Die Sieben Sendschreiben Apk 2-3: Studien Zu Ihrer Entstehung Und Ihrem Verhaltnis Zum Apokalyptischen Hauptteil Apk 4-22 9789042940611, 9789042940628, 9042940611

English Summary: The present study deals with a central and repeatedly raised question within the research on the New Te

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Die Sieben Sendschreiben Apk 2-3: Studien Zu Ihrer Entstehung Und Ihrem Verhaltnis Zum Apokalyptischen Hauptteil Apk 4-22
 9789042940611, 9789042940628, 9042940611

Table of contents :
INHALTSVERZEICHNIS
VORWORT
0. EINLEITUNG
I. GRUNDLEGENDES ZUM FORSCHUNGSSTAND UND ZU STRUKTUR SOWIE METHODE DER VORLIEGENDEN STUDIE
II. METHODISCHE UND INHALTLICHE VORKLÄRUNGEN
III. DAS LITERARISCHE VERHÄLTNIS DER WECKRUFE UND DER ÜBERWINDERSPRÜCHE ZU DEN ÜBRIGEN TEXTBESTANDTEILEN DER SIEBEN SENDSCHREIBE
IV. DIE ZEITLICHE UND DIE LITERARISCHE RELATION DER TEXTEINHEIT APK 1,4–3,22 ZUM APOKA LYPTI SCHEN HAUPTTEIL APK 4–22
V. ERGEBNISSE
LITERATURVERZEICHNIS (IN AUSWAHL)
STELLENREGISTER
AUTORENREGISTER

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Biblical Tools and Studies 

D

ie sieben Sendschreiben Apk 2–3 STUDIEN ZU IHRER ENTSTEHUNG UND IHREM VERHÄLTNIS ZUM APOKALYPTISCHEN HAUPTTEIL APK 4–22

Thomas Witulski

PEETERS

DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN APK 2–3

BIBLICAL TOOLS AND STUDIES Edited by B. DOYLE, G. VAN BELLE, J. VERHEYDEN KU Leuven

Associate Editors G. BAZZANA, Harvard Divinity School – A. BERLEJUNG, Leipzig K.J. DELL, Cambridge – J. FREY, Zürich – C.M. TUCKETT, Oxford

Biblical Tools and Studies – Volume 39

DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN APK 2–3 STUDIEN ZU IHRER ENTSTEHUNG UND IHREM VERHÄLTNIS ZUM APOKALYPTISCHEN HAUPTTEIL APK 4–22

VON

THOMAS WITULSKI

PEETERS LEUVEN – PARIS – BRISTOL, CT 2020

Cover: T±v kain±v Diaqßkjv †panta. Eûaggélion Novum Iesu Christi D.N. Testamentum ex bibliotheca regia. Lutetiae: ex officina Roberti Stephani, 1550. in-folio. KU Leuven, Maurits Sabbe Library, P225.042/F° Mt 5,3-12

No part of this book may be reproduced in any form, by print, photoprint, microfilm or any other means without written permission from the publisher. A catalogue record for this book is available from the Library of Congress

ISBN 978-90-429-4061-1 eISBN 978-90-429-4062-8 D/2020/0602/21 © 2020, Peeters, Bondgenotenlaan 153, B-3000 Leuven (Belgium)

INHALTSVERZEICHNIS Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

0. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

I. Grundlegendes zum Forschungsstand und zu Struktur sowie Methode der vorliegenden Studie. . . . . . . . . . . . . . . . .

5

I.1. Forschungsgeschichtliche Grundlinien  . . . . . . . . . . . . .

5

I.1.1. These I: Die sieben Sendschreiben Apk 2f. sind gleichzeitig mit dem apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 entstanden

6

I.1.2. These II: Die sieben Sendschreiben Apk 2f. sind zeitlich vor dem apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 entstanden

12

I.1.3. These III: Die sieben Sendschreiben Apk 2f. sind zeitlich nach dem apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 entstanden

17

I.2. Der Aufriss der vorliegenden Studie . . . . . . . . . . . . . . .

21

II. Methodische und inhaltliche Vorklärungen . . . . . . . . . . .

25

II.1. Die literarkritische Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

II.2. Einleitungswissenschaftliche Grundlagen . . . . . . . . . . . .

37

II.2.1. Abfassungsort und Abfassungszeit der Apk . . . . . . .

37

II.2.2. Der Aufriss der (Gesamt-)Apk und die Gliederung der Sendschreiben  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

II.2.3. Die Gattung der sieben Sendschreiben . . . . . . . . .

40

II.2.3.1. Die sieben Sendschreiben als Prophetensprüche

41

II.2.3.2. Die sieben Sendschreiben als Himmelsbriefe .

65

II.2.3.3. Die sieben Sendschreiben als prophetische Briefe

65

II.2.3.4. Die sieben Sendschreiben als ‚covenant suzerainty treaties‘ . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

II.2.3.5. Die sieben Sendschreiben als prophetische Verkündigung in Form imperialer Edikte . . . .

70

II.2.3.6. Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

VI

INHALTSVERZEICHNIS

II.3. Exegetische Vorentscheidungen  . . . . . . . . . . . . . . . . II.3.1. Apk 1,20 und die Relation der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν zu den ἐκκλησίαι . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.3.2. Zur Interpretation der Gestalten der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77 77 92

III. Das literarische Verhältnis der Weckrufe und der Überwindersprüche zu den übrigen Textbestandteilen der sieben Sendschreiben – Die sieben Sendschreiben in der Einzelanalyse . . . . . . . . 115 Das Sendschreiben an den ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας Das Sendschreiben an den ἄγγελος τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας Das Sendschreiben an den ἄγγελος τῆς ἐν Περγάμῳ ἐκκλησίας Das Sendschreiben an den ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας Das Sendschreiben an den ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας Das Sendschreiben an den ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.7. Das Sendschreiben an den ἄγγελος τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας III.8. Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.9. Apk 1  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.9.1. Die briefliche Einleitung Apk 1,4–8  . . . . . . . . III.9.2. Die Christusvision Apk 1,9–20 . . . . . . . . . . . III.10. Das Wachstum der Texteinheit Apk 1,4–3,22  . . . . . . . III.10.1. Fünf Thesen zum Wachstum der Texteinheit Apk 1,4– 3,22  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

III.1. III.2. III.3. III.4. III.5. III.6.

116 176 195 212 239 269 290 312 319 319 342 369 369

III.10.2. Das formgeschichtliche Argument . . . . . . . . . 376 III.11. Das redaktionsgeschichtliche Modell des Wachstums der Texteinheit Apk 1,4–3,22 – eine Übersicht  . . . . . . . . . . . 385 IV. Die zeitliche und die literarische Relation der Texteinheit Apk 1,4– 3,22 zum apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 . . . . . . . . 397 V. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 Autorenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447

VORWORT

Die hier vorgelegte Studie behandelt im Wesentlichen die Frage nach dem literarischen und dem historischen Verhältnis der in Apk 2f. vorliegenden sieben Sendschreiben der neutestamentlichen Johannesapokalypse zum apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22. In ihr wird versucht, eine gerade auch in der älteren Forschung formulierte Antwort auf diese Frage methodisch und exegetisch neu zu begründen. Die Entstehung dieses Buches ist von vielen Menschen begleitet und auch vorangetrieben worden; ihnen sei in diesem Vorwort der gebührende Dank abgestattet: Den Mitgliedern der Bielefelder Neutestamentlichen Sozietät, hier in Sonderheit Herrn Prof. Dr. A. Lindemann, Frau Dr. L. Steinkühler und Herr A. Noak, M.A., danke ich für zahlreiche Diskussionen und Gespräche und für so manchen weiterführenden Hinweis. Gedankt sei auch den Herausgebern der „Biblical Tools and Studies“, die die vorliegende Studie in die von ihnen verantwortete Reihe aufgenommen haben, vor allem Herrn Prof. Dr. J. Verheyden, dessen Anregungen an verschiedenen Stellen neue Klärungsprozesse initiierten. Meine Mitarbeiterin Frau E. Lehn, M.Ed. unterzog sich der Mühe mehrerer sehr sorgfältig ausgeführter Korrekturvorgänge – herzlichen Dank dafür. Schließlich danke ich den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Verlags Peeters, hier allen voran Herrn I. Spelmans, für ihre freundliche und kompetente verlegerische Betreuung dieser Studie. Gewidmet sei dieses Buch meiner Frau Birgit und meinen Kindern Lukas und Sharon, die mein Leben in Vergangenheit und Gegenwart unendlich bereicherten und bereichern. Billerbeck, im September 2019

Thomas Witulski

0. EINLEITUNG

In der vorliegenden Studie geht es um die Frage nach dem zeitlichen und damit auch dem literarischen Verhältnis desjenigen Teils der neutestamentlichen Johannesoffenbarung, der die sieben Sendschreiben bietet, d.h. der Texteinheit Apk 2f. bzw. Apk 1,4–20; 2,1–3,221 zum apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22. Untersucht werden soll, ob diese beiden zentralen Textblöcke dieses letzten Buches des Neuen Testaments in gleicher Zeit und in einem Zug oder zu unterschiedlichen Zeiten entstanden und sekundär zu einer textlichen Einheit zusammengefügt worden sind. Die Ergebnisse einer solchen Untersuchung sind in Sonderheit zunächst für die zeit-, in gleicher Weise aber auch für die lokalgeschichtliche2 Interpretation der neutestamentlichen Apokalypse und damit auch für die Rekonstruktion der Geschichte der Entwicklung des Christentums in der römischen Provinz Asia von erheblicher Relevanz. Wenn gezeigt werden könnte, dass diese beiden Textblöcke in gleicher Zeit entstanden und von vornherein als für ein zusammenhängendes Opus konzipiert zu denken seien, läge die Folgerung mehr als nahe, dass beide den gleichen zeit- und lokalgeschichtlichen Kontext und auch die gleiche Phase der Entwicklung des asianischen Christentums reflektierten. Wenn sich jedoch erweisen ließe, dass diese beiden Hauptbestandteile der neutestamentlichen Apk zu verschiedenen Zeiten verfasst und erst nachträglich zu einem zusammenhängenden Text verschmolzen worden wären, implizierte dieses Werk eine historische Tiefendimension, die sowohl die christlichen Gemeinden in der römischen Provinz Asia selbst als auch deren zeit- und lokalgeschichtliches Umfeld

1. Vgl. zu der engen motivischen und semantischen Verknüpfung der Abschnitte Apk 1,4– 8.9–20 einer- und Apk 2f. andererseits die jeweilige Einzelanalyse der einzelnen Sendschreiben u. passim; vgl. darüber hinaus exemplarisch L. Hartman, Form, 142: „It is certain that I,9–20 introduces the seven messages of chs. 2–3“. 2. Zur lokalgeschichtlichen Methode vgl. etwa P. Pilhofer/T. Witulski, Archäologie und Neues Testament, 244f.: „Die lokalgeschichtliche Methode versucht, die Texte des Neuen Testaments durch archäologische Ergebnisse zu erhellen. Dabei geht es insbesondere um epigraphische und numismatische, aber auch um topographische Daten. Es kommt darauf an, das lokale Umfeld einzelner urchristlicher Gemeinden in den Blick zu nehmen, je konkreter, desto besser“.

2

DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN APK 2–3

beträfe3. Vor diesem Hintergrund würde die Apk zum Zeugen für einen in ihr nachweis- und nachzeichenbaren innerchristlichen Entwicklungsprozess, der als in enger Korrespondenz zu entsprechenden Entwicklungen innerhalb der nichtchristlichen Umwelt sich realisierend interpretiert werden muss4. Angesichts der für das Verständnis der Apk insgesamt somit durchaus bedeutsamen Fragestellung ist es umso erstaunlicher, dass die Frage nach dem zeitlichen und damit auch dem literarischen Verhältnis der sieben Sendschreiben zum apokalyptischen Hauptteil bis dato m.W. noch nicht zum Gegenstand einer gründlichen, die Forschungsgeschichte und den aktuellen Forschungsstand aufarbeitenden und das Problem im Zusammenhang und methodisch verantwortet reflektierenden exegetischen Untersuchung geworden ist. Zwar begegnen in der Forschungsgeschichte, insbesondere in älteren Kommentaren und Studien zur Apk, durchaus unterschiedliche Antworten auf diese Frage5; jene werden allerdings eher thetisch formuliert und erscheinen kaum als Resultate einer kritischen Auseinandersetzung mit anderslautenden Forschungspositionen. Diesem offenkundigen Desiderat der Forschung soll mit der vorliegenden Studie abgeholfen werden. Ihr Ziel ist es, in kritisch-reflektierter Aufnahme des Forschungsstandes auf folgende Fragen eine Antwort zu finden: Sind die sieben Sendschreiben zeitgleich mit dem apokalyptischen Hauptteil oder früher bzw. später als jener verfasst worden? Waren die Sendschreiben und der apokalyptische Hauptteil von vornherein als gemeinsame Bestandteile eines zusammenhängenden Werkes geplant oder sind sie erst später, womöglich nach einer Phase einer jeweils eigenen und unabhängigen (Text-)Geschichte, zu einer dann sekundären textlichen Einheit zusammengefügt worden? Lassen sich auf diese Fragen belastbare Antworten formulieren, ist damit eine Basis für die Rekonstruktion 3. Vgl. zu diesem Gesichtspunkt etwa P. Trebilco, Christians, 295f., der unter Verweis auf die entsprechende These von R.H. Charles (vgl. hierzu u. 16–17) formuliert: „This would mean that 2:1–7 [d.h. das Sendschreiben an die Gemeinde zu Ephesus] would not provide evidence for the Ephesian Christians in 95 CE [d.h. zur – in der Forschung weithin angenommenen – Zeit der Abfassung der Apk in ihrer Gesamtheit], but rather at some earlier period“. 4. Zu der auf die entsprechende Gegenwart gerichteten interpretativen Funktion apokalyptischer Literatur vgl. neuestens M. Tilly, Apokalyptik, 52f.: „Die apokalyptische Literatur will nicht nur kommende Entwicklungen und Ereignisse prognostizieren, sondern auch und vor allem eine neue Perspektive auf die Welt erschließen. Die primäre textpragmatische Funktion gerade der zukunftsbezogenen Heils- und Unheilsvorstellungen in den – den Weltlauf deutenden und das erwartete Weltende enthüllenden – apokalyptischen Schriften besteht demnach in der Erklärung der Geschichte und in der Bewältigung der Gegenwart angesichts bestehender Probleme und Krisen“. 5. Vgl. hierzu u. 5–21.

EINLEITUNG

3

der Geschichte der Entstehung der Apk gewonnen; sollte sich herausstellen, dass die Sendschreiben und der apokalyptische Hauptteil zu unterschiedlichen Zeiten abgefasst worden sind, vermag die Apk als ein Buch begriffen zu werden, das Einblicke in die Geschichte der Entwicklung des Christentums in der römischen Provinz Asia und in die Geschichte der Entwicklung des paganen Umfelds desselben zu vermitteln vermag. An dieser Stelle ist es notwendig, eine für das Verständnis der vorliegenden Studie wichtige Disposition zu formulieren: Bis zur Diskussion und zur mit derselben einhergehenden Klärung dieser Frage6 wird davon ausgegangen, dass sämtliche Texte der Apk von einem Verfasser stammen; dieser Verfasser wird als ‚der Apokalyptiker‘ bezeichnet.

