Die Unverletzlichkeit der Wohnung: Artikel 13 des Grundgesetzes [1 ed.] 9783428419081, 9783428019083

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Die Unverletzlichkeit der Wohnung: Artikel 13 des Grundgesetzes [1 ed.]
 9783428419081, 9783428019083

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 84

Die Unverletzlichkeit der Wohnung Artikel 13 des Grundgesetzes Von Manfred Gentz

Duncker & Humblot · Berlin

MANFRED GENTZ

Die Unverletzlichkeit der Wohnung

Schriften zum ö f f e n t l i c h e n Band 84

Recht

Die Unverletzlichkeit der Wohnung A r t i k e l 13 des Grundgesetzes

Von

Dr. Manfred Gentz

D U N C K E R

&

H U M B L O T

/

B E R L I N

Gedruckt mit Unterstützung der Stiftung Volkswagenwerk

Alle Rechte vorbehalten © 1968 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1968 bei Alb. Sayffaerth, Berlin 61 Printed in Germany

Meinen Eltern

Vorwort Diese Arbeit hat i m Wintersemester 1967/68 der Juristischen Fakultät der Freien Universität Berlin als Dissertation vorgelegen. Neuere Literatur und Rechtsprechung sind, soweit sie bis Ende A p r i l 1968 veröffentlicht waren, noch möglichst vollständig verwertet und eingearbeitet worden. Spätere Veröffentlichungen, Verfassungs- und Gesetzesänderungen konnten nur noch i n wenigen Fällen Berücksichtigung finden. Aufrichtigen Dank sage ich auch an dieser Stelle meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. K a r l August Bettermann, der mich immer tolerant hat gewähren lassen und nicht nur bei dieser Arbeit m i t vielen Anregungen unterstützt, m i t leichter Hand geführt und beraten hat. Dank schulde ich auch Herrn Ministerialrat a. D. Dr. Johannes Broermann für die Aufnahme der Schrift i n sein Verlagsprogramm. Speyer, den 26. J u l i 1968 Manfred

Gentz

Inhaltsverzeichnis Einleitung § 1. Aufgabe, Ziel und Methode der Arbeit

19

1. Abschnitt

„Die Wohnung ist unverletzlich", Art. 13 Abs. 1 § 2. Wohnung

im Sinne des Art. 13

24

1. Die herrschende Lehre i m staatsrechtlichen Schrifttum

24

2. Abweichende Auffassungen, vor allem i m steuerrechtlichen Schriftt u m u n d i n der Steuergesetzgebung

24

3. Gründe f ü r eine enge Auslegung des Wohnungsbegriffes

26

4. Gründe f ü r eine weite Auslegung des Wohnungsbegriffes

28

5. Ergebnis: Weite Auslegung des Wohnungsbegriffes

30

§ 3. Die Unverletzlichkeit der Wohnung Rechtsnatur des Grundrechts

— Begriff,

Verzichtbarkeit

und

I. Die Unverletzlichkeit — Begriff I I . „Unverletzlichkeit" u n d Verzichtbarkeit der Wohnungsfreiheit . .

31 31 32

1. Das Einverständnis des Berechtigten i n einfachen Gesetzen

33

2. Verzichtbarkeit der Wohnungsfreiheit nach dem Grundgesetz

35

I I I . Rechtsnatur der Wohnungsfreiheit u n d die Grenzen ihrer V e r zichtbarkeit

38

1. Rechtsnatur der Wohnungsfreiheit

38

2. Gegenstand des Verzichts

38

3. Grenzen der Verzichtbarkeit

39

§ 4. Anspruch

auf Wohnung

40

1. Anspruch aus A r t . 13

40

2. Anspruch aus A r t . 3 Abs. 1

42

3. Anspruch aus der Sozialstaatsklausel

42

4. Anspruch aus landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen

43

§ 5. Der Berechtigte

der Wohnungsfreiheit

I. Abstrakte Grundrechtsberechtigung

43 43

10

nsverzeichnis 1. Deutschenrecht — Menschenrecht

43

2. Natürliche u n d juristische Personen

44

I I . Konkrete Grundrechtsberechtigung

45

1. Eigentum u n d mittelbarer Besitz

45

2. Unmittelbarer Besitz

46

3. Beispiele

46

§ 6. Der Verpflichtete

der Wohnungsfreiheit

47

1. Die herrschende Lehre

47

2. Abweichende Auffassungen

48

3. Ergebnis: Keine D r i t t w i r k u n g

51

2. Abschnitt

Die Durchsuchungen des Art. 13 Abs. 2 § 7. Abgrenzung

zu anderen Eingriffen

und Beschränkungen

— Grundsatz

I . Durchsuchungen — Eingriffe u n d Beschränkungen

52 52

I I . Beschränkung des A r t . 13 Abs. 2 auf strafprozessuale Durchsuchungen?

53

1. Argumente f ü r die Beschränkung auf strafprozessuale Durchsuchungen ...

53

2. Widerlegung dieser Argumente

54

3. Ergebnis: Keine Beschränkung auf strafprozessuale suchungen

Durch58

I I I . Methode zur Bestimmung des Durchsuchungsbegriffes

58

1. Aus dem Durchsuchungsbegriff der einfachen Gesetze

58

2. Aus den Anforderungen des A r t . 13 Abs. 2 an die Zulässigkeit v o n Durchsuchungen

59

3. Durch Ausklammerung derjenigen Eingriffe, die m i t Sicherheit unter A r t . 13 Abs. 3 fallen

59

§ 8. Der Durchsuchungsbegriff

in einfachen Gesetzen

I . Strafprozessuale Durchsuchungen

59 ..

60

1. Die Durchsuchungen der Straf Prozeßordnung,. §§ 102—110

60

2. Die „Haussuchungen" des Strafgesetzbuches, § 39 Nr. 3

62

3. Die Durchsuchungen des Fernmeldeanlagengesetzes, § 21

62

4. Die Durchsuchungen nach den §§ 420, 433 der Abgabenordnung

62

I I . Die Durchsuchungen der Wehrdisziplinarordnung, § 67 u n d der Bundesdisziplinarordnung, §§ 58,61,62 ............

64

I I I . Die Durchsuchungen des Vereinsgesetzes, § 4

64

nsverzeichnis

11

I V . Die Durchsuchungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, § 46 Abs. 4 .

65

V. Die Durchsuchungen nach § 758 der Zivilprozeßordnung u n d nach § 335 der Abgabenordnung

67

V I . Gemeinsame Merkmale der Durchsuchungen i n einfachen Gesetzen

69

1. Durchsuchungsgegenstand

69

2. Durchsuchungszweck

69

3. Durchsuchungsvoraussetzungen

69

4. Befugnisse bei der Durchsuchungsausführung

69

5. Definition

70

§ 9. Die Anforderungen suchungen

des Art. 13 Abs. 2 an die Zulässigkeit

von Durch71

I . Rechtsgrundlage f ü r Durchsuchungen

71

1. Gesetz i m formellen u n d materiellen Sinne

72

2. Materielle Anforderungen an das Gesetz

75

a) Verhütung oder A b w e h r dringender Gefahren f ü r die öffentliche Sicherheit u n d Ordnung b) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 3. Ergebnis

75 76 80

I I . Die A n o r d n u n g der Durchsuchung

80

1. Allgemeines zur Bedeutung des Richtervorbehaltes

80

2. Die richterliche Durchsuchungsanordnung

82

a) Zuständigkeit

82

b) I n h a l t der A n o r d n u n g

83

c) Entscheidungsmaßstab

84

d) Spezialanordnung

86

3. Die Durchsuchungsanordnung bei Gefahr i m Verzug

87

a) Begriff der Gefahr i m Verzuge

87

b) Gesetzliche Ermächtigung anderer Staatsorgane

87

c) Keine gesetzliche F i k t i o n v o n Gefahr i m Verzug

88

d) Nachträgliche richterliche Genehmigung

89

I I I . Die Beachtung der gesetzlichen Durchsuchungsformen

91

1. K e i n Z w a n g zur Schaffung von F o r m Vorschriften

91

2. Qualitative Bewertung des Eingriffs „Durchsuchung"

91

3. Verfassungsbeschwerde

92

§ 10. Der Begriff

der Durchsuchung

in Art. 13 Abs. 2

1. Der Durchsuchungsbegriff der einfachen Gesetze u n d die Indizien des A r t . 13 Abs. 2

93 93

nsverzeichnis 2. Die besondere Schwere des Eingriffs „Durchsuchung"

93

3. Ergebnis: „Durchsuchung" i m Sinne des A r t . 13 Abs. 2 — vorläufige Definition

95

3. Abschnitt

Die Eingriffe und Beschränkungen des Art. 13 Abs. 3 §11. Die verfassungsunmittelbare 1. Alternative

Eingriffsermächtigung,

Art.

13 Abs. 3 96

I. W a n n darf eingegriffen werden?

96

1. Abstrakte oder konkrete Gefahr

96

2. Gemeine Gefahr

98

3. Lebensgefahr

99

I I . Gegen w e n darf eingegriffen werden?

100

1. Bedenken gegen Drittinanspruchnahme

101

2. Sinn des Eingriffsvorbehalts

101

3. Drittinanspruchnahme u n d § 330c StGB

102

4. Ergebnis: Auch Drittinanspruchnahme

102

5. Grenzen der Drittinanspruchnahme

102

6. Entschädigung bei Drittinanspruchnahme

103

I I I . Wer darf eingreifen?

103

1. N u r der Staat

103

2. Rechtfertigung privaten Handelns

104

3. Gesetzliche Zuständigkeitsregelung

105

§ 12. Eingriffe und Beschränkungen Abs. 3 2. Alternative

auf Grund

eines Gesetzes, Art.

13 106

I . Behebung der Raumnot, Bekämpfung von Seuchengefahr, Schutz gefährdeter Jugendlicher 107 1. Behebung der Raumnot

107

2. Bekämpfung v o n Seuchengefahr

108

3. Schutz gefährdeter Jugendlicher

109

I I . Verhütung dringender Gefahren f ü r die öffentliche Sicherheit u n d Ordnimg 111 1. Gefahren f ü r die öffentliche Sicherheit u n d Ordnung a) Erweiterung des materiellen Polizeibegriffes

112 113

b) Ausklammerung der Gesetze zur Behebung der R a u m n o t . . 113 c) Einschränkung des materiellen Polizeibegriffes

115

nsverzeichnis

13

2. Dringende Gefahren

116

3. öffentliche Sicherheit „ u n d " / „ o d e r " Ordnung

118

I I I . A u f G r u n d eines Gesetzes

119

1. Gesetz

119

2. A u f G r u n d eines Gesetzes

120

3. A u f G r u n d eines Spezialgesetzes

121

§ 13. Erscheinungsformen

der Eingriffe

nach Art. 13 Abs. 3

124

I. Die Eingriffe der 1. Alternative

125

I I . Die Eingriffe der 2. Alternative

125

1. Bekämpfung von Seuchengefahr

126

2. Schutz gefährdeter Jugendlicher

127

3. Behebung der Raumnot

127

I I I . Die Eingriffe des A r t . 13 Abs. 3 insgesamt

128

4. Abschnitt

Abschließende Interpretation des Art. 13 §14. Endgültige Abgrenzung der Durchsuchungen griffen und Beschränkungen des Abs. 3

des Abs. 2 von den Ein129

I. Die Überschneidungen bei den Absätzen 2 u n d 3 u n d die Möglichkeiten zu ihrer Lösung 129 1. Die Durchsuchungen des Abs. 2

129

2. Die Eingriffe u n d Beschränkungen des Abs. 3

129

3. Wege zur Abgrenzung von Abs. 2 u n d Abs. 3

130

I I . K r i t e r i e n f ü r die Abgrenzung der Durchsuchungen von den sonstigen Eingriffen u n d Beschränkungen 130 1. Das Element des „Suchens" oder „Durchsuchens"

130

2. Polizeiliche Gefahrenabwehr oder -Verhütung

131

a) Verbrechensverfolgung u n d -Verhütung

131

b) Gewerbeaufsicht

133

3. Die besondere Schwere des Eingriffs „Durchsuchung"

135

a) Der diskriminierende Effekt

135

b) Die Evidenz bei der Notwendigkeit des Eingriffs

136

c) Die Schwere des Eingriffs „Durchsuchung" u n d Wohnraumbewirtschaftung 137 d) Ergebnis

137

I I I . Endgültige Abgrenzung der „Durchsuchungen" von den „ E i n g r i f fen u n d Beschränkungen i m übrigen" 138

14

nsverzeichnis 1. Endgültige Definition der Durchsuchung i. S. des Abs. 2

138

2. Die Eingriffe u n d Beschränkungen des Abs. 3

138

3. Maßnahmen zur A b w e h r schlichter Polizeigefahren

138

§15. Die verschiedenen die Schutzrichtung

Arten von Eingriffen des Grundrechts

in die Wohnungsfreiheit

und

I. Der Zusammenhang v o n Eingriffsart u n d Schutzrichtung 1. Möglichkeiten zur Ausscheidung bestimmter E i n g r i f f s a r t e n . . .

139 139 139

2. Rechtfertigung der Ausscheidung bestimmter Eingriffsarten 140 3. Verengung der Schutzrichtung des A r t . 13 wegen Überschneidungen m i t A r t . 14 141 I I . Die zugelassenen u n d die denkbaren Eingriffe i n die Wohnungsfreiheit 141 1. Betreten der Wohnung

141

2. Dingliche Inanspruchnahme der Wohnung

142

3. Gebrauchsbeeinträchtigung ohne Betreten der Wohnung

144

I I I . Die Überschneidungen von A r t . 13 u n d A r t . 14

144

1. Die A b w e h r v o n Störungen, die durch das Betreten der W o h n u n g hervorgerufen werden 145 2. Dingliche Inanspruchnahme der Wohnimg u n d Enteignung . . . 146 a) Das Verhältnis der Wohnungsfreiheit zur Enteignung

146

b) Wohnraumbewirtschaftung als Enteignung

148

c) Wohnraumbewirtschaftung u n d Wohnungsfreiheit

150

d) Der Schutz der Wohnungsfreiheit gegen die dingliche I n a n spruchnahme 152 3. Die A b w e h r von Gebrauchsbeeinträchtigungen ohne Betreten der Wohnung 152 I V . Ergebnis: Die Schutzrichtung des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung 155 §16. Weitere Schranken der Wohnungsfreiheit I . Die Schranke des A r t . 17a Abs. 2 1. Das Verhältnis v o n A r t . 17a Abs. 2 zu A r t . 13 Abs. 2 u n d 3

155 155 155

2. „Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung" 156 3. Die Rechtsgrundlage f ü r Eingriffe nach A r t . 17a Abs. 2

157

I I . „Immanente Schranken" aus dem Grundgedanken des SoweitSatzes i n A r t . 2 Abs. 1 157 1. Die herrschende Lehre

157

2. Die „immanenten Schranken" u n d A r t . 13 Abs. 3

158

a) Die Rechte anderer u n d das Sittengesetz

158

b) Die verfassungsmäßige Ordnung

159

Inhaltsverzeichnis

15

5. Abschnitt §17. Zuordnung einfachgesetzlicher der Wohnungsfreiheit

Wohnungseingriffe

zu den Schranken

I. Durchsuchungen i m Sinne des A r t . 13 Abs. 2 I I . Eingriffe u n d Beschränkungen i m Sinne des A r t . 13 Abs. 3 III. Unter A r t . 17a Abs. 2 fallende Eingriffe

160 160 164 166

Schlußbetrachtung § 18. Die Praktikabilität

des Art. 13

168

Leitsätze

171

Literaturverzeichnis

178

Abkürzungsverzeichnis Allgemein gebräuchliche Abkürzungen sind i m Verzeichnis nicht aufgeführt. F ü r juristische Abkürzungen w i r d ergänzend auf: Hildebert Kirchner, A b k ü r zungsverzeichnis der Rechtssprache, 2. Aufl., B e r l i n 1968, hingewiesen.

a. A . a. F. Abg. AG AöR AS AT BAG BayBZ BayVBl. BGBl. BGH BGHSt

BGHZ

BK BT BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE Diss. DöD DÖV DRiZ DStR DStZ DV DVB1. ESVGH

anderer Ansicht alter Fassung Abgeordneter Amtsgericht A r c h i v des öffentlichen Rechts Amtliche Sammlung Allgemeiner T e i l Bundesarbeitsgericht Bayerische Beamtenzeitung Bayerische Verwaltungsblätter Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs i n Strafsachen, herausgegeben von den Mitgliedern des Bundesgerichtshofs u n d der Bundesanwaltschaft Entscheidungen des Bundesgerichtshofs i n Zivilsachen, herausgegeben von den Mitgliedern des Bundesgerichtshofs u n d der Bundesanwaltschaft Bonner Kommentar Besonderer T e i l Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, herausgegeben von den Mitgliedern des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, herausgegeben von den Mitgliedern des Gerichts Dissertation Der öffentliche Dienst Die öffentliche V e r w a l t u n g Deutsche Richterzeitung Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuer-Zeitung Deutsche V e r w a l t u n g Deutsches Verwaltungsblatt Entscheidungssammlung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs u n d des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, heraugegeben von Mitgliedern der Verwaltungsgerichtshöfe

Abkürzungsverzeichnis Ev. Staatslexikon FR GesBl. GS GVB1. GewArch HdbDStR H M R Rspr. HRR HuW JöR JR JW JZ KG KMR LG LK MDR n. F. NJW OFH OLG OVG RdA RFHE

RG RGBl. RGSt

StuW VerwRspr.

VGH WDStRL ZgesStW ZMR

17

Evangelisches Staatslexikon Finanz-Rundschau Gesetzblatt Preußische Gesetzes-Sammlung Gesetz- u n d Verordnungsblatt Gewerbe-Archiv Handbuch des Deutschen Staatsrechts Handbuch des gesamten M i e t - u n d Raumrechts, herausgegeben von Hans Fischer, Loseblattsammlung, T e i l : Rechtsprechung Höchstrichterliche Rechtsprechung Haus u n d Wohnung, Zeitschrift f ü r Grundstücks- u n d Wohnungswesen Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Juristische Rundschau Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kammergericht Müller-Sax, Kommentar zur Strafprozeßordnung, begründet von Th. Kleinknecht, H. M ü l l e r u n d L . Reitberger Landgericht Leipziger Kommentar Monatsschrift f ü r Deutsches Recht neue Folge, oder: neuer Fassung Neue Juristische Wochenschrift Oberster Finanzgerichtshof Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Recht der A r b e i t Sammlung der Entscheidungen u n d Gutachten des Reichsfinanzhofs und des Obersten Finanzgerichtshofs, herausgegeben v o m Bundesfinanzhof Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts i n Strafsachen, herausgegeben von den Mitgliedern des Gerichtshofes u n d der Reichsanwaltschaft Steuer u n d Wirtschaft Verwaltungsrechtsprechung i n Deutschland, Sammlung oberstrichterlicher Entscheidungen aus dem Verfassungs- u n d V e r waltungsrecht, herausgegeben von Otto Gross Verwaltungsgerichtshof Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft Zeitschrift f ü r M i e t - u n d Raumrecht

Einleitung § 1. Aufgabe, Z i e l und Methode der A r b e i t 1. Das G r u n d r e c h t d e r U n v e r l e t z l i c h k e i t d e r W o h n u n g ( A r t . 13 1 ), d i e W o h n u n g s f r e i h e i t , h a t nach I n k r a f t t r e t e n des Grundgesetzes 2 i n L i t e r a t u r u n d Rechtsprechung e r s t a u n l i c h w e n i g B e a c h t u n g g e f u n d e n . G l e i c h w o h l e n t h a l t e n zahlreiche Gesetze E i n g r i f f e i n dieses G r u n d r e c h t , d e r e n Z u l ä s s i g k e i t höchst p r o b l e m a t i s c h ist. Das g e r i n g e Interesse d e r Wissenschaft m a g aus d e r h i s t o r i s c h e n E n t w i c k l u n g d e r W o h n u n g s f r e i h e i t 3 z u e r k l ä r e n sein. D i e V o r l ä u f e r des A r t . 13, A r t . 6 d e r V e r f a s s u n g s u r k u n d e f ü r d e n Preußischen S t a a t v o n 1850 u n d A r t . 115 der W e i m a r e r Reichsverfassung v o n 1919 4 , l i e ß e n E i n g r i f f e i n d i e U n v e r l e t z l i c h k e i t d e r W o h n u n g a u f G r u n d j e d e r Rechtsn o r m z u 5 . D a m i t b e w i r k t e n diese G r u n d r e c h t s v e r b ü r g u n g e n n i c h t m e h r als d e r i n der z w e i t e n H ä l f t e des 19. J a h r h u n d e r t s b e r e i t s a l l g e m e i n a n e r k a n n t e V o r b e h a l t des Gesetzes 6 , d e r f ü r E i n g r i f f e i n F r e i h e i t u n d 1 A r t i k e l ohne Angabe eines Gesetzes oder einer Verfassung sind solche des Grundgesetzes. 2 M i t A b l a u f des 23. 5.1949, A r t . 145 Abs. 2. 8 Über die geschichtliche E n t w i c k l u n g des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung auch i m außerdeutschen Recht vgl. Mannheim, i n : Nipperdey I S. 316 ff.; Kern, i n : Die Grundrechte I I S. 101; Steiner, Unverletzlichkeit der Wohnung S. 1 ff., 22 ff.; Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 5—10. 4 Siehe ferner § 140 der Paulskirchenverfassung v o m 28. 3.1849. 6 H. L., vgl. Anschütz, A r t . 115 W R V Erl. 2; ders., A r t . 6 Pr. Verf. Erl. 2 I I I ; Giese, A r t . 115 W R V Erl. 5; Poetsch-Heffter, A r t . 115 W R V Erl. 3; Stier-Somlo, Reichsverfassung S. 85; ders., Deutsches Reichs- u n d Landesstaatsrecht I S. 444/ 45; Köttgen, i n : Nipperdey I S. 365; dagegen: Mannheim, i n : Nipperdey I S. 326 f., der ein Spezialgesetz verlangte; siehe auch Apelt, Geschichte der W R V S. 322. 6 Begriff von Otto Mayer, Verwaltungsrecht 1,1. Aufl., 1895, S. 72 ff., 3. Aufl., 1924, S. 69 ff. — Siehe schon Montesquieu, De l'Esprit des Lois, l i v r e X I , chap. I V : „Une constitution peut &tre telle que personne ne sera contraint de faire les choses auxquelles la l o i ne Toblige pas, et ä ne point faire celles que la l o i permet." Außerdem: § 85 E i n l A L R : „Rechte u n d Pflichten, welche aus Handlungen oder Begebenheiten entspringen, werden allein durch die Gesetze bestimmt." — Vgl. ferner: Anschütz, A r t . 6 Pr.Verf. Erl. 2 I ; Thoma, i n : Festgabe f ü r Otto Mayer, 1916, S. 165 ff.; ders., HdbDStR I I § 76 S. 221 m i t zahlreichen Nachweisen; W. Jellinek, Verwaltungsrecht S. 88 f. u n d S. 122 f. m i t Nachweisen; H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I § 30 I I I S. 143 f.; Forsthoff, V e r waltungsrecht, insbesondere § 2 Ziff. 3 S. 31 ff.; Maunz-Dürißf, A r t . 2 Abs. 1 Rdnr. 26; Maunz-Dürig, A r t . 20 Rdnr. 124—147.

2*

20

Einleitung

Eigentum eine gesetzliche Ermächtigung verlangte. M i t Recht konnten Thoma 7 und i m Anschluß an ihn Anschütz 8 die Wohnungsfreiheit des A r t . 115 WRV als „leerlaufendes" Grundrecht bezeichnen, weil es nichts sage, was nicht ohnehin gelte. Damit war die Wohnungsfreiheit für Wissenschaft und Praxis uninteressant. Das Grundgesetz hat sich i n A r t . 13 nicht m i t einem einfachen Gesetzesvorbehalt begnügt, sondern i n den Absätzen 2 und 3 sehr genaue, eng begrenzte Eingriffsvorbehalte geschaffen. Durchsuchungen der Wohnung dürfen grundsätzlich nur vom Richter angeordnet werden (Art. 13 Abs. 2), andere Eingriffe sind nur zur Abwehr oder Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zulässig (Art. 13 Abs. 3). Diese Begrenzung der Eingriffsmöglichkeiten stellt die Zulässigkeit zahlreicher historisch überkommener Einschränkungen der Wohnungsfreiheit i n Frage. Die Wissenschaft hat jedoch nicht mit einer gründlichen Auslegung des A r t . 13 reagiert, der sich die Untersuchung der problematischen Eingriffe hätte anschließen können. Man hat von vornherein resigniert: A r t . 13 sei „einer der am wenigsten geglückten Grundrechtsartikel" 9 ; die Väter des Grundgesetzes seien i n dem Bestreben, das Grundrecht zu sichern, i n der Formulierung weit über das Ziel hinausgeraten 1 0 ; sie hätten aber die überkommenen Eingriffe nicht verbieten, sondern allenfalls den künftigen Gesetzgeber binden wollen 1 1 . Oder es w i r d behauptet, die kritischen Fälle seien einfach übersehen oder vergessen worden; die Notwendigkeit der Grundrechtseinschränkungen habe sich historisch erwiesen, auf sie könne ohne ernste Störungen der Rechtsordnung nicht verzichtet werden; ihre grundrechtliche Zulässigkeit stehe jedenfalls außer Zweifel 1 2 . Bei dieser Auslegung des A r t . 13 steht das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung praktisch wieder unter uneingeschränktem 7

Thoma, i n : Festgabe zum 50jährigen Bestehen des Pr.OVG S. 195. Anschütz, A r t . 115 W R V Erl. 4; vgl. auch Anschütz, A r t . 6 Pr.Verf. Erl. 2 I. 9 Kern, i n : Die Grundrechte I I S. 102 f.; v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I I 1 S. 399; ähnlich: Wernicke, B K A r t . 13 Erl. I I 2; Ule-Rasch, P V G §§ 15—17 Rdnr. 175; Klüber, DVB1.1951,614. 10 v. Mangoldt, A r t . 13 Erl. 3; v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 3 b) S. 405; Zimniok, DöV 1954,395. 11 v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 3 b) S. 406. 12 Kern, i n : Die Grundrechte I I S. 103 ff., ständig; v. Mangoldt, A r t . 13 Erl. 3; v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 2 b) S. 403 u n d I V 3 b) S. 405/06; Wernicke, B K A r t . 13 Erl. I I 2 u n d 2 c); Model, Grundgesetz S. 36; Ule-Rasch, P V G §§ 15— 17 Rdnr. 177; Drews-Wacke,Polizeirecht § 12 Ziff. 1 S. 191; Spitaler-Felix, in: Hübschmann-Hepp-Spitaler, A O § 173 Erl. 2; Klüber, DVB1. 1951, 614; etwas vorsichtiger: Kaufmann, Der polizeiliche E i n g r i f f S. 360/61; Laule, FR 1965, 498; Noack, MDR1967,894. 8

§ 1. Aufgabe, Ziel u n d Methode der A r b e i t

21

Gesetzesvorbehalt 13 . Als einzigen Fortschritt gegenüber A r t . 115 WRV kann die herrschende Lehre den Ausschluß des Gewohnheitsrechts als Eingriffsgrundlage verbuchen 14 . Ergebnis und Argumentation der gegenwärtigen Lehre sind gleichermaßen unbefriedigend. Es erscheint daher angezeigt, A r t . 13 neu und gründlich zu durchdenken 15 . Die Schranken des A r t . 13 Abs. 2 und 3 bedürfen einer genauen Untersuchung, die nicht — wie die herrschende Lehre — von vornherein eine falsche Fassung der Grundrechtsvorschrift und die unbedingte Zulässigkeit aller historisch überkommenen Eingriffe unterstellen darf. M i t diesem verfehlten Ausgangspunkt kann man den Intentionen des Grundgesetzes nicht gerecht werden. 2. Wenn auch Wortlaut und Schranken des Art. 13 i n dieser Untersuchung mehr Beachtung als bisher finden sollen, kann es nicht Ziel der Arbeit sein, i n blindem Grundrechts- und Freiheitsfanatismus möglichst viele Gesetze für nichtig zu erklären und der Verwaltung notwendige Eingriffsermächtigungen vorzuenthalten. Die Untersuchung bemüht sich vielmehr um eine Auslegung, die dem Freiheitsanspruch des Bürgers gerecht wird, ohne die Verwaltung ihrer Handlungsfähigkeit zu berauben. Die Polarität von bürgerlicher Freiheit und staatlicher Aktionsfähigkeit muß ständig berücksichtigt werden, w i l l man den Bemühungen des Parlamentarischen Rates u m die Sicherung der Grundrechte Rechnung tragen. Auch wenn sich keine Interpretation finden läßt, die die Interessen von Bürger und Staat auszugleichen vermag, ist der Zweck der Arbeit nicht verfehlt. Dann nämlich kann m i t gutem Grund von „schweren Mängeln" 1 6 des A r t . 13 gesprochen und seine Neufassung gefordert werden. Der Ruf nach einer Verfassungsänderung setzt den Nachweis voraus, daß die derzeitige Regelung untauglich oder ungenügend ist und wo die Gründe dafür liegen. Damit ist Ziel dieser Arbeit entweder eine der Freiheit des Bürgers und den Erfordernissen staatlichen Handelns gerecht werdende Interpretation des A r t . 13 oder aber der Nachweis seiner Unzulänglichkeit. 3. U m zu einer brauchbaren Interpretation zu gelangen, darf der Blick nicht auf Art. 13 beschränkt werden. Bei den Durchsuchungen des A r t . 13 18 Feldmann-Geisel, Verfassungsrecht S. Klein, A r t . 13 Erl. I V 1 S. 402. 14 Siehe dazu unten § 9 I 1 S, 72 ff. u n d § weisen. 15 I n neuerer Zeit hat Dagtoglou i n der Bonner K o m m e n t a r einen beachtlichen, aber Versuch unternommen. 16 Kern, i n : Die Grundrechte I I S. 108.

42; zweifelnd auch v.

Mangoldt-

12 I I I 1 u n d 2 S. 119 ff. m i t NachZweitbearbeitung des A r t . 13 i m noch i m m e r nicht befriedigenden

Einleitung

22

Abs. 2 bietet sich die Parallele zu A r t . 104 Abs. 2 an. Der „Schutz gefährdeter Jugendlicher" i n A r t . 13 Abs. 3 berührt auch das Hecht und die Pflicht der Eltern zur Erziehung der Kinder aus A r t . 6 Abs. 2. Die Maßnahmen zur „Behebung der Raumnot" lassen Eigentumseingriffe nach A r t . 14 Abs. 1 oder 3 vermuten. Die Begriffe „Durchsuchung" und „öffentliche Sicherheit und Ordnung" kommen i n zahlreichen einfachen Gesetzen vor. Diese Parallelen und Überschneidungen dürfen bei der Auslegung des A r t . 13 nicht unberücksichtigt bleiben. Gleichzeitig muß die Frage nach dem Zweck und der inneren Rechtfertigung der i n seinen Absätzen 2 und 3 zugelassenen Eingriffe gestellt und der Sinn der Eingriffsvoraussetzungen (Richtervorbehalt!) ermittelt werden. U m diese Fragen beantworten zu können, müssen als Anschauungsmaterial die Ausformungen und Zielrichtungen bereits gesetzlich geregelter Eingriffe i n die Unverletzlichkeit der Wohnung m i t herangezogen werden, wenn nicht das Bemühen u m einen Interessenausgleich zwischen Staat und Bürger i m luftleeren Raum schweben soll. U m die Arbeit nicht zu sehr zu komplizieren, werden bei der eigentlichen Interpretation nur verhältnismäßig wenige Gesetze Erwähnung finden. Erst nachdem die Auslegung des A r t . 13 abgeschlossen ist, werden die Eingriffe i n einfachen Gesetzen genauer untersucht und auf ihre Zulässigkeit h i n geprüft werden. Damit werden zugleich die Richtigkeit der Interpretation und die Tauglichkeit der jetzigen Fassung des A r t . 13 kontrolliert. Da nicht sämtliche i m einfachen Gesetzesrecht vorkommenden Einschränkungen der Wohnungsfreiheit erörtert werden können, soll die Auswahl möglichst viele Schattierungen von Eingriffen und vor allem die problematischen Fälle umfassen. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung ist nicht nur i m Grundgesetz, sondern auch i n den meisten Landesverfassungen verbürgt 1 7 . Wegen der untergeordneten Bedeutung der Landesgrundrechte beschränkt sich die Arbeit i m wesentlichen auf die grundgesetzliche Wohnungsfreiheit. Nur am Rande werden auch die Landesverfassungen berücksichtigt 18 . 17

Bayern: A r t . 106; B e r l i n : A r t . 19; Bremen: A r t . 14; Hessen: A r t . 8; Rheinland-Pfalz: A r t . 7; Saarland: A r t . 16. — Baden-Württemberg (Art. 2 Abs. 1) u n d Nordrhein-Westfalen (Art. 4) haben die grundgesetzlichen Grundrechte zu Bestandteilen ihrer Verfassungen gemacht. Die Verfassungen von Hamburg u n d Niedersachsen enthalten überhaupt keine Grundrechte, die Verfassung von Schleswig-Holstein enthält jedenfalls nicht das Grundrecht der Unverletzlichk e i t der Wohnung (falls m a n den A r t . 6 u n d 7 überhaupt Grundrechtscharakter beimessen w i l l ) . 18 Vgl. auch A r t . 37 Abs. 3 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Rep u b l i k v o m 6.4.1968 (GesBl. I S. 199) u n d A r t . 8 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte u n d Grundfreiheiten v o m 4.11.1950 (siehe:

§ 1. Aufgabe, Z i e l u n d Methode der A r b e i t

23

4. Die Untersuchung schließt sich dem Aufbau des A r t . 13 an. I n den ersten drei Abschnitten werden die Absätze 1, 2 und 3 des A r t . 13 jeweils soweit erörtert, wie es ohne Vorgriff auf die anderen Absätze möglich ist. Dabei werden zunächst bei allen drei Absätzen Fragen offen bleiben müssen, da keiner der Absätze aus sich heraus und ohne genaue Kenntnis der anderen Absätze abschließend interpretiert werden kann. Die offenen Fragen, die Abgrenzung der „Durchsuchungen" des Abs. 2 von den „Eingriffen und Beschränkungen" des Abs. 3 und die Schutzrichtung des Grundrechts, sollen i m 4. Abschnitt beantwortet werden. Dort werden auch weitere mögliche Schranken der Wohnungsfreiheit — außer A r t . 13 Abs. 2 und 3 — erörtert. I m 5. Abschnitt werden einige i n einfachen Gesetzen zugelassene Wohnungseingriffe untersucht und den verschiedenen Schranken des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung zugeordnet.

B G B l . 1952 I I S. 685, 953, B G B l . 1954 I I S. 14 u n d B G B l . 1956 I I S. 1879). Über den Einfluß der Europäischen Menschenrechtskonvention auf A r t . 13 GG siehe die K ö l n e r Dissertation von G. Köhler, die hier wegen verspäteter Vorlage nicht mehr vollständig berücksichtigt werden konnte.

1.

Abschnitt

,Die Wohnung ist unverletzlich", Art. 13 Abs. 1 § 2. W o h n u n g i m Sinne des A r t . 13 1. D i e i n d e r Staatsrechtswissenschaft herrschende Lehre w i l l d e n B e g r i f f der „ W o h n u n g " i n A r t . 13 sehr w e i t fassen 1 . Sie w i l l i h n abheben v o n d e r B e d e u t u n g des W o r t e s „ W o h n u n g " i n einfachen Gesetzen, w i e e t w a i n § 123 S t G B , § 104 S t P O u n d i n § 2 W B e w G . W o h n u n g i m S i n n e des A r t . 13 s o l l n i c h t n u r d e r I n b e g r i f f v o n R ä u m l i c h k e i t e n sein, die, ohne i n erster L i n i e A r b e i t s r ä u m e z u sein, der s t ä n d i g e n B e n u t z u n g v o n M e n s c h e n als M i t t e l p u n k t i h r e s P r i v a t l e b e n s d i e n e n 2 . Es sollen v i e l m e h r auch Geschäftsräume, d. h. d i e R ä u m e , d i e v o r w i e g e n d d e m B e t r i e b eines G e w e r b e s ( i m w e i t e s t e n Sinne) g e w i d m e t s i n d 3 , j a jedes b e f r i e d e t e B e s i t z t u m , d. h. j e d e r eingehegte T e i l d e r Erdoberfläche 4 , d e m g r u n d r e c h t l i c h e n W o h n u n g s b e g r i f f u n t e r f a l l e n 5 . D a m i t erstreckt d i e staats1 Wernicke , B K A r t . 13 Erl. I I 1 a); v. Mangoldt, A r t . 13 Erl. 2; v. MangoldtKlein, A r t . 13 Erl. I I I 1 S. 401; Hamann, A r t . 13 Erl. B 1; Giese, A r t . 13 Erl. 1; Giese-Schunck, A r t . 13 Erl. 1; Feldmann-Geisel, Verfassungsrecht S. 41; Model, Grundgesetz S. 36; Model-Müller, A r t . 13 Erl. 1; Brinkmann, A r t . 13 Erl. I I a ) ; Schmidt-Bleibtreu/Klein, A r t . 13 Rdnr. 3; Kern, i n : Die Grundrechte I I S. 54 u n d S. 103; Maunz, Staatsrecht § 14 V 2 S. 119/20; H. J. Wolff , Verwaltungsrecht I § 33 V b) 9 S. 174; HOTZ, Diss. S. 10 ff.; Leisner, „Wohnung" i m Ev. Staatslexik o n Sp. 2584. Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 16—25 bemüht sich u m eine v o r sichtige Verengung des Wohnungsbegriffes, die vertretbar erscheint, hier aber nicht weiter verfolgt werden soll, da sie m i t der h. L. i m Grundsatz übereins t i m m t ; vgl. auch Köhler, Diss. S. 36 ff. 2 So der strafrechtliche Wohnungsbegriff, vgl. RGSt 12, 132 (133); 13, 312 (315); Schönke-Schröder, StGB § 123 Rdnr. 4; Werner, i n : L K StGB § 123 A n m . I I 1; Schwarz-Dreher, StGB § 123 Erl. 2 A ; Kohlrausch-Lange, StGB § 123 Erl. I I 1. 8 Vgl. RGSt 13, 312 (315/16); 32, 371; Schönke-Schröder, StGB § 123 Rdnr. 6; Werner, i n : L K StGB § 123 A n m . I I 2; Schwarz-Dreher, StGB § 123 Erl. 2 B ; Kohlrausch-Lange, StGB § 123 Erl. I I 2. 4 Vgl. RGSt 11, 293 (294); 13, 312 (314); 20, 150 (154/55); 32, 371 f.; 36, 395 ff.; Schönke-Schröder, StGB § 123 Rdnr. 7; Werner, i n : L K StGB § 123 A n m . I I 3; Schwarz-Dreher, StGB § 123 Erl. 2 C; Kohlrausch-Lange, StGB § 123 Erl. I I 3. 6 B G H Z 31, 285 (289/90); B A G N J W 1967, 843 (845); offenbar auch B V e r w G E 4, 203 (205); 8, 336 (337); O L G Braunschweig DVB1. 1952, 533; B a y V G H n. F. 9 I 1 (4), der ohne Begründung Gärten v o m grundrechtlichen Wohnungsbegriff ausn i m m t . Außer den i n Fußnote 1 Genannten vgl. weiter: Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I S. 700/01; Kaufmann, Der polizeiliche E i n g r i f f S. 23; Thomä, Auskunfts- u n d Betriebsprüfungsrecht S. 87; Ule-Rasch, P V G § 14 Rdnr. 176;

§ 2. Wohnung i m Sinne des A r t . 13

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rechtliche L i t e r a t u r d e n G r u n d r e c h t s s c h u t z a u f a l l e i m § 123 S t G B gen a n n t e n A n g r i f f s o b j e k t e . „ W o h n u n g " i m S i n n e des A r t . 13 ist danach j e d e r G e w e r b e r a u m , j e d e F a b r i k , jedes eingehegte G r u n d s t ü c k , j e d e r W o h n w a g e n , jedes H o t e l - u n d G a s t z i m m e r , jedes b e w o h n t e Z e l t u n d jedes b e w o h n t e Schiff®. 2. A b w e i c h e n d e A u f f a s s u n g e n begegnen v o r a l l e m i m steuerrechtl i c h e n S c h r i f t t u m u n d i n der Steuergesetzgebung. D i e abgabenrechtliche Literatur g e h t ganz ü b e r w i e g e n d v o n e i n e m engeren W o h n u n g s b e g r i f f aus. Sie n e g i e r t d e n w e i t e n Schutzbereich d e r W o h n u n g s f r e i h e i t , d e r h u n d e r t J a h r e v ö l l i g u n a n g e f o c h t e n g e g o l t e n h a t u n d noch h e u t e i n d e r Staatsrechtswissenschaft u n b e s t r i t t e n i s t 7 . Schon 1950 scheint der O b e r ste F i n a n z g e r i c h t s h o f i n M ü n c h e n 8 i n e i n e m G u t a c h t e n f ü r das bayerische S t a a t s m i n i s t e r i u m d e r F i n a n z e n W o h n r ä u m e i m engeren S i n n e u n d Geschäftsräume u n t e r s c h i e d l i c h b e h a n d e l n u n d Geschäftsräume n i c h t d e m Schutz des A r t . 13 u n t e r s t e l l e n z u w o l l e n . Diese u n d e u t l i c h e u n d n i c h t k l a r ausgesprochene U n t e r s c h e i d u n g i s t v o m B u n d e s m i n i s t e r d e r F i nanzen® u n d i m S c h r i f t t u m z u d e n §§ 173, 193, 437 a. F. A O a u f g e g r i f f e n w o r d e n 1 0 . So d e f i n i e r t Härtung 11 als W o h n u n g i m S i n n e des A r t . 13 „ d e n König, Polizeirecht i n Bayern S. 401; Drews-Wacke, Polizeirecht § 12 Ziff. 1 S. 190; Mentz H u W 1950, 385; Haarmann DöD Ausg. B 1950, 219; Laule FR 1965, 497; ders. FR 1966, 282; Masson B a y V B l . 1968, 57; Knemeyer N J W 1967, 1353; Tipke DStR 1967, 79. 6 Vgl. i m einzelnen die Aufzählungen bei: Kern, i n : Die Grundrechte I I S. 103; v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I I I 1 S. 401; Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 17 u n d 21. 7 Vgl. Pr.OVGE 1, 375 (380); 6, 370 (373/74); 19, 439 (443); 27, 325 (328); 49, 207 (210); Pr.OVG Pr.VBl. 25, 795; Anschütz, A r t . 6 Pr.Verf. Erl. 2 I I ; ders., A r t . 115 W R V Erl. 1; Arndt, A r t . 115 W R V Erl. 1; Giese, A r t . 115 W R V Erl. 1; PoetschHeffter, A r t . 115 W R V Erl. 2; Stier-Somlo, Reichsverfassung S. 85; ders., D e u t sches Reichs- u n d Landesstaatsrecht I S. 444/45; Hatschek y Reichsstaatsrecht S. 106/07; Hatschek-Kurtzig, Deutsches u n d Preußisches Staatsrecht S. 229/30; Hubrich, Verfassungsrecht S. 207; Röttgen, i n : Nipperdey I S. 365; Mannheim, i n : Nipperdey I S. 345/46. F ü r die neuere L i t e r a t u r siehe Fußnoten 1 u n d 5. 8 OFH, Gutachten v o m 21. 3.1950 — I I zD 1/50 S — R F H E 54, 453 = StRK, A O § 193 R 2 = FR 1950, 184 = DStZ Eildienst 1950, 270 ~ StuW 1950 Nr. 65. Der Streit hatte sich an § 437 Abs. 1 a. F. A O entzündet. Da die Schwierigkeiten grundsätzlicher N a t u r sind, w i r d die Auseinandersetzung hier anhand dieser Vorschrift weitergeführt, obwohl sie i m Zusammenhang m i t der grundlegenden Neuordnung des Steuerstrafverfahrens durch Gesetz v o m 10. 8.1967 (BGBl. I S . 877) beseitigt wurde. • B d F B B 1951, 885. 10 Tipke^Kruse, A O § 193 Rdnr. 2 u n d § 173 Rdnr. 1; Spitaler-Felix, in: Hübschmann-Hepp-Spitaler, A O § 173 Rdnr. 2 u n d § 193 Rdnr. 2; Härtung, i n : Hübschmann-Hepp-Spitaler, A O § 437 a. F. Rdnr. 4; Kühn, A O § 193 Erl. 3 u n d § 437 a. F. Erl. 2; Becker-Riew aid- Koch, A O § 173 Erl. 1 Abs. 3; Schwarz, Steuerstrafrecht, § 437 a. F. A O Erl. 1 A ; Weber-Luger, H d b A O § 437 S. 504; Schröter, TabakStG § 92 Erl. 2; Zapf-Siegert-Arndt-Klingemann, BierStG § 17 Erl. 1; Kluckhohn StuW 1950 Sp. 525; dagegen: Laule FR 1965, 497. — Wegen § 104 Abs. 2 StPO w i r d die Unterscheidung sogar teilweise f ü r die Strafprozeßordnung gemacht, vgl. Dünnebier, i n : Löwe-Rosenberg, StPO § 107 Erl. I 2. 11 Härtung, i n : Hübschmann-Hepp-Spitaler, Ä O § 437 a. F. Rdnr. 4.

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1. Abschnitt: „Die Wohnung ist unverletzlich", A r t . 13 Abs. 1

Inbegriff der zusammengehörigen Räumlichkeiten, die zum längeren Aufenthalt einer einzelnen Person oder einer Mehrheit zusammengehöriger Personen derart dienen, daß diese Personen darin auch nächtigen können". Härtung w i l l damit die Begriffe „Wohnung" i n § 123 StGB und i n A r t . 13 gleichsetzen 12 . Die für A r t . 13 wichtige Unterscheidung zwischen geschützter Wohnung (i. e. S.) und ungeschützten Geschäftsräumen hatte auch i n die Steuergesetzgebung Eingang gefunden. I n § 92 Satz 1 des neugefaßten Tabaksteuergesetzes 18 wurde die „Durchsuchung von Betrieben und Räumen, die der Steueraufsicht unterliegen, sowie von anderen Räumen" für zulässig erklärt, „ s o w e i t es s i c h n i c h t u m W o h n u n g e n h a n d e 11". I n der amtlichen Begründung zu § 91 (dann § 92) TabakStG schrieb die Bundesregierung, der Nachsatz „soweit es sich nicht u m Wohnungen handelt" sei i m Hinblick auf A r t . 13 eingefügt worden 1 4 . Die erste Bundesregierung war also der Auffassung, das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung beziehe sich nicht auf Geschäftsräume, sondern nur auf die Wohnung i m Sinne des § 123 StGB. Bei den Beratungen über das Tabaksteuergesetz haben sich offenbar Bundestag und Bundesrat weder i n ihren Ausschüssen noch i m Plenum über die Grundrechtsproblematik Gedanken gemacht 15 . Schließlich scheint auch das Bundesverfassungsgericht Zweifel an dem weiten Wohnungsbegriff der Staatsrechtslehre zu haben. Es hat die Frage, ob auch geschäftlich oder gewerblich genutzte Räume den Schutz der Wohnungsfreiheit genießen, allerdings noch offen gelassen, w e i l es für seine Entscheidung nicht darauf ankam 1 6 . 3. Die Motive für die enge Auslegung des Wohnungsbegriffes werden selten deutlich ausgesprochen, sind aber offenkundig. Wenn Betriebe und Geschäftsräume als Objekte des Wohnungsfreiheitsschutzes anerkannt werden, müssen für sie auch die Schranken des A r t . 13 Anwendung fin12 E r faßt den Begriff sogar enger als die h. M . zu § 123 StGB, die die Möglichkeit des Übernachtens nicht f ü r erforderlich hält. Vgl. RGSt 12, 132 (133); 13, 312 (313); Schönke-Schröder, StGB § 123 Rdnr. 4 m i t Nachweisen; Werner, i n : L K StGB § 123 A n m . I I 1; Schwarz-Dreher, StGB § 123 Erl. 2 A ; a. A . Frank, StGB § 123 Erl. 1 1 a). 18 V o m 8. 5.1953 (BGBl. I S. 196). Die Vorschrift ist inzwischen durch A r t . 4 Nr. 11 des Gesetzes zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenordnung u n d anderer Gesetze (AOStrafÄndG) v o m 10.8.1967 (BGBl. I S. 877) aufgehoben worden. 14 Bundestags-Drucksache I. Wahlperiode Nr. 3861 S. 35. 18 I n den Protokollen ist nichts darüber zu finden, vgl. BT-Sitzungsprotokolle I. WP, 243. Sitzung S. 11590 B, 257. Sitzung S. 12479 D, 259. Sitzung S. 12576 C sowie BT-Drucksache I. W P Nr. 4182 S. 55. 16 BVerfGE 17, 232 (251). I n der Spiegel-Entscheidung (E 20, 162, 186/87) geht das BVerfG, ohne es k l a r auszusprechen, offenbar v o m weiten Wohnungsbeg r i f f aus.

§ 2. Wohnung i m Sinne des A r t . 13

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den. Dadurch könnten der Verwaltung — so fürchtet man — überkommene und lieb gewordene Eingriffsbefugnisse beschnitten werden, auf die aber nicht verzichtet werden könne, ohne die Verwaltung wesentlich zu hemmen 17 . Das zeigte sich besonders deutlich bei § 437 a. F. A O i n Verbindung m i t den entsprechenden Vorschriften der Verbrauchssteuergesetze 18 . Selbst wenn man — wie die überwiegende Meinung — davon ausgeht, daß sich A r t . 13 Abs. 2 nur auf strafprozessuale Durchsuchungen bezieht 19 , so ließ sich die Befugnis der Finanzämter (Hauptzollämter) zur Anordnung der Durchsuchung nur dann weiter aufrechterhalten, wenn man den Schutzbereich des A r t . 13 radikal verkürzte. Denn § 437 a. F. AO diente der Erforschung von Steuerhinterziehungen, enthielt also eine strafprozessuale Durchsuchung. Gegen die weite Auslegung des Begriffes „Wohnung" i n der Staatsrechtslehre kann ein gewichtiges Argument angeführt werden: Unter der Herrschaft der Preußischen (Art. 6) und der Weimarer Verfassung (Art. 115) war es völlig unerheblich, wie weit der gegenständliche Schutzbereich der Wohnungsfreiheit gezogen wurde. Denn nach herrschender Auffassung stand das Grundrecht damals unter einfachem Rechtsvorbehalt 20 , so daß der Verwaltung auch durch eine weite Auslegung des Begriffes „Wohnung" keine Schwierigkeiten entstehen konnten. Der starken Beschränkung der Eingriffsvorbehalte i n Art. 13 Abs. 2 und 3 müßte nun — so könnte man meinen — eine Verengung des Wohnungsbegriffes entsprechen. 17 Sehr deutlich: Spitaler-Felix, i n : Hübschmann-Hepp-Spitaler, A O § 173 Rdnr. 2; Hepp-Schwarz, i n : Hübschmann-Hepp-Spitaler, A O § 335 Rdnr. 2; Becker-Riewald-Koch, A O § 173 Erl. 1 Abs. 3; Kluckhohn StuW 1950 Sp. 525. Dieses M o t i v w i r d von Laule, FR 1965, 498, k l a r ausgesprochen u n d gerügt. 18 § 17 BierStG v o m 14. 3.1952 (BGBl. I S. 149); § 7 KaffeeStG v o m 30. 7.1953 i. d. F. v o m 1.1.1959 (BZB1. 1959 S. 68, B G B l . 1953 I S. 708); § 12 Leuchtm i t t e l S t G i. d. F. v o m 22. 7.1959 (BZB1. S. 449, BGBl. I S. 613); § 14 M i n e r a l ölStG 20.12.1963 (BZB1. 1963 S. 991, BGBl. 1957 I S. 1833); § 14 SchaumweinStG i. d. F. v o m 26.10.1958 (BZB1. S. 678, B G B l . I S. 764); § 13 SalzStG i. d. F. v o m 25. 1. 1960 (BGBl. I S. 50); § 12 SpielkartenStG i. d. F. v o m 3. 6.1961 (BZB1. S. 611, B G B l . I S. 681); § 92 TabakStG v o m 6. 5.1953 (BGBl. I S. 196); § 6 TeeStG i . d . F . v o m 1.1.1959 (BZB1. S. 70, B G B l . 1953 I S. 710); § 13 ZuckerStG i . d . F . v o m 19.8.1959 (BGBl. I S. 645); § 12 ZündwarenStG i. d. F. v o m 3. 6.1961 (BZB1. S. 832, B G B l . I S. 729). Die besonderen Befugnisse der Finanzämter nach diesen Vorschriften i n Verbindung m i t § 437 Abs. 1 a. F. A O sind durch A r t . 4 des Gesetzes v o m 10.8.1967 (BGBl. I S. 877) beseitigt worden. 10 Siehe einstweilen v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 2 S. 402 ff.; Kern, i n : Die Grundrechte I I S. 104; Klüber DVB1. 1951, 614/15; O F H i n R F H E 54, 453 (457). I m einzelnen dazu unten § 7 I I S. 53 ff. m i t weiteren Nachweisen. 20 Vgl. oben § 1 Ziff. 1 S. 19/20 m i t Nachweisen i n Fußnote 5. Thoma, O V G Festgabe S. 195, u n d i m Anschluß an i h n Anschütz, A r t . 115 W R V Erl. 4, rechneten die Wohnungsfreiheit daher zu den „leerlaufenden" Grundrechten; vgl. auch Anschütz, A r t . 6 Pr.Verf. Erl. 21.

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1. Abschnitt: „Die Wohnung ist unverletzlich", A r t . 13 Abs. 1

Diese Argumentation wäre dann beachtlich, wenn durch eine Verengung des Wohnungsbegriffes die Schrankenproblematik des A r t . 13 gelöst werden könnte. Das ist aber gerade nicht der Fall. Bei den Durchsuchungen des § 437 a. F. A O z. B. konnte die Anordnungsbefugnis der Finanz- bzw. Hauptzollämter nicht aufrechterhalten werden, soweit es sich u m Wohnungen i m engeren Sinne handelte 21 , die ebenfalls von den entsprechenden Bestimmungen der Verbrauchssteuergesetze erfaßt w u r den 2 2 . Man reduziert durch eine Verengung des Wohnungsbegriffes nur die Zahl der einschlägigen Fälle, steht letztlich aber doch wieder vor derselben Frage, wie die Schranken des A r t . 13 mit den Erfordernissen staatlichen Handelns i n Einklang gebracht werden können. 4. a) Früher mag man die weite Auslegung des grundrechtlichen Wohnungsbegriffes damit begründet haben, daß eine scharfe Trennung von Wohn- und Geschäftsräumen schwierig und häufig unmöglich sei, und dafür als Beispiele die Ladenwohnung, die häusliche Werkstatt, die Praxiswohnung des Arztes und Hechtsanwaltes angeführt haben. Die Abgrenzungsschwierigkeiten, die auch jetzt noch vereinzelt als Argument angeführt werden 2 3 , dürften jedenfalls heute kein durchschlagender Grund mehr sein, da die Trennung i n der Mehrzahl der Fälle möglich sein w i r d — zahlreiche Vorschriften des Privatrechts und des öffentlichen Mietrechts stellen auf diese Unterscheidung ab 2 4 — und man i m Zweifel zugunsten des Bürgers den Grundrechtsschutz ausdehnen könnte (in dubio pro libertate 2 5 ). b) Mag auch die Begründung heute nicht mehr tragen, so hat doch der grundrechtliche Begriff der Wohnung durch das kontinuierliche, stets gleichbleibende Verständnis über einhundert Jahre hinweg ein Eigengewicht bekommen. Der Parlamentarische Rat ist ganz selbstverständlich von dem weiten Wohnungsbegriff ausgegangen 26 . Seinen Intentionen 21 So auch O F H i n R F H E 54, 453 (457); Härtung, i n : Hübschmann-HeppSpitaler, A O § 437 a. F. Rdnr. 4; Kühn, A O § 437 a. F. Erl. 2; Weber-Luger, H d b A O § 437 S. 504; Schwarz, Steuerstraf recht, § 437 a. F. A O Erl. 1 A ; ZapfSiegert-Arndt-Klingemann, BierStG § 17 Erl. 1; Schröter, TabakStG § 92 Erl. 2. 22 Ausnahme: § 92 Satz 1 TabakStG. 28 v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I I I 1 S. 401; Mentz H u W 1950, 385. 24 Vgl. z. B. §§ 564a, 565a—e BGB, §§ 1 Abs. 1 u n d 2 Abs. 1 WBewG, §§ 1—3 Geschäftsraummietengesetz. A l l e Bundesmietengesetze setz(t)en diese U n t e r scheidung voraus. 25 Dazu siehe BVerfGE 6, 32 (42); 7, 198 (209), 377 (408); 12, 281 (295/96); 13, 97 (104/05); 17, 306 (313/14); 18, 353 (364); Peter Schneider, i n : Hundert Jahre Deutsches Rechtsleben, Bd. I I S. 263 ff. m i t Nachweisen; ders. W D S t R L Heft 20 S. 31 ff.; Franke N J W 1967, 281. 26 Vgl. die unwidersprochenen Ausführungen des Abg. Z i n n (SPD) i m RedaktionskomitGe des Parlamentarischen Rates am 29. 9.1948, JöR n. F. 1, 139, u n d des Abg. v. Mangoldt (CDU) i n der 28. Sitzung des Grundsatzausschusses v o m 3.12.1948, JöR n. F. 1,181 (zu A r t . 19 Abs. 3).

§ 2. Wohnung i m Sinne des A r t . 13

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entsprach es, den Grundrechtsschutz zu verstärken und die Wohnungsfreiheit durch genaue Eingriffsvorbehalte zu sichern 27 . Diesem Bestreben würde eine Beschränkung des Wohnungsbegriffes zuwiderlaufen; denn sie müßte dazu führen, daß Betriebe und Geschäftsräume den Schutz des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung verlieren, an dem sie früher — wenn auch ohne große Effektivität — teilhatten 2 8 . W i l l man der historischen Begriffsentwicklung wegen der geringen Effektivität des damaligen Grundrechtsschutzes nur wenig Bedeutung beimessen, so darf doch die Funktion der Strafprozeßordnung nicht übersehen werden. Durch den einfachen Rechtsvorbehalt i n A r t . 6 der Preußischen und A r t . 115 der Weimarer Verfassung war die eigentliche Sicherung der Wohnungsfreiheit i n die §§ 102 bis 110 StPO verlagert 2®, i n denen die richterliche Durchsuchungsanordnung und bestimmte Durchsuchungsformen festgelegt sind. § 104 Abs. 1 StPO beschränkt diesen Schutz nicht auf die Wohnung i m engeren Sinne, sondern erstreckt i h n ausdrücklich auch auf Geschäftsräume und jedes befriedete Besitztum30. c) Schließlich steckt i n der Ausdehnung des Begriffes „Wohnung" auf Betriebe und Geschäftsräume ein materieller Grund, der schon i n der alten Argumentation mit den Abgrenzungsschwierigkeiten anklingt und auch i n der Strafprozeßordnung zum Ausdruck kommt 3 1 . Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung soll nicht, wie die Eigentumsgarantie des A r t . 14, die Wohnung als Vermögensobjekt 32 , sondern als Stätte individueller Persönlichkeitsentfaltung sichern 33 . Die Wohnungsfreiheit 27 Vgl. die Ausführungen der Abg. Schmid (SPD) u n d v. Mangoldt (CDU) i m Redaktionskomitee am 29. 9.1948, JöR n. F. 1, 140; siehe auch v. Mangoldt AÖR 75, 288. 28 Das ist besonders wichtig f ü r juristische Personen, w i e auch Laule, FR 1965, 498, betont. I m einzelnen dazu unten § 5 1 2 S. 44/45. 20 Daß i n einem einfachen Reichsgesetz der eigentliche Grundrechtsschutz verankert war, ist k e i n Ausnahmefall. Vgl.: Reichspressegesetz v o m 7. 5.1874 (RGBl. S. 65); Freizügigkeitsgesetz v o m 1.11.1867 (BGBl. S. 55); Gewerbeordnung v o m 21.6.1869 (BGBl. S. 245) i . d . F . v o m 26.7.1900 (RGBl. S. 871); Reichsvereinsgesetz v o m 19. 4.1908 (RGBl. S. 151). 30 Das Pr.OVG hat f ü r die Bestimmung des Wohnungsbegriffes auch des öfteren § 104 Abs. 1 StPO herangezogen, vgl. E 49, 207 (210); Pr.VBl. 25, 795; siehe auch Anschütz, A r t . 6 Pr.Verf. Erl. 2 I I . 81 Vgl. die M o t i v e zum I I I . E n t w u r f einer Strafprozeßordnung u n d zum E n t w u r f eines Einführungsgesetzes, Deutscher Reichstag, I I . Legislaturperiode, I I . Session 1874, Drucksache Nr. 5 (A) S. 66 zu § 95 (jetzt § 104) E I I I StPO. 82 Dazu Zimniok DöV 1954, 392; i m einzelnen unten § 15 I I I S. 144 ff. 38 Das w a r der Sinn des Wortes „Freistätte" i n A r t . 115 WRV. Vgl. dazu die „Kritische Würdigung" Thomas zur ersten Fassung der Wohnungsfreiheit i m Grundsatzausschuß, JöR n. F. 1, 140, u n d die Begründung des Abg. v. M a n goldt zu der Fassung des Redaktionsausschusses v o m 13.12.1948, JöR n. F. 1, 140. I m übrigen siehe: v. Mangoldt AöR 75, 288; v. Mangoldt-Klein, A r t . 13

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1. Abschnitt: „Die Wohnung ist unverletzlich", A r t . 13 Abs. 1

steht i n engem Zusammenhang m i t der Gewährleistung der freien Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1) und erfüllt eine wichtige Funktion zum Schutz der Würde des Menschen (Art. 1 Abs. I ) 3 4 . Die Unverletzlichkeit der Wohnung w i l l die freie Entfaltung der Persönlichkeit sicherstellen, indem sie den räumlichen Bereich, i n dem diese Entfaltung gewöhnlich vor sich geht, nach Möglichkeit von Eingriffen freihält. Wenn Persönlichkeitsentfaltung auch am privatesten und intimsten i m häuslichen Bereich, i n der Wohnung i m engeren Sinne, stattfindet, so sind doch Beruf und Arbeit des Menschen heute nicht weniger wichtig. M i t dem Beruf übernimmt der Mensch eine soziale Rolle, i n der er einen großen Teil seiner Persönlichkeit „investiert" und entwickelt 3 5 . Erstrebt die Gewährleistung der Wohnungsfreiheit die Sicherung i n einem räumlichen Bereich, so muß auch die Arbeitsstätte als Ort der Persönlichkeitsentfaltung geschützt sein. Das gilt vor allem für die eigene Arbeitsstätte, den eigenen Betrieb und das eigene Büro, i n denen die Persönlichkeit sich i m allgemeinen stärker entfaltet als i n fremden Arbeitsräumen 8 6 . 5. Die weite Auslegung des grundrechtlichen Wohnungsbegriffes hat sich somit aus der historischen Entwicklung der Wohnungsfreiheit und durch einen materiellen Grund als richtig erwiesen. „Wohnung" i m Sinne des A r t . 13 ist nicht nur die Wohnstätte, sondern sind auch Betriebe, Geschäftsräume und jedes befriedete Besitztum. Die i m abgabenrechtlichen Schrifttum vertretene Begrenzung auf Wohnräume ist verfassungsrechtlich verfehlt; der Nachsatz i n § 92 Satz 1 TabakStG „soweit es sich nicht u m Wohnungen handelt" war bedeutungslos, da auch die i m Hauptsatz aufgezählten Räume bereits „Wohnungen" i m Sinne des A r t . 13 waren. I m folgenden w i r d daher das Wort „Wohnung" jeweils i m umfassenden Sinne gebraucht. Die Wohnung i m engeren Sinne w i r d als „Privatwohnung" bezeichnet. Erl. I I 1 S. 400; Wernicke , B K A r t . 13 Erl. I I 1 a); Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 1—4, 11, 18, 43; Steiner, Unverletzlichkeit der Wohnung S. 3 ff. u n d S. 58 ff.; Dürig, i n : Festschrift f ü r A p e l t S. 32; Zimniok DöV 1954, 393; Laule F R 1965, 497. 34 Siehe dazu BVerfGE 6, 32 (37); 7, 377 (405); 18, 121 (132); Dürig AöR 81, 117; Maunz-Dürig, A r t . 1 Abs. 1 Rdnr. 17—45 u n d A r t . 2 Abs. 1 Rdnr. 1—11; v. Mangoldt-Klein, A r t . 2 Erl. I I I S. 163 ff. m i t Nachweisen; Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 1—4; Leisner, „Wohnung" i m Ev. Staatslexikon Sp. 2585. Gegen die Verbindung von A r t . 13 u n d A r t . 2 Abs. 1: BGH, Gutachten v o m 28. 4.1954, B G H S t 4, 385 (390), u n d Hamann, A r t . 13 Erl. A , w e i l sie die Schranken des A r t . 2 Abs. 1 nicht auf A r t . 13 anwenden wollen; dazu siehe unten § 16 I I S. 157 ff. 35 Vgl. Luhmann, Grundrechte als I n s t i t u t i o n S. 131 m i t soziologischen Nachweisen; Steiner, Unverletzlichkeit der Wohnung S. 5 6 1 ; Dagtoglou, B K A r t . 13 R d n r 16. 88 Z u der Frage, w e r sich a m Arbeitsplatz, z . B . i n einer Fabrik, auf die Wohnungsfreiheit berufen kann, siehe unten § 5 I I S. 45 ff.

§ 3. Die Unverletzlichkeit der Wohnung

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§ 3. Die Unverletzlichkeit der Wohnung — Begriff, Verzichtbarkeit und Rechtsnatur des Grundrechts I. Die Unverletzlichkeit

— Begriff

A r t . 13 Abs. 1 erklärt kategorisch die Wohnung für unverletzlich, ähnlich wie nach A r t . 2 Abs. 2 Satz 2 die Freiheit der Person, nach A r t . 4 Abs. 1 die Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit und nach A r t . 10 Satz 1 das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis unverletzlich sind. Schließlich taucht das Wort „unverletzlich" i m Grundrechtsteil noch i n A r t . 1 Abs. 2 auf, i n dem sich das Deutsche Volk „zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten bekennt". Über die Bedeutung des Wortes „unverletzlich" ist viel geschrieben, seine sachliche Unrichtigkeit i m Zusammenhang m i t den angeführten Grundrechten viel bemängelt worden 3 7 . Drückt doch der Terminus „unverletzlich" i n der Umgangssprache die Unmöglichkeit, i m juristischen Sprachgebrauch die Unzulässigkeit der Verletzung aus 38 . Die Unrichtigkeit dieser Aussage liegt aber wenigstens bei der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2), beim Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Satz 1) und bei der Wohnungsfreiheit (Art. 13 Abs. 1) auf der Hand, da i n diese Grundrechte kraft ausdrücklicher verfassungsrechtlicher Ermächtigung durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden darf (Art. 2 Abs. 2 Satz 3, A r t . 10 Satz 2, A r t . 13 Abs. 2 und 3) 39 . Der V o r w u r f terminologischer Nachlässigkeit und sprachlicher Unrichtigkeit soll hier weder erneuert noch vertieft werden. Denn der Streit um die Terminologie hat keinerlei sachliche Bedeutung; über den Sinn des Wortes „unverletzlich" bestehen jedenfalls bei A r t . 13 keine 37 Vgl. v. Mangoldt-Klein, A r t . 1 Erl. I V 2 c) S. 156/57; Wernicke, B K A r t . 13 Erl. I I 1 a) u n d A r t . 10 Erl. I I 1 d); Brinkmann, A r t . 13 Erl. I 1 b). Siehe auch die Auseinandersetzungen i m Parlamentarischen Rat: die „Kritische W ü r digung" Thomas zur 1. Fassung des Grundsatzausschusses, JöR n. F. 1, 140; die Kontroverse zwischen v. Mangoldt (CDU) u n d Heuss (FDP) i n der 32. S i t zung des Grundsatzausschusses v o m 11.1.1949, JöR n. F. 1, 42; v. Mangoldt u n d gegen i h n Bergsträsser (SPD) i n der 44. Sitzung des Hauptausschusses v o m 19.1.1949, JöR n. F. 1, 142; dazu auch v. Mangoldt, A r t . 13 Erl. 1. — F ü r die Weimarer Zeit siehe Apelt, Geschichte der W R V S. 322. 88 Vgl. Maunz-Dürig, A r t . 1 Abs. 2 Rdnr. 74. — Z u r sprachlich parallelen W o r t b i l d u n g „unantastbar" i n A r t . 1 Abs. 1 Satz 1 siehe Maunz-Dürig, A r t . 1 Abs. 1 Rdnr. 2; v. Mangoldt-Klein, A r t . 1 Erl. I I I 4 S. 151/52; Nipperdey, i n : Die Grundrechte I I S. 21/22. 89 A r t . 4 Abs. 1 enthält zwar keinen ausdrücklichen Eingriffsvorbehalt, so daß die Unverletzlichkeitserklärung hier am ehesten gerechtfertigt sein könnte, vgl. B V e r f G E 12, 45 (53/54). Z u den Schranken des A r t . 4 Abs. 1 vgl. B V e r f G E 12, 1 (4); B V e r w G E 7, 189 (196); u. Mangoldt-Klein, A r t . 4 Erl. I I I 5 S. 220/21; Hamann, A r t . 4 Erl. B 4 ; Wernicke, B K A r t . 4 Erl. I I 2 d); Zippelius, B K A r t . 4 Rdnr. 62—69; Hamel, i n : Die Grundrechte I V / 1 S. 68 ff. m i t Nachweisen.

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1. Abschnitt: „Die Wohnung ist unverletzlich", A r t . 13 Abs. 1

Meinungsverschiedenheiten. Die Aussage: „Die Wohnung ist unverletzlich", drückt einen Grundsatz aus, der Durchbrechungen nur gestattet, wenn und soweit das Grundgesetz ausdrücklich dazu ermächtigt oder sie wenigstens stillschweigend zuläßt. Eingriffe i n die Wohnungsfreiheit sind also unzulässig — und das dürfte für die Freiheiten des A r t . 2 Abs. 2 Satz 2 4 0 und des A r t . 10 41 ebenso gelten —, wenn und soweit sie sich nicht durch eine verfassungsrechtliche Ermächtigung oder Duldung legitimieren können 4 2 . IL „Unverletzlichkeit"

und Verzichtbarkeit

der Wohnungsfreiheit

Damit ist die Auslegung des Wortes „unverletzlich" möglicherweise noch nicht erschöpft. Sie stellt nur auf den Eingriff und seine verfassungsrechtliche Zulässigkeit ab, läßt aber den Willen des Grundrechtsträgers außer acht. Es könnte nämlich schon an einer „Verletzung" fehlen, wenn und soweit der Berechtigte m i t dem Eingriff einverstanden und sein Einverständnis rechtlich beachtlich ist. Der Satz „Die Wohnung ist unverletzlich" wurde früher 4 8 und w i r d vielfach noch heute 4 4 dahin verstanden, daß gegen oder ohne den Willen des Berechtigten i n die Wohnungsfreiheit nur eingegriffen werden darf, sofern eine verfassungsrechtliche Legitimation für den Eingriff vorhanden ist. Sollte der Wille des Grundrechtsträgers schon für die Auslegung des Wortes „unverletzlich" beachtlich sein, so wäre für die Wohnungsfreiheit das schwierige Problem des Grundrechtsverzichts i m Grundsatz zwanglos gelöst. Es wären nur noch die Grenzen des Verzichts, die Voraussetzungen seiner rechtlichen Relevanz zu bestimmen. 40

v. Mangoldt-Klein, A r t . 1 Erl. I V 2 c) S. 157 u n d A r t . 2 Erl. V I 3 S. 189. v. Mangoldt-Klein, A r t . 1 Erl. I V 2 c) S. 157; Wernicke, B K A r t . 10 Erl. I I 1 d); Hamann, A r t . 10 Erl. B 4 u n d 5. 42 Vgl. Wernicke, B K A r t . 13 Erl. I I 1 a); Hamann, A r t . 13 Erl. B 2; GieseSchunck, A r t . 13 Erl. 2; Kern, i n : Die Grundrechte I I S. 103; Leisner, „ W o h nung" i m Ev. Staatslexikon Sp. 2584; Kaufmann, Der polizeiliche E i n g r i f f S. 23; Thomä, Auskunfts- u n d Betriebsprüfungsrecht S. 87. — v. MangoldtKlein, A r t . 13 Erl. I I I 2 S. 401 u n d A r t . 1 Erl. I V 2 c) S. 157, spricht von „Gewährleistung" des Grundrechts, ohne sachlich etwas anderes zu meinen; so auch Hamann, A r t . 10 Erl. A 4; ähnlich Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 41; siehe auch Brinkmann, A r t . 13 Erl. I I b ) m i t weiteren Nachweisen. 43 Das w a r so selbstverständlich, daß es nicht einmal ausdrücklich hervorgehoben wurde, vgl.: Anschütz, A r t . 6 Pr.Verf. Erl. 2 I I I ; ders. A r t . 115 W R V Erl. 1; Mannheim, i n : Nipperdey I S. 324 ff. u n d S. 345 ff.; Köttgen, i n : Nipperdey I S . 351 ff. u n d S. 365 ff. 44 B a y V G H n . F . 11 I I 81 (89); Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 41 u n d 54ff.; Wernicke, B K A r t . 13 Erl. I I 1 b); v. Mangoldt, A r t . 13 Erl. 3; Hamann, A r t . 13 Erl. B 2; Model-Müller, A r t . 13 Erl. 1; Kern, i n : Die Grundrechte I I S. 103; Leisner, „Wohnung" i m Ev. Staatslexikon Sp. 2584; Maunz, Staatsrecht § 14 V 2 S. 120; H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I § 33 V b) 9 S. 174/75; König, Polizeirecht i n Bayern S. 405; Thomä, Auskunfts- u n d Betriebsprüfungsrecht S. 87; Eschenburg, Staat u n d Gesellschaft S. 432. 41

§ 3. Die Unverletzlichkeit der Wohnung

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1. Für die Berücksichtigung des Einverständnisses mit Eingriffen i n die Wohnungsfreiheit sprechen vor allem historische Gründe. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung, dessen Bedeutung sich früher i n der verfassungskräftigen Verbürgung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Vorbehalt des Gesetzes) erschöpfte 45 , war in einfachen Gesetzen häufig effektiver gesichert als i n der Verfassung. Zu diesen Gesetzen gehörten vor allem die Strafprozeßordnung 46 und davor schon das preußische Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit vom 12. Februar 185047. Schließlich waren und sind rechtswidrige Eingriffe i n das Grundrecht durch Träger öffentlicher Gewalt strafrechtlich sanktioniert (§ 342 StGB) 4 8 . a) Das preußische Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit war ein Ausführungsgesetz zu den A r t . 5 und 6 der Verfassung 49 . Es legte Formen und Voraussetzungen für Eingriffe i n die persönliche Freiheit und i n die Wohnungsfreiheit fest. Sein § 7 bestimmte für die Unverletzlichkeit der Wohnung: „ I n eine Wohnung darf w i d e r den W i l l e n des Inhabers niemand eindringen, außer auf G r u n d einer aus amtlicher Eigenschaft folgenden Befugnis oder eines von einer gesetzlich dazu ermächtigten Behörde erteilten Auftrags."

