚blinden Fleck‘ zu diesem Thema äußert, steht die Rekonstruktion einer ‚Diskursgeschichte‘ der Schraffur, die vermeintlich im 16. und 17. Jh. nicht existiert, bis dato aus. Eine solche Geschichte der Schraffur steht dem Entwicklungsnarrativ radikal entgegen. Was Kunsttheoretikern und Connoisseurs des 18. Jhs. aus früheren Jahrhunderten in mancherlei Hinsicht als Vehikel diente,4 muss sich notgedrungen auf pasticcio-artig verstreute Äußerungen stützen, deren Zusammenführen zu einem größeren Ganzen einer Spurenlese im Sand gleichkommt. Diese Einsicht hat weitreichende Folgen: In einzelnen Studien, die sich gegen ein chrono­logisch-‚konsistentes‘ Narrativ bzw. eine engmaschige Entwicklungsgeschichte richten, werden im Folgenden Facetten frühneuzeitlicher Betrachtung von Schraffur nachgezeichnet, ohne im engeren Sinn eine Geschichte oder gar Theorie der Schraffur ausformulieren zu wollen. Die einleitend gestellte Frage – wie lässt sich etwas beschreiben, das es nie gegeben hat? – kann hier schon konkretisiert werden: Wie lässt sich etwas beschreiben, das noch nicht mit einem ‚genuinen‘ Vokabular erfasst worden war? Und in einem zweiten Schritt: Wie ist das Verhältnis von Kunstwerken zu einem terminologischen Tableau zu beschreiben, das nicht spezifisch für die entsprechenden Charakteristika entworfen wurde? Die einzelnen Kapitel mit ihren je zwei Zweigen sind so konzipiert, dass sie sowohl einzeln als auch in ­ihrer Zwillingsstruktur mit ihren komplementären Aspekten eines Themenkomplexes gelesen werden können. Dieser ‚lockeren‘ Struktur ist es geschuldet, dass thematische Leit­motive, die in einem Kapitel auftauchen, später anhand anderer Beispiele vertieft,

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is not hard outline, but is often broken and picturesque, and deals with material within the outline; it is often multiple, so that the eye has three or four lines to choose from, in consequence of experiments and alterations. It is not generally thick, though it seems so when near lines run into each other. 2. Shading over the line, mostly diagonal, but not invariably. This shading is generally open, the lines being sometimes an eighth of an inch apart, but it is used only as a middle tint, all lighter tints being left white. 3. Cross-hatching, seldom resorted to, and used only accidentally, as it were, in parts, never laboriously, as if to imitate an engraving. 4. Thickened lines in places. The use of these is to give vigorous accents of relief. They have nothing to do with chiaroscuro, and are only used to detach figures, members, or other objects.“ Hamerton 1882, S. 66 f. Rümelin 2001, S. 187.

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Vorwort

variiert oder ­konterkariert werden können – und in diesem Sinne am besten unter dem Begriff der Dynamik zu fassen sind. Als Indikatoren für diese thematischen Leitmotive und ihre Kehrtwenden dienen mitunter die Wiederholungen und minimalen Variationen von Kapitelüberschriften. Ein solches Leitmotiv ist etwa die Fähigkeit der Schraffur, chiaroscuro-ähnliche Effekte hervorzubringen.5 Ein anderes ist die Feinheit der graphischen Linie, die oftmals als ästhetische Maxime apostrophiert wurde – und das nicht erst von Kolloff als Vehikel für eine der aller­frühesten Stilanalysen druckgraphischer Techniken. Wiederum ein anderes Leit­motiv ließe sich heute unter dem Begriff der „ikonischen Differenz“ fassen.6 Der Mangel einer genuinen Theoriebildung zu graphischen Techniken, ihrer Wirkung und Praxis hat ­daneben zur Folge, dass die hier entworfenen Themenfelder über Umwege kaschierte Diskurse aufzeigen, in denen insbesondere die Schraffur verhandelt wurde. Gleichzeitig dienen die Kapitel weniger der kategorialen, quasi-definitorischen Eingrenzung thematischer Abschnitte, sondern vielmehr der groben Orientierung im Textverlauf. Sie funktionieren auf bewusst assoziative Weise. Die thematische Führung durch den Text basiert auf der hypothetischen Analogie, derzufolge der Linearität der Schraffur im Kern irritierenderweise eine ähnliche Qualität innewohnt wie dem sfumato der Malerei, nämlich alle Bild- und Gestaltungselemente im Sinne des unione miteinander zu vereinen. Diese Eigenschaft der Schraffur, bis zu einem gewissen Grad Charakteristika der Malerei adaptieren zu können, mag nicht zuletzt darin begründet liegen, dass Gattungsgrenzen im 16. und 17. Jh. oft fließender betrachtet wurden als heute üblich. So kontraintuitiv es erscheinen mag, Malerei und graphische Linie als Entität zu denken, ist das ein Gedanke, der von Autoren bereits im 17. Jh. formuliert wurde. Er findet sich in Charles-Nicolas Cochins (1715–1790) Neu­auf­lage (1758) von Abraham Bosses (1604–1676) für die Druckgraphik grundlegendem Traktat ­Manieres de graver en taille douce sur l’airin (1645) wortwörtlich wieder („La ­gravûre pouvant être regardée comme une façon de peindre ou dessiner avec de hachures“).7 Unter diesen Voraussetzungen sind viele Gesichtspunkte der Textes Facetten des ­gleichen Phänomens, müssen als solche Einheit ohne harte Konturierung gedacht und behandelt werden und sind in leitmotivischen Kehrtwenden geschrieben.8 Obwohl ein Großteil des Folgenden dezidiert in, wie Michael Baxandall es formulierte, „nonlinear ­patterns“ verläuft, wird versucht, „many retracing moments of rereading and referring back“ auf ein Minimum zu beschränken.9 In dieser Hinsicht spiegelt dieses Buch seinen eigenen Gegenstand – ein Gegenstand, der in der Kunstliteratur der Vormoderne auf unsystematische ­Weise

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Weiter dazu: Bojilova 2018. Boehm 1980. Zur Differenz von Sprache und Bild unter vielen Verweisen u. a. auch: Baxandall 1979, Imdahl [1994] 1995. Bosse [1645] 1758, S. 69. Michael Baxandall verwies auf die Unvereinbarkeit der nonlinearen Bildbetrachtung mit ihrer zwangsweise linearen Beschreibung, die als zweiter Schritt nach dem Sehen eines Bildes in der Verschriftlichung der Kunstgeschichte erfolgt („the linear form of our discourse is curiously at odds with its subject“). Baxandall 1979, S. 461. Baxandall 1979, S. 459.

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Vorwort

behandelt wurde. Diesem Ansatz entgegenstehende, jüngere Versuche kunsthistorischer Forschung, die Schraffur auf systematisch-‚naturwissenschaftliche‘ Weise zu kategorisieren, bargen je ihre eigenen Fallstricke und fußten, zumindest soweit ich es überblicke, ausnahmslos auf kennerschaftlichen, formal-stilistischen oder entwicklungsgeschicht­lichen Prämissen.10 ­Diese Fallstricke waren bisweilen unmittelbar an sprachliche Lösungen gekoppelt, die manche kennerschaftliche und kunsthistorische Untersuchungen vor­schlugen: ­Bernhard Degenharts für die Connoisseurship der Zeichnungsforschung einschlägiger Aufsatz Zur Graphologie der Handzeichnung: Die Strichbildung als stetige Erscheinung innerhalb der italienischen Kunstkreise (1937) untersuchte nur vordergründig spezifische, mitunter angeborene grapho­logische Merkmale der jeweiligen Kunsttopographien. Im Hinter­grund stand der Anspruch einer wesentlich größeren Aufgabe der Kunstgeschichte im Kielwasser ihrer eigenen wissenschaftlichen Positionierung, nämlich inter­subjektiv nachvollziehbare Terminologien und damit Kategorien der Systematisierung zu finden,11 denen sich der graphische Strich seit jeher naturgemäß verwehrte. An ebendiesen Gedanken­horizont schlossen etwa Alexander Perrigs Untersuchungen an (u. a. 1976, 1991). Sie gingen insofern über Degenharts Ansätze hinaus, als dass sie nicht nur den wissenschaftlichen Sprachgebrauch zu objektivieren versuchten. Perrig setzte auf einer vorsprachlichen Ebene am Sehprozess des Connoisseurs an – ein Sehprozess, der sich naturgemäß nicht objektivieren lässt und der durch zahlreiche, oft unberücksichtigte Praktiken gekennzeichnet ist.12 Ver­suche der radikalen Kategorisierung sind somit, wie sich bereits bei Kolloff und kurz darauf bei Hamerton abzeichnet, nicht unproblematische Versuche der Objektivierung, die weit über Fragen der begrifflichen Beschreibung von Kunstwerken hinausreicht.13 Diese Objektivierung ließ sich nicht ohne Weiteres mit der Prämisse in Einklang bringen, Schraffur sei ein Phänomen, das sein volles Potenzial allein in der visuellen ­Rezeption entfalte und sich ­folglich jeder Form der (wissenschaftlichen) Einhegung widersetze.14 Hamerton hatte sich selbst noch vor der 10 So u. a. Chris Fischers Beitrag (1992), der der ‚Etablierung‘ der Kreuzschraffur in Florenz durch ­Domenico Ghirlandaio (1448–1494) nachging oder Claire Van Cleave (1992), die die Ursprünge der schwarzen Kreide als Zeichentechnik der (Früh-)Renaissance untersuchte. Grundlegend zur Connoisseurship der Zeichnung, auch unter entwicklungsgeschichtlichen Aspekten: Degenhart 1937. Die einschlägigste Untersuchung in neuerer Zeit ist zweifelsohne Alexander Perrigs Habilitationsschrift zu Michelangelos Zeichnungen (1976), die 1991 in einer stark überarbeiteten englischsprachigen Fassung erschien. 11 Grundlegend zu Degenharts Connoisseurship und seinem methodischen Rahmen: Boesten-Stengel 2010. – Ausführlicher zum Vokabular und den methodischen Prämissen bei Wölfflin, Degenhart und Perrig: Bojilova 2019. 12 Für einen Überblick zu den Praktiken der Connoisseurs: Ebitz 1988; Heyder 2021. 13 Für Wöfflin war die Etablierung einer ‚objektiven‘ Terminologie das Anliegen der Kunstgeschichtlichen Grundbegriffe: „Ich gelte als Formalist, als kühl. Ich bin es nicht. ‚Grundbegriffe‘ geschrieben, nicht um die Geschichte zu mechanisieren, sondern um Urteil exakt zu machen. Das Willkürliche, die bloße unkontrollierbare Gefühlseruption war mir immer widrig.“ Wölfflin, Autobiographie, Tagebucheintrag vom 29.02.1924, zit. n. Gantner 1982, S. 368. 14 Degenharts Methode wurde breit diskutiert. Während Ludwig Heydenreich (1938) vor allem die sprach­ liche Leistung lobte, kritisierte Reiner Haussherr die zugrundeliegende Vorstellung einer ‚Volks­konstante‘, aus der „Merkmale der graphischen Struktur wie Strichführung, Zusammenfügung von Strich­lagen usw. als jahrhundertelang überdauernd“ abzulesen seien, als „unbefriedigend.“ Haussherr 1970, S. 170 f.

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Vorwort

Drucklegung von The Graphic Arts (1882) in einem seiner anderen Werke, Etching & Etchers (1876), mit vollem Bewusstsein für diese visuellen Ausprägungen sowie für die Grenzen der Versprachlichung kritisch gegenüber gewissen Bereichen der Kunstliteratur geäußert. Wenngleich sein Kommentar in erster Linie auf das Erlernen der Technik abzielte, lässt er sich auf größere Zusammenhänge übertragen: So könne die in der Kunstpraxis aufgehende Technik auch allein in ihr vollends begriffen werden („students of etching can learn more from real plates, […] than from any quantity of vague verbal explanation about getting lines ‚dark‘ or ‚pale‘“).15 Im Folgenden wird weder versucht, jene oben benannten Ansätze der Forschung zur Graphik im Allgemeinen und Schraffur im Besonderen in ihrer historischen Genese ‚nachzuvollziehen‘ und ihre Ursprünge in der Frühen Neuzeit zu suchen, noch diese Ansätze auf Phänomene jener Zeit anachronistisch rückzuprojizieren. Ebenso wenig verfolgen die folgenden Überlegungen das Interesse, in einem Schlüssel-Schloss-ähnlichen Verfahren die Kongruenz von Kunstproduktion und Kunstliteratur zu betonen und als Resultat textuelle ‚Belegstellen‘ für künstlerische Produktion ausfindig zu machen. Im Gegenteil: Die Inkongruenz von Kunstweken mit ihrer scheinbar korrespondierenden kunstliterarischen Re­ flexion16 wird – paradoxerweise – auch dann deutlich, wenn sich etablierte Kupferstecher dem Medium der Kunstliteratur annehmen, etwa Abraham Bosse. Der Umstand, dass die Kunstliteratur des 16. und 17. Jhs. über weite Teile kein genuines Vokabular zur Semantisierung graphischer Techniken ausgebildet hatte, ist neben den oben genannten motivischen Kehrtwenden ein weiterer Aspekt, der strukturelle Auswirkungen hat. Denn nicht nur übergeordnete Leit­motive haben eine im gewissen Sinn schlängelnde Struktur dieses Buchs zur Folge. Ebenso unterlagen ästhetische Kategorien, an denen Techniken wie die ­Schraffur oftmals ausgerichtet wurden, konzeptuellen oder sprachlichen Wandlungen und einem mitunter wellenartigen Verlauf. So tauchen Begrifflichkeiten im Kontext der graphischen Künste in der Kunstliteratur der Frühen Neuzeit an markanter Stelle auf, werden an anderer marginalisiert, nur um zu einem späteren Zeitpunkt auf ein Neues wieder an Bedeutung zu gewinnen. Die kontinuierliche Suche nach der Semantisierbarkeit eines Phänomens, das in erster Linie die visuelle Rezeption adressierte, geriet zwangsläufig und kontinuierlich zu einem unerreichbaren Ziel. Die Fallstricke der Versprachlichung wurden in der Tat früh benannt, bezeichnenderweise jedoch ohne die Möglichkeit eines Auswegs aufzuzeigen. Ähnlich wie in Kolloffs Stil­ analyse wurde die Schraffur in einem frühen Lexikoneintrag mit dem Anspruch einer klar umrissenen, objektiven Definition ausgestattet: Ausgerechnet in seiner als kompilatorisch geltenden Allgemeinen Theorie der Schönen Künste (1771), vermerkt Johann Georg Sulzer

15 Hamerton 1876, S. xiii. Für eine ähnliche Beobachtung: Cennini 1400, Kap. 71, zit. n. Frezzato 2003, S. 118. – Zuletzt ging Emily Peters (2009) der Frage nach, wie Intagliotechniken und speziell die hierfür notwendige Schraffur allein in der künstlerischen Praxis aufgingen. 16 Dazu weiter: Williams 2017. – Für diesen sowie für den Hinweis zu Emily Peters’ Katalog (2009) danke ich Christopher S. Wood.

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Vorwort

(1720–1779) lakonisch, eine systematische Beschreibung der ästhetischen Ausprägungen der Schraffur sei „ohne merkliche Schwerfälligkeit nicht möglich.“17 Heinrich Wölfflin (1864– 1945) treibt Sulzers Gedanken auf die Spitze. Er fasst ihn zugleich wesentlich allgemeiner in Hinblick auf die von ihm entworfene Dichotomie von „linearer“ und „malerischer“ Zeichnung. Mit merklicher Resignation betont er in den Kunstgeschichtlichen Grundbegriffen (1915) die Herausforderung, mitunter minimale zeichnerische Nuancierungen zu semantisieren.18 Implizit, so scheint es, gingen auch für Wölfflin Kunstwerke allein in ihrer Anschauung auf, der seine Bestrebungen einer Objektivierung kunsthistorischen Vokabulars nur bedingt adäquat entsprechen konnte.19 Er kommt zum Schluss, angesicht der zeichnerischen Diversität würde sich die „Armut der Sprache [rächen]. Man müsste tausend Worte haben, um alle Übergänge bezeichnen zu können.“20 Alle Quellenschriften – im Sinne Julius von Schlossers als jene Schriften verstanden, die sich „[nach ihrer historischen, ästhetischen oder technischen Seite hin] in theoretischem Bewusstsein mit der Kunst auseinandersetzen“,21 – sind im Folgenden in ihrer Originalsprache und wenn möglich mitsamt dialektaler, orthographischer und typographischer Eigenheiten der Editionen ohne Eingriffe zugunsten eines moderneren Sprachverständnisses wiedergegeben. Alle Übersetzungen und Transkriptionen sind, sofern nicht anders gekennzeichnet, meine eigenen.22 Der Lesbarkeit und des Umfangs halber sind – insbesondere in den Fuß­ noten – fremdsprachige Quellenzitate in möglichst kurzer Form in Auszügen wieder­gegeben. Längere Zitate in Satzform sind vor allem dann wiedergegeben worden, wenn in ihnen lexikalische Felder der Schraffur erwähnt werden. Alle Beschreibungen der Kunst­werke, insbesondere der Farbigkeit unterschiedlicher Tinten in Zeichnungen etc., reflektieren ihren gegenwärtigen Zustand.

17 Sulzer [1771] 1792–1799, Bd. 4, S. 328. – Nichtsdestotrotz beschreibt er in Ansätzen quasi-rezeptionsästhetische Eigenheiten der graphischen Faktur, denn erstmals in der Geschichte der theoretischen Durchdringung der Schraffur findet der Grad an weißem Papier, der mit der variierten Dichte bzw. Laufweite der Schraffur einhergeht, Erwähnung. Sulzers Argument zielt auf die quasi-ikonische Differenz von schwarzer Linie und ihrer weißen Negativform ab: Bei paralleler Schraffur sei das Weiß „wie ein weißer Strich, der vom Dunkeln gegen das Helle immer breiter wird“, bei Kreuzschraffur sei „der helle Grund zwischen den Schraffierungen in feine, gerade, oder verschobene rautenförmige Vierecke unterteilt.“ Ebd., S. 327. 18 Ein Tagebucheintrag legt den Schluss nahe, Wölfflin habe zumindest zeitweise das Interesse verfolgt, eine Monographie zur Handzeichnung zu verfassen, das Projekt wurde aber nicht in die Tat umgesetzt: „Geschichte der Zeichnung. Alles zu lange hingeschoben. […] Keine Untersuchung über Abhängigkeitsverhältnisse von x und y.“ Wölfflin, Autobiographie, Tagebucheintrag vom 17.01.1919, zit. n. Gantner 1982, S. 320. 19 Wölfflin, Autobiographie, Tagebucheintrag vom 29.02.1924, zit. n. Gantner 1982, S. 368. 20 Wölfflin, [1915] 1917, S. 35. 21 Von Schlosser 1924, S. 1. Zu Schlossers Werken jüngst: Rosenberg 2021. 22 Falls ein Quellenzitat bereits paraphrasiert wurde, wird von einer erneuten und detaillierten Über­ setzung abgesehen. Alle Übersetzungen sind bemüht, den Duktus des Originals einzufangen, dabei gegebenenfalls auch all jenes übernehmend, was als sprachliche Redundanz empfunden werden mag.

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Das Entstehen der Schraffur

Spielfeld Während die Beschreibung der Schraffur bis heute eine gleichermaßen sprachliche wie dezidiert kunsthistorische Herausforderung darstellt, präsentieren sich Phänomene, die die Kunstliteratur des 16. und 17. Jhs. zeitverzögert zu fassen versuchte, bereits in Bildwerken um 1500. Damit ist ein Zeitpunkt markiert, zu dem die graphischen Künste eine Vielzahl an technischen Neuerungen durchliefen und ihr Status innerhalb der Bildenden Künste signi­fi­ kant aufgewertet wurde. Michelangelos (1475–1564) um 1504 entstandenes Studienblatt (Taf. 1) ist ein frühes Zeugnis dieser bildlichen Manifestation der phänomenologischen Vielfalt der Schraffur. Das Blatt demonstriert zugleich einen Umstand, der speziell für die Technik der Schraffur als wenig reflektierte Vorannahme gelten kann: Die Tatsache, dass es sich hierbei um ein Phänomen handelt, das unmittelbar aus der künstlerischen Praxis heraus geboren, erlernt und kontinuierlich (stilistisch wie ästhetisch) geformt wurde. Michelangelos Studienblatt zeigt diverse Figurenstudien, die der Künstler in einem all-over auf dem Papier verteilte. Der Blick des Betrachters gleitet von einer Figurenstudie zur nächsten und damit gleichsam entlang unterschiedlicher Fakturen, mit denen die jeweiligen Figuren gestaltet wurden. Mit differenzierten zeichnerischen Strukturen entfaltet Michelangelo hier ein Portfolio an Figurenlösungen: Das Blatt, das ursprünglich deutlich größer gewesen sein muss, wurde zu einem späteren Zeitpunkt beschnitten, so dass die mit Abstand größte Figur – die detaillierte Studie eines Kriegerkopfes im scharfen Profil – nahezu in die Bildmitte gerückt ist. Der Kopf des Kriegers hebt sich, nicht zuletzt durch den verstärkten Kontur, vollplastisch vom Bilduntergrund ab. Michelangelo visualisiert die Wölbungen des Kopfes durch eine feinteilige, kurvierte Kreuzschraffur, die den Wangenknochen des Kriegers prononciert hervortreten lässt und die darunterliegende Schattenpartie ausformuliert. Im klaren Kontrast hierzu stehen die weit auseinander liegenden Parallelschraffuren im Bereich des Halses, die die darunterliegende Muskulatur der Figur kaum mehr erfassen. Sie scheinen fast losgelöst von der Anatomie des Kriegers auf einer Oberfläche zu liegen und münden in der skizzen-

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Das Entstehen der Schraffur

haften, mit losen Strichen geführten Andeutung der Schulterpartien. Ein Echo dieser losen Striche findet sich in den Federn des Helms wieder, deren räumliche Verortung allein durch die Varianz der Strichdichte erzielt wird. Ausgehend von dieser zentralen Figur weicht die kompositionelle Unordnung der ­Studie bereits nach kurzer Betrachtungszeit einer scheinbaren, um diese Darstellung herum angelegten Ordnung. So befinden sich unterhalb des Kriegers zwei anatomische Details eines Ohrs sowie einer Stirn- und Augenpartie, die im Zusammenhang mit der berühmten Figur des David stehen.1 Wie stark die Wirkung der Schraffur vom jeweiligen Bildkontext abhängt, verdeutlicht etwa die Stirn- und Augenstudie. Hier verwendete der Künstler statt der vertikal geführten Parallelschraffur wie für den Hals des Kriegers und die Federn des Helms horizontale Parallelschraffuren, die in der Verdichtung bzw. Entzerrung der Linienführung plastische Volumina und muskuläre Spezifika der Figur hervortreten lassen. Gleichzeitig zeigt die links neben dieser Figur liegende Gruppe von Parallelschraffuren die basalen Bestandteile dieser figuralen Ausgestaltung in abstrakter, nicht-figürlicher Anordnung. Sie findet ihr Pendant links von der Darstellung des Ohrs, wo Michelangelo das lose Arrangement einzelner Schraffur­bündel weiter spezifiziert und zu subtilen, abstrakten chiaroscuro­ähnlichen Formationen arrangiert. Tatsächlich präsentieren sich in lockerer Verteilung immer wieder solche Schraffurformationen auf dem Blatt. Wie um zu zeigen, wie sich aus diesen Grundbestandteilen der Schraffur mimetische Potenziale generieren lassen, erhebt sich auf quasi-organische Weise darüber liegend die minuziöse Detailstudie eines Mundes. Der Mund ist ohne erkennbaren Kontur geformt, weist aber zugleich eine Schraffur­ führung auf, die im abrupten Abbrechen der Linie einen konturähnlichen Effekt hervorbringt. Die einzelnen Schraffuren sind so geführt, dass sie die Muskulatur auf mimetische Weise erfassen und an ihren Rändern ein für den Blick des Betrachters äquivalentes Pendant zum Kontur entstehen lassen. Hier deuten sich fließende Formen der Adaption graphischer Gattungen und der für sie typischen Techniken an: So ist diese Form der Konturbildung ­mittels Schraffur beispielsweise eine Technik, die deutlich später noch maßgeblich von Kupfer­stechern wie Claude Mellan (1598–1688) verwendet wurde (Abb. 1). Diese dezidiert an rezeptionsästhetischen Erfahrungen, etwa die Weichheit des Inkarnats, orientierte Technik wurde zudem durch einen weiteren Kunstgriff ergänzt: Die für den Mund verwendeten Schraffuren sind deutlich zarter und feinteiliger als in allen übrigen figuralen Darstellungen; die locker auf dem Bildgrund verteilten Punkte auf Höhe des Kinns rekurrieren auf eine im Kupferstich oft verwendete Technik zur Erzeugung von sanften Übergängen, die die Linearität der Schraffur visuell ausbalancieren. Ebendiese Form der sanften Übergänge wurde in der Mitte des 17. Jhs. etwa Kennzeichen des Mezzotinto, dessen Faktur sich dezidiert von der Linearität anderer druckgraphischer Techniken abzusetzen versuchte. Oberhalb der Darstellung des Mundes legte Michelangelo Figurengruppen an, die wie ein Gegengewicht zu dieser zart schraffierten Ausführung wirken. Sie wurden allein mit

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Hartt 1971, S. 38.

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Das Entstehen der Schraffur

1  Claude Mellan: Standbild des Hercules, 1636–1647

staccato-­artigem Kontur ohne jedwede Schraffur gestaltet und zeigen je einen sich in der Drehung befindenden Putto und in der linken oberen Bildecke ein schreitendes Beinpaar. Wie bereits für die Schraffur legte Michelangelo zwischen diesen konturierten Figuren ­abstrakte Formationen einzelner Linien an, die den Eindruck erwecken, hier könne sich potenziell eine weitere konturierte Figur erheben. Die bis heute nicht klar identifizierte Konstruktion, die Michelangelo am oberen Bildrand über den Kopf des Kriegers platzierte, ­attestiert simultan, dass sowohl der Schraffur als auch der einzelnen Linie der gleiche Grad an künstlerischer Herausforderung (difficoltà) innewohnt. Die linearen Variationsmöglichkeiten entfaltet ­Michelangelo rechts neben den Kopf des Kriegers weiter. Hier findet sich die einzelne Linie als Handschrift des Künstlers wieder, die auf die für ihn typische Weise ein Gedicht ­zwischen den skizzierten Figuren platziert. Auf vergleichbare Art wie zuvor die Meta­morphose der einzelnen Schraffurbündel zur Studie des Mundes entwickeln sich hier die Buchstaben­formen zu einzelnen, fast ornamentalen Linien. In der rechten oberen Bild­ecke scheinen sich diese wiederum auf Höhe der Federspitzen des Kriegerhelms dem

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Das Entstehen der Schraffur

Bündel an Parallelschraffuren anzugleichen. Eines verdeutlicht das Blatt zudem: Sowohl die einzelne Linie als auch die Schraffur können keinesfalls im semiotischen Sinn mit Bedeutung aufgeladen werden; ihre ‚Bedeutung‘ ist flexibel und abhängig vom Bildkontext und der Verwendung anderer graphischer Markierungen. Die Doppelnatur der Linie – einerseits graphische Spur zu sein, andererseits mimetisches Potenzial zu entwickeln – akzentuierte ­David Rosand als unentwirrbares Paradoxon von „Selbstreferenzialität“ und „Repräsentation.“ Ein möglicher semiotischer Gehalt dieser graphischen Markierungen kann, wie Rosand treffend beobachtet, daher lediglich vom Betrachter in der jeweils spezifischen Erfassung eines Bildwerks generiert werden.2 Er geht sogar so weit, dieses Charakteristikum der Linie auch dann noch zu erkennen, wenn sie im Verbund der Schraffur auftaucht.3 Obwohl sich erst Abraham Bosse in seiner Manieres de graver (1645) – zumindest dem Anspruch nach – auf systematische Weise mit graphischen Techniken und speziell der Druckgraphik als Gattung auseinandersetzte, fanden viele der hier entfalteten Fakturen im Verlauf des 16. und 17. Jhs. in Form von ästhetischen Leitmotiven (chiaroscuro etc.) nichtsdestoweniger Einzug in die Kunstliteratur. Paradoxerweise wurden dabei nicht selten sprach­liche Pendants und Akkommodationen entwickelt, die keinesfalls wie im Fall von Bosses ­Traktat allein an der ‚Logizität‘ dieser spezifischen Gattung angelehnt waren. Da künstlerische Techniken wie die Schraffur – wie es Michelangelos Studienblatt (Taf. 1) demonstriert – allein in der künstlerischen Praxis aufgingen, war es nur naheliegend, dass sie primär in der künstlerischen Praxis selbst reflektiert wurden: Mimetische Eigenheiten der Schraffur und ihre qualitativen Nuancierungen wie sie Michelangelo in der Gegenüberstellung von Mundstudie und Kriegerkopf demonstriert, systematisiert beispielsweise Luca Ciamberlanos Zeichenbuch Scvola perfetta (o. D., ca. 1600?). Hier finden sich diverse Darstellungsmodi für das gleiche Motive und damit einhergehend korrespondierende Verwendungsweisen von Zeichen­mitteln. Mit dem Ziel, diese für den Blick des Betrachter instantan ersicht­lichen, aber sprachlich nur schwer fassbaren Nuancen graphischer Fakturen einem breiten Publikum zum Zweck der Ausbildung zugänglich zu machen, diente die Scvola perfetta daneben auch als Fingerzeig für die Herausforderungen hinsichtlich der Versprachlichung visueller Phänomene. Diesen hatte sich die Kunsttheorie des 16. und 17. Jhs. zu stellen, sofern sie sich der Schraffur annahm. Jedoch ist jede Suche nach einem festen ‚Repertoire‘ an Techniken des Schraffierens, aus dem Künstler schöpfen konnten, vergebens4 – obwohl ­Ciamberlanos Tafeln dieses ‚Repertoire‘ anzudeuten scheinen.

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Rosand 2001, S. 2. Ähnlich hatte er es bereits zuvor formuliert: Rosand 1988, S. 11. Rosand 2001, S. 154. Erste Tendenzen eines solchen semiotisch-standardisierten Umgangs mit Schraffur, der mit verbind­ licher Verknüpfung von Bedeutung einhergeht, zeigen sich neben kartographischen Kodierungen auf dem Gebiet der Heraldik. Béguin 1978, S. 301–303. Zu konventionalisierten Linien: Ebd., S. 164 f.

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Auch andere Facetten von Michelangelos Studienblatt lassen sich (Taf. 1), wenngleich in anderer Form, in kunstliterarischen Schriften wiederfinden: Die im Skizzenblatt angedeutete Favorisierung konturierter Formen rückte im Verlauf des 16. Jhs. aus kunsttheoretischer Perspektive die terminologische wie rezeptionsästhetische Relevanz der Schraffur vorerst in den Hintergrund. Diese Spannung zwischen bildlichen Mitteln, wie sie Michelangelo hier im Kontext von Werkentstehungsprozessen entfaltet, und der Bedeutung, die ihnen unter kunsttheoretischen Prämissen zugesprochen werden, prägte die sprachliche Reflexion der Schraffur maßgeblich. So lassen sich nur wenige Momente nachzeichnen, in denen Kunstund Theorieproduktion ein symbiotisches Verhältnis zueinander eingingen. Charakteristischerweise trat dieses Verhältnis erst über einen Umweg ein, der sich just in jenem Moment zeigte, als die ästhetischen Eigenarten der Linie mit der sukzessive im Verlauf des 16. Jhs. aufkommenden Kursivschrift („cancellaresca“) reflektiert wurden. Auch der Umstand, dass Bosse das erste der Druckgraphik gewidmete Traktat schrieb als sich ihre wesentlichen technischen Neuerungen bereits vollzogen hatten, ist symptomatisch für den Stellenwert der Gattung innerhalb frühneuzeitlicher Kunstliteratur. Dasselbe gilt für das terminologische Spektrum, mit dem Schraffur als dezidiert graphische Technik beschrieben, bewertet und kategorisiert wurde. Zahlreiche von Michelangelo im Studienblatt entfalteten Phänomene der graphischen Markierung lassen sich daher zunächst in Termini fassen, die aus kunst­ theoretischer Sicht primär Begriffe waren, die anderen Gattungen galten, etwa der Malerei. Dazu gehören ästhetische Paradigmen wie chiaroscuro, sfumato, diligenza oder sprach­liche Attributierungen der zarten Ausführung graphischer Spuren mit bestimmten Adjektiven („sottile“) usw.

Etymologien – Gattungsassoziationen Die anfänglich aufgeworfene Frage, wie sich die Schraffur beschreiben lässt, ist zugleich die Frage nach einem spezifischen Vokabular. Das Spektrum ästhetischer Paradigmen bettet die Schraffur in ein dichtes Geflecht aus Begriffen, denn im Gegensatz zum Wort steht der Begriff „in einem Kontext, ist mit anderen Begriffen verwoben und wird erst im Ganzen eines Ansatzes ‚sichtbar‘.“5 Dieser Gedanke birgt für die Schraffur Fallstricke, denn sie wurde in der Vormoderne weder als Wort, noch als Begriff präzise umrissen. Oftmals wurde sie stattdessen je nach Verwendungskontext umschrieben. Das unterschied Ansätze der Vormoderne – bis auf wenige Ausnahmen – radikal von Kolloffs oder Sulzers Bestrebungen, Eigenarten der Schraffur in quasi-definitorischen Lexikonartikeln konvergieren zu lassen, wobei auch dieser Versuch bereits im 17. Jh. unternommen wurde. Insbesondere in der nach Verwendungskontext variierenden Umschreibung lag gerade hierin unerwartetes Potenzial: Paradigmatisch für die unterschiedlichen Beschreibungsmöglichkeiten der Schraffur im 16. Jh. scheint daher Benedetto Varchis (1503–1565) Ausspruch. Defini­tionen, so Varchi, würden „nach dem Wesen der Dinge“, Beschreibungen hingegen „gemäß den Akzidenzien

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Günzel 2005, S. 90.

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[vorgehen]“. Für ihn war der Unterschied zwischen Definitionen und Beschreibungen wie jener zwischen dem Gemälde und der ersten vorbereitenden ­Skizze.6 Ein weiterer Gesichtspunkt ist entscheidend: Dass sich ästhetische Phänomene einer klaren Verbalisierung entziehen, lag bereits in den Begriffen begründet, mit denen die Schraffur benannt werden konnte. Das Lemma eröffnet ein weites lexikalisches Feld, das bis weit ins 18. Jh. durch das zeitgleiche Bestehen unterschiedlicher Konnotationen gekennzeichnet wurde: Das heutige Wort Schraffur leitet sich wie das niederländische schrafferen aus dem mittel­hochdeutschen scrafan ab,7 das wiederum vom italienischen sgraffiare abstammt (mlat. grahiare).8 Eine Ableitung des Begriffs besteht beispielsweise noch heute im Französischen (grattage bzw. gratter).9 Eng damit verwandt war wiederum das neuhochenglische Wort engraving – ein Derivat aus dem althochenglischen grafan.10 Diese Konnotationen klingen noch heute implizit an: So wird etwa die Eigenschaft der Feder, sich in das Papier einzu­kratzen – ein produktionsästhetischer Umstand, der sich bereits im frühesten Vokabular der Schraffur wiederfindet –, noch heute mit ihrer ästhetischen Qualität in der Handzeichnung in Verbindung gebracht.11 Diese Engführung kommt nicht von ungefähr, denkt man beispielsweise an die Bedeutung des französischen trait mit Spur (germ. ­spura), dem auch im Deutschen die Nebenbedeutung von Abdruck zukommt.12 Im Frühneuhochdeutschen findet sich beispielsweise in Hans Sebald Behams (1500–1550) Kunst- und Lere ­Büchlin (1546) bereits das Verb (aus-)scharpffieren.13 Neben der Bandbreite an Begrifflichkeiten gibt es solche, die aufgrund der gleichen Sprachfamilie Affinitäten zu einander entwickelten und als Quasi-Äquivalente fungierten. Das niederländische Verb schrafferen korrespondierte etwa eng mit dem französischen hachure (franz. hache; mfranz. hachette; dt. Axt),14 von dem sich wiederum das englische hatch (franz. hacher; mfranz. u. a. hâcher) ableitet,15 aus dem das neuhochenglische hatching16 als Pendant des deutschsprachigen

  6 „[…] le descrizioni sono differenti dalle deffinizioni, come i disegni primi, o più tosto gli scizzi sono differenti dalle figure colorite, & perfette, perche quelle procedono per cose accidentali, & questi per essenziali.“ Varchi 1549, zit. n. Barocchi 1971, Bd. 1, S. 84 [„[…] die Beschreibungen unterscheiden sich von den Definitionen ebenso wie die ersten Entwürfe oder besser die Skizzen von den farbigen und vollkommenen Figuren, da jene gemäß den Akzidenzien vorgehen und diese nach dem Wesen der Dinge.“ Übers. n. Barocchi 2001, S. 95]. – Zum Problem der Ekphrasis: Elsner 2010.   7 Schmitthenner 1834, S. 264.   8 Weigand [1857] 1960, Bd. 2, S. 635. Dazu auch: Kluge/Götze [1883] 1953, S. 694.   9 Dazu auch: Diderot 1751–1780, Bd. 7, S. 864. 10 Pon 2004, S. 108. 11 Béguin 1978, S. 459. 12 Kluge/Götze [1883] 1953, S. 750. 13 Beham 1546, n. pag. 14 Jacobsson 1781–1795, Bd. 4, S. 39. 15 Cresswell 2010, S. 206. 16 Ebenso: Skeat 1882, S. 257.

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Schraffur resultiert.17 Das niederländische Wort schrafferen ist beispielsweise kleverländisch, einem Dialekt des Niederländischen, erstmals 1477 belegt.18 Im Niederländischen existierte neben schrafferen indessen noch der Ausdruck arceren (mnied. artseren), der sich durch Lautverschiebungen im Spätmittelalter und dem Beginn der Neuzeit aus dem französischen Lehnwort hachure entwickelte. Aus dem lateinischen Wortstamm trahere leitete sich hingegen das französische trait (mfranz. u. a. traict) ab, das als italienischsprachiges Pendant tratteggio oder tratto (lat. trahere; tractus)19 bereits bei Cennino Cenninis (ca. 1370–ca.1440) Libro dell’arte (ca. 1400) nachweisbar ist. Zuvor erschien der Begriff in Theophilus’ De diversis artibus (ca. 1120?), in dem es vornehmlich für die Qualität des Pinselstrichs in der Malerei verwendet wurde.20 Unter diesen Prämissen erklärt sich möglicherweise, wieso sogar noch im 1612 erstmals erschienenen Vocabolario della crusca keine dezidiert zeichnerische Denotation des Lemmas verzeichnet ist.21 Hierdurch zeichnet sich bereits in diesen allerfrühesten Kunstraktaten eine Tendenz ab, die die Reflexion graphischer Fakturen maßgeblich bestimmte: ihre Nähe zu anderen Gattungen. Nichtsdestotrotz lässt sich zugleich ein Streben nach terminologischer Differenzierung der mit der Druckgraphik verbundenen Tätigkeiten gegenüber anderen Kunstgattungen verzeichnen.22 Symptomatisch hierfür ist beispielsweise im Fall der französischen Berufsbezeichnung graveur die gleichermaßen etymologische wie künstlerisch-handwerk­liche Verwandtschaft zur Goldschmiedearbeit. So war „taille en taille-douce“ in den 1560er Jahren eine gängige Beschreibung für Goldschmiedearbeiten, bevor mit dem gleichen Ausdruck die Radierung bezeichnet werden sollte.23 Diese (begriffliche) Nähe resultierte möglicherweise unmittelbar aus künstlerischen Praktiken: Im Italienischen („tratteggio“), ­Deutschen („Schraffirung“), Englischen („hatching“) und Französischen („hachure“) ist auffällig, dass 17 Neben der Bedeutung für Schraffur wird es noch bei Florent Le Comte beispielsweise als Begriff für Linienzüge des Pinsels verwendet: Le Comte [1699] 1702, Bd. 1, S. 44. 18 Kluge/Götze [1883] 1953, S. 694. Ebenso: Mitzka 1939–1957, Bd. 6, S. 206. Cf. hierfür Grimms Wörter­ buch, in dem sich die Angabe 1475 findet: Grimm [1854] 1984, Bd. 15, S. 1618. 19 Zur italienischen Etymologie von tratteggiare bzw. tratto: Battaglia 1961–2004, Bd. 21, S. 259 u. S. 263. 20 Dazu beispielsweise: Cennini 1400, Kap. CLXXI, zit. n. Frezzato 2003, S. 191 f. Semantisch noch nicht konkretisiert, kann tratteggiare für Cennini weniger in Hinblick auf die lineare Konstruktion einer Zeichnung, als vielmehr für Pinselstriche im Allgemeinen verwendet werden. Sowie ferner: Theophilus, De diversis artibus, Buch 1, Kap. V, zit. n. Dodwell 1961, S. 6: „subtiles tractus.“ Das lexikalische Feld dieser Begriffe erstreckt sich von der Malerei bis hin zu Repoussé-Arbeiten. Ebd., Buch 2, Kap. ­LXXVIII, S. 140. – Dazu aber auch Van Manders Beschreibung der Ölmalerei im Leben der Brüder Jan und Hubert van Eyck: Dort wird die Ölmalerei als diejenige Technik beschrieben, die den ‚schraffierend‘-­ strichelnden Farbauftrag der Tempera obsolet macht. Van Mander 1617, zit. n. Floerke 1906, Bd. 1, S. 26 u. S. 28. – Diese Assoziationen bestehen noch im 17. Jh.: Browne 1669, S. 85. 21 Vocabolario della crusca [1612] 1739, Bd. 4, S. 633. 22 Adhémar 1939, insb. S. 234 f. 23 Adhémar 1939, S. 237 f. – Zur Bedeutung von disegno und Goldschmiedearbeiten beispielsweise bei Vasari und Cellini bietet Marco Collareta (2003) einen Überblick, wie sich Rolle der Goldschmiedekunst in Vasaris zweiter Edition der Viten gegenüber der ersten veränderte.

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der Stamm der heutigen Begriffe eng mit einem Kraftaufwand ­verbunden wird, die Linien in ein widerständiges Material einzuprägen.24 Es fügt sich deshalb, dass die Schraffur als Begriff zuerst im Umkreis von kraftintensiven Goldschmiedearbeiten, ­Kupfer­stichen und Holzschnitten erscheint,25 lange bevor es mit zeichnerischen Prozessen auf ­Papier assoziiert wurde.26 Die Nähe der Gattungen zueinander war mitunter so derart groß, dass aus ihr einer der Gründungsmythen der Druckgraphik entstand. Er geht auf Giorgio Vasaris Postulat zurück, demzufolge der primär als Goldschmied tätige Maso Finiguerra (1426–1464) den Kupferstich und Parmigianino (1503–1540) wiederum die Radiertechnik erfunden habe.27 Diese Wesensähnlichkeit von Goldschmiedekunst und Druckgraphik wurde kontinuierlich wiederholt und fand sogar an prominenter Stelle Einzug in der Literatur der Zeit. In William Shakespeares (1564–1616) Tragödie Troilus und Cressida (1609) werden die weißen Haare des Nestor auf kryptische Weise mit Waffen verglichen, die mit ornamentalem Niello verziert wurden („hatched in silver“).28 Die ästhetischen Wirkungen unterschiedlicher Gattungen auf Grundlage künstlerischer Techniken, beispielsweise bei Schraffur und Niello, waren daher zur Mitte des 17. Jhs. noch immer untrennbar miteinander assoziiert.29 Aus dezidiert künstlerischer Perspektive lässt sich diese Beziehung wohl seit den ersten praxisorientierten Schriften nachzeichnen: Bereits Theophilus brachte in De diversis artibus (ca. 1100) die Vertiefungen des Silbers („tractus“), in die das Niello gefüllt wurde, mit dem semantischen Feld in Verbindung, aus dem später die Schraffur erwachsen sollte.30 Auch Vasari verband bekanntermaßen die ästhetischen Eigenschaften des Niellos mit einer anderen, sich einkratzenden künstlerischen Technik: mit der Federzeichnung („non solo le faceva apparire stampate, ma venivano come disegnate di penna“)31 – eine Tendenz, die im Laufe frühneuzeit­licher Theoreti­sierung mit

24 Reflexionen über den für die Auftragung der Schraffur benötigen Kraftaufwand beim Kupferstechen finden sich noch bis weit ins 19. Jh. hinein: Jansen 1808, Bd. 1, S. 42; ebenso: Longhi 1837, u. a. S. 245 f., Hamerton 1876, S. 18. 25 Grimm [1854] 1984, Bd. 15, S. 1618. 26 Diese Assoziation von Kupferstich und Zeichnung besteht noch im 20. Jh., u. a. Béguin 1978, S. 296. – Zur Beziehung von Kupferstich und Goldschmiedearbeiten u. a.: Koschatzky 1972, S. 132. 27 Vasari betonte etwa die lexikalische Nähe der Termini tratteggio und sgraffito und leitete über diese sprachliche Nähe einen Vergleich der Techniken ab: Vasari 1568, Della Pittura, Kap. XXVI, zit. n. della Pergola/Grassi/Previtali 1967, Bd. 1, S. 140. Dieses Missverständnis wurde noch im 19. Jh. rezitiert: u. a. Kugler [1842] 1848, S. 881, wohingegen William Gilpin (1724–1804) die Erfindung des Kupferstichs in Italien Andrea Mantegna zuschrieb. Gilpin 1768, S. 67. – Einen historiographischen Abriss zur Ent­ stehung der Druckgraphik bietet u. a. Gramaccini 1997, insb. S. 229–267. 28 Shakespeare, Troilus und Cressida, 1. Akt, 3. Szene, V. 65, zit. n. Reed 1820, Bd. 5, S. 275. 29 Hier auch Vasari 1568, Della pittura, Kap. XXXIII, zit. n. della Pergola/Grassi/Previtali 1967, Bd. 1, S. 156, sowie ebd., Bd. 5, Vita Marcantonio Raimondi, S. 179; ferner u. a. Baldinucci 1681 A, zit. n. Ranalli 1845–1847, Bd. 1, S. 519. 30 Theophilus, De diversis artibus, Buch 2, Kap. XXXII, zit. n. Dodwell 1961, S. 84. – Hierzu auch ­Shoemakers Verweis, dass Raimondis frühe Arbeiten von den Nielli seines Lehrers Francesco Francia (1447–1517) inspiriert waren, deren zarte Schraffuren er nachahmte. Shoemaker 1981, insb. S. 4–7. 31 Vasari 1568, Vita Marcantonio Raimondi, zit. n. della Pergola/Grassi/Previtali 1967, Bd. 5, S. 179.

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dem Vergleich von Kupferstich und Federzeichnung weitergeführt ­werden sollte.32 Vergleiche ästhetischer Wirkweisen von unterschiedlichen Gattungen ­waren jedoch mitnichten auf diese Epoche beschränkt. Eine ähnliche Beobachtung stellte etwa Kugler in der Mitte des 19. Jhs. an, indem er in nordalpinen Holzschnitten des aus­gehenden 15. und frühen 16. Jhs. den „Charakter freier Federzeichnungen“ wiedererkannte.33 Ein Aspekt für das semantische Tableau des deutschsprachigen Begriffs Schraffur ist jedoch besonders auffällig: Das heute gebräuchliche Wort Schraffur lässt sich bemerkenswerterweise erst im Verlauf des 18. Jhs. in seinem heutigen Wortgebrauch nachweisen, nämlich als gestalterisches Mittel, mit dem beim Zeichnen mittels unterschiedlichen Gebrauchs von Linien Volumen, (haptische) Qualitäten von Stofflichkeit, Dynamiken der Bewegung, Farbwerte, Raum(-tiefe) etc. kreiiert werden kann. Neben dem bis dahin gängigen Begriff der Schraffierung, die sich in Analogie zum korrespondierenden Verb bildete, erschien im Verlauf des 18. Jhs. erstmals das Lemma Schraffur – vermutlich „eine jüngere Bildung im Abschluss an Kontur, Lasur, Lineament“.34 Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss mehrerer Terminologien zu einem Neologismus, der das aufkommende ‚systematisch‘-wissenschaftliche Interesse am Gegenstand reflektiert bzw. als Symptom ­eines Interessenwandels verstanden werden kann, der sein eigenes Vokabular hervorbrachte. Bezeichnenderweise spiegelt auch dieser Neologismus die natürliche Nähe der Schraffur zu anderen künstlerischen Techniken wider, indem er die Lasur der Malerei integriert. Aus begrifflicher Sicht zumindest ‚absorbierte‘ die Schraffur anderen Techniken und gleichermaßen malerische wie graphische Ausdrucksmöglichkeiten. Jedoch handelt es sich dabei vielmehr um ein Phänomen, das sich bereits im 16. Jh. beobachten lässt und das die folgenden Überlegungen leitet, etwa wenn die Nähe mitunter konträr wirkender Techniken bzw. Stile betont wird. Aber was einen Aspekt des Neologismus Schraffur betrifft, positionierte sich die Kunstliteratur der Vor­moderne gänzlich anders: Denn statt die Nähe von Kontur und Schraffur zu betonen, wurden diese Begriffe als Antoyme aufgefasst.

32 Zum Verhältnis von Zeichnung und Kupferstich im ausgehenden 15. Jh. und frühen 16. Jh: u. a. ­Whitaker 1998. 33 Kugler [1842] 1848, S. 880. 34 Mitzka 1939–1957, Bd. 6, S. 206.

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Kontur

„circumscriptio“: Linie als Fixierung Form Ebenso wie die Schraffur ein weites semantisches Feld entfaltete, wurde der Kontur als ihr Antonym in einer Vielzahl an Assoziationen erfasst. Nicht nur der Neologismus Schraffur wurde im 18. Jh. geschaffen. Im deutschsprachigen Raum differenzierten sich Beiklänge des Begriffs Kontur im Verlauf des 18. Jhs. in divergierende Konzepte und damit verbunden unterschiedliche Begriffe, nämlich „Umrisz“ und „Kontur“. „Umrisz“ zielte auf die intelligible Konzeption oder Imagination von Dingen ab, der „Kontur“ hingegen auf ihre rein physische Form.1 Die Form wurde noch im 18. Jh. als objektive Wahrheit der dinglichen Welt interpretiert; die Linie wurde zum Wahrheitsträger: Der englische Pastellmaler John Russell (1745– 1806) etwa, der selbst Malerei unterrichtete, fasste diesen Gedanken in seinen Elements of Painting with Crayons (1772) zusammengespitzt als „Truth of Outline“.2 Er demonstrierte zudem, wie stark das Primat des Konturs in der Kunstpraxis der frühen Moderne verwurzelt blieb. Zugleich betonte auch er den immensen Stellenwert der Farbe für die Malerei („justness of Colouring“) – und beschwor auf diese Weise eine Dichotomie zwischen ‚Form‘ (Kontur) und ‚Inhalt‘ (Farbe).3 Die Schwierigkeit, das spannungsreiche Verhältnis dieser beiden Pole – und damit auch von Kontur und Schraffur – zu beschreiben, bestand trotz des zunehmend differenzierten Vokabulars noch zum Beginn der Moderne. Ein Beispiel hierfür ist der Versuch des Künstlers und Kunsttheoretikers Philip Gilbert Hamerton, mit entwicklungsgeschichtlichen ­Prämissen 1

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Grimm [1899] 1984, Bd. 23, S. 1047. – Eine epochal weit gefasste, aber im Wesentlichen literarische Untersuchung zum Kontur bietet Charlotte Kurbjuhn (2014). Richard Field (2008) hingegen bemüht sich, die Dichotomie von Schraffur und Kontur anhand von Bildanalysen zu Albrecht Dürers Holzschnitten aufzuzeigen. Russell 1772, S. 10. Russell 1772, S. 10.

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Kontur

2  Rembrandt: Der Omval, 1645

zu belegen, wie Rembrandts Landschaftsradierungen die vermeintliche Dominanz dessen obsolet machten, was seiner Meinung nach als „italienischer Kontur“ („Italian outline“) beschrieben werden konnte. Zweierlei ist entscheiden: Zum einen die geographische Ver­ ortung, deren Ursprünge noch im Weiteren diskutiert werden. Zum anderen überging Hamerton den Umstand, dass Rembrandt den Kontur in seinen Radierungen nie vollends aufgab. Die Gründe für diese Zuspitzung mögen implizit ästhetischer Natur gewesen sein. Während Rembrandt zwar wie in seiner Radierung Der Omval (Abb. 2) über weite Teile der Komposition Formen mit bloßem Kontur andeutet, gehen die Oberflächendetails des Baumes und des dahinterliegenden Gesträuchs auf der linken Blatthälfte nahezu vollkommen in einer Vielzahl von abstrakt wirkenden Linien-, Punkt- und Schraffurformationen auf.4 Dieses Prinzip setzte Rembrandt in Details der Komposition fort. Im Bildvordergrund deutete er einzelne Blumen durch einen flüchtig gezogenen Kontur an, der gleichwohl kaum die kon-

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Weiter zur Faktur in Rembrandts Zeichnungen, u. a.: Müller-Schirmer 2008.

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„circumscriptio“: Linie als Fixierung

krete Form der Pflanze hervorhebt und stets seinen abstrahierenden Charakter offenlegt. Hamertons Insistieren auf den Stellenwert des Konturs speziell für die italienische Kunst des 16. Jhs. dient indes als Fingerzeig dafür, wie intensiv die Praktik des Konturierens in der Kunstliteratur popularisiert wurde bzw. wie stark zumindest die Vorstellung einer vornehmlich aus Italien herrührenden Zeichenpraxis mit ausgeprägtem Kontur war. So konstatiert er lakonisch und zusammenfassend für Rembrandts Radierungen: „The Italian outline had been discarded as the chief subject of attention, and modelling had been substituted for it.“5 Dass Hamerton hier vor allem die Modulation betont, scheint jedoch tatsächlich etwas zu sein, was er in Rembrandts Werken beobachtet haben könnte. Denn eine bestimmte Form der Plastizität erzielt Rembrandt durch die komplette Schwärzung einzelner Partien der Baumrinde, die auf die Verwendung von Schraffur komplett verzichtet. Neben Rembrandt demonstrierten im Verlauf des 17. Jhs. auch andere Kupferstecher, u. a. Mellan, wie fließend die Dichotomie von Kontur und Schraffur in Bildwerken sein konnte. Mellan vermeidet zwar im Standbild des Hercules (Abb. 1) den direkten Einsatz eines durchgängigen Konturs, erzeugt aber im gleichen Moment gerade in der Orientierung seiner parallelen Schraffur entlang der Körpergrenze ein zart auslaufendes chiaroscuro und zugleich die Illusion eines Konturs. Für diese geschickte Augentäuschung fand Mellan im Standbild des Hercules mehrere Modi. Die allerhellsten Bildpartien, etwa auf Höhe der linken Schulter der Statue, gestaltete Mellan mittels einer filigranen Konturlinie im Bereich des Oberarms, die zum Ellenbogen hin in kurze Parallelschraffuren mündet (Abb. 3). Sie erzeugen den Eindruck eines direkt auf die Schulterpartie einfallenden Lichts, das sich zur in die Hüfte gestemmten Hand hin mit den leicht kurvierten Parallelschraffuren zur Erzeugung von Halbschatten verbindet. Die kurze Parallelschraffur auf Höhe des Ellenbogens deutet die Rundung des Armes an, der sich nach hinten hin in einen Raum erstreckt und den der Betrachter nur imaginieren kann. Mellan spiegelt dieses Zusammenspiel aus staccato-artig angedeutetem, kurzem Kontur und der Generierung eines konturähnlichen Moments durch den Gebrauch von Parallelschraffur in der Gestaltung des rechten Arms der Statue. Ihre dortige Positionierung scheint einem Kontrapostprinzip zu folgen: Hier definiert die Kontur­ linie entsprechend der Lichtregie des Kupferstichs den Unterarm, während die tief verschattete rechte Schulterpartie mit wellenartigen Parallelschraffuren hervorgehoben wurde. Für den Betrachter ist ein Spezifikum der Faktur jedoch nur in der absoluten Nahansicht erkennbar: Die wellenartigen Linien verlieren sich entlang des Randes der Statue als würden sie auf organische Weise ausbluten; der somit allein durch Schraffur erzeugte konturlose Kontur erfährt ein verlebendigendes, dynamisierendes Moment. Es ist zugleich ein visuelles Pendant zu jenem formfixierenden Kontur, den der Künstler für das Definieren des Unterarms verwendete. Auf ähnlich dichotomische Weise gestaltet Mellan die Randbereiche der Skulptur – etwa das rechte Bein und die rechte Seite des Torsos –, die sich gegen vollverschattete Formen absetzen (Abb. 4). Das Aufeinandertreffen von scharfer Kreuzschraffur im

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Hamerton 1892, S. 122.

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Kontur

3 und 4  Claude Mellan: Details von 1

Bild­hinter­grund der Schattenzone und mal auf-, mal abwärts verlaufender Parallelschraffur erzeugt den Eindruck eines dunklen Konturrands. In Mellans mühelos ineinandergreifendem ­Zusammenspiel aus Licht- und Schattenregie und der subtilen Evokation eines ­dynamisierten, für den Blick des Betrachters zuweilen sogar flirrenden Konturs, erhebt sich die Figur des Hercules im ­fließenden chiaroscuro der Fakturen aus dem Bildgrund. Mehr noch: Die in der Kunstliteratur betonten Gegensätze von Form und ‚Inhalt‘ sind hier aufgehoben. Die Dichotomie von Kontur und Schraffur basierte auf einer langen Tradition, und im 16. Jh. vollzogen sich kunsttheoretische Diskurse zum Kontur vornehmlich vor dem Hintergrund der wachsenden Auseinandersetzung mit platonischen und aristotelischen Konzepten. Im übertragenen Sinne spielte das Lineament auf ein von Leon Battista Alberti (1404–1472) mit Bezug auf die Künste reanimiertes Problem an: die als Hylemorphismus bekannte Dualität von Form und Materie,6 die mit der Wiederentdeckung aristotelischer Lehre zu einer der

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Alberti 1485, zit. n. Lücke 1985, Bd. 2, S. 738.

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„circumscriptio“: Linie als Fixierung

wichtigsten philosophischen Leitkategorien des 16. Jhs. avancierte.7 ­Alberti zufolge unterteile sich die Malerei „in drei Bereiche“, deren „Einteilung [uns] von der Natur selbst vermittelt“ worden ist.8 Der erste Bereich sei die „Umschreibung des Ortes“ („­circumscriptio“), den er mit dem Ziehen des Konturs gleichsetzte;9 die anderen beiden umfassen die Flächen und die Farben in der Malerei. Damit wurde der künstlerisch gezogene Kontur implizit als ‚natürliches‘ Phänomen verstanden, wenngleich er kein Äquivalent in der perzipierten Umwelt hat. An diesem Punkt setzte Daniele Barbaro (1514–1570) an, denn mit der Dualität von fixierendem bzw. fließendem Kontur und in Erwartung der Rezeption des Betrachters hatten sich die Künstler vor allem einer produktionsästhetischen Herausforderung zu stellen: Ganz im Sinne der Nichtexistenz eines Konturs in der perzipierten Welt vermerkte Barbaro, die Aufgabe sanft ver- und auslaufender Konturen bestünde darin, das Auge von etwas zu überzeugen, das nicht da sei („in somma poi […] fare i contorni di modo dolci, & ­sfumati, che ancho s’intenda, quel che non si uede, anzi che l’occhio pensi di uedere, quello ch’egli non uede.“).10 Er konterkarierte die Vorstellung eines fixierenden, die Form wahrgenommener Objekte in Bildform repräsentierenden Konturs. Auch andere Gegenstimmen wurden laut: Für Leonardo da Vinci (1452–1519) beispielsweise war der Kontur eine Entität, die weniger durch ihre Fixierung als durch ihren fließenden Verlauf gekennzeichnet war und entsprechend von Seiten des Künstlers eine sorgfältige Erwägung vonnöten machte („con somma deligentia considerato i termini di qualonque corpo et il modo de lor serpeggiare“).11 Die Relevanz des Konturs beschränkte sich nicht allein auf die Bildkünste: Der Kontur nahm etwa für die Bildhauerei eine besondere Stellung ein, nämlich zur Herausarbeitung des ­idealen Figurenrands, an dem der Betrachterblick entlanggleitet. Bereits Pomponius ­Gauricus (1482–1530) unterschied daher in De sculptura (1504) für die Skulptur – erneut ganz in aristotelischer Tradition – explizit zwischen Lineament („forma“) und Materie („materia“).12 Wenngleich Gauricus’ Überlegungen unmittelbar aus der bildhauerischen Praxis

  7 Aristoteles, Metaphysik, insb. Buch VII–VIII, zit. n. Bonietz/Seidl 1995, Bd. 5, S. 131–179. Grundlegend hierzu: Witt 1989.   8 Alberti 1435, Liber II: § 30, Übers. zit. n. Bätschmann/Schäublin 2000, S. 247.   9 Alberti 1435, Liber II: § 31, zit. n. Bätschmann/Schäublin 2000, S. 246. 10 Barbaro [1556] 1567, S. 321. Dazu: Summers 1981, S. 52. 11 Leonardo da Vinci, Trattato della pittura, § 134, zit. n. Ludwig 1882, Bd. 1, S. 180. 12 „[…] Formam autem heic nun eam intelligamus Speciem, qua hunc ab illo discernimus. Materiam uero corpus ipsum, Corpus autem omne in treis dimensiones partiri, In Longitudinem, Amplitudinem, Profunditatemque. Formam uero ipsam Lineamentis comprehendi.“ Gauricus 1504, zit. n. Brockhaus 1885, S. 130 [„Unter Form haben wir hier die Erscheinung zu verstehen, vermittelst derer wir die Einzelnen voneinander unterscheiden; unter Materie aber den Körper selbst. Der ganze Körper theilt sich nach drei Dimensionen: nach Länge, Umgang und Tiefe. Die Form wird von den Lineamenten umschlossen.“ Übers. n. ebd., S. 131]. – Auch Giorgio Vasari und Vincenzo Borghini (1515–1580) betonten die Bedeutung des Konturs im Schaffensprozess des Bildhauers („la forza dello scultore e la virtù ­consiste ne’ dintorni dato dallo scarpello“). Borghini 1564, S. 115; Vasari 1568, Della pittura, Kap. XV, zit. n. della Pergola/Grassi/Prevital 1962–1966, Bd. 1, S. 117. – Hier auch Michelangelos berühmtes Quartett (ca. 1538–1544): „Non ha l’ottimo artista alcun concetto, / c’un marmo solo in sé non circonscriva / col suo

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Kontur

heraus entstanden waren, war damit der Bogen von der Kunstliteratur zur Praxis jedoch noch ­lange nicht geschlagen. Genausowenig war die Dichotomie von Form und Materie eine rein ­abstrakte Konzeption intellektueller Ideen. Nuancierungen dieser Debatte lassen sich punktuell im theoretischen Diskurs zu künstlerischen Praktiken des Konturs aufspüren,13 wenngleich Kunstwerke wie die von Rembrandt (Abb. 2) und Mellan (Abb. 1) nahelegen, dass Kunstpraxis- und -theorie keinesfalls deckungsgleich waren. Das mitunter reziproke Verhältnis von Schraffur und Kontur fand Niederschlag in der künstlerischen Praxis der Zeit und ihrer simultanen Reflexion – am deutlichsten vielleicht am Ende des 16. Jhs. in Romano Albertis Vorträgen zum Konzept des disegno esterno,14 die Teil der künstlerischen Ausbildung in der Accademia di S. Luca in Rom waren. Seine Vorstellungen vom disegno esterno entlehnte er den Schriften Federico Zuccaros (1539–1609): Für Romano Alberti war das disegno esterno ganz im neoplatonischen Sinn all dasjenige in der Bildkunst, was ohne körperliche Substanz mittels Linien visualisiert wird. Mit seinem Grundsatz, die ausgeführte Zeichnung würde erst durch das „intellektuelle Licht“ geschaffen und sei durch dieses bedingt, bewegte sich Romano Alberti im diskursiven Kanon seiner Zeit, der dem psychischen disegno interno das Primat der Zeichnung zuschrieb.15 Sobald eine zeichnerische Komposi­ tion durch einen Kontur „umschrieben“ sei, so Romano Alberti, veranschauliche er eine Form ohne körperliche Substanz;16 die Aufgabe der Zeichnung sei das reine Lineament mit perfekt reguliertem Maß („circoscritto di forma senza sostanza di corpo, l’opera sua è ­semplice lineamento con perfetta e regolata proporzione“).17 Der Diskurs über den Kontur war von einer unauflösbaren Spannung geprägt, nämlich derjenigen einer formindizierenden Konturlinie einerseits und einer „weniger stabilen Realität“18 andererseits. Rosands Charakterisierung scheint wesentliche Merkmale des Hyleo­ morphismus zu verschmelzen. Diese dynamische Instabilität in der Wahrnehmung der Objekte wird durch chromatische Nuancierungen und dem stetigen Wandel der ­Licht- und

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superchio, e solo a quello arriva / la man che ubbidisce all’intelletto. […].“ Für das vollständige Gedicht: Michelangelo, Lyrik, zit. n. Ryan 1996, S. 138–141. Jacobs 1988, S. 139. Dabei handelt es sich um den fünften Vortrag mit dem Titel Discorsi e ragionamenti da farsi nell’academia, den Romano Alberti an der Accademia di S. Luca am 17.01.1594 gehalten und in dem er Federico Zuccaro direkt adressiert hat: Alberti 1594, zit. n. Barocchi 1973, Bd. 2, S. 2038–2049. Alberti 1594, zit. n. Barocchi 1973, Bd. 2, S. 2042 f. Dazu auch: Lomazzo 1590, insb. S. 84. Cf. Wolfgang Kemp, der davon ausgeht, dass Zuccaros Traktat im Verlauf des 17. Jhs. keinerlei Resonanz erlebt hat. Zugleich stell er die These auf, gerade Form und Umriss hätten im 17. Jh. zunehmend an Relevanz gewonnen. Kemp 1974, S. 233 f. Alberti 1594, zit. n. Barocchi 1973, Bd. 2, S. 2042. – Cf. Federico Zuccaro, der im Gegensatz hierzu die Substanzhaftigkeit des Lineamentes betont: „La linea dunque è proprio corpo, e sostanza visiva del Disengo esterno […].“ Zuccaro [1607] 1768, S. 69. Hierzu auch den nahezu identischen Wortlaut bei: Bisagno 1642, S. 25. Der disegno interno ist für Zuccaro reine Abstraktion ohne körperliche oder materielle Manifestation: „[…] non è materia, non è corpo, non è accidente di sostanza alcuna, ma è forma, idea, ordine, regola, termine e oggetto dell’intelletto, in cui sono espresse le cose intese […].“ Zuccaro [1607] 1768, S. 8. Zu den unterschiedlichen Formen des disegno: ebd., S. 72–94. Rosand 2009, S. 95.

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„circumscriptio“: Linie als Fixierung

Schattenverhältnisse bestimmt.19 So wurde implizit ein lang tradierter Topos aufgerufen, der bereits bei Plinius (ca. 24–79 n. Chr.) Erwähnung findet: Unter Berufung auf ­Quintilian (ca. 35–ca. 100 n. Chr.) wird dort berichtet, Zeuxis und Parrhasios seien trotz ungleicher malerischer Mittel gleichermaßen Meister der Malerei gewesen. Ersterer zeichne sich durch die Verwendung von Licht und Schatten aus („luminum umbrarumque“), letzterer durch feine, kaum wahrnehmbare (Umriss-)Linien („subtilius lineas“).20 Diese Dichotomie von chromatisch-dynamischen Abstufungen und fixierend-statischem Kontur gewann sukzessive eine neue Ausrichtung. Denn der Stellenwert des Konturs innerhalb der Kunsttheorie des 16. Jhs. speiste sich nicht zuletzt aus seiner Verbindung zu einem zentralen ästhetischen Paradigma der Zeit: So wurde er – neben nur wenigen anderen Kategorien, wie etwa der Draperie, dem chiaroscuro und der Bewegung der Figur – explizit als Kategorie der künstlerischen Herausforderung (difficoltà) verhandelt.21 Auch dieser Konnex lässt sich bis in den Beginn der Moderne nachverfolgen: Für Russell etwa war der Kontur deshalb nicht allein die Offenbarung einer wie auch immer gearteten Faktizität des Objekts („Truth of Outline“);22 er betonte dieses Prinzip künstlerischer Herausforderung (difficoltà), indem er die natürliche Nähe des Konturs zur Form hervorhob. Dort schreibt er in Bezug auf die Zeichnung nach einem lebenden Modell mit lakonischem Ton: „When the out-line is correct and in good proportion, the principle difficulty is overcome.“23 Es mag daher auch kein Zufall sein, dass hier erneut die u. a. von Romano Alberti vertretene Vorstellung aufgegriffen wird, die Umrisslinie der Graphik sei eng mit dem korrekten Maß verbunden („regolata proporzione“).24 Giorgio Vasari knüpfte wieder an der Spannung zwischen Umrisslinie und farblicher Binnengestaltung bzw. Helldunkel an, wie er in einem Brief an Benedetto Varchi (1503– 1565) beschreibt.25 In Anlehnung an Aristoteles war für ihn der Kontur nicht der ­wichtigste Bildteil. Die vom Kontur geschaffenen Formen dienen vielmehr als Grundlage und Rahmen für das chromatische chiaroscuro der Figuren.26 Konsequent führte Benedetto Varchi das Konzept des Konturs als umschließende oder separierende Entität gegenüber anderen 19 Anton Francesco Doni beispielsweise unterschied die Lineamente („dintorni“) einer Zeichnung und das Helldunkel („i lumi, l’ombre, i cavi et i rilievi“) direkt voneinander und schrieb dem Lineament die größere Bedeutung für die Zeichnung zu: Doni 1549, zit. n. Barocchi 1973, Bd. 2, S. 1908. – Noch im 18. Jh. folgte diesem Gerdanken u. a.: Barrow [1735] 1758, Bd. 1, S. 185 sowie speziell zur Schraffur: ebd., Bd. 2, S. 421. 20 Plinius, Naturkunde, zit. n. König/Hopp [1978] 2013, Bd. 35, S. 142 u. S. 144. – Dazu auch Alberti in Anlehnung an Plinius, der gerade von der Feinheit des Konturs als ästhetisches Paradigma spricht: Alberti 1435, Liber I: § 31, zit. n. Bätschmann/Schäublin 2000, S. 246. 21 Summers 1981, S. 179. 22 Russell 1772, S. 10. 23 Russell 1772, S. 16. Hervorhebung übernommen. 24 Alberti 1594, zit. n. Barocchi 1973, Bd. 2, S. 2042. 25 Vasari 1568, Della pittura, Kap. XV, zit. n. della Pergola/Grassi/Prevital 1962–1966, Bd. 1, S. 117. Vergleichbar: Bronzino, Brief an Benedetto Varchi, zit. n. Barocchi 1971, Bd. 1, S. 501 sowie: Varchi 1549, zit. n. Barocchi 1971, Bd. 1, S. 534. Hierzu auch: Jacobs 1988, S. 139. 26 Aristoteles, De generatione animalium, Buch II, Teil 6, zit. n. Gohlke 1959, S. 110.

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Kontur

k­ ompositorischen Formen weiter. Im Versuch, eine Definition für den zeichnerischen Kontur zu finden, kondensierte er in der Akkumulation einer Reihe von Verben dessen wesentliches Charakteristikum: die visuelle Geschlossenheit von Form bzw. Raumbildung („circondare, ferrare, & chiudere, onde circonscritta si chiama una cosa quando è chiusa“).27 Baldinucci fächerte das Vokabulbar in seinem Vocabolario toscano dell’arte del disegno (1681) weiter auf, indem er es in Außen- und Binnenlineament („Lineamenti, Cotorni, Dintorni“) unterschied, deren gemeinsames Ziel die Demonstration der Eigenheiten eines jeden Gegenstands sei („­dimostrare la specie di qualsivogla cosa“).28 Für die Bildkünste wurde damit die „ein­kreisende, begrenzende, umschreibende“ Qualität des Konturs, wie sie Varchi beschrieb, zentral. Katalysiert wurde die Favorisierung linear-konturierter Zeichnungen gegenüber anderen Techniken (Lavierung, chiaroscuro-Zeichnung etc.) durch den stark auf die Linie als Gestaltungselement basierenden disegno-Begriff, wie er beispielsweise in Benvenuto ­Cellinis Notiz zum Entwurf der Skulpturengruppe Apollo und Hyacinth (1546) zum Ausdruck kam. Dort vermerkte ­Cellini, der disegno habe eine doppelte Natur, nämlich als Teil der künstlerischen Imagination und als graphische Markierung („il Disegno è due sorte, il primo è che si fa nell’ Imaginativa, et il secondo tratto da quello si demostra con linee“).29 Der Nexus mündete u. a. in der „losen Gleichsetzung Disegno-Lineamento“:30 Im dritten ­Dialogo betonte daher Michelangelo in seiner Antwort an Francisco de Holanda (1517–1585) gleichermaßen die wirkungsästhetische Kraft der Zeichnung und der Linie („è grande, molto grande la forza del disegno o del tratto“).31 Diese Gleichsetzung unterstrich nicht nur explizit die Kraft der einzelnen graphischen Linie, sondern implizit auch das daraus resultierende ästhetische ­Potenzial der Schraffur, die diese einzelne Linie bündelt.

anima – bellezza Zugleich schlug die kunsttheoretische Diskussion eine Richtung ein, die das Verhältnis von Kontur und disegno in neue Mittel der Semantisierung überführte und damit ihre ästhetischen Eigenheiten herausarbeiten wollte. Damit wurde der scheinbar klar definierte disegno-­ Begriff auf andere Kunstgattungen ausgerichtet. Francesco ­Bocchi (1548–1613/18?) etwa erkannte im Wesen des disegno die lineare Ausführung als die Seele („­anima“) des Kunstwerks und betonte Aspekte wie Ausdruck, Schönheit und ­Ästhetik. Bocchi ent­wickelte seinen disegno-­Begriff, der an Aristoteles’ Ausspruch an­knüpfte, eine Tragödie ohne Handlung („mythos“) sei wie ein Gemälde ohne Umrisslinien.32 Der Gedanke basierte auf einer ­Analogie:

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Varchi 1549, zit. n. Barocchi 1971, Bd. 1, S. 25. Baldinucci 1681 B, S. 84. Handschriftlicher Vermerk Cellinis vor 1569, in: Kemp 1974, S. 231. Kemp 1974, S. 225. Bereits Vasari lag eine Übersetzung vor, in der der von Leon Battista Alberti in Anlehnung an Aristoteles eingeführte Terminus lineamentum mit disegno übersetzt wurde. Burioni 2006, S. 11. – Dieser Konnex ist noch bis in das späte 18. Jh. nachweisbar, beispielsweise bei William Robson: Robson 1799, Preface, n. pag. Ebenso hierfür: u. a. Kemp 1974, S. 225. 31 De Holanda 1548, zit. n. Barocchi 1973, Bd. 2, S. 1911. 32 Aristoteles, Poetik, zit. n. Fuhrmann 1982, S. 23.

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„circumscriptio“: Linie als Fixierung

Genau wie die Handlung der Tragödie (mythos) den notwendigen dramaturgischen Spannungsbogen und Rahmen bot, war für Bocchi der disegno das Vehikel für die Wirkung des Gemäldes. Der daraufhin in einem zweiten Schritt erfolgende Sprung zum Zusammenhang zwischen disegno und Linie lag für Bocchi nahe. Der disegno wird durch diejenigen Linien gebildet, die die Form der Objekte umschlingen und dadurch sogleich ihre Schönheit offenbaren33 – ein Gedanke, der sich in vergleich­barer Form auch für Vasari nachweisen lässt.34 Bocchi betonte mit der Analogie von ­disegno und mythos bzw. anima den Stellenwert des Konturs für das frühneuzeitliche Verständnis bildnerischer Ästhetik deutlicher als andere Kunsttheoretiker. Ohne es explizit zu erwähnen, spielte er auf ein ästhetische surplus an. So war der mit der Seele (anima) des Kunstwerks in Verbindung stehende ­disegno für ihn jenes Element der Malerei, das keiner weiteren sprachlichen Erläuterung bedürfe („non è di bisogno che con molte parole noi proviamo“).35 Ferner unterschied er diverse Modi der konvexen und konkaven Linien der Schrift, deren Anwendungsbereiche sich u. a. auf die Zeichnung erstrecken („l’una delle quali ­chiamano gli scrittori convessa, et l’altra concava“). Ihre zentrale Qualität war für ihn die aria,36 wohingegen die Handlung (costume) analog zum aristotelischen ethos auf die Synchronisierung der äußeren Mimik einer Figur37 mit ihren inne­ren Seelenbewegungen („moti dell’animo“) abzielte38 – erneut die Bedeutung der anima unterstreichend. Bezeichnend ist, wie stark Bocchi hervorhebte, der ästhetische Wert der Linie müsse nicht in Worte gefasst werden. ­Hierin liegt einer der Gründe, weshalb er seinen disegno-Begriff an etablierte künstlerische Konzepte wie Aristoteles’ ­Poetik ausrichtete, um in dieser Analogie ästhetische Eigenheiten des disegno herauszuschälen, ohne ein genuines Vokabular für sie finden zu müssen. Zeitgleich zu Bocchi arbeiteten Künstler jedoch auch daran, die Eigenschaften des disegno nicht anderen Künsten wie dem aristotelischen Drama anzugleichen, sondern sprachlichen Strukturen.

lingua parlata – lingua designata Neoplatonische und aristotelische Vorstellungen des Verhältnisses von Form und Materie hatten einen künstlerischen Niederschlag, der sich nicht nur im bereits angesprochenen Umkreis von Romano Alberti und seinen Vorträgen in der Accademia di S. Luca in Rom abzeichnete. In der künstlerischen Ausbildung des 16. Jhs. spielten Darstellungen des menschlichen Körpers eine immer größere Rolle, die u. a. in Zeichenbüchern und praktisch-didaktisch motivierten kunsttheoretischen Schriften reflektiert wurde. Diese Schriften folgten dem Anspruch, Bereiche der künstlerischer Ausbildung in Textform darzustellen und somit ein Pendant zu den überwiegend in Bildform angelegten Zeichenbüchern zu bilden. Sie adressierten vornehmlich ein Amateurpublikum, das bereits Unterricht in Schönschrift 33 34 35 36 37 38

Bocchi 1567, zit. n. Williams 1989, S. 122 f. Vasari 1568, Della pittura, Kap. XV, zit. n. della Pergola/Grassi/Previtali 1967, Bd. 1, S. 117. Bocchi 1567, zit. n. Williams 1989, S. 124. Bocchi 1567, zit. n. Williams 1989, S. 123. Dazu weiter: Summers 1989, insb. S. 17. Bocchi 1567, zit. n. Williams 1989, S. 123.

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Kontur

5  Michelangelo: Studie einer Kreuzigung, 1512

und Geometrie erhalten hatte.39 Ein solches Pendant ist beispielsweise Alessandro Alloris (1535–1607) Ragionamenti (1560)40 – ein fiktiver Dialog zwischen dem Autor und seinem Lehrer Agnolo Bronzino (1503–1572).41 Der Text erlangte nicht zuletzt durch seine Situierung im Umfeld der Florentiner Kunstproduktion Bedeutung.42 Neben Bronzino und Jacopo da Pontormo (1494–1557) wird Allori noch heute in einem von ‚Einfluss‘ und ‚Imitation‘ geprägtem Forschungsnarrativ zu Michelangelos unmittelbaren Nachfolgern gezählt. Die stilistischen Parallelen beider Künstler werden dabei mitunter aufgrund zwei sich in der

39 Reilly 2004, S. 32 f. Die Widmungstafel des Zeichenbuchs, die sich in den früheren Editionen wieder­findet, adressiert indes schlichtweg alle Liebhaber der Zeichenkunst („Alli nobilissimi amatori del d ­ isegno“). 40 Grundlegend zu Allori: Reilly 1999, Lecchini Giovannoni 1970, 1991, Pilliod u. a. 1989, 2001, 2003. 41 Das Verhältnis von Allori und Michelangelo ist u. a. durch Raffaello Borghini dokumentiert, der von der engen (familiären) Beziehung von Bronzino und Allori ebenso wie von Alloris Reise nach Rom berichtet, um u. a. die Werke Michelangelos zu studieren. Borghini 1584, S. 623 f. 42 Zum Entstehungskontext der Ragionamenti: Reilly 2004.

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„circumscriptio“: Linie als Fixierung

6  Alessandro Allori: Studie eines männlichen Torso

Zeichnung niederschlagender Aspekte gezogen. Zugleich bietet die Erläuterung dieser beiden Gesichtspunkte die Grundlage für das Verständnis der Ragionamenti: Es handelt sich zum einen um Michelangelos häufig kräftig, teilweise wiederholt gezogenen Kontur, der nicht selten auf eine Binnengestaltung der Figur vollständig verzichtet, wie im rechten Bildteil der großformatigen Studie einer Kreuzigung (Abb. 5). Hier legt ­Michelangelo auf der rechten Seite die grobe Form der Oberschenkel an und zieht die Konturlinie zur endgültigen Festlegung der Form mehrfach nach. Bei der unteren der beiden Beinstudien hat Michelangelo bis auf einige wenige Schraffurlinien zur Andeutung des Schattenverlaufs am rechten Rand des Beins vollständig auf eine Binnengestaltung verzichtet. Im direkten Vergleich zur ausgestalteten Vollfigur des Gekreuzigten wirkt diese erste Annäherung an die Physiognomie wie ein janusgesichtiges Echo: Rechts legte Michelangelo die Form des Oberschenkels lediglich mit starken Konturlinien an, während er die Binnengestaltung der Muskulatur und den Schattenverlauf erst in der Vollfigur mit Kreiden ausführte. Dort wiederum vernachlässigte er die Form des rechten Fußes, der mit einigen wenigen Linien ohne mimetischen Bezug zur Anatomie angedeutet wurde. Eine differenziertere Aus-

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Kontur

7  Alessandro Allori: Studien einer Hand

gestaltung der Form war möglicherweise deswegen nicht vonnöten, weil sie bereits zuvor in der rechten Skizze vorgenommen wurde. Zum anderen basierte die oft gezogene Parallele der Künstler auf ihrem gemeinsamen Interesse an der minuziösen Wiedergabe menschlicher Physis und an Aktdarstellungen muskulöser Körper in spannungsreicher Bewegung oder Pose. Michelangelos Studie einer Kreuzi­gung (Abb. 5) und Alloris Zeichnungen sind Zeugnisse dieses Interesses (Abb. 6).43 Allori trieb dieses Interesse weiter, denn in einer Vielzahl seiner Zeichnungen konzentrierte er sich auf die Anatomie seiner Modelle und zergliederte Körper in Muskulatur- und Skelettstrukturen (Abb. 7). In den Studien einer Hand entwickelt sich die vollständige Muskulatur scheinbar sukzessiv, wobei Allori dieses sukzessive Moment dadurch bricht, dass es keine klare Leserichtung der Bildfolge gibt. Dabei dominieren in zahlreichen seiner anatomischen Studien die Konturen über die Binnendifferenzierungen mit Schraffuren, die, falls überhaupt verwendet, häufig entlang selbiger verlaufen und kaum Bezug zur muskulären Form entwickeln. Alloris Ragionamenti greifen beide Facetten – Kontur und Anatomie – auf und ver­ suchen ihre Bedeutung für die Bildgestaltung in Textform zu fassen. Ihr Anspruch, die künstlerische Praxis des Akt- bzw. Figurenzeichnens in einen instruktiven und vornehmlich für Dilettanten verwendbaren Text zu übertragen und damit einen Bogen vom Bild zum Text zu schlagen, war zweifelsohne hoch. Implizit positionierten sich die Ragionamenti gegen Cenninis Grundsatz, demzufolge Kunst und künstlerische Techniken eher in praktischer Anwendung als in Textform zu verstehen seien („ma vieggendo tu lavorare, comprendi meglio

43 Dies hat zuweilen zur These verleitet, Alloris Augenmerk in seinen Ragionamenti sei die menschliche Anatomie gewesen: cf. Lecchini Giovannoni 1991, S. 35. Dagegen sprechen die stark schematischen Darstellungen, die den Ragionamenti beigefügt wurden, unabhängig von den oftmals im Kontrast dazu detaillierten Studien des Skeletts und der Muskulatur. Ein solcher systematisch-theoretischer Anspruch der Körperdarstellung lässt sich besser anhand Vincenzo Dantis (1530–1576) Trattato delle perfette proporzioni (1567) nachvollziehen. In diesem Kontext cf. auch Baccio Bandinellis (1488–1560) Zeichenmodelle mit anatomischen Studien, die formal ähnlich aufgebaut sind, hier nur exemplarisch: London, British Museum, Inv. Nr. 1866,1208.641/2.