6. Vgl. hierzu u. 397–425.

I. GRUNDLEGENDES ZUM FORSCHUNGSSTAND UND ZU STRUKTUR SOWIE METHODE DER VORLIEGENDEN STUDIE

In diesem ersten Kapitel geht es um zweierlei. Zunächst ist es notwendig, sich den Forschungsstand im Blick auf die in der vorliegenden Studie verhandelte Frage zu vergegenwärtigen. Dies soll allerdings nicht in historischer, sondern in systematischer Form geschehen, d.h.: Die in der Forschung als Antwort auf diese Frage entwickelten unterschiedlichen einzelnen Thesen und die zugunsten derselben in der Forschung jeweils angeführten Argumente werden jede für sich vorgestellt und kritisch diskutiert. Im Rahmen dieser Diskussion werden dann zugleich auch die zur Beantwortung der die vorliegende Studie leitenden Frage notwendigen Arbeitsschritte reflektiert. In einem zweiten Teil dieses Kapitels werden diese Arbeitsschritte dann strukturiert und die Struktur der vorliegenden Studie entwickelt. I.1. FORSCHUNGSGESCHICHTLICHE GRUNDLINIEN Die Frage nach dem zeitlichen und – davon abhängig und zugleich damit zusammenhängend – dem literarischen Verhältnis der Reihe der sieben Sendschreiben Apk 2f. zum apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 wurde und wird in der exegetischen Forschung der letzten hundert Jahre wenn auch eher thetisch, so doch durchaus kontrovers diskutiert1. Im Rahmen dieser Diskussion lassen sich drei Grundthesen extrapolieren, die und deren in der Forschung zu ihren Gunsten jeweils namhaft gemachte Begründungen und Argumentationszusammenhänge am Beginn der hier vorliegenden Studie zunächst nachvollzogen, dann aber auch zugleich kritisch reflektiert werden sollen2. 1. Vgl. hierzu etwa die Ausführungen von O.K. Peters, Mandate, 13–15. 2. Vgl. zu den hier entwickelten unterschiedlichen Thesen grundsätzlich etwa auch U. Schnelle, Einleitung, 608f. und S. Schreiber, Offenbarung, in: M. Ebner/S. Schreiber, Einleitung, 564.

6

DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN APK 2–3

I.1.1. These I: Die sieben Sendschreiben Apk 2f. sind gleichzeitig mit dem apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 entstanden In der Apk-Forschung wird – nicht überraschend – mehrheitlich die These vertreten, die sieben Sendschreiben stellten eine im Zuge der Abfassung bzw. der (End-)Redaktion3 der Apk durch den Apokalyptiker verfasste Reihe von sieben Episteln dar, seien also zeitgleich mit dem apokalyptischen Hauptteil entstanden und bildeten somit einen ursprünglichen und zugleich integralen Bestandteil dieses letzten Buches des Neuen Testaments4. Diese Position wird in zahlreichen neueren Kommentaren und Studien zur Apk mehr oder weniger stillschweigend vorausgesetzt, ohne einer intensiveren Diskussion gewürdigt zu werden. Dies trifft zu etwa für die Studie von K. Huber und die ApkKommentare von E. Schüssler Fiorenza, H. Giesen, G.K. Beale, G.D. Fee und – neuestens – auch C.R. Koester und M. Karrer5. Immerhin U.B. Müller begründet – in der Auseinandersetzung etwa mit R.H. Charles und dessen u. dargestellter Hypothese – diese These näher; er weist zunächst auf den „zwischen den Sendschreiben 3. Zum Begriff der (End-)Redaktion vgl. etwa die von W. Bousset vertretene Position zur Entstehung der Apk (Apk, 116f.122–129). Bousset geht davon aus, dass der Apokalyptiker seine Apk u.a. aus einer Anzahl ihm schriftlich oder auch mündlich vorliegender Tradition schuf und somit als ein – inhaltlich allerdings eigenständig denkender und arbeitender – Redaktor agierte: „Wir nehmen keine Grundschrift mit allmählichen Erweiterungen, keine Quellen und keinen mechanisch arbeitenden Redaktor an, sondern einen apokalyptischen Schriftsteller, der jedoch in vielen Punkten nicht aus freier Hand schuf, sondern ältere apokalyptische Fragmente und Überlieferungen, deren Überlieferung vorläufig noch dunkel bleibt, verarbeitete“ (129). Vgl. hierzu etwa auch J. Frey, Erwägungen, 420: „Der mit der johanneischen Schule verbundene oder von ihr beeinflußte ‚Apokalyptiker letzter Hand‘ ist daher – insbesondere auch aufgrund der kunstvollen Komposition des Ganzen – als eigenständiger Schriftsteller zu würdigen“; zu weiteren in die Richtung der Abfassung der Apk als einer (End-)Redaktion denkenden Forscher vgl. F. Tóth, Vision, 334–336. 4. Zu dieser These vgl. explizit etwa U.B. Müller, Apk, 39f.; vgl. hierzu auch sehr entschieden F. Hahn, Sendschreiben, 362, der im Jahr 1971 formuliert: „Die Integrität der Sendschreiben und ihre ursprüngliche Zugehörigkeit zur Johannesapokalypse wird heute nicht mehr bestritten“; vgl. auch P. Trebilco, Christians, 296: „These factors suggest that the letters were composed together for their present context and at the same time as the rest of the book“. 5. K. Huber widmet dieser Frage immerhin eine Anmerkung (vgl. Menschensohn, 76, A. 9); E. Schüsser Fiorenza formuliert lapidar: „Da sowohl die Sendschreiben, als auch die folgenden Visionen auf prophetische Ermahnung zielen, dürfen die Sendschreiben nicht von den sogenannten apokalyptischen Visionen getrennt werden, sondern müssen als integraler Teil der gesamten visionären rhetorischen Komposition des Autors verstanden werden“; neuestens schließlich stellt M. Karrer im Rahmen der Diskussion der Frage der Einheitlichkeit der Apk, ohne die in der vorliegenden Studie thematisierte Frage jedoch en détail zu untersuchen, fest: „Indessen zwingen die einheitliche Überlieferung der Apk und der sie durchziehende Sprachklang den Auslegern die Beweislast zur Trennung der Schichten auf; … Wir entscheiden uns für die literarische Einheitlichkeit der Apk und damit für eine Würdigung der scheinbaren Spannungen als grundlegende, literarisch-rhetorisch intendierte Charakteristika des Werkes“ (Apk I, 85). Die übrigen der hier genannten Exegeten thematisieren die Möglichkeit, dass die Apk 2f. überlieferten Sendschreiben früher oder später als der apokalyptische Hauptteil Apk 4–22 entstanden sein könnten, nicht einmal im Ansatz.

GRUNDLEGENDES

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und [dem] apokalyptische[n]. Hauptteil übereinstimmende[n] Sprachstil“6 hin, um dann anzumerken, dass die Annahme, die sieben Sendschreiben Apk 2f. und der apokalyptische Hauptteil Apk 4–22 setzten unterschiedliche Abfassungssituationen voraus, „nur gewaltsam“7 gelänge, nämlich nur dann, wenn die Ausführungen in Apk 3,10 und die Überwindersprüche als sekundäre Zusätze herausgestrichen würden, ein Unterfangen, das Müller als „willkürliche. Literarkritik“8 verwirft. Innerhalb seiner Ausführungen skizziert Müller durchaus zutreffend die entscheidenen Fragehorizonte, die im Blick auf die in der vorliegenden Studie verhandelte Fragestellung zu thematisieren und zu diskutieren sind, in seinen Analysen jedoch kommt er über bloße Behauptungen nicht hinaus. Gleiches gilt im Blick auf die Ausführungen von J. Roloff, der gegenüber der etwa von D.E. Aune vertretenen Position9 geltend macht, dass diese „angesichts der festen Verklammerung des zweiten Hauptteils mit dem ersten nicht überzeugen“10 könne. Dass diese Verklammerung aber womöglich im Rahmen eines Redaktionsprozesses, so wie ihn etwa D.E. Aune beschreibt, bewusst vorgenommen worden sein könnte, erwägt Roloff nicht.

Aus dem Blickwinkel zeitlicher und literarischer Einheitlichkeit scheint sich letztmalig W. Bousset ausführlich mit der Annahme, die sieben Sendschreiben seien zeitlich früher als der apokalyptische Hauptteil entstanden – und zugleich von jemand anderem als dem Apokalyptiker verfasst worden –, auseinanderzusetzen. Insbesondere gegen die von F. Spitta11 vertretene These, die Weckrufe und die Überwindersprüche stellten nachträgliche Ergänzungen der sieben Sendschreiben dar – diese These eröffnet ihm erst den Raum für seine Annahme, die Sendschreiben zeitlich und damit auch literarisch eher als den apokalyptischen Hauptteil anzusetzen – führt Bousset folgende Argumente ins Feld: (a) „Die stereotype Form der Briefausgänge spricht nicht gegen ihre Echtheit“12, d.h. nicht gegen die Annahme, dass der Verfasser der sieben Sendschreiben mit demjenigen des apokalyptischen Hauptteils 6. Apk, 39. 7. Apk, 39. 8. Apk, 40; insgesamt urteilt Müller: „Die Annahme einer verschiedenen historischen Situation gelingt nur gewaltsam. Streicht man als nachträgliche Zusätze [Apk] 3,10 mit seinem Hinweis auf eine umfassende Verfolgung, ebenso die Überwindersprüche, die am Ende jedes der Schreiben zum Durchhalten auffordern, kommt man in der Tat zu dem Schluß, daß die Briefe eine andere Situation voraussetzen als der apokalyptische Teil [!] (Charles) – doch nur um den Preis einer willkürlichen Literarkritik, die keinen wirklichen Anhalt am Text hat“ (39f.); vgl. zu dieser Einlassung Müllers auch J.-W. Taeger, Johannesapokalypse, 24, A. 136. Es wird im weiteren Verlauf der Studie zu zeigen sein, inwieweit die Abtrennung der Überwindersprüche nicht womöglich doch seine Berechtigung zu haben vermag und eben gerade keine ‚willkürliche Literarkritik‘ darstellt. 9. Vgl. hierzu u. 17–21. 10. Apk, 21. 11. Zu F. Spitta und seiner These vgl. ausführlich u. 12–16. 12. Apk, 235; darüber hinaus: „Daraus, daß durch die verschiedene Anordnung des Schlusses die Sendschreiben in 3 + 4 abgeteilt werden, läßt sich zunächst nur der Schluß ziehen, daß hier dieselbe Hand tätig war, welche die gesamte Apk schrieb“. Mit diesem

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DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN APK 2–3

identisch sei. Das trifft sicherlich zu, impliziert aber eo ipso kein positives Argument zugunsten der Annahme der ursprünglichen literarischen Einheitlichkeit der sieben in Apk 2f. überlieferten Sendschreiben. (b) Entgegen der Behauptung Spittas13 wiesen einige der Überwindersprüche sehr wohl Bezüge zu den jeweiligen Sendschreibencorpora auf; konkret verweist14 Bousset hier auf die Bezüge zwischen Apk 2,17 und Apk 2,1415, zwischen Apk 3,5 und Apk 3,116 und zwischen Apk 3,12 und Apk 3,717. Diese – und womöglich noch weitere in der exegetischen Literatur herausgearbeitete – Bezüge sind aber zunächst näherhin zu analysieren und daraufhin zu befragen, ob sie mit Notwendigkeit die Annahme indizierten, dass die Sendschreibencorpora und die Überwindersprüche zu gleicher Zeit entstanden seien und eine ursprüngliche literarische Einheit bildeten. Sollte diese Frage im Blick auf die einzelnen Bezüge jeweils positiv zu beantworten sein, wäre – zumal in Verbindung mit dem nächsten hier diskutierten Argument Boussets – zumindest auszuschließen, dass die Sendschreiben zeitlich früher als der apokalyptische Hauptteil entstanden sind. Sollte diese Frage jedoch jeweils negativ zu beantworten sein, öffnete sich jedoch durchaus ein argumentationslogischer Raum zugunsten eben dieser Annahme. (c) Die zahlreichen Bezüge der Überwindersprüche zu Passagen des apokalyptischen Hauptteils bewiesen, dass die Sendschreiben und der apokalyptische Hauptteil vom gleichen Verfasser stammten18. Auch dieses Argument antwortet Bousset auf den Hinweis Spittas, daß die Briefschlüsse der einzelnen Sendschreiben „alle vollkommen analog gestaltet“ (234) seien. 13. Vgl. hierzu W. Bousset, Apk, 234f.: „Die Verheißungen in den Briefen haben gewöhnlich gar keine Beziehung zu dem speziellen Inhalt der einzelnen Sendschreiben“. 14. Vgl. hierzu Apk, 235. 15. Zur Diskussion des Bezuges zwischen Apk 2,14 und Apk 2,17 vgl.u. 206–209. 16. Zur Diskussion des Bezugs zwischen Apk 3,1 und Apk 3,5 vgl.u. 263–264. 17. Ein Bezug zwischen Apk 3,7 und Apk 3,12 lässt sich schwerlich erweisen; vermutlich liegt hier schlicht ein Irrtum W. Boussets vor, der nicht auf einen Bezug zwischen Apk 3,7 und Apk 3,12, sondern auf einen zwischen Apk 3,8 und Apk 3,12 abheben wollte, zur Diskussion dieses Bezugs vgl.u. 286–288. 18. Vgl. hierzu Apk, 235, wobei Bousset etwas missverständlich formuliert: „Die vielen Beziehungen der Briefschlüsse zu späteren Partien der Apk beweisen zunächst doch nur, daß diese und die Sendschreiben von einer Hand stammen“. Anders hier F. Spitta: „Dieselben [d.h. die Überwindersprüche] heben sich von den übrigen Ausführungen der Sendschreiben durch ihre dunkle und rätselhafte Form ab, stehen vielfach zu späteren Teilen der Apk in Beziehung und finden dort erst ihre Erklärung“ (W. Bousset, Apk, 235); konkret verweist Spitta Bousset zufolge hier auf folgende Bezugnahmen: Apk 2,7 zu Apk 22,7, Apk 2,11 zu Apk 20,6-14; 21,8, Apk 2,17 zu Apk 19,12; 22,4, Apk 2,26f. zu Apk 12,5; 19,15; 20,4, Apk 2,28 zu Apk 22,16; Apk 3,12 zu Apk 21,16; 22,4; Apk 3,20 zu Apk 19,9 und Apk 3,21 zu Apk 20,4. Vgl. zu diesen in den Überwindersprüchen sichtbar werdenden Bezugnahmen auch O.K. Peters, Mandate, 14, A. 16.

GRUNDLEGENDES

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Argument Boussets vermag im Sinne seiner These letztlich nicht zu überzeugen; denkbar bleibt jedoch, dass etwa eine spätere Hand entweder die Sendschreiben zeitlich später als den apokalyptischen Hauptteil verfasst oder die redaktionelle Einfügung der Überwindersprüche in die – zeitlich früher als der apokalyptische Hauptteil entstandenen – Sendschreiben vorgenommen und so diese Bezüge ganz bewusst und sekundär hergestellt habe. (d) Auch bei den „Briefeingängen … [sei] die Beziehung zum folgenden nicht überall deutlich“19. Mit diesem die Argumentation Spittas zu relativieren suchenden Hinweis gewinnt Bousset jedoch kaum etwas für seine These der zeitlichen und literarischen Koinzidenz der Sendschreiben und des apokalyptischen Hauptteils, da dieser das von Spitta zugunsten seiner These entwickelte Argument s.E. vollständig fehlender Bezüge der Überwindersprüche zu den Corpora der einzelnen Sendschreiben unmittelbar nicht zu entkräften vermag. (e) Die in den Überwindersprüchen aufweisbaren „Anklänge an die Synoptiker und an die johanneischen Schriften“20 bewiesen keinesfalls die von Spitta angenommene nachträgliche Ergänzung der Sendschreiben um eben die Überwindersprüche und damit deren Entstehung zeitlich vor derjenigen des apokalyptischen Hauptteils und deren nachträgliche Verknüpfung mit demselben durch den ‚Apokalyptiker letzter Hand‘ als einem späten Redaktor, sondern lediglich „die späte Datierung der Sendschreiben überhaupt“21. Dieses Argument hängt letzten Endes davon ab, ob es plausibel gemacht werden kann, dass die Überwindersprüche als sekundäre Zusätze zu den Sendschreiben anzusehen sind; sollte dies nicht gelingen, würde die Argumentation Boussets an dieser Stelle weitgehend bestätigt22. (f) Die vor allem in den Weckrufen zum Ausdruck kommende Hinwendung an die sieben in der Apk angeschriebenen Gemeinden in ihrer Gesamtheit23 „beweist nicht das, was Sp[itta]. … beweisen möchte“24, d.h. 19. Apk, 235f.; mit diesem Hinweis versucht Bousset das von F. Spitta formulierte Argument, dass – im Unterschied zu den Überwindersprüchen – „die Briefeingänge alle eine deutliche Beziehung auf den Inhalt des folgenden Sendschreibens“ (W. Bousset, Apk, 235) aufweisen, zu entkräften. 20. Apk, 236. 21. Apk, 236. 22. Vgl. hierzu bereits die Bemerkungen zu der Argumentation von U.B. Müller o. 6–7. 23. Vgl. hierzu W. Bousset, Apk, 235 im Rahmen der Darstellung der Argumentation Spittas: „Besonders verdächtig aber ist die wiederholte Formel: τί τὸ πνεῦμα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις. Der in den Briefen redende Herr wird hier identifiziert mit dem Geist. Das scheint sich kaum mit der für dieses Stück so außerordentlich charakteristischen Anschauung von den sieben Geistern zu vertragen 1,4; (2,1); 3,1)“. 24. Apk, 236.