E i n Verstoß gegen A r t . 6 Pr.Verf. lag also nicht vor, wenn der Berechtigte mit dem Betreten seiner Wohnung einverstanden war. Nur bei entgegenstehendem Willen, bei fehlendem Einverständnis oder innerer Indifferenz zum Eingriff war eine Grundrechts- (Gesetzes-)Verletzung möglich, die je nach dem Vorliegen einer gesetzlichen Eingriffsermächtigung rechtmäßig oder rechtswidrig war 5 0 . b) Nach § 105 Abs. 1 StPO gehört(e) zur Rechtmäßigkeit einer strafprozessualen Durchsuchung grundsätzlich eine richterliche Durchsuchungsanordnung (Haussuchungsbefehl). Es ist seit jeher unbestritten, daß der Betroffene auf die richterliche Durchsuchungsanordnung verzichten kann, bei seinem Einverständnis also Durchsuchungen auch ohne 45

Siehe oben § 1 Ziff. 1 S. 19/20 m i t Fußnoten 5—8. §§ 102 ff. der Reichsstrafprozeßordnung v o m 1.2.1877 (RGBl. S. 253), heute i. d. F. v o m 17. 9.1965 (BGBl. I S. 1374); davor schon §§ 93 ff. der preußischen Strafprozeßordnung v o m 25. 6.1867 (Pr.GS S. 921, 956); i m übrigen siehe oben § 2 Ziff. 4 b) S. 29. 47 Pr.GS S. 45. 48 RStGB v o m 15. 5.1871 (RGBl. S. 127), heute i. d. F. v o m 25. 8.1953 (BGBl. I S. 1083, berichtigt BGBl. 1954 I S. 33); vgl. auch § 318 des Strafgesetzbuchs f ü r die Preußischen Staaten v o m 14. 4.1851 (Pr.GS S. 101). Der einfache Hausfriedensbruch w a r i n § 346 Pr.StGB noch eine bloße Übertretung. 49 Vgl. Giese, Grundrechte S. 101/02; Anschütz, A r t . 6 Pr.Verf. Erl. 2 I V undV. 50 Über die notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen siehe die §§ 8—12 des Pr. Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit. 46

3 Genlz

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1. Abschnitt: „Die Wohnung ist unverletzlich", A r t . 13 Abs. 1

Haussuchungsbefehl vorgnommen werden dürfen 6 1 . Ebenso sollen Ausnahmen vom Verbot der Nachtzeitdurchsuchung (§ 104 Abs. 1 StPO) bei Einwilligung des Betroffenen zulässig sein52» 6 3 . Diese Ansicht kann nur richtig sein, wenn man dem Willen des Wohnungsinhabers auch grundrechtliche Relevanz beimißt. Nur wenn bei seinem Einverständnis keine „Verletzung" der Wohnungsfreiheit vorliegt, entfällt ein Verstoß gegen A r t . 13 Abs. 2, der gerade die richterliche Durchsuchungsanordnung und die Beachtung der gesetzlichen Formen verlangt 5 4 . c) § 342 StGB stellt den Hausfriedensbruch i m A m t unter Strafe. Der Tatbestand des Hausfriedensbruchs (§ 123 StGB) ist nur dann erfüllt, wenn der Täter gegen oder ohne den Willen des Berechtigten i n die geschützten Räume eindringt oder darin verweilt. Das fehlende Einverständnis gehört zum objektiven Tatbestand, eine „Verletzung" des Hausfriedens liegt nicht vor, wenn der Berechtigte eingewilligt hat 5 5 . Da § 342 StGB auf § 123 StGB verweist, ist auch der Tatbestand des Hausfriedensbruchs i m A m t nicht gegeben, wenn der Wohnungsinhaber m i t dem Eindringen oder Verweilen von Staatsorganen i n seinen Räumen einverstanden ist 5 6 . Dieses Verständnis des Hausfriedensbruchs ist für 51 I n den M o t i v e n zum I I I . E n t w u r f einer Strafprozeßordnung u n d zum E n t w u r f eines Einführungsgesetzes (Reichstags-Drucksache, I I . Legislaturperiode, I I . Session 1874 Nr. 5 A) heißt es zu § 96 Abs. 1 (jetzt § 105 Abs. 1 StPO): „Daß eine Durchsuchung auch dann ohne richterlichen Befehl v o r genommen werden dürfe, w e n n der Inhaber der zu durchsuchenden Räume sich i h r f r e i w i l l i g u n t e r w i r f t , erscheint selbstverständlich u n d ist deshalb i n dem E n t w u r f nicht noch ausdrücklich ausgesprochen worden." — Aus der neueren L i t e r a t u r vgl. Eberhard Schmidt, StPO § 103 Rdnr. 10; SchwarzKleinknecht, StPO § 105 Erl. 1; H. Müller, i n : K M R StPO § 105 Erl. 1; G. Schulz, StPO § 105 Erl. B 4. 52 Schwarz-Kleinknecht, StPO § 104 Erl. 1; H. Müller, i n : K M R StPO § 104 Erl. 4; G. Schulz, StPO § 104 Erl. A ; Kaufmann, Der polizeiliche E i n g r i f f S. 111. 53 Nach § 93 Abs. 1 Pr.StPO 1867 konnte sich die E i n w i l l i g u n g auch auf die Durchsuchungsvoraussetzungen beziehen. E r lautete: „Die Durchsuchung einer Wohnung oder einer anderen zu einem Wohnhause gehörigen Räumlichkeit ohne E i n w i l l i g u n g ihres Inhabers (Haussuchung) ist n u r gestattet, w e n n m i t Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß dieselbe zur A u f f i n d u n g von Uberführungsstücken führen werde." — Der Verzicht auf die DurchsuchungsVoraussetzungen (§§ 102, 103 StPO) dürfte von der strafprozessualen Lehre auch heute noch als zulässig angesehen werden, obwohl die Frage nicht ausdrücklich erörtert w i r d . 54 Vgl. B a y V G H n. F. 17 I I 85 (87). 55 RGSt 5, 109 (111); 12, 132; 15, 391 (393); Schönke-Schröder, StGB § 123 Rdnr. 10, 11, 17 u n d 18; Werner, i n : L K StGB § 123 Erl. I I I 1 u n d 2; Kohlrausch-Lange, StGB § 123 Erl. 3 A a) u n d B ; Maurach, Strafrecht B T § 23 I I A I S . 171. 68 Schönke-Schröder, StGB § 342 Rdnr. 2; Werner, i n : L K StGB § 342 Erl. I u n d I I ; Schwarz-Dreher, StGB § 342 Erl. 1; Maurach, Straf recht B T § 82 V I C S. 731.

§ 3. Die Unverletzlichkeit der Wohnung

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§ 342 StGB nur dann vernünftig und vertretbar, wenn der Wille des Berechtigten auch für die grundrechtliche Wohnungsfreiheit des A r t . 13 beachtlich ist. Denn § 342 StGB soll und w i l l grundrechtswidrige Wohnungseingriffe durch die öffentliche Gewalt strafrechtlich sanktionieren 5 7 . Läge ein Verstoß gegen A r t . 13 auch bei Einwilligung des Grundrechtsträgers vor, so könnte § 342 StGB tatbestandlich nicht alle Grundrechtsverletzungen erfassen. Sein Schutz wäre unvollkommen, die tatbestandliche Beschränkung auf das fehlende Einverständnis inkonsequent 5 8 . 2. Wenn auch die Ausformung der Wohnungsfreiheit i n einfachen Gesetzen darauf hindeutet, daß zu einer Verletzung die fehlende E i n w i l l i gung des Berechtigten zu dem Eingriff gehört, so ist das noch kein verfassungskräftiger Beweis. Immerhin kann die kontinuierliche und unbestrittene Auslegung des Wohnungsschutzes i m prae- und subkonstitutionellen Recht als starkes Indiz gewertet werden, dessen Fehlerhaftigkeit durch positive, i m Grundgesetz selbst liegende Gründe dargetan werden muß. a) Während man sich bei den Grundrechten der Weimarer Verfassung noch wenig Gedanken u m den Grundrechtsverzicht oder den Grundrechtsausübungsverzicht gemacht hatte 5 9 , steht das grundgesetzliche Schrifttum hier vor einer schwierigen, noch nicht gelösten Auslegungsfrage. Ausgangspunkt der Diskussion ist i m allgemeinen das Bekenntnis des Deutschen Volkes „zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten" i n A r t . 1 Abs. 2 6 0 . Mag auch das A d j e k t i v „unverletzlich" sprachlich verfehlt und mit ungerechtfertigtem Pathos erfüllt sein 61 , so 57 Giese, Grundrechte S. 102; Anschütz, A r t . 6 Pr.Verf. Erl. 2 I I . — Unrichtig v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I I 6 S. 401, der § 342 StGB als Schutzvorschrift gegen Eingriffe privater D r i t t e r zitiert; ebenso Wernicke, B K A r t . 13 Erl. I I

ld).

58 Die Auslegung wäre aber selbstverständlich nicht verfassungswidrig, da der Strafgesetzgeber nicht verpflichtet ist, alle Verstöße gegen die Wohnungsfreiheit unter Strafe zu stellen. 59 Das lag zum großen T e i l an der Definition der Grundrechte als subj e k t i v e r Rechte. So konnte f ü r Giese, Grundrechte S. 70 u n d S. 73, das Problem noch gar nicht auftreten, da nach i h m zum Begriff des subjektiven Rechts die „ausschließliche Willensmacht (Befugnis)" gehörte, „ i m Falle der V e r letzung dieser Rechtsnorm (z.B. eines Grundrechts) den darin enthaltenen I m p e r a t i v aus eigener I n i t i a t i v e auszulösen u n d dem Verpflichteten gegenüber durchzusetzen". Vgl. dazu auch G. Jellinek, Subjektive öffentliche Rechte S. 41 ff. 60 Vgl. Dürig AöR 81, 117 ff.; ders. ZgesStW 109 (1953) S. 326 ff.; MaunzDürig, A r t . 1 Abs. 2 Rdnr. 81; Wernicke, B K A r t . 1 Erl. I I 3 b); Zippelius, B K A r t . 1 Rdnr. 47 ff., 51; v. Mangoldt-Klein, Vorbem. B X V I 5 S. 138/39; Koellreutter, Staatsrecht S. 52; siehe auch Maunz, Staatsrecht § 1 6 I V S. 134 f. 61 So v o r allem: v. Mangoldt-Klein, A r t . 1 Erl. I V 2 c) S. 157; Wernicke, B K A r t . 10 Erl. I I 1 d).



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1. Abschnitt: „Die Wohnung ist unverletzlich", A r t . 13 Abs. 1

scheint doch das Wort „unveräußerlich" auf die Vorstaatlichkeit der Grundrechte, auf ihre Überpositivität und damit auf ihre Unverfügbarkeit hinzuweisen 62 . b) Dieser Argumentation liegt eine zu stark generalisierende Betrachtungsweise zugrunde. I n dem Bekenntnis des A r t . 1 Abs. 2 findet sich das Wort „darum", das sich sprachlich nur auf die Aussage des A r t . 1 Abs. 1 Satz 1 beziehen kann: „Die Würde des Menschen ist unantastbar 6 3 ." Das anschließende Bekenntnis zu „Menschenrechten" sagt aber nicht, daß alle i m Grundrechtskatalog aufgezählten Grundrechte Menschenrechte wären 6 4 . Daß hinsichtlich der Grundrechtsträgerschaft, der Grundrechtssubjekt i v i t ä t 6 5 , nicht alle grundgesetzlichen Grundrechte Menschenrechte sind, zeigen die A r t . 8, 9, 11, 12 Abs. 1, 16 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, die ausdrücklich nur Deutschen Rechte einräumen. — Aber auch qualitativ sind nicht alle Grundrechte Menschenrechte. Dabei sollte man als qualitative Menschenrechte nur die Grundrechte begreifen, die unmittelbarer Ausfluß der Menschenwürde sind und deren Verletzung einen direkten A n griff auf die Menschenwürde begründet 66 . Denn wegen der Unantastbarkeit der Menschenwürde bekennt sich das Deutsche Volk zu „unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten" („darum", A r t . 1 Abs. 2). c) Z u den qualitativen Menschenrechten gehören m i t Sicherheit die Glaubens-, die Gewissens- und die Bekenntnisfreiheit des Art. 4 Abs. I 6 7 , bei denen die Unverletzlichkeitserklärung sprachlich am ehesten gerechtfertigt sein mag. Ebenso mögen dazu die Gleichheit des Art. 3 6 8 , die Meinungsfreiheit des A r t . 5 Abs. 1 Satz l 6 9 und die Elternrechte des A r t . 6 Abs. 2 7 0 gehören. Dagegen gehört das Grundrecht der Unver82 Maunz-Dürig, A r t . 1 Abs. 2 Rdnr. 74 u n d 81; Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 54. Über den geistesgeschichtlichen H i n t e r g r u n d vgl. Zippelius, B K A r t . 1 Rdnr. 1—6; ders. „Grundrechte" i m Ev. Staatslexikon Sp. 724. 63 Maunz-Dürig, A r t . 1 Abs. 2 Rdnr. 55 u n d 73—81, v o r allem Rdnr. 79; v. Mangoldt-Klein, A r t . 1 Erl. I V 1 u n d 2 b) S. 156/57; v. Mangoldt, A r t . 1 Erl. 3; Zippelius, B K A r t . 1 Rdnr. 47; Nipperdey, i n : Die Grundrechte I I S. 14. 64 Ähnlich Maunz-Dürig, A r t . 1 Abs. 2 Rdnr. 79—81; v. Mangoldt-Klein, A r t . 1 Erl. I V 3 S. 158 u n d Vorbem. B V, insbesondere 1 u n d 6, u n d B I V 4 S. 96 ff.; Wernicke , B K A r t . 1 Erl. I I 2 f); Hamann, A r t . 1 Erl. B 8. 65 Siehe dazu Maunz-Dürig, A r t . 1 Abs. 2 Rdnr. 78, u n d insbesondere v. Mangoldt-Klein, Vorbem. B V 1 u n d 4—6 S. 97 ff. 66 Ä h n l i c h Maunz-Dürig, A r t . 1 Abs. 2 Rdnr. 79 u n d 80; vgl. auch Zippelius, B K A r t . 1 Rdnr. 51. 67 v. Mangoldt-Klein, A r t . 4 Erl. I I 5 S. 216. 68 Vgl. dazu v. Mangoldt-Klein, A r t . 3 Erl. I I 8 S. 196/97 m i t Nachweisen. 69 So v. Mangoldt-Klein, A r t . 5 Erl. I I 5 S. 237 m i t Nachweisen. 70 So v. Mangoldt-Klein, A r t . 6 Erl. I V 3 S. 273.

§ 3. Die Unverletzlichkeit der Wohnung

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letzlichkeit der Wohnung nach einhelliger Meinung nicht zu den qualitativen Menschenrechten 71 . Denn A r t . 13 schützt nicht die Wohnung als solche, die für sich genommen keinen Bezug zur Menschenwürde hat. Die Wohnungsfreiheit schützt einen bestimmten räumlichen Bereich, u m darin ungestörte Persönlichkeitsentfaltung zu gewährleisten 72 . Direkter Ausfluß der Menschenwürde ist zwar die Forderung nach freier Persönlichkeitsentfaltung, nicht aber das Mittel, mit dem die Persönlichkeitsentfaltung (u. a.) gesichert werden soll 7 3 . Verletzungen der Wohnungsfreiheit enthalten daher keinen unmittelbaren Angriff auf die Würde des Menschen, sondern nur die Beeinträchtigung eines dem Schutz der Menschenwürde dienenden Mittels 7 4 . Ist aber die Wohnungsfreiheit des A r t . 13 kein Menschenrecht, so steht das Bekenntnis des Art. 1 Abs. 2 zu „unveräußerlichen Menschenrechten" einem Verzicht auf die Geltendmachung dieses Grundrechts nicht entgegen. Dann steht aber auch nichts i m Wege, schon den Tatbestand einer „Verletzung" zu verneinen, wenn der Berechtigte m i t dem Eingriff einverstanden ist. Positiv w i r d man sogar sagen können, daß es mit zur Würde des Menschen und zur freien Persönlichkeitsentfaltung gehört, daß jeder Mensch eigenverantwortlich wenigstens über die Mittel zum Schutze seiner Menschenwürde entscheiden und verfügen kann 7 5 . d) Damit ist i m Grundsatz die Beachtlichkeit des Einverständnisses für das Vorliegen einer Verletzung anerkannt. Z u klären bleibt noch, worauf sich das Einverständnis bezieht und wo seine Grenzen liegen. Dazu muß näher auf die Rechtsnatur der Unverletzlichheit der Wohnung eingegangen werden. 71 v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I I 4 S. 400; Leisner, „Wohnung" i m Ev. Staatslexikon Sp. 2585; Kern, i n : Die Grundrechte I I S. 104; w o h l auch (zweifelhaft!) Brinkmann, A r t . 13 Erl. I I a) m i t weiteren Nachweisen. 72 Siehe oben § 2 Ziff. 4 c) S. 29/30 m i t Fußnoten 33 u n d 34. 78 Leisner, „Wohnung" i m Ev. Staatslexikon Sp. 2585, bezeichnet daher die Wohnungsfreiheit als „sächliches" Grundrecht, Hamann, A r t . 13 Erl. A , als „sachbezogenes" Grundrecht. 74 Von der Frage, ob die Wohnungsfreiheit ein Menschenrecht ist, ist die Frage zu trennen, ob sie einen Menschenrechtskern enthält. Dieser Menschenrechtskern w i r d v o r allem f ü r A r t . 19 Abs. 2 von Bedeutung sein; vgl. dazu Dürig AöR 81, 136 ff. u n d Maunz-Dürig, A r t . 1 Abs. 2 Rdnr. 79—81. Der Menschenrechtskern des A r t . 13 könnte i n einer institutionellen Gewährleistung liegen, die die völlige Abschaffung von Privatwohnungen verbietet u n d dauernde Zwangskasernierungen ausschließt; so Leisner, „Wohnung" i m Ev. Staatslexikon Sp. 2585; v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I I I 2 S. 401; H. J. Wolff , Verwaltungsrecht I § 33 V b) 9 S. 175; Lerche, Übermaß S. 242 Fußnote 332; teilweise kritisch dazu Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 11; vgl. auch Hamann, A r t . 13 Erl. B 2, der jedoch zu stark vereinfacht. 75 Vgl. Dürig Rdnr. 54.

AöR 81, 152; i m Ergebnis w i e hier Dagtoglou,

B K A r t . 13

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1. Abschnitt: „Die Wohnung ist unverletzlich", A r t . 13 Abs. 1

III. Rechtsnatur der Wohnungsfreiheit ihrer Verzichtbarkeit

und die Grenzen

1. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung ist ein Grundrecht i m status negativus 7 6 ; es ist ein Abwehrrecht, das einen negatorischen Anspruch auf Unterlassung rechtswidriger Eingriffe gibt 7 7 . Die Wohnungsfreiheit gewährleistet aber nicht außerdem noch bestimmte menschliche Handlungen, die ein Dritter, der Grundrechtsverpflichtete, zu dulden gehalten wäre. Denn nicht die Tätigkeit i n der Wohnung w i r d von A r t . 13 erfaßt, nicht die i n der Wohnung stattfindende Persönlichkeitsentfaltung ist geschützt, sondern nur der räumliche Bereich, i n dem die Persönlichkeit sich entfaltet 7 8 . Die Wohnungsfreiheit kann nicht durch positive Tätigkeiten ausgeübt werden, sie verleiht dem Bürger keine Handlungsbefugnis wie etwa die Meinungs- und Pressefreiheit 79 . Sie gibt kein Hecht zu eigenem Handeln, sondern nur ein Recht auf Unterlassung fremden Verhaltens. Sie w i r d demnach nur aktuell, wenn ein Eingriff droht; erst dann kann das Grundrecht geltend gemacht werden. Die Wohnungsfreiheit ist also kein „Darfrecht" i m Sinne der neuerdings von Wilke 80 herausgearbeiteten Unterscheidung, sondern ein reines Abwehrrecht oder „Schutzrecht" 81 . 2. Verleiht A r t . 13 eine reine Abwehr-, aber keine Handlungsbefugnis, so kann sich der Verzicht nur auf die Unterlassung der Abwehr, auf ihre Nichtgeltendmachung beziehen. Dagegen bedeutet das Einverständnis 76 Z u r Statuslehre siehe G. Jellinek, Subjektive öffentliche Rechte S. 81 ff.; ders. Allgemeine Staatslehre S. 419 ff. 77 Vgl. Giese, Grundrechte S. 101; ders. Pr. Rechtsgeschichte S. 198; Anschütz, A r t . 6 Pr.Verf. Erl. 2 vor I I ; ders. A r t . 115 W R V Erl. 2; Köttgen, i n : Nipperdey I S. 349, 365; Mannheim, i n : Nipperdey I S. 320 ff. (indirekt); v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I I 3 S. 400; Wernicke, B K A r t . 13 Erl. I I 1 b) u n d e); Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 47; Giese-Schunck, A r t . 13 Erl. 2; Kern, i n : Die Grundrechte I I S. 102/03; Leisner, „Wohnung " i m Ev. Staatslexikon Sp. 2585; H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I § 33 V b) 9 S. 174; Maunz, Staatsrecht § 14 V 2 S. 120; Steiner, Unverletzlichkeit der Wohnung S. 30 ff., 55 f. 78 Vgl. BVerfGE 7, 230 (238), wonach sich nicht auf die Wohnungsfreiheit berufen kann, w e r von seiner Wohnung aus politische Propaganda betreiben w i l l . Das w o l l e n w o h l auch Hamann, A r t . 13 Erl. A , u n d Leisner, „Wohnung" i m Ev. Staatslexikon Sp. 2585, ausdrücken, w e n n sie die Wohnungsfreiheit als „sachbezogenes" oder „sächliches" Grundrecht bezeichnen; siehe auch v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I I 6 S. 401. 78 Vgl. dazu Wilke, V e r w i r k u n g der Pressefreiheit S. 25; Giese, Grundrechte S. 120 ff. 80 a.a.O. S. 20 ff. 81 Giese, Grundrechte S. 90 ff., unterscheidet „Schutzrechte" ( = reine A b wehrrechte) u n d „Freiheitsrechte" ( = „Darfrechte" i n der Wilke 1 sehen Terminologie). Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung zählt er — w i e hier — zu den reinen Abwehrrechten, vgl. Grundrechte S. 101 u n d Pr. Rechtsgeschichte S. 198.

§ 3. Die Unverletzlichkeit der Wohnung

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m i t dem Eingriff keinen Verzicht auf eine Handlung des Bürgers. Das Einverständnis ist Abwehrverzicht, nicht Handlungsverzicht, ist Reaktionsverzicht, nicht Aktionsverzicht. Die Frage, ob die Einwilligung einen Grundrechtsverzicht oder einen Grundrechtsausübungsverzicht darstellt, ist jedenfalls für die reinen Abwehrrechte müßig 8 2 . Reine Abwehrrechte werden nur aktuell, wenn ein Angriff erfolgt oder droht. I n der Geltendmachung des Abwehrrechts liegt die Ausübung des Grundrechts, das Abwehrrecht ist das aktualisierte Grundrecht selbst. Das Einverständnis mit einem Eingriff i n die Wohnungsfreiheit und damit der Grundrechtsverzicht kann sich auf verschiedene Gegenstände beziehen: Möglich ist ein Verzicht auf die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen des Eingriffs (z. B. Betreten der Wohnung, ohne daß ein Gesetz zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorliegt, oder Durchsuchungen ohne gesetzliche Grundlage), auf die gesetzlichen Voraussetzungen des Eingriffs, auf die Einhaltung der gesetzlichen Durchsuchungsformen (Art. 13 Abs. 2) und auf die richterliche Durchsuchungsanordnung (Art. 13 Abs. 2). 3. Für die Grenzen der Verzichtbarkeit eines Grundrechts kann auf die strafrechtliche Literatur und Rechtsprechung zur Einwilligung des Verletzten Bezug genommen werden 8 3 . Der rechtfertigende Verzicht auf eine Rechtsposition ist dort am besten durchgearbeitet und an die engsten Voraussetzungen geknüpft. Hier werden nur die wesentlichsten Ergebnisse wiedergegeben 84 : a) Ein rechtlich beachtlicher Verzicht liegt nur dann vor, wenn der Berechtigte i n den Eingriff positiv eingewilligt hat. Ebensowenig wie der entgegenstehende Wille vermag auch die bloße Indifferenz den Tatbestand einer Verletzung (im Sinne der „Unverletzlichkeit") auszuräumen. 82

Z u dieser Unterscheidung siehe: Hamann, Erl. 6 v o r A r t . 1 u n d A r t . 1 Erl. B 8; v. Mangoldt-Klein, Vorbem. B X V I 5 S. 138; Maunz, Staatsrecht § 16 I V S. 134; Koellreutter, Staatsrecht S. 52; Bettermann, i n : Die Grundrechte I I I / 2 S. 812 (Rechtswegverzicht); Herbert Krüger DVB1. 1950, 629; Forsthoff, Verwaltungsrecht § 7 A 1 S. 122; Dürig ZgesStW 105 (1953) S. 328; ders. AöR 81,152; Neeße B a y B Z 1956, 67. 88 Besonders deshalb, w e i l die E i n w i l l i g u n g den Tatbestand des Hausfriedensbruchs i m A m t (§ 342 StGB), des strafrechtlichen Korrelats zur W o h nungsfreiheit, beseitigt. Siehe aber auch Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 54—57. 84 I m einzelnen siehe, jeweils m i t Nachweisen: Maurach, Strafrecht A T § 28 I S. 282 ff.; Welzel, Straf recht § 14 V I I S. 86 ff.; Mezger-Blei, Straf recht I § 38 S. 119 ff.; Baumann, Strafrecht A T § 21 I I 4 S. 298 ff.; Schönke-Schröder, StGB § 51 Vorbem. Rdnr. 32—48; Mezger, i n : L K StGB § 51 Vorbem. 10 e) u n d f); Kohlrausch-Lange, StGB § 51 Vorbem. I I 3; Schwarz-Dreher, StGB § 51 Vorbem. 2 A .

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1. Abschnitt: „Die Wohnung ist unverletzlich", A r t . 13 Abs. 1

b) Das Einverständnis muß freiwillig gegeben werden. Dazu muß der Berechtigte wissen, daß er sich gegen den Eingriff wehren könnte 8 5 . Anderenfalls geht das Einverständnis von falschen Voraussetzungen aus und ist daher unbeachtlich. c) Der Berechtigte muß eine ausreichende Vorstellung von der Bedeutung und Tragweite seines Einverständnisses haben, er muß also wissen, welche Befugnisse er den handelnden Staatsorganen einräumt. d) Schließlich ist das Einverständnis frei widerruflich und muß noch i m Zeitpunkt des Eingriffs vorliegen. Es gibt keinen generellen Verzicht, sondern nur den Ausübungsverzicht i m Einzelfalle. Es handelt sieht also bei genauerer Betrachtung nicht eigentlich um einen Verzicht, sondern vielmehr — wie auch i m Straf recht — um eine Einwilligung.

§4. Anspruch auf Wohnung Die oben zur Rechtsnatur der Wohnungsfreiheit getroffenen Feststellungen bedürfen noch der Ergänzung i n zwei Richtungen, die sich auf den Inhalt des Grundrechts beziehen: Einmal ist zu fragen, gegen welche Eingriffe das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung Schutz gewährt: ob nur gegen das Eindringen oder auch gegen die „dingliche Inanspruchnahme" der Wohnung. Diese Frage stellt die Rechtsnatur der Wohnungsfreiheit als reines Abwehrrecht nicht i n Zweifel, sondern konkretisiert die Abwehrbefugnis. Sie soll hier noch offenbleiben, da sich die Schutzrichtung des Art. 13 erst nach genauer Kenntnis seiner Schranken verdeutlichen läßt 8 6 . Die andere Frage geht dahin, ob A r t . 13 nicht neben dem negatorischen Abwehranspruch einen positiven Leistungsanspruch enthält, einen Anspruch auf Wohnung. Ist also die Wohnungsfreiheit nur ein Grundrecht i m status negativus (im Sinne eines bloßen Abwehrrechts oder „Schutzrechts") oder gleichzeitig ein Grundrecht i m status positivus 87 ? 1. Der Gedanke, der hinter einem grundrechtlichen Anspruch auf Wohnung steht, erscheint einleuchtend: Man könnte fragen, was dem Bürger die Einräumung eines Grundrechts nützt, auf das er sich wegen fehlender tatsächlicher Voraussetzungen nicht berufen kann. Außerdem soll das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung durch Zusicherung eines räumlichen Schutzbereichs die individuelle Persönlichkeits85 Deshalb meint Kern, i n : Die Grundrechte I I S. 103, der Beamte müsse gegebenenfalls ausdrücklich erklären, daß der Betroffene ein Recht habe, i h m den E i n t r i t t zu verbieten. 86 Z u r Schutzrichtung der Wohnungsfreiheit siehe unten § 15 S. 139 ff. 87 Dazu Cr. Jellinek, Subjektive öffentliche Rechte S. 114 ff.

§ 4. Anspruch auf Wohnung

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entfaltung fördern. Das Recht auf Persönlichkeitsentfaltung (Art. 2 Abs. 1) steht allen Menschen gleichermaßen zu, daher sollten auch alle Menschen sich der Sicherungen und M i t t e l bedienen können, die die Persönlichkeitsentfaltung ermöglichen oder erleichtern. Gleichwohl läßt A r t . 13 Abs. 1 nur eine Abwehrfunktion erkennen. Der Satz „Die Wohnung ist unverletzlich" gewährt Schutz gegen Verletzungen, er setzt das zu verletzende Objekt, die Wohnung, voraus. Die „Gewährleistung" der Wohnungsfreiheit kommt nur dem zugute, der eine Wohnung hat, sie hat nicht den Inhalt, daß jedem die Erlangung und Erhaltung einer Wohnung garantiert würde 8 8 . Auch aus den Schranken des A r t . 13, aus seinen Absätzen 2 und 3 läßt sich nicht herleiten, daß die Wohnungsfreiheit zugleich ein Grundrecht i m status positivus wäre. Wenn auch A r t . 13 Abs. 3 i n seiner zweiten Alternative „Eingriffe und Beschränkungen . . . zur Behebung der Raumnot" zuläßt, so w i r d damit kein Anspruch des Bürgers auf Wohnung begründet. Dem Recht des Staates, den Eingriff vorzunehmen, entspricht zwar die Pflicht des Bürgers, den Eingriff zu dulden; i h m korrespondiert aber nicht das Recht eines anderen Bürgers, eine Wohnung zugeteilt zu bekommen. Bezeichnenderweise formulieren die Landesverfassungen, i n denen dem Bürger ein Recht auf Wohnung zugesichert w i r d (Art. 106 Abs. 1 Bay.Verf. 89 , A r t . 19 Abs. 1 Berl.Verf. 9 0 , A r t . 14 Abs. 1 Satz 1 Brem.Verf. 91 , den positiven Anspruch durchweg getrennt von dem negativen Abwehrrecht. Während der Anspruch auf Wohnraum jeweils i n den Absätzen 1 verbürgt ist, schließen erst die Absätze 2 oder — i n Bayern — 3 die Unverletzlichkeitserklärung an 9 2 . Damit w i r d unterstrichen, daß der Satz „Die Wohnung ist unverletzlich" nur ein Recht i m status negativus gewährt, daß er dagegen kein Recht i m status positivus einräumt. Die Unverletzlichkeit der Wohnung ist also ein rein negatorisches Recht und enthält keinen Anspruch auf Wohnung. 88 Ganz herrschende Lehre: B a y V G H n. F. 15 I I 49 (51) m i t Nachweisen; v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I I 2 S. 400; Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 48; Wernicke, B K A r t . 13 Erl. I I 1 c); Leisner, „Wohnung" i m Ev. Staatslexikon Sp. 2585; Kern, i n : Die Grundrechte I I S. 102; H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I § 33 V b) 9 S. 175; Steiner, Unverletzlichkeit der Wohnung S. 31 f.; siehe auch Bachof, W D S t R L Heft 12 S. 41 ff. u n d S. 57/58; BVerfGE 1, 97 (104/05); Lerche, Übermaß S. 277 Fußnote 81. 89 Verfassung des Freistaates Bayern v o m 2.12.1946 (GVB1. S. 333). 90 Verfassung von B e r l i n v o m 1. 9.1950 (VOB1. S. 433). 91 Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen v o m 21.10.1947 (GesBl. S. 251). 92 Während i m ganzen A r t . 106 Bay .Verf. überhaupt keine Schranken aufgeführt sind (wegen A r t . 98), enthalten A r t . 19 Abs. 2 Satz 2 Berl.Verf. u n d A r t . 14 Abs. 2 Satz 2 Brem.Verf. unmittelbar i m Anschluß an die Unverletzlichkeitserklärung die Schranken der Wohnungsfreiheit, die i n der Bremer V e r fassung i n Abs. 3 (Durchsuchungen) fortgesetzt werden.

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1. Abschnitt: „Die Wohnung ist unverletzlich", A r t . 13 Abs. 1

2. Die Gedankenführung, m i t der die Frage nach einem Recht auf Wohnung verdeutlicht wurde, erinnert an den allgemeinen Gleichheitssatz. Aber auch aus Art. 3 Abs. 1 kann kein Anspruch auf Wohnung oder gar auf eine angemessene Wohnung hergeleitet werden. Der Gleichheitssatz verbietet zwar Gleiches ungleich und Ungleiches gleich zu behandeln 9 3 . Er verpflichtet den Staat jedoch nicht, bestehende tatsächliche Ungleichheiten zu beseitigen 94 , solange nur die Chancengleichheit gewahrt ist 9 5 . Wer keine Wohnung hat, kann also nicht deshalb eine Wohnung verlangen, weil ein Dritter Inhaber einer Wohnung ist. 3. Dagegen könnte ein Recht auf Wohnung aus der Sozialstaatsklausel der A r t . 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 folgen; denn die Forderung nach einer angemessenen Wohnung für jeden Bürger ist sicher sozial berechtigt. I n dem Sozialstaatsbekenntnis könnte die Verpflichtung des Staates enthalten sein, jeden Bürger instand zu setzen, von allen seinen Grundrechten Gebrauch zu machen 96 ; also auch die Verpflichtung, den, der keine Wohnung hat, durch Zuteilung von Wohnraum i n den Genuß der Wohnungsfreiheit zu bringen. Selbst wenn man der Sozialstaatsklausel nicht nur programmatische Bedeutung beimißt, sondern sie als aktuell geltenden, rechtsverbindlichen Verfassungsauftrag ansieht 97 , kann es sich doch immer nur u m eine Last des Staates handeln, aus der dem Bürger, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten 9 8 , keine konkreten Einzelansprüche erwachsen 99 . Unbegrenzte, wenn auch sozial berechtigte A n 93 Aus der Fülle der Entscheidungen vgl. n u r : BVerfGE 1, 14 (52); 4, 144 (155); 16, 6 (25); 20, 31 (33). 94 Vgl. BVerfGE 14,121 (134); 8, 51 (65, 68); 20, 56 (100). 95 Z u r Chancengleichheit (entwickelt vor allem bei den politischen Parteien aus A r t . 3 Abs. 1 u n d 21) siehe: BVerfGE 1, 208 (255); 3, 19 (26); 3, 383 (393); 6, 273 (280); 7, 99 (107); 14, 121 (133/34); 20, 56 (102, 113, 116); siehe auch B V e r w G DVB1.1966, 860. 96 Vgl. H. J. Wolff , Verwaltungsrecht I § 11 I I b) 4 S. 47 ff. 97 Z u r Rechtsprechung des B V e r f G i n den Bänden 1—18 der amtlichen Sammlung vgl. Werner Weber, Der Staat 1965, 409 ff.; aus jüngster Zeit vgl. BVerfGE 22, 180 (204); Gerber AöR 81, 1 ff.; Forsthoff, W D S t R L Heft 12 S. 8, 23 ff.; Bachof, W D S t R L Heft 12 S. 37, 39 ff.; v. Mangoldt-Klein, A r t . 20, Erl. V I I 2 b) S. 605/06 m i t zahlreichen Nachweisen; v. Mangoldt, A r t . 20 Erl. 2 b) S. 134; Wernicke , B K A r t . 20 Erl. I I 1 d); Maunz, Staatsrecht § 10 I I 4 S. 67 ff.; H. J. Wolff , Verwaltungsrecht I § 11 I I b) S. 46 ff.; Forsthoff, V e r waltungsrecht § 4 Ziff. 1 S. 59 ff.; Ipsen, i n : Recht — Staat — Wirtschaft I I S. 186 ff.; Bender, Rechtsstaat u n d Sozialstaat S. 351 ff. m i t Nachweisen. 98 I n B V e r w G E 1, 159 ist ein klagbarer Anspruch auf Fürsorgeunter Stützung nach der FürsorgepflichtVO aus der Sozialstaatsklausel i n Verbindung m i t A r t . 1 bejaht worden. Vgl. dazu v. Mangoldt-Klein, A r t . 20 Erl. V I I 2 c) S. 606/07 m i t zahlreichen Nachweisen; siehe auch B V e r w G E 2,335,349; BVerfGE 1, 97 (104/05); Erich Kaufmann, i n : Recht — Staat — Wirtschaft I V S. 77 ff., 84. 99 v. Mangoldt-Klein, A r t . 20 Erl. V I I 2 c) S. 607; Menger, Der Begriff des sozialen Rechtsstaates S. 22; Scheuner DöV 1954, 591; Forsthoff, WDStRL Heft 12 S. 27; Gerhard Müller, Betrieb 1956, 550; Lerche, Übermaß S. 276/77.

§ . Der

e r c h t t e der Wohnungsfreiheit

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Sprüche und insbesondere klagbare Ansprüche auf Zuteilung von Wohnraum können i n der Sozialstaatsklausel unmöglich begründet liegen. Gerade i n der Zeit des hoffnungslosen Wohnungsmangels nach dem Kriege wäre dem Staat eine unerfüllbare Hypothek auferlegt worden. Er müßte sich als leistungsunfähiger Schuldner verurteilen lassen, und der Bürger hätte, m i t dem wertlosen Urteil i n der Hand, allen Grund, an der Glaub- und Vertrauenswürdigkeit des versprechenden, aber nicht leistenden Staates zu zweifeln. 4. Für die Länder, die ihren Bürgern ein „Recht auf Wohnraum" (Art. 19 Abs. 1 Berl.Verf.) oder einen „Anspruch auf eine angemessene Wohnung" (Art. 106 Abs. 1 Bay.Verf., A r t . 14 Abs. 1 Satz 1 Brem.Verf.) einräumen, besteht denn auch Einigkeit 1 0 0 , daß es sich bei diesen „ A n sprüchen" nur u m ein soziales Programm, nicht aber u m einklagbare Rechte handelt. Das geht für Bayern und Bremen schon aus den Verfassungen selbst hervor, wenn dort Staat und Gemeinden die Aufgabe zugewiesen wird, den „Bau billiger Volkswohnungen" (Art. 106 Abs. 2 Bay.Verf.) oder die „Verwirklichung dieses Anspruchs zu fördern" (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Brem.Verf.). Klagbare Ansprüche auf Wohnraum oder auf eine angemessene Wohnung können auch i n Bayern, Bremen und Berlin allenfalls dann bestehen, wenn genügend Wohnraum vorhanden ist 1 0 1 . Gerade dann läuft aber das wesentliche Anliegen eines derartigen Anspruchs leer, da der Bürger i n der Regel selbst i n der Lage sein wird, sich eine Wohnung zu beschaffen.

§ 5. Der Berechtigte der Wohnungsfreiheit I. Abstrakte

Grundrechtsberechtigung

1. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung ist nach dem Grundgesetz nicht auf Deutsche beschränkt, sondern steht allen Menschen zu. A r t . 13 hat damit den Kreis der Grundrechtsträger gegenüber A r t . 115 WRV erweitert, der die Wohnungsfreiheit ausdrücklich nur Deutschen garantierte 1 0 2 . Praktisch hat sich damit allerdings nur scheinbar etwas 100 B a y V G H n . F . 15 I I 49 (50 ff.); Nawiasky-Leusser, Bay.Verf. A r t . 106 Erl. S. 187; Landsberg-Goetz, Berl.Verf. A r t . 19 Erl. 1; Spitta, Brem.Verf. A r t . 14 Erl. zu Abs. 1. 101 So Landsberg-Goetz, Berl.Verf. A r t . 19 Erl. 1; Hoegner, Bayerisches Verfassungsrecht S. 141. 102 A r t . 6 Pr.Verf. beschränkte die Wohnungsfreiheit nicht ausdrücklich auf die Preußen w i e etwa A r t . 4 Pr.Verf., jedoch w a r der I I . T i t e l der V e r fassungsurkunde überschrieben: „ V o n den Rechten der Preußen", ähnlich w i e der 2. Hauptteil der Weimarer Verfassung „Grundrechte u n d Grundpflichten der Deutschen" lautete. Darüber, ob die Wohnungsfreiheit auch Nicht-Preußen zustand, herrschte Streit, der jedoch wegen der §§ 7—12 des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit (siehe oben S. 33), keine praktische Bedeutung

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1. Abschnitt: „Die Wohnung ist unverletzlich", A r t . 13 Abs. 1

geändert. A r t . 115 WRV war verfassungskräftiger Ausdruck des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, der unbestritten auch gegenüber Ausländern galt 1 0 8 . Es hätte also eines Rechtssatzes bedurft, der Ausländer i m Hinblick auf die Wohnungsfreiheit schlechter gestellt hätte als Deutsche. Da ein derartiger Rechtssatz fehlte und eine Differenzierung zwischen Inländern und Ausländern nicht getroffen wurde, waren Deutsche durch das Grundrecht nicht effektiver geschützt als Ausländer 1 0 4 . Echte Bedeutung hätte die Beschränkung der Grundrechtsträgerschaft auf Deutsche erst heute erlangen können, da Ausländern dann der Zugang zum Bundesverfassungsgericht i m Verfassungsbeschwerdeverfahren versperrt wäre (§ 90 Abs. 1 BVerfGG). 2. A r t . 19 Abs. 3 erstreckt die — ursprünglich nur für natürliche Personen gedachten 105 — Grundrechte auch auf (inländische) juristische Personen, „soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind". Seinem Wesen nach, oder besser: seinem Inhalt nach 1 0 6 ist ein Grundrecht dann auf juristische Personen anwendbar, wenn es nicht gerade auf den Einzelmenschen zugeschnitten ist und spezifisch das Individuum anspricht, sondern auch kollektiv wahrgenommen werden kann 1 0 7 . Die Wohnungsfreiheit dient der freien Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit; sie ist aber nicht Ausdruck der Persönlichkeitsentfaltung selber, sondern nur ein die Persönlichkeitsentfaltung förderndes M i t t e l 1 0 8 . Dieses M i t t e l wäre allenfalls dann ausschließlich auf den Einzelmenschen zugeschnitten, wenn „Wohnung" i m Sinne des A r t . 13 nur die Privatwohnung w ä r e 1 0 f . Da aber auch Betriebe und Geschäftsräume dem hatte. Siehe dazu Anschütz, Pr.Verf. Vorbem. 4 zum I I . T i t e l S. 99 ff. m i t Nachweisen. los v g L o b e n § j z i f f . i s. 19/20 m i t Fußnoten 5—8; weiter siehe Anschütz, Pr.Verf. Vorbem. 4 zum I I . T i t e l S. 101; ders. W R V Vorbem. 5 b) zum 2. H a u p t t e i l S. 511 ff. m i t Nachweisen. 104 Anschütz, A r t . 115 W R V Erl. 3; Giese, A r t . 115 W R V Erl. 1; Mannheim, i n : Nipperdey I S. 347; a. A. Köttgen, i n : Nipperdey I S. 366. Siehe auch v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I I 4 S. 400; Wernicke , B K A r t . 13 Erl. I I 1 c); Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 32. 105 Carl Schmitt, Verfassungslehre S. 173, lehnte die Grundrechtsgeltung f ü r juristische Personen noch s t r i k t ab; ebenso ders. HdbDStR I I S. 594; Stier-Somlo, i n : Nipperdey I S. 159/60 (für den Gleichheitssatz). — F ü r eine Grundrechtsberechtigung juristischer Personen sprachen sich aus: Giese, W R V Vorbem. 5 zum 2. Hauptteil S. 244; Leibholz, Gleichheit S. 85/86. 108 So Wernicke , B K A r t . 19 Erl. I I 3 b); v. Mangoldt-Klein, A r t . 19 Erl. V I 3 S. 567; Geiger, B V e r f G G § 90 Erl. 1 S. 276; Giese-Schunck, A r t . 19 Erl. 5; siehe dazu auch Brinkmann, A r t . 19 Erl. 16 a). 107 So Maunz-Dürig, A r t . 19 Abs. 3 Rdnr. 51; vgl. auch v. Mangoldt-Klein, A r t . 19 Erl. V I 3 S. 567; Wernicke, B K A r t . 19 Erl. I I 3 b); Rüfner AöR 89, 261 (266). 108 Siehe oben § 3 I I 2 c) S. 36/37 u n d § 2 Ziff. 4 c) S. 29/30. 109 So auch Maunz-Dürig, A r t . 19 Abs. 3 Rdnr. 53 S. 35 Fußnote 1; Rüfner AöR 89, 261 (313).

§ . Der

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grundrechtlichen Wohnungsbegriff unterfallen 1 1 0 , kann die Wohnungsfreiheit unbedenklich auch von Kollektiven ausgeübt werden. Gemäß A r t . 19 Abs. 3 können daher nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen und sogar nichtrechtsfähige Verbände 1 1 1 Träger des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung sein 1 1 2 . IL Konkrete

Grundrechtsberechtigung

Nach der Frage, wer überhaupt Träger der Wohnungsfreiheit sein kann, bleibt noch zu klären, wer sich i m Falle einer Verletzung auf das Grundrecht berufen kann, wer also bei einer konkreten Maßnahme der Verletzte ist. Diese Frage ist wichtig für das verwaltungsgerichtliche Anfechtungs- und Feststellungsverfahren (§§.42 Abs. 2, 43 Abs. 2 VwGO), vor allem aber für die Aktivlegitimation bei der Verfassungsbeschwerde (§ 90 Abs. 1 BVerfGG). Da die Wohnungsfreiheit die Persönlichkeitsentfaltung i n einem bestimmten räumlichen Bereich schützen w i l l , kann Verletzter nur der sein, der i n einer hinreichend engen Beziehung zu den geschützten Räumlichkeiten steht. 1. Es läge nahe, an eine dingliche Berechtigung zu denken, insbesondere an das Eigentum. Das Eigentum allein ist jedoch weder erforderlich noch genügend; denn der Eigentümer kann sein Grundstück, sein Haus, seine Wohnung und seine Betriebsräume vermieten, verpachten oder sonst einem Dritten überlassen, ohne selber eine tatsächliche Beziehung zu den geschützten Räumen zu haben. Hier besteht nicht jene Verbindung, die A r t . 13 voraussetzt: die freie Persönlichkeitsentfaltung des Berechtigten i n den Räumen. Die Beziehung ist vielmehr rein vermögensrechtlicher Natur und unterliegt als solche nicht mehr dem Schutz 110

Siehe oben § 2 S. 24 ff., insbesondere S. 30. z. B. nichtrechtsfähige Vereine, offene Handelsgesellschaften, K o m m a n ditgesellschaften, vgl. BVerfGE 3, 383 (391/92); 4, 7 (12, 17); 6, 273 (277); 10, 89 (99); 13,174 (175); 15, 256 (261); Maunz-Dürig, A r t . 19 Abs. 3 Rdnr. 56; Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 39; Rüfner AöR 89,261 (279/80). 112 Ganz h. L.: v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I I 5 S. 400 u n d A r t . 19 Erl. V I 3 b) S. 568; Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 33 ff.; Wernicke , B K A r t . 13 Erl. I I 1 c); Model-Müller, A r t . 19 Erl. 5; Schmidt-Bleibtreu/Klein, A r t . 19 Rdnr. 13; Brinkmann, A r t . 19 Erl. I 6 c) S. 26; K e r n , i n : Die Grundrechte I I S. 54; Maunz, Staatsrecht § 13 I I 10 S. 98; Steiner, Unverletzlichkeit der Wohnung S. 57; Horz, Diss. S. 12; Fuß DVB1. 1958, 743; Laule FR 1965, 498; vgl. auch Köhler, Diss. S. 66 ff.; a. A., jedoch ohne Begründung, Hamann, A r t . 19 Erl. B 11. — Bei den Beratungen des Parlamentarischen Rates herrschte Streit darüber, ob m a n die Grundrechte auf juristische Personen generell f ü r entsprechend anwendbar erklären oder besser einzelne anwendbare Grundrechte aufzählen sollte. Bei den Vorschlägen, die einzelne Grundrechte aufzählen wollten, w a r auch immer das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung genannt (28. Sitzung des Grundsatzausschusses v o m 3.12.1948, 32. Sitzung des Grundsatzausschusses v o m 11.1.1949 u n d Fünfer-Ausschuß v o m 5.2.1949), vgl. JöR n. F. 1, 181 ff. 111

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1. Abschnitt: „Die Wohnung ist unverletzlich", A r t . 13 Abs. 1

der Wohnungsfreiheit, sondern dem der Eigentumsgarantie (Art. 14) 113 . Ebensowenig wie das Eigentum allein genügt, vermag der mittelbare Besitz die Grundrechtsberechtigung für A r t . 13 auszulösen. Auch der vermietende oder verpachtende Eigentümer ist mittelbarer Besitzer (§ 868 BGB), aber ihm fehlt der tatsächliche Kontakt zu den Räumen. 2. Die von A r t . 13 intendierte Persönlichkeitsentfaltung ist dagegen beim unmittelbaren Besitz gewährleistet. Der unmittelbare Besitzer hat die Möglichkeit, i n den Räumen zu wirken, und kann gleichzeitig Störungen von außen abwehren (§§ 858 ff. BGB). Ein eigenes Recht zur Störungsabwehr hat jedoch nicht der Besitzdiener (§ 855 BGB); ebensowenig derjenige, der sich zufällig i n den Räumen aufhält oder dort — wenn auch berechtigt — arbeitet. Wegen der fehlenden rechtlichen Beziehung kann sich weder der Besitzdiener noch ein zufällig Anwesender auf die Wohnungsfreiheit berufen, obwohl die tatsächliche Verfügungsgewalt häufig gegeben sein w i r d 1 1 4 . Nicht erforderlich ist aber (unmittelbarer) Alleinbesitz, der unmittelbare Mitbesitz (§ 866 BGB) oder Teilbesitz (§ 865 BGB) genügt. Auch der M i t - oder Teilbesitzer kann i n den Räumen nach seinem Belieben w i r k e n und Störungen Dritter abwehren. Er hat eine ausreichende rechtliche und tatsächliche Verfügungsmöglichkeit. Durch eine gegen die Wohnungsfreiheit verstoßende Maßnahme können daher mehrere Berechtigte nebeneinander verletzt sein. 3. Danach ist Berechtigter der Wohnungsfreiheit und damit aktiv legitimiert für die Verfassungsbeschwerde: Bei Privathäusern, i n denen der Eigentümer lebt, ist es der Eigentümer; bei vermieteten Wohnungen der Mieter, nicht aber der Eigentümer; bei untervermieteten Räumen der Untermieter, nicht der Hauptmieter. Bei Gastzimmern i n Privatwohnungen ist es der Gast, i n der Regel aber auch der Gastgeber, der sich seines unmittelbaren Besitzes nur i n Ausnahmefällen vollständig begeben w i r d ; bei vermieteten Hotelzimmern der Hotelgast. Wenn i n Hotels und untervermieteten Räumen Maßnahmen gegen den Gast oder Untermieter getroffen werden, z. B. eine Durchsuchung i n seinen Räumen vorgenommen wird, so w i r d bei Rechtswidrigkeit der Maßnahmen zugleich der Inhaber des Hotels oder der Hauptmieter i n seinem Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung verletzt sein. 113 Z u m Verhältnis des A r t . 13 zu A r t . 14 siehe ausführlich unten § 15 I I I S. 144 ff. 114 Ä h n l i c h w i e hier Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 29—31, der jedoch nicht scharf genug auf den unmittelbaren Besitzer abstellt; ebenso Steiner, U n v e r letzlichkeit der Wohnung S. 57; vgl. auch BVerfGE 18,121 (132).

§ 6. Der Verpflichtete der Wohnungsfreiheit

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Denn hinsichtlich der Treppenhäuser und der sonstigen gemeinsamen Einrichtungen des Hotels und der untervermieteten Räume (der Korridor w i r d von Haupt- und Untermieter gemeinsam benutzt) sind Hotelwirt und Hauptmieter zumindest M i t b e s i t z e r 1 1 5 ' l i e . Bei Betrieben und Geschäftsräumen kann sich i n der Regel nur der Inhaber auf die Wohnungsfreiheit berufen. Die Arbeiter einer Fabrik sind — auch wenn sie durch die Arbeit ihre Persönlichkeit entfalten 1 1 7 — nur Besitzdiener, nicht Besitzer der Räume. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Inhaber des Betriebes einem Mitarbeiter (Angestellten) einen Arbeitsraum zur eigenen Verfügung überläßt und i h m damit den unmittelbaren Besitz, i m allgemeinen den unmittelbaren Mitbesitz einräumt. Ein derartiges Mitbesitzrecht w i r d man bei höheren, selbständig arbeitenden und mit großen Entscheidungsbefugnissen betrauten A n gestellten vielfach annehmen können. A n Gemeinschaftsunterkünften, i n Kasernen, Schullandheimen, I n ternaten und Obdachlosenasylen steht den Untergebrachten regelmäßig überhaupt kein Besitzrecht zu. Sie sind — wenn überhaupt — bloße Besitzdiener und können sich als solche nicht auf das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung berufen 118 » u ®. § 6. Der Verpflichtete der Wohnungsfreiheit 1. Nach klassischem Verständnis sind die Grundrechte ausschließlich gegen den Staat gerichtet und entfalten keine unmittelbare D r i t t w i r 116 Wenn nicht sogar Alleinbesitzer, die die notwendige Mitbenutzung durch den Gast oder Untermieter zu dulden verpflichtet sind. 116 Die Mitbesitzberechtigung ist verfassungsrechtlich unproblematisch. Schwierigkeiten können jedoch i m einfachen Gesetzesrecht auftauchen, w e n n z. B. die §§ 102, 103 StPO zwischen der Durchsuchung beim Verdächtigen u n d beim Unverdächtigen unterscheiden u n d ihre Zulässigkeit von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig machen; ähnlich § 4 Abs. 4 Satz 2 u n d 3 VereinsG. 117 Siehe oben § 2 Ziff. 4 c) S. 30. Wie hier Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 31. 118 Kuhn, Grundrechte u n d M i n d e r j ä h r i g k e i t S. 267, wenn auch seine Schlußfolgerung verfehlt ist, die Zöglinge (eines Erziehungsheims) seien „den Durchsuchungen nach Zigaretten, Schundliteratur usw. schutzlos preisgegeben"; O V G Münster DVB1. 1963, 304; w o h l auch V G H München Z M R 1966, 347; ähnlich O L G Bremen N J W 1966, 1766, das den Untergebrachten nicht als Besitzdiener, sondern als Anstaltsbenutzer ansieht u n d dadurch unnötigerweise m i t der F i g u r des besonderen Gewaltverhältnisses arbeiten muß; ebenso Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 58, w e i l er i n Rdnr. 29—31 die Unterscheidung zwischen Besitzer u n d Besitzdiener nicht erkennt. Siehe auch Frühling DVB1. 1963, 770; Tiedemann, Rechtsstellung des Strafgefangenen S. 142; v. Münch J Z 1958, 76; Ule, i n : Die Grundrechte IV/2 S. 638; Kaufmann, Der polizeiliche E i n g r i f f S. 108/09; Lerche, i n : Die Grundrechte I V / 1 S. 493. 119 Die Einräumung eines persönlichen Verfügungsbereichs durch Zuteilung eigener Spinde oder Schränke k a n n den Schutz der Wohnungsfreiheit nicht begründen. Die kleinste geschützte Einheit ist ein Raum, der dazu bestimmt u n d geeignet ist, von Menschen betreten zu werden.

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1. Abschnitt: „Die Wohnung ist unverletzlich", A r t . 13 Abs. 1

kung i m Verhältnis der Bürger untereinander. Danach ist der Staat alleiniger Adressat der Grundrechte, nur er ist dem Bürger gegenüber zu ihrer Respektierung verpflichtet. Demgegenüber w i r d heute vielfach behauptet, die Grundrechte hätten einen Bedeutungswandel erfahren und müßten wegen der Übermächtigkeit privater Verbände auch i m Privatrechtsverkehr unmittelbar Anwendung finden 120. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung wurde unter der Herrschaft der Weimarer Verfassung noch fast einhellig als ausschließlich staatsgerichtetes Grundrecht begriffen 1 2 1 . A u f demselben Standpunkt steht die herrschende Lehre zu A r t . 13 noch heute 1 2 2 ; auch von konsequenten Verfechtern der Drittwirkungslehre w i r d nur selten angenommen, daß die grundrechtliche Wohnungsfreiheit für den Privatrechtsverkehr gelte. 2. a) Hamann vertrat i n der ersten Auflage seines Kommentars 1 2 8 die Ansicht, eine D r i t t w i r k u n g des A r t . 13 könne i m Hinblick auf die Sozialstaatsklausel des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1) nicht ausgeschlossen werden. Die Sozialstaatsklausel müsse den primär gegen den Staat gerichteten Anspruch auf Unverletzlichkeit der Wohnung beeinflussen. Daraus folge die Verpflichtung des Gesetzgebers zu einer sozialen Gestaltung des Miet- und Wohnrechts. Hamanns Begründung zeigt, daß er gerade nicht die unmittelbare D r i t t w i r k u n g der Grundrechte i m Privatrechtsverkehr i m Auge hat, wenn er als Verpflichteten den Gesetzgeber benennt 1 2 4 . I n der zweiten 120 z u Fragen der Grundrechtsdrittwirkung siehe, jeweils m i t zahlreichen Nachweisen: Enneccerus-Nipperdey, Allgemeiner T e i l des Bürgerlichen Rechts § 15 I I 4 S. 91 ff.; Flume , Allgemeiner T e i l des Bürgerlichen Rechts, 2. Bd. § 1 Ziff. 10 b) S. 20; Nipperdey, i n : Die Grundrechte IV/2 S. 747 ff.; Leisner, Grundrechte u n d Privatrecht, 1960; Maunz-Dürig, vor allem A r t . 1 Abs. 3 Rdnr. 127—133; Dürig, i n : Festschrift f ü r Nawiasky S. 157 ff.; Dieter Vogt, D r i t t w i r k u n g der Grundrechte, 1960. 121

So schon Anschütz, A r t . 6 Pr.Verf. Erl. 2 I ; ders. A r t . 115 W R V Erl. 2; Giese, A r t . 115 W R V Erl. 1; Stier-Somlo, A r t . 115 W R V Erl. S. 85; ders. Deutsches Reichs- u n d Landesstaatsrecht I S. 444/45; Röttgen, i n : Nipperdey I S. 349, 365. A . A . anscheinend Hof acker, Grundrechte S. 25/26; Mannheim, i n : Nipperdey I S . 325/26. 122 B a y V G H n. F. 3 I I 65 (66) f ü r A r t . 106 Bay .Verf. (Wohnungsfreiheit); v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I I 6 S. 400; v. Mangoldt, A r t . 13 Erl. 2; Wernicke, B K A r t . 13 Erl. I I 1 d); Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 51; Giese-Schunck, A r t . 13 Erl. 2; Feldmann-Geisel, Verfassungsrecht S. 41; Kern, i n : Die G r u n d rechte I I S. 102; Steiner, Unverletzlichkeit der Wohnung S. 61 ff.; Maunz, Staatsrecht § 14 V 2 S. 120; H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I § 33 V b) 9 S. 175; Mentz H u W 1950,385. 123 Hamann, Das Grundgesetz f ü r die Bundesrepublik Deutschland v o m 25. 5.1949,1. Aufl., 1956, A r t . 13 Erl. B. A u f i h n beruft sich — ohne Begründung — Model-Müller, A r t . 13 Erl. 1. 124 Die Forderung nach einem sozialen Mietrecht dürfte ihren richtigen Standort auch bei der Sozialstaatsklausel der A r t . 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 haben,

§ 6. Der Verpflichtete der Wohnungsfreiheit

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Auflage des Kommentars 1 2 5 hat er denn auch seine Auffassung revidiert. Jetzt lehnt er — i n Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre — eine unmittelbare D r i t t w i r k u n g des Art. 13 ab. b) Nipperdey, der anfänglich bei den reinen Abwehrgrundrechten keine Geltung i m Verhältnis von Privaten untereinander angenommen hatte 1 2 6 , hält heute die D r i t t w i r k u n g der Wohnungsfreiheit für möglich. Auch A r t . 13 könne i m Privatrechtsverkehr Bedeutung gewinnen, wenn „auch i n der Regel ein hinreichender Schutz bereits durch die Vorschriften des bürgerlichen Rechts gewährleistet" sei 1 2 7 . Nipperdey hat die D r i t t Wirkung des A r t . 13 nicht näher begründet. Anscheinend geht er davon aus, daß die Wohnungsfreiheit i m Privatrecht regelmäßig irrelevant ist, da der Schutz gegen Eingriffe dritter Bürger i m subkonstitutionellen Recht ausreiche. Möglicherweise meint Nipperdey mit seiner kurzen Bemerkung gar keine unmittelbare, sondern nur eine mittelbare Grundrechtsdrittwirkung 1 2 8 , die hier weder bestritten noch vertieft werden soll 1 2 9 . Es dürfte jedenfalls nicht angehen, einem Grundrecht die D r i t t w i r k u n g von Fall zu Fall zuzusprechen oder zu versagen. c) Leisner 130 wendet sich grundsätzlich gegen die bloße Staatsgerichtetheit der Grundrechte i n ihrem traditionellen Verständnis, indem er nachzuweisen versucht, daß ursprünglich auch Private als Grundrechtsverpflichtete angesehen worden seien. Die alleinige Grundrechtsverpflichtung des Staates sei erst i m 19. Jahrhundert durch eine Verengung des Grundrechtsbegriffes entwickelt worden 1 3 1 . Heute gelte es, den ursprünglichen Sinn der Grundrechte mit ihrem umfassenden Adressatenkreis wieder aufzudecken. Demgemäß müßten alle Grundrechte auch i m Prinicht aber bei A r t . 13. Z u r „sozialen Gestaltung des M i e t - u n d Wohnrechts" (Hamann) siehe jetzt die §§ 556a—556c B G B u n d dazu Pergande N J W 1966, 1481 u n d N J W 1968,129. 125 Hamann, Das Grundgesetz f ü r die BRD, 2. Aufl., 1960, A r t . 13 Erl. A . 126 Nipperdey, Gleicher L o h n der F r a u f ü r gleiche Leistung, Rechtsgutachten, 1951, S. 18; ders. R d A 1950, 124; ders. i n : Die Grundrechte I I S. 19. 127 Enneccerus-Nipperdey, Allgemeiner T e i l des Bürgerlichen Rechts § 15 I I 5 m) S. 109; ebenso anscheinend Nipperdey, Grundrechte u n d Privatrecht S. 7/8 u n d — ohne ausdrückliche Erwähnung der Wohnungsfreiheit — ders. i n : Die Grundrechte IV/2 S. 747 ff. 128 So deutlich Nipperdey, i n : Die Grundrechte I I S. 19. Gegen die bloß mittelbare D r i t t w i r k u n g ausdrücklich Nipperdey, i n : Die Grundrechte IV/2 S. 751. 129 Z u r mittelbaren W i r k u n g der Wertentscheidung des A r t . 13 i m V e r hältnis von Privaten zueinander siehe unten § 11 I I I 2 S. 104/05. 130 Leisner, Grundrechte u n d Privatrecht, 1960. 131 Leisner a.a.O. S. 3 ff., Zusamenfassung S. 312 u n d S. 332/33; siehe auch Ramm, Die Freiheit der Willensbildung S. 42 ff.; neuerdings auch Nipperdey, i n : Die Grundrechte IV/2 S. 748. 4 Genta

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1. Abschnitt: „Die Wohnung ist unverletzlich", A r t . 13 Abs. 1

vatrechtsverkehr wirken, falls sie nicht ausnahmsweise ihrer besonderen Struktur nach nur gegen den Staat gerichtet sein könnten 1 3 2 . Die D r i t t w i r k u n g des A r t . 13 w i r d ausdrücklich bejaht 1 3 3 , da die Wohnungsfreiheit zu den „wahrhaften ,Urfreiheiten' " gehöre, die nicht „primär zu einem , Z w e c k ' . . . gewährleistet" seien, sondern „ ,um der Freiheit selbst', u m des besonderen ,Freiheitsgefühls' willen". Dieses Freiheitsgefühl sei auch bei Eingriffen Privater verletzt 1 3 4 . Neuerdings 1 3 5 scheint auch Leisner von seiner These abgerückt zu sein, daß das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung auch private Dritte verpflichte. Jetzt schreibt er: „Schutz gegen Private gewährt das Strafrecht (Hausfriedensbruch) und das BGB (Besitzschutz, Nachbarrecht)" 1 3 6 . Leisners Abrücken ist nur zu verständlich. Warum das „besondere Freiheitsgefühl", das die Wohnungsfreiheit vermittelt, geeignet sein soll, die D r i t t w i r k u n g des Grundrechts zu begründen, ist nicht recht einsichtig. Außerdem hatte Leisner für das Ausmaß der Grundrechtsd r i t t w i r k u n g vorgeschlagen, die Schranken des jeweiligen Grundrechts heranzuziehen 137 . Soweit die Schranken des Grundrechts Eingriffe erlaubten, müßte die Parteiautonomie reichen, bis dahin könnten die Bürger Verträge abschließen. Wendet man die Schranken des A r t . 13 auf private Verträge an, so müßte man bei Durchsuchungen eine richterliche Anordnung beibringen — eine Banalität, wenn das nichts anderes bedeuten soll als die Notwendigkeit eines vollstreckbaren Urteils — oder die Verträge müßten „zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" geschlossen sein — eine völlig indiskutable Beschränkung der Vertragsfreiheit 1 3 8 . Gerade die Schranken des A r t . 13 machen die ausschließliche Staatsgerichtetheit der Wohnungsfreiheit deutlich. 132

Leisner a.a.O. S. 306 ff. Dabei mag es eine Rolle spielen, daß Leisner, a.a.O. S. 361, die Wohnungsfreiheit anscheinend nicht n u r als reines Abwehrrecht, sondern i r r i g auch als „Darfrecht" (vgl. oben § 3 I I I 1 S. 38) ansieht. Anders jetzt Leisner, „Wohnung" i m Ev. Staatslexikon Sp. 2584/85. 134 Leisner, Grundrechte u n d Privatrecht S. 397. 135 Leisner, „Wohnung" i m Ev. Staatslexikon Sp. 2584/85. 136 ^ i e w e i t allerdings die nachbarrechtlichen Vorschriften des B G B (§§ 906 ff.) die Wohnungsfreiheit privatrechtlich schützen, soll hier offen bleiben. Die typischen Nachbarrechtsfälle wären vermutlich — ins öffentliche Recht transponiert — nicht unter dem B l i c k w i n k e l des A r t . 13, sondern unter dem des A r t . 14 relevant. Z u r Abgrenzung der A r t . 13 u n d 14 siehe unten § 15 I I I S. 144 ff. 137 Leisner, Grundrechte u n d Privatrecht S. 326 ff. u n d S. 384 ff.; siehe dazu jetzt auch Nipperdey, i n : Die Grundrechte IV/2 S. 755 ff. 138 Auch w e n n m a n — w i e hier (vgl. oben § 3 I I S. 32 ff.) — bei E i n w i l l i g u n g des Wohnungsinhabers den Tatbestand einer „Verletzung" verneint. Denn der Wohnungsinhaber könnte seine E i n w i l l i g u n g j a jederzeit widerrufen u n d sich damit v o m Vertrag lossagen. 133

§ 6. Der Verpflichtete der Wohnungsfreiheit

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3. S o w e i t ersichtlich, w i r d d a m i t v o n n i e m a n d e m m e h r e r n s t l i c h v e r t r e t e n , daß die U n v e r l e t z l i c h k e i t der W o h n u n g n i c h t n u r d e n Staat, sond e r n auch p r i v a t e D r i t t e v e r p f l i c h t e 1 8 9 . F ü r eine D r i t t w i r k u n g des A r t . 13 besteht auch n i c h t das g e r i n g s t e p r a k t i s c h e B e d ü r f n i s 1 4 0 . S o w e i t es sich u m v e r t r a g l i c h e E i n s c h r ä n k u n g e n des Hausrechts h a n d e l t , lassen sich b e f r i e d i g e n d e Ergebnisse aus d e n G e n e r a l k l a u s e l n des B ü r g e r l i c h e n Gesetzbuches (§§ 138, 242) g e w i n n e n , m i t d e r e n H i l f e w e s e n t l i c h d i f f e r e n z i e r t e r e V e r t r a g s k o r r e k t u r e n m ö g l i c h s i n d als m i t d e m schweren Geschütz der G r u n d r e c h t s w i d r i g k e i t 1 4 1 . B e i deliktischen Verstößen ist der Wohnungsi n h a b e r umfassend d u r c h das S t r a f r e c h t (§ 123 S t G B , H a u s f r i e d e n s b r u c h ) u n d die Besitzschutzansprüche des b ü r g e r l i c h e n Rechts (§§ 858 ff. B G B ) geschützt. § 123 S t G B ist g l e i c h z e i t i g Schutzgesetz i m S i n n e des § 823 A b s . 2 B G B , so daß auch d e l i k t i s c h e Schadensersatzansprüche g e w ä h r leistet sind142. Das G r u n d r e c h t d e r U n v e r l e t z l i c h k e i t d e r W o h n u n g i s t s o m i t ausschließlich staatsgerichtet, G r u n d r e c h t s v e r p f l i c h t e t e r i s t a l l e i n der Staat, d. h. j e d e r T r ä g e r ö f f e n t l i c h e r G e w a l t .