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assai che per lo leggere“).44 Zugleich sind die Ragionamenti auch wie eine Replik auf Bocchis Feststellung, der disegno könne nur schwerlich semantisiert werden.45 Der ambivalenten Spannung von Kontur und chiaroscuro gab Allori seine eigene Gewichtung: Obwohl Kontur und chiaroscuro aus kunsttheoretischer Sicht gleichermaßen als kompositorische Elemente erachtet wurden, an die besondere künstlerische Herausforderungen (difficoltà) geknüpft wurden, stand in Alloris Ragionamenti ausschließlich die reine (Umriss-)Linie im Zentrum des Interesses. Die Schraffur – und damit einhergehend der chiaroscuro der Zeichnung – wurde wohl „der Einfachheit halber“ indes nicht thematisiert.46 Während das form- und konturlose Skizzieren („schizzare“) beispielsweise zeitgleich in Vasaris Beschreibung des disegno eine gleichberechtigte Rolle zum formsuchenden Konturieren („dintornare“) einnahm,47 wurde in den Ragionamenti letzterem die größere Bedeutung für die zeichnerische Praxis beigemessen.48 Die Ragionamenti wurden konzeptuell wie formal durch einen weiteren Gesichtspunkt bestimmt. Für die Erlernung der korrekten Konturführung setzte Allori an der antiken Vorstellung des schrittweisen Aufbaus der bildenden Kunst an: Nicht nur die Buchstaben der Schrift wurden schrittweise und Linie für Linie aufgebaut, sondern auch die Elemente des Bildes.49 Somit lag dem sukzessiven Herausarbeiten der Form eine auf der Wesenseinheit von Kontur und Buchstabenlinie basierende Bedeutung inne. Alloris textbegleitende und instruierende Zeichnungen waren daher analog zu den Buchstabenformen „nur in [­geraden] und gekrümmten Linien vorgebildet, sodass die Schüler Zug um Zug die Elemente des Strichbildes nachvollziehen können.“50 Auf diese Weise zeichneten sich in Alloris Ragionamenti durch die spezifische Inegration von Bild und Text auch zwei latente Charakteristika des Humanismus ab: die „[…] ‚sprachliche‘ Wende, und schließlich eine Aufwertung des Ikonischen“ – beide zu gleichen Teilen „Explikate der Selbstannahme des Menschen“.51 ­Unter diesen Vorzeichen war das Traktat vom Versuch gekennzeichnet, eine Bildstruktur zu en­twickeln, die „fundamental an der Logizität der Sprachstruktur […] und der Satzform mit ihrer Definitions­ struktur [orientiert]“ war.52 Es war zugleich ein Versuch, eine analog zur ­lingua parlata fungierende lingua desginata zu etablieren, die einem vergleichbar ­normativen Regelwerk folgt. Analog zu grammatikalischen Elementen der Sprache offerierten die Ragionamenti entsprechend Grundbestandteile der figürlichen Linienzeichnung, aus denen sich nach und nach die Konturen des menschlichen Körpers zusammenfügen ließen.

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Cennini 1400, Kap. LXXI, zit. n. Frezzato 2003, S. 118. Bocchi 1567, zit. n. Williams 1989, S. 124. Dickel 1987, S. 77. Vasari 1568, Della pittura: Kap. XVI, zit. n. della Pergola/Grassi/Previtali 1967, Bd. 1, S. 121–124. Allori 1560, zit. n. Barocchi 1973, Bd. 2, S. 1944 f. Hierfür u. a.: Alberti 1435, Liber III: § 55, zit. n. Bätschmann/Schäublin 2000, S. 296. Dickel 1987, S. 77. Leinkauf 2011, S. 30. Leinkauf 2011, S. 39.

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Kontur

Andere Aspekte der Zeichnung wurden hingegen von Allori marginalisiert, etwa die chiaro­scuro erzeugende Schraffur, da er sich auf den formsuchenden Kontur konzentrierte. Die Schraffur ist in Folge auch außerhalb des sprachlichen und regelhaften Systems, das Alloris Ragionamenti vorschlugen.53 Im gleichen Atemzug wurde der Kontur in diesem dezidiert künstlerisch-instruktivem Kontext von seiner Assoziierung mit der difficoltà getrennt und konterkarierte auf diese Weise zeitgleiche kunsttheoretische Auseinandersetzungen. Die reine (Umriss-)Linie wurde gleich zu Beginn von Alloris Abhandlung in einer verblüffend modern anmutenden Explikation als wesentliches graphisches Mittel eingeführt: Zeichnung sei demnach alles in der Kunst, was mittels „der Kraft simpler Linien geformt“ werden könne („per il disegno intend’io tutte quelle cose che si possono formare con il valore o forza delle semplici linee“).54 Hier werden wiederholt die Potenziale und (wirkungsästhetischen) Kräfte der zeichnerischen Linie aufgerufen („è grande, molto grande la forza del disegno o del tratto“).55 Wenngleich sich Allori von der Vorstellung entfernte, der Kontur sei mit künstlerischen Herausforderungen verbunden, holte er andere etablierte Diskurse zum Kontur mit der Betonung seiner ästhetischen Potenziale wieder ein.

Optizität Während Allori, dem Kontext der Ragionamenti entsprechend, nicht auf theoretische Überlegungen wie die grundsätzliche Unmöglichkeit, eine nonlinear perzipierte Welt mittels graphischer Linien darzustellen, einging, finden sich Auseinandersetzungen mit dem Zusammenhang von menschlichem Sehen, Optik und (graphischer) Linie in anderen Schriften des 16. Jhs. Einige von ihnen fanden bereits Erwähnung, darunter Daniele Barbaros Beobachtung, derzufolge dem unscharfen Kontur („contorni di modo dolci, & sfumati“) die Aufgabe zukäme, das Auge von etwas zu überzeugen, das nicht da sei („anzi che l’occhio pensi di uedere, quello ch’egli non uede“).56 Doch wie lassen sich abstrahierende Linien der Zeichnung, Repräsentation einer grundsätzlich nonlinear perzipierten Welt und Optizität der Gegenstände in der linearen Matrix der Graphik in Einklang bringen?57 Diese Frage zielt im Kern zugleich auf die Wesensdifferenz von Kunsttheorie und -produktion ab, auf die inhärenten Differenzen von lingua parlata und lingua designata mit ihren je eigenen Logizitäten. Für die Schraffur relevante Themenfelder lassen sich erst über einen Umweg erschließen. Leonardo nahm wesentliche Beobachtungen anhand der Malerei vor: Seine „Kenntnis von der Malerei“ („scientia della pittura“), die sich mit den oberflächlichen Farben der Körper und deren Form beschäftigte, sei die ‚Mutter der Perspektive‘, die sich ihrerseits wiederum in drei Subkategorien unterteile: Linear-, Farb- und Luftperspektive („­prospettiva lineare“, 53 Summers 1981, S. 179. 54 Weiter zu semplici linie und corpo, etwa bei Leonardo: Pichler 2012. Zu Alloris Definition grundlegend: Reilly 1999, S. 4. 55 De Holanda 1548, zit. n. Barocchi 1973, Bd. 2, S. 1911. 56 Barbaro [1556] 1567, S. 321. 57 Der Begriff der Optizität geht meines Wissens nach auf Max Imdahl zurück: Imdahl [1974] 1996. – Zu (Reflexions-)Licht und graphischer Linie: Bojilova 2021 A.

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„circumscriptio“: Linie als Fixierung

„prospettiva de colori“, „prospettiva aerea“).58 Für unseren Zusammenhang ist vor allem ­erstere von Interesse, da hier der Kontur („lineamenti de corpi“) in direkte Verbindung zur Linear­perspektive gebracht wird. Ungleich Alloris Beobachtung, derzufolge Konturlinien grundsätzlich nicht verschattet und damit nicht Bestandteil des natürlichen Lichtgefüges waren, assoziierte Leonardo den disegno bzw. Kontur – im Gegensatz zu Linien im Allgemeinen – unmittelbar mit der Wirkung des chiaroscuro. Der chiaroscuro ging überhaupt erst aus dem Kontur hervor.59 Grundlage hierfür war erneut die Assoziierung des chiaroscuro mit Bewegung, Kontinuität, Wandel und einer nahezu infiniten Variabilität60 im Sinne einer „weniger stabilen Realität“.61 Leonardos Überlegungen basierten auf kunsttheoretischen Vorläufern. Motiviert durch sein Interesse an Problemen der Vorstellung vom perspektivischen Sehen, theoretisierte bereits Alberti den Kontur im Kontext fluktuierender Konstellationen einerseits und ihrer Wahrnehmung andererseits. Die Bedeutung des Konturs für Albertis Kunst­theorie wurde nicht zuletzt dadurch hervorgehoben, dass er einen eigens für ihn zuständigen Sehstrahl annahm.62 Weder Komposition, noch Lichteinfall, heißt es bei ­Alberti, können – unabhängig von der Umschreibung der Konturen und damit einhergehend Fixierung, Positionierung und ‚Verortung‘ („circumscriptio“)63 –, Lob erfahren.64

58 Leonardo da Vinci, Trattato della pittura, § 36, § 262, § 261, zit. n. Ludwig 1882, Bd. 1, S. 78, S. 282, S.  280. 59 „La […] prospettiva si divide in tre parti. e qui questa la prima contiene solamente i lineamenti de’ corpi; la seconda della diminuitione de’ colori nelle diverse distantie, la terza della perdita della cognitione de’ corpi in varie distantie. ma la prima, che sol’ si estende nelli lineamenti e termini de’ corpi, è detto dissegno, cioè figuratione di qualonque corpo. da questa n’esce un’altra scientia, che s’istende in ombra e lume, o’ vuoi dire chiaro e scuro […].“ Leonardo da Vinci, Trattato della pittura, § 6, zit. n. Ludwig 1882, Bd. 1, S. 7 [„[…] Perspective wird in drei Theile getheilt. Der erste von ihnen enthält die Linienzeichnung der Körper; der zweite handelt von der Abnahme der Farben in den verschiedenen Abständen; der dritte vom Verlorengehen der Deutlichkeit der Körper in verschiedenen Entfernungen. Der erste aber, der sich auf die Linien und Umrisse der Körper erstreckt, wird Zeichnung genannt […]. Von ihr geht eine andere Wissenschaft aus, die sich auf Schatten und Lichter erstreckt, oder, wie wir sagen wollen, auf das Hell und Dunkel.“ Übers. n. ebd., S. 8]. 60 „Li termini delli corpi sono di minor discorso et ingegno che le ombre e lumi, per causa chelli lineamenti de membri, che non sono piegabili, sono immutabili e sempre sono que’ medesimi, ma li siti e quantità e qualità delle ombre sono infiniti.“ Leonardo, Trattato della pittura, § 121, zit. n. Ludwig 1882, Bd. 1, S. 170 [„Die Umrisse der Dinge beanspruchen weniger Ueberlegung und Geist, als die Schatten und Lichter, aus dem Grunde, weil die Umrisse der nicht biegsamen Gliedmaassen unveränderlich sind und allezeit dieselben bleiben. Der Lagen, Grössen und Qualitäten der Schatten hingegen sind unendliche.“ Übers. n. ebd., S. 171]. 61 Rosand 2009, S. 95. 62 Alberti 1435, Liber I: § 5 u. § 6, zit. n. Bätschmann/Schäublin 2000, S. 201–205. Dazu auch: Bell 2013, S. 85. 63 Alberti 1435, Liber II: § 31, zit. n. Bätschmann/Schäublin 2000, S. 246. 64 Alberti 1435, Liber II: § 31, zit. n. Bätschmann/Schäublin 2000, S. 248. Den Gedanken der ‚Umschreibung‘ mittels Linien führt Alberti bereits zu Beginn von De Pictura ein: „Perpetuae autem superficierum qualitates geminae sunt. Una quidem quae per extremum illum ambitum quo superficies clauditur notescat, quem quidem ambitum nonnulli horizontem nuncupant; nos, si liceat, latino vocabulo similitudine quadam appellamus oram aut, dum ita libeat, fimbriam. Eritque et ipsa fimbria aut unica linea aut pluribus lineis perfinita, unica ut circulari, pluribus ut alterna flexa alterna recta, aut etiam

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Kontur

Damit war aber die Verbindung zwischen Lichtregie und zeichnerischem Kontur bzw. graphischer Linie noch nicht vollzogen. Giovanni Paolo Lomazzo verwies in seinem Trattato della pittura (1584) auf die Optik („ottica“), die sich ihren mathematischen Grundlagen nach in perspectiva – hier nicht näher spezifiziert –, sciographia („tratta compituamente delle ombre“) und specularia („reflessioni“) unterteile. Ottica teile sich in zwei Subkategorien, fisiologica („ricerca in vniuersale i pricipij, le cause, & gl’elementi di tutta la visiblilità“) und grammica, („cioè disegnatrice, laquale è necessaria più che le altre spetie alla pittura“).65 Bezeichnend ist, dass die Zeichnung hier der Perspektive zugeordnet wird, unabhängig von chromatischen und spiegelnden Aspekten des Lichts und der Farbe. Ohne darauf einzugehen, scheint für Lomazzo ebenfalls die Zeichnung primär mit der linearen Konstruktion bzw. dem Kontur der Objekte zusammenzuhängen und weniger mit dem chiaroscuro der Schraffur. Leonardo hingegen interpretierte dieses Zusammenspiel auf andere Weise: Er verband die Zeichnung mit der mathematisch konstruierbaren Linearperspektive („è detto dissegno, cioè figuratione di qualonche corpo“)66 und erkor die Linearität der Zeichnung zur Prämisse aller bildnerischen Tätigkeiten.67 Sein Credo trifft einen wunden Punkt, der später etwa bei Lomazzo wiederholt, jedoch anders gewichtet wird: Ausgerechnet die lineare Ausführung mit Optizität zu verbinden, birgt eine Aporie, die bereits in Daniele Barbaros Beobachtung anklingt und derzufolge Konturen die Augen von etwas zu überzeugen versuchen, was physisch nicht da sei („anzi che l’occhio pensi di uedere, quello ch’egli non uede“).68

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quae pluribus rectis aut pluribus flexis lineis ambiatur.“ Alberti 1435, Liber I: § 2, zit. n. Bätschmann/ Schäublin 2000, S. 196 [„Nun gibt es aber zwei Arten von beständigen Beschaffenheiten. Die eine ist gekennzeichnet durch jenen äußersten Umfang, der eine Fläche abschließt. Einige nennen diesen Umfang ‚Horizont‘ [‚Begrenzungslinie‘]; ich brauche, mit Verlaub, ein lateinisches Wort (ora) und heiße ihn – gleichsam bildlich – ‚Küste‘ (‚Rand‘) oder, wenn es so beliebt, ‚Saum‘. Ein solcher Saum besteht aus einer einzigen Linie oder aus mehreren Linien: aus einer einzigen wie z. B. aus einer kreisförmigen; aus mehreren wie z. B. aus einer gebogenen und einer zweiten, die gerade ist; oder es verhält sich so, dass [sic!] von mehreren geraden oder mehreren gebogenen Linien umfangen wird.“ Übers. n. Bätschmann/Schäublin 2000, S. 197. Hervorhebung u. Markierung übernommen]. – Zum Kontur als Begrenzungslinie bzw. Trennung weiter: Theophilus, De diversis artibus, Buch 1, Kap. X, zit. n. Dodwell 1961, S. 8. Lomazzo 1584, S. 254 f., wobei im Verlauf des Textes etwa die „pittura lineata“ spezifiziert wird. – Zur wenig behandelten Optik um 1600, vor allem in den Niederlanden: Taylor 2008, Dupré 2011, Weiss 2013. Leonardo da Vinci, Trattato di pittura, § 6, zit. n. Ludwig 1882, Bd. 1, S. 8. Fehrenbach 1997, S. 53. Barbaro [1556] 1567, S. 321.

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Ohne Worte

Ohne Worte These – Antithese Die im Verlauf des 16. Jhs. an Popularität gewinnenden Zeichen- und Vorlagenbücher boten aus künstlerisch-praktischer Perspektive mögliche Antworten auf die Frage,69 wie sich Repräsentation einer grundsätzlich nonlinear perzipierten Welt und Optizität der ­Gegen­stände mit der linearen Matrix der Graphik in Einklang bringen lassen. In der großen Fülle an Zeichen­ büchern ist insbesondere ein Werk wegweisend für die Gattung:70 Der Erfolg der von Luca Ciamberlano (ca. 1580–1641?) und Francesco Brizio (1574?– 1623) nicht näher datierbaren, in Kupfer gestochenen Scvola perfetta,71 lag u. a. in der formalen Struktur der Bildtafeln begründet. Die zweikolonnige Parallelisierung von Kontur und Schraffur wurde für Zeichenbücher zwar nicht zum Standard, prägte sie aber maßgeblich.72 Im späten 17. Jh. erfuhr Ciamberlanos Scvola perfetta mehrere Auflagen, die als Grundlage für andere Zeichenbücher dienten. Das Werk stellte ein Gegengewicht zur Accademia del Disegno dar73 und stand in direktem Zusammenhang zur Accademia degli ­Incamminati – jener bologneser Zeichenakademie, die maßgeblich zum Ruhm der ­Carracci beitragen sollte und an der Ciamberlano Schüler gewesen war.74 Seine Verbindung zur Accademia di S. Luca in Rom75 ist zudem seit der Mitte der 1620er Jahre belegt.76 Als Zeichnungsvorlagen dienten Ciamberlano und Brizio u. a. Arbeiten von Agostino Carracci (1557–1602), ­Federico Barocci (1535–1612) und Michelangelo.77 Im Gegensatz zu Alloris Bestrebung, mit den ­Ragionamenti

69 Peter M. Lukehart (2015) betont hingegen, dass sich keine Hinweise darauf finden, dass Zeichenbücher beim Zeichnenlernen in den Werkstätten Verwendung fanden. 70 Für Weiteres: Einen Überblick über Zeichenbücher in Venedig, die hier im Folgenden nicht thematisiert werden, bietet Catherine Whistler (2015). 71 Daneben finden sich in manchen Ausgaben der Scvola perfetta auch Signaturen des Römischen Verlegers Pietro Stefanoni (ca. 1557–ca. 1624). 72 Vorläufer dieses Konzepts finden sich bereits in der Mitte des 16. Jhs., so etwa Behams Kunst und Lere Büchlin (1546), das mit einem vergleichbaren sukzessiven Bildaufbau operierte. Zuletzt bot ­Caroline Fowler einen Überblick über die Gattung, auch mit Verweis auf Ciamberlano: Fowler 2016, insb. S. 71–86. 73 Reilly 1999, S. 15. 74 Hierzu weiter: Heilmann/Nanobashvili/Pfisterer 2014, Kat. Nr. 8.2., S. 203. 75 Zum gängigen Erlernen des Zeichnens in der Accademia di S. Luca unter Taddeo und Federico Zuccaro: Lukehart 2007. Peter Lukehart unterstreicht, wie wichtig die Grundlagen der Zeichnung für den Unter­ richt waren, jedoch nicht ohne den theoretischen Rekurs, den Federico Zuccaro in der Accademia di S. Luca einfließen ließ, außer Acht zu lassen. Im zweiwöchigen Turnus wurden kunsttheoretische Vorträge zur Bedeutung der Zeichnung an der Akademie abgehalten: Lukehart 2007, S. 105 f. 76 Lukehart 2015, S. 47. 77 Dabei ist Ciamberlano mit der Übernahme von Zeichnungen berühmter Künstler für Vorlagenbücher kein Sonderfall. In Odoardo Fialettis (1573–ca. 1638) Tutte le parti del corpo hvmano (1608) finden sich im Appendix zwei in den Buchdruck übertragene Radierungen nach Jacopo Palma il Giovanes (ca. 1548–1628) Hl. Familie und Predigender Christus. Dass diese beiden Sujets den Abschluss des Traktats bilden, wäre unter der Prämisse kohärent, dass Fialetti seine Sujets – angefangen mit einzelnen anatomischen Details und Körperteilen – mit Verlauf des Buchs zunehmend verdichtet, sowohl kompositorisch als auch in der mittels Schraffen ausgestalteten Binnenzeichnung. Dies mündet didaktisch in

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Kontur

8  Juan Valverde de Amusco: Historia de la ­composición del cuerpo humano […], 1556, Bd. 2, Taf. 15

primär dilettanti zu addressieren, richtete sich die Scvola perfetta an angehende Künstler im frühen Stadium der Ausbildung.78 Ciamberlanos Interesse am ­menschlichen Körper, seiner Muskulatur und seinem Knochenbau traf zudem den Nerv seiner Zeit: Mit der ersten italienischen Übersetzung von Albertis De Pictura und der Akzentuierung des aus der Antike entlehnten Diktums, dass ein guter Zeichner des menschlichen Köpers zu allererst Kenntnis der Anatomie erlangen müsse, rückten diese Aspekte zunehmend ins Zentrum des Zeichenunterrichts. Zeitgleich entstanden Anatomietraktate wie etwa Andreas Vesalius’ (1514–1564) De humani corporis fabrica (1543) und Juan Valverde de Amuscos (ca. 1525–1588) Historia de la composición del cuerpo humano (1556), die Allori seinen Lesern empfiehlt, sollten sie tiefgreifendes anatomisches Wissen erwerben wollen, das seine Scvola perfetta nicht bedient (Abb. 8). Die Tafeln seines Zeichenbuchs konzentrieren sich zu Beginn des Werks stark auf den Kontur (Abb. 9) und scheinen damit eine bildliche Antwort auf die Kunst­ literatur ihrer Zeit zu bieten, die ebenfalls die Rolle des Konturs für die Bildkünste betonte. der vollendeten Komposition, wie man sie am Ende des Buchs in den beiden Kopien antrifft: Lukehart 2015. Alexander Brownes Ars pictoria (1669) rekurriert in einer Marginalie unmittelbar auf Fialettis Darstellungsweise eines Kopfes. Browne 1669, S. 6 f. 78 Die Scvola perfetta wurde, wenngleich mit kleineren Variationen, auch als Vorlage für Paul Fürsts (1608–1666) Theoria artis pictoriae (1656) verwendet, ohne dass explizit auf sie verwiesen wird. Dafür dienen u. a. Crispin van de Passe d. J. (1593/94–1670) als künstlerische und Abraham Bosse als theoretische Referenz.

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Ohne Worte

9  Luca Ciamberlano: Scvola perfetta […], Taf. 1

Tatsächlich verkompliziert die komplexe Bildfolge der Scvola perfetta im weiteren Verlauf eine solche Lesart. Das hier erstmals im Druck praktizierte „additive Verfahren“ präsentiert gleich in der ersten Tafel des Zeichenbuchs (Abb. 9) fragmentarisch Teile des menschlichen Körpers,79 wobei den Bildtafeln kein explikatorisch-instruktiver Text beigefügt wurde und sie somit der einzige Modus der Vermittlung waren.80 Dieser spezifische Aufbau der Tafeln im Zeichenbuch – zwei in Kolonnen aufgeteilte Bilderreihen in einer Aufteilung der reinen Konturzeichnung und einem schraffierten Pendant – demonstriert „[…] an overview of progressive practical training; a hierachy of the senses from sight to taste (top to bottom); and a division between amateur and professional practices (left to right).“81 Die Bildtafeln des Zeichenbuchs rekurrierten weniger auf anatomische Traktate als vielmehr auf die zeichnerischen Œuvre berühmter Zeitgenossen, weswegen entsprechende Ver­ suche, Ciamberlanos Tafeln bekannten Zeichnungen in seinem Umkreis zuzuordnen, früh 79 Pfisterer 2007, S. 4, in: Valesio 1614. 80 Caroline Fowler beobachtet treffend, dass Zeichenbücher nicht nur überwiegend auf beigefügte explikatorische Texte verzichten, sondern sich auch selbst einer Versprachlichung verschließen: Fowler 2016, S. 13–17. 81 Lukehart 2015, S. 52. Dazu auch Hans Dickel, der von einer „Trennung von bloßer Umrißzeichnung und schattierter Zeichnung“ spricht: Dickel 1987, S. 72. Ebenso: DeGrazia 1995, S. 170. Hier verweist die Autorin auch auf die Orientierung der Scvola perfetta an den Techniken der Vorlagezeichnungen.

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Kontur

unternommen wurden. Nicht nur in Bezug auf die Schraffur orientierte sich Ciamberlano bisweilen besonders eng an seinen zeichnerischen Vorlagen. Dazu zählen u. a. Zeichnungen von der Hand Agostino Carraccis. Auch der kompositionelle Aufbau der Figuren war an die Agostinos Zeichengewohnheit angelehnt. Wie DeGrazia herausgearbeitet hat, legen mehrere Zeichnungen Agostinos den Schluss nahe, dass Ciamberlano ihnen das allmäh­liche Herausschälen einer Figur von der reinen Konturzeichnung zur ausschraffierten Fassung entnommen hat.82 Rudolf Wittkower indes beobachtete, dass Ciamberlano das Motiv des Ohrs (Abb. 9) aus einem von Agostino Carraccis Studienblättern entnahm (Abb.10).83 Manche der zeichnerischen Vorlagen, darunter dieses Blatt, waren bereits zu ihrer ­Entstehung berühmt: Bei dieser Zeichnung handelt es sich um das „orecchione di Agostino“, dem Carlo ­Cesare Malvasia (1616–1693) in der 1678 erschienenen Lebensbeschreibung des Malers Cesare Baglione (ca. 1525–1590) eine prominente Rolle zuschrieb. Malvasia zufolge verwahrte Baglione das Blatt zusammen mit anderen Zeichnungen auf, um einen von berühmten Künstlern gezeichneten Fundus „sämtlicher Körperteile“ („tutte le parti del corpo humano“) zusammenzustellen.84 Ciamberlanos Eingriffe – motivische Isolierung, Skalierung sowie die technische Adaption von Zeichnung zu Kupferstich – hatten weitreichende rezeptionsästhetische Folgen für die Adaption der Zeichnungen in den Druck. Die Bild­elemente in der Scvola perfetta verlieren auf diese Weise ihren skizzenhaften Charakter, die Spontanität der Komposition. Sie werden aufgrund kompositorischer Rearrangements entweder als ­Einzelfiguren monumentalisiert oder durch das zweikolonnige Bildsystem in einem mitunter schematischen Gefüge aus Kontur und Schraffur präsentiert. In sich teils in Variation der Position und Körperhaltung wiederholenden Figurenstudien veranschaulichte die Scvola perfetta analog nicht nur figurale Grundelemente des Zeichnens, sondern Grundelemente zeichnerischer Fakturen und Schraffurmodi: In den zahl­reichen Bildtafeln wurden auf mimetische Weise mittels unterschiedlicher Schraffurtechniken Optizitäten wie etwa weicher Pelz, glänzende Gewänder, angespannte Muskelpartien, springende oder spröde Haarlocken, feuchte Augen, einfallendes Licht oder beinahe auf Konturen reduzierte Andeutungen von Schraffur präsentiert.85 Zurecht kommt Peter ­Lukehart mit Blick auf diese graphische Vielfalt zum Schluss: „the artist proves that he has mastered the rudiments of drawing and conquered nature (everything?).“86

82 Cf. hierfür u. a. Windsor Castle, Royal Library, RL 02164 sowie ebd., RL 01939. DeGrazia 1995, S. 170. 83 Cf. dazu auch ein von Wittkower nicht erwähntes Studienblatt mit der Hinteransicht von Beinen: ­Paris, Fondation Custodia, Inv. Nr. 2551. – Andere Beiträge argumentieren dafür, dass Michelangelos ­Zeichnungen für das Jüngste Gericht die Vorlage für den Kupferstich in der Scvola perfetta darstellen: Heilmann/Nanobashvili/Pfisterer 2014, Kat. Nr. 8.2, S. 205. 84 Malvasia 1678, Bd. 2, S. 349. 85 Cf. hierzu Schulze Altcappenberg/Thimann 2007, wo diese Tafeln auf ihre chiaroscuro-Wirkung reduziert werden. Ebd., S. 68. Cf. dazu auch die Augenpaare in Crispin van de Passes Zeichenbuch: Van de Passe 1643, Teil 1, S. 25. 86 Lukehart 2015, S. 53.

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Ohne Worte

10  Agostino Carracci: Studie zur Rückkehr des verlorenen Sohns

Tatsächlich wurde bisher die technische Umsetzung der zeichnerischen Vorlagen größtenteils außer Acht gelassen. Wittkowers noch heute grundlegende Studie der Carracci-­ Zeichnungen (1952) konzentrierte sich ausschließlich auf die Motivauswahl und war von der Annahme geleitet, dass Ciamberlano die Elemente, die er den Carracci-Zeichnungen entnahm, in puncto Schraffur und Übertragung in den Kupferstich weitgehend eigenständig entwickelte. Eine bislang unpublizierte Serie von Fußstudien, die heute ­Agostino

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Kontur

11  Luca Ciamberlano: Scvola perfetta […], Taf. 2

12  Agostino Carracci (zug.): Fußstudien

­ arracci zugeschrieben wird, konterkariert jedoch diese Annahme.87 So offenbaren ­Tafel 2 C in ­Ciamberlanos Werk (Abb. 11) und eine nicht näher datierte Federzeichnung von Agostino (Abb. 12) ihre gleichermaßen motivische wie technische Nähe.88 Obwohl bisher angenommen wurde, dass es sich bei Tafel 2 der Scvola perfetta um eine Adaption des Windsor Blattes handelt (Abb. 13), das eine serielle Anordnung von Fuß- und Beinstudien darstellt, erscheint es in dieser Gegenüberstellung der heute in Amsterdam aufbewahrten Zeichnung mit Ciamberlanos Bildtafel aufgrund der Faktur des Kupferstichs wahrscheinlicher, dass ­Ciamberlano die Schraffur des Amsterdamer Blattes eingehend studierte und anschließend in den Druck übertrug. In diesem Prozess folgte er der Schraffur der Vorlage genauer als bisher angenommen. Die untere der beiden mit brauner Feder gezeichneten Fußstudien (Abb. 12) etwa wurde nahezu liniengenau in den Kupferstich übertragen. Minimal abgewandelt wurde die Haltung der Zehen. Vermutlich um sich nahtlos in die Lichtregie seines Blattes zu fügen, wurde zusätzlich der ursprüngliche Schattenverlauf der Studie umgekehrt. Die obere Fußstudie hingegen transferierte Ciamberlano – trotz der Drehung des Motivs, um

87 Diese Annahme vertritt auch Diane DeGrazia: DeGrazia 1979, S. 58. – Cf. hier auch die anderen überlieferten Fußstudien, u. a.: Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv. Nr. RP-T-1958-51, RP-T-1958-52, RP-T1958-53, RP-T-1958-54. 88 Cf. zum oberen Fußpaar in Ciamberlanos Stich ein Studienblatt nach Raffael: Wien, Graphische Sammlung der Albertina, Inv. Nr. 262.

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Ohne Worte

13  Agostino Carracci oder Lodovico Carracci (?): Studienblatt

die Integration in die ­Komposition des Kupferstichs zu ermöglichen – mit nur geringfügigen Änderungen hinsichtlich der Faktur. Wenngleich die Zeichnung eine lockerere Anordnung der Schraffur demonstriert, wurde für den Druck eine Synthese aus der Schraffur beider Fußstudien gewählt. Die Zehen folgen größtenteils der zeichnerischen Vorlage, während die tiefen Schattenpartien der Fußsohle jene der unteren der beiden Fußstudien aufgreifen. Die in Agostinos Zeichnung lediglich angedeutete Gestaltung der Hintergründe, von denen sich seine kompositorischen Studien absetzen, gestaltete Ciamberlano auf eigenständige Weise. Hier wird innerbildlich zwischen Schattenwürfen und schematischen Hintergründen unterschieden und dieser Unterschied sogleich mit entsprechenden Fakturen markiert. Für Schattenwürfe wurden Kreuzschraffuren in Form von Rauten gewählt, für den schematischen Hintergrund zur rechten Tafelseite eine engmaschige Schraffur, die zuweilen mit kleinen Punkten in helleren Partien aufge­lockert wurde. Dieses in deiktische Demonstration mündende, rein visuelle ‚close viewing‘ der Schraffur bediente sich unterschiedlicher kompositorischer Strategien, beispielsweise der ­systematischen Gegenüberstellung unterschiedlicher Fakturen.89 In diesem Sinn setzte sich die Scvola ­perfetta von anderen Zeichenbüchern ihrer Zeit ab. Modellzeichenbücher wie etwa Gasparo ­Colombinas und Philipp Esengrens Discorso sopra il modo di disegnare (1650?) ­verwendeten 89 Für gegenteilige Meinung, die m. E. nicht anhand des von der Autorin herangezogenen Bildmaterials schlüssig wird: Cf. Nanobashvili 2018, S. 90 f.

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Kontur

14  Gasparo Colombina und Philipp Esengren: ­Discorso sopra il modo di disegnare […], 1650 (?), Taf. 1

15  Gasparo Colombina und Philipp Esengren: Discorso sopra il modo di disegnare […], 1650 (?), Taf. 2

zwar das kompositionelle all-over-Prinzip, das Ciamberlano einführte. So sind auf den ersten beiden Tafel eine Vielzahl von Augenpaaren mehrfach in stets in minimal variierter Ansicht und Führung der Schraffur abgebildet (Abb. 14 und Abb. 15). Jedoch fällt unweigerlich auf, wie Esengren und Colombina hier nicht das gleiche Maß an Variationsmöglichkeiten graphischer Fakturen demonstrieren. Vielmehr war allein die ­Drehung und Positionierung des Motivs von Belang. Ciamberlano legte in der Scvola perfetta einen anderen Schwerpunkt. Seine Tafeln visualisieren auf stringente Weise analog zum bipolar gedachten Verhältnis von Kontur und Schraffur beispielsweise unterschiedliche Fakturen für Kinn- und Augenpartien. Dies verdeutlicht Tafel 3 des Werks (Abb. 16).90 Ob hier ­Ciamberlano möglicherweise zeichnerische Vorlagen wie Michelangelos Studienblatt – und dort speziell die filigran ausgestaltete Mundstudie – im Sinn hatte (Taf. 1), muss offen ­bleiben. Es sticht ins Auge, wie intensiv bereits erprobte zeichnerische Fakturen und Bildmotive in den Kupferstich übernommen wurden. Gleichzeitig wurde das auf Tafel 1 (Abb. 9) wieder­gegebene Verhältnis von Kontur und Schraffur weiter verkompliziert.

90 Für eine vergleichbare Analyse zu einem anderen Blatt Ciamberlanos: Fowler 2016, S. 76–78.

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Ohne Worte

16  Luca Ciamberlano: Scvola perfetta […], Taf. 3

In der linken oberen Bildhälfte findet sich zum einen ein hervorspringendes Kinn, das größtenteils hell erleuchtet erscheint, indem es lediglich von der rechten Seite her mit lockeren, leicht kurvierten Parallelschraffuren modelliert wurde. Der immer wieder abbrechende Kontur im unteren Bereich des Kinns bzw. des Halses scheint Mellans Standbild des Hercules zu antizipieren (Abb. 1), bei dem der Künstler die hellsten Lichtpartien ebenfalls lediglich durch skizzenhafte Konturlinien andeutete. Diesem Kontur wird dadurch Plastizität verliehen, dass er auf der linken Seite mit einer lockeren Skizzierung von Schraffuren hinterfangen wird. Das Bündel an Parallelschraffur entwickelt keinerlei Zusammenhang zur darunterliegenden Anatomie der Gesichtsstudie. Es obliegt somit dem Betrachter, sie als Andeutung des Halses zu interpretieren oder als abstrakte Linienformation, deren Zweck sich darin erschöpft, die kupferstichartige Faktur der Figurenstudie kontrastierend zu hinterfangen. Dafür spräche, dass sie nach unten hin in einer sich schlängelnden Bewegung ausläuft. Diese scheinbar mit der Feder geführte Linie lenkt den Blick des Betrachters vielmehr zurück auf die mimetischen Potenziale der Faktur im Bereich des Gesichts. Ciamberlano führt den sich wie These und Antithese verhaltenden Bildentwurf auf dieser Tafel konsequent weiter: Rechts daneben steht ein im Kontrast stark verschattetes, mit geraden Parallelschraffuren definiertes Kinn. Diese Gegenüberstellung des gleichen Motivs provoziert den Betrachter

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Kontur

18  Agostino Carracci: Detail von 17

17  Agostino Carracci: ­Studienblatt

zum vergleichenden Sehen91 – zum Blick, der kontinuierlich zwischen beiden Motiven wechselt, um mitunter subtile Differenzierungen in der Faktur zu beobachten. Bei einem solchen vergleichenden Sehen fällt beispielsweise auf, dass das Motiv hier in je unterschiedlichen Lichtsituationen wiedergegeben wurde; während sich beim linken Motiv die Lichtquelle am linken Bildrand befindet, ist die rechte Abbildung von rechts beleuchtet. Möglicherweise um diesen veränderten Lichtsituationen Rechnung zu tragen, wurden unterschiedliche Schraffuren zur Gestaltung der Münder verwendet. Beim rechten Motiv erhebt sich die Oberlippe der Studie aus einem dichten Netz an Kreuzschraffuren, die tiefe Schatten suggerieren. Links wurde die Oberlippe mit wellenartig verlaufenden Parallelschraffuren gestaltet. Sie wirken im Kontrast wie Halbschatten, suggerieren aber zugleich das Hervortreten des Amorbogens, der beim linken Motiv weniger durch den Gebrauch von Schraffur als durch einen Glanzpunkt in Form einer weißen Auslassung indiziert wurde. Die Größe der Kupferstichtafeln spielte hier eine entscheidende Rolle in Hinblick auf die Eigenheiten der Schraffur (Abb. 16):

91 Grundlegend zum vergleichenden Sehen von Bildern: Grave 2015.

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Ohne Worte

Die Bildtafeln der Scvola perfetta legen aufgrund der monumentalisierenden Größe der Motive natürlicherweise Eigenheiten der Faktur offen, die die Zeichnungsvorlagen mittleren Formats erst in der Nahsicht erkennen lassen (Abb. 17 und Abb. 18). Im Kupferstich wird das mimetische Potenzial der Schraffur nicht nur wortwörtlich hervorgehoben, sondern zudem weiter erkundet: Die in der unteren Bildhälfte angelegten Einzelstudien dreier Augen visualisieren weiterhin die enge Verknüpfung von Optizitäten, graphischer Technik und deiktisch-instruktiver Demonstration von Schraffurmodi: Während das oberste der drei in Pyramidalform angeordneten Augen mit kurzen parallelen Schraffuren angedeutet wurde und Pupille und Iris einheitlich matt und glanzlos erscheinen, wirkt das untere linke Auge, insbesondere im unmittelbaren Kontrast minuziös mimetisch ausgearbeitet. Durch die rund verlaufenden und immer wieder von Linien, die von der Pupille ausgehen, durchkreuzten Parallelschraffuren wird der Eindruck der Vielfarbigkeit für die Iris erzeugt. Die Pupille tritt in einem satten, sich gegen die Schraffur absetzenden Schwarz hervor. Gleichzeitig greift die Darstellung der Augen das bereits für die oberen beiden Studien eingeführte Motiv des Glanzpunktes zur Evokation plastischer Werte wieder auf: Glanzpunkt und Feuchte des Augapfels wurden durch eine große und eine wesentlich kleinere Leerstelle im Strich­system indiziert. Dies dokumentiert ein bereits von Agostino Carracci in jener Zeichnung an­legtes Interesse an Optizitäten (Abb. 18). Die Zeichnung zeigt in der oberen linken Ecke zwei Aug­ äpfel, von denen der obere mit einer scharf profilierten Iris ohne Binnenschraffur angelegt wurde, während die darunter liegende Variation als nahezu antithetisches Pendant dieses Darstellungsmodus erscheint. Hier ist die Iris mit einer feinen Parallelschraffur ohne harten Kontur zu sehen. Unter rezeptionsästhetischen Gesichtspunkten demonstriert diese Tafel die Dynamisierung des Motivs und des Sehprozesses. Genau hierin liegt der Grund für ­Ciamberlanos Entscheidung, dem Zeichenbuch keinen explikatorischen Text beizufügen. Implizit verließ er sich darauf, dass die Feinheiten, Nuancierungen und Variationen von Schraffur und Kontur im grundsätzlich begriffslosen Rezeptionsakt aufgehen.

Bildvergleiche Den Bildtafeln der Scvola perfetta lag noch ein weiteres Moment inne, das sich bereits zu Beginn des Werks auf Tafel 3 (Abb. 16) andeutet und dessen Implikationen und Konsequenzen Ciamberlano im Verlauf der Bilderfolge vollends entfaltet. Das kompositionelle ­Arrangement einzelner Detailillustrationen lenkte den zwischen den jeweiligen Kolonnen und Kompositionselementen oszillierenden Betrachterblick. Die Scvola perfetta überträgt dieses Prinzip des vergleichenden Sehens von einzelnen Kompositionselementen auf konsequente Weise sogleich auch auf das Vergleichen der Fakturen von aufeinanderfolgenden Tafeln und sogar jener Bildbereiche, denen Ciamberlano vordergründig den Anschein gab, einen geringeren Stellenwert zu haben. Im Modellbuch sind gleich mehrere Tafeln abgedruckt, auf denen geradlinige Parallelschraffur als schematisierter Hintergrund dient (Abb. 19 und Abb. 20). Die Schraffur zielte darauf ab, anhand der jeweiligen Komposition einer jeden Tafel neu interpretiert und kontextualisiert zu werden: Der Einsatz von Parallelschraffur indizierte auf einigen Tafeln ­Halbschatten,

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Kontur

19  Luca Ciamberlano: Scvola perfetta […], Taf. 31

während die gleiche Faktur auf anderen einen standardisierten Hintergrund zur Hervor­hebung der Figur bildet.92 Obwohl eine Vielfalt möglicher Schraffurtechniken zu beobachten ist, handelt es sich dabei zu keinem Zeitpunkt um eine referentielle Aufladung.93 Vielmehr ­entsteht der Eindruck, Ciamberlano würde nicht nur Schraffur­striche für ­figurale ­Gestaltungen vorführen, kontrastieren und sie anhand unterschiedlicher ­Gegenstandsoberflächen und Texturen variieren, sondern simultan auch diverse ­Verwendungsmodi der Schraffurlinie für 92 In diesem Zusammenhang beobachtete Wittkower unter Berufung auf Bartsch, dass die ­Darstellungen einer Frau im strengen Profil in Ciamberlanos Scvola perfetta (Taf. 17, 26, 27, 28 u. 29) aus der Zeichnung in Windsor (RL 01836, vergleichbar mit RL 01928) hervorgegangen ist, die in der Tradition von ­Kopien nach antiken Gemmen steht: Wittkower 1952, Kat. Nr. 152 u. Kat. Nr. 157. Ferner verweist David Rosand im Zusammenhang mit Studien Ciamberlanos, die keinen Eingang in die ­Scvola perfetta gefunden haben und die Köpfe im strengen Profil zeigen (London, British Museum, Inv. Nr. B XX,18,160,11), auf eine Federzeichnung Agostino Carraccis (L.A., J. Paul Getty Museum, Inv. Nr. 86.Ga.726). Rosand 2001, Abb. 132 u. Abb. 133, S. 137. 93 Bereits Nelson Goodman hat auf die Unmöglichkeit der Skizze im Gegensatz zur musikalischen Nota­ tion oder Schrift, semiotische bzw. semantische Bedeutung anzunehmen, hingewiesen: Goodman [1969] 1979, insb. S. 192–194. Zur Semiotik graphischer Elemente, auch mit Verweis auf Goodman: Elkins 1995.

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Ohne Worte

20  Luca Ciamberlano: Scvola perfetta […], Taf. 37

nicht­figürliche, abstrakte Hintergründe. Die grundsätzliche Herausforderung oder gar Unmöglichkeit, Schraffur im referentiellen oder gar semiotischen Sinn zu interpretieren, wird hier am deutlichsten vor Augen gestellt: Tafel 31 (Abb. 19) zeichnet sich beispielsweise durch eine der Handzeichnung entlehnte Hintergrundschraffur aus, die etwa von Andrea Mantegna (1431–1506) zur kompositorischen Hinterfangung der Figur benutzt wurde (Abb. 21). Durchblättert man das Zeichenbuch weiter, sticht Tafel 37 ins Auge (Abb. 20), eine Darstellung der Hl. Lucia, deren Faktur auf schematisch-standardisierte Hintergründe in der Druckgraphik verweist (Abb. 20). Die Hintergründe erfüllen noch eine weitere Funktion: Ciamberlano lenkt durch sie – wie zuvor auf Tafel 3 (Abb. 16) – den Blick des Betrachters auf die Details der Darstellung und damit zurück auf ihre Faktur: Dem ­Hintergrund in Tafel 31 (Abb. 19) fehlt im Gegensatz zur Tafel 37 (Abb. 20) beispielsweise der rahmende Rand; er verliert sich entlang des Plattenrands stellenweise in einer skizzenhaften Andeutung zur rechten Seite, wechselt etwa in der unteren linken Ecke die Führung der Taille oder überlappt sich. Der Duktus des Hintergrunds korrespondiert auf diese Weise mit der skizzenhaften Ausführung des Gewands der Porträtierten, ebenso wie die rigoros parallel geführte Schraffur in Tafel 37 (Abb. 20) als idealtypischer Hintergrund für die detailliert ausgeführte

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Kontur

21  Andrea Mantegna: Sitzende Madonna mit Kind, ca. 1465–1475

Darstellung präsentiert wird. Mit ähnlichen Mitteln wie in Jan Mullers (1571–1621) Porträt von Joost Sijbrandtsz. Buyck (Abb. 22) bildet in der Darstellung der Hl. Lucia (Abb. 20) die geradlinige Kompromisslosigkeit des Hintergrundes ein ausbalancierendes Moment zur überwiegend kurvilinear modellierten Figur, die erneut Optizitäten der jeweiligen Gegenstände zwar indiziert, jedoch nie im semiotischen Sinn festschreibt. Diese Negierung der semiotischen (Schraffur-)Linie wie sie etwa in der ­Heraldik Verwendung fand, offenbart eine weitere Facette der Scvola perfetta. Sie entfaltet, wie für diese Gattung typisch, ihr instruktives Potenzial gerade in der Sprachlosigkeit und verlässt sich auf das Auge des Betrachters, feine Nuancierungen von minimal veränderten Schraffuren zu erkennen, ohne dass es Versprachlichung bedarf: Eine leicht veränderte Handhabung der Feder bzw. des Grabstichels resultiert sogleich im veränderten rezeptionsästhetischen Gehalt des Strichs. Eindrucksvoll demonstriert das die Abfolge einer mit motivischer Variation doppelt abgebildeten Illustration, deren Zwillingscharakter den Eindruck erweckt, dass sich die zwei Bilder wie These und Antithese zueinander verhalten (Taf. 2 und Taf. 3).94 Damit

94 Die Tafeln sind auch nicht zu vergleichen mit zeichnerischen Studien aus der Zeit, beispielsweise ­Bandinellis Kopfstudien eines jungen Mannes (Paris, Cabinet des dessins du Louvre, Inv. Nr. 110) sowie einer Bandinelli zugeschriebenen, kompositorisch wie stilistisch vergleichbaren Zeichnung (ebd., Inv. Nr. 141). Hier werden zwar die Ansichten der Köpfe graduell verändert, die Technik aber nicht.

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Ohne Worte

22  Jan Muller: Porträt von Joost Sijbrandtsz. Buyck

wiederholt das Modellbuch erneut seine eigenen Bildprinzipien.95 Die Zwillings­tafeln ­zeigen einen jungen Mann mit je leichten physiognomischen Änderungen, dessen mit ­Tränen überströmtes Gesicht – sei es durch einen Schrei oder durch Schmerz – verzerrt ist. Die Schraffur der beiden Tafeln könnte unterschiedlicher kaum sein. Die Illustrationen weisen unterschiedliche Größen auf, aber die entsprechenden Nuancierungen in ihrer Wirkungweise lassen sich nicht ohne Weiteres allein auf die Skalierung des Motivs zurückführen. Während die Schraffur auf Taf. 14 des Zeichenbuchs (Taf. 2) in einer feinen, aber weitgehend geraden Parallel­ schraffur verharrt, entwickelt die subtil kurvierte und flexible Parallel­schaffur der darauf­ folgenden Abbildung eine sich deutlich abzeichnende Muskulatur, die die ­Anspannung der

95 Die Vorbilder für diese Tafeln sind im Gegensatz zu anderen Motiven des Zeichenbuchs schwer zu benennen; unter den möglichen Referenzwerken sind u. a. Cornelis Corts (1533–1578) Haupt der Medusa oder die Antonio Salamanca (1479–1562) zugeschriebene Medusa, die eine Adaption von ­Michelangelos berühmter Zeichnung Furie mit wehendem Haar ist. Gleichzeitig ist denkbar, dass die beiden Zwillingsbilder freie Interpretationen von Masken sein könnten, von denen zahlreiche an Medusen erinnern, wie Ciamberlano sie im von Antonio Lafreri (1512–1577) publizierten Libro delle ­Maschere (1573) vorgefunden haben könnte. – Zu Lafreris Werk: Miller 1999, S. 126–131. Zur Medusa: Die Neuzuschreibung an Salamanca ist mit einem Fragezeichen versehen worden: Sellink 2000, Bd. 3, S. 243. Cf. für einen größeren Kontext des Motivs auch: Francesco Salviati, Medusa, ca. 1540 (Indianapolis Museum of Art, Inv. Nr. 47.13). Lafreri, der in der zweiten Hälfte des 16. Jhs. zu einem der erfolgreichsten Verleger für druckgraphische Werke in Rom avancierte, lässt sich auch als Herausgeber einiger Kupferstiche im Umkreis von Cornelis Cort nachweisen. Bury 2001, S. 115.

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Kontur

Figur um ein Vielfaches intensiver transportiert. Wie bereits in zahlreichen anderen Tafeln des Zeichenbuchs stehen auch hier die Fakturen in unmittelbarem Zusammenhang zum wirkungsästhetischen Potenzial und verwischen somit die Grenzen zwischen Produktions- und Rezeptionsästhetik: Aus der balancierten Verteilung von Parallelschraffur und der ihr fast im rechten Winkel gegenüberstehenden Kreuzschraffur indiziert die Faktur in einem subtilen chiaroscuro die Profilierungen der Muskulatur, wie sich am deutlichsten in der Wangenpartie des Mannes auf Taf. 15 zeigt (Taf. 3). Simultan, aber weitgehend losgelöst von Versuchen, das sprachlich nur schwer Fass­ bare der Schraffur zu semantisieren, ergibt sich aus der Zusammenschau und dem Vergleich der einzelnen Tafeln eine gänzlich andere Reflexion der Schraffur, ihrer stilistischen Variationen, Techniken und Verwendungsmöglichkeiten – eine Reflexion, die dezidiert ohne Begriffe fungiert. Mit ihrem komplexen Geflecht aus Bildreferenzen und Fakturvariationen bildeten Zeichenbücher nicht nur ein Gegengewicht zur Diskursivierung des Konturs. Sie bezogen in erster Linie eine Position zur Rolle der Schraffur innerhalb der Künstlerausbildung. Dem in diesen Zeichenbüchern angelegten Dualismus von Kontur und Schraffur zum Trotz, eint beide Techniken ein übergreifender Gesichtspunkt: Sie sind in diesem an Bildlösungen und -vergleichen sowie künstlerischen Praktiken orientierten Kontext frei von semiotischer Spur und semantischer Aufladung.

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„trattolini troppo minuti“: Zarte Schraffur (Teil I) Vier Techniken Eine an Versprachlichung künstlerischer Phänomene orientierte Reflexion graphischer Techniken und Praktiken lässt sich bereits in einem der ersten Kunsttraktate der Frühen Neuzeit erkennen. In Cennino Cenninis Libro dell’arte (ca. 1400) wird die Zeichnung anhand ihrer technischen Potenziale und Materialien differenziert – ein Ordnungsmodell, das die Weichen für die Kunsttheorie dieser Gattung in den darauffolgenden Jahrhunderten stellte. Cennini unterscheidet zunächst in vier grobe Kategorien nach Techniken und Materialien („quattro modi principali che si tiene à dissegnare“), von denen Silberstift- bzw. Federzeichnung, Farbgrundzeichnung, Lavierung und Kohle die für ihn relevantesten sind.1 Die Kategorisierung wurde lange beibehalten und fand auch Einzug in Malereitraktate, die den Anspruch hatten, vornehmlich der Ausbildung angehender Maler zu dienen und zugleich einen vermittelnden Brückenschlag zwischen der Kunstliteratur und der künstlerischen Praxis herzustellen: Giovanni Battista Armeninis (1530–1609) Malereitraktat De’ veri precetti della pittura (1587) wiederholte im 7. Kapitel die bereits von Cennini eingeführten vier Haupttechniken. Er ordnete die Techniken nach Schwierigkeitsgrad und führte damit eine Hierarchisierung ein. Die Auflistung dieser bis weit ins 18. Jh. als grundlegend erachteten Subkategorien der Zeichnung erfolgte nur vordergründig auf rein deskriptive Art,2 denn implizit ließen sich durch die Verbindung bestimmter Techniken mit ästhetischen Paradigmen wie etwa Helldunkel (chiaroscuro), Verblendung (sfumato), einheitliche Komposition und Bildwirkung (unione) Rückschlüsse auf ihre Mitbedeutungen bilden. Der Nexus von Technik und Ästhetik blieb indessen ambivalent, da das ‚genuin Graphische‘ dieser Techniken nicht selten zugunsten übergeordneter Diskurse und ästhetischer Leitkategorien kaschiert wurde. Für Armeninis 1 2

Cennini 1400, insb. Kap. VIII–XXXIII, zit. n. Frezzato 2003, S. 66–87. U. a. Dezallier d’Argenville 1745–1752, Bd. 1, S. xvj.

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unter produktionsästhetischen Prämissen erfolgende Kategorisierung der Zeichentechniken spielten dezidiert (rezeptions-)ästhetische Aspekte der Zeichnungen eine untergeordnete Rolle. Aus der sprachlichen Differenzierung des Pinsel- bzw. Linienzugs („tratto“) – denn bei Cennini fielen sie vielmehr in eine Kategorie – eine kongruente ‚Theoretisierung‘ der Schraffur ableiten zu wollen, ist aus diesem Grund verfehlt. Die Schraffur wird im Zusammenhang mit zeichnerischen Techniken noch zur Hochphase des disegno-Diskurses – ungeachtet seiner natürlichen Affinitäten zur Linearität der Graphik – weitgehend marginalisiert. Bedingt wurde dieser Umstand von der Rolle, die dem zeichnerischen Kontur zukam, aber auch durch die kunsttheoretische Dominanz des chiaroscuro. Das chiaroscuro wiederum betonte einen kräftigen, jedoch fließenden Übergang von Hell zu Dunkel im Bild (unione) und bedeutete für die Zeichnung die Favorisierung von Techniken, die nicht notgedrungen auf Linearität angewiesen waren. Dazu gehörten etwa die Lavierung oder sfumato-artige Kreidezeichnungen. Die Implikationen des chiaroscuro bestimmten über weite Teile, wie zeichnerische Techniken und ihre jeweiligen Wirkungsästhetiken von der Kunstliteratur reflektiert wurden. Als ästhetisches Paradigma prägte das chiaroscuro beispielsweise ­Armeninis Auseinandersetzung mit den vier von Cennini differenzierten zeichnerischen Techniken: Für Armenini sind die mit Feder ausgeführten Schraffuren beispielsweise lediglich zur Erzeugung von Schatten zu verwenden („tratteggiando dove si vede che vanno l’ombre“).3 Der zweite bzw. dritte Modus ist die Lavierung („con l’aquarello in vece dell’ombre“) bzw. die Lavierung auf gefärbtem Papier („su le carte tinte di qualche colore“). Leitmotivisch durchzieht das chiaroscuro auch diese Technik: Bei der Lavierung setze der Künstler keine Schraffierungen („non si usi più i tratti“), sondern nimmt Tinte und Wasser und fertige mit diesen beiden mindestens eine helle und eine dunkle Mixtur an („due estremi“), aus der das chiaroscuro der Lavierung entstünde. Noch während die Tinte nass ist, wird Schicht um Schicht der Schatten gesetzt, sodass sie sich verblenden („la data ombra si unisce, & si sfuma“).4 Um diese chromatische Nuancierung der Lavierung zu erzielen, benötigen erfahrenere Künstler lediglich eine dunkle Tinte und einen Behälter mit Wasser, ohne zuvor zwei verschiedene Farbtöne anmischen zu müssen; mit geübter Hand könne man schnell Kompositionen zu Papier bringen, die sich der Malerei annähern („questo modo è più conforme al dipingere che gli altri“).5 Zuletzt führt er den vierten Modus an – rote oder schwarze Kreide („quello che si fa con l’Ammatita“) respektive Rötel („col lapis rosso, ò nero“)6 –, den er als den leichtesten erachtet, da eventuelle Fehler leicht mit Brotkrümeln ausradiert werden können.7

3 4 5 6 7

Armenini 1587, S. 52. Armenini 1587, S. 55. Armenini 1587, S. 55. Armenini 1587, S. 52. Armenini 1587, S. 56. Unter vielen anderen Erwähnungen der Kreidetechnik: Cellini beschreibt die Kreide­ zeichnung als die beste Art des Zeichnens, aber nicht als die leichteste: Cellini 1549, zit. n. ­Barocchi 1973, Bd. 2, S. 1930. Für Joachim von Sandrart ist die Kreidezeichnung auf Farbgrund hingegen die schwerste Übung: Von Sandrart 1675–1680, I, Buch 3, S. 62. Ferrante Imperato erwähnt zwar die

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„trattolini troppo minuti“: Zarte Schraffur (Teil I)

Diese vier Techniken spiegelten jedoch in keiner Weise die technische Vielfalt wider, die sich in Zeichnungen der Vormoderne findet, denn die überwiegende Mehrheit dieser Blätter weist Mischtechniken auf, die in der Traktatliteratur der Zeit oftmals keinerlei Erwähnung fanden. Ein weiterer Aspekt trat erschwerend hinzu: Erläuterungen zeichnischer Techniken und Prozesse wurden nur selten anhand konkreter Kunstwerke vollzogen. Eines der wenigen Beispiele hierfür ist Vasaris Verweis auf Michelangelos zeichnerische Studien für die Schlacht von Cascina (1504).8 Hier wurden die poröse Kreidezeichnung und die Schraffur der Feder – oftmals oppositionell gedachte Techniken – als Mischtechniken zusammengebracht. Auch die naheliegende Vermutung, solche Michtechniken könnten eher in Zeichenbüchern Erwähnung finden, wird bis auf wenige Ausnahmen enttäuscht. Crispin van de Passes (1593/94–1670) Zeichenbuch Vom Liecht der Reiss und Mahlkunst (1643) beschreibt beispielsweise das Verwischen der Kreiden und die Überlagerungen der in Feder ausgeführten Schraffuren. Van de Passe bringt somit in Armeninis Sinn die schwierigste und leichteste Technik zusammen. Er schreibt: […] aber es ist vil daer an gelegen, das man dieselbe sanftiglich angreiffe mit kreiden oder ­sonsten / damit wan manns wiedrumb auswischen muß / die lineamente den papier nicht besuddelen / undt die rechten zügen nicht misgehen / nebens den zugh des

8

Eigenschaft der Kreide („grafio rosso“), feine und korrekt verlaufende Lineamente hervorbringen zu können („giustezza de lineamenti“), betont aber vor allem die Möglichkeit, mit ihnen ein einheitliches chiaroscuro zu erzeugen („gratia & vnion di adombratura“). Imperato 1599, S. 122. – Zu Pastell und Kreide bei Leonardo weiterhin: Bambach 2008. „V’erano ancora molte figure aggruppate et in varie maniere bozzate, chi contornato di carbone, chi disegnato di tratti e chi sfumato e con biacca lumeggia[n]ti [sic!], volendo egli mostrare quanto sapesse in tale professione. Per il che gli artefici stupiti e ammirati restorono, vedendo l’estremità dell’arte in tal carta per Michelagnolo mostrata loro. Onde veduto sí divine figure, dicono alcuni che le viddero, di man sua e d’altri ancora non s’essere mai piú veduto cosa che della divinità dell’arte nessuno altro ingegno possa arrivarla mai.“ Vasari 1568, Vita Michelangelo, zit. n. della Pergola/Grassi/Previtali 1962–1966, Bd. 7, S. 126 f. [„[…] die einen [Figuren] mit Kohle umrissen oder schraffiert, andere schattiert und mit Bleiweiß gehöht, weil er zeigen wollte, wieviel er von dieser Tätigkeit verstand. In den Künstlern rief das Staunen und Bewunderung hervor, denn Michelangelo hatte ihnen in diesem Blatt das Äußerste der Kunst vorgeführt, und einige, die sie gesehen haben, sagen angesichts solcher göttlicher Figuren, daß man weder von seiner noch anderer Hand jemals etwas gesehen hat, das an Göttlichem in der Kunst von keinem noch so großen Talent je wieder zu erreichen sein wird.“ Übers. n. Vasari 1568, Das Leben des Michelangelo, zit. n. Lorini/Gabbert 2009, S. 61]. Diese Beschreibung des Kartons greift Sandrart wiederum auf: „[…] Ferner stellte er in die Weite für einen Streit zu Pferd / unter andern nackenden Figuren aber war ein alter Mann / der einen Kranz auf seinem Haupt von Blättern hatte / um darmit sich Schatten zu machen / dieser sasse da / und wolte seine Stiffel anziehen / die konte er aber nicht anbringen / weil seine Füße feicht von dem Wasser waren / wie hart er aber ziehe / zeigte er nicht allein durch krümmen des Mauls / sondern es war auch aus allen Musculen und denen ausgedähnten Adern und Nerven zu sehen / diß alles ware Kluppen-weis gezeichnet / das eine mit der Kreid oder Kolen / das andere mit Bleyweiß getuscht und gehöcht / und das übrige geschraffirt. Dieser Carton nun wurde allen Künstlern zu einer großen Verwunderung in den Saal aufgehängt / um darmit den jungen Mahlern ein vollkommenes Exemplar zu geben / weiln durch dick-benannten Michäel viel zu Meistern / fürnemlich aber Raphäel del Sarto, Rosso, und andere mehr gemachet worden […].“ Von Sandrart 1675–1680, II, Buch 2, S. 149.

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erssten abrisses; undt so baldt ihr werdet notiret haben die gezeichnete theile / mußman einen sauberen tuch nehmen / und einen flugel eines antes oder von andern gefögelt / undt wischen damit fein sanftiglich aus / nachgerade also das nichtes nachbleidet nur allein der abris / undt eddele theile; wan dieses geschehen macht es zur perfection / undt ziehet es fein höfflich und sauberlich aus / un ziehe hie mit der fedder wie ich in meine beine umd armen habe bewiesen. Dan befur ihr die zweite Schrafierung macht ist es notig das man mit der ersten die molo­menten und schatierungen wol anrhuset auf das wan der zweiten daruber komt zur besser seine kraft ziegen / aber auf den tag muss man achtnhemmen das man die schrafierunghen wol ghelinde haltet und die fedder luftigh fhuret […].9 Van de Passes detaillierte Beschreibung, die kaum die Mühen der Versprachlichung verbergen kann, legt nicht nur ein Zeugnis davon ab, wie stark zeichnerische Techniken allein in ihrer Praxis aufgingen und sich aufgrund ihres Reichtums kaum in kunsttheoretischen Abhandlungen einfangen ließen. Der Passus deutet auch ästhetische Paradigmen jenseits des chiaroscuro an, mit denen die Graphik und ihre Faktur in praxisorientierter Kunstliteratur im Weiteren, etwa in Bosses und Sandrarts Schriften, belegt wurden („fein sanftiglich“, „fein höfflich und sauberlich“, „kraft“ etc.). Ich komme darauf zurück. Parallel zu den vier zeichnerischen Techniken findet sich bei Armenini ebenfalls die Beschreibung einer gängigen Praxis des Zeichnenlernens, die die Nähe von zeichnerischer und druckgraphischer Schraffur veranschaulicht: Das Kopieren von Zeichnungen oder Druck­ graphiken berühmter Künstler – ein „Brauch, der spätestens seit dem 14. Jh. in den italieni­ schen Werkstätten herrschte“.10 Armenini hatte bereits bei seiner Beschreibung der Federzeichnung die Verbindung von Feder und Grabstichel geschlagen, denn die Schraffur der Feder sei am ehesten mit jener des Kupferstichs vergleichbar („è simile a quei dissegni che son fatti su le stampe di rame“).11 Entsprechend sollen sich die Schüler beim Kopieren von Kupferstichen zunächst solche Werke zur Vorlage nehmen, auf denen der menschliche Körper von erfahrener Hand in leicht hingeworfenen Schraffuren gezeichnet wurde („fatti di tratti facili, & sottili“).12 Für den Fall, dass farbige Kreiden verwendet werden, wird beispielsweise empfohlen, mit den Konturlinien des zu zeichnenden Körperteils zu beginnen, ohne die Binnenschraffuren anzudeuten oder auf einen einheitlichen und chromatisch nuancierten Bildeffekt abzuzielen („formar tutti i profili, & i contorni, per i modi distinti, secondo che è

  9 Van de Passe 1634, zit. n. Bolten 1973, Teil 1, S. 60. Die Textteile des Zeichenbuchs sind in italienischer, französischer, niederländischer und deutscher Sprache verfasst. Hier ist stets lediglich die deutsche Variante wiedergegeben. In der italienischen Fassung des Textes wird für Schraffur das Lemma tratto verwendet, in der niedländischen artzeringhe und in der französischen hacheure. 10 Kemp 1979, S. 122. Cf. hierfür Barbara Stoltz, die davon ausgeht, dass dergleichen Verweise in Quellen­ schriften auf ‚Federkunststücke‘ rekurrieren: Stoltz 2012, S. 98. Zuletzt zum Kopieren von Kupfer­ stichen mittels Federzeichnungen: Packer 2015. 11 Armenini 1587, S. 52. 12 Armenini 1587, S. 52.

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quello, senza accennare i tratti, che seruono per l’ombre“).13 Erst in einem zweiten Schritt werden diese zunächst provisorisch angelegten Kompositionen mit Feder und Tinte nachgezogen, denn die offensichtliche Herausforderung der Federzeichnung liegt in der Unumkehrbarkeit des Prozesses, da die Linien nicht ausradiert werden können und laut Armenini bei allzu häufigem Überzeichnen unansehnlich würden („è cosa schifa e brutta à ritornaui poi sopra di nouo“).14 Die abschließende Beschreibung dieser Übung klingt wie eine Verschriftlichung von Ciamberlanos zweikolonnigem System, in dem Bilder jeweils als konturiertes oder voll ausgestaltetes Motiv präsentiert werden. Der Einsatz von Schraffur erfolgt laut Armenini nämlich im allerletzten Moment der Bildfindung: Wenn der Schüler seine konturierte Zeichnung so gut es geht vollendet hat, sollen die mit Kreide vorgezeichneten Konturen mit etwas mehr Druck der Feder nachgezogen und die fehlenden Schraffuren ergänzt werden („profilar quello sottilissamente fino à che vede hauer finito tutti i contorni, & […] fare ancora i tratti con la medesima penna“),15 sodass sich die Kompositionen vervollständigt und in Folge das chiaroscuro hervortritt. Betont wird hier vor allem die Feinheit der Faktur. Beispielhaft für frühe Versuche einer ‚Rezeptionsästhetik‘ der Graphik, die sich dem hier beschriebenen Zusammenhang annimmt, ist etwa Johann Georg Sulzers Beschreibung von Dürers Schraffur, die ebenfalls die Feinheit der Qualität betont. Wie ein Seidenschleier, so Sulzer, sei Dürers Schraffur und „[…] daher sehen in einigen Kupferstichen von Albrecht Dürer, der, wie alle Kupferstecher der ersten Zeit, so fein zu schraffieren pflegte, alle Gegenstände so aus als ob sie mit feinem Seidenpapier überzogen wären.“16 Armeninis und Sulzers Beobachtungen haben ihren Ausgangspunkt in der Feinheit – zum einen als Charakteristikum graphischer Linearität, zum anderen als Totalität des Seheindrucks, in der sich diese Details zugunsten chromatischer Farbwerte auflösen und den Grauwert des Kupferstichs determinieren. Für das Auge ist die Schraffurführung so feinteilig, dass es den einzelnen Schraffurstrich kaum mehr wahrzunehmen vermag.

diligenza Van de Passes Beschreibung der zeichnerischen Mischtechniken kreist im Kern um die feine Faktur. Diese konnte lediglich durch einen großen Zeitaufwand bzw. ein hohes Maß an Sorgfalt (diligentia) erreicht werden.17 Diese Engführung mündete beispielsweise in Gérard de Lairesses (1640–1711) Verknüpfung der Allegorien von Kupferstich und Sorgfalt in Het Groot Schilderboek (1707).18 Sowohl der Zeitaufwand als auch die Sorgfalt des druckgraphi­schen Bildentstehungsprozesses waren bereits in Vasaris Viten untrennbar miteinander ­verbunden 13 14 15 16 17

Armenini 1587, S. 53. Armenini 1587, S. 54. Armenini 1587, S. 53. Sulzer [1771] 1792–1799, Bd. 4, S. 328. Grundlegend zur Verbindung von Zeichnung, Faktur und Temporalität: Grave 2016 sowie in einem größeren Zusammenhang: Grave 2014. 18 De Lairesse 1707, zit. n. Fritsch 1738, Buch XIII, S. 629.

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23  Albrecht Dürer: Hl. ­Hieronymus im Gehäus, 1514

worden.19 Die Feinheit war für ihn das Alleinstellungsmerkmal der druckgraphischen Linie („taglio sottile“). Er illustrierte die Feinheit als ästhetisches Paradigma des Kupferstichs anhand von Dürers Hl. Hieronymus im Gehäus (Abb. 23), dessen Lichtwirkung er hervorhob und daher die Schraffur als Vehikel einer verlebendigenden und überwältigenden Wirkung berücksichtigte („tanto vivamente“, „una maraviglia“).20 Ungleich Armenini bezieht er sogar

19 Cf. hierfür u. a. die häufige Verwendung des Begriffs bei Vasari 1568, Vita Marcantonio Raimondi, Bd. 5, zit. n. della Pergola/Grassi/Previtali 1962–1966, S. 182–184, S. 187, S. 193, S. 195, S. 201, S. 207, S. 213 sowie S. 221 f. – Für die Verwendung der gleichen Begriffsfelder in Bezug auf das Niello: ebd., Le Vite: Kap. XXXIII, Bd. 1, S. 156. 20 Vasari 1568, Vita Marcantonio Raimondi, Bd. 5, zit. n. della Pergola/Grassi/Previtali 1962–1966, S. 190. Konsequent weitet er dieses begriffliche Feld auf andere künstlerische Arbeiten aus, so etwa in seiner Beschreibung von Marcantonio Raimondis Kopien von Dürers Kupferstichen („stupefatto della maniera del lavoro e del modo di fare d’Alberto“). Vasari 1568, Vita Marcantonio Raimondi, Bd. 5, zit. n. della Pergola/Grassi/Previtali 1962–1966, S. 186. Ein ähnliches semantisches Feld rund um die mit maniera

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das Kopieren von Schraffur in seine Überlegungen mit ein. Seiner Beobachtung zufolge ­wiederholten Dürers Nachfolger in ihren Kopien dessen Schraffureneffekte („con sotti­lissimo studio imitata la maniera d’Alberto Duro“),21 sodass konsequenterweise ihre Schraffur vergleichbar fein war („sottilissimo intaglio“).22 Kupferstiche mit derartiger Faktur wurden zum idealästhetischen Superlativ der Druckgraphik erkoren: Eine feinteiligere Schraffur als diejenige Dürers schien für Vasari, ähnlich wie für Armenini, unvorstellbar („non è possibile col bulino intagliare più sottilmente“).23 Vasaris Betonung der mitreißenden und überwältigenden Bildwirkung dient als Fingerzeig für einen anderen, hiermit eng verbundenen und von Armenini unter produktions­ästhetischen Gesichtspunkten verhandelten Umstand. Dieser kleinteiligen, nur in äußerster Nahsicht wahrnehmbaren Schraffur maß er in Auseinandersetzung mit der Frage, welche Schraffuren für welche graphischen Gattungen verwendet werden sollten, besondere Bedeutung bei. Vasaris Beschreibung der Überwältigung implizit aufgreifend, notierte er warnend, sich nicht von den kleinen, allzu minuziösen Schraffuren von Dürers Kupferstiche „verführen“ zu lassen, da diese Technik für Kupferstecher,24 aber nicht für Zeichner geeignet sei („molti in ciò si perdono troppo, io non intendo, nè manco consiglio niuno, che si ­voghlia inuaghire sù quei trattolini troppo minuti“).25 Obwohl zuvor diese Technik der zeichnerischen Adaption von Kupferstichen als Schulung der Hand eingeführt wurde, nahm sie für ­Armenini eine untergeordnete Rolle ein. Künstler verwenden nämlich, so die von ihm erhobene Kritik, unverhältnismäßig viel Zeit auf die zeichnerische Imitation der in Kupfer gestochenen Schraffur, wenn sie nicht wissen, wie solche „minuziösen“ Schraffurführungen in der Zeichnung vermieden werden können („si consuma il tempo, per non saperli leuare da quelle loro minutezze, perciò che, se ben quello son bellissimi à vederli, quanto all’utile poi, sono gioueuoli alli Intagliatori, ma non a i dessignatori“).26 Diese Abwertung der künstlerischen

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assoziierte Schraffur findet sich beispielsweise in Vasaris Vita Marcantonio Raimondis in Bezug auf ein von Raimondi gestochenes Blatt nach einer Zeichnung Raffaels: „e così risolto, furano di maniera intagliate da Marcantonio, che ne stupì tutta Roma.“ Ebd., S. 193. Vasari 1568, Vita Marcantonio Raimondi, zit. n. della Pergola/Grassi/Previtali 1962–1966, Bd. 5, S. 221. Vasari 1568, Vita Marcantonio Raimondi, zit. n. della Pergola/Grassi/Previtali 1962–1966, Bd. 5, S. 185. Vasari 1568, Vita Marcantonio Raimondi, zit. n. della Pergola/Grassi/Previtali 1962–1966, Bd. 5, S. 185. Der Gedanke findet sich noch in Alexander Brownes Ars pictoria, in der empfohlen wird, die Stiche von Goltzius und Muller zur Vorlage zu nehmen. Browne 1699, S. 97 f. Armenini 1587, S. 54. Armenini 1587, S. 54. Auch Benvenuto Cellini geht auf Dürers Schraffur ein, rückt sie aber in einen anderen Zusammenhang. Seine Herleitung besteht in der Analogiebildung von Federzeichnung und Kupferstich, die gerade aufgrund der Qualität der Schraffur vergleichbar seien: „E questo disegnar così fatto è stato causa al fare gli intagli col bulino in sul rame, sì come oggi si vede per tante stampe che vanno per el mondo; in fra le quali le meglio fatte che si sieno mai viste, cioè le meglio intagliate, sono state quelle di Alberto Duro di Germania.“ Cellini 1549, zit. n. Barocchi 1973, Bd. 2, S. 1929 [„Und aus dieser Art des Zeichnens entstand der Kupferstich, den man heute in zahlreichen Drucken sehen kann, die auf der Welt zirkulieren; unter ihnen sind diejenigen die besten, d. h. die am schönsten gestochenen, die Albrecht Dürer aus Deutschland gefertigt hat.“].

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Sorgfalt basierte auf Plinius’ Diktum, demzufolge ein Werk an Qualität ver­löre, wenn es allzu sorgfältig ausgeführt sei („nocere saepe nimiam ­diligentiam“).27 Zwei ­Überlegungen sind hier entscheidend: Zum einen die Kritik an der Übertragung der ­Schraffuren des ­Kupferstichs in die Zeichnung aufgrund des hohen Zeitaufwands („si ­consuma il tempo“). Zum anderen die Ambivalenz in Armeninis Beschreibung von Dürers Schraffur. Ihre Besonderheit liegt im oszillierenden Moment zwischen affektiver Bewunderung („voghlia ­invaghire“) und dem Überkippen in eine allzu feine, zeit­aufwendige, als ‚über-spezialisiert‘ wahrgenommene Faktur („troppo minuti“). Die Ästhetik der feinen Schraffur wurde daher mitunter in Abgrenzung zu ihrem stilistischen Pendant verhandelt, nämlich einem Schraffurstil, der als grob und unflexibel empfunden wurde. Diese Dichotomien verfehlten wesentliche Eigenschaften der Faktur und fokussierten bestimmte Aspekte der graphischen Ausführung, während etwa die Gesamtwirkung der Kunstwerke weitgehend aus dem Blick geriet. Eine solche Tendenz lässt sich beispielsweise in den Schriften des deutschen Gelehrten und Humanisten Joachim ­Camerarius (1500–1574) erkennen. Seine Beschreibung von Dürers (Abb. 23) und ­Mantegnas Schraffuren (Abb. 21) ist hierfür ein prägnantes Exempel. Mantegna legte in der Sitzenden ­Madonna mit Kind (Abb. 21) seine Parallelschraffur mit vergleichsweise wenig Varianz an; das staccato-­artige Nebeneinander einzelner Schraffurpartien erzeugt dennoch einen flirrenden Eindruck; sie scheinen wie ein leichter Schleier über den Formen der Komposition zu liegen.28 Dürer behandelt in seinem Kupferstich Hl. Hieronymus im Gehäus (Abb. 23) die Oberfläche der Objekte auf gegensätzliche Weise. Hier benutzt der Künstler die ganze Bandbreite an Möglichkeiten, die die Schraffur bot.29 An genau diesem Punkt setzte Camerarius an, indem er Dürers Errungenschaften mit dem Grabstichel in der lateinischen Übersetzung von dessen Proportionslehre (1532) mit einem entsprechenden Superlativ („diligentissimum“) belegte. Er stellte in einem zweiten Schritt Mantegnas scheinbar ausschließlich parallel verlaufender, für das Auge staccato-artiger Schraffur („omnia dura et rigida silicet manu non assuefata seuqui animi intelligentiam et promptitudinem“) Dürers flexible, sich mit Leichtigkeit den jeweiligen Objekten anpassende Linienführung kontrastierend gegenüber („facilitatem […] et certitudinem manus rerum cognitione et arte“).30 Der Sprung von Sorgfalt als dezidiert produktionsästhetischer Kategorie zu Überlegungen hinsichtlich der Wirkung des Kunstwerks gelingt, so problematisch sie auch sein mag, Camerarius mühelos.31 Denn der Kontrast zwischen Dürers und Mantegnas Schraffur scheint zu implizieren, Mantegnas Schraffur könne

27 Plinius, Naturkunde, zit. n. König/Hopp [1978] 2013, Bd. 35, S. 66. 28 Sulzer [1771] 1792–1799, Bd. 4, S. 328. 29 Zu Dürers feiner Schraffur und ihrer Hervorbringung tonaler Werte u. a.: Hind 1923, S. 76 sowie Singer 1985, S. 50. 30 Camerarius, Alberti Dureri Clarissimi pictoris et geometrae de symmetria partium in rectis formis huma­ norum corporum, Nürnberg 1532, fol. Aija ff., in: Dürer, Schriftlicher Nachlass, zit. n. Rupprich 1956, Bd. 1, S. 308 f. 31 Weiter zum Vergleich von Dürers und Mantegnas Schraffur, u. a.: Kemp 1994, insb. S. 226–229.

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dem Anspruch einer sorgfältig ausgeführten Faktur nicht genügen und sei in Konsequenz weniger an mimetischen Qualitäten der repräsentierten Gegenstände angelehnt. Armeninis Beschreibung der zeitaufwendigen, sorgfältig platzierten Schraffur in Dürers Graphiken ist ein weiterer Aspekt, der von Bedeutung ist. In dieser Textpassage liegt eine nicht weiter ausgeführte Implikation: Armeninis Warnung suggeriert, dass die Zeichnung eine quasi-kategorial andere Schraffur oder Ausführung im Allgemeinen erfordert als der Kupferstich. Dabei wird offen gelassen, wie diese dezidiert zeichnerische Schraffur gestaltet werden soll – ob im Sinne der sfumato-artigen Kreidezeichnung, die den einzelnen Strich im porösen Gesamtgefüge nahezu auflöst (Abb. 5), oder als ‚freie‘ und spontane Linienführung der Skizze (Taf. 1). Letzteres scheint wahrscheinlich, denn die mit diligenza ausgeführte Schraffur verweigerte sich einer spezifischen Gattung der Zeichnung vehement, nämlich der Skizze. Die Skizze entsteht gerade in der schnellen Ausführung, die nicht notwendigerweise auf Sorgfalt oder Schraffur ausgerichtet ist. Nicht umsonst wurde der disegno-Begriff am Lineament ausgerichtet.32 Mit bestimmten Einschränkungen: Dass unterschiedliche graphische Gattungen einen je eigenen Umgang mit der Schraffur erforderlich machen, wie ­Armenini es impliziert, zieht ein Argument nach sich, das oftmals für das ‚Federkunststück‘ ins Feld geführt wurde.33 Das ‚Federkunststück‘ war zwar jener Zeichenmodus, der naturgemäß am Stärksten auf Linearität angewiesen war, jedoch wurde mit ihm die Vorstellung verbunden, dass die an den Kupferstich angelehnte Schraffur einen Mangel an ‚Spontanität‘ der Linie und ein Übermaß an Sorgfalt demonstriert – Eigenschaften, die es in der Zeichnung, etwa in der Federskizze, zu vermeiden galt.