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beweise vor allem nicht, dass die Weckrufe und auch die Überwindersprüche den Sendschreiben nachträglich hinzugefügt worden seien. Hinzu käme, dass die von Spitta formulierte These nur funktioniere im Zusammenhang mit der – von jenem eben auch vertretenen – Annahme, dass es sich bei den Sendschreiben um ursprünglich eigenständige Episteln gehandelt habe25, eine Annahme, der das Formular dieser Episteln widerrate. Die Wendung an die Gesamtheit der sieben in der Apk angeschriebenen Gemeinden sei vielmehr mit der Beobachtung zu rechtfertigen, dass der Apokalyptiker „zwar konkrete Zustände in den einzelnen Gemeinden behandelt“26, die jedoch als „typisch für die Gesamtkirche“27 anzusehen seien, eine Beobachtung, aus der Bousset folgert, dass nicht dagegen spräche, „daß die Apk von vornherein für die Gesamtkirche … als Vorlesungsbuch bestimmt war, daß die sieben Sendschreiben von vornherein nicht als einzelne Briefe, sondern als literarisches Ganzes gedacht sind“28. Diese Ausführungen Boussets vermögen zwar die Beobachtung zu erklären, dass sich der Apokalyptiker in den Weckrufen am Ende der einzelnen Sendschreiben über die einzelne angeschriebene Gemeinde hinaus an die Gesamtheit der sieben angeschriebenen Gemeinden wendet. Sie vermögen jedoch einerseits nicht zu plausibilisieren, warum der Apokalyptiker in den einzelnen Sendschreiben zunächst den κύριος Χριστός, dann aber auch noch das sämtliche Gemeinden ansprechende πνεῦμα zu Wort kommen lässt, vermögen andererseits nicht einsichtig zu machen, warum der Apokalyptiker in Apk 2f. überhaupt diesen zumindest umständlich scheinenden Weg der Verallgemeinerung – zunächst werden anscheinend in einer einzelnen Gemeinde vorfindliche konkrete Zustände und Entwicklungen thematisiert, die dann in ihrer Bedeutung auf die Gesamtheit der in der Apk angeschriebenen Christen ausgeweitet werden – wählt, anstatt die Gesamtheit der sieben Gemeinden der römischen Provinz Asia unmittelbar als Gesamtheit anzusprechen und anzuschreiben. Aus der kritischen Diskussion der von W. Bousset in seinem ApkKommentar durchgeführten Auseinandersetzung mit den literarkritischen und redaktionsgeschichtlichen Thesen F. Spittas zu Apk 2f. ergeben sich

25. Vgl. hierzu W. Bousset, Apk, 236: „Sp[itta]. freilich nimmt an, daß die sieben Sendschreiben ursprünglich wirkliche, an die einzelnen Gemeinden gerichtete Briefe gewesen seien, so daß also jede Gemeinde ihren besondern Brief (mit angehängter Apk) bekommen hätte. Dann paßten die Briefschlüsse allerdings nicht und Sp[itta]. hätte Recht, sie als spätere Interpolationen auszuschalten“. 26. Apk, 236. 27. Apk, 236. 28. Apk, 236.

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folgende Fragenkomplexe und Aspekte, die im Rahmen eines positiven – oder womöglich auch negativen – Erweises einer zeitlichen und literarischen Koinzidenz der sieben Sendschreiben Apk 2f. und dem apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 näher zu untersuchen sind: (a) Zunächst ist – auf der Basis zuvor zu entwickelnder formaler und inhaltlicher Kriterien29 – zu untersuchen, ob die jeweils von einer Botenformel eingeleiteten Corpora der sieben Sendschreiben einer- und die ihnen jeweils zugeordneten Weckrufe und Überwindersprüche andererseits ursprüngliche literarische Einheiten darstellen oder ob sich eher wahrscheinlich machen lässt, dass letztere den ersteren sekundär hinzugefügt worden sind30? (b) Sollte sich diese Frage positiv beantworten lassen, ist im Anschluss daran zu klären, inwieweit die – dann von den Weckrufen und den Überwindersprüchen isoliert zu betrachtenden – von einer Botenformel eingeleiteten Corpora der einzelnen Sendschreiben eine andere Abfassungssituation voraussetzen als der apokalyptische Hauptteil. Lässt sich auch diese Frage positiv beantworten, muss dann der Versuch unternommen werden, die zeitliche Relation dieser beiden unterschiedlichen Abfassungssituationen zueinander zu bestimmen. Die in neuerer Zeit etwa von M. Stowasser aufgewiesenen engen motivischen Berührungen und Bezüge zwischen den Ausführungen in Apk 2f. und denen in Apk 4–2231 sprechen keinesfalls grundsätzlich gegen die Annahme, die sieben Sendschreiben seien früher oder auch später als der im Duktus der Darstellung innerhalb der Apk auf sie folgende apokalyptische Hauptteil verfasst worden. Nicht ausgeschlossen werden kann einerseits, dass der Apokalyptiker diese Episteln bereits vor der Schau des apokalyptischen Hauptteils verfasst und diesem dann vorangestellt hat, indem er jene redigiert und diese motivischen Berührungen und Bezüge bewusst konstruiert hat. Andererseits bleibt denkbar, dass ein späterer Autor diese Sendschreiben nachträglich in die bereits bestehende Apk eingefügt und im Zuge dieses literarischen Integrationsprozesses diese Berührungen und Bezüge kreiert hat.

29. Solche Kriterien sind notwendig, um der Gefahr einer von U.B. Müller, Apk, 40 durchaus m.R. kritisierte „willkürlichen Literarkritik“ bereits auf der methodischen Ebene zu entgehen (vgl. hierzu auch ausführlich u. 25–37). 30. Vgl. hierzu auch die o. bereits diskutierten Ausführungen von U.B. Müller mit ihren die jeweilige Abfassungssituation der Sendschreiben und des apokalyptischen Hauptteils betreffenden Implikationen o. 6–7. 31. Vgl. hierzu M. Stowasser, Sendschreiben, 51–60; auffällig ist, dass sich die von Stowasser hier aufgewiesenen Beispiele in überwiegendem Maße auf die ‚Botenformeln‘ und die Überwindersprüche, in nur sehr geringem Maße aber auf die Corpora der einzelnen Sendschreiben beziehen.

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I.1.2. These II: Die sieben Sendschreiben Apk 2f. sind zeitlich vor dem apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 entstanden Die Vertreter dieser These gehen sämtlich davon aus, dass die sieben Sendschreiben als vom Apokalyptiker selbst32 oder von jemand anderem33 zeitlich vor der Abfassung bzw. der (End-)Redaktion seiner Apk verfasste einzelne Schreiben anzusehen seien, die jener im Rahmen eben dieser Abfassung bzw. (End-)Redaktion dann zusammenstellte, redaktionell bearbeitete und mit dem apokalyptischen Hauptteil – und auch mit der Beauftragungsvision Apk 1 – zu der nun entstehenden Gesamt-Apk zusammenfügte. Dieser These zufolge seien die – nach F. Spitta zu einer christlichen Urapokalypse zu zählenden34 – Sendschreiben also zeitlich früher entstanden als die Apk in ihrer Gesamtheit, zugleich aber als ein ursprünglicher und integraler Bestandteil derselben anzusehen. F. Spitta zufolge lägen der neutestamentlichen Apk drei Quellenschriften zugrunde, die von einem Redaktor mit einigen wenigen Ergänzungen versehen und zu der dann im Neuen Testament vorliegenden Apk zusammengefügt worden seien35. Die älteste Quellenschrift, die christliche Urapokalypse, bestehe aus der Adresse Apk 1,4–6, der Vision Apk 1,9–19, den sieben Sendschreiben Apk 2f. – mit Ausnahme der Briefschlüsse36 –, der „einleitende[n] Vision zu den Weissagungen über die Zukunft“37 Apk 4f., sieben die Zukunft betreffende Visionen Apk 6; 8,1; 7,9–17; 19,9b.10a und dem Schluss Apk 22,8–2138.

F. Spitta führt zur Begründung dieser These insbesondere folgende Argumente an39: (a) Die – nicht dem in den Sendschreiben eigentlich redenden 32. Vgl. zu dieser Variante dieser These etwa R.H. Charles, Apk I, 43f.; Charles formuliert: „The Letters were written by our Author at an earlier date and re-edited by him for the present work with certain additions“ (43). 33. Zu dieser Variante vgl. etwa J. Wellhausen, Analyse, 5: „Was nun die sieben Briefe selber betrifft …, so sind sie älter als der Apokalyptiker. Er hat sie vorgefunden und mit Zusätzen versehen“; in diesem Sinne auch J. Weiß, Apk, 35–40 und F. Spitta, Apk, 41–58. Zu dem von Spitta vertretenen Modell der Entstehung der Apk darüber hinaus noch W. Bousset, Apk, 113f.; diesem Modell zufolge rechnet Spitta die sieben Sendschreiben einer „christlichen Urapokalypse“ (114) zu; vgl. hierzu auch F. Spitta, Apk, 227f.249–273. 34. Vgl. hierzu u. 35. Vgl. hierzu Apk, 227–234 und die Ausführungen und die sehr hilfreiche Übersicht bei W. Bousset, Apk, 113f. 36. Vgl. hierzu u. 15–16 und W. Bousset, Apk, 114, A. 2. 37. Apk, 227. 38. Vgl. hierzu die Übersicht Apk, 227. 39. Die nun zu führende Diskussion bildet in gewisser Weise eine Negativfolie zu der o. geführten Diskussion der Argumentation von W. Bousset. Diese Diskussion ist aber notwendig, um die von F. Spitta vorgelegten Argumente in angemessener Weise würdigen zu können.

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Christus zuschreibbaren40 – Weckrufe am Ende der Sendschreiben stellten einen späteren Zusatz dar. Einerseits nämlich ließen diese Weckrufe – ihrer ursprünglichen Adresse wiedersprechend – die Apk als ein an die gesamte Christenheit gerichtetes Buch erscheinen und setzten deren Verbreitung über den Kreis der sieben angeschriebenen Gemeinden hinaus voraus41, andererseits implizierten jene „eine objektive Bemerkung über seinen [d.h. des Apokalyptikers] Zustand“42, die nicht zu dem in den Briefen aufscheinenden „Zustand der Verzückung“43 passte44. Dieses Argument vermag zumindest in der vorliegenden Form nicht zu überzeugen: (1) Warum sollen die Weckrufe nicht als von dem in den Sendschreiben eigentlich sprechenden Christus gesprochen vorzustellen sein? Die Argumentation Spittas geht letzten Endes nur auf, wenn vorausgesetzt wird, dass es sich bei den einzelnen Sendschreiben um ursprünglich unabhängig von der Apk existierende Briefe handelte, die erst nachträglich zu einer Briefsammlung zusammengefügt worden seien45. Für eine solche Annahme, die auch von Spitta nicht vertreten wird46, bieten die Sendschreiben selbst jedoch keinerlei expliziten 40. Vgl. hierzu Apk, 43: „Dass dieselbe [d.h. der Weckruf] nicht Äusserung Christi, aber auch nicht des Briefschreibers Johannes sein kann, versteht sich von selbst.“; ähnlich auch J. Weiß, Apk, 37: „Klar ist, daß die Rahmung zum Hören … nicht von Christus sondern vom Schriftsteller gesprochen gedacht ist. Es ist aber ganz unwahrscheinlich, daß hier Johannes redet“. 41. Vgl. hierzu Apk, 43f.: „Denn wie Anfang und Schluss der Apokalypse zeigt, ist das Buch nicht an die gesamte Christenheit, sondern an die sieben betreffenden Gemeinden Kleinasiens gerichtet; und von den Briefen speziell ist ein jeder für den ἄγγελος einer Gemeinde aufgeschrieben worden. Jene beanstandete Wendung aber hat zu ihrer Voraussetzung nicht bloss eine Sammlung der Briefe, sondern auch eine Lektüre derselben über den Kreis der Gemeinden hinaus“ (vgl. hierzu auch 49.50f.); vgl. hierzu auch J. Weiß, Apk, 37: „Ein besonderes Merkmal des Herausfalles aus der Situation des Johannes ist noch der Umstand, daß er die Worte des Geistes nicht mehr der einzelnen Gemeinde, sondern ‚den Gemeinden‘ empfiehlt, d.h. entweder der Gesamtkirche seiner Zeit oder den kleinasiatischen Gemeinden im Ganzen. Er empfindet nicht mehr, wie konkret und individuell Alles in den Briefen Gesagte ist; was der einen Gemeinde gilt, das gilt allen“. In diesem Zusammenhang diskutiert Weiß das im Alten und im Neuen Testament an jeweils unterschiedlichen Stellen fassbare Wirken von Redaktoren, innerhalb dessen, vergleichbar mit der offensichtlichen Intention der Weckrufe in Apk 2f., jeweils die Tendenz zu einer Universalisierung der zunächt konkret und individuell gedachten Ausführungen sichtbar werde (Apk, 37f.) 42. Apk, 44. 43. Apk, 44. 44. Vgl. zu diesem Argument auch J. Weiß, Apk, 37: „Der Ausdruck ‚was der Geist sagt‘ ist aber so objektiv gehalten, daß er nicht in den Mund eines Begeisterten, Verzückten passt“. 45. Vgl. hierzu etwa die entsprechenden kritischen Ausführungen von W. Bousset, Apk, 236 (vgl. hierzu o. 7–10). 46. Anders, als die Ausführungen W. Boussets dies nahelegen, scheint nicht zuzutreffen, dass Spitta die Annahme vertrete, „daß die sieben Sendschreiben ursprünglich wirkliche, an die einzelnen Gemeinden gerichtete Briefe gewesen seien, so daß also jede Gemeinde ihren besonderen Brief (mit angehängter Apk) bekommen hätte“ (Apk, 236). Vielmehr ordnet

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Hinweis47. Somit bleibt zumindest grundsätzlich denkbar, dass der Apokalyptiker die sieben Sendschreiben von Beginn an als – eine nicht an die gesamte Christenheit, sondern an die sieben in der Apk angeschriebenen asianischen Gemeinden gerichtete – Briefsammlung konzipiert hat und den κύριος Χριστός mit dem Weckruf und mit dem mit diesem zusammenhängenden Überwinderspruch auf den apokalyptischen Hauptteil – bzw. nach Spitta auf den Rest der christlichen Urapokalypse48 – vorausverweisen lassen wollte49. Sollten die – in diesem Sinne interpretierten – Weckrufe und Überwindersprüche sich daher als ursprüngliche und integrale Bestandteile der einzelnen Sendschreiben erweisen lassen, stützten sie und ihre Zugehörigkeit zu denselben eher die etwa von W. Bousset vertretene These einer zeitlichen und literarischen Koinzidenz von Apk 2f. und Apk 4–22 als die von Spitta vertretene Annahme, die Sendschreiben seien zeitlich vor dem apokalyptischen Hauptteil entstanden. (2) Die Weckrufe setzen keineswegs die Verbreitung der Apk in der gesamten Christenheit voraus, sondern erfordern lediglich die Annahme, dieses Werk sei in den sieben in ihr angeschriebenen Gemeinden bekannt, ein Erfordernis, das mit der von Spitta entwickelten Theorie zur Entstehung der Apk50 durchaus in Einklang zu bringen wäre. (3) Inwieweit die Weckrufe die Annahme eines gegenüber den Sendschreiben weniger ‚verzückten‘ Zustandes ihres Verfassers erforderlich machten, lässt sich exegetisch nicht mit Notwendigkeit erweisen. (4) Schließlich: Die Annahme, die Weckrufe stellten spätere Ergänzungen der einzelnen Sendscheiben dar, belegt für sich genommen noch nicht, dass die Sendschreiben selbst zeitlich früher als der apokalyptische Hauptteil entstanden seien. Dies erwiese sich erst, wenn gezeigt werden könnte, dass die ersteren – bzw. deren mit einer Botenformel eingeleiteten Corpora – eine andere, zeitlich früher zu situierende Abfassungssituation als letztere voraussetzen. Die Diskussion der Überlegungen Spittas zu den Weckrufen erzeigt somit einerseits die – schon im Rahmen der Diskussion der Argumentation von W. Bousset sichtbar

Spitta die sieben Sendschreiben von Anfang an in die christliche Urapokalypse ein (vgl. hierzu die Ausführungen zu Spittas Theorie zur Entstehung der Apk o. 12). 47. Vgl. hierzu bereits E. Lohmeyer, Apk, 40: „Die Schreiben in c. 2 und 3 sind alles andere als Briefe. Keine briefliche Form, keine briefliche Situation, kein brieflicher Austausch ist in ihnen zu finden“. 48. Vgl. hierzu o. 12. 49. Vgl. hierzu etwa E.-M. Enroth, Hearing Formula, 602; sie möchte dem Weckruf eine präparativ-paränetische Funktion zuschreiben: „Its [d.h. des Weckrufes] function is parenetic …. The HF [d.h. der Weckruf] is an invitation and an encouragement to hear. It underlines what should be heard and how it should be heard, and what follows from hearing aright“; zur Diskussion der Funktion der Weckrufe vgl. ausführlich u. 149–158. 50. Vgl. hierzu o. 12.