139 I n neuester Zeit t r i t t allerdings Brinkmann, A r t . 13 Erl. I 1 c), unter Berufung auf § 123 StGB wieder dafür ein. Die Begründung ist unklar. A n deutungen für eine D r i t t w i r k u n g (obiter dictu) auch i n B G H Z 42, 118 (131). 140 Dabei soll hier offen bleiben, w i e w e i t das „Bedürfnis" als hinreichender Rechtsgrund f ü r die Annahme einer D r i t t w i r k u n g angesehen werden k a n n ; vgl. dazu Dieter Vogt, D r i t t w i r k u n g der Grundrechte S. 51 ff. m i t zahlreichen Nachweisen. 141 So meint z. B. Leisner, Grundrechte u n d Privatrecht S. 361 Fußnote 186 u n d S. 388, Verträge, die dauernde Durchsuchungen oder ständiges Betreten oder Besichtigen einer Wohnung gestatten, seien wegen Verstoßes gegen A r t . 13 nichtig. Z u demselben Ergebnis w i r d m a n i n der Regel auch über die §§ 138, 242 B G B gelangen. M a n darf jedoch nicht übersehen, daß bei der Weite des Wohnungsbegriffes (Betriebe, Geschäftsräume, befriedetes Besitztum) ein D r i t t e r durchaus ein anerkennenswertes Interesse an einem ständigen Besichtigungs- u n d Betretungsrecht haben kann. I n diesen Fällen läßt sich bei absoluter D r i t t Wirkung des A r t . 13 nicht mehr helfen, sehr w o h l aber m i t den bürgerlich-rechtlichen Generalklauseln. Vgl. auch Steiner, Unverletzlichkeit der Wohnung S. 66. 142 So auch Soergel-Siebert-Schräder, B G B § 823 Rdnr. 474; Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 52, 53. Fraglich ist jedoch, welcher Schaden durch die Verletzung des Hausfriedens entstehen k a n n ; denn der Schaden muß gerade aus einer Verletzung des Rechtsguts herrühren, „dessen Schutz das Schutzgesetz gewährleisten w i l l " , B G H N J W 1965, 534 = L M Nr. 7 zu § 823 (Bb) BGB. Daher w i r d § 823 Abs. 2 B G B i n Verbindung m i t § 123 StGB n u r i n seltenen Fällen einen Schadensersatzanspruch begründen können; zu dieser Problematik siehe neuestens Robert Knöpfle N J W 1967, 697 ff. — Auch § 823 Abs. 1 B G B k a n n Schutz gegen Störungen des Hausfriedens gewähren, nachdem der u n m i t t e l bare Besitz heute überwiegend als absolutes Recht i m Sinne des § 823 Abs. 1 B G B anerkannt ist, vgl. B G H Z 32, 194 (204) m i t Nachweisen. F ü r die A n erkennung des unmittelbaren Besitzes an Wohnungen (i. w . S.) als absolutes Recht spricht auch die grundrechtliche Ausgestaltung der Wohnungsfreiheit i m öffentlichen Recht.

4*

2. Abschnitt

Die Durchsuchungen des Art. 13 Abs. 2 § 7. Abgrenzung zu anderen Eingriffen und Beschränkungen — Grundsatz I. Durchsuchungen — Eingriffe

und Beschränkungen

Die grundgesetzlichen Voraussetzungen für Eingriffe i n die Wohnungsfreiheit sind — wenn auch vielleicht nicht abschließend 1 — i n den A b sätzen 2 und 3 des A r t . 13 geregelt. Dabei spricht A r t . 13 Abs. 2 von „Durchsuchungen", deren Anordnung grundsätzlich dem Richter vorbehalten ist; A r t . 13 Abs. 3 behandelt die sonstigen „Eingriffe und Beschränkungen", die er nur unter bestimmten Voraussetzungen zuläßt, nämlich zur Abwehr oder Verhütung „dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung". A r t . 13 stellt also die „Durchsuchungen" den übrigen „Eingriffen und Beschränkungen" gegenüber. Zwar sind auch die Durchsuchungen Eingriffe i n die Wohnungsfreiheit, aber doch spezifische Eingriffe, die sich von denen des A r t . 13 Abs. 3 unterscheiden. Vom Aufbau des A r t . 13 her läßt sich so viel sagen, daß alle Eingriffe, die Durchsuchungen sind — gleichgültig, ob sie so benannt sind oder nicht — an A r t . 13 Abs. 2 gemessen werden müssen; daß sich dagegen alle Eingriffe, die keine Durchsuchungen sind, durch A r t . 13 Abs. 3 zu rechtfertigen haben, anderenfalls sie — soweit nicht außerhalb des A r t . 13 liegende Legitimationsgründe eingreifen — unzulässig sind 2 . Dagegen läßt sich aus dem Aufbau des A r t . 13 allein nicht herleiten, ob der Abs. 2 m i t seinen „Durchsuchungen" oder ob der Abs. 3 mit seinen „Eingriffen und Beschränkungen i m übrigen" die Auffangvorschrift ist, i n welchem der beiden Absätze also die umfassendere Eingriffsermächti1

Siehe unten 4. Abschnitt § 16 S. 155 ff. Trotz unterschiedlicher Auffassungen über den Begriff der „Durchsuchung" i m Sinne des A r t . 13 Abs. 2 herrscht insoweit noch Einigkeit; vgl. v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 1 S. 402 u n d Erl. I V 3 S. 404; v. Mangoldt, A r t . 13 Erl. 3 S. 97; Wernicke, B K A r t . 13 Erl. I I 2 a) u n d I I 3; Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 71; Hamann, A r t . 13 Erl. B 6; Giese-Schunck, A r t . 13 Erl. 4; Kern, i n : Die Grundrechte I I S. 104; der Sache nach, trotz andersartiger T e r minologie, auch Knemeyer N J W 1967,1355. 2

§ 7. Abgrenzung zu anderen Eingriffen u n d Beschränkungen

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gung liegt. Sicher ist allerdings so viel, daß der schwierigste Teil der Schrankenproblematik für A r t . 13 gelöst ist, wenn der Zentralbegriff des Abs. 2, die Durchsuchung, definiert ist und damit konkrete Eingriffe entweder dem Abs. 2 oder dem Abs. 3 des A r t . 13 zugeordnet werden können. Daher soll zunächst untersucht werden, ob nicht der grundgesetzliche Durchsuchungsbegriff von vornherein auf bestimmte Durchsuchungen beschränkt ist. II. Beschränkung des Art 13 Abs. 2 auf strafprozessuale

Durchsuchungen?

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I n der Literatur , zum Teil auch i n der Rechtsprechung 4 , w i r d vielfach angenommen, A r t . 13 Abs. 2 betreffe nur die strafprozessuale Durchsuchung, alle anderen i m geltenden Recht vorkommenden Durchsuchungen, z. B. die vollstreckungsrechtlichen Durchsuchungen der §§ 758 ZPO, 335 AO seien nicht gemeint. Dabei herrscht noch soweit Einigkeit, daß der Wortlaut des A r t . 13 Abs. 2 eine derartige Beschränkung nicht enthält 5 . Das Grundgesetz spricht nur von „Durchsuchungen", gebraucht das Wort also umfassend und ohne Einschränkung. 1. Läßt sich aus dem Wort „Durchsuchung" die Beschränkung nicht unmittelbar entnehmen, so soll doch der Zusammenhang, i n dem der Begriff i n A r t . 13 Abs. 2 gebraucht ist, für eine restriktive Interpretation sprechen. Diese am ausführlichsten von Friedrich Klein 6 begründete A u f fassung argumentiert m i t der fast wörtlichen Übereinstimmung des A r t . 13 Abs. 2 mit § 105 Abs. 1 StPO, der lautet: „Durchsuchungen dürfen n u r durch den Richter, bei Gefahr i m Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft u n d ihre Hilfsbeamten (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden."

Diese Bestimmung habe — so meint K l e i n — Art. 13 Abs. 2 offenbar als Vorbild gedient 7 . Bei anderen Durchsuchungen des geltenden Rechts, 3 v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 2 S. 402; Kern, i n : Die Grundrechte I I S. 104; Model, Grundgesetz S. 36; Brinkmann, A r t . 13 Erl. I 2 a); SpitalerFelix, i n : Hübschmann-Hepp-Spitaler, A O § 173 Erl. 2; Kühn, A O § 335 Erl. 2 u n d § 193 Erl. 3; Tipke-Kruse, A O § 173 Erl. 1 u n d § 193 Erl. 2; MatternMeßmer, A O § 194 Erl. 1 u n d 2 Rdnr. 1250 u n d 1252; Kaufmann, Der polizeiliche E i n g r i f f S. 24, 358; Klüber DVB1. 1951, 614/15; Bundesminister der Finanzen B B 1951, 885; Kluckhohn StuW 1950 Sp. 525/26; Laule FR 1965, 498; w o h l auch Zimniok DöV 1954, 392 u n d Mentz H u W 1950, 385. Z u einer restriktiven Interpretation des A r t . 13 Abs. 2, aber unter Einbeziehungen der polizeilichen Durchsuchungen neigen: Ule-Rasch, P V G §§ 15—17 Rdnr. 179/80; König, Polizeirecht i n Bayern S. 401 ff. 4 O F H i n R F H E 54, 453 (456 ff.) — weitere Fundstellen oben 1. Abschnitt Fußnote 8; O L G Braunschweig DVB1.1952, 533. 5 Deutlich: v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 2 a) S. 402; Kern, i n : Die Grundrechte I I S. 104/05; Bettermann, i n : Die Grundrechte I I I / 2 S. 894; GieseSchunck, A r t . 13 Erl. 7; Klüber DVB1. 1951, 614; Knemeyer N J W 1967, 1353. • v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 2 S. 402 ff. 7 v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 2 a) S. 402; Spitaler-Felix, i n : Hübschmann-Hepp-Spitaler, A O § 173 Erl. 2; Brinkmann, A r t . 13 Erl. I 2 a) aa).

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2. Abschnitt: Die Durchsuchungen des A r t . 13 Abs. 2

etwa bei § 758 ZPO, §§ 335 und 437 a. F. AO, sei die richterliche Anordnung, verbunden m i t der nur subsidiären Anordnungsbefugnis anderer Staatsorgane, nicht vorgesehen. Diese Durchsuchungen sollten jedoch i n ihrer grundrechtlichen Zulässigkeit und der konkreten A r t ihrer Ausgestaltung (ohne richterliche Anordnung) nicht getroffen und verändert werden 8 . Offenbar habe sie der Parlamentarische Rat übersehen. Die nur i n der Strafprozeßordnung vorgeschriebene richterliche Durchsuchungsanordnung und die dort vorgesehene nur subsidiäre Anordnungsbefugnis anderer Organe lasse zweifelsfrei darauf schließen, daß „Durchsuchung" i m Sinne des A r t . 13 Abs. 2 nur die Durchsuchung der Strafprozeßordnung und ihrer Nebengesetze sei 9 . Das Ergebnis dieser Argumentation scheint den Vorteil großer Einfachheit für sich zu haben 10 . Meint A r t . 13 Abs. 2 nur strafprozessuale Durchsuchungen, so entfallen die Schwierigkeiten, die das Fehlen des Richtervorbehalts bei den anderen Durchsuchungen bereitet. Außerdem liefert es eine klare Abgrenzung der nach A r t . 13 Abs. 2 und Abs. 3 zulässigen Eingriffe und enthebt der Mühe, einen eigenen Durchsuchungsbegriff für die Wohnungsfreiheit zu entwickeln und daran auch alle Eingriffe zu messen, die i m einfachen Recht zwar nicht als Durchsuchungen bezeichnet sind, sich aber tatsächlich als solche auswirken. Schließlich kann man sich darauf berufen, daß der Kernbereich des effektiven Wohnungsfreiheitsschutzes früher i n der Strafprozeßordnung gelegen 11 und diese historisch gewachsene Erscheinung nun auch i n der Verfassung ihren Ausdruck gefunden habe. 2. a) Durch die Beschränkung des grundgesetzlichen Durchsuchungsbegriffes auf strafprozessuale Maßnahmen werden zwar die sich aus dem Richtervorbehalt ergebenden Schwierigkeiten ausgeräumt. Damit sind die Probleme aber nicht gelöst. Da außerstrafprozessuale Durchsuchungen nun nicht mehr A r t . 13 Abs. 2 unterfallen, müssen sie an Art. 13 Abs. 3 gemessen werden 1 2 . Bei wörtlicher Interpretation des Abs. 3 wären diese Durchsuchungen unzulässig, da sie — i n der Regel — nicht der „Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" dienen. Als Ausweg bleibt die extrem weite Interpretation der Generalklausel i n der zweiten Alternative des A r t . 13 Abs. 3, der nur bei starker 8 v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 2 b) S. 403/04; Kern, i n : Die Grundrechte I I S . 105. • v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 2 c) S. 404; Klüber DVB1. 1951, 614; O L G Braunschweig DVB1.1952,533. 10 Darauf beruft sich auch K l e i n ausdrücklich, vgl. v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 2 b) S. 404. 11 Siehe oben § 2 Ziff. 4 b) S. 29. 12 Siehe v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 2 b) S. 403; Kern, i n : Die G r u n d rechte I I S. 105 ff.

§ 7. Abgrenzung zu anderen Eingriffen u n d Beschränkungen

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Überdehnimg die von A r t . 13 Abs. 2 ausgeschlossenen Durchsuchungen subsumiert werden können 1 8 . Die Beschränkung des Abs. 2 auf strafprozessuale Durchsuchungen beseitigt die Schwierigkeiten also nur scheinbar, indem sie sie vom Abs. 2 auf den Abs. 3 verlagert 1 4 . b) Die Ähnlichkeit der Wortfassung von A r t . 13 Abs. 2 und § 105 Abs. 1 StPO ist nicht zu verkennen. Sie erklärt sich unschwer daraus, daß der Richtervorbehalt früher nur i m Strafprozeß gegolten hatte. Wenn er ausgedehnt werden sollte, so lag es nahe, sich die Vorschrift zum Vorbild zu nehmen, bei der sich die richterliche Durchsuchungsanordnung bereits jahrzehntelang bewährt hatte. Eine Beschränkung des A r t . 13 Abs. 2 auf strafprozessuale Durchsuchungen ergibt sich daraus jedoch nicht. Von der Methode her ist es unzulässig, A r t . 13 Abs. 2 nur deshalb auf strafprozessuale Durchsuchungen zu begrenzen, weil i n anderen Durchsuchungsbestimmungen der Richtervorbehalt fehlt. Hier w i r d die Verfassung an den Gesetzen gemessen, nicht aber umgekehrt die Gesetze an der Verfassung; das ranghöhere Recht soll sich dem rangniederen anpassen 15 . Schließlich ist keine Notwendigkeit dafür zu erkennen, daß das Grundgesetz bei der Wohnungsfreiheit eine Sondervorschrift für das Strafverfahren hätte aufnehmen sollen. Daß strafprozessuale Durchsuchungen grundsätzlich nur m i t richterlicher Anordnung zulässig sind, ist seit Erlaß der Strafprozeßordnung auch rechtspolitisch nicht umstritten. Die Gefahr, daß der einfache Gesetzgeber den Richtervorbehalt des § 105 Abs. 1 StPO streichen würde, war auch nach den Erfahrungen des Dritten Reiches denkbar gering. N u n könnte man meinen, die verfassungsrechtliche Verankerung sei deshalb sinnvoll gewesen, w e i l i n der Strafprozeßordnung Ausnahmen vom Richtervorbehalt zugelassen seien und bei einigen strafprozessualen Durchsuchungsarten der Richtervorbehalt völlig fehle. Hier läge dann die praktische Bedeutung der verfassungskräftigen Verankerung des Richtervorbehalts. Aber nicht einmal diese Funktion w i r d A r t . 13 Abs. 2 durchweg beigemessen. Die Ausnahmen vom Richtervorbehalt in § 105 Abs. 3 i n Verbindung m i t § 104 Abs. 2 StPO (bei sog. verrufenen Räumen) werden auch 18 Vgl. die weite Auslegung der Generalklausel bei Klein, v. MangoldtKlein, A r t . 13 Erl. I V 5 b) S. 408; i m einzelnen dazu unten 3. Abschnitt § 12 I I S. 111 ff. 14 Was K e r n , i n : Die Grundrechte I I S. 105 ff., auch sehr k l a r erkennt. 15 Z u m Stufenbau des Rechts siehe v o r allem Kelsen, Heine Rechtslehre S. 228 ff. Z u m Problem der „Gesetzmäßigkeit der Verfassung" siehe Leisner, Von der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zur Gesetzmäßigkeit der V e r fassung, m i t Nachweisen; ders. J Z 1964, 201 ff.; vgl. auch Knemeyer NJW 1967,1354.

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2. Abschnitt: Die Durchsuchungen des A r t . 13 Abs. 2

heute noch überwiegend ohne weiteres für zulässig gehalten 16 . — Bei § 437 a. F. AO i n Verbindung mit den einschlägigen Bestimmungen der Verbrauchssteuergesetze 17 fehlte der Richtervorbehalt überhaupt. Es handelte sich hierbei ausgesprochenermaßen u m eine strafprozessuale Durchsuchung; denn § 437 a. F. AO stand i m Abschnitt über das Steuerstrafverfahren 1 8 . Gleichwohl wollte Klein 19 diese Durchsuchungen weiterhin ohne richterliche Anordnung zulassen, offenbar deshalb, weil die Vorschrift i n der Abgabenordnung enthalten war und dieses Gesetz primär ein Steuergesetz, aber kein Strafverfahrensgesetz ist 2 0 . Die Beschränkung des A r t . 13 Abs. 2 auf strafprozessuale Durchsuchungen läßt sich also weder methodisch halten noch w i r d sie von ihren Befürwortern konsequent durchgeführt. Sie führt zu einer verfassungskräftigen Einfrierung des gegenwärtigen Strafprozeßrechts, ohne daß dessen Ausnahmen vom Richtervorbehalt eine grundgesetzliche Rechtfertigung fänden. c) Endlich ist auch die Behauptung unrichtig, die Väter des Grundgesetzes hätten bei der Formulierung des Art. 13 Abs. 2 nur an strafprozessuale Durchsuchungen gedacht, alle anderen Durchsuchungen aber übersehen. Dem Grundsatzausschuß des Parlamentarischen Rates lag für seine 5. Sitzung am 29. September 1948 eine Fassung des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung vor (damals Art. 7, jetzt Art. 13), die i n 16 Vgl. Kern, i n : Die Grundrechte I I S. 104; ders. Strafverfahrensrecht § 37 A I 2 S. 156; Kaufmann, Der polizeiliche E i n g r i f f S. 98/99; König, Polizeirecht i n Bayern S. 408/09; Horz, Diss. S. 38 ff.; Eberhard Schmidt, StPO § 105 Rdnr. 7; Henkel, Strafverfahrensrecht § 79 A I I S. 333. — A. A.: Drews-Wacke, Polizeirecht § 12 Ziff. 1 S. 192; Dünnebier, i n : Löwe-Rosenberg, StPO §§ 105— 107 Erl. I 2 m i t Einschränkung des grundgesetzlichen Wohnungsbegriffes; H. Müller, i n : K M R StPO § 105 Erl. 1 a) cc); Schwarz-Kleinknecht, StPO § 105 Erl. 4 m i t Einschränkung des grundgesetzlichen Wohnungsbegriffes; differenzierend Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 90, 91. — Näher dazu unten 5. A b schnitt § 1711 S. 160/61. 17 Nachweise oben 1. Abschnitt Fußnote 18. 18 Der dritte Teil der Abgabenordnung, der durch Gesetz (AOStrafÄndG) v o m 10. 8.1967 (BGBl. I S. 877) grundlegend geändert worden ist, w a r u n d ist überschrieben: „Strafrecht u n d Strafverfahren". Sein 2. Abschnitt heißt: „Strafverfahren". I n § 420 A O wurde u n d w i r d sogar ausdrücklich auf die Strafprozeßordnung Bezug genommen. — Die Erörterung w i r d hier anhand des außer K r a f t getretenen § 437 Abs. 1 a. F. A O weitergeführt, w e i l sich die ältere L i t e r a t u r vor allem daran entzündet hatte, vgl. oben 1. Abschnitt Fußnote 8. 19 v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 2 b) S. 403. 20 Konsequenter als K l e i n a.a.O. entschied der O F H (RFHE 54, 453, 456 ff.) u n d i m Anschluß an i h n das steuerrechtliche Schrifttum, vgl. Härtung, i n : Hübschmann-Hepp-Spitaler, A O § 437 a. F. Rdnr. 4: Da § 437 A O strafprozessuale Durchsuchungen betreffe, müsse auch der Richtervorbehalt des A r t . 13 Abs. 2 gelten. Der O F H versuchte, diese Konsequenz durch eine Verengung des Wohnungsbegriffes auf Privatwohnungen zu mildern, vgl. oben § 2 Ziff. 2 u n d 3 S. 25 ff.

§ 7. Abgrenzung zu anderen Eingriffen und Beschränkungen

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der T a t eine B e s c h r ä n k u n g des Durchsuchungsbegriffes a u f strafprozessuale M a ß n a h m e n n a h e l e g t e 2 1 : (1) Die Wohnung ist unverletzlich. Durchsuchungen können n u r durch den Richter, bei Gefahr i m Verzuge auch durch die i n den Gesetzen über das Strafverfahren vorgesehenen Organe angeordnet u n d i n der dort vorgesehenen Form durchgeführt werden. (2)..

.22.

Gegen die F o r m u l i e r u n g des A b s . 1 Satz 2 äußerte der A b g . Z i n n (SPD) Bedenken, da es n i c h t n u r i m R a h m e n des Strafrechts D u r c h s u c h u n g e n gäbe, sondern D u r c h s u c h u n g e n auch v o n a l l e n m ö g l i c h e n anderen B e h ö r d e n v o r g e n o m m e n w ü r d e n 2 3 . I m A n s c h l u ß d a r a n f ü h r t e der A b g . S c h m i d (SPD) a u s 2 4 : „Durchsuchung bedeutet, daß von Organen der Obrigkeit i m Hause Handlungen vorgenommen — Schränke aufgemacht, Nachforschungen angestellt — werden, u m einen bestimmten Sachverhalt festzustellen. Wenn aber ein Beamter des Wohnungsamtes kommt und i n der Wohnung nachsieht, ob sie überbelegt oder unterbelegt ist, so ist das keine Durchsuchung. Wenn die Polizei Nachschau hält, ob ein Milchhändler gepanschte Milch i n seinem Eisschrank hat, so ist das eine Durchsuchung 2 ®." A u f Vorschlag des A b g . Z i n n w u r d e A r t . 7 A b s . 1 Satz 2 u m f o r m u l i e r t . I n der 23. S i t z u n g des Grundsatzausschusses v o m 19. N o v e m b e r 1948 w u r d e die W o h n u n g s f r e i h e i t als A r t . 6 (jetzt A r t . 13) n e u g e f a ß t 2 6 : (1) Die Wohnung ist unverletzlich. (2) Durchsuchungen dürfen n u r durch den Richter, bei Gefahr i m Verzuge auch durch die i n den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und n u r i n den dort vorgeschriebenen Formen durchgeführt werden. (3).. .27. D a m i t h a t t e A r t . 13 Abs. 2 bereits seine h e u t i g e Fassung erhalten, nachd e m m a n b e w u ß t die W o r t e „durch die in den Gesetzen über das Strafver21

JöR n. F. 1,139. Siehe auch A r t . 6 Abs. 1 der Verfassung f ü r Württemberg-Baden v o m 24.10.1946 (Regierungsblatt S. 277): „ (1) Die Wohnung ist unverletzlich. Durchsuchungen können n u r durch den Richter, bei Gefahr i m Verzug i m Rahmen der Strafprozeßordnung auch durch die darin vorgesehenen Organe angeordnet werden." 28 JöR n. F. 1,139. 24 JöR n. F. 1,140. 25 Ob die Beispiele richtig gewählt sind, kann hier offen bleiben; vgl. dazu die Zuordnung von Gesetzen zu den Schranken der Wohnungsfreiheit i m 5. Abschnitt S. 160 ff. Hier genügt der Nachweis, daß man bei den Beratungen des A r t . 13 Abs. 2 nicht n u r an strafprozessuale Durchsuchungen gedacht hat. 26 JöR n. F. 1,141. 27 Ähnlich schon die Fassung des Allgemeinen Redaktionsausschusses v o m 16.11.1948, JöR n. F. 1, 140/41: „ (2) Durchsuchungen dürfen n u r durch den Richter, bei Gefahr i m Verzuge auch durch andere i n den Gesetzen vorgesehene Organe angeordnet u n d n u r unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen durchgeführt werden." 22

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2. Abschnitt: Die Durchsuchungen des A r t . 13 Abs. 2

fahren vorgesehenen Organe" durch die allgemeinere Formulierung „durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe" ersetzt hatte. Aus der Entstehungsgeschichte des A r t . 13 Abs. 2 läßt sich also nachweisen, daß man i m Parlamentarischen Rat durchaus auch andere als strafprozessuale Durchsuchungen vor Augen gehabt hat und daß die Väter des Grundgesetzes sehr wohl gewußt haben, daß auch i m außerkriminellen Gesetzesrecht Durchsuchungen vorgesehen waren. Die Streichung der Worte „über das Strafverfahren" beweist, daß Art. 13 Abs. 2 nicht auf strafprozessuale Durchsuchungen beschränkt sein, sondern alle „Durchsuchungen" erfassen sollte. 3. Weder aus dem Wortlaut des A r t . 13 Abs. 2 noch aus seiner Entstehungsgeschichte läßt sich somit der Begriff „Durchsuchungen" auf strafprozessuale Maßnahmen beschränken. Unter A r t . 13 Abs. 2 fallen vielmehr alle i m geltenden Recht vorkommenden Durchsuchungen 28 , ohne Rücksicht darauf, ob die Eingriffe als Durchsuchung bezeichnet sind oder nicht. I I I . Methode zur Bestimmung des Durchsuchungsbegriffes Kann der Durchsuchungsbegriff des A r t . 13 nicht von vornherein auf bestimmte Durchsuchungsarten beschränkt werden, so muß nunmehr versucht werden, den Begriff positiv zu definieren. Denn mit der Feststellung, A r t . 13 Abs. 2 betreffe alle i m geltenden Recht vorkommenden Durchsuchungen, ist wenig gewonnen, solange unbekannt ist, was A r t . 13 unter dem Wort „Durchsuchung" versteht. 1. Es ist kaum anzunehmen, daß A r t . 13 Abs. 2 einen eigenen Durchsuchungsbegriff hat prägen wollen, der von dem der einfachen Gesetze völlig verschieden ist. Es spricht vielmehr eine Vermutung, die durch die erwähnten Äußerungen der Abgeordneten Zinn und Schmid i m Parla28 Wie hier m i t sehr ähnlicher Begründung neuerdings: B V e r w G DöV 1968, 246 = DVB1. 752 m i t A n m . von Gentz u n d Wacke; Knemeyer N J W 1967,1353/54; außerdem: Wernicke, B K A r t . 13 Erl. I I 2 a); Hamann, A r t . 13 Erl. B 3; Giese, A r t . 13 Erl. 3; Giese-Schunck, A r t . 13 Erl. 3 u n d 7 (nicht ganz klar); w o h l auch Model-Müller, A r t . 13 Erl. 2; Bettermann, i n : Die Grundrechte I I I / 2 S.894; Thomä, Auskunfts- u n d Betriebsprüfungsrecht S. 58 u n d S. 87; Leisner, „Wohnung" i m Ev. Staatslexikon Sp. 2585, der aber Ausnahmen bei vollstreckungsrechtlichen Durchsuchungen (z.B. § 758 ZPO) zulassen w i l l ; Horz, Diss. S. 25 ff.; w o h l auch Drews-Wacke, Polizeirecht § 12 Ziff. 2 S. 192/93. U n k l a r : Schneidew i n J Z 1957, 48; Eschenburg, Staat u n d Gesellschaft S. 432/33; Schmidt-Bleibtreu/Klein, A r t . 13 Rdnr. 4. Das B V e r f G hat i n E 16, 239 ff. nicht abschließend Stellung genommen. — Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 70—72, differenziert z w i schen gerichtlichen (Art. 13 Abs. 2) u n d administrativen (Art. 13 Abs. 3) E i n griffen i n die Wohnungsfreiheit. Trotz der unglücklichen Terminologie u n d einiger Unklarheiten ist diese Unterscheidung grundsätzlich richtig. Jedenfalls beschränkt Dagtoglou a.a.O. den Durchsuchungsbegriff nicht auf strafprozessuale Maßnahmen; näher dazu unten 4. Abschnitt § 14 S. 129 ff.

§ 8. Der Durchsuchungsbegriff i n einfachen Gesetzen

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mentarischen Rat bestätigt w i r d 2 0 , dafür, daß das Grundgesetz von dem Durchsuchungsbegriff der einfachen Gesetze ausgegangen ist. Daher soll eine Reihe von Vorschriften untersucht werden, die einen Eingriff i n das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung ausdrücklich als „Durchsuchung" bezeichnen 30 . Die gemeinsamen Merkmale der Durchsuchungen i n einfachen Gesetzen werden m i t einiger Wahrscheinlichkeit auch auf den grundgesetzlichen Durchsuchungsbegriff zutreffen. 2. Der aus der Analyse subkonstitutioneller Durchsuchungsbestimmungen gewonnene Durchsuchungsbegriff ist jedoch nicht notwendig m i t dem des Art. 13 Abs. 2 identisch; er muß vielmehr noch an Hand des A r t . 13 Abs. 2 kontrolliert werden. Dazu bedarf es einer genauen Prüfung, welche Anforderungen das Grundgesetz an die Zulässigkeit einer Durchsuchung stellt, insbesondere, warum er ihre Anordnung grundsätzlich dem Richter vorbehält 3 1 . Wenn die Zulässigkeitserfordernisse des A r t . 13 Abs. 2 m i t dem aus dem einfachen Gesetzesrecht entwickelten Durchsuchungsbegriff harmonieren, wenn sie dem Eingriff „Durchsuchung", wie er sich aus dem subkonstitutionellen Recht ergibt, adäquat oder zumindest nicht inadäquat sind, so dürfte die Gewähr für eine Identität des grundgesetzlichen und des einfachgesetzlichen Durchsuchungsbegriffes gegeben sein 32 . 3. Der so gefundene Durchsuchungsbegriff ist aber vielleicht noch zu weit. Aus der Analyse des Gesetzesrechts w i r d sich nur ein Durchsuchungsbegriff entwickeln lassen, der i m wesentlichen deskriptiv auf die äußeren Symptome einer Durchsuchung abstellt. Diese Merkmale liegen möglicherweise auch bei Eingriffen vor, deren Zulässigkeit sich mit Sicherheit nicht nach A r t . 13 Abs. 2, sondern nach A r t . 13 Abs. 3 bestimmt 3 3 . Soweit sich aus den äußeren Durchsuchungssymptomen Überschneidungen der Absätze 2 und 3 ergeben, müssen die unter A r t . 13 Abs. 3 fallenden Eingriffe aus dem Durchsuchungsbegriff ausgeschieden werden 3 4 . § 8. Der Durchsuchungsbegriff in einfachen Gesetzen Das geltende Gesetzesrecht kennt nicht nur Durchsuchungen von Räumen, Wohnungen, Betrieben und befriedeten Besitztümern, sondern auch Durchsuchungen von Sachen und Personen (§ 102 StPO), die den körper29 80 81 82 88 84

Siehe oben I I 2 c) S. 56/57. Unten § 8. U n t e n § 9 S. 71 ff., insbesondere S. 80 ff. Unten § 10 S. 93 ff. U n t e n 3. Abschnitt § 13 S. 124 ff. U n t e n 4. Abschnitt § 14 S. 129 ff.

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2. Abschnitt: Die Durchsuchungen des A r t . 13 Abs.

liehen Untersuchungen (§§ 81a—81d StPO) gegenübergestellt werden 3 5 . Für A r t . 13 Abs. 2 und die anschließende Analyse interessieren nur die Durchsuchungen, die einen Eingriff i n das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung darstellen 36 . I. Strafprozessuale

Durchsuchungen

Die bekanntesten und am ausführlichsten geregelten Fälle von Durchsuchungen sind die der Strafprozeßordnung und ihrer Nebengesetze. 1. Die Strafprozeßordnung 37 regelt die Formen und Voraussetzungen einer zulässigen Durchsuchung i n den §§ 102 bis 110. Dabei behandeln die §§ 102,103 StPO die materiellen Durchsuchungsvoraussetzungen, die verschieden sind, je nachdem, ob bei verdächtigen oder bei unverdächtigen Personen durchsucht werden soll. Als Durchsuchungsobjekt sind i n § 102 StPO, an den § 103 StPO anknüpft, die Wohnung und andere Räume angegeben. Damit sind jedoch nicht nur Privatwohnungen und Privaträume gemeint, sondern — wie § 104 Abs. 1 und § 105 Abs. 2 StPO ergeben — auch Geschäftsräume und das befriedete Besitztum 3 8 . a) § 102 StPO bestimmt als Zweck der Durchsuchung bei verdächtigen Personen (Täter, Teilnehmer, Begünstiger, Hehler): die Ergreifung des Verdächtigen und die Auffindung von Beweismitteln, zu der nach herrschender Lehre auch die Auffindung von Einziehungsgegenständen gehört (arg. §§ 103, 94 StPO) 39 . Durchsuchungen mit dem Ziel, Beweismittel oder Einziehungsgegenstände zu erlangen, setzen die Vermutung voraus, „daß die Durchsuchung" zu ihrer „Auffindung . . . führen werde". b) Die Durchsuchung bei unverdächtigen Personen bezweckt nach § 103 Abs. 1 StPO, ähnlich wie in § 102 StPO: die Ergreifung des Beschuldigten, 35 Vgl. Sarstedt, i n : Löwe-Rosenberg, StPO § 81a Erl. 3; Dünnebier, in: Löwe-Rosenberg, StPO § 102 Erl. 1 c) u n d 2; Sax, i n : K M R StPO § 81a Erl. 2 a); Eberhard Schmidt, StPO § 81a Rdnr. 8 u n d 9 u n d § 102 Rdnr. 3; SchwarzKleinknecht, StPO § 81a Erl. 2 u n d § 102 Erl. 2 B ; K a r l Peters, Strafprozeß § 40 I I 2 u n d 3 S. 275 ff.; Kaufmann, Der polizeiliche Eingriff S. 103. 88 Über einen anderen Durchsuchungsbegriff i n § 2 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes zur Überwachung strafrechtlicher u n d anderer Verbringungsverbote v o m 24. 5.1961 (BGBl. I S. 607) — Verbringungsgesetz — vgl. Herbst DVB1. 1964,471. 87 Strafprozeßordnung v o m 1. 2.1877 (RGBl. S. 253) i. d. F. v o m 17. 9.1965 (BGBl. I S. 1374). 88 Dünnebier, i n : Löwe-Rosenberg, StPO § 102 Erl. 3 a); H. Müller, i n : K M R StPO § 102 Erl. 6 a); Schwarz-Kleinknecht, StPO § 102 Erl. 2 A ; Eberh a r d Schmidt, StPO § 102 Rdnr. 10; Henkel, Strafverfahrensrecht § 79 A I I 1 a) S. 332; K e r n , Strafverfahrensrecht § 37 A I 1 S. 156; Kaufmann, Der polizeiliche E i n g r i f f S. 108 ff. 89 Dünnebier, i n : Löwe-Rosenberg, StPO § 102 Erl. 4 c); Schwarz-Kleinknecht, StPO § 102 Erl. 3; Eberhard Schmidt, StPO § 102 Rdnr. 2 u n d 13; H. Müller, i n : K M R StPO § 102 Erl. 5 a) u n d b); K a r l Peters, Strafprozeß § 48 V 1 S. 382.

§ 8. Der Durchsuchungsbegriff i n einfachen Gesetzen

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die Verfolgung von Spuren einer strafbaren Handlung und die Beschlagnahme von Gegenständen. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen sind strenger als i n § 102 StPO. Sie sind nur erfüllt, „wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, daß die gesuchte Person, Spur oder Sache sich i n den zu durchsuchenden Räumen befindet". Für bestimmte Fälle gestattet § 103 Abs. 2 StPO Ausnahmen von den strengen Zulässigkeitserf ordernissen des Abs. 1. c) Die §§ 104 bis 110 StPO enthalten die formellen Voraussetzungen der Durchsuchung und Formvorschriften für ihre Durchführung. Aus diesen Bestimmungen läßt sich für den Begriff der Durchsuchung nichts entnehmen. Die einzigen Anhaltspunkte liegen vielmehr i n der Umschreibung des Durchsuchungszweckes (§§ 102, 103 StPO) und des Durchsuchungsgegenstandes (§§ 104 Abs. 1, 105 Abs. 2 StPO). Daraus ergibt sich aber nicht, was die Durchsuchung selber ist, welche besonderen Kennzeichen der Eingriff „Durchsuchung" aufweist. Die Strafprozeßordnung setzt den Begriff der Durchsuchung offenbar ebenso voraus wie das Grundgesetz i n A r t . 13 Abs. 2. d) Das, was eine Durchsuchung ist, läßt sich aus den Befugnissen ablesen, die nach allgemeiner Auffassung den eine Durchsuchung ausführenden Staatsorganen zustehen 40 . Falls sich der Wohnungsinhaber widersetzt, dürfen die durchsuchungsberechtigten Staatsorgane Gewalt anwenden: Sie dürfen, ohne sich wegen Hausfriedensbruchs i m A m t (§ 342 StGB) oder wegen Sachbeschädigung (§ 303 StGB) strafbar zu machen, gegen den Willen des Inhabers i n die Wohnung eindringen, sie dürfen nötigenfalls die Türen aufbrechen oder aufbrechen lassen; sie können ohne Einwilligung des Inhabers i n der Wohnung Gegenstände verrücken und auseinandernehmen, Schränke und Behältnisse — auch m i t Gewalt — öffnen, Fußböden aufreißen und, falls der Durchsuchungszweck anders nicht zu erreichen ist, Gegenstände sogar zerstören 41 . Diese Machtbefugnisse des Staates, die als selbstverständlich aus dem Recht zu einer strafprozessualen Durchsuchung abgeleitet werden, finden ihre Grenze lediglich am Zweck der Durchsuchung und am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (keine Zerstörung wertvoller Sachgüter zur Auffindung unbedeutender Beweismittel) 4 2 . Sonst kann das durchsuchende Staatsorgan auch 40 Vgl. dazu Dünnebier, i n : Löwe-Rosenberg, StPO §§ 105—107 Erl. I I 3 b); Eberhard Schmidt, StPO § 102 Rdnr. 4; H. Müller, i n : K M R StPO § 105 Erl. 2 b) u n d § 94 Vorbem. 5; Schwarz-Kleinknecht, StPO § 105 Erl. 8; Kern, Strafverfahrensrecht § 37 A 1 3 S. 156. 41 Siehe i m einzelnen die Beispiele bei Dünnebier, i n : Löwe-Rosenberg, StPO §§ 105—107 Erl. I I 3 b). 42 Vgl. Dünnebier, i n : Löwe-Rosenberg, StPO §§ 105—107 Erl. I I 3 b); H. Müller, i n : K M R StPO § 94 Vorbem. 4 u n d § 102 Erl. 8. — Z u m Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unten § 9 1 2 b) S. 76 ff.

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2. Abschnitt: Die Durchsuchungen des A r t . 13 Abs. 2

zwangsweise alle zur Erreichung des Durchsuchungszweckes notwendigen Maßnahmen treffen. e) Unter Berücksichtigung von Durchsuchungszweck, Durchsuchungsgegenstand und Ausführungsart läßt sich die strafprozessuale Durchsuchung somit definieren als das Suchen i n der Wohnung, i n Geschäftsräumen oder befriedetem Besitztum nach Personen, Beweismitteln oder Beschlagnahmegegenständen, das von Staatsorganen ohne und gegen den Willen des Wohnungsinhabers, nötigenfalls m i t Gewalt, durchgeführt werden darf. 2. Nach § 39 Nr. 3 StGB 48 unterliegen Haussuchungen keiner zeitlichen Beschränkung, wenn sie bei Personen vorgenommen werden, die unter Polizeiaufsicht stehen. Diese Vorschrift setzt das generelle Verbot des § 104 Abs. 1 StPO voraus, Durchsuchungen zur Nachtzeit vorzunehmen, wenn nicht Gefahr i m Verzuge vorliegt. Die Regelung des § 39 Nr. 3 StGB korrespondiert der inhaltsgleichen Ausnahmebestimmung des § 104 Abs. 2 StPO (1. Fall). Die Entsprechung der beiden Normen zeigt, daß die „Haussuchung" i n § 39 Nr. 3 StGB identisch ist m i t der „Durchsuchung" i n der Strafprozeßordnung. 3. § 21 Abs. 1 1. Halbsatz des Fernmeldeanlagengesetzes (FAG) 4 4 verweist für Durchsuchungen generell auf die Regelung der Strafprozeßordnung. Als Durchsuchungsgegenstand bezeichnet er die Wohnung, die Geschäftsräume und das befriedete Besitztum. Zweck der Durchsuchung ist, wie bei der Strafprozeßordnung, die Ermittlung und Verfolgung strafbarer Handlungen durch Ergreifung des Verdächtigen oder Beschuldigten und durch Sicherstellung von Beweismitteln und Einziehungsgegenständen (§§ 102,103 StPO). Der Kreis der verfolgten Straftaten ist jedoch auf Verstöße gegen das Fernmeldeanlagengesetz beschränkt (vgl. die §§ 15 bis 20 FAG). Von der Strafprozeßordnung abweichende Regelungen enthalten § 21 Abs. 1 2. Halbsatz und § 21 Abs. 2 FAG. Sie betreffen Erleichterungen der Nachtzeitdurchsuchung und das Anwesenheitsrecht von Beauftragten der Bundespost bei der Durchführung der Durchsuchung. Der Durchsuchungsbegriff des § 21 F A G w i r d dadurch nicht beeinflußt; er ist vielmehr derselbe wie der der Strafprozeßordnung. 4. I m Steuerstrafverfahren gilt gemäß § 420 der Reichsabgabenordnung (AO) 4 5 grundsätzlich die Strafprozeßordnung, „soweit die folgenden Bestimmungen nichts anderes bestimmen". 48 Strafgesetzbuch f ü r das Deutsche Reich v o m 15.5.1871 (RGBl. S. 127) i. d. F. v o m 25. 8.1953 (BGBl. I S . 1083, berichtigt BGBl. 19541S. 33). 44 Gesetz über Fernmeldeanlagen v o m 14.1.1928 (RGBl. I S . 8). 45 Reichsabgabenordnung v o m 22.5.1931 (RGBl. I S. 161), letzte Änderungen

§ 8. Der Durchsuchungsbegriff i n einfachen Gesetzen

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a) Früher bestand eine grundsätzliche Abweichung zur Strafprozeßordnung insofern, als § 437 Abs. 1 a. F. AO den Finanzämtern ein umfassendes Recht zur Anordnung von Durchsuchungen verlieh, „wenn i n Steuergesetzen Durchsuchungen vorgesehen" waren. Das war i n einer Reihe von Verbrauchssteuergesetzen geschehen, deren Durchsuchungsvorschriften fast wörtlich übereinstimmten und durchweg auf § 437 Abs. 1 a. F. AO Bezug nahmen 46 . Diese Sonderregelung, deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit höchst zweifelhaft w a r 4 7 , ist durch das Gesetz zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze vom 10. August 1967 beseitigt worden. b) Nach der jetzt geltenden Regelung haben die Finanzämter die Rechte und Pflichten, die der Staatsanwaltschaft nach der Strafprozeßordnung zustehen, sofern sie das Ermittlungsverfahren ohne Beteiligung der Staatsanwaltschaft durchführen, §§ 433 Abs. 1, 421 Abs. 2 AO. Ist durch Rechtsverordnung die Ermittlungszuständigkeit mehrerer Finanzämter einem Finanzamt übertragen (§ 422 Abs. 1 AO), so können die übrigen Finanzämter Durchsuchungen „nach den für Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft geltenden Vorschriften anordnen", § 433 Abs. 2 Satz 2 AO. Alle Durchsuchungen i m Steuerstrafverfahren sind auf die Ermittlung von Steuervergehen beschränkt, §§ 421 Abs. 1,392 AO. c) Nach Aufhebung der §§ 436, 437 a. F. A O zeigt sich noch deutlicher als früher, daß die steuerstrafrechtlichen Durchsuchungen der Abgabenordnung ihrem Wesen nach mit den Durchsuchungen der Strafprozeßordnung identisch sind. Das auf Steuervergehen begrenzte Ermittlungsziel und die Ermittlungsarbeit durch Steuerbehörden statt durch die Staatsanwaltschaft (aber m i t gleichen, nicht wie früher m i t darüber hinausgehenden Rechten) sind für den Durchsuchungsbegriff unerheblich.

durch Gesetz zur Änderung der Reichsabgabenordnung u n d anderer Gesetze v o m 15. 9.1965 (BGBl. I S. 1356), durch die Finanzgerichtsordnung v o m 6.10. 1965 (BGBl. I S. 1477) u n d durch Gesetz zur Änderung strafrechtlicher V o r schriften der Reichsabgabenordnung u n d anderer Gesetze v o m 10.8.1967 (BGBl. I S. 877). 46 Die Durchsuchungsvorschriften der einschlägigen Verbrauchssteuergesetze sind oben i m 1. Abschnitt i n Fußnote 18 aufgezählt. Die einzigen nennenswerten Unterschiede dieser Bestimmungen bestanden darin, daß § 92 Satz 1 TabakStG die Privatwohnungen (vgl. oben § 2 Ziff. 2 S. 26) u n d § 17 BierStG alle „Räume, die nicht der Steueraufsicht unterliegen", v o m Durchsuchungsgegenstand ausnahmen. 47 Siehe oben § 2 Ziff. 2 u n d 3 S. 25 ff. sowie § 7 I I 2 b) S. 55/56, jeweils m i t Nachweisen.

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2. Abschnitt: Die Durchsuchungen des A r t . 13 Abs. 2

II. Die Durchsuchungen der Wehrdisziplinordnung, § 67, und der Bundesdisziplinarordnung, §§ 58,61,62 § 67 der Wehr disziplinar Ordnung (WDO) 4 8 beschränkt sich auf die Feststellung, daß Beschlagnahmen und Durchsuchungen auch bei Gefahr i m Verzug nur auf richterliche Anordnung h i n durchgeführt werden dürfen. Daraus läßt sich für den Begriff der Durchsuchung wenig herleiten; nur das Ziel der Maßnahme ist aus dem Gesetz abzulesen, nämlich die E r m i t t lung und Verfolgung von Disziplinarvergehen der Soldaten. Wegen der Verwandtschaft des Disziplinarverfahrens mit dem Strafverfahren kann von der Identität des strafprozessualen und des disziplinarverfahrensrechtlichen Durchsuchungsbegriffes ausgegangen werden 4 9 . Diese Vermutung w i r d durch § 70 WDO und § 25 der Bundesdisziplinarordnung (BDO) 5 0 bestätigt, die für disziplinarrechtliche Ermittlungen hilfsweise auf die Strafprozeßordnung verweisen und damit auch deren Durchsuchungsbestimmungen für anwendbar erklären. Die Vorschriften der §§ 58, 61 Abs. 1 und 62 Abs. 1 BDO enthalten zwar Abweichungen zur Strafprozeßordnung, sind aber für den Durchsuchungsbegriff bedeutungslos. III. Die Durchsuchungen des Vereinsgesetzes, § 4 § 4 Abs. 4 Satz 2 und 3 des Vereinsgesetzes (VereinsG) 51 differenziert zwischen Durchsuchungen bei vereinsgebundenen oder doch vereinsnahen und bei vereinsfremden Personen und macht sie — ähnlich wie die §§ 102, 103 StPO bei verdächtigen und unverdächtigen Personen — von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig. a) Durchsuchungen i n Räumen des Vereins oder eines Vereinsmitgliedes oder -hintermannes sind zulässig, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, daß sich Beweismittel finden werden (§ 4 Abs. 4 Satz 2 VereinsG). Die Beweismittel, die gleichzeitig für eine Beschlagnahme i n Betracht kommen müssen (§ 4 Abs. 4 Satz 1 VereinsG), dienen nicht oder doch nicht primär der strafrechtlichen Überführung der Vereinsmitglieder oder der Hintermänner, sondern dem Nachweis der Voraussetzungen eines Vereinsverbots (Art. 9 Abs. 2, § 3 Abs. 1 VereinsG) 52 . 48 Wehrdisziplinarordnung v o m 15. 3.1957 (BGBl. I S. 189) i. d. F. v o m 9. 6. 1961 (BGBl. I S . 697). 49 Vgl. Baden-v. Mitzlaff, W D O § 67 Erl. 4, w o ausdrücklich auf die Durchsuchungsvoraussetzungen der Strafprozeßordnung Bezug genommen w i r d . 50 Bundesdisziplinarordnung v o m 28.11.1952 (BGBl. I S. 761) i. d. F. v o m 20. 7.1967 (BGBl. I S. 751). 51 Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) v o m 5. 8.1964 (BGBl. I S. 593). 52 Vgl. Schnorr, VereinsG § 4 Rdnr. 1,2 u n d 4.

§ 8. Der Durchsuchungsbegriff i n einfachen Gesetzen

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b) Bei vereinsfremden Personen sind Durchsuchungen mit demselben Ziel nicht schon bei hinreichenden Anhaltspunkten, sondern nur dann zulässig, „wenn Tatsachen darauf schließen lassen, daß sich die gesuchte Sache i n ihrem Gewahrsam befindet" (§ 4 Abs. 4 Satz 3 VereinsG). Es genügt auch nicht die Suche nach irgendwelchen, noch nicht bekannten Beweismitteln, sondern die Durchsuchung muß die Beschlagnahme ganz bestimmter Beweismittel bezwecken. c) Neben der eigenständigen Regelung der Durchsuchungsvoraussetzungen enthalten die Absätze 2 und 5 des § 4 VereinsG Bestimmungen über die Durchsuchungsanordnung. Regelmäßig ist dafür ein Richter des Verwaltungsgerichts (der Vorsitzende oder ein von i h m bestimmtes M i t glied des Gerichts) zuständig (§ 4 Abs. 2 VereinsG); bei Gefahr i m Verzug t r i f f t die Anordnung die Verbotsbehörde oder eine von ihr ersuchte Stelle (§ 4 Abs. 5 Satz 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG). I m übrigen verweist das Vereinsgesetz i n § 4 Abs. 4 Satz 4 auf die Strafprozeßordnung. d) Über die A r t der Durchsuchungsausführung schweigt das Vereinsgesetz. Die Befugnisse der durchführenden Staatsorgane dürften jedoch dieselben sein wie nach der Strafprozeßordnung. Die Durchsuchungen des § 4 VereinsG lassen sich somit bestimmen als die Suche nach beschlagnahmefähigen Beweismitteln mit dem Ziel der Beweissicherung für ein Vereinsverbot, wobei die ausführenden Staatsorgane — auch mit Gewalt — i n Räume eindringen und i n ihnen — notfalls mit Gewalt gegen Personen und Sachen — ihr Durchsuchungsziel verfolgen dürfen 5 3 .

IV. Die Durchsuchungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, § 46 Abs. 4 Die Durchsuchungsvorschrift des § 46 Abs. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz - GWB) 5 4 ist weder nach ihren Voraussetzungen noch nach ihrem Gegenstand und Zweck aus sich heraus verständlich. a) Der Durchsuchungsgegenstand ist i n § 46 Abs. 4 GWB nicht umschrieben. Er ergibt sich aus § 46 Abs. 2 GWB, der die Unternehmer und ihre Vertreter verpflichtet, „das Betreten von Geschäftsräumen und -grundstücken zu dulden", und aus § 46 Abs. 3 GWB, der den Beauftragten der Kartellbehörde das Recht einräumt, „Räume von Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen zu betreten". Das Durchsuchungsrecht des 65

Vgl. Schnorr, VereinsG § 4 Rdnr. 21 u n d 24. Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen v o m 27.7.1957 (BGBl. I S. 1081) i. d. F. v o m 3.1.1966 (BGBl. I S . 37). 54

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. Abschnitt: Die

u c h u n g e n des A r t . 13 Abs.

§ 46 Abs. 4 GWB soll offenbar das Betretungsrecht des Abs. 3 verschärfen. Daher dürfte der Durchsuchungsgegenstand dem Objekt des Betretungsrechts gleich sein, also die Geschäftsräume und Geschäftsgrundstücke von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen sowie von Wirtschaftsund Berufsvereinigungen 55 umfassen. b) Der Zweck der Durchsuchung des Abs. 4 ist i n § 46 Abs. 1 genannt, der der Kartellbehörde folgende Informationsrechte verleiht: Sie kann von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen Auskunft über deren „wirtschaftliche Verhältnisse verlangen" (§ 46 Abs. 1 Nr. 1 GWB) und bei ihnen „die geschäftlichen Unterlagen einsehen und prüfen" (§ 46 Abs. 1 Nr. 2 GWB). Von Wirtschafts- und Berufs Vereinigungen kann die Kartellbehörde „Auskunft über die Satzung, über die Beschlüsse sowie über A n zahl und Namen der Mitglieder verlangen, für die die Beschlüsse bestimmt sind" (§ 46 Abs. 1 Nr. 3 GWB). Diese Informationsrechte stehen der Kartellbehörde zu, soweit es zur Erfüllung der ihr i m Kartellgesetz übertragenen Aufgaben erforderlich ist (§ 46 Abs. 1 GWB 1. Halbsatz). c) Die Durchsuchungsvoraussetzungen sind i n § 46 GWB nicht normiert. Das Gesetz geht aber anscheinend von einer bestimmten Reihenfolge aus, i n der Durchsuchungen als schwerster Eingriff erst dann zulässig sind, wenn die anderen Maßnahmen zu keinem Erfolg geführt haben 56 . Zunächst w i r d der Auskunftsverpflichtete (§ 46 Abs. 2 GWB) schriftlich aufgefordert, die geforderten Informationen zu erteilen (§ 46 Abs. 6 GWB) oder die beabsichtigten Prüfungen zu dulden (§ 46 Abs. 7 GWB). Zu diesem Zwecke dürfen die Beauftragten der Kartellbehörde auch die Geschäftsräume der betroffenen Unternehmen oder Vereinigungen betreten. Erst wenn die Auskünfte nicht gegeben, die Unterlagen nicht vorgelegt oder ihre Prüfung und Einsichtnahme nicht geduldet werden, darf eine Durchsuchung vorgenommen werden, damit die Kartellbehörde die nach § 46 Abs. 1 erforderlichen Informationen doch bekommt. Das Recht zum Betreten der Räume und Grundstücke verleiht den Beauftragten der Kartellbehörde allenfalls das Recht zum gewaltsamen Eindringen, nicht aber die Befugnis, sich die erforderlichen Unterlagen ohne oder gegen den 55 Die Räume von Wirtschafts- u n d Berufsvereinigungen sind i n § 46 Abs. 3 Satz 1 G W B nicht genannt. Das Recht zum Betreten dieser Räume dürfte sich aber m i t Sicherheit aus Abs. 2, der f ü r sie die Duldungspflicht statuiert, u n d aus Abs. 1 Nr. 3 ergeben. Die Kommentare befassen sich m i t dieser Frage nicht ausdrücklich. Sie neigen anscheinend dazu, das Betretungsrecht nach § 46 Abs. 3 G W B auf die Prüfungsrechte des Abs. 1 Nr. 2 zu beschränken, f ü r Abs. 4 aber den gleichen Durchsuchungsgegenstand zugrunde zu legen w i e hier; vgl. Junge, i n : Müller-Henneberg-Schwartz, G W B § 46 Rdnr. 18; RaschWestrick, G W B § 46 Rdnr. 23; Müller-Gries, G W B § 46 Rdnr. 14. 58 Vgl. Langen, G W B § 46 Rdnr. 12; Rasch-Westrick f G W B § 46 Rdnr. 25; Junge, i n : Müller-Henneberg-Schwartz, G W B § 46 Rdnr. 19; Müller-Gries, G W B §46 Rdnr. 16.

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Willen des oder der Auskunftsverpflichteten selbst herauszusuchen 57 ; das Betretungsrecht ist hier also noch kein Durchsuchungsrecht. d) Aus der Reihenfolge der nach § 46 GWB zulässigen Maßnahmen folgt, daß die Durchsuchungsermächtigung m i t Zwangsrechten verbunden sein muß. Nur wenn die durchsuchungsberechtigten Personen m i t Gewalt i n die Räume eindringen und i n den Räumen mit Gewalt nach den Informationen und Unterlagen forschen dürfen, ist das Durchsuchungsrecht sinnvoll. Ohne diese Zwangsrechte wäre die Kartellbehörde — abgesehen vom mittelbaren Zwang durch Ordnungsstrafen (§ 39 Abs. 1 Nr. 1 GWB) — außerstande, die gewünschten Informationen zu erhalten. V. Die Durchsuchungen nach § 758 der Zivilprozeßordnung und nach § 335 der Abgabenordnung § 758 der Zivilprozeßordnung (ZPO) 58 und § 335 der Abgabenordnung stimmen fast wörtlich überein und enthalten inhaltlich die gleiche Regelung. Der Durchsuchungsbegriff ist i n beiden Vorschriften offensichtlich derselbe. a) Durchsuchungsgegenstand sind die Wohnung und die Behältnisse des Schuldners (§ 758 Abs. 1 ZPO, § 335 Abs. 1 AO). Der Begriff „Wohnung" ist nach übereinstimmender Auffassung weit auszulegen 50 . Er umfaßt, wie i n A r t . 13 Abs. I 6 0 , neben der Privatwohnung auch Betriebe, Geschäftsräume und das befriedete Besitztum. b) Zweck der Durchsuchung ist regelmäßig das Auffinden von Geld oder Vermögenswerten: von pfändbaren Gegenständen, die der Befriedigung des Vollstreckungsgläubigers dienen können. Die Durchsuchung nach § 758 ZPO kann auch die Wegnahme bestimmter Gegenstände verfolgen, auf deren Herausgabe der Vollstreckungstitel lautet ( § 883 ZPO), oder die Ergreifung einer Person zum Ziel haben, wenn ein K i n d herausgegeben 61 57 Ob dem Betretungsrecht daher überhaupt eine praktische Bedeutung zukommt, erscheint sehr zweifelhaft; vgl. Rasch-Westrick, G W B § 46 Rdnr. 23; Junge, i n : Müller-Henneberg-Schwartz, G W B § 46 Rdnr. 18. I m übrigen siehe unten V I 5 S. 70/71 u n d 5. Abschnitt § 171 8 S. 163. 58 Zivilprozeßordnung v o m 30.1.1877 (RGBl. S. 83) i. d. F. v o m 12. 9.1950 (BGBl. S. 533). 59 Stein-Jonas-Schönke-Pohle, ZPO § 758 Erl. I I ; Baumbach-Lauterbach, ZPO § 758 Erl. 2 A ; Wieczorek t ZPO I V / 1 § 758 Erl. A I a); Thomas-Putzo, ZPO § 758 Erl. 2; Hepp-Schwarz, i n : Hübschmann-Hepp-Spitaler, A O §§ 335— 336 Rdnr. 5; Tipke-Kruse, A O § 335 Rdnr. 3. — Vgl. auch § 107 Nr. 1 der b u n deseinheitlichen Geschäftsanweisung f ü r Gerichtsvollzieher (GVGA) i n der ab 1. 7.1958 geltenden Fassung u n d § 27 Abs. 1 u n d 2 der Geschäftsanweisung f ü r die Vollziehungsbeamten der Finanzverwaltung (VollzA) v o m 17. 3.1960 (BStBl. I S . 198). 60 Siehe oben § 2 Ziff. 4 u n d 5 S. 28 ff. 61 § 883 ZPO w i r d hier analog angewendet. Z u beachten ist allerdings, daß die Herausgabe eines Kindes von einem Elternteil an den anderen (§§ 1671,

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oder der Schuldner i n Beugehaft (§§ 888 Abs. 1 Satz 1, 901 ff. ZPO) oder i n Strafhaft (§ 890 ZPO) genommen werden soll. c) Die Voraussetzungen solcher Durchsuchungen sind die der Zwangsvollstreckung überhaupt. Nach der Zivilprozeßordnung muß also ein Titel vorliegen (§§ 704, 794 ZPO), der i m allgemeinen (Ausnahmen §§ 795a, 796 ZPO) mit einer Vollstreckungsklausel versehen sein muß (§§ 724 ff., 795 ZPO). Er muß spätestens mit Beginn der Zwangsvollstreckung zugestellt werden (§§ 750, 795 ZPO). Außerdem muß ein wirksamer Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher vorliegen (§§ 753 bis 755 ZPO). Die Zulässigkeit einer Durchsuchung nach § 335 AO setzt voraus, daß der Steuerpflichtige nach den Steuergesetzen eine fällige Geldleistung schuldet 62 , sie aber nicht bezahlt (§ 326 Abs. 1 Satz 1 AO). Der Vollziehungsbeamte muß sich durch einen Vollstreckungsauftrag des Finanzamtes ausweisen (§ 334 AO), der den Schuldgrund angibt (§ 334a AO). d) I m Gegensatz zu den anderen Durchsuchungsbestimmungen, die entweder überhaupt keinen (z. B. §§ 102 ff. StPO) oder nur indirekte Hinweise (z. B. § 46 GWB) auf die A r t der Durchsuchungsausführung und die Befugnisse der Durchsuchungsorgane enthalten, räumen die §§ 758 ZPO, 335 AO dem Gerichtsvollzieher oder Vollziehungsbeamten ausdrücklich Zwangsrechte ein. Sie dürfen ohne Rücksicht auf den Willen des Wohnungsinhabers i n die Wohnung eindringen, verschlossene Haustüren, Zimmertüren und Behältnisse öffnen oder öffnen lassen (§§ 758 Abs. 2 ZPO, 335 Abs. 2 AO). Widerstand darf mit Gewalt gebrochen, die Polizei darf zu Hilfe gezogen werden (§§ 758 Abs. 3 ZPO, 335 Abs. 3 AO). Damit verleihen die §§ 758 ZPO, 335 AO den durchsuchungsberechtigten Staatsorganen ausdrücklich die Befugnisse 63 , die bei anderen Durchsuchungs1672 i n Verbindung m i t § 1632 Abs. 2 BGB) v o m Vormundschaftsgericht i m Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit entschieden u n d die Entscheidung nach § 33 F G G vollstreckt w i r d . Die Vollstreckung i n entsprechender A n wendung des § 883 ZPO findet jedoch bei der Herausgabe des Kindes von D r i t t e n an die Eltern (§ 1632 Abs. 1 BGB) und bei der einstweiligen A n ordnung des § 627 Abs. 1 ZPO statt. Die Einzelheiten hierzu sind bestritten; vgl. — jeweils m i t weiteren Nachweisen: Stein-Jonas-Schönke-Pohle, ZPO § 883 Erl. I I I ; Wieczorek, ZPO IV/2 § 883 Erl. B I V ; Baumbach-Lauterbach, ZPO § 883 Erl. 4 b); Keidel, F G G § 33 Rdnr. 35. — Siehe außerdem Noack M D R 1967, 894. 62 Während die VollstreckungsVoraussetzungen früher i m Abschnitt „ B e i treibung" (§§ 325 ff. AO) n u r sehr unzulänglich geregelt waren, enthält die Abgabenordnung seit dem Gesetz v o m 15. 9.1965 (BGBl. I S. 1356) darüber eingehende Bestimmungen. Der früheste Vollstreckungszeitpunkt ist jetzt i n § 326 Abs. 3 Nr. 1 u n d 2 A O f ü r Steuern, die durch Verwaltungsakt (Leistungsgebot) festgesetzt werden, u n d f ü r selbst errechnete Steuern unterschiedlich geregelt. E i n materieller Unterschied zu der früheren, i n der Abgabenordnung nicht ausdrücklich geregelten Rechtslage dürfte dadurch nicht eingetreten sein. 65

Vgl. auch § 29 VollzA u n d § 108 GVGA.

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bestimmungen zwar nicht gesetzlich fixiert sind, aber als selbstverständlich aus der Durchsuchungsermächtigung abgeleitet werden 6 4 . VI. Gemeinsame Merkmale der Durchsuchungen in einfachen Gesetzen Die bisher erörterten Durchsuchungsvorschriften genügen, um zu zeigen, wo sich Durchsuchungsermächtigungen unterscheiden und wo sie Gemeinsamkeiten aufweisen. 1. Der Durchsuchungsgegenstand, das zu durchsuchende Objekt, kann verschieden weit bestimmt sein. I m allgemeinen werden die Begriffe „Wohnung" oder „Räume" i m umfassenden Sinne gebraucht. Sie schließen also die Privatwohnung, Betriebe, Geschäftsräume und befriedete Besitztümer ein. Zuweilen sind bestimmte Räume ausdrücklich ausgenommen, so bei § 92 Satz 1 a. F. TabakStG die Privatwohnung, bei § 17 a. F. BierStG alle Räume, die nicht der Steueraufsicht unterliegen. 2. Die Durchsuchungszwecke können sehr unterschiedlich sein. Die meisten und wichtigsten Durchsuchungsbestimmungen ermächtigen zu strafrechtlichen Ermittlungen; daneben gibt es aber zahlreiche Vorschriften, die allenfalls mittelbar das Strafverfahren berühren, primär aber andere Ziele verfolgen. Die Durchsuchungen des Vereinsgesetzes dienen i n erster Linie der Vorbereitung eines Vereinsverbots, die des Kartellgesetzes der Beschaffung der für die Kartellbehörde notwendigen Informationen. Die vollstreckungsrechtlichen Durchsuchungen der Zivilprozeßordnung und der Abgabenordnung haben die zwangsweise Befriedigung des Gläubigers zum Ziel. 3. Die Durchsuchungsvoraussetzungen sind durch den Zweck der jeweiligen Durchsuchung geprägt, müssen also ebenso divergieren wie die Durchsuchungszwecke. Gemeinsam sind ihnen allerdings die Bindung an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 6 5 und die strenge Zweckbegrenzung. Es dürfen also bei strafprozessualen Durchsuchungen keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen getroffen werden, wie umgekehrt der Gerichtsvollzieher anläßlich einer Sachpfändung i n der Wohnung des Schuldners keine strafrechtlichen Ermittlungen anstellen darf 6 6 . 4. Während sich die Durchsuchungen i n einfachen Gesetzen nach Gegenstand, Zweck und Voraussetzungen unterscheiden, stimmen sie in der A r t der Ausführung und i n den Befugnissen der durchsuchungsberechtigten 64 Vgl. die Beispiele bei strafprozessualen Durchsuchungen oben I 1 d) S. 61 u n d die Nachweise dafür i n Fußnoten 40,41. 65 Näheres dazu unten § 9 1 2 b) S. 76 ff. •• Diese strenge Zweckbegrenzung k o m m t wieder am deutlichsten i n den §§ 758 Abs. 1 ZPO, 335 Abs. 1 A O zum Ausdruck: Die Durchsuchungsbefugnis besteht nur, „soweit der Zweck der Vollstreckung dies erfordert".

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Staatsorgane überein. Jede Durchsuchungsermächtigung gibt den ausführenden Organen das Recht, ohne Rücksicht auf den Willen des Wohnungsinhabers i n die Wohnung einzudringen und i n der Wohnung mit Gewalt alle die Handlungen vorzunehmen, die zur Erreichung des Durchsuchungszweckes erforderlich sind. 5. Eine Definition der „Durchsuchung", die sich aus den in einfachen Gesetzen als Durchsuchung bezeichneten Eingriffen i n die Wohnungsfreiheit gewinnen läßt, muß also Zweck, Gegenstand und Voraussetzungen der Maßnahme unbestimmt lassen und kann sich nur an den äußeren m i t einer Durchsuchung verbundenen Befugnissen und tatsächlichen Handlungen orientieren. „Durchsuchung" ist danach die Suche i n der Wohnung 6 7 nach Personen, Sachen oder wissenswerten Tatbeständen 68 , bei der die staatlichen Durchsuchungsorgane — notfalls mit Gewalt — in die Wohnung eindringen und darin die zur Erreichung des Durchsuchungszweckes notwendigen Handlungen vornehmen dürfen. Diese Begriffsbestimmung ist insofern noch zu eng, als sie auf das rechtliche Dürfen der Durchsuchungsorgane abstellt; sie erfaßt nur die rechtmäßigen Durchsuchungen. Eine Durchsuchung ist aber ein tatsächlicher Vorgang, ohne Rücksicht auf seine Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit. Daher muß „Durchsuchung" definiert werden als die Suche in der Wohnung nach Personen, Sachen oder wissenswerten Tatbeständen, bei der ein Träger öffentlicher Gewalt in die Wohnung eindringt und darin die zur Erreichung des Durchsuchungszweckes notwendigen Handlungen vornimmt. Nach dieser Definition läge eine Durchsuchungsermächtigung dann nicht vor, wenn Staatsorgane i n die Wohnung nur eindringen, sie nur „betreten" dürfen 6 9 . Die Ausscheidung des bloßen Rechts zum Betreten einer Wohnung ist zwar theoretisch richtig, dürfte praktisch aber ohne Bedeutung sein. Denn das Betreten einer Wohnung ist für die Staatsorgane niemals Selbstzweck. Wenigstens w i r d damit ein Besichtigungsrecht verbunden sein, das regelmäßig die Befugnis einschließt, die Hindernisse auszuräumen, die sich der Besichtigung entgegenstellen. Damit liegt aber das zweite Durchsuchungselement bereits wieder vor: das Recht zur — notfalls gewaltsamen — Vornahme von Handlungen i n der Wohnung. Daher muß jede Ermächtigung zum Betreten einer Wohnung als Durchsuchungsermächtigung angesehen werden; jedes Betreten einer Wohnung durch ein Staatsorgan ist bereits eine Durchsuchung, da sich das staatliche Han67

I m umfassenden Sinne, vgl. oben § 2 Ziff. 5 am Ende S. 30. Sehr ähnlich die Definition bei Thomä, Auskunfts- u n d Betriebsprüfungsrecht S. 57; siehe auch Horz, Diss. S. 30. 69 So vor allem: v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 3 d) S. 407; Drews-Wacke, Polizeirecht § 12 Ziff. 1 u n d 2 S. 190, 192; w o h l auch Horz, Diss. S. 30, der aber auf S. 50 selbst Bedenken äußert; König, Polizeirecht i n Bayern S. 406/07; Ule-Rasch, P V G §§ 15—17 Rdnr. 179,187,188. 68

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dein i m Betreten niemals erschöpft und sich daran jeweils eine — wie auch immer geartete— „Suche" anschließt 70 . Die i n § 46 GWB getroffene Unterscheidung zwischen dem Recht zum Betreten und dem Recht zu einer Durchsuchung 71 ist deshalb unrichtig und wertlos, weil die Beauftragten der Kartellbehörde m i t Hilfe des bloßen Rechts zum Betreten die gewünschten Informationen nicht erlangen können. Die „Suche" muß sich anschließen; das bloße Betreten ist ein ungeeigneter und daher unzulässiger Eingriff 7 2 .

§ 9. Die Anforderungen des Art. 13 Abs. 2 an die Zulässigkeit von Durchsuchungen Nach A r t . 13 Abs. 2 dürfen Durchsuchungen „nur durch den Richter, bei Gefahr i m Verzuge auch durch die i n den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur i n der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden". I. Rechtsgrundlage für Durchsuchungen Jede staatliche Durchsuchung einer Wohnung ist ein Eingriff i n die Freiheit des Bürgers und bedarf als solcher wegen des lange anerkannten Gesetzesvorbehalts für Eingriffe i n Freiheit und Eigentum 7 3 der gesetzlichen Grundlage. Es fällt daher auf, daß A r t . 13 Abs. 2 — entgegen einer weit verbreiteten Ansicht 7 4 — keine ausdrückliche Bestimmung über die Qualität der gesetzlichen Grundlage (Gesetz i m formellen oder nur i m 70 Deshalb w i l l Forsthoff, i n : Festschrift f ü r Isay S. 101, jedes Betreten einer Wohnung (i. w . S.) als „Durchsuchung" i m Sinne des A r t . 13 Abs. 2 v e r standen wissen u n d i m m e r eine richterliche Durchsuchungsanordnung v e r langen. E r übersieht dabei jedoch A r t . 13 Abs. 3 u n d seine den Durchsuchungsbegriff einschränkende F u n k t i o n ; dazu unten 4. Abschnitt § 14 S. 129 ff. — Wie hier Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 73. 71 Vgl. oben I V S. 65 ff. 78 Z u r Geeignetheit als Unterfall der Verhältnismäßigkeit siehe Gentz N J W 1968,1603 u n d unten § 9 12 b) (2) S. 78. 78 Nachweise oben § 1 Fußnote 6. 74 Die herrschende Lehre geht ganz selbstverständlich davon aus, daß A r t . 13 Abs. 2 ein förmliches Gesetz als Rechtsgrundlage einer Durchsuchung verlange, ohne die Frage ausdrücklich zu erörtern u n d ohne dafür i m V e r fassungstext einen A n h a l t s p u n k t zu suchen. Vgl. z. B. v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 2 v o r a) S. 402 u n d I V d) S. 404; Wernicke , B K A r t . 13 Erl. I I 2 a) u n d b); Hamann, A r t . 13 Erl. B 3 u n d 5; Giese-Schunck, A r t . 13 Erl. 3; Brinkmann, A r t . 13 Erl. I 2 b cc); vor allem Horz, Diss. S. 36. Auch bei Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 80, w i r d nicht klar, ob sich seine Ausführungen n u r oder auch auf die Rechtsgrundlage f ü r Durchsuchungen beziehen oder lediglich auf die Subsidiärzuweisung bei Gefahr i m Verzug an nichtrichterliche Organe.