Ästhetik der Feder (Teil I) Künstlerische Synergien zwischen Zeichnung und Kupferstich wurden durch das Aufkommen der überwiegend im Norden Europas verbreiteten ‚Federkunststücke‘ auf neue ­Weise betont. Dabei handelte es sich um eine Subgattung medialer ‚Vexierbilder‘, von denen  ­heute nur noch wenige Blätter überliefert sind und die auf minuziöse Weise die Schraffur des Kupferstichs in der Federzeichnung imitierten.34 Die ersten Blätter dieser Art stammen, so die Vermutung, von Bartolomeo Passarotti (1529–1592). Der Name der Gattung indes, für welche die Kunstliteratur des 16. und 17. Jhs. noch keinen besaß,35 ist ein Neologismus der frühesten Zeichnungsforschung.36 Nicht zuletzt aufgrund der Namenslosigkeit war es daher naheliegend, dass der ästhetische Wert dieser Gattung im Besonderen und die zeichnerische Orientierung an Kupferstichen im Allgemeinen von Traktaten wie Armeninis De’ veri precetti

32 Kemp 1974, S. 225. 33 Noch immer grundlegend zum ‚Federkunststück‘: Nichols 1992. 34 Dieser Aspekt wurde von der frühen Zeichnungsforschung als Kennzeichen der Gattung hervorge­ hoben und bestimmt seitdem den Konsens zur Gattung der ‚Federkunststücke‘: Meder 1919, 45. 35 Melion vermutet, die Gattung stellte ein zu großes technisches Novum dar und konnte deshalb nicht benannt werden: Melion 1991, S. 56. 36 Joseph Meder führte den Begriff der „Kupferstichzeichnung“ ein: Meder 1919, S. 45.

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della pittura weitgehend ausgeblendet wurde,37 wenngleich die Schrift noch zu Passarottis Lebenszeit entstand. Zugleich zeigt sich an der Gattung der ‚Federkunststücke‘ auch, wie sehr die Vielfalt zeichnerischer Praktiken ihre kunsttheoretische Reflexion konterkarieren konnte. So liegt der Nutzen des zeichnerischen Kopierens von Kupferstichen für Armenini einzig und allein darin, die Hand zu schulen („mantien la mano destra“)38 – nicht etwa in der Evokation eines paragonalen Spiels von Druckgraphik und Zeichnung wie im Fall der ‚Federkunststücke‘. Diese liefen der aus kunsttheoretischer Perspektive geäußerten Kritik an der mit Feder gezogenen Schraffur unmittelbar zuwider und stellten ostentativ zur Schau, was bislang als genuine Faktur der Druckgraphik verstanden wurde. Sie waren tatsächlich keine Schulung der Hand, sondern wurden oftmals von erfahrenen Kupfer­stechern ausgeführt, für die das ‚Federkunststück‘ u. a. aufgrund der geringeren Widerstandskraft des Mate­ rials beim Zeichnen im Vergleich zum Kupferstechen keine besondere Schulung erforderlich machte. Blätter wie Cornelis Corts Allegorie der Armut (Taf. 4) vereinten sämtliche gattungs­ prägenden Aspekte: Sie imitierten nicht nur die Taille des Kupferstichs in der Federzeichnung. Sie waren detailreiche und zeitaufwendig ausgearbeitete Kompositionen, die selten im Zusammenhang mit anderen Kunstwerken standen und daher als ‚autonome‘ Zeichnungen gelten.39 Blätter wie dieses erfreuten sich bei Sammlern großer Beliebtheit. Ihre ästhetische Eigenart – etwa die intensive Verdichtung der Schraffur – beinhaltete jedoch mehr als das, was die Kunstliteratur des 16. und 17. Jhs. in ihnen sah, denn sie beschränkten sich nicht allein auf die Imititation von Kupferstichen. Diese ästhetischen Eigenheiten der mit ­Feder gezogenen Linie speisten sich vor allem durch die Taille – einer an- und abschwellenden Linien­ form. Gerade in der Taille lag ein immenses mimetisches Potential, das dazu beitrug, dass ‚Federkunststücke‘ mit seismographischer Präzision anatomische Details, Lichtreflexe mitsamt eines chromatisch komplexen chiaroscuro und Texturen repräsentieren konnten. Die Technikimitation war doppelbödig: ‚Federkunststücke‘ imitierten die Taille des Kupferstichs, die wiederum den natürlichen Fluss der Feder nachahmt. Die Taille lenkte den Betrachter­ blick entlang ihres linearen Flusses des sich abwechselnd verdickenden und verjüngenden Verlaufs. Dieses transitorische Moment und die Gradualität zwischen konträren Elementen, beispielsweise dem An- und Abschwellen bzw. den lichten und verschatteten Partien des Helldunkels, verzahnte diese Technik mit einem der wichtigsten ästhetischen Paradigmen der Zeit (chiaroscuro). Der Technik lag aber noch eine weitere Bedeutung inne. Und obwohl die ‚Federkunststücke‘ ihre Wesensverwandtschaft zum Kupferstich bewusst hervorheben,

37 Marcantonio Raimondis Kopien nach Dürer bleiben unerwähnt. Ausführlich diskutiert wird dieser Streitfall beispielsweise in Baldinuccis Cominciamento e progresso dell’ arte dell’ intagliare in rame unter Verweis auf Vasaris Vita Marcantonio Raimondis: „[…] imitando la maniera, il modo del tratteggiare ed ogni’altra cosa […].“ Baldinucci 1686, zit. n. Manni 1808–1812, Bd. 1, S. 58. Cf. von Sandrart 1675–1680, II, Buch 2, S. 204 f., ebenso in Malvasias Vita Marcantonio Raimondis: Malvasia 1678, Bd. 1, S. 63–65. Sowie: De Piles 1699, S. 76. 38 Armenini 1587, S. 53. 39 Zum Begriff der ‚autonomen‘ Zeichnung: Degenhart 1950, in jüngster Zeit: Bohde 2018 A.

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verhielten sie sich auch auf besondere Weise zu anderen rein zeichnerischen Möglichkeiten: ‚Federkunststücke‘ positionierten sich gegen die populärste Subgattung der Zeichnung,40 nämlich die schnell ausgeführte Skizze oder macchia.41 Die Skizze wurde im Gegensatz zum ‚Federkunststück‘ mit einer schnellen Ausführung assoziiert, die eine Gestaltung mit feinteiligen Schraffuren geradezu kategorial ausschließt. Ungeachtet der Tatsache, dass die sorgfältige, feinteilige Schraffur – etwa in Dürers Kupfer­ stichen – zum Nonplusultra der graphischen Faktur erkoren wurde, war die Skizze nicht notwendigerweise auf diese spezifische Faktur angewiesen. Mehr noch: Sie vermochte es, die Balance aus Sorgfalt und Schnelligkeit der Ausführung zu halten – ein Ideal der Kunst, das etwa von Alberti betont wurde („una diligenza congiunta con prestezza“).42 Während die mit diligenza konnotierte Schraffur aufgrund des Kraftaufwands und der Widerstandsfähigkeit des Materials als natürliche, da materiell bedingte Notwendigkeit für die Gattung des Kupferstichs Akzeptanz fand, wurden, ganz im Sinne dieses Ideals, für die rein zeichnerische Linie andere Parameter herangezogen: Für die Zeichnung gab beispielsweise ­Armenini implizit der schnellen Ausführung (prestezza) den Vorzug, denn für ihn waren vor allem diejenigen der vier grundlegenden Zeichnungstechniken positiv konnotiert, die durch zügige Ausführung bestechen. Hierin liegt aus produktionsästhetischer Sicht eine mögliche Erklärung dafür, weshalb sich das ‚Federkunststück‘ gegen die Skizze bzw. die macchia behaupten musste.43 Der ermüdenden Tätigkeit des Schraffierens im ‚Federkunststück‘ stand die auf Spontanität und wenig vollendete Ausführung abzielende macchia diamentral entgegen. Sie werde, so Armenini, mit Schnelligkeit in einem einzelnen Zug und ohne Mühe ausgeführt („con molta prestezza esprimono à un tratto […] e quasi senza fatica“).44 Implizit widersetzte sich die macchia den Konnotationen der Sorgfalt. Ob dahinter ein (rezeptions-)ästhetisches Prinzip steht, das die schnelle Augenbewegung des Betrachters entlang der skizzenhaften, andeutungsweise gezogenen Linien der macchia gegenüber der notwendiger­weiser langen Betrachtungszeit des ‚Federkunststücks‘ favorisiert, lässt Armenini indes offen. Andere kunsttheoretische Traktate hingegen bemühten sich, ästhetische Eigen­heiten der Blätter einzufangen, wenngleich ihre besondere Technik dabei stets marginalisiert ­wurde. Eine solche Marginalisierung der Technik findet sich etwa in John Evelyns Sculptura (1662) –

40 Meder etwa argumentierte stattdessen, dass ‚Federkunststücke‘ vielmehr der Kalligraphiekunst entstammen: Meder 1919, 44, wohingegen Emil Reznicek ihren l’art pour l’art-Charakter betont, deren Zweck sich in der Demonstration künstlerischer Virtuosität erschöpft: Reznicek 1961, Bd. 1, S. 77. 41 „Schizzo o. Schizzi. Dicono i Pittori quei leggierissimi tocchi di penna o matita, con i quali accennano i lor concetti senza dar perfezzione alle parti […].“ Baldinucci 1681 B, S. 148 [„Skizze o. Skizzen nennen die Maler jene feinen mit der Feder oder dem Stift gezogenen Striche, mit denen sie ihre Bildentwürfe („concetti“) erstellen, ohne Details auszuarbeiten („senza dar perfezzione alle parti“).“]. – Grundlegend zur macchia: Biedermann 1993. 42 Alberti 1436, Liber III: § 59, zit. n. Bätschmann/Gianfreda 2002, S. 160. 43 Zur Ästhetik der Skizze, vor allem im Zusammenhang mit Virtuosität: Suthor 2010, insb. S. 96–111. 44 Armenini 1587, 55. Auch hier schwingt die Engführung des disegno-Begriffs mit Lineament mit. Kemp 1974, S. 225.

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ein Werk, das nicht vom Anspruch geleitet war, zeichnerische Techniken im Besonderen zu erklären, sondern vielmehr einen breiten Überblick über die Möglichkeiten des Intagliodrucks bietet. Evelyn verweist in seiner Beschreibung eines der anderen ‚Federkunststücke‘ aus Goltzius’ Serie (Taf. 5) nur beiläufig auf die überaus aufwendige Technik und Faktur des Werks („drawn with the pen upon a heightning of oil“). Er betonte vielmehr den mühsamen („laborious“) Schaffensprozess des Kunstwerks und griff somit Konnotationen der Sorgfalt (diligenza) auf.45 In Baldinuccis Beschreibung von Goltzius’ berühmtestem ‚Federkunststück‘ Sine Cerere et Baccho friget Venus (Taf. 6)46 hingegen verhält es sich genau umgekehrt; hier wird die Technik des Blattes schlichtweg als Federzeichnung im allgemeinen Sinne subsumiert, dafür aber der von ihr hervorgebrachte Lichteffekt betont, der einen großen Teil des Bildes auszeichnet („Goltzio operò bene colla penna, […] manda un bel reflesso su le figure“).47 Solche ästhetischen Überlegungen sind unter den kunstliterarischen Quellen des 16. und 17. Jhs. jedoch selten zu finden. Erst im 18. Jh. wird meines Wissens in Charles-Antoine Jomberts (1712–1784) Methode Pour Apprendre Le Dessein (1755) herausgestellt, die Federzeichnung liefe kontinuierlich Gefahr, „hart und trocken“ („maigre et seche“) zu erscheinen. Auch er verband sein Argument mit dem zeichnerischen Kopieren von Kupferstichen, denn ihmzufolge seien tendenziell jene Federzeichnungen „hart und trocken“, die der Schraffur des Kupferstichs zu eng folgen anstatt die Komposition mit einigen wenigen Strichen auszuformen („exprimer d’un seul trait“).48 Wenngleich Jombert diese Beobachtung nicht in erster Linie in Bezug auf ‚Feder­ kunststücke‘ vornahm, ist sie doch für diese Gattung nicht minder zutreffend: ­Goltzius’ ­Porträt von Gillis van Breen (Taf. 7) demonstriert beispielsweise die unterschiedlichen Konzeptionen zeichnerischer Potenziale von Skizze und ‚Federkunststück‘ auf anschauliche ­Weise. Obwohl das Blatt der heute gängigen Definition der ‚Federkunststücke‘ aufgrund des ‚unfertigen‘ Charakters zuwiderläuft, führt es dem Betrachter die unterschiedlichen Ästhe­ ti­ken von Sorgfalt und Schnelligkeit der Ausführung vor Augen. Goltzius lenkt den Blick des Betrachters durch die starke Verdichtung der Taille-ähnlichen Schraffur zunächst auf die detaillierte Ausgestaltung der Gesichtsphysiognomie, während der restliche Körper des Porträtierten in einer skizzenhaften, scheinbar schnell hingeworfenen Andeutung mit dieser Konzentration auf das Gesicht kontrastiert. Die beiden Darstellungsweisen ergänzen einander insbesondere aufgrund des direkten Nebeneinanders auf dem Blatt. Erst in ebendiesem Kontrast der Federtechniken erklärt sich Jomberts Abwertung der Federzeichnung.49 Denn aller Detailschärfe der Taille im Bereich des Gesichts zum Trotz ­demonstriert das Porträt von Gillis van Breen (Taf. 7), dass diese Form der Ausarbeitung wenig Raum für die Versenkung 45 Evelyn [1662] 1769, S. 101. Der Verweis auf die Größe des Werks („as big as the life itself“) legt den Schluss nahe, dass es sich tatsächlich um die Version in St. Petersburg handelt (Eremitage, Inv. Nr. OP18983). 46 Cf. auch die andere Version des Motivs: Wien, Graphischen Sammlung der Albertina, Inv. Nr. 15112. 47 Baldinucci 1681, zit n. Ranalli 1845–1847, Bd. 1, S. 188. 48 Jombert 1755, S. 39. 49 Jombert 1755, S. 74.

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des Betrachters in die Zeichnung bietet. Die skizzenhaften Andeutungen im Bereich des Torso hingegen fordern den Betrachter dazu auf, die Leerstellen auf kreative Weise zu füllen und weiterzudenken.50 Mit der Gegenüberstellung unterschiedlicher Zeichen­techniken veranschaulicht das Blatt nicht nur Jomberts Kritik an der Federzeichnung. Es visualisiert auch in einer Art Janusgesicht Qualitäten, die die Kunsttheorie an der Skizze bzw. macchia schätzte – und gegen die sich das ‚Federkunststück‘ positionierte. Derartige Überlegungen hinsichtlich der Ästhetik dieser Blätter spielten für die Kunstliteratur des 16. und 17. Jhs. eine untergeordnete Rolle, denn der zeitintensive Charakter der ‚Federkunststücke‘ wurde in einen gänzlich anderen Zusammenhang gerückt. Obwohl ‚Federkunststücke‘ von der Kunstliteratur oftmals keine explizite Erwähnung fanden,51 lässt sich über den Umweg der Federzeichnung im Allgemeinen erahnen, wie Kunsttheoretiker über sie dachten. Dies knüpft in Teilen an die eben beschriebene Gegenüberstellung von ‚Feder­kunststück‘ und macchia an und ruft u. a. das Argument der langen Produktionszeit erneut auf. Der Hierarchie der vier basalen Zeichentechniken folgend, lag es für für Kunsttheoretiker nahe, ihre Kritik anhand des ‚linearsten‘ zeichnerischen Modus zu veranschaulichen, nämlich der Federzeichnung. Die von der Feder erzeugte Schraffur wurde – unabhängig davon, ob sie wie im Fall des ‚Federkunststücks‘ in einen Zusammenhang zur Druckgraphik gerückt wurde – von Samuel van Hoogstraten (1627–1678) für Zeichner zur zwecklosen, weil zeitintensiven Tätigkeit degradiert.52 Gérard de Lairesse nannte einen weiteren Grund für diese Ablehnung der Federzeichnung. Er stellte, wie zuvor Armenini, die schraffierte Federzeichnung in engen Zusammenhang zur Druckgraphik.53 Roger de Piles (1635–1709) hingegen sah im Kopieren der Kupferstichschraffur mit der Feder durchaus gewinnbringendes Potenzial, insbesondere dann, wenn die Werke der Carracci imitiert würden.54 Der 50 51 52 53

Kemp 1975. Melion 1991, S. 56. Van Hoogstraten 1678, S. 30 f. „Het Teekenen met de Pen, is een vrugteloozen arbeid, mer eigen aaneen Schoolmeester, als iemand anders, om de Jongelingen wat op te houden, en tyd te doen verkwisten; niet teegenstaande de ­Graveerders, het echter in praktyk zoeken te brengen, zo is het doch kwaalyk, en zonder fondament.“ De Lairesse 1701, S. 70 [„Das Zeichnen mit der Feder ist fruchtlose Arbeit, die sich mehr für den Schulmeister eignet als für sonst irgendwen, für die Jungen, damit sie eine Weile Zeit verschwenden, ebenso wie für die Kupferstecher. Auf welche Weise auch immer irgendwer versucht, dies in die Praxis umzusetzen, es ist dem ganz abträglich und ohne Fundament.“]. In The Principles of Drawing (1764) hingegen findet sich diese Passage meines Wissens nach nicht wieder. Dort erscheint der Hinweis zur Wesensverwandtschaft von Federzeichnung und Kupferstich in abgeänderter Form: „Shading with this ink [Indian ink, Anm. E. B.] is sometimes done by hatching with the pen, or making strokes crossing one another; but this is as well, or better performed with the hair pencil. A more expeditious and customary manner is washing or working the shades with the ink and hair pencils, in the same way as water colours are used. The shades made by hatching, resemble the strokes of engraved prints. In washing the shades, they appear like those in metzitinto prints, in which there is not any lines.“ De Lairesse 1764, S. 2. 54 Cf. hierfür auch Cornelis Biens’ (1590–ca. 1645) De Teecken-Const (1636), indem angehenden Künstlern geraten wird, „Kopien von Meisterzeichnungen und Goltzius’ Stichen“ anzufertigen. Dickel 1987,

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Zeitaufwand und die als hart empfundene Wirkung der Linie waren nicht die einzigen Motive für die Marginalisierung dieser Technik: De Piles räumte ein, sie sei für den Anfänger ungeeignet („il faut être dejà avancé pour en profiter“),55 möglicherweise weil sie ein hohes Maß an Kontrolle und Geschick erfordert. Damit schloss er sich implizit Armenini an, der im zeichnerischen Kopieren von Kupferstichen nur eine Schulung der Hand sah („­mantien la mano destra“).56 Arbeitsökonomische Fragen dominierten die Kritik an der Schraffur der Feder­zeichnung, sodass die von Armenini angedeutete Kritik, die Technik sei allzu zeit­ intensiv und für die Zeichnung wenig geeignet, die kunsttheoretische Durchdringung dieser Technik bis weit in das 19. Jh. formte.57 Für Federzeichnungen war eine weitere Überlegung von Bedeutung, die das Verhältnis von künstlerischer Wertschätzung einerseits und kunsttheoretischer Reflexion andererseits weiter verkomplizierte. Die Kritik an der Technik des ‚Federkunststücks‘ war eng mit einem Aspekt der Kunsttheorie der Zeichnung verbunden, der gängigerweise als alleiniges Primat der Skizze galt: die Demonstration von Virtuosität („bravura“). Giulio Mancini (1559–1630) thematisiert diese Eigenart der Schraffur in seinen Considerazioni sulla pittura (1620/21) explizit.58 Das kompilatorische Werk des Bologneser Arztes und Kunsttheoretikers, das erst im 20. Jh. ediert wurde, spiegelte eine theoretisch oft vertetene Position, die sich zuvor u. a. bei Benvenuto Cellini59 und

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S. 83. Goltzius’ Kupferstiche werden auch von Alexander Browne für besonders geeignet gehalten, um die Führung von Schraffuren zu erlernen: Browne 1669, S. 98. „Pour aprendre à bien manier la plume, rien n’est meilleur que de copier des Estampes des Carraches, & de faire avec la plume les contours & les hachures que le burin à tracez: car pour leurs desseins à la plume il faut estre déja fort avancé pour en profiter, ils sont touchez avec esprit & d’un goust merveilleux.“ De Piles 1684, S. 11 [„Um die Technik der Federzeichnung gut zu lernen, ist nichts besser geeignet, als die Stiche der Carracci zu kopieren. Das macht man, indem man mit der Feder die Konturen und Schraffuren zeichnet, die der Grabstichel gezogen hat. Aber um von dieser geistreichen und geschmackvollen Art der Federzeichnung zu profitieren, muss man bereits sehr erfahren sein.“]. Armenini 1587, S. 53. „A very common cause of loss of time, […] is false finish, and labour thrown away by the employment of methods which take more time than other methods for an inferior result, as, for example, when painful pen hatching is employed for shading where the chalk and stump, or charcoal, or the brush, would give a shade of far better quality in a twentieth part of the time.“ Hamerton 1892, S. 55. Mit Rekurs auf die Quellen, die auch hier angeführt sind: Rosand 2001, S. 150–154. „Con varie materie, et in diversi modi si costuma di disegnare, cio è col carbone con la biacca, & con la penna. Con la penna si disegna intersegando vna linea sopra l’altra, et dove si vuol far più ombre si soprappone più linee, e dove manco, vi si fanno manco linee: fin tanto che si viene à lasciar la carta bianca per i lumi. Questo modo di disegnare è difficilissiomo, & pochi sono quegli che eccellentemente habbiano disegnato ben di penna […].“ Cellini 1568, Buch 2, S. 60 [„Es wird mit unterschiedlichen Materialien und auf unterschiedliche Art und Weise gezeichnet, d. h. mit Kohle, mit Bleiweiß und mit der Feder. Mit der Feder zeichnet man, indem man sich überkreuzende Linien zieht und dort, wo man mehr Schatten erzeugen will, mehr Linien übereinanderlegt und dort, wo weniger Schatten sein soll, auch weniger Linien, bis zu dem Punkt, an dem man das Papier weiß lässt, um Licht darzustellen. Diese Art des Zeichnens ist überaus schwierig und nur wenige haben sehr gut mit der Feder gezeichnet.“]. Für einen vergleichbaren Passus bei Vasari: Introduzione alle tre arti: Della pittura: Kap. XVI, zit. n. della Pergola/Grassi/Previtali 1967, Bd. 1, S. 122.

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„trattolini troppo minuti“: Zarte Schraffur (Teil I)

­ affaello Borghini60 wiederfindet. Mit der Feder zu schraffieren sei die höchste KunstfertigR keit, heißt es bei Mancini.61 Für alle in diesem Atemzug genannten Traktate war der Umstand entscheidend, dass die Feder die von ihr generierten Fakturen notgedrungen offenlegt und die Möglichkeit zur Verwischung – wie im Fall farbiger Kreiden oder Lavierungen –, nur sehr eingeschränkt bestand.62 Deutlicher als andere Autoren brachte Mancini jedoch die Linie der Federzeichnung mit anderen ästhetischen Paradigmen zusammen, u. a. dem ­chiaroscuro. Er beschreibt die Fähigkeit des schraffierenden Strichs zur chromatischen Verdichtung und Entzerrung der Schattenführung am eindrücklichsten. Für ihn steht die Verdichtung im

60 „Si può disegnare con la penna sola, lasciando i lumi della carta, il qual modo è molto difficile, ma molto à maestra mano conveniente.“ Borghini 1584, S. 140 [„Man kann mit der Feder allein zeichnen, indem man für Licht das Papier frei lässt. Diese Methode ist sehr schwierig, aber auch sehr schicklich für die meisterliche Hand.“]. 61 „Onde nella prima specie [del disegno; Anm. E. B.] sarà con inchiostro e penna, et appresso il taglio con lasciare o col porre. Qual specie è differenze da quella di carbone e di lapis, perchè queste possono augomentare e scemare la loro ombra con unir li lor tratti per via di panno o di mano et così far maggior or minor oscurità e chiarezza, che nella penna / non avien così perchè, se subito fatto il tratto volessiomo unore, si guastarebbe e si scarabocciarebbe, onde bisogna in quel cambio multiplicar et ingrossar il tratto, che nel carbone o lapis si può multiplicare et appresso unire secondo la profondità et oscurità che si ricerca. […] E questa è la seconda specie del disegno al quale si riduce il chiaro oscuro, ma però a quel modo dell’acquarella, differente solo da esso poichè, questo si fa con colori o distemperati con l’aqua […]. Fra tutte queste specie non è dubio che quella fatta con penna e con tratti sia la prima […].“ Mancini 1620/21, zit. n. Marucchi 1956/57, Bd. 1, S. 15 f. [„Daher sei die erste Art zu zeichnen mit Tinte und Feder, und dann den Stich zu unterlassen oder zu setzen. Diese Art unterscheidet sich von jener mit Kohle und mit dem Griffel, weil diese im Gegensatz zur Federzeichnung Schatten verdichten oder verringern können, indem sie ihre Schraffur mit einem Tuch oder der Hand verwischen und so mehr oder weniger Dunkelheit oder Helligkeit erzeugen, was mit der Feder nicht gelingt, denn wenn man den Strich verbinden will, sobald man ihn gesetzt hat, verdirbt und verkleckst man alles, und daher ist es in diesem Fall notwendig, mehr Schraffuren zu setzen und sie dicker zu machen, was man mit Kohle und Griffel vervielfältigen und nachher je nach gewünschter Tiefe und Dunkelheit verbinden kann. […] Und dies ist die zweite Art der Zeichnung, auf die sich die Helldunkelmalerei beschränkt, jedoch in der Art des Aquarells, das sich nur darin unterscheidet, dass es mit Farben und mit der Abtönung durch Wasser gemacht wird. […] Unter all diesen Arten ist zweifellos jene, die mit der Feder und mit Schraffuren gemacht wird, die beste.“]. Hier auch: Evelyn [1662] 1769, S. 102. 62 Gleichwohl gibt es zugleich auch Reflexionen zeichnerischer Technik, die sowohl die Verwischung als auch die darüberliegende Schraffur berücksichtigen, mit der gar eine ästhetische Wertung einhergeht: „Doeselen / dats crijt met boom-wol verdryven Meuchdy / of rueselich soetkens verwercken Sonder artseren / of met yet te wrijven: Wilt ghy in artseren constich beclyven / Van dunne tot grof u slaghen wilt stercken / Dats van boven afhalen / met opmercken Musculen / oft anders wel uyt te beelden / Als of al de Gratien daer in speelden.“ Van Mander 1604, zit. n. Hoecker 1916, S. 62 [„Ihr sollt wischen, das heisst die Kreide mit Baumwolle vertreiben, oder die schummerigen Feinheiten herausarbeiten, ohne die Schraffuren gleich mit zu vertreiben. Wollt ihr im kunstvollen Schraffieren vorwärts kommen, so müsst ihr mit euren Strichlagen von dünnen zu kräftigen übergehen, und sie müssen von oben nach unten gezeichnet werden. Auch müsst ihr mit Aufmerksamkeit Muskeln und anderes so gut ausbilden, als ob die Gratien darin spielten.“ Übers. n. ebd., S. 63]. Sowie u. a. in De Lairesses The Principles of Drawing (1764): „Red chalk is used on white paper: the shades made in hatching with it receive a softness, by rubbing them in gently in the broad strong parts with a stump made of wash leather, and then hatching upon them again.“ De Lairesse 1764, S. 2.

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Verdichtung

Zusammenhang mit der einheitlichen kompositorischen Wirkung („unione“).63 Wie zuvor die Schraffur der Feder mit dem Kupferstich zusammengedacht wurde, zielte Mancinis Beschreibung auf den Vergleich der Federzeichnung mit den ästhetischen Eigenheiten anderer Zeichenmaterialien ab, speziell der Kreide, die mühelos kräftige chiaroscuro-Effekte erzeugen konnte. Dabei handelt es sich um mehr als ein rhetorisches Mittel des Vergleichs, das die enge Assoziierung von einzelnen Techniken und fließende Gattungsgrenzen betonte. Die chromatische Verdichtung mit rein linearen Mitteln („fatto il tratto volessimo unire“) wurde unter diesen Vorzeichen gar mit derjenigen Technik in Verbindung gebracht, die am intensivsten – und malerischsten – chiaroscuro evozieren konnte: die Lavierung. Damit wurde die ästhetische Wirkung der Techniken hervorgehoben, während die jeweiligen materialen Beschaffenheiten der Zeichenmittel einen niedrigeren Stellenwert einnahmen. Mehr noch: Von der häufig ins Feld geführten Hierarchisierung zeichnerischer Techniken nach vermeintlichem Schwierigkeitsgrad her denkend, wird hier überraschenderweise die schwierigste Technik mit einer der einfachsten in Einklang gebracht. Ein solcher Zusammenhang wird von Antoine-Joseph Dezallier d’Argenville (1680–1765) beschrieben, der hierfür explizit auf die Zeichnungen von Lucas van Leyden (1494–1533) verweist, von denen heute nur noch wenige erhalten sind. Er unterstreicht die Ähnlichkeit der Lavierung zur Schraffur (Taf. 8 und Taf. 9) und die Verwandtschaft der Techniken so: Ses dessins sont très-terminés à la plume; Lucas la manioit finement, & ses ­hachures en différens sens sont croisées en beaucoup d’endroits, on voit encore de ses desseins lavés au bistre, d’autres sont relevés avec du blanc au pinceau, hachés de la même maniére que s’ils étoient faits à la plume.64 Dezallier d’Argenvilles Beschreibung implizierte noch mehr: Das verbindende Element beider Techniken, so scheint es, ist der Stellenwert des Helldunkels, den beide erreichen können. Beide erzeugen, obwohl gänzlich anders ausgeführt, eine einheitliche Bildwirkung („­unione“). Unabhängig von ihren grundlegend unterschiedlichen Erscheinungsweisen fügen sich Schraffur und Lavierung somit ästhetischen Prinzipien, die von weichen, fließenden Übergängen gegensätzlicher Elemente wie Licht und Schatten und einheitlicher Bildwirkung gekennzeichnet sind. Diese Parallelisierung zunächst konträr wirkender Techniken basierte auf einem rezeptionsästhetischen Effekt, der bereits in Armeninis Beschreibung von Dürers feinteiliger Schraffur („troppo minuti“) impliziert wurde: die Zusammenschau der Schraffurlinie in ihrem Linienverbund, durch die die einzelne Linie kaschiert und die Wirkung der Schraffur im eigentlichen Sinn sogleich freilegt wird. Die Gegenüberstellung der beiden 63 Mancini 1620/21, zit. n. Marucchi 1956/57, Bd. 1, S. 16. 64 Dezallier d’Argenville 1745–1752, Bd. 2, S. 49 f. [„Seine Zeichnungen sind mit der Feder vollendet; Lucas hat sie fein gehandhabt und seine Schraffuren sind an vielen Stellen auf vielfältige Weise gekreuzt. Man findet unter seinen Zeichnungen auch solche, die mit Bister laviert wurden, wieder andere wurden mit weißem Pinsel gehöht und auf solche Art schraffiert, als seien sie mit der Feder gemacht.“]. Ebenso: Young Ottley 1816, Bd. 2, S. 737.

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„trattolini troppo minuti“: Zarte Schraffur (Teil I)

Zeichnungen von Lucas van Leyden demonstriert, dass es sich bei ­dieser ­Analogie um eine relative Annäherung der Techniken handeln kann, die ihre genuinen Fakturen nie vollends negieren können. Lucas van Leydens Porträt eines Mannes (Taf. 8) verdeutlicht diese Relativität sogleich selbst: Während das Gewand und der Hut des Mannes durch breite Schraffuren gestaltet wurden, verdichtet sich die Schraffur zur Mitte des Blattes im Gesicht des Porträtierten zu einer kaum mehr als Linien wahrnehmbaren Form. Dezallier d’­Argenvilles Beobachtung zielt genau auf diese Reibung ab: Die Schraffur tritt in der fein­teiligen Verdichtung hinter ihre Linearität zurück und offenbart ein sich in der chromatischen Nuancierung analog zur (unione der) Lavierung verhaltendes sfumato-artiges chiaroscuro. Dahinter stand ein übergeordneter Gedanke, der die Zeichnung mit chiaroscuro verband. Die begriffliche Parallele beider wurde oft benannt, so beispielsweise in Gian Pietro ­Zanottis (1674–1765) Storia dell’Accademia Clementina di Bologna (1739). Zanotti war selbst Künstler und Radierer und verfolgte in seinen Schriften einen ähnlich historiographischen Ansatz wie Vasari. In seiner Storia dell’Accademia heißt es zugespitzt, der chiaroscuro resultiere aus dem disegno („il chiaroscuro, che certamenta dal disegno deriva“).65 Dies markiert gleichsam eine ästhetische Maxime, die bis weit ins 19. Jh. vorherrschte und vornehmlich von zwei Parametern bestimmt wurde: die Fähigkeit der Schraffur, Gradualität (chiaroscuro, sfumato etc.) und Verdichtung bzw. Vereinheitlichung (unione) zu erzeugen. Dezallier d’Argenvilles Gegenüberstellung von Federzeichnung und Lavierung ­könnte auch als Paragone einzelner Techniken verstanden werden.66 Übergreifend lassen sich auch Wettstreite zwischen einzelnen Subgattungen der Zeichnung benennen, etwa jener ­zwischen dem ‚Federkunststück‘ und der macchia. Dieser Wettstreit ging unter dem Vorzeichen der graphischen Verdichtung nicht allein in der Zeichenpaxis auf, wie anhand des Porträt von ­Gillis van Breen anschaulich wird (Taf. 7), sondern lässt sich ebenso anhand kunsttheoretischer Überlegungen nachvollziehen. Die Eigenschaft der Zeichnung, materiale Beschaffenheiten scheinbar zu überwinden, wie sie etwa von Dezallier d’Argenville beschrieben wurde, diente nämlich an anderer Stelle explizit zur Definition der macchia, gegen die sich das ‚Federkunststück‘ positionierte. In Baldinuccis Vocabolario toscano dell’arte del disegno (1681) finden sich unter dem Stichwort der macchia der Verweis, der Begriff würde gleicher­maßen für die Zeichnung als auch für die Malerei verwendet werden. Daher waren für ihn weder Fragen des Mediums, noch des Materials, sondern allein die ästhetische Wirkung („qualità“) für die Definition der macchia ausschlaggebend. Die macchia wirke als sei sie ohne harte Konturen oder andere lineare Konstruktionen scheinbar wie von selbst auf dem Papier entstanden.67 Baldinuccis Definition implizierte somit eine Doppelnatur: nicht nur ein Verbergen aller künstlerischen Mühen („fatica“), sondern auch jedwelcher materialen Spur. Das ‚Federkunststück‘ hingegen legte beides offen.

65 Zanotti 1739, Bd. 2, S. 343. 66 Dezallier d’Argenville 1745–1752, Bd. 2, S. 49 f. 67 Baldinucci 1681 B, S. 86.

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Verdichtung

„sanza tratti“: Verschwindende Schraffur Die macchia stand somit unmittelbar an einer Gattungsgrenze, denn indem sie ihre ­Faktur verbarg, konnte sie gleichermaßen der Zeichnung als auch der Malerei zugehörig sein. Der erste Versuch einer theoretischen Durchdringung dieses Zusammenhangs, wenn auch unter anderen Vorzeichen, findet sich in den Schriften Leonardos. Wie weitaus später für ­Dezallier d’Argenville die feine Schraffur in Lucas van Leydens Zeichnungen aufgrund ihrer Dichte hinter den von ihr hervorgebrachten Effekt zurücktrat, war auch für Leonardo die farbliche Nuancierung der idealtypischen chiaroscuro-Zeichnung derart subtil, fein und von einer rauchigen Qualität als sei sie „ohne Schraffur“ entstanden („uniti sanza tratti ­o’segni“).68 Es war zugleich der Versuch, das Zurücktreten der Faktur an die Perzeption optischer Phänomene zu koppeln. Das benannte im gleichen Atemzug eine der zentralen Herausforderungen der Schraffur, nämlich die natürlicherweise bestehende Differenz zwischen graphischer Markierung und ihrem Darstellungsgegenstand aufzulösen. Obwohl der Passus bislang weitgehend als Verweis auf die Malerei interpretiert wurde,69 eignet er sich im Zusammenhang mit den Eigenschaften der macchia insbesondere dafür, auch als Verweis für die Zeichnung gelesen zu werden. Für die zeichnerische Ausführung bringt er aufgrund der semantischen Ambivalenz des künstlerischen Strichs („tratto“), der sowohl den Pinsel- als auch den Federzug bezeichnet, zentrale Aspekte zusammen. Dazu zählen das Studium der Licht-und Schattenverhältnisse und ihrer Intensitäten („grado di chiarezza“), die sfumato-artigen Qualitäten der Linien („lineamenti“) ebenso wie die sorgfältige Ausführung („diligentia“).70 Leonardo fasst das wie folgt: Quando tu, dissegnatore, vorai fare bono et utile studio, usa nel tuo discegnare di far àdaggio, e giudicare infra i lumi quali et quanti tenghino il primo grado di chiarezza, e similmente infra l’ombre quali sieno quelle, che sono piu scure che l’altre, et in che modo si mischiano insieme, e le quantità, e parangonare l’una con l’altra; et i lineamenti à che parte si drizzeno, e nelle linee quanta parte d’essa torce per l’uno o’ l’altro verso, e dov’è piu o’men’ evidente, e cosi larga o’ sottile; et in ultimo chelle tue ombre e lumi sien’ uniti sanza tratti o’ segni, à uso di fumo. e quando tu arai fatto la mano e’l giuditio à questa deligentia, veratti fatta presto, che tu no’ te ne a’ vedirai, la praticha.71 68 Cf. hierzu auch Lomazzos Beschreibung von Leonardos chiaroscuro als sei es ohne sichtbare Fakturen entstanden: Lomazzo 1590, S. 50. 69 Hierzu u. a. Nagel 1993, insb. S. 11. 70 Zu sfumato und Linearität bei Leonardo: Bell 2002. 71 Leonardo da Vinci, Trattato della pittura, § 70, zit. n. Ludwig 1882, Bd. 1, S. 128 u. S. 130 [„Willst du Zeichner ein gutes und nützliches Studium machen, so gewöhne dir an bei deinem Zeichnen langsam voranzugehen und abzuwägen, welche und wie viele unter den Lichtern den ersten Grad von Helligkeit inne haben, ebenso zwischen den Schatten, welche von ihnen dunkler sind, als die anderen, in welcher Weise sie sich miteinander vermischen, und wie gross ihre Ausdehnung ist. Vergleiche einen mit dem anderen; und die Liniengänge (vergleiche und schätze sie darauf hin ab), nach welcher Seite sie sich strecken, und wie viel von einer Linie sich nach der einen oder anderen Richtung hin dreht, wo sie mehr

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„sanza tratti“: Verschwindende Schraffur

Leonardo ruft hier ein Leitmotiv der zarten Schraffur auf, die auch für ihn idealerweise hinter den von ihr hervorgebrachten Effekt zurücktritt. Gleichzeitig verbindet seine Beschreibung des sich im chiaroscuro auflösenden Strichs die Schraffur untrennbar mit sfumato – ein erneuter Versuch, das Verschwinden der Faktur im Rezeptionsprozess unter ästhetische Paradigmen zu fassen. Mehr noch: Die Schraffur wird unter der Prämisse des sfumato an einem unerreichbaren Ziel orientiert, nämlich ihrer eigenen absoluten Verschleierung. ­Unter dem Vorzeichen eines enzyklopädischen Eintrags hingegen findet sich in Baldinuccis Vocabolario die zugespitzte Definition des sfumato, das vom Autor durch die Verwendung des Verbs sfumare als aktivische Handlung gekennzeichnet wird. Hier findet sich ebenfalls das Verhältnis aus negierter Faktur sowie Malerei und Zeichnung. Die Maler, heißt es dort, würden die Farben auf der Leinwand ohne harte Pinselschläge in einander fließen lassen („­tutte le crudezze de’ colpi, confondendo“), sodass die Gemälde bereits aus geringer ­Distanz für den Betrachter einen weichen und fließenden Effekt erzeugen würden, der den einzelnen Pinselstrich verschwinden lässt („morbida e delicata senza colpi di ­pennello“). Er übertrug diese Eigenschaften sogleich auf die Zeichnung, die auf ähnliche Weise wie zuvor für ­Leonardo ohne zeichnerische Spuren gefertigt sein sollte.72 Auch dieses Verhältnis wurde von Leonardo verhandelt. Seine Beschreibung impliziert ungleich mehr, scheint für ihn doch die feine Linie lediglich eine mögliche Form der Darstellung. Er bringt sie in ein dichotomisches Verhältnis, das sich allein aus ihrem Gegenteil heraus erklärt („larga o’sottile“). Diese Opposition zwischen Härte (crudezza) und Auflösung des Strichs (morbidezza)73 geriet mitunter in das Kielwasser eines anderen, als ‚optischer Imperativ‘ verstandenen Diskurses, der wiederum implizit die Rezeption der Schraffur prägte. Hiermit knüpfte der Versuch, die Faktur als ästhetische Kategorie zu fassen, bewusst oder unbewusst an Fragen der Optizität an, wie sie bereits für den Kontur verhandelt wurden, etwa Barbaros Überlegungen zu Kontur und Wahrnehmung oder Albertis Vorstellung eines quasi-‚natürlichen‘ Konturs.74 Auch Leonardo reflektierte über die Trias von Optik, harter

oder weniger sichtbar, und so, wo sie breit, oder fein ist. Zuletzt achte, dass die Schatten und Lichter ohne Striche [man könnte hier alternativ „tratti“ mit Schraffuren übersetzen; Anm. E. B.] und Ränder in einander übergehen, gleichsam wie Rauch. Und hast du Hand und Urtheil zu diesem Fleiss gewöhnt, so wird sich dir die Praxis bald von selbst ergeben, ehe du es gewahr wirst.“ Übers. n. ebd., S. 129 u. S. 131]. – Cf. hierfür auch die Beschreibung von chiaroscuro für die Farbgrundzeichnung bei Van ­Mander: Van Mander 1604, zit. n. Hoecker 1916, S. 58. 72 „Lo stesso che segue nel dipignere, occorre ancora nel disegnare, quando colui che disegna strofinando con carta, con esca, o altro, i colpi della matita così bene gli unisce fra di loro, e col bianco della carta che fa apparire il termine della macchia non altrimenti che un fumo, che, nell’aria si dilegua; e così fatte pitture, e disegni, diconsi sfumati.” Baldinucci 1681 B, S. 151 [„Was für die Malerei gilt, ist auch beim Zeichnen erforderlich, nämlich dass der Zeichner mit Papier, einem Schwamm oder etwas anderem die Striche des Stiftes so gut miteinander und mit dem Weiß des Papiers verwischt, dass die Konturen wie sich in Luft auflösender Rauch erscheinen; Gemälde und Zeichnungen dieser Art werden als verschwommen („sfumati”) bezeichnet.“]. 73 Karl Möseneder zeigte prägnant den Zusammenhang von morbidezza, durezza und maniera moderna auf: Möseneder 2007. 74 Barbaro [1556] 1567, S. 321. Alberti 1435, Liber II: § 31, zit. n. Bätschmann/Schäublin 2000, S. 246.

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Verdichtung

Schraffur- und Konturlinie („trateggiamenti crudi“, „termini e profilamenti crudi“) und der daraus folgenden Qualität des Seheindrucks. Erstmals wurde damit der Versuch unternommen, den abstrakten Charakter von Linien, die kein natürliches Pendant in der perzipierten Welt haben, mit der Mathematisierbarkeit der Perspektive zu verknüpfen. In Vasaris Viten findet sich in einer Beschreibung der Kupferstiche Lucas van Leydens dieser Konnex wieder. Dort heißt es, die Strichführung füge sich gemäß perspektivischer Regeln dem Verblassen der Farben und Konturen zum Horizont hin („si perdono di veduta, come si perdono ­dall’occhio le naturali, che vede da lontano“) und erscheine dadurch farblich graduell und sehr lieblich („sfumate e tanto dolci“).75 Leonardo hingegen benannte dieses Phänomen folgendermaßen: Et per questo tu, pittore, che sotto il nome di praticho fingi la veduta d’ una testa veduta da vicina distantia con penellate terminate e trateggiamenti aspri et crudi, sapi, che tu te inganni. perche in qualunque distantia tu ti finga la tua figura, essa è sempre finita in quel grado, chella si trova, anchora che in longa distantia si perda la notitia delli suoi termini, e non mancha per questo, che non si veda un finito fumoso e non termini e profilamenti spediti e crudi.76 Seine Überlegungen widersetzen sich bewusst einer kategorialen Unterscheidung zwischen mathematischer Perspektive und farblichen Aspekten (chiaroscuro, Lichtreflexionen etc.). Stattdessen führen mathematisierbare Perspektive und abstrakte Linie der Graphik zu einer übergreifenden Lesart der Schraffur: Leonardos Beobachtungen zu optischen Übergängen, die erscheinen als seien sie ohne sichtbare Linie oder Spur, können als Metapher für das grundlegende Problem der Stellung der Schraffur innerhalb des frühneuzeitlichen Theorieverständnisses von Kunst aufgefasst werden. Die Schraffur ist in frühneuzeitlicher Kunstreflexion einerseits in ihrer offensichtlichen Bedeutung für die graphischen Künste omni­ präsent, andererseits ‚unsichtbar‘, da sie unter einer Vielzahl von Termini subsumiert wird. Einmal im Zusammenhang mit Schraffur gelesen, manifestiert sich in Leonardos Formulierung, die Schraffur sei quasi ohne Markierung entstanden („uniti sanza tratti“) eine

75 Vasari 1568, Vita Marcantonio Raimondi, zit. n. della Pergola/Grassi/Previtali 1967, Bd. 5, S. 192. Zum Verhältnis von Vasari und Lucas: Cornelis/Filedt Kok 1998, insb. S. 27–34, hier: S. 28. 76 Leonardo da Vinci, Trattato della Pittura, § 128, zit. n. Ludwig 1882, Bd. 1, S. 176 [„Wisse daher, du Maler, der du unter der Firma eines Prakticus die Ansicht eines Kopfes in nahem Abstande mit bestimmt abgesetzter Pinselführung und harten, rohen Strichen vorstellst, dass du irrst. Denn in welchem Ab­ stande du dir auch deine Figur vorstellst, sie ist immer ausgeführt, dem Entfernungsgrad gemäss, in dem sie sich befindet, und auch dann, wenn in der Weite der Entfernung die Wahrnehmbarkeit ihrer Umrisse verloren geht, man nimmt darum nicht minder eine verblasene Ausführung an ihr wahr, nicht aber scharfe und harte Ränder und Profilirungen.“ Übers. n. ebd., S. 177]. Cf. dazu Leporini, der annimmt, dieses ästhetische Diktum Leonardos habe erst im 17. Jh. Einzug in die Kunstpraxis gefunden: Leporini 1925, S. 13. – Zu „opere crudette et aspre“ bei Andrea del Castagno (ca. 1418–1457): Vasari 1568, Vita Andrea del Castagno, zit. n. della Pergola/Grassi/Previtali 1967, Bd. 2, S. 501. Zur „Härte und Rohheit“ der Umrisse auch: Longhi 1837, S. 79.

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„sanza tratti“: Verschwindende Schraffur

nicht aufzulösende Aporie: Die Schraffur ist Zeichen und Spur zugleich; sfumato hingegen eine Technik bzw. ein Stil, der kontinuierlich ebendiese Zeichen und Spuren zu negieren versucht. Zugleich birgt die Eigenschaft der Schraffur, in der graphischen Verdichtung für das Auge nahezu unsichtbar zu werden, weitreichende Implikationen, die sich erst im Wahrnehmungsraum des Betrachters entfalten. Hierin liegt zugleich die Erklärung für die breite, ambivalente oder gar bisweilen ihren Darstellungsgegenstand verfehlende Terminologie, die das lexikalische Feld der Schraffur über weite Strecken der Frühen Neuzeit prägt. Laufweiten und Führungen der Schraffur, die unterschiedliche Grade und Intensitäten der Verdichtung produzieren, hart oder weich wirkende Linienführungen, chromatische Abstufungen und damit einhergehendes rilievo und chiaroscuro, sind nur wenige Aspekte, die die Reflexion der Schraffur stets in Bereiche eines Anderen, scheinbar leichter Semantisierbaren überführten. Im Falle der Engführung von Schraffur und Perspektive bzw. Optik bedeutete dies sogar, die Technik versuchsweise in ein rationales, erlernbares und auf striktem Regelwerk basierendes System des Bildaufbaus zu überführen – eine Aufgabe, die sich der Kupfer­ stecher Abraham Bosse in seiner Manieres de graver annahm, jedoch erst im Jahr 1645. Möglicherweise ist die Vielzahl an nebeneinander existierenden Umschreibungen und konkurrierenden Terminologien der Schraffur auch als Indikator für etwas zu lesen, das die Schriften anderer Künstler, darunter Alloris Ragionamenti (1560), bereits absorbiert hatten, nämlich dass sich die Schraffur nur schwerlich in ein Regelwerk fassen ließ – weswegen er in den Ragionamenti diesen Versuch unterließ.

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Kalligraphie

„tratti naturali“: Linie als Geometrie Einer dieser Bereiche eines anderen, scheinbar leichter Semantisierbaren knüpft vordergründig an die ABC-Methode und die natürliche Nähe von Zeichnung und Schrift an, wie sie u. a. von Allori verfolgt wurden. Im Hintergrund stand jedoch eine Entwicklung, die schrittweise den Schwerpunkt des Interesses auf die Qualität – und in Folge die ästhetische Wirkung – der Linie im Besonderen legte. Dies ist eine Tendenz, die sich auch beim macchia-Begriff abzeichnete. Analog zu Zeichenbüchern, die die Erlernung bestimmter künstlerischer Formen erleichtern sollten, wurde in italienischen Schriftmodellbüchern des 16. Jhs. der Dualismus aus gebogener Kursivschrift und gebogener Schraffurlinie entwickelt.1 Erst über den Umweg dieses Anderen konnte sich erstmals ein Vokabular ausbilden, das im engeren Sinn zur Reflexion der Schraffurlinie diente und dezidiert graphische Eigenheiten einzufangen versuchte. Die Verzahnung von Schrift und Strich („tratto“) offenbart sich insbesondere dann, wenn Schriftmeister für ihre Tätigkeit Umschreibungen finden, die an anderer Stelle auch für die Zeichenkunst in Anspruch genommen wurden. Dazu zählt etwa die mit erfahrener Hand, Leichtigkeit, Mäßigung und Virtuosität ausgeführte Linie („con la esperientia della penna“). Bezeichnenderweise beschrieben Schriftmeister ihre eigene Tätig­keit als ‚zeichnen‘ („­disegnare“).2 Die Engführung entwickelte sich mitunter aufgrund weiter terminologischer Felder und entsprechender Schnittmengen von Bedeutungen: Systematisch werden hier Termini der Bildkünste entlehnt, darunter die ästhetische Wirkung (­vaghezza), das (künstlerische) Urteil (giudicio) sowie die Leichtigkeit der ­Ausführung („mano ­leggiera“)3 –

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Für eine allgemeine Untersuchung zum Verhältnis von Schriftlichkeit, Typographie und italienischem Humanismus: Wardrop 1963, insb. S. 1–18; Gramaccini/Meier 2009, insb. S. 13–17. Palatino [1540] 1545, n. pag. Ebenso: Verini 1536, zit. n. Casamassima 1966, Libro I, fol. IIIr. Palatino [1540] 1545, n. pag.

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Kalligraphie

für ­Schreibmeister des 16. Jhs. allesamt entscheidende Kriterien, um die ästhetisch an­ sprechende Form der Buchstaben zu erreichen. Mit der Reanimation antiken Typographiewissens im Humanismus gewinnt die Trias aus Schrift, Zeichnung und Linie an Relevanz: Papst Eugen IV. (1383–1447) veranlasste als Förderer der Schönen Künste beispielsweise die Ausgestaltung einiger Schriftstücke mit Liga­ turen und bezeichnete diese mit einem Verb, das im Verlauf der folgenden Jahrhunderte gleicher­maßen mit der Linie im Allgemeinen als auch unmittelbar mit Schraffur in Verbindung gebracht wurde: „tratteggiare“.4 Ein entscheidender Impuls war die Praxis des Schreibens als solche: Pietro Paolo Vergerio (1370–1444) verfasste die Schrift De ingenuis moribus et liberalibus studiis (1402/03, posthum ca. 1470 erschienen), die als das erste humanistische Traktat gilt, das sich der Erziehung annimmt.5 Hier ist die Kalligraphie, nicht jedoch die Zeichenkunst, explizit den freien Künsten ebenbürtig, wenn nicht gar zugehörig („Scribere namque, & ipsu est protrahere atque designare ad reliqua uero penes pictores resedit“).6 Der antiken Tradition folgend, verwundert es nicht, dass auch an Kunstpraktiken orientierte Traktate wie etwa Armeninis Trattato della pittura zuerst das Erlernen der Handhabung der Feder für die Schrift und erst in einem zweiten Schritt für die Zeichnung empfahlen.7 Die Folgen dieser Engführung von Schrift, Zeichnung und (Schraffur-)Linie waren noch im 18. Jh. spürbar: In George Bickhams (1684–1758) The Drawing and Writing Tutor (1740?) demonstriert gleich die erste Tafel ihre Verwandtschaft (Abb. 24).8 Hier erfolgte eine Typologisierung der Linie anhand ihrer unterschiedlichen Bereiche in Register und Gruppierungen. Die gezeigten Linienformationen werden durch den vergleichenden Blick des Betrachters in diversen Anwendungsgebieten – Zeichnung, Schraffur und typographisches Grund­ element – abgeglichen, wodurch ihre ‚ontologische‘ Verwandtschaft unterstrichen wird. Die in der Mitte der Tafel angelegten fünf Reihen von schrittweise entwickelten Majuskeln werden von geometrischen Formen umrankt, aus denen sich allmählich – und ganz in Alloris Sinn – Gesichtsfragmente bilden. Auf der linken Seite des Blattes findet sich eine schematische Visualisierung von Schraffurtypen, die Bickham Bosses Manieres de graver (1645) entnahm und leicht modifizierte (Abb. 25).9 Die Tafel legt zugleich den quasi-ikonischen Wert der Linie offen und demonstriert, dass gerade diese Offenlegung des ikonischen Werts der Linie und ihre Einbettung in graphische Kunstpraktiken als zentrale Errungenschaft von

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Worthen 1992, S. 265. Die Polysemantik des Begriffes tratteggiare verdeutlicht zudem mehr auch in der Titelwahl von Francesco Pisanis Kalligraphietraktat Tratteggiato da Penna (1640). Dazu: Morison 1962, S. 90–96. – Für den engen genealogischen Zusammenhang von Humanismus und Schrift(-type): Morison 1990, insb. S. 32–43. Zum Stellenwert der Grammatik in der Vormoderne bietet W. Keith Percival (2007) eine grundlegende Untersuchung. Vergerio 1470, n. pag. Hierzu auch: Rosand 1988, insb. S. 15 f. Armenini 1587, S. 51 f. – Noch im 19. Jh. besteht die enge Verbindung von Handhabung und Herrichtung: Longhi 1837, S. 248. Die 1740 erschienene Erstausgabe variierte diese Tafel leicht. Auch andere Zeichenbücher, u. a. Charles-Antoine Jomberts Nouvelle méthode pour apprendre à dessiner sans maître (1740), greifen diese Tafel auf (ebd., Tafel 2).

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„tratti naturali“: Linie als Geometrie

24  George Bickham: The drawing and writing tutor […], [1740?] 1748, Taf. 1

Bosses Traktat verstanden wurden und weniger die komplexen Erläuterungen zu druckgraphischen Verfahren, die das Werk ebenfalls bot. Ich werde im weiteren Verlauf darauf zurückkommen. Für die Schriftmeister des 16. Jhs. stand insbesondere ein spezieller Typus der Linie im Mittelpunkt, nämlich die an- und abschwellende Linie des Buchstabens, die bis heute in Grund- und Haarlinie differenziert wird. Es fügt sich daher, dass Luca Pacioli (ca. 1445–1517) in seiner Divina proportione (entstanden 1498; erschienen 1509) für die kurvilinearen Haarstriche („gambe“) eine subtile Terminologie entwickelte, die die Gradualität des Linienverlaufs in seiner Verjüngung berücksichtigt („la curuita de la penna con la degradatione de la sua grossezza“).10 An prominenter Stelle, nämlich als gliederndes, die Buchstaben­fragmente in Kolonnen unter­teilendes Element, findet sie sich auch in Bickhams Illustration in der Mitte des Blattes wieder (Abb. 24). Die in sorgfältigen Reihen platzierten schematischen Buchstabenformen scheinen auf organische Weise eine Serifschrift mit zarten Haar- und breiteren Grund­linien zu formen. Diesem Typus der Linie steht ein weiterer kontrastierend gegenüber. Links im Bild – hier orien­tierte sich Bickham an Bosse – werden Linien in Bündel systematisiert und anschließend in Gruppierungen als simplifizierte Schraffurarten in Kreuz- („hatching ­double“) und Parallelschraffur („hatching single“) unterschieden. An- und

10 Pacioli 1509, n. pag. [Beispiel des Majuskels Q].

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Kalligraphie

25  Abraham Bosse: Manieres de graver […], 1645, Taf. 4

abschwellende Grund- bzw. Haarlinie sowie Taille wurden typologisch als gleichermaßen charakteristische Linienführungen der Feder parallelisiert. Dies findet auf doppelte Weise statt, nämlich nicht nur durch den Kontrast der Schraffurbündel zur Linken mit den Buchstabentypen zur Mitte des Blattes. Wie um diese schematische Typologisierung der Linie aufzubrechen, berücksichtigte Bickham ferner unterhalb der von Bosse übernommenen Schraffurentypen auch eine Linienform, die sich nicht dem Schema fügte und entsprechend nicht durch erklärende Beschriftung semantisiert wurde. Bickham platzierte unterhalb der Kreuz- und Parallelschraffur vier sich auf unterschiedliche Weise schlängelnde nicht geometrisierbare Linien. Es sind Linien, aus denen sich auf vergleichbare Weise wie in allen anderen Registern des Blattes Formen bilden. In diesem Fall fügen sich die schlängenden Linien zu Detailstudien von Nasen und Mündern zusammen und erinnern in diesem scheinbar oganischen Verlauf der Linie an Michelangelos Studienblatt (Taf. 1).

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Vergleichbar mit der ABC-Methode des Zeichnens, beförderte die stringent ent­ worfene ­Prozessualität linearer Konstruktionen, wie sie Bickhams The drawing and writing ­tutor ­illustriert (Abb. 24), die Entwicklung eines differenzierten Vokabulars für ästhetische ­Quali­täten der Linie. In Analogie zu Alloris Typisierungen der Linie in gerader und kurvierter Linie11 syste­matisiert der Schriftmeister Giovanni Battista Palatino (1515–1575) in seinem ­Libro nuouo da imparae a scrivere (1540)12 drei Linientypen. Auf Basis der Euklid’schen Geometrie und mit Rückgriff auf Paciolis Divina proportione und Felice ­Felicianos (1433– 1479) Alphabetum Romanum (1463) postuliert Palatino, alle geometrischen Körper ließen sich aus drei Grundformen der Linie konstruieren, nämlich horizontaler, vertikaler und schräger Linie. Aus ihnen setzten sich beispielsweise alle Buch­staben des Alphabets zusammen, aus denen wiederum die Kursivschrift geformt werden könne (cancellaresca).13 Für ihn sind diese drei „natürlichen Formen der Linie“ („tratti ­naturali“) als erste Übungen zum Erlernen der Schrift zu verstehen und als basale Linienzüge, mit denen sich Schüler auf dem langen Weg bis zur perfekten Beherrschung der Schreibschrift vertraut machen. Diese Systematisierung von Linien im Sinne der „natürlichen Linienzüge“ wurde doppelt begründet: Der eine Grund lag in einem zunächst wie beiläufig erscheinendem Credo Palatinos zur sicheren Handhabung der Feder. Palatino war sich der unterschiedlichen Qualitäten des Strichs einer Feder bewusst,14 deren Handhabung („manneggiare“, „sapere tenere ben la penna in mano“) als Vehikel des neuen Stils diente.15 Er betont die Bedachtsamkeit (avvertenza), mit der Schreiber vorgehen müssen, und spiegelt damit nicht zuletzt die für Alberti so bedeutsame Kategorie der Sorgfalt (diligentia) wider. Die Kontrolle über die Feder bildete die Grundlage der cancellaresca, denn ohne richtige Haltung und Handhabung der Feder und der Besonnenheit (avvertenza) des Schreibers könne, so Palatino, kein sicherer Strich gesetzt werden. Als Konsequenz erschiene er zittrig („Il tratto non nerria sicuro, ma tremolante“).16 Die sichere Linienführung ist für ihn jenes Element beim Schreiben, das die Differenzierung unterschiedlicher Typen des Libro Nuovo überhaupt erst ermöglicht. Zum anderen wurden die technischen Voraussetzungen für die Erzeugung dieser minimal unter­ 11 Allori 1560, zit. n. Barocchi 1973, Bd. 2, S. 1959. 12 Das Modellbuch fand weite Verbreitung wie die insgesamt sechs weiteren Auflagen, die es nach 1540 erhielt, nahelegen (1543, 1544, 1545, 1548, 1550 und 1553). Morison 1962, S. 37. 13 Nördlich der Alpen wurde für diese Type die auf ihre geographische Herkunft rekurrierenden Bezeichnungen Italica, Italienne, Italiano etc. eingeführt. Morison 1962, S. 20. – Ähnliche Bemühungen, in einem allumfassenden Ansatz sämtliche „Eigenschaften der Feder“ („effecti de la penna“) einzufangen, bot auch Sigismondo Fantis Schriftmodellbuch Trattato di scrittura (1514). Fanti 1514, fol. c.B2v, zit. n. Ciaralli/Procaccioli 2013. Fanti unternahm im Zusammenhang dieser „effecti de la penna“ ferner den Versuch, die Eigenheiten der kurvierten Federlinie und die markanten Unterschiede zwischen Grundund Haarstrich in zunächst einfachen, quasi-polar entworfenen Begriffen zu semantisieren. Fanti 1514, Consideratio XLII, fol. c.B8r, zit. n. Ciaralli/Procaccioli 2013. Zurecht hat Wardrop bemerkt, dass es ursprünglich die Kursive war, die kaum Unterscheidungen zwischen Grund- und Haarstrich vornahm: Wardrop 1963, S. 11. 14 Dazu: Fanti 1514, zit. n. Ciaralli/Procaccioli 2013, S. 13 [Kommentar]. 15 Palatino [1540] 1545, n. pag. 16 Palatino [1540] 1545, n. pag.

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26  Giovanni Battista Palatino: Libro nuouo […], [1540] 1545, n. pag.

schiedlichen Linien nicht nur in den explikatorischen Texten der Modellbücher erläutert, sondern auch in Bildform illustriert. Palatino bildet daher in Reminiszenz an Vorbilder in seinem Traktat eine Tafel mit verschiedenen Werkzeugen zur Bearbeitung der Federn ab. Sie zeigt auch diverse Schreibgeräte (Abb. 26).17 Auf diese Prämissen aufbauend listet Palatino nun die drei natürlichen Formen der Linie,18 die er in Anlehnung an Paciolis Terminologie als horizontale („testa“), vertikale („traverso“) und 17 Frühe Vorbilder für eine solche Vorgehensweise finden sich in Taglientes Lo presente libro insegna la vera arte delo ecellente scriuere (1524), Arrighis Il modo de temperare le penne (1523) und in Fantis Trattato di scrittura (1514), das eine ausführliche Anweisung zum Spitzen der Feder bietet: Fanti 1514, fol. c. A8r–v, zit. n. Ciaralli/Procaccioli 2013. 18 An diesen Horizont des Fragmentierens und Systematisierens einzelner Buchstabenformen knüpften Schriftmodellbücher lange Zeit an, beispielsweise Giovan Francesco Crescis Essemplare di più sorti lettere (1560) und Il perfetto scrittore (1570), dessen Frontispiz dem Leser verspricht, sämtliche natür­

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27  Giovanni Battista Palatino: Libro nuouo […], [1540] 1545, n. pag.

schräge Linie („taglio“) benennt.19 Palatinos Systematisierung der Linien basiert auf ­Lodovico degli Arrighis (1475–1527) La operina (1522),20 in der sich unmittelbar nach der Vorrede an den Leser eine Anweisung findet, der zufolge die cancellaresca erst erlernt werden könne, wenn zwei – und nicht wie bei Palatino drei – Linientypen beherrscht ­würden. Die Namensgebungen der Linien korrespondieren bereits mit ihren jeweiligen ästhetischen Qualitäten: Die horizontale Linie sei „lungo e piano e grosso“, die diagonale Linie dagegen „acuto et sottile.“21 Die in Analogie zur Entwicklung innerhalb der Theoretisierung der Schraffur stehende Kategorisierung der „archetypischen Linien des Schreibens“ („tratti archetipici lichen jedwelcher Buchstabenformen zu demonstrieren („le natural forme di tutte quelle sorti di ­lettere“). Cresci 1570, n. pag. [Frontispiz]. 19 Zu Palatinos Kategorien: Fairbank/Wolpe 1960, S. 25 f. Für eine ähnliche Kategorisierung, cf. Giovanni Battista Verini: Verini 1536, zit. n. Casamassima 1966, Libro I, fol. IIIv. 20 Cf. Rosands Vergleich von Arrighis Kursive mit Raffaels Zeichnungen: Rosand 2001, S. 143. 21 Palatino [1540] 1545, n. pag. Hierzu auch: Rosand 2001, S. 141.

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28  Giovanni Battista Palatino: ­Libro nuouo […], [1540] 1545, n. pag.

­ ello ­scrivere“) wurde in den folgenden Dekaden grundlegend für Schrift­modell­bücher.22 d ­Palatinos Ansatz war in mehrfacher Hinsicht visuell. Neben der schriftlichen Erläuterung zu horizontaler, vertikaler und schräger Linie sind jeweils zwei parallel zueinander laufende Linien abgebildet (Abb. 27). Die Orientierung der Schrift an geometrischen Prinzipien und ihre gleichzeitige Fragmentierung in drei Linientypen hatten weitreichende Folgen. So ist nur folgerichtig, dass die kurvierte oder geschlungene Linie als ‚ungeometrisches‘ Element hier nicht zur Sprache kam, wenngleich sie für die Gestaltung der Kadellen, die gerade für so genannte ‚humanistische‘ Lettern typisch sind, zentral war. Die Kadellen hatten im Libro nuouo einen entsprechend großen Anteil an den Tafeln, so etwa in den Kartuschen (Abb. 28). ­Palatino umgeht dieses Problem der rundierten Linie in der Kursivschrift durch die Auflösung der Rundung in geometrische, gerade Linienfragmente, die erst in ihrer Zusammen­führung 22 Petrucci 1993, S. 622. Hierzu auch Colette Sirat, die grundlegend zwischen geradliniger und kurvilinearer Linienführung unterscheidet: Sirat 2006, S. 314.

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29  Giovanni Battista Palatino: Libro nuouo […], [1540] 1545, n. pag.

eine Wölbung evozieren: Er zeigt auf, dass man gar rundiert erscheinende Buchstaben wie das ‚a‘ durch die richtige Anordnung dieser drei ungerundeten „natürlichen Striche“ konstruieren kann (Abb. 28). Trotz eines strikt geometrischen und ostentativ gradlinigen Aufbaus der Buchstaben findet die kurvierte Linie bei Palatino explizite Erwähnung, nachdem er seinem Leser die Bildung jedes einzelnen Buchstabens des lateinischen ­Alphabets nahe­ gebracht hat. Palatinos visuell angelegtes Modellbuch stieß an dieser Stelle auch an die Grenzen des technisch Möglichen. Am dafür prädestinierten Et-Zeichen demonstriert er die geschwungene Linie in einigen Variationen (Abb. 29): Sie solle in einer fließenden ­Bewegung ohne Absetzen der Feder gezogen werden („triasi tutto in un sol tratto di penna“).23 Die Darstellungen des Et-Zeichens können trotz der Rundierung und Biegung der Linie einen gewissen Grad der Steifheit nicht ablegen, was sich nicht allein auf die Verwendung des

23 Palatino [1540] 1545, n. pag.

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für die Illustration von Schriftmodellbüchern gängigen, aber wenig flexiblen Holzschnitts zurückführen lässt.24 Bickhams geschwungene Linie, die er unterhalb seines ­Schemas der Schraffurtypen platziert, fand bei Palatino jedenfalls keine direkte Verwendung im engeren Sinn. Palatino, ganz in geometrischen Grundelementen denkend, vermag trotz aller Bemühungen um eine Differenzierung unterschiedlicher Kursiven nicht, sein auf geometrischen Grundelementen basierendes System zu durchbrechen.25 Es ist jedoch nur folgerichtig, dass auch die vermeintlich durchgängig gezogene Linie des Et-Zeichens von Palatino in einzelne Fragmente gegliedert wurde. Obwohl Palatino sein System der ‚enzyklopädischen‘ Linientypologie von Arrighi entlehnte, war für letzteren vielmehr die Wirkung des Schriftbildes und die Frage von Bedeutung, durch welche Herangehensweise sie erreicht werden konnte. „[Fluid] grace and formal beauty“26 wurden im Verlauf des folgenden Jahrhunderts wesentlicher Anspruch der Kalligraphen und überführten die geometrische Linie der Schrift in den Bereich der Ästhetik. Weitere neue Terminologien zur Semantisierung der ästhetischen Wirkung der Schrift führte beispielsweise Johann Neudörffer d. Ä. (1497–1563) in seinem Gesprechsbüchlein (1549) ein, in dem er den für ihn wichtigen Unterschied zwischen „zierlichs“ und „wol schreiben“ beschrieb. Bemerkenswert ist hier die deutliche Differenzierung zwischen der bereits im Mittelneuhochdeutschen mit „Schönheit“ konnotierten „zier“27 und dem von Neudörffer ‚inhaltlich‘ aufgeladenem „wol“. Er erklärt diese Unterscheidung folgendermaßen: Du sagtst recht / zierlichs schreiben / dann ich halt / es sey ein großße vunterschied / zwischen zierlich un[d] wol schreiben / Dan die schreiben wol / die aus rechter kunst vnd weißheit / gute bücher oder Künstliche gedicht mache[n] / wan[n] sie schon nicht hübsche buchstaben malen / […] Nun ich mein dein stift / die gestelt mir von art / an

24 Es war oft der Fall, dass Bände zur Schrift- und später Kalligraphiekunst von einem Künstler in den Druck umgesetzt wurden, nicht vom Schreiber respektive Kalligraphen, der oft nicht die technischen Fähigkeiten für die Drucksetzung aufbringen konnte. Beispielsweise wäre die Drucklegung von Arrighis La Operina (1522) ohne die Zusammenarbeit mit Ugo da Carpi, der die von Arrighi entworfenen Schriften in den Holzschnitt übertrug, undenkbar gewesen, dergestalt, dass Papst Clemens VII. das cum privilegio an Ugo da Carpi übertrug. Weshalb es zum Bruch zwischen den beiden Künstlern kam, ist ungewiss, jedoch wurde Arrighis späteres Werk Il modo di temperare le penne (1523) in Zusammen­ arbeit mit dem venezianischen Kupferstecher Eustachio Celebrino verlegt. Celebrino arbeitete daraufhin auch mit Giovanni Antonio Tagliente zusammen, dessen eigenes Traktat eine Kompilation aus jenen von Fanti und Arrighi darstellte: Morison 1990, S. 41 f., sowie S. 51 f. u. S. 59– 69. Lisa Pon verwies darauf, dass Arrighi in einer nachträglich hinzugefügten, überwiegend schwarz gefärbten Kartusche die Zusammenarbeit mit Ugo da Carpi wortwörtlich vertuschte, indem er sie über dessen Namen platzierte und diesen so gut wie unlesbar machte. Hierzu: Pon 2004, S. 75–77. 25 Cf. Muzika 1965, Bd. 2, S. 45. 26 Morison 1990, S. 54. 27 Kluge/Götze [1883] 1953, S. 901. – Meurer übersetzt beispielsweise „zierlich“ mit dem englischen „elegant“: Meurer 2014, S. 72.

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der gröbe / vnd allen proportzien der Buchstaben so wol / das ichs gleich zierliche schrifft nennen muß.28 Geometrische Konstruktion und Ästhetik der Buchstaben verhielten sich zueinander wie zwei Seiten der gleichen Medaille: Die Zusammenkunft aus formaler Schönheit („zierlich“) und Proportionalität der Schrift („allen proportzien der Buchstaben“) schlägt den Bogen zurück zur Geometrie: Das Interesse frühneuzeitlicher Schriftmeister an Euklids Geometrie findet sich bereits in Alhazens Opticae Thesaurus (1021), das Impulse des antiken ­Autors verarbeitet hatte.29 Alhazens aufgrund der Betrachterorientierung modern anmutende Optiktheorie bietet eine der frühesten Reflexionen zur Schönheit der Schrift, des An- und Abschwellens der Linie, der Proportion einzelner Buchstabenteile und ihrer Ordnung.30 So werden gleichsam jene Kategorien aufgerufen, die an der Schwelle vom 16. zum 17. Jh. die Kalli­graphie maßgeblich bestimmen sollten. Im 2. Buch seines Opticae Thesaurus führt er aus, wie Schönheit in Schrift zu erreichen sei. Nicht die Ähnlichkeit einzelner Buchstaben zueinander aufgrund ihrer gleichmäßigen Dicke, sondern die Verschiedenheit – etwa durch die Varia­tion von Grund- und Haarstrich – erziele ein schönes Schriftbild. Die Buchstaben eines Buchs müssen daher insbesondere in ihren Extremitäten, d. h. in den Ober- und Unter­ längen, einen dünneren Verlauf annehmen als in ihrem Korpus. Erst durch diese Differenz, ebenso wie die harmonische Verteilung der Schrift auf dem Blatt, entstünde die vom Betrachter als schön empfundene Komposition.31 Wenngleich Zeichen- und Modell­bücher keines­falls den Anspruch erhoben, Überlegungen wie diese unmittelbar in Bildform zu transportieren, ­demonstriert Bickhams Eröffnungstafel in The drawing and writing tutor wie sehr diese Prinzipien Eingang in die Zeichenpraxis fanden, wie hier als Idealformen (Abb. 24).

„stilstaende letter“: Linie als Bild Aufbrüche An diese Trias aus natürlicher Federführung, Schönheit der Schrift und Idealform knüpft Jan van de Veldes (1568/69–1623) Schriftmodellbuch Spieghel der Schrijfkonste (1605) an, das in Kooperation mit dem Kupferstecher Simon Frisius (ca. 1570/75–1626/29) entstand. Das Modellbuch bietet in der Verschränkung von Bildtafeln und Paratexten ein reiches Geflecht an Allusionen und Assoziationen. Der Stil um 1600 begünstigte die komplexen Symploken

28 Neudörffer 1549, fol. 6. 29 Alhazen, Opticae Thesaurus, zit. n. Sabra 1989, Bd. 2, S. xxxii. – Sein Optiktraktat wurde erstmal 1572 in lateinischer Übersetzung gedruckt, aber bereits von Lorenzo Ghiberti (ca. 1378–1455) in der von Guerruccio de Cione Federighi im Jahr 1341 verfassten italienischen Übersetzung für seine Commentarii rezipiert, sodass von kursierenden Abschriften ausgegangen werden kann. 30 Für Proportion bei Alhazen: Cf. Summers 1987, S. 156. Für Proportion bei Verini: Muzika 1965, Bd. 2, S. 45. 31 Alhazen/Risner 1572, Buch II, Kap. III, § 74, S. 73. Hier auch: Arrighi 1522, fol. 10.

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aus Kadellen als neues ästhetisches Paradigma.32 Für die Linie wurde ein starker Kontrast zwischen verdicktem Grund- und sich verjüngendem Haarstrich favorisiert,33 der trotz der Übertragung in den Kupferstich den Eindruck einer mit Feder ausgeführten, handschriftlichen Schreibschrift erweckte. Damit ging eine Dynamisierung der typographischen Gestaltung einher: In der scheinbar schnell ausgeführten und nicht länger rein geometrisch konstruierten Schrift lag der größtmögliche ästhetische Reiz des Schriftbildes.34 Der Spieghel der Schrijfkonste erhielt in den drei Jahren nach seiner Ersterscheinung mehrere Auflagen und Übersetzungen, darunter in die französische, englische und lateinische Sprache.35 Das Modellbuch stellt eine bislang weitgehend unbeachtete Verdichtung bild­ licher und schriftlicher Quellen dar,36 die sich durch die Kohäsionskraft zwischen kunsttheoretischen Tendenzen und künstlerischer Praxis der Schraffur und Schrift ausbildete. Die grundlegenden Werke von Schriftmeistern wie Palatino, Fanti und Arrighi dienten dieser Entwicklung als Sprungbrett, wenngleich sich Van de Velde radikal von der „Proportionalisierung [der] südalpinen Schrifttheoretiker“ abwandte.37 Der Spieghel der Schrijfkonste 32 Petrucci 1993, S. 621. 33 Nesbitt [1950] 1957, S. 103. – Zur Dynamik der „harmonisch ausgewogenen Gegensätze“ in der humanistischen Kursive: Muzika 1965, Bd. 2, S. 74. Colette Sirat sieht die Dynamik eher in der wechselnden Laufrichtung des Striches von einem zum nächsten Buchstaben. Ebenso können darunter „number, direction, and succession of a hand motion“ verstanden werden (ductus). Sirat 2006, S. 309 u. S. 311 f. Zur Dynamik der Kursive weiter: Fairbank [1949] 1952, insb. S. 29–31. 34 Petrucci 1993, S. 625. 35 Für eine detaillierte Auflistung der Editionen: Van Uchelen 2005, S. 72–78. 36 Die Beziehung von Schönschrift und Schraffur wurde bisher bis auf wenige Ausnahmen marginalisiert, was u. a. mit dem Umstand zusammenhängt, dass sich der Großteil der Modellbücher in privaten Sammlungen befindet: Petrucci 1993, S. 612. Walter Melion geht am Rande auf Schönschrift und Schraffur ein. Für ihn liegt der Schrift, nicht der Schraffur, das Primat inne. Gleichzeitig sieht er die kritische Kategorie des handelinghen in der niederländischen Kunsttheorie für den maßgeblichen Impetus des Verhältnisses Van de Veldes zu Goltzius oder von Schraffur und Schrift im Allgemeinen: Melion 1993, insb. S. 63. Amy Worthens Artikel zu kalligraphischen Inschriften um 1600 sieht zwar einen deutlichen Bezug der Schönschrift zur Druckgraphik, verhandelt die Schönschrift lediglich in Hinblick auf „bravura approaches“, ohne einen direkten Bezug zur Schraffur herzustellen, was sich möglicherweise von der Beobachtung ableitet, dass die cancellaresca ebenfalls als „virtuoso style“ betrachtet wurde: Worthen 1992, S. 266. Nesbitt 1957, S. 88. Für Worthen steht hierbei die Linie im Allgemeinen und weniger die Schraffur im Besonderen im Zentrum des Interesses: Worthen 1992, S. 261. Ton Croiset van Uchelen geht lediglich auf die schoonschrijfkunst als „Federkunst“ („ars pennae“) ein: Van Uchelen 2005, S. 9. Fairbank sieht in den Kadellen der Kalligraphen ausschließlich „amazing skill [that] led them to performances that made writing subsidiary to ornament“: Fairbank [1949] 1952, S. 33. Alexander Nesbitt versteht Van de Veldes Modelle als „system of spiral ornament“: Nesbitt 1957, S. 112. Robert Felfe widmete sich dem Konnex von Schraffur- und Kalligraphielinie im Zusammenhang zu Fragen der Kulturtechnik: Felfe 2015 B, insb. S. 29–33. 37 Kunze 1992, S. 261. – Eine solche Annäherung an italienische Vorbilder lässt sich in Gerhard Mercators (1512–1594) Litterarum latinarum (1540) beobachten, das nicht zuletzt aufgrund der zeitlichen Nähe zu italienischen Modellbüchern eines der wenigen frühen nordalpinen Werke war, in denen die rundierte cancellaresca romana „[in] solch unverfälschter Form […] in der außeritalienischen Kalligraphie“ bestehen blieb, ohne dass dezidiert niederländische Traditionen der Schrift die gestalterische Überhand gewannen. Muzika 1965, Bd. 2, S. 70. Ebenso: Osley 1970, S. 65. Die Neuerung in Mercators Werk

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befindet sich im Epizentrum eines um die Jahrhundertwende stattfindenden Aufschwungs der Schrifttraktate,38 mit dem eine Abkehr von rein geometrischen Konstruktionen der Buch­ staben einherging.39 Aus diesem Grund fügt es sich, dass der nicht mathematisch ausgebildete Palatino der einzige italienische Schriftmeister ist, auf den im Spieghel der Schrijfkonste explizit Bezug genommen wird.40 Van de Veldes Interesse an Palatino dürfte vornehmlich in der Differenzierung der Qualitäten des Strichs gelegen haben („plusieurs beaux traits de plume“).41 Diesem Themenkomplex nimmt sich ein separater Teil seines Kalligraphieraktats an, das sogenannte Fondement-Boeck. Bereits in früheren Modellbüchern zeichnete sich in den Niederlanden ein Bruch mit der italienischen Schrifttradition ab, der nicht allein mit der Positionierung der Niederlande als künstlerisches Zentrum gegen Italien erklärt werden kann. Vielmehr unterstützte die französische Schrifttradition42 des ausgehenden 16. Jhs. die Entwicklung in den Nieder­landen der folgenden Dekaden maßgeblich, ebenso wie eine beginnende Institutionalisierung humanistischer Bildungsideale und die sukzessive Etablierung eines ‚volkstümlichen‘ Humanismus.43 Aufgrund seiner Ausbildung in Frankreich ist anzunehmen, dass Van de Velde wahrscheinlich mit Werken wie Clément Perrets (1551–1591) Exercitatio alphabetica (1569) vertraut war. Das Werk stellte in zweifacher Hinsicht eine Zäsur dar: nicht nur weil es durchgängig in Kupfer gestochen war, sondern auch weil sich hierin erstmals mit der jeweiligen Sprache korrespondierende Typen wiederfanden.44 Für Van de Velde war eine weitere Überlegung entscheidend: Die niederländische Ausprägung der Schreibkunst („Nederlandtsche textur“) war im Gegensatz zu ihren italienischen und französischen Pendants um die Ausbildung von ‚Berufskalligraphen‘ und darauffolgend um die Überführung der hochspezialisierten Kalligraphie in eine alltägliche Praxis bemüht.45 Van de Veldes Widmungsblatt an den heute wenig bekannten Kalligraphen Felix van Sambix (ca. 1553–1642)46 mit der Bitte, sein Modellbuch nicht sogleich des populären Anspruchs wegen abzulehnen, deutet auf ebendiesen Umstand hin („m’accuson d’adulation i en vulgarisa“).47

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war auch technischer Natur, denn ungleich seiner italienischen Vorgänger konzipierte und verfasste er das Werk und schnitt die Holzblöcke für die Drucklegung selbstständig. Osley 1970, S. 65. Petrucci verweist darauf, dass in Italien zwischen den Jahren 1580 und 1620 so gut wie jedes Jahr ein neues Modellbuch zur Schrift erschien: Petrucci 1993, S. 616. Petrucci 1993, S. 625. Van de Velde 1605 B, Thresor litteraire, n. pag. Van de Velde 1605 B, Thresor litteraire, n. pag. Zu der Entwicklung in Frankreich: Nesbitt 1957, insb. S. 92–102. Colin Clair bietet ebenfalls einen kurzen Überblick zum Schriftdruck im Frankreich des 16. Jhs.: Clair 1976, insb. S. 159–178. De Ridder-Symoens 2011, S. 203. Van Uchelen 2005, S. 14. Muzika 1965, Bd. 2, S. 236. Zu Van Sambix’ Rolle, der seit 1571 Vorstand der schoolmeestergilde St. Ambrosius in Antwerpen war, in der Van de Velde die Schreibkunst erlernte: Van Uchelen 2005, S. 15–20. Van de Velde 1605 B, n. pag.

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30  Jan van de Velde: Spieghel der Schrijfkonste […], 1605, n. pag.