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gewordene51 – Notwendigkeit, (noch einmal) zu untersuchen, ob die Weckrufe sich sinnvoll als ursprünglicher und integraler Bestandteil der einzelnen Sendschreiben auffassen ließen oder ob sie zwangloser begreifbar wären als eine sekundäre Ergänzung derselben. Andererseits lässt diese Diskussion es aber auch notwendig scheinen, die Frage zu beantworten, ob die Corpora der einzelnen Sendschreiben auf der einen und der apokalyptische Hauptteil auf der anderen Seite jeweils eine andere Abfassungssituation voraussetzten, eine Notwendigkeit, die ebenfalls schon innerhalb der Diskussion der Argumentation von W. Bousset erkennbar wurde52. (b) Den Weckrufen entsprechend stellten auch die Überwindersprüche sekundäre Zusätze dar53. Zur Stützung seiner These verweist Spitta zunächst auf den Sachverhalt, dass „schon die Bezeichnung ὁ νικῶν … in den vorliegenden Zusammenhängen etwas Unvermitteltes“54 [hat]55. Darüber hinaus ließen sich zwischen jenen und den Corpora der einzelnen Sendschreiben, anders als etwa zwischen den Corpora und den Botenformeln, kaum inhaltliche Bezüge nachweisen56. Da dies in der gegenwärtigen Forschung weitestgehend anders gesehen wird57, muss auch dieser Frage im Rahmen einer methodisch reflektierten umfassenden Analyse, innerhalb der auch die Argumentation Spittas im einzelnen auf den Prüfstand zu stellen ist, neu nachgegangen werden58. 51. Vgl. hierzu bereits o. 6–11. 52. Vgl. hierzu bereits o. 11. 53. Diese These ergibt sich für Spitta aus dem Erweis der Sekundarität der Weckrufe und der Tatsache, dass diese in den drei ersten Sendschreiben dem jeweiligen Überwinderspruch vorausgeht, in den letzten vier Sendschreiben jenen jedoch folgt (vgl. hierzu Apk, 45). 54. Apk, 45; vgl. hierzu auch 49f. 55. Vgl. darüber hinaus: „Nach [Apk] 12,11. 17,14. Joh. 16,33. 1Joh. 2,13f. 4,4. 5,4f. kann es sich wohl nur um eine Besiegung der teuflischen Mächte handeln. Unter diesen oder einen ähnlichen Gesichtspunkt werden aber die in den Briefen eingeschärften sittlichen Aufgaben hier nie gestellt, selbst nicht in den Schreiben an die Gemeinden zu Smyrna und Pergamon, wo es so leicht gewesen wäre, diesen Gesichtspunkt hervorzuheben“ (Apk, 45); vgl. in diesem Sinne auch J. Weiß, Apk, 38f. 56. Vgl. hierzu Apk, 45f.: „So eng die Beziehungen sind zwischen den Selbstbezeichnungen Jesu und den unmittelbar daran sich anschließenden Ausführungen, so lose hängt mit beiden der Inhalt der Schlussverheissungen zusammen“; vgl. zu den Einzelheiten der Argumentation Spittas 46f. 57. Vgl. hierzu nur U.B. Müller, Apk, 104 im Blick auf das Sendschreiben an die Gemeinde zu Ephesus: „Nach dem Weckruf [Apk 2,] Vers 7a folgt der abschließende Überwinderspruch Vers 7b. Er spricht eine eschatologische Verheißung aus, die zu der harten Gerichtsandrohung im Kontrast steht. Aber Drohung und Verheißung gehören für Johannes zusammen“; vgl. darüber hinaus etwa H. Giesen, Apk, 104 und C.R. Koester, Apk, 267, der Apk 2,1–7 als Ringkomposition fassen möchte und Apk 2,1 innerhalb derselben als „introduction“ und Apk 2,7 als „conclusion“ definiert. 58. Auch diese Aufgabe ergab sich bereits innerhalb der Diskussion der von W. Bousset vorgelegten Argumentation; vgl. hierzu o. 11.

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(c) Die in den Überwindersprüchen dargebotenen einzelnen Motive spielten, anders als diejenigen in den Botenformeln, in der Regel auf „Vorstellungen an, von denen in Kap. 1 noch nicht die Rede war und die auch meistens nicht der Art sind, dass sie einer Erklärung entraten können“59, die vielmehr erst im apokalyptischen Hauptteil näher erläutert würden60. Auch dieses Argument greift nur, wenn vorausgesetzt wird, dass die einzelnen Sendschreiben ursprünglich als individuelle und eigenständige Episteln kursierten. Wenn jedoch angenommen wird, dass der Apokalyptiker jene als einen ursprünglichen und integralen Bestandteil seiner Apk komponiert habe, dann spricht auch diese Beobachtung Spittas eher für die etwa von W. Bousset vertretene These einer zeitlichen sowohl als auch literarischen Koinzidenz von Sendschreiben und apokalyptischem Hauptteil. In deutlicher Parallelität zu derjenigen der Argumentation von W. Bousset weist die Diskussion der Argumentation von F. Spitta einen Weg zur Klärung der Frage nach dem zeitlichen und literarischen Verhältnis der sieben Sendschreiben Apk 2f. zum apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22: Zunächst ist zu klären, ob die die einzelnen Sendschreiben jeweils beschließenden Weckrufe und Überwindersprüche ursprüngliche und integrale Bestandteile jener gewesen oder aber den einzelnen Sendschreibencorpora sekundär hinzugefügt worden sind. Ist dies zu bejahen, ist dann zu untersuchen, ob die Sendschreibencorpora mit Notwendigkeit eine andere Abfassungssituation voraussetzen als der apokalyptische Hauptteil. Wenn auch dies zu bejahen ist, gilt es, zu analysieren welche der beiden Abfassungssituationen als die zeitlich frühere anzunehmen ist. In diesem Sinne die Argumentation von F. Spitta ergänzend verweist R.H. Charles61 über die bisher erörterten Argumente hinaus explizit auf die den Sendschreiben und dem apokalyptischen Hauptteil jeweils zugrundeliegenden unterschiedlichen Abfassungssituationen. Seien die Sendschreiben bestimmt von der Erwartung von vor der Wiederkunft Christi Platz greifenden lokal und zeitlich begrenzten Pressionen und Anfeindungen, die allerdings nicht zu einer Vernichtung der weltweiten Kirche vor der Wiederkunft Christi führten, impliziere der apokalyptische Hauptteil die Erwartungen einer universalen Christenverfolgung und eines ebenso universalen Martyriums62. Dem entspreche, dass sich in den Sendschreiben keinerlei 59. Apk, 47. 60. Vgl. hierzu im einzelnen Apk, 47f. 61. Zu der von R.H. Charles vertretenen Theorie zur Entstehung der Apk vgl. etwa Apk I, l–lv.lxii–lxv. 62. Vgl. hierzu Apk I, 43f.: „In the meantime [d.h. bis zur Wiederkunft Christi], however, the individual Churches will undergo persecution from time to time, and their members

GRUNDLEGENDES

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Hinweis auf einen Konflikt der Christen mit den Ansprüchen der kultischreligiösen Kaiserverehrung in der römischen Provinz Asia fände, sehr wohl allerdings im apokalyptischen Hauptteil63. Zusammenfassend formuliert Charles: „In short, the expectation that the church would survive till the Second Advent cannot be held simultaneously with the expectation of a world-wide persecution in which all the faithful would suffer martyrdom. These two expectations are mutually exclusive“64. Um seine These aufrechterhalten zu können, sieht sich R.H. Charles allerdings genötigt, sowohl die Weckrufe als auch die Überwindersprüche – und zudem noch Apk 3,1065 – als sekundäre Hinzufügungen anzusehen66. Das aber heißt: Klar ist, dass, um die Frage nach dem zeitlichen und dem literarischen Verhältnis der Sendschreiben zum apokalyptischen Hauptteil beantworten zu können, als erste und wichtigste die Frage zu klären ist, ob die Weckrufe und die Überwindersprüche als ursprüngliche und integrale Bestandteile der sieben Sendschreiben anzusehen oder aber zu den entsprechenden und bereits vorliegenden Sendschreiben sekundär hinzugefügt worden sind. I.1.3. These III: Die sieben Sendschreiben Apk 2f. sind zeitlich nach dem apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 entstanden Den Vertretern dieser These zufolge bildeten die sieben Sendschreiben eine Gruppe von Episteln, die im Verhältnis zu der Zeit der Abfassung bzw. (End-)Redaktion des apokalyptischen Hauptteils Apk 4–22 aus einer späteren Zeit stammten und vom Apokalyptiker, d.h. dem Verfasser bzw. (End-) Redaktor des apokalyptischen Hauptteils, selbst67 – gemeinsam mit weiteren in certain cases be faithful unto death as they have been in the past; but of a universal martyrdom there is not the slightest hint, though this expectation is taught or implied in the rest of the Book …; nor is there a single reference to a world wide persecution“. Um diese These aufrechtzuerhalten, erklärt Charles die Ausführungen in Apk 3,10 zu einer sekundären Zutat (vgl. 44). 63. Vgl. hierzu Apk I, 44: „Again, though this world-wide persecution was to arise in connection with the imperial cult of the Caesars as the rest of the Book clearly states, there is not a single reference to this cult in the Letters“. 64. Apk I, 44. 65. Vgl. hierzu Apk I, 44. 66. Vgl. hierzu Apk I, 53: „This clause, which occurs seven times [d.h. der Überwinderspruch] … seems to have been added by the Seer when he incorporated the Seven Letters in an edition of his visions. The seven eschatological promises … appear to have been added at the same time“. 67. Vgl. hierzu bereits D. Völter, Apk, 191, darüber hinaus in neuerer Zeit etwa D.E. Aune, Apk I, cxxxii–cxxxiv und F. Tóth, Vision, 350–352.411 mit weiterer Literatur. Als Vertreter dieser Variante dieser These nennt Tóth neben den bereits Erwähnten J.-W. Taeger, A. Satake, T. Holtz und – mit Abstrichen – P. Prigent; vgl. zu dieser Variante dieser These darüber

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Texten wie etwa der Beauftragungsvision Apk 1 oder doch zumindest einem Teil derselben – nachträglich in die bereits existierende, im Wesentlichen aus dem apokalyptischen Hauptteil bestehende Apk eingefügt worden seien68. Dabei werden allerdings durchaus unterschiedliche zeitliche Abstände zwischen den einzelnen Redaktionsstufen angenommen: Während auf der einen Seite etwa A. Satake von einem eher kurzen zeitlichen Abstand ausgeht69, propagieren auf der anderen Seite etwa D.E. Aune70 und H. Kraft71 einen deutlich längeren Zeitraum zwischen beiden. Im Rahmen seiner Erwägungen zur Kompositionskritik der Apk listet D.E. Aune insgesamt neun Kriterien „for identifying sources and redactional interpolations in Revelation“72 auf73: (a) Brüche in der Textstruktur74, (b) offensichtliche hinaus auch J. Massyngberde Ford, Apk, 55f. (vgl. zu der von J. Massyngberde Ford vertretenen These und ihren Wandlungen D.E. Aune, Apk I, cxi) und H. Kraft, Apk, 49f.; Kraft zufolge ist „dem Sendschreibenverfasser die – abgesehen von einigen Zusätzen am Buchschluß – abschließende Redaktion der Apokalypse zu verdanken“ (50); dabei geht Kraft davon aus, dass „der Verfasser der Sendschreiben … mit dem Verfasser des Ganzen möglicherweise identisch sein kann“, ohne diese jedoch als gesichert anzunehmen (vgl. hierzu auch Apk, 27: „…, weil die Identität des Sendschreibenverfassers mit dem Verfasser des übrigen Buches nicht vorausgesetzt werden kann“); vgl. hierzu auch die Einschätzung von D.E. Aune, Apk I, cxv: „Kraft … tends to regard Revelation as essentially the work of a single author, though he is willing to entertain the possibility that Rev 2–3 (the letters to the seven churches) and Rev 21:9–22:5 (the description of the heavenly city) were added by a second hand“. 68. Dass die sieben Sendschreiben einen sehr späten bzw. jungen Bestandteil der neutestamentlichen Apk bilden und zeitlich später als der apokalyptische Hauptteil entstanden sind, wurde bereits gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts verschiedentlich vertreten, allerdings mit dem Unterschied, dass die Sendschreiben nicht auf den oder die Verfasser des apokalyptischen Hauptteils, sondern auf einen später als diesen oder diese zu datierenden Redaktor, Sendschreiben und apokalyptischer Hauptteil also auf verschiedene Hände zurückzuführen seien (vgl. hierzu etwa die von D. Voelter und G.J. Weyland vorgelegten Thesen zur Entstehung der Apk, dargestellt bei W. Bousset, Apk, 109f.112f.). 69. Vgl. hierzu Apk, 73: „Dass der V[er]f[asser]. die Sendschreiben und den Visionsteil als ein einheitliches Buch an die Gemeinden schickt, setzt voraus, dass er ihnen diesen bis dato noch nicht als eine selbständige Schrift (oder als einen Teil einer anderen Schrift) ausgehändigt hat; also ist der zeitliche Abstand beider ‚Auflagen‘ wohl nicht sehr groß“. 70. D.E. Aune zufolge habe der Apokalyptiker die erste Auflage seiner Apk „probably compiled about A.D. 70“ (Apk I, cxxiii), die zweite Auflage jedoch erstellt erst „during the last decade of the first century A.D., perhaps even after the turn of the century during the reign of Trajan“ (cxxxii). 71. Während „der Rest des Buches, zumindest die Kapitel 13 und 17“ (Apk, 93) nach Kraft in der zweiten Hälfte der Regierungszeit Nervas, d.h. 97/98 n.Chr. (vgl. Apk, 10.221f.), verfasst worden sind, datiert er die Abfassung des Corpus der sieben Sendschreiben Apk 2f., die er als spätere Einfügung in die bereits bestehende Apk ansieht, in die Zeit zwischen dem Tod Nervas und den jüdischen Aufständen in der Zeit um 114/115 n.Chr. (vgl. Apk, 93f.), also weit in die Regierungszeit Traians. 72. Apk I, cxix. 73. Vgl. hierzu Apk I, cxviiif. 74. Konkret benennt Aune hier „abrupt transitions“ und „the presence of parenthetical forms“ (Apk I, cxix).

GRUNDLEGENDES

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Unstimmigkeiten in der Argumentationslogik, (c) unnötige Wiederholungen, (d) Auffälligkeiten in der Verwendung des Artikels75, (e) das Vorhandensein rahmender Wiederholungen76, (f) sprachliche Elemente, die sich in bestimmten Abschnitten der Apk aufweisen lassen, in anderen jedoch nicht vorhanden sind, (g) koordinierende Interpolationen77, (h) explizit als christlich zu charakterisierende Verlautbarungen innerhalb von Texten oder Textabschnitten, in denen solche sonst fehlen, (i) und schließlich das Fehlen von „interpolations or interpretative expansions“78 in Texten und Textabschnitten, das wiederum darauf hindeute, dass diese zu den spätesten Teilen der Apk zu rechnen seien. Im Blick auf die Frage nach der redaktionsgeschichtlichen Relation von Apk 2f. zum apokalyptischen Hauptteil käme jedoch bestenfalls das Kriterium (i) zur Anwendung79, das jedoch, für sich genommen, kaum zureicht, um den in sich außerordentlich kohärenten Textblock Apk 2f. in seiner Gesamtheit als redaktionsgeschichtlich sekundäre Hinzufügung zu einem bereits existierenden und auch publizierten apokalyptischen Hauptteil zu erweisen: Sollte sich nämlich das in Apk 2f. Ausgeführte als frei von „interpolations or interpretative expansions“ darstellen lassen, so wäre damit lediglich nachgewiesen, dass dieses von einer Hand stammt und aus einem Guss formuliert ist, keinesfalls jedoch, dass es dem apokalyptischen Hauptteil etwa sekundär hinzugefügt worden wäre. Ein solcher Nachweis kann nur gelingen, wenn sich zeigen lässt, dass die sieben Sendschreiben Apk 2f. eine andere Abfassungssituation reflektieren als der apokalyptische Hauptteil Apk 4–22.