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materiellen Sinne, gesetztes Recht oder Gewohnheitsrecht) enthält. Art. 13 Abs. 2 sagt nicht, daß Durchsuchungen i n Gesetzen vorgesehen sein müssen oder nur auf Grund von Gesetzen vorgenommen werden dürfen. Das „Gesetz" erscheint nur i m Zusammenhang mit der Durchsuchungsanordnung und den Durchsuchungsformen, nicht aber als Rechtsgrundlage der Durchsuchung. Das ist um so merkwürdiger, als A r t . 13 Abs. 3 genaue Vorschriften über die Eingriffsgrundlage t r i f f t : Soweit es sich nicht u m die Abwehr von Gemeingefahren oder von Lebensgefahr für einzelne Personen handelt, sind Eingriffe und Beschränkungen nur auf Grund eines Gesetzes zulässig, das der Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dient. 1. Gesetz i m formellen und materiellen Sinne Es wäre verfehlt, aus der Nichterwähnung einer Rechtsgrundlage i n A r t . 13 Abs. 2 auf ihre Nichterforderlichkeit zu schließen. Nach herrschender Lehre fordert schon der i m Rechtsstaatsprinzip verankerte Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung eine gesetzliche Grundlage für die Durchsuchungen (Vorbehalt des Gesetzes)75, ohne allerdings eine abschließende Aussage darüber zu treffen, ob es sich um ein Gesetz i m formellen Sinne handeln muß und ob Gewohnheitsrecht immer ausgeschlossen ist 7 6 . a) Dem Vorbehalt des Gesetzes wäre Genüge getan, wenn man A r t . 13 Abs. 2 selbst als Eingriffsgrundlage ansehen könnte, so wie Art. 13 Abs. 3 i n seiner ersten Alternative unmittelbar von Verfassungs wegen zu Eingriffen bei Gemeingefahr und individueller Lebensgefahr ermächtigt 77 . A r t . 13 Abs. 2 t r i f f t Bestimmungen nur über die Anordnung, nicht aber über die Voraussetzungen einer Durchsuchung. Er ist daher viel zu unbestimmt, um eine hinreichende Rechtsgrundlage für Durchsuchungen abgeben zu können. Keinesfalls kann man A r t . 13 Abs. 2 dahin auslegen, daß 75 H. L., vgl. BVerfGE 8, 155 (166/67), 274 (325 f.); 13, 153 (160/61); B V e r w G E 2, 118 (119/20); Maunz-Dürig, A r t . 20 Rdnr. 130; W. Jellinek, Verwaltungsrecht S. 88, 122, 254; Maunz, Staatsrecht § 10 I I 3 d) S. 65. Etwas vorsichtiger w i l l Bettermann, i n : Rechtsschutz i m Sozialrecht S. 47, den Vorbehalt des Gesetzes anscheinend n u r soweit reichen lassen, w i e er durch die G r u n d rechtsverbürgungen der Verfassung gefordert w i r d , was aber m. E. zu eng ist; sollte bei den „Wächter"-Eingriffen nach A r t . 6 Abs. 2 Satz 2 keine gesetzliche oder wenigstens rechtssatzmäßige Grundlage erforderlich sein? 76 Theoretisch hat man zwar i m m e r ein Gesetz i m formellen und materiellen Sinne gefordert, es praktisch aber nie durchhalten können; siehe dazu vor allem Thoma, HdbDStR I I S. 222/23 u n d S. 227 ff. Die herrschende Lehre zu A r t . 115 W R V ließ jede Rechtsnorm, also auch Rechts Verordnungen u n d Gewohnheitsrecht, zur Einschränkung der Wohnungsfreiheit genügen, obwohl A r t . 115 W R V als verfassungskräftiger Ausdruck des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der V e r w a l t u n g verstanden w u r d e ; Nachweise oben § 1 Fußnote 5. 77 Dazu unten 3. Abschnitt § 11 S. 96 ff.

§ 9. Anforderungen d. A r t . 13 Abs. 2 an d. Zulässigkeit v. Durchsuchungen

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der Richter nach freiem Ermessen — gebunden allenfalls durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit — von sich aus Durchsuchungen zu allen denkbaren und möglichen Zwecken sollte anordnen dürfen 7 8 . b) Art. 13 Abs. 2 enthält aber indirekte Hinweise auf die Rechtsgrundlage einer Durchsuchung. Wenn er bei Gefahr i m Verzuge die Anordnung der Durchsuchung durch andere i n den Gesetzen vorgesehene Organe zuläßt und den Zwang zur Einhaltung der gesetzlichen Durchsuchungsformen betont, so kann man davon ausgehen, daß eben diese Gesetze nicht nur die Zuständigkeit zur Durchsuchungsanordnung und die Durchsuchungsformen, sondern auch die Durchsuchung selbst nach Zweck und Voraussetzungen regeln und zulassen müssen. Anderenfalls wären die subsidiäre Zuständigkeit und die Durchsuchungsformen gegenstandslos. Die Durchsuchung selber muß also in einem Gesetz vorgesehen sein 79 , nicht nur ihre Anordnung und die Formen ihrer Durchführung. c) Wenn das Grundgesetz i m Grundrechtsteil von „Gesetz" spricht, so besteht eine Vermutung dafür, daß es sich um ein Gesetz i m formellen Sinne handelt 8 0 . Das zeigt auch die Geschichte des Gesetzesvorbehalts für Eingriffe in Freiheit und Eigentum: Freiheitsbeschränkungen sollten nur durch die von den betroffenen Bürgern gewählten und mit Bürgern besetzten Parlamente zugelassen und geregelt werden. Daher hat man grundsätzlich ein Gesetz i m formellen Sinne gefordert 81 , wenn auch die Forderung nicht immer konsequent durchgehalten wurde 8 2 . Daß auch ein Gesetz i m materiellen Sinne notwendig ist und ein Gesetz i m nur formellen Sinne den Anforderungen einer Grundrechtseinschränkung i m allgemeinen und der Ermächtigung zu einer Durchsuchung i m besonderen nicht genügt, zeigt A r t . 19 Abs. 1 Satz 1, der ein allgemeines, nicht nur für 78 Das ginge auch an der Rechtsschutzfunktion des Richters vorbei, da dann die I n i t i a t i v e zu Durchsuchungen tatsächlich beim Richter läge u n d er auch zu Zweckmäßigkeitsentscheidungen genötigt wäre; dazu unten I I 1 S. 80/81 u n d I I 2 b) u n d c) S. 83 ff. F ü r A r t . 104 Abs. 2 ebenso Bettermann, i n : Die Grundrechte I I I / 2 S. 880. M i t Recht hält daher OVG Lüneburg DVB1. 1954, 719 auch Urteile des B V e r f G über das Verbot politischer Parteien (hier SRP) f ü r keine ausreichende Rechtsgrundlage zu Durchsuchungen bei „Ersatzorganisationen". 79 So auch Horz, Diss. S. 36, aber ohne die Problematik zu erkennen. 80 v. Mangoldt-Klein, A r t . 2 Erl. V I I 1 u n d 2 S. 189/90 u n d A r t . 19 Erl. I I I 3 S. 546 m i t Weiterverweisungen f ü r einzelne Grundrechte; Wernicke , B K A r t . 19 Erl. I I 1 b) u n d U l f ) sowie A r t . 2 Erl. I I 2 f); Hamann, A r t . 19 Erl. B 2 d); i m Ergebnis w o h l auch Maunz-Dürig, A r t . 2 Abs. 2 Rdnr. 7, der bei der Formulierung „auf G r u n d eines Gesetzes" Rechts Verordnungen dann nicht ausschließen w i l l , w e n n „die Eingriffsvoraussetzungen der Sache nach i n einem förmlichen Gesetz normiert" sind u n d die Rechtsverordnung n u r die näheren Einzelheiten ausgestaltet. A . A. offenbar Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 80. 81 Vgl. vor allem Thoma, Festgabe f ü r Otto Mayer S. 165 ff. 82 Siehe Thoma, HdbDStR I I S. 227 ff. u n d oben Fußnote 76.

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den Einzelfall geltendes Gesetz verlangt 8 3 . Durchsuchungen müssen also i n einem Gesetz i m formellen und materiellen Sinne vorgesehen sein 84 . Demgegenüber kann nicht eingewendet werden, A r t . 104 enthalte i n Abs. 1 Satz 1 und i n Abs. 2 Satz 1 ganz ähnliche Vorschriften wie Art. 13 Abs. 2, wenn er für Freiheitsentziehungen den Richtervorbehalt einführt und auf der Beachtung der gesetzlich vorgeschriebenen Formen insistiert. I n A r t . 104 Abs. 1 Satz 1 werde aber ausdrücklich ein förmliches Gesetz als Rechtsgrundlage verlangt, ,so daß man i m Wege des Umkehrschlusses für A r t . 13 Abs. 2 ein Gesetz bloß i m materiellen Sinne, also jedenfalls die Rechtsverordnung, wenn auch vielleicht nicht Gewohnheitsrecht, für ausreichend halten müsse 85 . Dieser Schluß ist nicht geeignet, die grundsätzliche Vermutung für die Notwendigkeit eines förmlichen Gesetzes bei Grundrechtseinschränkungen zu widerlegen. Zwar muß Art. 104 mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 zusammengelesen werden, ist also ein Grundrecht i m materiellen Sinne. Er hat aber seinen Standort i m X I . Abschnitt des Grundgesetzes über die Rechtspflege, nicht i m I. Abschnitt über die Grundrechte. Das Grundgesetz verwendet das Wort „Gesetz" insgesamt uneinheitlich, bald i m formellen, bald i m materiellen Sinne 86 . Die Vermutung dafür, daß ein förmliches Gesetz gemeint ist, besteht nur für den I. Abschnitt des Grundgesetzes, also bei den Grundrechten i m formellen Sinne, nicht für die übrigen Abschnitte. Daher war es notwendig und sinnvoll, i n Art. 104 für Freiheitsentziehungen ausdrücklich ein „förmliches Gesetz" zu verlangen und das bloße Wort „Gesetz" nicht genügen zu lassen. d) Eine Durchsuchung ist also nur zulässig, wenn sie i n einem förmlichen Gesetz vorgesehen ist. Die Durchsuchungsermächtigimg kann durch 83 Z u A r t . 19 Abs. 1 Satz 1 siehe: BVerfGE 7, 129 (150/51); 10, 234 (241 ff.); 13, 225 (228/29); 15, 126 (146/47); Wernicke , B K A r t . 19 Erl. I I 1 c) m i t Nachweisen; v. Mangoldt-Klein, A r t . 19 Erl. I I I 2 S. 543 m i t Nachweisen; Hamann, A r t . 19 Erl. B 3 u n d 4; Brinkmann, A r t . 19 Erl. I 2 m i t zahlreichen Nachweisen. 84 So ausdrücklich: Horz, Diss. S. 36; Giese-Schunck, A r t . 13 Erl. 3; SchmidtBleibtreu/Klein, A r t . 13 Rdnr. 4; Kaufmann, Der polizeiliche Eingriff S. 23. Das dürfte m i t der h. L. (vgl. oben Fußnote 74) übereinstimmen, die sich über die Frage jedoch keine Gedanken macht, u n d zwar z. T. deshalb, w e i l sie A r t . 13 Abs. 2 auf strafprozessuale Durchsuchungen beschränkt. 85 So offenbar Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 80, der auch Verordnungs- u n d Satzungsrecht sowie vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht ausreichen lassen w i l l u n d sich dafür auf A r t . 104 Abs. 1 beruft. 86 So sind nach A r t . 97 Abs. 1 die Richter nicht n u r dem förmlichen Gesetz, sondern jeder (gültigen) Rechtsnorm unterworfen; der „gesetzliche Richter" des A r t . 101 Abs. 1 Satz 2 ist nicht n u r der durch förmliches Gesetz, sondern auch gerade der auf der letzten Stufe durch autonome Gerichtssatzung bestimmte Richter; anders wieder A r t . 101 Abs. 2, der ein förmliches Gesetz verlangt. Vgl. dazu Bettermann, i n : Die Grundrechte I I I / 2 S. 532/33 m i t Nachweisen, S. 551, 561/62 u n d S. 574; siehe a u d i BVerfGE 18, 241 (257).

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Bundes-oder Landesgesetz erfolgen; der Bundes-und der Landesgesetzgeber sind in gleicher Weise zu Eingriffen i n die Wohnungsfreiheit legitimiert, der Landesgesetzgeber allerdings nur i n den Grenzen der A r t . 31 und 71 ff. 2. Materielle Anforderungen an das Gesetz Der Wortlaut des A r t . 13 Abs. 2 läßt nicht erkennen, ob das Grundgesetz dem zu einer Durchsuchung ermächtigenden Gesetzgeber materielle Schranken auferlegt hat, ob also Durchsuchungen nur zu bestimmten Zwecken zulässig sind oder der Gesetzgeber in seiner Zielsetzung frei ist und die materiellen Voraussetzungen einer Durchsuchung ungebunden selbst normieren kann 8 7 . a) (1) Man könnte daran denken, die Anforderungen des Art. 13 Abs. 3 auf die Durchsuchungen des Abs. 2 zu übertragen. Denn nach beiden Alternativen des Abs. 3 dürfen Eingriffe und Beschränkungen nur m i t einem bestimmten Ziel vorgenommen werden, nämlich zur Abwehr und Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung 8 8 . Da auch Durchsuchungen Eingriffe i n die Wohnungsfreiheit sind, müßten die eine Durchsuchung zulassenden Gesetze ebenfalls der A b wehr oder Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dienen. Art. 13 Abs. 3 wäre also der generelle, A r t . 13 Abs. 2 der darauf aufbauende spezielle Tatbestand. Dieser Gedankengang kann nicht überzeugen. Wenn Abs. 3 der generelle und Abs. 2 der spezielle Eingriffstatbestand hätte sein sollen, so hätte der systematische Aufbau der Schranken umgekehrt vorgenommen werden müssen. Der jetzige Abs. 3 hätte seinen richtigen Standort als Abs. 2, der jetzige Abs. 2 seinen richtigen Standort als Abs. 3 gehabt. Die Vorwegnahme der Durchsuchungen zeigt ihre Sonderstellung unter den Eingriffen i n die Wohnungsfreiheit und deutet darauf hin, daß die Voraussetzungen ihrer Zulässigkeit unabhängig von denen anderer Eingriffe geregelt werden sollten. Diese systematische Erwägung w i r d durch den Wortlaut des Abs. 3 gestützt. Er beginnt: „Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr . . . vorgenommen werden". „ I m übrigen" heißt: i n allen anderen Fällen, die keine Durchsuchungen sind 8 9 . 87 Daß der Gesetzgeber dabei an den Grundsatz der Bestimmtheit gebunden ist, ist selbstverständlich, vgl. dazu BVerfGE 1, 14 (45); 4, 352 (357); 6, 32 (42); 7, 129 (154), 282 (302); 8, 71 (76), 274 (302, 325/26); 11, 234 (237/38); 13, 153 (160/ ö l ) ; 17, 67 (82); 19,166 (177); 21, 209 (214/15), 245 (260/61). 88 Gemeine Gefahren u n d Lebensgefahr f ü r einzelne Personen (Art. 13 Abs. 3 1. Alternative) sind auch immer „dringende Gefahren für die öffentliche Sicherheit u n d Ordnung"; dazu unten 3. Abschnitt § 11 I S. 96 ff. u n d § 12 I I S. 111 ff. 89 Siehe oben § 71S. 52/53.

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Darin liegt eine Gegenüberstellung von Durchsuchungen und sonstigen Eingriffen und Beschränkungen, und es hätte sprachlich eines Zusatzes bedurft, um eine Verbindung zwischen ihnen herzustellen. Art. 13 Abs. 3 hätte dann lauten müssen: „Eingriffe und Beschränkungen dürfen auch i m übrigen nur zur A b w e h r . . . vorgenommen werden." (2) M i t einer anderen Argumentation versuchen Drews-Wacke 90, die materiellen Anforderungen des Abs. 3 an das zu Eingriffen ermächtigende Gesetz auf das eine Durchsuchung zulassende Gesetz nach Abs. 2 zu übertragen: Wenn Staatsorgane nur dazu ermächtigt seien, eine Wohnung zu betreten, liege noch keine Durchsuchung vor 9 1 . Daher könne sich das Betretungsrecht nur nach A r t . 13 Abs. 3 bemessen, der dafür — abgesehen von den Spezialfällen der ersten Alternative — ein Gesetz zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung als Rechtsgrundlage verlange. Wenn aber schon das Betreten an ein derartiges Gesetz gebunden sei, müsse es erst recht die Durchsuchung sein, die als Eingriff i n die Wohnungsfreiheit immer mit dem Betreten einer Wohnung gekoppelt sei. Auch diese Überlegung geht fehl. Es ist zwar richtig, daß jede Durchsuchung das Betreten der Wohnung voraussetzt und daß auch A r t . 13 Abs. 3 zum Betreten der Wohnung ermächtigt. Oben war aber bereits klargestellt, daß sich gegen die Wohnungsfreiheit gerichtete staatliche Maßnahmen i m bloßen Betreten niemals erschöpfen 92 , so daß auch Art. 13 Abs. 3 zu einem „Mehr" ermächtigen muß. Worin dieses „Mehr" liegt und wodurch es sich von den Durchsuchungen des Abs. 2 unterscheidet, kann hier noch nicht beantwortet werden 9 3 . M i t der unbrauchbaren Unterscheidung von bloßem Betreten als Minus und Durchsuchung als Plus läßt sich jedenfalls kein zwingender Schluß von den materiellen Eingriffsvoraussetzungen des Art. 13 Abs. 3 auf die des Art. 13 Abs. 2 herleiten. (3) Die materiellen Anforderungen des A r t . 13 Abs. 3 an die Zulässigkeit des zu einem Eingriff i n die Wohnungsfreiheit ermächtigenden Gesetzes können daher nicht auf die Durchsuchungen des Abs. 2 übertragen werden. Der Gesetzgeber ist vielmehr an bestimmte materielle Voraussetzungen für die Zulassung von Durchsuchungen nicht gebunden. b) Wenn auch der Gesetzgeber nicht bestimmte Voraussetzungen oder Zielsetzungen zu beachten braucht, so ist er doch nicht völlig frei i n der Frage, wann er eine Durchsuchung zulassen darf. Der Gesetzgeber ist bei 90 Drews-Wacke, Polizeirecht § 12 Ziff. 1 u n d 2 S. 190 u n d S. 192. Anklänge an diese Argumentation finden sich auch bei Ule-Rasch, P V G §§ 15—17 Rdnr. 183 u n d 187. 91 So auch v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 3 d) S. 407; Horz t Diss. S. 30. 91 Vgl. oben § 8 V I 5 S. 70/71. 93 Vgl. dazu unten 3. Abschnitt § 13 S. 124 ff. u n d 4. Abschnitt § 14 S. 129 ff.

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allen Grundrechtseingriffen an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden. Das ist heute allgemein anerkannt 9 4 , wenn auch i m einzelnen noch zweifelhaft und streitig ist, wie sich die Bindung des Gesetzgebers konkret auswirkt. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit oder das Übermaßverbot ist ein Oberbegriff, unter dem verschiedene Schranken zusammengefaßt sind und der — soll er tauglicher Bewertungsmaßstab für die Zulässigkeit einzelner Gesetze oder Maßnahmen sein — i n seine Elemente aufgeschlüsselt werden muß 9 5 . (1) Kein staatlicher Eingriff i n Grundrechte darf um seiner selbst willen erfolgen, da dann nicht nur kein vernünftiger, sondern überhaupt kein Grund für den Eingriff vorhanden ist und der ziellose Eingriff einer Schikane des Grundrechtsträgers gleichkommt 9 6 . Muß also die Grundrechtseinschränkung irgendwelche Ziele oder Zwecke verfolgen, so ist der Staat, der Gesetzgeber, i n der Ziel- und Zweckbestimmung grundsätzlich frei. Eine Bindung läßt sich nur negativ herausarbeiten: Eine gesetzliche Maßnahme ist dann unzulässig, wenn der unmittelbare Zweck oder das entferntere Ziel des Eingriffs verboten ist, Zweck und Ziel müssen also verfassungslegitim sein 97 . So wäre ein Gesetz, das die Unfruchtbarmachung krimineller und asozialer Bevölkerungsgruppen vorsähe, nach heutiger Auffassung wegen Verstoßes gegen A r t . 1 Abs. 1 verfassungswidrig 98 . Läßt dieses oder ein anderes Gesetz Wohnungsdurchsuchungen zum Zwecke der Ergreifung der asozialen Personen m i t dem Ziel ihrer Unfruchtbarmachung i n einem Krankenhaus zu, so wäre die — an sich nach A r t . 13 Abs. 2 zulässige — Durchsuchung trotz Neutralität des unmittel94 Grundlegend dazu Lerche, Übermaß u n d Verfassungsrecht, 1961, m i t u m fangreichen Nachweisen; weiter siehe: v. Krauss, Der Grundsatz der V e r hältnismäßigkeit i n seiner Bedeutung f ü r die Notwendigkeit des Mittels i m Verwaltungsrecht, 1955. Pohl, Ist der Gesetzgeber bei Eingriffen i n die G r u n d rechte an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden? 1959, gelangt zu einem negativen Ergebnis, was weitgehend an terminologischen V e r u n k l a r u n gen, vor allem an der Gleichsetzung von Zweckgemäßheit (gemeint: Geeignetheit) u n d Zweckmäßigkeit liegt, vgl. dort S. 17 ff. — Aus der umfangreichen Rechtsprechung vgl. n u r : BVerfGE 7, 377 (404 ff.); 9, 338 (345); 10, 89 (117), 354 (369); 11, 30 (42/43), 233 (239); 13, 97 (104ff.); 14, 19 (22); 15, 226 (234); 16, 147 (167), 194 (200/01); 17, 108 (117/18), 232 (242), 269 (276), 306 (313/14); 18, 353 (361/62); 19, 330 (336/37), 342 (347 ff.); 20, 150 (155 ff.); 21, 378 (388); 22, 114 (124), 180 (219/20). 95 Vgl. dazu Gentz N J W 1968, 1600 m i t zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG. 96 Vgl. BVerfGE 10, 264 (267/68) — andeutungsweise; 13, 97 (106); 18, 121 (132); 22, 21 (26/27); siehe auch B V e r w G DVB1. 1967, 379 (382 1. Sp.) = DöV 347. Lerche, Übermaß S. 224/25, sieht die Grundlosigkeit eines Eingriffs n u r als Problem des Willkürverbots, nicht auch als eines der Verhältnismäßigkeit an. 97 Dazu aus jüngster Zeit: BVerfGE 22, 180 (219/20). Ausführlich zur V e r fassungslegitimität des Eingriffs Gentz N J W 1968,1602 f. 98 Vgl. Maunz-Dürig, A r t . 1 Abs. 1 Rdnr. 35 u n d A r t . 2 Abs. 2 Rdnr. 32 m i t Nachweisen.

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baren Zweckes, der Ergreifung einer Person, wegen der Verbotenheit des entfernteren Zieles, der Unfruchtbarmachung, unzulässig. (2) Verfolgt eine staatliche Maßnahme einen erlaubten Zweck, so muß das angewandte M i t t e l zur Erreichung des Zweckes geeignet sein". Die Durchsuchung einer Wohnung ist also unzulässig, wenn sie der Ermittlung unbekannter Tatbestände dient, deren Aufklärung m i t einer Haussuchung gar nicht erreicht werden kann. (3) Eine Maßnahme, die erlaubten Zwecken dient und zur Zweckerreichung nicht ungeeignet ist, verstößt dann gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn sie nicht erforderlich ist 1 0 0 . Erforderlich ist sie dann nicht, wenn der Zweck auch ohne den Eingriff oder mit Hilfe eines weniger schweren und den Bürger weniger belastenden Eingriffs erreicht werden kann 1 0 1 . Eine Durchsuchung ist daher verfassungswidrig, wenn ihr Zweck durch einfache Befragung des Wohnungsinhabers oder anderer Personen oder durch Ermittlungen außerhalb der Wohnung ebensogut zu verwirklichen ist. (4) A u f der letzten Stufe muß bei einer geeigneten und erforderlichen Maßnahme m i t erlaubtem Zweck ein qualitativer Vergleich zwischen M i t t e l und Zweck angestellt werden. Eine Maßnahme ist unverhältnismäßig oder übermäßig, wenn das Interesse des Bürgers an der Nichtanwendung des Mittels gegenüber dem Interesse des Staates an der Erreichung des Zweckes eindeutig höher zu bewerten ist, wenn also die Mittel-Zweck-Relation eine Disproportionalität zwischen belastendem M i t t e l und erstrebtem Zweck aufweist 1 0 2 . Eine Durchsuchung ist daher unzulässig, wenn ihr Zweck unbedeutend und eindeutig geringer zu veranschlagen ist als das berechtigte Interesse des Bürgers an der Ungestörtheit seines Hausfriedens. (5) Durch die Bindung an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i n den soeben dargestellten Ausformungen scheint der Gesetzgeber nur noch 99 Vgl. BVerfGE 7, 377 (409, 410, 412); 9, 39 (57); 10, 89 (102/03); 13, 97 (113), 230 (234/35), 237 (239/40); 16, 147 (181, 183); 17, 306 (313/14); 19, 119 (126/27), 330 (337); 20, 162 (186/87, 204/05, 212/13); siehe auch Lerche, Übermaß S. 19, 76, 96. 100 Vgl. n u r aus neuerer Zeit BVerfGE 18, 315 (327), 353 (361/62); 19, 93 (96, 98/99), 303 (321/22), 330 (336/37, 340), 342 (347/48, 351/52); 20, 45 (49/50), 144 (147/ 48), 162 (186/87, 204/05, 212 ff., 223), 283 (295), 351 (361); 22, 114 (123). 101 Vgl. Lerche, Übermaß S. 19 ff. u n d i m einzelnen S. 162 ff. m i t Nachweisen; v. Krauss, Verhältnismäßigkeit S. 15, der aber nicht scharf genug zwischen Geeignetheit u n d Erforderlichkeit trennt; siehe auch Drews-Wacke, Polizeirecht § 18 Ziff. 5 d) S. 285/86. 102 Vgl. BVerfGE 1, 332 (348); 2, 226 (280/81); 6, 389 (439); 7, 377 (407); 9, 338 (345); 11, 234 (238/39); 13, 97 (104/05); 14, 76 (101), 221 (241 f.); 15, 226 (234); 17, 232 (244); 20, 45 (49/50), 144 (147/48). Weiter siehe Lerche, Übermaß S. 19, 22 u n d i m einzelnen S. 223 ff.; v. Krauss, Verhältnismäßigkeit S. 15 ff.; Gentz N J W 1968, 1604/05.

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unter besonderen Voraussetzungen Durchsuchungen zulassen zu dürfen. Diese Bindung hat jedoch ein weitaus geringeres Maß, als man bei oberflächlicher Betrachtung annehmen könnte 1 0 3 . Das zu einer Durchsuchung ermächtigende Gesetz muß ein Gesetz i m materiellen Sinne sein 1 0 4 , also die Durchsuchung generell und abstrakt zulassen. Demgemäß darf die Kontrolle des Gesetzgebers am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch nur generell und abstrakt vorgenommen werden. Nur wenn bei genereller Betrachtung, also für die Vielzahl der abstrakt geregelten Fälle, die Durchsuchung zu einem bestimmten Zweck das ungeeignete Mittel, wenn es generell nicht geeignet, generell nicht erforderlich und generell i n der Zweck-Mittel-Relation eindeutig übermäßig ist, nur dann hat der Gesetzgeber gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen und ist das eine Durchsuchung zulassende Gesetz verfassungswidrig 105 . Ob die auf Grund eines bestimmten Gesetzes vorgenommene individuelle und konkrete Durchsuchung, also der Einzelfall, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt, berührt die Zulässigkeit des dazu ermächtigenden Gesetzes nicht. Die individuelle Beurteilung ist den ausführenden und anordnenden Organen übertragen, also bei Durchsuchungen vor allem dem Richter 1 0 6 . Es w i r d daher nur sehr wenige Fälle geben, bei denen das zu einer Durchsuchung ermächtigende Gesetz gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt, weil bei genereller Betrachtung die Durchsuchung durchaus ein zur Zweckerreichung geeignetes, erforderliches und nicht übermäßiges M i t t e l sein wird. Nur die Gesetze werden übermäßig sein, die unter bestimmten Voraussetzungen und zu bestimmten Zwecken eine Durchsuchung nicht nur zulassen, sondern sie zwingend vorschreiben. Denn hier besteht die Gefahr, daß geeignete mildere M i t t e l nicht zur A n wendung gelangen können und auch unwichtige und nebensächliche Fälle vom Durchsuchungszwang erfaßt werden 1 0 7 . Demgemäß kennt das geltende Recht auch nur die Ermächtigung, nicht aber die Verpflichtung zur Vornahme einer Durchsuchung 108 . 103 Das hängt auch damit zusammen, daß die materielle Beweislast f ü r die Geeignetheit, Erforderlichkeit u n d Verhältnismäßigkeit (i. e. S.) i m allgemeinen zugunsten des Gesetzgebers ausfallen dürfte, vgl. dazu Gentz N J W 1968, 1606 f. 104 Siehe oben 1 1 S. 72 ff. 105 Diese aus der N a t u r der Gesetzes folgende Einschränkung, die dem G r u n d satz der Verhältnismäßigkeit dem Gesetzgeber gegenüber einen Teil seiner Schärfe n i m m t , w i r d häufig verkannt. M i t aus diesem G r u n d gelangt Pohl, Ist der Gesetzgeber usw. S. 97 ff., zur Ablehnung einer Bindung des Gesetzgebers an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 106 Dazu unten I I 2 c) S. 84/85. 107 Was der Richtervorbehalt gerade verhindern soll, vgl. unten I I 1 S. 80/81 u n d I I 2 c) u n d d) S. 84 ff.; außerdem siehe Gentz N J W 1968,1605 f. 108 Vgl. die gesetzlichen Beispiele oben § 8 S. 59 ff.

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3. Durchsuchungen müssen i n einem förmlichen Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen sein. Das Gesetz braucht keine von der Verfassung vorherbestimmten materiellen Voraussetzungen zu erfüllen, insbesondere braucht es nicht der Abwehr oder Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu dienen. Der Gesetzgeber ist bei der Zulassung von Durchsuchungen an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden. IL Die Anordnung der Durchsuchung Art. 13 Abs. 2 behält die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vor; nur i n Ausnahmefällen dürfen auch andere Staatsorgane eine Durchsuchung anordnen. 1. Allgemeines zur Bedeutung des Richtervorbehalts Das Grundgesetz kennt die Vorschaltung eines Richters vor der Ausführung einer staatlichen Maßnahme außer i n A r t . 13 Abs. 2 noch i n A r t . 104 Abs. 2 Satz l 1 0 9 . Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung soll der Richter entscheiden, und zwar grundsätzlich bevor die Freiheitsentziehung vorgenommen wird. Die Funktion des Richters, der vor der Durchführung von belastenden Eingriffen entscheidet, liegt i n der Gewährung präventiven Rechtsschutzes 110 . Normalerweise w i r d der Richter auf Anrufung des betroffenen Bürgers repressiv tätig (Art. 19 Abs. 4), während er bei Art. 13 Abs. 2 und A r t . 104 Abs. 2 Satz 1 auf Initiative des die Durchsuchung oder Freiheitsentziehung planenden Staatsorgans präventiv eingeschaltet wird. Die Gewährung präventiven Rechtsschutzes kostet Zeit und Arbeit und w i r d sich vielfach als Hemmnis für die Verwaltung auswirken. Sie ist neben dem — auch bei Durchsuchungen und Freiheitsentziehungen nicht ausgeschlossenen111 — repressiven Tätigwerden des Richters nur zu rechtfertigen, wenn der geplante staatliche Eingriff besonders schwerwiegend 1 1 2 und bei Rechtswidrigkeit durch eine nachträgliche richterliche Kontrolle nicht mehr gutzumachen ist. 109 Weitere Richtervorbehalte i n A r t . 18, 21 Abs. 2, 97 Abs. 2 Satz 1, 98 Abs. 2 u n d Abs. 5. 110 Vgl. dazu insbesondere Bettermann, i n : Die Grundrechte I I I / 2 S. 781 u n d S. 872 ff.; ders. i n : Festschrift f ü r Kyriacopoulos S. 91. 111 Vgl. f ü r A r t . 104 Abs. 2 Bettermann, i n : Die Grundrechte I I I / 2 S. 893 u n d allgemein dazu S. 814. Der repressive Rechtsschutz ist bei vorangegangener richterlicher Entscheidung aber auf die Prüfung beschränkt, ob sich das Exekutivorgan i m Rahmen der (präventiven) richterlichen Entscheidung gehalten hat u n d ob die A r t der Durchführung rechtmäßig w a r ; siehe dazu Bettermann a.a.O. m i t Nachweisen auch f ü r abweichende Auffassungen. 112 Das Gewicht des Eingriffs betont auch Bettermann, i n : Die Grundrechte I I I / 2 S. 781; ders. i n : W D S t R L Heft 17 S. 173 u n d S. 175. Vgl. auch BVerfGE 19, 93 (98/99) zu den verfahrensrechtlichen Sicherungen bei Entmündigung u n d

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Die Freiheitsentziehung ist eine einschneidende Maßnahme, die durch die spätere Wiederfreilassung und eine Entschädigung für materielle Schäden nicht beseitigt werden kann. Daher soll nach A r t . 104 Abs. 2 Satz 1, bevor ein so gravierender Grundrechtseingriff vorgenommen wird, ein unabhängiges Organ, der Richter, die Zulässigkeit der Maßnahme prüfen 1 1 3 , damit der Bürger nicht vorschnell und zu Unrecht festgehalten wird. Auch bei Durchsuchungen liegt ein Grundrechtseingriff vor, der — einmal ausgeführt — durch die nachträgliche richterliche Feststellung seiner Unzulässigkeit nicht aus der Welt zu schaffen und durch eine Entschädigung nicht auszugleichen ist. Effektiven Rechtsschutz kann der Richter bei Durchsuchungen und bei Freiheitsentziehungen nur dann gewähren, wenn er vor ihrer Ausführung, also präventiv tätig wird. Bei anderen Grundrechten läßt sich ein unzulässiger Eingriff durch die repressive Kontrolle des Richters ebensowenig beseitigen. Eine rechtswidrige Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses w i r d nicht dadurch aufgehoben, das Geheimnis w i r d nicht dadurch wieder hergestellt, daß der Richter nachträglich die Beschränkung für unzulässig erklärt 1 1 4 . Eine rechtswidrig aufgelöste Versammlung w i r d häufig nicht mehr nachzuholen sein, wenn der Richter später die Unzulässigkeit der Auflösung festgestellt h a t 1 1 5 . Gleichwohl läßt das Grundgesetz hier den repressiven Rechtsschutz genügen, während es bei A r t . 13 Abs. 2 und A r t . 104 Abs. 2 Satz 1 präventiven Rechtsschutz fordert. Offenbar hält das Grundgesetz Freiheitsentziehungen und Durchsuchungen für schwererwiegend und gefährlicher als andere Grundrechtseingriffe, bei denen eine echte Wiedergutmachung der rechtswidrigen Freiheitsverkürzung auch nicht möglich, trotzdem aber eine präventive Richterkontrolle nicht vorgeschrieben ist 1 1 6 . I n dieser grundgesetzlichen Wertung liegt eine gewichtiges Indiz für den Durchsuchungsbegriff des A r t . 13 Abs. 2. Anordnung einer Gebrechlichkeitspflegschaft; BVerfGE 22, 49 (80/81), wonach die Verhängung von Kriminalstrafen wegen i h r e r Gewichtigkeit i n jedem Falle dem Richter vorbehalten sein soll. 113 Vgl. BVerfGE 9, 89 (97); Bettermann, i n : Die Grundrechte I I I / 2 S. 781 u n d speziell f ü r t A r t . 104 Abs. 2 S. 879/80; siehe auch BVerfGE 16,194 (201); Dagto-

glou, BK Art. 13 Rdnr. 74.

114 Bei Eingriffen i n das Brief- u n d Postgeheimnis ist nach § 100 Abs. 3 u n d § 110 StPO f ü r die Eröffnung u n d Durchsicht von Papieren u n d Postsendungen auch der Richter zuständig, u n d zwar grundsätzlich ausschließlich. Diese Richterkontrolle ist aber verfassungsrechtlich nicht geboten. 115 E t w a dann, w e n n eine Wahlversammlung am Abend v o r der W a h l so kurzfristig aufgelöst w i r d , daß auch m i t einer Wiederherstellung des Suspensiveffektes nach § 80 Abs. 5 V w G O oder einer einstweiligen A n o r d n u n g nach § 123 V w G O nicht mehr zu helfen ist. 116 Z u dieser Wertung vgl. Bettermann, i n : Die Grundrechte I I I / 2 S. 781 u n d S. 879; siehe auch Maunz-Dürifif, A r t . 104 Rdnr. 23; Holtkotten, B K A r t . 104 Erl. I I C 1.

6 Gentz

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2. Die richterliche Durchsuchungsanordnung a) A r t . 13 Abs. 2 schreibt zwingend vor, daß die Durchsuchungsanordnung von einem Richter getroffen werden muß; er sagt aber nicht, welcher Richter dafür zuständig ist. Da nach dem Grundgesetz Richter und Gerichtsbarkeiten einander gleichwertig sind und nicht dem einen Richter vor dem anderen oder der einen Gerichtsbarkeit vor der anderen der Vorrang gebührt 1 1 7 , ist es Sache des Gesetzgebers, den zuständigen Richter zu bestimmen. Wenn der Gesetzgeber keine ausdrückliche Regelung für die Anordnung der Durchsetzung erlassen hat, so ist das zu einer Durchsuchung ermächtigende Gesetz auch nicht etwa wegen Fehlens des Richtervorbehalts nichtig, sondern w i r d unmittelbar durch A r t . 13 Abs. 2 ergänzt 1 1 8 . Der zuständige Richter bestimmt sich dann nach allgemeinem Gerichtsverfassungsrecht 119 . Ohne ausdrückliche Regelung ist somit der Richter zuständig, der vom Bürger zur Gewährung repressiven Rechtsschutzes angerufen werden müßte. Dem Gebot richterlicher Durchsuchungsanordnung ist Genüge getan, wenn der Einzelrichter entscheidet; es ist verfassungsrechtlich nicht erforderlich, daß die Durchsuchungsanordnung von einem Kollegialgericht erlassen wird. Dazu w i r d das Fehlen einer speziellen gesetzlichen Regelung jedoch häufig führen. Bei verwaltungsrechtlichen Durchsuchungen müßte die Kammer des Verwaltungsgerichtes (§ 45 VwGO) i n der Besetzung von mindestens drei Mitgliedern entscheiden (§ 4 Abs. 3 Satz 2 VwGO), bei abgabenrechtlichen Durchsuchungen der Senat des Finanzgerichts (§ 35 FGO) i n der Besetzung von ebenfalls mindestens drei 117 Vgl. BVerfGE 4, 331 (344), 12, 326 (333); Holtkotten, B K A r t . 96 Erl. I I 5 b); siehe auch Bettermann, i n : Die Grundrechte I I I / 2 S. 628 ff.; Maunz-Dürig, A r t . 104 Rdnr. 30 u n d A r t . 19 Abs. 4 Rdnr. 39 m i t weiteren Nachweisen. 118 Ebenso Horz, Diss. S. 52; Hamann, A r t . 13 Erl. B 4. So hatte man auch bei A r t . 104 Abs. 2 entschieden, vgl. BVerfGE 10, 302 (329/30); Bettermann, in: Die Grundrechte I I I / 2 S. 886 ff. m i t Nachweisen; Kern, i n : Die Grundrechte I I S. 72 m i t Nachweisen; Maunz-Dürig, A r t . 104 Rdnr. 30 m i t Nachweisen. — Gegen die unmittelbare Anwendbarkeit des A r t . 13 Abs. 2 neuerdings Knemeyer N J W 1967, 1356, der eine Durchsuchungsermächtigung, der der Richtervorbehalt fehlt, f ü r nichtig hält. Diese Ansicht ist m. E. n u r f ü r nachkonstitutionelle Gesetze u n d auch dann n u r vertretbar, w e n n der Gesetzgeber die richerliche Durchsuchungsordnung hat ausschließen wollen, nicht aber dann, w e n n er nicht gemerkt hat, daß er zu einer Durchsuchung i m Sinne des A r t . 13 Abs. 2 ermächtigt hat. Bezeichnenderweise setzt sich Knemeyer a.a.O. m i t den ganz ähnlichen Problemen bei A r t . 104 Abs. 2 u n d der dazu ergangenen L i t e r a t u r u n d Rechtsprechung nicht auseinander. 119 Ebenso Horz, Diss. S. 32. F ü r A r t . 104 Abs. 2, jeweils m i t zahlreichen Nachweisen, w i e hier: Bettermann, i n : Die Grundrechte I I I / 2 S. 889/90; a. A. Kern, i n : Die Grundrechte I I S. 72/73, der A r t . 19 Abs. 4 entsprechend anwenden w i l l (dagegen ausdrücklich Bettermann a.a.O.); Maunz-Dürig, A r t . 104 Rdnr. 30, der die Amtsgerichte u n d die Verwaltungsgerichte nebeneinander f ü r zuständig h ä l t ; Holtkotten, B K A r t . 104 Erl. C 3 c), der jeden Richter für zuständig erklärt.

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Richtern (§ 4 Abs. 3 Satz 2 FGO) 1 2 0 . Ob es zweckmäßig ist, die Durchsuchungsanordnung durch ein Kollegialgericht treffen zu lassen, erscheint zweifelhaft, da die Entscheidung i m allgemeinen schnell ergehen muß. Daher entscheidet über strafprozessuale Durchsuchungen auch grundsätzlich der Amtsrichter als Einzelrichter (§ 162 StPO) 1 2 1 . Für künftige spezialgesetzliche Regelungen sollte die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 2 VereinsG als Vorbild herangezogen werden. Danach t r i f f t die richterliche Durchsuchungsanordnung der Vorsitzende oder ein von i h m bestimmtes Mitglied des Verwaltungsgerichts. b) Der zuständige Richter hat bei der Anordnung der Durchsuchung präventiven Rechtsschutz zu gewähren, also ebenso wie bei repressivem Tätigwerden eine reine Rechtsentscheidung zu treffen. Der Richter w i r d nicht auf eigene Initiative h i n tätig, sondern auf Antrag des für die Durchführung einer Durchsuchung zuständigen oder daran interessierten Staatsorgans 122 . Diesen Antrag hat der Richter daraufhin zu überprüfen, ob die geplante Durchsuchung zulässig ist oder nicht. Hält er die beantragte Durchsuchung für rechtmäßig, so hat er die Anordnung zu erlassen, hält er sie für rechtswidrig, so hat er sie zu versagen. Über die Zweckmäßigkeit der Maßnahme hat der Richter nicht zu entscheiden, wenn er nicht durch das die Durchsuchung zulassende Gesetz ausdrücklich dazu ermächtigt ist 1 2 3 . Durch die richterliche Durchsuchungsanordnung w i r d für das beantragende Staatsorgan i n der Regel nur das Recht, aber keine Pflicht begründet, die „angeordnete" Durchsuchung tatsächlich vorzunehmen. Inhalt der Entscheidung ist der Ausspruch über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Durchsuchung; die Durchsuchungsanordnung ist 120

I n beiden Fällen Beschlußbesetzung außerhalb der mündlichen V e r handlung. 121 Auch bei einer gerichtlichen Voruntersuchung entscheidet der U n t e r suchungsrichter als Einzelrichter, § 184 StPO. Erst i m Zwischen- u n d Hauptverfahren (§§ 198 ff. StPO) k a n n auch ein Kollegialgericht (Schöffengericht, Strafkammer, O L G oder BGH) über die Anordnung einer etwa noch vorzunehmenden Durchsuchung entscheiden, vgl. H. Müller, i n : K M R StPO § 105 Erl. 1 a) aa) i n Verbindung m i t § 98 Erl. 3 a); Dünnebier, i n : Löwe-Rosenberg, StPO §§ 105— 107 Erl. I 1 i n Verbindung m i t § 98 Erl. I I 1 a). I n diesem Verfahrensstadium dürften Durchsuchungen aber n u r noch sehr selten angeordnet werden. 122 Bettermann, „Rechtsprechung" i m Ev. Staatslexikon Sp. 1715, u n d i n : Jellinek-Gedächtnisschrift S. 371/72, hält die Passivität des Richters geradezu f ü r ein notwendiges Korrelat seiner N e u t r a l i t ä t ; vgl. auch Bettermann AöR 92, 506 ff. 123 A . A . anscheinend BVerfGE 20, 162 (186, 189), w e n n dort v o m Ermessen des Richters bei der Durchsuchungsanordnung gesprochen w i r d . F ü r A r t . 104 Abs. 2 w i e hier: Bettermann, i n : Grundrechte I I I / 2 S. 892; Hamann, A r t . 104 Erl. B 5; w o h l auch BVerfGE 16,194 (201). A . A . f ü r A r t . 104 Abs. 2: B a y O b L G Z 6, 425 (428); Bad.-Württ. V G H i n E S V G H 3, 161; V G Freiburg DVB1. 1951, 313 (316); möglicherweise auch BVerfGE 10, 302 (310); Maunz-Dürig, A r t . 104 Rdnr. 28. 6*

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damit eine A r t Unbedenklichkeitsbescheinigung, die für die Verwaltung nur Handlungsrechte, aber keine Handlungspflichten begründet 1 2 4 . Es handelt sich also i n Wahrheit um keine Anordnung, sondern eine Zulassung. Ob die beantragte und vom Richter „angeordnete" Durchsuchung durchgeführt w i r d oder nicht, ist häufig eine Frage der Zweckmäßigkeit, über die der Richter grundsätzlich nicht mehr zu befinden hat. Daher ist es zulässig, wenn sich die Verwaltung vorsorglich einen Haussuchungsbefehl, eine richterliche Durchsuchungsanordnung, beschafft, sich aber noch die Entscheidung vorbehält, ob sie davon tatsächlich Gebrauch machen w i l l oder nicht 1 2 5 . Etwas anderes kann aber i n den Gesetzen vorgesehen sein. Dem Richter kann auch die abschließende Entscheidung über das Ob einer Durchsuchung übertragen werden, so daß dann tatsächlich eine richterliche Durchsuchungsanordnung vorliegt. Das ist z.B. regelmäßig der Fall, wenn i m Strafprozeß nach Eröffnung des Hauptverfahrens noch eine Durchsuchung beschlossen w i r d 1 2 6 . c) Entscheidungsmaßstab des Richters ist i n erster Linie das Gesetz, das zu der beabsichtigten Durchsuchung ermächtigt und ihre Voraussetzungen regelt. I n der Überprüfung der spezialgesetzlichen Durchsuchungsvorschriften erschöpft sich die richterliche Tätigkeit jedoch nicht. Zur Rechtmäßigkeit einer Durchsuchung gehört außer dem Vorliegen der gesetzlichen Durchsuchungsvoraussetzungen die Wahrung des i n den Gesetzen meist nicht oder nur unvollkommen ausgeformten, aber verfassungskräftigen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit i n allen seinen Elementen 1 2 7 . Der Richter hat also zu entscheiden, ob die geplante Durchsuchung erlaubten Zwecken dient, ob sie ein zweckgeeignetes und erforderliches M i t t e l ist und ob sie i n der Zweck-Mittel-Relation kein Mißverhältnis aufweist. Der Bewertungsmaßstab des Richters ist individuell und konkret, während der Bewertungsmaßstab für den Gesetzgeber generell und abstrakt w a r 1 2 8 . War für den Gesetzgeber die Gefahr einer Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit noch 124 Ebenso f ü r A r t . 104 Abs. 2 Bettermann, i n : Die Grundrechte I I I / 2 S. 883 m i t Nachweisen. 125 Das bedeutet jedoch nicht, daß sich die V e r w a l t u n g Haussuchungsbefehle „ a u f V o r r a t " beschaffen könnte. Jeder Haussuchungsbefehl hat eine konkrete, demnächst auszuführende Durchsuchung zum Gegenstand, die zeitlich n u r i n eng begrenztem Rahmen aufgeschoben werden kann. — Z u den rechtsstaatlichen (Bestimmtheits-)Erfordernissen einer Durchsuchungsanordnung vgl. B V e r f G E 20,162 (223 ff.). 129 Denn dann ist das Gericht H e r r des Verfahrens. Seine Beweisbeschlüsse k a n n es zwar selbst nachträglich ändern (vgl. Geier, i n : Löwe-Rosenberg, StPO § 244 Erl. 24), sie sind aber f ü r alle anderen Verfahrensbeteiligten, z. B. die m i t der Durchführung der Durchsuchung beauftragten Organe, bindend. 127 Siehe oben 12 b) S. 76 ff.; vgl. auch Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 85. 128 Siehe oben 12 b) (5) S. 78/79.

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relativ gering, so erhöht und verdichtet sich die Gefahr für die einzelne beabsichtigte Durchsuchung erheblich. Je genereller und abstrakter das Gesetz eine Durchsuchung zuläßt, je allgemeiner und unbestimmter der Durchsuchungszweck gefaßt und je großzügiger die Durchsuchungsvoraussetzungen geregelt sind, desto größer w i r d die Gefahr der Unverhältnismäßigkeit und damit der Rechtswidrigkeit einer konkreten Durchsuchung, auch wenn ihre gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Aus der Anfälligkeit für Verstöße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei einer konkreten Durchsuchung gewinnt der Richtervorbehalt seine Funktion und Bedeutung 1 2 9 . Der Richter hat gerade auf die Wahrung der Verhältnismäßigkeit i m Einzelfall zu achten, er w i r d vor allem die Erforderlichkeit und die Proportionalität der konkreten Durchsuchung i n der Zweck-Mittel-Relation 1 3 0 gründlich zu untersuchen haben. Für diese Kontrolle ist der Richter auch geeigneter als das an der Durchsuchung interessierte und zumeist m i t ihrer Ausführung betraute Verwaltungsorgan. Der Richter als Träger der dritten Gewalt hat kein eigenes Interesse an der Durchsuchung und kann daher unbefangener werten. Bei der Wahrung der Verhältnismäßigkeit geht es fast immer u m schwierige Wertungen, während das Vorliegen der gesetzlichen Durchsuchungsvoraussetzungen häufig anhand leicht feststellbarer Tatsachen bestimmt werden k a n n 1 3 1 . Daher könnte die bloße Prüfung, ob alle ausdrücklich i m Gesetz geregelten Durchsuchungsvoraussetzungen erfüllt sind, vielfach ohne Schaden der Verwaltung überlassen bleiben. I n der Kontrolle am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bewährt sich die Neutralität des Richters, hier liegt seine entscheidende Funktion bei der Durchsuchungsanordnung und seine besondere Verantwortlichkeit als persönlich und sachlich unabhängiges Staatsorgan 132 . 129 Das betont m i t Recht auch das B V e r f G i n : E 9, 89 (96 ff.); 10, 302 (310); 16, 194 (200 ff.); 17, 108 (117 ff.); 19, 342 (349, 351); 20, 162 (186/87, 198 ff., 223 ff.); B V e r f G DVB1.1968,83; vgl. auch B V e r w G N J W 1967, 2373. 130 Diesen Fragen w i d m e t das B V e r f G i n der Spiegel-Entscheidung E 20, 162 (213 ff.) besondere Aufmerksamkeit. 181 Siehe z. B. die Voraussetzungen einer Durchsuchung nach § 758 ZPO, oben § 8 V c) S. 68. 132 Dazu Bettermann, i n : Die Grundrechte I I I / 2 S. 525 (531 ff., 575 ff.). I n BVerfGE 9, 89 (97) u n d bei Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 74, w i r d als Sinn des Richtervorbehalts die Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen einer Durchsuchung m. E. zu sehr i n den Vordergrund geschoben u n d die Verhältnismäßigkeitskontrolle demgegenüber zu wenig betont. — Die Bedeutung der Verhältnismäßigkeitskontrolle durch den Richter hat Noack, M D R 1967, 895, an sich richtig erkannt, w e n n er i n Zweifelsfällen wegen des Übermaßverbots den Gerichtsvollzieher (§ 758 ZPO) f ü r verpflichtet hält, eine richterliche Durchsuchungsanordnung beizubringen. N u r ist seine Ansicht insofern v e r fehlt, als er § 758 ZPO nicht als einen F a l l des A r t . 13 Abs. 2 ansieht. Schwierigkeiten bei der Verhältnismäßigkeitsabwägung allein können keinesfalls einen Richtervorbehalt auslösen.

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d) Echter präventiver Hechtsschutz m i t einer sachgerechten Verhältnismäßigkeitskontrolle ist durch den Richtervorbehalt nur gewährleistet, wenn die Durchsuchung i n jedem Einzelfall auf ihre Zulässigkeit h i n überprüft wird. Daher muß die richterliche Durchsuchungsanordnung immer eine Spezialanordnung sein, die konkludente Feststellung über das Vorliegen der gesetzlichen Durchsuchungsvoraussetzungen reicht nicht aus 1 3 8 . Deshalb enthält die rechtskräftige Verurteilung eines Schuldners noch nicht die Anordnung einer Dursuchung nach § 758 ZPO 1 3 4 . Es liegt zwar ein richterliches Urteil vor, und durch seine Entscheidung hat der Richter die Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung und damit für eine Durchsuchung nach § 758 ZPO geschaffen. Gleichwohl hat er die Zulässigkeit der daraufhin vorgenommenen konkreten Durchsuchung, insbesondere ihre Verhältnismäßigkeit oder UnVerhältnismäßigkeit nicht geprüft 1 3 5 . I m Urteil hat der Richter nur über einen Anspruch und seine generelle Vollstreckbarkeit entschieden, aber noch nicht über die Zulässigkeit einer einzelnen Vollstreckungsmaßnahme. Die Notwendigkeit der richterlichen Spezialordnung und die Bedeutung der richterlichen Verhältnismäßigkeitskontrolle hat das Bundesverfassungsgericht verkannt, wenn es die i m Verfahren nach § 766 ZPO ergangene allgemeine gerichtliche Anweisung an den Gerichtsvollzieher, er solle die Zwangsvollstreckung durchführen, als Durchsuchungsanordnung ausreichen ließ und die auf Verletzung des A r t . 13 gestützte Verfassungsbeschwerde als offensichtlich unbegründet verwarf 1 3 6 .

133 Bettermann, i n : Die Grundrechte I I I / 2 S. 895. Horz, Diss. S. 42, fordert zwar eine ausdrückliche richterliche Durchsuchungsanordnung, stellt aber noch nicht genügend auf den Einzelfall ab. Grundsätzlich w i e hier auch K n e meyer N J W 1967,1355. 134 Ebenso Bettermann a.a.O. u n d Horz a.a.O. m i t dem Hinweis auf die nichtrichterlichen Vollstreckungstitel, z. B. § 794 ZPO. 135 Das verkennt Horz a.a.O., w e n n er sagt, der Richter könne am Schluß jedes Urteils die Genehmigung zu einer Durchsuchung erteilen. Diese routinemäßige Durchsuchungsordnung ist eben i n Wahrheit keine Spezialanordnung, w e i l sie nicht auf den konkreten Einzelfall eingeht. is« BVerfGE 16, 239. Wenn Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 99, u n d Knemeyer, N J W 1967, 1355, der Entscheidung zustimmen, so ist daran so viel richtig, daß eine ausreichende richterliche Durchsuchungsanordnung vorliegen kann, wenn m i t bestimmten, v o m Richter zugelassenen oder befohlenen Maßnahmen das Betreten der Wohnung notwendig oder doch höchst wahrscheinlich verbunden ist; Beispiele dafür bei Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 102, 103. Wenngleich bei der Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher häufig Durchsuchungen vorkommen dürften, reichte i n dem zitierten Verfahren die Anweisung nach § 766 ZPO, der Gerichtsvollzieher solle vollstrecken, deshalb nicht aus, w e i l das Vollstreckungsgericht offensichtlich n u r die gesetzlichen Vollstreckungsvoraussetzungen, nicht aber die Verhältnismäßigkeit einer eventuellen Durchsuchung geprüft hatte. Das B V e r f G hätte die Verfassungsbeschwerde jedenfalls nicht als „offensichtlich unbegründet" verwerfen dürfen.

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3. Die Durchsuchungsanordnung bei Gefahr i m Verzug Bei Gefahr i m Verzuge dürfen auch andere, d.h. nichtrichterliche Organe eine Durchsuchung anordnen, sofern sie dazu gesetzlich ermächtigt sind. a) Gefahr i m Verzuge liegt immer dann und nur dann vor, wenn durch das Abwarten der richterlichen Entscheidung der Zweck einer geplanten Durchsuchung vereitelt zu werden droht 1 3 7 , wenn also die richterliche A n ordnung nicht abgewartet werden kann. Dabei muß es sich um eine konkrete, unmittelbar bevorstehende Gefahr handeln, die entfernte Möglichkeit einer Zweckvereitelung reicht nicht aus 1 3 8 . Entsprechend dem Ausnahmecharakter 139 der subsidiären Anordnungsbefugnis bei Gefahr i m Verzug müssen konkrete, durch Tatsachen belegte Anhaltspunkte für die Gefahr der Zweckvereitelung vorhanden sein. Daher w i r d ohne besondere Umstände Gefahr i m Verzug nicht dadurch begründet, daß der Wohnungsinhaber sich einer Durchsuchung seiner Wohnung ohne richterliche Anordnung widersetzt. Da er zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet ist, eine Durchsuchung freiwillig zu dulden 1 4 0 , kann seine berechtigte Weigerung für sich allein nicht als Gefahr begründender Umstand gewertet werden 1 4 1 . b) Die Ermächtigung nichtrichterlicher Staatsorgane zur Anordnung einer Durchsuchung muß i n einem förmlichen Gesetz vorgesehen sein, die Ermächtigung i n Rechtsverordnungen, Satzungen oder durch Gewohnheitsrecht reicht nicht aus 1 4 2 ; A r t . 13 Abs. 2 enthält einen Kompe137 v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 2 e) S. 404; Wernicke , B K A r t . 13 Erl. I I 2 b); Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 76; Leisner, „Wohnung" i m Ev. Staatslexikon Sp. 2585; Thomä, Auskunfts- u n d Betriebsprüfungsrecht S. 87; Kaufmann, Der polizeiliche E i n g r i f f S. 97/98. — Ebenso w i r d der Begriff i m Polizeirecht u n d i n der Strafprozeßordnung (§§ 104 Abs. 1, 105 Abs. 1) verwendet, vgl. DrewsWacke, Polizeirecht § 7 Ziff. 4 S. 114; Dünnebier, i n : Löwe-Rosenberg, StPO § 104 Erl. 3 b). 138 Die Gefahr muß durch Tatsachen belegt sein. Das w i l l w o h l auch Brinkmann, A r t . 13 Erl. I 2 b) bb), ausdrücken, w e n n er von dem „ w i r k l i c h e n oder sehr wahrscheinlichen Verzug der richterlichen Anordnung" spricht. 139 v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 2 a) S. 402; Hamann, A r t . 13 Erl. B 5; Wernicke, B K A r t . 13 Erl. I I 2 b). Nach Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 76, der sich dafür auf Horz, Diss. S. 34, beruft, stellt die nichtrichterliche Durchsuchungsordnung wegen Gefahr i m Verzug i n der Praxis nicht die Ausnahme, sondern die Regel dar. Sollte das zutreffen, so beweist das nicht die Unrichtigkeit des i m Grundgesetz verankerten Regel-Ausnahme-Verhältnisses, sondern n u r ein zu weitherziges Verständnis der „Gefahr i m Verzug" durch die V e r waltungsbehörden. Jedenfalls i n Großstädten, die i. d. R. Bereitschaftsrichter haben, dürfte es n u r wenige echte Fälle von Gefahr i m Verzug geben. 140 Siehe oben § 3 I I u n d I I I S. 32 ff. 141 Was Klüber, DVB1. 1951, 615, nicht genügend berücksichtigt; unrichtig auch Noack M D R 1967,896. Wie hier Knemeyer N J W 1967,1354/55. 142 v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 2 d) S. 404; Wernicke, B K A r t . 13 Erl. I I 2 b); Giese-Schunck, A r t . 13 Erl. 3; Hamann, A r t . 13 Erl. B 5; Leisner, „ W o h nung" i m Ev. Staatslexikon Sp. 2585; O V G Lüneburg DVB1. 1954, 720; w o h l

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tenz-Gesetzesvorbehalt. Die Entscheidung darüber, welche Staatsorgane subsidiär die Durchsuchungsanordnung erlassen dürfen, liegt beim Gesetzgeber; ebenso auch die Entscheidung, ob er überhaupt eine subsidiäre Anordnungsbefugnis schaffen w i l l . Verfassungsrechtlich ist lediglich die primäre Anordnungszuständigkeit des Richters vorgeschrieben, nicht aber irgendeine Subsidiärzuständigkeit. Daher ist es zulässig, wenn § 67 W D O 1 4 3 auch bei Gefahr i m Verzug die Durchsuchungsanordnung dem Richter vorbehält. c) Aus dem Sinn des Richtervorbehalts und dem Ausnahmecharakter der Anordnungsbefugnis anderer Staatsorgane folgt, daß das Vorliegen von Gefahr i m Verzug nicht i n Gesetzen fingiert werden darf. Der Richtervorbehalt w i l l präventiven Rechtsschutz i m Einzelfalle gewährleisten. Grundsätzlich auf den Einzelfall ist auch die Subsidiärermächtigung anderer Staatsorgane zur Durchsuchungsanordnung abgestellt. Die gesetzliche Fiktion von Gefahr i m Verzug, die Wernicke überall dort zulassen zu müssen glaubt, wo bei einfachgesetzlichen Durchsuchungsbestimmungen der Richtervorbehalt fehlt 1 4 4 , würde den zwingend vorgeschriebenen Richtervorbehalt i n Art. 13 Abs. 2 aushöhlen und die Entscheidung über die Gewährung präventiven Rechtsschutzes unzulässig von der Verfassung auf den Gesetzgeber verlagern 1 4 5 . Dagegen ist der Gesetzgeber nicht gehindert — und insoweit steckt i n dem Gedanken Wernickes ein richtiger K e r n —, die Fälle zu generalisieren, i n denen erfahrungsgemäß i n aller Regel Gefahr i m Verzug vorliegt. Bei den typischen Eil-=Gefahrfällen darf er die richterliche Regelkompetenz durchbrechen und nichtrichterlichen Organen die ausschließliche A n ordungskompetenz zuweisen. Liegt dann i m Einzelfall keine Gefahr i m Verzug vor, so lebt nicht automatisch die Richterzuständigkeit aus A r t . 13 Abs. 2 wieder auf, sofern nur der Einzelfall zu den typischen und vom Gesetzgeber generalisierten Eilfällen gehört. Die Gefahrfall-Typisierung und -Generalisierung darf jedoch nicht zu einer gesetzlichen Fiktion von „Gefahr i m Verzuge" führen, sie ist nur zulässig, solange der Regelfall auch Brinkmann, A r t . 13 Erl. I 2 b) cc). — A . A . : Horz, Diss. S. 37, der unzutreffend davon ausgeht, die Bestimmung anderer Organe könne „auf G r u n d eines Gesetzes" vorgenommen werden; so i m Ergebnis auch Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 80. A r t . 13 Abs. 2 sagt aber ausdrücklich: „die i n den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe"; siehe dazu oben I I b ) u n d c) S. 73/74. 148 Vgl. oben § 8 I I S. 64; w i e hier Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 76. 144 Wernicke, B K A r t . 13 Erl. I I 2 c), glaubt die Schwierigkeiten, die sich durch das Fehlen des Richtervorbehalts i n zahlreichen Durchsuchungsermächtigungen ergeben, nicht anders meistern zu können. Ä h n l i c h Klüber DVB1. 1951,615. 145 I m Ergebnis w i e hier: v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 2 a) S. 402; Hamann, A r t . 13 Erl. B 5; Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 68; Brinkmann, A r t . 13 Erl. I 2 b) bb); Bettermann, i n : Die Grundrechte I I I / 2 S. 895; Laule FR 1965, 498; Knemeyer N J W 1967,1354.

§ 9. Anforderungen d. A r t . 13 Abs. 2 an d. Zulässigkeit v. Durchsuchungen

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tatsächlich e i n E i l f a l l ist. D a h e r w i r d der Gesetzgeber n u r sehr selten d i e richterliche Anordnungszuständigkeit zugunsten nichtrichterlicher O r gane ausschließen k ö n n e n . B e i § 758 Z P O , d e n Wernicke 146 als B e i s p i e l a n f ü h r t , k a n n er es m i t Sicherheit n i c h t , d e n n h i e r l i e g t j e d e n f a l l s n i c h t generell, s o n d e r n n u r e x z e p t i o n e l l e i n E i l f a l l v o r . Wernicke v e r l ä ß t h i e r , w i e auch b e i seinen a n d e r e n Beispielen, d e n R a h m e n zulässiger G e n e r a l i s i e r u n g u n d g e r ä t — w i e er w o h l selber e r k e n n t 1 4 7 — i n d e n B e r e i c h u n zulässiger F i k t i o n . d) W e n n b e i G e f a h r i m V e r z u g eine D u r c h s u c h u n g d u r c h n i c h t r i c h t e r liche Staatsorgane a n g e o r d n e t w o r d e n ist, b e d a r f sie nach A r t . 13 A b s . 2 — anders als i n A r t . 104 A b s . 2 — k e i n e r n a c h t r ä g l i c h e n r i c h t e r l i c h e n G e n e h m i g u n g . Das Grundgesetz l ä ß t h i e r die a l l g e m e i n e n R e g e l n ü b e r d e n repressiven Rechtsschutz g e n ü g e n u n d l e g t die I n i t i a t i v e f ü r d i e F e s t s t e l l u n g der R e c h t s w i d r i g k e i t e i n e r d u r c h g e f ü h r t e n D u r c h s u c h u n g i n d i e H a n d des b e t r o f f e n e n B ü r g e r s 1 4 8 . A n d e r s als A r t . 13 A b s . 2 schreiben A r t . 19 A b s . 2 Satz 2 B e r l . V e r f . u n d A r t . 14 A b s . 3 Satz 2 2. H a l b s a t z B r e m . V e r f . die n a c h t r ä g l i c h e r i c h t e r l i c h e G e n e h m i g u n g v o n D u r c h s u c h u n g e n v o r , d i e ohne r i c h t e r l i c h e A n o r d n u n g d u r c h g e f ü h r t w o r d e n s i n d 1 4 9 . D i e W e i t e r g e l t u n g dieser B e s t i m m u n g e n i s t i m H i n b l i c k a u f A r t . 142 g r u n d s ä t z l i c h z u b e j a h e n 1 5 0 . D a r a u s f o l g t j e 146

B K A r t . 13 Erl. I I 2 c) i n Verbindung m i t Erl. I I 2 vor a). Wenn er a.a.O. seinen Vorschlag als „Notlösung" bezeichnet, die „ v o n einer gewissen W i l l k ü r l i c h k e i t nicht frei" sei. 148 I n der Regel Anfechtungsklage nach § 42 VwGO, bzw. unselbständige Feststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 V w G O (vgl. B V e r w G DVB1. 1967, 379), oder A n t r a g auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23, 24 EGGVG. E i n Beispiel bietet B V e r w G DöV 1968, 246 = DVB1. Heft 18 m i t A n m . von Gentz u n d Wacke, wo das Gericht allerdings i r r i g eine Durchsuchung i m Sinne des A r t . 13 Abs. 2 angenommen hat. 149 I n B e r l i n muß die Genehmigung binnen 48 Stunden eingeholt werden, A r t . 19 Abs. 2 Satz 2 Berl.Verf. — Eine nachträgliche richterliche Genehmigung f ü r strafprozessuale, nicht v o m Richter angeordnete Durchsuchungen schreibt w o h l auch A r t . 19 Abs. 1 Satz 2 Hess.Verf. vor. 150 A . A. O F H i n R F H E 54, 453 (460 ff.). Z u r Auslegung des A r t . 142 siehe die eingehenden Ausführungen von Kratzer, i n : Festschrift f ü r Laforet S. 107 ff. — I n der L i t e r a t u r w i r d teilweise angenommen, A r t . 142 gelte n u r f ü r die Landesgrundrechte, die bereits vor I n k r a f t t r e t e n des Grundgesetzes i n Geltung standen, so Hamann, A r t . 142 Erl. 2; v. Mangoldt, A r t . 142 Erl. 2; Schmidt-Bleib treu/ Klein, A r t . 142 Rdnr. 3; Gross, D V 1950, 9; w o h l auch Steiner, Unverletzlichkeit der Wohnung S. 32. Danach dürften die Grundrechte der Berliner Verfassung, falls nicht der Sonderstatus Berlins eine Rolle spielen sollte, keine Geltung mehr haben; denn die Berliner Verfassung ist am 1. 9.1950 beschlossen worden, während die Bremer Verfassung bereits v o m 21.10.1947 datiert. Die dargestellte Auffassung k l a m m e r t sich an das W o r t „bleiben" i n A r t . 142. Sie v e r kennt den Sinn der Vorschrift (u. a. Ermöglichung einer Landesverfassungsbeschwerde) u n d übersieht, daß sich bei ihrer Ansicht Probleme aus dem föderativen A u f b a u der Bundesrepublik u n d der Notwendigkeit der Gleichbehandl u n g der Länder ergeben müssen. Wie hier Holtkotten, B K A r t . 142 Erl. I I 3 u n d 4 m i t Nachweisen; Dagtoglou, A r t . 13 Rdnr. 49; V G H Kassel DVB1. 1967, 430 m i t insoweit zustimmender A n m . von Franz; w o h l auch BVerfGE 22, 267 (270 ff.). 147

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. Abschnitt: Die

u c h u n g e n des A r t . 13 Abs.

doch zunächst nur, daß bei Durchsuchungen, die i n Landesgesetzen vorgesehen sind und die bei Gefahr i m Verzug ohne richterliche Anordnung ausgeführt werden, eine nachträgliche richterliche Genehmigung eingeholt werden muß. Wie weit sich der Zwang auch gegenüber bundesgesetzlichen Durchsuchungen auszuwirken vermag, ist dagegen zweifelhaft 1 5 1 . Da die Problematik bei A r t . 142 und nicht bei der Wohnungsfreiheit des A r t . 13 liegt, kann der Frage hier nicht grundsätzlich nachgegangen, sondern nur ein kurzer Lösungsvorschlag unterbreitet werden: Es würde weder A r t . 13 noch A r t . 142 widersprechen, wenn der Bundesgesetzgeber bei der Zulassung einer Durchsuchung die nachträgliche richterliche Genehmigung ausdrücklich ausschließen und die Richterkontrolle entsprechend A r t . 19 Abs. 4 der Initiative des Bürgers überlassen würde. Bei einer derartigen bundesgesetzlichen Regelung dürfte trotz A r t . 142 auch i n Berlin und Bremen eine nachträgliche richterliche Genehmigung nicht nur nicht geboten, sondern sogar unzulässig sein 1 5 2 . Ohne ausdrückliches bundesgesetzliches Verbot muß die Frage dahin gestellt werden, ob die bundesrechtliche Regelung abschließend ist oder nicht. Bei einer abschließenden Regelung ist die Ergänzung durch Landesrecht, auch durch Landesverfassungsrecht, wegen A r t . 31 unzulässig; denn sie kommt einem ausdrücklichen Verbot gleich 1 5 3 . Bei nicht abschließender Regelung w i r d A r t . 142 eingreifen, so daß A r t . 19 Abs. 2 Berl.Verf. und A r t . 14 Abs. 3 Satz 2 Brem.Verf. die bundesgesetzliche Durchsuchungsregelung ergänzen und i n Berlin und Bremen die nachträgliche richterliche Genehmigung auch bei bundesgesetzlichen Durchsuchungen eingeholt werden muß. Bei den meisten bundesrechtlichen Durchsuchungsermächtigungen dürfte aber eine Vermutung für eine abschließende Regelung bestehen, so insbesondere bei den ausführlichen Durchsuchungsvorschriften der Strafprozeßordnung 154 . Daher w i r d i m allgemeinen auch i n Bremen und Berlin eine nachträgliche richterliche Genehmigung nicht erforderlich sein, wenn nichtrichterliche Staatsorgane auf Grund Bundesrechts eine Durchsuchung angeordnet haben 1 5 5 . 151 Vgl. dazu Holtkotten, B K A r t . 142 Erl. I I 4 m i t Nachweisen; Hamann, A r t . 142 Erl. 4; v. Mangoldt-Klein, A r t . 31 Erl. I V 3 c) S. 771 ff. m i t Nachweisen; Maunz-Dürig, A r t . 31 Rdnr. 14 m i t Fußnote 5; Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 142 Rdnr. 1; Maunz, Staatsrecht § 13 I I 4 b) S. 93. 152 H i e r handelt es sich allein u m ein Problem des A r t . 31, vgl. Holtkotten, B K A r t . 142 Erl. I I 4 a); siehe auch BVerfGE 1, 264 (280/81). 158 Z u r S p e r r w i r k u n g des A r t . 31 vgl. v. Mangoldt-Klein, A r t . 31 Erl. I V 3 b) S. 770/71; Maunz-Dürig, A r t . 31 Rdnr. 7 m i t Nachweisen, siehe dort aber auch Rdnr. 13 u n d 14. Das Problem liegt hier möglicherweise auch und vor allem bei der Kompetenz zur konkurrierenden Gesetzgebung, woraus Klein a.a.O. folgert, daß die S p e r r w i r k u n g sich weniger aus A r t . 31 als aus den Kompetenzvorschriften der A r t . 70 ff. ergäbe; ausdrücklich dagegen Maunz-Dürig, A r t . 31 Rdnr. 20—22. 154 Vgl. § 6 Abs. 1 EGStPO u n d dazu Schäfer, i n : Löwe-Rosenberg, StPO Erl. 2. iss "YVi e lüer: Kern, i n : Die Grundrechte I I S. 104/05; Dünnebier, i n : L ö w e -

§ 9. Anforderungen d. A r t . 13 Abs. 2 an d. Zulässigkeit v. Durchsuchungen

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I I I . Die Beachtung der gesetzlichen Durchsuchungsformen Durchsuchungen dürfen nur i n der gesetzlich vorgeschriebenen Form durchgeführt werden. M i t dieser Aussage ordnet A r t . 13 Abs. 2 etwas Selbstverständliches an; denn daß Gesetze beachtet werden müssen, folgt schon aus A r t . 20 Abs. 3, der die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht bindet. Aus A r t . 20 Abs. 3 geht sogar noch mehr hervor, nämlich die Bindung an alle Rechtsnormen, also auch an solche, die i m Range unter dem Gesetz stehen. Nach A r t . 20 Abs. 3 müssen Durchsuchungsformen somit auch dann eingehalten werden, wenn sie i n Rechtsverordnungen oder i n anderen untergesetzlichen oder gewohnheitsrechtlichen Normen vorgeschrieben sind. Wenn A r t . 13 Abs. 2 trotzdem den Zwang zur Einhaltung der gesetzlich festgelegten Durchsuchungsformen betont, so kann das i n drei Richtungen von Bedeutung sein: 1. Aus dem Gebot zur Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Durchsuchungsformen könnte eine Verpflichtung des Gesetzgebers abgeleitet werden, für jede Durchsuchung bestimmte Formen festzulegen 166. Diesen Inhalt hat A r t . 13 Abs. 2 jedoch nicht. Er sagt nur, daß vorgeschriebene Formen beachtet, nicht daß Formen vorgeschrieben werden müssen. Aber selbst wenn A r t . 13 Abs. 2 diese Anordnung enthielte, wäre noch völlig offen, welche Formen der Gesetzgeber vorschreiben muß. Schließlich dürfte schon i n der ausdrücklichen oder konkludenten Verneinung jeder Förmlichkeit eine Regelung der Durchsuchungsform enthalten sein, die aber inhaltsleer und i m Hinblick auf A r t . 13 wertlos wäre. Die zuweilen vertretene Ansicht 1 5 7 , beim Fehlen von Formvorschriften gebiete A r t . 13 Abs. 2 je nach A r t der Durchsuchung die Übernahme der strafprozessualen (§§ 104 bis 110 StPO) oder zivilprozessualen (§§ 759 bis 762 ZPO) Durchsuchungsformen, findet i m Grundgesetz keinen Anhaltspunkt. Daher sind die Anwesenheit des Wohnungsinhabers, die Zuziehung von Zeugen, die Aufnahme eines Protokolles und das Verbot von Nachtzeitdurchsuchungen zwar rechtspolitisch zu befürworten, durch A r t . 13 Abs. 2 aber nicht verfassungsrechtlich geboten 158 . 2. Die Betonung des Zwanges zur Formwahrung hatte damit bei Erlaß des Grundgesetzes keine unmittelbare juristische Bedeutung. Sie unterRosenberg, StPO §§ 105—107 Erl. I 4. A . A . : Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 78; Horz, Diss. S. 54 ff. 156 So Horz, Diss. S. 38; anscheinend auch Ule-Räsch, P V G §§ 15---17 Rdnr. 180; dagegen Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 84, der zu Recht darauf hinweist, daß sich aus der N a t u r der richterlichen Anordnung gewisse Verfahrensregeln ergäben, mehr aber auch nicht. 157 So Horz, Diss. S. 38; anscheinend auch Ule-Rasch, P V G §§ 15—17 Rdnr. 184. iss hier Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 84; anscheinend auch Drews-Wacke, Polizeirecht § 12 Ziff. 2 S. 193/93. F ü r A r t . 104 Abs. 1 ebenso Maunz-Dürig, A r t . 104 Rdnr. 19.