Transformation – Kunstfertigkeit Der Spieghel der Schrijfkonste eröffnet mit einer eindrucksvollen Tafel: Jan van de ­Veldes Illustra­tion einer Hand setzt den Namen seines Künstlerkollegen und Kupferstecher des Modell­buchs, Simon Frisius, mittels einer geschwungenen Linie kunstvoll aufs Papier (Abb. 30).48 Arm und Hand der Tafel sind in unterschiedlichen Modi der Schraffur modelliert und deuten trotz der unterschiedlichen graphischen Effekte auf die Taille als ihren gemeinsamen Impetus. Von kurvierter Parallelschraffur und feiner Kreuzschraffur bis hin zur auslaufenden und mit breiten Zügen geführten Skizzierung auf Höhe des Ellenbogens, die den lockeren Strich der Feder imitiert, demonstriert der Künstler hier eine Palette der diversen Einsatzmöglichkeiten der Schraffur. Die Hand ist das einzige schraffierte Motiv im Spieghel der Schrijfkonste. Sie ist als Zwillingstafel angelegt, wird gegen Ende des Modellbuchs in

48 Prominente frühe Exempel für dieses Motiv der Feder und Hand sind u. a. Sigismondo Fantis Trattato di scrittura (1514) und Thesavro de Scrittori (1532). Zu diesem Motiv, auch mit weiteren Belegen: Goldberg 1990, insb. S. 74–107. – Das Motiv der federhaltenden Hand findet sich konsequenterweise auch in Traktaten, in denen entweder die Schraffur verhandelt wird (Abraham Bosses Manieres de graver (1654, Taf. 5)) oder in solchen, in denen der Wahlverwandschaft von Schrift und Schraffur Rechnung getragen wird (George Bickhams The drawing and writing tutor ([1740?] 1748, Taf. 1 u. 4)). Ferner erscheint das Motiv in Zeichenbüchern, beispielsweise in Luca Ciamberlanos Svuola perfetta (Taf. 6). In Fantis Erstwerk Trattato di scrittura (1514) findet sich das Motiv in Variation: Das Motiv ist gleich dreimal abgebildet: Fanti 1514, fol. 1r, fol. 8V u. fol. B2r, zit. n. Ciaralli/Procaccioli 2013.

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31  Jan van de Velde: Spieghel der Schrijfkonste […], 1605, n. pag.

leichter Variation wiederholt und umklammert somit das gesamte Werk (Abb. 31) – wenngleich aus heutiger Sicht „die Unterschiede zwischen ihnen [den unterschiedlichen Schriften; Anm. E. B.] [minimal]“ erscheinen.49 Die Linie wird hier auf doppelte Weise ins Bild gebracht: Der Schriftzug Frysius weist in beiden Bildvarianten eine vom restlichen Text der Tafeln abweichende Handschrift auf.50 Ihre subtile Nuancierung und die variierte Schraffur des Armes fordern den aufmerksamen Blick des Betrachters gleichermaßen heraus. Was für die Schrift gilt, lässt sich in Analogie auf die Schraffur des Handmotivs übertragen: So sind die Hände im Spieghel der Schrijfkonste ebenso wenig identisch schraffiert; sie lenken die Aufmerksamkeit des Betrachters auf unterschiedliche Modi der Schraffur und die damit einhergehenden ästhetischen Wirkungen – ohne sie schriftlich explizit zu verbalisieren.51 Mehr noch: Die minuziöse Ausdifferenzierung beider Hände deutet an, wie stark ihre Schraffur in Synergie zu den jeweils gezeigten Typen steht. Zugleich liegt das Hauptaugenmerk wie zuvor bei Ciamberlanos Zwillingstafeln auf dem vergleichenden Sehen der subtil variierten Ausführung (Taf. 2 und Taf. 3; cf. Abb. 30 und Abb. 31). Damit reihten sich Van de Velde und Frisius in eine kalligraphische Tradition ein, die sich ebenfalls das ­vergleichende Sehen zu Nutzen 49 Sirat 2006, S. 309. 50 Van Uchelen 2005, S. 137. 51 Zu den möglichen Vorbildern: Linke/Sauer 2007, S. 82 f.

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machte: Eines der wohl bekanntesten Beispiele hierfür ist die von ­Joris ­Hoefnagel (1542– 1601) und Georg Bocskay (1510–1575) in zwei unterschiedlichen Schaffens­perioden angefertigte Mira calligraphiae monumenta (Schrift: 1561/62 bzw. Illustrationen: 1591–1596). Das Werk besticht durch ein vergleichbar synergetisches Verhältnis von unter­schiedlichsten Buchstabentypen, typographischen Variationen und veristischen Illustra­tionen (Taf. 10). Auch hier wurden synergetische Effekte zwischen Bild und Schrift evoziert. ­Hoefnagel lässt beispielsweise eine Kreuzspinne in Anlehnung an die Unterlängen der Schrift ein Netz spinnen, wobei die Glieder ihrer Beine die Faktur der Unterlängen aufgreifen, sodass Schrift und Illustration scheinbar ineinander übergehen. Der stärker als im Spieghel der Schrijkonste empfundene Bruch im Verhältnis der kompositorischen Elemente ist primär technisch bedingt, da die Naturstücke der Mira calligraphiae monumenta in Aquarellfarben ausgeführt wurden.52 Für den Spieghel der Schrijkonste wählte Van de Velde indessen die Linie als all­ einiges Gestaltungselement – und demonstriert sogleich, dass die (Schraffur-)Linie in seinem Schrift­modell­buch zumindest dem Anspruch nach dem Verismus der Mira calligraphiae monumenta in nichts nachsteht. Diese in der Zwillingstafel entworfene Gegenüberstellung von Schraffur- und Buch­ staben­linie erstreckte sich auf die Paratexte des Spieghel der Schrijfkonste, die dieses Prinzip mit dem Anspruch kunsttheoretischer Fundierung vertieften. Das Modellbuch unterteilt sich in drei Teile: einen Abschnitt mit Sonetten und Widmungen (Thresor litteraire), einen Bildteil mit diversen Typen, Kadellen und figuralen Elementen und das kunsttheoretische Fondement-­Boeck.53 Die Sonette stammen von Van Mander, der zudem in Zusammenarbeit mit ­Goltzius’ Stiefsohn, Jakob Matham (1571–1631), den Entwurf für das Frontispiz an­fertigte (Abb. 32).54 Van Mander hatte selbst eine hohe Sensibilität für typographische Gestaltung und den ‚ikonischen‘ Gehalt der Schrift; für die sechsbändige Erstausgabe des nur ein Jahr zuvor erschienenen Schilder-Boecks wurde für jeden Band ein individuelles typographisches Konzept entworfen. Die kontroverse Debatte um den Zusammenhang von Bewegung der Form und kompositorischer Angemessenheit erstreckte sich ferner u. a. auf einen sich zeitgleich vollziehenden, vergleichbare Prinzipien adaptierenden Wettstreit um die Angemessenheit rhetorischer Eloquenz bzw. der Wahl der angemessenen Stilhöhe der Rede. Die Rivalität reihte sich zugleich in eine lange humanistische Rhetoriktradition der harmonischen Koppelung von Form und Inhalt der Sprache ein. Angelo Camillo Decembrio (1415–1467?) etwa spitzt es in seinem posthum erschienenen De politia litteraria (1540)

52 Für Weiteres: Felfe 2015 B, S. 29–31. 53 Die Exemplare weisen mitunter je unterschiedliche Ordnungen der Tafeln auf. Hier wird im Folgenden nach dem Exemplar in der Kunstbibliothek/Ornamentstichsammlung der Staatlichen Museen zu Berlin, Inv. Nr. OS 5010 Kl zitiert, bei dem die Schrifttafeln, die ursprünglich dem ersten Teil des Modellbuchs angehörten, in geänderter Reihenfolge, etwa auch im Thresor litteraire, zu finden sind. 54 Van Mander und Matham wirkten bereits beim Frühwerk Van de Veldes, Deliciae variarum, mit, das nur ein Jahr vor dem Spieghel der Schrijfkonste entstand, aber zeitgleich gedruckt wurde: Van de Velde 1605 A. Zudem war Van de Veldes Sohn als Lehrling in der Werkstatt von Matham beschäftigt.

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32  Karel van Mander und Jakob Matham: Entwurf für den Spieghel der Schrijfkonste, 1604

zu, indem er für eine typographische, den Inhalt des Textes widerspiegelnde Ausgestaltung plädierte.55 Für die Nobilitierung der Schreibkunst wurden bereits etablierte Topoi der bildenden Künste aufgerufen. In einem der Sonette im Fondement-Boeck des Spieghel der Schrijfkonste lobt Van Mander beispielsweise Van de Velde als Apelles seines Fachs („Verdiende voortijdts roem Apelles met ’t pinceel / Niet minder mette Penn’, is nu lofweerdich Velde.“).56 Dabei orientierten sich die Autoren des Modellbuchs an Referenzpunkte wie­­Erasmus von Rotterdams Charakterisierung von Dürer als Apelles der schwarzen Linien.57 Der Topos ­wurde in Bezug auf die Schreibkunst auf unterschiedliche Weise variiert: Der Händler ­Abraham van Peere stilisierte den Kalligraphen David Roelands (*1572), dessen Modellbuch mit dem Titel T’Magazin oft’ Pac-huys der Loffelycker Penn-Const (1616) ebenfalls von ­Frisius ge­stochen 55 „Licet vero, quod manibus tangas evolvasque quodque oculis repente conveniat, venustissimus apparet saepenumero: nihil tamen existimatione dinum est, nisi quod in scriptura consonuerit […].“ Decembrio 1540, zit. n. Witten 2002, S. 399 [„Mag auch das, was mit den Händen berührt und aufgeblättert und was für die Augen sofort gut lesbar ist, sehr häufig äußerst anmutig erscheinen, so ist gleichwohl der Wertschätzung nur würdig, was bezüglich des Textes stimmig ist.“ Übers. n. ebd., S. 80]. 56 Van de Velde 1605 B, Fondement-Boeck, n. pag. [„Wenn Apelles einst Ruhm mit seinem Pinsel erwarb, wird Van de Velde nicht minder Ruhm mit seiner Feder erwerben.“]. Ebenso findet sich die Assoziierung in Cornelis Boissens Grammato-graphices (1605). Auch hierfür verfasste Van Mander die Eloge. ­Boissens 1605, Ode op t’Schryf-boeck C. Boissens, n. pag. – Zu Neudörffer und dem Apelles-Topos: Meurer 2014, S. 68 f. 57 Erasmus von Rotterdam [1528] 1547, S. 45. Dazu u. a. auch: Melion 1993, insb. S. 54 f.

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wurde, als Schriftmeister, der gar Dürer zu übertreffen vermochte.58 Wenngleich hier scheinbar Topoi der Virtuosität („bravura“) implizit sind, war dieser Begriff für die niederländische Kunst um 1600 nicht ohne Weiteres anwendbar. Für Baldassare ­Castiglione war die ­sprezzatura als Sonderform der Virtuosität ein vornehmlich für die Malerei gebrauchter Begriff, der sich durch „eine einzelne, ungezwungene Linie“ auszeichne: Spesso anchor nella pittura una linea sola non stentata, un sol colpo di penello tirato facilmente, di modo che paia che la mano senza esser guidata da studio o d’arte ­alcuna […].59 Kennzeichnet die sprezzatura die mit Leichtigkeit gezogene, ungezwungene, eben nicht durch ein mühsames Studium oder jedwede Kunstfertigkeit erlernte Linie, handelt es sich bei der sprezzatura und ihrem Antonym, affettazione, um eine vielbeschworene ­Dichotomie, für die niederländische Theoretiker keinerlei Interesse entwickeln.60 In Van Manders Schriften finden sich daher keine äquivalenten Begriffe. Insbesondere für den Sonderfall der Linie indizieren Van de Veldes Doppelillustrationen der Hände, wie es zu diesem Umstand gekommen sein mag (Abb. 30 und Abb. 31). Bei der kalligraphischen Linie handelt es sich um einen trompe-l’œuil-Effekt, der lediglich Leichtigkeit und Ungezwungenheit suggeriert, diese jedoch zu keinem Zeitpunkt einlöst. Im Gegenteil: Sie stellt ihre geschulte Kunstfertigkeit offen zur Schau. Van de Velde treibt diese Zurschaustellung seiner Kunstfertigkeit bereits auf der ersten Tafel seines Werks auf die Spitze. Die Annäherung von Schraffurlinie und Type kulminiert zur Mitte des Modellbuchs in einer Bildtafel, die Hendrick Goltzius gewidmet wurde und die Van der Velde selbst in einer größeren künstlerischen Tradition der Niederlande situiert (Abb. 33). Geschrieben ist sie in einer national-niederländisch konnotierten Kursive, die mehr als andere Schrifttypen eine hohe Diversität der einzelnen Buchstaben erreicht.61 Im Widmungstext der Tafel gesteht Van de Velde jedoch die „Unterlegenheit seiner eigenen Feder“ gegenüber Goltzius ein:62 Aenden Wydt-vermaerden ende seer Const-rycken Heer H. Goltius. Ick soude my nu wenschen den vergulde Penne om uwen lof den Nacomelinghen volcomentlijck te moghen singhen: maer uwe vermaertheyt is alreede soo groot ende uwen Naem soo wydt verbreydt dat Ick vreese dien veel eer te verminderen, dan door myn slechte

58 Broos 1971, S. 157. 59 Castiglione 1528, S. 47. [„Vor allem jedoch in der Malerei eine einzelne ungezwungene, mit einem einzigen Pinselzug und mit Leichtigkeit gezogene Linie, dergestalt, dass es den Anschein hat, die Hand sei ohne Übung („studio“) oder jedwede Kunstfertigkeit („arte alcuna“) geführt worden […]“.]. 60 Zu alternativ entwickelten Leitbegriffen der niederländischer Kunsttheorie: Melion 1991, S. 104 f. 61 „[...] eyghene natuerlijcke Nederlandtsche handt, die in verscheydenheyt van letteren rijcker en overloedigher is dan eenighe andere Natien […].“ Van de Velde 1605 B, Fondement-Boeck, n. pag. 62 Cf. Hirschmann, der davon ausgeht, dass es sich bei dieser Tafel lediglich um eine gängige Form des Künstlerlobs handelt: Hirschmann 1916, S. 27.

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33  Jan van de Velde: Spieghel der Schrijfkonste […], 1605, n. pag.

penne eenighen luijster te gheven, Nochtans willende u onder de Const-lievende ende Vermaerde niet vergheten, hebbe ick evenwel my verstout uwen Konstrijcken persoon in myn boeck oock te stellen ende hem met dese materie te vereren, die ick bidde in danck te willen ont[vangen]. Velde.63 Die einer Wahlverwandtschaft gleichkommende Parallelisierung von Schreibkunst und Schraffur im literarischen Umfeld des Spieghel der Schrijfkonste erreicht hier einen Höhepunkt, indem eine Analogie gezogen wird: Wie Goltzius, der es vermag, sich in jeden künstlerischen Stil einzufinden, versteht sich Van de Velde darauf, jede mit nationalen Vorstellungen und (ästhetischen) Eigenheiten konnotierte Schrifttype zu realisieren. Zusätzlich bedienten sich die Kalligraphen einer metaphernreichen, an bereits etablierten Allegorien

63 Van de Velde 1605 B, n. pag. [„An den weit und breit gerühmten und überaus künstlerischen Herrn H. Goltzius. Ich sollte mir nun für mich wünschen, dass der vergoldeten Feder auf vollkommene Art erlaubt wird, Euch zu Wohlstand zu besingen. Aber Euer Ruhm ist bereits derart groß und Euer Name weit bekannt, dass ich fürchte, ihn durch meine unterlegene Feder zu mindern. Ich wünsche nichts­ destotrotz, Euch nicht unter den Kunstliebenden und Berühmten zu vergessen und ich habe die Kühnheit auf mich genommen, Eure Persönlichkeit auch in meinem Buch zu erwähnen und sie mit diesem Exemplar zu ehren, von dem ich bete, dass es Euch in Dankbarkeit erreichen wird.“ Transkription n. Worthen 1992, S. 299, Übers. unter Zuhilfenahme der englischen Fassung ebd., S. 299].

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der Zeit ­orientierten Sprache. Sie zielten darauf ab, diesen künstlerischen Transformationsprozess zu unterstreichen. Künstlerische Transformationsprozesse spielten für Van de Veldes Vorbild, Hendrick ­Goltzius, vornehmlich im Zusammenhang mit den Meisterstichen eine zentrale Rolle. Von Van ­Mander wurde Goltzius aufgrund der stilistischen Variabilität der Faktur in den Meisterstichen mit Proteus und Vertumnus gleichgestellt, während Van de Velde wiederum seinen Kalligraphie­ kollegen Antoine Lancel in einem Sonett als Phönix rühmte, der auf seinem Gebiet eine bis dahin unbekannte Wandlungsfähigkeit erreicht habe.64 Van Manders an den Sagen von Proteus und Vertumnus angelehnte Eloge an Goltzius etwa verband die Druckgraphiken des Künstlers mit der für die graphischen Künste der Niederlande so zentralen kritischen Kategorie der Handhabung des künstlerischen Instruments (handelinghen).65 Van de ­Veldes Zwillingstafel der Hände (Abb. 30 und Abb. 31) scheint diesen Begriff jedenfalls wortwörtlich zu nehmen, denn die Tafeln demonstrieren auch die Handhabung der Schreibfeder. Die Handhabung des Instrument (handelinghen) – ein Begriff, in dem die Symbiose aus zeichnerischer bzw. kalligraphischer Feder und Grabstichel des Kupferstechers bezeichnenderweise immer schon angelegt war –,66 war für Van Manders Kontextualisierung von ­Goltzius’ Arbeiten zentral. Tatsächlich mögen sie sogar der Ausgangspunkt für die Ent­stehung dieses Leitmotivs gewesen sein, denn Van Mander dürfte die Kartusche von Goltzius’ Meisterstich der Verkündigung nach Federico Barocci (Abb. 34) bestens bekannt gewesen sein; die Kartusche des Kupferstichs benennt das Leitmotiv der Transformation.67 64 Für Weiteres: Melion 1991, S. 230. Van de Velde 1605 B, Thresor litteraire, n. pag. Dabei handelt es sich nicht um einen singulär auftretende Metapher. Der Dichter Samuel Ampzing (1590–1632) beschrieb seinerseits wiederum Van de Velde als Phönix: Ampzing o. A., in: van Uchelen 2005, S. 116. 65 „Gotzium eenen seldsamen Proteus oft Vertumnus te wesen in de Const, met hem in alle ghestalten van handelinghen te connen herschleppen.“ Van Mander 1617, zit. n. Floerke 1906, Bd. 2, S. 246 [„Goltzius [ist] ein seltsamer Proteus oder Vertumnus in der Kunst, fähig sich in jeden Stil hineinzufinden.“ Übers. n. ebd., S. 247]. Zum Topos des Proteus’, für Weiteres u. a.: Leeflang 2003 A. – Zum handelinghen grundlegend: Hadjinicolaou 2016. 66 Melion 1989, S. 125. 67 „Vt medys Proteus se transformabat in vndis, / Formose cupido Pomone captus amore: / Sic varia ­Princeps tibi nunc se Goltzius arte / Commutat, Sculptor mirabilis, atq, repertor.“ Hervorhebung der Inschrift des Kupferstiches [„Wie Proteus, gefesselt von begieriger Liebe zur anmutigen Pomona, sich inmitten der Wellen verwandelt, verwandelt sich auch der wunderliche Kupferstecher und Inventor Goltzius durch seine unveränderliche Kunst selbst.“ Übers. auf Grundlage der englischen Fassung in: Leeflang 2003 A, S. 210]. Ein ähnlicher Verweis findet sich auch in: Schrevelius 1648, S. 378. Zu ­Goltzius’ Imitation der graphischen Stile Lucas van Leydens und Albrecht Dürers (im Rahmen der Meister­stiche) unter Berücksichtigung technischer Untersuchungen, die Goltzius’ Stil u. a. auf Manipulation der Drucker­farben zur Wiedergabe unterschiedlicher Stile zurückführen: Schenk 1998. – ­Walter ­Melion merkte an, dass die Druckgraphik nach Werken anderer Künstler in humanistischen Kreisen, ganz im Sinne der Proteus-Metapher, ebenso hoch angesehen waren wie die Übersetzung lateinischer oder griechischer Texte – eine bislang lediglich für Praktiken der Kunstbewertung im 18. Jh. nachgewiese Beobachtung: Melion 1993, S. 56 sowie Rümelin 2001, S. 188. Es ist bezeichnend für den aufgezeigten Zusammenhang, dass Schonaeus wiederum Lehrer an einer lateinischen Schule in ­Goltzius’ Geburtsort ­Haarlem – und Verfasser lateinischer Grammatiken – gewesen ist (u. a. Wolkenhauer 2006). Ebenso

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34  Hendrick Goltzius (nach Federico Barocci): ­Verkündigung, 1594

Die Rezeption von Goltzius’ Œuvre wurde nicht nur im Kontext des Spieghel der Schrijf­ konste mit Transformationsprozessen verbunden: Als Giovanni Baglione (1566–1643) in seinem Le vite de’ pittori, scultori et architetti (1642) erstmals in der italienischen Traktat­ literatur Goltzius erwähnt, geschieht dies vor dem Hintergrund der Imitation künstlerischer Stile im Sinne einer Einverleibung („imitò la vera maniera de gli eccelenti Pittori d’Italia“).68 Gleichzeitig griffen andere Quellen einen Topos auf, den bereits Vasari für Dürers Kupferstiche apostrophiert hatte, nämlich die Überwältigung des Betrachters.69 Sebastiano Resta

wurde in diesem Kontext darauf verwiesen, dass Dominicus Lampsonius etwa Cornelis Cort für denjenigen Künstler hielt, der am besten die Malerei von Michelangelo und Tizian in den Kupferstich übersetzen konnte. Lampsonius 1567, Brief an Tizian vom 13.03.1567, zit. n. Sciolla/Volpi 2001, S. 117. Hierzu auch: Bury 2001, S. 12 und Melion 1993, insb. S. 55–57 sowie: Lampsonius 1565 A, Brief an Vasari vom 25.04.1565, zit. n. Sciolla/Volpi 2001, S. 36–40. Cf. Christian Rümelins These, dass sich eine Diskussion um das Verhältnis von Malerei und Druckgraphik respektive die Übersetzung von Malerei in Druckgraphik erst im 18. Jh. etabliert: Rümelin 2001. Cf. ebenfalls Sulzer [1771] 1792, Bd. 4, S. 328 68 Baglione 1642, S. 389. 69 Vasari 1568, Vita Marcantonio Raimondi, Bd. 5, zit. n. della Pergola/Grassi/Prevital 1962–1966, S. 186.

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(1635–1714) etwa notierte auf einer Zeichnung von Goltzius den Hinweis auf die Fähigkeit des Künstlers zur überwältigenden Imitation künstlerischer Stile („fece stupir Roma in contra­fare maniere“).70 An diesem Punkt setzte Van de Velde an: Er schien Van Manders Beschreibung von Goltzius’ Einfindung in künstlerische Stile zunächst zu folgen, indem er betonte, der virtuose Kalligraph zeichne sich primär über seine Fähigkeit aus, sich in jeden Schreibstil einzufinden, auch den anderer Kalligraphen („la science d’escrire plusieurs sortes de diverses Escritures“).71 Zugleich lag der Fall für die Kalligraphie anders, denn hier wurden nicht wie bei Goltzius’ Meisterstichen Kupferstiche im Medium des Kupferstichs adaptiert. Die Kalligraphietafeln im Spieghel der Schrijfkonste wurden zunächst in Feder vorbereitet und erst in einem zweiten Schritt seitenrichtig und skaliert in den Kupferstich übertragen. Van de Veldes Äußerung zielt daher insgeheim auf die Adaption spezifischer Techniken mittels anderer Techniken ab: Entsprechend lobte auch er Simon Frisius als denjenigen, der es am besten versteht, die mit Feder vorgezeichneten Buchstaben in den Kupferstich zu übertragen.72 Der Schwerpunkt auf der besonders kunstfertigen Überwindung technischer Unterschiede war für Modellbücher wie den Spieghel der Schrijfkonste entscheidend und schließt an ein Problem an, vor das bereits Palatino in der Übertragung seiner Typen ­gestellt wurde. Während die mit Feder ausgeführten Schreibschriften des 16. Jhs. auf eine immer schnellere, fließendere Ausführung setzten, konnte diese Dynamik in der Übertragung der Schriften in den Holzschnitt aufgrund der spezifischen Eigenschaften des Mediums nur bedingt wiedergegeben werden,73 sodass die ästhetischen Qualitäten der handschriftlich geschriebenen Schreibschrift kaum transportiert werden konnten.74 Sukzessive wurden die ästhetischen Unterschiede zwischen in Feder und in Druck ausgeführter Schrift durch die Erfindung neuer Drucktechniken nivelliert. Nicht nur die Skalierung und seitenrichtige Übertragung spielten dabei eine Rolle, da Feder und Grabstichel eine unterschiedlich dicke Taille erzeugten. Während die Feder natürlicherweise in einem Zug die Dicke einer Taille erreichen konnte, musste der feinere Grabstichel hierfür eine andere Technik finden, um die Dicke dieses Strichs zu imitieren. Für

70 Resta, Codice Resta, fol. 158, in: Luijten 2003, S. 125. Auch Bagliones Vita von Hendrick Goltzius eröffnet mit diesem Topos: Baglione 1642, S. 389. Dazu auch: Reznicek 1961, Bd. 1, Kat. Nr. 439, S. 455. – Allgemein zu „stupore“ in der Kunstliteratur des 16. Jhs.: Summers 1981, S. 171–176. 71 Van de Velde 1605 B, Thresor litteraire, n. pag. 72 Van de Velde 1605 B, Thresor litteraire, n. pag. 73 Nesbitt [1950] 1957, S. 81. 74 Damit benannte Van de Velde ein lang bekanntes Problem, das noch einen weiteren Aspekt beinhaltet, denn nicht nur die perfekte Imitation der Feder stellte eine immense Herausforderung dar, sondern auch die Skalierung der Buchstaben. Fantis Trattato di scrittura (1514) weist beispielsweise Lücken auf, da er keinen Künstler engagieren konnte, der, sei es im Kupferstich oder als Holzschnitt, erfahren genug war, Buchstaben richtig zu skalieren; die Auslassungen finden sich lediglich am Ende des ersten Buchs: Fanti 1514, zit. n. Ciaralli/Procaccioli 2013, fol. C2v–4r. Hierzu: Morison 1990, S. 42. Entschuldigend unterrichtet Fanti seine Leser von dieser Schwierigkeit: Fanti 1514, zit. n. Ciaralli/Procaccioli 2013, Liber I, Consideratio. XL, fol. cB7v. Ebenso Giovanni Battista Verini: Verini 1536, Libro I, fol. IIIIr, zit. n. ­Casamassima 1966.

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35  Schematische Darstellung der Schraffur

das bloße Auge unsichtbar und erst unter dem ­Mikro­skop erkennbar,75 offenbaren die in Kupferstich übertragenen Kadellen, dass sie entlang der Verdickung der Taille mittels feiner und extrem dichter Schraffur gestaltet wurden, um den Federstrich zu imitieren (Abb. 35). Frisius musste zunächst den Umriss der Kadelle ­stechen, dann diese Konturen mit kleinsten Schraffuren füllen. Erst auf diese Weise wurde ein Gesamteindruck ermöglicht, der die Flexibilität und ­Dynamik der mit Feder geschriebenen Kursiv­schrift transportiert. Hierfür wurden die Füllungen der Buchstaben und Kadellen der Laufrichtung der Form nach geändert und angepasst – sodass bereits auf mikroskopischer Ebene ein dynamisierendes Moment etabliert wurde. Die besonderes scharf hervor­tretende Präzision des Drucks sowie die mit dem Holzschnitt unvergleichbare ­Lebendigkeit und ­Flexibilität der Kalligraphien resultierten unmittelbar aus dieser hochspezialisierten Technik76 – eine Technik, die ihrerseits das Motiv der Transformation dadurch aufgriff, dass sie die Bewegung der Feder scheinbar unmittelbar in den Kupferstich übertrug. Die aufwendige Technik stellte für Schriftmodellbücher eine Revolution dar: Wie groß die technischen Heraus­forderungen tatsächlich waren, zeigt der Umstand, dass unter diesen frühen Schriftmodellbüchern lediglich Johann Neudörffers Gute Ordnung (1538) zwei Folia beinhaltet, die als Kupferstich gedruckt wurden.77

grammatica – pictura Transformationsprozesse fanden auch auf andere Weise Einzug in den Spieghel der Schrijfkonste. Dabei handelt es sich um den Versuch, die Kalligraphie als Bildende Kunst zu nobilitieren und ihren Rang innerhalb der Künste zu bestimmen, dergestalt, dass Bild- und Sprachkunst einander gleichgestellt wurden. Die versuchsweise Gleichstellung erfolgte zunächst über einen Umweg: Begleitet werden die Schriftmodelle im Spieghel der Schrijfkonste nämlich von Van Manders Sonetten zur Zeichenkunst als erste freie Kunst (grammatica), die von

75 Auch für die Schraffur wurden solche Versuche unternommen, u. a. von Shelley Fletcher (2001) in Bezug auf Andrea Mantegna. 76 Zu dieser Technik: Worthen 1992, insb. S. 273–278 sowie van Uchelen 2005, S. 181–184. 77 Dazu: Morison 1990, S. 114 sowie mit Verweis auf Johann Neudörffers Verwendung von Abklatschen: Meurer 2014, S. 66.

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der Kalligraphie genährt sei.78 Gerade nördlich der Alpen finden sich Interpretationen der grammatica, die eine solche Lesart speziell im Kontext der stark regelbasierten Schreibkunst begünstigten. Der flämische Humanist, Dichter und Maler Dominicus Lampsonius beispielsweise gebrauchte grammatica weniger im Sinn der ars liberalis denn als intellektuellen Referenzpunkt für Regelhaftigkeit im Allgemeinen.79 Van Mander hingegen stellte die Hierarchie der artes liberales auf den Kopf. Im Kapitel De arte grammatica von Martianus Capellas (360 n. Chr.–428 n. Chr.) De nuptiis philologiae et mercurii,80 der ersten systematischen Beschreibung der Freien Künste, gebiert die Grammatik die übrigen artes liberales. Van Manders Überlegung war aber in eine wesentlich größere Bewegung eingebettet, nämlich der „für den Humanismus [kennzeichnende] linguistic turn, […] [der sich unmittelbar dadurch auswirkte], dass im Gesamtkonzept der Artes Liberales das Trivium, also die sprachlich dominierten Disziplinen (Grammatik, Dialektik, ­Rhetorik), die absolute Oberhand gegenüber den sachgebundenen und sachorientierten Disziplinen des Quadriviums gewann.“81 Wie es zu dieser Umgewichtung der Freien Künste für Van ­Mander kam, ist jedoch unklar, denn sie erfolgte vor der niederländischen Übersetzung von ­Cesare Ripas Iconologia (1603), die erst 1640 erschien. Die Kenntnis des ­italienischsprachigen Originals kann bezweifelt werden, denn Van Mander war des Italienischen nicht mächtig. Ripa definierte grammatica im antiken Sinn und erkor sie zum Fundament der Sprache. ­Eloquent wird sie von ihm – womöglich u. a. in Anlehnung an Marcantonio Raimondis Allegorie (Grammatica) (Abb. 36) – als Frau personifiziert, die in der einen Hand eine Vase hält, mit der sie Pflanzen gießt und zum Leben erweckt. Auch hier ist das Motiv der Transformation unmittelbar mit künstlerischen Fähigkeiten verbunden. Für Ripa war dies eine Metapher für den menschlichen Geist und Intellekt („tempi frutti di dottrina, & di sapere come l’acqua fà crescere le piante stesse“).82 Gleich den Pflanzen in Ripas Personifikation, die das gespendete Wasser metabolisieren müssen, verarbeitet der menschliche Geist Gelesenes. In Analogie hierzu transformieren Kalligraphen wesentliche Qualitäten graphischer Linien, speziell der mit Feder gezogenenen Taille.83 Sie wurden nicht allein in ein anderes Medium übertragen, nämlich den Kupferstich. Die mit Feder gezogene Taille näherte sich, ganz in Van Manders Sinn, der Zeichenkunst an. Die Taille hatte das Potenzial, sich selbst zum Bild zu verwandeln. Spätere Adaptionen des Motivs, etwa in Gabriel Rollenhagens (1583–1619) Nucleus emblematum selectissimorum (1611–1613), deuten es zugunsten der platonischen Kardinals­ 78 Van Mander 1604, zit. n. Hoecker 1916, S. 54. Cf. auch Romano Albertis Charakterisierung des disegno esterno als Nahrung des Intellektes: Alberti 1594, zit. n. Barocchi 1973, Bd. 2, S. 2042 f. 79 Lampsonius 1565 B, S. 14. Becker 1973, S. 47. – Hier wurde eine geläufige Rhetorik aufgerufen: Lomazzo warnte in seinem Trattato della pittura, dass derjenige Maler, der die Perspektive nicht beherrsche, wie ein Gelehrter ohne Regelwerk sei („che tanto era un pittore senza perspettiua, quanto un dottore senza Grammatica“). Lomazzo 1584, S. 22. Dottore bezeichnet hier vermutlich denjenigen, der Trivium und Quadrivium erfolgreich absolviert hat: Senkevitch 2005, S. 188. 80 Capella, De nuptiis philologiae et mercurii, III, zit. n. Stahl/Johnson/Burge 1971–1977, Bd. 2, S. 64–105. 81 Leinkauf 2011, S. 25. 82 Ripa 1603, zit. n. Mandowsky 1970, S. 194. 83 Van Mander 1604, zit. n. Hoecker 1916, S. 54.

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36  Marcantonio Raimondi: Allegorie (Grammatica), ca. 1510–1527

tugend der Mäßigung (temperantia) um (Abb. 37).84 Die Personifikation der Temperantia,85 wie sie Jakob Matham 1597 darstellte (Abb. 38),86 vereint in sich das Bildmotiv des aus einer Vase fließenden Wasser mit dem auf der Tischkante liegenden Zirkel und einem Löffel. Das Sujet der Mäßigung wird hier dreifach dekliniert: die Vase kann durch ein Übermaß an ­Wasser überlaufen, der Zirkel misst geometrische Konstruktionen und bestimmt ihre Proportion, der Löffel führt dem Menschen die angemessene Portion Nahrung zu.

84 Rollenhagen 1611–1613, zit. n. Warncke 1983, S. 201. Dem Bild sind die Verse „Poco a poco, come la Eerbetta, / Beuiamo noi, non con la fretta.“ beigefügt. Hervorhebung übernommen [„Nach und nach, wie das Gräschen, tränken wir uns, nicht mit Eile.“ Übers. n. ebd., S. 200, jedoch wurde hier ein möglicher editorischer Fehler korrigiert; statt „Gießkanne“ wird hier „Gräschen“ vorgeschlagen]. Im zweiten Band (1613, S. 84) dann erscheint ein überlaufendes, aus einer Vase heraus befülltes Gefäß als Allegorie des schädlichen Übermaßes: „Angustum quicqund superest, vas respuit, ergò / Infundas ne quid fortè caveto nimis.“ Hervorhebung übernommen [„Alles, was zuviel ist, läßt das flache Gefäß überlaufen; also hüte dich, daß du nicht zuviel hineingießt.“ Übers. n. ebd., S. 380]. 85 Grundlegend zur Ikonographie der Temperantia: White 1969. 86 Cf. dafür ebenfalls die Interpretation des Sujets: NH 497 sowie NH 483.

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37  Gabriel Rollenhagen: Nucleus emblematum […], Arnhem 1611, Bd. 1, S. 95

38  Jakob Matham (nach Hendrick Goltzius): Mäßigung (Temperantia), 1597

Ältere ikonographische Traditionen zeigen grammatica mit „Messer und Feile bewaffnet“ (Abb. 39). Sie griffen dem Aspekt der Mäßigung in gewisser Weise voraus und verbanden ihn gleichzeitig mit konkreten Überlegungen zur Bearbeitung des Schreibmaterials. Sie schlagen zugleich einen Bogen zum Fondement-Boeck des Spieghels der ­Schrijfkonste, in dem erst die Bildtafeln zum richtigen Beschneiden der Feder (Abb. 40) die eröffnende Darstellung der Hand komplettieren (Abb. 30 und Abb. 31). Die Anweisungen zum Beschneiden der Federn haben weitreichende produktionsästhetische Implikationen, denn der zittrige („tremolante“),88 unsichere Strich der Feder kann nur durch die richtige Bearbeitung des Werkzeugs vermieden werden. Das wurde bereits von Palatino betont. Noch mehr: Der Stilus war untrennbar mit einer „tugendhaften, durch die Urteilskraft herbeigeführte[n] ­Mäßigung […]“ verbunden.89 Bereits der Dichter Konrad von Hirsau (ca. 1070 – ca. 1150) mahnt in seiner Analyse der Horaz’schen Anweisungen zum decorum mit deutlichen Worten: Ein unkontrollierter stilus („ordinaversi scribendi ratione“) brächte monströse Formen 87

87 Löhr 2010, S. 140. Hierzu auch: Ebd., S. 139. 88 Palatino [1540] 1545, n. pag. 89 Löhr 2010, S. 140.

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39  Florenz, Biblioteca Medicea Laurenziana, S. Marco 190, fol. 15v

(„forme monstruose“) hervor.90 Vergleichbare Assoziationen finden sich später bei ­Cennino Cennini, für den die ästhetische Prägnanz einer Zeichnung erst aus der temperierten Feder resultiert („penna che sia temperata sottile“).91 Diese Verflechtung aus technischer Bearbeitung der Feder und ästhetischer Hervorbringung des Buchstabens lässt sich bis in die frühesten Schriftmodellbücher zurückverfolgen, sodass Palatino auf die Notwendigkeit der korrekt beschnittenen Feder als technische Grundlage des schönen Schreibens hinge­wiesen hatte („scriuer ben formato & regolato“).92 Das strikte Regelwerk der Schriftmeister ­basierte somit nicht allein auf geometrischem Wissen, sondern auch auf korrekt präpariertem Schreib­ material.

90 Von Hirsau 1954, S. 50, in: Löhr 2010, S. 140. Auch in Fantis Schriften findet sich die Engführung von Ordnung und Stilus. Fantis Ordnung ist allerdings, wie im Laufe des Traktats demonstriert wird, überwiegend geometrisch motiviert: Fanti 1514, fol. 8V, zit. n. Ciaralli/Procaccioli 2013. 91 Cennini 1400, Kap. XIII, zit. n. Frezzato 2003, S. 9. 92 Palatino [1540] 1545, n. pag.

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Kalligraphie

40  Jan van de Velde: Spieghel der Schrijfkonste […], 1605, n. pag.

Der Assoziationsreichtum des Spiegel der Schrijfkonste wendete dieses Leitmotiv auf Grundlage von Capellas allegorischer Umschreibung der Grammatik. In Capellas De nuptiis philo­ logiae et mercurii nimmt das Messer als Instrument der Mäßigung seine wohl extremste Ausprägung an. In einem chirurgischen Eingriff wird der Sprachfehler der Kinder gleich einem wucherndem Abszess aus dem ansonsten gesunden Körper entfernt („qui fauilla confectus uel sepia putaretur“). Die Allegorie der Grammatik trägt dieses Messer im selben ­Döschen („teres“), in dem sie auch ihre Medizin aufbewahrt, um dissonante Stimmen wieder harmonisch zu lassen.93 Capella charakterisiert somit die Personifikation der Grammatik als Heilerin, bei deren erfolgreichem Einsatz sich die monströsen Sprachformen in ihr Gegenteil verkehren. Nur unter dieser Voraussetzung können ‚gesunde Sprache‘ und ‚wohlklingende

93 Cf. hierzu Verinis abschließende Verse in seinem Luminario, in denen er proklamiert, dass bei Befolgung der von ihm angegebenen Regeln, sowohl Schrift als auch gesprochene Sprache ohne Defekte hervorgebracht werden können: Verini 1536, Libro IV, fol. LXIIIv. Cf. ferner auch die in Anlehnung an Francesco Petrarca (1304–1374) erfolgte Engführung von Harmonie und Virtus in Romano Albertis Trattato della nobiltà della pittura: Alberti 1585, n. pag.

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„stilstaende letter“: Linie als Bild

Stimme‘ erwachsen.94 Im Griechischen sei ihr Name, heißt es an späterer Stelle, Iatrice oder Genethliace, Derivate des altgriechischen iatrós (Arzt) bzw. geneté (Geburt).95 Van de Velde schließt bemerkenswerterweise seinen Spieghel der Schrijfkonste mit dem Verweis, dass das Erlernen der von ihm exemplifizierten Schriften den Geburtsschmerzen gleichkäme („Ghelyc een Vrouvv, naer dat sy neest ghebaert“),96 der Ruhm des Spieghel der Schrijfkonste jedoch gleich dem Gesang der Kalliope mit sanft-melodischer Stimme in alle Länder Europas ge­ tragen werden wird („Ie veux donc qu’à ce coup ma dicte Calliope, / Chante ton beau ­remon parmy toute l’Europe“).97 Der Anspruch des Spieghel der Schrijfkonste war damit nicht nur klar benannt, sondern auch hoch und Van de Velde und Van Mander nutzten diverse bildliche und textliche Strategien, um dieses Ziel zu erreichen. Beide verbanden auf Grundlage komplexer Traditionen die Konnotationen der artes liberales zu einem eigenständigen Konzept, in dem grammatica und pictura eng verwand waren.

figura sforzata Die Parallelisierung von Schreib- und Bildkunst im Spieghel der Schrijfkonste besaß eine weitere Facette, die die Schriftmodelle unmittelbar an die Bildende Kunst um 1600 und den dort entfalteten Konzepten ausrichtete. Dabei standen die bebogene und gedrehte Körper­form im Zentrum, die als figura serpentinata oder sforzata bekannt wurde. Die figura serpentinata basierte auf der Vorstellung, sie sei ein bildnerisches Pendant zur rhetorischen Figur des Chiasmus und damit etwas, in dem zwei gegensätzliche Elemente in einander verschränkt seien. Jan Mullers Raub einer Sabinerin demonstriert diese Verschränkung sowohl anhand der Komposition und der Stellung der Figuren zueinander als auch in ihrem ikonographischen Sujet (Abb. 41). Ein Aspekt war entscheidend: Die Analogien zwischen kalligraphischer Kadelle und gedrehter Figur wurden dadurch begünstigt, dass der Kadelle schrittweise Eigenschaften zugeschrieben wurden, die zunächst der figura sforzata eigen waren: sie wurde als artifizielle, ungemäßigte, gleichzeitig kalkulierte und wenig spontane künstlerische Ausführung aufgefasst.98 Kalligraphen interessierten sich dabei nicht allein für die Ästhetik der figura sforzata, sondern adaptierten auch zentrale Elemente ihrer kunsttheoretischen Reflexion. Tatsächlich fand zudem eine kaschierte Rückbindung der Linie an ästhetische Paradigmen statt, jedoch nicht wie bisher diskutiert mit dem chiaroscuro, sondern mit der ebenfalls mit künstlerischer difficoltà assoziierten Bewegung der Figur.99 Konsequent entwickelt wird dieser Gedanke beispielsweise in Giacomo Francos (1550–1620) Il

94 Capella, De nuptiis philologiae et mercurii, III, § 224, zit. n. Stahl/Johnson/Burge 1971–1977, Bd. 2, S. 65 f. 95 Capella, De nuptiis philologiae et mercurii, III, § 228, zit. n. Stahl/Johnson/Burge 1971–1977, Bd. 2, S. 66. Im 9. Buch, § 894 wird Genethliace darüber hinaus mit Harmonie in Verbindung gebracht. Dazu auch: ebd., Bd. 2, S. 66 f. und ebd., S. 347. 96 Van de Velde 1605 B, Fondement-Boeck, n. pag. 97 Van de Velde 1605 B, Thresor litteraire, n. pag. Hervorhebung übernommen. 98 Summers 1981, S. 61. 99 Summers 1981, S. 179.

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Kalligraphie

41  Jan Muller (nach Adriaen de Vries): Raub einer Sabinerin, ca. 1600

franco modo di scrivere cancellaresco moderno (1595) (Abb. 42). Das in Kupferstich ausgeführte Werk führt weit auskragende Ligaturen ein100 und präsentiert zugleich die Buchstaben wie posierende Körper,101 sodass bereits hier wesentliche Merkmale des Spieghel der Schrijfkonste anklingen. Die scheinbar dynamisch, ‚frei‘ schwingende Taille der Kadelle harmonisierte mit der schnell ausgeführten Schreibschrift, die u. a. Van de Velde popularisierte. Auch hier wurden Vorstellungen von der künstlerisch-ästhetischen Bewegung und Drehung adaptiert und auf die scheinbar bewegten Buchstaben übertragen und war ähnlich ambivalent wie die Beurteilung der figura sforzata. Diese Abkehr von Typen, die als unbewegt wahrgenommen wurden, hatte zur Folge, dass scheinbar statisch erscheinende „stillstehende Buchstaben“ („stilstaende Letter“) in Van de Veldes Augen der Ursprung aller

100 Nesbitt 1957, S. 83 f. 101 Goldberg 1990, S. 227.

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„stilstaende letter“: Linie als Bild

42  Giacomo Franco: Il franco modo di scrivere cancellaresco moderno […], 1595, Taf. 42

gestalterischen Fehler waren.102 Andererseits: Die Vorstellung der einheitlich geformten, auf Kongruenz der Elemente abzielenden kompositorischen Gestaltung erfasste jeden Bereich der Kalligraphie. Die weit auskragende und in Konsequenz zu bewegt wirkende Kadelle erschien ebenfalls als ästhetischer Mangel. Die Gleichstellung der kalligraphischen Kadelle mit der figura sforzata war für Kalli­graphen ihrem Selbstverständnis nach naheliegend, denn für beide stellte sich die Frage nach ­ihrem Bezug zur Gesamtkomposition. Im Falle der figura sforzata herrschte etwa die Vorstellung, dass es sich bei der stark gebogenen Figur um ein Bildelement handelt, das im Wesentlichen die Kunstfertigkeit des Künstlers demonstriert und keinerlei Bezug zum Inhalt entwickelt. In solchen Bildelementen artikuliert sich der Künstler mitsamt seiner Virtuosität, argumentierte der Kunsttheoretiker und Schriftsteller Borghini. Denn wenn sich die Pose einer Figur nicht aus dem Handlungszusammenhang des Bildes erklären lässt („senza ­diuotatione“),103 musste der Künstler als Demiurg wirken104 und auf diese Weise allein die ­Wirkmacht der

102 Van de Velde 1605 B, Fondement-Boeck, n. pag. 103 Borghini 1584, S. 203. 104 Cf. hierfür Coles Analyse von Cellinis Perseus: Cole 2001, insb. S. 542–544.

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Kalligraphie

Kunst („forza del l’arte“) demonstrieren.105 Für Borghini handelte es sich daher bei der figura sforzata um eine gestalterische Lösung, die keine Kongruenz von Komposition und Gehalt des Bildes nahelegte. Die Spannung der figura sforzata war für ihn daher doppelter Natur: Sie vollzog sich nicht allein zwischen Ent- und Anspannung der Figur im Bild. Borghini ­festigte den ambivalenten Status der figura serpentinata zwischen ­Demonstration ultimativer Kunstfertigkeit („virtù“) und Verfall künstlerischer Qualität.106 Gegenstimmen blieben nicht aus, denn bereits ein Jahr nach dem Konzil von Trient (1563) äußerte sich Giovanni Andrea Gilio da Fabriano in seinem Due dialogi kritisch zur figura sforzata, hob die noch bei Borghini vorherrschende Ambivalenz gänzlich auf und sah in der figura sforzata nur noch ein Kunstelement, das es zu vermeiden galt.107 Die Kritik ­hatte weitreichende theologische wie rezeptionsästhetische Implikationen; lediglich an einer Stelle findet Gilio da Fabriano lobende Worte für eine figürliche Verkürzung („sforzo“): Die Bewegungen des Jungen im Vordergrund des rechten Bildteils von Raffaels Transfiguration Christi (Taf. 11) beschreibt er als „Akt der Verdrehung“ („con atto sforzato“).108 Das Lob ­beruhte auf jener beschworenen Deckungsgleichheit zwischen Komposition und ‚Inhalt‘ bzw. Rationalisierung der Pose, da die figura sforzata in anderen Bildwerken den Anschein der dämonischen Beseelung erweckte – als würde eine aus dem Bildsujet nicht ersichtlich werdende Kraft auf die Figur einwirken und dieser angestrebten Kongruenz entgegenwirken.109 Für Van de Velde hingegen erzielen Buchstaben diesen quasi-dämonischen Effekt nur dann, wenn der Leser keinerlei Lesekenntnis besitzt („zoo hebben sy langen tyt ghelooft, dat inde Letteren eenen Demon, oft eenighe andere verborgene Goddelycheyt vvesen ­moeste“).110 Weitere Reminiszenzen an gegenreformatorische Theorien der Malerei, die u. a. die künst-

105 Analog spricht auch Van de Velde im Thresor litteraire von der Schreibkunst und „combien il a de force.“ Van de Velde 1605 B, Thresor litteraire, n. pag. 106 Cf. hierfür auch Baldinuccis Kommentar zur Verkürzung der Figur: Baldinucci 1681 A, zit. n. Ranalli 1845–1847, Bd. 1, S. 24 f. 107 „Onde mi pare c’hoggi i moderni pittori: quando à fare hanno qualche opera, il primo loro intento è di torcere à le loro figure il capo, le braccia, ò le gambe, acciò si dica che sono sforzate, e quei sforzi à le volte sono tali, che meglio sarebbe che non fussero, & al soggetto de l’historia che far pensano poco, ò nulla attendono.“ Gilio da Fabriano 1564, S. 69v [sic!] [„Deswegen gehen die meisten Künstler lasterhaft vor und begehen unendlich viele Fehler in ihren historie, wie man es deutlich in ganz Italien und vor allem in Rom sehen kann. Mir scheint, dass es die erste Intention der heutigen Maler ist, die Köpfe, Arme und Beine ihrer Figuren zu verdrehen, wenn sie ein Werk ausführen, sodass man sagt, diese seien krankhaft verbogen („sforzate“), und diese Verbiegungen („sforzi“) sind zuweilen so heftig, dass sie besser nicht da wären, denn die Maler schenken der historia, die dargestellt werden soll, so nur wenig oder gar keine Beachtung.“]. 108 Gilio da Fabriano 1564, S. 81v [sic!]. Zu Raffaels Transfiguration und der figura serpentinata: Summers 1972, S. 294. Zu Van Mander, Raffael und der figura serpentinata: Melion 1991, S. 52 f. – Auf ähnliche Weise lobt beispielsweise Lodovico Guicciardini (1521–1589) Frans Floris (1517–1570), „d’auer’ ­portato dvItalia la maestra del far’ muscoli & scorci naturali, & marauigliosi.“ Guicciardini 1567, S. 99. Dazu auch: Wouk 2015, S. 236. 109 Cole 2014, insb. S. 142–148. 110 Van de Velde 1605 B, Thresor litteraire, n. pag.

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lerische Umsetzung christlicher Ikonographie und die Darstellung menschlicher Körper zu reglementieren versuchten, klingen ferner dann an, wenn der Kalligraph Cornelis Boissens (1569–1634/35) gleich in der Vorrede seines Modellbuchs Grammato-graphices (1605) ­seine Leser vor dem ‚unmotivierten‘ und in Konsequenz ungemäßigten und überbordenden Gebrauch von Ligaturen und Kadellen in Schriftstücken warnt.111 Dieser Gedanke knüpft nahtlos an die Verbindung von Feder und temperantia an und wurde u. a. von Van ­Mander aufgegriffen. So empfiehlt er, dass Maler stets „[mäßig] im Wenden und Beugen“ der Figuren vorgehen müssen („Dus moet men houden matelijcke ganghen / In wenden en ­buyghen“),112 wohingegen übermäßiger Gebrauch an Verkürzungen („vercorten“) einen Mangel an Grazie des Werks zur Folge hätte („te veel doet cleyn gracy uytstorten“).113 Auch ­Boissen fürchtet, dass durch den überbordenen Gebrauch von Kadellen der eigent­liche „Text verunstaltet“ würde.114 Boissens’ Überlegungen spiegeln etwa Raffaello Borghinis Kritik an ­Michelangelos stark verkürzten, gebeugten oder gedrehten Figuren („l’attitudini sono tanto sforzate“) (Taf. 12).115 Seine Kritik trifft zudem einen Kernpunkt der Schreibkunst zu Beginn des 17. Jhs., da sich der gestalterische Schwerpunkt der Schreibmeister sukzessive von der Schrift auf die kunstvolle Ausführung der Kadellen verschiebt, dergestalt, dass sie zum Hauptgegenstand avancieren. Resignierend kommt daher der Kalligraph François ­Desmoulins (1570–1650) in seinem nur wenige Jahre nach dem Spieghel der ­Schrijfonste erschienenen Werk Le Paranymphe de l‘escriture (1615) zum Schluss, viele bisher ­entstandene Schriftmodelle seien um ihrer selbst Willen gefertigt („faict & gravé par luy mesme“).116 Diese Auffassung von Kadellen war essentiell für ihre Rezeption. Boissens’ und ­Desmoulins’ Klagen verdeutlichen implizit, dass Schriftmeister keinesfalls von der Annahme geleitet waren, Kadellen seien reines Ornament.117 In Analogie zur figura sforzata stand die ­Harmonisierung 111 Boissens 1605, n. pag. 112 Van Mander 1604, zit. n. Hoecker 1916, S. 84. Übers. n. ebd., S. 85. 113 Van Mander 1604, zit. n. Hoecker 1916, S. 82. Übers. n. ebd., S. 83. 114 Boissens 1605, n. pag. 115 Borghini 1584, S. 203. Niederschläge und Parallelen dieser Intellektualisierungen der figura sforzata lassen sich in Van Manders Schriften nachweisen. Nicht zufällig führt er ebenfalls die Werke Raffaels, Michelangelos und Giambolognas (1529–1608) als diejenigen Beispiele an, in denen Posen und gebogene Figuren kunstvoll inszeniert sind. Van Mander 1604, zit. n. Hoecker 1916, S. 78. Die Pose (ndl. „actitude“) war einer der wenigen Begriffe der italienischen Kunstliteratur, den Van Mander übernahm. Dazu: Taylor 2012, insb. S. 200–205 u. das Stichwort Verkürzung (ndl. „verkortinge“) auf S. 214. – Grundlegend zur figura sforzata: Shearman 1967, insb. S. 81–91, Summers 1977 sowie in jüngerer Zeit: Cole 2001. 116 Desmoulins 1625, in: Muzika 1965, Bd. 2, S. 239. 117 Cf. hierzu van Uchelen 2005, der in seinem Kommentar zu den einzelnen Tafeln des Spieghel der Schrijf­konste von „kalligrafische“ bzw. „typografische ornamenten“ spricht. Van Uchelen 2005, S. 136. Cf. Petrucci, der diese Ausgestaltungen als „arabeschi o i disegni ornamentali eseguiti in un solo tratto“ charakterisiert: Petrucci 1993, S. 626. Wenngleich von Ornament die Rede ist, ist Reinhard Kunzes Kommentar zu den kategorial unterschiedlichen Gestaltungsweisen von Schrifttraktaten im nord- und südalpinen Bereich treffend. Er beobachtet nicht nur eine „Fusion von Dekoration und Skript“ (Morison 1962, S. 68), sondern auch eine formale Annäherung an die Mittel der Malerei: Kunze 1992, S. 261. Cf.

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Kalligraphie

konträrer Elemente im Vordergrund, sodass in diesem Sinne die Kongruenz der jeweiligen Type zu ihrer kadellenförmigen Umrandung in einer möglichst idealen Fusion angestrebt w ­ urde.118 Diese Engführung von figura sforzata und kalligraphischer Kadelle erschließt sich darüber hinaus über einen begrifflichen Umweg: Das italienischsprachige Verb ­serpenteggiare – im engeren Sinn für eine sich schlängelnde Silhouette gebraucht – war zunächst primär ein Begriff zur Charakterisierung des Konturs gewesen; er diente zur Semantisierung der Umrandung einer Figur. In Folge verschoben sich sukzessive die Konnotationen von Stil (maniera), Anmut (grazia) und mentalem Entwurf bzw. Zeichnung (disegno) auch auf Skulpturen mit geschlängeltem Figurenumriss.119 Diese Trias lässt sich beispielsweise anhand der Adaption der skulpturalen figura sforzata in der Druckgraphik um 1600 illustrieren. Als zentrales Merkmal des disegno spiegelt die Faktur der Druckgraphik dabei sogleich selbst ihren Darstellungsgegenstand wider: Goltzius’ Schraffur beispielsweise nimmt in ihrer Krümmung und Gebogenheit nicht nur animativen Charakter an, sondern ist im Begriff, zum Synonym der figura sforzata zu werden (Taf. 12). Sie spiegelte unmittelbar ihr Bild­ sujet wider;120 sie zielte darauf ab, „Formen von Muskeln […] mit fast metallischer Präzision heraus­zuarbeiten“121 und somit einen graphischen Repräsentationsmodus zu finden, der äquvivalent zur Bild­hauerei funktioniert.122 Das unmittelbar aus der Rundierung und Biegung der ­Buchstaben heraus generierte dynamische Potenzial wurde zum Kennzeichen von Van de Veldes Spieghel der Schrijfkonste und knüpfte auf diese Weise sogleich an ästhetische Prinzipen seiner Zeit an, wie sie etwa Goltzius’ Serie der Vier Himmelsstürmer (1588) demonstrierte (Abb. 43). Wie Van de Veldes Illustrationen unterschiedliche Typen je nach unterschiedlichen ­Sprachen systematisieren (Abb. 44 und Abb. 45), verwendet Goltzius die Schraffur je nach Sujet und verleiht ihr eine ‚funktionale Gebundenheit‘. Die vier Himmelsstürmer sind das wohl eindrücklichste Beispiel für solche „Posen und [die] extremsten Verkürzungen“123 und zugleich eine druckgraphische Demonstration von Benvenuto Cellinis Credo, vier Hauptansichten mit entsprechenden vier Nebenansichten von gleicher Valeur für eine ideale Skulphierzu Susanne Meurer, die zwar „form-content interactions“ im Bereich der Kalligraphie erkennt, aber dennoch betont, „flourishes do not highlight content und thus have no function beyond providing an aesthetically pleasing illustration.“ Meurer 2014, S. 72. 118 Morison 1962, S. 68. 119 Summers 1972, S. 293. 120 Cf. hier für gegenteilige Sicht: Singer 1895, S. 95. Dazu auch: Koschatzky 1977, S. 168. Cf. ­Reznicek1961, S. 130. Ähnliche Phänomene lassen sich bereits um 1500 beobachten, beispielsweise in ­Leonardos Leda mit dem Schwan (ca. 1505) und der kurvierten Schraffur der zeichnerischen Vor­studien. Nelson 2006. 121 Mensger 2016, Kat. Nr. 11, S. 47. 122 Insgesamt blieb die Wirkung auf sein Werk durch die Künstler, mit denen sich Goltzius im Zuge seiner Italienreise traf, bislang weitestgehend unbeachtet, wie Ger Luijten richtig feststellte: Luijten 2003, S. 124. Eine der wenigen Arbeiten, die sich dem Thema – mit Schwerpunkt des Einflusses zeitgenössischer italienischer Skulptur – annehmen, ist der Katalog von Stephen Goddard und James Ganz (2001). Dazu in Bezug auf Jan Muller: Luijten/Schuckman 1999, Bd. 2, S. 16. 123 Aus.kat. Düsseldorf/New York 1998, S. 42.

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43  Hendrick Goltzius: Icarus (Die vier Himmelsstürmer), 1588

tur zu konzipieren („una statua di scultura de’ avere otto vedute, e conviene che le sieno tutte di egual bontà“).124 Nur kurze Zeit nach dem Entstehen der Serie wurde das enge Verhältnis von Pose der Figur und Faktur erkannt; lakonisch beobachtet William Sanderson (1586?–1676) die Übereinstimmung von Bildsujet und Faktur und nennt beide in einem Atemzug („Coltzius […] varies his postures, very much; large and bold hatches“).125 Auch sind in der jüngeren Forschung Fragen von Faktur und ihrer funktionalen Einbindung in das Sujet keinesfalls obsolet: So beobachtete etwa Clifford Ackley direkt im Zusammenhang zur Schraffur stehende skulpturale Posen in Goltzius’ Apollo (Abb. 46). Der Eindruck, es handele sich beim Apollo um eine Skulptur sei126 […] largely the product of Goltzius’s superbly controlled net of engraved modeling lines that follow, as in a topographical relief map, the projections of the forms they follow. At a slight distance these lines meld together into masses of tone; close to […] they form a wonderfully precise and highly ornamental pattern of swelling and tapering calligraphic lines.127

124 Cellini 1546, Brief an Benedetto Varchi vom 28.01.1546, zit. n. Barocchi 1971, Bd. 1, S. 520. Dazu auch: Goddard/Ganz 2001, 28 f. Goltzius’ Adaption dieses Credo war keinesfalls singulär für die Zeit: Cf. u.a. Jan de Bisschops Paradigmata graphices variorum artificum (1671), Tafel 7 bis 10 sowie die Kupferstiche von Jan Muller nach Adriaen de Vries (ca. 1556–ca. 1626): u. a. NH. 77–NH 79 sowie NH 81–NH. 84 und NH. 87. 125 Sanderson 1658, S. 31. 126 Zum Verhältnis von Willem van Tetrode (ca. 1525–1588), der in der Werkstatt von Cennini ausgebildet wurde und an dessen Skulpturen sich Goltzius orientierte: Goddard/Ganz 2001. Der künstlerische Austausch ist intensiv gewesen; Adriaen de Vriesbeispielsweise wurde in der Werkstatt Giambolognas ausgebildet und arbeitete in den Jahren 1568–1574 in Tetrodes Werkstatt. 127 Ackley 1981, Kat. Nr. 2, S. 5. Ebenso: Kristeller 1905, S. 321. Die Beobachtung, dass sich Goltzius’ Linien wie die figura sforzata verhalten, wurde bereits früh beobachtet. Nahezu beiläufig bemerkt ­Giuseppe

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Kalligraphie

44  Jan van de Velde: Spieghel der Schrijfkonste […], 1605, n. pag.

45  Jan van de Velde: Spieghel der Schrijfkonste […], 1605, n. pag.

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46  Hendrick Goltzius: Apollo, 1588, NH 151-1(2)

Das synergetische Verhältnis von Schraffurlinie und natürlich gebeugtem Körper – und damit einhergehend in einem zweiten Schritt die kurvierte Taille als Idealtypus der ­Schraffur – wurde von Künstlern wie Hamerton betont („rendering of the naked figure, whose elaborate curves and complicated modelling were well expressed by the burins of the great engravers“).128 Gerade in diesem gesteigerten Interesse an Fakturen und ihren Bezügen zum Bildsujet liegt für die Kalligraphen ein besonderes Potenzial, sodass auch ­Ackley seine Beobachtung bezeichnenderweise mit dem Verweis auf das Widmungsblatt für ­Goltzius im Spieghel der Schrijfkonste schließt (Abb. 33).129 In der Nahansicht wurde die einzelne Taille der Schraffur – womöglich durch den für den Betrachterblick fließenden Verlauf von Verdickung zu Verjüngung – unmittelbar mit Dynamik und Bewegung assoziiert. Während Pomponius Gauricus’ De Sculptura (1504) im Jahr 1528 als erstes italienisches

Longhi, dass „seine Strichlagen auf die eigensinnigste Weise umschwingend, zusammen­ziehend und wieder aufrollend“ seien. Longhi 1837, S. 90. 128 Hamerton 1876, S. 18. 129 Ackley 1981, Kat. Nr. 2, S. 5.

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Traktat in niederländischer Übersetzung erschien und detaillierte Anweisungen zur Gestaltung von Bewegung und Stillstand skulpturaler Körper offerierte,130 war die Darstellung der Bewegung und dynamis von (skulpturalen) Körpern in der Druckgraphik indes eine innerhalb der Kunstliteratur selten verhandelte Herausforderung. Im Jahr 1649 brachte Abraham Bosse in seinen kunsttheoretischen Überlegungen zur Druckgraphik jedoch den kurvilinearen Stil unmittelbar mit der Bewegung der Figur in einen Zusammenhang.131 Niederschläge dieses ästhetischen Zusammenhangs finden sich noch bis weit ins 18. Jh., so beispielsweise bei William Robson, der in seiner wenig beachteten Grammigraphia (1799) in einem Versuch, jede Grundform der Linie im semiotischen Sinn mit Bedeutung aufzuladen. Über die ­kurvierte Linie („curve“) schrieb er, sie sei [...] the most light, active, pleasing, and expressive; it has the full power of describing action; represents flight, speed, and the ascension of flame; it is expressive of liberty, of boldness, and of delicacy; it has the power to glide every where, and to make universal connexion by its own means; it is perfectly independant; is capable of describing exquisite beauty and proportion […].132 Er schließt seine Beobachtung mit dem Vermerk, die kurvierte Linie hätte auch das Potenzial, Deformitäten sämtlicher Art zu demonstrieren („exhibiting every species of deformity“) und lässt somit Konnotationen der figura sforzata in seine Definition aufgehen.

Ästhetik der Feder (Teil II) Ähnlich wie die rundierte oder gebogene, sich den Formen anschmiegende Schraffur stand die kursivierte Schrift um 1600 für ein dynamisierendes Moment. Beide wurden mit „a feeling of roundness within the slenderness and a pervasive quality of serpentine line“ assoziiert.133 Die flexibel geführte und sich ihrem Darstellungsgegenstand scheinbar auf ­organische Weise anpassende Schraffurlinie wurde zu Goltzius’ Kennzeichen erkoren („varies his postures, very much; large and bold hatches“).134 Giulio Mancini etwa brachte um 1620 Goltzius’ Stil der Federzeichnung mit der geschwungenen, dem Verlauf des Körpers folgenden Linie in Verbindung, die Bewunderung beim Betrachter auslöse („Et è maraviglia il tirare alcuni tratti o linee longhissime che vanno variando di sottigliezza et grossezza secondo che ricerca la figura“).135 Van de Veldes Modellbuch griff dieses Prinzip auf und führte es weiter: Die schraffierten Hände im Spieghel der Schrijfkonste (Abb. 30 und Abb. 31) zeigen mittels des

130 Gauricus 1504, zit. n. Brockhaus 1885, S. 211–219. 131 Bosse 1649, zit. n. Weigert 1964, S. 134. 132 Robson 1799, S. 126. 133 Broos 1971, S. 150. – Bereits Quintilian analogisierte die Ästhetik der bewegten Figur (grazia) mit einer Vermeidung der geraden Linie. Quintilian, De institutione oratoria, Buch 2, xiii, § 9 u. § 11, zit. n. Edgeworth Butler 1921, S. 292 u. S. 294. Dazu auch: Shearman 1967, S. 84 f. sowie Summers 1972, S. 277. 134 Sanderson 1658, S. 31. 135 Mancini 1620/21, zit. n. Marucchi 1956/57, Bd. 1, S. 310.

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fließenden Verlaufs der Taille eines besonders eindrücklich: Wenngleich es keinesfalls ihr primäres Anliegen war, visualisieren sie wie beiläufig mimetische Aspekte wie Form und Körper, Bewegung und Schattengebung ebenso wie „[unity], […] harmony of style, and consistency of rhythmical stress of strokes“.136 Sie markieren auf diese Weise jene „gradations of strokes“,137 die die Taille kennzeichnen. Diese fließenden Abstufungen deuteten sogleich auf die fließenden Übergänge zwischen einzelnen Morphologien der Linie, etwa zwischen Kursivschrift und Schraffur. Die Parallele von Schraffurlinie und Buchstabenlinie war für Kupferstecher wie Frisius eine natürliche: Dass seine Kunst jener von Goltzius in nichts nachstand, demonstriert ein großformatiges ‚Federkunststück‘, das möglicherweise eine Darstellung des Hl. Hieronymus ist (Taf. 13). Die schiere Größe des Blattes übertraf das Format der meisten Kupferstiche der Zeit; es ist die einzig bekannte Zeichnung von Frisius’ und forciert den Vergleich zu Goltzius’ ‚Federkunststücken‘.138 Die mit unterschiedlichen Federn ausgeführte Zeichnung erscheint zunächst wie ein dichtes, nahezu undurchdringbares Liniengeflecht, lenkt aber sogleich den Blick des Betrachters auf die einzelne Linie. Frisius legte seine künstlerische Wandelbarkeit im Umgang mit der Linie der Feder und des Grabstichels offen: In je unterschiedlichen Medien vermochte es der Künstler, ästhetische Eigenheiten der Linie zu illustrieren. Das Vexierspiel hat eine Doppelnatur, da simultan die Linie selbst als Gestaltungselement monumentalisiert wird – ein im Spieghel der Schrijfkonste konsequent weiterentwickeltes Leit­motiv. In Goltzius’ Widmungsblatt im Spieghel der Schrijfkonste zeigt sich dieser Gedanke auf quasi-bildliche Weise (Abb. 33): Formen sich die Kadellen auf manchen Tafeln zu Attributen der jeweiligen Adressaten – beispielsweise einem Segelschiff auf dem Widmungsblatt der Rotterdamer Flotte (Abb. 47)139 – bleiben sie auf dem Widmungsblatt von Goltzius in runden nicht-figürlichen Bewegungen (Abb. 33): Hier wird auf diese Weise die ­kurvierte an- und abschwellende Linie in der „Fusion von Dekoration und Skript“140 zu Goltzius’ ­Attribut.141 Daher betont das Widmungsblatt nicht allein den funktionsabhängigen Gebrauch der ­Linie in Goltzius’ Druckgraphik, wie sie u. a. Die vier Himmelsstürmer präsentiert (Abb. 43). Das Blatt führt wesentliche ästhetische Prinzipien der Linie vor Augen, etwa die rezeptions­ästhetische Lenkung des Betrachters entlang ihrer an- und abschwellenden Bewegung sowie die Virtuosität der Linienführung.

136 Fairbank [1949] 1952, S. 29. 137 Fairbank [1949] 1952, S. 30. Analog zur Schraffur, in der Kontraste durch unterschiedliche Modi erzeugt werden können, kann die Schrift Kontrast erzeugen, indem sie „größer, kleiner, dunkler, feiner, oder – sofern gutes Urteilsvermögen eingesetzt wird – wenn eine andere Type verwendet wird.“ Fairbank [1949] 1952, S. 32. Übers. aus dem Englischen E. B. 138 Orenstein 2008, S. xxi. 139 Ein ähnliches Motiv findet sich bereits in Giacomo Francos Il franco modo di scrivere cancellaresco moderno (1595, Taf. 32). 140 Morison 1962, S. 68. Übers. aus dem Englischen E. B. 141 Hierzu auch: Longhi 1837, S. 90 f.

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Kalligraphie

47  Jan van de Velde: Spieghel der Schrijfkonste […], 1605, n. pag.

In einem gänzlich anderen Verhältnis präsentieren sich in Abgrenzung hierzu kalligraphische Linie und Bild in Cornelis de Visschers (ca. 1520–1586) Porträt in der von Hendrick ­Hondius gefertigen Serie Pictorum aliquot celebrium, præcipué Germaniæ Inferioris, effiges aus dem Jahr 1610 (Abb. 48).142 Beim Werk handelt es sich um die erweiterte Neuauflage der 1572 erschienenen Version von Lampsonius und Hieronymus Cock (1518–1570), die für mindestens eine Ausgabe von Van Manders Schilder-Boeck (1604) als Grundlage heran­ gezogen wurde. Das Porträt des heute wenig bekannten De Visscher ist der dritten aus insgesamt sechs Neuauflagen der 1594 zum ersten Mal aufgelegten Serie entnommen. De Visscher, den die Eloge als virtuosen Porträtisten preist, zeichnet auf einer Leinwand ein an Kalligraphie erinnerndes Selbstporträt. Ähnlich der Zwillingstafel in Van de Veldes Spieghel der Schrijfkonste (Abb. 30 und Abb. 31) oder der Widmungstafeln mit figuralen Attributen (Abb. 47) werden hier Plastizität erzeugende Schraffur und zweidimensionale Linie der Kalli­ graphie in ein direktes Verhältnis zueinander gesetzt. Der fließende Übergang von Kalligraphie und Schraffur manifestiert sich erneut: Wenngleich der Kupferstecher De Visscher eine neuartige Form der Figurenbildung zu antizipieren scheint, ist er selbst auf seinem Porträt als schraffierte, konventionelle Figur dargestellt worden. Das auf der Leinwand abgebildete Selbstporträt weist im Gegensatz hierzu sowohl spiralförmige, scheinbar in einem Zug 142 Obwohl die Porträtreihe zur Herausschälung einer niederländischen Kanonbildung bildender Künste beitrug, ist eine ausführliche kunsthistorische Analyse bislang weitgehend ausgeblieben. Mit Verweis u. a. auf Walter Melion (1991): Meiers 2006, S. 2.

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„stilstaende letter“: Linie als Bild

48  Robert de Baudous: Porträt von Cornelis de Visscher, 1610

geführte Linien als auch erste ­Anzeichen einer just entstehenden Schraffur auf. Bezeichnenderweise fehlt der Linienführung auf der Leinwand die scharfe Präzision von Frisius’ Kupferstichen – die Kadellen erscheinen skizzenhafter, spontaner, weniger intentional. Noch mehr: Die Mischtechnik aus Kupferstich und Radierung spiegelt auch ihren Darstellungsgegenstand wider, denn das Bild deutet in seiner Gegenüberstellung der beiden Porträts – jeweils in Schraffur und kalligraphischer Linie gestaltet – auch auf den Kontrast zwischen diesen beiden Linienarten. Ungleich des Spieghel der Schrijfkonste offenbart dieser Kontrast wesentliche ästhetische Differenzen linearer Formen. Hier wird zugleich antizipiert, was Bosse in der Manieres de graver nur wenige Dekaden nach der Drucklegung der Pictorum aliquot celebrium systematisch auffächern sollte: die Vorstellung, dass die Radierung im Allgemeinen ‚skizzenhafte‘ Linien hervorbringt, während sich der Kupferstich einem starreren Gefüge beugen muss, das er als ‚geometrisch‘-linearen Stil beschrieb.

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Kalligraphie

49  Hendrick Goltzius: ­Porträt von Philips Galle, 1582

Hieran schließt sich eine weitere Beobachtung im Porträt von De Visscher an: Während die Hand bei Van de Velde suggerierte, dass die Schraffur spontan auf das Blatt gebracht wurde und die Kalligraphie im Kontrast hochgradig artifiziell wirkte, verhält es sich in De Visschers Porträt umgekehrt. Tatsächlich weisen im Porträt von De Visscher nicht nur Kalligraphie und Schraffur Spannungen auf. In der Eloge der Bildtafeln finden sich nicht nur ein grammatikalischer, sondern zahlreiche mikrotypographische Fehler143 und obwohl u. a. Frisius an der Serie mitgewirkt hat, wurden die überwiegend aus Lampsonius’ Erstausgabe übernommenen Widmungen nicht in ein typographisch kohärentes Konzept eingebunden.144 Auch wenn kalligraphisch herausragende Inschriften mitnichten im Vordergrund der Serie standen, wird Frisius’ aufwendige Technik der Übertragung der mit Feder ausgeführten Schrift

143 Cf. hierzu beispielsweise auch die Eloge zum Porträt von Pieter Bruegel (ca. 1525/30–1569) in Cocks Edition von 1572 (Taf. 25), bei der die Schrift an beiden Seiten sogar über den Quetschrand der Tafel hinauskragt. 144 Puraye 1956, S. 19, in: Lampsonius 1589.

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50  Hendrick Goltzius: Porträt von Jean Nicquet im Alter von 56, 1595

in den Kupferstich hier wohl kaum zum Einsatz gekommen sein – ein Indikator dafür, wie hochspezialisiert die von ihm angefertigten kalligraphischen Kupferstiche für den Spieghel der Schrijfkonste waren. Das Verhältnis wird weiter verkompliziert, wirft man einen Blick auf die graphischen Künste um 1600: Auch Goltzius’ Kupferstiche weisen mitunter auf die spannungsreiche Beziehung von Kalligraphie- und Schraffurlinie hin. Während im Porträt seines Verlegers Philips Galle (1537–1612) (Abb. 49) die sorgfältig temperierten Werkzeuge des Künstlers sowie ­seine gottgleiche Hand („o erudita lima, o artifex manus“), wie die Inschrift verkündet, durch den kunstvollen Einsatz von säuberlich ausgeführten Kadellen visuell unterstrichen werden, offenbaren Inschriften in anderen Kupferstichen die natürlicherweise bestehenden Differenzen von Schraffur- und Schriftlinie (Abb. 50).145 Die zweikolonnige Inschrift im 145 Anja Wolkenhauer (2006) hat sich exemplarisch der literarischen Interpretation einiger von Franco Estius (ca. 1544?–1594?) verfasster Inschriften im Œuvre von Goltzius’ angenommen. Dabei ließ sie nicht nur die Frage offen, wie sich Goltzius, der des Lateinischen nicht mächtig war, inhaltlich zu den

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Kalligraphie

51  Anonym: Kalligraphie einer Frau mit Kind und Windmühle, ca. 1720

Porträt von Jean ­Nicquet zeugt vom Versuch, die niederländische und italienische Schreibschrifttradition zu vereinen und ­somit möglicherweise die Handelsbeziehungen des niederländischen Händlers Jean Nicquet (1539–1608) mit Norditalien zu symbolisieren. Ähnlich wie in Pictorum aliquot ­celebrium greift diese Inschrift kaum Frisius’ spezialisierte Technik der Schriftübertragung in den Kupfer­stich auf; die Kadellen wirken skizzenhaft und wenig spannungsreich im Vergleich zum Porträt von Philips Galle (Abb. 49). Kommen wir ein letztes Mal auf De Visschers Porträt zurück (Abb. 48): Das Bild wirft ikonographische und biographische Fragen auf, da sich lediglich Eckpunkte über das Leben des einst berühmten Künstlers rekonstruieren lassen.146 Fest steht etwa, dass De Visscher das Porträt des Kalligraphen Lieven van Coppenol (1598–1667) im Jahr 1658 gestochen hat, dessen Inschrift auf das dem Phönix gleichende Wesen des Porträtierten verweist („Phoenix

Inschriften verhielt, sondern stellte ferner auch keine Verbindungen zwischen den Inschriften und der Gesamtkomposition der Stichwerke her. 146 Über Cornelis de Visscher sind nur wenige biographische Details bekannt. Ein Verzeichnis seiner Kupfer­ stiche bietet Johann Wussin (1865).

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„stilstaende letter“: Linie als Bild

Schrijver van zijn tijt“).147 Dies rief den bereits besprochenen Topos der Transformation auf – ein weiteres Moment, das Kalligraphie und Kupferstechkunst bzw. Zeichnung in Analogie zueinander setzte.148 Dessen ungeachtet bleibt offen, weshalb die aus Kreiseln gestaltete Figur auf der Leinwand zu De Visschers Attribut erkoren wurde: Handelt es sich dabei um ein die Linie in ihren medialen Bezügen reflektierendes Moment? Hatte De Visscher möglicherweise in seinem künstlerischen Schaffen selbst ein Interesse an der Kalligraphie entwickelt? Oder antizipierte das Porträt eine Tendenz der Kalligraphie, die vor allem im 18. Jh. eine starke Wirkkraft entfaltete und untergründig – wie etwa in der Kalligraphie einer Frau mit Kind und Windmühle (Abb. 51) – Van de Veldes Prinzipien von kalligraphischer Linie und mimetischem Potenzial wieder aufgriff? Dieser Kupferstich von anonymer Hand verschränkt Schraffur- und Kalligraphielinie, die bei De Visscher zwar auf einem Blatt präsentiert werden, jedoch aufgrund des mise-en-abyme separate Bereiche im Bild einnehmen. Anschaulich wird diese Verschränkung der Linienformen insbesondere in der Gestaltung der Schürze, die die Frau trägt. Zugleich veranschaulicht das Blatt auch die Kritik, die bereits früh an der kalligraphischen Linie getätigt wurde, nämlich die Vorstellung, sie sei um ihrer selbst Willen gefertigt („faict & gravé par luy mesme“).149 Die Kadellen scheinen insbesondere auf dem Torso der Frau keinerlei ‚Bezug‘ zu ihrem Darstellungsgegenstand zu entfalten; sie wirken stattdessen vielmehr wie ein Pendant des Ornaments auf der Schürze und damit wie das Gegenteil dessen, was Van de Velde in seinem Spieghel der Schrijfkoste konzipierte.

Utopie Das Schlusskapitel des ersten Teil dieses Buchs wendet die hier skizzierten Phänomene ein weiteres Mal: Das erste Folio des Spieghel der Schrijkonste legte aller Affinitäten zum Trotz den kategorialen Unterschied zwischen Kalligraphie und Schraffur offen, der nie vollends überwunden werden konnte (Abb. 30). So eng die Allianz beider gewesen ist, bleiben schraffierte Hand und kalligraphische Schrift auf diesem Blatt in kompositorischer Hinsicht disparat und nehmen beide „ihre eigene Sphäre ein.“150 Diese Beobachtung trifft einen wunden Punkt: Das hier aufgezeigte enge Verhältnis von Schönschrift und Schraffur hielt in der beschriebenen Intensität nur wenige Jahre an, bevor die Reflexion der Schraffur u. a. mit den Schriften des Kupferstechers und Kunsttheoretikers Abraham Bosse gänzlich anderen Impulsen folgte. Der um 1600 einen Klimax erreichenden Synergie von Schraffur und Kalligraphie liegt somit auch ein utopisches Moment inne, das die Bildtafeln des Spieghel der Schrijfkonste bisweilen selbst offenlegen. Tatsächlich vermochte die Schönschrift zu keinem Zeitpunkt sämtliche allein der Schraffur inneliegenden Qualitäten zu erreichen. Die Eröffnungstafel offenbarte in

147 Hierzu: Wussin 1865, Kat. Nr. 13. 148 Goltzius wählte selbst in Reminiszenz an seine Vorfahren in seinem Selbstporträt den Phönix als sein Wappentier aus (cf. NH. 92/III). 149 Desmoulins 1625, in: Muzika 1965, Bd. 2, S. 239. 150 Felfe 2015 B, S. 32. Übers. aus dem Englischen E. B.