Zugunsten dieser These werden – in einer Zusammenfassung – von F. Tóth mit explizitem Bezug auf D.E. Aune und A. Satake folgende Argumente angeführt: (a) „Der Gesamtaufriss der Sendschreiben inklusive der Einleitung in Apk 1,12–20 [blicke] auf den bereits zusammengewachsenen apokalyptischen Corpus Apk 4–22 hinaus und ist auf diesen hin komponiert“80. So sehr diese Beobachtung zutrifft, so wenig ist damit jedoch für die u.a. auch von F. Tóth vertretene These etwas gewonnen. Es bleibt vor dem Hintergrund dieses Arguments nämlich denkbar, dass diese von Tóth beschriebene Gesamtkomposition der Apk in einem Zug erfolgt ist, was bedeutet, dass die 75. Vgl. hierzu Apk I, cxix: „Peculiar patterns in the presence or absence of the definite article, which may reveal the presence of textual units composed independently of each other“. 76. D.E. Aune spricht hier von einer „technique used to resume the original text sequence after an editorial insertion“ (Apk I, cxix); als Beispiel verweist er auf Apk 12,9.13 als Rahmung von Apk 12,10–12. 77. Hierbei geht es um „interpolations inserted in order to coordinate various segments of Revelation together by referring to what was mentioned earlier, or what will be mentioned later“ (Apk I, cxix). 78. Apk I, cxix. 79. Vgl. hierzu Apk I, cxxxii: „On the basis of the principle enunciated above, the general absence of material in Rev 2–3 that lends itself to being considered interpolations suggests that this collection of seven proclamations was one of the last textual units to be added to the composition“. 80. Vision, 351.

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Sendschreiben und der apokalyptische Hauptteil zeitgleich entstanden seien. Ebenfalls vermag diese Beobachtung auch die These, die Sendschreiben seien zeitlich früher als der apokalyptische Hauptteil entstanden, nicht auszuschließen, zumindest dann nicht, wenn die Weckrufe und die Überwindersprüche jeweils als eine sekundäre Zutat anzusehen wären – damit ist wiederum die literarkritsche bzw. redaktionsgeschichtliche Frage nach dem Zusammenhang der Weckrufe und der Überwindersprüche mit den Corpora der einzelnen Sendschreiben in den Fokus gerückt. (b) Zwischen den Sendschreiben und dem apokalyptischen Hauptteil seien sprachliche und stilistische Differenzen wahrnehmbar81. Dieses Argument vermag ebenso, wie es die Annahme einer im Vergleich zum apokalyptischen Hauptteil zeitlich späteren Entstehung der Sendschreiben zu stützen in der Lage ist, auch diejenige einer zeitlich früheren Entstehung letzterer zu belegen. Größere Klarheit könnte hier eine genauere Analyse dieser sprachlichen und stilistischen Differenzen bringen; daher ist diese Analyse im weiteren Verlauf der Studie zu leisten. (c) Schließlich würden F. Tóth zufolge in den sieben Sendschreiben offensichtlich eine spätere Entstehungszeit indizierende, in jedem Falle andere inhaltliche Akzente und andere theologische Schwerpunkte sichtbar als im apokalyptischen Hauptteil82. In diesem Zusammenhang nimmt Tóth einen Hinweis P. Prigents auf, der, so die Sendschreiben später zu datieren seien als der apokalyptische Hauptteil, jene als „application of the book’s message to the particular problems of contemporaneous Churches in Asia Minor“83 ansehen möchte. In diesem Sinne stellten die Sendschreiben „eine im Zuge anwachsender nun auch innergemeindlicher Konflikte und Gefährdungen formulierte prophetische Mahnrede an die Gemeinde im Blick auf eine im apokalyptischen Teil offenbarte radikalisierte apokalyptische Wirklichkeit“84 dar. Auch diesem unter Verweis auf P. Prigent von F. Tóth entwickelten textpragmatischen Argument scheint aber im Blick auf die These, die es begründen soll, keine wirkliche Beweiskraft zu eignen. Aus der Tatsache, dass die Sendschreiben einer- und der apokalyptische Hauptteil andererseits unterschiedliche, wenn auch sich komplementär ergänzende inhaltliche Akzente und theologische Schwerpunkte bieten, lässt sich so ohne Weiteres nicht schließen, dass die ersteren im Blick auf ihre Entstehung zeitlich später als letztere anzusetzen seien. Genauso gut ist jedoch denkbar, dass die 81. Vgl. hierzu Vision, 351: „Sprachlich und stilistisch scheinen sich die Sendschreiben zum gewissen Grad vom restlichen Corpus abzuheben“. 82. Vgl. hierzu Vision, 351. 83. Apk, 151. 84. Vision, 351f.

GRUNDLEGENDES

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Sendschreiben eigenständige inhaltliche Akzente und theologische Schwerpunkte bieten, weil sie – vorausgesetzt, die Weckrufe und die Überwindersprüche lassen sich als sekundäre Hinzufügungen erweisen – zeitlich früher als der apokalyptische Hauptteil entstanden seien, und dass der von F. Tóth hier formulierte textpragmatische Aspekt sich aus dem nachgerade umgekehrten Sachverhalt ergibt, dass der apokalyptische Hauptteil nachträglich an die Sendschreiben angefügt worden sei, um ihnen eben den Charakter einer ‚prophetischen Mahnrede im Blick auf eine im apokalyptischen Hauptteil offenbarte radikalisierte apokalyptische Wirklichkeit‘ zuzueignen. Um hier zu abgesicherten Schlussfolgerungen zu kommen, ist es notwendig, die jeweils unterschiedlichen Akzente und Schwerpunkte zunächst zu beschreiben, um dann – etwa im Rahmen der Diskussion der jeweiligen Abfassungssituation der Sendschreiben und des apokalyptischen Hauptteils – den Versuch zu unternehmen, aus dieser Beschreibung der Differenzen eine zeitliche Reihenfolge der Entstehung dieser beiden Hauptteile der neutestamentlichen Apk zu extrapolieren. Neben dem Aufweis der Notwendigkeit, die Frage nach dem literarischen Verhältnis der Weckrufe und der Überwindersprüche zu den jeweiligen Sendschreibencorpora zu klären, lässt die Diskussion dieser dritten These zum zeitlichen und literarischen Verhältnis der Sendschreiben zum apokalyptischen Hauptteil das Erfordernis erkennen, die stilistischen, sprachlichen und womöglich auch theologischen Differenzen zwischen diesen beiden Hauptbestandteilen der neutestamentlichen Apk einer gründlicheren Analyse zu unterziehen. Eine solche Analyse kann etwa im Rahmen der Diskussion der Frage nach der – womöglich jeweils unterschiedlichen – Verfasserschaft der Sendschreiben einer- und des apokalyptischen Hauptteils andererseits erbracht werden.

I.2. DER AUFRISS DER VORLIEGENDEN STUDIE Aus dem bisher Erörterten ergeben sich zwanglos folgende Arbeitsschritte, die in der vorliegenden Studie nacheinander bearbeitet werden müssen: (a) Zunächst sind, um die konkrete Einzelargumentation zu entlasten, einige notwendige einleitungswissenschaftliche und interpretatorische Vorklärungen vorzunehmen (Kapitel II). (b) In einem ersten eigentlich thematischen Arbeitsschritt ist im Anschluss daran dann die Frage der literarischen Integrität der Sendschreiben in den Blick zu nehmen. Im Rahmen einer entsprechenden Analyse der Sendschreiben in ihrer Gesamtheit muss hier in Sonderheit untersucht werden,

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(1) ob die Botenformeln und die von ihnen jeweils eingeleiteten Sendschreiben ursprüngliche literarische Einheiten darstellen oder letztere bzw. deren Corpora als ursprünglich unabhängig von ersteren existierende Einheiten erst sekundär mit jenen verknüpft worden sind, und (2) ob die Weckrufe und die Überwindersprüche jeweils ursprüngliche und integrale Bestandteile der sieben Sendschreiben bilden oder als sekundäre Ergänzungen derselben bzw. ihrer einzelnen Corpora zu fassen sind? Am Ende dieses Kapitels werden die zur Frage der literarischen Integrität der sieben Sendschreiben anhand der Analyse der einzelnen Sendschreiben gewonnenen Einzelergebnisse zusammengefasst, indem der Versuch unternommen wird, die Eckpunkte eines zu diesen Ergebnissen komplementären möglichen Modells zur Entstehung der neutestamentlichen Apk insgesamt zu skizzieren. In diesem Zusammenhang ist dann auch zu analysieren, inwieweit sich die Sprachgestalt der sieben Sendschreiben von derjenigen des apokalyptischen Hauptteils unterscheidet (Kapitel III). (c) Wenn die Sendschreiben sich als literarisch einheitlich erweisen sollten, ließe sich die zweite der o. diskutierten Thesen nicht mehr aufrechterhalten. Angesichts der o. ausgeführten Bedenken gegenüber der dritten These wäre dann mit einiger Wahrscheinlichkeit die Annahme zu plausibilisieren, dass die sieben Sendschreiben und der apokalyptische Hauptteil gleichzeitig entstanden und beide zugleich als ursprüngliche und integrale Bestandteile der neutestamentlichen Apk anzusehen seien. Wenn sich jedoch zeigen ließe, dass die Sendschreiben in ihrer jetzigen Form als Ergebnis eines Textwachstumsprozesses anzusehen seien, ergäbe sich als nächste Aufgabe die Untersuchung der Frage, ob diejenigen Texte, die den Beginn dieses Textwachstumsprozesses ausmachen, d.h. also letzten Endes die ‚Grundschriften‘ dieser sieben Episteln, eine andere Abfassungssituation voraussetzten als der apokalyptische Hauptteil85. Ließe sich auch dies positiv beantworten, wäre im Anschluss dann zu untersuchen, welche der beiden unterschiedlichen Abfassungssituationen sich als die zeitlich frühere wahrscheinlich machen ließe, um daraus dann Schlussfolgerungen bezüglich der Datierung der Entstehung der Sendschreiben auf der einen und des apokalyptischen Hauptteils auf der anderen Seite, somit ihres literarischen sowie ihres zeitlichen Verhältnisses zueinander abzuleiten86 (Kapitel IV). 85. Zu den möglichen methodischen Problemen bzw. Gefahren eines solchen Unterfangens vgl. etwa J.M.G. Barclay, Mirror-Reading, 79–83. 86. Ohne hier ein Ergebnis vorwegnehmen zu können oder zu wollen, will angesichts der o. formulierten Bedenken gegen die dritte der hier diskutierten Thesen zur zeitlichen und literarischen Relation zwischen Sendschreiben und apokalyptischem Hauptteil die Vermutung nicht unwahrscheinlich erscheinen, dass die in den Sendschreiben fassbare Abfassungssituation

GRUNDLEGENDES

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(d) In einer abschließenden Zusammenfassung werden die in den einzelnen Abschnitten jeweils herausgearbeiteten Ergebnisse gebündelt dargestellt und die Generalthese der vorliegenden Studie formuliert (Kapitel V). Darüber hinaus vermag hier – zumindest in seinen Eckpunkten – ein die entsprechenden Ausführungen in Kapitel III zuspitzendes und die einzelnen Ergebnisse der vorliegenden Studie in ihrer Gesamtheit verarbeitendes Modell zur Entstehung der neutestamentlichen Apk entwickelt zu werden.

derjenigen des apokalyptischen Hauptteils zeitlich vorzuordnen ist, dass die Sendschreiben also zeitlich früher als der apokalyptische Hauptteil entstanden sind. Im Rahmen der u. zu führenden Diskussion ist dies aber natürlich umfassend zu begründen.

II. METHODISCHE UND INHALTLICHE VORKLÄRUNGEN

II.1. DIE LITERARKRITISCHE METHODE Die im dritten Kapitel zu leistende Aufgabe, nicht nur, aber insbesondere das literarische Verhältnis der Weckrufe und der Überwindersprüche zu den jeweils von einer Botenformel eingeleiteten Corpora der sieben Sendschreiben zu bestimmen, erfordert die verantwortete, somit also reflektierte Anwendung der exegetischen Methode der Literarkritik1. Im Rahmen grundsätzlicher Erwägungen zu dieser Methode ordnet H. Schweizer dieselbe jenseits der eigentlichen Textinhalte2 ein in die in dem entsprechenden Text jeweils greifbar werdende „Beziehung zwischen Autor und Rezipient“3. Diese spitze sich konkret zu in der grundsätzlichen, vor dem Hintergrund vergangener Erfahrungen von – gelungener und auch nicht gelungener – Kommunikation im Blick auf den einzelnen Text jeweils neu zu beantwortenden Frage: „Geht der Autor so mit dem Rezipienten um, nimmt er den Rezipienten so an der Hand und führt ihn durch die Inhalte, die ihm wichtig sind, daß der Rezipient gedanklich, gefühlsmäßig folgen kann, oder macht der Autor derart gravierende 1. Vgl. zu dieser Methode und den mit dieser verbundenen Intentionen und Aufgaben umfassend H. Schweizer, Literarkritik, 23f.: „Die Minimalannahme ist folgende: Man billigt dem Text eine Entstehungssituation zu, die vom Datum und der Situation der Produktion unserer Bibelhandschrift … beträchtlich verschieden ist. Über diese Minimalannahme hinaus hält es die Literarkritik für möglich, daß ein Text im Laufe der Zeit nach seiner Abfassung Änderungen des zunächst gegebenen Wortlauts erfuhr, am einfachsten: Erweiterungen des ursprünglich gegebenen Wortlauts (oder auch: Umformungen, Umstellungen, Kürzungen). Damit wird die Spanne zwischen Entstehungssituation und Produktion unserer Bibelhandschrift möglicherweise durch nicht wenige weitere geschichtliche Stadien aufgefüllt. Und die Literarkritik … bemüht sich, Indizien des Textes auszuwerten, die helfen, diese Stadien der Textbildung, des Textwachstums zu rekonstruieren“. Zur Literarkritik als Methode grundsätzlich kritisch etwa S. Alkier, Neues Testament, 122; Alkier zufolge frage die Literarkritik nach einem in einer zu analysierenden Perikope möglicherweise vorhandenen Vorzugsvokabular und suche Spannungen, Brüche und Doppelungen in derselben zu ermitteln. Allerdings fehlten – und dies sei offensichtlich das entscheidende Problem der literarkritischen Methode – „allgemein anerkannte Definitionen, was denn Brüche oder Spannungen im Text seien“; vielmehr bleibe „das weitgehend dem ästhetischen Empfinden der Interpreten überlassen“. 2. Vgl. hierzu Literarkritik, 27. 3. Literarkritik, 28.