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. Abschnitt: Die

u c h u n g e n des A r t . 13 Abs.

streicht jedoch, wie die Väter der Verfassung den Eingriff „Durchsuchung" bewertet haben. Sie hielten die Durchsuchung, wie schon der Richtervorbehalt gezeigt hat 1 5 9 , offenbar für eine besonders einschneidende Maßnahme, die unter allen Umständen nur rechtmäßig durchgeführt werden sollte. Daraus erklärt sich, das — eigentlich überflüssige — Insistieren auf der Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Durchsuchungsformen 160 . 3. M i t der Einführung der Verfassungsbeschwerde durch das Bundesverfassungsgerichtsgesetz 161 hat die Beachtung der gesetzlichen Durchsuchungsformen auch aktuelle Bedeutung gewonnen. Nach § 90 Abs. 1 BVerfGG kann eine Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung der Wohnungsfreiheit auch darauf gestützt werden, daß die gesetzlichen Durchsuchungsformen nicht eingehalten worden sind 1 6 2 . Aus A r t . 13 Abs. 2 ist zu entnehmen, daß die Verletzung der gesetzlichen Formvorschriften eine Durchsuchung auf jeden Fall rechts- und verfassungswidrig macht. Das gilt jedoch nur für die Durchsuchungsformen, die zwingend und i n einem förmlichen Gesetz 163 vorgeschrieben sind. Bei untergesetzlichen oder gewohnheitsrechtlichen Formvorschriften muß jedesmal geprüft werden, ob ihre Verletzung zur Rechts- und Verfassungswidrigkeit der ganzen Durchsuchung führt. Das dürfte nur i n seltenen Fällen anzunehmen sein. Der praktische Wert einer auf Verletzung zwingender gesetzlicher Durchsuchungsformen gestützten Verfassungsbeschwerde sollte nicht überschätzt werden. Nach § 93a Abs. 4 Satz 2 BVerfGG ist zur Annahme einer Verfassungsbeschwerde erforderlich, daß mindestens zwei Richter des Senats von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage erwarten oder bei Nichtentscheidung einen schweren und unabwendbaren Nachteil für den Beschwerdeführer befürchten. Beide Voraussetzungen werden regelmäßig nicht vorliegen, wenn lediglich die gesetzlichen Durchsuchungsformen verletzt, die materiellen Erfordernisse der Durchsuchung und eine ordnungsgemäße Durchsuchungsanordnung dagegen gewahrt sind.

150

Siehe oben I I 1 S. 80/81. Parallele außer A r t . 104 Abs. 1 Satz 2 auch A r t . 97 Abs. 2 Satz 1. 161 Gesetz über das Bundesverfassungsgericht v o m 21. 3.1951 (BGBl. I S. 243). 182 Ebenso Horz, Diss. S. 38; Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 83; w o h l auch Maunz-Dürig, A r t . 104 Rdnr. 19; a. A. anscheinend BVerfGE 20, 162 (223). 163 „ I n der dort vorgeschriebenen F o r m " i n A r t . 13 Abs. 2 heißt: i n der i n den Gesetzen vorgeschriebenen Form. Dazu, daß ein förmliches Gesetz gemeint ist, siehe oben I I b ) u n d c) S. 73/74. 160

§ 10. Der Begriff der Durchsuchung i n A r t . 13 Abs. 2

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§ 10. Der Begriff der Durchsuchung in Art. 13 Abs. 2 1. Nachdem geklärt ist, daß A r t . 13 Abs. 2 nicht nur strafprozessuale Durchsuchungen meint, welche Symptome die einfachgesetzlichen Durchsuchungen aufweisen und welche Anforderungen A r t . 13 Abs. 2 an die Zulässigkeit von Durchsuchungen stellt, muß nunmehr gefragt werden, ob der einfachgesetzliche Durchsuchungsbegriff für A r t . 13 Abs. 2 verwertbar ist 1 6 4 . Das kann dann angenommen werden, wenn das Betreten der Wohnung und die Vornahme von Handlungen i n der Wohnung durch Träger öffentlicher Gewalt 1 6 5 einen besonders schwer zu bewertenden Grundrechtseingriff darstellen oder eine solche Bewertung zumindest vertretbar erscheint. Denn die Zulässigkeitsanforderungen des A r t . 13 Abs. 2 bestehen — wie der Richtervorbehalt mit der nur subsidiären Anordnungsbefugnis nichtrichterlicher Staatsorgane, der förmliche Gesetzesvorbehalt für Durchsuchungsermächtigungen und die besonders betonte Pflicht zur Beachtung der Formvorschriften zeigen — i n qualitativen Hinweisen auf den einschneidenden Charakter des Wohnungseingriffs „Durchsuchung". Enthalten also die m i t jeder Durchsuchungsermächtigung verbundenen Zwangsbefugnisse und die bei einer Durchsuchung vorgenommenen tatsächlichen Handlungen einen derart schweren Eingriff, der die besonderen rechtsstaatlichen Sicherungen des A r t . 13 Abs. 2 rechtfertigt oder sie doch zumindest verständlich und nicht inadäquat erscheinen läßt? Wo liegt das von den Vätern des Grundgesetzes als so gefährlich empfundene Gravamen? 2. a) Durch das Recht der m i t einer Durchsuchung betrauten Staatsorgane, i n eine Wohnung einzudringen und dort ohne Rücksicht auf den Willen des Wohnungsinhabers so lange zu suchen, bis der Durchsuchungszweck erreicht ist, kann der Staat i n sehr intime Persönlichkeitsbereiche eindringen und von der individuellen Lebensgestaltung des Bürgers Kenntnis nehmen. Bei einer Durchsuchung sehen und erfahren die sie ausführenden Staatsorgane von der Intimsphäre und damit von dem K e r n der menschlichen Persönlichkeit regelmäßig mehr, als zur Erreichung des Durchsuchungszweckes erforderlich ist. Denn i n seiner Wohnung, die den Blicken unbefugter Dritter entzogen ist und aus der jeder Dritte ausgeschlossen werden kann 1 6 6 , schlägt sich die Persönlichkeit des Wohnungsinhabers am sichtbarsten nieder. Die individuelle Ausgestaltung der Wohnung verrät eben darum so viel von dem i n ihr lebenden Menschen, weil er i m Vertrauen auf ihre Abgeschlossenheit, die gerade 164 Über die Methode zur Bestimmung des Durchsuchungsbegriffes f ü r A r t . 13 Abs. 2 siehe oben § 7 I I I S. 58/59. 165 So der Durchsuchungsbegriff, der aus einer Analyse einfachgesetzlicher Durchsuchungsbestimmungen gewonnen wurde, vgl. oben § 8 V I 5 S. 70/71. 166 Vgl. §§ 123, 342 StGB, §§ 858 ff., 1004 BGB.

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. Abschnitt: Die

u c h u n g e n des A r t . 13 Abs.

auch A r t . 13 garantieren w i l l , mehr von seinem eigensten Ich offenlegt und sich i n Äußerlichkeiten manifestieren läßt, als er es normalerweise i m Verkehr m i t unbekannten Privaten und mit staatlichen Organträgern tut. Das Grundgesetz geht mit der Anerkennung der Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1) und der freien Persönlichkeitsentfaltung (Art. 2 Abs. 1) sehr betont von einem unkontrollierbaren menschlichen Intimbereich aus, der am besten dadurch zu schützen ist, daß er staatlicher Kenntnisnahme überhaupt entzogen w i r d 1 6 7 . Darin liegt auch gerade der Sinn des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung, das die persönliche Entfaltung des Menschen i n bestimmten Räumen m i t einem festen Schutzwall umgeben w i l l 1 6 8 . Da dieser Schutz w a l l m i t jeder Durchsuchung durchbrochen w i r d und dabei immer die Gefahr besteht, daß der Staat mehr als erforderlich von der Persönlichkeit und der Intimsphäre des Bürgers erfährt, kann und muß die Durchsuchung als ausnehmend gravierender Eingriff bewertet werden, dem besondere Sicherungen vor unzulässigen Maßnahmen durchaus adäquat sind. b) Dagegen ließe sich einwenden, daß die Gefahr einer Kenntnisnahme vom menschlichen Intimbereich nicht bei allen Durchsuchungen gleich groß ist. Sie ist bei der Durchsuchung von Betrieben sicher sehr viel geringer als bei der Durchsuchung von Privatwohnungen und w i r d bei strafprozessualen Durchsuchungen als gefährlicher und diskriminierender empfunden als bei gewerberechtlichen Durchsuchungen. Das unterschiedliche Gewicht einzelner Durchsuchungen, das i n ihrem Gegenstand, dem Ort der Durchsuchung, und i n ihren Zwecken begründet sein kann, vermag für sich allein noch nicht zu einer Einschränkung des grundgesetzlichen Durchsuchungsbegriffes zu führen. Die Wertung des Grundgesetzes ist generell und umfassend und muß nicht notwendig zwischen einzelnen Durchsuchungsarten differenzieren. M i t Sicherheit hat das Grundgesetz keine Differenzierung nach dem Ort der Durchsuchung vorgenommen. Der weite Wohnungsbegriff des A r t . 13 Abs. I 1 6 9 gilt auch für die Schranken der Absätze 2 und 3. Eine Differenzierung nach dem Zweck ist dagegen nicht von vornherein ausgeschlossen. Sie muß dann vorgenommen werden, wenn bei Eingriffen i n die Wohnungsfreiheit, deren Zulässigkeit sich allein nach A r t . 13 Abs. 3 bestimmt, dieselben äußeren Symptome vorliegen wie beim Durchsuchungsbegriff der einfachen Gesetze. Alle Eingriffe des Abs. 3 sind zweckgerichtet auf die Abwehr oder 167 Vgl. Maunz-Dürig, A r t . 1 Abs. 1 Rdnr. 17 ff., insbesondere Rdnr. 37 u n d A r t . 2 Abs. 1 Rdnr. 34 ff.; Zippelius, B K A r t . 1 Rdnr. 18. 168 Vgl. oben § 2 Ziff. 4 c) S. 29/30 m i t Fußnoten 33 u n d 34, § 3 I I 2 c) S. 36/37 u n d unten 4. Abschnitt § 15 I I I 2 a) S. 147 u n d I I I 3 S. 152. 169 Siehe oben 1. Abschnitt § 2 S. 24 ff.

§ 10. Der Begriff der Durchsuchung i n A r t . 13 Abs. 2

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Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung 1 7 0 , so daß Maßnahmen m i t dieser Zielrichtung aus dem allgemeinen, zweckneutralen Durchsuchungsbegriff ausgeklammert werden müßten 1 7 1 . 3. Es kann somit davon ausgegangen werden, daß die Anforderungen, die A r t . 13 Abs. 2 an die Zulässigkeit von Durchsuchungen stellt, dem Eingriff „Durchsuchung", wie er sich i n einfachen Gesetzen niedergeschlagen hat, bei genereller Betrachtung adäquat sind, daß also die rechtsstaatlichen Sicherungen bei der Ausführung einer Durchsuchung der Schwere und der A r t des Eingriffs entsprechen. Daher kann die Identität des grundgesetzlichen und des subkonstitutionellen Durchsuchungsbegriffes grundsätzlich als gesichert gelten. Eine Durchsuchung i m Sinne des A r t . 13 Abs. 2 ist somit die Suche i n einer Wohnung nach Personen, Sachen oder wissenswerten Tatbeständen, bei der Träger öffentlicher Gewalt i n die Wohnung eindringen und i n der Wohnung die zur Erreichung des Durchsuchungszweckes notwendigen Handlungen vornehmen. Eine Durchsuchungsermächtigung liegt immer dann vor, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt zum Eindringen und zur Vornahme von Handlungen i n der Wohnung berechtigt ist und er diese Rechte notfalls auch zwangsweise durchsetzen darf. Dieser Durchsuchungsbegriff ist dann noch zu weit und umfassend und bedarf der Einschränkung durch Ausklammerung von Maßnahmen m i t bestimmter Zielrichtung, wenn er auch Tatbestände erfaßt, die allein A r t . 13 Abs. 3 unterfallen. Diese Ausklammerung kann erst vorgenommen werden, wenn A r t . 13 Abs. 3 untersucht ist und feststeht, daß an i h m zu messende Eingriffe dieselben Symptome aufweisen wie die Durchsuchungen des A r t . 13 Abs. 2. Daher ist der bisher erarbeitete Durchsuchungsbegriff nur ein vorläufiger. Die endgültige Definition kann erst i m 4. Abschnitt erfolgen.

170 Auch die der 1. Alternative des Abs. 3, dazu unten 3. Abschnitt § 11 I S. 96 ff. u n d § 12 I I S. 111 ff. 171 Z u dieser Methode oben § 7 I I I 3 S. 59 u n d unten 4. Abschnitt § 14 S. 129 ff.

3. Abschnitt

Die Eingriffe und Beschränkungen des Art. 13 Abs. 3 A r t . 13 Abs. 3 regelt „Eingriffe und Beschränkungen", die keine Durchsuchungen sind 1 . Er enthält zwei von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängige Eingriffsermächtigungen: Die eine — „zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen" — w i r d unmittelbar von der Verfassung erteilt. Der Eingriff ist also rechtmäßig ohne Ermächtigung durch einfaches Gesetz2. Die andere Eingriffsermächtigung fordert die Zwischenschaltung eines Gesetzes, das die „Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" bezweckt. Abs. 3 läßt „Eingriffe" und „Beschränkungen" zu. Zwar mögen zwischen „Eingriffen" und „Beschränkungen" sachliche Unterschiede bestehen 3 . Da jedoch beide von denselben Voraussetzungen abhängig sind, ist die Unterscheidung für A r t . 13 bedeutungslos 4 ; beide Begriffe können synonym verwendet werden. Ohne besondere Hervorhebung w i r d daher i m folgenden nur von „Eingriffen" gesprochen werden, auch wenn „Beschränkungen" mitgemeint sind. § 11. Die verfassungsunmittelbare Eingriffsermächtigung, Art. 13 Abs. 3 1. Alternative I. Wann darf eingegriffen

werden?

1. Die verfassungsunmittelbare Eingriffsermächtigung ist gegeben zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder Lebensgefahr. Bevor die Begriffe 1

Siehe oben § 71S. 52/53. v. Mangoldt, A r t . 13 Erl. 3 S. 97; v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 3 a) S. 405 u n d Erl. I V 4 S. 407; Wernicke , B K A r t . 13 Erl. I I 3 a); Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 113 u n d 120; Hamann, A r t . 13 Erl. B 7; Brinkmann, A r t . 13 Erl. I 3 b) aa); Giese-Schunck, A r t . 13 Erl. 5; Kern, i n : Die Grundrechte I I S. 106; Drews-Wacke, Polizeirecht § 12 Ziff. 1 S. 190; Ule-Rasch, P V G §§ 15—17 Rdnr. 177 u n d 185; Haarmann, DöD Ausg. B 1950, 219. 3 Teilweise werden die „Beschränkungen" als die schwerer wiegenden oder länger dauernden Maßnahmen den „Eingriffen" gegenübergestellt, vgl. Horz, Diss. S. 63; Feldmann-Geisel, Verfassungsrecht S. 42; zweifelnd: Zimniok DöV 1954, 392. 4 Wie hier: v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 3 S. 404/05; Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 110; Brinkmann, A r t . 13 Erl. I 3 a) aa); w o h l auch Hamann, A r t . 13 Erl. B 6. 2

§ 11. Die verfassungsunmittelbare Eingriffsermächtigung

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i m einzelnen bestimmt werden, kann allgemein soviel festgestellt werden: Die Eingriffsermächtigung ohne Zwischenschaltung eines einfachen Gesetzes ist deshalb unmittelbar i n die Verfassung aufgenommen worden, weil bei gemeiner Gefahr oder Lebensgefahr für einzelne Personen das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung auf jeden Fall hinter der dringlichen Gefahrenabwehr zurücktreten sollte 5 . Der Schutz vor Gemeingefahren und die Sicherung des menschlichen Lebens sollten nicht davon abhängig sein, daß i n den für das allgemeine Polizeirecht zuständigen Ländern ausreichende gesetzliche Eingriffsgrundlagen vorhanden wären 6 . Das Interesse des Staates am Schutz der Allgemeinheit vor Gemeingefahren und an der Erhaltung des menschlichen Lebens rechtfertigt das unbedingte Zurücktreten des Grundrechts der Wohnungsfreiheit nur dann, wenn es sich um konkrete Gefahren handelt, wenn also ein Schaden unmittelbar bevorsteht oder bereits eingetreten und weiterer Schaden zu befürchten ist 7 . Für die Abwehr bloß abstrakter Gefahren benötigt die Exekutive auch bei Gemeingefahr und bei Lebensgefahr keine unmittelbare Verfassungsermächtigung. Abstrakte Gefahren werden i n der Regel auch ohne Eingriff i n die Wohnungsfreiheit durch eine einfache Polizeiverfügung zu beseitigen sein. Der direkte Eingriff i n die Wohnungsfreiheit wäre häufig übermäßig und nicht geeignet, einen Ausgleich zwischen dem Grundrecht des Bürgers und den Erfordernissen staatlichen Handelns herbeizuführen. Sollte die 1. Alternative des A r t . 13 Abs. 3 auch der abstrakten Gefahrenabwehr dienen, so würde die Verfassung m i t der einen Hand weitreichende Eingriffsbefugnisse geben, die sie m i t der anderen Hand wegen des Übermaßverbotes 8 wieder nehmen müßte. Auch der Wortlaut des A r t . 13 Abs. 3 spricht dafür, daß es sich u m konkrete Gefahren handeln muß. Denn die 1. Alternative ermächtigt zur Gefahrenabwehr, während i n der 2. Alternative, die die Zwischenschaltung eines einfachen Gesetzes notwendig macht, von der Gefahrene er5 Vgl. die Ausführungen des Abg. v. Mangoldt (CDU) i n der Begründung zur Fassung des Hauptausschusses v o m 20.1.1949 u n d i n der 47. Sitzung des H a u p t ausschusses v o m 8. 2.1949, JöR n. F. 1, 143; siehe auch die Anregungen i n Thomas „Kritischer Würdigung", nach der n u r Fälle der Notwehr u n d des Notstandes von der richterlichen Anordnung f ü r Eingriffe i n die Wohnungsfreiheit ausgenommen sein sollten, vgl. JöR n. F. 1,140. 8 Das w a r deshalb zweifelhaft, w e i l die polizeiliche Generalklausel i n den süddeutschen Staaten, vor allem i n Bayern, nicht galt u n d i n einigen Teilen Deutschlands n u r gewohnheitsrechtlich anerkannt wurde. Gewohnheitsrecht sollte bei Wohnungseingriffen aber gerade ausgeschaltet werden, vgl. dazu unten § 12 I I I 1 S. 119/20 u n d § 12 I I I 3 S. 121 ff. 7 Z u m Begriff der konkreten Gefahr siehe Drews-Wacke, Polizeirecht § 18 Ziff. 6 S. 290 ff.; Ule-Rasch, P V G § 41 Rdnr. 4 u n d 7 m i t Nachweisen; H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I I I § 125 I I b) 2 S. 46/47. 8 Z u m Grundsatz der Verhältnismäßigkeit oder des Übermaßverbots siehe oben § 9 1 2 b) S. 76 ff.

7 Gentz

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3. Abschnitt: Die Eingriffe u n d Beschränkungen des A r t . 13 Abs. 3

hütung, also (polizeirechtlich gesprochen) von Präventivmaßnahmen zur Abwehr (auch) abstrakter Gefahren die Rede ist 9 . 2. Ebensowenig wie die Verfassung sagt, was „Durchsuchungen" sind, bestimmt sie den Begriff der „gemeinen Gefahr". Hier wie dort w i r d der Begriff vorausgesetzt. I m einfachen Gesetzesrecht taucht der Begriff „Gemeingefahr" oder „gemeine Gefahr" vor allem i m allgemeinen Polizeirecht 10 und i m Strafrecht auf. Die alte Fassung des § 315 Abs. 3 StGB (Transportgefährdung) enthielt eine Legaldefinition: „Gemeingefahr bedeutet eine Gefahr f ü r Leib oder Leben, sei es auch n u r eines einzelnen Menschen, oder f ü r bedeutende Sachwerte, die i n fremdem Eigentum stehen oder deren Vernichtung gegen das Gemeinwohl verstößt."

Nach herrschender Auffassung 11 war die Wortfassung des § 315 Abs. 3 StGB zwar nicht ganz glücklich, enthielt aber die wesentlichen Elemente der „Gemeingefahr" und konnte Geltung nicht nur für die Transportgefährdung (§ 315 a. F. StGB), sondern für den gesamten 27. Abschnitt des Strafgesetzbuchs (Überschrift: Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen) beanspruchen 12 . Die gesetzliche Definition ist jedoch insofern zu weit, als nicht alle Gefahren für Leben und Gesundheit oder für bedeutende Sachwerte Gemeingefahren sind. Es muß sich vielmehr — darüber besteht i m strafrechtlichen Schrifttum Einigkeit 1 3 — u m Gefahren handeln, die — einmal ausgelöst — schwer kontrollierbare Kräfte freisetzen und denen deshalb nicht oder doch nicht vollständig begegnet und gesteuert werden kann. Gemeingefahren liegen besonders dann vor, 9 Darauf weist auch Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 115, ausdrücklich h i n ; vgl. auch Brinkmann, A r t . 13 Erl. I 3 b) aa). Weiter siehe unten § 12 I I 2 S. 116 ff. 10 Vgl. z. B. § 16 Abs. 1 l i t . a) Pr.PVG. 11 Vgl. Schönke-Schröder, StGB (11. Aufl.) § 306 Vorbem. Rdnr. 4—12; Werner, i n : L K StGB Vorbem. I I I v o r § 306 u n d § 315 Erl. I I 3; Schwarz-Dreher, StGB (26. Aufl.) Vorbem. 1 B a) u n d b) v o r § 306 u n d § 315 Erl. 2 C; Maurach, Strafrecht B T § 57 I A S. 492 ff.; Mezger-Blei, Strafrecht B T § 74 I I S. 226; Welzel, Strafrecht § 67 Vorbem. S. 431/32. 12 Der unter der Herrschaft des alten § 315 StGB nicht zur Ruhe gekommene Streit, ob der Begriff „Gemeingefahr" auch die individuelle Lebensgefahr u m fasse oder ob der gefährdete Einzelne „Repräsentant der Allgemeinheit" sein müsse, ist verfassungsrechtlich unerheblich. A r t . 13 Abs. 3 1. Alternative nennt neben der gemeinen Gefahr ausdrücklich die Lebensgefahr u n d meint damit die Individualgefahr (siehe unten S. 99). Z u dem alten Streit siehe BGHSt 6, 100, 232 einerseits u n d B G H S t 11, 199 sowie BGHSt 14, 395 andererseits; vgl. weiter, m i t zusätzlichen Rechtsprechungsnachweisen: Maurach, Straf recht B T § 57 I A 2 S. 493; Werner, i n : L K StGB § 315 Erl. I I 3; Schwarz-Dreher, StGB (26. Aufl.) § 315 Erl. 2 C a); Schönke-Schröder, StGB (11. Aufl.) Vorbem. zu § 306 Rdnr. 5 u n d § 315a Rdnr. 33. 13 BGHSt 11, 199 (201); Schönke-Schröder, StGB Vorbem. zu § 306 Rdnr. 5 ff. (unklar); Werner, i n : L K StGB Vorbem. I I I zu § 306; Schwarz-Dreher, StGB (26. Aufl.) Vorbem. 1 B a) zu § 306; Maurach, Straf recht B T § 57 I A 2 S. 493/94; Mezger-Blei, Strafrecht B T § 74 I I S. 227.

§ 11. Die verfassungsunmittelbare Eingriffsermächtigung

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wenn „Naturgewalten entfesselt werden" 1 4 , also bei Explosionen, Überschwemmungen, Seuchen, Vergiftungen und Bränden. I m gleichen Sinne wie das Strafrecht verwendet auch das allgemeine Polizeirecht den Begriff der „gemeinen Gefahr" 1 5 , und ebenso dürfte i h n A r t . 13 Abs. 3 verstehen, wenn er ihn i m Zusammenhang m i t typischen Polizeigefahren gebraucht. Gemeine Gefahren sind also solche, die sich unkontrollierbar ausbreiten und die Leben oder Gesundheit von Menschen oder bedeutende, i n fremdem Eigentum stehende oder dem Gemeinwohl nützliche Sachwerte bedrohen 16 . 3. Wenn das Grundgesetz i n A r t . 13 Abs. 3 1. Alternative von „Lebensgefahr für einzelne Personen" spricht, so ist damit klargestellt, daß der Staat auch zugunsten einzelner, individuell bestimmter Personen, nicht nur zugunsten eines einzelnen, der als Repräsentant der Allgemeinheit erscheint 17 , i n die Wohnungsfreiheit eingreifen darf. Das Grundgesetz bringt damit zum Ausdruck, daß dem Staat das Leben keines seiner M i t glieder gleichgültig ist und daß immer dort, wo das Leben eines Menschen i n Gefahr ist, auch öffentliche Interessen tangiert sind 1 8 . Das w i r d auch durch A r t . 2 Abs. 2 Satz 1 bestätigt und hervorgehoben, wenn dort jedermann „das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit" garantiert wird 1 ®. Lebensgefahren sind Gefahren, von denen das Leben eines Menschen bedroht, sein Tod also zu befürchten ist. Der Begriff darf nicht zu eng ausgelegt werden. Auch eine ernste Gefährdung der Gesundheit kann sich lebensbedrohend auswirken, ohne daß i m Zeitpunkt der Gefahr und des darauf beruhenden staatlichen Einschreitens bereits mit Sicherheit vorausgesagt werden könnte, ob nur die Gesundheit oder ob auch das Leben 14

RGSt 56, 95 (96). Vgl. Ule-Rasch, P V G §§ 15—17 Rdnr. 186; König, Polizeirecht i n Bayern S. 408; H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I I I § 125 I I b) 6 S. 47. 16 v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 4 S. 407; Wernicke, B K A r t . 13 Erl. I I 3 a); Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 116; Hamann, A r t . 13 Erl. B 6; Brinkmann, A r t . 13 Erl. I 3 b) aa); Haarmann DöD Ausg. B 1950, 219; Leisner, „Wohnung" i m Ev. Staatslexikon Sp. 2586; Kern, i n : Die Grundrechte I I S. 106. 17 Der B G H ließ die Gefährdung von Einzelpersonen trotz der Definition des § 315 Abs. 3 a. F. StGB n u r dann unter den Begriff der Gemeingefahr fallen, w e n n sie die Allgemeinheit repräsentierten, vgl. B G H S t 11, 199 (201); 14, 395 (398 ff.); siehe auch oben Fußnote 12. 18 Diese Entscheidung des Grundgesetzes dürfte den alten Streit u m die E i n schreitungsbefugnis der Polizei bei Selbstmord u n d Selbstverstümmelung zugunsten der polizeilichen Rechte entscheiden; vgl. dazu: Drews-Wacke, Polizeirecht § 4 Ziff. 9 S. 60/61 u n d § 6 Ziff. 5 S. 79; Ule-Rasch, P V G §§ 15—17 Rdnr. 111, 139 u n d 157; H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I I I § 129 V I a) 1 S. 77; Baumann, Unterbringungsrecht S. 267 ff.; O L G H a m m N J W 1966, 1168. Wie hier: Dürig AöR 79, 81 Fußnote 72 u n d i m Anschluß an i h n Horz, Diss. S. 47; Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 118. 19 Maunz-Dürig, A r t . 2 Abs. 2 Rdnr. 12, vgl. dort auch S. 83 Fußnote 1. 15



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3. Abschnitt: Die Eingriffe und Beschränkungen des A r t . 13 Abs. 3

gefährdet ist. Da die verfassungsunmittelbare Eingriffsermächtigung des A r t . 13 Abs. 3 aber gerade zur unbedingten Erhaltung des menschlichen Lebens geschaffen ist 2 0 , muß der Staat i n die Wohnungsfreiheit auch dann eingreifen können, wenn zwar nicht direkte Lebensgefahr, aber ernste und schwerwiegende Gesundheitsgefahren bestehen. Das kann n u r dann nicht gelten, wenn die Gesundheitsgefahren nach ihrer A r t und nach der individuellen Konstitution der gefährdeten Person eine Lebensbedrohung von vornherein ausschließen oder zumindest unwahrscheinlich machen 21 . I I . Gegen wen darf eingegriffen

werden?

Die Frage, i n wessen Grundrecht nach der 1. Alternative des A r t . 13 Abs. 3 eingegriffen werden darf, ist dahin zu präzisieren: Darf i n die Wohnungsfreiheit nur eingegriffen werden, wenn die gemeine Gefahr oder die Lebensgefahr von der Wohnung ausgeht, i n der Wohnung selbst begründet ist oder i n der Wohnung droht? Oder darf auch dann eingegriffen werden, wenn die Gefahrenlage außerhalb der Wohnung eingetreten ist und i n keinem unmittelbaren Zusammenhang m i t der Wohnung steht, die Gefahr aber nur durch einen Eingriff i n die Wohnungsfreiheit abgewehrt werden kann? Oder anders, polizeirechtlich ausgedrückt: Darf nur gegen den Handlungs- oder Zustandsstörer (§§ 18—20 PVG) eingeschritten werden, oder darf auch ein Nichtstörer i m polizeilichen Notstand (§ 21 PVG) unmittelbar auf Grund der 1. Alternative des A r t . 13 Abs. 3 i n Anspruch genommen werden? Daß die Ermächtigung des A r t . 13 Abs. 3 für Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren ausreicht, die i n der Wohnung drohen oder von der Wohnung ausgehen, ist sicher. Der zweiten Frage soll ein Beispiel zugrunde gelegt werden: A u f einer Landstraße ereignet sich i n der Nähe eines alleinstehenden Wohnhauses ein Autounfall. E i n Beteiligter w i r d erheblich verletzt. Wegen der Kälte drohen i h m weitere schwere Gesundheitsgefahren, die Möglichkeit des Erfrierens ist nicht ausgeschlossen. Eine vorüberkommende Polizeistreife trägt den Verletzten zu dem Haus u n d verlangt vom Hausherrn seine Unterbringung bis zur Herbeiholung eines Krankenwagens.

K a n n sich der Hausherr gegenüber dem Verlangen der Polizei auf die Wohnungsfreiheit berufen oder kann die Polizei unter Hinweis auf A r t . 13 Abs. 3 die vorläufige Unterbringung erzwingen? 20

Siehe oben S. 97 m i t Fußnote 5 und unten I I 2 S. 101. Dazu gehören z. B. Gesundheitsgefahren, die regelmäßig nicht unmittelbar zum Tode führen, die aber noch Jahre später für den Tod (mit)ursächlich sein können. Wie hier w o h l H. J. Wolff , Verwaltungsrecht I I I § 125 I I b) 6 S. 48; Kaufmann, Der polizeiliche Eingriff S. 360; i m Ergebnis w o h l auch Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 118,119. 21

§ 11. Die verfassungsunmittelbare Eingriffsermächtigung

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1. Der Wortlaut des Art. 13 Abs. 3 würde dem polizeilichen Eingriff i n die Wohnungsfreiheit nicht entgegenstehen; die 1. Alternative gibt keine Auskunft darüber, wo der Gefahrenherd liegen muß. Gleichwohl bestehen Bedenken, weil die Inanspruchnahme des Nichtstörers i m allgemeinen Polizeirecht ( § 2 1 PVG) nur unter ganz engen Voraussetzungen zulässig ist, nämlich nur, „falls die Beseitigung der Störung oder die Abwehr der Gefahr auf andere Weise nicht möglich ist" (§21 Satz 1 PVG) und nur „soweit und solange die Polizeibehörde nicht andere zur Beseitigung der Gefahr führende Maßnahmen treffen kann" ( § 2 1 Satz 2 PVG). Dieser strenge Erforderlichkeitsmaßstab 22 scheint bei der generellen Ermächtigung des A r t . 13 Abs. 3 zu fehlen. Schließlich nehmen auch die Theorien, nach denen alle Grundrechte unter dem Vorbehalt der NichtStörung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung stehen, — trotz unterschiedlicher Auffassungen i m einzelnen — Grundrechtseingriffe gegen den Nichtstörer unter Berufung auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung durchweg aus 23 . Das letzte Argument ließe sich damit ausräumen, daß grundrechtsrelevantes Tätigwerden der Polizei bei anderen Grundrechten sich i m allgemeinen nur auf die i n A r t . 2 Abs. 1 festgelegte Grundrechtsschranke der verfassungsmäßigen Ordnung 2 4 oder andere „immanente Grundrechtsschranken" 25 stützen läßt, während A r t . 13 Abs. 3 einen ausdrücklichen Polizeivorbehalt enthält 2 6 . Gleichwohl ist der Gedanke, der unbeteiligte Nichtstörer dürfe nicht ohne weiteres herangezogen werden, nicht von der Hand zu weisen. 2. U m die Frage des Beispielsfalles lösen zu können, muß auf den Sinn der verfassungsunmittelbaren Eingriffsermächtigung zurückgegangen werden. Das Grundgesetz hat bei gemeinen Gefahren und bei Lebensgefahr auf die Zwischenschaltung einer konkretisierenden Rechtsnorm verzichtet, um sicherzustellen, daß das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung der Abwehr der genannten Gefahren nicht i m Wege steht. Es hat also der Abwehr dieser Gefahren den unbedingten Vorrang vor der Wohnungsfreiheit eingeräumt 2 7 und damit eine bindende Rechtsgüterabwägung und -entscheidung getroffen. 22 Vgl. dazu i m einzelnen: Drews-Wacke, Polizeirecht § 16 Ziff. 5 u n d 6 S. 251 ff.; Ule-Rasch, P V G § 21 Rdnr. 5—8; H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I I I § 127 I I b) u n d c) S. 64/65. 23 Vgl. Dürig AöR 79, 82/83; Maunz-Dürig, A r t . 2 Abs. 1 Rdnr. 85 m i t Nachweisen. 24 So vor allem Dürig AöR 79, 57 ff.; Maunz-Dürig, A r t . 2 Abs. 1 Rdnr. 69 ff., insbesondere Rdnr. 79—84. 25 Oder „allgemeine verfassungsunmittelbare Vorbehaltsschranken, w i e v. Mangoldt-Klein, Vorbem. B X V 3 a) S. 130 u n d A r t . 2 Erl. I V S. 175 ff., sich ausdrückt. 26 So w i l l anscheinend Dürig (AöR 79,82) argumentieren. 27 Siehe oben S. 97 m i t Fußnote 5.

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3. Abschnitt: Die Eingriffe u n d Beschränkungen des A r t . 13 Abs. 3

Sollte die Abwehr von Gemeingefahren und Lebensgefahr aber auf jeden Fall gesichert sein, so kann es nicht auf die Gefahrenquelle ankommen: ob sie i n der Wohnung oder anderenorts ihren Sitz hat. Folglich muß auch die Wohnung eines Nichtstörers herangezogen, i n seine grundrechtlich geschützte Wohnungsfreiheit eingegriffen werden können. Anders läßt sich die von den Vätern des Grundgesetzes intendierte, aus dem Verfassungstext ablesbare Vorrangigkeit der Gefahrenabwehr nur unvollkommen verwirklichen. 3. Auch § 330c StGB spricht für die Zulässigkeit der Inanspruchnahme des Nichtstörers. Denn strafbar macht sich, „wer bei Unglücksfällen" — dazu gehört m i t Sicherheit die Lebensgefahr 28 — „oder gemeiner G e f a h r . . . nicht Hilfe leistet". Wenn die einzig mögliche, Erfolg versprechende Hilfeleistung i n der vorläufigen Unterbringung eines Verletzten i n einer fremden Wohnung besteht, so ist der Wohnungsinhaber strafbar, wenn er die Aufnahme des Verletzten ablehnt. § 330c StGB macht die Hilfeleistungspflicht von denselben Voraussetzungen abhängig, die A r t . 13 Abs. 3 i n seiner 1. Alternative für Eingriffe i n die Wohnungsfreiheit verlangt. Eine Ausnahme von der allgemeinen Hilfeleistungspflicht und von der Strafbarkeit der unterlassenen Hilfeleistung läßt sich weder aus § 330c StGB noch auch A r t . 13 Abs. 3 für die Fälle ableiten, bei denen der Hausfrieden gestört zu werden droht. Bestehen aber Hilfeleistungspflicht und Strafbarkeit trotz Unverletzlichkeit der Wohnung fort, dann w i r d der nicht freiwillig helfende Bürger auch dulden müssen, daß der Staat zur Gefahrenabwehr i n seine Wohnung eindringt. Insoweit besteht eine Korrespondenz zwischen § 330c StGB und der 1. Alternative des A r t . 13 Abs. 3 2 9 . 4. A r t . 13 Abs. 3 gibt also ein Eingriffsrecht bei Gemeingefahr und Lebensgefahr auch gegenüber dem Nichtstörer. Zur Beseitigung der Gefahren kann i n das Grundrecht eines Dritten eingegriffen werden, dessen Wohnung m i t dem Gefahrenherd nichts zu t u n hat 3 0 . Die Polizei durfte somit i m Beispielsfalle den Wohnungsinhaber zur vorläufigen Unterbringung des Verletzten auffordern und ihre Aufforderung notfalls erzwingen. 5. Dieses Eingriffsrecht (Notstandsrecht) gegenüber einem Dritten kann jedoch nicht grenzenlos sein. Schon § 330c StGB stellt nicht jede unter28 Vgl. jeweils m i t zahlreichen Nachweisen: Schönke-Schröder, StGB § 330c Rdnr. 5—7; Werner, i n : L K StGB § 330c Erl. I I 1; Schwarz-Dreher, StGB § 330c Erl. 1 A a). 29 I n den Fällen, i n denen § 330c StGB tatbestandsmäßig vorliegt, w i l l auch Dürig (AöR 79, 82/83) die Inanspruchnahme des Nichtstörers auf G r u n d der a l l gemeinen Verpflichtung zur NichtStörung der öffentlichen Sicherheit u n d Ordnung zulassen; dagegen aber jetzt Maunz-Dürig, A r t . 2 Abs. 1 Rdnr. 85 S. 75 Fußnote 2. 80 Wie hier Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 118.

§ 11. Die verfassungsunmittelbare Eingriffsermächtigung

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lassene Hilfeleistung unter Strafe, sondern macht die — strafrechtsrelevante — Hilfeleistungspflicht von der Zumutbarkeit 3 1 abhängig. Auch die Pflicht zum Handeln oder Dulden besteht nicht schlechthin, sondern nur dann, wenn die Hilfe erforderlich ist. A u f die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme eines Dritten stellen auch die Vorschriften über den polizeilichen Notstand ab: Der Dritte darf nur herangezogen werden, „falls die Abwehr der Gefahr auf andere Weise nicht möglich ist" (§ 21 PVG). Diese i m einfachen Recht vorgesehenen Grenzen der Inanspruchnahme unbeteiligter Dritter: Erforderlichkeit und Zumutbarkeit, gelten auch für die verfassungsunmittelbare Eingriffsermächtigung des Art. 13 Abs. 3. Zwar nennt die 1. Alternative derartige Grenzen nicht ausdrücklich. Die Gebote der Verhältnismäßigkeit (Proportionalität) und der Erforderlichkeit gelten aber ebenso i m Verfassungsrecht; sie setzen allen Eingriffsbefugnissen des Staates Schranken 32 . Daher wäre nach dem oben gewählten Beispiel die polizeiliche Aufforderung zur Unterbringung des Verletzten trotz A r t . 13 Abs. 3 1. Alternative dann rechtswidrig, wenn sie nicht erforderlich wäre, wenn also der Polizei andere, ebenso w i r k same Abwehrmittel zur Verfügung stünden. 6. Die Zulässigkeit der Drittinanspruchnahme nach A r t . 13 Abs. 3 1. Alternative präjudiziert nicht die Frage nach der Entschädigung. Besteht nach den allgemeinen Regeln aus Enteignung, enteignungsgleichem Eingriff oder Aufopferung ein Entschädigungsanspruch, so w i r d er durch die Zulässigkeit der Drittinanspruchnahme nicht ausgeschlossen33. III. Wer darf eingreifen? 1. Die Wohnungsfreiheit ist — wie bereits festgestellt 34 — ein nur gegen den Staat gerichtetes Grundrecht, das keine unmittelbare D r i t t w i r k u n g i m Privatrechtsverkehr entfaltet. A r t . 13 schützt nur vor staatlichen Eingriffen, die Unverletzlichkeit der Wohnung ist nur gegenüber dem Staat garantiert und gewährt nur gegenüber dem Staat ein Abwehrrecht. 81 Z u r Zumutbarkeit bei § 330c StGB siehe i m einzelnen: BGHSt 11, 135; Schönke-Schröder, StGB § 330c Rdnr. 20—23 m i t Nachweisen; SchwarzDreher, StGB § 330c Erl. 1 B b); Werner, i n : L K StGB § 330c Erl. I I 5; Maurach, Strafrecht B T § 51 I I B S. 447. 82 Dazu ausführlich oben § 9 I 2 b) S. 76 ff.; wie hier w o h l auch Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 114, der allerdings n u r auf A r t . 19 Abs. 2 verweist. 88 Z u m Verhältnis von A r t . 13 Abs. 3 zu A r t . 14 Abs. 3 siehe einstweilen Zimniok DöV 1954, 392 ff.; mißverständlich insoweit Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 64; i m einzelnen dazu unten 4. Abschnitt § 15 I I I insbesondere sub 2 S. 146 ff. 84 Oben § 6 S. 47 ff.

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3. Abschnitt: Die Eingriffe u n d Beschränkungen des A r t . 13 Abs. 3

W i r k t die Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung aber nur gegen den Staat, so können auch die Ausnahmen von dieser Garantie nur an den Staat adressiert sein. Da den privaten Rechtsgenossen durch Art. 13 Abs. 1 keine Begrenzungen ihrer Handlungsfreiheit auferlegt sind — die Begrenzungen ergeben sich aus dem bürgerlichen Recht und dem Strafrecht —, können die Absätze 2 und 3 des A r t . 13 dem Bürger auch keine Befreiungen von den ihn gar nicht bindenden Begrenzungen erteilen. Daraus ergibt sich, daß Ausnahmeadressat, Eingriffsermächtigter des A r t . 13 Abs. 3 1. Alternative nur der Regeladressat des Art. 13 Abs. 1 sein kann 3 5 . Zu Eingriffen i n die Wohnungsfreiheit ist durch die 1. Alternative des Art. 13 Abs. 3 somit nur der Staat, nur die öffentliche Gewalt, ermächtigt 36 . 2. M i t dieser Feststellung ist noch nicht gesagt, daß das Einschreiten privater Dritter immer rechtswidrig und wegen Hausfriedenbruchs nach § 123 StGB strafbar sein müßte. Das Betreten einer Wohnung wider oder ohne den Willen des Inhabers w i r d vielmehr auch für einen Privaten rechtmäßig sein, wenn er zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder individuellen Lebensgefahr tätig wird. Seine Rechtfertigung ergibt sich jedoch nicht aus der 1. Alternative des A r t . 13 Abs. 3, sondern aus den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen und strafrechtlichen Rechtfertigungsgründen. Wenn die Rechtfertigungsgründe des § 904 BGB (bürgerlichrechtlicher Notstand) oder Nothilfe (§ 52 StGB, § 227 BGB) nicht ausreichen, so w i r d regelmäßig übergesetzlicher Notstand vorliegen. Für die i m übergesetzlichen Notstand vorzunehmende Güterabwägung 37 kann die Regelung des A r t . 13 Abs. 3 allerdings von Bedeutung sein. Wenn der Verfassungsgeber den Schutz des Hausfriedens und der Wohnungsfreiheit gegenüber der Abwehr von gemeinen Gefahren und Lebensgefahren zurücktreten läßt, so liegt i n dieser Entscheidung eine Wertung, die über den eigentlichen Anwendungsbereich des A r t . 13 hinausstrahlt. Sie muß sich für die Güterabwägung i m übergesetzlichen Notstand dahin aus35 Wie hier die Begründung des Allgemeinen Redaktionsausschusses f ü r eine abgeänderte Fassung des Abs. 3 v o m 13.12.1948, vgl. JöR n. F. 1, 142. 36 A. A. v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 4 S. 407; Brinkmann, A r t . 13 Erl. I 3 b) aa); Horz, Diss. S. 67; Kaufmann, Der polizeiliche E i n g r i f f S. 360; Haarmann DöD Ausg. B 1950, 219: Auch Private seien durch die 1. Alternative des A r t . 13 Abs. 3 ermächtigt, w e i l diese Regelung den Schutz des menschlichen L e bens bezwecke. Diese Ansicht verkennt, daß privates Handeln ebenfalls rechtmäßig ist, wenngleich aus anderen Gründen, siehe unten sub 2. Wie hier anscheinend Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 113 u n d 120, wenn er n u r von einer E r mächtigung der V e r w a l t u n g spricht. 37 Der übergesetzliche Notstand ist seit RGSt 61, 242 i n Rechtsprechung u n d L i t e r a t u r allgemein anerkannt. Z u r Güterabwägung siehe i m einzelnen: Schönke-Schröder, StGB Vorbem. zu § 51 Rdnr. 50—68; Mezger, i n : L K StGB Vorbem. 10 1) v o r § 51; Schwarz-Dreher, StGB § 54 Erl. 7; Maurach, Strafrecht A T § 27 I V u n d V S. 278 ff.

§ 11. Die verfassungsunmittelbare Eingriffsermächtigung

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wirken, daß die Abwehr von Gemeingefahren und von Lebensgefahr den Vorrang vor dem i n § 123 StGB geschützten Hausfrieden hat 3 8 . Die mittelbaren Auswirkungen des A r t . 13 Abs. 3 1. Alternative sind damit nicht erschöpft. Die verfassungsrechtliche Wertentscheidung kann auch bürgerlich-rechtliche Ansprüche beeinflussen: Der private Dritte, der bei seiner die Gefahren der 1. Alternative des A r t . 13 Abs. 3 abwehrenden Tätigkeit Schäden erleidet oder sonst Aufwendungen macht, kann als Geschäftsführer ohne Auftrag vom Begünstigten Ersatz seiner Aufwendungen verlangen (§§ 683, 670 BGB). Nach § 679 BGB kommt es auf den Willen des Begünstigten, des Geschäftsherrn, dann nicht an, wenn die Geschäftsführung i m öffentlichen Interesse liegt. Eine Geschäftsführung zur Abwehr von Gemeingefahren oder individueller Lebensgefahr liegt immer i m öffentlichen Interesse, wie die 1. Alternative des A r t . 13 Abs. 3 zeigt. Seine Wertung kann und muß zur Ausfüllung des § 679 BGB herangezogen werden. 3. Da die 1. Alternative des A r t . 13 Abs. 3 private Dritte nicht zu Eingriffen i n die Wohnungsfreiheit ermächtigt, also nicht „jedermann", sondern nur die öffentliche Gewalt zur Gefahrenabwehr legitimiert, ist die Behauptung, A r t . 13 Abs. 3 1. Alternative bedürfe überhaupt keines ausfüllenden Gesetzes39, ungenau. Denn wenn nicht jedermann zum Eingreifen berechtigt ist, darf auch nicht jedes beliebige, sondern nur das zuständige Staatsorgan zur Abwehr von Gemeingefahren und Lebensgefahr die Wohnungsfreiheit „verletzen" 4 0 . Die 1. Alternative des Art. 13 Abs. 3 setzt daher eine einfachgesetzliche Zuständigkeitsregelung voraus und ist insoweit doch noch ausfüllungsbedürftig. Sie gibt zwar die materielle Eingriffsermächtigung, die allen einfachen Gesetzen vorgeht und wegen ihres Zwecks 41 von ihnen nicht eingeschränkt werden kann, macht aber eine gesetzliche Zuständigkeitsregelung, auf Grund deren die Zurechnung menschlichen Handelns zum Staat ja auch erst möglich w i r d 4 2 , weder überflüssig noch entbehrlich. 38 Hier handelt es sich u m einen F a l l der mittelbaren Grundrechtsdrittwirkung: dazu siehe vor allem Dürig, i n : Festschrift f ü r Nawiasky S. 156 ff., u n d Maunz-Dürig, A r t . 1 Abs. 3 Rdnr. 127—133, jeweils m i t zahlreichen Nachweisen. Vgl. auch oben § 6 Ziff. 2 b) S. 49. 39 Was bei fast allen der oben i n Fußnote 2 genannten Autoren anscheinend angenommen w i r d . 40 Unrichtig daher Drews-Wacke, Polizeirecht § 12 Ziff. 1 S. 190, wo jede Behörde als ermächtigt angesehen w i r d ; ebenso Brinkmann, A r t . 13 Erl. I 3 b) aa); w o h l auch Haarmann DöD Ausg. B 1950, 219. Wie hier w o h l Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 113. 41 Siehe oben 1 1 S. 97 m i t Fußnote 5 u n d I I 2 S. 101. 42 Kelsen, Reine Rechtslehre S. 157 ff. u n d S. 180 ff.; G. Jellinek, Subjektive öffentliche Rechte S. 227 ff., 233; Nawiasky, Staatslehre S. 69 ff.; ders. Rechtslehre S. 111 ff.; H. J. Wolff, Theorie der Vertretung, insbesondere S. 236 ff.; Dreier, „Organlehre" i m Ev. Staatslexikon Sp. 1429.

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3. Abschnitt: Die Eingriffe u n d Beschränkungen des A r t . 13 Abs. 3

A r t . 13 Abs. 3 verlangt für die Eingriffe der 1. Alternative jedoch keine spezielle Zuständigkeit, die allgemeine Kompetenz zur Gefahrenabwehr genügt 4 3 . Die Gefahrenabwehr ist nach positivem Staats- und Verwaltungsrecht i n allen Bundesländern Aufgabe und Zuständigkeit der Polizei 4 4 . Das schließt aber nicht aus, daß eine Kompetenznorm des einfachen (Landes-)Rechts auch andere Staatsorgane für zuständig erklärt.

§ 12. Eingriffe und Beschränkungen auf Grund eines Gesetzes, Art. 13 Abs. 3 2. Alternative I n seiner 2. Alternative läßt A r t . 13 Abs. 3 Eingriffe i n die Wohnungsfreiheit zu „auf Grund eines Gesetzes . . . zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutz gefährdeter Jugendlicher". Durch das Wort „insbesondere" scheint zum Ausdruck zu kommen, daß Gesetze zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr und zum Schutz gefährdeter Jugendlicher verstanden werden müssen als Unter fälle und Beispiele für Gesetze zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Die Behebung der Raumnot, die Bekämpfung von Seuchengefahr und der Schutz gefährdeter Jugendlicher müßten sich also unter den Oberbegriff „Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" subsumieren lassen. Geht man von der Richtigkeit dieser Annahme aus, so muß man von den drei Beispielen auf die Bedeutung des Oberbegriffes zurückschließen können. Da die Beispiele sehr viel konkreter sind als die Generalermächtigung, sollen sie zuerst analysiert werden. Dabei w i r d sich zeigen, ob tatsächlich ein Spezialitätsverhältnis der Beispiele zur Generalermächtigung besteht und ob die Generalklausel des A r t . 13 Abs. 3 2. Alternative denselben Inhalt hat wie die i m Wortlaut ähnliche polizeiliche Generalklausel 45 . 48

So w o h l auch Dürig AöR 79, 81 Leitsatz 9. H i e r bewähren sich die polizeilichen Generalklauseln also noch i n dem Sinne, den der alte § 10 I I 17 A L R ursprünglich hatte: als reine Zuständigkeitsnormen. 45 I n der L i t e r a t u r werden beide Fragen — i m allgemeinen ohne nähere E r örterung — bejaht, vgl. v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 5 b) S. 408; Wernicke , B K A r t . 13 Erl. I I 3 c); Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 127, 128; Hamann, A r t . 13 Erl. B 8; Leisner, „Wohnung" i m Ev. Staatslexikon Sp. 2586; Horz, Diss. S. 75; Drews-Wacke, Polizeirecht § 12 Ziff. 1 S. 190/91; Ule-Rasch, P V G §§ 15—17 Rdnr. 181, 182, 187 u n d 188; Haarmann DöD Ausg. B 1950, 220; Kaufmann, Der polizeiliche E i n g r i f f S. 360; w o h l auch Brinkmann, A r t . 13 Erl. I 3 b) bb). — Die Untersuchung w i r d demgegenüber ergeben, daß nicht beide Fragen gleichzeitig positiv beantwortet werden können. 44

§ 12. Eingriffe u n d Beschränkungen auf Grund eines Gesetzes

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I. Behebung der Raumnot, Bekämpfung von Seuchengefahr, Schutz gefährdeter Jugendlicher 1. Die Formulierung „Behebung der Raumnot" bedarf der Präzisierung: „Raumnot" erscheint als umfassender Begriff, der den Mangel an Wohnräumen, Geschäftsräumen und den Mangel an befriedeten Grundstücken einschließen könnte. Gleichwohl besteht i n Literatur 4 6 und Rechtsprechung 47 auf Grund der Entstehungsgeschichte des Art. 13 Abs. 3 Einigkeit darüber, daß Raumnot nur als Wohnraumnot, als Mangel an privatem Wohnraum (Wohnung i m engeren Sinne) verstanden werden darf 4 8 . Weiter geht aus der Entstehungsgeschichte hervor, daß Gesetze zur Behebung der Raumnot nicht dem Wohnungsmangel, der nur den Einzelnen trifft, sondern dem generellen Wohnungsmangel abhelfen sollen 40 . Raumnot besteht also nicht bei individuell unzureichenden Platzverhältnissen, sondern bei angespannter Lage des Wohnungsmarktes durch unzulängliches Wohnungsangebot. Gegenstand derartiger Gesetze ist somit nicht die Obdachlosigkeit, sondern die allgemeine Wohnungsknappheit 50 . Die Beseitigung der allgemeinen Wohnungsnot ist, anders als die Beseitigung der Obdachlosigkeit, keine polizeiliche Aufgabe. Während die Obdachlosigkeit eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung begründet 51 , enthält der allgemeine Wohnungsmangel nur mittelbar Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Bei zu engen Wohnverhältnissen und riesigen Gemeinschaftsunterkünften können zwar Reibereien und Unfrieden, die Gefahr erhöhter Kriminalität und der Verwahrlosung drohen. Auch w i r d echte individuelle Persönlichkeits48 v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 5 c) S. 409; Hamann, A r t . 13 Erl. B 8; Leisner, „Wohnung" i m Ev. Staatslexikon Sp. 2585; Kiefersauer JR 1952, 82; w o h l auch Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 133, der i n Extremfällen aber anscheinend auch die Geschäftsraumnot darunter fallen lassen w i l l ; Brinkmann, A r t . 13 Erl. 13 b) bb); Kern, i n : Die Grundrechte I I S. 106. 47 Hess.VGH E S V G H 4, 209 (211); O V G Münster DVB1. 1952, 352 = Z M R 68 = DöV 375 = J Z 314; O V G Münster AS 6, 20 (22); 17, 195 (198/99); O V G Münster H M R Rspr. 51 Nr. 48. 48 Vgl. die Ausführungen des Abg. v. Mangoldt (CDU) i n der 44. Sitzung des Hauptausschusses v o m 19.1.1949, JöR n. F. 1,140. 49 Schon bei den Beratungen zur Weimarer Verfassung hatte man lediglich i m Hinblick auf den allgemeinen Wohnungsmangel die Schranken des G r u n d rechts der Unverletzlichkeit der Wohnung neu formuliert: Statt „Das E i n d r i n gen i n eine Wohnung sowie Haussuchungen u n d Beschlagnahmen sind n u r auf G r u n d eines Gesetzes zulässig" sollte es heißen: „Ausnahmen sind n u r auf G r u n d von Gesetzen zulässig", vgl. Heilfron, Nationalversammlung Bd. 7 S. 387/88. — Ausführlich dazu unten 4. Abschnitt § 15 I I 2 S. 142 ff. 50 B G H Z 6, 270 (286); O V G Münster DVB1. 1952, 352 = Z M R 68 = DöV 375 = JZ 314; AS 6, 20 (22); i m übrigen vgl. die Literaturnachweise i n Fußnote 46. 51 O V G Münster AS 8, 212 (214); Drews-Wacke, Polizeirecht § 7 Ziff. 8 S. 121 ff.; Bettermann-Haarmann, Wohnungsrecht S. 77, 91,149c, 182.

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3. Abschnitt: Die Eingriffe u n d Beschränkungen des A r t . 13 Abs. 3

entfaltung, wie sie dem Grundgesetz i n den Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 offenbar vorschwebt, unmöglich gemacht oder doch unverhältnismäßig erschwert. Die Beseitigung dieser nicht unmittelbar drohenden, aber auf längere Sicht nicht zu unterschätzenden Gefahren ist jedoch typische Aufgabe des Wohlfahrts- und Sozialstaates, nicht Aufgabe der Polizei 52 . Denn es geht hier nicht um die Herstellung oder Erhaltung eines Normalzustandes 53 , sondern um die Verbesserung von Verhältnissen, deren „Normalzustand" bereits seit Jahrzehten die Wohnungsknappheit ist. M i t t e l des sozialstaatlichen Einschreitens ist die Wohnraumbewirtschaftung mit dem Ziel, jedem Bürger einen angemessenen Mindestwohnraum zur Verfügung zu stellen. 2. Bekämpfung von Seuchengefahr. Unter einer Seuche versteht man die unkontrollierbare Ausbreitung einer übertragbaren Krankheit 5 4 . Derartige sich epidemisch verbreitende Infektionskrankheiten gibt es bei Menschen, Tieren und Pflanzen. Während bei Menschenseuchen unmittelbar die menschliche Gesundheit oder das menschliche Leben gefährdet sind, bedrohen Tier- und Pflanzenseuchen in erster Linie das Vermögen. Aber auch Tier- und Pflanzenseuchen können mittelbar die Gesundheit und das Leben von Menschen gefährden, so durch den Genuß verseuchten Fleisches oder verseuchter pflanzlicher Nahrungsmittel oder durch die Vernichtung großer, ernährungswirtschaftlich wichtiger Viehoder Pflanzenbestände. Maßnahmen zur Bekämpfung von Seuchengefahr sind somit gerichtet auf den Schutz der menschlichen Gesundheit und des menschlichen Lebens und auf die Erhaltung von Eigentum und Vermögen. Es handelt sich u m zustandskonservierende, schädenverhütende Gefahrenabwehr, die typischerweise i n den Aufgabenbereich der Polizei gehört 55 . Gesundheit, Leben, Eigentum und Vermögen sind polizeilich geschützte Rechtsgüter, die bei der Seuchenbekämpfung durch das potentiell unabsehbare Ausmaß des zu befürchtenden Schadens besondere Bedeutung erlangen. Die Bekämpfung von Seuchen kann sinnvoll nicht erst dann begonnen werden, wenn Infektionen bereits aufgetreten sind und die unkontrollierbare Ausbreitung der Krankheit unmittelbar bevorsteht oder schon begonnen hat. Zur Schadensverhütung w i r d es dann i n der Regel zu spät 52 K G Pr.VBl. 49, 496 (497) = J W 1928, 515; Drews-Wacke, Polizeirecht § 7 Ziff. 8 S. 121; Bettermann-Haarmann, Wohnungsrecht S. 54, 72/73, 91, 148 w ; Steiner, Unverletzlichkeit der Wohnung S. 30. 53 Drews-Wacke, Polizeirecht § 4 Ziff. 2—6 S. 53 ff. m i t Nachweisen; UleRasch, P V G § 14 Rdnr. 4 m i t Nachweisen. 54 Siehe: Der Große Brockhaus Bd. 10 sub „Seuche" S. 668; vgl. auch Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 138. 55 Drews-Wacke, Polizeirecht § 5 Ziff. 8 S. 70 ff.

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sein. Demgemäß kann sich — und dessen waren sich die Väter des Grundgesetzes sehr wohl bewußt — eine moderne, sachgerechte Seuchengesetzgebung nicht mit Vorschriften zur repressiven Seuchenbekämpfung begnügen; sie muß vielmehr dafür Sorge tragen, daß die Gefahrenquellen nach Möglichkeit schon präventiv ausgeschaltet werden 5 6 . Dazu gehört vor allem die regelmäßige Überwachung der Gefahrenherde, z. B. die Kontrolle der Nahrungsmittelherstellung und der Wasserreinheit sowie die Vernichtung von Ungeziefer, damit gefährliche Krankheitserreger gar nicht erst zum Verbraucher (Mensch, Tier, Pflanze) gelangen können. Soweit zur repressiven Bekämpfung und zur präventiven Verhütung von Seuchen Eingriffe i n die Wohnungsfreiheit notwendig sind, werden sie vom Grundgesetz i n Art. 13 Abs. 3 ausdrücklich zugelassen. 3. Gesetze zum Schutz gefährdeter Jugendlicher wollen Fehlentwicklungen der i m Vergleich zu Erwachsenen wesentlich stärker beeinflußbaren, leichter form- und verformbaren jungen Menschen verhindern. Der Schutz dient dabei einmal dem einzelnen Jugendlichen selbst, zum anderen aber auch der Gesellschaft, für die fehlentwickelte und fehlgeleitete Jugendliche zu einer ständigen Belastung und Bedrohung werden können (Kriminalität). Jugendschutz ist gefahrenabwehrende, die öffentliche Sicherheit und Ordnung schützende Staatstätigkeit, die materiell dem Polizeirecht zuzuordnen ist 5 7 . Allerdings ist nicht zu verkennen, daß sich die reine Gefahrenabwehr vielfach mit fürsorgerischen und damit nicht mehr polizeilichen Maßnahmen verbinden wird, weshalb i m allgemeinen auch nicht die Polizei, sondern die Jugendämter für den Jugendschutz zuständig sind 5 8 . a) A r t . 13 Abs. 3 läßt nur bei gefahrenabwehrenden, nicht bei fürsorgerischen Maßnahmen Eingriffe i n die Wohnungsfreiheit zu. Er scheint die zulässigen Eingriffe noch dadurch weiter einzuengen, daß er vom „Schutz gefährdeter Jugendlicher" spricht, also — dem strengen Wortlaut nach — eine bereits eingetretene Gefährdung des Jugendlichen zur Eingriffsvoraussetzung macht. Man kann zwar versuchen, gefährdete Jugendliche vor weiteren Gefährdungen zu schützen und eine schon bestehende Verwahrlosung zurückzudrängen und zu beseitigen. Erfolg versprechender sind jedoch Maßnahmen, die Jugendliche allgemein vor Gefahren, ins56 Vgl. jetzt den 4. Abschnitt des Gesetzes zur Verhütung u n d Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen (Bundes-Seuchengesetz) v o m 18. 7. 1961 (BGBl. I S. 1012, berichtigt S. 1300), der überschrieben ist: Vorschriften zur Verhütung übertragbarer Krankheiten. 57 Drews-Wacke, Polizeirecht § 3 Ziff. 3 e) S. 40 u n d § 7 Ziff. 7 S. 119/20; Bettermann, AöR 83,91 (98 ff.). 58 Vgl. Drews-Wacke, Polizeirecht § 7 Ziff. 7 S. 119/20. Z u der Streitfrage, ob u n d wieweit Jugendschutz unter A r t . 74 Nr. 7 (öffentliche Fürsorge) fällt, vgl. Bettermann AöR 83, 91 ff.; siehe auch BVerfGE 11, 234 (237); 22, 180 (203, 212/ 13).

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3. Abschnitt: Die Eingriffe und Beschränkungen des A r t . 13 Abs. 3

besondere vor Verwahrlosung schützen, ohne daß man erst den E i n t r i t t des gefährlichen Zustandes abwartet. Daher müßte es i n A r t . 13 Abs. 3 richtig und sinnvoll heißen: „Schutz Jugendlicher vor Gefährdungen" und nicht: „Schutz gefährdeter Jugendlicher". Diese Auslegung w i r d durch einen Hinweis auf A r t . 11 Abs. 2 gestützt, wo vom „Schutz der Jugend vor Verwahrlosung" die Rede ist. I m Parlamentarischen Rat hatte man zeitweise versucht, die heutigen Schranken des A r t . 13 Abs. 3 durch eine Verweisung auf die Schranken des Freizügigkeitsrechts zu regeln 5 9 , die damals noch nicht den „Schutz der Jugend vor Verwahrlosung", sondern ganz allgemein den „Schutz der Jugend" behandelten 60 . Man hat später bei A r t . 13 doch eigene Schranken i m jetzigen Abs. 3 formuliert, vor allem deshalb, w e i l man bei der Wohnungsfreiheit eine verfassungsunmittelbare Eingriffsermächtigung (die jetzige 1. Alternative des Abs. 3) schaffen und die „Behebung der Raumnot" bei den Schranken des Freizügigkeitsrechts streichen wollte. Das änderte jedoch nichts an dem Sinn des Eingriffsvorbehalts zugunsten des Jugendschutzes. Ob vom „Schutz der Jugend", vom „Schutz der Jugend vor Verwahrlosung" oder schließlich i n A r t . 13 Abs. 3 vom „Schutz gefährdeter Jugendlicher" die Rede war, immer war auch an vorbeugende Maßnahmen gedacht, also an den Schutz Jugendlicher auch vor künftigen Gefährdungen. b) Immerhin erweckt die Formulierung „Schutz Jugendlicher vor Gefährdungen" Bedenken, weil sie dem Staat scheinbar uferlose Möglichkeiten zu Eingriffen i n die Wohnungsfreiheit gibt. Der Frieden des engsten häuslichen Bereiches könnte durch scharfe präventive Kontrollmaßnahmen ständigen Störungen ausgesetzt sein, — ein Ergebnis, das für die elterliche Wohnung nicht befriedigen kann, während es i m Bereich der Öffentlichkeit, i n Gaststätten, Nachbars, Spielkasinos, i n Theatern und Lichtspielhäusern durchaus angemessen erscheint 61 . 59 Vorschlag des Allgemeinen Redaktionsausschusses vom 16.11.1948, vgl. JöR n. F. 1,140. 60 Abs. 2 des Freizügigkeitsrechts (damals Art. 5) lautete, vgl. JöR n. F. 1, 141: „Dieses Recht darf nur durch Gesetz und nur dann eingeschränkt werden, wenn dies zur Abwehr einer schweren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, zum Schutz der Jugend, zur Behebung der Raumnot oder zur Bekämpfung von Seuchengefahr zwingend erforderlich ist." Vgl. auch die Formulierung i m jetzigen A r t . 5 Abs. 2: „gesetzliche Bestimmungen zum Schutze der Jugend". — A u f die aktuelle Bedeutung des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung für die Auslegung des Freizügigkeitsrechts weist besonders Dürig, i n : Die Grundrechte I I S. 512 ff., hin. 61 Vgl. die §§ 2—8 des Gesetzes zum Schutze der Jugend i n der Öffentlichkeit i. d. F. vom 27. 7.1957 (BGBl. I S. 1058). — Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 146, spricht auch vom „Schutz der Jugend vor sittlichen Gefahren oder Verwahrlosung", ohne hierbei weiter zu differenzieren und ohne zu erkennen, daß er gegen den Wortlaut des Art. 13 Abs. 3 interpretiert.

§ 12. Eingriffe u n d Beschränkungen auf G r u n d eines G e s e t z e s 1 1 1

Eine Einschränkung der staatlichen Jugendschutzmaßnahmen läßt sich aus dem elterlichen Erziehungsrecht des A r t . 6 Abs. 2 gewinnen. Die Erziehung, und damit auch der Schutz Jugendlicher vor Gefährdungen, ist „zuvörderst" Hecht und Pflicht der Eltern. I m häuslichen Bereich ist der Schutz der Jugendlichen durch die Eltern i n der Regel ausreichend gewährleistet, eine ständige staatliche Überwachung wäre überflüssig und würde das elterliche Erziehungsrecht empfindlich beeinträchtigen. Daher kann i n diesem Bereich der staatliche Eingriff i n die Wohnungsfreiheit nur zulässig sein, wenn die Eltern ihrer Erziehungs- und Schutzpflicht nicht genügen 62 , wenn also Gefahren für die Jugendlichen unmittelbar bevorstehen oder bereits eingetreten sind, oder anders ausgedrückt, wenn es sich um den Schutz gefährdeter Jugendlicher handelt. — Anders verhält es sich beim Jugendschutz außerhalb der häuslichen Sphäre. Hier ist die Kontrollmöglichkeit der Eltern wesentlich geringer, die an die Jugendlichen herangetragenen Gefährdungen sind größer und schwerer zu übersehen. Wenn daher der Staat i m außerhäuslichen Bereich präventive Schutzmaßnahmen ergreift, so ergeben sich grundsätzlich keine Bedenken. c) A r t . 13 Abs. 3 meint also — richtig verstanden — nicht nur repressiven, sondern auch präventiven Jugendschutz, er w i l l den Hausfrieden nicht nur zugunsten „gefährdeter Jugendlicher" zurücktreten lassen, sondern schon zugunsten des „Schutzes Jugendlicher vor Gefährdungen". Der Umfang der damit zulässigen Wohnungseingriffe w i r d durch das Erziehungsrecht und die Erziehungspflicht der Eltern aus A r t . 6 Abs. 2 beschränkt und auf das richtige Maß zurückgeführt. II. Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung Die Wortfassung der generellen Eingriffsermächtigung des A r t . 13 Abs. 3 2. Alternative erinnert an die polizeiliche Generalklausel des § 14 Abs. 1 des preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes (PVG) 63 und läßt 62 Vgl. A r t . 6 Abs. 3. Siehe dazu v. Mangoldt-Klein, A r t . 6 Erl. I V 5 c) S. 275; Denecke, i n : Die Grundrechte I I I / l S. 488—493. 83 V o m 1. 6.1931 (GS S. 77, berichtigt S. 136). Ähnliche Generalklauseln finden sich i n : §§ 1 u n d 3 des bad.-württ. Polizeigesetzes v o m 21.11.1955 (GesBl. S. 249); § 14 des Berl. Polizeiverwaltungsgesetzes i. d. F. v o m 2.10.1958 (GVB1. S. 961) — Neufassung des Pr.PVG; § 1 des Brem. Polizeigesetzes v o m 5. 7.1960 (GesBl. S. 73); § 3 des Hamb. Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit u n d Ordnung (SOG) v o m 14. 3.1966 (GVB1. S. 77); § 1 des hess. Gesetzes über die öffentliche Sicherheit u n d Ordnung (HSOG) v o m 17.12.1964 (GVB1. S. 209); § 1 des nds. Gesetzes über die öffentliche Sicherheit u n d Ordnung v o m 21. 3. 1951 (GVB1. S. 79); § 14 Pr.PVG i n der f ü r den Aufgabenbereich der Polizei geltenden Neufassung auf G r u n d der Bekanntmachung v o m 27.11.1953 für N W (GVB1. S. 403) u n d §§ 1 u n d 2 des nw. Gesetzes über A u f b a u und Befugnisse der Ordnungsbehörden — Ordnungsbehördengesetz (OBG) — v o m 16.10.