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Kalligraphie

einem gestalterischen Detail ein illusionistisches Moment der Schraffur ­ostentativ (Abb. 30). Auf Höhe des Ellenbogens lösen sich die den Kupferstich imitierenden Schraffuren erst zu einer lockeren Folge von Strichen auf, die die Feder nachahmen, nur um in einem jähen Moment abzubrechen. Der Rest des Armes bleibt unausgeführt; die Schraffur endet mutwillig im leeren Blatt und demonstriert just an dieser Stelle im Bruch mit ihrem mimetischen Potenzial den Charakter des künstlerisch Gemachten – ein Verhältnis, das später in De Visschers Porträt umgekehrt wurde (Abb. 48). Die Gründe für die nur kurz anhaltende Liaison zwischen Kalligraphie und Schraffur sind vielfältig und nicht eindeutig zu benennen, wobei die diversen, heute noch überlieferten Exemplare des Spieghel der Schrijfkonste eine mögliche Erklärung nahelegen. Die meisten heute erhaltenden Exemplare sind unvollständig; kunsttheoretisch fundierte Textteile wie der Thresor litteraire und das Fondement-Boeck fehlen oftmals in Gänze oder sind nur fragmentarisch abgedruckt, ebenso wie manche der Bildtafeln,151 von denen einige sogar entlang ihrer Konturen beschnitten und mit anderen Blättern zu neuen Alben zusammengestellt wurden.152 Bezeichnenderweise sind selbst die jeweiligen Frontispize der unterschiedlichen Sektionen bestimmter Exemplare nicht erhalten oder gar per Hand nachträglich und auf provisorische Weise ergänzt worden. Die Unvollständigkeit vieler Exemplare ist ein Indikator dafür, dass die Tafeln mit den Kalligraphien als Bildwerke von Sammlern wertgeschätzt wurden, wohingegen die literarisch-theoretisch fundierenden Teile des Modellbuchs, nämlich der Thresor litteraire und das Fondement-Boeck, weitgehend in Vergessenheit gerieten. Hinzu trat ein weiteres Moment, das den Bogen zurückschlägt zum Janusgesicht von pictura und grammatica. Die artes liberales – und allen voran die speziell im Umfeld von Van Mander und Van de Velde mit der Schraffur in Verbindung gebrachte grammatica – sind bezeichnend für eine intellektuelle Tradition, aus der der versatzstückhafte quasi-­Diskurs zur Schraffur schöpfte. Nicht zufällig sind Regelhaftigkeit, Strukturalisierung bzw. Reglementierung, Harmonie und Maß die übergreifenden gemeinsamen Schnittmengen der artes liberales, deren Qualitäten in diesem Kontext als Paten für die Beschreibung von Schraffur standen. Diese Affinitäten stießen jedoch an ihre Grenzen, denn Van de Velde schließt ­seinen Spieghel mit einer Allegorie des Ruhmes ab, nicht etwa der Grammatik (Abb. 52). Die harmonische Stimme der Kalliope, die in Anlehnung an Capella bereits für Van de ­Veldes kunsttheoretisches Fundament eine Rolle gespielt hat, solle den Ruhm des Spieghels in alle Länder Europas tragen. Der Verweis auf das Motiv des Ruhmes erfolgte möglicherweise mit Blick auf die lange Tradition älterer druckgraphischer Kunstwerke. So fertigte der ­Humanist Andrea Alciato (1492–1550) für sein Emblematum liber (1531) eine Allegorie des literarischen Ruhmes an, in der es heißt, die Erfolge der Schriftsteller würden nach ihrem Tod in ­aller Welt verbreitet werden („Fama viros animo insignes praeclaraque gesta / ­Prosequitur,

151 In beiden heute in der Ornamentstichsammlung der Staatlichen Museen zu Berlin aufbewahrten Exemplaren fehlt beispielsweise das Widmungsblatt für Goltzius. Cf. Van de Velde 1605 B, Inv. Nr. OS 5011 Kl u. Van de Velde 1605 B, Inv. Nr. OS 5012 Kl. 152 Hierzu: Petrucci 1993, S. 612.

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52  Jan van de Velde: Spieghel der ­Schrijfkonste […], 1605, n. pag.

toto mandat & orbe legi“).153 Handrianus Junius’ (1511–1575) beschwor in seinem Emblemata (1565), der ewige Ruhm sei die Entlohnung für mühevolle Arbeit („Gloria continuos nunquam moritura labores / Sequitur, virensque in ore vivit perpetim“).154 Auch Capellas etymologische Herleitung der grammatica als Iatrice bzw. Genethliace (gr. ­iatrós: Arzt bzw. geneté: Geburt) wurde von Van de Velde in den abschließenden Zeilen seines Modellbuchs wieder aufgegriffen wurde.155 Dort heißt es, die Geburtsschmerzen ­gleichkommenden ­Mühen beim Erlernen der diffizilien Schriftarten und ihrer kalligraphischen Kadellen („Ghelyc een Vrouvv, naer dat sy neest ghebaert“)156 seien die Grundlage für den Ruhm des Künstlers. Damit verwies Van de Velde auf die aufwendige Produktion seiner Schriftmodelle, auf Lernprozesse und, wenn auch nur implizit, auf die Handhabung der ­Feder. Dieser Ge­ danke fand u. a. unter dem in vielen Kalligraphietraktaten erscheinenden Motto „Nil penna,

153 Alciato 1531, n. pag. 154 Junius 1565, S. 9 [„Unsterbliche Ehre folgt beständiger Mühe, gedeiht und besteht bis in alle Zeit in Ehre.“]. Ebenso beispielsweise das Emblem des Kupferstechers Matthias Bonhomme, dessen Widmung mit der Zeile „Labore parta gloria“ endet: Aneau 1552, S. 10. 155 Capella, De nuptiis philologiae et mercurii, III, § 228, zit. n. Stahl/Johnson/Burge 1971–1977, Bd. 2, S. 66. 156 Van de Velde 1605 B, Fondement-Boeck, n. pag.

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Kalligraphie

53  Claude Paradin: Devises heroïques, et emblemes, [1551] 1557, S. 49

sed vsus“157 seine Quintessenz. Illustrationen dieses Mottos fanden sich in Emblem­büchern bereits seit dem 16. Jh., so etwa in Claude Paradins (1510–1573) Devises heroïques, et ­emblemes (Abb. 53). Gezeigt wird in der ersten Edition (1551) der von Natur aus flug­ unfähige Strauß, der seine Flügel scheinbar flugbereit streckt. In der zweiten Edition (1557) sind dem Bild die folgenden Verse beigegeben: L’Autruche estendant ses esles & belles plumes, fait / une grande montre de voler: ce neanmoins ne s’enleve / point de terre. Et en ce, fait comme les Ypocrites, lesquelz / par externe aparence, representent grande sainteté & / religion: puis c’est tout, & n’y ha que la montre: car / en dedens, tout est au contraire.158 Feder und Flügel wurden hier analogisiert, denn nicht ihre Wesensverwandtschaft war entscheidend, sondern allein ihr spezifisch künstlerischer Gebrauch. Ergänzt wird das Emblem durch das Motto „Nil penna, sed vsus“. Nicht nur die hier betonte, kontinuierliche Schulung der Hand war für Kalligraphen von Interesse: Seit der Antike wurde ein Topos tradiert, dem157 Cf. dazu Hans Dickel, der in seiner Untersuchung zu Zeichenbüchern des 17. Jhs. die weite visuelle wie schriftliche Tradition des Mottos außer Acht lässt: Dickel 1987, S. 7. 158 Paradin [1551] 1557, S. 49. Zeilenumbrüche E. B. [„Der Strauß streckt seine Flügel und schönen Federn, macht große Anstalten zu fliegen, aber erhebt sich dennoch kaum von der Erde. Und darin macht er es den Heuchlern gleich, die, von außen betrachtet, große Heiligkeit und Religiosität vorgeben. Doch ist es nichts als Täuschung, denn im Inneren steht dazu alles im Widerspruch.“].

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54  Gabriel Rollenhagen: Nucleus emblematum […], 1611–1613, Bd. 2, S. 24

zufolge der Strauß alles wahllos Verschlungene auch verdauen könne („concoquendi sine dilectu devorata mira natura“).159 Hier werden der Topos der Einverleibung, des Metabolismus und der Transformation erneut aufgegriffen. Eine weitere Analogie lässt sich somit benennen. Die Embleme demonstrieren in der formelhaften Zuspitzung des topisch gewordenen Mottos „Nil penna, sed vsus“ bereits den Niederschlag des Zusammenspiels von Schraffur und Schreibkunst auf Grundlage des gemeinsamen Schreibgeräts. Das Motto wurde bildmotivisch akzentuiert: So stößt der Leser im zweiten Band von Rollenhagens Nucleus emblematum auf die Darstellung von Apelles’ Credo „Nulla dies sine linea“ (Abb. 54),160 das aufgrund der spezifischen Handhaltung auf ein bereits zum Zeitpunkt seiner Entstehung berühmt gewordenes ‚Federkunststück‘ rekurriert:161 Das Emblem weist die gleiche Handhaltung wie Goltzius’ rechte Hand

159 Plinius, Naturkunde, zit. n. König/Hopp [1978] 2013, Bd. 10, S. 16. Warncke verwies darauf, dass der Strauß nach antiker Vorstellung „selbst Eisen verdauen“ könne. Warncke 1983, S. 82, in: Rollenhagen 1611–1613. 160 Der darunter stehende Spruch lautet: „Nulla dies abeat, quin linea ducta sit, vsvs / solus erit, magnos qui facit artifices.“ Hervorhebung übernommen [„Kein Tag vergeht, ohne daß ein Strich gezogen ­werde. Allein die Übung macht den großen Künstler.“ Übers. n. Warncke 1983, S. 260 (cf. Rollenhagen 1611–1613)]. 161 Lavin 2008, S. 398 f.

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Kalligraphie

(1588) (Taf. 14)162 auf – einer jener Zeichnungen, die sich bereits kurz nach ihrer Entstehung bezeichnenderweise in der Sammlung des Kalligraphen Cornelis Boissens’ befanden.163 ­Boissens’ Interesse mag freilich auch in der Wahl des Motivs gelegen haben, war doch die Hand für Kalligraphen naturgemäß von immenser Bedeutung. Goltzius’ Studie seiner eigenen Hand dient hier zugleich jedoch als visuelles Scharnier: Die Zeichnung steht einerseits im engen Zusammenhang mit Van de Veldes und Frisius’ Inventionen und Interpretationen der virtuos geführten Linie, antizipiert andererseits wesentliche Tendenzen eines neuen Schraffurstils, der im Verlauf des 17. Jhs. von Protagonisten wie Claude Mellan vertreten werden sollte.164 Mehr noch: Die Zeichnung weist die Hand als das Instrument aller Instrumente aus – ein aristotelischer Topos, der insbesondere für die künstlerische Technik der Schraffur unter kunstliterarischen Vorzeichen wie der Handhabung (handelinghen) an Relevanz gewinnt.

162 Cf. dazu auch den anonymen Kupferstich des Motivs von ca. 1600 (NH 785) ebenso wie eine vergleichbare Version des Motivs: Frankfurt a. M., Städel Museum, Inv. Nr. 807. 163 Leeflang 2003 B, S. 244 und Reznicek 1961, Kat. Nr. 165 und Kat. Nr. 166, inkl. einer Liste von Adaptionen des Motivs durch andere Künstler. 164 Der eindrücklichste Beitrag hierzu stammt von Irving Lavin (2008).

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Semantisierung

„toutes les formes d’hachures“: Universalregeln der Faktur Neologismen – Perspektive Das lange Zeit vorherrschende Desiderat der schriftlichen Reflexion druckgraphischer Techniken wurde noch von Gérard de Lairesse in Het Groot Schilderboek (1707) ausgerechnet im Kapitel zum Umgang mit Schraffur benannt. Der Kupferstich, so heißt es in der englischsprachigen Fassung des Traktats aus dem Jahr 1738, sei die einzige von der Traktatliteratur gänzlich missachtete Gattung der Bildenden Künste. Sein Unbehagen über diesen Umstand erstreckte sich auch auf andere Bereiche der Kunstliteratur, etwa Ripas Iconologia, in der er eine Allegorie des Kupferstichs vermisste.1 De Lairesse hält seine Verwunderung über diese vermeintliche Marginalisierung in einem nüchternen Tonfall fest: „Engravers have not one [Book; Anm. E. B.] touching their Practice.“2 Tatsächlich bot die Kunsttheorie des 17. Jhs. in Bezug auf sprachlich schwer fassbare Phänomene wie die Schraffur wenig Raum für Elaborationen, die über kompilatorische und explikatorisch-enzyklopädische Ansätze hinausgingen.3 So fand sich überraschenderweise in Filippo Baldinuccis Vocabolario toscano dell’arte del disegno (1681) trotz der im Verlauf des 16. und 17. Jhs. akkumulierten ­Dichte kunsttheoretischer Reflexionen zu künstlerischen Techniken kein eigenständiger Eintrag zur Schraffur.4 In den wenigen Fällen hingegen, in denen solche Einträge Berücksichtigung ­fanden, stellten sie aufgrund der Prämissen der enzyklopädischen Textgattung die Schraffur

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De Lairesse 1707, zit. n. Fritsch 1738, Buch XIII, S. 629. De Lairesse 1707, zit. n. Fritsch 1738, Buch XIII, S. 645. Hervorhebung übernommen. Vor Bosse finden sich vereinzelt technische Anweisungen zur Druckgraphik, dazu: Grebe/Stijnman 2013 und Stijnman 2009 sowie 2010, wobei der Autor hier keine Referenzen listet. Im Cominciamento e progresso dell’arte dell’intagliare in rame verweist Baldinucci gar auf Bosse, doch bietet die Abhandlung keine inhaltlichen Berührungspunkte zu dessen Schaffen: Baldinucci 1686, zit n. Manni 1808–1812, Bd. 1, Proemio, S. 12. Das Verb trattegiare wurde hier meines Wissens nach lediglich dreimal erwähnt. Obwohl es sich hierbei um das erste Werk handelt, das eine entwicklungs-

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Semantisierung

auf simplifizierende Weise und weitgehend losgelöst von ästhetischen Überlegungen dar. Nicht minder irritierend wie Baldinuccis Missachtung der Schraffur ist etwa André Félibiens (1619–1695) Erwähnung der Technik in seinem Werk Des principes de l’architecture, de la sculpture, de la peinture (1676), in dem sich eine knappe Definition der Technik findet. Der Eintrag zum Verb hacher – ein Pendant zum Substantiv hachure fügt er lediglich als Konklusion seines Eintrags hinzu – suggeriert, es handele sich lediglich bei der Kreuzschraffur tatsächlich um Schraffur. Lakonisch definiert er die Technik: On dit hacher avec la plume, ou le crayon, lorsqu’on desseigne, & que les traits du crayon, ou de la plume sont croisez les uns sur les autres; Ce qui se dit aussi de la Graveure. Tous les traits ainsi croisez se nomment hacheures.5 Etwa zeitgleich zu Félibiens Des principes de l’architecture, de la sculpture, de la peinture widmete sich Alexander Brownes Ars pictoria (1669) explizit der Stechkunst, bot indes keinerlei Versuch, die ästhetische Dimension der Schraffur in seine Überlegungen zu integrieren. Das vielversprechend klingende Kapitel Several Observations in Hatching befasst sich lediglich mit der Übertragung der Komposition auf die Kupferplatte,6 jedoch ohne die dafür notwendige Faktur terminologisch zu differenzieren. Lediglich am Rande der Schrift finden sich Andeutungen, dass für diesen Prozess Schraffuren und Linien von unterschiedlicher ästhetischer Qualität vonnöten sind. Wenig differenzierte Formulierungen wie „faint and gentle strokes“, „broad/bold strokes“, „hatch fine strokes“ oder Aufforderungen, die Schraffur zu variieren („make a bold stroke, hatch it fine at first, and so by degrees make them broader)“,7 lassen erkennen, wie stark das implizite, in der Praxis aufgehende Bewusstsein für die diversen Ausprägungen der Faktur gewesen sein muss. An genau diesem Punkt setzte Abraham Bosses Manieres de graver (1645) an, das sich der immensen Herausforderung annahm, theoretisches wie praktisches Grundlagenwerk zugleich zu sein. Er war selbst Kupferstecher, Radierer und Dozent an der Académie royal de peinture et de sculpture, Schüler des Stechers und Radierers Jacques Callot (1592–1635) und Freund des Mathematikers Gérard Desargues (1591–1661) und avanciert zum Protagonisten des Emanzipationsprozesses der Druckgraphik, in dessen Mittelpunkt der Anspruch stand, nicht lediglich reproduzierendes Mittel der Malerei zu sein.8 Bosse nahm, obwohl er

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geschichtliche Abhandlung der Druckgraphik bietet, wurde es von der französischen Akademie weitgehend missachtet. Gramaccini 2010, S. 238. Félibien [1676] 1697, Bd. 1, S. 437 [„Man spricht dann von einem Schraffieren mit der Feder oder dem Stift, wenn sich die Striche des Stifts oder der Feder beim Zeichnen übereinander kreuzen. Das gleiche gilt für den Druck. Alle sich auf diese Weise kreuzenden Striche nennt man Schraffuren.“]. Hervor­ hebung übernommen. – Einen Überblick zu Félibiens und Baldinuccis Werken bietet Oskar Bätschmann (2014). Browne 1669, S. 101 f. Browne 1669, S. 102. Hervorhebung übernommen. Dazu grundlegend Goldstein 2008 und Senkevitch 2005.

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in den Jahren nach seinem Ausschluss aus der Académie royale de peinture et de sculpture weitgehend aus dem öffentlich-intellektuellen Leben verschwand, eine prominente Rolle im Paris des 17. Jhs. ein. Zu seinem Bekannten- und Korrespondentenkreis ge­hörten u. a. ­Thomas Hobbes (1588–1679), für dessen Leviathan er neben einer Reihe weiterer Buch­ illustrationen9 1651 das Frontispiz entwarf, sowie Galileo Galilei (1564–1642), der Arzt und Anatom William Harvey (1578–1657), der Diplomat und Dichter Constantijn Huygens (1596–1687) und der Kupferstecher Claude Mellan. Bosses Herausschälung neuer terminologischer Schwerpunkte und textueller Vernetzungen in der Manieres de graver vollzog sich zum einen im Bewusstsein der Inkongruenzen zwischen (geometrischer) Theorie und (bildnerischer) Praxis. Nur zwei Jahre vor dem Erscheinen dieses Werks notierte Bosse in La manieres vniuerselle de Mr. Desargues (1643) daher, „Geometrie und Kunst sprächen nicht oft die gleiche Sprache“ („Les géometres et les ouvriers de plusieurs Arts ne parlent pas souvent un mesme langage“).10 Zum anderen hatte die Etablierung einer grundlegend neuen und auf diesen Prämissen basierenden Kunstliteratur zum Ziel, ein Publikum zu adressieren, dem bislang kunstliterarische Schriften verschlossen geblieben waren. Bosse thematisierte die Fallstricke des Wagnisses, geometrisches Wissen sowohl Künstlern als auch Mathematikern vermitteln zu wollen, in seiner Moyen universelle (1653) nur wenige Jahre nach dem Erscheinen der Manieres de graver sogleich selbst.11 Trotz seiner bis weit ins 18. Jh. hineinreichender Bedeutung für die Theoretisierung druckgraphischer Bildwerke, bleibt die Forschungsliteratur zu seiner Person und seinen Werken über weite Teile verblüffend dünn.12 Größtenteils missachtet wurde die Rolle, die Bosse der Schraffur als technisch bedingtes, ästhetisch motiviertes und – zumindest dem theoretischen Anspruch nach – in der Perspektivtheorie basiertes Gestaltungselement zukommen lässt.13 Unbeantwortet blieb ferner die Frage, welche sprachlichen Mittel Bosse für die Verschriftlichung seiner neuartigen Theorien anwand. Sheila McTighes Beobachtung, dass er sich in Anlehnung an sein intellektuelles Vorbild Desargues zunehmend von rhetorischen Traditionen der Traktatliteratur abwandte und zugleich den Anspruch erhob, künstlerisch tradiertes wie theoretisch fundiertes Wissen gleichermaßen durch neue sprachliche Topoi zu vermitteln, trifft insbesondere für die konzeptuelle Systematisierung der Schraffur zu.14 Dies geschah auch, aber nicht ausschließlich, über die enge Verflechtung von Bild und Text in der

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Hierzu: Goldstein 2012, S. 126–141. Bosse 1643, S. 14. Bosse 1653, S. 11 f. Hierzu auch: McTighe 1998, S. 8. Zu diesem Desiderat: Goldstein 2008. Wesentliches zu Bosses geometrischen Überlegungen, in die er Fragen der bildnerischen Linearität bettet, wurde bereits skizziert: Leonhard/Felfe 2006, insb. S. 100–102. Marianne Cojannant-Le Blanc (2004) bietet in ihrer Monographie zu Bosse entscheidende Hinweise zum Stellenwert der Schraffur innerhalb seiner Schriften. – Zu Bosses Auseinandersetzung mit den schriftlichen Zeugnissen Leonardos hingegen: Frangenberg 2012. 14 McTighe 1998.

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Manieres de graver.15 Die von ihm verwendeten semantischen Nuancierungen waren subtil und gaben der Reflexion der Schraffur durch die Betonung des Stellenwerts der Perspektive eine neue Ausrichtung.16 In sprachlicher Hinsicht konnte sich Bosse auf zahlreiche Vorbilder seiner Zeit stützen, die bestrebt waren, neuartige Sprachstrukturen für ebenso neuartige Forschungs- und Sachgebiete zu schaffen. Diese Ausbildung eines hochspezialisierten Sprachstils orientierte sich beispielsweise wie oben erwähnt an seinem intellektuellen Vorbild Gérard Desargues, dessen eigener Duktus wenig zugänglich war.17 Zudem erschloss Desargues keine künstlerischen, sondern allein mathematische Themenfelder. Auch Desargues reflektierte, ähnlich wie Bosse, die Prämissen seiner Schriften auf kritische Weise und verfasste sogar eine Abhandlung über Möglichkeiten, Notwendigkeiten und Grenzen dezidiert wissenschaftlicher Sprache.18 Intensiver als je zuvor wurde der Versuch unternommen, Sprache und Gegenstand mittels Neologismen, Metaphern und Analogien miteinander in Einklang zu bringen.19 Desargues’ Annahme etwa, dass die Perspektivlehre unmittelbar in der wahrgenommenen Umwelt des Menschen wurzelt, fand ihr Pendant in metaphernhaften Umschreibungen seiner Theoreme mittels botanisch-organischer Vergleiche wie Baum („arbre“) oder Zweig („rameau“) zur Erklärung geometrisch-mathematischer Konstruktionen.20 Die ‚natürliche‘ Wahrnehmung wurde hier mit einer Naturmetapher wiedergegeben, in der Hoffnung, dass die Sprache in einem ebenso ‚natürlichen‘ Verständnis aufgeht. In dieser äußerst bildhaften Terminologie zeichnet sich Desargues Interesse ab, die Sprache und ihren Gegenstand, für die er eine gewisse Entfremdung konstatiert, wieder einander anzunähern („ne parlent pas souvent un mesme langage“).21 Die Fragilität des Anspruchs eines neuen Sprachduktus’, der u. a. auch ein bislang kunstfremdes Publikum kunstliterarische Sujets zugänglich machen sollte, offenbarte sich nicht zuletzt in De Lairesses Unkenntnis von Bosses Manieres de graver. In ihr wurden die Abstraktions- wie Repräsentationsleistung der Schraffur anhand zweier konkurrierender, technisch unterschiedener Strömungen dargestellt.22 Dabei handelte es sich um den sogenannten ‚skizzenhaften Stil‘ der Radierung mit ‚frei schwingenden‘, oft

15 Hierzu weiter: McTighe 1998, S. 8; Senkevitch 2005, S. 158 sowie Cojannant-Le Blanc 2004, S. 85. 16 Cf. hierzu: Tatiana Senkevitch geht davon aus, dass die Académie royale in ihrer Anfangszeit „[indifferent] to linguistic nuances, [and] badly equipped theoretically“ war. Senkevitch 2005, S. 231. 17 Swinden 1950, S. 257–259. Ebenso: Senkevitch 2005, insb. S. 133–143. 18 Vergleichbare Überlegungen und kritische Reflexionen der Semantisierbarkeit finden sich zudem etwa zeitgleich u. a. in Francis Bacons (1561–1626) als Idola fori bekannt gewordenen sprachkritischen ­Arbeit. Bacon [1620] 1762, Aphorismus LIX, S. 43. 19 Cojannant-Le Blanc verwies darauf, dass sich Bosse in seiner Sprache deutlich an jener Desargues orien­ tierte: Cojannant-Le Blanc 2004, S 128. 20 Desargues 1639, S. 2 f. Dazu auch: Kemp 1985, S. 127. 21 Bosse 1643, S. 14. 22 Darüber hinaus stellt die Manieres de graver in ihrem Glossar und Index stichwortartig grobe Subkategorisierungen der Schraffur nach Breite des Striches, Modus der Strichlage oder verwendetem Werkzeug vor: Bosse [1645] 1758, Tables des Matieres, S. 193.

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locker gewundenen Linien, und um den ‚geometrisch‘-linearen Stil des Kupferstichs.23 Die Herleitung dieser Stile geschah über den Umweg der Malerei, also jener Gattung, mit der der Kupferstich Bosse zufolge ebenbürtig ist. Hierfür berief sich Bosse auf den Mathematiker Jean-François Nicéron (1613–1646), dessen Perspective curieuse 1638 erschienen war. Nicéron widmete sich in seinen Arbeiten vor allem der Geometrie und Optik und schuf aus diesem Interesse heraus katoptrische, anamorphe Zeichnungen nach bekannten Kunst­ werken – u. a. Goltzius’ Römische Helden – die den Bildgegenstand verzerrt darstellten.24 In der Perspective curieuse vermerkt der Autor, Malerei sei nichts anderes als die reine Anwendung der titelgebenden Wissenschaft („n’est autre chose qu’une pure pratique de cette science“).25 Zur erstgenannten Strömung zählte u. a. Laurent de La Hyre (1606–1656), zur zweitgenannten Mellans Lehrer Simon Vouet (1590–1646). Die Werke des ersteren sind für Bosse „skizzenhaft“, die des letzteren „optisch“.26 In einem zweiten Schritt erweiterte Bosse diese zunächst auf Fakturen der Malerei basierenden Begriffe auf die Graphik, jedoch ohne seine Herleitung darzulegen oder anhand konkreter Kunstwerke zu veranschaulichen. Für Bosse stand vor allem der ‚geometrisch‘-lineare und fundamental an der Perspektivtheorie orientierte Stil des Kupferstichs im Zentrum seiner Überlegungen. Die Gründe für die Marginalisierung der gewundenen, ‚skizzenhaften‘ Linie in der Manieres de graver wurden zwar nicht explizit benannt, liegen aber implizit in der künstlerischen Freiheit und vermeintlichen Leichtigkeit der Radierung in Hinblick auf ihre linearen Gestaltungsmöglichkeiten begründet. Ausgehend von Bosses perspektivischen Prämissen der Bildorganisation waren diese Ausprägungen der Linie weitestgehend ungeeignet, um in seine Systematisierung integriert zu werden. Der ‚geometrische‘, d. h. mathematisch berechenbare Stil fügte sich nahtlos in größere Konzepte der Perspektivtheorie. Auch hier erfolgte die Engführung über einen Analogieschluss. Bosse verstand die Perspektivtheorie ähnlich wie die Druck­ graphik als angewandte Wissenschaft, wohingegen die mit ihr verwandte Geometrie als rein intellektuelle Abstraktion galt. Mit dieser Abgrenzung wurde die Perspektive sogleich als Vehikel des Sehens beschrieben. Im Anschluss an die mittelalterliche Tradition der Optik, in der sie synonym mit der Perspektive verwendet wurde,27 zielte beispielsweise ­Wenzel 23 Mit Referenz auf das jeweilige Alter der Techniken personifiziert Cochin in der zweiten Neuausgabe der Manieres de graver den Kupferstich als elegant und formell gekleidete Dame („une Dame d’une taille, & d’une beauté régulière, dont les vêtemens sont d’une étoffe riche & précieuse“), die Radierung hingegen als junges, unprätenziöses Mädchen („une coquette jeune & charmante, naturelle & sans affèctation en apparence“). Bosse [1645] 1758, Preface, xxvj. 24 New York, Metropolitian Museum of Art, Inv. Nr. 2013.203. 25 Nicéron 1638, Preface, S. 2. Noch in Robert Nanteuils (1623–1678) Rezeption der von seinem Lehrer Bosse exemplifizierten Perspektivlehre findet dies seinen unmittelbaren Niederschlag, hierzu: Cojannant-­Le Blanc 2004, S. 98. Ebenso findet sich die gleiche Assoziation in Florent Le Comtes Cabinet des singularitez: Le Comte [1699] 1702, Bd. 1, S. 125. Dazu auch: Cojannant-Le Blanc 2004, S. 100. 26 Diese Unterscheidung findet sich in dieser Form nicht bei Nicéron wieder, der die hier genannten Künstler lediglich für ihre praxisorientierte Anwednung optischer Kenntnisse lobt („sont cognaistre qu’il suiuent toutes les maximes de l’Optique dans la conduite de leurs dessins, & dans l’applications de leurs coloris“). Nicéron 1638, Preface, S. 2. Senkevitch 2005, S. 218–228. 27 Fehrenbach 1997, S. 119.

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Jamnitzers (1508–1585) in seiner Perspectiua (1568) auf eine vergleichbare Abgrenzung der Disziplinen, indem er beschrieb, „was Perspektive als Optik beinhaltet.“28 Als Hilfsmittel des Blicks und der Wahrnehmung sei sie nämlich die Lehre, nach deren Regeln […] eigenschafft / art und natur der Linien und Strim von unserem gesicht auff andere ding hin und wider geworffen werden / dann alles das / so inn der gantzen welt durch unsere Menschliche augen geschauet wird […] und in Summa alles das / so durch das gesicht gefast / und begriffen werden mag […].29 Für die Manieres de graver spielte die hier angesprochene Liniearität eine doppelte Rolle: Bosses Rückkopplung der mathematisch berechenbaren Perspektive mit der Druckgraphik verflocht die Schraffur nicht nur in einen seit Beginn des 16. Jhs. aufgefachten Diskurs zur Rolle der Bildkunst innerhalb der artes liberales. Diese Verflechtungen erstreckten sich in einem zweiten Schritt auf hieraus resultierende ästhetische Diskurse der linearen Verflüchtigung und korrekten Repräsentation der perzipierten Welt. Implizit wurde hier der Gedanke zugrunde gelegt, dass die Perspektive die Welt mathematisch und in Konsequenz objektivierbar erfasst bzw. zu repräsentieren vermag, was Worte allein nicht können.30 Unter diesen Gesichtspunkten übertrifft für andere Autoren die Geometrie sogar den für seine lineare Virtuosität gepriesenen Apelles.31 Für Bosse hingegen laufen diese beiden Aspekte, nämlich mathematische und künstlerische Linie, in synergetischer Weise wieder zusammen.

Verflüchtigung – Gradualität Bosses Verständnis der bildlichen Repräsentation unter perspektivtheoretischen Vorzeichen steht im engen Zusammenhang mit seiner Differenzierung von ‚skizzenhaften‘ und ‚geometrisch‘-linearen Stil, in deren Kielwasser auch Fragen der graphischen Faktur gerieten. Der von ihm schwerpunktmäßig verhandelte ‚geometrisch‘-lineare Stil war ungleich des ‚skizzenhaften‘ Pendants untrennbar mit der Verflüchtigung („dégradation“) der Linien im perspektivischen Raum gekoppelt, denn die Perspektive nütze dem Künstler vorrangig hinsichtlich der korrekten Darstellung des Tiefenraums bzw. der Abstufungen von Farbintensitäten („par les dégradations du fort au soible“).32 Es war Bosses konsequenter Anwendung dieses Gedankens geschuldet, dass er für ihn kongruente, graphische Repräsentationsmöglichkeiten

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Felfe 2015 A, S. 195. Jamnitzer 1568, Vorrede, n. pag. Dazu auch: Felfe 2015 A, S. 194 f. Martin Kemp (1985) hat die lange frühneuzeitliche Tradition dieses Gedankens aufgezeigt. Capella, De nuptiis philologiae et mercurii, VI, § 579, zit. n. Stahl/Johnson/Burge 1971–1977, Bd. 2, S. 217. 32 Bosse [1645] 1758, S. 99. Cf die wortwörtliche Wiederholung der Textstelle bei Le Comte [1699] 1702, Bd. 1, S. 118. Cf. ferner die synonyme Verwendung der diminution und dégradation bei Le Comte und sein vornehmliches Interesse an der Luftperspektive und ihrer Auswirkung auf die Wahrnehmung von Farbe: Ebd., Bd. 1, S. 58 f.

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suchte.33 Die Schraffur wurde dafür über eine Analogie in diesen bildlichen Perspektiv­raum eingebunden: Der ideale Aufbau der Schraffurlagen basierte auf basalen Regeln, ebenso wie sich die Perspektivtheorie Regeln beugen musste. Neben dem Prinzip der perspektivischen Verflüchtigung findet sich ein weiteres Leitmotiv in Bosses ­Manieres de graver wieder, das bestrebt war, Schraffur und bildliche Repräsentation in Einklang zu bringen bringen: die scheinbar ‚natürliche‘ Gestaltung der Schraffur. Diese folgte einer Analogisierung. Natürlich war sie deswegen, weil sie sich an den Prinzipien der Perspektiv­theorie orientierte. Tafel 4 der Manieres de graver stellt die schematische Ordnung der Schraffur dar (Abb. 25). Verflüchtigung und ‚natürliche‘ Funktion der Technik werden erst über einen Umweg erklärt, der zunächst diverse Fakturen der Schraffur auffächert. Die Manieres de graver teilt sich analog zu Bosses Verständnis künstlerischer Stile (‚skizzenhaft‘ vs. ‚geometrisch‘-­ linear) in zwei Teile, die aufeinanderfolgend technische Charakteristika der jeweiligen druckgraphischen Verfahren dokumentieren. Dem Traktat sind erklärende Abbildungen beigegeben, von denen Tafel 4 für die Frage nach Bosses Verständnis der Schraffur besonders ins Auge sticht. Sie visualisiert den korrespondierenden Textabschnitt, in dem drei verschiedene Arten von Strichen und Schraffuren je nach Stärke bzw. Führung der ­Taille sowie Grad der Krümmung variiert werden („plusieur lignes & hacheures de diverses grosseurs droictes & courbes“).34 Die Bildtafel differenziert entsprechend in drei Registern zunächst eine einzelne, der Dicke nach gleichmäßig verlaufende Linie, darunter eine sich verjüngende Linie („il faut appluyer plus fort en commençeant à a, & tôujours mois en approchant de b, selon que vouz desirer qu’elles soient de grosseur inegale en toute leur longeur“) und abschließend eine zur Mitte hin anschwellende Linienform („plus gros“).35 In der Bild­mitte werden in ­einem zweiten Schritt aus diesen basalen und Universalregeln der Schraffur36 gleichen­ den Elementen die nahezu unendlichen Kombinations- und Variationsmöglichkeiten der Schraffur demonstriert („toutes les formes d’hachures“, „diverses sortes“).37 Zugleich ist im unteren Bildteil diese Gruppe von Parallelschraffuren analog zu den Linienformen im ersten Register nicht nur nach dem Verlauf ihrer Breite, sondern ergänzend mit variiertem Krümmungsgrad wiedergegeben: von gerader zu gebogener Linie und von gerader zu gebogener Parallelschraffur. Künstler konnten aus diesem basalen Repertoire an Schraffur- und Linienvariationen schöpfen („trois sorts couples de traicts qui peuvent estre six sortes de lignes suffit pour toutes les formes d’hachures qui se peuvent rencontrer“),38 die Bosse ihrer Veränderung nach gestaffelt illustriert. Statt einer ‚enzyklopädischen‘ Auflistung handelt es sich hierbei vielmehr um eine quasi-organische Genese graduell variierter Linien – ein Prinzip, das sich später Bickham in seiner Adaption der Tafel zunutze machte (Abb. 24).

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Fiorani 2008. Ebenso: Felfe/Leonhard 2006, S. 71. Bosse 1645, S. 23. Bosse 1645, S. 24. Leonhard/Felfe 2006, S. 97. Bosse 1649, zit. n. Weigert 1964, S. 164. Bosse 1645, S. 24.

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Im begleitenden Textabschnitt zu Tafel 4 (Abb. 25) unterscheidet Bosse diese Schraffuren auf terminologische Weise zunächst in „premier“, „seconde“ und „troisieme taille“.39 Die erste („premier taille“) bezeichnet die einfache Linie bzw. den Kontur, die folgenden beiden („seconde“ bzw. „troisieme taille“) die Qualitäten des Schattens, die durch die Überlagerung in mehreren Schichten erzeugt werden können.40 Die sich auf quasi-organische Weise entwickelnde und verselbstständigende Linie wird im untersten Bildteil sodann zu einem systematischen Katalog von feinen Schraffurnetzen und entsprechender Varianzen von Opazität und Transparenz verdichtet, wodurch die Auffächerung der Schraffur von der einfachen Linie bishin zum komplexen Geflecht abgeschlossen wird. Die beiden Pole dieser Skala – einfache Linie und komplexes Geflecht – verhalten sich wie zwei Seiten einer ­Medaille. In einem synthetisierenden Ansatz und ohne weitere Erklärung überwindet Bosse daher mühelos die von ihm geschaffene Dichotomie zwischen der Reduktion der Schraffurmodi auf die wohl kleinste graphische Entität und der Beobachtung, dass sich in Kupfer­ stichen eine Vielzahl an Schraffuren wiederfinden („infinité des traits“). Aus den Grundformen der Linie (Abb. 25) und ihren Variationen werden im weiteren Verlauf ästhetische Überlegungen entsprechend der perspektiven Repräsentation abgeleitet. Ästhetische Defizite des Intagliodrucks entstehen beispielsweise dann, wenn ein Übermaß an Schraffurtypen ohne Ordnung angewendet wurde, sodass sich der Kupferstich der Zeichnung im Sinne eines ‚skizzenhaften‘ Stils annähert („par une infinité des traits & de points confondus les uns dans les autres & sans aucun ordre, qui ressemblement plutôt à un ­dessin qu’à de la gravûre“).41 Ohne explizit darauf zu verweisen, jedoch ganz im ­Sinne von ­Leonardos Beschreibung der den Regeln der Perspektive zuwiderlaufenden, harten

39 Cf. hier Martin Kemp, der die These vertritt, Bosse habe der Tafel keinen begleitetenden Text beigefügt: Kemp 1994, S. 237. 40 Christian Rümelin vertritt die These, dass Charles-Nicolas Cochin in seinen Neuauflagen der Manieres de graver eine Neugewichtung der Terminologien seines Vorbilds vornahm. Rümelin zufolge war Cochin und nicht Bosse derjenige, der die Staffelung in premier, seconde und troisieme taille unternahm. Rümelin 2001, S. 191. – Bereits früh war das Verhältnis von Bosses Manieres de graver und der zwei Neuauflagen von Cochin untersucht worden, beispielsweise von Arthur M. Hind (1907), der u. a. auf editorische Fehler in Cochins Versionen aufmerksam machte. 41 Bosse [1645] 1758, S. 106. Cf. Le Comte [1699] 1702, Bd. 1, S. 120. – Bosse hob den Radierer und Kupfer­stecher Frisius hervor, der die Technik der Radierung dank der Échoppe zur Perfektion gebracht habe, dergestalt, dass die von ihm erzeugte radierte Schraffur sogar an jene der Kupferstecher heran­ reiche. Einleitend betont Bosse im Avant-Propos die stilistische und technische Wandelbarkeit des Künstlers und die Präzision seiner Échoppe: „Le premier d’entre ceux à qui j’ai l’obligation est Simon Frisius, Hollandois, lequel à mon avis doit avoir une grande gloire en cet art, d’autaunt qu’il a manié la pointe avec une grande liberté, & en ses hachures il a fort imité la netteté & la fermeté du burin […].“ Bosse [1645] 1758, S. xv [„Der erste unter ihnen, dem gegenüber ich die Pflicht habe, ihn zu erwähnen, ist der Holländer Simon Frisius, dem meiner Meinung nach großer Ruhm auf dem Gebiet dieser Kunst zusteht, ebenso sehr wie er die Nadel mit großer Freiheit geführt und in seinen Schraffuren die Klarheit und Stärke des Grabstichels sicher imitiert hat […].“]. Hier ist Nadine Orensteins Interpretation irreführend, in der Bosses Beschreibung der formfolgenden Taille als „calligraphic style“ bezeichnet wird. Orenstein 2008, S. xxii.

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S­ chraffuren („trateggiamenti aspri e crudi“),42 beschrieb Bosse somit die seines Erachtens nach ohne Regelwerk geführte Schraffur: Sie laufe in der Konsequenz Gefahr, durch die sich aus der unregelhaften Überlagerung ergebenden Winkel hart und scharf zu erscheinen („angles aigus“) und aufgrund dieser Beschaffenheit das Auge zu ‚verletzten‘.43 Dabei handelt es sich um einen modus operandi, den er explizit von Goltzius’ Technik absetzt, die von einer für das Auge fließenden Bewegung der Faktur gekennzeichnet ist.44 Gleichzeitig zeichnet sich hier einer der ersten Versuche ab, mimetische Qualitäten der Schraffur aus der natür­lichen Sehgewohnheit des Betrachters abzuleiten. Schraffur und Sehgewohnheit sollten dabei in Kongruenz zueinander stehen. Bosse legt diesen Gedanken an einem Beispiel dar und beschreibt, dass die für den Betrachterblick hart erscheinenden Schraffuren ungeeignet für die Darstellung von weichem Inkarnat seien. Er beschreibt dies wie folgt: Il ne faut jamais croiser les tailles trop lozanges particulièrement dans les chairs, parce qu’elles forment des angles aigus, qui sont une piéce de treillis tabizé fort désagréable […]. […] La manière entre quarré & lozange est me semble plus utile & plus agréable aux yeux: aussi est-elle plus difficile, à cause qu’inégalité des traits s’en remarque davantage […].45 Bosses Beschreibung des Inkarnats bleibt all seiner praxisorientierten Bestrebungen zum Trotz mitunter schwer verständlich, vielleicht auch weil er die hier beschriebene Technik, die er – auf recht kryptische Weise – als etwas beschreibt, dass „zwischen Quadrat und Raute“ („manière entre quarré“) anlegt sei, nicht mit einer begleitenden Illustration vor Augen führt. Er geht noch weiter, um zu erläutern, woraus sich das mimetische Potenzial der graphischen Faktur ergibt. Für ihn waren Gradualität und Verjüngung der Schraffur doppelter Natur, gleichermaßen im Detail wie in der Totale des Bildwerks: Einerseits in der punktuellen, d. h. auf einen bestimmten Bildausschnitt reduzierten Schraffurenlage, wie sich in Tafel 4 im untersten Register zeigt (Abb. 25). Andererseits resultierte daraus eine mimetische Kraft des gesamten Kupferstichs. Diese nimmt jedoch mit zunehmender Überlagerung der 42 Leonardo da Vinci, Trattato della Pittura, § 128, zit. n.: Ludwig 1882, Bd. 1, S. 176. 43 Vergleichbares findet sich auch in Crispin van de Passes Zeichenbuch: Van de Passe 1643, zit. n. Bolten 1973, Teil 1. 44 Bosse [1645] 1758, 106. 45 Bosse [1645] 1758, S. 106 f. [„Im Bereich des Inkarnats dürfen sich die Tailles niemals rautenförmig überlagern, weil sie so scharfe Winkel bilden, die wie sehr unangenehm gewebtes Dickicht sind […]. […] Für die Augen scheint mir der Modus zwischen Quadrat und Raute hingegen nützlicher und angenehmer; er ist auch schwieriger, weil jegliche Ungleichheit der Strichführung umso mehr auffällt.“]. Cf. Le Comte [1699] 1702, Bd. 1, S. 121. Im Anschluss an diesen Konnex von Stil („manière“), Schraffur und Wahrnehmung führte Bosse einige Jahre nach dem Erscheinen der Manieres de graver in Les Sentiments (1649) eine enge terminologische wie ästhetische Verbindung zwischen dem semantischen Tableau von taille, hachure, trait und manière sowie ihrer Rolle in der bildlichen Repräsentation. Lakonisch heißt es, der gewählte Modus müsse das zu repräsentierende Objekt erfassen („suffit donc de dire qu’il importe de quelle manière, pourvu qu’elle fasse bien l’effet qu’elle doit“). Bosse 1649, zit. n. Weigert 1964, S. 166.

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Kreuzschraffur graduell ab und macht im Umkehrschluss den Weg frei für eine Verunklärung des Bildgegenstands („la troisiéme [taille] pour salir & sacrifier certaines choses“).46 Um dieser Zwangsläufigkeit entgegenzuwirken, sollte jede zusätzliche Lage an Kreuzschraffur mit weniger Druck auf den Grabstichel und somit weniger intensiv auf die Kupferplatte aufgetragen werden – mit der Konsequenz, dass die zuallerst aufgetragenen Linienbündel die größte Farbintensität und Detailschärfe aufweisen sollten. Die zuerst aufgetragenen, starken Parallelschraffuren („fort, nourrie & ferrée“) würden durch die darauffolgende Lage („seconde taille“) gekreuzt werden, die ihrerseits einen graduellen Verlust an Druck – und in Folge an Farbintensität – gegenüber der ersten Schraffurenlage aufweisen müsse („plus déliée, & plus écartée“), sodass schließlich mit der dritten Lage ein immer feineres, dichteres und die Details verunklärendes Netz entstünde („encore plus fine plus large, ou écartée“).47 Diesen Zusammenhang von Schichtung der Schraffurenlagen und mimetischem Potenzial führte Bosse weiter aus. Die Kombinationsmöglichkeiten der Schraffur ermöglichten die Wiedergabe diverser Texturen, Licht- und Objekteigenschaften („pour faire voir de plus que quand il conuient croiser ou contrehacher les premiers traicts ou hacheures ce n’est toûjours aussi que reiterer la mesme chose“)48 und in Folge eine idealästhetische Verteilung der Schraffur, die jede Art sich wiederholender, Monotonie erzeugender Schraffurenfolge vermeidet.49 Solche gleichförmigen, weitestgehend unabhängig von der Form funktionierenden Führungen der Schraffur – charakteristisch etwa für die Kupferstiche von Andrea Mantegna (Abb. 21)50 – waren nicht nur mit einem Mangel an mimetischer Wirkkraft verbunden. Sie wurden für andere Autoren zum Vehikel der historischen Stilkritik. Der Schriftsteller Charles Perrault (1628–1703) beispielsweise entwickelte diesen Gedanken in seinem Cabinet des beaux arts (1690) weiter, der daraus ableitete, die technische Perfektionierung des Kupferstichs habe erst im Verlauf des 17. Jhs. ihren Zenith erreicht. Um die Korrekt­ heit seines Arguments nachzuvollziehen, rät er seinen Lesern lediglich, sich die Werke ­Marcantonio Raimondis vor Augen zu führen (Abb. 36). Für sie findet er aufgrund der vermeintlich monotonen Schraffurenführung („traités de la même façon“) trotz anfänglichen Lobes deutliche Worte der Kritik:

46 Bosse 1645, S. 71. 47 Bosse 1645, S. 70. Cf. dazu: Le Comte [1699] 1702, Bd. 1, S. 124 u. S. 126. – Ein vergleichbares Vorgehen schlägt auch Charles-Antoine Jombert vor und rät zugleich, harte Kontraste und Überlagerungen zu vermeiden. Kupferstecher seien aus diesem Grund „[…] obligé de mettre deux hachures l’une sur l’autre, de ne jamais croiser à angles droits, mais de coucher la seconde taille de biais en sorte que ses intervalles fassent, avec la premier, comme autant des petits losanges.“ Jombert 1755, S. 63. 48 Bosse 1645, S. 24. 49 Dazu: Cojannant-Le Blanc 2004, S. 101. 50 Landau/Parshall 1994, S. 66. Cf. hierzu auch Marzia Faietti, die davon ausgeht, dass Mantegnas überwiegend parallel geführte Schraffur weniger Stilmerkmal der „breiten Manier“ als persönlicher Stil des Künstlers zur Erzeugung der Schatten ist. In der Parallelschraffur Mantegnas meint sie den Beleg für ein mathematisch-geometrisches Vorgehen zu erkennen. Faietti 2015, S. 191.

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Pour en être persuadé il ne faut que voir les plus belles Estampes de Marc Antoine. Le trait et les contours en sont admirables, mais la Grauûre n’a aucune finesse n’y aucun Art. Les chairs, les cheveux, les draperies, le Ciel, l’eau et la terre y sont traités de la même façon, c’est par tout une petite hachure croisée du même sens. Aujourdhui la Grauûre se varie en autant de manieres qu’il y a d’objets differens. Elle a des touches de burin pour representer la molesse, la dureté, la fluidité, la rondeur, l’éspoisseur, et ­jusqu’aux couleurs mêmes les moins sensibles, quoi qu’elle n’ait que du blanc et du noir.51 Doch nicht nur der in der Zusammenschau aller Schraffuren als monoton wahrgenommene, an Varianz mangelnde Stil missfiel Perrault.52 Ebenso beklagte er das Defizit der aus der Mono­tonie resultierenden und daher nicht den Regel der Perspektive folgenden Repräsentationen der Objekte („objets differens“). Erst in dem Moment, in dem darstellende Schraffur­linie und Darstellungsgegenstand in Einklang gebracht werden sollen, entfalten Bosses Konzepte der Regelhaftigkeit und Ordnung ihr volles Potenzial. Vor diesem Hinter­ grund lässt sich die wichtigste ästhetische Kategorie zur Beschreibung des Kupferstichs erklären, nämlich die „Klarheit“ („netteté“).53 Sie resultierte unmittelbar aus der Schraffur, die „mit Ordnung“ platziert wurde. Damit führte er einen Begriff ein, der über die anfäng­ liche Beschreibung der „primier, seconde et troisieme taille“ hinausreichte. Zudem zielte die Attributierung der Schraffur im Kupferstich mit dem Begriff der „Klarheit“ („netteté“) auf den technisch bedingten Unterschied („façon“) zwischen Kupferstich und Radierung ab.54 Netteté (lat. ­nitidus: glänzend, hell, ungetrübt, sauber; franz. net: klar, fein)55 wurde für Bosse die zentrale Kategorie, um die Ästhetik des auf Linearität basierenden Kupferstichs zu fassen.56 51 Perrault 1690, S. 4 [„Um sich davon zu überzeugen, muss man sich nur die schönsten der Kupferstiche Marcantonio Raimondis ansehen. Strich und Kontur sind dort vorbildlich, aber der Kupferstich hat weder Feingefühl („finesse“) noch Kunstfertigkeit („Art“). Körper, Haare, Draperien, Himmel, Wasser und Erde sind auf die gleiche Weise schraffiert, dergestalt, dass sich stets eine kleine Schraffur auf die ­gleiche Weise kreuzt. Heutzutage findet man im Kupferstich so viele verschiedene Arten („manières“) zu stechen, wie es verschiedene Gegenstände gibt. Im Kupferstich kann man mit dem Grabstichel Weichheit, Härte, Flüssigkeit, Rundheit und Dicke und selbst starke Farben darstellen, obgleich sie aus nichts als Schwarz und Weiß bestehen.“]. Aus ähnlichen Gründen fällt auch Le Comtes Urteil vergleichbar harsch aus: Le Comte [1699] 1702, Bd. 3, S. 231. – Auch Mariette kritisierte den vermeintlichen Mangel an variierter Strichführung, beispielsweise bei Baccio Bandinelli, den er deswegen als wenig talentierten Nachahmer Michelangelos klassifizierte („nulle varieté […] dans l’exécution de ses ­Dessins“): Mariette 1741, S. 3. 52 Ähnlich kritisch äußerte sich auch Evelyn: Evelyn [1662] 1769, S. 48 sowie Burnet 1827, S. 29. 53 Zum Begriff der „netticheydt“ bei Van Mander: Melion 1991. 54 Bosse 1645, S. xiv. Cf. hierzu Goldstein, der davon ausgeht, netteté bezeichne für Bosse weniger einen ‚geometrisch‘-linearen Stil als Klarheit („clarity“) im Allgemeinen, ohne einen Bezug zur Schraffur herzustellen: Goldstein 2012, S. 28. 55 De LaCurne de Sainte-Palayne 1875–1880, Bd. 8, S. 23. 56 Er räumt jedoch bereits einleitend in sein Traktat ein, dies sei potenziell eine ästhetische Kategorie, die sich grundsätzlich auch auf die Radierung anwenden ließe. Bosse [1645] 1758, S. xvij. Es muss

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Zwischenräume In der Bestrebung, in einem einheitlichen Ansatz den Aufbau der Schraffurlagen mit ihrem mimetisches Potenzial zu verzahnen, war der Brückenschlag von diesen Überlegungen hin zur Rückkopplung der Druckgraphik an die Perspektivlehre kein leichter. Aus diesem Grund enthält die Manieres de graver zahlreiche Störfeuer und verweigert sich unfreiwillig einer eindeutigen Bestimmung und konzeptuellen Durchdringung von Begriffen, aller Bemühungen um semantische Akkuratesse zum Trotz an zahlreichen Stellen. Den graduellen Aufbau und die Verflüchtigung der Schraffur im Kontext der Perspektivtheorie exemplifiziert Bosse daher vornehmlich an chromatischen Aspekten und an einem sanft auslaufenden chiaroscuro, dergestalt, dass sich der gesamte Ausdruckswert eines Kupferstichs hieraus erkläre („la force d’une estampe ne consiste pas dans la noirceur, mais dans la diminution ou dégradation des clairs aux bruns“).57 Um den Moment, in dem sich das Auge des Betrachters zwischen der Fernsicht – in der die Schraffur in einer chromatischen Verflüchtigung („dégradation des clairs aux bruns“) aufgelöst zu sein scheint –, der extremen Nahsicht – in der scharf auf Details fokussiert wird –, und der Transition („entre-deux“) dieser Gegensätze bewegt, macht Bosse bezeichnenderweise einen Bogen. Dieses rezeptionsästhetische Moment geht in Hinblick auf die Schraffur allein in der Praxis des Kupferstechens auf. Um diesem Umstand entgegenzuwirken, bietet die Manieres de graver rudimentäre Explikationen jener in der Praxis aufgehenden graphischen Elemente, aus denen sich die perspektivische Verflüchtigung von Farbe ergibt. Graphische Prämissen zur Erzeugung von Halbschatten („demi-teintes“) und fließenden, sfumato-ähnlichen Übergängen, nämlich Punkte, Häkchen und kleine Zwischenstriche („entre-deux“), finden in verstreuten Hinweisen in gleich zwei separaten Kapiteln zu Schatten und Perspektive Erwähnung. Der zwischen Gegensätzen chan­gierende Betrachterblick wird hier lediglich implizit adressiert. Die beiden Kapitel nehmen das Setzen von Häkchen vorranig in Bezug auf die Gestaltung von Halbschatten und Inkarnat in den Blick und greifen damit ein bereits eingeführtes Leitmotiv auf:58 die Vermeidung der zu harsch geführten Linie. Dass sich die Schraffur prinzipiell „einer strikt geometrischen Bestimmung nach Euklid entzieht“,59 fällt durch ihre Erweiterung um die Zwischenstriche („entre-deux“) umso mehr ins Auge, da diese sich noch stärker als die Schraffur einer regelhaften Kategorisierung veroffen bleiben, ob er möglicherweise auf Vasaris Beschreibung in Marcantonio Raimondis Vita zurückgriff, in der die Radierung ebenfalls in Opposition zu diesem Begriff beschrieben wurde („il modo da ­intagliare le stampe piú facilmente che col bulino, se bene non vengono cosí nette“). Vasari 1568, Vita ­Marcantonio Raimondi, zit. n. della Pergola/Grassi/Previtali 1967, Bd. 5, S. 205. Cf. Stoltz 2012, S. 98, hier „non vengono cosí nette“ mit „unsauber“ übersetzt. – Für Florent Le Comte (1655–1712) etwa war netteté ausschließlich stilistisch bedingt, denn die Ästhetik der Radierung resultiert für ihn unmittelbar mit der netteté der Vorzeichnung („puisque de la bonté [de la Graveure à l’eau fort; Anm. E. B.] dépend la netteté avec laquelle on peut dessiner dessus“). Le Comte [1699] 1702, Bd. 3, S. 242. 57 Bosse [1645] 1758, S. 114. 58 Bosse [1645] 1758, S. 75–77. 59 Leonhard/Felfe 2006, S. 99.

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56  Michael Natalis: Detail von 55

55  Michael Natalis (nach Sébastien Bourdon): Maria mit Christus­kind und Johannes dem Täufer, 1658

weigerten. Bosse interessierte sich nicht wie später etwa Kolloff für die Zwischen­räume unterschiedlicher Schraffurtypen- und dichten, d. h. für den Anteil des weißen Papiers und seinen Stellenwert in der Wahrnehmung der Schraffur. Die feinen Häkchen, Punkte und winzigen Strichelchen, die Bosse beschreibt, zielen auf Zwischenräume zwischen den Schraffur­ linien ab, ohne das Weiß der Leerstelle explizit zu thematisieren. Michael Natalis’ Maria mit Christus­kind und Johannes dem Täufer (Abb. 55 und Abb. 56) etwa verwendete diese Technik auf systematische Weise, indem zwischen den lang gezogenen Schraffur­linien flächendeckend kleine Striche eingezogen wurden, die die Faktur einem sfumato annähern. Für Bosse lagen diesen Zwischenstrichen mehrere Bedeutungen inne, von denen sich die erste auf das transitorische Auslaufen der geradlinigen (Parallel-)Schraffur bezog. Er ­exemplifiziert dies anhand der Darstellung von Gewässern: Für ihn ist der Zwischenstrich besonders geeignet, um das optische Auslaufen der Horizontlinie in kurzen ­abgebrochenen Linien darzustellen, was er insbesondere zur Repräsentation stehender Gewässer empfiehlt („on les ­représentera par les tailles fort droite & paralelles à l’horizont, avec les ­entre-­deux plus

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­ éfilies“).60 Die zweite Bedeutung des Begriffs „entre-deux“ zielte paradoxerweise auf das d Gegenteil, nämlich die chromatische Verdichtung, womit erneut, wenn auch implizit, das Phänomen der linearen Schichtung angesprochen wurde, das Bosse bereits für die Schraffur ins Feld geführt hatte. Diese Form der „feineren Zwischenstriche“ („entre-deux plus ­défilies“) indizierte ein visuelles Crescendo und zugleich eine additive Kombination aus Taillen und darüberliegenden sanfteren Graphemen wie er sie in seiner Beschreibung des Gebirges anführt. Kaschiert werden hier die Zwischenstriche terminologisch als „einige ­lange Punkte“ („quelques points longs“), die das dichte Netz an Schraffu­rvariationen durchkreuzen und gleichzeitig verbinden und verdichten („unis“): Les tailles doivent être fréquemment quittées & brisées pour des choses escarpées: les secondes tailles droites, lozangées & accompagnées de quelques points longs […].61 Zugleich birgt Bosses Beschreibung des Felsgesteins seine eigenen Fallstricke, die auch, aber nicht ausschließlich darauf zurückzuführen sind, dass er seinem kurzen Text keine begleitende Abbildung zur Seite stellt. Kunstwerke wie Claude Mellans Maria Magdalena in der Grotte (Taf. 15) demonstrieren, wie wenig Bosses normative Beschreibung in der Praxis Anklang fand bzw. auf ihr basierte. Zwar scheint das Kunstwerk Bosses Beschreibung schroffer Gesteinspartien unmittelbar zu veranschaulichen, denn in der Tat legte Mellan die tiefsten Schatten in Kreuzschraffur an – doch baute sie nicht auf die von Bosse geforderte Weise auf. So verzichtet er auf das Einstreuen von Punkten („quelques points longs“). Die von Bosse unerwähnt gelassenen glatten und steil absinkenden Partien der Felsen – hier zur Linken – wurden durch die für Mellan typische Parallelschraffur betont, die wiederum durch das Anund Abschwellen der Taille charakterisiert wird. Durch wenige zart konturierte Pflanzen wird angedeutet, dass es sich in der Bildmitte hinter Maria Magdalena nicht etwa eine weitere glatte Felswand befindet, sondern vielmehr den Felsen herabwachsendes Gras. Der Eindruck von vor- und zurückspringenden Felsen entsteht allein durch geschickte Platzierung unterschiedlichster Schraffurformationen, deren Aufeinandertreffen konturartige Ränder suggeriert. Bosses „feine Zwischenstriche“ hingegen wurden allein für die Darstellung von Maria Magdalenas Inkarnat benutzt. Tatsächlich lässt Bosse offen, ob diese „feinen Zwischenstriche“ vorrangig dem Mittelton des chiaroscuro dienen oder ob ihre rezeptionsästhetische Funktion nicht vielmehr im Konterkarieren der geradlinigen Parallelschraffur („tailles fort droite & paralles“) liegt – ein optisches Ausbalancieren und Komplementieren der Schraffur zugunsten eines visuell einheitlichen

60 Bosse [1645] 1758, S. 111 f. 61 Bosse [1645] 1758, S. 111 [„Die Schraffuren müssen oft unterbrochen und abgehackt sein für schroffe Dinge, die darauffolgenden zweiten Schraffen gerade, rautenförmig und von einigen langen Punkten begleitet[…].“]. – Zur Darstellung von Felsgestein auch: Von Bartsch 1821, S. 93 f.

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Erscheinungsbildes (unione) wie sie Perrault in den Stichen Raimondis ver­misste62 (Abb. 36) und Mellan mit der Faktur seiner Maria Magdalena in der Grotte (Taf. 15) eindrücklich demonstriert. Der Umstand, dass Bosse die Wirkung der „entre-deux“ nicht näher spezifiziert, hatte weitreichende Folgen: Denn die Repräsentation der ­Objekte im Kupferstich wurde somit ostentativ zwischen ‚mimetisch-faktischem‘ und ‚optisch-­indikativem‘ Eindruck angesiedelt. Die „feinen Zwischenstriche“ dienten beiden Aspekten: sie vermochten es einerseits, mimetische Qualitäten zu entfalten, etwa Felsgestein. Sie dienten aber andererseits auch als Indikatoren für ein changierendes chiaroscuro. Diese Dichotomie aus ‚mimetisch-faktischem‘ und ‚optisch-indikativem‘ Eindruck schließt nicht allein die regel­hafte schraffierte Faktur ein, sondern gleichermaßen die wenig systematisierbaren ­Grapheme in Form der Zwischenstriche und Häkchen. Erst aus ihrem Zusammenspiel ­entstehen die ­korrekten Eindrücke, die das Kunstwerk vermittelt. Bosse illustriert diesen Gedanken mit einem Beispiel: Die Oberfläche stark glänzender Objekte („[les] ­metaux, […] ­vases d’or“) ließe sich mit diesen Häkchen am besten darstellen, da sie Gegensätze vereinen („avec des entre-deux, […] c’est opposition des bruns contre les clairs“).63 Ein Aspekt ist dennoch bezeichnend und dient als Fingerzeig für den Stellenwert der Regel­ haftigkeit innerhalb der Manieres de graver: Sie bietet kein separates Kapitel zu diesen kleinsten Elementen der graphischen Spur, die die optische Transitorik zwischen Hell und Dunkel, harter oder weicher Materie etc. transportieren. Auf formaler Ebene verweist das Traktat somit auf seine eigene Gemachtheit: Ganz so wie die „entre-deux“ transitorisch zwischen Bereichen changieren, scheint es, als habe Bosse seinen Untersuchungsgegenstand literarisch gespiegelt, indem er die Diskussion der „entre-deux“ auf Kapitel aufteilt und damit in je unterschiedliche Zusammenhänge einfließen lässt.

Natürliche Schraffur? In den Teilkapiteln zum Gebrauch dieser kleinsten graphischen Elemente demonstrierte ­Bosse simultan ein weiteres Anliegen seiner Manieres de graver. Der quasi-phänomenologische Aspekt der Schraffur wird erst gegen Ende des Traktats konsequent entfaltet, in dem er auf die spezifische Darstellung diverser Naturphänomene (Berge, Landschaften, Wolken, Wasser etc.), Kultur (Architektur, Textilien, Gefäße etc.) und Kunst (Kopieren von Gemälden im Kupferstich etc.) zu sprechen kommt und dem Leser ein auf Grundformen reduziertes, aber systematisches Repertoire an Gestaltungsmöglichkeiten offeriert. Hier beschäftigt sich Bosse eingehend mit der Frage, wie Künstler der Welt „Ausdruck verleihen“ können („on exprime“).64

62 Perrault 1690, S. 4. 63 Bosse [1645] 1758, S. 110. 64 Bosse [1645] 1758, S. 112.

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Das Repertoire der Gestaltungsmöglichkeiten lehnte sich an die Universalregeln der Linie wie sie in Tafel 4 des Werks dargelegt wurden (Abb. 25) und wandte sie auf diverse Bereiche an. Die Herausschälung bildlicher Repräsentation aus diesen Grundformen zeigte zugleich den Umstand, dass die theoretische Reflexion der Faktur notgedrungen nur begrenzt bleiben kann: Tafel 4 der Manieres de graver konnte keinesfalls die Diversität der in der Praxis angewandten Schraffur einfangen. Bosse war sich des Problems durchaus bewusst und verwies – paradoxerweise – selbst auf die Unmöglichkeit, Schraffur in einem Regelwerk zu systematisieren. Die Schraffur besaß schließlich nahezu infinite Variationsmöglichkeiten („infinité des traits“).65 Künstlerische Techniken wie die Schraffur gingen in der routinierten Seh- und Körpererfahrung auf. Dazu heißt es in der Moyen universelle (1653): Et n’ont pas le soit de considerer ou trouver une conduite reglée pour placer lesdites hacheures, de sorte que de chacune en particulier l’on puisse sçavoir où elles doivent s’aller rencontrer sans se consendre ou s’emarasser dans les autres […].66 In dieser Einsicht liegt eine mögliche Erklärung, weshalb Bosse zwar den Versuch unternahm, Fakturen anhand diverser Repräsentationsgegenstände aufzufächern, diese aber nur auf rudimentäre Weise beschrieb. Entscheidend ist hier vielmehr der Anspruch, die spannungsreiche Trias von realem Objekt, Faktur des Kupferstichs und schriftliche Semantisierung des Kunstwerks nivellieren zu wollen. Seine Beispiele transportieren in ihrem ekphratisch-­instruktiven Charakter scheinbar unmittelbar den beschriebenen Gegenstand; die natürlicherweise gegebene Diskrepanz vom Gegenstand und seiner Bezeichnung ­sollte somit entsprechend gering ausfallen. Auch hier spiegelte Bosse in struktureller Hinsicht wie bereits in der Beschreibung der „entre-deux“ seinen Darstellungsgegenstand wider. Am bereits genannten Beispiel des schroffen Felsgesteins im Kontrast zur darauffolgend beschriebenen unbewegten Wasseroberfläche ist dies am eindrücklichsten zu beobachten.67 Die Beschreibung ist paradox: Bosse ist bestrebt, die Faktur der Graphik auf Regelhaftigkeit zurückzuführen, wenngleich sie für den Betrachter des Kupferstichs nicht als solche erkennbar wird.68 Ohne dies explizit zu semantisieren, suggeriert Bosses Beschreibung, dass die nur scheinbar ungeordnete Anhäufung und Überlagerung unterschiedlich verlaufender Schraffuren die Schroffheit des Gesteins hervorbringt. Das Gegenstück zu solchen rauhen Oberflächen, etwa die Glätte des unbewegten Wassers, ließe sich entsprechend durch geradlinige Parallelschraffuren erzielen („aux calmes, on les répretentera par les tailles fort

65 Bosse [1645] 1758, u. a. S. 106. 66 Bosse 1653, S. 36. [„Und man muss kein Regelwerk beachten oder finden, um diese Schraffuren zu platzieren, weil jeder im Einzelfall wissen kann, wo sie auseinander- oder zusammenlaufen müssen […].“]. 67 Bosse [1645] 1758, S. 111. 68 Vergleichbares unternahm er zuvor etwa in Bezug auf die Repräsentation von Inkarnat. Bosse [1645] 1758, S. 106 f.

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droites & paralles à l’horizont, avec des entre-deux plus déliés“).69 Es entspricht daher der Logizität des Traktates, dass jeder Gegenstand gemäß ‚funktionaler Gebundenheit‘ seine eigene Darstellungsweise geradezu einfordert70 – ganz so als sei die abstrahierende Linie des Kupferstichs selbst in der Natur (der Dinge) angelegt („selon que les choses le requérent“).71 Die Prämissen der Manieres de graver sind hier konsequent angewandt. Die angestrebte Verzahnung von Schraffurlinie und Repräsentation beruhte auf der von Bosse proklamierten Objektivierbarkeit perspektivisch-linearer Wiedergabe, wenngleich er auf die grundlegende Schwierigkeit, eine nicht-lineare Welt mittels Linien zu repräsentieren, nicht explizit eingeht. Die Herleitung war eine implizite und legitimierte sich über die Analogisierung der potenziell unabschließbaren Seherfahrung („infinité d’observations“)72 und der unendlichen Varianz der Schraffur („infinité des traits“).73 Die graduelle Abstufung der Schraffur und ihre ‚funktionelle Bindung‘ an den Darstellungsgegenstand gehen hier Hand in Hand, sodass dem abstrahierenden Charakter der Schraffur entgegengewirkt wurde. Dies lässt sich am bereits eingeführten Beispiel der Darstellung von Wasser exemplifizieren. Wie für unbewegtes Wasser, das durch gerade und parallel laufende, dadurch statisch erscheinende Linien repräsentiert wird, legt Bosse für die Darstellung von bewegtem Wasser nahe, die Linien dem Gegenstand und seiner Bewegung anzupassen: Pour les eaux agitées, comme sont les flots de la mer, les premières tailles doivent suivre l’agitation des flots, & les contre-tailles doivent être fort lozangées. Si ces eaux tombent de quelque roche avec rapidité, il faut que les tailles soient suivant leur chûte, y mêlant aussi des entre-deux, & que les luisans qui se trouveront aux endroits où la lumiere frappe à plomb, soient fort vifs […].74

69 Bosse [1645] 1758, S. 111. 70 Cf. Marianne Cojannant-Le Blanc, die davon ausgeht, dass Bosses Traktate eine solche Lesart nicht zulassen. Cojannant-Le Blanc 2004. 71 Bosse [1645] 1758, S. 112. – Zeitgleich zu Bosses Traktaten wird dieser Gedanke auch in der Traktatliteratur aufgegriffen, deren Anspruch es war, Zeichnungsanweisungen für den Unterricht zu liefern. Crispin van de Passe bemerkt in seinem Werk Vom Liecht der Mal und Reisskunst (1643), dass bei der Darstellung von weiblichen Körpern „die schraffierung nicht hart“ geführt werden dürfe und harte Überlagerungen der Linien im Schattenbereich zu vermeiden seien. Van de Passe 1643, zit. n. Bolten 1973, Teil 1, S. 52. 72 Perrault 1690, S. 35. 73 Bosse [1645] 1758, u. a. S. 106. 74 Bosse [1645] 1758, S. 112 [„Für aufgewühlte Gewässer wie die Strömung des Meeres müssen die ersten Schraffen der Bewegung dieser Strömung folgen und die Kreuzschraffuren müssen in Form kräftiger Rauten erscheinen. Doch wenn diese Gewässer mit Geschwindigkeit von Felsen stürzen, müssen die Schraffen diesem Fall folgen und man muss ebenfalls Zwischenstriche anbringen, sodass die Glanzlichter, die sich dort befinden oder wo das Licht die Oberfläche trifft, sehr lebendig wirken […].“]. Cf. hier auch Le Comte: „Quant aux calmes, on les representera par des tailles fort droites & paralelles de l’horizont, avec des entre-deux plus déliez, obmetant quelques endroits qui feront par ces clairs ­échappez le luisant de l’eau; exprimant aussi par les mêmes tailles rentrées plus fort ou plus foible, selon que les chose requereront […].“ Le Comte [1699] 1702, Bd. 1, S. 126 f. [„Wenn sie ruhig sind, stellt man sie mit sehr geraden, parallel zum Horizont geführten Schraffuren dar, mit feineren Zwischen-

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Hier knüpfte Bosse mit seiner Beschreibung des fließenden Gewässers erneut an seine optischen bzw. perspektivischen Prämissen an. Diese auf ‚natürliche Sehgewohnheiten‘ und optischen Prämissen der Perzeption zurückgehende und möglichst minimal vom realen Gegenstand abweichende Repräsentation der Objekte mittels Linien beinhaltete ein ambivalentes Moment, das besonders deutlich zum Vorschein kam, wenn der Versuch unternommen wurde, optische Prämissen in künstlerische Praktiken zu überführen. Bosses Bestrebung einer ‚phänomenologischen‘ Untersuchung der Linearität des Bildes in der Manieres de graver erschließt sich erst in der literarischen Synopse zu seiner Moyen universel de pratiquer la Perspective sur Les Tableaux ou Surfaces Irregulieres, die im Jahr 1653 erschien. Das Werk war in Zusammenarbeit mit Desargues entstanden. Die Moyen universel beinhaltet „ein überraschend modernes Moment“75 und bereichert Bosses kunsttheoretische Herausforderung der Emulation der Welt durch Schraffur um einen Aspekt: Auf einer der Tafeln werden in zwei Registern zunächst einfache geometrische Körper und darauffolgend komplexe Gegenstände dargestellt, die von einer jeweils aus den Bildecken herrührenden Lichtquelle beleuchtet werden (Abb. 57). Zwischen den Objekten und dem einfallenden Licht wurde ein mit parallelen Fäden bespanntes Gitter aufgestellt, sodass die Fäden schraffurähnliche Schattenläufe auf den Objekten werfen. Hier löst im „Zusammenspiel von natürlichen Gegebenheiten – dem Licht – mit einer optischen Apparatur (Faden­gitter) und dem darzustellenden Objekt, die Natur eines der zentralen Probleme der bild­lichen Darstellung“:76 Die Natur bringt hier – wortwörtlich – Schraffuren hervor, sodass die Welt selbst in diesem Konstrukt als ein mit Linien überzogenes Gebilde, ja gar als Kupferstich, erscheint.77 Ungeachtet der Frage, inwiefern eine solche Apparatur in der künstlerischen Praxis zum Einsatz gekommen sein mag, offeriert die Erfindung eine Lösung für die grundsätzliche Problematik der Schraffur, mimetische Qualitäten zu transportieren. Bosse verweist dennoch auf die grundsätzliche Unähnlichkeit der schraffierenden Linie des Kupferstichs zu ihrem Repräsentationsgegenstand, obwohl für ihn Naturdinge selbst schraffur­ähnliche Strukturen ausbilden, die diesen Spalt der ‚ikonischen Differenz‘ zu überwinden scheinen:

strichen, mit einigen geraden unterbrochenen Schraffuren für die Glanzlichter des Wassers, die mit den gleichen Tailles ausgedrückt werden, die mal stärker und mal schwächer verlaufen, je nachdem, was die Dinge fordern.“]. – Etwa zur selben Zeit leitete Gérard de Lairesse Maler an, auf vergleichbare Weise fließende Gewässer darzustellen: „Now, to represent the Reflexions in a running Water, you must first paint it with Light and Shade, on a Ground rubbed thinly over with a little tough Oil; then take a large soft Pencil, and here and there cross-hatch it. But a better Way, is, to take a long-hair’d Fitch, and make the Strokes as close as the Veins of the Water run, taking Care, not to strike out too much of the Outline.“ De Lairesse 1707, zit. n. Fritsch 1738, Buch V, S. 198. Hervorhebung übernommen. 75 Leonhard/Felfe 2006, S. 105. 76 Leonhard/Felfe 2006, S. 105. 77 Hunter 2010, S. 177.

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57  Abraham Bosse: Moyen universelle […], 1653, Taf. 31

Mais d’autant que telles nidutez & autre corps, ne sont pas ainsi formez de traits ou fils, & qu’ils n’ont en eux que les cheveux, poils, & laines qui donnent d’eux mesmes la maniere de les executer ainsi en graveure, il faut trouver un moyen si faire ce peut, pour bien imaginer de semblable traits sur ces corps humains, ou tels autres faits de divers metaux & mineraux: Et remarquer que la pluspart desdits corps ou objects, ont des parties qui se doivent distinguer d’avec la masse d’iceux, ainsi comme j’ay dit, les cheveux & poils des figures humaines, puis la prunelle des yeux, les dents, les ongles […].78 Die Illustration mit der Kugel und der antiken Büste arbeitet aktiv an der Überwindung der hier beschriebenen Differenz aus Objekt und künstlerischer Linie („corps, ne sont pas ­ainsi formez de traits ou fils“) (Abb. 57). Paradoxerweise vermag aber auch diese Tafel die 78 Bosse 1653, S. 36 f. [„Aber ebenso wie diese Akte und andere Körper nicht aus solchen Schraffuren oder Fäden geformt sind und Haare und Stoffe haben, die ihnen selbst den Anschein geben, dass sie in Kupfer gestochen seien, muss man Mittel finden, um sich derartige Schraffuren auf menschlichen Körpern oder Metallen und Gesteinen gut vorzustellen: Man muss beachten, dass der Großteil dieser Körper oder Objekte Partien haben, die man mit den Augen unterscheiden muss, so wie bereits gesagt das Haupt- und Körperhaar menschlicher Figuren, weiterhin die Pupille der Augen, die Zähne, und die Nägel […].“]. Hierzu auch: Leonhard/Felfe 2006.

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S­ pannung zwischen natürlichem Objekt und seiner bildlichen Repräsentation mittels Schraffur nicht vollends aufzulösen: Die zur Kugelmitte hin einfallenden Schatten – hier auf schematische Weise oberhalb des ‚o‘ jenen kurvierten Parallelschraffuren von Tafel 4 der Manieres de graver (Abb. 25) angeglichen – sind ohne perspektivische Verzerrung der Rundung wiedergegeben. Durch die Rundung der Kugel würden die Schatten der Fäden indes verzerrt werden und damit die Dicke der Schatten sich kontinuierlich und graduell zum Zentrum der Wölbung verjüngen. Bosse legt den schematischen Aufbau seiner Tafel sogleich selbst dar, indem er den restlichen Teil der Kugel mit sich zur Kugelmitte verjüngenden Taillen darstellt, sodass der provisorische Charakter des Fadengitters zur Erzeugung von ­Schraffur gerade in der Schraffur der Abbildung offenbar wird. Bezeichnenderweise verzichtet er zudem auf die Einbindung der von ihm so betonten Zwischenstriche („entre-deux“) zur Erzeugnung von Plastizität, Schattenverlauf, Oberflächeneigenschaften etc. Als experimentelle Versuchsanordnung ist aber ein Aspekt von Bedeutung: Die Artifizialität der Schraffur wird – zumindest in Teilen – schlagartig aufgehoben, ist sie doch am Objekt als ‚natürlicher‘ Schattenverlauf und daher als ingetraler Teil der Natur dargestellt. Bosses Rhetorik ist eigen, diese nichts­desto­trotz auch hier bestehende bildliche Übersetzungsleistung zu marginalisieren, da seinem Verständnis nach die Druckgraphik „nichts anderes als Imitation der Natur” sei („qu’une imitation de la Nature“).79 Repräsentation und Objekt erscheinen erneut nahezu kongruent, weisen die kleinstmögliche Differenz auf und treiben auf die Spitze, was er in der ­wenige Jahre zuvor erschienenen Manieres de graver herauszustellen versucht hatte. Stringent zeichnet sich die Tendenz ab, Schraffur, Repräsentation und Beschaffenheiten der zu repräsentierenden Welt in Abhängigkeit zueinander zu stellen. Bosses Universalregeln der Schraffur („toutes les formes d’hachures“) entfalten erst hier ihre volle Tragweite, denn sie werden in ihrer Theoretisierung nun stringent und ganz im Sinne der „Perspektive als Optik“80 mit dem Sehen des Objektes in Einklang gebracht („pour plus facilement voir ces choses“).81 Wie sehr – mitunter auch deutlich später – nachfolgende Generationen gerade in Bezug auf Naturdarstellungen seinen mathematischen Ansatz in Frage stellen sollten, ist trotz der Bedeutung seiner Schriften für die Druckgraphik kaum von der Hand zu weisen. Diese im Fadengittermodell suggerierte Objektivierung von Licht- und Schattenregie ­wurde u. a. implizit vom Landschaftsmaler Francis Nicholson (1753–1844) in The Practice of ­Drawing and Painting Landscape from Nature (1820) gleich zu Beginn der Schrift kritisiert. Sein Argument war bezeichnenderweise im Kern ein rezeptionsästhetisches („as offended the eye“) und konterkarierte Bosses Vorstellung eines mathematischen Bildentwurfs, vor ­allem dann, wenn er die Lichtregie des Bildes betraf („a strict application of the mathe­matical rules for determining the projection of shadow“).82 Tatsächlich konnte sich die Linie, dessen war sich auch Bosse bewusst, nie vollends in einen solchen mathematischen Entwurf fügen.

79 80 81 82

Bosse [1645] 1758, S. 79. Felfe 2015 A, S. 195. Bosse 1653, S. 37. Nicholson 1820, S. 11.

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„toutes les formes d’hachures“: Universalregeln der Faktur

Spirallinie Wenige Kupferstiche haben so viel Berühmtheit erlangt wie Claude Mellans 1649 entstandenes Schweißtuch der Veronika (Taf. 16). Die Faktur des Stichs entzieht sich beharrlich einer Semantisierung über die von Bosse eingeführten Terminologien und jedwelchen Einordnungsversuchen innerhalb seiner Universalregeln der Schraffur. Zugleich ist die Rezeptionsgeschichte des lange Zeit als unkopierbar geltenden Kunstwerks83 das wohl eindrücklichste Beispiele dafür, wie noch bis in das 19. Jh. die Terminologie der Schraffur mitsamt ihrer Varia­ tionsmöglichkeiten ambivalenten Schwankungen und stetigen Neubewertungen unter­lag und im Zuge dessen u. a. zum Vehikel für Geschmacksurteile und Stilanalysen ­wurde.84 Die Technik des Kupferstichs ist außergewöhnlich:85 Maxime Préaud fasste die schrittweise Entstehung des Stichs in drei Arbeitsschritten zusammen, wobei der Leser den Eindruck gewinnt, dass es Préauds besonderes Anliegen ist, das bildkonstituierende Moment des Stiches ausfindig zu machen – das produktionsästhetische Entstehen jenes Moments, in dem die an- und abschwellende Spirallinie im Zusammenspiel mit dem Bilduntergrund die Physiognomie hervortreten lässt. Der Stich entstand indem erst eine gleichmäßige, d. h. gleich dicke, Spirallinie vorgezeichnet wurde, auf der daraufhin Details des Kopfes sowie die Lichtregie der Komposition mit Kreide aufgetragen wurden. Sie wurden in einem abschließenden Arbeitsschritt mit einer sich abwechselnd verdickenden bzw. auslaufenden Spirallinie in Kupfer nachgezogen.86 Mellan musste hierfür die Platte in einer gleichmäßigen Bewegung rotieren und regelmäßig den Linienverlauf in der leichten Fernsicht kontrollieren. Das Blatt erweckt einen vibrierenden Eindruck; die Linie schwillt unregelmäßig an, franst an ihren Rändern aus als würde Tinte in das Papier bluten, nur um sich auf scheinbar organische Weise in ihrem weiteren Verlauf erneut zu einer höchstfeinen Haarlinie zu verjüngen. An ihren dünnsten Stellen bricht diese haarfeine Linie mitunter ab und indiziert somit die allerhellsten Partien der Komposition. Zwar verwendet Mellan das An- und Abschwellen der Linie, um Licht- und Schattenpartien sowie physiognomische Details des Christusgesichts hervorzukehren, indes ist diese Linie eine grundlegend andere als etwa Jan van de Veldes Taille im Spieghel der Schrijfkonste (Abb. 33). Im Spieghel der Schrijfkonste ist die Taille ebenfalls als hochgradig kontrollierte Linie angelegt, die dem Betrachter suggeriert, sie sei in einem fließenden Zug ausgeführt worden. Doch die Ausführung der Linien ist dort im Kern eine andere. Dies gilt nicht nur für die Bildtafeln, die sich der Kadelle als gestalterisches

83 Es gibt eine Handvoll Kupferstiche, die versuchen, Mellans Technik der Spirallinie zu kopieren, darunter eine direkte Kopie nach dem Schweißtuch der Veronika: London, British Museum, Inv. Nr. 1859,0514.234. Daneben gibt es eine Vielzahl von Stichen, die die Spirallinie in einem anderen Motiv adaptieren, beispielsweise: Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv. Nr. RP-P-1933-434 oder London, ­British Museum, Inv. Nr. 1952,0405.216. 84 Hier unter vielen Referenzen: Von Bartsch 1821, Bd. 1, S. 96; Heller 1825, Bd. 2, S. 41; Kugler [1842] 1848, S. 886; Singer 1895, S. 112 und Kristeller 1905, S. 426. 85 Außerdem führte Mellan eine Rötelzeichnung, die einen Sartyrkopf darstellt, ebenfalls in einer Spiral­ linie aus (Wien, Graphische Sammlung der Albertina, Inv. Nr. 11465). 86 Préaud 1988, S. 12.