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Sprünge, daß der Rezpient fassungslos und kopfschüttelnd zurückbleibt“4? Schweizer zufolge werde die literarkritische Option für den jeweiligen Rezipienten – und damit auch für den jeweiligen Exegeten – je plausibler, desto deutlicher ihm „die Häufung von Verstehensproblemen [oder womöglich präziser: von textlichen Diskontinuitäten] an einer Textstelle … die Problematik des Verstehens [an sich] zum Bewußtsein“5 führe und die Kohärenz6 der Botschaft des Textes in Frage stelle7. Das aber heißt zunächst: Aus der Wahrnehmung von Verstehensproblemen und Diskontinuitäten innerhalb eines Textes ergibt sich grundsätzlich keinesfalls mit Notwendigkeit die texthermeneutische Bewertung desselben als inkohärent8, ergibt sich damit grundsätzlich auch keinesfalls mit Notwendigkeit die Erfordernis literarkritischer Operationen; vielmehr müssen diese textlichen Diskontinuitäten die Problematik des Verstehens eines Textes an sich evozieren. Als textliche Diskontinuitäten werden in der vorliegenden Studie einerseits die innerhalb der Oberflächenstruktur eines Textes aufweisbaren Inkohäsionen9, andererseits 4. Literarkritik, 28. 5. Literarkritik, 29. 6. Zu dem aus der Textlinguistik stammenden Begriff der Kohärenz vgl. E.-M. Becker, Kohärenz, 117: „Mit dem Urteil über die Kohärenz eines Textes … wird ein Bewertungsprädikat ausgesprochen, das kognitiv zustandekommt und dem außertextliche Faktoren zugrundeliegen. Dieses Bewertungsprädikat sagt aus, ob der Text als einheitlich verstanden und in der vorliegenden Gestalt interpretiert werden kann oder ob er in seiner historischen Gestalt rekonstruiert werden muß“. Zur Verortung der Frage nach der Kohärenz in den Vorgang der Rezeption und damit des Verstehens von Texten vgl. auch T. Lewandowski, Linguistisches Wörterbuch II, s.v. Kohärenz, 546: „K[ohärenz]. ist nicht nur als eine Eigenschaft von Texten zu betrachten, sondern auch als Ergebnis kognitiver (konstruierter) Prozesse des Hörers/ Lesers. K[ohärenz]. ist das Ergebnis von Bedeutungsaktualisierung; ihr zugrunde liegt eine Sinnkontinuität von Vorstellungen und Wissen als Gefüge von Begriffen und Beziehungen von Begriffen im Sinne eines gespeicherten semantischen Netzwerks, das im Text oft formal nicht zum Ausdruck gelangt …; der Hörer/Leser konstruiert den notwendigen Zusammenhang“, S. Finnern/J. Rüggemeier, Methoden, 35: „Bei der Kohärenz handelt es sich … um einen Vorgang des Textverstehens, bei dem die Rezipienten eine sinnvolle Verknüpfung zwischen textlichen Elementen und ihrer ‚Welt‘, d.h. ihren Wirklichkeitsvorstellungen, herstellen“, und G. Fritz, Kohärenz, 7: „Bei der Analyse von Problemen der Kohärenz muß man vermeiden, Fragen der Wohlgeformtheit unabhängig von Fragen des Verstehens zu behandeln, ein Fehler, der in textlinguistischen Arbeiten nicht selten ist“. 7. Vgl. hierzu Literarkritik, 29: „Beurteilungsbasis ist demnach auch ein sehr breiter Erfahrungsschatz, der eine Vorstellung wachsen ließ von dem, was in geglückter Kommunikation (noch) möglich ist und was dagegen den Rahmen einer einheitlichen (= kohärenten) Botschaft sprengt“. 8. Vgl. hierzu auch E.-M. Becker, Kohärenz, 119, die aus textlinguistischer Perspektive urteilt: Der Exeget formuliere „mit der Wahrnehmung möglicher Inkohäsionen noch kein Urteil über die Kohärenz des Textes. … Die einfache Beobachtung von sog. ‚Brüchen‘ und deren vorschnelle Umsetzung in literarkritische Hypothesen, die gegenwärtig gern unter dem Signum der Kohärenz bzw. der Inkohärenz erfaßt wird, entspricht nicht den textlinguistischen Standards“. 9. Zum Begriff der Kohäsion vgl. E.-M. Becker, Kohärenz, 105f.: „Es empfiehlt sich, zwischen der Kohäsion und der Kohärenz eines Textes zu unterscheiden. Die Kohäsion ist auf die Oberflächenstruktur eines Textes, nämlich auf sprachliche, syntaktische, semantische

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aber auch solche Spannungen, die auf der konzeptionellen Ebene Platz greifen, verstanden; in diesem Sinne geht der hier verwendete Begriff der textlichen Diskontinuität über denjenigen der Inkohäsion bzw. der Kohäsion deutlich hinaus, da dieser nur auf die Oberflächen-, nicht aber auf die konzeptionelle Tiefen-Struktur eines Textes bezogen ist10.

Die Schwierigkeit dieser von H. Schweizer formulierten Definition der Plausibilität der literarkritischen Methode besteht nun allerdings darin, dass in ihr letzten Endes ein quantitatives Kriterium, nämlich dasjenige der mengenmäßigen Häufung der an einer Textstelle zu konstatierenden entsprechenden Verstehensprobleme oder Diskontinuitäten zugrundegelegt wird. Es wird jedoch nicht versucht, diese Verstehensprobleme und Diskontinuitäten selbst in den Blick zu nehmen und sie aus der Sphäre der Subjektivität des ästhetischen Empfindens11 des jeweiligen Exegeten herauszuführen sowie phonologische und morphologische Verknüpfungsmerkmale bezogen. Die Beurteilung der Textkohärenz hingegen stellt den kognitiven Prozeß des Textverstehens dar, der auf eine Inferenz des Textes zielt. Damit gehört die Beurteilung der Kohärenz letztlich nicht in den Bereich der Textgrammatik und -analyse, sondern sie führt in die Bereiche der Kognitionswissenschaft oder der Texthermeneutik hinein“; vgl. darüber hinaus 117: „Die Differenzierung zwischen Kohäsion und Kohärenz ist methodisch notwendig, weil die Feststellung der Kohäsion eines Textes aus sprachlichen und textgrammatischen Beobachtungen hervorgeht, die deskriptiv im Rahmen der synchronen Textanalyse gewonnen sind und sich dabei an den Maßstäben unseres modernen Sprachempfindens orientieren“. Vgl. zum Begriff der Kohäsion auch T. Lewandowski, Linguistisches Wörterbuch II, s.v. Kohäsion, 547f.: „Bindung, Zusammenhang … textkonstitutive semantische Relation, Menge semantischer Mittel der Texterzeugung; die semantischen Mittel, die einen (gegebenen) Satz an seinen Vortext binden. … K[ohäsion]. als Verknüpfungsrelation zwischen sprachlichen Einheiten ist immer dann gegeben, wenn eine sprachliche Einheit nur im Zusammenhang bzw. im Bezug auf eine andere Einheit interpretiert werden kann. K[ohäsion]. als Menge von Möglichkeiten, Textzusammenhänge herzustellen, kann durch grammatische, lexikalische, phonologisch-phonetische und orthographische Mittel zum Ausdruck gebracht werden. … Meist wird unter ‚K[ohäsion].‘ die syntaktisch-semantische Verflechtung der Oberfläche eines Textes verstanden. Die Organisiertheit der Oberflächenform kann Hinweis oder Anweisung zur Bildung inhaltlicher Zusammenhänge sein (vgl. Kohärenz). K[ohäsion]. muß nicht notwendig Kohärenz zur Folge haben, d.h., daß Manifestationen der K[ohäsion]. für Kohärenz einerseits nicht immer erforderlich und andererseits nicht immer hinreichend sind“, und S. Finnern/J. Rüggemeier, Methoden, 35: „Unter Kohäsion versteht man in der Linguistik jenen Vorgang, der es dem Rezipienten ermöglicht, durch semantische, syntaktische und grammatikalische Verknüpfungen Sinnzusammenhänge in einem Text zu konstruieren“. 10. Über den Begriff der Kohäsion hinaus gehen in ihren Erwägungen zur Literarkritik auch S. Finnern/J. Rüggemeier, Methoden, 58–65, wenn sie etwa von Brüchen in der Figuren-, der Zeit- oder der Ortsdarstellung oder von einem „Wechsel des raumzeitlichen Erzählerstandpunkts“ (58) sprechen; sie bezeichnen diese Diskontinuitäten allerdings als – missverständlich – Inkohärenzen. Um den Begriff der Kohärenz bzw. Inkohärenz als „texthermeneutisches Werturteil“ (vgl. hierzu u. 30, A. 17) beibehalten und somit auf den Vorgang der Interpretation beziehen zu können, will es jedoch notwendig scheinen, im Kontext von Erwägungen, die ausschließlich die Textanalyse betreffen, auf ihn zu verzichten. 11. Vgl. hierzu die Kritik an der literarkritischen Methode, wie sie etwa von S. Alkier formuliert wird, o. 25, A. 1.

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und in der Sphäre der Objektivität einer – am auszulegenden Text selbst – überprüfbaren Definition zu verankern. Um in diesen Bereich der Objektivität vorzudringen, ist es notwendig, anstelle des etwa von H. Schweizer vorgeschlagenen quantitativen Kriteriums literarkrititischer Plausibilität ein qualitatives Kriterium derselben zu entwickeln. Dieses qualitative Kriterium muss dann allerdings – hier der o. skizzierten Verortung der literarkritischen Methode innerhalb der Relation zwischen Autor und Rezipient durchaus konvergierend – nicht die Diskontinuitäten innerhalb eines Textes, sondern – unter Berücksichtigung der entsprechenden Gattung des auszulegenden Textes – den Rezeptionsvorgang selbst und die innerhalb dessen Platz greifende Relation zwischen Text und Interpretation bzw. Sinnkonstitution in den Blick nehmen. Wird im Horizont dieses Ansatzes vorausgesetzt, dass der entsprechende biblische Autor insbesondere kleine, argumentativ akzentuierte Texteinheiten mit einem appellativen Impetus – und zumindest die sieben Sendschreiben Apk 2f., wenn womöglich auch nicht der apokalyptische Hauptteil Apk 4–22, scheinen durchaus in diese Kategorie zu fallen – schon aufgrund seiner ihn leitenden Verkündigungsabsicht semantisch, grammatisch, syntaktisch und konzeptionell so strukturiert hat, dass – unabhängig von einzelnen, Details der Sinnbildung betreffenden Interpretationsproblemen – ihr grundsätzlicher (Gesamt-)Textsinn im Rahmen der Interpretation unmittelbar erkennbar wird, kann im Blick auf die Interpretation dieser Episteln als grundlegendes qualitatives theoretisches Kriterium literarkritischer Plausibilität gelten: Die in der synchronen Analyse eines Sendschreibentextes wahrgenommenen Diskontinuitäten und die daraus resultierenden Verstehensprobleme erfordern im Kontext seiner historisch-kritischen Interpretation dann den Schluss auf dessen Inkohärenz – und damit einhergehend auf die Annahme eines literarkritisch zu rekonstruierenden, d.h. diachron nachzuvollziehenden sekundären Wachstums desselben –, wenn aufgewiesen werden kann, dass aufgrund der diesem Text inhärenten Diskontinuitäten die Interpretation und die Sinnbildung, d.h. die Erfassung eines schlüssigen (Gesamt-)Sinnes des zu analysierenden Textes12, sich ausschließlich als eine in der Person des Rezipienten und auf der Basis von ihm vorgenommener, aus seinem möglichen (Vor-)Wissen erwachsener Inferenzen13 sich entwickelnde im Grundsatz subjektive Sinnbildung vollziehen 12. Vgl. hierzu R.-A. de Beaugrande/W.U. Dressler, Textlinguistik, 117; sie definieren Kohärenz bzw. präziser: Kohärenzbildung als eine „Bedeutungsaktualisierung, die den Zweck der ‚Sinn-Erzeugung‘ verfolgt“. 13. Zum Begriff der Inferenz vgl. T. Lewandowski, Linguistisches Wörterbuch I, s.v. Inferenz, 441: „Beim Verstehen von Texten ist I[nferenz]. eine rekonstruktive oder konstruktive Operation des Rezipienten, durch die störungsbedingte, zufällige oder strategisch angelegte

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lässt14. Von subjektiver Sinnbildung ist dann zu sprechen, wenn eine solche im Akt des Verstehens erfolgt bzw. erfolgen muss unter vollständiger Vernachlässigung der im Text selbst wahrnehmbaren – oder eben fehlenden – Verstehenssignale15 bzw. letztlich im Gegensatz zu dem im Text selbst verankerten, offensichtlich inkohärenten ‚objektiven‘ und mit den Mitteln der textgrammatischen und der konzeptionellen Analyse offenzulegenden Sinnpotential. Anders formuliert: Die innerhalb eines Textes analysierten Diskontinuitäten indizieren die Annahme seiner Inkohärenz und damit einhergehend ein mit Hilfe diachroner Methodik nachzuvollziehendes sekundäres Wachstum desselben zwingend nur dann, wenn sich eine sinnvolle Interpretation desselben ausschließlich nur aufgrund einer „rekonstruktive[n] oder konstruktive[n] Operation des Rezipienten“16 und jenseits einer von diesem Text selbst offerierten und intendierten offensichtlichen vollständig entgrenzten Sinnhaftigkeit oder scheinbaren Absurdität, d.h.: ausschließlich im Rahmen eines in keiner Weise mit der textgrammatischen und Diskontinuitäten des Textes zur Bildung von Kohärenz überformt werden“; vgl. hierzu auch E.-M. Becker, Kohärenz, 103. 14. Vgl. hierzu T. Lewandowski, Linguistisches Wörterbuch II, s.v. Kohärenz, 547: „K[ohärenz].bildung ist (im Zusammenhang mit Inferenz) auch möglich bei nicht-kohäsiven Texten mit Anakoluthen, Ellipsen, ungrammatischen Ausdrücken usw. Sinn kann beigelegt werden durch Konstruktion eines geeigneten Referenzrahmens aufgrund kognitiver Schemata, die durch Erfahrung erworben wurden“. Dieser zweite Aspekt wird in dem hier zitierten instruktiven Aufsatz von E.-M. Becker zwar im Blick auf die Gattung ‚Brief‘ entfaltet (vgl. hierzu Kohärenz, 98: „Das entscheidende Inkohärenzkriterium ist die notwendige Annahme von ‚verschiedenen Situationen‘, die einem Brief zugrundeliegen. Die Uneinheitlichkeit des Briefes ist per definitionem erst dann belegt, wenn die Inkohärenzfaktoren gegenüber den Kohärenzfaktoren überwiegen“), jedoch nicht allgemeingültig formuliert. Darüber hinaus bleibt an dieser Stelle offen, was mit der Aussage vom Überwiegen der Inkohärenzfaktoren gegenüber den Kohärenzfaktoren denn überhaupt gemeint ist. Schließlich entwickelt Becker gegen Ende ihrer Ausführungen drei methodische Voraussetzungen, die für den „literarkritischen Versuch einer historischen Rekonstruktion der originären Textgestalt“ (Kohärenz, 118) erfüllt sein müssen (vgl. 119f.), definiert aber – im Rahmen ihrer Argumentation zwar durchaus stringent, für den in der vorliegenden Studie diskutierten Zusammenhang allerdings nicht weiterführend – keine objektiven Kriterien, die es erlaubten, aus den analysierten Inkohäsionen – oder vielleicht präziser: textlichen Diskontinuitäten – unmittelbar eine Inkohärenz abzuleiten. 15. Diese Verstehenssignale lassen sich näherhin definieren als diejenigen einem Text inhärenten „Funktionen, durch die die Komponenten der TEXTWELT, d.h. die Konstellation von KONZEPTEN (Begriffen) und RELATIONEN (Beziehungen), welche dem Oberflächentext zugrunde liegen, für einander gegenseitig zugänglich und relevant sind“ (R.-A. de Beaugrande/W.U. Dressler, Textlinguistik, 5). Unter dem Begriff des Konzepts verstehen R.-A. de Beaugrande und W.U. Dressler eine „Konstellation von Wissen (kognitivem Inhalt), welches mit mehr oder weniger Einheitlichkeit und Konsistenz aktiviert oder ins Bewußtsein zurückgerufen werden kann“ (5), unter demjenigen der Relation „die BINDEGLIEDER … zwischen Konzepten, die in der Textwelt zusammen auftreten“ (5). 16. T. Lewandowski, Linguistisches Wörterbuch I, s.v. Inferenz, 441.