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3. Abschnitt: Die Eingriffe u n d Beschränkungen des A r t . 13 Abs. 3

vermuten, daß die Begriffe der „Gefahr", der „öffentlichen Sicherheit" und der „öffentlichen Ordnung" dort ebenso zu verstehen sind wie i m allgemeinen Polizeirecht 64 . I n der Tat ist kaum ersichtlich, wie diese i m allgemeinen deutschen Verwaltungsrecht feststehenden Begriffe i n A r t . 13 Abs. 3 anders ausgelegt werden könnten. Gleichwohl weist die Formulierung des A r t . 13 Abs. 3 Abweichungen zur polizeilichen Generalklausel auf. Während § 14 PVG zur Abwehr von Gefahren ermächtigt, „durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird", ist i n der 2. Alternative des Art. 13 Abs. 3 von der „Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" die Rede. 1. Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung Von der Identität der Begriffe „öffentliche Sicherheit" und „öffentliche Ordnung" i n der Gefahrenabwehrklausel des A r t . 13 Abs. 3 und i m allgemeinen Polizeirecht w i r d man mit hoher Wahrscheinlichkeit dann ausgehen können, wenn die Beispiele, die der Generalermächtigung i n A r t . 13 Abs. 3 durch das Wort „insbesondere" angefügt sind, sich als typische, spezifizierte Fälle der allgemeinen polizeilichen Gefahrenabwehr, als polizeiliche Aufgaben i m materiellen Sinne 65 , einordnen lassen. Bei der Untersuchung der drei aufgeführten Beispiele war festgestellt worden, daß eine derartige Subsumtion für den „Schutz gefährdeter Jugendlicher" und die „Bekämpfung von Seuchengefahr" ohne weiteres möglich ist. Dagegen ließ sich eine Kongruenz der wohlfahrtsstaatlichen „Behebung der Raumnot" m i t der Gefahrenabwehrklausel nicht herstellen 66 . Aus dieser Schwierigkeit sind zwei Auswege denkbar: Entweder man erweitert die Begriffe der „Gefahr", der „öffentlichen Sicherheit" und der „öffentlichen Ordnung" und dehnt den daraus gebildeten materiellen Polizeibegriff so stark aus, daß i h m auch wohlfahrts- und sozialstaatliche Maßnahmen subsumiert werden können. Oder man klammert die „Behebung der Raumnot" aus der beispielhaften Aufzählung aus und versteht sie als 3. Alternative des A r t . 13 Abs. 3. 1956 (GVB1. S. 155); § 1 des rh-pf. Polizeiverwaltungsgesetzes vom 26.3.1954 (GVB1. S. 31); i m Saarland gilt § 14 Pr.PVG fort, vgl. § 1 Nr. 14 der Übernahmeverordnung v o m 22. 2.1935 (RGBl. I S. 224), durch die das Gesetz i m Saarland i n K r a f t gesetzt w u r d e ; § 1 des schl.-holst. Polizeigesetzes v o m 23. 3. 1949 (GVOB1. S. 61). 64 Z u diesen Begriffen i m allgemeinen Polizeirecht siehe, jeweils m i t zahlreichen Nachweisen: Drews-Wacke, Polizeirecht §§ 4—6 S. 51 ff.; Ule-Rasch, P V G § 14 Rdnr. 3—16; H. J. Wolff , Verwaltungsrecht I I I § 125 I I u n d I I I S. 44 ff. 65 Vgl. dazu Drews-Wacke, Polizeirecht § 1 u n d § 2 Ziff. 1 u n d 2 S. 1 ff., insbesondere S. 11—13; H. J. Wolff , Verwaltungsrecht I I I § 122 I I I a) S. 14; UleRasch, P V G § 14 Rdnr. 1. Siehe auch unten sub c) S. 115/16. 66 Oben 11 S. 107/08.

§ 12. Eingriffe u n d Beschränkungen auf G r u n d eines G e s e t z e s 1 1 3

a) Durch eine extensive Interpretation der „öffentlichen Sicherheit" und der „öffentlichen Ordnung" müssen die Begriffe notwendig an Prägnanz und Schärfe verlieren. Bei der Einbeziehung der fürsorgerischen Staatstätigkeit verschwimmen nicht nur die Grenzen, sondern auch die Begriffskerne; es ließe sich kaum noch eine staatliche Maßnahme finden, die nicht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung diente. Maßnahmen zur Verhütung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung wären dann alle diejenigen, die i m öffentlichen Interesse geboten sind 6 7 . Damit liefe die Ermächtigung der 2. Alternative auf einen generellen Gesetzesvorbehalt hinaus 6 8 . Eine derartige Ausweitung würde die Begriffe nicht nur inhaltsleer und damit wertlos machen, sondern sich auch zum Wortlaut des A r t . 13 Abs. 3 i n Widerspruch setzen. Denn A r t . 13 Abs. 3 verlangt i n seiner 2. Alternative ausdrücklich, daß ein die Wohnungsfreiheit einschränkendes Gesetz die Verhütung von Gefahren zum Ziel haben müsse, und läßt gerade nicht alle Eingriffe zu, die i m öffentlichen Interesse liegen. Die extensive Auslegung der Gefahrenabwehrklausel würde auch die Bemühungen des Parlamentarischen Rates ignorieren, das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung nicht m i t einem einfachen Gesetzesvorbehalt zu versehen, sondern seine Effektivität durch möglichst enge und präzise Eingriffsvoraussetzungen zu vergrößern 69 . b) Ebenso wie die Überdehnung der Formel „Verhütung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" i n Widerspruch zum Wortlaut des A r t . 13 Abs. 3 gerät, setzt sich die Ausklammerung der Gesetze zur Behebung der Raumnot über den Sprachsinn des Wortes „insbesondere" hinweg. Sie mißachtet das dadurch zum Ausdruck kommende Spezialitätsverhältnis zur Generalermächtigung und löst den bei87 Darauf läuft die Interpretation der 2. Alternative des A r t . 13 Abs. 3 bei v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 2 b) S. 403/04, I V 3 b) S. 405/06 u n d I V 5 b) S. 408/09, praktisch auch hinaus. Vgl. auch Dagtoglou, B K A r t . 13 insbesondere Rdnr. 158 ff. u n d dagegen Rdnr. 165; Tipke DStR 1967, 80; Laule FR 1965, 500. — Daher auch die Zweifel, die bei v. Mangoldt-Klein a.a.O. an der Tauglichkeit des A r t . 13 Abs. 3 zur Sicherung der Wohnungsfreiheit u n d zur Beschränkung der zugelassenen Eingriffe geäußert werden. 68 Tatsächlich hatte das Redaktionskomit6e des Grundsatzausschusses f ü r dessen 5. Sitzung v o m 29. 9.1948 eine ähnliche Fassung f ü r den damaligen A r t . 7 Abs. 2 vorgeschlagen, vgl. JöR n. F. 1,139: „ I m Interesse des gemeinen Wohls, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr, zum Schutz gefährdeter Jugendlicher, können auch die Verwaltungsbehörden durch Gesetz zu Eingriffen u n d Beschränkungen ermächtigt werden." Diese Fassung hat man bewußt nicht gewählt, w e i l die zulässigen G r u n d rechtseingriffe beschränkt werden sollten; Nachweise i n Fußnote 69. 69 Vgl. die Äußerungen der Abg. v. Mangoldt (CDU) u n d Schmid (SPD) i n der 5. Sitzung des Grundsatzausschusses v o m 29.9.1948, JöR n. F. 1, 140; siehe weiter die Diskussionen u m die richtige Fassung des A r t . 13 Abs. 3, wiedergegeben i n JöR n. F. 1,142 f.

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3. Abschnitt: Die Eingriffe u n d Beschränkungen des A r t . 13 Abs. 3

spielhaften Charakter der Aufzählung zulässiger gesetzlicher Maßnahmen auf. Gleichwohl läßt sich die Ausklammerung der Gesetze zur Behebung der Raumnot eher rechtfertigen als die inhaltliche Ausweitung der Generalklausel. Bei den Beratungen des A r t . 13 Abs. 3 ist man i m Parlamentarischen Rat immer davon ausgegangen, daß bestimmte polizeiliche Aufgaben zu Eingriffen i n die Wohnungsfreiheit berechtigen sollten 7 0 und daß man daneben auf jeden Fall die Wohnraumbewirtschaftung sicherstellen und deshalb ausdrücklich erwähnen müsse 71 . Gleichzeitig war man sich durchaus nicht darüber einig, ob das Wort „insbesondere" lediglich ein Spezialitätsverhältnis ausdrückte und ob die folgende A u f zählung tatsächlich nur beispielhaften Charakter trüge. Bezeichnenderweise ist zeitweilig erwogen worden, den Zusatz „zur Bekämpfung von Seuchengefahr" zu streichen 72 . Denn dieser Zusatz sei überflüssig, w e i l die Seuchenbekämpfung schon i n der Formulierung „Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" enthalten sei 73 . Eine weitere Erwägung stützt diese rein genetische Argumentation und verdeutlicht die Sonderstellung der Gesetze zur Behebung der Raumnot: Während alle anderen Eingriffe i n die Wohnungsfreiheit sich typischerweise dadurch auszeichnen, daß Staatsorgane die Wohnung betreten oder i n sie gewaltsam eindringen, besteht der Eingriff bei der Wohnraumbewirtschaftung vor allem, wenn auch nicht ausschließlich, i n der Beschlagnahme der Wohnung, die allgemein als „dingliche Inanspruchnahme" bezeichnet w i r d 7 4 . Diese Tatsache, die unten näher ausgeführt w i r d 7 5 und deren Konsequenzen hier noch nicht erörtert werden sollen 76 , 70 Vgl. vor allem die „ K r i t i c h e Würdigung" Thomas zur Fassung des G r u n d satzausschusses v o m 29. 9.1948, JöR n. F. 1, 140, sowie die Diskussion u m die richtige Formulierung des A r t . 13 Abs. 3, JöR n. F. 1,141 ff. 71 Vgl. die Ausführungen des Abg. Z i n n (SPD) i n der 5. Sitzung des G r u n d satzausschusses v o m 29. 9.1948 u n d den dort gefaßten Beschluß zur Sicherstellung der Wohnraumbewirtschaftung, JöR n. F. 1, 139/40, sowie die Bemerkungen des Abg. v. Mangoldt i n der 44. Sitzung des Hauptausschusses v o m 19.1.1949, JöR n. F. 1,142. 72 Die Streichung w a r von dem Abg. v. Mangoldt i n der 23. Sitzung des Grundsatzausschusses v o m 19.11.1948 beantragt worden. Sie unterblieb auf G r u n d der Forderungen des Abg. Bergsträßer (SPD) i n derselben Sitzung, JöR n. F. 1,141. 73 So die Begründung des Abg. v. Mangoldt f ü r seinen Streichungsantrag i n der 23. Sitzung des Grundsatzausschusses v o m 19.11.1948, JöR n. F. 1, 141. 74 Der Terminus „dingliche Inanspruchnahme" ist wenig glücklich, w e i l durch die Wohnraumbewirtschaftung keine dinglichen Rechte begründet w e r den. E r hat sich aber wegen der damit verbundenen Substanzeingriffe i n z w i schen fest eingebürgert u n d w i r d deshalb auch hier weiterverwendet. 75 Unten § 13 I I 3 S. 127/28. 78 Siehe unten 4. Abschnitt § 15 I I I 2 S. 146 ff. Thoma hatte i n seiner „ K r i t i schen Würdigung" sogar erklärt, daß die Wohnraumbewirtschaftung m i t der Wohnungsfreiheit überhaupt nichts zu t u n habe, vgl. JöR n. F. 1, 140.

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legt eine besondere Behandlung der Gesetze zur Behebung der Raumnot nahe und rechtfertigt ihre Herausnahme aus dem strengen Konnex m i t der Generalklausel, den das Wort „insbesondere" zu fordern scheint. Echte Beispiele für die Generalermächtigung sind somit nur die „Bekämpfung von Seuchengefahr" und der „Schutz gefährdeter Jugendlicher" (Schutz Jugendlicher vor Gefährdungen), während die „Gesetze zur Behebung der Raumnot" eine 3. Alternative innerhalb des A r t . 13 Abs. 3 darstellen, die besser i n einem 4. Absatz geregelt wären. c) Damit steht nichts mehr i m Wege, die Begriffe „Gefahr", „öffentliche Sicherheit" und „öffentliche Ordnung" i n A r t . 13 Abs. 3 ebenso zu verstehen wie i m allgemeinen Polizeirecht. Die genauen Begriffsinhalte können hier als bekannt vorausgesetzt werden 7 7 . Der Erörterung bedarf jedoch die Frage, wie weit der i n A r t . 13 Abs. 3 enthaltene Polizeibegriff zu fassen ist. Man unterscheidet i m allgemeinen Polizeirecht einen materiellen und einen formellen Polizeibegriff. Während sich der formelle Polizeibegriff aus der Summe der von Polizeibehörden wahrgenommenen Tätigkeiten ergibt, w i r d der materielle Polizeibegriff durch die Funktion der A b wehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bestimmt 7 8 . Der formelle Polizeibegriff ist jeweils abhängig von der konkreten Verwaltungsorganisation, die i n den einzelnen Bundesländern sehr verschieden sein kann und häufig Zufälligkeiten aufweist. Für die Zulässigkeit von Eingriffen i n die Wohnungsfreiheit kann es darauf nicht ankommen, da der Kreis der nach dem Grundgesetz zulässigen Grundrechtseingriffe i n den einzelnen Bundesländern nicht verschieden groß sein darf 7 9 ; es muß gleichgültig sein, ob die allgemeinen Polizeibehörden, eine Ordnungsbehörde oder eine andere Spezialbehörde eine die Wohnungsfreiheit einschränkende Maßnahme vornimmt. Daher ist grundsätzlich der formelle Polizeibegriff abzulehnen und — wie es auch der Wortlaut des A r t . 13 Abs. 3 nahelegt — vom materiellen Polizeibegriff auszugehen. Der materielle Polizeibegriff ist allerdings sehr weit, w e i l die öffentliche Sicherheit den Schutz der gesamten Rechtsordnung umfaßt; jede auf die Beachtung und Durchsetzung einer Rechtsnorm gerichtete staat77 Vgl. dazu Drews-Wacke, Polizeirecht §§ 4—6 S. 51 ff.; Ule-Rasch, P V G § 14 Rdnr. 3—16; H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I I I § 125 I I u n d I I I S. 44 ff. 78 H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I I I § 122 I I a) S. 14; Drews-Wacke, Polizeirecht § 1 u n d § 2 Ziff. 1 u n d 2 S. 1 ff., insbesondere S. 11—13; Ule-Rasch, P V G § 14 Rdnr. 1. 79 Der Umfang der landesgesetzlichen Wohnungseingriffe k a n n i n den einzelnen Bundesländern selbstverständlich verschieden groß sein. Das G r u n d gesetz muß aber allen Ländern die gleichen Grundrechtseingriffe ermöglichen. Anderenfalls hätte es einer ausdrücklichen Sonderregelung bedurft, vgl. die „Bremer Klausel" i n A r t . 141. 8*

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3. Abschnitt: Die Eingriffe u n d Beschränkungen des A r t . 13 Abs. 3

liehe Tätigkeit wehrt Gefahren für die öffentliche Sicherheit ab 8 0 . Damit hat der materielle Polizeibegriff einen so ausgedehnten Umfang, daß er nicht mehr das zu leisten vermag, was die Väter des Grundgesetzes m i t der Klausel „Verhütung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" erreichen wollten: eine möglichst genaue Umschreibung und strenge Beschränkung der zulässigen Grundrechtsbegriffe 81 . Eine brauchbare Verengung läßt sich durch eine vorsichtige Kombination des materiellen m i t dem formellen Polizeibegriff erzielen. Eine Reihe staatlicher Tätigkeiten erfüllt zwar eine die Rechtsordnung schützende und sie durchsetzende Funktion, sie haben jedoch mit dem allgemeinen Polizeirecht nichts zu tun. Dazu gehören zum Beispiel die Aufgaben der Zivilgerichte und des Gerichtsvollziehers, der Wirtschaftsverwaltungs- und der Finanzbehörden 82 . Diese Aufgaben sind von der Polizei niemals wahrgenommen worden, sie folgen ihren eigenen, nichtpolizeilichen Gesetzen und werden allgemein nicht zur polizeilichen Tätigkeit gerechnet, selbst wenn sich die zuständigen Behörden teilweise der Polizei als Hilfsorgan bedienen 83 . A l l e diese Staatsfunktionen, die nach der historischen Entwicklung des Polizeirechts niemals von Polizei(bzw. von Ordnungs-)behörden wahrgenommen worden sind, können aus dem materiellen Polizeibegriff herausgenommen werden. Dadurch w i r d die Generalermächtigung des A r t . 13 Abs. 3: „Verhütung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordung", zu einem halbwegs tauglichen, wenn auch noch immer sehr weiten und m i t Unschärfen behafteten K r i t e r i u m für die Zulässigkeit von Eingriffen i n die Wohnungsfreiheit 8 4 . 2. Dringende Gefahren Während nach der polizeilichen Generalklausel des § 14 PVG der öffentlichen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung Gefahren drohen müssen, verlangt A r t . 13 Abs. 3 als Eingriffsvoraussetzung dringende Gefahren. Vielfach w i r d diesem Unterschied keinerlei Bedeutung beigemessen und von der Identität einer „dringenden Gefahr" m i t einer 80 Drews-Wacke, Polizeirecht § 5 Ziff. 2 u n d 3 S. 64/65; H. J. Wolff , V e r w a l tungsrecht I I I § 125 I I I a) 1 S. 48/49; vgl. auch v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 5 b) S. 408; enger w o h l Ule-Rasch, P V G § 14 Rdnr. 9 ff. 81 v. Mangoldt, A r t . 13 Erl. 3 S. 97; ders. AöR 75, 288; Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 122; i m übrigen siehe oben I I 1 a) S. 113 m i t Fußnote 69. 82 Siehe dazu Drews-Wacke, Polizeirecht § 7 S. 109 ff. (118) u n d § 6 Ziff. 3 S. 65; Fleiner, Institutionen S. 359 ff.; Otto Mayer, Verwaltungsrecht, 1. Bd., 1. Aufl., S. 245 ff. u n d S. 378 ff.; W. Jellinek, Verwaltungsrecht S. 423 ff. u n d S. 453 ff.; H. Peters, Lehrbuch der V e r w a l t u n g S. 373 ff. 83 Z. B. § 758 Abs. 3 ZPO u n d § 335 Abs. 3 AO. Siehe auch Drews-Wacke, Polizeirecht § 7 Ziff. 2 S. 109. 84 Wie hier w o h l Horz, Diss. S. 75 ff.

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„drohenden Gefahr" ausgegangen 85 . Diese Gleichsetzung geht vorschnell über den Sprachsinn der Worte „drohend" und „dringend" hinweg. Denn Gefahren, die nicht „drohen", sind gar keine Gefahren, sondern allenfalls sehr entfernte Schadensmöglichkeiten, die vom polizeilichen Gefahrenbegriff überhaupt nicht erfaßt werden 8 8 . Das „Drohen" liegt i m Gefahrenbegriff selber, während es sehr wohl nichtdringende Gefahren geben kann. Es sind also dringende Gefahren immer auch drohende, nicht aber umgekehrt drohende Gefahren immer auch dringende 87 . Deshalb kann der Zusatz „dringend" i n A r t . 13 Abs. 3 nur eine Steigerung der für die Zulässigkeit eines Grundrechtseingriffs notwendigen Gefahr bedeuten. Eine Steigerung ist nach zwei Richtungen h i n denkbar: Sie kann sich einmal zeitlich auf die Gefahrendichte beziehen i n der Weise, daß der wahrscheinliche Schadenseintritt unmittelbar bevorstehen muß 8 8 . Zum anderen kann sie ein qualitatives Plus enthalten, so daß nur Gefahren für besonders wichtige polizeilich geschützte Rechtsgüter oder Gefahren, aus denen besonders große Schäden drohen, gemeint sind. „Dringend" sagt also entweder etwas über die Nähe oder über den U m fang der Gefahr aus. Welche A r t der Steigerung A r t . 13 Abs. 3 2. Alternative enthält, läßt sich aus der Generalermächtigung allein nicht ableiten. Indizien finden sich dagegen i n den daran angefügten Beispielen: Bei der Untersuchung der „Bekämpfung von Seuchengefahr" und des „Schutzes gefährdeter Jugendlicher" (Schutzes Jugendlicher vor Gefährdungen) hatte sich ergeben, daß Maßnahmen zur Abwehr unmittelbar bevorstehender Gefahren zwar immer den Grundrechtseingriff rechtfertigen, daß aber auch und gerade Maßnahmen zulässig sind, die schon den E i n t r i t t des gefährlichen Zustandes verhindern wollen 8 9 . Die innere Berechtigung rein vorbeugender Grundrechtseingriffe ohne aktuellen Anlaß lag bei beiden Beispielen i n der Bedeutung des zu schützenden Rechtsgutes (Gesundheit, Leben) und i n der Größe des zu erwartenden Schadens, falls eine konkrete Gefahr eintreten sollte. Auch die „Behebung der Raumnot", die allerdings als echtes Beispiel ausscheiden muß 9 0 , läßt Maßnahmen ohne unmittelbar bevorstehende Gefahr zu. Schließlich spricht A r t . 13 i n der 85 So v o r allem v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 5 a) S. 408, u n d Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 115 (nicht ganz klar, vgl. seine Zitate); Brinkmann, A r t . 13 Erl. 13 b) bb); Horz, Diss. S. 77. 86 Drews-Wacke, Polizeirecht § 4 Ziff. 7 S. 56—58. 87 Wie hier Tipke DStR 1967,80 Fußnote 11. 88 So Ule-Rasch, P V G §§ 15—17 Rdnr. 182; H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I I I § 125 I I b) 3 S. 47; w o h l auch Drews-Wacke, Polizeirecht § 12 Ziff. 1 S. 191; möglicherweise auch v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 5 a) S. 408, w o „ d r i n gende", „drohende" u n d „konkrete" Gefahren gleichgesetzt werden. 89 Siehe oben 12 u n d 13 a)—c) S. 108 ff. 90 Siehe oben I I S . 107/08 u n d I I 1 b) S. 114/15.

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3. Abschnitt: Die Eingriffe u n d Beschränkungen des A r t . 13 Abs. 3

2. Alternative seines Abs. 3 auch ausdrücklich von der Gefahrenuerhütung und w i l l damit offenbar i m Gegensatz zur Geiahrenabwehr der 1. Alternative, die nur konkrete Gefahren betrifft, auch präventive Maßnahmen gegen abstrakte Gefahren zulassen 91 . Daraus folgt, daß der Zusatz „dringend" nicht temporär als A t t r i b u t der Gefahrendichte verstanden werden darf, sondern als qualitatives Merkmal gelesen werden muß. Dringende Gefahren sind also nicht unmittelbar bevorstehende, besonders konkrete Gefahren, sondern Gefahren, aus denen Schäden für besonders wichtige Rechtsgüter und/oder i n besonderes großem Ausmaß drohen 92 . I n der scharfen Terminologie H. J. Wolffs 93 müßte es daher i n A r t . 13 Abs. 3 nicht „dringende", sondern „erhebliche" Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung heißen. 3. öffentliche Sicherheit „und"/„oder" Ordnung Das allgemeine Polizeirecht legitimiert die zuständigen Behörden zum Einschreiten, wenn entweder die öffentliche Sicherheit oder die öffentliche Ordnung gefährdet ist. Demgegenüber fordert A r t . 13 Abs. 3 2. A l ternative Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. I n der kumulativen Verbindung anstelle der alternativen könnte eine sachliche Erschwerung der Eingriffsvoraussetzungen liegen, ebensogut aber auch ein Redaktionsversehen, was wegen der Nachlässigkeit des üblichen Sprachgebrauchs und des zeitlichen Drucks bei der Formulierung des Grundgesetzes durchaus nicht unwahrscheinlich ist. I n A r t . 48 Abs. 2 WRV tauchte i m Zusammenhang mit dem Notverordnungsrecht des Reichspräsidenten die Fassung „öffentliche Sicherheit und Ordnung" auf. Hier ging die wohl überwiegende Auffassung dahin, daß kein Redaktionsversehen vorgelegen habe, sondern tatsächlich eine sachliche Erschwerung gegenüber der allgemeinen polizeilichen General91 Darauf weist Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 115, besonders h i n ; ebenso Tipke DStR 1967, 80; ähnlich BVerfGE 17, 232 (251/52); w o h l auch Leisner, „ W o h nung" i m Ev. Staatslexikon Sp. 2586; Laule FR 1965, 499/500; Brinkmann, A r t . 13 Erl. 13 b) bb). — Daß auch hier — w i e bei allen Grundrechtseingriffen — der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit g i l t (vgl. oben § 9 I 2 b) S. 76 ff.) ist selbstverständlich; siehe auch Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 129. 92 So auch Tipke DStR 1967, 80. — I n diese Richtung zielen w o h l auch die knappen Ausführungen des B V e r f G i n E 17, 232 (251/52); vgl. auch O L G B r a u n schweig DVB1.1952, 533; Laule FR 1965, 499/500. — Wenn Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 115, sagt, die „dringende" Gefahr sei identisch m i t einer „drohenden" u n d „konkreten" Gefahr u n d dann eine „erhebliche" Gefahr fordert, „die m i t hoher Wahrscheinlichkeit bald eintreten w i r d , w e n n keine Verhütungsmaßnahmen getroffen werden", so w i r f t er sämtliche möglichen Interpretationen durcheinander m i t der Folge, daß er gerade die letzte Forderung hinterher bei der Subsumtion der Beispiele laufend mißachten muß, vgl. bei i h m Rdnr. 133 ff. 93 H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I I I § 125 I I b) 6 S. 47.

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ermächtigung gemeint sei 94 . Das mag für A r t . 48 Abs. 2 WRV richtig gewesen sein. Es handelte sich u m Fälle des Staatsnotstandes, die m i t dem allgemeinen Polizeirecht nicht zu vergleichen waren und die deshalb auch eine vom allgemeinen Polizeirecht abweichende Auslegung der Formel „öffentliche Sicherheit und Ordnung" notwendig machten 95 . Bei A r t . 13 Abs. 3 handelt es sich nicht um derartig exzeptionelle Fälle, sondern u m die typische polizeiliche Gefahrenabwehr. Die Beispiele der 2. Alternative behandeln zwar primär Gefahren für die öffentliche Sicherheit, berühren aber gleichzeitig auch die öffentliche Ordnung. Offenbar sind jedoch die geschützten Rechtsgüter und die Schwere der drohenden Schäden nicht dazu angetan, bei jedem gesetzlichen Eingriff noch zu prüfen, ob sowohl die öffentliche Sicherheit als auch die öffentliche Ordnung tangiert ist. Die Schwere der Gefahren rechtfertigt den Eingriff bereits, wenn entweder die öffentliche Sicherheit oder die öffentliche Ordnung bedroht ist 9 6 . Die i m Einzelfall so schwierige Abgrenzung von „öffentlicher Sicherheit" und „öffentlicher Ordnung" wäre auch bei der weitgehenden Überschneidung der Begriffe kein taugliches Mittel, die nach A r t . 13 Abs. 3 2. Alternative zulässigen Eingriffe zu begrenzen. Die sachliche Einschränkung liegt vielmehr i n dem Erfordernis der „dringenden Gefahren". Diese Qualifizierung gewährleistet eine wesentlich bessere und schärfere Bestimmung der zulässigen Maßnahmen. Richtig müßte es i n A r t . 13 Abs. 3 daher heißen: „Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung" 9 7 . I I I . Auf Grund eines Gesetzes Die Eingriffe und Beschränkungen der 2. Alternative des Art. 13 Abs. 3 — und das gilt auch für die „Behebung der Raumnot" — sind nur zulässig auf Grund eines Gesetzes. 1. Schon bei der Untersuchung der Eingriffsgrundlage für Durchsuchungen hatten w i r festgestellt, daß das Grundgesetz das Wort „Gesetz" i m Grundrechtsteil i m allgemeinen i m förmlichen Sinne verwendet und daß Grundrechtseingriffe wegen A r t . 19 Abs. 1 Satz 1 gleichzeitig immer i n materiellen Gesetzen enthalten sein müssen 98 . Für die 2. Alter^ 94 Grau, Die D i k t a t u r g e w a l t des Reichspräsidenten S. 32 ff.; ders., HdbDStR I I S. 278 Fußnote 12 m i t Nachweisen; a. A . Apelt J W 1931, 698. 95 Vgl. Grau a.a.O. u n d Anschütz, W R V A r t . 48 Erl. 8 m i t zahlreichen Nachweisen. 98 A . A. Horz, Diss. S. 83 m i t dem Hinweis auf den „ k l a r e n W o r t l a u t " des A r t . 13 u n d die herrschende Auslegung des A r t . 48 W R V ; ebenso Brinkmann, A r t . 13 Erl. 13 b) bb). 97 Wie hier: v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 5 b) S. 408; Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 127; offenbar auch Tipke DStR 1967,80. 98 Siehe oben § 9 1 1 c) S. 73/74.

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3. Abschnitt: Die Eingriffe u n d Beschränkungen des A r t . 13 Abs. 3

native des A r t . 13 Abs. 3 läßt sich die Erforderlichkeit eines Gesetzes i m formellen Sinne zusätzlich durch die Entstehungsgeschichte belegen: Bevor i m Parlamentarischen Rat endgültig die heutige Fassung des A r t . 13 Abs. 3 beschlossen wurde, hatte man zeitweilig erwogen, die Formulierung „auf Grund eines Gesetzes" durch die allgemeinere „ i m Rahmen der Rechtsordnung" zu ersetzen". Denn es gäbe zahlreiche gewohnheitsrechtliche Einschränkungen der Wohnungsfreiheit, deren Beibehallung erwünscht sei, die aber durch die Formulierung „auf Grund eines Gesetzes" ausgeschlossen würden 1 0 0 . Trotz dieser Bedenken hat sich der Parlamentarische Rat für die Fassung „auf Grund eines Gesetzes" entschieden. Darin liegt eine bewußte Absage an gewohnheitsrechtliche Eingriffe 1 0 1 , die dazu nötigt, das Wort „Gesetz" i n der 2. Alternative des A r t . 13 Abs. 3 als Gesetz i m formellen Sinne zu verstehen 102 . 2. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, daß nur das förmliche Gesetz einen Eingriff i n die Wohnungsfreiheit zu rechtfertigen vermag. „Auf Grund eines Gesetzes" kann — i m Gegensatz zu der Formulierung „durch Gesetz" 103 — auch heißen, daß der Grundrechtseingriff durch Rechtsverordnung oder Satzung und einen darauf gestützten Verwaltungsakt vorgenommen werden darf, wenn und soweit sich die untergesetzliche Eingriffsnorm auf ein förmliches Gesetz zurückführen läßt. I n der Literatur w i r d allerdings teilweise angenommen, i m Grundrechtsteil bedeute auch die Fassung „auf Grund eines Gesetzes", daß das formelle Gesetz selbst den Eingriff enthalten müsse 104 . Dem kann — jedenfalls für Art. 13 Abs. 3 2. Alternative — nicht gefolgt werden. Die Diskussion u m die richtige Formulierung der normativen Eingriffsvoraussetzungen — „auf Grund eines Gesetzes", oder „ i m Rahmen 99 Vorschlag des Allgemeinen Redaktionsausschusses v o m 13.12.1948, JöR n. F. 1, 141/42; Fassung des Hauptausschusses v o m 20.1.1949, JöR n. F. 1, 142/43; erneuter Vorschlag des Allgemeinen Redaktionsausschusses v o m 25.1. 1949, JöR n. F. 1,143. 100 Vgl. die Begründung des Abg. v. Mangoldt (CDU) i n der 44. Sitzung des Hauptausschusses v o m 19.1.1949, JöR n. F. 1,142/43. 101 Vgl. die Ausführungen des Abg. Z i n n (SPD) i n der 47. Sitzung des H a u p t ausschusses v o m 8. 2.1949, JöR n. F. 1,143/44. 102 w i e hier unter Ausschluß des Gewohnheitsrechts: v. Mangoldt, A r t . 13 Erl. 3; v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 5 vor a) S. 408; Wernicke, B K A r t . 13 Erl. I I 3 b); Thomä, Auskunfts- u n d Betriebsprüfungsrecht S. 87; Horz, Diss. S. 70; w o h l auch Brinkmann, A r t . 13 Erl. I 3 b) bb); vgl. auch Maunz-Dürig, A r t . 2 Abs. 2 Rdnr. 6. — Gewohnheitsrecht wollen zulassen: Kern, i n : Die Grundrechte I I S. 106; Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 120, der sich jedoch auf vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht beschränkt, w o f ü r er sich i r r i g auf die Entstehungsgeschichte beruft. 103 Z u diesen Formulierungen siehe Lerche DVB1. 1958, 524 ff. m i t Nachweisen. 104 So v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 5 v o r a) S. 408 u n d A r t . 2 Erl. V I I 1 S. 190; Wernicke, B K A r t . 13 Erl. I I 3 b).

§ 12. Eingriffe u n d Beschränkungen auf G r u n d eines G e s e t z e s 1 2 1

der Rechtsordnung" — hat gezeigt, daß es dem Parlamentarischen Rat nicht um den völligen Ausschluß untergesetzlicher Eingriffsermächtigungen, sondern nur um das Verbot gewohnheitsrechtlicher Einschränkungen ging. Daher können die Worte „auf Grund eines Gesetzes" in Übereinstimmung mit dem Sprachsinn unbedenklich dahin verstanden werden, daß Eingriffe i n die Wohnungsfreiheit nach der 2. Alternative des A r t . 13 Abs. 3 auch i n untergesetzlichen Normen zugelassen werden dürfen, solange sich diese auf ein förmliches Gesetz zurückführen lassen 105 . Man w i r d allerdings verlangen müssen — und insoweit steckt ein richtiger Kern i n den Lehren, die nur ein förmliches Gesetz als Eingriffsgrundlage für ausreichend halten —, daß der Wohnungseingriff i n dem Delegationsgesetz bereits als möglicher Inhalt der delegierten Norm vorgesehen und dem Grunde nach vorgezeichnet ist 1 0 6 . Diese Forderung, die sich für Rechtsverordnungen bereits aus A r t . 80 Abs. 1 Satz 2 ergibt 1 0 7 , darf aber nicht überspannt und gerade für den Satzungsgeber 108 nicht zu eng verstanden werden. 3. Damit hängt die Frage zusammen, ob Eingriffe i n die Wohnungsfreiheit nach Art. 13 Abs. 3 2. Alternative nur auf Grund eines Spezialgesetzes (gegebenenfalls m i t einer darauf gestützten Rechtsverordnung oder Satzung) zulässig sind oder ob auch die polizeiliche Generalklausel die zuständigen Behörden ausreichend legitimiert 1 0 9 . a) Die polizeiliche Generalklausel 110 ist weiter als die Eingriffsermächtigung der 2. Alternative des A r t . 13 Abs. 3, da sie nur „drohende", aber keine „dringenden" Gefahren verlangt. Man müßte also — und das wäre durchaus möglich 1 1 1 — die polizeiliche Generalklausel durch das Grundgesetz ergänzen, so daß bei Eingriffen i n die Wohnungsfreiheit das Er105 Wie hier: Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 120 (vgl. aber oben Fußnote 102); Kern, i n : Die Grundrechte I I S. 106 (vgl. aber oben Fußnote 102); Horz, Diss. S. 71; w o h l auch Leisner, „Wohnung" i m Ev. Staatslexikon Sp. 2586. 106 So v o r allem Maunz-Dürig, A r t . 2 Abs. 2 Rdnr. 7, u n d i m Anschluß daran Horz, Diss. S. 71. — Das ergibt sich z. T. bereits aus dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitserfordernis, Nachweise oben 2. Abschnitt Fußnote 87. 107 Z u den Anforderungen einer nach „ I n h a l t , Zweck u n d Ausmaß" h i n reichend bestimmten Ermächtigung vgl. BVerfGE 1, 14 (60); 2, 307 (334 f.); 4, 7 (21); 5, 71 (76/77); 7, 267 (273/74); 7, 282 (301 ff.); 8, 274 (307 ff., 311/12); 10, 20 (51); 10, 251 (258); 14, 174 (185/86); 15, 153 (160/61); 18, 52 (61/62). 108 F ü r die Satzungsermächtigung g i l t A r t . 80 Abs. 1 Satz 2 nicht, vgl. BVerfGE 12,319 (325). 109 Gemeint ist zunächst n u r die allgemeine polizeiliche Generalklausel, siehe unten sub e) S. 124. 110 Nachweise f ü r die verschiedenen landesrechtlichen Generalklauseln oben Fußnote 63. 111 Oben § 9 I I 2 a) S. 82 w a r auch angenommen worden, daß Durchsuchungsbestimmungen, denen der Richtervorbehalt fehlt, u n m i t t e l b a r durch das Grundgesetz (Art. 13 Abs. 2) ergänzt werden.

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3. Abschnitt: Die Eingriffe u n d Beschränkungen des A r t . 13 Abs. 3

fordernis einer „dringenden" Gefahr i n die Generalklausel hineingelesen wird. Man könnte und müßte für diese Fälle das Wort „dringend" doppelt interpretieren: Neben der oben 1 1 2 herausgestellten Bedeutung der „dringenden Gefahr" als einer erheblichen Gefahr dürfte hier nur eine unmittelbar bevorstehende, konkrete Gefahr den Eingriff rechtfertigen 113 . Die Doppelinterpretation liegt besonders nahe, weil auch das allgemeine Polizeirecht Eingriffe allein auf Grund der Generalklausel nur bei einer konkreten Gefahr zuläßt (vgl. § 41 Abs. 1 PVG). Die reizvolle Möglichkeit einer Doppelinterpretation kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß dann das Grundgesetz von dem eingreifenden oder den Eingriff legitimierenden Gesetz nicht mehr verlangte als die Wiederholung seines eigenen Wortlauts. Dieses Verlangen erscheint jedenfalls heute, wo i n zehn von elf Bundesländern die polizeiliche Generalklausel g i l t 1 1 4 , nicht sehr sinnvoll. b) Dieser Zweifel w i r d verstärkt durch eine Gegenüberstellung der 1. und der 2. Alternative des A r t . 13 Abs. 3. Die 1. Alternative hat für den verfassungsunmittelbaren Eingriff eine Gemeingefahr oder eine individuelle Lebensgefahr zur Voraussetzung. Es handelt sich dabei um typische Polizeigefahren, die dringende, erhebliche Gefahren i m Sinne der 2. A l ternative darstellen und die nach dem Polizeirecht aller Bundesländer auf Grund der Generalklausel — i n Bayern auf Grund von Spezialnormen 115 — bekämpft werden können. Wenn die polizeiliche Generalklausel für Eingriffe nach der 2. Alternative ausreichen sollte, so bestünde nicht das geringste Bedürfnis für die verfassungsunmittelbare Eingriffsermächtigung der 1. Alternative. Genügt dagegen die polizeiliche Generalklausel den Erfordernissen der 2. Alternative nicht, so behält die 1. Alternative ihre selbständige Bedeutung. Dieser Argumentation w i r d man allerdings entgegenhalten müssen, daß sie zu sehr von den heutigen Verhältnissen ausgeht und die ungeklärte Situation der ersten Nachkriegs jähre außer acht läßt. 1949 galt zwar auch i n den meisten Bundesländern die polizeiliche Generalklausel, i n einigen jedoch nur gewohnheitsrechtlich 116 . Da die 2. Alternative des A r t . 13 Abs. 3 Gewohnheitsrecht gerade ausschließt 117 , war für eine Über112

Siehe oben I I 2 S. 116 ff. D a h i n tendieren w o h l die Ausführungen Dagtoglous, B K A r t . 13 Rdnr. 124, vgl. dort auch Rdnr. 115. 114 Ausnahme: Bayern. 115 Vgl. A r t . 2, 5 Abs. 2 Nr. 3 l i t . b) u n d c), 37 des Gesetzes über die Aufgaben u n d Befugnisse der Polizei i n Bayern — Polizeiaufgabengesetz (PAG) — v o m 16.10.1954 (BayGVBl. S. 37; BayBS I S. 442); siehe dazu Masson B a y V B l . 1968, 57 ff. 116 Oder doch zumindest m i t unklarer formell-gesetzlicher Grundlage, vgl. den Überblick bei H. J. Wolff u n d Gönnenwein, W D S t R L Heft 9 S. 134 ff. u n d S. 181 ff.; siehe weiter Galette DöV 1950,574 ff. u n d 612 ff. 117 Siehe oben I I I 1 S. 119/20. 113

§ 12. Eingriffe u n d Beschränkungen auf G r u n d eines G e s e t z e s 1 2 3

gangszeit die verfassungsunmittelbare Eingriffsermächtigung der 1. A l ternative nicht überflüssig. Es hätte dafür aber nicht das dringende Bedürfnis bestanden, das vom Parlamentarischen Rat immer angenommen worden ist 1 1 8 . Man konnte von den Ländern, i n denen die Generalklausel nur gewohnheitsrechtlich galt, erwarten und verlangen, daß sie ihr Polizeirecht i n absehbarer Zeit auf eine formell-gesetzliche Grundlage stellten. c) Die Verbindung der Generalermächtigung i n der 2. Alternative des A r t . 13 Abs. 3 mit drei spezialgesetzlichen Beispielen — wenn auch nur zwei echten 119 — legt den Gedanken nahe, daß allein ein Spezialgesetz, nicht dagegen eine neue, nur wiederholende Generalklausel Grundrechtseingriffe rechtfertigen könne. Diese Erwägung hat jedoch allenfalls eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich, aber keine durchschlagende Beweiskraft. d) I m allgemeinen Polizeirecht arbeitet man mit der Generalklausel und läßt sie trotz ihrer Unbestimmtheit zu 1 2 0 , w e i l die Fälle, i n denen die Polizei zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zum Einschreiten befugt sein muß, nicht in ihrer Gesamtheit vorhersehbar sind und wegen ihrer Verschiedenheit nicht abschließend i n Spezialgesetzen geregelt werden können 1 2 1 . Ob diese Gründe auch bei Eingriffen i n die Wohnungsfreiheit vorliegen, erscheint zweifelhaft. Während der über einhundert Jahre, die die Wohnungsfreiheit grundrechtlich geschützt ist, hat man feststellen können, wann und zu welchen Zwecken Staatsorgane die Wohnungsfreiheit einschränken müssen. Das hat dazu geführt, daß Eingriffe i n die Wohnungsfreiheit i n sehr großer Zahl spezialgesetzlich geregelt sind. Demgegenüber dürfte der A n t e i l der Grundrechtseingriffe vermutlich gering sein, die allein auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden, zumal deren Anwendungsbereich durch das Erfordernis einer erheblichen Gefahr eingeschränkt ist. Es w i r d daher nicht übermäßig schwierig sein, die Fälle vorherzubestimmen und spezialgesetzlich zu regeln, i n denen das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zurücktreten muß 1 2 2 . 118

Siehe oben § 1 1 1 1 S. 97 m i t Fußnote 5 u n d § 11 I I 2 S. 101. Siehe oben I I 1 b) S. 113 ff. 120 Vgl. B V e r w G E 14, 202 (204/05); O V G Lüneburg DVB1. 1957, 136; Bad.W ü r t t . V G H E S V G H 7, 43 (46); H. J. Wolff , Verwaltungsrecht I I I § 125 I c) 1 S. 43; Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 122; Drews-Wacke, Polizeirecht § 3 Ziff. 6 S. 45 ff. m i t Nachweisen. 121 Das B V e r w G w i l l aber die Zulässigkeit von Grundrechtseingriffen allein auf G r u n d der Generalklausel schon sehr w e i t einschränken, vgl. E 10, 164 ff.; ähnlich Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 123,124. 122 M i t dieser Begründung hatte Mannheim, i n : Nipperdey I S. 327/28, schon f ü r A r t . 115 W R V entgegen der herrschenden Lehre ein Spezialgesetz gefordert; vgl. auch Grau, Die D i k t a t u r g e w a l t des Reichspräsidenten S. 63 ff. 119

124

3. Abschnitt: Die Eingriffe u n d Beschränkungen des A r t . 13 Abs. 3

e) Aus keiner dieser Erwägungen folgt zwingend die Ungeeignetheit der polizeilichen Generalklausel als Eingriffsgrundlage und die Notwendigkeit einer spezialgesetzlichen Eingriffsermächtigung. Es besteht jedoch ein deutliches Übergewicht der Gründe, die gegen die Generalklausel sprechen. Die polizeiliche Generalklausel kann daher nicht als ausreichende Rechtsgrundlage für Eingriffe i n die Wohnungsfreiheit angesehen werden, darauf gestützte Einschränkungen des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung sind unzulässig 123 . Man w i r d jedenfalls solange ein Spezialgesetz fordern müssen, wie nicht der Nachweis erbracht ist, daß die Fälle notwendiger Wohnungseingriffe zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung unvorhersehbar sind und sich einer abschließenden spezialgesetzlichen Regelung entziehen 124 . Wenn man dann die polizeiliche Generalklausel für ausreichend erachtet, so muß der Ausdruck „dringende Gefahr" i n A r t . 13 Abs. 3 2. Alternative doppelt interpretiert werden als erhebliche und zugleich unmittelbar bevorstehende Gefahr 1 2 5 . M i t dem hier vertretenen Ausschluß der allgemeinen polizeilichen Generalklausel ist noch nicht gesagt, daß das geforderte Spezialgesetz die Voraussetzungen des Wohnungseingriffs nicht auch m i t unbestimmten Rechtsbegriffen von möglicherweise generalklauselartiger Weite normieren dürfe. Derartige Regelungen werden nicht ganz zu vermeiden sein. Sie sind i m Gegensatz zur allgemeinen polizeilichen Generalklausel aber unbedenklich und als Eingriffsgrundlage ausreichend, weil die spezialgesetzliche Generalklausel erheblich enger und durch den Zweck des Spezialgesetzes nach Inhalt und Ausmaß wesentlich bestimmter ist 1 2 6 .

§ 13. Erscheinungsbild der Eingriffe nach Art. 13 Abs. 3 Nachdem die Eingriffe der beiden Alternativen des A r t . 13 Abs. 3 auf die Bedeutung und den Inhalt ihrer rechtlichen Voraussetzungen h i n untersucht worden sind, bleibt zu klären, wie sie sich tatsächlich auswirken, welche Handlungen also auf Grund der Ermächtigungen des 125

Wie hier Wernicke , B K A r t . 13 Erl. I I 3 b). Von dieser Annahme geht die herrschende Lehre aus u n d läßt daher die polizeiliche Generalklausel als Ermächtigungsnorm f ü r Eingriffe i n die Wohnungsfreiheit genügen. Vgl. Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 122—124, aber stark einschränkend; K e r n , i n : Die Grundrechte I I S. 106; v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 5 a) S. 408; Horz, Diss. S. 86; Ule-Rasch, P V G §§ 15—17 Rdnr. 188; Drews-Wacke, Polizeirecht § 12 Ziff. 1 S. 191; H. J. Wolff , Verwaltungsrecht I I I § 125 I c) 2 S. 43; anscheinend auch Schultz JR 1966, 207; Masson BayVBl. 1968, 58; OVG Münster AS 8, 212 (214). 125 So w o h l auch Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 124. 126 Vgl. z. B. §§ 10 Abs. 1,13 Abs. 1 u n d 2 u n d 30 Abs. 1 Bundes-Seuchengesetz v o m 18. 6.1961 (BGBl. I S . 1012, berichtigt S. 1300). 124

§ 13. Erscheinungsbild der Eingriffe nach A r t . 13 Abs. 3

125

Abs. 3 vorgenommen werden dürfen. A m Schluß des 2. Abschnitts 1 2 7 war ein Durchsuchungsbegriff erarbeitet worden, der auf den äußeren Symptomen des Eingriffs „Durchsuchung" aufbaut. Falls die Eingriffe des A r t . 13 Abs. 3 dieselben tatsächlichen Merkmale aufweisen sollten, kann der oben gefundene Durchsuchungsbegriff für A r t . 13 Abs. 2 noch nicht ausreichen 128 . I. Die Eingriffe

der 1. Alternative

Welche äußeren Merkmale die nach der 1. Alternative des Art. 13 Abs. 3 zulässigen Eingriffe aufweisen können, läßt sich am einfachsten anhand eines Beispiels zeigen: Die Polizei erfährt glaubhaft, daß i n der Wohnung eines Miethauses i n zwei Stunden eine versteckte Zeitzünderbombe explodieren werde. Dadurch drohen der Einsturz des Hauses sowie der Tod des ahnungslosen Wohnungsinhabers u n d vieler Mieter; außerdem w i r d sehr wahrscheinlich ein schwer kontrollierbarer Brand ausbrechen.

Die Voraussetzungen für einen Eingriff nach der 1. Alternative liegen damit vor. Es besteht sowohl eine konkrete gemeine Gefahr wie auch eine konkrete Lebensgefahr für den Wohnungsinhaber 129 . Zur Abwehr der Gefahr muß die Polizei i n die Wohnung eindringen und dort solange suchen dürfen, bis sie die Bombe gefunden hat. Sie ist dabei ohne Rücksicht auf den Willen des Wohnungsinhabers auch zu Zwangsmaßnahmen befugt. Sie kann die Wohnungstür aufbrechen, Schränke und Türen i n der Wohnung öffnen, Möbel verrücken, den Fußboden aufreißen und Gegenstände zerstören. Soweit diese Handlungen nötig sind, um den Gefahrenherd zu finden, müssen sie durch A r t . 13 Abs. 3 1. Alternative gerechtfertigt sein 1 3 0 . Anderenfalls wäre die verfassungsunmittelbare Eingriffsermächtigung unvollkommen und könnte gerade die Funktion nicht erfüllen, u m derentwillen sie eingeführt wurde: zum unbedingten Schutz vor Gemeingefahren und vor Lebensgefahr 131 . IL Die Eingriffe

der 2. Alternative

Da i n der 2. Alternative Beispiele bereits enthalten sind, erübrigt sich eine Untersuchung der Generalermächtigung. Es genügt, das äußere Erscheinungsbild bei Eingriffen „zur Bekämpfung von Seuchengefahr" und 127

Oben § 10 Ziff. 3 S. 95. Siehe oben § 7 I I I 3 S. 59. 129 Die Lebensgefahr für die anderen Mieter fällt schon unter den Begriff der „gemeinen Gefahr", da sie der „Allgemeinheit" angehören, siehe oben § 1112 S. 98/99. 130 v g L dig Aufzählung der bei strafprozessualen Durchsuchungen zulässigen Maßnahmen oben § 8 1 1 d) S. 61. 128

181

Siehe oben § 1111 S. 97 u n d § 11 I I 2 S. 101.

126

3. Abschnitt: Die Eingriffe u n d Beschränkungen des A r t . 13 Abs. 3

„zum Schutz gefährdeter Jugendlicher" aufzuzeigen. Die „Behebung der Raumnot" kann hier gleich angeschlossen werden, obwohl sie kein echtes Beispiel für die Generalermächtigung darstellt. Denn für die tatsächlichen Eingriffssymptome kommt es nicht darauf an, ob eine Kongruenz m i t der Generalermächtigung besteht. 1. Zur Bekämpfung von Seuchengefahr 132 ist es notwendig, daß die zuständigen Staatsorgane oder ihre Beauftragten Z u t r i t t zu Grundstücken und Räumen haben, von denen Seuchengefahr ausgeht, u m durch Besichtigung und Untersuchung der Gefahrenherde geeignete Abwehrmaßnahmen anzuordnen oder selbst zu treffen 1 3 3 . Sie müssen zu den an Seuchen gestorbenen oder erkrankten Personen Z u t r i t t haben, um den Verlauf der Krankheit erfragen, sie untersuchen und die Todes- oder Krankheitsursache feststellen zu können 1 3 4 . Das gilt auch bei lediglich Seuchenverdächtigen, bei denen eine Besichtigung und Untersuchung der Wohnung und der Gegenstände, mit denen sie i n Berührung gekommen sind, wichtig sein kann 1 3 5 . Erforderlich ist weiter die präventive Überprüfung von Anlagen, von denen erfahrungsgemäß Seuchengefahren drohen. Dazu gehören die Kontrolle des Trinkwassers, die Analyse von Brauchwasser i n Lebensmittelherstellungsbetrieben 136 und die Überwachung chemischer und pharmazeutischer Fabriken und Geschäfte, i n denen m i t Krankheitserregern gearbeitet und gehandelt w i r d 1 3 7 . Von gefährlichen Substanzen w i r d man an Ort und Stelle Untersuchungsproben entnehmen 138 , verseuchte Räume desinfizieren müssen 139 . Das B i l d der zur Seuchenbekämpfung erforderlichen Maßnahmen ist somit recht vielseitig. Deutlich ist jedenfalls, daß die zuständigen Organe die Wohnung wenigstens müssen betreten und besichtigen dürfen. Darüber hinaus müssen aber auch Zwangsmaßnahmen i n der Wohnung (im weiteren Sinne) zulässig sein, wenn der Wohnungsinhaber den zuständigen Beamten den Eintritt verwehrt und sie nicht zu den zu kontrollierenden Gegenständen und Anlagen oder zu den zu untersuchenden Personen vordringen läßt. Insofern legitimiert A r t . 13 Abs. 3 auch zur Gewaltanwendung beim Eindringen i n die Wohnung und bei Besichtigungen und Untersuchungen i n der Wohnung 1 4 0 . 132 Hier werden — ohne Anspruch auf Vollständigkeit — n u r einige Beispiele aus dem Bundes-Seuchengesetz (BSeuchG) herausgegriffen. Weitere Gesetze sind aufgezählt bei Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 139—145. 133 Z. B. §§ 10 u n d 34 BSeuchG. 134 Z. B. § 32 Abs. 1 u n d 4 BSeuchG. 135 Z. B. §§ 32 Abs. 1,36 Abs. 2 BSeuchG. 136 Z. B. § 11 BSeuchG; vgl. auch § 12 Abs. 1 BSeuchG. 137 Z. B. § 25 BSeuchG. 138 Z. B. § 32 Abs. 3 BSeuchG. 139 Z. B. § 39 BSeuchG. 140 Die Vollstreckung richtet sich nach den VerwaltungsvoUstreckungsge-

§ 13. Erscheinungsbild der Eingriffe nach A r t . 13 Abs. 3

127

2. Maßnahmen zum Schutz gefährdeter Jugendlicher — richtiger: Schutz Jugendlicher vor Gefährdungen 141 — werden vor allem i n der Kontrolle der Räume bestehen, i n denen sich Jugendliche aufzuhalten pflegen. Dabei w i r d die elterliche Wohnung Beaufsichtigungen nur ausgesetzt sein, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung oder Verwahrlosung der Jugendlichen gegeben sind 1 4 2 . Bei der Unterbringung Jugendlicher i n Heimen oder bei Pflegeeltern werden Besichtigungen der Wohnverhältnisse und die Überwachung der Jugendschutzvorschriften schon notwendig sein, wenn noch keine konkrete Verletzungsgefahr besteht 1 4 3 . Denkbar sind auch Kontrollen i n Gaststätten, Nachtlokalen, K a baretts und Spielkasinos auf Einhaltung der Bestimmungen des Gesetzes zum Schutz der Jugend i n der Öffentlichkeit 1 4 4 . Schließlich w i r d man Jugendliche aus einer für sie gefährlichen Umgebung herausholen müssen 1 4 5 . Jugendschutzmaßnahmen, die die Wohnungsfreiheit betreffen, bestehen also i m wesentlichen i m Betreten und Besichtigen von Räumen. Außerdem kommt immer die Entfernung der Jugendlichen aus den Räumen i n Betracht. Alle diese Rechte müssen die zuständigen Behörden auch gegen den Willen des Wohnungsinhabers durchsetzen, also erzwingen können 1 4 6 . 3. Bei der Behebung der Raumnot besteht der typische Eingriff i n die Wohnungsfreiheit nicht i m Betreten und Besichtigen einer Wohnung, sondern i n der Beschlagnahme von Wohnungen oder Wohnungsteilen und i n der Zuweisung der beschlagnahmten Räume an Wohnungssuchende 147 . Neben dieser „dinglichen Inanspruchnahme" einer Wohnung sind aber zur Vorbereitung und Durchführung der Wohnraumbewirtschaftung auch Eingriffe nötig, die sich i m Betreten einer Wohnung äußern. Die Beauftragten der Wohnungsämter müssen Wohnungen besichtigen setzen der Länder. I n § 69 Abs. 1 Nr. 7 BSeuchG sind n u r Ordnungsstrafdrohungen enthalten, die aber als mittelbare Grundrechtseingriffe unzulässig wären, w e n n der direkte Zwang nach A r t . 13 unstatthaft wäre. 141 Siehe oben § 1213 S. 109 ff. 142 Oben § 1213 b)S. 110/11. 148 Vgl. § 78 Abs. 5 des Gesetzes f ü r Jugendwohlfahrt (JWG) v o m 11. 8.1961 (BGBl. I S . 1206, berichtigt S. 1875). 144 Vgl. die §§ 2—8 des Gesetzes zum Schutze der Jugend i n der Öffentlichkeit (JSchG) i. d. F. v o m 27. 7.1957 (BGBl. I S . 1058). 145 Z. B. § 33 Abs. 1 J W G u n d § 1 Abs. 2 JSchG. 146 Der unmittelbare Zwang wäre von A r t . 13 Abs. 3 gedeckt, braucht den zuständigen Behörden i n einfachen (Bundes- oder Landes-) Gesetzen aber nicht eingeräumt zu sein. 147 Vgl. die §§ 9—19 des Wohnraumbewirtschaftungsgesetzes (WBewG) i. d. F. v o m 23. 6.1960 (BGBl. I S. 418). Das Gesetz t r i t t m i t A b l a u f des 31.12.1968 endgültig außer K r a f t , vgl. § 38 Abs. 1 WBewG, der zuletzt durch Gesetz v o m 21.12.1967 (BGBl. I S . 1251) neu gefaßt worden ist.

128

3. Abschnitt: Die Eingriffe u n d Beschränkungen des A r t . 13 Abs. 3

können um festzustellen, ob sie für die Erfassung i n Frage kommen, ob sie frei oder unterbelegt sind oder werden 1 4 8 . Dabei und bei der Durchsetzung einer Einweisungsverfügung 149 können Zwangsmaßnahmen gegen den Wohnungsinhaber erforderlich sein. Sie sind vom Grundgesetz — i m Rahmen der Verhältnismäßigkeit — als Eingriffe i n das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung „zur Behebung der Raumnot" zugelassen 150 . III. Die Eingriffe

des Art. 13 Abs. 3 insgesamt

Diese Beispiele für zulässige Grundrechtseingriffe nach den beiden Alternativen des A r t . 13 Abs. 3 sind nicht erschöpfend. Sie reichen aber aus, um zu zeigen, daß nach beiden Alternativen Maßnahmen möglich sind, bei denen Staatsorgane mit Gewalt i n eine Wohnung eindringen und m i t Gewalt i n der Wohnung zielgerichtete Handlungen vornehmen dürfen. Damit tauchen bei Art. 13 Abs. 3 dieselben Eingriffsmerkmale auf, die den Begriff der Durchsuchung kennzeichnen 151 . Das macht eine einschränkende oder erweiternde Ergänzung des Durchsuchungsbegriffes erforderlich, der wegen der Überschneidungen i n den äußeren Eingriffsmerkmalen noch untauglich ist, die Eingriffe der Absätze 2 und 3 des A r t . 13 voneinander abzugrenzen 152 . Das Ausmaß der Überschneidungen w i r d besonders deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß sich eine praktikable Unterscheidung zwischen dem bloßen Betreten einer Wohnung und der Vornahme von Handlungen i n der Wohnung nicht treffen läßt 1 5 3 . Offen ist bislang auch noch das Verhältnis der Eingriffe nach A r t . 13 Abs. 2 und 3 zur Eigentumsgarantie des A r t . 14. Die Frage stellt sich vor allem bei den Gesetzen zur Behebung der Raumnot, die mit der dinglichen Inanspruchnahme der Wohnung aus dem Rahmen der üblichen Eingriffe i n die Wohnungsfreiheit herausfallen und die immer eine längerfristige Beeinträchtigung des Eigentums bewirken. Dabei w i r d auch die bisher nicht erörterte Schutzrichtung des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung bestimmt und geklärt werden müssen, ob jede dingliche Inanspruchnahme einer Wohnung an A r t . 13 gemessen werden kann. Diese noch ungelösten Fragen sollen i m nächsten Abschnitt untersucht werden.

148 140 150 151 152 168

Vgl. § 7 Abs. 2 l i t . b) WBewG. Vgl. § 20 WBewG. Vgl. § 27 WBewG. Siehe oben § 10 Ziff. 3 S. 95 u n d § 8 V I 4 u n d 5 S. 69 ff. Z u dieser Methode oben § 7 I I I 3 S. 59 u n d § 10 Ziff. 3 S. 95. Siehe oben § 8 V I 5 S. 70/71.

4. Abschnitt

Abschließende Interpretation des Art. 13 § 14. Endgültige Abgrenzung der Durchsuchungen des Abs. 2 von den Eingriffen und Beschränkungen des Abs. 3 I. Die Überschneidungen bei den Absätzen 2 und 3 und die Möglichkeiten zu ihrer Lösung 1. Der Durchsuchungsbegriff für Art. 13 Abs. 2 war oben 1 deduktiv aus den Durchsuchungsbestimmungen einfacher Gesetze abgeleitet worden. Eine „Durchsuchung" war danach die Suche i n einer Wohnung nach Personen, Gegenständen oder wissenswerten Sachverhalten, bei der Staatsorgane i n die Wohnung eindringen und i n der Wohnung die zur Erreichung des Durchsuchungszweckes notwendigen Handlungen vornehmen; eine Durchsuchungsermächtigung lag immer dann vor, wenn Staatsorgane das Recht zum Eindringen und zur Vornahme von Handlungen i n der Wohnung haben und sie diese Rechte notfalls auch zwangsweise durchsetzen dürfen. Die grundsätzliche Richtigkeit dieser Begriffe für A r t . 13 Abs. 2 ergab sich aus der Schwere des Eingriffs „Durchsuchung": Staatsorgane erhalten die Möglichkeit, von der Intimsphäre des Bürgers Kenntnis zu nehmen 2 . Dem entsprechen die rechtsstaatlichen Sicherungen des A r t . 13 Abs. 2, nämlich der Richtervorbehalt m i t seiner eng begrenzten Durchbrechung bei Gefahr i m Verzug und der besondere Hinweis auf die Beachtung der Formvorschriften. 2. Die Eingriffe und Beschränkungen des A r t . 13. Abs. 3 können dieselben äußeren Symptome aufweisen, durch die der Durchsuchungsbegriff gekennzeichnet ist 3 . Eine Ausnahme davon machen die Gesetze zur Behebung der Raumnot, bei denen der typische Eingriff i n der dinglichen Inanspruchnahme von Räumen besteht. Wenn auch hier das zwangsweise Betreten von Wohnungen zur Vorbereitung der Beschlagnahme vorkommt, so handelt es sich um Annexe der Wohnraumbewirtschaftung, die durch ihren besonderen Zweck bestimmt und von dem Eingriffsvorbehalt zugunsten der Raumnotbehebung mitumfaßt werden. Bei den Gesetzen 1 2 8

Siehe oben § 8 S. 59 ff.; Ergebnis § 8 V I 5 S. 70/71. Siehe oben § 10 Ziff. 2 S. 93 ff. Siehe oben § 13 S. 124 ff.

9 Gentz

130

4. Abschnitt: Abschließende Interpretation des A r t . 13

zur Behebung der Raumnot treten deshalb Unklarheiten und Überschneidungen zu den Durchsuchungen des A r t . 13 Abs. 2 nicht auf. Alle anderen „Eingriffe und Beschränkungen" des A r t . 13 Abs. 3 sind durch ihre Zielrichtung gekennzeichnet. Bei beiden Alternativen handelt es sich um typisch polizeiliche Maßnahmen zur Abwehr oder Verhütung erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. 3. Zur Abgrenzung der Durchsuchungen des Art. 13 Abs. 2 von den Eingriffen und Beschränkungen des A r t . 13 Abs. 3 sind drei Wege denkbar: a) Man könnte versuchen, das Element des „Suchens" oder „Durchsuchens" bei A r t . 13 Abs. 2 noch stärker zu betonen. b) Denkbar ist auch eine Unterscheidung nach dem Zweck der Maßnahme. Da alle Eingriffe auf Grund des A r t . 13 Abs. 3 das Ziel polizeimäßiger Gefahrenabwehr verfolgen 4 , könnten diese Maßnahmen aus dem Durchsuchungsbegriff ausgeklammert werden. c) Endlich könnte man an die besonderen rechtsstaatlichen Sicherungen des A r t . 13 Abs. 2 anknüpfen und nach der Schwere des Eingriffs differenzieren. Dabei müßten alle die Eingriffe als Durchsuchungen angesehen und dem Richtervorbehalt unterstellt werden, die aus irgendeinem Grunde besonders schwer wiegen. IL Kriterien für die Abgrenzung der Durchsuchungen von den sonstigen Eingriffen und Beschränkungen 1. A r t und Intensität des „Suchens" oder „Durchsuchens" können sowohl bei den Durchsuchungen des A r t . 13 Abs. 2 als auch bei den Eingriffen und Beschränkungen des Abs. 3 sehr verschieden sein. Bei der Beschlagnahme eines strafprozessualen Beweismittels, das sich deutlich sichtbar i n der Wohnung befindet, braucht kaum oder gar nicht gesucht zu werden; trotzdem handelt es sich u m eine Durchsuchung i m Sinne der §§ 102,103 StPO und des A r t . 13 Abs. 2. Umgekehrt unterscheidet sich die Suche nach der versteckten Zeitzünderbombe 5 i n nichts von einer intensiven strafprozessualen Durchsuchung nach versteckten Beweismitteln oder Einziehungsgegenständen 6 . Ebenso kann die Suche i n der Wohnung nach Seuchenerregern, nach infizierten Personen oder Sachen7 die gleiche Intensität aufweisen. Gleichwohl handelt es sich beim Aufspüren der Zeitzünderbombe und der Seuchenerreger nicht um Durchsuchungen i m 4 M i t Ausnahme der f ü r die Abgrenzung unerheblichen Gesetze zur Behebung der Raumnot, vgl. oben § 12 1 1 S. 107/08 u n d § 12 I I 1 b) S. 113 ff. 5 Siehe das Beispiel oben § 13 I S . 125. 6 Siehe die Befugnisse der Durchsuchungsorgane bei strafprozessualen Durchsuchungen oben § 8 1 1 d) S. 61. 7 Vgl. die Beispiele oben § 13 I I 1 S. 126.

§ 14. Endgültige Abgrenzung des Abs. 2 von Abs. 3

131

Sinne des A r t . 13 Abs. 2, sondern u m Eingriffe und Beschränkungen nach A r t . 13 Abs. 3. Das Element des „Suchens" oder „Durchsuchens" kann also bei den Durchsuchungen des Abs. 2 sehr schwach und bei den Eingriffen und Beschränkungen des Abs. 3 sehr stark ausgeprägt sein. Es ist daher kein taugliches K r i t e r i u m für die Abgrenzung von A r t . 13 Abs. 2 und A r t . 13 Abs. 3 8 . Ob i m eigentlichen Sinne „gesucht" w i r d oder sonstige Handlungen vorgenommen werden oder beabsichtigt sind, ist somit nicht entscheidend. Man könnte allerdings daran denken, daß bei allen Eingriffen und Beschränkungen des Abs. 3, die die Durchsuchungssymptome aufweisen, gleichzeitig Durchsuchungen i m Sinne des Abs. 2 vorliegen. Dann w i r d aber die Unterscheidung aufgegeben, die das Grundgesetz zwischen den Durchsuchungen des Abs. 2 und den Eingriffen und Beschränkungen des Abs. 3 offenbar hat treffen wollen 9 . Es blieben dann — abgesehen von den Gesetzen zur Behebung der Raumnot — auch kaum noch Wohnungseingriffe übrig, die nicht (gleichzeitig) Durchsuchungen i m Sinne des A r t . 13 Abs. 2 wären 1 0 . Das widerspräche aber dem insoweit klaren Wortlaut des A r t . 13. 2. Die Ausklammerung aller i n die Wohnungsfreiheit eingreifenden Maßnahmen, die zwar die äußeren Durchsuchungssymptome aufweisen, aber i n der Absicht polizeilicher Gefahrenabwehr oder -Verhütung vorgenommen werden, scheint eine saubere Trennung der Durchsuchungen des A r t . 13 Abs. 2 von den Eingriffen und Beschränkungen des A r t . 13 Abs. 3 zu gewährleisten. Zweifel bestehen jedoch bei der Verfolgung und Verhütung strafbarer Handlungen und bei der Kontrolle der Einhaltung strafbewehrter Vorschriften des Gewerbe- und Arbeitsrechts. a) M i t Sicherheit haben die Väter des Grundgesetzes strafprozessuale Durchsuchungen als Durchsuchungen i m Sinne des A r t . 13 Abs. 2 verstanden wissen wollen 1 1 . Denn der eigentliche Schutz der Wohnungsfreiheit lag noch unter der Herrschaft der Weimarer Reichsverfassung nicht i n deren Art. 115, sondern i n der Strafprozeßordnung mit ihrem zwingen8 So w o h l auch Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 71, der ausdrücklich jedes Betreten einer Wohnung einer Durchsuchung gleichstellt, ohne dafür allerdings eine Begründung zu geben; ähnlich Forsthoff, i n : Festschrift f ü r Isay S. 101, der jedoch deshalb alle Eingriffe an den Richtervorbehalt binden w i l l ; vgl. auch oben § 8 V I 5 S. 70/71. 9 Siehe oben § 7 I S . 52/53. 10 Das hängt damit zusammen, daß A r t . 13 grundsätzlich n u r gegen das unzulässige Betreten der Wohnung schützt (vgl. unten § 15 S. 139 ff.) u n d sich eine Unterscheidung zwischen dem bloßen Betreten u n d einer Durchsuchung nicht treffen läßt (vgl. oben § 8 V I 5 S. 70/71). 11 Vgl. die ersten Entwürfe zum Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung, i n denen bei den Durchsuchungen das Strafverfahren ausdrücklich angesprochen w a r ; siehe die Nachweise oben § 7 I I 2 c) S. 56 ff.