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­ ittel zur Ergänzung der einzelnen von Van de Velde exemplifizierten Typen bedient (Abb. M 33), sondern auch, wenn die Linie annäherungsweise mimetischen Charakter annimmt (Abb. 47). Während die Verdickungen der Linie weit geblähte Segel des Schiffes andeuten, vermag es die Illustration nicht zuletzt aufgrund der markanten Betonung der Linien­symmetrie nicht, ihre Steifheit und Flächigkeit abzustreifen. Die Linie bleibt hier aller Bemühungen zum Trotz stets deutlich als künstlerisch gezogene Linie erkennbar und geht zu keinem Zeitpunkt in ihrem Motiv auf. Das im Wesentlichen auf einem ähnlichen Prinzip des linearen An- und Abschwellens beruhende Moment in Mellans Schweißtuch der Veronika scheint sich hierzu antithetisch zu verhalten: In der Bildtotale löst sich die Spirallinie nahezu vollständig auf und gibt Raum für das subtile chiaroscuro, aus dem sich das Christus­gesicht mit mimetischer Präzision erhebt – eine Qualität, die Van de Veldes Illustration kaum zu erreichen vermag. Erst in der Nahsicht einzelner Bildabschnitte wird offenbar, dass Mellan diese Präzision paradoxerweise durch die zittrig wirkende, sich scheinbar organisch ver­dickende Linie erzielt. Erneut stand die einzelne Linie des Kunstwerks im Zentrum: Parallel zum Diskurs der sprezzatura des 16. Jhs., der den ungezwungenen Linienzug („una linea sola non ­stentata“)87 zum ästhetischen Paradigma erkoren hatte,88 lag der einzeln gezogenen Linie wie in ­Anton Francesco Donis Il Disegno (1549) das Potenzial inne, die Welt in einem Zug zu erfassen. Denn die Künste, so Doni, seien von Gott alle in einem Zug und in einem Wimpernschlag geschaffen worden („Iddio fece il disegno, la scoltura e la pittura a un tratto, in un batter d’occhio“).89 Michelangelo selbst äußerte sich über die Kraft der Zeichnung und der Linie, die er in einem Atemzug nennt („è grande, molto grande la forza del disegno o del tratto“).90 Von Kunstkennern zu Beginn des 18. Jhs. wurde hingegen vor allem die Wirkung dieser einzelnen Linie auf den Betrachter hervorgehoben. Die Ästhetik von Mellans Kupferstich besaß für den Kleriker und Lyriker Louis Doissin (1727–1753) eine affektive Facette, denn er „spricht“ zu seinem Betrachter („image […] parlante“) und „bricht Herzen“ („capable […] de briser les coeurs“). Die anthropomorphen Qualitäten scheinen für Doissin unmittelbar in der Faktur begründet zu sein, die das Vehikel eines Bildwerks sind, das selbst wie ein lebender Organismus erscheint.91 So legt er dar: 87 Castiglione 1527, S. 47. 88 Wie beispielsweise in Armeninis Charakterisierung der macchia, die „con molta prestezza esprimono à un tratto […] e quasi senza fatica“ sei: Armenini 1587, S. 55. 89 Doni 1549, zit. n. Barocchi 1973, Bd. 2, S. 1909. – Michelangelo könne sie, so heißt es weiter, ‚in einem Zug‘ in sich vereinen, da er in allen Gattungen erfahren sei. „Michel Angelo, che ha mostro che tutti furano fatti a un tratto: perché egli è così valente nel disegno, come nella pittura e scoltura; scoltura, disegno e pittura, pittura, scoltura e disegno.“ Doni 1549, zit. n. Barocchi 1973, Bd. 2, S. 1909 [„Michelangelo, der gezeigt hat, dass alles zugleich gemacht werden kann: Denn er ist gleichermaßen vortrefflich im Zeichnen („disegno“) wie in der Malerei und in der Bildhauerei; Bildhauerei, Zeichnung und Malerei, Malerei, Bildhauerei und Zeichnung.“]. Vergleichbares bei Bisagno: „[…] per desiderio di monstrare ad un tratto tutto quello ch’egli sappia […].“ Bisagno 1642, S. 141 f. Ebenso Armenini: Armenini 1587, S. 142, S. 190 u. S. 227. 90 De Holanda 1548, zit. n. Barocchi 1973, Bd. 2, S. 1911. 91 Zuvor hatte u. a. Michel de Marolles (1600–1681), Sammler der größten privaten Kupferstichsammlung im Frankreich des 17. Jhs. und enger Freund Mellans, das Schweißtuch der Veronika bewertet. Er ver-

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Un simple trait suffit à Mélan; ce trait enflé ou diminué à propos, lui donne & les ombres, & les lumiéres, & les couleurs; secret merveilleux employé avec succès dans la tête adorable du Christ. Une couronne d’épines ceint sont front déchiré; ses yeux éteints s’ouvrent à peine, des ruisseaux de sang coulent de toutes parts sur son visage; ses joues livides en sont couvertes, inondées: image lugubre & parlante, capable d’attendir, de briser les coeurs, ces coeurs eussent-ils la dureté d’un rocher! Production neuve & sublime que le pinceau envieroit au burin & pour laquelle néannmoins le burin n’a employé qu’une seule ligne. Cette ligne prise à l’extrémité du nez & habilement conduite en spire, renferme toutes les parties de la tête, tous les traits du visage, & l’horrible diadême, & le sang qu’il fait couler.92 Auch hier wird vor allem die einzelne Linie betont („simple trait“, „seule ligne“). Mit ­Doissin setzt ein Strang der Reflexion an, der sich mit der rezeptionsästhetischen Wirkung der Technik auseinandersetzt und darin insbesondere die Augenbewegung des Betrachter­blicks entlang der Linie zu fassen sucht. In diesem verlebendigenden Moment des Bildes lag ein immenses Potenzial: Ein belebt wirkendes Blatt, schrieb Antoine Coypel (1661–1722), müsse vor allem eine „flammengleiche Form“ („forme qui ressemble à la flamme“) beinhalten, sie allein ­würde den Kontur animieren und dazu beitragen, dass das Bild nicht „wider­natürlich“ ­erscheine („directement contraire à la nature“). Eine solche „widernatürliche“ Faktur ­ließe sich in den Werken Albrecht Dürers und Lucas van Leydens beobachten, zu denen ­Michelangelo, ­Leonardo, Raffael und die Carracci das „Antidot“ seien. Zunehmend für ihren ‚gotischen‘ Stil

webte das Sujet des Bildes und seine Ausführung untrennbar ineinander und betonte auf diese Weise vornehmlich die Beziehung der künstlerischen Technik zu ihrem Darstellungsgegenstand statt die rezeptionsästhetische Dimension dieser Einheit. Er formulierte dies wie folgt: „[…] Formatus unicus una, faisant allusion à la beauté du Fils unique du Père Eternel, né d’une Vierge, et à la ligne seule, dont le peintre artiste a si bien dessiné le portrait, avec cet autre mot écrit encore au dessous, Non alter, parce qu’il n’y a personne qui ressemble à ce premier des Presdestinez, et que le graveur de cette image en a tellement fait un chef d’œuvre, qu’un autre auroit de la peine à l’imiter pour en faire autant.“ Marolles 1656, S. 266, in: Préaud 1988, S. 121 [„[…] Formatus unicus una, spielt auf die Schönheit des einzigen Sohnes des Heiligen Vaters an, geboren von einer Jungfrau. Mit einer einzigen Linie hat der Künstler dieses Porträt so gut gezeichnet, und darunter noch ein anderes Wort geschrieben, Non Alter, weil es niemanden gibt, der diesem Vorherbestimmten ähnelt und den der Stecher dieses Bildes wahrhaft meisterlich dargestellt hat, sodass andere Mühen haben werden, es exakt zu kopieren.“]. 92 Doissin 1753, chant premier, S. 26 f. [„Ein einzelner Strich genügt Mellan; dieser Strich schwillt an und ab und verleiht dem Stich Schatten, Lichter und Farben; es ist ein wunderbares Geheimnis, das hier mit Erfolg beim anbetungswürdigen Kopf des Christus angewendet wurde. Eine Dornenkrone liegt auf seiner aufgerissenen Stirn, seine erlöschenden Augen öffnen sich unter Schmerzen, Blutbäche fließen von seinem ganzen Gesicht, seine totenbleichen Wangen sind davon bedeckt, gar überschwemmt. Schauriges und sprechendes Bild, in der Lage, Mitleid zu wecken und Herzen zu brechen, selbst solche so hart wie Stein. Es ist ein neues und hervorragendes Werk, das der Pinsel dem Grabstichel neiden wird, und für das nichtsdestotrotz der Grabstichel nichts als eine einzige Linie brauchte. Diese Linie beginnt an der Nasenspitze, ist gekonnt in einer Spirale geführt und umfasst alle Teile des Kopfes, alle Striche des Gesichtes, der schrecklichen Krone und des strömenden Blutes.“].

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(„Maniere Barbare, ou Maniere Gottique“) kritisiert,93 gerieten die erstgenannten Künstler aufgrund der Verwendung wenig flexibel erscheinender Linien in die Kritik,94 wohin­gegen die Werke französischer und italienischer Kupferstecher favorisiert wurden:95 Le grand goût du dessein est different de ce qu’on appelle correction. L’on peut être exact & regulier, & dessiner d’un fort petit goût. Tels sont les Lucas, les Albert-­Dure, & beaucoup d’autres. […] Les angles dans les contours sont le petit, le dur, le mesquin. La forme ondoyante, & celle qui ressemble à la flamme, anime les contours, y jette du grand, de l’élegance, & de la verité […]. Tout de qui est opposé à ce caractere, est barbare & chimerique, directement contraire à la nature, & au goût de tous les grands Maîtres. Consultez Michel-Ange, Leonard de Vinci, Raphaël, & les Caraches, ils portent le contre-poison des Lucas, des Alberts […].96 Damit nahmen Doissin und Coypel argumentativ gänzlich andere Standpunkte ein als ­Bosses Schriften und die darin beschriebene Regelhaftigkeit der Schraffur. Obwohl sich Mellans Spiral­linie einer Auslegung im Sinne der von Bosse vorgeschlagenen Regelhaftigkeit der Faktur widersetzte, wurde oftmals zur Rekonstruktion der Rezeptionsgeschichte des Schweißtuch der Veronika dessen knappe Auflistung schraffierender Techniken in seinem Werk Peintre Converty (1649) herangezogen.97 Die auf einem nicht unproblematischen Schlüssel-­Schloss-Prinzip beruhende Verschränkung des Kunstwerks mit Bosses Abhandlung

93 Dufresnoy 1668, S. 70. Die Abwertung der frühesten Kupferstecher beschränkte sich nicht allein auf Dürer und Lucas: Landseer beispielsweise sah in Mantegnas Stichen vor allem „gothic Grossness“: Landseer 1807, S. 258 u. S. 263. – Zur Kritik an Dürer: Białostocki 1986. 94 Die Kritik hält sich bis weit in das 19. Jh., so beispielsweise auch bei William Young Ottley, der eine „crude manner“ unmittelbar mit „cross hatching of little curvature“ in Verbindung bringt. Young ­Ottley 1816, Bd. 2, S. 519. Die diagonale Schraffur des Giovanni Antonio da Brescia (1460–1523) sei entsprechend dem „style of ancient artists“ ähnlich. Ebd., Bd. 2, S. 564. Auch heute finden sich kunsthistorische Ansätze, die die „inflexible, ‚closed‘ outlines and little concern for form rendered through hatching“ insbesondere mit mittelalterlicher Zeichenpraxis in Verbindung bringen: Ames-Lewis [1981] 2000, S. 14. 95 Cornelis/Filedt Kok 1998, S. 56. 96 Coypel 1721, S. 73 f. [„Die geschmackvolle Zeichnung ist von der korrekten („qu’on appelle correction“) zu unterscheiden: Man kann exakt und regelmäßig zeichnen, doch mit wenig Geschmack. Dazu gehören die Zeichnungen von Lucas, Albrecht Dürer und von vielen anderen […]. Die Winkel der Konturen sind dort klein und hart. Die wellenförmige Form und das, was einer Flamme ähnelt, belebt die Konturen und verleiht ihnen Größe, Eleganz und Wahrheit […]. All das steht seinem Wesen entgegen, barbarisch und der Chimäre gleich, in unmittelbarem Widerspruch zur Natur und dem Geschmack großer Meister. Betrachten Sie Michelangelo, Leonardo da Vinci, Raffael und die Carracci; sie stellen das Gegenbeispiel („contre-poison“) zu den Werken von Lucas und Albrecht dar […].“]. Dazu auch: Cornelis/Filedt Kok 1998, S. 56. 97 Zuletzt führte Rebecca Zorach Bosses Passage in Peintre Converty mit Mellans Kupferstich zusammen: Die von ihr postulierte, aber nicht nachgewiesene „silence in modern scholarship“ bezüglich Mellans Technik und Stil resultiert für sie aus der Tatsache, dass „for viewers accustomed to photography, the lines, dots and hatches of early modern engravings and etchings look so obvious.“ Zorach 2009, S. 236. Hervorhebung übernommen.

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war vordergründig der Tatsache geschuldet, dass beide im gleichen Jahr entstanden. Im Hinter­grund spielten jedoch zwei ineinandergreifende Aspekte eine treibende Rolle: Das war zum einen der Versuch, ein historisches Vokabular für ein Phänomen ausfindig zu machen, das beharrlich zwischen Schraffur und Linie oszillierte. Zum anderen war es die Suche nach einer unmittelbar erfolgendenden Reflexion innerhalb der theoretischen Diskussion zur Schraffur. In diesem spezifischen Fall war das die Beschreibung einer Technik, die, wie Bosse vermeintlich berichtet, mit „einer einzelnen Schraffurlinie“ („hachure seule“) ausgeführt sei. Er beschreibt diese „einzelne Schraffurlinie“ im Peintre Converty auf folgende Weise: […] et par exemple l’on sait que chaque graveur peut conduire ou mener des hachures de divers sens, et en plus grand nombre qu’un autre, car l’un exprimera son [Mellans, Anm. E. B.] ouvrage par une taille ou hachure seule, en grossaint les traits plus ou moins selon la nécessité; l’autre fera de même par deux hachures l’une sur l’autre; un autre fera la même chose par un grand nombre, et même y ajoutant en divers endroits de petits traits et des points pour attendrir, noyer ou perdre ensemble les ombres, teintes et demi-teintes.98 Statt eines direkten Verweises auf die Faktur des Schweißtuch der Veronika indiziert Bosses Passus der einzelnen Schraffurlinie („hacheure seule“) auf generische Weise die Qualitäten, die in einem Kunstwerk mit abstrahierender Schraffur in Schwarz und Weiß erreicht werden konnten.99 Tatsächlich finden sich in Bosses graphischem Œuvre Indizien dafür, wie dieses Forschungsnarrativ zustande gekommen sein mag, denn bei der Gestaltung des Blattes allein mit Parallelschraffur handelte es sich um eine Technik, die in der Mitte des 17. Jhs. nicht nur Mellan, sondern auch Bosse selbst praktizierte – womöglich in Anlehnung an Mellan.100   98 Bosse 1649, zit. n. Weigert 1964, S. 164 f. [„[…] und wir wissen beispielsweise, dass jeder Stecher die Schraffuren auf unterschiedliche Weise führen kann, und in stärkerer Weise als andere konnte er [Mellan, Anm. E. B.] seine Stiche durch eine einzige Taille oder Schraffur („hachure seule“) ausdrücken, den Strich je nach Notwendigkeit mal stärker, mal schwächer führend. Das gleiche konnte ein anderer Stecher auch mit zwei übereinander geführten Schraffen, wiederum ein anderer erreichte den gleichen Effekt durch eine Vielzahl an Schraffuren, und fügte sogar verschiedene gerade Schraffen und kleine Striche hinzu, damit sich die Schatten, Töne und Halbtöne zusammenfügen oder verlaufen.“].    99 Bosse 1649, zit. n. Weigert 1964, S. 165. 100 Thomas 2012, S. 31. Marianne Cojannant-Le Blanc schlägt vor, Bosses Favorisierung der „seule ­hachure“ als Stilmerkmal um ca. 1638 zu datieren, ein Jahr nachdem Mellan nach Paris zurückkehrte. Das Schweißtuch der Veronika wird hier nicht genannt. Cojannant-Le Blanc 2004, S. 67. In Florent Le ­Comtes Cabinet des singularitez findet sich eine ähnliche Kategorisierung. Dort wird Mellans Stil („­maniere“) in „à double taille“ und „à une taille seulement“ unterschieden: Le Comte [1699] 1702, Bd. 2, S. 301. Le Comtes Verweis auf das Schweißtuch der Veronika ist nicht minder sachlich („­grande piece en hauteur qu’il a fait en 49. tout d’un seul trait allant en ronde.“). Ebd., Bd. 2, S. 303. Cf. dazu Pierre-François Basans Dictionnaire des graveurs anciens et modernes: „[…] ayant alors imaginé une maniere légere & facile, qui d’un seul trait, tantôt plus délié, tantôt plus enflé, fait produire à ses Gravures autant, d’effet s’il y avoit employé plusieurs tailles. Son Œuvres, qui est nombreux, contient ­entr’autres choses, La Sainte Face, formé d’un seul trait circulaire […] de sa composition.“ Basan [1767] 1791, Bd. 1, S. 319 [„[…] man stelle sich einen angenehmen und leichten Stil vor, der in einem einzigen

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Trotz der engen Beziehung von Bosse und Mellan, bieten weder die Manieres de graver noch der Peintre Converty Anhaltspunkte zur Annahme, Bosse habe speziell bei dieser Beschreibung Mellans Schweißtuch der Veronika im Sinn gehabt.101 Louis Doissin beispielsweise macht in seinem Kommentar deutlich, dass er Mellans Faktur als „einfache Linie“ („simple trait“) und nicht als Derivat der Schraffur im engeren Sinn begreift.102 Dieser Umstand wird durch den Bestand an überlieferten Kupferstichen von der Hand Mellans weiter verkompliziert: Das Standbild des Hercules (Abb. 4) etwa zeigt, dass er neben der überwiegend ­parallel geführten Schraffur in den Schattenpartien durchaus zuweilen scharfe Kreuzschraffuren verwendete. Diese spezifische Technik wurde von der Kunsttheorie des 17. und 18. Jhs. in Bezug auf sein Œuvre gänzlich marginalisiert, womöglich deshalb, weil in der Zusammenschau der Linien diese Technik stets eine untergeordnete Rolle zu spielen scheint, wohingegen die Parallelschraffur deutlich dominiert.103 Die einzige Passage, in der die Spirallinie zweifelsfrei bereits zu Lebzeiten Mellans mit dem Terminus der Schraffur gleichgesetzt wurde, findet sich in Joachim von Sandrarts Teutscher Academie. Sandrart liefert dort den Verweis auf einen Stich, den Johann Jakob Thurneysen (1636–1711) zur Illustrierung des Werks angefertigt hatte. Unschwer ist zu erkennen, dass Thurneysen Mellans Schweißtuch tatsächlich gekannt haben dürfte (Taf. 17). Sandrart bezeichnet Mellans Spirallinie nicht nur allgemein als „Schraffirung“, sondern schreibt dieser Faktur auch Eigenschaften der Kreuzschraffur zu. Er beschreibt den Zusammenhang wie folgt: Hingegen aber hat er [Thurneysen; Anm. E. B.] an der herrlichen Statua / oder stehendem Bilde des Jünglings Antonius, […] / alles nur / mit einer Schraffirung / herauszu­ bringen / unternommen / den Anfang der Schraffirung auf der Nasen gemacht / und alsofort damit herum gefahren / bis das gantze Bild dergestalt umgeben / daß der gantze auch halbe Schatten / samt denen ­Wiederscheinen sattsam und so wol ausgebildet / als ob dasselbe / mit vielen unterschiedlichen Creutz­strichen übergangen wäre.104

Strich, der eben noch fein war, sogleich stärker anschwillt und seinen Kupferstichen den Eindruck verleiht, als seien sie in mehreren Schraffen ausgeführt worden. Unter seinen zahlreichen Werken findet sich unter anderem das Schweißtuch der Veronika, dessen Komposition aus einem einzigen Strich geformt wurde.“]. 101 Goldstein 2008, S. 385. 102 Doissin 1753, chant premier, S. 26. 103 Beispiele für Mellans Kreuzschraffur finden sich beispielsweise in seinem zeichnerischen Œuvre: London, British Museum, Inv. Nr. 1884,1108.2 oder London, National Gallery, Inv. Nr. 2006.45.1. 104 Von Sandrart 1675–1680, III, S. 73. – Cf. hier auch Johann Joachim Winckelmanns (1717–1768) Beschreibung der Faktur: „Ich entsinne mich in selbigem Buche von einer liegenden nackenden Frau aus dem Palais Borghese in Rom (von einem antiken Marmor), wo der Künstler auf dem Wirbel ganz unvermerkt angesetzt hatte, und in lauter ununterbrochenen Kreisen seinen Stich fortgesetzt, und starke und schwache Schatten dermaßen ausgedruckt, daß dieß gekünstelte Spielwerk nicht gekünstelt, sondern der Natur vollkommen nahe zu kommen schien.“ Winckelmann 1747, Brief an Gottlob Burchard ­Genzmer vom 29.09.1747, zit. n. Rehm/Diepolder 1952–1957, Bd. 1, S. 76.

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Diese Passage lässt sich auch anders interpretieren. Sie scheint einen Gedanken zu antizipieren, den der Kupferstecher Joseph Strutt (1749–1802) weiter­verfolgte, nämlich die Vorstellung, dass sich Mellans Linie wie etwas Anderes verhält: So notierte Strutt in seinem zweibändigen A Biographical Dictionary, Containing an Historical Account of all the ­Engravers (1785) gleich mehrfach Mellans charakteristische Parallelschraffur. Diese Technik scheint für Strutt eigentümlicherweise eine zu sein, die sich nahezu komplementär zur Schraffur verhält – und mehr noch, sogar keine Schraffur im eigent­lichen Sinne sei. Während Sandrarts Beschreibung suggeriert, Mellans Spirallinie habe die Kapazität, die gleichen Eigenschaften wie Kreuzschraffur hervorzukehren, dreht Strutt die Prämissen dieses Gedankens auf radikale Weise um. Für ihn ist die Spirallinie eine Technik, die sich nicht an einer anderen Technik orientiert, sondern all diese linearen Formen gerade­zu konterkariert, dergestalt, dass sie sich dem Begriff der Schraffur gänzlich verweigert. Gleich über mehrere Künstler schreibt er, ihre Werke seien „without any hatching, in imitation of Melan“, „en­graved in the style of Mellan, with single strokes, without any cross hatching“ oder – in leichter Variation – „engraved with single strokes, without any hatching, in the manner usually adopted by Claude Mellan.“105 Die Dichotomisierung von Schraffur („hatching“) und Linie („stroke“) ist zugleich auch ein Fingerzeit für die – noch immer – wenig gefestigte Terminologie, mit der Linien des Kupferstiches beschrieben wurden. Die terminologische Dichotomie spiegelt zugleich aber auch den Betrachterblick wider, der, wie etwa im Schweißtuch der Veronika, kontinuierlich zwischen Nah- und Fernsicht der Faktur changiert. Dieses changierende Moment wird sprachlich noch im 19. Jh. reflektiert: Der Bibliothekar und Histo­riker Anatole de Montaiglon (1824–1895) druckte beispielsweise in seinem Catalogue Raisonné zu Mellans Œuvre (1856) eine Passage von Pierre-Jean Mariette (1694–1774) ab, die als assoziative Anlehnung an Bosses „hachure seule“ verstanden werden kann, jedoch mit der semantischen Konkretisierung der Spirallinie spielt („un seul et unique trait en ­ligne spirale“) und auf diese Weise ebendiesem Changieren Rechnung zu tragen versucht.106 ­Betont wird, so scheint es, die Wesensverwandtschaft der „einzelnen Linie“ („seule ­taille“) mit der Parallelschraffur. Hierin liegt paradoxerweise dennoch ein Berührungspunkt mit Bosses Systematisierung bzw. Regelhaftigkeit der Schraffur, denn De Montaiglon griff – ob wissentlich oder nicht – das von Bosse eingeführte Vokabular zur Differenzierung einzelner Schraffurlagen („premier“, „seconde“ und „troisieme taille“) auf. Mehr noch: Er adaptierte den Begriff der „Sauberkeit“

105 Strutt 1785/86, Bd. 1, S. 70, S. 166 u. ebd., Bd. 2, S. 81. Zur Vita Mellans: Ebd., Bd. 2, S. 142–144. Auch dort wird auf seine Technik verwiesen; diese sei „with single strokes only, without any second strokes laid upon them […]. The effect […] is soft and clear.“ Ebd., Bd. 2, S. 143. 106 Mariette in: De Montaiglon 1856, S. 71. Ebenfalls noch im 17. Jh. findet sich in Filippo Baldinuccis Schriften ein kurzer Hinweis: „[…] Melano, che fu inventore di quella sorte di intaglio a bulino, che noi diciamo a una taglia sola, perché senza intersecazione di linee trovò modo di far rilevare le sue figure con chiaro e scuro e mezza tinta […].“ Baldinucci 1686, zit. n. Manni 1808–1812, Bd. 1, Proemio, S. 11 [„ […] Mellan hat diese Art des Kupferstichs erfunden, den wir als in einer einzigen Linie ausgeführt bezeichnen. Ohne die Linien zu kreuzen gelang es ihm, seine Figuren mit Hell-Dunkel-Kontrasten und Mitteltönen plastisch zu gestalten […].“].

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oder „Klarheit“ („netteté“) als zentrales ästhetisches Paradigma für den Kupferstich und fasste dies in folgende Worte: […] Mellan […] sçait que chaque objet doit être traitté différemment et relativement à son caractère propre et particulier […]. […] [Il] ya met plus de netteté et de délicatesse, et […] il bannit pour toujours les secondes tailles de sa graveur et se réduisit à une seule. Cette taille, soulagée ou élargie suivant le besoin des ombres ou des demiesteintes, conduitte dans tous les sens qu’indique la perspective des corps, produit un effet semblable à celui que donnent les doubles tailles, […] le travail du burin en devient plus léger et et [sic!] plus animé […].107 Hier treten auch noch weitere bereits aufgefächerte Aspekte theoretischer Reflexion der Schraffur hinzu, namentlich die Verteilung der Schatten („ombres ou des demies-teintes“), die Gebundenheit der Linie an ihren Darstellungsgegenstand („son caractère propre et particulier“) sowie die stilistische Kategorisierung des Kupferstichs unter dem Paradigma der Klarheit („netteté“). Zugleich wird aber offenbar, wie sehr sich Linien im Allgemeinen – und nicht zuletzt Sonderformen wie Mellans Spirallinie – einer ‚rational‘-objektiven Kategorisierung, wie sie Bosse im Sinn hatte, widersetzten. Indes greift De Montaiglon am Ende der Beschreibung zwei Beobachtungen auf, die bereits andere Autoren auf vergleichbare Weise beschrieben hatten. Das ist zum der Hinweis darauf, dass Mellans Linienführtung „müheloser“ als die anderer Künstler erschiene („plus léger“). Diese Aussage erscheint vor allem im direkten Vergleich zu Van de Veldes Spieghel der Schrijfkonste plausibel (Abb. 47), wo rundierte Linien artifiziell und kontrolliert erscheinen. Zum anderen hebt die Beschreibung gegen Ende eine Eigenart des Schweißtuch der Veronika hervor, die bereits Doissin betont hatte: die verlebendigende Wirkung der Linie („plus animé“).

„aller Dingen Eigenschaft“: Terminologische Adaptionen Aller Fallstricke der Manieres de graver zum Trotz hatte die Schrift eine starke Wirkung auf die Theoretisierung der Druckgraphik. Für Joachim von Sandrarts Teutsche Academie der ­Edlen Bau-, Bild- und Mahlerey-Künste (1675–1680) – die erste Abhandlung dieses Umfangs in deutscher Sprache – war sie das Fundament für seine Ausführungen zur Druckgraphik.108

107 De Montaiglon 1856, S. 55 [„Mellan weiß, dass jeder Gegenstand unterschiedlich und seinem wahren und besonderen Wesen entsprechend behandelt werden muss. […] Darin hat er mehr Klarheit („­netteté“) und Feinheit und er vermeidet stets die überlagernden Parallelschraffuren („secondes tailles“) in seinen Stichen und beschränkt sich auf eine einzelne Taille. Diese Taille verdünnt oder verdickt sich je nach Verlauf der Schatten oder Halbschatten und verleiht allem den Anschein der Perspektive und des Körperhaften, erzeugt damit einen vergleichbaren Effekt wie Parallelschraffur („doubles ­tailles“); der Kupferstich wirkt müheloser („plus léger“) und belebter.“]. 108 Dabei handelte es sich auch um eine reziproke Entwicklung: Sandrarts Wirkung auf die französische Theoriebildung des ausgehenden 17. Jhs. wurde bereits in Ansätzen diskutiert: Heck 2010.

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„aller Dingen Eigenschaft“: Terminologische Adaptionen

Mit vergleichbarer Konzentration auf terminologische Engführungen wie zuvor in Bosses Schriften zeichnete sich in Sandrarts Viten ein Verständnis der ästhetischen Dimension von Schraffur und ihrer Rezeptionspotenziale ab. Da „Sandrarts Bemerkungen zur Entwicklung verschiedener Drucktechniken [bisher selten beachtet]“ wurden,109 ist die Textanalyse der Teutschen Academie mit Blick auf die Rolle der Druckgraphik innerhalb der Bildkünste bis dato ein Desiderat geblieben. Zwei Momente waren für Sandrarts Werk entscheidend: Erstens, waren die mangelnden kunstliterarischen Vorbilder in seiner Landessprache das Initialmoment dafür, dass sein Vokabular mitunter von fremdsprachigen Begriffen geprägt wurde, die er als Vehikel für die Entwicklung eigener Nuancierungen nutzte.110 Sandrarts Teutsche Academie entstand zu einem kritischen Zeitpunkt, denn die Schwelle zum 18. Jh. markierte auch eine Wende, in der der französischsprachigen Kunstliteratur- und Theorie zunehmend das Primat zukam.111 In einer Rezension von Dezallier d’Argenvilles Abregé de la vie des fameux peintre (1745) wurde auf genau diesem Umstand mit der Implikation hingewiesen, dass viele der nordisch-europäischen Sprachen im Gegensatz zum Französischen lediglich für die eigenen Landsleute verständlich seien.112 Zweitens, zielten die Neologismen in der Teutscher Academie auf einen Paradigmenwechsel ab, der mit der Abkehr von der vornehmlich „platonisierend [klassizistisch]“ geprägten italienischen Kunstliteratur des 16. Jhs. einherging.113 Die wesentlichen Unterschiede in der theoretischen Diskussion der Druckgraphik im Vergleich zur Manieres de graver waren der formalen Struktur und inhaltlichen Ausrichtung der Teutschen Academie geschuldet: Im Gegensatz zur Manieres de graver legte Sandrarts Werk keinen Schwerpunkt auf eine systematische Verhandlung dieser Gattung, sodass die für die graphischen Künste im Allgemeinen und die Schraffur im Besonderen relevanten Passagen in einer synoptischen Zusammenführung zu einem größeren Ganzen zusammengefügt werden müssen. Aus dieser Ausrichtung des Werks an übergeordnete Fragen der Kunstproduktion sowie an den Lebens­geschichten der Künstler resultierte die verknappte Darlegung der Techniken von Kupferstich und Radierung, die sich vornehmlich auf die Vorbereitung der Platten konzentrierte. Bosse hingegen hatte diesen Teil der Kunstproduktion in extenso dargelegt.

109 Meurer 2015, S. 167. 110 So nennt er unter den Arten des Zeichnens beispielsweise als erstes die reine Konturzeichnung, für die er das italienische „schizzo“ als Synonym verwendet („Schizzi, gemeine Abriße. Profil. Umriße“). Von Sandrart 1675–1680, I, Buch 3, S. 59. 111 Maës 2009, S. 230. 112 „Les Allemends, les Hollandois & les Flamands ont écrit en leur Langue: qui les lira, hors de leur Pays?“, Journal des Thrévoux, 1745, in: Maës 2009, S. 230. 113 Klemm 1986, S. 39.

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Semantisierung

58  Simon Frisius (nach Hendrick Hondius): Priester in einer Landschaft

Wie genau dachte also Sandrart über Druckgraphik nach? In Anlehnung an Bosses vergleichbarer Lobpreisung in der Manieres de graver, führte er drei Künstler an, die er für meisterhaft erachtete: Simon Frisius, Matthäus Merian (1593–1650) und Jacques Callot.114 Wir wenden uns zuerst den beiden erstgenannten Künstlern zu. Für die Einordnung ihrer Druckgraphiken in die Teutsche Academie und die Frage nach Sandrarts Auffassung der ästhetischen Dimensionen der Schraffur in das textuelle und konzeptuelle Gefüge der Teutschen Academie ist die folgende Bewertung von besonderem Interesse, da anhand der Kontrastierung von Kunstwerken die Entfaltung spezifischer Terminologien und ästhetischer Urteile erfolgte. Entscheidend ist hier besonders die Neugewichtung der Begrifflichkeiten: So wurde der für Bosse zentrale Begriff der Klarheit („netteté“) als ästhetische Kategorie zur Beschreibung der Schraffur absorbiert und um ein ­terminologisches Feld an deutschsprachigen Quasi-Äquivalenten erweitert. Befördert wurde diese Adaption durch den Umstand, dass das deutschsprachige Pendant, nämlich „Nettig­keit“ und ihr Wortstamm „nett“, vor allem in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges an

114 Bosse 1645, S. 2.

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„aller Dingen Eigenschaft“: Terminologische Adaptionen

59  Matthäus Merian: Belagerung von Chur

Popularität gewann.115 Sandrart differenzierte und nuancierte hierfür das zuvor von Bosse ausschließlich für die Kupferstiche gebrauchte semantische Tableau: Er verwendete dafür u. a. die Begriffe „Sauberkeit/Glätte und Zärtlichkeit“.116 Tatsächlich sah Sandrart hierin wesentliche Eigenschaften von Bosses eigenen Radierungen.117 Erst vor dem Hintergrund der Übersetzungsleistung erklärt sich Sandrarts Beschreibung der Radierungen von Frisius und Merian (Abb. 58 und Abb. 59), die er wie folgt ausführt: Etwas ausführlicher aber von dieser Etz-Kunst zu handlen / so hatte Simon Frisius, ein Holländer / die Riße der radir-Nadel mit einer sonderbar-netten Sauber- und Zärtlichkeit geführet / wie in seinen Werken zu sehen / daß er dem Grabstichel wenig nachgegeben / auch das erste und beste Lob erhalten. Dieses ist aber nur von dem Gebrauch des Etzens / und nicht von der Zeichnung / zu verstehen. Ihme folgte zimlich nach /

115 Kluge und Götze weisen darauf hin, dass sich das Deutsche „nett“ aus dem Französischen „nette“ bildet; später entsteht aus dem Wortstamm dann das Englische „neat.“ Kluge/Götze [1889] 1953, S. 523. 116 Von Sandrart 1675–1680, I, Buch 2, S. 50. Cf. dafür auch Crispin van de Passes vergleichbares Begriffsfeld, das er in seinem Zeichenbuch verwendet: Van de Passe 1634, zit. n. Bolten 1973, Teil 1, u. a. S. 66. 117 Von Sandrart 1675–1680, I, Buch 2, S. 50.

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Semantisierung

­ atthaeus Merian von Basel / und brachte unzehlbar-­viele schöne Jagten / LandschafM ten / Feldschlachten und Historien / geätzet in Kupfer / mit absonderlich-­hurtiger / schöner und sauberer Manier / glatt und rein […].118 Zwei Aspekte sind in Sandrarts Rekontextualisierung von Bosses Terminologien entscheidend, nämlich der Umstand, dass Sandrart Bosses „Sauberkeit“ oder „Klarheit“ („netteté“) von der Gattung des Kupferstichs auf die Gattung der Radierung anwendete. Der zweite Aspekt ist wie ein symptomatischer Nebeneffekt. Aus dieser neuartigen Verschränkung der ­Radierung mit Terminologien, die bisher ausschließlich mit dem Kupferstich in Verbindung gebracht wurden, leitete Sandrart implizit ab, dass sich Bosses Überlegungen zu den Qualitäten des ‚geometrisch‘-linearen Stils auf diese Gattung ausweiten ließen. In einer übergreifenden Bewegung interpretierte Sandrart die von Bosse behauptete Besonderheit der Radierung, die darin bestand, dass die Gattung nicht perspektivischen Regeln unter­worfen sei. Diese Neugewichtung wird beispielsweise dann deutlich, wenn Sandrart im weiteren Verlauf dieser Beschreibung in Merians Radierungen zwar „unzehlbar-viele schöne ­Jagten / Landschaften / Feldschlachten und Historien / […] mit absonderlich-hurtiger/schöner und sauberer ­Manier“ erkennt,119 ihnen aber sogleich einen Mangel attestiert, der bereits von ­Leonardo als essentiell für perspektivisch korrekte Repräsentationen benannt wurde: einer­ seits das sfumato-ähnliche Auslaufen von Schatten in Licht mittels quasi-‚unsicht­barer‘ Schraffuren, andererseits die Abhängigkeit der Schraffurführung vom jeweiligen Darstellungsgegenstand.120 Ohne diese Überlegungen wie Bosse an ein komplexes Regelwerk der Bildgestaltung zu knüpfen, griff Sandrart die von Bosse behaupteten perspektivtheoretischen Prämissen des Kupferstichs auf und bettete sie in den Gesamtkontext der Teutschen Academie ein. Er kritisierte das vermeintliche Defizit der Schraffur in den Radierungen ­Merians: […] und wann nur die Endstriche auf dem Liecht nicht also stumpf und hart abgeschnitten / sondern nach Erforderung der Sachen selbst lind hin verloffen und zart aus gegangen wären / würde er damit alles verbessert haben.121 Diese Verzahnung der Radierung mit natürlichen Sehgewohnheiten („nach Erforderung der Sachen“) war entscheidend – ein ebenfalls von Bosse apostrophierter und an die Perspektivtheorie gebundener Aspekt. Diese Neugewichtung der Begriffe wandte Sandrart auf andere Künstler an, denn bezeichnenderweise erkannte er auch in Frisius’ Radierungen (Abb. 58) eine „sonderbar-[nette] Sauber- und Zärtlichkeit“. Diese „Zärtlichkeit“ war für Sandrart 118 Von Sandrart 1675–1680, I, Buch 2, S. 50. 119 Cf. Bosse 1645, S. xv f. 120 Dazu auch John Evelyn: „After him [Simon Frisius; Anm. E. B.] came the Swiss Matthew Merian, who, had he performed his heightenings with more tenderness, and come sweetly off with the extremeties of his hatchings, had proved an excellent master.“ Evelyn [1662] 1769, S. 68. 121 Von Sandrart 1675–1680, I, Buch 2, S. 50.

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60  Jacques Callot: Vogeljagd, ca. 1628–1635

j­edoch nicht, wie Bosse es vorschlug, auf der Imitation des Kupferstichs in der Radierung ­beschränkt und somit im Umkehrschluss primär Kennzeichen des Kupferstichs,122 sondern an die variable und gegenstandsgebundene Faktur der Graphik im Allgemeinen geknüpft. Diesen Gedanken demonstrierte er mit einer Gegenprobe. Für ihn beherrschte Callot – komplementär zu Merian – diese Adaption quasi-perspektivischer Prinzipien in der Radierung auf exzellente Weise (Abb. 60). Hier diente der Begriff der „Zärtlichkeit“ im doppelten Sinn als ästhetische Kategorie zur Charakterisierung der Linienführungen in Abhängigkeit vom Repräsentationsgegenstand. Um diesen Konnex zu verdeutlichen, wurde wie zuvor bei ­Merian die wortgleiche Formulierung aufgegriffen, nämlich dass die graphische Faktur „nach Erforderung der Sachen“ geführt werden solle: Hingegen ware Jakob Callot, ein Lothringer / dahin bedacht / seine Striche / theils ganz stark / theils ganz lind / und ingemein allezeit gegen dem Liecht sich zärtlich verlierend / zu machen / daß es mit dem Grabstichel nicht wol besser hätte geschehen können. Und mit diesem Unterschied / nach Erforderung der Sachen / brachte er herfür / was zuvor für unmüglich ware gehalten worden.123 Während Bosses, Frisius’ und Merians Druckgraphiken als einzige mit dem Begriff der „Zärtlichkeit“ nobilitiert wurden,124 erweiterte Sandrart die begriffliche Palette durch Beinah-­

122 „[…] il [Frisius; Anm. E. B.] a manié la pointe avec une grande liberté, & en ses hachures il a fort imité la netteté & la fermeté du burin […].“ Bosse 1645, S. xv. 123 Von Sandrart 1675–1680, I, Buch 2, S. 50. 124 Von Sandrart 1675–1680, II, S. 50.

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Äquivalente wie die „Zierlichkeit“, die er ihrerseits wiederum an eine suggerierte Regelhaftigkeit der Schraffur koppelte. So bemerkte er über seinen Zeitgenossen Lucas Vorsterman (1595–1675) im Zusammenhang mit einer scheinbar regelhaft geführten Schraffur, dass der Künstler „in seiner Manier / […] auf der Schraffierung gute Ordinanz / Achtung gegeben [hatte] / und daß die Strich lang auf ein ander mit schöner / Zierlichkeit des Grabstichels correspondiren.“125 Dass diese Verbindung von Schraffur und Regelhaftigkeit lediglich vordergründig gezogen wurde, offenbaren Vorstermans Kupferstiche. Sie legen gleichzeitig die Reibungen zwischen Sandrarts und Bosses Verständnis von Ordnung und Regelhaftigkeit der Schraffur aller Bestrebungen um eine terminologische Adaption offen. In der direkten Gegenüberstellung von Vorstermans nach Peter Paul Rubens (1577–1640) angefertigtem Kupferstich Büste des Plato (Abb. 61) mit Bosses etwa zeitgleicher Darstellung einer Büste in der Moyen universel (Abb. 57) zeigt Vorstermans Schraffur­führung ­einen Varianzreichtum, den Bosses schematische Darstellung vermissen lässt (Abb. 62). ­Bosses reduzierte sie auf eine möglichst minimale Varianz der Linienführung in Abhängigkeit von perspektivischen Prämissen in Form einer stringent geführten Parallelschraffur, die in Folge die Oberfläche der Büste zwar in scheinbar ‚natürliche Schraffuren‘ auflöste, jedoch gerade hierin notgedrungen die Grenzen des ‚geometrisch‘-linearen Stils offenlegen musste. Dieser Bruch wird zum einen anhand der intensiven Verlebendigung deutlich, die ­Vorsterman dem Motiv durch die Betonung von Aderläufen und kleinsten Härchen ­schenkte. Zum anderen zeigte seine Schraffurenführung im Bereich des Gesichts, wie sehr Kupferstecher in der ­Praxis einem grundlegend anderen Verständnis von geordneter Schraffur folgten als jenes, das Bosses Moyen universel offerierte. Vorsterman legte die Faktur nicht als strikt laufende und die Lichtregie des Bildes widerspiegelnde Parallelschraffuren an, sondern als intuitiv variiertes Netz feinster Parallel- und Kreuzschraffuren, die die zugrundeliegende Materialität der Büste aufgreifen – eine Materialität, die sich nicht in ein perspektiv­theoretisches Geflecht einbinden ließ. Die für die Werke von Vorsterman geschlagene Verbindung aus ästhetischem Wert („schöne Zierlichkeit“) und scheinbar systematische Faktur („gute ­Ordianz“) war somit mehr als nur Indikator einer ‚systematisch‘ auszuführenden Faktur: Sie war stärker als noch in Bosses Schriften ein rezeptionsästhetisches Charakteristi­kum der Graphik. Zwei weitere Überlegungen spielen eine Rolle: Die begriffliche Kopplung aus „Zierlichkeit“ und „Ordnung“ enthielt eine weitere Konnotation. Bereits zu Bosses und von Sandrarts Leibzeiten lagen den Begriffen „Zierlichkeit“, „Zärtlichkeit“ und „Sauberkeit“ der Beiklang von „Schönheit“ inne. Dabei konnte „Sauberkeit“ zudem die Nuancierung von „mäßig“ annehmen und somit den Bogen zum Bedeutungsspektrum der temperantia schlagen.126 Die Zuspitzung dieser hieraus resultierenden Beiklänge erfolgte in der Teutschen Academie indem Sandrart auf Hans Schäufelins (1480–1540) zeichnerischen Adaptionen des Stils seines Lehrers Dürer einging und die Schraffur als mühevolle und Geduld fordernde Leistung

125 Von Sandrart 1675–1680, II, Buch 3, S. 358. 126 Kluge/Götze [1883] 1953, S. 642.

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62  Lucas Vorsterman: Detail von 61

61  Lucas Vorsterman (nach Peter Paul Rubens): Büste des Plato, ca. 1630–1638

­ obilitierte – ein Leitmotiv, das sich bereits in zahlreichen Texten des 16. Jhs. wiederfand. n Über Schäufelins Zeichnungen berichtet Sandrart nämlich: Doch findet man einen großen Fleiß und Sauberkeit / in den meinsten seinen Werken. Er hat auch / in den Zeichnungen / den Albrecht Dürer so genau wissen zu imitiren / daß vielmals die bäste Kunst-verständige im zweifel gestanden / ob solche vom Dürer oder Scheuffelein gemacht seyen […].127 127 Von Sandrart 1675–1680, II, Buch 3, S. 373. Hierzu auch über Johann Georg Waldreich (gest. um 1680): „Er regiret seinen Grabstichel fürnemlich auf die Ausbildung seines Vornehmens mit einer

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Semantisierung

Darüber hinaus bindet die Teutsche Academie die Schraffur in einen bereits bekannten Kontext ein: chiaroscuro. Jenseits dieser mit ästhetischen Beiklängen belegten Terminologie lag Sandrarts vorrangiges Interesse an der Schraffur in ihrer mimetischen Wirkung und der chromatischen Darstellung von Objekten. In begrifflicher Anlehnung an die Tradition der italienischen Cinquecento-Literatur sind rundieren und erheben in der Teutschen Academie die in Bezug auf das chiaroscuro am häufigsten mit Schraffur, Perspektive und Optik in Verbindung gebrachten Begriffe.128 An mehreren Stellen zeichnet sich leitmotivisch ab, dass für Sandrart die Schraffur der lebensähnlichen Wiedergabe von Objekten dient, als läge ihnen naturähnliche Linien inne, die der Künstler lediglich in sein Werk übertragen muss, und als sei die Schraffur, wie er etwa über Guercinos (1591–1666) Zeichnungen berichtet, „ganz nach dem Leben ähnlich“.129 Da er auch hier nicht auf ein konkretes Kunstwerk verweist, bleibt es offen, ob er damit etwa Zeichnungen wie Guercinos Berglandschaft im Sinn gehabt haben könnte (Abb. 63). Mit kurzen, sich entlang der Form der Objekte schlängelnden Linien deutet Guercino die Vegetation an. Die stärker ausgeformten und dunkleren Partien des Blattes lenken dabei den Blick des Betrachters, während die zart schraffierten Elemente des Hintergrunds die Illusion eines Tiefenraums verstärken. Unabhängig von ihrer Verortung im Bildraum sind indes alle Bildpartien mit der gleichen fließenden Parallelschraffur gestaltet. Die Forderung jedoch, Kunstwerke sollen „ganz nach dem Leben ähnlich“ sein, durchzog implizit bereits seine Ausführungen zu Frisius’ und Merians Radierungen. Sandrart führt diese Kongruenz von Linie und Repräsentationsgegenstand in Bezug auf Michael Natalis (1610–1668) Kupferstiche weiter und verbindet ihn mit Überlegungen zum Helldunkel (Abb. 55). In der Zusammenführung von naturähnlicher Schraffur und chiaroscuro heißt es knapp, Natalis habe „vermittels seines Grabstichels / […] aller Dingen Eigenschaft / Art und Leben ganz naturäl beygebracht / und war auch kräfftig rondirt / und erhoben“.130 Insbesondere in der Zusammenschau mit Sandrarts Urteil über Vorstermans Kupferstiche fällt ins Auge, wie sehr die „gute Ordinanz“ der Schraffur131 weniger auf eine Ordnung im ­Sinne ­eines Regelsystems der Schraffur abzielte, als vielmehr auf eine spezifische Rezeptions­ ästhetik. Wie sehr Sandrart Aspekte der Manieres de graver vernachlässigte, demonstriert ­Natalis’ Maria mit Christuskind und Johannes dem Täufer (Abb. 56), die stärker als Vorstermans Büste des Plato (Abb. 61) eine Schraffurenführung im Sinne von Bosses’ Fadengittermodell visualisiert. Natalis griff hier nicht allein die von Bosse vorgeschlagene Parallelschraffur zur Repräsentation der Körper auf. Er nutzte auch dessen feine Punktierung („entre-deux“) zur

­großen Gedult / wormit er endlich seine Arbeit durch unterschiedliche Creutzschraffirungen / auch wol mit einfachem Stich / stattlich ausführet / daß es / wie schwarz in weiß gemahlt / wol erhoben und rondirt heraus komt / welches billich nach der Zeichen-Kunst aller Kupferstecher fürnehmste Arbeit seyn solle.“ Ebd., II, Buch 3, S. 365. 128 Zu Sandrarts Umgang mit Phänomenen des Lichts: Heck 2006, S. 257–269. 129 Von Sandrart 1675–1680, II, Buch 2, S. 199. 130 Von Sandrart 1675–1680, II, Buch 3, S. 361. 131 Von Sandrart 1675–1680, II, Buch 3, S. 358.

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63  Guercino: Berglandschaft, ca. 1640–1650

Ausbalancierung dieser Schraffurart, der Verlebendigung des Inkarnats und zur Erzeugung der von Sandrart gelobten Lichtregie. Nichtsdestotztrotz schien eine solche Orientierung der Faktur an Bosses Regelhaftigkeit an dieser Stelle für Sandrart nachrangig: statt eine Beschreibung im Sinne des ‚geometrisch‘-linearen Stils folgen zu lassen, betont er hier vielmehr die Wirkung des Bildes, seinen naturgleichen Effekt („aller Dingen Eigenschaft“) und das ­chiaroscuro („kräfftig rondirt / und erhoben“).132 Zweierlei fällt an Sandrarts ­Beschreibung 132 Dieser intensive chiaroscuro-Effekt der Druckgraphik wird auch in Alexander Brownes Ars Pictoria (1669) thematisiert, die Bosses und Sandrarts Vokabular widerhallen ließ: „First observe exactly and judiciously how your principle is shadowed, and how close the Hatches joyn, and how they are laid, and which way the light falleth or cometh; the light must fall all one way, for if the light fall side wayes in your print, you must hatch the other side which is farthest from the light darkest, and so place your lights altogether on the one side, and not confusedly to have the light come on both sides alike, as if it stood in the midst of many lights, for neither doth the light withall its brightness illuminate any more then that part that is directly opposite unto it, then observe exactly how close all the Hatches joyn, and how they are laid, and which way they twist and wind, then follow them as exactly as possibly you can, but before that you begin to Hatch or shadow, you must draw all the outmost lines with a Needle upon the ground, as Artificially as you can; and then you must shadow it with your Needles of severall sorts according to your principle, and when you will make a broad stroak, then break off the point of a great Needle and whet it upon an Oyl stone four square untill it comes to a point; and if you will hatch fine stroaks, then you must use fine pointed Needles; and if middle size, then break off the point of a middle size Needle, and whet it as aforesaid, and so according to all sizes.“ Browne 1669, S. 101 f.

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von Natalis’ Kupferstichen ins Auge: Zum einen wird die versuchsweise Einbindung der Schraffur in übergreifende rezeptionsästhetische Interessen deutlich. So ist es bezeichnend, dass in dieser Charakterisierung weniger der Verlauf der linearen Schraffur als vielmehr die daraus hervorgehende Bildwirkung in toto von Belang ist, nämlich als chiaroscuro. Unter diesen Vorzeichen konnte Sandrart mit sprachlichen Akkomodationen, die auf eine ­solche mimetische Repräsentation abzielten, mühelos eine Bandbreite druckgraphischer Stile ­fassen und in übergeordnete Leitgedanken seiner Teutschen Academie einfügen. Zur Mimesis zählte etwa Natalis Fähigkeit, „aller Dingen Eigenschaft“ einzufangen oder Callots und Merians Kunstfertigkeit, die Grabstichel und Radiernadel „nach Erforderung der Sachen“ zu führen.133 Zum anderen zeichnet sich damit einhergehend die Tendenz einer wiederholten Subsumierung der Schraffur unter ästhetische Paradigmen wie dem chiaroscuro ab. Damit wurde aller terminologischer Innovation auf dem Gebiet der deutschsprachigen Kunstliteratur und aller theoretischen Bestrebungen zum Trotz ein konzeptueller Rahmen gewählt, der sich an bereits bekannten Einbettungen der Schraffur in größere ästhetische Paradigmen orientierte und sie in ihnen aufgehen ließ. Die Subsumierung war doppelter Natur und betraf nicht allein übergreifende ästhetische Paradigmen, sondern zugleich auch die Ausrichtung der Schraffur an den oben genannten mimetischen Potenzialen. Dieser Umstand lässt sich eindrücklich anhand eines Beispiels in der Teutschen Academie illustrieren. Sandrart setzte nämlich diese verlebendigende Wirkung der Schraffur gegen einen Zeichenmodus ab, der für ihn an mimetischem Potenzial nicht zu übertreffen war, nämlich die Zeichnung auf farbigem Papier. Überraschenderweise ohne auf das sonst mit dieser Technik in Verbindung gebrachte chiaroscuro einzugehen, gestand er ihr das höchste Potenzial zu, dem Betrachter die perzipierte Welt zu vergegenwärtigen. Er exemplizifierte diesen Gedanken anhand von Claude Lorrains (1600–1682) blaugrundigen Zeichnungen (Taf. 18): […] Dieses [mit Farben / auf gegründt Papier und Tücher völlig nach dem Leben auszumahlen; Einschub E. B.] ist / meines dafürhaltens / die beste Manier / dem Verstande die Warheit eigentlich einzudrucken: weil gleichsam dadurch Leib und Seele zusammen gebracht wird. In den Zeichnungen wird hingegen alzuweit zuruck gelangen / da die wahre gestalt der Sachen nimmermehr also pur eigentlich heraus kommet.134 Ohne dies explizit zu problematisieren, war die Schraffur lediglich einer von vielen Modi, unter deren Einsatz mimetische Effekte in Kunstwerken hervorgebracht werden konnten. Sandrart unterwandert seine Bestrebungen einer neuen Terminologie der Faktur, so scheint es, sogleich selbst: Neben dieser – wenngleich lediglich implizit erfolgenden – Abgrenzung Hervorhebung übernommen. Abschließend rät der Autor seinen Lesern zu den gleichen stufenweise aufbauenden Schraffierungen, die bereits Bosse empfohlen hatte („some Masters when they make a bold stroak, hatch it fine at first, and so by degrees make them broader“). Ebd., S. 101. Hervorhebung übernommen. 133 Von Sandrart 1675–1680, II, Buch 3, S. 361 sowie ebd., I, Buch 2, S. 50. 134 Von Sandrart 1675–1680, I, Buch 3, S. 71.

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der Schraffur gegenüber nonlinearen Techniken der Zeichnung trat ein weiteres ambivalentes Moment. Dieses Moment gleicht einem Störfeuer in der Teutschen Academie. Es schloss an die hier skizzierten mimetischen Potenziale der Kunstwerke an und betraf die Termini – „Zierlichkeit“, „Zärtlichkeit“ etc. –, mit denen Sandrart die Werke wichtiger Kupferstecher und Radierer zu fassen versuchte. Auch hier griff das Prinzip der Subsumierung, denn die „Zärtlichkeit“ beispielsweise war kein Begriff, den Sandrart in der Teutschen Academie als Alleinstellungsmerkmal der Graphik verwendete. Dass es sich bei „Sauberkeit/Glätte und Zärtlichkeit“ für Sandrart um ästhetisch-kritische Kategorien handelte, die potenziell für jede Gattung der Kunst Verwendung finden konnten, belegt er mit zahlreichen Beispielen. Auch hier war wie im Fall von Frisius’ und Merians Radierungen die Orientierung der Begriffe an eine mimetische Wirkung entscheidend. So sollten Bildhauer etwa die Gesichter von jungen Figuren in Skulpturengruppen „rund/glatt/zart und anmutig“ gestalten,135 während der Landschafts- und Stilllebenmaler Franz de Hamilton (1623–1712) „mit seinen Farben überaus natürlich die Weintrauben / auch die Vögel sehr glat und zart [erdichtet]“136 und der Kupferstecher Raphael Sadeler (1560/61–1632) in „seiner Kunst sehr zart/natürlich/und fast unvergleichlich gewesen“ sei.137 Dass dies weit mehr als ein Charakteristikum der Linie war und gar als Ideal der Kunst gelten konnte, lässt Sandrart vermuten, indem er seine Über­setzung des Topos von Apelles’ feinen Linien mit diesem Begriff verknüpft. Die „Zärtlichkeit“ wurde auf diese Weise implizit nicht nur zur Quintessenz der Linie, sondern der Bild­künste im Allgemeinen erkoren. Lakonisch äußert Sandrart diese Überlegung: „Apelles, war in ­allem zierlich.“138 Ein Aspekt lässt sich trotz aller Bestrebungen um neue terminologische Zugriffe auf Druckgraphiken, ihrer Techniken und ästhetischen Potenziale kaum von der Hand weisen: Obwohl beide Schriften gänzlich anderen Ansprüchen genügen mussten, verweigerten sich Bosses und Sandrarts Terminologien gleichermaßen einer heuristischen Nutzung. In ihrer Rezeption lag im Verlauf des 17. Jhs. ein Widerspruch: Obwohl sich in den Dekaden nach ihrer Ersterscheinung keine weiteren Traktate in vergleichbarer Dichte den druckgraphischen Techniken und ihrer ästhetischen Eigenarten annahmen und die Manieres de graver und die Teutsche Academie in dieser Hinsicht keine direken Nachahmer im engeren Sinn beförderten, dienten einzelne Passagen dieser Schriften zahlreichen anderen Autoren als Vehikel für eigene Überlegungen und Konzeptionen. Unter diesen Autoren war beispielsweise der Schriftsteller und Kupferstecher Florent Le Comte (1655–1712), der die Ausführungen zur Druckgraphik in seinem Cabinet des singularitez d’architecture, peinture, sculpture, et graveure (1699) ausschließlich auf Bosses Schriften basierte. Für englischsprachige Autoren wie Bickham war vor allem der ikonische Gehalt der Linie von Belang, weshalb er nur Teile von ­Bosses Bild-

135 Von Sandrart 1675–1680, I, Buch 2, S. 30. 136 Von Sandrart 1675–1680, III, S. 77. 137 Von Sandrart 1675–1680, II, Buch 3, S. 355. 138 Von Sandrart 1675–1680, II, Buch 3, S. 57. Hervorhebung E. B.

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Semantisierung

tafeln übernahm (Abb. 24). Noch in Diderots Encyclopédie (1751–1780) findet sich unter dem Stichwort Gravure eine Quintessenz von Bosses Manieres de graver, die leicht erweitert wurde.139 Gleichzeitig indiziert De Lairesses Unkenntnis über Bosses Traktate – und kunst­ theoretischen Reflexionen der Druckgraphik im Allgemeinen –, wie wenig die Manieres de graver sogar in diesen Kreisen rezipiert wurde.140 Die Gründe für die zwiespältige ­Rezeption von Bosses und Sandrarts Reflexionen druckgraphischer Techniken und Ästhetiken sind vielfältig, lagen aber in Teilen in der sprachlichen Struktur der Schriften begründet, die ein schwer rezipierbares textuelles Geflecht ausbildeten. Bosses Texte waren u. a. von Neo­ logismen und biologischen Metaphern geprägt, die sich nicht ohne Weiteres erschlossen. Sandrarts Überlegungen zur Druckgraphik waren indes in einen breiten Kontext ästhetischer Reflexionen in der Teutschen Academie eingebunden und keinesfalls in thema­tisch separaten Kapiteln, weshalb die Schraffur – aller gegenteiligen Bestrebungen zum Trotz – erneut zum unfreiwilligen oder notgedrungenen Referenzpunkt für übergreifende ästhetische Paradigmen der Bildenden Künste wurde und vice versa. Sandrart verwies selbst auf diese Problematik. Im vollen Bewusstsein, dass keine kunsttheoretische Abhandlung jemals die Praxis ersetzen könne und künstlerisches Wissen als epistemische Form stets in der Kunst aufging, griff er in seiner Kritik an den Grenzen der Kunstlitertur den Begriff der „Zierlichkeit“ ein weiteres Mal auf und verband ihn hier mit rhetorischer Virtuosität, die nicht auf praktischem Wissen basiere. Er kam zum Schluss, dass der Künstler „[die] Vollkommenheit eines Werkes […] nicht durch das aussprechen hochtrabender Worte / oder Red-Zierlichkeit ohne Erfahrung / sondern durch rechte Wissenschaft und deren vollziehung / erlanget.“141

139 Eine Analyse des Lemmas Gravure in der Encyclopédie bietet: Pannabecker 1998, S. 50–58. 140 De Lairesse 1707, zit. n. Fritsch 1738, Buch XIII, S. 644. 141 Von Sandrart 1675–1680, I, Buch 3, S. 102.

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(In-)Kongruenz

„brutalite du graveur“: Zarte Schraffur (Teil II) Hand(-habung) – Instrument Die Beobachtung, der Linie läge das Potenzial inne, „aller Dingen Eigenschaft“ auszu­drücken, verwies auf einen Bilddiskurs, der sich im Kontext von naturwissenschaftlichen Darstellungen und Beobachtungen unter dem Mikroskop vollzieht. Die Naturkunde des 17. Jhs. änderte mithilfe optischer Linsen Sehprozesse und in einem zweiten Schritt das Bildverständnis grundlegend.1 Die prominenteste dieser Publikationen ist Robert Hookes (1635–1703) Micrographia (1665); weitere Protagonisten, deren Bildfindungen im Folgenden eine Rolle spielen werden, waren Jan Swammerdam (1637–1680) und Ulisse Aldrovandi (1522–1605). Das Sehen forderte in einem solchen neuartigen Modus unter der Zuhilfenahme des Mikro­ skops äquivalente Repräsentationsformen geradezu heraus. Damit ging die Aufgabe der graphischen Faktur einher, ihren abstrahierenden Charakter idealerweise auf ein Minimum zu beschränken.2 Zugleich wurde ein Leitmotiv des Quasi-Diskurses zur Schraffur aufgerufen, denn die „zarte“ Schraffurlinie war von zentraler Bedeutung, wenngleich der Anspruch, der an sie gestellt wurde, aufgrund des kontextuellen Wechsels von rein künstlerischem zu naturwissenschaftlich-illustrierendem Bildwerk im Kern ein anderer war: Während noch u. a. für Sandrart die Schraffurlinie im weitesten Sinn eine ‚optisch-indikative‘ Funktion annahm, stützten sich Mikroskopeure in ihren Bildfindungen auf ‚mimetisch-faktische‘ Forderungen. Ausgehend von dieser Prämisse, setzten sie sie auch bewusst gegen einen bestimmten Schraffurstil ab, der um 1600 u. a. im Umkreis von Jan Muller popularisiert worden war 1

2

Hierzu u. a. Alpers 1983, Bredekamp 2001, Leonhard 2007 sowie Wilson 2015, insb. S. 49–51. – ­Thomas Leinkauf geht sogar so weit, in der Erfindung des Fernrohrs ein technisches Initialmoment frühneuzeitlicher Philosphie- und Geistesgeschichte zu sehen: Leinkauf 2017, Bd. 1, S. 245–249. Cf. Daston 2015, S. 16 sowie Bredekamp 2001, S. 158. – Grundlegend etwa zu botanischen Darstellungen Nissen ([1951] 1966) sowie weiter zu naturwissenschaftlichen Darstellungen und ihren Fakturen: Daston 2015, insb. S. 20–28.

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(In-)Kongruenz

64  Jan Muller: Chilon, 1593

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„brutalite du graveur“: Zarte Schraffur (Teil II)

(Abb. 64). Mullers mit der Gattung der ‚Federkunststücke‘ in Verbindung gebrachter Chilon3 ist aus deutlich erkennbaren, überwiegend parallel laufenden, locker den Kurven der Figur folgenden und geschwungenen Schraffuren gestaltet. Für Bosse war diese Form der Schraffur charakteristisch für den Kupferstich, da er die Qualitäten der Linie ostentativ vor Augen stellte, nämlich als sich schlängelnde, biegende und prononcierte Bewegungen („hachures tournantes, grandes, grosse“).4 Besonders deutlich tritt diese Linientechnik auf Höhe der sich im Bildvordergrund befindenen Hand und im Bereich der Haare hervor. Für die Illustra­ tionen von Naturforschern hingegen wurde diese Technik der Druckgraphik zum Negativexempel eines graphischen Stils, der seinem Darstellungsgegenstand in keinerlei Hinsicht entsprach. Damit wurde – zumindest bis zu einem gewissen Grad – ein noch heute relevanter Diskurs zur Linie antizipiert: Mikroskopeure hatten ein besonderes Bewusstsein um die Doppelnatur der Linie, die stets zwischen „Selbstreferenzialität“ und „Repräsentation“ oszil­ lierte.5 Es war zugleich ein Widerspruch, an dessen Auflösung bildliche Illustrationen von naturwissenschaftlichen Beobachtungen aktiv zu arbeiten versuchten, um „eine Koinzidenz von ‚gezeichnetem Bild‘, ‚Sehbild‘ und ‚Objekt‘ […]“ anzustreben.6 Vor dem Hintergrund des veränderten Status des Bildes wurde auch die Rolle der künstlerischen Handhabung von Instrumenten grundlegend neu bewertet. Zwei andere Gesichtspunkte waren darüber hinaus von Bedeutung. Der erste lag bereits der u. a. von Armenini vorgenommenen Hierarchisierung zeichnerischer Techniken implizit inne, nämlich die Frage, welche künstlerische Technik mit welchem Zeitaufwand einherging. Zeit spielte im Kontext von Beobachtungen mit dem Mikroskop eine doppelte Rolle, denn die Geduld, die für die korrekte Beobachtung der Objekte vonnöten war, spiegelte sich direkt in der Geduld wider, die der Herstellungsprozess des Kupferstichs notwendigerweise voraussetzte. Beides wurde in Kongruenz zueinander gebracht. Damit wurde die bislang als Manko des Kupferstichs wahrgenommene technische Prämisse zum neuen ästhetischen Paradigma. Dieses ästhetische Paradigma schlug sich unmittelbar in Bildwerken nieder, denn bereits zu Lebzeiten wurde Robert Hookes (1635–1703) Micrographia (1665) für die feinen Texturen ihrer Bildtafeln nobilitiert („subtility of the composition of Bodies, the structure of their parts, the various texture of their matter“).7 Diese Nobilitierung war jedoch ambivalent: Die kleinteilige („subtil“), Geduld erfordernde Arbeit des Kupferstichs, die für die Repräsentation der Natur notwendig war, wurde zugleich als nicht zu erreichendes Ziel oder Ideal aufgefasst. Eine Quelle berichtet im Jahr 1705, in Nürnberg wurden Dentriten in Steinen erforscht, „indeme die Gestreuche so natürlich darauff gebildet sind / als sie nimmermehr von einem Mahler können gemachet werden / und so subtil, daß Kupfferstecher die Gedult haben wird / der-

3 4 5 6 7

Luijten/Schuckman 1999, Bd. 2, S. 16 sowie: Reznicek 1980, insb. S. 117 f. Bosse [1645] 1758, S. xvj. Rosand 2001, S. 2. Böhme 2016, S. 340. Anonym, Philosophical Transactions 1665–1666, Nr. 1, S. 27.

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(In-)Kongruenz

gleichen mit dem Grabstichel zuarbeiten.“8 Gleichzeitig wurde diese ‚mimetisch-­faktische‘ Wiedergabe mittels linearer Konstruktionen in Zweifel gezogen: Antoni van ­Leeuwenhoek (1632–1723)9 äußerte sich in einem Brief an seinen Verleger 1676 kritisch, indem er die Handhabung des künstlerischen Instruments zum entscheidenden Kriterium seiner Beobachtung erhebt. Die feinen Verästelungen der Bäume, die deren Wasserversorgung ermöglichen, könnten Leeuwenhoek zufolge unmöglich von Menschenhand wiedergegeben werden „(to express them [the very small Vessels; Anm. E. B.] in their natural perfection and order, just as they lye by one another, in my opinion, can never be done by the hand of Men“).10 Er benannte eine wesentliche Herausforderung, der er sich zugleich auch selbst stellen musste, denn seine eigene Beobachtungen unter dem Mikroskop waren für ihre mangelhafte Präzision in die Kritik geraten.11 Der hier gezeigte Nexus erstreckte sich auf die Beziehung von Auge und Bild im Allgemeinen und die Hand als das ‚Instrument der Instrumente‘ im aristotelischen Sinn gewann eine neue Bedeutung: Mit Blick auf den Stellenwert der Illustrationen für die Micro­ graphia, legte Hooke den Schwerpunkt weniger auf das alleinige Primat des Sehprozesses und ­nannte daher in der Einleitung die Hand des Künstlers respektive Mikroskopeurs an erster Stelle der Auflistung aller notwendigen Qualitäten, Fähigkeiten und Eigenschaften, die zum Erfolg ­eines solchen Werks beitrügen („a sincere hand, and a faithful eye, to examine and record the things themselves as they appear“).12 Implizit lag der von Hooke postulierten Zusammengehörigkeit von Hand und Auge eine Gleichartigkeitsbehauptung inne,13 die möglicherweise auf Hookes eigener künstlerischer Umsicht und Bildung basierte.14

  8 Leonhard Christoph Sturm (?): Des geöffneten Ritter-Platzes dritter Theil […] Besonders was bey Raritäten- und Naturalienkammern / Berg-Wercken / Kauffmanschaft Hauptsächliches und Remarquables vorfället, Leipzig 1705, S. 107, in: Felfe 2015 A, S. 136.   9 Laura Snyders Monographie (2015) zu Jan Vermeer und Antoni van Leeuwenhoek bietet einen ausgezeichneten Einblick in den historischen Kontext und intellektuellen Umkreis beider. 10 Van Leeuwenhoek 1676, S. 656. 11 Egerton merkt an, dass Hooke Leeuwenhoek in vielerlei Hinsicht weit voraus war; obwohl Leeuwenhoek eine Ausgabe der Micrographia besaß, war er des Englischen nicht mächtig und es bleibt fraglich, inwiefern er das Werk seines Kollegen nutzte: Egerton 2006, S. 47. 12 Hooke 1665, Preface, n. pag. Vergleichbares berichtet eine anonyme Quelle noch im Jahr 1702: Anonym (Sir C. H.) 1703, S. 1358. Ebenso wie der Blick voreilig und oberflächlich sein könne, charakterisiert der Autor seine eigenen Beschreibungen der Bilder als unzureichend („the annexed Figure […] will give you a better idea of it, than many words from an hasty Pen“). Ebd., S. 1363. – Zu Hookes Passage im Zusammenhang mit seinen Bildfindungsprozessen und speziell in Hinblick auf die Rolle des Mikroskops: Neri 2008. 13 Auch van Mander beschwört den Topos für Goltzius: Van Mander 1617, zit. n. Floerke 1906, Bd. 2, S. 164. 14 Doherty 2012, S. 211. Zu Hookes eigenen Zeichnungen und seiner Zusammenarbeit mit Waller: Kusukawa 2013, dort auch erstmals die Veröffentlichung dieser Blätter. Die Zeichnungen, von denen einige von Hookes Freund und Naturwissenschaftler Richard Waller (ca. 1650–1715) angefertigt wurden, werden heute als gebundenes Album in der British Library/London aufbewahrt (Ms. Add. 5262). Andere Zeichnungen von der Hand Hookes, die die Vorlage für einige der Tafeln in der Micrographia lieferten, finden sich heute ebenfalls in der British Library (Ms. Add. 57495). Zu Hookes zeichnerischen

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„brutalite du graveur“: Zarte Schraffur (Teil II)

65  Thomas Willis: Cerebri anatome […], 1664, Taf. 1

66  Thomas Willis: Cerebri anatome […], 1664, Taf. 2

Das Zusammenspiel von geschulter Hand und Exaktheit der Illustration wurde in seinem Umfeld oft betont. Die englische Übersetzung von Thomas Willis (1621–1675), Arzt und Begründer der Antomie, The Anatomy of the Brain and Nerves (1681)15 hob gleich auf den ersten Seiten der Einleitung die von Christopher Wren (1632–1723) gestochenen Illustra­ tionen hervor (Abb. 65 und Abb. 66). Willis zufolge erfassten sie die Exaktheit der Materie dadurch, dass sie von besonders geschulter Hand angefertigt wurden, sodass der Konnex von ­Hand(-habung) und Instrument auch hier betont wird („to delineate with his own most skilful hands, […] whereby the work might be more exact“).16 Eine anonyme Quelle berichtet noch im Jahr 1702 vom Zusammenhang von Hand und Auge in Hinblick auf die Handhabung technischer Geräte und die dafür erforderliche Geduld und Sorgfalt: There is more than an hasty cursory view required in observations of this kind, there must be patience and attendance, and some skill in managing the Glasses, Objects and

Praktiken und der Rolle des Bildes weiter: Neri 2008. – Auch Alpers sah eine Analogie zwischen den Tätigkeiten von Mikroskopeuren und Künstlern: Alpers 1983, S. 84. 15 Zuvor war es im lateinischen Original erschienen als Cerebri anatome (1664). 16 Willis 1681, n. pag., in: Bertoloni Meli 2008, S. 684.

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(In-)Kongruenz

67  Robert Hooke: Micrographia […], 1665, Taf. 2

Light to the best advantage, […] for I scruple not to say that a discerning and critical Eye, […] is gained and improved by Experience.17 Der Sehprozess im Zusammenspiel mit dem Mikroskop wurde auch kritisch reflektiert. Damit ging zugleich ein Bewusstsein für die Möglichkeit optischer Verzerrung einher. Diese zogen eine andere Form des Sehens und der Wahrnehmung nach sich, nämlich einen Seh­modus, der nicht der natürlichen Seherfahrung entsprach. Bezeichnenderweise wurden solche Beobachtungen ausgerechnet an Quasi-Graphemen exemplifiziert. Dies kehrte den Beobachtungsprozess insofern um, als dass hier kein Naturobjekt, sondern künstlerische bzw. typographische Elemente ins Zentrum traten. So beobachtete Hooke in seiner Micrographia etwa die Qualität eines gedruckten Punktes, der für das bloße Auge eine perfekte runde Form annahm, unter dem Mikroskop jedoch zerfurcht und ungleichmäßig wirkte (Abb. 67). Der typographische Punkt führt ihn weiter zu Beobachtungen über das geometrisch nächst­ größere Element, nämlich die Linie:

17 Anonym (Sir C. H.) 1703, S. 1358.

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„brutalite du graveur“: Zarte Schraffur (Teil II)

[…] we shall proceed to add one Observation more of a point commonly so call’d, that is, the mark of a full stop, or period. And for this purpose I observed many both printed ones and written; and among multitudes I found few of them more round or regular then this which I have delineated in the third figure of the second Scheme, but very many abundantly more disfigur’d; and for the most part if they seem’d equally round to the eye, I found those points that had been made by a Copper-plate, and Roll-press, to be as misshapen as those which had been made with Types, the most curious and smothly engraven strokes and points, looking but as so many furrows and holes, and their printed impressions, but like smutty daubings on a matt or uneven floor with a blunt extinguisht brand or stick’s end. And as for points made with a pen they were much more ragged and deformed […].18 Das hier verwendete Vokabular fängt den ersten Eindruck des Betrachters ein, der die scheinbar samtig-glatte Oberflächeneigenschaft des Drucks wahrnimmt („smooth“). Unter dem Mikroskop betrachtet aber „offenbarte […] eine Nadelspitze […] bizarre Aufwerfungen und Schraffuren“,19 die hier als Eins-zu-eins-Relation der tatsächlich aufgeworfenen Spur der Nadel wiedergegeben sind und daher „zerklüftet und deformiert“ wirken („ragged and deformed“). Mehr noch: Unter dem Mikroskop betrachtet würde alle unter natürlichen Sehbedingungen wahrgenommene Schönheit des Punktes („beauty“) einer verzerrenden Ansicht weichen. In seiner Beschreibung des physischen Punktes heißt es bereits einleitend und nicht gänzlich frei vom Erschrecken über seine Beobachtung:20 The surface of which, though appearing to the naked eye very smooth, could not ­nevertheless hide a multitude of holes, and scratches, and ruggednesses from being discover’d by the Microscope to invest it […]. […] So unaccurate is it, in all its productions, even in those which seem most neat, that if examin’d with an organe more acute than that by which they were made, the more we see of their shape, the less appearance will there be of their beauty.21 Zuvor stellte der englische Arzt Henry Power (1623–1668) in seiner Experimental Philosophy (1664) anhand einer gezeichneten Linie, die er unter dem Mikroskop observierte, eine ähn­ liche Beobachtung an. Das hierfür eigens angelegte Kapitel A Line drawn upon Paper ­verlässt

18 Hooke 1665, S. 3. Hervorhebung übernommen. Hooke versäumt es nicht, im Folgenden die Gründe für solche Mängel anzuführen: „The Irregularities of it are caused by three or four coadjutors, one of which is, the uneven surface of the paper, which at best appears no smother then a very course piece of shag’d cloth, next the irregularity of the Type or Ingraving, and a third is the rough Daubing of the Printing-Ink that lies upon the instrument that makes the impression.“ Ebd., S. 3. Hervorhebung übernommen. 19 Bredekamp 2002, S. 158. 20 Dazu auch: Leonhard/Felfe 2006, ins. S. 42 f. 21 Hooke 1665, S. 2. Hervorhebung übernommen.

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(In-)Kongruenz

68  Jan Swammerdam: Historia Insectorum Generalis […], [1669] 1685, Taf. 3

sich auf die Vorstellungskraft der Leserschaft, denn Power fügte seinen Ausführungen keine Illustration bei. Damit folgt er – ob wissentlich oder nicht – einem modus ­operandi der Kunstliteratur, der sich allein auf die sprachliche Evokation visueller ­Phänomene stützte. Er fasste das Beobachtete wie folgt in Worte: As these dioptrical Glasses, do heighten and illustrate the Works of Nature, so do they on the other side, disparage and depretiate those of Art: For as they shew the incomparable exactness of the former, so do they discover the flaws and deficiencies of the latter; for a right line either printed or drawn never so neatly upon paper appears all ragged, indented, and discontinued by the rugosities and seeming protuberances of the paper, in which likewise you may see whole clouds, as it were, of raggs the primitive materials thereof. […] [All] the letters appeared […] crooked and unhandsome.22 Dieses Zusammenspiel aus Naturbeobachtung und Handhabung des Grabstichels war richtungsweisend für Naturkundler des 17. Jhs.: Nur vier Jahre nach der Micrographia erschien im Jahr 1669 Swammerdams Geschichte der Insekten, die Historia Insectorum Generalis, die u. a. auf Marcello Malpighis (1628–1694) im gleichen Jahr erschienenen ­Dissertatio

22 Power 1664, zit. n. Boas Hall 1966, S. 53.

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69  Robert Hooke: Micographia […], 1665, Taf. 30

e­ pistolica de bombyce rekurrierte, dessen Fehler Swammerdam in seinen eigenen Werken zu korrigieren wusste.23 Ihre Vorgehensweise in der Bildvorbereitung war grundsätzlich unter­schiedlich: Während Malpighi zahlreiche vorbereitende Studien für sein Werk De bombyce selbst in minuziösen Kreidezeichnungen anfertigte, beauftragte ­Swammerdam hierfür erfahrene Kupferstecher. In seinem Todesjahr klagte er noch in einem Brief an den Naturforscher und Schriftsteller Melchisédech Thévenot (ca. 1620–1692) über die mangelnde Kunstfertigkeit der für die Umsetzung seiner naturwissenschaftlichen Beobachtungen von Insekten beauftragten Kupferstecher.24 Obwohl Swammerdam in seinem Brief auf eine konkrete Tafelnummer verweist, bleibt ungewiss, welches Bildwerk ihm missfiel. Möglicher­

23 Jorink 2011, S. 165 f. 24 Zudem benutzte Swammerdam tatsächlich nur in wenigen Fällen das jüngst erfundene Mikroskop und die meisten seiner Zeichnungen entstanden nach Beobachtungen mit dem bloßen Auge. Jorink 2010, S. 236.

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weise waren es jene, die für sein posthum erschienenes Opus Magnum, der Bybel der natuure (1737/38), bestimmt waren.25 Die Gegenüberstellung von Flügeldarstellungen in den Werken beider Naturwissenschaftler demonstriert jedenfalls ihr gleichermaßen starkes Bestreben, eine suggestive Kongruenz zwischen graphischer Faktur und natürlicher Membran der Flügel zu erzeugen (Abb. 68 und Abb. 69). Beide Kupferstiche deuten die feinen ­Härchen der Insekten durch eine ebenso feine Parallelschraffur an. Hookes Darstellung hebt diese Fakturen zudem durch die Kontrastierung mit einem dunklen Bildhintergrund hervor. Swammerdam kritisiert die mangelhafte Kunstfertigkeit der von ihm beauftragten Kupferstecher in seinem Brief an Thévenot wie folgt: Jay reçeu le microscope et les figures, mais c’est une brutalite du graveur, qu’il a fait dans la IV Tab. fig. VII dans la mesme mouche, deux ailes differentes, c’est contre la nature, et pienture: il faut cela sur tout corriger […].26 Swammerdams Bildideal lässt sich nur über Umwege erahnen: Neben Hookes Illustra­tionen zollte er in der Bybel der nature auch Jacob Hoefnagels (ca. 1573–ca. 1632) in Kupfer gestochenen Naturstücken der Archetypa studiaque patris (1592) Tribut und offenbarte damit implizit,27 wie für ihn das Gegenteil der Plumpheit des Kupferstechers („brutalite du graveur“) in Bildform aussieht (Abb. 70). Zugleich lässt sich anhand von Swammerdams Kritik ein Bogen zurückschlagen, denn hier wird ein bekanntes Leitmotiv der schriftlichen Reflexion graphischer Faktur anders gewendet. Als Armenini in De’ veri precetti della pittura (1587) die besondere Feinheit der druckgraphischen Schraffur („trattolini troppo minuti“) als ungeeignet für die Zeichnung beschrieb, erfolgte diese Einschätzung vor allem mit Blick auf arbeitsökonomische Aspekte der Zeichenpraxis. Swammerdam betrachtet seiner Profession entsprechend das Phänomen aus einem anderen Blickwinkel; während Armenini von einer allzu feinen Schraffur abrät, scheint diese für Swammerdam kaum erreichbar. Er betont daher mit klaren Worten, was in seinen Augen nur als Scheitern der verantwortlichen Kupferstecher angesehen werden konnte, nämlich eine Faktur, die jener von Armenini beschworenen Feinheit entgegensteht („brutalite du graveur“). Mehr noch: Denn das von ihm angesprochene Janusgesicht der Faktur, sowohl natürlichen als auch künstlerischen Prinzipien zuwiderzulaufen („contre la nature, et pienture“), war ebenfalls entscheidend. Diese Verzahnung von feinteiliger Faktur und exakter Natur­ beobachtung bzw. Handhabung des künstlerischen Instruments führte eine Tradition natur25 Jorink 2011, S. 168. – Diese Vermutung wird dadurch untermauert, dass er hier auch auf Hookes Micrographia Bezug nahm. Swammerdam 1737, S. 57. 26 Swammerdam 1680, in: Lindeboom 1975, S. 128 [„Ich habe das Mikroskop und die Tafeln erhalten, aber sie zeigen die Rohheit des Stechers, der in Tafel IV, fig. VII zwei Flügel der gleichen Fliege dargestellt hat; sie sind wider Natur und Malerei: das alles muss korrigiert werden […].“]. Dazu auch: Daston 2015, S. 21 f. 27 Swammerdam 1737, S. 54. Dazu auch: Jorink 2010, S. 190 f.