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konzeptionellen ‚Objektivität‘ des Textes assoziierbaren und vollständig subjektiv akzentuierten Verstehensprozesses ereignen kann17. Die Frage, ob die literarkritische Methode bei einem Text in Anwendung zu bringen ist, ergibt sich damit nicht aus der Quantität der textlichen Diskontinuitäten und Verstehensprobleme, sondern aus der Qualität der interpretatorischen Implikationen seiner im Rahmen des Verstehensprozesses erschlossenen und konstruierten Kohärenz oder Inkohärenz18. Von dieser hier als subjektiv qualifizierten Sinn- bzw. Kohärenzbildung ist die individuelle Kohärenzbildung zu unterscheiden19. Letzten Endes ist jede Interpretation, d.h. jede von einem Interpreten vorgenommene Kohärenzbildung, schon aufgrund der immer in die Interpretation eingehenden Person desselben als eine individuelle zu bezeichnen; entscheidend ist vielmehr, ob diese Kohärenzbildung als ‚objektiv‘ 17. Mit dieser Überlegung wird der Tatsache Rechnung getragen, dass es sich bei der Frage nach der Kohärenz oder Inkohärenz eines Textes um ein „texthermeneutisches Werturteil“ (vgl. hierzu E.-M. Becker, Kohärenz, 117) handelt, was bedeutet, dass ein Text nicht in sich selbst kongruent oder inkongruent ist, sondern innerhalb des Verstehensprozesses Kohärenz oder aber Inkohärenz gewinnt bzw. als kohärent oder inkohärent bewertet wird. Zugleich wird damit ein methodischer Zwischenschritt entwickelt, der der von E.-M. Becker geäußerten Kritik an der in ihren Augen unreflektierten und hermeneutisch inkongruenten Verwendung des Kohärenzbegriffs in der neutestamentlichen Exegese Rechnung trägt (vgl. zu dieser Kritik Kohärenz, 99: „Bei der Verwendung des Kohärenz-Begriffes in der Textexegese liegt … eine hermeneutische Inkongruenz vor: Die Kohärenz eines Textes wird zwar in der synchronen Textanalyse ermittelt, dient dann aber zugleich im Zusammenhang der diachronen Textexegese als Leitkriterium zur Beurteilung originärer literarischer Einheitlichkeit von Texten und bildet ggf. dann auch die Basis für eine historische Rekonstruktion der originären Textgestalt. Dabei wird nicht reflektiert, ob und in welcher Weise eine solche Übertragung sachlich möglich ist und was sie bewirkt“). 18. Mit diesen Überlegungen ist etwa der o.cit. Kritik von S. Alkier an der literarkritischen Methode vorgebeugt (vgl. hierzu o. 25, A. 1). Literarkritische Überlegungen evozierende Spannungen oder Brüche im Text sind solche, deren – im Zuge des Versuchs der Sinnstiftung Platz greifende – Überwindung sich nicht aus der ‚Objektivität‘ des Textes bzw. der ihm inhärenten Interpretationssignale unmittelbar ergibt, sondern ausschließlich im Rahmen der subjektiven Interpretationsleistung des Rezipienten vollzogen werden kann. Anders und gegenüber der etwa von S. Alkier formulierten Kritik an der Methode der Literarkritik wesentlich angreifbarer hier H. Schweizer, Literarkritik, 25: „Bei der literarkritischen Fragestellung konzentriert sich der Exeget lediglich auf die Stellen, die ihm aufgrund seines Kommunikationswissens als problematisch erscheinen“; im Sinne der in der vorliegenden Studie angestellten Überlegungen müsste dieser Satz etwa folgendermaßen lauten: ‚Bei der literarkritischen Fragestellung konzentriert sich der Exeget auf die Stellen, die in einer Weise diskontinuitär erscheinen, dass dessen Beurteilung als kohärent nur mit Hilfe von interpretativen, d.h. subjektiven Inferenzen des Rezipienten gesichert werden kann‘. 19. Zum Begriff der individuellen Kohärenzbildung vgl. etwa E.-M. Becker, Kohärenz, 119, die allerdings eine Differenzierung zwischen individueller und subjektiver Kohärenzbildung nicht vorzunehmen scheint: „Die Wahrnehmung einer Inkohäsion des Textes erlaubt nämlich zwei unterschiedliche literarkritische Optionen: … Oder der Exeget kann trotz vorliegender Inkohäsionen an der Kohärenz des Textes festhalten, d.h. den Text gerade der vorliegenden Uneinheitlichkeit zum Trotz als kohärente Größe interpretieren (individuelle Kohärenzbildung)“.

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zu verstehen ist, d.h. als eine solche, die sich am Text, seiner Argumentationsstruktur und seiner Argumentationslogik nachvollziehen lässt, oder aber als eine ‚subjektive‘, die ohne jeglichen Rückgriff auf den Text und dessen Semantik, Grammatik, Syntax und Konzeption oder womöglich sogar gegen den Text und dessen – vorhandene oder fehlende – Verstehenssignale selbst erfolgt. Im letzten Fall ist dann davon zu sprechen, dass „der Text zu einer literarkritischen Rekonstruktion heraus[fordere], da die Inkohäsionen [und Diskontinuitäten20] kein [objektives, sondern nur ein subjektives] Textverstehen möglich machen“21.

Da im Kontext der in der vorliegenden Studie vorzunehmenden historisch-kritischen Interpretation der Texte der sieben Sendschreiben der Frage nachzugehen ist, wie deren Erstrezipienten diese – wahrscheinlich – interpretiert bzw. mit welchem Sinn deren Erstrezipienten diese – wahrscheinlich – gefüllt haben, ist die Frage nach der Kohärenz desselben als die Frage nach dem texthermeneutischen Werturteil der Erstrezipienten zu akzentuieren: Ist es den Erstrezipienten möglich gewesen, die in Apk 2f. vorliegenden Texte der sieben Sendschreiben in ihrer jetzigen Gestalt im Rahmen des Vorgangs ihres Textverstehens aufgrund der Interpretationsignale der Texte selbst als kohärente und in sich schlüssige sprachliche Gebilde wahrzunehmen oder sahen sie sich Texten gegenübergestellt, die sie ausschließlich auf der Grundlage ihrer eigenen Inferenzen, somit also subjektiv, als kohärent und somit als sinnvoll zu strukturieren und zu bewerten vermochten? Von subjektiver, ohne jegliche Textindikation konstruierter Sinnbildung ist u.a. in folgenden Fällen zu sprechen: (a) Der Rezipient weist einem von dem ihm vorliegenden Text gebotenen Begriff oder sprachlichen Ausdruck, um entsprechende textliche Diskontinuitäten bzw. Inkohäsonen zu überbrücken und zu einer kohärenten Interpretation jenes zu gelangen, ein Sinnpotential zu, das diesem von seinem eigentlichen Bedeutungspotential22 her gesehen nicht zukommt. (b) Damit hängt zusammen: Der Rezipient schreibt einzelnen Textelementen oder Textkomponenten argumentationslogische Funktionen zu, die sich aus den ihnen jeweils inhärenten, im Grunde inkohäsiven semantischen Potential explizit nicht ableiten lassen23. 20. Vgl. hierzu o. 26–27. 21. E.-M. Becker, Kohärenz, 119. 22. R.-A. de Beaugrande und W.U. Dressler definieren den Begriff ‚Bedeutung‘ als „die Fähigkeit oder das Potential eines sprachlichen Ausdrucks, Wissen darzustellen oder zu übermitteln“ (Textlinguistik, 88), den Begriff ‚Sinn‘ hingegen als das Wissen, „das tatsächlich durch die Ausdrücke innerhalb eines Textes übermittelt wird“ (88). 23. Vgl. hierzu etwa die Ausführungen von H. Thyen zu Joh 20,30f.: „Auch wenn die meisten Exegeten in diesen beiden Versen immer noch den ursprünglichen Schluß des Evangeliums erkennen wollen und Joh 21 als den sekundären Nachtrag eines epigonalen Redaktors von bescheidenem literarischen Vermögen beurteilen, plädieren wir hier für die ursprüngliche und auflösliche Zusammengehörigkeit von Joh 21 mit den vorausgegangenen Kapiteln 1–20 …. … Weil die beiden Verse 20,30 und 31 eine Brückenfunktion haben, indem sie sowohl

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(c) Um die Inkohäsion einer semantisch aufweisbaren differenten und damit der Bildung von Kohärenz entgegenstehenden Emotionalität innerhalb eines sich als zusammenhängend gerierenden Textes zu überwinden, nimmt der Interpret als Inferenz einen im Text selbst nicht indizierten Wechsel der Gruppe der angeredeten Adressaten24 oder aber eine Unterbrechung im Vorgang der Abfassung des Textes – und damit einhergehend, eine Veränderung der psychischen Verfassung des jeweiligen Autors – an25. (d) Den aufgewiesenen Inkohäsionen werden – zumindest in den Augen der Vertreter solcher Ansätze im Rahmen der Interpretation – tatsächliche oder auch nur angebliche – gewichtigere und umfassendere Kohäsionen entgegengestellt, die die Inkohäsionen in den Augen derselben dann insoweit zu relativieren vermögen, dass sie verblassen und ihre inkohäsive, auf eine mögliche Inkohärenz hinweisende Kraft – scheinbar – verlieren26.

Die Methode der – solchermaßen als einer rezeptionsästhetisch akzentuierten zu charakterisierenden – Literarkritik lässt sich in diesem Zusammenhang als diachrone exegetische Methoden darstellen, die auf den Ergebnissen der – synchron akzentuierten – Arbeitsschritten der Kontinuitäts- und der Kohärenzanalyse beruht, diese voraussetzt und dann in Aussagen über die Geschichte bzw. das Wachstum des zu analysierenden Textes und die Leistungen der an diesem Wachstum beteiligten Theologen transformiert. Im Rahmen der Kontinuitätsanalyse werden – vermeintliche oder auch tatsächliche – Spannungen, Brüche und Doppelungen27 innerhalb des zu analysierenden Textes ermittelt, die dann innerhalb der Kohärenzanalyse – das Corpus des Evangeliums … beschließen …, zugleich aber auch der Eröffnung seines epilogs als des Zeugnisses Jesu für dieses Evangelium dienen, …“ (Joh, 770f.). Eine solche Brückenfunktion lässt sich aus dem Text selbst jedoch nicht entnehmen (vgl. hierzu nur R. Bultmann, Joh, 540: „[Joh] 20,30f. ist ein deutlicher Abschluß des Ev[an]g[eliums], in dem der Auswahlcharakter der Erzählung betont und ihr Zweck angegeben wird“; vgl. darüber hinaus auch U. Schnelle, Einleitung, 571, der im Blick auf Joh 20,30f. von einem „umfassende[n]. Buchschluß“ spricht), sondern muss als Inferenz, d.h. als konstruktive Operation des Rezipienten, in diesen hineingelesen werden. In diesem Sinne fußt die von Thyen hier gesehene Kohärenz an der Stelle des Übergangs von Joh 20 zu Joh 21 nicht auf den Ausführungen des Textes selbst, sondern lediglich auf seiner – letztlich gegen dessen Intention selbst gerichteten – Interpretation desselben. 24. Dies geschieht in der Forschung etwa im Blick auf die Frage, ob die beiden Hauptteile des 2Kor, 2Kor 1–9 und 2 Kor 10–13, trotz ihrer Differenz im Tonfall als literarische Einheit angesehen werden können; vgl. hierzu etwa U. Schnelle, Einleitung, 105 mit Verweis auf W. Bousset und dessen Kommentar zum 2Kor. 25. Vgl. zu solchen und ähnlichen Vorschlägen im Blick auf den literarischen Zusammenhang von 2Kor 1–9 und 2Kor 10–13 wiederum U. Schnelle, Einleitung, 105f. 26. Vgl. hierzu U. Schnelle, Einleitung, 103, der im Blick auf die – in der Forschung bestrittene – ursprüngliche literarische Einheit von 2Kor 1,1–2,13 und 2Kor 2,14–7,4 formuliert: „Gegen die These einer Eigenständigkeit dieses Textes [d.h. von 2Kor 2,14 – 7,4] spricht zunächst die Beobachtung, dass eine Reihe von Motivverbindungen zu 2Kor 1,1–2,13 bestehen: …“. 27. Vgl. hierzu etwa S. Alkier, Neues Testament, 122.

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im Falle der historisch-kritischen Methode aus der Perspektive der Erstrezipienten – darauf zu befragen sind, ob sie eine im Rahmen der Interpretation desselben zu vollziehende transsubjektive und in diesem Sinne von der Subjektivität des Interpreten unabhängige Kohärenzbildung verunmöglichen oder nicht28. Damit ist dann das Feld bereitet für den Übergang von der synchronen in die diachrone Methodik, d.h. für die literarkritische und u.U. auch für die redaktionsgeschichtliche Bearbeitung des entsprechenden Textes29. Im Blick auf die Praxis literarkritischer Arbeit beschreibt H. Schweizer fünf Phasen derselben, die – explizit oder implizit – auch in die hier zu leistende literarkritische Analyse der sieben Sendschreiben Platz einfließen sollen und werden: (a) In einem ersten Schritt gehe es darum, Textbeobachtungen zu sammeln. Dabei definiert er konkret folgende Verstehensschwierigkeiten bzw. textliche Diskontinuitäten: (1) „Störungen des Lesevorgangs“30: (α) der syntaktische Bruch31, (β) die inhaltliche Spannung32, (γ) die terminologische Differenz33, (δ) die terminologische Indifferenz34, (ε) Mehrfachnennungen von Wörtern, Wortgruppen, Sätzen und Abschnitten35, schließlich (ζ) ein aus dem Text sich ergebendes Informationsdefizit36; 28. Anders hier etwa E. Gräßer, 2Kor I, 29–35; Gräßer definiert die Methode der Literarkritik unmittelbar als Kohärenzanalyse; ähnlich hier auch K. Berger, Exegese, 17; er möchte im Rahmen der Analyse der Textkohärenz die „Einheitlichkeit von Textabschnitten“ untersuchen; vgl. zu Gräßer und Berger auch E.-M. Becker, Kohärenz, 97, A. 1 und 98. 29. Vgl. durchaus in diesem Sinne auch E.-M. Becker, Kohärenz, 117: „Die Frage nach der Kohäsion eines Textes wird mit synchroner Methodik, d.h. vor allem sprachlich und grammatisch bearbeitet. Die Beurteilung der Kohärenz oder Inkohärenz eines Textes hingegen stellt ein texthermeneutisches Werturteil dar, das dazu herausfordert, die ursprüngliche Einheitlichkeit des Textes kritisch in Frage zu stellen, die rein textgrammatische Analyse zu verlassen und im Rahmen diachroner Methodik die historische Rekonstruktion der originären Textgestalt zu versuchen“. Damit ordnet sie die Kohärenzanalyse letztlich auch in die Reihe der synchronen Analyseschritte ein; vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch 99. 30. Literarkritik, 31. 31. Vgl. hierzu Literarkritik, 31: „Textdeiktisch entsteht Verwirrung, weil bei einem vorausgesetzen, aber ungenannten Subjekt oder bei einem Pronomen in anderer Satzfunktion unklar ist, wer gemeint ist“. 32. Vgl. hierzu Literarkritik, 31: „Zwei Informationen stehen offenkundig im Widerspruch“. 33. Vgl. hierzu Literarkritik, 31: „Eine Person/Sache wird im Text unterschiedlich benannt“. 34. Vgl. hierzu Literarkritik, 31: „Personen/Sachen, die eigentlich auseinanderzuhalten sind, werden miteinander vermengt“. 35. Vgl. hierzu Literarkritik, 31; darüber hinaus stellt Schweizer klar: „Eine solche [Mehrfachnennung] ist zunächst noch neutral. Ob in solchem Befund ein literarkritisches Problem zu sehen ist, hängt davon ab, ob die Mehrfachnennung stilistisch akzeptabel ist … oder ob sie irritiert“. 36. Vgl. hierzu Literarkritik, 31; Schweizer erläutert: „Der Text bringt etwas zur Sprache, was mich als Leser im Moment überfordert. Entweder liegt darin ein kommunikatives Textproblem (vielleicht weil eine Textstörung gegeben ist), oder das Inf[ormations].def[izit]. rührt

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(2) „stilistische Wechsel“37: (α) „konkret-plastisch beschreibender Stil vs. Abstraktionen, Wertungen, religiöse Fachsprache“38, (β) der Wechsel zwischen direkter Rede und Handlungsschilderung, (γ) der Tempuswechsel, (δ) „knapper Stil vs. ausladend beschreibenden“39, (ε) „Poesie vs. Prosa“40, und (ζ) „Wiederholung vs. Weiterführung der Handlung, des Gedankens …“41. Dabei seien die als „Störungen des Lesevorgangs“ definierten Verstehensschwierigkeiten bzw. Diskontinuitäten als gravierender zu beurteilen als diejenigen, die Schweizer unter dem Schlagwort „stilistische Wechsel“ subsummiert42. (b) In einem zweiten Schritt müsse als „Kehrseite von Schritt I“43 gefragt werden, „bei welchen Textteilen … [sich] … keine Beobachtungen zum Thema ‚Verständnisschwierigkeiten‘“44 namhaft machen lassen. Die Antwort auf diese Frage ermögliche Schweizer zufolge letzten Endes eine präzise Abgrenzung der literarkritisch voneinander zu unterscheidenden einzelnen, von ihm mit dem Begriff der näherhin in einzelne ‚Äußerungseinheiten’ zu differenzierenden ‚minimalen Leseeinheit‘ belegten Partien eines Textes45. (c) Drittens sind dann die einzelnen Bruchstellen innerhalb eines Textes zu identifizieren. Um hier dem Problem einer willkürlichen Literarkritik zu wehren, ist es von entscheidender Bedeutung, die einzelnen Textbeobachtungen „daraufhin zu diskutieren, ob sie im Sinne eines stilistisch legitimen Effektes verstanden werden können oder ob die Verstehensschwierigkeiten auch nach der genaueren Diskussion bestehen bleiben“46. Im Sinne des o. definierten grundlegenden qualitativen theoretischen Kriteriums sind Diskontinuitäten und Verstehensschwierigkeiten erst dann literarkritisch von einem präsupponierten Realienwissen her, das mir als zeitlich weit entferntem Leser inzwischen abgeht. … Oft kann durchaus begründet werden, ob das Inf[ormations].def[izit]. im ersten Sinne zu sehen ist (dann interessiert es hier weiter) oder im zweiten (dann wird es registriert und belassen“. 37. Literarkritik, 31. 38. Literarkritik, 31 39. Literarkritik, 31 40. Literarkritik, 31 41. Literarkritik, 31 42. Vgl. hierzu Literarkritik, 31; in ähnlicher Weise benennt M. Arneth, Art. Literarkritik der Bibel, in: RGG4 V, 389 folgende literarkritische Indizien: „a) syntaktische Brüche, b) Terminologiedifferenzen, c) Dubletten, d) Stildifferenzen, e) unterschiedliche Spracheigentümlichkeiten, f) gattungsatypische Elemente und g) inhaltliche Spannungen“. Vgl. zu solchen Diskontinuitäten auch S. Finnern/J. Rüggemeier, Methoden, 58–63; sie definieren insgesamt elf mögliche, innerhalb eines Textes auftretende Inkohäsionen und Inkohärenzen. 43. Literarkritik, 32. 44. Literarkritik, 32. 45. Vgl. zu dieser Begrifflichkeit Literarkritik, 33. 46. Literarkritik, 33.