9*

132

4. Abschnitt: Abschließende Interpretation des A r t . 13

den Richtervorbehalt 12 . Der damals bestehende Schutz sollte i m Grundgesetz verfassungsrechtlich verfestigt werden. Bei Differenzierung nach dem Durchsuchungszweck und Ausklammerung aller materiell-polizeilichen Maßnahmen würden die Durchsuchungen der Strafverfolgungsbehörden tatsächlich als Durchsuchungen i m Sinne des A r t . 13 Abs. 2 anzusehen sein. Denn bei der Strafverfolgung handelt es sich materiell nicht u m Polizeirecht, nicht um die Abwehr oder Verhütung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung; die durch Straftaten bewirkten Rechtsbrüche können nicht mehr beseitigt werden, wenngleich sie die öffentliche Sicherheit und Ordnung verletzt haben. Demgemäß ist die Strafverfolgung auch nicht eigene Aufgabe der Polizei 13 . Sie ist vielmehr besonderen Behörden übertragen (Staatsanwaltschaft), die sich ihrerseits der Polizei als Hilfsorgans bedienen können (§§ 161, 163 StPO, 152 GVG). Eine polizeiliche Aufgabe i m materiellen Sinne ist dagegen die Verhütung von Straftaten 14. Hier ist die Polizei unmittelbar auf Grund der Generalklauseln (§ 10 I I 17 ALR, § 14 PVG) zur Wahrung der Rechtsordnung und zur Verhütung von Rechtsbrüchen berechtigt und verpflichtet. Bei einer Abgrenzung des A r t . 13 Abs. 2 von A r t . 13 Abs. 3 nach der materiell-polizeilichen Zielrichtung eines Eingriffs i n die Wohnungsfreiheit müßten Straftatverhütungsmaßnahmen somit A r t . 13 Abs. 3 unterfallen und vom Richtervorbehalt freigestellt sein. Dieses Ergebnis ist nicht nur deshalb unbefriedigend, weil Verbrechensverfolgung und Verbrechensverhütung — wenn auch auf Grund verschiedener Rechtsnormen 15 — praktisch von denselben Behörden, nämlich von der Kriminalpolizei, wahrgenommen werden, sondern vor allem deshalb, weil sich eine scharfe Unterscheidung zwischen Strafverfolgung und Straftatverhütung nicht treffen läßt. Man denke an die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung einer straflosen Vorbereitungshandlung zum strafbaren Versuch und eines straflosen Versuchs (bei Übertretungen und Vergehen 16 ) zur strafbaren Vollendung 1 7 . Vom betroffenen Bürger w i r d eine Durchsuchung zum Zwecke der Straftatverhütung auch kaum als weniger, sondern eher noch als stärker diffamie12

Siehe oben § 2 Ziff. 4 b) S. 28/29 u n d § 3 I I 1 S. 33. Vgl. O V G Koblenz DVB1. 1966, 576; Drews-Wacke, Polizeirecht § 2 Ziff. 1 S. 11 u n d § 7 Ziff. 4 S. 112 ff.; Ule-Rasch, P V G § 14 Rdnr. 50 a. E. 14 O V G Koblenz a.a.O.; O V G Münster N J W 1954,1664 = VerwRspr. 7, 558 ff.; Drews-Wacke a.a.O.; Ule-Rasch a.a.O. u n d P V G § 14 Rdnr. 10. 15 § 14 Pr.PVG (und die entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften, vgl. oben 3. Abschnitt Fußnote 63) einerseits u n d §§ 161, 163 StPO, 152 G V G andererseits. 16 Vgl. § 43 StGB. 17 Vgl., jeweils m i t zahlreichen Nachweisen: Maurach, Strafrecht A T §§ 40 u n d 41 S. 415 ff., insbesondere S. 420 ff. u n d § 39 C S. 414/15; Schönke-Schröder, StGB § 43 Rdnr. 1—29 u n d die Vorbem. zu § 43; Jagusch, i n : L K StGB § 43 Erl. I I 1, insbesondere e) u n d f); Schwarz-Dreher, StGB § 43 Erl. 1 B—E. 13

§ 14. Endgültige Abgrenzung des Abs. 2 von Abs. 3

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rend und diskriminierend empfunden als eine Durchsuchung zum Zwecke der Strafverfolgung. Das alles spricht dafür, sämtliche Maßnahmen der Kriminalpolizei, die m i t dem Eindringen i n eine Wohnung verbunden sind, als Durchsuchungen i m Sinne des A r t . 13 Abs. 2 anzusehen, ohne Rücksicht darauf, ob es sich i m Einzelfalle um Strafverfolgung oder Straftatverhütung handelt. Das gilt aber nur für Wohnungseingriffe der Kriminalpolizei, nicht für andere nicht m i t der Verbrechensverfolgung oder -Verhütung i n Zusammenhang stehende Maßnahmen der Sicherheits- oder Ordnungsbehörden 18 . b) Gerade i m Gewerberecht gibt es eine große Zahl von Vorschriften, über deren Einhaltung die Gewerbeaufsichtsbeamten zu wachen haben und deren Verletzung mit Strafe bedroht ist. Die Kontrolle i n Gewerbebetrieben 19 dient der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und ist als solche eine typisch polizeiliche Aufgabe 20 . Betriebsbegehungen der Gewerbeaufsichtsbeamten wären daher Eingriffe nach Art. 13 Abs. 3. Da gleichzeitig die Verletzung der gewerberechtlichen und arbeitsrechtlichen Bestimmungen für den Unternehmer mit — K r i m i n a l oder Ordnungs Strafe bedroht ist 2 1 , können bei den Kontrollen auch strafbare Handlungen festgestellt werden. Die Ermittlung und Verfol18 Ule-Rasch, P V G §§ 15—17 Rdnr. 180 u n d 78—82, w o l l e n wegen der A b grenzungsschwierigkeiten von materiell-polizeilichen u n d strafprozessualen Maßnahmen — zu w e i t gehend — alle polizeilichen Durchsuchungen unter A r t . 13 Abs. 2 fallen lassen. Dabei w i r d verkannt, daß die Abgrenzungsschwierigkeiten n u r i m Zusammenhang von Strafverfolgung u n d Straftatverhütung auftreten u n d außerdem eine Abgrenzung von Durchsuchung u n d Betreten nicht möglich ist (vgl. oben § 8 V I 5 S. 70/71), so daß f ü r A r t . 13 Abs. 3 nichts mehr übrig bliebe, vgl. aber Ule-Rasch a.a.O. Rdnr. 185—188. 19 Vgl. §§ 24b u n d 139b GewO; auf § 139b GewO w i r d i n zahlreichen anderen Gesetzen verwiesen, z. B. i n § 1 GaststättenG v o m 28.4.1930 (RGBl. I S. 146), 22 Abs. 2 LadenschlußG v o m 28.11.1956 (BGBl. I S. 875), § 27 Abs. 3 Arbeitszeitordnung (AZO) v o m 30. 4.1938 (RGBl. I S. 447), § 14 Abs. 2 des Gesetzes über die Arbeitszeit i n Bäckereien u n d Konditoreien (BAZG) v o m 29. 6. 1936 (RGBl. I S. 521) i. d. F. v o m 30. 4.1938 (RGBl. I S. 446), § 19 Abs. 1 u n d 2 des Gesetzes über die friedliche Verwendung der Kernenergie u n d den Schutz gegen ihre Gefahren (AtomG) v o m 23.12.1959 (BGBl. I S. 814); siehe weiter: § 6 des Gesetzes über den Verkehr m i t Lebensmitteln u n d Bedarfsgegenständen — LebensmittelG (LMG) — i. d. F. v o m 21.12.1958 (BGBl. I S. 950, B G B l . I I I Nr. 2125-4); § 18 Abs. 2 des Gesetzes über das Apothekenwesen (BApothG) v o m 20. 8.1960 (BGBl. I S. 697); § 43 Abs. 1 des Milchgesetzes v o m 31. 7.1930 (RGBl. I S. 421); § 14 Abs. 4 des Gesetzes zu A r t . 26 Abs. 2 des Grundgesetzes (Gesetz über die K o n t r o l l e von Kriegswaffen) v o m 20. 4.1961 (BGBl. I S. 444). 20 Vgl. Drews-Wacke, Polizeirecht § 7 Ziff. 10 S. 124 u n d § 11 Ziff. 11 S. 145 ff.; vgl. auch Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 150. — Wenn hier: v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 3 b) S. 405/06; v. Mangoldt, A r t . 13 Erl. 3 S. 97; Brinkmann, A r t . 13 Erl. I I c); Kern, i n : Die Grundrechte I I S. 106, u. a. Zweifel an der Zulässigkeit der Maßnahmen nach A r t . 13 Abs. 3 haben, so liegt das nicht an der Überschneidung m i t dem Strafrecht, sondern an der fehlerhaften Auslegung der „dringenden" Gefahr, vgl. dazu oben § 12 I I 2 S. 116 ff. 21 §§ 146 ff. GewO; §§ 24, 25 LadenschlußG; § 25 A Z O ; § 15 B A Z G ; §§ 29, 30 GaststättenG; §§ 11 ff. L M G ; §§ 23 ff. B A p o t h G ; § 46 AtomG.

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4. Abschnitt: Abschließende Interpretation des A r t . 13

gung strafbarer Handlungen ist aber keine materiell-polizeiliche A u f gabe, so daß insoweit beim Betreten und Besichtigen der Betriebe Durchsuchungen i m Sinne des A r t . 13 Abs. 2 vorliegen müßten. Die Schwierigkeiten, die durch die Kontrolle der Einhaltung strafbewehrter Normen entstehen, lassen sich nur vom Sinn der Kontrolltätigkeit her lösen. Bei den Aufsichtsmaßnahmen i n Betrieben und Geschäftsräumen steht der Zwang zur Einhaltung der Normen ganz i m Vordergrund. Der Unternehmer soll dazu angehalten werden, seine A r beitnehmer nicht über die gesetzlich zulässige Zeit hinaus zu beschäftigen 22 , die nötigen Sicherheitsvorkehrungen an Maschinen zu treffen 2 3 , die gesundheitspölizeilichen Vorschriften über Werkräume und Toiletten einzuhalten 24 , bei dem Umgang mit Medikamenten die ausreichende Sorgfalt walten zu lassen 25 und bei der Herstellung, Lagerung und dem Verkauf von Nahrungsmitteln die hygienischen Erfordernisse zu beachten 26 . Dem liegen dringende Interessen der Allgemeinheit zugrunde; die Kontrolle dient i n erster Linie dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung 2 7 . Die Strafdrohung bei Verletzung der gewerbe- und arbeitsrechtlichen Vorschriften soll den Normen durch eine scharfe Sanktion Nachdruck verleihen und den Aufsichtsbeamten ein wirksames M i t t e l zur Durchsetzung der Normen an die Hand geben 28 . Das ändert aber nichts daran, daß ihre Tätigkeit primär der Beaufsichtigung dient. Die Ermittlung strafbarer Handlungen ist nur ein für ihre Primärfunktion unwesentlicher, wenn auch damit notwendig gekoppelter Annex. Daher w i r d man die Tätigkeit der Gewerbeaufsichtsbeamten insgesamt als materiell-polizeiliche Aufgabe begreifen dürfen und demgemäß ihre Betriebsbegehungen als Eingriffe nach Art. 13 Abs. 3 ansehen müssen. Immer dann jedoch, wenn die Ermittlung strafbarer Handlungen oder auch die Ermittlung von Ordnungswidrigkeiten 2 9 i n den Vordergrund rückt oder einziger Zweck eines Eingriffs wird, handelt es sich um Durchsuchungen i m Sinne des A r t . 13 Abs. 2, die dem Richtervorbehalt unterliegen 30 . 22

§§ 105a ff. GewO; §§ 3 ff. A Z O ; §§ 2 ff. B A Z G . § 120a GewO. 24 § 120b GewO. 25 §§ 18, 21 B A p o t h G ; siehe auch § 25 BSeuchG. 29 §§ 3 ff. L M G . 27 Vgl. Hans.OLG GewArch 27, 279 = JR H R R 1930 Nr. 268; LandmannRohmer, GewO § 139b Erl. 4; Rohlfing-Kiskalt-Woltf, GewO § 139b Erl. 7 b). 28 O L G Braunschweig DVB1.1952, 533. 29 Vgl. § 36 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) v o m 25. 3.1952 (BGBl. I S. 177) i. d. F. v o m 26. 7.1957 (BGBl. I S . 861). 30 Sehr ähnlich schon O L G Darmstadt GewArch 27,614. 23

§ 14. Endgültige Abgrenzung des Abs. 2 v o n Abs. 3

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3. Die Abgrenzung der Durchsuchungen von den sonstigen Eingriffen und Beschränkungen bedarf auch einer inneren Rechtfertigung. Denn durch den zwingenden Richtervorbehalt hat das Grundgesetz die Bedeutung der Durchsuchungen für den Bürger unterstrichen und sie mit besonderen rechtsstaatlichen Sicherungen umgeben. Die größere Schwere der Eingriffe, die als Durchsuchungen i m Sinne des A r t . 13 Abs. 2 anzusehen sind, kann zwei verschiedene Ursachen haben: a) Bestimmte staatliche Maßnahmen, bei denen die äußeren Durchsuchungssymptome vorliegen, werden vom betroffenen Bürger als persönlicher Angriff oder als Diskriminierung empfunden, während derartige Affekte bei anderen Maßnahmen m i t demselben Erscheinungsbild, aber anderen Zielen nicht ausgelöst werden. M i t starken Ressentiments und Aversionen waren immer strafrechtliche Ermittlungshandlungen und Straftatverhütungsmaßnahmen belastet. I m Bewußtsein der Bevölkerung haben alle kriminalpolizeilichen Durchsuchungen einen diskriminierenden Effekt, wenn auch rechtlich nicht der geringste Schuldvorwurf gegen den Betroffenen damit verbunden zu sein braucht 31 . Bereits die Berührung mit dem Verbrechen w i r d als diffamierend empfunden, und zwar ohne Rücksicht auf die Unterscheidung zwischen Strafverfolgung und Straftatverhütung. Ganz anders werden gewerberechtliche Kontrollen i n Betriebsräumen aufgenommen. Selbst wenn bei Betriebsbegehungen strafbare Verstöße gegen gewerberechtliche oder arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen zu Tage treten, haftet der Gewerbeaufsicht nicht das Odium der Verbrechensbekämpfung an. Die Kontrollen werden zwar häufig als lästig betrachtet, aber i m allgemeinen w i r d ihre Notwendigkeit eingesehen 32 . Sie werden weder vom Betroffenen noch von seiner Umgebung als diskriminierend oder diffamierend empfunden. Geht man davon aus, wie der Bürger „Durchsuchungen" aufnimmt, ob er ihnen einen diskriminierenden Effekt beimißt oder nicht, so bestätigen sich die Korrekturen, die oben 33 bei der Abgrenzung der Durchsuchungen von anderen Wohnungseingriffen nach der Zielrichtung der jeweiligen Maßnahmen vorgenommen werden mußten. Alle kriminalpolizeilichen Eingriffe mit Durchsuchungssymptomen wiegen deshalb besonders schwer, weil sie einen diskriminierenden Effekt auszulösen pflegen. Gewerberechtliche Betriebsbegehungen wiegen trotz der Strafdrohungen i n 31

§ 103 StPO regelt gerade die Durchsuchung bei unverdächtigen Personen. Das hängt m i t der beratenden u n d unterstützenden F u n k t i o n der Gewerbeaufsichtsämter zusammen, die früher wesentlich stärker ausgeprägt w a r als heute; vgl. Landmann-Rohmer, GewO § 139b Erl. 2; Rohlfing-Kiskalt32

Wolff, 33

§ 139b Erl. 7.

Oben I I 2 a) u n d b) S. 131—134.

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4. Abschnitt: Abschließende Interpretation des A r t . 13

den Gewerbe- und Arbeitsschutzvorschriften erheblich leichter, weil ihnen der diskriminierende Effekt fehlt. Damit erscheint das oben gefundene Ergebnis auch innerlich gerechtfertigt. b) Die Schwere des Eingriffs „Durchsuchung" kann auch darin begründet sein, daß die Notwendigkeit bestimmter Maßnahmen nicht so unmittelbar einleuchtet wie bei anderen Eingriffen. Es handelt sich hier um eine generelle, sehr grobe Ausformung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Die Eingriffe des Art. 13 Abs. 3 dienen der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Die Notwendigkeit des Schutzes der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist unschwer einzusehen. Sie w i r d noch dadurch unterstrichen, daß nur erhebliche Gefahren einen Eingriff nach A r t . 13 Abs. 3 zu legitimieren vermögen 34 . Die öffentlichen und die privaten Interessen abwägend, w i r d man bei einer generellen, von den individuellen Besonderheiten abstrahierenden Betrachtungsweise ohne weiteres ein Übergewicht der öffentlichen Belange annehmen können. Anders ist es bei den Durchsuchungen des Art. 13 Abs. 2. Die Durchsuchungszwecke können sehr verschieden sein; Durchsuchungen sind nicht von vornherein auf bestimmte Ziele festgelegt. Daher kann auch der Verfassungsgesetzgeber bei ihnen nicht schon generell die Überwertigkeit öffentlicher Belange feststellen, und es ist gerechtfertigt, wenn er eine zusätzliche Sicherung durch den Richtervorbehalt einführt. Weil generell die Notwendigkeit von Durchsuchungen nicht festliegt und ihr Zweck unbestimmt ist, soll der Richter i m Einzelfall die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit prüfen, bevor der Eingriff vorgenommen wird35. Diese Betrachtungsweise ist wegen ihrer großen Abstraktheit zwangsläufig mit Unschärfen behaftet. I m Einzelfall kann die Notwendigkeit einer Durchsuchung sehr viel evidenter sein als bei einem Eingriff nach A r t . 13 Abs. 3, zumal sowohl die Gesetze, die Durchsuchungen oder andere Eingriffe zulassen, wie auch die Behörden, die den konkreten Eingriff vornehmen, an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden sind 3 6 . Darauf kommt es aber nicht an. Entscheidend ist vielmehr, daß die verfassungsrechtliche Wertentscheidung, nach der Durchsuchungen schwerer wiegen als die übrigen Eingriffe, bei der vom Verfassungsgesetzgeber getroffenen, sehr allgemeinen Abgrenzung nachvollziehbar ist. Das ist sie 34

Vgl. oben § 12 I I 2 S. 116 ff. Sehr ähnlich Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 71, der zwar den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht heranzieht, aber auch wegen der Zweckoffenheit bei Abs. 2 den Richtervorbehalt fordert u n d i h n wegen der Zweckbestimmtheit bei Abs. 3 f ü r entbehrlich h ä l t ; vgl. auch Knemeyer N J W 1967, 1355. 38 Vgl. oben § 9 I 2 b) S. 76 ff. u n d § 9 I I 2 c) u n d d) S. 84 ff.; siehe auch oben 3. Abschnitt Fußnote 91. 35

§ 14. Endgültige Abgrenzung des Abs. 2 von Abs. 3

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dann, wenn man sich die Zielgerichtetheit der Eingriffe des Art. 13 Abs. 3 und die Zweckoffenheit der Durchsuchungen des Art. 13 Abs. 2 vor Augen hält. c) I n der Literatur w i r d häufig angenommen, die Eingriffe des A r t . 13 Abs. 3 seien gravierender und drückender für den Bürger als die Durchsuchungen des Abs. 2 3 7 . Denn die i m Abs. 3 zugelassene Wohnraumbewirtschaftung könne den Wohnungsinhaber auf Jahre hinaus belasten, während Durchsuchungen nach wenigen Stunden abgeschlossen seien. Dieser Einwand ist aus mehreren Gründen nicht stichhaltig. Bei der Wohnraumbewirtschaftung und jeder anderen Form der dinglichen Inanspruchnahme von Wohnungen fehlen die typischen Durchsuchungssymptome 38 , falls A r t . 13 überhaupt so allgemein gegen die dingliche Inanspruchnahme schützt 39 . Daher treten hier die Abgrenzungsschwierigkeiten zu Durchsuchungen gar nicht auf. Außerdem besteht bei der dinglichen Inanspruchnahme kein so dringendes Bedürfnis nach präventivem Rechtsschutz. Bei rechtswidrigen Durchsuchungen ist dem Bürger mit der nachträglichen richterlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit nicht viel geholfen; das geschehene Unrecht läßt sich i n keinem Falle hinterher beseitigen. Die Beschlagnahme von Wohnungen dagegen dauert in der Regel längere Zeit an. Rechtswidrige Maßnahmen kann der Richter auch noch nach der Erfassung wieder aufheben und beseitigen. Der repressive Rechtsschutz ist hier — anders als bei Durchsuchungen — durchaus sinnvoll und ausreichend. Schließlich ist jede dingliche Inanspruchnahme einer Wohnung m i t einer Entschädigung verknüpft, da es sich immer — wie noch dargelegt werden w i r d 4 0 — um eine Enteignung handelt. d) Diese Besonderheiten zeigen, daß die Wohnraumbewirtschaftung, die — wenn überhaupt — in einen vierten Absatz des A r t . 13 gehörte 41 , nichts gegen die an der Schwere der Maßnahme orientierte Unterscheidung von Durchsuchungen und anderen Eingriffen auszusagen vermag. Die besondere Schwere des Eingriffs „Durchsuchung" liegt entweder i n einem diskriminierenden Effekt oder i n der geringeren Evidenz für seine Notwendigkeit i m Vergleich zu den anderen zweckgerichteten Eingriffen i n die Wohnungsfreiheit. 37 Wernicke , B K A r t . 13 Erl. I I 3; Giese-Schunck, A r t . 13 Erl. 4; Hamann, A r t . 13 Erl. B 6; Zimniok DöV 1954, 392; etwas differenzierend v. MangoldtKlein, A r t . 13 Erl. I V 3 c) S. 406. 38 Vgl. oben § 13 I I 3 S. 127/28. Das hängt auch damit zusammen, daß die Wohnung m i t der Entziehung f ü r den ursprünglichen Inhaber ihre Eigenschaft als grundrechtlich gesdiützte Wohnung i m Sinne des A r t . 13 Abs. 1 verliert; vgl. oben § 5 I I 1 u n d 2 S. 45/46 u n d unten § 15 I I I 2 c) S. 150 ff. Daher w i r d m i t dem Betreten der beschlagnahmten Wohnung nicht mehr die Wohnungsfreiheit des ursprünglichen Wohnungsinhabers „verletzt". 39 Dazu unten § 15 I I I 2 c) u n d d) S. 150 ff. 40 Siehe unten § 15 I I I 2 b) u n d c) S. 148 ff. 41 Vgl. oben § 12 I I 1 b) S. 113 ff.

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4. Abschnitt: Abschließende Interpretation des A r t . 13

I I I . Endgültige Abgrenzung der „Durchsuchungen" von den „Eingriffen und Beschränkungen im übrigen" 1. Der Begriff der Durchsuchung i m Sinne des A r t . 13 Abs. 2 ist i n doppelter Weise gekennzeichnet: positiv durch das äußere Erscheinungsb i l d und negativ durch die Ausklammerung bestimmter Zwecke: a) Durchsuchungen liegen nur dann vor, wenn ein Staatsorgan ohne oder gegen den Willen des Wohnungsinhabers in die Wohnung eindringt und dort — notfalls m i t Gewalt — nach Personen, Gegenständen oder sonstigen wissenswerten Sachverhalten forscht oder sonstige Handlungen vornimmt 4 2 . Da staatliche Maßnahmen sich i m Eindringen niemals erschöpfen, sondern jedes Eindringen bestimmte Ziele verfolgt und verfolgen muß, ist jedes Betreten einer Wohnung äußerlich bereits eine Durchsuchung 43 . b) Durchsuchungen sind alle Durchsuchungsmaßnahmen (nach a) der Kriminalpolizei zum Zwecke der Verfolgung und Verhütung strafbarer Handlungen, i m übrigen aber nur die Durchsuchungsmaßnahmen, die nicht zur Erfüllung materiell-polizeilicher Aufgaben vorgenommen werden, die also nicht der Gefahrenabwehr oder Gefahrenverhütung dienen 44 . 2. Ebenso sind die Eingriffe und Beschränkungen i m Sinne des Art. 13 Abs. 3 zweifach charakterisiert: a) Eingriffe und Beschränkungen sind alle gegen die Wohnungsfreiheit gerichteten Maßnahmen, bei denen die Durchsuchungssymptome fehlen. b) Eingriffe und Beschränkungen sind auch die Maßnahmen, die zwar die Durchsuchungssymptome aufweisen, aber der Abwehr oder Verhütung von Polizeigefahren dienen. 3. Für die Abgrenzung der Durchsuchungen von den übrigen Eingriffen und Beschränkungen ist es gleichgültig, ob eine Maßnahme erheb42 Ob dabei i m eigentlichen Sinne „gesucht" oder „durchsucht" w i r d , ist u n erheblich, vgl. oben I I 1 S. 130/31. 43 Vgl. oben § 8 V I 5 S. 70/71. 44 Sehr ähnlich unterscheidet Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 71, zwischen „gerichtlichen" u n d „administrativen" Eingriffen i n die Wohnungsfreiheit. Er t r i f f t die Abgrenzung wie hier nach dem Zweck der Maßnahme, ohne jedoch den Begriff der Durchsuchung i n einfachen Gesetzen u n d die Überschneidungen der Absätze 2 u n d 3 des A r t . 13 zu untersuchen. Da er die „dringenden Gefahren f ü r die öffentliche Sicherheit u n d Ordnung" nicht genau analysiert, w i l l er viele Eingriffe, die nach seinem eigenen — allerdings nicht ganz klaren u n d widerspruchsfreien — Ausgangspunkt unter Abs. 2 fallen müßten, wegen des fehlenden Richtervorbehalts i n einfachen Gesetzen doch nach Abs. 3 zulassen; vgl. die Beispiele bei i h m i n Rdnr. 99, 100, 158 ff., 164. — Eine weitere Einschränkung des Durchsuchungsbegriffes ergibt sich aus A r t . 17a Abs. 2, vgl. unten § 16 1 1 S. 156 m i t Fußnote 128.

§ 15. Eingriffsarten u n d Schutzrichtung bei der Wohnungsfreiheit

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liehe oder schlichte Polizeigefahren abwehren oder verhüten w i l l . Der gesamte Bereich polizeimäßiger Gefahrenabwehr oder -Verhütung ist A r t . 13 Abs. 3 zugewiesen 46 . Die Erheblichkeit der Gefahr ist Zulässigkeitsvoraussetzung, nicht Begriffsmerkmal für einen Eingriff nach A r t . 13 Abs. 3. Wollte man bei nicht erheblichen Gefahren Eingriffe als Durchsuchungen (mit Richtervorbehalt) nach A r t . 13 Abs. 2 zulassen, so würde man die klare Abgrenzung von A r t . 13 Abs. 2 und A r t . 13 Abs. 3 wieder aufgeben und nicht nach dem Ziel der Maßnahme, sondern nach ihrer Zulässigkeit differenzieren. Das entspricht weder dem Aufbau des Art. 13 mit seinen sich gegenseitig ausschließenden Eingriffsvorbehalten i n den Absätzen 2 und 3 4 6 noch den Intentionen des Parlamentarischen Rates. Man wollte die Effektivität des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung — außer durch Einführung des Richtervorbehalts — auch dadurch erhöhen, daß man für bestimmte Eingriffe materielle Zulässigkeitsvoraussetzungen einführte 4 7 . Die materiellen Eingriffsvoraussetzungen dürfen aber — auch mit Hilfe des Richtervorbehalts — nicht umgangen werden 4 8 .

§ 15. Die verschiedenen Arten von Eingriffen i n die Wohnungsfreiheit und die Schutzrichtung des Grundrechts I. Der Zusammenhang von Eingriffsart

und Schutzrichtung

1. Die Frage nach der Schutzrichtung eines Grundrechts, die Frage also, gegen welche staatlichen Eingriffe oder Beschränkungen ein Grundrecht den Bürger sichert, hängt eng mit den Eingriffen und Beschränkungen zusammen, die das Grundrecht dem Staat ausdrücklich erlaubt. Gestattet das Grundrecht eine bestimmte A r t von Eingriffen und bindet es sie an bestimmte Voraussetzungen, so schützt es gleichzeitig gegen unzulässige Eingriffe dieser A r t , bei denen die Voraussetzungen nicht vorliegen. Erwähnt das Grundrecht i n seinen Schranken andere Eingriffsarten nicht, so sind zwei Möglichkeiten denkbar: Entweder es sind alle Eingriffe außer den ausdrücklich gestatteten unzulässig; oder das Grundrecht gewährt 45

So w o h l auch Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 71. Vgl. oben § 71S. 52/53. 47 Anders nach dem nicht (Verfassungs-) Gesetz gewordenen Vorschlag Thomas i n seiner „Kritischen Würdigung", i n dem er keine materiellen Z u lässigkeitsvoraussetzungen f ü r Wohnungseingriffe einführen, sondern bis auf die Fälle des Notstandes u n d der Notwehr i m m e r eine richterliche Anordnung f ü r jedes Betreten der Wohnung verlangen wollte, vgl. JöR n. F. 1, 140. 48 M a n wäre dann materiell wieder bei einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt angelangt, der — i m Gegensatz zu A r t . 115 Satz 2 W R V — gerade vermieden werden sollte; vgl. die Begründungen der Abg. v. Mangoldt (CDU) u n d Schmid (SPD) zur ersten Fassung des Grundsatzausschusses i n dessen 5. Sitzung v o m 29. 9.1948, J ö R n . F. 1,140. 46

140

4. Abschnitt: Abschließende Interpretation des A r t . 13

gegen diese Eingriffsarten keinen Schutz. Die zweite Annahme dürfte dann richtig sein, wenn sich aus anderen Grundrechtsverbürgungen und deren Schranken ergibt, daß bestimmte Eingriffsarten, die auch das Ausgangsgrundrecht berühren könnten, zulässig sein müssen, obwohl Vorbehalte für Eingriffe dieser A r t bei dem Ausgangsgrundrecht fehlen. Gegen diese Eingriffsarten schützt dann das andere Grundrecht mit seinen besonderen Eingriffs Voraussetzungen49. Dieselbe Annahme w i r d noch bei einer anderen Schrankenkonstellation zutreffen: Art. 13 Abs. 3 läßt „Eingriffe und Beschränkungen" zu, ohne die A r t der gestatteten Grundrechteinschränkung zu spezifizieren 50 . Wenn die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 3 vorliegen, könnten also theoretisch alle denkbaren Eingriffsarten erlaubt sein. Damit würde das Grundrecht umgekehrt gegen alle denkbaren Eingriffsarten schützen, wenn die Zulässigkeitsvoraussetzungen fehlen. Ergibt sich nun durch eine Überschneidung mit anderen Grundrechten, daß nach deren Schranken einzelne Eingriffsarten immer auch dann zulässig sein müssen, wenn die speziellen Voraussetzungen für einen Eingriff i n die Wohnungsfreiheit nicht vorliegen, so w i r d man diese Eingriffsarten aus dem Schutz der Wohnungsfreiheit ausklammern können. Die Annahme, die Wohnungsfreiheit schütze auch gegen diese Eingriffsarten, ist praktisch wertlos, wenn und weil die Wohnungsfreiheit bei diesen Eingriffen immer hinter einem anderen Grundrecht zurücktritt. Derartige Überschneidungen weisen einige Eingriffsarten, die die Wohnungsfreiheit berühren könnten, m i t der Eigentumsgarantie des A r t . 14 auf. 2. Die Schutzrichtung eines Grundrechts läßt sich mit den soeben angestellten Erwägungen nicht logisch zwingend erweisen. Es läßt sich nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit dartun, daß ein Grundrecht gegen bestimmte Eingriffsarten nicht schützt. Für die Ausklammerung einzelner Eingriffstypen muß letztlich das praktische Ergebnis den Ausschlag geben: Die Verengung und Konkretisierung der Schutzrichtung macht den Gehalt des Grundrechts anschaulicher und erleichtert den Umgang m i t seinen Schranken. Ob dadurch ein Freiheitsverlust für den Grundrechtsträger eintritt, ist sehr zu bezweifeln. Je größer und diffuser der Schutzkreis eines Grundrechts ist, desto ausgedehnter und unbestimmter müssen die Eingriffsvorbehalte werden. Wo geschriebene Schranken fehlen, w i r d man sehr leicht geneigt sein, auf ungeschriebene zurückzugreifen, wenn praktische Bedürfnisse der Exekutive es notwendig erscheinen 49 Es handelt sich hierbei nicht u m den Versuch, Grundrechtskonkurrenzen zu lösen, sondern darum, sie zu vermeiden. Bei Konkurrenzen handelt es sich u m Überschneidungen mehrerer Grundrechte bei einzelnen Eingriffen, hier u m Überschneidungen ganzer, typisierter Eingriffsarten. 50 Ebenso die zu bestimmten Zwecken erlaubten Einschränkungen der W o h nungsfreiheit nach A r t . 17a Abs. 2; vgl. dazu unten § 16 I S . 155 ff.

§15. Eingriffsarten u n d Schutzrichtung bei der Wohnungsfreiheit

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lassen 51 . Die dadurch entstehende Unsicherheit gefährdet den gesamten Schutzkreis des Grundrechts und läßt dessen Konturen verschwimmen. Die Beschränkung auf bestimmte Zielrichtungen dürfte dagegen den Rückgriff auf ungeschriebene Schranken erschweren und deshalb die Effektivität des Grundrechts erhöhen. 3. Aus den Überschneidungen, die sich bei allen denkbaren Eingriffen i n die Wohnungsfreiheit mit der Eigentumsgarantie des A r t . 14 ergeben, soll m i t Hilfe dieser Überlegungen die Schutzrichtung des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung ermittelt werden. Zunächst werden die ausdrücklich i m Grundgesetz zugelassenen und die denkbaren Arten von Eingriffen i n die Wohnungsfreiheit zusammengestellt 52 . Danach werden diese Eingriffsarten unter dem Gesichtspunkt des A r t . 14 behandelt; dabei werden die Eingriffsarten bestimmt, bei denen die Unverletzlichkeit der Wohnung hinter den Schranken der Eigentumsgarantie zurücktritt 5 3 . Ob und wieweit allerdings die Wohnungsfreiheit bei einzelnen Eingriffsarten immer den Schranken des A r t . 14 zu weichen hat und deshalb gegen diese Eingriffsarten nicht mehr schützt, kann auf Grund der vorangestellten Erwägungen nicht geklärt werden. Dazu bedarf es eines Rückgriffs auf den Sinn und die Intentionen der sich überschneidenden Grundrechte. Die verschiedenen (unmittelbaren) 54 Zielsetzungen der Wohnungsfreiheit und der Eigentumsgarantie werden aber gerade durch die weitreichenden Überlappungen sichtbar. IL Die zugelassenen und die denkbaren Eingriffe in die Wohnungsfreiheit 1. Der typische Eingriff i n das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung besteht darin, daß Staatsorgane die Wohnung betreten oder gewaltsam i n die Wohnung eindringen. Diese Eingriffsart war ursprünglich die einzige, zu deren Vornahme Staatsorgane ausdrücklich ermächtigt waren. § 140 der Paulskirchenverfassung 55 behandelte als Schranken der Wohnungsfreiheit nur die Haussuchungen (Abs. 2 und 3) und die Verhaftung eines gerichtlich Verfolgten, für die „die Unverletzlichkeit der Wohnung kein Hindernis" sein sollte (Abs. 4). Die Verhaftung i n der 51 Z u den ungeschriebenen oder „immanenten" Schranken des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung siehe unten § 16 I I S. 157 ff. 52 Unten I I . 53 Unten I I I S. 144 ff. 54 M a n k a n n sowohl A r t . 13 w i e auch A r t . 14 als Ausfluß des A r t . 2 Abs. 1 begreifen u n d dann annehmen, daß diese Grundrechte mittelbar der freien Persönlichkeitsentfaltung u n d dem Schutz der Menschenwürde dienen. M i t dieser allgemeinen Feststellung ist aber f ü r die Abgrenzung der beiden Grundrechte nichts gewonnen. 55 V o m 28. 3.1849.

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4. Abschnitt: Abschließende Interpretation des A r t . 13

Wohnung ist nach der oben 56 erarbeiteten Definition auch eine Durchsuchung, da Staatsorgane i n die Wohnung eindringen, den Verfolgten aufspüren und notfalls mit Gewalt aus der Wohnung herausholen müssen. Die i n der Paulskirchenverfassung zugelassenen Haussuchungen und Verhaftungen waren jedenfalls notwendig m i t dem Betreten der Wohnung verbunden. Noch deutlicher ist diese Eingriffsart i n A r t . 6 Pr.Verf. von 185057 angesprochen: „Die Wohnung ist unverletzlich. Das Eindringen i n dieselbe u n d Haussuchungen sowie die Beschlagnahme von Briefen u n d Papieren sind n u r i n den gesetzlich bestimmten Fällen u n d Formen gestattet."

Wenn die Vorschrift das „Eindringen" und die „Haussuchungen" nebeneinander erwähnt, so handelt es sich nicht u m zwei prinzipiell verschiedene Eingriffe. Es w i r d damit nur die Zweitaktigkeit der Durchsuchung zum Ausdruck gebracht 58 , nämlich das Eindringen, das Aufsuchen, als erste Stufe und die anschließende Suche, das Durchsuchen, als zweite Stufe 59 . Die außerdem erwähnte Beschlagnahme von Briefen und Papieren behandelt ebenfalls keinen neuen Eingriff i n die Wohnungsfreiheit, sondern zeigt nur, wie weit das zweite Element der Durchsuchung: das Recht zur Vornahme von Handlungen i n der Wohnung, reichen kann. Alle i n A r t . 6 Pr.Verf. benannten Eingriffe i n das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung waren also m i t dem Betreten der Wohnung verbunden 6 0 . Während A r t . 115 Satz 2 WRV nur allgemein von „Ausnahmen" vom Grundsatz der Unverletzlichkeit der Wohnung sprach und damit die Eingriffsart offenließ, hat das Grundgesetz den m i t einem Betreten der Wohnung verbundenen Eingriff wieder benannt. Die i n A r t . 13 Abs. 2 zugelassenen Durchsuchungen haben immer das Betreten der Wohnung zur Voraussetzung. Daß auch A r t . 13 Abs. 3 zum Betreten der Wohnung ermächtigt, haben die Beispiele 61 gezeigt; hier ist jedoch die Eingriffsart i m Grundgesetz nicht spezifiziert, da nur generell von „Eingriffen und Beschränkungen" die Rede ist. 2. Unter der Herrschaft des Art. 6 Pr.Verf. wurden Eingriffe i n die Wohnungsfreiheit, die nicht m i t dem Betreten einer Wohnung zusammen56

Vgl. oben § 8 V I 5 S. 70/71, § 10 Ziff. 3 S. 95 u n d § 14 I I I 1 S. 138. Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat v o m 31.1.1850 (GS S. 17). 58 M i t den „Haussuchungen" w a r allerdings vorwiegend an strafprozessuale Durchsuchungen gedacht, denen die „administrativen" Eingriffe gegenübergestellt wurden, vgl. Anschütz, A r t . 6 Pr.Verf. Erl. 2 I V . 59 Vgl. oben § 8 V I 4 u n d 5 S. 69 ff. 60 Siehe auch die §§ 7—13 des Pr. Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit v o m 12. 2.1850 (GS S. 45); vgl. weiter Anschütz, A r t . 6 Pr.Verf. Erl. 2 V I . 81 Oben § 13 S. 124 ff. 57

§ 15. Eingriffsarten u n d Schutzrichtung bei der Wohnungsfreiheit h i n g e n , noch n i c h t d i s k u t i e r t 6 2 . Dagegen g i n g i n der W e i m a r e r Z e i t die herrschende A u f f a s s u n g d a h i n , daß A r t . 115 W R V eine w e i t e r e E i n g r i f f s a r t zuließe, n ä m l i c h d i e dingliche Inanspruchnahme der Wohnung. Diese A n s i c h t g r ü n d e t e sich a u f die Entstehungsgeschichte: D e r erste, v o n P r e u ß v o r g e l e g t e V e r f a s s u n g s e n t w u r f l a u t e t e noch (§ 2 5 ) 6 3 : „ D i e Wohnung ist unverletzlich. Haussuchungen dürfen n u r nach Maßgabe eines Reichsgesetzes vorgenommen werden." Ä h n l i c h b e s t i m m t e A r t . 36 des späteren E n t w u r f s e i n e r V e r f a s s u n g des Deutschen Reiches 6 4 : „Die Wohnung ist unverletzlich. Das Eindringen i n die Wohnung sowie Haussuchungen sind n u r auf G r u n d von Gesetzen zulässig." Später w u r d e n — nach d e m V o r b i l d der a l t e n Preußischen V e r f a s s u n g — weitere Ergänzungen vorgenommen 65: „Die Wohnung jedes Deutschen ist f ü r i h n eine Freistätte u n d unverletzlich. Das Eindringen i n eine Wohnung sowie Haussuchungen u n d Beschlagnahmen sind n u r auf G r u n d von Gesetzen zulässig." Gegen diese Fassung w a n d t e n sich d i e S o z i a l d e m o k r a t e n ( A u e r u n d Genossen). Sie b e a n t r a g t e n , d e n Satz 2 des A r t . 114 (später 115) d a h i n z u verändern 66: „Ausnahmen sind n u r auf G r u n d von Gesetzen zulässig." Z u r B e g r ü n d u n g t r u g der A b g e o r d n e t e K a t z e n s t e i n (SPD) v o r 6 7 : „Die jetzige Fassung könnte es erschweren, daß Wohnungsreformmaßregeln, w i e sie i n neuerer Zeit notwendig geworden sind u n d sich nach Rückkehr der Gefangenen noch v i e l mehr als notwendig erweisen werden, die Einräumung von Teilen bestehender Wohnungen an Wohnungsbedürftige i n Ermanglung von neuen Wohnungen durchgeführt werden oder daß sie an eine Änderung der Verfassung geknüpft werden könnten." M i t d e r A n n a h m e dieses A n t r a g e s e r h i e l t A r t . 115 W R V seine e n d g ü l t i g e Fassung. D i e Entstehungsgeschichte m a c h t d e u t l i c h , w a r u m d i e herrschende L e h r e der W e i m a r e r Z e i t die d i n g l i c h e I n a n s p r u c h n a h m e v o n W o h n r a u m 62 Vgl. Anschütz, A r t . 6 Pr.Verf. Erl. 2 I I I — V I ; v. Rönne, A r t . 6 Pr.Verf. Erl. m i t Hinweisen auf die Entstehungsgeschichte; Schwartz, A r t . 6 Pr.Verf. Erl. B ; Arndt, A r t . 6 Pr.Verf. Erl. 2—4. 63 Vgl. Heilfron, Nationalversammlung 1919, Bd. 2, S. 703 (706). 64 Vgl. Heilfron, Nationalversammlung 1919, Bd. 2, S. 712 (718). 65 Vgl. Drucksachen der Nationalversammlung von 1919 Nr. 656 S. 20. 66 Vgl. Drucksachen der Nationalversammlung von 1919 Nr. 690 Ziff. 8; Heilfron, Nationalversammlung 1919, Bd. 2, S. 387. 67 I n der 70. Sitzung der Nationalversammlung v o m 30. 7.1919, vgl. V e r handlungen der Verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 328, S. 2126 (A); Heilfron, Nationalversammlung 1919, Bd. 7, S. 388.

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4. Abschnitt: Abschließende Interpretation des A r t . 13

als Eingriff i n das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung betrachtete. Für das Grundgesetz ist diese Eingriffsart auch i m Verfassungstext zum Ausdruck gekommen: Art. 13 Abs. 3 läßt „Gesetze zur Behebung der Raumnot" zu. Bei der Behebung der Raumnot ist aber der typische Eingriff die dingliche Inanspruchnahme von Wohnraum 6 8 . 3. Über das Betreten und die dingliche Inanspruchnahme der Wohnung hinaus werden heute teilweise auch bloße Gebrauchsbeeinträchtigungen der Wohnung als Eingriffe i n die Wohnungsfreiheit verstanden 69 . So soll die Unverletzlichkeit der Wohnung tangiert sein, wenn der Wohnungsinhaber aus seiner Wohnung ausgesperrt oder i n seine Wohnung eingesperrt w i r d 7 0 , ohne daß Staatsorgane die Wohnung betreten haben. Auch die von Trägern öffentlicher Gewalt hervorgerufene Geruchs- oder Lärmbelästigung, zum Beispiel durch eine i n unmittelbarer Nähe der Wohnung gebaute Eisenbahn oder durch einen Bundeswehrflugplatz, müßte konsequenterweise die Wohnungsfreiheit verletzen 71 . Schließlich soll die Benutzung eines i n der Wohnung installierten Abhörgeräts an A r t . 13 gemessen werden 7 2 . Ob die bloße Gebrauchsbeeinträchtigung einen Verstoß gegen die Wohnungsfreiheit enthalten kann, läßt sich aus den Schranken des A r t . 13 nicht ablesen. Der Eingriffsvorbehalt des A r t . 13 Abs. 3, der wegen des Fehlens von Durchsuchungssymptomen allein i n Betracht käme 7 3 , ist so unspezifiziert, daß die beiden oben erwähnten Möglichkeiten denkbar sind: Entweder läßt Art. 13 diese Eingriffe nur unter den Voraussetzungen des Abs. 3 zu, oder diese Eingriffe können gar nicht an A r t . 13 gemessen werden, weil die Wohnungsfreiheit gegen sie nicht schützt 74 . I I I . Die Überschneidungen von Art. 13 und Art. 14 Alle denkbaren Eingriffe i n die Wohnungsfreiheit stimmen darin überein, daß von ihnen eine Gebrauchsbeeinträchtigung an der Wohnung ausgeht. Das Betreten der Wohnung und die anschließende Vor68

Vgl. oben § 13 I I 3 S. 127/28. Vgl. Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 44—46 (unklar, vgl. Rdnr. 43); möglicherweise auch Leisner, „Wohnung" i m Ev. Staatslexikon Sp. 2585; w o h l auch Horz, Diss. S. 93; Lerche, i n : Die Grundrechte I V / 1 S. 494. 70 Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 45, 46; w o h l auch Leisner, „Wohnung" i m Ev. Staatslexikon Sp. 2585. 71 So w e i t w i l l Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 43, aber nicht gehen. 72 Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 42; vgl. auch Köhler, Diss. S. 51/52. 73 Einen unspezifizierten Eingriffsvorbehalt enthält auch A r t . 17a Abs. 2, so daß man diese Eingriffe auch noch daran messen könnte, vgl. dazu unten § 16 I S. 155 ff. 74 Siehe oben I S . 139 ff. 68

15. Eingriffsarten u n d Schutzrichtung bei der Wohnungsfreiheit

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nähme von Handlungen i n der Wohnung bewirken immer eine Gebrauchsstörung. Die dingliche Inanspruchnahme besteht i n der stärksten Form der Gebrauchsstörung, nämlich i n der Gebrauchsentziehung, von der weitere Gebrauchsstörungen ausgehen können, wenn nicht die ganze Wohnung, sondern nur Wohnungsteile beschlagnahmt und Dritten zugewiesen werden. Der unmittelbare Besitz an einer Wohnung ist Voraussetzung dafür, daß das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung geltend gemacht werden kann 7 5 . Gleichzeitig ist er — von Ausnahmefällen abgesehen 76 — ein vermögenswertes Recht, das durch die Eigentumsgarantie des A r t . 14 geschützt ist. Von der Eigentumsgarantie werden die aus dem Besitz folgenden Rechte zur Abwehr von Störungen und Entziehungen (§§ 858, 859, 862 BGB) mitumfaßt. Dabei ist unerheblich, ob die Besitzstörung durch das Betreten eines Dritten, durch Immissionen oder andere Gebrauchsbeeinträchtigungen hervorgerufen w i r d 7 7 . Verleiht nun A r t . 13 dem Grundrechtsberechtigten gegen den Staat genau dieselben Abwehrrechte wie die Eigentumsgarantie oder greift er aus dem umfassenden Besitzschutz des bürgerlichen Rechts nur Abwehrrechte gegen bestimmte Störungsarten heraus? 1. Die Abwehr von Störungen, die durch das Betreten der Wohnung hervorgerufen werden Die Wohnungsfreiheit schützt den Wohnungsinhaber gegen jedes unzulässige Betreten der Wohnung; denn diese Eingriffsart, die ursprünglich die einzige war, die das Grundrecht ausdrücklich zuließ, ist m i t den Durchsuchungen des A r t . 13 Abs. 2 direkt angesprochen 78 . Da eine Durchsuchung sich nicht i m Betreten der Wohnung erschöpft, sondern die durchsuchungsberechtigten Staatsorgane i n der Wohnung auch die zur Erreichung des Durchsuchungszweckes notwendigen Handlungen vornehmen dürfen, läßt A r t . 13 auch die von der Anwesenheit und den Handlungen der Staatsorgane ausgehenden Gebrauchsbeeinträchtigungen zu. Umgekehrt schützt das Grundrecht gegen die unzulässige A n 75

Vgl. oben § 5 I I 2 S. 46. Das könnte der F a l l sein, w e n n der unmittelbare Besitzer nicht zum Besitz berechtigt ist. Er genießt dann zwar grundsätzlich den Schutz des A r t . 13, w e i l es dafür — ebenso w i e bei den Besitzschutzansprüchen des bürgerlichen Rechts — nicht auf die Rechtmäßigkeit des Besitzes ankommt. Der Schutz des A r t . 14 dürfte dagegen, besonders bei Enteignungen, sehr schwach sein; vgl. dazu Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 30 u n d 61. 77 Auch der Besitzer, der nicht Eigentümer ist, k a n n sich i m Rahmen des § 858 B G B auf die §§ 906 ff. B G B berufen; vgl. B G H L M Nr. 1 zu § 906 B G B ; 76

Soergel-Siebert-Rothe, 78

BGB § 858 Rdnr. 13; Palandt-Hoche, BGB § 858 Erl. 5.

Jede Wohnungsdurchsuchung ist notwendig m i t dem Betreten der W o h nung verbunden; vgl. oben § 8 V I 5 S. 70/71, § 10 Ziff. 3 S. 95 u n d § 14 I I I 1 S. 138. 10 Gentz

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4. Abschnitt: Abschließende Interpretation des A r t . 13

Wesenheit und dabei vorgenommene unzulässige Handlungen und die dadurch bewirkte Beeinträchtigung des Wohnungsgebrauchs. Der Schutz der Wohnungsfreiheit ist bei diesen Eingriffen adäquater und effektiver als es die Garantie des Eigentumsrechts sein kann. Der K e r n der Freiheitsbeschränkung liegt nicht darin, daß der Vermögenswert des Besitzes geschmälert oder belastet wird, sondern darin, daß der Privatbereich des Bürgers, die Stätte der Entfaltung seiner Persönlichkeit 7 9 , durch die Anwesenheit von Staatsorganen oder von staatlich legitimierten Dritten Störungen ausgesetzt ist. Daher ist der Bezug zur Wohnungsfreiheit bei Eingriffen, die m i t dem Betreten der Wohnung verbunden sind, sehr viel dichter als der Bezug zur Eigentumsgarantie 80 . Die m i t dem Betreten einer Wohnung verbundenen, vorübergehenden Gebrauchsbeeinträchtigungen sind i n der Regel auch keine Enteignungen, sondern Schranken des Eigentums i m Sinne von A r t . 14 Abs. 1 Satz 2, so daß die Schutzwirkung der Eigentumsgarantie verhältnismäßig gering ist. Damit soll nicht gesagt werden, daß das Betreten der Wohnung und Handlungen Dritter i n der Wohnung niemals Enteignungen sein oder sich enteignungsgleich auswirken könnten. Wenn das einmal der Fall ist, muß eine Entschädigung gezahlt werden, auch wenn der Eingriff nach den Schranken der Wohnungsfreiheit zulässig war 8 1 . Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung gewährt gegen das Betreten keinen ausschließlichen, sondern einen zusätzlichen Schutz. 2. Dingliche Inanspruchnahme der Wohnung und Enteignung a) I n seiner Untersuchung über Wohnungsfreiheit und Enteignung hat Zimniok 82 überzeugend nachgewiesen, daß die Enteignung einer Wohnung — gemeint ist nicht die Enteignung des Hauseigentümers, sondern die Besitzentziehung gegenüber dem Wohnungsinhaber, z. B. dem Mieter — nur an A r t . 14 Abs. 3, nicht aber an A r t . 13 Abs. 3 gemessen werden kann 8 3 . Ein Beispiel macht das deutlich: Der Staat w i l l eine verkehrspolitisch wichtige Straße neu bauen, umlegen oder verbreitern. Dazu muß ein i m Wege stehenden Miethaus abgerissen werden. Eine Enteignung dieses Hausgrundstückes wäre nach A r t . 14 Abs. 3 gegen angemessene Entschädigung zulässig, da sie zum „Wohle der Allgemein79

Vgl. oben § 2 Ziff. 4 c) S. 29/30, § 3 I I 2 c) S. 36/37 u n d § 10 Ziff. 2 a) S. 93/94. Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 18 u n d 43/44; Leisner, „Wohnung" i m Ev. Staatslexikon Sp. 2585; Zimniok DöV 1954,393. 81 So w o h l auch Zimniok DöV 1954, 395; vgl. auch oben § 11 I I 6 S. 103. 82 Zimniok, Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung u n d die E n t eignung, DöV 1954, 392 ff. 83 Dem hat sich die Lehre durchweg angeschlossen; vgl. v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 3 S. 405; Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 14, 44, 132; Giese-Schunck, A r t . 13 Erl. 2; Horz, Diss. S. 94/95; Fellner-Fischer, W B e w G § 1 Rdnr. 12—14 (siehe aber dort auch die Zweifel i n Rdnr. 9). 80

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heit" erforderlich ist. Falls die Enteignung gleichzeitig an den Schranken des A r t . 13 gemessen werden muß, ist sie unzulässig, da mit dem Straßenbau keine „dringenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" abgewehrt oder verhütet werden sollen 84 . Würde die Wohnungsfreiheit der Enteignung des Miethauses entgegenstehen, so wären heute gerade die klassischen Enteignungsfälle, die Enteignungen von Grund und Boden, unzulässig geworden. Denn jedes befriedete Besitztum unterliegt dem Schutz der Wohnungsfreiheit, und dieser Schutz müßte sich dahin auswirken, daß praktisch alle Grundstücksenteignungen ausgeschlossen oder doch unverhältnimäßig erschwert wären. Das Verbot gerade der klassischen Enteignungsfälle haben die Väter des Grundgesetzes mit der Verstärkung des Wohnungsschutzes sicher nicht beabsichtigt. Dafür hätte es eines ausdrücklichen Hinweises i m Text des Grundgesetzes bedurft 8 5 . Das Zurücktreten der Wohnungsfreiheit hinter Enteignungen ist innerlich gerechtfertigt. Bei der Enteignung steht das Vermögensobjekt i m Vordergrund. Der Eingriff zielt nicht auf eine Beeinträchtigung des privaten Bereichs; der enteignende Staat nimmt von den Ausgestaltungen der Individualentfaltung i n der Wohnung keine Kenntnis. Gerade davor w i l l die Wohnungsfreiheit aber schützen: Sie w i l l die Privatsphäre m i t einem Schutzgürtel umgeben, damit die Entfaltung der Persönlichkeit i n bestimmten Räumen unbeobachtet vor sich gehen kann 8 6 . Bei der Entziehung der Wohnmöglichkeit durch Enteignung ist Anknüpfungspunkt nicht das Leben i n der Wohnung, sondern allein der Sozialpflichtige Vermögenswert. Zwar w i r d durch die Enteignung der Wohnungsfreiheit das Substrat entzogen; die Entziehung w i r d aber — anders als bei den typischen Eingriffen i n die Wohnungsfreiheit — durch eine Entschädigung kompensiert 87 . So wenig wie es ein Recht auf Wohnung gibt 8 8 , läßt sich aus A r t . 13 ein Anspruch auf ihren Fortbestand und ihre Beibehaltung nachweisen. Sein Schutz greift erst ein, wenn eine Wohnung vorhanden ist, und dauert nur solange, wie jemand eine Wohnung innehält. Die Enteignung einer Wohnung muß somit auch dann zulässig sein, wenn die Eingriffsvoraussetzungen des A r t . 13 Abs. 3 nicht vorliegen. 84 Vgl. auch das Beispiel von Zimniok DöV 1954, 393, sowie die Beispiele bei Fellner-Fischer, W B e w G § 1 Rdnr. 12. 85 Zimniok DöV 1954,393. 86 Vgl. Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 42, 43; Horz, Diss. S. 93; Zimniok DöV 1954, 393; Steiner, Unverletzlichkeit der Wohnung S. 74 ff. u n d passim; siehe auch oben § 2 Ziff. 4 c) S. 29/30, § 3 I I 2 c) S. 36/37 u n d § 10 Ziff. 2 a) S. 93/94. 87 So auch Zimniok DöV 1954, 393, der noch besonders betont, daß auch der räumliche Bereich, der der Sicherung der Individualsphäre diene, als V e r mögenswert nicht der Sozialpflichtigkeit nach A r t . 14 Abs. 2 entzogen sein könne; vgl. auch Leisner, „Wohnung" i m Ev. Staatslexikon Sp. 2585. 88 Siehe oben § 4 S. 40 ff.

10*

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4. Abschnitt: Abschließende Interpretation des A r t . 13

Berücksichtigt man die unterschiedliche ratio und Zielrichtung beim Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung und bei der Eigentumsgarantie des A r t . 14, so w i r d man auf Grund der vorangestellten allgemeinen Erwägungen 8 9 sagen können, daß die Wohnungsfreiheit gegen die totale Entziehung der Wohnung nicht schützt. b) Wohnraumbewirtschaftung als Enteignung. Wenn die Wohnungsfreiheit gegen Enteignungen nicht schützt, so kann auch die dingliche Inanspruchnahme einer Wohnung, soweit sie Enteignung ist, nicht vom Schutz des A r t . 13 erfaßt werden. Der Große Senat des Bundesgerichtshofs 90 hat i n seiner ersten Entscheidung zum Enteignungsrecht die Wohnraumbewirtschaftung 91 , für die die dingliche Inanspruchnahme von Wohnraum kennzeichnend ist, nicht als Enteignung, sondern als soziale Eigentumsbindung i m Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 angesehen. Diese Auffassung hat i n der Literatur allgemeine Zustimmung gefunden 92 , obwohl die Entscheidung i n sich keineswegs konsequent ist. Die Entziehung von Wohnraum zum Zwecke der Wohnraumbewirtschaftung erfolgt nicht nur vorübergehend, sondern dauert i n der Regel längere Zeit an 9 3 . Die Beschlagnahme und die Einweisung eines Mieters werden durch die zuständigen Behörden auf Grund eines Gesetzes durch Einzelverfügungen vorgenommen 94 . Die gesamte Wohnraumbewirtschaftung dient schließlich dem Wohle der Allgemeinheit. Damit liegen — so müßte man meinen — auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sämtliche Merkmale einer die Entschädigungspflicht auslösenden Enteignung vor. Der Bundesgerichtshof gelangt trotzdem zu einem anderen Ergebnis. Nach seiner Auffassung fehlt es an einem Einzeleingriff: Die Wohnraumbewirtschaftung sei allgemein und treffe alle Wohnungsinhaber gleichermaßen. Daß die endgültige Beschlagnahme und Zuweisung einer Wohnung tatsächlich durch Verwaltungsakt erfolge, habe nur technische Bedeutung, da der Einzelakt die i m Gesetz bereits ausgesprochene und 89

Oben I S . 139 ff. B G H Z 6, 270. 91 Obwohl das Wohnraumbewirtschaftungsgesetz am 31.12.1968 endgültig außer K r a f t t r i t t (vgl. § 38 Abs. 1 WBewG) bleibt die Problematik f ü r A r t . 13 Abs. 3 bestehen. 92 Jedenfalls hinsichtlich des hier interessierenden Ergebnisses. Vgl. H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I § 62 I I I b) 2 S. 380; Forsthoff, Verwaltungsrecht § 17 S. 317/18; Hamann, A r t . 13 Erl. B 6; Roquette, W B e w G § 1 S. 45 ff. m i t Nadiweisen; zweifelnd w o h l Fellner-Fischer, W B e w G § 1 Rdnr. 9 (siehe aber dort Rdnr. 12—14); vgl. auch B V e r w G Z M R 1961, 328 (330 r. Sp.). 93 Daran w i r d durch § 1 Abs. 1 Satz 2 W B e w G nichts geändert. Z u r Bedeut u n g dieser Vorschrift siehe Roquette, W B e w G § 1 S. 48/49. 94 So auch noch B G H Z 6,270 (284). 90

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schon i m Gesetz enthaltene Eigentumsbeschränkung lediglich konkretisiere. Damit fehle der die Enteignung kennzeichnende Verstoß gegen den Gleichheitssatz 95 . Wenn die Ansicht des Bundesgerichtshofs richtig wäre, müßte die unentgeltliche Beschlagnahme und Zuweisung von Wohnraum zulässig sein. Denn wenn es sich um keine Enteignung handelt, braucht der Staat oder der Begünstigte auch keine Entschädigung an den ursprünglichen Wohnungsinhaber zu leisten. Gerade dann liegt aber der vom Bundesgerichtshof vermißte Verstoß gegen den Gleichheitssatz offen zutage: Der eine Wohnungsinhaber muß seine Wohnung oder Teile davon auf Grund staatlicher Intervention ohne Entgelt hergeben; der andere, der die staatliche Beschlagnahme nicht abwartet, sondern freiwillig vermietet, erhält zum Ausgleich den Mietzins. Deshalb w i l l auch der Bundesgerichtshof die bloße Beschlagnahme von Wohnraum ohne Zuweisung eines Mieters, der ja den Mietzins zu zahlen hätte, als enteignungsgleichen Eingriff verstanden wissen. Außerdem hat er Zweifel, ob nicht doch eine Enteignung vorliegt, wenn der eingewiesene zahlungsfähige und zahlungswillige Mieter später zahlungsunfähig w i r d 9 8 . Auch diesen Fall w i l l er offenbar wenigstens als enteignungsgleichen Eingriff bewerten 97 . Daraus geht hervor, daß der Bundesgerichtshof die Wohnraumbewirtschaftung nur deshalb nicht für eine Enteignung hält, w e i l der Wohnungsinhaber auf Grund des freiwilligen oder vom Staat erzwungenen Mietvertrages 98 eine realisierbare Mietzinsforderung erhält. Die Mietzinsforderung kompensiert also den i n der Beschlagnahme der Wohnung liegenden Rechtsverlust. Wenn die Kompensation aber notwendig ist — und das ist sie auch nach Ansicht des Bundesgerichtshofs 99 —, dann muß die Beschlagnahme von Wohnraum eine Enteignung sein. Denn nur weil es sich um eine Enteignung handelt, w i r d die Kompensations- oder Entschädigungspflicht ausgelöst. Der Bundesgerichtshof hat also den Begriff der Enteignung m i t ihrer Zulässigkeit verwechselt. I n der Beschlagnahme von Wohnraum zum Zwecke der Wohnraumbewirtschaftung liegt immer eine Enteignung. Diese Enteignung ist zulässig, weil eine angemessene Entschädigung gezahlt wird. Die Enteignungsentschädigung ist der vom Zwangsmieter zu zahlende Mietzins. Daß der Zwangsmieter die Entschädigung zu leisten hat und daß die Entschädigung i n einer Forderung aus einem privatrechtlichen Dauerschuldverhältnis besteht, ist weniger verwunderlich, 95

B G H Z 6, 270 (284—286). ® B G H Z 6, 270 (289/90). 97 Nicht als Enteignung, sondern als enteignungsgleichen Eingriff, w e i l die Maßnahme dann rechtswidrig sei oder werde. 98 § 16 WBewG. 99 Vgl. B G H Z 6, 270 (289 ff.). 9

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4. Abschnitt: Abschließende Interpretation des A r t . 13

als es zunächst den Anschein hat. Das Grundgesetz sagt i n Art. 14 Abs. 3 Satz 3 nichts über die A r t der Entschädigung 100 ; deshalb können auch Mietzinsforderungen ausreichen 101 . Gerade i m klassischen Enteignungsrecht hatte auch nicht immer der Staat die Entschädigung zu leisten, sondern primär der durch die Enteignung Begünstigte 1 0 2 ; das aber ist bei der Wohnraumbewirtschaftung der eingewiesene Mieter. Ob der Staat nicht subsidiär einspringen muß, wenn der von i h m eingewiesene Mieter zahlungsunfähig wird, ist eine spezifisch enteignungsrechtliche Frage, die i m Rahmen dieser Arbeit nicht geklärt zu werden braucht 1 0 3 . c) Wohnraumbewirtschaftung und Wohnungsfreiheit. Da das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung nicht gegen Enteignungen schützt und jede dingliche Inanspruchnahme einer Wohnung Enteignung ist, dürfte die Wohnraumbewirtschaftung keinen Eingriff i n die Wohnungsfreiheit darstellen. Gleichwohl sind die „Gesetze zur Behebung der Raumnot" ausdrücklich i n Art. 13 Abs. 3 als Eingriffe i n das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung genannt. Klammert man sämtliche Beschlagnahmen bei der Wohnraumbewirtschaftung aus dem Schutzkreis der Wohnungsfreiheit aus, so ist die Eingriffsermächtigung zur Behebung der Raumnot fast völlig gegenstandslos. Der einzige Eingriff, der übrig bliebe, wäre die Nachschau von Beauftragten des Wohnungsamtes, ob eine Wohnung unterbelegt ist oder nicht 1 0 4 . Nur für diese vorbereitenden Eingriffe ist der Vorbehalt zugunsten der Wohnraumbewirtschaftung aber sicher nicht i n A r t . 13 Abs. 3 aufgenommen worden. Der scheinbare Widerspruch löst sich, wenn man sich der Begründung erinnert, mit der i n der Weimarer Nationalversammlung die Eingriffsermächtigung i n Satz 2 des A r t . 114 (später A r t . 115 WRV) geändert 100 Werner Weber, i n : Die Grundrechte I I S. 388; Forsthoff, Verwaltungsrecht § 17 S. 324; H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I § 62 V a) S. 384. 101 Z. B. werden Schuldverschreibungen i n gewissen Grenzen allgemein anerkannt; vgl. Werner Weber, i n : Die Grundrechte I I S. 393/94 m i t Nachweisen. 102 B G H Z 6, 270 (283); B G H L M A r t . 14 (Cf) Nr. 27 Bl. 4 = N J W 1965, 1907; Werner Weber, i n : Die Grundrechte I I S. 394 m i t Nachweisen; H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I § 62 V d) S. 384. 103 Ob die Höhe des gesetzlich festgelegten Mietzinses i m m e r den Anforderungen einer ausreichenden Entschädigung entsprach, soll ebenfalls dahingestellt bleiben. 104 § 7 Abs. 2 l i t . b) WBewG. — Thoma hatte bei den Beratungen des Parlamentarischen Rates i n seiner „Kritischen Würdigung" auch ausdrücklich erk l ä r t , daß die Frage, unter welchen Voraussetzungen einem Wohnungsinhaber die Verkleinerung oder ein Wechsel seiner Wohnung auferlegt werden könne, m i t der Freistätteneigenschaft der Wohnung nichts zu t u n habe u n d daß die Wohnraumbeschlagnahme zweckmäßigerweise bei dem Schutz der P r i v a t v e r mögensrechte zu regeln sei, vgl. JöR n. F. 1, 140; siehe auch Kern, i n : Die Grundrechte I I S. 107. — Es fällt auch i m m e r h i n auf, daß der B G H i n B G H Z 6, 270 ff. A r t . 13 Abs. 3 nicht untersucht.

§ 15. Eingriffsarten u n d Schutzrichtung bei der Wohnungsfreiheit

151

worden ist 1 0 5 . Der Abgeordnete Katzenstein hatte einen unspezifizierten Gesetzesvorbehalt gefordert, u m nicht die Erfassung von Teilen einer Wohnung, d. h. die Beschlagnahme unterbelegten Wohnraum, am Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung scheitern zu lassen. Die Beschlagnahme ganzer Wohnungen hielt er offenbar für zulässig, und zwar m i t Recht, weil es sich um Enteignungen handelt. Zwar ist die Teilbeschlagnahme von Wohnungen, die Erfassung unterbelegten Wohnraums, ebenso Enteignung wie die Beschlagnahme abgeschlossener Wohnungen. Die erfaßten Räume verlieren m i t der Beschlagnahme für den ursprünglichen Inhaber die Eigenschaft einer grundrechtlich geschützten Wohnung und werden mit der Einweisung Wohnung des Zwangsmieters, und zwar Wohnung i m Sinne des A r t . 13 Abs. I 1 0 6 . Bei der Beschlagnahme und Zuweisung unterbelegten Wohnraums ist aber der Eingriff mit der Entziehung der Wohnungsteile noch nicht abgeschlossen. Die Einweisung i n einzelne Räume einer Wohnung hat i m allgemeinen die gemeinsame Benutzung von Flur, Küche und Bad durch Zwangsvermieter und Zwangsmieter zur Folge. Dadurch ist der Schutzgürtel, den die Wohnung u m die Individualsphäre legen soll, erheblich aufgelockert. Der Lebensbereich des Zwangsvermieters i n der nicht beschlagnahmten Restwohnung ist nicht mehr gegen Störungen und gegen die Kenntnisnahme durch Dritte abgeschlossen. Der Eingriffsvorbehalt für Gesetze zur Behebung der Raumnot i n A r t . 13 Abs. 3 ist deshalb gerechtfertigt, soweit er die Zuweisung unterbelegten Wohnraums betrifft 1 0 7 . Hier ist die Privatsphäre des Grundrechtsträgers tangiert, weil sie der Kenntnisnahme durch Dritte nicht mehr entzogen ist. Daran zeigt sich auch, daß nicht die bloße Beschlagnahme von Wohnungsteilen i n die Unverletzlichkeit der Wohnung eingreift, sondern erst die anschließende Einweisung des Zwangsmieters, die sein Anwesenheitsrecht i n der Wohnung begründet. Das Benutzungsverbot von Wohnungsteilen ist Enteignung, gegen die die Wohnungsfreiheit nicht schützt. Das Anwesenheitsrecht des Dritten i n der Wohnung ist dem klassischen Eingriff i n die Wohnungsfreiheit eng verwandt: der Störung, die vom Eindringen und von der Anwesenheit von Staatsorganen i n der Wohnung ausgeht. Bei der Wohnraumbewirtschaftung ist derjenige, der i n den Individualbereich eindringt, der von den persönlichen Verhältnissen des Vermieters erfährt und i n sein Privatleben Einblick gewinnt, zwar nicht der Staat, sondern eine Privatperson. Das 105

Siehe oben I I 2 S. 142 ff. Denn f ü r die Grundrechtsträgerschaft k o m m t es auf den unmittelbaren Besitz an, vgl. oben § 5 I I 2 S. 46. 107 Anscheinend w i l l auch Hamann, A r t . 13 Erl. B 6, den Sinn des Eingriffsvorbehalts zur Behebung der Raumnot darin sehen, daß Teilwohnungen erfaßt werden können. 106

152

4. Abschnitt: Abschließende Interpretation des A r t . 13

Anwesenheitsrecht des eingewiesenen Zwangsmieters beruht aber auf staatlicher Intervention; die Störung der Individualsphäre w i r d nicht durch den freien Einschluß des Vermieters, sondern durch einen staatlichen Eingriff hervorgerufen. d) Der Schutz der Wohnungsfreiheit gegen die dingliche Inanspruchnahme. Die Wohnungsfreiheit sichert somit nicht die Substanz der Wohnung 1 0 8 , sie schützt nicht gegen die Entziehung. Sie ist aber immer dann verletzt, wenn mit der Beschlagnahme von Wohnungsteilen Anwesenheitsrechte Dritter begründet werden. Dieser Schutz vor Teilentziehungen m i t Anwesenheitsrecht besteht nicht nur bei Wohnungen i m engeren Sinne, sondern für den gesamten gegenständlichen Schutzbereich der Wohnungsfreiheit, also auch bei Betrieben, Geschäftsräumen und befriedeten Besitztümern. Die Zuweisung von Teilen einer Wohnung (i. w. S.), und nur sie, hat sich an den Schranken des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung zu legitimieren. Sie ist nur dann rechtmäßig, wenn sie entweder zur Behebung der Raumnot erfolgt oder erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abwehren oder verhüten soll 1 0 9 . 3. Die Abwehr von Gebrauchsbeeinträchtigungen ohne Betreten der Wohnung Das Verhältnis der Wohnungsfreiheit zur Enteignung und der klassische Eingriff i n das Grundrecht, das Betreten der Wohnung, haben das Rechtsgut und die Zielsetzung des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung sehr deutlich gemacht: Der Individualbereich des Bürgers soll durch die Wohnung mit einem Schutzwall umgeben werden, der das Leben i n der Wohnung der Kenntnisnahme durch den Staat oder durch staatlich legitimierte Dritte entzieht. Gebrauchsbeeinträchtigungen der Wohnung, die nicht mit dem Betreten oder der Anwesenheit Dritter verbunden sind, können zwar die freie Entfaltung der Individualität i n der Wohnung stören und erschweren. Sie legen aber nicht einem Dritten den Lebensbereich i n der Wohnung offen und ermöglichen und vermitteln i h m nicht den Einblick i n die privaten Verhältnisse und die Persönlichkeit des Wohnungsinhabers, die sich i n seiner Wohnung manifestieren. Daher schützt die Wohnungsfreiheit nicht gegen Gebrauchsbeeinträchtigungen, die nicht mit dem Betreten oder der Anwesenheit Dritter i n der Wohnung verbunden 108 A. A.: v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V 3 d) S. 407; Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 44; Giese-Schunck, A r t . 13 Erl. 4; v. Mangoldt, A r t . 13 Erl. 3. Wie hier w o h l : Kern, i n : Die Grundrechte I I S. 107; vgl. auch Steiner, Unverletzlichkeit der Wohnung S. 91, siehe dort aber auch S. 29/30. 109 w e i t e r e Ausnahme: A r t . 17a Abs. 2; vgl. dazu unten § 16 I S. 155 ff.

15. Eingriffsarten u n d Schutzrichtung bei der Wohnungsfreiheit

153

sind 1 1 0 . Schutz gegen diese Beeinträchtigungen gewährt die Eigentumsgarantie, auch wenn es sich nicht u m Enteignungen handelt 1 1 1 . Diese Überlegung w i r d durch einen Blick auf den strafrechtlichen Schutz der Wohnungsfreiheit bestätigt. § 342 StGB, der auf dem Tatbestand des einfachen Hausfriedensbruchs nach § 123 StGB aufbaut und ihn voraussetzt, ist immer als das strafrechtliche Korrelat zu dem Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung angesehen worden 1 1 2 . Geschütztes Rechtsgut in § 123 StGB ist der Hausfrieden oder das Hausrecht, das i n der strafrechtlichen Literatur heute nahezu einhellig 1 1 3 definiert w i r d als „das Recht jedes Menschen, da, wo er wohnt oder arbeitet, i n Haus und Hof, Frieden zu haben und nicht durch die unberechtigte Anwesenheit eines anderen gestört zu werden" 1 1 4 . Die neuere Strafrechtslehre hebt das Rechtsgut des § 123 StGB damit bewußt vom Besitzschutz 115 und vom Schutz der persönlichen Freiheit i m Sinne der §§ 234 ff. StGB, insbesondere der Freiheitsberaubung des § 239 StGB 1 1 6 , ab und begreift den Hausfrieden als „persönliches Rechtsgut besonderer A r t " . Der Schutz des § 123 StGB bleibt zwar immer sachbezogen, nämlich auf die Wohnung (i. w. S.), dient aber weder einer umfassenden Sicherung des Besitzrechts vor Störungen aller A r t noch der Sicherung der Bewegungsfreiheit, sondern der Gewährleistung freier Persönlichkeitsentfaltung, die nicht durch die Anwesenheit Dritter gestört wird. Dieses allgemein anerkannte Rechtsgut des § 123 StGB ist m i t dem Rechtsgut des A r t . 13 identisch; es besteht kein Grund, warum die früher immer angenommene Korrelation von Hausfriedensbruch und Wohnungsfreiheit heute nicht oder nicht mehr so vollständig fortdauern sollte. 110 So grundsätzlich auch Dagtoglou, Rdnr. 45/46).