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70  Jacob Hoefnagel: Archetypa studiaque patris […], 1592, Taf. 6

wissenschaftlicher Darstellungen weiter, die kontinuierlich die mimetischen Potentiale und Voraussetzungen ihrer bildlichen Korrektheit reflektierten.28 Im Bewusstsein dieses Zusammenspiels und als ob er bewusst diese Spannung vermeiden wollte, favorisierte Ulisse Aldrovandi beispielsweise die Aquarellzeichnungen des aus Frankfurt a. M. stammenden Cornelius Schwindt (1566–1632) oder Jacopo Ligozzi (1547–1627) aufgrund ihrer minuziösen Detailliertheit (Taf. 19). Dabei blieben zahlreiche von Aldrovandis Publikationsprojekten Zeit seines Lebens unvollendet und erschienen posthum, sei es aufgrund der schieren Masse an gesammeltem Material oder aufgrund der immensen technischen Herausforderungen, die mit der Übertragung der Zeichnungen in den Buchdruck einhergingen. Da der Buchdruck notwendigerweise auf die lineare Ausgestaltung angewiesen war, holte die Drucklegung der Blätter die Linearität notgedrungen wieder ein. Obwohl Aldrovandis Generation von der Erforschung der Metamorphose in Ermangelung der dafür notwendigen technischen Mittel weit entfernt war, findet sich auch in seiner Zeichnungs28 Landau/Parshall 1994, S. 256. Grundlegend zu naturwissenschaftlichen Darstellungen: Ebd., S. 245– 259.

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sammlung der Hinweis darauf, dass diese inneren Funktionszusammenhänge von Bedeutung waren und später u. a. von Wren als Bildkonzepte aufgegriffen wurden (Abb. 65 und Abb. 66). Die zu Lebzeiten Aldrovandis ausschließlich im Medium des Holzschnitts gedruckten Bilder wichen für die posthum erschienenen Bände unter der Bearbeitung des heute wenig bekannten Künstlers Bartholomäus Ambrosinus minuziösen Holzschnitten bzw. Kupfer­ stichen, die die Farbbrillianz und den Detailreichtum der Aquarelle in nahezu äquivalente Bildformen übertrugen und ein zentrales Anliegen Aldrovandis in der Wissensvermittlung erfüllten (Taf. 20). Die visuelle Herausschälung dieser Funktionszusammenhänge betonte erneut und wortwörtlich zugleich auch den ‚funktionalen‘ Einsatz der Schraffurlinie. Wenngleich Aldrovandi selbst mit der Übertragung seiner Zeichnungssammlung in den Buchdruck haderte: Die Bildwerke in Aldrovandis Historia naturalem (1618) wurden noch von ­Dezallier d’Argenville in seiner L’histoire naturelle (1742) als besonders gelungene Illustrationen hervorgehoben („très-bien gravées“).29 Dieser von Dezallier d’Argenville lediglich implizit angedeutete funktionale Einsatz von Schraffur gewinnt im Kontext von mikroskopischen Beobachtungen – wortwörtlich – eine bisher ungeahnte Dimension. Denn gleich dem immer feinere, nahezu infinite Detailansichten der Dinge hervorbringenden Mikroskop, wurde in Analogie die Ausführung der Schraffur kontinuierlich zarter30 – und näherte die Führung der künstlerischen Hand und die Führung des wissenschaftlichen Instruments einander an.

lineamentum – natura designata Wie sehr das Bewusstsein um die ästhetischen und mimetischen Qualitäten der graphischen Faktur noch immer dem Desidertat eines differenzierten Vokabulars zu ihrer Beschreibung entgegenstand, lässt sich in Hookes Micrographia (1665) nachvollziehen. Hier zeigt sich, wie wenig die Schraffur im Besonderen, sondern vielmehr die Linearität des Bildes in einem allgemeinen Sinn von Interesse war. Das Interesse schlägt sich in der Nobilitierung diverser graphischer Subgattungen nieder, in denen die Linearität zentral war. Dabei handelte es sich vorranging um die Zeichnung („singular skill in delineating all sorts of Bodies“) und den Kupferstich („so curiously engraven by the Masters of that Art“). Beide wurden als gleichermaßen exzeptionell herausgestellt, ohne dass ihre ästhetischen Eigenheiten näher spezifiziert oder gar differenziert wurden.31 Zeichnung und Stich dienten primär als Vehikel für etwas Anderes, dergestalt, dass die Schraffur erneut Prozessen der Subsumierung und Kaschierung unterlag. Wenngleich unter dem Topos der ‚feinen‘ Faktur hier Vorbilder wie die Linie des Apelles aufgerufen wurden, war der Zusammenhang bei Swammerdam im Kern ein anderer. Wie bereits die Handhabung technischer Instrumente und das ästhetische Paradigma der Sorgfalt (diligenza) zu zentralen Kategorien dieser bildlichen Reflexion (nicht nur) künstlerischer Praxis wurden, wurde auch der Stellenwert der feinen graphischen Markierung in Bezug auf 29 Dezallier d’Argenville [1742] 1755, S. 13. 30 Ähnlich formuliert es auch Wilson 2015, S. 61. 31 Philosophical Transactions 1665–1666, Nr. 1, S. 28.

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mimetische Naturrepräsentation neu verhandelt. Swammerdam etwa zog in Anlehnung an das Spannungsverhältnis von Linie und Natur einen bestechenden Vergleich seiner eigenen Illustrationen mit der perfektionierten, überaus feinen Linienführung von Apelles. Er stellte dafür der Linie ihren fragmentarischen Teil gegenüber, dem bereits alle Qualitäten der gesamten Linie inhärent waren: De linien van Appeles doen al de wereld admirereeren, maar alhier sult gy in een gedeelte van eene linie de gansche structur van alderkunstigste Dieren, van het geheele univers te samen, als in een kort begrip opgesloten vinden.32 Swammerdams geht hier über einen simplen Vergleich mit der feinen Linienkunst von ­Apelles und Parrhasios hinaus33 und zieht eine Parallele zwischen der Möglichkeit des Mikroskops, immer feinere Ansichten hervorzubringen und einer Unterteilung der graphischen Linie in feinere Fragmente. Diskurse um die Frage der Repräsentierbarkeit der Natur­beobachtung spielten daher nicht nur auf kunsttheoretische Paradigma wie der feinen Linienführung an („subtilius lineas“).34 Swammerdams Kritik an der potenziell widernatürlichen Schraffur („contre la nature“) suggerierte, dass sich die Linien der Bilder geradezu als Pendant der Natur verhalten, aber andere Naturforscher kehrten dieses Verhältnis um. Aldrovandi beispielsweise bot hierfür ein Beispiel, denn für ihn entsprach das Bild nicht der Natur. Vielmehr brachte die Natur selbst bildhafte Äquivalente hervor. Darin gleicht die Vorstellung Bosses Fadengittermodell (Abb. 57). In seinem 1648 posthum erschienenen Mvsaevm M ­ etallicvm beschrieb Aldrovandi detailliert, wie unterschiedliche Mamorsorten (Abb. 71) selbst wie fein gezeichnet erscheinen („tam exilibus lineis fuerunt à Natura designata“).35 Wie die für Swammerdams Buchprojekte angefertigten Kupferstiche, in denen die graphische Faktur möglichst negiert werden sollte, suggerierte Aldrovandi, dass in den von ihm beschriebenen fossilen Einlagerungen die Abdrücke der Natur mit so feinen, vom Auge kaum wahrnehmbaren Linien in den Stein „gezeichnet“ seien. Die Betonung der von Menschenhand hervorgebrachten graphischen Linie („linea“) rekurrierte auf etablierte kunsttheoretische Topoi, die über Feinheit und diligenza hinaus­ reichen. Die hier angesprochenen Topoi betrafen zum einen die bild­lichen bzw. zeichnerischen Praktiken als solche, da sie seit Aristoteles’ Engführung die Begriffe lineamentum und disegno als Vehikel für den Bildprozess und speziell die Konturierung eines Bildgegenstands dienten.36 Die hieraus abgeleiteten Überlegungen über das etymologische wie ‚praxis­

32 Swammerdam 1737/38, in: Jorink 2011, S. 149. Hervorhebung E. B. [„Die Linien des Apelles werden allerseits bewundert, aber hier wird man in einem Teil einer Linie die vollständige Struktur der raffiniertesten Tiere wiederfinden.“ Übers. unter Zuhilfenahme der englischen Version: Ebd., S. 149]. 33 Plinius, Naturkunde, zit. n. König/Hopp [1978] 2013, Bd. 35. 34 Plinius, Naturkunde, zit. n. König/Hopp [1978] 2013, Bd. 35, S. 142 u. S. 144. 35 Aldrovandi 1648, S. 763. Für diesen Zusammenhang, auch mit weiterführender Literatur: Felfe 2015 A, insb. S. 122–141. Grundlegend zu Bild und Stein: Baltrušaitis 1984, insb. S. 55–89. 36 Hierzu auch: Burioni 2006, S. 11.

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71  Ulisse Aldrovandi: Mvsaevm Metallicvm […], 1648, S. 764

theoretische‘ Verwandtschaftsverhältnis von (Ein-)Schnitt (­„insculptam“) und bildlicher Linie („linea“) behaupteten bis weit in die Mitte des 18. Jhs. ihre Aktualität.37 So griff Ferrante Imperato (ca. 1550–1625/1631) diesen Gedanken auf und zog einen Vergleich zwischen der prozessualen und der bildnerischen Ähnlichkeit von Fossil und Kupferstich,38 während Dezallier d’Argenville eine der Tafeln in der 1755 erschienenen Neuauflage der L’histoire naturelle (1742) (Abb. 72) ganz im Sinne von ­Swammerdams Diktum beschrieb. Der kleinen von Dendriten geformten Landschaft mit Burgruine, die sich im Hinter­grund überhalb der fragmentarischen Naturstücke der Bildtafel präsentiert, sei in ihrem naturalistischen Gehalt weder „durch die Imagination“, noch durch den „Grab­stichel des Kupferstechers“ etwas hinzugefügt worden, was das Bild hätte verfremden ­können („sans que l’imagination ou de burin du Graveur leur ait rien prêté“).39 Unwissentlich griff Dezallier d’Argenville Problemstellungen auf, die bereits Swammerdam beschäftigten. Dieser hatte ebenfalls, wenngleich aus etwas anderen Gründen, betont, Kupferstecher seien in der Lage, durch ihre Kunstfertigkeit

37 Für die Analogie von Chirurgie und Kupferstich u. a.: Jorink/Ramakers 2011, S. 7 f. 38 Imperato 1599, S. 452. 39 Dezallier d’Argenville [1742] 1755, S. 239. Zu dieser Tafel auch: Baltrušaitis 1984, S. 79 f.

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„brutalite du graveur“: Zarte Schraffur (Teil II)

72  Antoine Joseph Dezallier d’Argenville: L’histoire naturelle […], [1742] 1755, Taf. 10

Bildgegenstände zu verfremden.40 Dezallier ­d’Argenvilles ­Tafeln bezeugten damit nicht nur eine spezifische, durch die Kunstfertigkeit der Kupfer­stecher nicht beeinträchtigte Form von Authentizität. Die ­prozessuale und bildnerische Ähnlichkeit von Kupferstich und Naturgebilde suggerierte ­Dezallier ­d’Argenville zudem durch die Beschreibung der ­Dendriten als überaus feine Gebilde („Cette matière […] forme les mêmes figures […], les unes plus nettes, plus marquées, les autres mois“).41 Nicht zufällig spiegelte er im Gebrauch der „Klarheit“ („­netteté“) ein zuvor von Bosse für den Kupferstich leitmotivisch verwendetes Vokabular zur Beschreibung ästhetischer Eigenwerte wider – Eigenwerte, die für Bosse unmittelbar an die Klarheit, Feinheit und Ordnung der Schraffur gebunden waren. All das waren aber Aspekte, 40 Swammerdam 1680, in: Lindeboom 1975, S. 128. 41 Dezallier d’Argenville [1742] 1755, 148.

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die zwar zumindest implizit und bis zu einem gewissen Grad eine Rolle zu spielen scheinen, jedoch ohne dass die Schraffur dieser Bilder an Bedeutung gewann. Sie trat erneut hinter den Stellenwert des Konturs – und der Linie im Allgemeinen – zurück („delineating all sorts of Bodies“, „­delineate with his own most skilful hands“ etc.).

„resemblance fort imparfaite“: macchia – Linie Wenngleich die aristotelische Verzahnung von lineamentum und disegno kontinuierlich neue Formen hervorbrachte, die die Linearität der Zeichnung betonten, lässt sich zugleich eine Gegentendenz beobachten. Die technisch aufwendigen, experimentellen Drucke des Radierers Hercules Seghers (ca. 1590–ca. 1638) etwa widersetzten sich nicht nur der begrifflichen Umschreibung mit Begriffspaaren wie Schraffur oder Kontur.42 Die Radierungen wurden ebensowenig überhaupt als lineare Kompositionen wahrgenommen, die sich mit Bosses Terminologie der ‚skizzenhaften‘ Radierung oder des ‚geometrischen‘ Kupferstichs fassen ließen. Zeitgenossen wie Hoogstraten reflektierten diesen Umstand, indem sie seine Werke als „gedruckte Gemälde“ beschrieben („want hy drukte ook Schildery“):43 Seghers nicht näher datierbare Radierung Das Grabmal der Horatier und Curiatier (Taf. 21) erscheint wie ein undurchdringbares Geflecht aus zwei deutlich voneinander abgegrenzten Farbflächen. Um diesen Effekt zu erzielen, wurde die schwarze Radierung des Vordergrunds – zu sehen ist eine Grabruine auf der linken, die von einer wuchernden Landschaft auf der rechten Bildseite verschlungen zu werden droht – mit einer nuancierten blauen Lavierung im Hintergrund kontrastiert. Die Details des Bildvordergrunds werden weniger durch eine schraffierte Ausgestaltung als vielmehr durch den geschickten Einsatz von Glanzlichtern geprägt, die die Farbe des Papiers offenlegen. Die Lenkung des Betrachterblicks auf einzelne Teile des Blattes, etwa die Baumkrone zur Rechten, löst die Fläche in abstrakte Flecken aus Hell und Dunkel auf. Die Lavierung des Hintergrunds umfängt die Radierung des Vordergrunds mit einem abgetönten Blauton, der zum oberen Bildrand graduell heller wird. Damit wurde zumindest andeutungshaft Raumtiefe suggeriert. Beide Bildteile erscheinen wie technische Varia­ tionen des grundsätzlich ähnlichen Gestaltungsprinzips, nämlich die Auflösung des Bild­ gegen­stands bzw. des Bildraums in eine fleckenhaft abstrakte Farbfläche (­macchia). Im Falle des Bildvordergrunds wird dies durch die Loslösung der einzelnen Linie von mimetischen Aufgaben befördert. Denn wie Hoogstraten implizit beschreibt, verschwand die ­Linearität von Seghers’ Radierungen ganz hinter dem vereinheitlichenden Eindruck des Dargestellten und orientierte sich hierin an Eigenschaften der Malerei. Seine Charakterisierung von Seghers’ Radierungen als „gedruckte Gemälde“ veweist auf die Zusammenführung zweier Gattungen und spiegelt zugleich zumindest implizit zentrale Eigen­schaften der kunstliterarischen Konzeption der macchia. Einer ihrer Definition zu­folge ­konnte sie schließlich sowohl 42 Die neuesten Untersuchungen zu Seghers’ Techniken bieten Ad Stijnmans Beitrag (2017) und mit besonderem Schwerpunkt auf Seghers’ Schraffurtechnik: Nakamura (2015). 43 Van Hoogstraten 1678, S. 312.

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­ esenseigenschaften der Malerei als auch der Graphik einfangen. Diese Verschmelzung W der Gattungen ließ zugleich künstlerische Techniken ‚konvergieren‘, indem sie die Faktur der einzelnen graphischen Linie und den Gesamteindruck der Malerei verband. Die macchia wurde gleichermaßen zur Annäherung wie auch zur Abgrenzung bestimmter Techniken bemüht und war damit in der Lage, Charakteristika des jeweils anderen zu implizieren. Hierin liegt möglicherweise einer der Gründe, weshalb etwa Baldinucci die macchia weniger anhand spezifischer Gattungen oder Techniken, sondern vielmehr im rezeptions­ästhetischen Sinn aufgrund ihrer Wirkungsweise interpretierte. In seinem ­Vocabolario toscano dell’arte del disegno (1681) fasste er diesen Gedanken auf folgende Weise: I Pittori usano questa voce per esprimere la qualità d’alcuni disegni, ed alcuna volta anche pitture, fatte con istraordinaria facilità, e con un tale accordamento, e freschezza, senza molta matita o colore, e in tal modo che quasi pare, che ella non da mano d’Artefice, ma da per sè stessa sia apparita sul foglio o su la tela […].44 Fragen nach der Annäherung graphischer Fakturen an andere künstlerische Techniken waren in Bezug auf neu aufkommende Gattungen wie die Landschaft von besonderem Interesse und widersetzten sich einem objektiven Naturalismus wie in Hookes Micrographia oder Swammerdams Historia Insectorum Generalis (…). Fragen nach den emulativen Potenzialen der Linie bestimmten ihre Reflexionen dennoch grundlegend. Die Schraffur wird, differenziert in ihre basalen Elemente von gerader und kurvierter Linie, beispielsweise von John Burnet (1784–1868) als Möglichkeit zur Emulation von Natur beschrieben. Burnet war selbst Maler, Kupferstecher und Radierer und verfasste mehrere Abhandlungen, darunter u. a. eine zu Rembrandt und das hier zitierte A Practical Treatise on Painting (1827). Die ­ideale Komposition resultiere, heißt es dort, aus einem ausgewogenen Verhältnis gerader und kurvierter Linien.45 Ihre ästhetische Wirkung lag gerade in der Offenlegung des linearen Abstraktionspotenzials und der skizzenhaften und daher abstrahierenden Verdichtung dieser Linien. Dabei gewann die lineare Qualität der Graphik weniger als Vehikel für etwas Anderes (Oberflächeneigenschaften etc.) als vielmehr als ästhetischer Eigenwert an Bedeutung und entfernte sich somit von einem für andere Bildaufgaben erhobenen Anspruch der Linie, eine möglichst hohe Ähnlichkeit zu ihrem Darstellungsgegenstand zu entfalten. Bis zu einem gewissen Grad legte auch Baldinucci diese Qualität in seiner Beschreibung der ­macchia an, nämlich als eine Art Unmittelbarkeit des Bildes („freschezza“). Während Sandrarts Ausführungen zu den Radierungen von Frisius, Merian und Callot (Abb. 58, Abb. 59 und Abb. 60) noch auf die möglichst große Ähnlichkeit von Faktur und Repräsentationsgegenstand im 44 Baldinucci 1681 B, S. 86 [„Maler benutzen diesen Begriff, um die Qualität verschiedener Zeichnungen, und manchmal auch von Gemälden zum Ausdruck zu bringen, die mit außerordentlicher Leichtigkeit und sehr fein abgestimmt und mit großer Frische, ohne viel Stift oder Farbe, gemacht wurden, sodass sie fast wirken, als seien sie nicht durch die Hand des Künstlers, sondern wie von selbst auf dem Papier oder der Leinwand erschienen […].“]. 45 Burnet 1827, S. 29.

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Sinne einer Wesensverwandstschaft abzielte, positionierten sich Bildwerke wie Lorrains Waldlandschaft (Taf. 22) gegen eine solche dezidiert mimetische Repräsentationsform. Sie scheinen stattdessen Baldinuccis Begriffsdefinition zu verbildlichen. Analog zu Seghers’ in chromatischen Nuancen wiedergegebenen Landschaftsradierungen löst Lorrains Waldlandschaft ihren Darstellungsgegenstand in dunkle – wortwörtlich im ­Sinne der macchia zu beschreibende – fleckenartig wirkende Farbflächen auf,46 die auf den ersten Blick wenig mimetische Präzisierung der Darstellungsobjekte offerieren. Sie führten Seghers’ Prinzipien einer vom Darstellungsgegenstand nahezu losgelösten Linie weiter, denn Lorrains Waldlandschaft beruht ebenfalls auf ihrem Andeutungscharakter und verzichtet auf allzu detaillierte Formulierung kompositioneller Elemente. Ähnlich wie in Seghers’ Radierung treten in der Waldlandschaft einzelne Elemente erst in der Zusammenschau der gesamten Komposition als erkennbare Formen hervor. Besonders deutlich machen das die beiden ungefähr auf der Bildmitte platzierten, ineinanderlaufenden schlängelnden Tusch­ linien, die nahezu wie losgelöst auf dem hellen Blattgrund zu liegen scheinen, aber als auskragende Teile der Baumkrone zu denken sind. Hinzu trat ein weiterer Gesichtspunkt, der in einen Zusammenhang zur ‚autonomen‘ Linie gerückt wurde, nämlich der ­chiaroscuro – ein Janusgesicht, das sich bereits in Seghers’ Grabmal der Horatiert und Curartier zeigte (Taf. 21). Ausgehend von einer Verbindung traditionell oppositionell verstandener Techniken, fand Lorrains intensiver chiaroscuro-Kontrast der Lavierung ein Äquivalent in der Radierung, wie die Kuhherde mit Landschaft aus dem Jahr 1638 demonstriert (Taf. 23). Das Blatt erweckt zunächst einen ähnlichen Eindruck wie Seghers’ Grabmal der Horatier und Curartier, denn die Klarheit der einzelnen graphischen Linie wird zugunsten dichter Linienflächen und -netze aufgegeben, die Formen lediglich schemenhaft andeuten – als läge über der gesamten Komposition ein feiner Schleier, der sie in einer sfumato-ähnlichen Verwischung auflöse. Ähnlich wie in der Waldlandschaft intensiviert Lorrain einige wenige Partien der Komposition in farblicher Tiefe, um trotz dieser Auflösung der Formen stellenweise Tiefenillusion zu kreiieren.47 Diese Raumillusion wird in beiden Blättern vornehmlich durch den intensiven, jedoch abstrahierenden chiaroscuro erzeugt, den der weitestgehend unbehandelte Bild­ hinter­grund im Kontrast zum Bildvordergrund hervorbringt. Obwohl die Waldlandschaft und die Kuhherde in Landschaft je mit gänzlich unterschiedlichen Techniken und Fakturen gestaltet wurden, eint sie ein wesentlicher Gesichtspunkt, der sie unter rezeptionsästhetischen Prämissen radikal von Techniken unterscheidet, die ihren Gegenstand explizit zu erkennen geben. Verdeutlichen lässt sich diese Abgrenzung in der direkten Gegenüberstellung von Techniken wie dem ‚Federkunststück‘, das figurale Details auch in extremer

46 Dies wurde jüngst auch von David Klemm treffend beobachtet: Stolzenburg/Klemm 2017, Kat. Nr. 54, S. 168. 47 Die Wesensverwandtschaft von Lorrains Zeichnungen und seinen Radierungen wurde zuletzt von ­Christian Rümelin (2015) betont.

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Nahsicht als solche deutlich ausweist, so etwa Corts Allegorie der Armut (Taf. 4). Im Gegensatz hierzu werden mimetische Details in Lorrains Kuhherde in Landschaft in der extremen Nahsicht verschleiert.48 Die Rolle des Sehprozesses war für die Neubewertung der Linie entscheidend, denn das Insistieren des undurchdringbaren Liniengeflechts (macchia) auf seinen Stellenwert als ebenbürtiges – und vor allem genuin graphisches – ästhetisches Paradigma, verwarf etwa zeitgleich etablierte Konzepte wie etwa Bosses Idee der linearen „Klarheit“ („netteté“) wie sie u. a. ‚Federkunststücke‘ demonstrierten. Die ästhetische Wirkkraft des chiaroscuro im Zusammenspiel mit der Linie wurde folglich betont: John Evelyn erkannte gerade in der Linearität das Potenzial, Helldunkelkontraste mittels Verdichtung und Entzerrung zu erzeugen, die über die grundsätzliche Nonlinearität des Darstellungsgegenstands hinwegtäuschen: In der Zusammenschau ihres Linienverbunds generieren sie ein den Blick des Betrachters fesselndes chiaroscuro („deceives the eye by the magic and innocent witchcraft of Lights and Shades“).49 Er griff so – ob wissentlich oder nicht – einen Gedanken auf, der sich bereits in Cochins Neuauflage von Bosses Manieres de graver fand, und deutete ihn radikal um. Dort wurde chiaroscuro unmittelbar mit der Kraft und dem Ausdruckswert des Kupferstichs in Verbindung gebracht („la force d’une estampe ne consiste pas dans la noirceur, mais dans la diminution ou dégradation des clairs aux bruns“).50 Chiaroscuro war hier nicht mit dem Potenzial der einzelnen Linie begründet, sondern mit der Perspektivität des Bildes und dem Ineinanderlaufen von Hell und Dunkel. Genau dieser Mangel an Perspektivität im mathematischen Sinn wurde zum Vehikel für Kritik. Der Landschaftsmaler und Geistliche William Gilpin (1724–1804) lehnte Lorrains fleckenhafte, macchia-artige chiaroscuro-Effekte in seinem Essay upon Prints (1768) ab, indem er vordergründig an eine gängige Kritik der Kunstliteratur anknüpfte, die die Un­ farbig­keit des Druckgraphik betraf.51 Sein Argument zielte nicht allein auf den Topos der Unübersetzbarkeit von Farbe und die damit für ihn einhergehenden Herausforderungen druckgraphischer Prozesse, äquivalente Bildlösungen zu offerieren („lines without colour, have frequently an effect very opposite to what is intended“).52 Die druckgraphische ­Linie geriet unter rezeptionsästhetischen Vorzeichen ins Kielwasser größerer Diskurse über die Ästhetik des Kunstwerks und speziell der Schönheit: Zentral für seine Überlegungen war daher das von ihm entworfene Konzept der „pittoresken Schönheit“ („picturesque ­beauty“), die er zu Beginn seiner Abhandlung in einem lexikonartigen Abschnitt zwecks der Definition aller im weiteren Verlauf wesentlichen Terminologien lakonisch und auf zirkuläre

48 Ähnliches beobachtete auch Emily Peters für Mellans Schraffur im Vergleich zu Dürers: Peters 2009, S. 40. 49 Evelyn [1662] 1769, S. 98. Hervorhebung übernommen. Dazu auch: Hunter 2010, S. 176. 50 Bosse [1645] 1758, S. 114. 51 Diese Kritik wurde u. a. anhand von Dürers Schraffur vorgenommen, die scheinbar nicht imstande war, Lokalfarben im Kupferstich wiederzugeben: Hamerton 1882, S. 70, ebenso in Bezug auf Hans Holbeins Holzschnitte: Ebd., S. 319 oder Lucas van Leydens Kupferstich: Ebd., S. 350 52 Gilpin 1768, S. 37. – Eine vergleichbare Kritik findet sich noch in der jüngeren Forschungsliteratur: u. a. Hans Jonas [1994] 1995.

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Weise als „peculiar kind of beauty, which is agreeable in a picture“ kategorisierte.53 Bezeichnenderweise leitete er diesen Schönheitsbegriff aus der Natur ab, die für ihn Bild­äqui­ valente hervorbrachte. Während unklar bleibt, ob er sich in dieser Formulierung auf William ­Hogarths (1697–1764) etwa zeitgleich erschienene Analysis of Beauty (1753) stützte, der in einem nahezu wortgleichen Passus ebenfalls versuchte, ästhetische Überlegungen mit dem ­chiaroscuro zu verbinden,54 griff Gilpin zugleich wesentliche Charakteristika auf, die sowohl die Waldlandschaft als auch die Kuhherde in Landschaft demonstrieren. Dazu zählten etwa die minimale Andeutung des Tiefenraums sowie die konstraststarke Lichtregie. Für Gilpin waren dies zentrale Kategorien der kunstliterarischen Reflexion der Malerei: We sometimes find good composition in them [Lorrains Radierungen; Anm. E. B.]; but little else. His execution is bad: there is a dirtiness in it, which is disgusting: his trees are heavy; his lights seldom well-massed; and his distances only sometimes observed. – The truth is, Claude’s talents lay upon his pallet; and he could do nothing without it.55 Claudes Radierungen seien deshalb, so die Gilpins Schlussfolgerung, nicht mehr als etwas, dem der richtige künstlerische Ausdruck fehle („dirty shapes of something, which he could not express“).56 Gilpin deutet hier die Rolle der Linie als Träger des „Ausdrucks“ lediglich an und ob seine Kritik an Lorrains Landschaften als „fleckenhaften Schmutz“ („dirtiness“, „dirty shapes“) als bewusste Adaption und Umwertung des macchia-Begriffs verstanden werden kann, bleibt offen. Eins wird jedoch deutlich: Im Hintergrund der unter quasi-­ rezeptionsästhetischen Prämissen erfolgenden Ablehnung von Lorrains Radierungen stand für Gilpin die Verzahnung von lineamentum und disegno („By drawing we mean the excactness of the out-line“)57 – eine erneute Betonung des Stellenwerts der einzelnen Linie, jedoch nicht als ästhetischer Eigenwert, sondern in Form des funktionalen, formbestimmenden Konturs, wenngleich dieser paradoxerweise in Lorrains Radierungen eine untergeordnete Rolle ­spielte. Damit ging eine Kehrtwende im doppelten Sinn einher: Gilpin rekurrierte auf den immensen Stellenwert des Konturs für die Bildkünste und drehte die Vorzeichen seiner eigenen Untersuchung um, denn hier rückte der ästhetische Eigenwert der graphischen ­Linie im Sinne eines spezifischen Schönheitsideals der Kunst („peculiar kind of beauty, which is agreeable in a picture“) zugunsten eines formfixierenden Konturs in den Hintergrund. In einem zweiten Schritt erklärte erst dieser Rückgriff auf das Paradigma des Konturs ­Gilpins Vorstellung der Schönheit des Bildes und seine Ablehnung der „fleckenhafter Formen“ („­dirty shapes“) in Lorrains Landschaftsdarstellungen – fleckenhafte Formen aus Linien­ 53 Gilpin 1768, S. x. Der einzige Künstler, dessen druckgraphische Landschaften diesem Anspruch an „Gefälligkeit“ genügen konnten, war Aegidius Sadeler (1570–1629). Ebd., S. 144. 54 Hogarth 1753, S. 91 f. 55 Gilpin 1768, S. 154 f. Hervorhebungen übernommen. 56 Gilpin 1768, S. 39. Auch hier knüpfte Gilpin sein Argument unmittelbar an Lorrains Gebrauch von Farbe in der Malerei. Ebenso: Nicholson 1820, S. 13 f. 57 Gilpin 1768, S. 20. Hervorhebungen übernommen.

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geflechten, die sich nicht mit dem Kontur in Einklang bringen ließen. Seine Auffassung des künstlerischen ‚Ausdrucks‘ bleibt in seinen eigenen Ausführungen über weite Teile der Abhandlung undefiniert und es lässt sich lediglich ex negativo ableiten, dass er primär die offen zutage tretende, klar gezogene Linie in Lorrains Graphiken vermisste. Zum janusgesichtigen Zusammenhang von Linie und chiaroscuro trat ein weiterer Aspekt, der am bewussten Zurschaustellen der graphischen Linie im Sinne einer konkreten (semantischen) Sinnzuschreibung anknüpfte. Eine solche Sinnzuschreibung im Sinne eines ‚graphologischen‘ Ansatzes wurde auf zunehmend systematische Weise im Verlauf des 19. Jhs. popularisiert, so etwa vom Drucker und Kunsttheoretiker Hamerton, demzufolge die Qualität der radierten Linie allein darin bestand, in Bedeutung aufzugehen („quality of an etched line depends on its meaning, and on that alone“).58 Die Veranschaulichung dieser Überlegung anhand der Radierung ist dabei kein Zufall; bereits Bosse schrieb der Gattung ‚skizzenhafte‘ Eigenschaften zu. Dezidiert graphologische Überlegungen und damit einhergehend ein vermehrtes Fragen nach dem künstlerischen ‚Ausdruck‘ zumindest waren seit jeher eng mit der Suche nach der ‚genuin graphischen‘ Qualität der Zeichnung verbunden – das ­Wesen der Zeichnung, mit dem ihre Bedeutung einherging.59 Den Interessen seiner Profession entsprechend, verband der Connoisseur Dezallier d’Argenville den ‚Ausdruck‘ der ­Zeichnung im Abrégé de la vie des fameux peintres (1745) mit einer speziellen Subgattung der Zeichnung, nämlich der Skizze („les esquisses“). Hierin unterschied sich sein Verständnis der macchia fundamental von Baldinuccis Definition des Begriffs, als dass sie nicht Zeichnung und Malerei analogisierte, sondern vielmehr bestimmte Aspekte der Definition aufgriff und zuspitzte. Dazu gehörten die Leichtigkeit, mit der die macchia angefertigt sei („istra­ordinaria facilità“) und die Bildwirkung („freschezza“). Für Dezallier d’Argenville waren ­Skizze und macchia synoynm, da die Linien der macchia „derart beseelt” („si spirituels“) seien, dass sie nicht imitiert werden können: Les premiers pensées, les esquisses faits d’un trait de plume ou de crayon, par la franchise de la main peuvent êtres regardées comme originales; les Italiens les appelllent Macchia. Ces traits simples & francs sont difficiles à imiter, ils sont si spirituels, qu’il manque toujours quelche chose aux copie que l’on en fait […].60

58 Hamerton 1876, S. 22. 59 In der Connoisseurship hielt sich dieser Gedanke bis weit ins 20. Jh. So schreibt Degenhart gleich zu Beginn der Einleitung seines bekannten Aufsatzes Zur Graphologie der Handzeichnung etwa: „Es ist seltsam, wie wenig über das Vorzüglichste der Zeichnung, das rein Zeichnerische […] geschrieben wurde […].“ Degenhart 1937, S. 225. 60 Dezallier d’Argenville 1745–1752, Bd. 1, xxx. Hervorhebung übernommen [„Die ersten Ideen, die Skizzen, die mit einem Feder- oder Kreidestrich angefertigt sind, können aufgrund der Freimütigkeit der Hand als Originale betrachtet werden; die Italiener nennen sie macchia. Diese einfachen und unmittelbaren Striche sind schwer nachzuahmen, sie sind derart beseelt („si spirituels“), dass stets etwas in der Kopie fehlt, die man von ihnen anfertigt.“].

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Diese Verzahnung von Skizze und macchia mag zunächst verwundern, beruhte aber womöglich darauf, dass sie im Kern vergleichbare Aspekte einten. Beide wurden mit bestimmten Formen des graphischen ‚Ausdrucks‘ in Verbindung gebracht, etwa Unmittelbarkeit und Spontanität – Kategorien, die noch heute Teile der Handzeichnungsforschung bestimmen.61 Ganz in diesem Sinn beschrieb Dezallier d’Argenville auch die unterschiedlichen Eigenschaften der gezeichneten Linie und schloss an die quasi-graphologischen Ideen von Theoretikern wie De Piles an: Dieser nahm sich in Les premiers elemens de la peinture pratique (1684) versuchsweise dem ‚Ausdruck‘ an und bot einen überraschend modernen Ansatz. Er brachte den repräsentativen ‚Ausdruck‘ der Linie mit der grundsätzlichen Inkongruenz zum realen Objekt in Verbindung („une expression spirituelle de traits qui ­doivent estre differents selon la diversité des objets qui se voyent dans la nature“).62 Zugleich war De Piles’ Konzeption des ‚Ausdrucks‘ („expression“) eine Kehrseite eingeschrieben: Der ‚Ausdruck‘ der Zeichnung („expression des desseins“) drückte sich nicht nur in ­einer quasi-­graphologischen Geste das Wesen des jeweiligen Künstlers aus, sondern zugleich den Charakter des Dargestellten selbst („l’expression vive & naturelle du sujet“).63 Dezallier ­d’Argenville verfolgte einen leicht anderen Ansatz: Während sich Schraffuren im Sinne einer eingeübten und ritualisierten Geste imitieren und reproduzieren ließen, galt für ihn selbiges nicht für die frei gezogene skizzierte Linie.64 Sowohl De Piles als auch Dezallier d’Argenville ­übergingen die komplexe Frage nach dem abstrahierenden Charakter der graphischen Linie, ihrer notgedrungenen Differenz zu jedem Repräsentationsgegenstand sowie ihres ästhetischen Eigen­werts. Das waren zugleich Fragen, die notgedrungen die Pole von Geste (des Künstlers) und Darstellungscharakter (des Bildes) miteinander verbanden und im Kern des linearen ‚Ausdrucks‘ standen. Einer der Gründe für dieses Schweigen lag in diesem Eigenwert der Linie begründet, der derart markant ist, dass er sich gleichermaßen der sprachlichen Semantisierung wie der rein künstlerischen Beschreibung gänzlich entzieht („very great difficulty there is in describing this line, either by words, or by the pencil“).65 Jenseits ‚graphologisch‘ relevanter Überlegungen lag dem Eigenwert der Linie eine ­weitere Bedeutung inne. Um diese zu erklären lässt sich eine Kehrtwende schlagen: Sandrarts Beschreibung etwa, derzufolge ausgerechnet Guercinos Zeichnungen (Abb. 63) einem „ganz nach dem Leben [ähnlichen]“ Naturalismus verschrieben seien,66 lässt sich möglicherweise erst an dieser Stelle erklären und knüpft erneut an die bereits skizzierte Dichotomie von ‚­freier‘ macchia-artiger Führung der Linie und Kupferstich-ähnlicher Schraffur des ‚Federkunststücks‘ an: Sandrart schien, ohne hier explizit bestimmte Bildwerke zu benennen, nicht die Ähnlichkeit der Linienführung im ‚Federkunststück‘ im Sinn gehabt zu haben, das 61 62 63 64 65 66

Hierzu zuletzt: Bojilova 2021 B. De Piles 1684, S. 29. De Piles 1699, S. 68. Dezallier d’Argenville 1745–1752, Bd. 1, xxvij. Hogarth 1753, S. 50. Von Sandrart 1675–1680, II, Buch 2, S. 199.

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paradoxer­weise gerade mittels der abstrakten Linie eine möglichst große Nähe zur natürlichen Perzeption des Menschen entfalten sollte. Vielmehr wird eine eine Ähnlichkeit adressiert, die ihre Inkongruenz zum Dargestellten immer schon offenlegt. Eine solche Inkongruenz war tatsächlich etwa zeitgleich von René Descartes (1596–1650) beschrieben worden, der seine Überlegungen zur Rezeption der dinglichen Welt, zum Sehen und zur Repräsentation des Eindrucks mit einer Metapher der Welt als (schraffierter) Kupferstich verbalisierte.67 Wie es etwa zeitgleich Bosse mit seinem Entwurf des Fadengitters (Abb. 57) versuchte, lässt auch Descartes in seinen Überlegungen die Welt selbst annäherungsweise als lineares Graphem erscheinen. Die überraschende Aktualität von Descartes’ Feststellung spiegelt sich noch heute in kunsthistorisch gegenwärtigen Debatten um den Status des Bildes. So schreibt er: Comme vous voyés que les tailles-douces n’estant faites que d’un peu d’encre posée ça & là sur du papier, nous representent des forets, des villes, des hommes, & mesme des batailles, & des tempestes, bien que d’une infinité de diuerses qualités qu’elles nous font concevoir en ces obiets, il n’y en ait aucune que la figure seule, dont elles ayent proprement la resemblance. & encores est-ce une resemblance fort imparfaite, vû que sur une superficie toute plate, elles nous representent des cors diversement relevés […]. […] [En] sorte que souvent, pour estre plus parfaites en qualité d’images, & representer mieux un objet, elles doivent ne luy pas resembler.68 Im Sinne der von Descartes beschriebenen Unähnlichkeit verhalten sich Lorrains Landschaftsdarstellungen (Taf. 22 und Taf. 23) und Guercinos Berglandschaft (Abb. 63) wie zwei technisch unterschiedliche Seiten der gleichen Medaille: Der ästhetische Reiz graphischer Markierungen in Lorrains Radierungen wird gerade dadurch potenziert, dass Schraffur nicht lediglich in ihrer klaren Linearität mimetische Eigenschaften entwickelt. Sie ist eine „unvollkommene Ähnlichkeit“ („vne resemblance fort imparfaite“) und entzieht sich sogleich dieser Klassifizierung aufgrund der fließenden Grenzen des Janusgesichtes ‚optisch-indikativ‘ und ‚mimetisch-faktisch‘. Einmal mehr geht damit auch eine Unmöglichkeit der konkreten Verbalisierung einher, denn die Sprache des Betrachters ist notgedrungen gezwungen, die

67 Hierzu auch in einem größeren Kontext von Descartes’ Schriften: Keating 1999, zur Metapher des Kupferstichs ebd., insb. S. 417–423. 68 Descartes 1637, S. 33 f. [„Betrachten Sie zum Beispiel einen Kupferstich. Er ist dadurch entstanden, daß man hier und da ein wenig Tusche auf Papier gebracht hat, und doch zeigt er uns Wälder, Städte, Menschen ja sogar Schlachten und Geschütze. Obgleich eine Unzahl verschiedener Einzelheiten uns die Gegenstände erkennen lassen, gibt es doch keine einzige Gestalt, der die völlig gleichen. Und das ist auch noch eine sehr unvollkommene Ähnlichkeit, wenn man berücksichtigt, daß diese Stiche uns auf einer völlig ebenen Fläche Körper darstellen, die sich mehr oder weniger aus ihr herausheben […]. […] So dürfen oft Bilder, um in ihrer Eigenschaft als Bilder vollkommen zu sein und die Gegenstände besser darzustellen, diesen häufig gerade nicht gleichen.“ Übers. n. Leonard/Felfe 2006, S. 29]. – Zu Descartes und der Rolle des Bildes ferner: Larsen 1964.

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Simultanität der Linienverbände in ‚narrativ-lineare‘ Einzelelemente zu unterteilen,69 die als solche zwar beschrieben, aber nicht dem ständigen Changieren des Betrachterblicks gerecht werden können. Dieser sich der Versprachlichung immer wieder entziehende Eigenwert der Linien – ­changierend zwischen Faktur ihrer Einzelform und des zum chiaroscuro verdichteten Linien­ verbunds – lässt sich eindrücklich anhand Leonardos Studie zur Anna Selbdritt demonstrie­ ren (Taf. 24). Hier verschwinden die Linienbündel hinter der Dichte des Bildgegenstands und verweigern sich in dieser extremen Form der Überlagerung von pentimenti etablierter Implikationen perspektivischer Darstellungen. Die macchia berücksichtigte und ermöglichte gerade auf Grundlage dieser definitorischen Flexibilität die extremsten Formen der linearer Faktur – nämlich jene, die sie wie in Leonardos Studie zur Anna Selbdritt bis an die Grenzen der Erkennbarkeit treiben. In diesem Sinn rekurrierte die Faktur mithin auf bereits zuvor aufgezeigte Formen der graphischen Verdichtung, nämlich all jene, die insbesondere die Produktionsästhetik der Zeichnung betreffen. Während die Schraffur auf dem Recto der Zeichnung kaum mehr als solche erkennbar ist und der Kontur in quasi-sgraffito-artiger Manier eingeritzt wurde, sind auf dem Verso die Konturen der Figurenkomposition säuberlich nachgezogen worden (Taf. 25). Das Recto des Blattes lässt keine Verwendung der Linie im Sinne eines Ähnlichkeitsprinzips erkennen; es schöpft gerade hieraus seine expressive Kraft. Auf der einen Seite greift das Werk auf diese Weise die Dichotomie von Schraffur und Kontur auf und visualisiert das Antonym der Schraffur, auf der anderen demonstriert sie eine Umkehrung der ästhetischen Eigenheiten, die den Zeichenmaterialien auf kunstliterarischer Seite oftmals zugeschrieben wurden: Weder verdichtet die Kreide, noch indiziert die Feder klare Formen: Hier ist es der harte, schmale Strich der Kreide bzw. des Rötels, der Details und Schraffurengebilde anzeigen kann, während sich die Schraffur bei einem breiten Strich in eine plane Fläche oder der Verdichtung aufzulösen scheint. Damit wird sogleich eine andere Facette der Subsumierung der Schraffur beschrieben: Sie verschwindet im übertragenen Sinn nicht, wie zuvor beschrieben, in einer Vielzahl divergierender Termini, die die frühneuzeitliche Kunstliteratur für sie gefunden hat, sondern in der Masse der aufgetragenen Linienverbände, im Überbordern der eigenen medial bedingten Faktur. Im intensiven, durch die Überlagerung mehrerer Linienverbände generierten chiaroscuro der Kompositionsstudie tritt erneut die Wesensverwandtschaft von Malerei und Graphik zutage, denn hier schien die Schraffur wesentliche Merkmale der lasierten Malerei ganz im Sinne der macchia zu adaptieren. Bosses Vorstellung, dass selbst in der Überlagerung der Kreuzschraffur noch ein gewisser Grad an „Klarheit“ („netteté“) der Faktur bestehen bleibt, wird hier konterkariert. Die ästhetische Wirkkraft der Anna Selbdritt (Taf. 24) besteht gerade in der Verunklarung der Figuren­ komposition. So bildet die verdichtete Faktur wie sie hier beschrieben wurde, auch einen

69 Baxandall 1979, S. 459.

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„resemblance fort imparfaite“: macchia – Linie

Gegenpol zu anderen bereits beschriebenen Ausprägungen der Verdichtung graphischer Fakturen. Leonardos Beobachtung, derzufolge perspektivische Verflüchtung im Bild so gestaltet sein sollte, als erschiene sie gleichsam ohne Fakur („sanza tratti“), ist hierfür ein gutes Beispiel. Doch gerade diesem in der Schwebe haltenden sfumato ist eigen, als „suchender, ‚oszillierender‘, unabschließbarer Vorgang“ zu erscheinen.70 Die Ambivalenz dieses Oszillierens liegt in der Kraft der einzelnen, hier bis zur Unkenntlichkeit verdichteten Linie sowie im Rezeptionsvorgang begründet: Während sie in der Fernsicht für das Auge kaum mehr wahrnehmbar erscheint und ein intensives chairoscuro wie in Lorrains Radierungen (Taf. 23) hervortreten lässt, liegt ihr Reiz in der Nahsicht in der Umkehrung dieses Effekts. Mit dem bewussten Suchen des Betrachterblicks nach der einzelnen Linie geht sein Versenken in Liniengeflechte einher. Der Rezeptionsakt der Anna Selbdritt ist somit gerade deswegen von einem uneindeutigen, schwer zu semantisierenden Moment gekennzeichnet, das aufgrund dieser sprachlichen Herausforderung den Eigenwert des Bildes unterstreicht. Der Eigenwert der Linie wiederum hatte eine an zwei Extreme ausgerichtete Doppelnatur: Er entstand paradoxerweise gleichermaßen im Moment des Nachvollzugs der einzelnen Linie wie auch im Aufgehen der Linie im Geflecht des Schraffurverbands.71 Denn obwohl die einzelne Linie in der verdichteten Komposition bis zur Unkenntlichkeit getrieben wird, ist der Betrachter geneigt, gerade in dieser Verdichtung die Spur und den ,Ausdruck‘ der einzelnen Linie zu suchen.72

70 Fehrenbach 2002, S. 541. 71 Dazu: Rosand 2001, S. 154. 72 In jüngster Zeit widmeten sich zahlreiche kritische Beiträge der ‚ausdruckhaften‘ oder auch ‚expressiven‘ Linie, darunter: Bohde 2013 und 2018 B.

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Verdichtete graphische Spur und ‚Ausdruck‘ spielten eine besondere Rolle für den ­Mezzotinto, der in der Mitte des 17. Jhs. erfunden wurde. Die Technik bediente sich verschiedener Werkzeuge, die im Gegensatz zum Grabstichel keine lineare Spur hinterließen. Die im Intagliodruck durch die Schraffur erreichten Effekte lösen sich im Mezzotinto in kleine Minimal-Spuren und Punkte auf, sogenannte Mezzotintokörner. Das Verfahren arbeitet allein aus der chromatischen Auflösung der Flächen, Formen und Farben heraus. Bereits mit den ersten kunsttheoretischen Überlegungen zu dieser neuen Technik bestand das Bewusstsein um die Dualität von Punkt und Linie, die für den Mezzotinto maßgeblich werden sollte. Durch die neuen technischen Möglichkeiten löste sich die Schraffur in den kleinstmöglichen Bestandteil der Linie auf, nämlich den Punkt. Die intensive Betonung der samtigen, in kaum mehr wahrnehmbare Punkte aufgelöste Bildoberfläche des Mezzotinto lässt sich durch eine Beobachtung aus der Geometrie ergänzen, die das Verhältnis von Punkt und Linie nochmals wendet. Denn gleichzeitig kann hier im übertragenen Sinn eine Beschreibung des Punktes gesehen werden, der weder körperliche Masse, noch Ausdehnung oder Form besitzt.1 Einen ähnlichen Gedanken hatte zum Ende des 16. Jhs. ­Romano Alberti für die Linie stark gemacht; er charakterisierte die Umrisslinie als substanz­ lose Entität.2 Wenn man so will, mündet zumindest ein bestimmter Teil der frühneuzeitlichen Geschichte der Schraffur dort, wo sie ihrem linearen Wesen der geometrischen Definition zufolge nach entspringt: im Euklid’schen Punkt. Der Mezzotinto leistete damit etwas, das der lineare Intagliodruck nicht vollends konnte: Hier sind die in Mezzotintopunkte aufgelösten Linien wortwörtlich „ohne Schraffur“ auf das Papier aufgetragen („uniti sanza tratti“).3

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Euklid, Elemente, I.1., zit. n. Thaer 1971, S. 1. Zu dieser Problematik, insb. in Hinblick auf künstlerische Praxis: Felfe 2015 B, insb. S. 168–181. Alberti 1594, zit. n. Barocchi 1973, Bd. 2, S. 2042. Leonardo da Vinci, Trattato della pittura, § 67, zit. n. Ludwig 1882, Bd. 1, S. 128–130.

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Der Mezzotinto und die damit verbundenen neuen Möglichkeiten der Druckgraphik wurden intensiv diskutiert: Radierer wie Hamerton notierten im 19. Jh. einen Niedergang der Itaglio­ techniken („degradation of line-engraving“),4 die von einer übermäßigen Reflexion von ­Linie und Schraffur ermöglicht wurden, da durch das enge Korsett des Regelwerks keinerlei gestalterische Freiheiten für Künstler blieben. Nicht nur die Schwierigkeit der Ausführung eines Kupferstichs, sondern auch die seines Erachtens dogmatisch gewordene Anweisungen und Theorien hemmten die künstlerische Freiheit. Hamerton fasste seine Überlegungen folgender­maßen zusammen: The mechanical difficulties of line-engraving are so great that they have naturally absorbed much of the attention of line-engravers – so much that the conquest of mechanical difficulty has been too often regarded by them as the chief aim of their lives, to the neglect of artistic qualities. The degradation of line-engraving was complete when a tradition had at length regulated every method of interpretation, and, leaving nothing to the instinct and feeling of the workman, prescribed for him where to put thick lines and thin lines, and lonzenges with dots in the middle. Having attained skill in a difficult handicraft, the engravers became proud of their accomplishements, and, forgetting that the only rational use of them could be the interpretation of artistic ideas, took to displaying them for themselves, without reference to either nature or art. To cut lines regularly and put dots neatly became an aim in itself.5 Hamerton sprach nicht nur Aspekte an, die für die frei gezogene Linie und ihre ästhetische Aufwertung zentral werden sollten („instinct and feeling“). Er sprach zudem die Spannung zwischen der Zurschaustellung künstlerischer Virtuosität um ihrer selbst Willen („displaying them for themselves“, „an aim in itself“) sowie zwischen Kunst und Natur an („without reference to either nature or art“). Der vermeintliche Niedergang des Intagliodrucks katalysierte seiner Meinung nach den rasanten Erfolg des Mezzotinto ab der Mitte des 17. Jhs. – eine Technik, die sich speziell in England großer Beliebtheit erfreute,6 da sie vermeintlich leichter zu erlernen war als die traditionellen Intagliotechniken. Dieser Punkt wurde nahezu instantan von der Kunstliteratur reflektiert.7 Der Diskurs zur neuen Drucktechnik drehte sich

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Hamerton 1876, S. 17. Hamerton 1876, S. 17. Hervorhebung übernommen. Als weiteren Grund des Verfalls der Intagliokunst nennt er den immensen Zeitaufwand, den es zur Herstellung eines Kupferstichs im Gegensatz zum Mezzotinto braucht, und den damit einhergehenden finanziellen Aspekt: Hamerton 1876, S. 18. Griffiths (1989) bietet exemplarisch Einblick in den Vertrieb der Drucke im England des 17. und 18. Jhs. Auch umfangreiche, in der Mezzotintotechnik gedruckte Sammelbände im 18. Jh. waren lediglich für den britischen Markt bestimmt und fanden in Zentraleuropa keine Verbreitung. Rubinstein konnte dies für das Publikationsprojekt Houghton Gallery nachweisen: Rubinstein 1991, S. 4. Von Sandrart 1675–1680, I, Buch 3, S. 101. Der Schriftsteller Horace Walpole (1717–1797) ging einen Schritt weiter und stellte in Abrede, dass der Mezzotinto den Kupferstich jemals im entwicklungsgeschichtlichen Sinn übertreffen könne. Über die Erfindung des Mezzotinto schreibt er abwertend und lakonisch: „Indeed, curious as the discovery was it did not produce all it seemed to promise; it

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über weite Teile um die Frage, wie sie sich zu den älteren Intagliotechniken und damit zur ‚traditonellen‘ Technik der Schraffur verhält. Zugleich machte diese instantane Reflexion des Mezzotinto aufgrund der speziellen Fakturen der Gattung die Etablierung eines Vokabulars zur Beschreibung ästhetischer Effekte unabdingbar. Bereits die ersten Beschreibungen der neu aufkommenden Technik stützten sich paradoxerweise auf ein wohlbekanntes semantisches Tableau etablierter druckgraphischer Verfahren, obwohl sich der Mezzotinto von ihnen absetzen wollte: John Evelyn etwa machte sich für sein Werk Sculptura (1662) zum Ziel, den Mezzotinto unter produktionsästhetischen Gesichtspunkten zu erörtern.8 Es war der erste systematische Versuch über die neue Gattung. Die Technik wird knapp unter ästhetischen statt wie vom Autor angekündigt technisch-praktischen Gesichtspunkten auf lediglich drei Seiten vorgestellt.9 Wenig reflektiert wurde der Umstand, dass es sich beim Mezzotinto keinesfalls um eine raschere Technik handelte als beim ‚traditionellen‘ Intagliodruck. Obwohl die Bearbeitung der Mezzotintoplatte mitunter mehrere Wochen in Anspruch nehmen konnte,10 war für Evelyn der Mezzotinto in erster Linie eine Technik, die die Mühen des an Linie und Schraffur gebundenen Kupferstiches obsolet machte. Evelyn beschreibt die Positionierung des Mezzotinto gegen den Kupferstich daher wie folgt: That what gives our most perite and dextrous artists the greatest trouble, and is longest finishing, (for such are the hatches and deepest shadows in plates) should be here the least considerable, and the most expeditious; that, on the contrary, the lights should be in this the most laborious, and yet performed with the greatest facility […].11 Während seit dem 18. Jh. der Neologismus Schraffur nicht nur ein Zusammenschluss aus Kontur und Lasur darstellte, sondern auch den älteren Begriff ‚Schraffierung‘ obsolet ­machte,­ ­wurde hier das semantische Tableau der Schraffur zum ersten Mal selbst eine Leitkategorie für die Benennung anderer Techniken: Für die punktierende Spur des Wiegestahls („hatcher“) wird kein neuer Begriff eingeführt; sie fällt terminologisch mit der Schraffur zusammen. In

has ­diversified prints, rather than improved them; […] mezzotintos still fall short of fine engravings.“ ­Walpole [1762] 1876, Bd. 3, S. 207.   8 Der zweite Teil von Sculptura blieb bis 1906 unveröffentlicht und widmet sich in Anlehnung an Bosses Manieres de graver vornehmlich der technischen Seite des Kupferstichs: Evelyn [1662] 1906.   9 Dass Evelyns Umschreibung hinsichtlich der praktischen Ausführung dieser neuen Technik vage ausfällt, erkannten bereits Zeitgenossen. Horace Walpole beispielsweise konnte seine Irritation bei der Lektüre der entsprechenden Passage, die er in seinem dreibändigen Anecdotes of Painting in England (1762) in ganzer Länge zitiert, nicht verbergen („Thus, as he owns, he leaves it enigmatical […], indefinite riddle“). Walpole [1762] 1876, Bd. 3, S. 206 f. – Für einen Überblick über die Technik: Schäfer/Altschäfer 2009. 10 Koschatzky 1972, S. 126. 11 Evelyn [1662] 1769, S. 127 f. Hervorhebung übernommen. Hierfür auch: Von Bartsch 1821, Bd. 1, S. 80. Kemp geht hinsichtlich der Schwierigkeit, Helldunkel in ein graphisches Werk umzusetzen, davon aus, dass dies lediglich für Laien eine Herausforderung darstellte. Kemp 1979, S. 67.

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diesem Sinn bringen der Wiegestahl („hatcher“) und Grabstichel gleichermaßen Schraffuren hervor („scarifying & razing a course of hatchings from one extreme to the other“).12 Die Engführung der Terminologien ging noch darüber hinaus: So führt die englische Übersetzung von De Lairesses The art of painting (1707) die Klarheit („neatness“) als Leitkategorie des Mezzotinto ein und adaptiert daher einen der zentralen Begriffe von Abraham Bosses Versuch einer Ästhetik der Schraffur („netteté“).13 Dass Bosses Stilmerkmal der Schraffur nun für den Mezzotinto Verwendung fand, wurde mitunter ambivalent gesehen. Einer der Gründe war möglicherweise, dass die „Klarheit“ des Kupferstichs für Bosse an ein Regelwerk der Schraffur geknüpft war, das nicht auf vergleichbare Weise im Mezzotinto Verwendung finden konnte. Sandrart notierte daher über Wallerant Vaillants (1623–1677) Mezzotinto-Drucke, dass sie im Gegensatz zum Kupferstich keiner regelhaften Anordnung der Faktur folgen: Es ist aber diese Art den zierlichen Schraffirungen und andern Mühsamkeiten / die zum Kupfer­stechen erfordert werden / nicht untergeben / sondern wann der Umriß / neben dem Schatten und Liecht / accurat ist / die Schraffirung / Striche oder Tüpfel mögen gehen wie sie wollen / so ist der qualitet dadurch nichts benommen.14 Die Feststellung, dass der Mezzotinto keiner regelorientierten Führung der Faktur unterworfen ist, wurde weiter ausgeführt und um andere Aspekte ergänzt. Denn zugleich griff diese Beschreibung einen wichtigen Gesichtspunkt auf, den etwa zeitgleich auch Evelyn betonte, nämlich die Behauptung, der Mezzotinto würde die Mühen des Kupferstichs überwinden. Die Qualität des Druckes mit Begriffen wie „Nettigkeit“, „neatness“ etc. zu belegen, barg Fallstricke, die über Fragen einer regelhaft ausgeführten Faktur hinaus reichten. Diese Fallstricke knüpften an die Überlegung an, dass die graphische Linie stets auch die Künstlerhand zum Ausdruck brachte, der Mezzotinto aber „die Linie als Ausdrucksmittel [unterdrückte].“15 Denn erstens, war der mit „Klarheit“ („netteté“) assoziierte Mezzotinto im Gegensatz zum Kupferstich nicht darauf ausgelegt, einem individuell-künstlerischen ‚Stil‘ Ausdruck zu verleihen;16 der einzelne Punkt des Wiegemessers lag außerhalb der Kontrolle des Künstlers und daher außerhalb eines Bereichs, der mit persönlicher Handschrift oder gar

12 Evelyn 1686, ‚Liber Secundus‘, London, British Library, Add. ms. 78340, fol. 154, in: Thomas 2010, S. 284. 13 „But the Black Art is more expedious than either of them [Engraving and Etching; Anm. E. B.]; and in Neatness has not it’s Fellow; it may even compare with a Painting, how soft and fluent soever, abating for the Colours.“ De Lairesse 1707, zit. n. Fritsch 1738, Buch XIII, S. 652. Hervorhebung übernommen. 14 Sandrart 1675–1680, I, Buch 3, S. 101. Zuletzt nahm sich Simon Turner (2015) beispielsweise Sandrarts Vita von Wallerant Vaillant an. 15 Leonhard/Felfe 2006, S. 55. – Noch im ausgehenden 19. Jh. scheint die Frage, ob die Unterdrückung des linearen Ausdrucks bildnerische Vorteile birgt, nicht geklärt. Dazu u. a.: Ruskin 1892, S. 9. 16 Wax 1990, S. 26 f.

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mit ‚Ausdruck‘ in Verbindung steht.17 Zweitens, wandte sich als Konsequenz die graphische Spur des Mezzotinto radikal von der zwischen „Selbstreferenzialität“ und „Repräsentation“ oszillierenden Eigenschaft der Linie ab.18 Für den Mezzotinto wurde vielmehr in Anspruch genommen, er könne Objekte quasi-fotographisch erfassen. „Nettigkeit“, „neatness“ etc. sind somit in Sandrarts Verständnis der Begrifflichkeiten zu lesen, nämlich als übergreifende Kategorien zur Beschreibung von Kunstwerken im Allgemeinen und weniger als genuiner Ansatz für Graphik. Unter dieser Prämisse können Kupferstich und Mezzotinto gleicher­ maßen mit einem ästhetischen Terminus belegt werden. Andere Autoren indes betonten die Unterschiede der Techniken stärker: Hamerton beschreibt die Qualitäten des Mezzotinto als seien sie jenen des Kupferstichs diametral gegenübergestellt („difference of quality and spirit“). Damit kontrastiert er die graphischen Markierungen der jeweiligen Techniken und ihre Prozesshaftigkeit. Die chromatischen Qualitäten der Druckplatten fasst er gleich der Solarisation in der Fotographie als Farbumkehrung, denn […] before anything is represented upon it, yields an impression which is entirely black, and a very rich soft black, perfectly equal, and showing no line or mark of any kind. The etcher’s plate, on the contrary, yields a perfectly white impression. The engraver in mezzotint, like the engraver on wood, makes his plate lighter as he works, whilst the etcher darkens his plate. There is also another difference, not less important – the etcher works by lines, and the mezzotint engraver by spaces. The consequence of these differences of method is a difference of quality and spirit. […] Mezzotint is naturally rich and soft, with the corresponding defect of vagueness and want of precision in detail, and because its blacks are so full and perfect, and so cheaply obtained, it has a tendency to blackness.19

17 Gerdien Wuestman sieht hierin den Grund für die weitestgehende Missachtung des Mezzotinto innerhalb kunsthistorischer Forschung. Wuestman 1995, S. 63. 18 Rosand 2001, S. 2. 19 Hamerton 1876, S. 16. Und auch Ludwig von Siegen (1609–1680), Erfinder des Mezzotinto, beschreibt diese Eigenschaft der Technik in Auseinandersetzung mit und Abgrenzung zur Linearität: „Diese arth ist deren keine, die wohl auch lauter kleine puncktlin und kein einziger strich oder Zug daran ist, wann es schon eine an etlichen orthen strichweise erscheinet, so ist’s doch all punctirt.“ Ludwig von Siegen, in: Hind 1923, S. 261, Anm. 2. Dazu: Leonhard/Felfe 2006, S. 56. Ebenso bringt Prinz Ruprecht von der Pfalz (1619–1682) Schraffur und Punkt des Mezzotinto in eine direkte Gegenüberstellung: „There is not a single engraver, a single artist of any kind, who can account for, or guess how this work is done, for, […] only three methods of work are recognised in engraving, viz: 1st, engraving or cutting, 2nd, biting with acid or etching, 3rd, a method very little used, executed in small dots made with punches, but which is different and so arduous that is seldom practiced. My method of operation is quite different from any of these although one only notices small dots and not a single line; and if in some parts this work seems to be done in hatching, it is notwithstanding, entirely dotted […].“ Ruprecht, in: Pissarro 1956–1958, S. 2. – Bartsch schloss sich dem an. Von Bartsch 1821, Bd. 1, S. 21.

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Hamerton sprach in dieser Passage einen für den Mezzotinto wichtigen Punkt an, weshalb die Engführung der Terminologien von Schraffur und Punkt des Mezzotinto verwundert, denn die Gattungen erzeugen grundsätzlich unterschiedliche ästhetische Effekte: Während lineare Druckverfahren potenziell hart und scharf erscheinen können, erzeugt die Schabkunst einen für das Auge sanften Effekt („naturally rich and soft“, „vagueness“), da sie die Bildoberfläche in ein flirrendes Netz aus Punkten auflöst, die sich im Betrachterblick zu einem sanften chiaroscuro formen. Die Etymologie des Mezzotinto ist hierfür selbst ein Finger­zeig, leitet es sich doch vom Italienischen „mezza tinta“ (Halbton) ab.20 Der Kleriker James Chelsum (ca. 1740–1801) fasste dieses Verhältnis von aufgegebener Schraffur und malerischer Wiedergabe dinglicher Oberflächen prägnant in Worte. In seinem einzigen Werk mit kunsthistorischem Thema, A History of the Art of Engraving in Mezzotinto, from it’s Origin to the Present Times (1768), marginalisierte er den Stellenwert der Schraffur, da für ihn die Nonlinearität des Mezzotinto eine ‚natürlichere‘ Faktur hervorbrächte („Mezzotinto gives us the strongest representation of a surface“).21 So fügt es sich auch, dass Hamerton ebenfalls das Primat des Mezzotinto und seiner scheinbar ‚natürlichen Wiedergabe‘ noch im 19. Jh. behauptete, indem er lakonisch notierte: „OF all kinds of engraving, mezzotint comes nearest to nature.“22 Die scheinbar natürlichste aller Oberflächentexturen wurde hier mit der Auflösung in Minimal-Fakturen verbunden. Vergleichbare Ideen wurden auch in Bezug auf andere non-lineare graphische Techniken geäußert, so etwa in Bezug auf das Pastell. Van Mander beispielsweise schrieb ihm in seinem Schilder-Boeck ähnliche Qualitäten zu, die später auf den Mezzotinto übertragen wurden. Das poröse Zeichenmaterial mit seinem weichen Strichen, so Van Mander, sei dafür prädestiniert, alle Dinge der Natur zu erfassen („ghedaenten der natueren“). Das Pastell sei seinem Wesen nach der Malerei ähnlich. Er vermerkt: Cryons maecktmen van verscheyden coluren / Die met wrijft met Lijm die half is verdirven / Waer mede de ghedaenten der natueren Men nae bootsen can / jae alle figueren Verwe gheven / tzy jeuchdich / oft verstorven: Hier mede can eere worden verschworen / Wat ist Teycken-const van Schildereeren Vader / Geen dingh malcander can ghelijcken nader.23

20 Thomas 2008, S. 16. Evelyn missbilligte den Namen der Technik und schlug vor, dass die Bezeichnung Chiaroscuro passender gewesen wäre. Evelyn [1662] 1769, S. 52. Ruskin schließt sich dieser Meinung an und empfiehlt, dass Mezzotinto „to be considered as chiaroscuro drawing on metal.“ Ruskin 1892, S. 82. 21 Chelsum 1786, S. 10. Hervorhebung übernommen. Im Übrigen befasst sich die Abhandlung überwiegend mit der Frage, wer den Mezzotinto erfunden habe und nur peripher mit der Ästhetik der Technik. Auch Bartsch sah im Kupferstich, der die eigene Linearität möglichst verbarg, das größte ästhe­ti­sche Potenzial, denn für ihn war das „Mahlerische“ das, was „man Schönheit des Stiches nennt.“ Von Bartsch 1821, Bd. 1, S. 180. Cf. auch William Gilpin, der vielmehr Malerei und Mezzotinto einander annähert: Gilpin 1768, S. 36. 22 Hamerton 1882, n. pag. [S. 148]. Hervorhebung übernommen. 23 Van Mander 1604, zit. n. Hoecker 1916, S. 62 [„Pastellstifte macht man von verschiedenen Farben, die man mit halbverdorbenem Leim verreibt, womit man dann die Gebilde der Natur nachbilden und allen

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73  Denis Diderot: Encyclopédie […], 1751–1780, Bildband 5, Taf. 7

Wir kommen in einem Moment auf das Pastell zurück. Die Samtigkeit bestimmter Techniken, sei es des Pastells oder des Mezzotinto, wurde nicht nur aus kunsttheoretischer Sicht betont, sondern wurde mitunter auch in schematischen Darstellungen visualisiert. In ­Diderots Encyclopédie (1751–1780) wurde zum Lemma Gravure eine begleitende Tafel abgedruckt (Abb. 73). Sie ist in zwei Register gegliedert, von denen die obere die ordent­

Figuren Farbe geben kann, sei sie nun lebhaft oder matt. Hierdurch kann Ehre erworben werden, denn die Zeichenkunst ist der Vater der Malerei und keine zwei anderen Dinge können sich ähnlicher sein.“ Übers. n. ebd., S. 63]. – Diese Wesensgleichheit von Pastell und Malerei wurde im Verlauf des 17. Jhs. u. a. in Baldinuccis Vacabolario (1681) wieder aufgegriffen: Baldinucci 1681 B, S. 119. ­Landseer verweist darauf, dass Campagnolas Punktiermanier „softness“ hervorbringt und der Kreidezeichnung ähnlich sei. Landseer 1807, S. 125. Analog beschreibt er die Aquatinta als Pendant zur lavierten Zeichnung: ebd., S. 132.

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liche Anordnung von Werkzeugen zeigt,24 während die untere Bildhälfte einen sukzessiven Bildaufbau von einem einfachen Fakturnetz zur Linken bishin zum ausgestalteten Bild in der unteren rechten Bildecke visualisiert. Die Kugel zeigt den samtigen Effekt des Mezzotinto und ­rekurrriert, ob bewusst oder nicht, im Sinne eines Pendants zugleich auf Bosses schematische Darstellung des idealtypischen Schattenverlaufs des Kupferstichs auf einem geometri­ schen Körper (Abb. 57). Die Verschränkung war symptomatisch: Die einzelnen, durch das Wiege­stahl erzeugten, nahezu in Punkte aufgelösten Linien korrespondieren mit den bisher bekannten Häkchen („entre-deux“) des Kupferstichs, deren Hauptverwendung in der Erzeugung von Halbtönen lag, auch wenn Bosse sie im Fadengittermodell nicht zur Anwendung bringt. Den Häkchen liegt ein transitorisches Moment inne, Tonalitäten zu harmonisieren und eine „besonders samtige Weichheit“ („peculiar velvety softness“) zu erzielen.25 Durch diese Technik entstand eine Art Weichheit im Bild, die Theoretikern des Mezzotinto vornehmlich für die Darstellung von Inkarnat geeignet erschien – und die sich zuvor auch der Kupferstich zunutzen gemacht hatte (Abb. 56 und Taf. 15). Es fügt sich in diesen Kontext, dass der ­Mezzotinto aufgrund seiner Weichheit für die Darstellung menschlicher Körper, Porträts26 oder zur Reproduktion von Gemälden empfohlen wurde.27 Im Folgenden zeigt sich, wie sehr der Mezzotinto Eigenschaften der Malerei einfing und daher als Medium der Reproduktion genutzt wurde. Denn der Wiegestahl des Mezzotinto erzeugt eine Spur unzusammenhängender ‚Minimal‘-Linien, die so minuziös sind, dass sie dem Auge des Betrachters wie winzige, in einer diskontinuierlichen Linie geführte, diffuse Punkte erscheinen, die sich erst im Rezeptionsvorgang zu einer einheitlichen Oberfläche mischen und dadurch fließende Übergänge von Hell und Dunkel generieren, die denen der Malerei zumindest in der zeitgenössischen Wahrnehmung in nichts nachstehen. Der heute wenig bekannte englische Stecher Richard Earlom (1743–1822), über dessen Leben wir nur wenige Eckdaten haben,28 schuf Mezzotinto-Drucke, die hierfür eindrückliche Beispiele dar-

24 Die erste Abbildung der Werkzeuge, die für den Mezzotinto im Gebrauch waren, findet sich in der zweiten Edition von Dorman Newmans The Excellency of Pen and Pencil (1668), die zwanzig Jahre nach der Erstauflage erschien. Thomas 201, S. 291 f. Cf. Newman [1668] 1688. 25 Hamerton 1876, S. 17. Im Laufe der Abhandlung führt er die Kategorie „softness“ mitsamt ihrer semantischen Derivate des Öfteren zur Beschreibung von Stilen und Kunstwerken auf, abwechselnd für Mezzotinto oder für Radierungen, nie für Kupferstiche. – Dabei wurde die zuvor bereits verwendete Punktiermanier, die für gewöhnlich Giulio Campagnola zugeschrieben wird, ebenfalls unter der Prämisse der Weichheit interpretiert, so u. a. in: Singer 1895, S. 34. 26 Wax 1990, S. 39. Es finden sich auch Verweise, die Punkte und Häkchen im Kupferstich insbesondere zur Repräsentation des Inkarnats favorisieren, so in Theodore Henry Adolphus Fieldings (1781–1851) The Art of Engraving: Fielding [1841] 1844, S. 35. 27 Von Bartsch 1821, 24. Dazu auch ebd., S. 34. Weiter zum mitunter problematischen Verhältnis von Mezzotinto und Gemälde: Parshina 2000. – Diese Eigenschaft des Mezzotinto wurde gegen Ende des 17. Jhs. sogar als ihr Kennzeichen apostrophiert: Gérard de Lairesses Personifikation des Mezzotinto hat passenderweise ein frisches Antlitz („fresh complexion“) als Attribut. De Lairesse 1707, zit. n. Fritsch 1738, Buch XIII, S. 651. 28 Rubinstein 1991, S. 19–23.

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74  Richard Earlom (nach Jan van Huysum): Blumenstillleben („Houghton Gallery“), 1778

stellen (Taf. 26). Earloms Stiche waren Teil einer großangelegten Reproduktionskampagne, die Robert Walpoles (1676–1745) – erster Premierminister von Großbritannien – Gemälde der so genannten Houghton Gallery in Drucke überführen sollte.29 Seine Behandlung der Platte durch unterschiedliche Rouletten, Wiegestahle und Messer ermöglichte die Profilierung von Details (Taf. 27). Viele von ihnen entstanden nach Stillleben von Jan van Huysum (1682–1749), dessen Gemälde sich schon durch einen minuziös-lasierten Farbauftrag auszeichneten (Taf. 28). Vorarbeiten Earloms zu anderen Mezzotinto-Drucken, die uns in Form von Probedrucken erhalten sind, zeigen, dass er die scharfen Profilierungen zunächst in der Technik der Radierung anlegte (Abb. 74), die er dann in einem zweiten Zustand um das Mezzotinto ergänzte, sodass die zugrundeliegenden, radierten Bildelemente die schärferen Profillierungen des Stichs definierten. Die aufwendige Kombination von Radierung

29 Grundlegend hierzu: Rubinstein 1991.

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und Mezzotinto hatte zur Folge, dass sich die unterschiedlich bearbeiteten Platten auch unterschiedlich schnell abrieben: Earlom lief Gefahr, dass sich mit zunehmenden Abzügen von der Platte die Bildteile, die im Mezzotinto gedruckt waren, schneller abrieben als jene, die radiert waren, sodass nicht nur die radierten Profilierungen mit wachsender Anzahl der Abzüge immer stärker erschienen, sondern Tiefe, Detailschärfe, Farbkontraste etc. zunehmend verschwammen.30 Earloms Mezzotinto-Interpretation von Jan van Huysums Blumenstillleben besticht gerade darin, dass es die Tiefenschärfe und Oberflächenbeschaffenheiten seiner gemalten Vorlage bis in die kleinsten Details einzufangen vermag.31 Die Kombination aus Radierung und Mezzotinto erzielte einen Effekt, den keine der beiden Techniken alleine erreichen konnte.32 Doch so kontraintuitiv die Belegung des Mezzotinto mit ästhetischen Paradigmen des Kupfer­stichs aus heutiger Sicht erscheinen mag, wurde der dichotomische, jedoch durchaus miteinander in Einklang zu bringende Charakter künstlerischer Techniken früh betont. So äußerte sich Hamerton selbst, dass Eigenschaften einer bestimmten Technik bis zu ­einem gewissen Grad in ihrem ‚Pendant‘ wiedergefunden werden können („may in some degree be found in each“).33 Zugleich wurde dieses Verhältnis der Techniken auch von der Kunstpraxis betont: Synergieeffekte dieser Art lassen sich beispielsweise im Werk Robert Nanteuils finden, der insbesondere für seine großformatigen Porträts bekannt wurde und, ganz in Bosses Sinn, den ‚geometrisch’-linearen Stil des Kupferstechens vertrat.34 Dabei handelte es sich keinesfalls um einen Einzelfall, denn auch Nicéron assozierte Künstler wie Vouet mit ‚geometrisch‘-linearen Stil des Kupferstichs,35 wenngleich dessen in farbigen Kreiden ausgeführte Zeichnungen diesen Prinzipien radikal zuwiderlaufen schienen. Dass Nanteuil hingegen seine Kupferstiche oftmals in ebenfalls großfartigen Pastellzeichnungen vorbereite

30 Der schnelle Abrieb der Platten im Mezzotinto stellte auch ohne die zusätzliche Schwierigkeit der Mischtechnik eine Herausforderung dar. John Baptist Jackson (1701–1780), selbst Experte auf dem Gebiet des Holzschnitts, verweist in seinem An Essay on the Invention of Engraving (1754) in Länge auf die Problematik: „Every Man who knows any Thing of the Nature of Engraving must be convinced, that those Metzotinto Plates, of all others, are the most liable to wear out; that it is impossible for any two Prints to be alike in their Colours when taken off in that Manner, and for this Reason, because the delicate and exquisite Finishings of the Flesh, and the tender Shadowings of all the Colours must be destroy’d; the very cleaning the Plates from one Colour to lay on another is sufficient to ruin all the fine Effect of the Workmanship, and render it impossible to take off ten Impressions without losing all the Elegance of the Graving.“ Jackson 1754, S. 7. 31 Arthur Hind verwies daher darauf, dass diese Kombinationstechnik Earloms „the monotony of an art traditionally devoted to portrait“ aufzubrechen imstande war. Hind 1923, S. 275. Er verweist hier explizit auf Earloms Arbeiten nach Gemälden von Jan van Huysum und die Reproduktionsgraphiken der Houghton Gallery. 32 Rubinstein 1991, S. 13. Rubinstein geht detailliert auf das Zusammenspiel von Radierung und Mezzo­ tinto in den hier gezeigten Drucken ein: Ebd., S. 13. 33 Gilpin 1768, S. 47. 34 Hind 1923, S. 144 u. S. 146. 35 Nicéron [1638] 1652, Preface, S. 2.

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(Taf. 29 und Taf. 30),36 war kein Widerspruch; beide Modi der Darstellung, so unterschiedlich sie aus rezeptionsästhetischer Sicht nicht zuletzt aufgrund ihrer chromatischen Differenzen ­erscheinen, haben gemeinsame Schnittmengen in der mimetischen Wiedergabe der Objekte.37 Hier lässt sich das Verhältnis von ‚mimetisch-faktischem‘ und ‚optisch-indikativem Eindruck‘ der Faktur nochmals wenden, denn der ‚mimetisch-faktische‘ Kupferstich absorbiert ‚optisch-indikative‘ Eigenschaften der vorbereitenden Pastellstudie. In der äußersten Nahsicht offenbart Nanteuils Kupferstich sogleich, wie dieser Effekt trotz der genuinen Unter­ schiede zwischen Kupferstich und Pastell möglich ist (Taf. 31): Die systematische Verwendung der feinen Zwischenstriche („entre-deux“), die bereits Natalis in seinem Werk Maria mit Christuskind und Johannes dem Täufer zum Einsatz gebracht hatte (Abb. 56), führte Nanteuil fort. Während Natalis seine Zwischenstriche auf die minimale graphische Markierung beschränkt und die wellenartig gezogenen Tailles der Schraffur deutlich hervortreten lässt, kehrte Nanteuil dieses Prinzip von dominanter und nicht-dominanter Faktur in seinem Porträt von Henri de la Tour d’Auvergne radikal um (Taf. 30). Hier dominieren für den Betrachterblick in der Detailansicht primär die scheinbar schnell gesetzten Häkchen, während die feinen Tailles der Schraffur dahinter zurücktreten, ja sich gar aufzulösen scheinen. Dabei handelt es sich um ein Prinzip der Zwischenstriche („entre-deux“), die nicht nur – ganz in Bosses Sinn – dem Inkarnat des Porträtierten Weichheit, chromatische Nuancierung und Tiefe verleihen. Die Zwischenstriche hatten speziell in Nanteuils Porträt von Henri de la Tour d’Auvergne eine weitere Bedeutungsebene (Taf. 31): Wie beim Mezzotinto löste sich hier die Faktur des Kupferstichs in eine samtartige Oberfläche auf. Nicht zuletzt erlebte gerade in der Zeit, als der Mezzotinto seine Hochkonjunktur hatte, auch das Pastell einen Aufschwung. Pastell und Kreide boten Möglichkeiten der Emulation im Sinne malerischer Prinzipien, die im 16. und 17. Jh. sukzessive zu ästhetischen Paradigmen des Kupferstichs adaptiert wurden, u. a. der für den Betrachterblick fließende Verlauf graphischer Markierungen. Das wurde etwa für Inkarnatsdarstellungen starkgemacht.38 Zugleich ließen diese drei Techniken – Intagliodruck, Mezzotinto und Kreidezeichnung – ästhetische Forderungen, denen sich die Faktur des Kupferstichs lange Zeit stellen musste, mit je eigenen Mitteln und Potenzialen in sich aufgehen. Zu diesen Forderungen gehörten der chiaroscuro, die Feinheit der graphischen

36 Detailierter zum hier gezeigten Kupferstich: Peters 2009, S. 42–45. Vergleichbares beobachtete auch Martin Kemp anhand anderer Werke von Nanteuil: Kemp 1994, S. 239 f. Zu Nanteuils Pastellvorlagen für Kupferstiche: Burns 2007, S. 55. – Ähnliche Herangehensweisen praktizierten zeitgleich etwa Simon Vouet und Claude Mellan, die ihre vorbereitenden Zeichnungen oft in schwarzer und roter Kreide anlegten, um die Helldunkelverhältnisse der Komposition zu erproben. Goldfarb spekuliert, dass Mellan diese Technik von Vouet kannte, den er während ihrer gemeinsamen Zeit in Rom kennengelernt hatte. Goldfarb 1989, S. 149. Tatsächlich handelt es sich aber hierbei um eine verbreitete und gängige Technik der Kupferstichvorbereitung, gerade deswegen, weil die porösen Kreidezeichnungen leicht mit Wasser auf die Kupferplatte übertragen werden konnten. 37 Goldfarb 1989, S. 202. 38 Bosse [1645] 1758, S. 106 f. Cf. hierfür Rosand, der die Verwandtschaft der Techniken von Kreide und Punktiermanier von der Hand weist: Rosand 2001, S. 203 f.