B K A r t . 13 Rdnr. 43/44 (siehe dort aber

111 Leisner, „Wohnung" i m Ev. Staatslexikon Sp. 2585, w i l l hier anscheinend einen k u m u l a t i v e n Schutz durch A r t . 13 u n d A r t . 14 gewähren (unklar); w i e hier w o h l Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 44 (widersprüchlich). — M i t dieser Erkenntnis lösen sich die Schwierigkeiten, die sich für Thomas, DVB1. 1959, 763, bei dem A b r i ß materiell u n d formell baurechtswidriger Gebäude ergaben. Denn die Wohnungsfreiheit schützt eben nicht gegen Entziehungen u n d Substanzeingriffe; vgl. auch oben I I I 2 d) S. 152. 112

Vgl. oben 1. Abschnitt § 3 I I 1 c) S. 34/35 m i t Fußnote 57.

113

Seit v. Liszt-Schmidt S. 589 (zitiert nach Maurach) h. L . ; Strafrecht B T § 23 I S. 170/71; Mezger-Blei, Strafrecht B T § Schönke-Schröder, StGB § 123 Rdnr. 1; Werner, i n : L K StGB Kohlrausch-Lange, StGB § 123 Erl. I ; Schwarz-Dreher, StGB § u n k l a r Welzel, Strafrecht § 44 S. 313. 114

v. Olshausen, i n : Niethammer, StGB § 123 Erl. A 2.

115

So früher Beling, Grundzüge § 54 S. 85.

116

vgl. Maurach, 41 I S. 111; § 123 Erl. I ; 123 Erl. 1 A ;

So früher Rosenfeld, i n : Vergleichende Darstellung B T S. 392; neuerdings wieder so Sauer, Strafrecht B T § 25 I I I 4 S. 301.

154

4. Abschnitt: Abschließende Interpretation des A r t . 13

E i n anderes Ergebnis wäre auch kaum verständlich. Es gibt Entziehungen der Wohnung, die — etwa w e i l sie nur vorübergehend sind 1 1 7 — keine Enteignungen darstellen, sondern sich nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 bemessen. Soll die Wohnungsfreiheit gegen diesen schwächeren Eingriff Schutz gewähren, während sie ihn bei der stärkeren Enteignung versagt? Die Wohnung ist als Vermögensgegenstand nicht von der Sozialpflichtigkeit des Eigentums ausgenommen. Diese richtige These hat Zimniok 118 mit zur Begründung dafür herangezogen, daß Enteignungen immer der Wohnungsfreiheit vorzugehen hätten. Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2) ist aber nicht nur Hintergrund und Hechtfertigung für die Zulässigkeit von Enteignungen, sondern ist auch maßgebend für die Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums nach A r t . 14 Abs. 1 Satz 2. A r t . 13 schützt somit nicht gegen Immissionen i m Sinne des § 906 B G B 1 1 9 ; er schützt weder gegen das Aussperren aus der Wohnung noch gegen das Einsperren i n der Wohnung 1 2 0 . Dagegen kann die Wohnungsfreiheit verletzt sein, wenn i n der Wohnung angebrachte Abhörgeräte oder Fernsehkameras eingesetzt werden. Hier betritt zwar niemand körperlich die Wohnung, noch ist jemand körperlich anwesend. M i t der Benutzung von Abhörgeräten und Fernsehkameras w i r d aber der Schutzgürtel um die Individualsphäre, der Geheimbereich i n der Wohnung, durchbrochen; der Schutz, den die Wohnungsfreiheit gewähren w i l l , ist aufgehoben 121 . Deshalb ist es gerechtfertigt, die Benutzung derartiger Geräte der körperlichen Anwesenheit gleichzusetzen 122 . Daraus jedoch den Schluß zu ziehen, die Benutzung von Abhörgeräten und Fernsehkameras sei zulässig, wenn ein Richter zugestimmt hat (Art. 13 Abs. 2) oder wenn erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abgewehrt oder verhütet werden sollen, erscheint verfehlt. Diese Geräte ermöglichen die totale Offenlegung der Intimsphäre; damit dürfte der Wesensgehalt der Wohnungsfreiheit ebenso verletzt sein wie die Würde des Menschen 123 . 117

Vgl. das Beispiel oben § 11 I I S. 100. Zimniok DöV 1954, 393; vgl. auch Leisner, „Wohnung" i m Ev. Staatsl e x i k o n Sp. 2585. 119 So auch Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 43. 120 A . A . : Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 45, 46; anscheinend auch Leisner, „Wohnung" i m Ev. Staatslexikon Sp. 2585. — Die i n § 12 Abs. 3 des Gesetzes über die Erweiterung des Katastrophenschutzes v o m 9. 7.1968 (BGBl. I S. 776) vorgenommene Zitierung von A r t . 13 ist daher, jedenfalls soweit sie § 12 Abs. 1 des Gesetzes betrifft, überflüssig. 121 Gleichwohl liegt der eigentliche Ansatzpunkt f ü r die Grundrechtsverletzung nicht bei der Wohnungsfreiheit des A r t . 13, sondern bei der Menschenw ü r d e des A r t . 1 Abs. 1. 122 So auch Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 42. 123 Z u den schwierigen neuen Grundrechtsproblemen, die sich aus der F o r t entwicklung der Technik ergeben, siehe Herzog, i n : Einleitung zum Ev. Staatslexikon, insbesondere S. X X V I / X X V I I u n d S. X X X ff. 118

§ 16. Weitere Schranken der Wohnungsfreiheit

155

IV. Ergebnis: Die Schutzrichtung des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung schützt den Bürger davor, daß der Staat oder vom Staat legitimierte Dritte von seinem Individualbereich und seiner Persönlichkeitsentfaltung i n der Wohnung Kenntnis nehmen. Es verbietet grundsätzlich nur das unzulässige Betreten der Wohnung 1 2 4 , sichert aber nicht ihre Substanz und schützt nicht gegen ihre Entziehung. Schutz gegen die Beschlagnahme von Teilen einer Wohnung (i. w. S.) gewährt es nur, wenn m i t der Teilbeschlagnahme Anwesenheitsrechte Dritter begründet werden; denn wegen der daraus resultierenden Unabgeschlossenheit der nicht beschlagnahmten Restwohnung ist die durch die Wohnungsfreiheit gewährte Sicherung dagegen, daß Dritte von der Privatsphäre des ursprünglich alleinigen Wohnungsinhabers erfahren, weitgehend aufgehoben. Gegen bloße Gebrauchsbeeinträchtigungen der Wohnung ohne das Betreten oder die Anwesenheit Dritter i n der Wohnung schützt das Grundrecht nicht.

§ 16. Weitere Schranken der Wohnungsfreiheit Abschließend sei noch auf zwei weitere Schranken hingewiesen, denen das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung — möglicherweise — unterliegt. Es handelt sich hierbei um die Eingriffsbefugnisse aus A r t . 17a Abs. 2 und u m die „immanenten Schranken", die mittelbar aus dem Soweit-Satz des A r t . 2 Abs. 1 abgeleitet werden und die nach einer verbreiteten Auffassung für alle Grundrechte, also auch für die Wohnungsfreiheit, gelten. I. Die Schranke des Art. 17a Abs. 2 Nach A r t . 17a Abs. 2 können Gesetze, „die der Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung dienen", bestimmen, daß das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung eingeschränkt wird. 1. Dieser Gesetzesvorbehalt t r i t t für die Fälle der Landesverteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung nicht an die Stelle, sondern neben die Eingriffsrechte, die sich bereits aus A r t . 13 Abs. 2 und 3 ergeben. Der öffentlichen Gewalt w i r d hier also keine alternative, sondern eine kumulative Einschränkungsmöglichkeit gewährt 1 2 5 . 124 V o n diesem Grundsatz geht auch Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 42—44, i m m e r wieder aus; er hält i h n aber nicht konsequent durch, vgl. dort Rdnr. 44—46. 125 Maunz-Dürig, A r t . 17a Rdnr. 35 u n d 36; w o h l auch v. Mangoldt-Klein, A r t . 13 Erl. I V v o r 1 S. 401; Brinkmann, A r t . 17a Erl. I 3 b) bb); Hamann, A r t . 17a Erl. A ; Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 169.

156

4. Abschnitt: Abschließende Interpretation des A r t . 13

Wie A r t . 13 Abs. 3 ermächtigt Art. 17a Abs. 2 nur zu Wohnungseingriffen, die m i t einem bestimmten Ziel vorgnommen werden. Innerhalb der zugelassenen Zweckrichtung (Verteidigung, Schutz der Z i v i l bevölkerung) ist die Einschränkungsbefugnis des Gesetzgebers weder persönlich noch nach der Eingriffsart beschränkt. Nach A r t . 17a Abs. 2 kann also nicht nur die Wohnungsfreiheit der Soldaten und des militärischen Personals 126 eingeschränkt, sondern auch und gerade bei Z i v i l personen i n die Unverletzlichkeit der Wohnung eingegriffen werden 1 2 7 . — Innerhalb des A r t . 17a Abs. 2 gilt die Unterscheidung von „Durchsuchungen" und „Eingriffen und Beschränkungen i m übrigen" nicht. Bei Gesetzen zur Landesverteidigung und zum Schutz der Zivilbevölkerung gibt es keinen zwingenden Richter vorbehält für Durchsuchungen, A r t . 13 Abs. 2 w i r d insoweit durch A r t . 17a Abs. 2 verdrängt 1 2 8 . Die Eingriffsermächtigung des A r t . 17a Abs. 2 erfaßt den gesamten Schutzkreis der Wohnungsfreiheit: Danach darf eine Wohnung sowohl betreten wie auch „dinglich" i n Anspruch genommen werden, soweit A r t . 13 dagegen schützt (Teilbeschlagnahme mit Drittzuweisung) 1 2 9 . 2. „Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung" heißt: Landesverteidigung i m umfassenden Sinne. Gemeint ist der Schutz vor militärischen Angriffen auf die Bundesrepublik Deutschland, der sich sowohl auf M i l i t ä r - und Zivilpersonen als auch auf militärische und zivile Einrichtungen beziehen kann, soweit sie zur Sicherung des menschlichen Lebens und der Verteidigungsbereitschaft wichtig sind 1 3 0 . Auch die Schutzbedürftigkeit der Zivilbevölkerung muß sich aus der Gefahr eines militärischen Angriffs ergeben. Katastrophenzustände und innere Unruhen, der „innere", m i t einem militärischen Angriff nicht verbundene 126 Soweit bei Soldaten überhaupt die Wohnungsfreiheit eingeschränkt w e r den k a n n ; vgl. oben § 5 I I 2 u n d 3 S. 46/47. — Lerche, i n : Die Grundrechte I V / 1 S. 493/94 u n d S. 489/90, w i l l A r t . 17a Abs. 2 nicht als Ermächtigung zu E i n g r i f fen i n die Wohnungsfreiheit von Wehrpflichtigen ansehen, w e i l für Soldaten n u r A r t . 17a Abs. 1 gelte. Gegen i h n die h. L., vgl. die folgende Fußnote. 127 Maunz-Dürig, A r t . 17a Rdnr. 35; v. Mangoldt-Klein, A r t . 17a Erl. I I I 2 a) S. 516; Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 169; Schmidt-Bleibtreu/Klein, A r t . 17a Rdnr. 1 u n d 6; Brinkmann, A r t . 17a Erl. I 3 a) aa); Maunz, Staatsrecht § 22 I I I 1 d) S. 175; Schäfer N J W 1956,530. 128 Die Definition der Durchsuchung i m Sinne des A r t . 13 Abs. 2 (vgl. oben § 14 I I I 1 S. 138) bedürfte also, genau genommen, noch einer weiteren E i n schränkung: Nicht n u r die m i t dem Betreten der Wohnung durch Staatsorgane verbundenen Maßnahmen, die der A b w e h r oder Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung dienen, sind keine Durchsuchungen, sondern auch die Maßnahmen nicht, die auf G r u n d von Gesetzen zur Landesverteidigung u n d zum Schutz der Zivilbevölkerung vorgenommen werden. 129

Vgl. oben § 15 I I I 2 u n d I V S. 146 ff.

130

Art.

Maunz-Dürig, Rdnr. 6.

17a Rdnr. 35; Schmidt-Bleib

treu/Klein, A r t .

17a

§ 16. Weitere Schranken der Wohnungsfreiheit

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Notstand 1 3 1 , rechtfertigen kein Eingreifen nach Art. 17a Abs. 2, so sehr die Zivilbevölkerung dadurch gefährdet sein mag. Für diese Fälle werden die Eingriffsermächtigungen aus A r t . 13 Abs. 3 auch regelmäßig ausreichen. Ebenso wie A r t . 13 Abs. 3 2. Alternative 1 3 2 läßt A r t . 17a Abs. 2 präventive Maßnahmen zu. Ein Angriff auf die Bundesrepublik Deutschland braucht also weder bereits erfolgt zu sein noch muß er unmittelbar bevorstehen, u m Wohnungseingriffe nach A r t . 17a Abs. 2 zu legitimieren. M i t den Vorbereitungen zur Landesverteidigung kann nicht erst i m Kampf zustand oder bei drohendem Kriege begonnen werden; für die militärische Abwehr und den Schutz der Zivilbevölkerung muß, sollen die Aufgaben mit größtmöglicher Effektivität erfüllt werden, i m Frieden vorgesorgt sein. A u f dem Gebiet des Zivilschutzes sind daher die „einfachen Notstandsgesetze" 133 , die Schutz- und Sicherstellungsgesetze, soweit sie Eingriffe i n das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung enthalten, durch A r t . 17a Abs. 2 grundsätzlich gedeckt 134 . 3. Von der Eingriffsermächtigung des A r t . 17a Abs. 2 kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes Gebrauch gemacht werden, wie die Formulierung „Gesetze... können bestimmen" zeigt 1 3 5 . Gemeint ist — wie auch bei Art. 13 Abs. 3 1 3 6 — ein förmliches Gesetz, das entweder den Eingriff selbst vorsehen oder eine hinreichend konkrete und umgrenzte Verordnungsermächtigung (Art. 80 Abs. 1) enthalten kann. Zum Erlaß der Gesetze des A r t . 17a Abs. 2 ist der Bund ausschließlich zuständig, A r t . 73 Nr. 1. II. „Immanente Schranken" aus dem Grundgedanken des Soweit-Satzes in Art. 2 Abs. 1 1. Nach der wohl herrschenden, vor allem von Günter Dürig begründeten Auffassung sind allen Grundrechten „Nicht-Störungsschranken" immanent 1 3 7 . Der Nicht-Störungsgedanke, der eine gewisse Verwandt181

A r t . 17a Abs. 2 bezieht sich also n u r auf die durch das 17. Gesetz zur E r gänzung des Grundgesetzes v o m 24. 6.1968 (BGBl. I S. 709) eingeführten Bestimmungen über den Verteidigungsfall (Zustand der äußeren Gefahr) nach A r t . 115a ff., nicht auf die i n A r t . 91 geregelten Fälle. 132 Vgl. oben § 12 I I 2 S. 116 ff. 133 I m einzelnen aufgeführt unten i m 5. Abschnitt § 17 I I I S. 166/67. 134 So auch Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 173. Wie w e i t diese Gesetze aus anderen Gründen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegen (Übermaßverbot?) braucht hier nicht erörtert zu werden. 135 Maunz-Dürig, A r t . 17a Rdnr. 35; v. Mangoldt-Klein, A r t . 17a Erl. I I I 2 vor a) S. 516; Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 169; Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 17a Rdnr. 6; Brinkmann, A r t . 17a Erl. I 3 a) aa); Schäfer N J W 1956, 531. 136 Vgl. oben § 12 I I I S. 119 ff. 137 Grundlegend Dürig, A r t . 2 des Grundgesetzes u n d die Generalermäch-

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4. Abschnitt: Abschließende Interpretation des A r t . 13

schaft zur mißbräuchlichen Grundrechtsausübung aufweist, soll positivrechtlich i n dem Soweit-Satz des A r t . 2 Abs. 1 verankert sein. Jede Grundrechtsbetätigung, die „die Rechte anderer verletzt" oder „gegen das Sittengesetz oder die verfassungsmäßige Ordnung verstößt", ist danach unzulässig und darf dementsprechend von Trägern öffentlicher Gewalt verhindert werden 1 3 8 . Als „verfassungsmäßige Ordnung" i m Sinne einer für alle Grundrechte geltenden Schranke w i r d nicht die gesamte formell und materiell dem Grundgesetz entsprechende Rechtsordnung verstanden, wie es das Bundesverfassungsgericht für die unmittelbaren Schranken des A r t . 2 Abs. 1 annimmt 1 3 9 ; sondern nur die durch die polizeiliche Generalklausel geschützten Rechtsgüter sollen dazu gehören. Die „verfassungsmäßige Ordnung" als allgemeine Grundrechtsschranke umfaßt danach — etwas vereinfachend ausgedrückt — das Polizeirecht i m materiellen Sinne; § 14 PVG ist Grenze jeder zulässigen Grundrechtsbetätigung 140 . 2. Ob und wieweit die Immanenzlehre berechtigt ist und für alle Grundrechte gilt, bedarf hier keiner Erörterung. N u r soweit sich für das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung Besonderheiten ergeben, muß darauf eingegangen werden 1 4 1 . a) Es dürfte nur sehr wenige Fälle geben, i n denen der Gebrauch der Wohnungsfreiheit die „Rechte anderer" oder das „Sittengesetz" verletzt. Die Fälle, i n denen eine derartige Verletzung am ehesten denkbar ist, wenn nämlich der Wohnungsinhaber bei Notstand und Notwehr oder Nothilfe den Z u t r i t t zu seiner Wohnung verbietet, sind durch die 1. A l ternative des A r t . 13 Abs. 3 weitgehend erfaßt; denn diese verfassungsunmittelbare Eingriffsermächtigung gestattet auch den Eingriff i n die Wohnungsfreiheit eines unbeteiligten, nicht störenden Dritten 1 4 2 . Diese positiv-rechtliche Regelung macht den Rekurs auf die immanenten Schranken der „Rechte anderer" und des „Sittengesetzes" i n aller Regel überflüssig. Damit soll aber nicht gesagt werden, daß er auch immer tigung zu allgemeinpolizeilichen Maßnahmen, AöR 79, 57 ff. Einen Uberblick u n d eine Zusammenfassung der Immanenzlehre m i t zahlreichen Nachweisen auch über kritische Stimmen enthält Maunz-Dürig, A r t . 2 Abs. 1 Rdnr. 69—87. Kritisch zur Immanenzlehre z. B. Lerche, Ubermaß S. 117 ff. m i t Nachweisen. 138 I m Ergebnis so auch v. Mangoldt-Klein, Vorbem. B X V 3 a) S. 130, w o die Schranken aus dem Soweit-Satz des A r t . 2 Abs. 1 als „allgemeine verfassungsunmittelbare Vorbehaltsschranken" bezeichnet werden. 139 Seit BVerfGE 6,32 ständige Rechtsprechung. 140 So Dürig AöR 79, 57 (74 ff., 79—81); Maunz-Dürig, A r t . 2 Abs. 1 Rdnr. 75 ff., 80 ff.; sehr v i e l enger v. Mangoldt-Klein, A r t . 2 Erl. I V 2 S. 181 ff., wo „ n u r die elementaren Verfassungsgrundsätze u n d Grundentscheidungen des V e r fassungsgesetzgebers" zur verfassungsmäßigen Ordnung gerechnet werden. 141 Vgl. dazu auch die nicht ganz klaren Ausführungen Dagtoglous, B K A r t . 13 Rdnr. 61, 62, u n d Köhler, Diss. S. 58 ff. u n d S. 95 ff. 142 Vgl. oben § 11 I I S. 100 ff.

§ 16. Weitere Schranken der Wohnungsfreiheit

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unzulässig wäre. Vielleicht gibt es Fälle, die m i t A r t . 13 Abs. 3 allein nicht befriedigend gelöst werden können. Immerhin ist wegen der ausdrücklichen Schranke des A r t . 13 Abs. 3 1. Alternative äußerste Vorsicht und Zurückhaltung bei einem Rückgriff auf die „immanenten" Rechte anderer und das „immanente" Sittengesetz geboten 143 . b) Sehr viel problematischer ist die „verfassungsmäßige Ordnung" als immanente Schranke der Wohnungsfreiheit. A r t . 13 Abs. 3 läßt — abgesehen von den Notfällen der Lebens- und der Gemeingefahr (1. Alternative) — Eingriffe und Beschränkungen m i t polizeilicher Zielrichtung nur auf Grund eines Gesetzes zu, das der Abwehr oder Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung dient (2. A l ternative). Wie oben hervorgehoben wurde, reicht hier die polizeiliche Generalklausel nicht aus, es muß sich vielmehr u m ein Spezialgesetz handeln 1 4 4 ; und „dringende" Gefahren sind mehr als die den Anforderungen des § 14 PVG genügenden schlichten Polizeigefahren, es sind erhebliche Gefahren, aus denen Schäden für besonders wichtige Rechtsgüter und/oder i n besonders großem Ausmaß drohen 1 4 5 . I m Vergleich zu der 2. Alternative des A r t . 13 Abs. 3 stellt die „verfassungsgemäße Ordnung" i m Sinne der Immanenzlehre bedeutend geringere Anforderungen, weil sie m i t der polizeilichen Generalklausel identisch ist und für sie auch schlichte Polizeigefahren ausreichen. Der zusätzliche Rückgriff auf die „immanente" Schranke der verfassungsmäßigen Ordnung würde die Eingriffsbeschränkungen des Art. 13 Abs. 3 sinnlos machen und liefe den darin zum Ausdruck kommenden Bemühungen des Parlamentarischen Rates um eine besondere Sicherung der Wohnungsfreiheit strikt zuwider. Der Rückgriff kann daher nicht zulässig sein 1 4 6 ; die „verfassungsmäßige Ordnung" ist keine ungeschriebene, immanente Schranke der Wohnungsfreiheit.

143 144 146 146

So w o h l auch Zeidler N J W 1954,1068. Vgl. oben § 12 I I I 3 S. 121 ff. Vgl. oben § 12 I I 2 S. 116 ff. Wie hier Lerche, Übermaß S. 123/24; Zeidler N J W 1954,1068.

5.

Abschnitt

§ 17. Zuordnung einfachgesetzlicher Wohnungseingriffe zu den Schranken der Wohnungsfreiheit Dieser Abschnitt soll keine genaue Untersuchung aller Gesetze enthalten, die Eingriffe i n die Unverletzlichkeit der Wohnung zulassen. U m die Praktikabilität der geltenden Schranken des A r t . 13 und der erarbeiteten Interpretation zu kontrollieren, genügt — neben den Polizeigesetzen der Länder — ein tabellarischer Aufriß ausgewählter einschlägiger Bundesgesetze, dem bei zweifelhaften Vorschriften einige Bemerkungen hinzugefügt werden. Die Zulässigkeit einfachgesetzlicher Wohnungseingriffe w i r d nur grundsätzlich auf die Zuordnung zu den Schranken des Art. 13 geprüft. Ob i n jedem Falle der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet ist oder — bei polizeilicher Zielrichtung des Eingriffs — „dringende" Gefahren verhütet werden sollen, bleibt offen. Da die Dissertation von Horz, Die Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 GG), Tübingen (1960), S. 41 ff., S. 87 ff. und S. 96 ff., und die Zweitbearbeitung des Art. 13 von Dagtoglou i m Bonner Kommentar (1966), insbesondere Randnummern 86—109 und 133—167, bereits ausführliche Kataloge enthalten, kann die anschließende Zusammenstellung kurz gefaßt sein. Sie soll vor allem hervorheben, wo die hier vertretene Interpretation zu abweichenden Ergebnissen führt. I. Durchsuchungen im Sinne des Art. 13 Abs. 2 enthalten: 1. §§ 102 ff. der Strafprozeßordnung i. d. F. vom 17. September 1965 (BGBl. I S. 1374). Die Ausnahme vom Richtervorbehalt i n § 105 Abs. 3 i n Verbindung m i t § 104 Abs. 2 ist mit A r t . 13 Abs. 2 nicht vereinbar und läßt sich auch nicht mit einer Berufung auf das „Sittengesetz" rechtfertigen 1 . Die Durchbrechung des Richtervorbehalts bei „verrufenen" Räumen kommt einer (partiellen) Grundrechtsverwirkung nahe, für 1 So aber Horz, Diss. S. 40/41, der i r r i g davon ausgeht, hier handle es sich u m ein bloßes Zurückweisen i n die Schranken des Grundrechts, u n d bei den aufgezählten Fällen seien als crimina „ i m Bewußtsein der Rechtsgenossen" Durchbrechungen des Richtervorbehalts gerechtfertigt. Die Auffassung Dürigs, Maunz-Dürig, A r t . 2 Abs. 1 Rdnr. 74, 76, 77, auf den er sich beruft, ist hier sehr v i e l enger; vgl. auch die K r i t i k an der Dürig'schen Lehre bei Lerche, Übermaß S. 117 ff. — Wie Horz auch Kern, i n : Die Grundrechte I I S. 104; Kaufmann, Der polizeiliche Eingriff S. 98/99; w o h l auch Eberhard Schmidt, StPO § 105 Erl. V I .

§ 17. Zuordnung einfachgesetzlicher Wohnungseingriffe

161

deren Zulässigkeit ein verfassungsrechtlicher Anhaltspunkt vorhanden sein müßte 2 . Eine richterliche Durchsuchungsanordnung ist auch für Wohnungen von Personen erforderlich, die unter Polizeiaufsicht stehen 3 . Obwohl es sich bei der Polizeiaufsicht nach § 38 StGB u m eine Strafe handelt, sind die nach § 39 Nr. 3 StGB, §§ 105 Abs. 3, 104 Abs. 2 StPO vorgenommenen Durchsuchungen nicht vom Richter angeordnet. Der Richter läßt die Polizeiaufsicht nur zu (§ 38 Abs. 1 StGB) und gibt damit der höheren Landespolizeibehörde die Befugnis, den Verurteilten unter Polizeiaufsicht zu stellen (§ 38 Abs. 2 StGB). Die Zulässigkeit einer daraufhin vorgenommenen Durchsuchung („Haussuchung" nach § 39 Nr. 3 StGB), für die die Voraussetzungen des § 102 StPO gelten 4 , hat der Richter jedoch nicht geprüft und konnte er auch gar nicht prüfen, da die eine Durchsuchung rechtfertigenden Umstände i n aller Regel erst nach der Verkündung des Urteils eintreten. Warum eine Durchbrechung der richterlichen Schutzfunktion bei Personen, die unter Polizeiaufsicht stehen, zulässig sein sollte, ist nicht einzusehen; weder A r t . 13 Abs. 2 noch eine andere Grundgesetzbestimmung bieten dafür eine Rechtfertigung. 2. § 21 des Gesetzes über Fernmeldeanlagen vom 14. Januar 1928 (RGBl. I S. 8), der i n Abs. 1 auf die Vorschriften der Strafprozeßordnung verweist. 3. § 67 der Wehrdisziplinarordnung i. d. F. vom 9. Juni 1961 (BGBl. I S. 697), § 58 der Bundesdisziplinarordnung i . d . F . vom 20. J u l i 1967 (BGBl. I S . 751) und § 38 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom 12. März 1951 (BGBl. I S. 243), die durchweg auf die Strafprozeßordnung Bezug nehmen. 4. § 36 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten i. d. F. vom 26. J u l i 1957 (BGBl. I S . 861). 2 Wie hier grundsätzlich Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 90; nicht ganz klar, aber w o h l w i e hier: Dünnebier, i n : Löwe-Rosenberg, StPO §§ 105—107 Erl. I 2, der jedoch die verfehlte Unterscheidung zwischen „Wohnungen" u n d „anderen Räumen" t r i f f t (vgl. oben § 2 S. 24 ff.); Schwarz-Kleinknecht, StPO § 105 Erl. 4; H. Müller, i n : K M R StPO § 105 Erl. 1 a) cc). 3 A . A . insoweit Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 91, da die Polizeiaufsicht eine Strafe u n d das Fehlen einer richterlichen Durchsuchungsanordnung gegenüber der Freiheitsstrafe ein „erst recht" gerechtfertigtes Minus sei. Abgesehen von dieser unzulässigen Gegenüberstellung beruft sich Dagtoglou a.a.O. auf das besondere Gewaltverhältnis, ohne zu erkennen, daß auch dort n u r geeignete u n d erforderliche Grundrechtseinschränkungen zulässig sind (vgl. oben § 9 I 2 b) S. 76 ff.). Das Fehlen der richterlichen Durchsuchungsanordnung ohne Gefahr i m Verzug macht Durchsuchungen aber nicht effektiver u n d erreicht dam i t nicht den Zweck der Polizeiaufsicht. Sie erleichtert den Polizeibehörden n u r die A r b e i t u n d stellt den Betroffenen praktisch rechtlos, was Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 60, erkennt u n d trotzdem billigt. 4 Es gelten nach § 103 Abs. 2 StPO nicht die erschwerten Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 StPO, w o h l aber die des § 102 StPO, was Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 60, nicht genügend beachtet.

11 Gentz

162

5. Abschnitt

5. §§ 72, 117, 123, 124, 129 Abs. 2 der Konkursordnung i. d. F. vom 20. M a i 1898 (RGBl. S. 612), soweit dadurch Anwesenheitsrechte des Konkursverwalters und anderer wohnungsfremder Personen i n den Räumen des Gemeinschuldners begründet werden 6 . 6. § 758 der Zivilprozeßordnung i. d. F. vom 12. September 1950 (BGBl. S. 533)6. Das Erforderlichkeitsprinzip, das i m letzten Halbsatz des Abs. 1 ausdrücklich hervorgehoben ist, dürfte es — i n Ergänzung der üblichen zu § 758 ZPO vertretenen Auslegung — auch gebieten, daß vor einer Wohnungsdurchsuchung andere Vollstreckungsmöglichkeiten (z. B. eine Forderungspfändung) erschöpft oder aussichtslos sind. Zum Erlaß der von A r t . 13 Abs. 2 geforderten richterlichen Durchsuchungsanordnung ist das Vollstreckungsgericht nach § 764 ZPO zuständig. 7. Reichsabgabenordnung vom 22. M a i 1931 (RGBl. I S. 161) mit späteren Änderungen, zuletzt durch Gesetz (AOÄG) vom 15. September 1965 (BGBl. I S. 1356), durch die Finanzgerichtsordnung vom 6. Oktober 1965 (BGBl. I S. 1477) und durch Gesetz vom 10. August 1967 (BGBl. I S. 877): a) § 335 A O 7 ; wie § 758 ZPO. Für die richterliche Durchsuchungsanordnung ist das Finanzgericht zuständig, §§ 33,35 FGO. b) §§ 420, 433 Abs. 2 Satz 2 AO, die die bis zum Gesetz vom 10. August 1967 (BGBl. I S. 877) fehlende richterliche Durchsuchungsanordnung i n § 437 Abs. 1 a. F. AO i n Verbindung m i t den einschlägigen Vorschriften der Verbrauchssteuergesetze beseitigt haben 8 . c) §§ 173, 193, 194, 195, 197, 202 Abs. 1 AO 9 . Steueraufsicht und Steuerschätzung sind keine materiell-polizeilichen Aufgaben. Die i n diesen 5

Wie hier Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 101 m i t Nachweisen f ü r abweichende Auffassungen. Er hält hier eine richterliche Spezialanordnung jedoch für entbehrlich; zweifelhaft, vgl. oben § 9 I I 2 d) S. 86. Vgl. auch Horz, Diss. S. 41/42. 6 Wie hier Horz, Diss. S. 41; widersprüchlich u n d u n k l a r Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 99,100,164, w o sich zeigt, daß seine i n Rdnr. 71, 72 getroffene A b grenzung zwischen A r t . 13 Abs. 2 u n d 3 entweder unrichtig (Gesetzmäßigkeit der Verfassung!) oder nicht konsequent durchgehalten ist. Keineswegs k a n n § 758 ZPO bald A r t . 13 Abs. 2, bald A r t . 13 Abs. 3 zugeordnet werden. Vgl. auch oben § 9 I I 2 d) S. 86 u n d § 14 S. 129 ff. — Z u welch merkwürdigen Ergebnissen die Unsicherheit bei der Einordnung des § 758 ZPO geführt hat, zeigen der Aufsatz von Noack M D R 1967, 894 ff. u n d das U r t e i l des L G K ö l n D R i Z 1963,

28.

7 A. A . Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 164, vgl. auch oben Fußnote 6; w i e hier Horz, Diss. S. 41. 8 Bei § 437 Abs. 1 a. F. A O hätte es einer richterlichen Durchsuchungsanordnung bedurft, vgl. oben § 7 I I S. 53 ff. Wie hier Horz, Diss. S. 41; a. A. Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 162/63. 9 A. A.: Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 161 u n d 163; ebenso fast durchweg das steuerrechtliche Schrifttum, vgl. die Kommentare an den einschlägigen Stellen; aus neuerer Zeit siehe dazu Tipke DStR 1967, 79 f.; Laule FR 1965, 498 ff. — Teilweise w i e hier, teilweise a. A . — ohne innere Konsequenz — Horz, Diss. S. 41 ff. u n d S. 87 ff.

§ 17. Zuordnung einfachgesetzlicher Wohnungseingriffe

163

Bestimmungen durchweg fehlende richterliche Durchsuchungsanordnung hat das Finanzgericht zu treffen, §§ 33, 35 FGO. Sie ist — entgegen der überwiegenden Meinung i m steuerrechtlichen Schrifttum 1 0 — nicht nur für Privatwohnungen, sondern auch für Betriebe und Geschäftsräume erforderlich. 8. § 46 Abs. 2 bis 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 27. J u l i 1957 (BGBl. I S. 1081) i. d. F. vom 3. Januar 1966 (BGBl. I S. 37). Die von den Kartellbehörden wahrgenommenen Aufgaben gehören nicht zum materiellen Polizeirecht. Die i n § 46 Abs. 3 und 4 getroffene Unterscheidung zwischen dem Betreten und der Durchsuchung der Räume ist wertlos 1 1 . 9. § 10 Abs. 2 des Gesetzes über Mindestvorräte an Erdölerzeugnissen vom 9. September 1965 (BGBl. I S . 1217). 10. § 4 Abs. 2 des Gesetzes zur Sicherung des Steinkohleneinsatzes i n der Elektrizitätswirtschaft vom 5. September 1966 (BGBl. I S. 545). 11. § 44 Abs. 1 Satz 3 des Außenwirtschaftsgesetzes vom 28. A p r i l 1961 (BGBl. I S. 481), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. J u n i 1967 (BGBl. I S. 610). Bei den Gesetzen unter Nr. 8 bis 11 handelt es sich u m wirtschaftslenkende Gesetze, die keine polizeilichen Aufgaben erfüllen. Für die Beurteilung der Wohnungseingriffe kommt es auf die Intention des Gesetzes an, nicht darauf, ob die Einhaltung einzelner seiner Vorschriften kontrolliert werden soll. Durch den Verstoß gegen wirtschaftslenkende Gesetze allein werden noch keine Polizeigefahren begründet. Aufsichtsmaßnahmen, die die Beachtung der Vorschriften sicherstellen sollen, dienen daher nicht der Abwehr oder Verhütung „dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" (Art. 13 Abs.3) 12 . 12. § 35 Abs. 1 des Flurbereinigungsgesetzes vom 14. J u l i 1953 (BGBl. I S. 591). Die Konsequenz ist unausweichlich, da es sich bei der F l u r bereinigung m i t Sicherheit u m keine polizeiliche Aufgabe handelt. A l l e r dings dürfte die Vorschrift nur i n Ausnahmefällen i n die Wohnungsfreiheit eingreifen, da es sich häufig u m „unbefriedete" Besitztümer handeln und die Eigentümer oft m i t dem Betreten ihrer Grundstücke einverstanden sein werden. 10

Vgl. oben § 2 Ziff. 2 S. 25/26 m i t Nachweisen. Vgl. oben § 8 V I 5 S. 70/71. 12 Das verkennt Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 158, der diese Gesetze bei A r t . 13 Abs. 3 einordnet. Deshalb können auch die Verwaltungsvollstreckungsgesetze nicht pauschal A r t . 13 Abs. 3 (so Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 125) oder A r t . 13 Abs. 2 (so Horz, Diss. S. 41) zugewiesen werden, da es auf den Zweck dessen ankommt, was vollstreckt werden soll. 11

Ii»

164

5. Abschnitt IL Eingriffe

und Beschränkungen

im Sinne des Art. 13 Abs. 3:

A . D i e i n d e n Polizeigesetzen d e r L ä n d e r vorgesehenen W o h n u n g s e i n g r i f f e s i n d zulässig, s o w e i t sie n i c h t n u r a u f die p o l i z e i l i c h e G e n e r a l k l a u s e l ( „ d r i n g e n d e G e f a h r " ! ) , gestützt s i n d u n d n i c h t d i e V e r b r e c h e n s v e r h ü t u n g oder -Verfolgung b e z w e c k e n 1 3 . 1. M a t e r i e l l - r e c h t l i c h überflüssige, w e i l bereits d u r c h A r t . 13 A b s . 3 1. A l t e r n a t i v e zugelassene E i n g r i f f s e r m ä c h t i g u n g e n e n t h a l t e n : a) § 25 Abs. 1 des baden-württembergischen Polizeigesetzes v o m 21. November 1955 (GesBl. S. 249) i m letzten Halbsatz ( „ w ä h r e n d . . . " ) . b) § 16 Abs. 1 lit. a) des preußischen Polizei Verwaltungsgesetzes v o m 1. J u n i 1931 (GS S. 77, ber. S. 136), das i n veränderten Fassungen noch heute i n Berlin, Nordrhein-Westfalen u n d i m Saarland gilt. c) § 15 Abs. 1 des Bremer Polizeigesetzes v o m 5. J u l i 1960 (GesBl. S. 73) i m letzten Halbsatz ( „ w ä h r e n d . . . " ) . d) § 16 Abs. 1 l i t . a) u n d b) des Hamburger Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit u n d Ordnung v o m 14. März 1966 (GVB1. S. 77). e) § 53 Abs. 1 1. u n d 2. Alternative des hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit u n d Ordnung v o m 17. Dezember 1964 (GVB1. S. 209). f) § 3 Abs. 1 2. Halbsatz des niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit u n d Ordnung v o m 21. März 1951 (GVB1. S. 79). g) § 19 Abs. 2 des rheinland-pfälzischen Polizeiverwaltungsgesetzes v o m 26. März 1954 (GVB1. S. 31). h) § 5 Abs. 2 lit. a) des schleswig-holsteinischen Polizeigesetzes v o m 23. März 1949 (GVOB1. S. 61). i) A r t . 37 Abs. 1 des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes v o m 16. Oktober 1954 (GVB1. S. 237; BayBS I S . 442). 2. S o f e r n m a n f ü r A r t . 13 A b s . 3 2. A l t e r n a t i v e e i n Spezialgesetz v e r l a n g t 1 4 , reichen als E i n g r i f f s e r m ä c h t i g u n g (soweit sie n i c h t G e m e i n g e f a h r u n d L e b e n s g e f a h r betreffen) n i c h t aus: a) § 25 Abs. 1 bad.-württ.PolG. b) § 16 Abs. 1 Pr.PVG. c) § 15 Abs. 1 Brem.PolG. d) § 16 Abs. 1 l i t . c) Hamb.SOG. e) § 53 Abs. 1 hess.SOG. f) § 3 Abs. 1 nds.SOG. g) § 19 Abs. 1 rh.-pf.PolG. h) § 5 Abs. 1 schl.-holst.PolG. 18

Vgl. oben § 12 I I I 3 S. 121 ff. u n d § 14 I I 2 a) S. 131 ff. Vgl. oben § 12 I I I 3 S. 121 ff. 15 Vgl. oben § 8 V I 5 S. 70/71 u n d § 14 I I S. 130 ff. 18 Grundsätzlich w i e hier Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 90, vgl. aber oben Fußnote 3; w i e hier w o h l auch Drews-Wacke, Polizeirecht § 12 Ziff. 1 S. 191/92; a. A . offenbar Ule-Rasch, P V G §§ 15—17 Rdnr. 189. 14

§ 17. Zuordnung einfachgesetzlicher Wohnungseingriffe

165

3. Verfassungsrechtlich nicht geboten sind die Differenzierungen zwischen dem Betreten und Durchsuchungen 15 in: a) § 25 Abs. 1 u n d 2 bad.-württ.PolG. b) § 15 Abs. 1 u n d 2 Brem.PolG. c) § 16 Abs. 1 u n d 2 Hamb.SOG.

4. Verfassungswidrig ist die Ausklammerung bestimmter Räume aus dem Wohnungsbegriff, m i t der Folge, daß regelmäßig nur noch die polizeiliche Generalklausel als Eingriffsgrundlage dienen soll (Wohnungseingriffe auch bei schlichten Polizeigefahren!) 16 : a) § 25 Abs. 4 bad.-württ.PolG. ~b) A r t . 37 Abs. 2 bay.PAG. c) § 16 Abs. 2 Pr.PVG. d) § 15 Abs. 4 Brem.PolG. e) § 53 Abs. 2 hess.SOG. f) § 3 Abs. 3 nds.SOG. g) § 5 Abs. 3 schl.-holst.PolG.

B. Unter die Generalklausel des Art. 13 Abs. 3 fallen: 1. §§ 24b, 139b der Gewerbeordnung i. d. F. vom 26. J u l i 1900 (RGBl. S. 871) mit späteren Änderungen, insbesondere durch die Gesetze vom 28. Dezember 1908 (RGBl. S. 667), vom 27. Dezember 1911 (RGBl. 1912 S. 139) und vom 5. Februar 1960 (BGBl. I S . 61) 17 . 2. §§ 6, 8 des Lebensmittelgesetzes (BGBl. I I I Nr. 2125—4) i. d. F. vom 21. Dezember 1958 (BGBl. I S . 950) 18 . 3. §§ 22, 23 des Weingesetzes vom 25. J u l i 1930 (RGBl. I S. 356) i. d. F. vom 15. J u l i 1951 (BGBl. I S. 456) und vom 14. Juni 1957 (BGBl. I S. 595). 4. §§ 18,19 des Gesetzes über das Apothekenwesen vom 20. August 1960 (BGBl. I S . 697) 19 . 5. § 17 der Handwerksordnung i. d. F. vom 28. Dezember 1965 (BGBl. 1966 I S . 1). 6. § 19 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über die friedliche Verwendung der Atomenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) vom 23. Dezember 1959 (BGBl. I S . 814) 20 . 17 Wie hier: Horz, Diss. S. 87 ff.; Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 149—154. Siehe auch oben § 14 I I 2 b) S. 133/34. 18 A . A.: Horz, Diss. S. 41 ff., der noch eine Reihe weiterer Gewerbegesetze bei A r t . 13 Abs. 2 einordnet, w e i l er nicht genügend auf die Zielrichtung der V o r schriften abstellt. 10 Wie hier BVerfGE 17,232 (251/52). 20 Wie hier Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 152.

166

5. Abschnitt

7. § 14 Abs. 3 bis 5 des Ausführungsgesetzes zu A r t . 26 Abs. 2 des Grundgesetzes (Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen) vom 20. A p r i l 1961 (BGBl. I S . 444). 8. § 44 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über das Kreditwesen vom 10. J u l i 1961 (BGBl. I S . 881); zweifelhaft — polizeiliche Aufgabe? 9. § 7 des Gesetzes zum Schutz der Kulturpflanzen i. d. F. vom 26. A u gust 1949 (WiBl. S. 308). 10. § 5 des Gesetzes über den Verkehr m i t Düngemitteln vom 14. A u gust 1962 (BGBl. I S . 558). 11. § 55 Abs. 1 Nr. 3 des Güterkraftverkehrsgesetzes vom 17. Oktober 1952 (BGBl. I S. 697) m i t Änderungen; nicht ganz zweifelsfrei, w e i l die i n § 54 Abs. 2 Nr. 1 und 2 genannten Aufgaben nicht dem materiellen Polizeirecht angehören dürften; anders § 54 Abs. 3 2 1 . 12. § 4 Abs. 2 und 4 des Vereinsgesetzes vom 5. August 1964 (BGBl. I S. 593). Der hier vorgesehene Richtervorbehalt für „Durchsuchungen" ist verfassungsrechtlich nicht geboten (aber zulässig), da es sich u m materielles, primär außerkriminelles Polizeirecht handelt 2 2 . 13. § 12 Abs. 3 des Telegraphenwege-Gesetzes vom 18. Dezember 1899 (RGBl. S. 705); zweifelhaft — Aufrechterhaltung des Telegraphenverkehrs polizeiliche Aufgabe? C. Für Gesetze zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr und zum Schutz gefährdeter Jugendlicher kann auf die Ausführungen oben § 13 I I S. 125 ff. und die Aufzählungen bei Horz, Diss. S. 87 ff. und S. 96, und Dagtoglou, B K A r t . 13 Rdnr. 133—148, Bezug genommen werden. I I I . Unter Art 17a Abs. 2 fallen

23

:

1. § 19 Abs. 3 des Gesetzes über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft sowie des Geld- und Kapitalverkehrs (Wirtschaftssicherstellungsgesetz) vom 24. August 1965 (BGBl. I S. 920), geändert durch Gesetz vom 9. J u l i 1968 (BGBl. I S . 780). 2. § 16 Abs. 2 des Gesetzes zur Sicherstellung des Verkehrs (Verkehrssicherstellungsgesetz) vom 24. August 1965 (BGBl. I S. 927), geändert durch Gesetz vom 9. J u l i 1968 (BGBl. I S . 784). 21

Wie hier, aber ohne Differenzierung u n d Zweifel: Horz, Diss. S. 87 ff.;

Dagtoglou, BK Art. 13 Rdnr. 157. 22

A . A . offenbar B V e r w G DöV 1968, 246 = DVB1. Heft 18 m i t kritischer A n m .

von Gentz und Wacke. 28

I m wesentlichen übereinstimmend Dagtoglou,

B K A r t . 13 Rdnr. 171—173.

§ 17. Zuordnung einfachgesetzlicher Wohnungseingriffe

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3. § 16 Abs. 3 des Gesetzes über die Sicherstellung der Versorgung m i t Erzeugnissen der Ernährungs- und Landwirtschaft sowie der Forst- und Holzwirtschaft (Ernährungssicherstellungsgesetz) vom 24. August 1965 (BGBl. I S. 938), geändert durch Gesetz vom 9. J u l i 1968 (BGBl. I S. 782). 4. § 18 Abs. 2 des Gesetzes über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der Wasserwirtschaft für Zwecke der Verteidigung (Wassersicherstellungsgesetz) vom 24. August 1965 (BGBl. I S . 1225). 5. § 54 Abs. 2 des Gesetzes über den Selbstschutz der Zivilbevölkerung (Selbstschutzgesetz) vom 9. September 1965 (BGBl. I S. 1240). Die Wohnungseingriffe, die i m I. bis IV. Abschnitt ohne ausdrückliche Erwähnung außerdem enthalten sind, dürften i m allgemeinen bereits durch die 1. A l ternative des A r t . 13 Abs. 3 gedeckt sein. 6. § 12 Abs. 2 des Gesetzes über die Erweiterung des Katastrophenschutzes vom 9. J u l i 1968 (BGBl. I S . 776). 7. § 10 des Gesetzes über die Beschränkung von Grundeigentum für die militärische Verteidigung (Schutzbereichgesetz) vom 7. Dezember 1956 (BGBl. I S . 899); vgl. den Zweck des Gesetzes i n § 1 Abs. 2. 8. Insbesondere § 2 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2, § 3 Abs. 4, § 15 Abs. 2, § 68 Abs. 2 und 3, § 71 Abs. 1, 2 und 4 des Bundesleistungsgesetzes i. d. F. vom 27. September 1961 (BGBl. I S. 1769) m i t späteren Änderungen. Die Wohnungseingriffe zu Zwecken des § 1 Abs. 1 Nr. 1 sind durch A r t . 13 Abs. 3 2. Alternative, zu Zwecken des § 1 Abs. 1 Nr. 2 durch A r t . 17a Abs. 2 gedeckt. Die Zwecke des § 1 Abs. 1 Nr. 3 dürften auf Grund alliierter Vorbehalte (Deutschlandvertrag) sowie nach A r t . 17 a Abs. 2 zulässig sein; nicht ganz zweifelsfrei.

Schlu ßbetrachtun g § 18. Die Praktikabilität des Art. 13 Abschließend bleibt zu fragen, ob die vorliegende Interpretation des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung und seiner Schranken zu Ergebnissen führt, die einerseits dem Freiheitsanspruch des Bürgers und seiner grundrechtlichen Sicherung ausreichend Rechnung tragen und die andererseits dem zu Eingriffen genötigten Staat für die Erfüllung seiner Aufgaben genügend Raum lassen. Oder ist A r t . 13 — wie immer wieder behauptet w i r d — so unglücklich gefaßt, daß eine vernünftige Lösung des Spannungsverhältnisses zwischen Bürger und Staat bei der Wohnungsfreiheit ausgeschlossen ist und der Praxis nur der Weg stillschweigender Grundrechtsmißachtung und der ehrlich bemühten Wissenschaft der Ruf nach einer Verfassungsänderung bleibt? 1. Betrachtet man zunächst die grundrechtliche Stellung des Bürgers, so w i r d man zugeben müssen, daß die Sicherung des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung gegenüber früheren deutschen Verfassungen und besonders gegenüber A r t . 115 WRV durch A r t . 13 erheblich verbessert worden ist. Für materiell-polizeiliche Eingriffe bedarf es einer spezialgesetzlichen Rechtsgrundlage, die nur ausreicht, wenn erhebliche, d. h. besonders schwerwiegende Gefahren abgewehrt oder verhütet werden sollen. Für alle anderen Eingriffe i n die Wohnungsfreiheit, die Durchsuchungen des A r t . 13 Abs. 2, muß — sieht man von der beschränkten weiteren Ausnahme i n A r t . 17a Abs. 2 ab — eine richterliche Genehmigung beigebracht werden. Zwar hat das Grundgesetz dem zu einer Durchsuchung ermächtigenden Gesetzgeber keine materiellen Schranken auferlegt, dafür aber vor den Eingriff regelmäßig ein durch seine Unabhängigkeit und Objektivität qualifiziertes Organ vorgeschaltet, das berechtigt und verpflichtet ist, jeweils i m Einzelfalle m i t der Rechtmäßigkeit der Durchsuchung auch ihre Übereinstimmung m i t dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu überwachen. Wenn diese von der Verfassung vorgeschriebenen Prinzipien i n der Praxis eingehalten werden, so erhält das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung eine bislang unbekannte Effektivität, die dem Freiheitsstreben des Bürgers und dem Schutz seiner räumlich umgrenzten Privatsphäre vollauf genügt.

§ 18. Die P r a k t i k a b i l i t ä t des A r t . 13

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2. Der Verstärkung der Grundrechtsposition beim Bürger entspricht notwendig eine Erschwerung der Eingriffsmöglichkeiten beim Staat. Diese Tatsache allein berechtigt aber nicht zu der voreiligen Annahme, die Handlungsbefugnisse des Staates seien i n unerträglicher und unzumutbarer Weise verkürzt. Denn eine derartige Hemmung und Beschränkung der staatlichen Exekutive war von den Vätern des Grundgesetzes m i t den komplizierten Schranken der Wohnungsfreiheit ja gerade beabsichtigt, wenn man auch w i r d zugeben müssen, daß der Parlamentarische Rat nicht alle Konsequenzen seiner strikten Regelung vorhergesehen hat. Bei einer richtigen Auslegung des Art. 13 Abs. 3, die die „dringenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" als erhebliche, besonders schwerwiegende und nicht als unmittelbar bevorstehende, konkrete Gefahren begreift, entfällt ein großer Teil der Bedenken und Vorbehalte, die gerade von den älteren Grundrechtsinterpreten immer wieder gegen die Schranken des A r t . 13 vorgebracht worden sind. Als Einwand bleibt die Ausdehnung des Richtervorbehalts auf alle Wohnungseingriffe, die weder materiell-polizeilichen Zwecken noch der Landesverteidigung oder dem Schutz der Zivilbevölkerung dienen. Die verfassungsrechtlich gebotene Vorschaltung des Richters, die sich vor allem i m Abgabenrecht und i m Wirtschaftsverwaltungsrecht auswirkt, ist unbequem, verursacht Mehrarbeit und belastet die Verwaltung mit einer lästigen Präventivkontrolle. Weiter reichen die Unzulänglichkeiten des A r t . 13 Abs. 2 aber nicht. Denn er verbietet dem Staat die früher ohne Richtervorbehalt zulässigen Wohnungseingriffe nicht überhaupt, sondern unterwirft sie nur einem präventiven richterlichen Rechtsschutzverfahren. Warum es nicht möglich, unerträglich oder unzumutbar für die Verwaltung sein sollte, i n all den Fällen, die nach der hier vertretenen Interpretation Durchsuchungen i m Sinne des Art. 13 Abs. 2 sind, eine richterliche Durchsuchungsanordnung einzuholen, ist nicht recht einzusehen. Ähnliche Bedenken, die man gleich nach Inkrafttreten des Grundgesetzes gegen den Richtervorbehalt bei Freiheitsentziehungen (Art. 104 Abs. 2) geltend gemacht hatte, können heute als widerlegt angesehen werden. Es ist hohe Zeit, daß A r t . 13 Abs. 2 ebenso rigoros angewendet und beachtet w i r d wie der brisantere A r t . 104 Abs. 2. Die Unbequemlichkeit des Grundgesetzes ist kein hinreichender Grund für seine Mißachtung. 3. Überblickt man die Ergebnisse der hier vorgelegten Interpretation und die darauf basierende Zuordnung gesetzlich zugelassener Wohnungseingriffe zu den Schranken des A r t . 13 oben i m 5. Abschnitt, so w i r d man insgesamt kaum sagen können, daß die Praxis mit der gegenwärtigen

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Schlußbetrachtung

Ausgestaltung des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung nicht arbeiten könne und daß dem Staat notwendige Eingriffsrechte genommen seien. Wenn auch die jetzige Fassung des Art. 13 somit nicht unpraktikabel ist, so w i r d man seine Regelung aber auch nicht als übermäßig glücklich bezeichnen können. Die Abgrenzung zwischen A r t . 13 Abs. 2 und A r t . 13 Abs. 3 am K r i t e r i u m des materiell-polizeilichen Zwecks einer Maßnahme zeichnet sich nicht durch die wünschenswerte Klarheit und Eindeutigkeit aus und w i r d immer wieder zu Unsicherheiten führen. Diese Schwierigkeiten stellen jedoch weder die oben getroffene Auslegung noch die Praktikabilität des Art. 13 ernstlich i n Frage. Sehr viel gewichtiger werden die Bedenken, wenn man die Zweckmäßigkeit der i n A r t . 13 getroffenen Regelung i n Zweifel zieht. Ist ein derartig ausgedehnter Richtervorbehalt wirklich erforderlich, reicht nicht i n vielen Fällen der repressive Rechtsschutz aus? Ist es sinnvoll, daß der Gerichtsvollzieher oder der kontrollierende Steuerbeamte immer einer richterlichen Durchsuchungsanordnung bedarf? Droht nicht die regelmäßige Vorschaltung des Richters i m Endeffekt den Rechtsschutz sogar zu verkürzen, wenn der überlastete Richter, anstatt den Einzelfall zu prüfen, Formulare unterschreibt? Diese Fragen, die unausgesprochen hinter der fast prinzipiellen Ablehnung und Feindschaft der älteren Literatur gegen die Ausgestaltung der Wohnungsfreiheit i m Grundgesetz stehen dürften, sind rechtspolitischer Natur und können und sollen hier nicht beantwortet werden. Vielleicht kann aber die hier versuchte Aufhellung des geltenden Verfassungsrechts dazu beitragen, die rechtlichen und die rechtspolitischen Argumente deutlicher und schärfer zu trennen und dadurch die rechtspolitischen Erwägungen beim Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung sachgerechter und gründlicher anzustellen.

Leitsätze I. 1. „Wohnung" im Sinne des Art. 13 Abs. 1 ist nicht nur die Privatwohnung, in der Menschen ihren häuslichen Mittelpunkt haben und zu schlafen pflegen. Der Begriff umfaßt vielmehr auch Geschäftsräume, Betriebe und schließlich jedes befriedete Besitztum. Denn: a) Die Wohnungsfreiheit ist garantiert, um die freie Entfaltung der Persönlichkeit in einem räumlich geschützten Bereich zu gewährleisten. Auch an der — vor allem der eigenen — Arbeitsstätte findet Persönlichkeitsentfaltung statt. b) Der grundrechtliche Wohnungsbegriff ist schon unter der Herrschaft der preußischen (Art. 6) und der Weimarer Verfassung (Art. 115) so weit verstanden worden. Die Entstehungsgeschichte des Art. 13 gibt keinen Anhaltspunkt für eine Verengung des Begriffes, sondern bestätigt die weite Auslegung. c) Die durch die begrenzten Eingriffsvorbehalte der Absätze 2 und 3 des Art. 13 entstandenen Schwierigkeiten werden durch eine Verengung des Wohnungsbegriffes nicht ausgeräumt; dadurch wird vielmehr nur die Zahl der einschlägigen Fälle reduziert. 2. a) Der Satz „Die Wohnung ist unverletzlich" bedeutet: In die Wohnungsfreiheit darf gegen oder ohne den Willen des Wohnungsinhabers nur eingegriffen werden, wenn der Eingriff im Grundgesetz vorgesehen oder zugelassen ist. b) Deshalb kann auf die Ausübung des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung im Einzelfalle verzichtet werden. D. h.: Der Bürger kann darin einwilligen, daß Staatsorgane seine Wohnung betreten, um sie zu durchsuchen oder andere Handlungen darin vorzunehmen, oder daß sie Wohnungsteile in Anspruch nehmen, auch wenn die Voraussetzungen der Absätze 2 oder 3 des Art. 13 nicht vorliegen. Der Verzicht kann sich auch auf die Einhaltung der Durchsuchungsformen beziehen. 3. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung steht Inländern und Ausländern gleichermaßen zu. Nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen können sich auf die Wohnungsfreiheit berufen.

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Leitsätze

4. Grundrechtsberechtigter ist der unmittelbare Besitzer der grundrechtlich geschützten Räume; der mittelbare Besitz reicht nicht aus. 5. Grundrechtsverpflichteter ist nur der Staat. Die Wohnungsfreiheit entfaltet keine unmittelbare Drittwirkung im Privatrechtsverkehr. 6. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung Bürger keinen Anspruch auf Wohnung.

verleiht

dem

7. Die Wohnungsfreiheit schützt den Bürger vor unzulässigem Betreten der Wohnung durch Staatsorgane und vor unzulässigen staatlichen Maßnahmen in der Wohnung, sofern sie mit dem Betreten verbunden sind. Das Grundrecht schützt dagegen grundsätzlich nicht gegen die „dingliche Inanspruchnahme" der Wohnung, soweit es sich nicht um die mit Anwesenheitsrechten Dritter verbundene Beschlagnahme von Wohnung steilen handelt (siehe auch unten Leitsatz 25).

IL 8. Art. 13 Abs. 2 meint nicht nur strafprozessuale Durchsuchungen; vielmehr müssen alle im geltenden Recht vorkommenden Durchsuchungen seinen Anforderungen entsprechen. 9. Der Begriff der Durchsuchung in Art. 13 Abs. 2 ist in doppelter Weise gekennzeichnet: positiv durch das äußere Erscheinungsbild und negativ durch die Ausklammerung bestimmter Eingriffszwecke: a) Durchsuchungen liegen nur dann vor, wenn ein Staatsorgan ohne oder gegen den Willen des Wohnungsinhabers in die Wohnung eindringt und dort — notfalls mit Gewalt — nach Personen, Gegenständen oder sonstigen wissenswerten Sachverhalten forscht oder sonstige Handlungen vornimmt. Da staatliche Maßnahmen sich im Eindringen niemals erschöpfen, sondern jedes Eindringen bestimmte Ziele verfolgt und verfolgen muß, ist jedes Betreten einer Wohnung äußerlich bereits eine Durchsuchung. b) Durchsuchungen sind alle Durchsuchungsmaßnahmen (nach a) der Kriminalpolizei zum Zwecke der Verfolgung und Verhütung strafbarer Handlungen, im übrigen aber nur die Durchsuchungsmaßnahmen, die nicht zur Erfüllung materiell-polizeilicher Aufgaben vorgenommen werden, die also nicht der Gefahrenabwehr oder -Verhütung dienen. (Wenn man ganz genau sein will, muß man auch noch die Wohnungseingriffe aus dem Durchsuchungsbegriff ausscheiden, die zur Landesverteidigung oder zum Schutz der Zivilbevölkerung nach Art. 17a Abs. 2 vorgenommen werden.)

Leitsätze 10.

173

Denn:

a) Die äußeren Durchsuchungsmerkmale ergeben sich aus einer Analyse der in einfachen Gesetzen als „Durchsuchung" bezeichneten Eingriffe in die Wohnungsfreiheit. Für eine Definition der „Durchsuchung" i m Sinne des Art. 13 Abs. 2 reichen diese Symptome nicht aus, da die „Eingriffe und Beschränkungen" nach Art. 13 Abs. 3 in der Regel dieselben äußeren Merkmale aufweisen oder doch aufweisen können. b) Der Richterv orb ehalt des Art. 13 Abs. 2 soll präventiven Rechtsschutz sicherstellen. Er betont, im Verein mit dem Hinweis auf die Einhaltung der vorgeschriebenen Durchsuchungsformen, die Bedeutung und Schwere des Eingriffs „Durchsuchung". c) Das besondere Gewicht der „Durchsuchung" im Gegensatz zu anderen „Eingriffen und Beschränkungen" kann in dem mit der Vornahme einer Durchsuchung verbundenen diskriminierenden Effekt oder in der mangelnden Evidenz für die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme liegen. d) Maßnahmen der Strafverfolgung und der Straftatverhütung (Kriminalpolizei) sind nicht genau voneinander zu trennen und haben häufig einen diskriminierenden Effekt, obwohl damit kein Schuldvorwurf verbunden zu sein braucht. Alle Maßnahmen der Kriminalpolizei und der Strafverfolgungsbehörden, die die äußeren Durchsuchungsmerkmale aufweisen, sind daher Durchsuchungen im Sinne des Art. 13 Abs. 2. e) Die Eingriffe und Beschränkungen des Art. 13 Abs. 3 sind — mit Ausnahme der Gesetze zur Behebung der Raumnot, bei denen die äußeren Durchsuchungsmerkmale in der Regel fehlen — durch die Abwehr oder Verhütung polizeilicher Gefahren motiviert. Die Notwendigkeit eines Eingriffs in die Wohnungsfreiheit erscheint hier bei abstrakter Betrachtungsweise (Verhältnismäßigkeit!) evident, sofern man die „dringenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" als erhebliche Gefahren begreift, von denen Schäden für besonders wichtige Rechtsgüter oder Schäden von besonders großem Ausmaß drohen (siehe unten Leitsatz 23). Die Notwendigkeit einer Durchsuchung ist dagegen von Verfassungs wegen nicht evident, da das Grundgesetz hier keine bestimmten Zwecke vorschreibt. 11. Durchsuchungen müssen in einem förmlichen Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen sein. Art. 13 Abs. 2 stellt keine bestimmten materiellen Anforderungen an das eine Durchsuchung zulassende Gesetz; der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muß jedoch auch vom Gesetzgeber beachtet werden.

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Leitsätze

12. Das Gesetz braucht — außer der richterlichen Durchsuchungsanordnung — weder bestimmte Formen noch überhaupt Formen für die Ausführung einer Durchsuchung vorzusehen. Die Verletzung bestehender Formv or Schriften kann mit der Verfassungsbeschwerde gerügt werden. 13. Fehlt einem Gesetz der Richtervorbehalt, so ist dieses Gesetz nicht nichtig, sondern es wird durch Art. 13 Abs. 2 unmittelbar ergänzt. Die Zuständigkeit des Richters bestimmt sich nach allgemeinem Gerichtsv erfassungsrecht. 14. Um präventiven Rechtsschutz zu gewährleisten, muß eine richterliche Durchsuchungsanordnung vorliegen, die sich auf den Einzelfall bezieht. Dabei hat der Richter nicht nur zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen einer Durchsuchung vorliegen, sondern er hat auch darauf zu achten, daß der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht verletzt wird. Er hat in der Regel keine Zweckmäßigkeitskontrolle vorzunehmen, sondern ist auf die reine Rechtskontrolle beschränkt. 15. Gefahr im Verzug liegt immer dann vor, wenn durch Abwarten der richterlichen Durchsuchungsanordnung der Durchsuchungszweck vereitelt würde. „Gefahr im Verzug" bezieht sich grundsätzlich auf den Einzelfall. Ihr Vorliegen kann vom Gesetzgeber nur in engen Grenzen generalisiert, niemals aber fingiert werden. 16. Ist bei Gefahr im Verzug die Durchsuchung von dem zuständigen, nichtrichterlichen Staatsorgan angeordnet worden, so ist — anders als in Art. 104 Abs. 2 — keine richterliche Bestätigung der nichtrichterlichen Durchsuchungsanordnung vorgeschrieben. Soweit landesverfassungsrechtliche Bestimmungen eine nachträgliche richterliche Genehmigung gebieten, können sie gegenüber bundesgesetzlich zugelassenen Durchsuchungen nur dann zur Anwendung kommen, wenn das Bundesgesetz die betreffende Durchsuchung und die Formen ihrer Durchführung nicht abschließend geregelt hat (Art. 31,142).

III. 17. „Eingriffe" und „Beschränkungen" sind nach Art. 13 Abs. 3 von denselben Voraussetzungen abhängig. Die Abgrenzung der beiden Begriffe ist daher für das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung bedeutungslos. 18. Die Ermächtigung zu Eingriffen und Beschränkungen nach der 1. Alternative des Art. 13 Abs. 3 besteht unmittelbar von Verfassungs wegen.

Leitsätze

19. Eingriffsvoraussetzung bei der 1. Alternative ist konkrete Gemeingefahr oder konkrete individuelle Lebensgefahr. Abstrakte Gefahren reichen hier nicht aus. a) Gemeine Gefahren sind Gefahren, die sich unkontrollierbar ausbreiten können und die Leben oder Gesundheit unbestimmter Menschen oder bedeutende, in fremdem Eigentum stehende oder dem Gemeinwohl nützliche Sachwerte bedrohen (vgl. §315 Abs. 3 a. F. StGB). b) Lebensgefahr besteht nicht nur dann, wenn der Tod eines Menschen unmittelbar zu befürchten ist, sondern schon dann, wenn ernsthafte Gesundheitsgefährdungen drohen, bei denen eine nahe Todes folge nicht auszuschließen ist. 20. Die 1. Alternative des Art. 13 Abs. 3 ermächtigt nicht nur zu Eingriffen in die Wohnungsfreiheit desjenigen, von dessen Wohnung die Gefahr ausgeht oder in dessen Wohnung die Gefahr begründet ist. Vielmehr kann auch in das Grundrecht eines unbeteiligten Dritten eingegriffen werden, da die Gefahrenabwehr vorrangig und der Dritte aus § 330c StGB hilfeleistungspflichtig ist. Die Drittinanspruchnahme ist jedoch wegen des Verhältnismäßigkeitsprinzips, das auch die strafrechtliche Hilfeleistungspflicht auf die Erforderlichkeit und die Zumutbarkeit begrenzt, nur unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes zulässig. 21. Die 1. Alternative des Art. 13 Abs. 3 gibt die Eingriffsermächtigung nur für staatliches, nicht auch für privates Handeln. Privates Handeln wird durch Notwehr, Nothilfe, bürgerlich-rechtlichen Notstand oder übergesetzlichen Notstand gerechtfertigt. Für die Güterabwägung im übergesetzlichen

Notstand

und

für

die Auf

Wendungsentschädigung

aus Geschäftsführung ohne Auftrag ist die in Art. 13 Abs. 3 1. Alternative zum Ausdruck kommende Wertung heranzuziehen. Die Gefahrenabwehr ist danach regelmäßig höher zu bewerten als der Hausfrieden (§ 123 StGB) und die Unversehrtheit von Sachen (§ 303 StGB). Eine derartige Geschäftsführung ohne Auftrag liegt immer im öffentlichen Interesse (§ 679 BGB). 22. Die Eingriffe und Beschränkungen der 2. Alternative des Art. 13 Abs. 3 müssen sich auf ein förmliches Gesetz zurückführen lassen; Gewohnheitsrecht reicht als Eingriffsgrundlage nicht aus. Es muß sich um ein Spezialgesetz handeln, wie die Gegenüberstellung der beiden Alternativen des Art. 13 Abs. 3 und die Beispiele der 2. Alternative zeigen. (Sollten sich Eingriffe auf Grund der polizeilichen Generalklausel als unumgänglich erweisen, muß das Attribut „dringend" bei den Gefahren nicht nur als „erheblich" — siehe unten Leitsatz 23 —, sondern auch als „unmittelbar bevorstehend" oder „konkret" verstanden werden.)

176

Leitsätze

23. „Dringende Gefahren" sind nicht unmittelbar bevorstehende, konkrete Gefahren, sondern Gefahren, bei denen ein Schaden für besonders wichtige Rechtsgüter oder ein Schaden von besonders großem Ausmaß droht. Dringende Gefahren im Sinne des Art. 13 Abs. 3 sind erhebliche Gefahren. a) Das zeigen die Beispiele der 2. Alternative, die nicht nur zu repressiven, sondern auch und gerade zu präventiven Eingriffen ermächtigen. b) Auch das Beispiel „Gesetze zum Schutz gefährdeter Jugendlicher" soll präventive Maßnahmen nicht ausschließen. Richtig formuliert müßte es heißen: „Gesetze zum Schutz Jugendlicher vor Gefährdungen". Die bei dieser weiten Fassung notwendige Eingriffsbegrenzung folgt aus dem Erziehungsrecht und der Erziehungspflicht der Eltern nach Art. 6 Abs. 2. 24. Die Begriffe „öffentliche Sicherheit" und „öffentliche Ordnung" sind wie im allgemeinen Polizeirecht zu verstehen. Die kumulative Verbindung dieser Begriffe in Art. 13 Abs. 3 anstelle der alternativen Verbindung in den polizeilichen Generalklauseln ist ein Redaktionsversehen ohne sachliche Bedeutung. Die richtige und einzig taugliche Eingriff sbegrenzung bei der 2. Alternative des Art. 13 Abs. 3 liegt nicht in der Formulierung „öffentliche Sicherheit und Ordnung", sondern in dem Erfordernis einer dringenden Gefahr. 25. Die „Gesetze zur Behebung der Raumnot" meinen nur die allgemeine Wohnraumnot, nicht die Obdachlosigkeit des Einzelnen. a) Damit gehen die „Gesetze zur Behebung der Raumnot" über die polizeiliche Gefahrenabwehr oder -Verhütung hinaus. Gleichwohl dürfen die „Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" in Art. 13 Abs. 3 1. Alternative nicht anders als im allgemeinen Polizeirecht verstanden werden, da die Begriffe sonst uferlos weit würden und keine brauchbare Eingriffsbegrenzung mehr darstellten. b) Diese Sonderstellung der „Gesetze zur Behebung der Raumnot", die nicht in die 2. Alternative des Art. 13 Abs. 3 hineinpassen, rechtfertigt sich durch die besondere Art des Eingriffs. Während sich alle anderen Eingriffe in die Wohnungsfreiheit durch das Eindringen in die Wohnung und damit verbundene staatliche Maßnahmen auszeichnen, werden bei der Behebung der Raumnot Wohnräume beschlagnahmt. c) Die „dingliche Inanspruchnahme" von Wohnungen (im weiteren Sinne) fällt grundsätzlich nicht unter den Schutz der Wohnungsfreiheit, sondern ist allein an der Eigentumsgarantie des Art. 14, insbesondere an Art. 14 Abs. 3 zu messen. Die Erwähnung der „Gesetze zur Behebung der Raumnot" in Art. 13 Abs. 3 ist daher regelwidrig.

Leitsätze

d) Bei der Beschlagnahme von abgeschlossenen Wohnungen steht die Wohnung als Vermögensobjekt allein im Vordergrund. Bei der Inanspruchnahme unterbelegten Wohnraums, also der Beschlagnahme von Wohnungsteilen, gehen fortwährende Störungen auf die räumlich geschützte Individualsphäre des Wohnungsinhabers aus. Daher ist sein Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung tangiert. Nur für diesen Fall der Erfassung von Wohnung steilen (unterbelegten Wohnraums) ist es sinnvoll und vertretbar, die dingliche Inanspruchnahme von Wohnungen (im weiteren Sinne) an Art. 13 zu messen.

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