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Markierung sowie mimetische Fragen der Repräsentation und der möglichst hohen Kongruenz von Faktur und Darstellungsgegenstand. Nanteuils Kupferstich – und insbesondere der Betrachterblick auf Details der Faktur und das komplexe Zusammenspiel von Zwischen­ strichen („entre-deux“) und Tailles – dient ferner als Indiz dafür, weshalb Bosse einen explikatorischen Bogen um Probleme „entre-deux“ machte. Denn die sich hier zum wiederholten Mal aufdrängende Frage, ob diese Zwischenstriche vorrangig dem chiaroscuro dienen oder ob ihre rezeptionsästhetische Funktion nicht vielmehr im Konterkarieren und Ausbalancieren der geradlinigen Parallelschraffur liegt, muss auch hier unbeantwortet bleiben. Evelyns Sculptura (1662) macht noch auf einen weiteren Aspekt aufmerksam, der die Reflexion der Schraffur unter vornehmlich produktionsästhetisch-technischen Gesichtspunkten betrifft. Mit der Einführung des Mezzotinto verliert die Reflexion der Schraffur – obwohl sie im engeren Sinn erst kurz zuvor mit Bosses Manieres de graver begonnen hatte – sogleich in einem gewissen Sinn an Bedeutung. Die Gründe für diese widersprüchliche Tendenz sind nicht leicht zu benennen. Obwohl der Mezzotino schnell an Popularität gewann, konnte sich der Kupferstich bis weit in das 19. Jh. hinein behaupten. Indes waren die an den Kupfer­stich herangetragenen Interessen in den folgenden Dekaden und Jahrhunderten nach der Drucklegung von Bosses Trakaten grundlegend andere. Die französisch dominierte Connoisseur­ship richtete ihr Interesse vor allem auf Aspekte der Zuschreibung, Klassifikation, das vergleichende Sehen in Sammlungen, der visuellen Schulung der ­Amateure etc.39 Tatsächlich interessierte sich die französische Connoisseurship vornehmlich für den Stellenwert der Schraffur in Hinblick auf die Analyse künstlerischer Schulen und Individualstile. Klassifikationsversuche wie Bosses Manieres de graver sollte es jedoch weiterhin geben, wenngleich unter anderen Vorzeichen. Unter ihnen ist Adam von Bartschs (1757–1821) Einleitung zur Kupferstichkunde (1821) die wohl bekannteste und zeugt von den Bemühungen des Autors, Graphikforschung in ein systematisch-kritisches methodologisches Rahmenwerk einzubinden. Wie bereits von der Kunsttheorie des 16. Jhs. postuliert, ist die idealästhetische Schraffur auch für Bartsch diejenige, die nicht „hart und steif“ ist und somit die Augen ‚verletzt‘.40 Sie besteche vielmehr gerade durch die Feinheit ihrer Ausführung. Er veranschaulicht diesen Gedanken anhand von Inkarnatsdarstellungen und schien damit die Schraffur mit ästhetischen Eigenschaften der Weichheit (­morbidezza) in Verbindung zu bringen.41 Bartsch entwirft darüber hinaus die Vorstellung, Faktur ‚agiere‘ in einem funktionalen Spektrum, dergestalt, dass die Schraffur als Fingerzeig für übergreifende und dominantere kunsthistorische Bestrebungen verstanden werden könne; die „Behandlung des Stichs“ ­folge etwa im Bereich der Lichter und Schatten einer „zweck­mäßi­gen Ausführung“, aus der allein ihre Schönheit bestünde.42 Er war in erster Linie vom Anspruch geleitet, diverse

39 40 41 42

Hierfür beispielsweise: Gilpin 1768, S. 233. Von Bartsch 1821, Bd. 1, S. 81. Von Bartsch 1821, Bd. 1, S. 84. Von Bartsch 1821, Bd. 1, S. 80.

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Die Auflösung der Schraffur

v­ isuelle Eindrücke, die unterschied­liche Modi der Schraffur erzeugen, zu klassifizieren. Im Herzen des Ansatzes stehen daher die exakte Kenntnis des Objekts und die daraus folgenden minuziösen Bildbeschreibungen der allerkleinsten graphischen Elemente, aus denen wiederum Kategorien zur Einordnung von Graphik abgeleitet werden. Zu ihnen gehören Definitonsversuche der Faktur, die erneut „nach dem Wesen der Dinge“43 zu gehen scheinen – nur hatte sich das Verständnis dieses „Wesens“ zu Bartschs Zeit grundlegend ge­ändert. Jedoch: Das Interesse von methodischen Strömungen wie Connoisseurship und Formalismus an der Linie sollte richtungsweisend für weitere Ansätze der Graphikforschung werden und diese bis ins 20. Jh. hinein ­formen. Viele von ihnen machten es sich dabei zur Aufgabe, die Linie – und in Folge auch die Schraffur – analytisch zueinzuteilen oder als Vehikel für etwas Anderes aufzufassen, etwa die ‚Handschrift‘ des Künstlers oder eine stilistische Entwicklung. Die technisch geprägte Traktattradition trat zwar mitnichten vollends in den Hintergrund; ­Bosses Schriften wurden bis weit in das 19. Jh. hinein rezipiert. Indes zeugte bereits zur Mitte des 17. Jhs. das Bedürfnis nach universalen Graphiksammlungen wie derjenigen des Michel de Marolles (1600–1681) und Reproduktionsvorhaben ganzer Sammlungen wie demjenigen des ­Recueil Crozat (1741) von neuen Interessengebieten. Sie lassen sich hier nur mit einem Beispiel illustrie­ren, nämlich mit den Zeichnungen desjenigen Künstlers, mit dem dieses Buch eröffnet, nämlich ­Michelangelo. So berief sich der Kenner und Sammler Mariette bei der Analyse und Zuschreibung von einigen Michelangelo-Zeichnungen auf dessen Biographen Ascanio Condivi (1525–1574) und war vom Gedanken geleitet, gerade in der Linearität der Zeichnung ließe sich der Stil des Künstlers finden oder ableiten: Michelangelos Federstrich (Taf. 1) wurde somit bereits im 18. Jh. unter Connoisseuren zu seinem Stilmerkmal – nicht nur für Mariette, sondern auch für Dezallier d’Argenville. Dabei legen sie je unterschied­liche Schwerpunkte. Während Mariette Michelangelos zeichnerische Virtuosität herausstellt („le plus terrible ­dessinateur qu’il y ait eu“),44 versucht Dezallier d’Argenville stilistische Eigen­schaften der Faktur zu fassen.45 Es steht außer Frage, dass sich mit kennerschaftlichen Praktiken im 18. Jh. und der Etablierung einer akademischen Kunstgeschichte ein neuer Impetus abzeichnet, eine Art „rationale Beurteilung der Strichtechnik“, wie Emil Reznicek in seinem grundlegenden Werk Die Zeichnungen von Hendrick Goltzius (1961) schrieb.46 Es war ein Blick auf die Druck­graphik, der sich bereits im 18. Jh. abzeichnet und

43 Varchi 1549, S. 84. 44 Mariette 1741, S. 4* [sic!]. 45 „La plume des dessins de Michel-Ange est grosse, mais sçavante, ce sont les traits hardis, des hachures croisées de toutes côtés, […], avec un petit lavis de bistre […].“ Dezallier d’Argenville 1745, Bd. 1, S. 82 [„Der Federstrich in Michelangelos Zeichnungen ist breit, aber gekonnt; es sind kühne Striche, von allen Seiten her gekreuzte Schraffuren […], mit ein wenig Bisterlavierung […].“]. – Dezallier d’Argenville hatte in den Abregé de la vie des fameux peintres (1745) – einem der frühesten Werke, in denen die Grundlagen der Kennerschaft insbesondere mit Bezug auf die Zeichnung detailliert beschrieben werden – neben dem Qualitätsurteil („le bon & le maivais d’un ouvrage“) und der Händescheidung („si un dessin est original ou copie“) auch die Herkunft eines Kunstwerks („le nom & l’école d’un maître“) als Stützpfeiler der Methode benannt. Dezallier d’Argenville 1745–1752, Bd. 1, S. xxij. 46 Reznicek 1961, Bd. 1, S. 37 f.

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Die Auflösung der Schraffu

der mit Bartschs Le Peintre-Graveur (1803–1821) – zumindest vorerst – seinen „Höhepunkt […] erreichen ­sollte.“47 Diese Einschätzung huldigt dem Umstand, dass Bartsch den ersten Versuch unter­nahm, Kupferstichkunde als „Wissenschaft“ zu etablieren, wie er als ersten Satz seiner Einleitung lakonisch bemerkt, indem er zugleich den Stellenwert des exakten Urteils der Analyse unterstreicht: „Die Kupferstichkunde ist die Wissenschaft, die Kupferstiche richtig zu beurtheilen.“48 Die hier von Bartsch betonten neuen Interessengebiete absorbierten so ­manche ältere ­Betrachtungen der Schraffur und brachten zugleich ihr eigenes Vokabular hervor.49 Sie zeigten damit auch die noch immer dynamische und wandelbare Natur der Schraffur auf.

47 Reznicek 1961, Bd. 1, S. 37 f. 48 Von Bartsch 1821, Bd. 1, Vorrede, o. A. 49 Mitzka 1955, Bd. 6, S. 206.

208

Farbtafeln

Farbtafeln

Taf. 1  Michelangelo: Studienblatt, ca. 1504

211

Farbtafeln

Taf. 2  Luca Ciamberlano: Scvola perfetta […], Taf. 14

212

Farbtafeln

Taf. 3  Luca Ciamberlano: Scvola perfetta […], Taf. 15

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Farbtafeln

Taf. 4  Cornelis Cort: Allegorie der Armut, ca. 1565/70

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Farbtafeln

Taf. 5  Hendrick Goltzius: Bacchus, Venus und Ceres, 1604–1606

215

Farbtafeln

Taf. 6  Hendrick Goltzius: Sine Cerere et Baccho friget Venus, 1593

216

Farbtafeln

Taf. 7  Hendrick Goltzius: Porträt von Gillis van Breen, ca. 1600

217

Farbtafeln

Taf. 8  Lucas van Leyden: Porträt eines Mannes

Taf. 9  Lucas van Leyden: Christus heilt einen Blinden

218

Farbtafeln

Taf. 10  Joris Hoefnagel und Georg Bocskay: Mira calligraphiae monumenta, 1561/62 bzw. 1591–1596

219

Farbtafeln

Taf. 11  Raffael: Transfiguration Christi, ca. 1516–1520

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Farbtafeln

Taf. 12  Michelangelo: Studie zur Libyschen Sibylle, ca. 1510

221

Farbtafeln

Taf. 13  Simon Frisius: Kopf eines alten Mannes (Hl. Hieronymus?), 1624

222

Farbtafeln

Taf. 14  Hendrick Goltzius: Goltzius‘ rechte Hand, 1588

Taf. 15  Claude Mellan: Maria Magdalena in der Grotte

223

Farbtafeln

Taf. 16  Claude Mellan: Schweißtuch der Veronika, 1649

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Farbtafeln

Taf. 17  Johann Jakob Thurneysen: Antonius, 1678

225

Farbtafeln

Taf. 18  Claude Lorrain: Landschaft mit ­Versuchung Christi, 1676

Taf. 19  Cornelius Schwindt: Zeichnungen von ­Insekten

226

Farbtafeln

Taf. 20  Ulisse Aldrovandi: Historiam ­naturalem […], 1618, fig. 7 [S. 162]

Taf. 21  Hercules Seghers: Das Grabmal der Horatier und Curiatier

227

Farbtafeln

Taf. 22  Claude Lorrain: Waldlandschaft, ca. 1635–1640

Taf. 23  Claude Lorrain: Kuhherde in Landschaft, 1636

228

Farbtafeln

Taf. 24  Leonardo da Vinci: Studie zur Anna Selbdritt, ca. 1508

Taf. 25  Leonardo da Vinci: Verso von Taf. 24

229

Farbtafeln

Taf. 26  Richard Earlom (nach Jan van Huysum): Stilleben mit Früchten, 1781

230

Farbtafeln

Taf. 27  Richard Earlom: Detail von Taf. 26

Taf. 28  Jan van Huysum: Stilleben mit Früchten, 1723

231

Farbtafeln

Taf. 29  Robert Nanteuil: Porträt von Henri de la Tour d’Auvergne, ca. 1665

232

Farbtafeln

Taf. 30  Robert Nanteuil: Porträt von Henri de la Tour d’Auvergne, 1665

233

Farbtafeln

Taf. 31  Robert Nanteuil: Detail von Taf. 30

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Il perfetto scrittore di M. Gio. Francesco Cresci cittadino milanese, Doue si veggono i veri Caraterri et le natural forme di tutte quelle sorti di lettere, che à vero Scrittore si appartengono, Con alcun’ altre da lui nuouamente ritrouate et i modi, che deue tenere il maestro per bene insegnare, Rom 1570. Danti 1567

Vincenzo Danti: Il primo libro del trattato delle perfette proporzioni, di tutte le cose che imitare, e ritrarre si possano con l’arte del disegno di Vincenzo Danti, Florenz 1567. Decembrio 1540

Angelo Camillo Decembrio: De politia litteraria, krit. Ed. d. Ausg. Augsburg 1540, hrsg. von Norbert Witten (Diss. Uni. Münster), München/Leipzig 2002. Desargues 1639

Gérard Desargues: Brouillon project d’une atteinte aux événements des rencontres d’un cône avec un plan, Paris 1639. Descartes 1637

René Descartes: Discours de la méthode pour bien conduire sa raison, & chercher la verité dans les sciences, Leiden 1637.

239

Literaturverzeichnis

Dezallier d’Argenville [1742] 1755

Antoine-Joseph Dezallier d’Argenville: L’histoire naturelle éclaircie dans deux de ses parties principales, la lithologie et la conchyliologie: dont l’une traite des pierres et l’autre des coquillages: ­ouvrage dans lequel on trouve une nouvelle méthode & une notice critique des principaux auteurs qui ont écrit sur ces ­matiéres: enrichi de figures dessinées d’après nature, Paris [1742] 1755. 1745–1752

Abregé de la vie des fameux peintres: Avec leurs portraits gravés en taille-douce, les indications de leurs principaux ouvrages, quelques réflexions sur leurs caractéres, et la maniere de connoître les desseins des grands maîtres, 3 Bde., Paris 1745–1752. Doissin 1753

Louis Doissin: La gravure: poëme, Paris 1753. Doni 1549

Anton Francesco Doni: Il disegno, zitiert nach: Paola Barocchi (Hrsg.): Scritti d’arte del Cinquecento, Bd. 2, [Florenz 1549] Mailand/Neapel 1973, S. 1905–1910. Dufresnoy 1668

Charles-Alphonse Dufresnoy: L’art de peinture de Charles Alphonse Dv Fresnoy, Traduit en Français, Avec des Remarques necessaires & tres-ampels, Paris 1668. Dürer, Schriftlicher Nachlass

Albrecht Dürer: Schriftlicher Nachlass, hrsg. von Hans Rupprich, 3 Bde., Berlin 1956. Evelyn [1662] 1769

John Evelyn: Sculptura, or, The history, and art of chalcography and engraving in copper with an ample enumeration of the most renowned masters and their works: to which is annexed a new manner of engraving, or mezzo tinto, communicated by His Highness Prince Rupert to the authour of this treatise, London [1662] 1769.

[1662] 1906

Evelyn’s Sculptura. With the Unpublished Second Part, hrsg. von Charles Francis Bell: Oxford 1906. Erasmus von Rotterdam [1528] 1547

Erasmus von Rotterdam: De recta Latini Graecique sermonis pronuntiatione Des. Erasmi Roterodami ­dialogus, in hac nouissima ditione locupletatus, Basel [1528] 1547. Euklid, Elemente

Euklid: Die Elemente. Buch I–XIII, übers. und hrsg. von Clemens Thaer, Darmstadt (u. a.) 1971. Fanti 1514

Sigismondo Fanti: Trattato di scrittura. Theorica et pratica de modo scribendi, ital./lat. Faks. d. Ausg. ­Venedig 1514, hrsg. von Antonio Ciaralli und Paolo Procaccioli, Rom 2013. 1532

Thesavro de Scrittori: opera artificiosa laquale con grandissima arte, si per partaca come per geo­ metria insegna a scriuere diuerse sorte littere, Cioè Cancellerescha, Merchantescha, Formata, ­Cursiva, Antiqua, Moderna Et Bastarda, De Più Sorte, Rom 1532. Félibien [1676] 1697

André Félibien: Des principes de l’architecture, de la sculpture, de la peinture, et des autres arts qui en dépendent. Avec un Dictionnaire des Termes propres à chacun de ces Arts, 2 Bde., Paris [1676] 1697. Feliciano 1463

Felice Feliciano: Alphabetum Romanum, Rom, Vatikanische Apostolische Bibliothek, Codex Vaticanus Latinus 6852.

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Quellenschriften

Fialetti 1608

Odoardo Fialetti: I vero modo i ordine. Per dissegnar tvttle le parti et membra del corpo hvmano di ­Odoardo Fialetti. Pittor., Venedig 1608. Fielding [1841] 1844

Theodore Henry Adolphus Fielding: The Art Of Engraving, With The Various Modes Of Operation, ­Under The Following Different Divisions: Etching. Soft-Ground Etching. Line Engraving. Chalk And Stipple. ­Aquatint. Mezzotint. Lithography. Wood Engraving. Medallic Engraving. Electrography. And Photography. Illustrated with Specimens of the different Styles of Engraving, London [1841] 1844. Franco 1595

Giacomo Franco: Il Franco Modo di Scriuere Cancellaresco moderno, raccolto da gli Essemplari di piu ­famosi Scrittori de nostri tempi, Intagliato et publicato da Giacomo Franco [suivi de] Vaghi et varie ­inuentioni di caratteri di lettere cancellarie de Rocco Gieronimi venetiano scrittore in Pavia, Libro primo Intagliati per Christoforo Paulini Venetiano, Venedig 1595. Fürst 1656

Paul Fürst: Theoria Artis Pictoriae, Das ist: Reiß-Buch / Bestehend in kunstrichtiger / leichter und der Naturgemässer Anweisung zu der Mahlerey: Vermittelt der Grund-verständigen Abbildung / Auf­ reissung oder Verzeichniß aller Gliedmassen der Menschen und Thiere / zu Behuf der lieben Tugend / lehrartig verfasset, Nürnberg 1656. Gauricus 1504

Über die Schrift des Pomponius Gauricus ‚De Sculptura‘, dts./lat. Übers. d. Ausg. Florenz 1504, hrsg. von Heinrich Brockhaus (Habil.-Schrift Uni. Leipzig 1885), Leipzig 1885. Ghiberti, commentarii

Lorenzo Ghiberti: I commentarii [Biblioteca Nationale Centrale di Firenze, II, I, 333], hrsg. von ­Lorenzo Bartoli, Florenz 1998. Gilio Da Fabriano 1564

Giovanni Andrea Gilio da Fabriano: Due dialogi di M. Giouanni Andrea Gilio da Fabriano, Camerino 1564. Gilpin 1768

William Gilpin: An Essay upon Prints: Containing Remarks upon the Principles of Picturesque Beauty, the Different Kinds of Prints, and the Characters of the most noted Masters, to which are added, some ­Cautions that may be Useful in Collecting Prints, London 1768. Guicciardini 1567

Lodovico Guicciardini: Descrittione di M. Lodouico Guicciardini patritio fiorentino, di tutti i Paesi ­Bassi, altrimenti detti Germania inferiore: Con piu carte di Geographia del paese, & col ritratto naturale di piu terre principali, Antwerpen 1567. Hamerton 1876

Philip Gilbert Hamerton: Etching & Etchers, London 1876. 1882

The Graphic Arts. A Treatise on the Varieties of Drawing, Painting, and Engraving in Comparison with each other and with Nature, London 1882. 1892

Drawing & Engraving. A Brief Exposition of Technical Principles & Practice, London/Edinburgh 1892. Hoefnagel 1592

Jacob Hoefnagel: Archetypa studiaque patris GeorgiI HoefnageliI, Frankfurt a. M. 1592.

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Hogarth 1753

William Hogarth: The Analysis of Beauty. Written with a view of fixing the fluctuating ideas of Taste, ­London 1753. De Holanda 1548

Francisco de Holanda: Dialoghi (Nr. 3), zitiert nach: Paola Barocchi (Hrsg.): Scritti d’arte del Cinquecento, Bd. 2, Mailand/Neapel 1973, S. 1911. Van Hoogstraten 1678

Samuel van Hoogstraten: Inleyding tot de hooge schoole der schilderkonst: anders de zichtbaere werelt; verdeelt in negen leerwinkels, yder bestiert door eene der zanggodinnen; ten hoogsten noodzakelijk, tot onderwijs, voor alle die deeze edele, vrye, en hooge konst oeffenen, of met yver zoeken te leeren, of anders eenigzins beminnen, Rotterdam 1678. Hooke 1665

Robert Hooke: Micrographia: Or some Physiological Descriptions of minute bodies made by magnifiying glasses with observations and inquiries thereupon, London 1665. Hondius 1610

Hendrik Hondius: Pictorum aliquot celebrium, præcipué Germaniæ Inferioris, effiges, erw. Neuaufl. d. Ausg. cf. Lampsonius/Cock 1572, Den Haag 1610. Imperato 1599

Ferrante Imperato: Dell’historia natvrale di Ferrante Imperato napoletano libri XXVIII nella quale ordinatamente si tratta della diuersa condition di miniere, e pietre. Con alcune historie di Piante, & Animali fin’ hera non date in luce, Neapel 1599. Jackson 1754

John Baptist Jackson: An Essay on the Invention of Engraving and Printing in Chiaro Oscuro, as Practised by Albert Durer, Hugo di Carpi, &c., and the Application of It to the Making Paper Hangings of Taste, Duration, and Elegance, London 1754. Jamnitzer 1568

Wenzel Jamnitzer: Perspectiua corporum regularium. Das ist Ein fleyssige Fürweysung, Wie die Fünff ­Regu­lirten Cörper, darvon Plato inn Timaeo, Unnd Euclides inn sein Elementis schreibt, etc. Durch ­einen sonder­lichen, newen, behenden und gerechten weg, der vor nie im gebrauch ist gesehen worden, gar Künstlich inn die Perspectiva gebracht, Nürnberg 1568. Jansen 1808

Hendrik Jansen: Essai sur l’origine de la Gravure en Bois et en Taille-douce, et sur la Connaissance des Estampes des XVe. siècles; Où il est aussi parlé de l’origine des Cartes à jouer et des Cartes géographiques, 2 Bde., Paris 1808. Jombert 1740

Charles-Antoine Jombert: Nouvelle Méthode Pour Apprendre A Dessiner Sans Maître: Où l’on explique par de nouvelles Démonstrations les premiers Elémens & les Règles générales de ce grand Art, avec la manière de l’étudier pour s’y perfectionner en peu de tems; Le tout accompagné de quantité d’Exemples, de plusieurs Figures Académiques dessinées d’après Nature, & des proportions du Corps Humain d’après l’Antique; Enrichi de Cent vingt Planches, Paris 1740. 1755

Methode Pour Apprendre Le Dessein: Ou l’on donne les Regles générales de ce grand Art & des préceptes pour en acquérir la connoissance, & s’y perfectionner en peu de tems, Paris 1755. Junius 1565

Handrianus Junius: Emblemata, Antwerpen 1565.

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Quellenschriften

Lafreri 1573

Antonio Lafreri: Libro delle Maschere, Rom 1573. De Lairesse 1701

Gérard de Lairesse: Grondlegginge ter teekenkonst: zynde een korte en zeekere weg om door middel van de Geometrie of Meetkunde, de Teeken-konst volkomen te leeren, Amsterdam 1701. 1707

The art of painting, in all its branches: methodically demonstrated by discourses and plates, and exemplified by remarks on the paintings of the best masters, and their perfections and oversights laid open, By Gerard De Lairesse. Translated by John Frederick Fritsch, Painter, engl. Übersetzung von Gérard de ­Lairesse: Groot schilderboek […], Amsterdam 1707, hrsg. von John Frederick Fritsch, London 1738. 1764

The principles of drawing, or, An easy and familiar method for the improvement of youth in the practice of that useful art: being a compleat drawing book, containing a curious collection of examples in all the variety of cases, as the several parts of the human body, whole figures, landskips, cattle, &c. curiously ­engraved on copper-plates, after the designs of Albert Durer, Abrah. Bloemart, Carlo Morac, Le Clerc, Hollar, and other great masters: to which is prefix’d an introduction to drawing, London 1764. Lampsonius 1565 A

Dominicus Lampsonius: Brief an Vasari vom 25.04.1565, in: Gianni Carlo Sciolla und Caterina Volpi (Hrsg.): Da van Eyck a Brueghel. Scritti sulle arti di Domenico Lampsonio, Turin 2001, S. 36–40.

1565 B

Lamberti Lombardi Apvd Ebvrones Pictoris Celeberrimi Vita. Pictoribus, sculptoribus, architectis, allisque id genus artificibus utilis et necessaria, Brügge 1565. 1567

Brief an Tizian vom 13.03.1567, in: Gianni Carlo Sciolla und Caterina Volpi (Hrsg.): Da van Eyck a Brueghel. Scritti sulle arti di Domenico Lampsonio, Turin 2001, S. 117. 1589

Brief an Ludovicus Demontiosus vom 28.02.1589, zitiert nach: Jean Puraye: Dominique Lampson. Les effigies des peintres célèbres des Pays-Bas, krit. Ed., Brüssel 1956. Lampsonius/Cock 1572

Dominicus Lampsonius und Hieronymus Cock: Pictorum aliquot celebrium Germaniae inferioris effigies. Eorum nempè qui qui vita functi hac prestantiss. arte immortalitatis nomen sibi compararunt, Antwerpen 1572. Landseer 1807

John Landseer: Lectures on the Art of Engraving: Delivered at the Royal Institution of Great Britain, London 1807. Leeuwenhoek 1676

Antoni van Leeuwenhoek: Extract of a Letter Written to the Publisher by Mr. Leewenhoeck from Delst, April 21. 1676; Concerning the Texture of Trees, and Some Remarkable Discovery in Wine; together with Some Notes Thereon, in: Philosophical Transactions, Nr. 11, 1676, S. 653–660. Leonardo da Vinci, Schriftlicher Nachlass

The literary works of Leonardo da Vinci, ital./engl. Ausg., hrsg. von Jean Paul Richter, 2 Bde., London 1883.

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Trattato della pittura

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The letters of Jan Swammerdam to Melchisedec Thévenot, mit engl. Übersetzung, hrsg. von Gerritt A. Lindeboom, Amsterdam 1975. Lomazzo 1584

Giovanni Paolo Lomazzo: Trattato dell’arte della pittvra, scoltvra, et architettvra di Gio. Paolo ­Lomazzo milanese pittore, diuiso in sette libri, Mailand 1584. 1590

Idea del tempio della pittura di Gio. Paolo Lomazzo pittore. Nel quale egli discorre dell’origine, & fondamento delle cose contenure nel suo trattato dell’arte della pittura, Mailand 1590. Lukrez, De rerum natura

Lukrez. Von der Natur, lat./dts. Ausg., hrsg. und übers. von Hermann Diels, 2. Aufl., [Berlin 1923] Düsseldorf (u. a.) 1992. Malpighi 1669

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Carlo Cesare Malvasia: Felsina pittrice: vite de pittori bolognesi alla maesta christianissima Lvigi XIII re di Francia e di Navarra il sempre vittorioso consegrata dal co. Carlo Cesare Malvasia, 2 Bde., Bologna 1678. Mancini 1620/21

Giulio Mancini: Considerazioni sulla pittura, hrsg. von Adriana Marucchi, komm. von Luigi Salerno, 2 Bde., Rom 1956/57. Van Mander 1604

Das Lehrgedicht des Karel van Mander, Haarlem 1604, nied./dts. Ausg., hrsg. und übers. von Rudolf ­Hoecker (Diss. Uni. Basel 1914), Den Haag 1916. 1617

Das Leben der niederländischen und deutschen Maler des Carel van Mander, nied./dts. Ausg., ­Nachdr. d. Ausg. Haarlem 1617, übers. von Hanns Floerke, 2 Bde., München/Leipzig 1906. Mariette 1741

Pierre-Jean Mariette: Description sommaire des desseins des grands maistres d‘Italie, des Pays-Bas et de France, du cabinet de feu M. Crozat, avec des réflexions sur la manière de dessiner des ­principaux peintres, par P.-J. Mariette [suivi de] Description sommaire des pierres gravées du cabinet de feu M. ­Crozat, Paris 1741. Mercator 1540

Gerhard Mercator: Litterarum latinarum, quas Italicas, cursoriasque vocant, scribendarum ratio, Löwen 1540. Michelangelo, Lyrik

Michelangelo. The Poems, hrsg. von Christopher Ryan, London 1996. De Montaiglon 1856

Anatole de Montaiglon: Catalogue raisonné de l’œuvre de Claude Mellan d’Abbeville par M. Anatole de Montaiglon, Abbeville 1856.

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Quellenschriften

Neudörffer 1538

Johann Neudörffer: Ein gute Ordnung, vnd kurtze vnterricht, der fürnemsten grunde aus denen die ­Jungen, Zierlichs schreybens begirlich, mit besonderer kunst vnd behendigkeyt vnterricht vnd geübt möge[n] werden, Nürnberg 1538. 1549

Ein Gesprechbüchlein zweyer schüler, wie einer den andern im zierlichen schreyben vntherweyst. Durch Johan Neudörffer Bürger und Rechenmeister zu Nürmberg, Nürnerg 1549. Newman [1668] 1688

Dorman Newman: The Excellency of the pen and pencil exemplifying the uses of them in the most exquisite and mysterious arts of drawing, etching, engraving, limning, painting in oyl, washing of maps & pictures, also the way to cleanse any old painting, and preserve the colours: collected from the writings of the ablest masters both ancient and modern, as Albert Durer, P. Lomantius, and divers others; furnished with divers cuts in copper, being copied from the best masters, London [1668] 1688. Nicéron 1638

Jean-François Nicéron: La Perspective curieuse ou Magie artificielle des effets merveilleux de ­l’optique, par la vision directe, de la catoptrique, par la réflexion des miroirs plats, cylindriques et ­coniques, de la dioptrique, par la réfraction des crystaux, dans laquelle, outre un abbregé & methode generale de la perspective commune, reduite en pratique sur les cinq corps reguliers, est encore enseignee la façon de faire & construire toute sortes de figures difformes, Paris 1638. Nicholson 1820

Francis Nicholson: The Practice of Drawing and Painting Landscape from Nature, In Water Colours. Exemplified in a Series of Instructions Calculated to Facilitate the Progress of the Learner; Including The Elements of Perspective, Their Application in Sketching from Nature, and the Explanation of Various Processes of Colouring, for Producing from the Outline a Finished Pictur; with Observations on the Study of Nature, and Various Other Matters Relative to the Arts, London 1820. Pacioli 1509

Luca Pacioli: Da Diuina Proportione, Venedig 1509. Palatino [1540] 1545

Giovanni Battista Palatino: Libro nuouo da imparare a scriuere tutte sorte lettere antiche et moderne di tutte nationi, Con vn breue, & vtile trattato de le cifre, composto per Giouambattista Palatino cittadino, romano, Rom [1540] 1545. Paradin [1551] 1557

Claude Paradin: Devises heroïques, et emblemes, Lyon [1551] 1557. Van de Passe 1643

Crispijn van de Passe: Vom Liecht der Mal und Reisskunst [Van’t light der Teken en Schilderkonst / De la lumière de la peinture & de la designature / Della luce del dipingere e disegnare], dts./nied./franz./ ital. Ed. d. Ausg. Amsterdam 1643, hrsg. von Jaap Bolten, Soest 1973. Perrault 1690

Charles Perrault: Le cabinet des beaux arts, ou, Recueil d’estampes gravées d’apres les tableaux d’un plafond ou les beaux arts sont representés avec l’explication de ces memes tableaux, Paris 1690. Perret 1569

Clément Perret: Exercitatio Alphabetica nova et utilissima, variis expressa linguis et characteribus, raris ornamentis, umbris & recessibus, picturae architecturaeque, speciosa, Antwerpen 1569.

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De Piles 1684

Roger de Piles: Les premiers elemens de la peinture pratique. Enrichis de Figures de Proportion mesurées sur l’Antique, designées & gravées par J. B. Corneille Peintre de l’Academie Royale, Paris 1684. 1699

Abregé de la vie des peintres, Avec des reflexions sur leurs Ouvrages, Et un Traite du Peintre parfait; de la connoissance des Desseins; de l’utilite des Estampes, Paris 1699. Pisani 1640

Francesco Pisani: Tratteggiato da Penna, Genua 1640. Plinius, Naturkunde

Naturkunde von C. Plinius Secundus d. Ä., hrsg. und übers. von Roderich König und Joachim Hopp, lat./dts. Ausg., 37 Bde., München (u. a.) [1978] 2013. Della Porta [1586] 1610

Giovanni Battista della Porta: Della fisionomia dell’hvomo del sig. Gio. Battista Della Porta napolitano. Libri Sei: Tradotti di Latino in volgare, e dall’istesso Auttore accresciuti di figure, & di passi necessarij à diuerse parti dell’opera: Et hora in quest’vltima Editione migliorati in più di mille luoghi, che nella stampa di Napoli si leggeuano scorettisimi, & aggiontaui la Fisonomia Naturale di Monsignor Giouanni Ingegneri, Neapel [1586] 1610. Power 1664

Henry Power: Experimental Philosophy, in three Books containing new Experiments Microscopical, Mercurial, Magnetical: with some Deductions, and probable Hypotheses, raised from them, in Avouchment and Illustration of the now famous Atomical Hypothesis, Nachdr. d. Ausg. London 1664, eingl. von Marie Boas Hall, New York/London 1966. Quintilian, De institutione oratoria

Quintilian’s Institutio oratoria, lat./engl. Ausg., übers. von Harold Edgeworth Butler, London 1921. Ripa 1603

Cesare Ripa: Iconologia, overo descrittione di diverse imagini cavate dall’ antichità, e di propria inventione, Nachdr. d. Ausg. Rom 1603, eingl. von Erna Mandowsky, Hildesheim (u. a.) 1970. Robson 1799

William Robson: Grammigraphia; or, the Grammar of Drawing: A System of Appearance, which, by Easy Rules, Communicates its Principles and Shews how it is Presented by Lines; Distinguishing the Real Figure in Nature from the Appearance, or Shewing the Appearance from the Reality; Rendering Visual Observation More Correct and Interesting; and Proposing the Pleasure and Universality of the Science, London 1799. Roelands 1616

David Roelands: T’Magazin oft’ Pac-huys der Loffelycker Penn-Const, vol subtyle ende lustighe trecken, Percken, Beelden ende figuren v. menschen, beesten, etc. ende noch meer onderscheyd. Gheschriften, Vlisslingen 1616. Rollenhagen 1611–1613

Gabriel Rollenhagen: Nucleus emblematum selectissimorum, quae Itali vulgo impresas vocant: priuata industria, studio singulari, vndiq[ue] conquisitus, non paucis venustis inuentionibus auctus, additis carminib[us] illustrates, Nachdr. d. Ausg. Utrecht/Arnhem 1611–1613, hrsg., übers. und komm. von Carsten-Peter Warncke, Dortmund 1983. Russell 1772

John Russell: Elements of Painting with Crayons, London 1772.

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Quellenschriften

Ruskin 1892

John Ruskin: Ariadne Florentina: Six Lectures on Wood and Metal Engraving, with Appendix, Given before the University of Oxford, in Michaelmas Term, 1872, New York (u. a.) 1892. Sanderson 1658

William Sanderson: Graphice, the use of the Pen and Pensil. Or, the most Excellent Art of Painting: In two Parts, London 1658. Von Sandrart 1675–1680

Joachim von Sandrart: Teutsche Academie der Bau-, Bild- und Mahlerey-Künste, 6 Bde., Nürnberg 1675–1680. Schrevelius 1648

Theodorus Schrevelius: Theod. Schreveli Harlemias, ofte, om beter te seggen, De eerste stichtinghe der stadt Haerlem, het toe-nemen en vergrootinge der selfden; hare seltsame fortuynen en avontuer in vrede, in oorlogh, belegeringe, Haarlem 1648. Shakespeare, Troilus und Cressida

Selected Plays of William Shakespeare in six volumes, With the Corrections & Illustrations of Various Commentators, to which were added the Notes by Samuel Johnson and George Stevens, hrsg. von Isaac Reed, 6 Bde., Philadelphia 1820. Strutt 1785/86

Joseph Strutt: A Biographical Dictionary, Containing an Historical Account of all the Engravers, From The Earliest Period Of The Art Of Engraving To The Present Time; And A Short List Of Their Most Esteemed Works. To Which Is Prefixed, an Essay On The Rise And Progress Of The Art Of Engraving, Both On Copper And On Wood, 2 Bde., London 1785/86. Sulzer [1771] 1792–1799

Georg Johann Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste in einzeln: Nach alphabetischer Ordnung der Kunstwörter auf einander folgenden, Artikeln abgehandelt, 5 Bde., Leipzig [1771] 1792–1799. Swammerdam 1669

Jan Swammerdam: Jan Swammerdam: Historia Insectorum Generalis, in qua quaecunque ad Insecta corumque mutationes spectant, dilucide ex fansioris philosophiae & experientiae principiis explicantur. Ex Beligica Latinam fecit Henricus Christianus Henninius, [Utrecht 1669] Leiden 1685. 1737

Bybel der natuure, door Jan Swammerdam, Amsteldammer, of Historie der insecten, tot zeekere zoorten gebracht: door voorbeelden, ontleedkundige onderzoekingen van veelerhande kleine ­gediertens, als ook door kunstige kopere plaaten opgeheldert: Verrykt met ontelbaare waarnemingen van nooit ontdekte zeldzaamhedenin de natuur, Leiden 1737. Tagliente 1524

Giovanni Antonio Tagliente: Lo presente libro insegna la vera arte de lo excellente scriuere de diuerse varie sorti de litere le quali se fano per geometrica ragione & con la presente opera ognuno le potra stampare e impochi giorni per lo amaistramento, ragione, & essempli, come qui sequente vederai., ­Venedig 1524. Theophilus, De diversis artibus

Theophilus Presbyter: De diversis artibus, lat./engl. Ausg., übers. von Charles R. Dodwell, London 1961. Valderde de Amusco 1556

Juan Valverde de Amusco: Historia de la composicion del cuerpo humano. Escrita por Ioan Valuerde de Hamusco, Rom 1556.

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Literaturverzeichnis

Valesio 1614

Giovanni Luigi Valesio: Parere dell’instabile academico incaminato intorno ad una postilla del Conte Andrea dell’Arca contra una particella, che tratta della pittura, hrsg. von Ulrich Pfisterer, [Bologna 1614] Heidelberg 2007. Varchi 1549

Benedetto Varchi: Due lezzioni di M. Benedetto Varchi: nella prima delle qvali si dichiara un sonetto di M. Michelagnolo Buonarroti: nella seconda si disputa quale sia piu nobile arte la scultura, o la pittura, Florenz 1549, zitiert nach: Paola Barocchi (Hrsg.): Scritti d’arte del Cinquecento, Bd. 1, Mailand/­ Neapel 1971, S. 524–547. Vasari 1568

Giorgio Vasari: Le vite de’ piu eccellenti pittori scultori e architettori, hrsg. von Paola della Pergola, Luigi Grassi und Giovanni Previtali, 9 Bde., Mailand 1962–1966. Vasari 1568, Das Leben des Michelangelo

Giorgio Vasari: Das Leben des Michelangelo, übers. von Victoria Lorini, hrsg., komm. und eingl. von ­Caroline Gabbert, Berlin 2009. Van de Velde 1605 A

Jan van de Velde: Deliciae variarum, insigniumque scriptuarum, Amsterdam 1605, Los Angeles, The J. Paul Getty Museum, Inv. Nr. 93-B10969.

1605 B

Spieghel der Schrijfkonste, Inden welcken ghesien worden veelderhande Gheschrifften met hare Fondemente ende onderrichtinghe wtghegeven, Rotterdam 1605, Berlin, Kunstbibliothek/ Ornamentstichsamm­lung der Staatlichen Museen zu Berlin, Inv. Nr. OS 5010 Kl.

andere hier zitierte Versionen sind:

ebd., Inv. Nr. OS 5011 Kl. ebd., Inv. Nr. OS 5012 Kl. Vergerio 1470

Pietro Paolo Vergerio: De ingenuis moribus et liberalibus studiis, Venedig 1470. Verini 1536

Giovanni Battista Verini: Luminario da imparare ascriueri de ogni forte Littera D Giouambattista Uerini, Mailand 1536, komm. von Emanuele Casamassima, Florenz 1966. Vesalius 1543

Andreas Vesalius: De humani corporis fabrica libri septem, Basel 1543. Walpole [1762] 1876

Horace Walpole: Anecdotes of Painting in England: With some Account of the principal Artists; and ­incidental notes on other arts, 3 Bde., London [1762] 1876. Willis 1681

Thomas Willis: The Remaining Medical Works of that Famous and Renowned Physician Dr Thomas Willis, London 1681. Winckelmann 1747

Johann Joachim Winckelmann: Briefe: Hist.-krit. Gesamtausg., 4 Bde., hrsg. von Walther Rehm und Hans Diepolder, Berlin 1952–1957. Wölfflin, Autobiographie

Heinrich Wölfflin, 1864–1945: Autobiographie, Tagebücher und Briefe, hrsg. von Joseph Gantner, Basel/Stuttgart 1982.

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Franz Kugler: Handbuch der Kunstgeschichte, 2. Aufl. komm. von Jacob Burckhardt, Stuttgart [1842] 1848. Mitzka 1939–1957

Trübners Deutsches Wörterbuch, hrsg. Walther Mitzka, begr. von Alfred Götze, 8 Bde., Berlin 1939– 1957. Schmitthenner 1834

Friedrich Schmitthenner: Kurzes Deutsches Wörterbuch für Etymologie, Synonymik und Orthographie, Darmstadt 1834. Skeat 1882

Walter W. Skeat: An Etymological Dictionary of the English Language, Oxford 1882. Vocabolario della crusca [1612] 1739

Compendio del vocabolario degli accademici della Crusca: formato sulla edizione quarta del medesimo, Florenz [1612] 1739. Weigand [1857] 1960

Friedrich K. Weigand: Deutsches Wörterbuch, 6 Bde., [Gießen 1857] Berlin 1960.

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Namensregister

Alberti, Leon Battista  28 f., 31 f., 37, 39 f., 42, 67, 75, 83 Alberti, Romano  30 f., 33, 102, 106, 195 Alciato, Andrea  124 f. Aldrovandi, Ulisse  169, 179–181 Alhazen  89 Allori, Alessandro  34, 36–39, 41 f., 77, 79 f., 83 Ambrosinus, Bartholomäus  180 Ampzing, Samuel  98 Andrea del Castagno  76 Aneau, Barthélemy  125 Apelles  95, 127, 134, 167, 180 f. Aristoteles  29, 31–33, 181 Armenini, Giovanni Battista  57–67, 69 f., 72, 80, 150, 171, 178 Arrighi, Lodovico degli  84 f., 88–90

Bisschop, Jan de  113 Bocchi, Francesco  32 f., 37 Bocskay, Georg  94 Boissens, Cornelis  95, 111, 128 Bonhomme, Matthias  125 Borghini, Raffaello  34, 71, 109–111 Borghini, Vincenzo  29 Bosse, Abraham  10, 12, 18 f., 42, 60, 77, 80–82, 92, 116, 119, 123, 129–149, 152–162, 164–168, 171, 181, 183 f., 187, 189, 191 f., 197 f., 202, 204–207 Brizio, Francesco  41 Bronzino, Agnolo  31, 34 Browne, Alexander  21, 42, 63, 70, 130, 165 Bruegel d. Ä., Pieter  120 Burnet, John  139, 185

Bacon, Francis  132 Baglione, Cesare  44 Baglione, Giovanni  99 f. Baldini, Baccio  8 Baldinucci, Filippo  22, 32, 66–68, 73, 75, 110, 129 f., 155, 185 f., 189, 201 Bandinelli, Baccio  36, 54, 139 Barbaro, Daniele  29, 38, 40, 75 Barocci, Federico  41, 98 Barrow, John  31 Bartsch, Adam von  52, 142, 149, 197, 199 f., 202, 206–208 Basan, Pierre-François  153 Beham, Hans Sebald  20, 41 Bickham, George  80–83, 88 f., 92, 135, 167 Biens, Cornelis  69 Bisagno, Fra Domenico Francesco  30, 150

Callot, Jacques  130, 158, 161, 166, 185 Camerarius, Joachim  64 Campagnola, Giulio  201 f. Capella, Martianus  102, 106 f., 124 f., 134 Carracci, Agostino  41, 44, 51 f. Carracci, Agostino, Annibale u. Lodovico  41, 45 f., 69 f., 151 f. Castiglione, Baldassare  96, 150 Celebrino, Eustachio  88 Cellini, Benvenuto  21, 32, 58, 63, 70, 109, 112 f. Cennini, Cennino  12, 21, 36 f., 57 f., 105, 113 Chelsum, James  200 Ciamberlano, Luca  18, 41–49, 51–53, 55, 61, 92 f. Cione Federighi, Guerruccio de  89 Clemens VII.  88 Cochin, Charles-Nicolas  10, 133, 136, 187 Cock, Hieronymus  118, 120

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Namensregister

Colombina, Gasparo  47 f. Condivi, Ascanio  207 Coppenol, Lieven van  122 Cort, Cornelis  55, 66, 99, 187 Coypel, Antoine  151 f. Cresci, Giovan Francesco  84 f. Danti, Vincenzo  36 Decembrio, Angelo Camillo  94 f. Degenhart, Bernhard  11, 66, 189 Desargues, Gérard  130–132, 146 Descartes, René  191 Desmoulins, François  111, 123 Dezallier d’Argenville, Antoine-Joseph  57, 72–74, 157, 180, 182 f., 189 f., 207 Diderot, Denis  20, 168, 201 Doissin, Louis  150–152, 154, 156 Doni, Anton Francesco  31, 150 Dufresnoy, Charles Alphonse  152 Dürer, Albrecht  25, 61–66, 72, 95 f., 98 f., 151 f., 162 f., 187 Earlom, Richard  202–204 Erasmus von Rotterdam  95 Esengren, Philipp  47 f. Estius, Franco  121 Eugen IV.  80 Euklid  83, 89, 140, 195 Evelyn, John  67 f., 71, 139, 160, 187, 197 f., 200, 206 Eyck, Hubert u. Jan van  21 Fanti, Sigismondo  83 f., 88, 90, 92, 100, 105 Félibien, André  130 Feliciano, Felice  83 Fialetti, Odoardo  41 f. Fielding, Theodore Henry Adolphus  202 Finiguerra, Maso  22 Floris, Frans  110 Francia, Francesco  22 Franco, Giacomo  107, 117 Frisius, Simon  89, 92 f., 95, 100 f., 117, 119 f., 122, 128, 136, 158, 159–161, 164, 167, 185 Fürst, Paul  42 Galilei, Galileo  131 Galle, Philips  121 Gauricus, Pomponius  29, 115 f. Ghiberti, Lorenzo  89 Ghirlandaio, Domenico  11 Giambologna  111, 113 Gilio da Fabriano, Giovanni Andrea  110 Gilpin, William  22, 187 f., 200, 204, 206

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Giovanni Antonio da Brescia  152 Goltzius, Hendrick  63, 68–70, 90, 94, 96–100, 112 f., 115–117, 121, 123 f., 127 f., 133, 137, 172Guercino  164, 190 f. Guicciardini, Lodovico  110 Hamerton, Philip Gilbert  8 f., 11 f., 22, 25–27, 70, 115, 187, 189, 196, 199 f., 202, 204 Hamilton, Franz de  167 Harvey, William  131 Hobbes, Thomas  131 Hoefnagel, Jacob  178 Hoefnagel, Joris  94 Hogarth, William  188, 190 Holanda, Francisco de  32, 38, 150 Holbein, Hans  187 Hondius, Hendrick  118 Hoogstraten, Samuel van  69, 184 Hooke, Robert  169, 171 f., 174 f., 178, 180, 185 Horaz  104 Huygens, Constantijn  131 Huysum, Jan van  203 f. Imperato, Ferrante  58 f., 182 Jackson, John Baptist  204 Jacopo da Pontormo  34 Jamnitzer, Wenzel  133 f. Jansen, Hendrik  22 Jombert, Charles-Antoine  68 f., 80, 138 Junius, Handrianus  125 Kolloff, Éduard Ernst  8–12, 19, 141 Konrad von Hirsau  104 f. Lafreri, Antonio  55 La Hyre, Laurent de  133 Lairesse, Gérard de  61, 69, 71, 129, 132, 146, 168, 198, 202 Lampsonius, Dominicus  99, 102, 118, 120 Lancel, Antoine  98 Landseer, John  152, 201 Le Comte, Florent  21, 133, 134, 136–140, 145, 153, 167 Leeuwenhoek, Antoni van  172 Leonardo da Vinci  29, 38–40, 59, 74–76, 112, 131, 136 f., 151 f., 160, 192 f., 195 Ligozzi, Jacopo  179 Lomazzo, Giovanni Paolo  30, 40, 74, 102 Lorrain, Claude  166, 186–189, 191, 193 Lucas van Leyden  72–74, 76, 98, 151 f. Malpighi, Marcello  176 f.

Namensregister

Malvasia, Carlo Cesare  44, 66 Mancini, Giulio  70–72, 116 Mander, Karel van  21, 71, 75, 94–96, 98, 100–102, 107, 110 f., 118, 124, 139, 172, 200 Mantegna, Andrea  22, 53, 64, 101, 138, 152 Mariette, Pierre-Jean  139, 155, 207 Marolles, Michel de  150 f., 207 Matham, Jakob  94, 103 Mellan, Claude  16, 27 f., 30, 49, 128, 131, 133, 142 f., 149–156, 187, 205 Mercator, Gerhard  90 Merian, Matthäus  158–161, 164, 166 f., 185 Michelangelo  11, 15–19, 29 f., 32, 34–36, 41, 44, 48, 55, 59, 82, 99, 111, 139, 150–152, 207 Montaiglon, Anatole de  155 f. Muller, Jan Harmensz.  54, 63, 107, 112 f., 169, 171 Nanteuil, Robert  133, 204–206 Natalis, Michael  141, 164, 166, 205 Neudörffer d. Ä., Johann  88 f., 95, 101 Newman, Dorman  202 Nicéron, Jean-François  133, 204 Nicholson, Francis  148, 188 Nicquet, Jean  122 Pacioli, Luca  81, 83 f. Palatino, Giovanni Battista  79, 83–91, 100, 104 f. Palma il Giovane, Jacopo  41 Paradin, Claude  126 Parmigianino  22 Parrhasios  31, 181 Passarotti, Bartolomeo  65 f. Passe, Crispin van de  42, 44, 59–61, 137, 145, 159 Peere, Abraham van  95 Perrault, Charles  138 f., 143, 145 Perret, Clément  91 Petrarca, Francesco  106 Piles, Roger de  66, 69 f., 190 Pisani, Francesco  80 Plinius d. Ä.  31, 64, 127, 181 Power, Henry  175 f. Prinz Ruprecht von der Pfalz  199 Proteus  98 Quintilian  31, 116 Raffael  8, 46, 59, 63, 85, 110 f., 151 f. Raimondi, Marcantonio  22, 62 f., 66, 76, 99, 102, 138–140, 143 Rembrandt  26 f., 30, 185 Resta, Sebastiano  99 f. Ripa, Cesare  102, 129 Robson, William  32, 116

Roelands, David  95 Rollenhagen, Gabriel  102 f., 127 Rosso, Fiorentino  59 Rubens, Peter Paul  162 Ruskin, John  198, 200 Russell, John  25, 31 Sadeler, Aegidius  188 Sadeler, Raphael  167 Salamanca, Antonio  55 Salviati, Francesco  55 Sambix, Felix van  91 Sanderson, William  113, 116 Sandrart, Joachim von  58–60, 66, 154–169, 185, 190, 196, 198 f. Schäufelin, Hans  162 f. Schonaeus, Cornelis  98 Schrevelius, Theodorus  98 Schwindt, Cornelius  179 Seghers, Hercules  184, 186 Shakespeare, William  22 Siegen, Ludwig von  199 Stefanoni, Pietro  41 Strutt, Joseph  155 Sulzer, Johann Georg  12 f., 19, 61, 64, 99 Swammerdam, Jan  169, 176–178, 180–183, 185 Tagliente, Giovanni Antonio  84, 88 Tetrode, Willem van  113 Theophilus Presbyter  21 f., 40 Thévenot, Melchisédech  177 f. Thurneysen, Johann Jakob  154 Tizian  99 Ugo da Carpi  88 Vaillant, Wallerant  198 Valesio, Giovanni Luigi  43 Valverde de Amusco, Juan  42 Varchi, Benedetto  19 f., 31 f., 113, 207 Vasari, Giorgio  21 f., 29, 31–33, 37, 59, 61–63, 66, 70, 73, 76, 99, 140 Velde, Jan van de  89–98, 100, 107–110, 112, 116, 118, 120, 123–125, 128, 149 f., 156 Vergerio, Pietro Paolo  80 Verini, Giovanni Battista  79, 85, 89, 100, 106 Vermeer, Jan  172 Vertumnus  98 Vesalius, Andreas  42 Visscher, Cornelis de  118, 120, 122–124 Vorsterman, Lucas  162, 164 Vouet, Simon  133, 204 f. Vries, Adriaen de  113

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Namensregister

Waldreich, Johann Georg  163 Waller, Richard  172 Walpole, Horace  196 f. Walpole, Robert  203 Willis, Thomas  173 Winckelmann, Johann Joachim  154 Wölfflin, Heinrich  11, 13 Wren, Christopher  173, 180

270

Young Ottley, William  72, 152 Zanotti, Gian Pietro  73 Zeuxis  31 Zuccaro, Federico  30, 41 Zuccaro, Taddeo  41

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Claude Mellan: Standbild des Hercules, 1636–1647, Kupferstich, 37,4 × 23,5 cm. Abb. 2 Rembrandt: Der Omval, 1645, Radierung, 18,3 × 22,5 cm, H. 209-1(2). Abb. 3 u. 4 Claude Mellan: Details von Abb. 1. Abb. 5 Michelangelo: Studie einer Kreuzigung, 1512, schwarze und rote Kreide auf Papier, 40,4 × 20,6 cm, London, British Museum, Inv. Nr. 1895,0915.497. Abb. 6 Alessandro Allori: Studie eines männlichen Torso, schwarze Kreide über Spuren von brauner Tinte, teils Tintenfraß, 28,1 × 20,6 cm, Paris, Cabinet des dessins du musée du Louvre, Inv. Nr. 1496. Abb. 7 Alessandro Allori: Studien einer Hand, schwarze Kreide über Spuren von Rötel auf Papier, 17,5 × 27,8 cm, Paris, Cabinet des dessins du musée du Louvre, Inv. Nr. 12. Abb. 8 Juan Valverde de Amusco: Historia de la composicion del cuerpo humano. Escrita por Ioan Valuerde de Hamusco, Rom 1556, Bd. 2, Taf. 15. Abb. 9 Luca Ciamberlano: Scvola perfetta per Imparare a Disegnare tutto il corpo Humano, Cauata dallo studio, e disegno de Caracci, Taf. 1. Abb. 10 Agostino Carracci: Studie zur Rückkehr des verlorenen Sohns, schwarze Kreide, Feder in Grau und Braun, rote Kreide auf Papier, 50,0 × 37,0 cm [das Blatt wurde auf Höhe der Mitte aus zwei einzelnen Blättern zusammengefügt], Windsor Castle, Royal Library, RL 01755v. Abb. 11 Luca Ciamberlano: Scvola perfetta per Imparare a Disegnare tutto il corpo Humano, Cauata dallo studio, e disegno de Caracci, Taf. 2.

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 12 Agostino Carracci (zug.): Fußstudien, Feder und braune Tinte auf Papier, 20,2 × 17,2 cm, Amsterdam, Rijks­ museum, Inv. Nr. RP-T-1958-55. Abb. 13 Agostino Carracci oder Lodovico Carracci (?): Studienblatt, Feder und braune Tinte auf Papier, 25,8 × 16,2 cm, ­Windsor Castle, Royal Library, RL 02129. Abb. 14 Gasparo Colombina und Philipp Esengren: Discorso sopra il modo di disegnare, dipingere et spiegare: s­ econdo l’vna, & l’altr’arte gli affetti principali si naturali, come accidentali nell’Huomo, secondo i precetti della Fisonomia, Venedig 1650 (?), Taf. 1. Abb. 15 Gasparo Colombina und Philipp Esengren: Discorso sopra il modo di disegnare, dipingere et spiegare: s­ econdo l’vna, & l’altr’arte gli affetti principali si naturali, come accidentali nell’Huomo, secondo i precetti della Fisonomia, Venedig 1650 (?), Taf. 2. Abb. 16 Luca Ciamberlano: Scvola perfetta per Imparare a Disegnare tutto il corpo Humano, Cauata dallo studio, e disegno de Caracci, Taf. 3. Abb. 17 Agostino Carracci: Studienblatt, Feder und braune Tinte, braun laviert auf Papier, 25,9 × 19,5 cm, Windsor Castle, Royal Library, RL 02002. Abb. 18 Agostino Carracci: Detail von Abb. 17. Abb. 19 Luca Ciamberlano: Scvola perfetta per Imparare a Disegnare tutto il corpo Humano, Cauata dallo studio, e disegno de Caracci, Taf. 31. Abb. 20 Luca Scvola perfetta per Imparare a Disegnare tutto il corpo Humano, Cauata dallo studio, e disegno de Caracci, Taf. 37. Abb. 21 Andrea Mantegna: Sitzende Madonna mit Kind, ca. 1465–1475, Kupferstich und graue Lavierung auf Papier, 24,5 × 22,8 cm, Ill. B. 3-2(2). Abb. 22 Jan Muller: Porträt von Joost Sijbrandtsz. Buyck, Kupferstich, 17,7 × 11,4 cm, NH. 18-2(2). Abb. 23 Albrecht Dürer: Hl. Hieronymus im Gehäus, 1514, Kupferstich, 24,4 × 18,7 cm, B. 60. Abb. 24 George Bickham: The Drawing and Writing Tutor: Or an Alluring Introduction to the Study of those Sister Arts, London [1740?] 1748, Taf. 1. Abb. 25 Abraham Bosse: Traicté des manieres de graver en taille douce sur l’airin. Par le Moyen des Eauxs Fortes, & des Vernix Durs & Mols. Ensemble de la façon d’en Imprimer les Planches & d’en Construire la Presse, & autre chose concernans lesdits Arts, Paris 1645, Taf. 4. Abb. 26 Giovanni Battista Palatino: Libro nuouo da imparare a scriuere tutte sorte lettere antiche et moderne di tutte nationi, Con vn breue, & vtile trattato de le cifre, composto per Giouambattista Palatino cittadino romano, Rom [1540] 1545, n. pag.

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 27 Giovanni Battista Palatino: Libro nuouo da imparare a scriuere tutte sorte lettere antiche et moderne di tutte nationi, Con vn breue, & vtile trattato de le cifre, composto per Giouambattista Palatino cittadino romano, Rom [1540] 1545, n. pag. Abb. 28 Giovanni Battista Palatino: Libro nuouo da imparare a scriuere tutte sorte lettere antiche et moderne di tutte nationi, Con vn breue, & vtile trattato de le cifre, composto per Giouambattista Palatino cittadino romano, Rom [1540] 1545, n. pag. Abb. 29 Giovanni Battista Palatino: Libro nuouo da imparare a scriuere tutte sorte lettere antiche et moderne di tutte nationi, Con vn breue, & vtile trattato de le cifre, composto per Giouambattista Palatino cittadino romano, Rom [1540] 1545, n. pag. Abb. 30 Jan van de Velde: Spieghel der Schrijfkonste, Inden welcken ghesien worden veelderhande Gheschrifften met hare Fondemente ende onderrichtinghe wtghegeven, Rotterdam 1605, n. pag. Abb. 31 Jan van de Velde: Spieghel der Schrijfkonste, Inden welcken ghesien worden veelderhande Gheschrifften met hare Fondemente ende onderrichtinghe wtghegeven, Rotterdam 1605, n. pag. Abb. 32 Karel van Mander und Jakob Matham: Entwurf für den Spieghel der Schrijfkonste, 1604, Kupferstich und lavierte Feder in brauner Tinte auf Papier, 35,0 × 23,0 cm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv. Nr. RP-P1896-A-19245. Abb. 33 Jan van de Velde: Spieghel der Schrijfkonste, Inden welcken ghesien worden veelderhande Gheschrifften met hare Fondemente ende onderrichtinghe wtghegeven, Rotterdam 1605, n. pag. Abb. 34 Hendrick Goltzius (nach Federico Barocci): Verkündigung, 1594, Kupferstich, 47,8 × 35,7 cm, NH 8. Abb. 35 Schematische Darstellung der Schraffur. Abb. 36 Marcantonio Raimondi: Allegorie (Grammatica), ca. 1510–1527, Kupferstich, 18,9 × 11,6 cm, B. 383. Abb. 37 Gabriel Rollenhagen: Nucleus emblematum selectissimorum, quae Itali vulgo impresas vocant […], Arnhem 1611, Bd. 1, S. 95. Abb. 38 Jakob Matham (nach Hendrick Goltzius): Mäßigung (Temperantia), 1597, Kupferstich, 15,7 × 10,3 cm, NH 511. Abb. 39 Florenz, Biblioteca Medicea Laurenziana, S. Marco 190, fol. 15v. Abb. 40 Jan van de Velde: Spieghel der Schrijfkonste, Inden welcken ghesien worden veelderhande Gheschrifften met hare Fondemente ende onderrichtinghe wtghegeven, Rotterdam 1605, Fondement-Boeck, n. pag. Abb. 41 Jan Muller (nach Adriaen de Vries): Raub einer Sabinerin, ca. 1600, Kupferstich, 42,8 × 28,4 cm, NH. 78-5(5).

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Abb. 42 Giacomo Franco: Il franco modo di scrivere cancellaresco moderno […], Venedig 1595, Taf. 42. Abb. 43 Hendrick Goltzius: Icarus (Die vier Himmelsstürmer), 1588, Kupferstich, D: 33,1 cm, H. 307. Abb. 44 Jan van de Velde: Spieghel der Schrijfkonste, Inden welcken ghesien worden veelderhande Gheschrifften met hare Fondemente ende onderrichtinghe wtghegeven, Rotterdam 1605, n. pag. Abb. 45 Jan van de Velde: Spieghel der Schrijfkonste, Inden welcken ghesien worden veelderhande Gheschrifften met hare Fondemente ende onderrichtinghe wtghegeven, Rotterdam 1605, n. pag. Abb. 46 Hendrick Goltzius: Apollo, 1588, Kupferstich, 35,1 × 26,5 cm, NH 151-1(2). Abb. 47 Jan van de Velde: Spieghel der Schrijfkonste, Inden welcken ghesien worden veelderhande Gheschrifften met hare Fondemente ende onderrichtinghe wtghegeven, Rotterdam 1605, n. pag. Abb. 48 Robert de Baudous: Porträt von Cornelis de Visscher, 1610, 21,0 × 12,4 cm, Kupferstich und Radierung, H. 161, aus: Hendrick Hondius I., Simon Frisius et al.: Pictorum Aliquot Celebrium Praecipuae Germaniae Inferioris Effigies, Taf. 85, Rotterdam 1610. Abb. 49 Hendrick Goltzius: Porträt von Philips Galle, 1582, Kupferstich, 22,3 × 14,5 cm, H. 190-2(3). Abb. 50 Hendrick Goltzius: Porträt von Jean Nicquet im Alter von 56, 1595, Kupferstich, 15,4 × 10,7 cm, H. 202-1(2). Abb. 51 Anonym: Kalligraphie einer Frau mit Kind und Windmühle, ca. 1720, 32, 2 × 20,6 cm, Kupferstich, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv. Nr. RP-P-OB-82.687. Abb. 52 Jan van de Velde: Spieghel der Schrijfkonste, Inden welcken ghesien worden veelderhande Gheschrifften met hare Fondemente ende onderrichtinghe wtghegeven, Rotterdam 1605, n. pag. Abb. 53 Claude Paradin: Devises heroïques, et emblemes, Lyon [1551] 1557, S. 49. Abb. 54 Gabriel Rollenhagen: Nucleus emblematum selectissimorum, quae Itali vulgo impresas vocant […], Utrecht/ Arnhem 1611–1613, Bd. 2, S. 24. Abb. 55 Michael Natalis (nach Sébastien Bourdon): Maria mit Christuskind und Johannes dem Täufer, 1658, Kupferstich, 40,5 × 31,2 cm, H. 8-1(2). Abb. 56 Michael Natalis: Detail von Abb. 55. Abb. 57 Abraham Bosse: Moyen universel de pratiquer la perspective sur les tableaux ou Surfaces Irregulieres. […], Paris 1653, Taf. 31. Abb. 58 Simon Frisius (nach Hendrick Hondius): Priester in einer Landschaft, Radierung, 17,8 × 22,8 cm, NH. 13.

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Abb. 59 Matthäus Merian: Belagerung von Chur, Radierung, 20,8 × 29,2 cm. Abb. 60 Jacques Callot: Vogeljagd, ca. 1628–1635, Radierung, 11,6 × 24,9 cm, Meaume 1193. Abb. 61 Lucas Vorsterman (nach Peter Paul Rubens): Büste des Plato, ca. 1630–1638, Kupferstich, 29,1 × 19,0 cm, H. 107. Abb. 62 Lucas Vorsterman: Detail von Abb. 61. Abb. 63 Guercino: Berglandschaft, ca. 1640–1650, Feder und braune Tinte auf Papier, 27,4 × 42,3 cm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv. Nr. RP-T-1981-56. Abb. 64 Jan Muller: Chilon, 1593, Kupferstich, 47,8 × 37,3 cm, NH. 13. Abb. 65 Thomas Willis: Cerebri anatome: cui accessit nervorum descriptio et usus, London 1664, Taf. 1. Abb. 66 Thomas Willis: Cerebri anatome: cui accessit nervorum descriptio et usus, London 1664, Taf. 2. Abb. 67 Robert Hooke: Micrographia: Or some Physiological Descriptions of minute bodies made by magnifiying glasses with observations and inquiries thereupon, London 1665, Taf. 2. Abb. 68 Jan Swammerdam: Historia Insectorum Generalis, in qua quaecunque ad Insecta corumque mutationes spectant, dilucide ex fansioris philosophiae & experientiae principiis explicantur. Ex Beligica Latinam fecit Henricus Christianus Henninius, [Utrecht 1669] Leiden 1685, Taf. 3. Abb. 69 Robert Hooke: Micrographia: Or some Physiological Descriptions of minute bodies made by magnifiying glasses with observations and inquiries thereupon, London 1665, Taf. 30. Abb. 70 Jacob Hoefnagel: Archetypa studiaque patris GeorgiI HoefnageliI, Frankfurt a. M. 1592, Taf. 6. Abb. 71 Ulisse Aldrovandi: Vlyssis Aldrovandi Patricii Bononiensis Mvsaevm Metallicvm in Libros IIII Distribvtvm. […], Bologna 1648, S. 764. Abb. 72 Antoine Joseph Dezallier d’Argenville: L’histoire naturelle éclaircie dans deux de ses parties principales, la lithologie et la conchyliologie […], Paris [1742] 1755, Taf. 10. Abb. 73 Denis Diderot: Encyclopédie, ou, Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers par une société de gens de lettres, Bildband 5, [Paris 1751–1780] Parma 1971–1979, Stichwort: Gravure, Taf. 7. Abb. 74 Richard Earlom (nach Jan van Huysum): Blumenstillleben („Houghton Gallery“), 1778, Radierung, Cambridge, Fitzwilliam Museum, Inv. Nr. P.50-1956.

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Taf. 1 Michelangelo: Studienblatt, ca. 1504, Feder und braune Tinte, schwarze Kreide, auf Papier, 20,5 × 25,3 cm, Hamburg, Hamburger Kunsthalle, Inv. Nr. 21094. Taf. 2 Luca Ciamberlano: Scvola perfetta per Imparare a Disegnare tutto il corpo Humano, Cauata dallo studio, e disegno de Caracci, Taf. 14. Taf. 3 Luca Ciamberlano: Scvola perfetta per Imparare a Disegnare tutto il corpo Humano, Cauata dallo studio, e disegno de Caracci, Taf. 15. Taf. 4 Cornelis Cort: Allegorie der Armut, ca. 1565/70, Feder und braune Tinte auf Vergé, 42,6 × 28,5 cm, Washington D.C., National Gallery, Inv. Nr. 1984.17.1. Taf. 5 Hendrick Goltzius: Bacchus, Venus und Ceres, 1604–1606, Feder und braune Tinte auf präparierter Leinwand, 228 × 170 cm, St. Petersburg, Eremitage, Inv. Nr. OP-18983. Taf. 6 Hendrick Goltzius: Sine Cerere et Baccho friget Venus, 1593, Feder und dunkelbraune Tinte auf Pergament, 61,3 × 49,5 cm, London, British Museum, Inv. Nr. 1861.6.8.174. Taf. 7 Hendrick Goltzius: Porträt von Gillis van Breen, ca. 1600, Feder und Pinsel in brauner Tinte auf Papier, 22,3 × 17,8 cm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv. Nr. RP-T-2000-1. Taf. 8 Lucas van Leyden: Porträt eines Mannes, schwarze Kreide auf Papier, 33,0 × 33,0 cm, Paris, Cabinet des dessins du musée du Louvre, Inv. Nr. 19181. Taf. 9 Lucas van Leyden: Christus heilt einen Blinden, braune Lavierung auf Papier, 52,8 × 41,1 cm, Paris, Cabinet des dessins du Louvre, Inv. Nr. 22685. Taf. 10 Joris Hoefnagel und Georg Bocskay: Mira calligraphiae monumenta, 1561/62 bzw. 1591–1596, Tinte, Aquarellfarben und goldene Deckfarbe auf Pergament, 16,6 × 12,4 cm, Los Angeles, J. Paul Getty Museum, Ms. 20, fol. 25. Taf. 11 Raffael: Transfiguration Christi, ca. 1516–1520, Öl auf Holz, 405 × 278 cm, Rom, Vatikanische Pinakothek. Taf. 12 Michelangelo: Studie zur Libyschen Sibylle, ca. 1510, rote Kreide mit weißen Höhungen auf Papier, 28,9 × 21,4 cm, New York, Metropolitan Museum of Art, Inv. Nr. 24.197.2. Taf. 13 Simon Frisius: Kopf eines alten Mannes (Hl. Hieronymus?), 1624, Feder und braune Tinte auf Papier, auf Leinwand montiert, 59,1 × 44,0 cm, Leiden, Rijksuniversiteit, Inv. Nr. PK-TAW-809. Taf. 14 Hendrick Goltzius: Goltzius‘ rechte Hand, 1588, Feder und braune Tinte auf Papier, 22,9 × 32,8 cm, Haarlem, Teylers Museum, Inv. Nr. N 58. Taf. 15 Claude Mellan: Maria Magdalena in der Grotte, Kupferstich, 18,6 × 22,4 cm.

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Taf. 16 Claude Mellan: Schweißtuch der Veronika, 1649, Kupferstich, 42,8 × 31,3 cm. Taf. 17 Johann Jakob Thurneysen: Antonius, 1678, Kupferstich, 34,4 × 21,6 cm. Taf. 18 Claude Lorrain: Landschaft mit Versuchung Christi, 1676, Feder und braune Tinte, grau-braune Lavierung, weiß gehöht auf blauem Papier, 27,9 × 18,8 cm, London, British Museum, Inv. Nr. Oo,8.257. Taf. 19 Cornelius Schwindt: Zeichnungen von Insekten, Aquarell, Feder und braune Tinte auf Papier, 32,0 × 22,4 cm, Bologna, Biblioteca Universitaria, Ms. Aldrovandi, Bd. VII–1, fol. 73. Taf. 20 Ulisse Aldrovandi: Ulyssis Aldrovandi Philosophi Ac Medici Bononiensis Historiam Naturalem in patria olim profitentis. De Animalibus Insectis Libri Septem […], Bologna 1618, fig. 7 [S. 162]. Taf. 21 Hercules Seghers: Das Grabmal der Horatier und Curiatier, Radierung und Öl auf Papier, 12,6 × 19,4 cm, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv. Nr. RP-P-H-OB-859. Taf. 22 Claude Lorrain: Waldlandschaft, ca. 1635–1640, Feder und braune Tinte, braun laviert auf Papier, 19,1 × 26,0 cm, London, British Museum, Inv. Nr. Oo,6.101. Taf. 23 Claude Lorrain: Kuhherde in Landschaft, 1636, Radierung, 12,8 × 19,8 cm. Taf. 24 Leonardo da Vinci: Studie zur Anna Selbdritt, ca. 1508, Feder und Tinte über schwarzer Kreide, graue Lavierung, weiß gehöht auf Papier, 26,5 × 19,9 cm, London, British Museum, Inv. Nr. 1875,0612.17. Taf. 25 Leonardo da Vinci: Verso von Taf. 24. Taf. 26 Richard Earlom (nach Jan van Huysum): Stillleben mit Früchten („Houghton Gallerty“), 1781, Mezzotinto, 55,6 × 42,0 cm. Taf. 27 Richard Earlom: Detail von Taf. 26 Taf. 28 Jan van Huysum: Stilleben mit Früchten, 1723, Öl auf Holz, 80,0 × 60,5 cm, St. Petersburg, Eremitage, Inv. Nr. ГЭ-1049. Taf. 29 Robert Nanteuil: Porträt von Henri de la Tour d’Auvergne, ca. 1665, Pastell auf Papier, 44,6 × 34,9 cm, Paris, Cabinet des dessins du musée du Louvre, Inv. Nr. 31368. Taf. 30 Robert Nanteuil: Porträt von Henri de la Tour d’Auvergne, 1665, Kupferstich, 50,2 × 42,5 cm. Taf. 31 Robert Nanteuil: Detail von Taf. 30.

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Bildnachweise

Abb. 1–4, 12, 23, 32, 34, 36, 38, 41, 46, 49–51, 55, 56, 58–64, Taf. 7, 15, 16, 21, 23, 26, 27, 30, 31 © Amster­dam, Rijksmuseum; Abb. 5 Thomas Pöpper: Michelangelo 1475–1564. Das zeichnerische Werk, Köln 2017, S. 118; Abb. 6 © RMN-Grand Palais (musée du Louvre) / Gérard Blot; Abb. 7, Taf. 8 © RMNGrand Palais (musée du Louvre) / Thierry Le Mage; Abb. 8 Juan Valverde de Amusco: Historia de la composición del cuerpo humano […], Rom 1556, Bd. 2, Taf. 15; Abb. 9 Luca Ciamberlano: Scvola perfetta […], Taf. 1; Abb. 10 Rudolf Wittkower: The Drawings of the Carracci in the Collection of Her Majesty the Queen at Windsor Castle, London 1952, Abb. 31; Abb. 11 Luca Ciamberlano: Scvola perfetta […], Taf. 2; Abb. 13 Rudolf Wittkower: The Drawings of the Carracci in the Collection of Her Majesty the Queen at Windsor Castle, London 1952, S. 118; Abb. 14 Gasparo Colombina und Philipp Esengren: Discorso sopra il modo di disegnare […], Venedig 1650 (?), Taf. 1; Abb. 15 Gasparo Colombina und Philipp Esengren: Discorso sopra il modo di disegnare […], Venedig 1650 (?), Taf. 2; Abb. 16 Luca Ciamberlano: Scvola perfetta […], Taf. 3; Abb. 17 Rudolf Wittkower: The Drawings of the Carracci in the Collection of Her Majesty the Queen at Windsor Castle, London 1952, Abb. 39; Abb. 18 Rudolf Wittkower: The Drawings of the Carracci in the Collection of Her Majesty the Queen at Windsor Castle, London 1952, Abb. 39; Abb. 19 Luca Ciamberlano: Scvola perfetta […], Taf. 31; Abb. 20 Luca Ciamberlano: Scvola perfetta […], Taf. 37; Abb. 21 Luca Ciamberlano: Scvola perfetta […], Taf. 14; Abb. 22 Luca Ciamberlano: Scvola perfetta […], Taf. 15; Abb. 24 George Bickham: The drawing and writing tutor […], London [1740?] 1748, Taf. 1; Abb. 25 Abraham Bosse: Manieres de graver […], Paris 1645, Taf. 4; Abb. 26–29 Giovanni Battista Palatino: Libro nuovo, Rom [1540] 1545, n. pag; Abb. 30, 31, 33, 40, 44, 45, 47, 52 Jan van de Velde: Spieghel der Schrijf­konste […], Rotter­ dam 1605, n. pag; Abb. 35 Ton Croiset van Uchelen: De schrijfmeester Jan van den Velde (1568–1623), Amster­dam 2005, S. 183; Abb. 37 Gabriel Rollenhagen: Nucleus emblematum […], Bd. 1, Arnhem 1611, S. 95; Abb. 39 Marco Buonocore (Hrsg.): Vedere i classici. L’illustrazione ­libraria dei testi antichi dall’età romana al tardo medioevo (Aus.kat. Rom, Vatikanische Museen: 09.10.1996–19.04.1997), Rom 1996, S. 215; Abb. 42 Giacomo Franco: Il franco modo di scrivere cancellaresco moderno […], ­Venedig 1595, Taf. 42; Abb. 48 Hendrick Hondius I., Simon Frisius et al.: Pictorum Aliquot Celebrium Praecipuae Germaniae Inferio­ris Effigies, Rotterdam 1610, Taf. 85; Abb. 53 Claude Paradin: Devises heroïques, et emblemes, Lyon [1551] 1557, S. 49; Abb. 54 Gabriel Rollenhagen: Nucleus emblematum […], Utrecht/Arnhem 1611–1613, Bd. 2, S. 24; Abb. 57 Abraham Bosse: Moyen universelle […], Paris 1653, Taf. 31; Abb. 65 Thomas Willis: Cerebri anatome […], London 1664, Taf. 1; Abb. 66 Thomas Willis: Cerebri anatome […], London 1664, Taf. 2; Abb. 67 ­Robert Hooke: Micrographia […], London 1665, Taf. 2; Abb. 68 Jan Swammerdam: Historia Insectorum ­Generalis […], [Utrecht 1669] Leiden 1685, Taf. 3; Abb. 69 Robert Hooke: Micographia […], London 1665, Taf. 30; Abb. 70 Jacob Hoefnagel: Archetypa studiaque patris […], Frankfurt a. M. 1592, Taf. 6; Abb. 71 Ulisse Aldrovandi: Musaeum metallicum […], Bologna 1648, S. 764; Abb. 72 Antoine ­Joseph ­Dezallier d’Argenville: L’histoire naturelle […], Paris [1742] 1755, Taf. 10; Abb. 73 Denis Diderot: Ency-

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Bildnachweise

clopédie […], Bildband 5, [Paris 1751–1780] Parma 1971–1979, Stichwort: Gravure, Taf. 7; Abb. 74 © Cambridge, Fitzwilliam Museum; Taf. 1 Thomas Pöpper: Michelangelo 1475–1564. Das zeichnerische Werk, Köln 2017, S. 234 f; Taf. 2 Luca Ciamberlano: Scvola perfetta […], Taf. 14; Taf. 3 Luca Ciamberlano: Scvola perfetta […], Taf. 15; Taf. 4 © Washington D. C., National Gallery; Taf. 5 Huigen Leeflang und Ger Luijten (Hrsg.), Hendrick Goltzius (1558–1617). Drawings, prints and paintings (Aus.kat. Amsterdam, Rijksmuseum: 07.03. –25.05.2003, New York, Metropolitan Museum of Art: 23.06.–07.09.2003, Ohio, The Toledo Museum of Art in Toledo: 18.10.2003–04.01.2004), Zwolle 2003, S. 278; Taf. 6 Huigen Leeflang und Ger Luijten (Hrsg.), Hendrick Goltzius (1558–1617). Drawings, prints and paintings (Aus.kat. Amsterdam, Rijksmuseum: 07.03. –25.05.2003, New York, Metropolitan Museum of Art: 23.06.–07.09.2003, Ohio, The Toledo Museum of Art in Toledo: 18.10.2003–04.01.2004), Zwolle 2003, S. 249; Taf. 9, 29 © Musée du Louvre, Dist. RMNGrand Palais / Martine Beck-Coppola; Taf. 10 © Los Angeles, J. Paul Getty Museum; Taf. 11Tom Henry und Paul Joannides (Hrsg.): Late Raphael (Aus.kat. Madrid, Museo Nacional del Prado: 12.06.–16.09.2012, Paris, Musée du Louvre: 08.10.2012–14.01.2013), Madrid 2012, S. 58; Taf. 12 © New York, Metropolitan Museum of Art; Taf. 1 © Leiden, Rijksuniversiteit; Taf. 14 Huigen Leeflang und Ger Luijten (Hrsg.), Hendrick Goltzius (1558–1617). Drawings, prints and paintings (Aus.kat. Amsterdam, Rijksmuseum: 07.03. –25.05.2003, New York, Metropolitan Museum of Art: 23.06.–07.09.2003, Ohio, The Toledo Museum of Art in Toledo: 18.10.2003–04.01.2004), Zwolle 2003, S. 245; Taf. 17 Kunstsammlung der Georg-­August-­Universität Göttingen, Foto: Katharina Anna Haase; Taf. 1 Richard Rand (Hrsg.): Claude Lorrain. The Painter as Draftsman, New Haven (u. a.) 2006, S. 195; Taf. 19 © Bologna, Biblioteca Universitaria; Taf. 20 Ulisse Aldrovandi: Historiam naturalem […], Bologna 1618, fig. 7 [S. 162]; Taf. 22 Richard Rand (Hrsg.): Claude Lorrain. The Painter as Draftsman, New Haven (u. a.) 2006, S. 83; Taf. 24, 25 Frank Zöllner und Johannes Nathan: Leonardo da Vinci 1452–1519, 2 Bde., Köln 2011, Bd. 2, S. 278; Taf. 28 © Wikipedia commons.

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Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein und der Richard Stury Stifung.

ISBN 978-3-11-076280-8 e-ISBN (PDF) 978-3-11-076286-0

Library of Congress Control Number: 2023941368 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandabbildung: Hendrick Goltzius: Porträt Gillis van Breen, ca. 1600, Feder und Pinsel in brauner Tinte auf Papier, 22,3 x 17,8 cm, Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv. Nr. Nr. RP-T-2000-1 Covergestaltung: Katja Peters, Berlin Satz: SatzBild GbR, Sabine Taube, Kieve Druck und Bindung: Beltz Grafische Betriebe GmbH, Langensalza www.degruyter.com