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relevant, wenn sie im Rahmen einer historisch-kritischen Interpretation des Textes sinnvoll ausschließlich nur auf der Basis einer „rekonstruktive[n] oder konstruktive[n] Operation des Rezipienten“47 überwunden werden können48. (d) Im Anschluss daran seien dann nach Schweizer auf der Ebene einer „Literarkritik zweiter Stufe“49 eine Arbeitshypothese hinsichtlich der Frage nach dem Umfang des dem gegenwärtigen Text zugrundeliegenden ursprünglichen Primärtextes zu entwerfen50 und zu überprüfen, welchen unterschiedlichen Schichten die auf literarkritischem Wege ermittelten einzelnen Teiltexte zuzurechnen sind51. Der auf diese Weise zu entwickelnde Prozess des Textwachstums wird in der vorliegenden Studie als Prozess der Relecture definiert; nach J. Zumstein liegt ein solcher Prozess „dann vor, wenn ein erster Text die Produktion eines zweiten Textes veranlasst und dieser zweite Text seine volle Verständlichkeit erst in Bezug auf den ersten Text gewinnt“52. (e) Am Ende der literarkritischen Analyse stehe die von H. Schweizer so genannte „Gegenkontrolle“53; hier müsse überprüft werden, dass sämtliche der zuvor beschriebenen Verstehensschwierigkeiten und textlichen Diskontinuitäten im Rahmen der Interpretation des entsprechenden Textes verarbeitet worden seien und sich entweder als „stilistisch positiv erklärbar“54 somit also als literarkritisch irrelevant oder aber als literarkritisch von Bedeutung und damit als die Annahme eines den entsprechenden Text betreffenden Textwachstumsprozesses plausibilisierend erwiesen hätten.

47. T. Lewandowski, Linguistisches Wörterbuch I, s.v. Inferenz, 441. 48. Anders hier H. Schweizer, Literarkritik, 33f., der anstelle des hier formulierten qualitativen ein quantitatives Kriterium einführen möchte; er formuliert: „Es ist … legitim zu verlangen, daß an einer einzigen literarkritischen Bruchstelle wenigstens zwei Beobachtungen zusammenkommen müssen, die beide auch nach genauerer Diskussion das Etikett ‚Verstehensschwierigkeit‘ verdienen“; vgl. zu einem solchen quantitativen Kriterium auch die Ausführungen von M. Arneth, Art. Literarkritik, in: RGG4 V, 389f. 49. Literarkritik, 34. 50. Vgl. zur methodischen Berechtigung der Aufstellung einer solchen Arbeitshypothese Literarkritik, 34: „Ihr Recht bezieht die Arbeitshypothese jedoch daraus, daß die Annahme eines ursprünglich intakten Texts, der später erweiternd verändert wurde, viel für sich hat: Sowohl von der literarischen Produktion her liegt sie näher, von der Vorstellung literarischer Kommunikation (ein Fragment wird kaum je den Beginn eines Textbildungsprozesses bilden) wie auch vom Umgang mit Texten her, die schon eine gewisse Autorität erlangt haben“. 51. Vgl. hierzu auch Literarkritik, 39: „Im IV. Schritt wird nun versucht, durch Kombination von Teiltexten, die keine Verstehensprobleme aufwerfen, d.h. die hintereinander spannungsfrei zu lesen sind, literarisch einheitliche Textschichten zu finden“. 52. J. Zumstein, Kreative Erinnerung, 24; vgl. zu dieser Definition auch 16. 53. Literarkritik, 35. 54. Literarkritik, 35.

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Aus diesen an die von H. Schweizer vorgelegten konzeptionellen Überlegungen zur literarkritischen Methode anknüpfenden und diese weiterentwickelnden Erwägungen ergeben sich im Blick auf die im dritten Kapitel der vorliegenden Studie vornehmlich zu verhandelnde Frage nach dem literarischen Verhältnis der Corpora der sieben Sendschreiben zu den sie jeweils beschließenden Weckrufen und Überwindersprüchen insgesamt folgende Analyseschritte: (a) Die in Apk 2f. vorliegenden Sendschreiben sind zunächst auf ihnen inhärente textliche Diskontinuitäten und Verstehensschwierigkeiten zu untersuchen. (b) Sollten sich im Rahmen dieser Untersuchung solche Diskontinuitäten und Verstehensschwierigkeiten aufweisen lassen, wird es erforderlich sein, dieselben daraufhin zu überprüfen, inwieweit sie im Rahmen der – durch die Erstrezipienten der Apk zu vollziehenden – Interpretation der einzelnen Sendschreiben zu einer subjektiven, d.h. ausschließlich auf aus seinem eigenen Vorwissen evozierten Inferenzen des Interpreten beruhenden Sinn- und Kohärenzbildung nötigen. (c) Wenn sich dies positiv erweisen ließe, werden daraus abschließend literarkritische, die Frage nach einem Modell der Entstehung des jeweils einzelnen Sendschreibens bzw. des Textkomplexes Apk 1.2f. in seiner Gesamtheit betreffende Schlussfolgerungen zu ziehen sein. Jenseits dieser grundlegenden, die Methode der Literarkritik betreffenden methodischen Reflexion bleibt festzuhalten, dass die literarkritische Analyse der sieben Sendschreiben Apk 2f. folgende theoretische Voraussetzungen mitzubedenken hat: (a) Aus dem engen literarischen Zusammenhang der einzelnen Weckrufe55 mit den entsprechenden – jeweils auf sie folgenden oder aber ihnen vorausgehenden – Überwindersprüchen56 ergibt sich, dass, sollte sich für eine der beiden Textgruppen zeigen lassen, dass diese von einer späteren Hand sekundär an die – im gegenwärtigen Text der Apk jeweils von einer Botenformel eingeleiteten – Corpora der sieben Sendschreiben angefügt worden sind, dies auch für die jeweils andere Text- bzw. Spruchgruppe gilt. Diese Erwägung lässt es sinnvoll erscheinen, sich im Rahmen des Versuchs der Klärung des literarischen Verhältnisses der Weckrufe und der Überwindersprüche zu den einzelnen Sendschreibencorpora – zumindest 55. Vgl. zur weitestgehend parallelen Struktur dieser Weckrufe etwa U.B. Müller, Apk, 93: „Der Weckruf … ist das einzige Element der Sendschreiben, das einen völlig gleichbleibenden Wortlaut hat“. 56. Vgl. hierzu etwa D.E. Aune, Apk I, 124: „It [d.h. der jeweilige Überwinderspruch] is placed after the proclamation formula in the first three proclamations (2:7b, 11b, 17b) but before it in the last four (2:26–27; 3:5, 12, 21), suggesting that the two formulas are closely related“.

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heuristisch – auf die Überwindersprüche zu fokussieren, da die Weckrufe in dieser Hinsicht nur wenig ergiebig scheinen. (b) Angesichts des Sachverhalts, dass die einzelnen Überwindersprüche weitestgehend parallel konstruiert sind57, legt sich die Annahme nahe, dass sie sich alle ein- und demselben Verfasser verdanken. Das aber heißt im Umkehrschluss: Sollte sich einer der in den Sendschreiben begegnenden Überwindersprüche – zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit – als sekundäre Hinzufügung zu dem von ihm beschlossenen Sendschreibencorpus erweisen, müssen auch alle anderen Überwindersprüche – zumindest bis zum expliziten Erweis des Gegenteils – als ebensolche sekundäre Hinzufügungen gelten, unabhängig davon, ob der entsprechende Einzelnachweis jeweils vollgültig erbracht werden konnte.

II.2. EINLEITUNGSWISSENSCHAFTLICHE GRUNDLAGEN II.2.1. Abfassungsort und Abfassungszeit der Apk Dass die Apk in der römischen Provinz Asia verfasst und an sieben auf dem Gebiet derselben zu verortende Gemeinden gerichtet ist, ergibt sich aus den Angaben des Apokalyptikers in Apk 1,4.11 und wird in der exegetischen Forschung nicht bestritten58. Hinsichtlich der Abfassungszeit der Apk vertritt eine Mehrheit innerhalb der Forschung die Annahme, diese Schrift sei in der Regierungszeit des Kaisers Domitianus, präziser: in der Zeit zwischen 90 und 95 n.Chr. verfasst worden59, wohingegen der Verfasser dieser Seiten die Datierung ihrer Abfassung in hadrianischer Zeit, konkret in der Zeit zwischen 132 und 135 n.Chr., vorschlägt60. Für die in der vorliegenden Studie zu verhandelnde Frage nach dem zeitlichen und damit auch dem literarischen Verhältnis der sieben Sendschreiben Apk 2f. zum apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 kann das Problem der Abfassungszeit der Apk – zumindest zunächst und grundsätzlich – unberücksichtigt bleiben; diese Frage wird aber im weiteren Verlauf der Argumentation, insbesondere im Rahmen der Diskussion der Frage der Gattung des – literarkritisch

57. Vgl. hierzu etwa U.B. Müller, Apk, 94: „Die Form des Spruches bleibt bei mancherlei inhaltlicher Variation ziemlich konstant“. 58. Vgl. hierzu etwa U. Schnelle, Einleitung, 600–602.602–605. 59. Vgl. hierzu die die aktuelle Debatte zusammenfassende, 2014 erschienene Studie von R. Mucha, Der apokalyptische Kaiser, 122–144. 60. Zu den einzelnen Argumenten vgl. T. Witulski, Johannesoffenbarung, 346–350.

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rekonstruierten – ursprünglichen bzw. Grundbestandes der sieben Sendschreiben61, eine durchaus nicht unerhebliche Rolle spielen. II.2.2. Der Aufriss der (Gesamt-)Apk und die Gliederung der Sendschreiben Die Apk in ihrer Gesamtheit lässt sich grob folgendermaßen untergliedern62: Auf das Incipit 63 Apk 1,1–3 folgt ein um eine prophetische Weissagung64 erweitertes Briefpräskript65 Apk 1,4–8, an das wiederum die Beauftragungs-66 bzw. Berufungsvision Apk 1,9–20 anschließt67. Darauf folgen dann als erster größerer Textblock die – insbesondere mit der Beauftragungs- und der Berufungsvision, aber auch mit dem erweiterten Briefpräskript motivisch und semantisch eng verbundenen68 – sieben Sendschreiben Apk 2f., an die der apokalyptische Hauptteil Apk 4,1–22,5 als zweiter großer Textabschnitt anschließt. Apk 22,6–20 bilden den von diesem apokalyptischen Hauptteil abzugrenzenden und den Charakter eines Epiloges tragenden Abschluss desselben69, Apk 22,21 dann – in Wiederaufnahme des Briefpräskripts Apk 1,4–8 – das briefliche Postskript bzw. den

61. Vgl. hierzu u. 376–385. 62. Zu der großen Zahl der unterschiedlichen Vorschläge zu einer erheblich detaillierten Gliederung der Apk vgl. – mit einem grundsätzlichen Verweis auf A. Yarbro Collins – neuestens etwa F. Tóth, Vision, 324–329 und die Übersicht 408. Für die in der vorliegenden Studie in den Blick genommene Fragestellung reicht die hier dargestellte grobe Gliederung zu, so dass auf eine detailliertere Analyse der Struktur der Gesamt-Apk verzichtet werden kann. 63. Vgl. zu diesem Abschnitt und auch zum Begriff des Incipit M. Karrer, Johannesoffenbarung, 86–108 und P. Pokorný/U. Heckel, Einleitung, 588: „Der Prolog (1,1–3) bietet eine Zusammenfassung des Inhalts als ‚Offenbarung Jesu Christi‘ durch seinen ‚Diener Johannes‘ und fügt eine Seligpreisung für den Vorleser und die Hörer im Gottesdienst an“. Zu den engen sprachlichen Bezügen dieses Incipit zur Passage Apk 22,6–10 vgl. etwa F. Tóth, Vision, 352–354; inwieweit sich daraus jedoch redaktionsgeschichtliche Konsequenzen ableiten lassen, muss dahingestellt bleiben. 64. D.E. Aune, Apk I, 50 spricht im Blick auf Apk 1,7f. von „two prophetic oracles“, H. Giesen, Apk, 80 sieht in Apk 1,8 eine vom Apokalyptiker selbst formulierte Bestätigung des in Apk 1,7 geäußerten Prophetenspruches. 65. Vgl. zu diesem Begriff U.B. Müller, Apk, 69. 66. Vgl. zu diesem Begriff wiederum U.B. Müller, Apk, 78. 67. Wenig sinnvoll erscheint der Vorschlag von F. Tóth, Vision, 408, Apk 1,9 von Apk 1,10–20 zu trennen, zu Apk 1,4–8 ziehen und dann Apk 1,4–9 insgesamt als „briefliche. [n] Eingang“ betiteln zu wollen. Freilich lassen sich die Ausführungen Apk 1,9–20 dann nicht mehr als ‚Kultszene‘ begreifen, ein Begriff und eine Textgattung, der für die von Tóth insgesamt vorgeschlagene Gliederung der Apk und damit auch für die von ihr transportierte Botschaft offensichtlich maßgebliche Bedeutung zukommen (vgl. etwa 329). 68. Vgl. zu diesem Sachverhalt die jeweilige Einzelanalyse der einzelnen Sendschreiben u. passim. 69. Vgl. zu dieser in der exegetischen Forschung weithin vertretenen Abgrenzung etwa F. Tóth, Vision, 408.

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Schlussgruß70. Die folgende Übersicht vermag dabei die unterschiedlichen Gliederungsebenen herauszuarbeiten71: Incipit: Apk 1,1–3 erweitertes Briefpräskript: Apk 1,4–8 Berufungsvision: Apk 1,9–20 erster Hauptteil: die sieben Sendschreiben Apk 2,1–3,22

zweiter Hauptteil72: der apokalyptische Hauptteil Apk 4,1–22,5 Buchschluss/Epilog: Apk 22,6–20 Postskript/Schlussgruß: Apk 22,21

Die einzelnen Sendschreiben werden in der exegetischen Literatur in der Regel – wiederum grob73 – in jeweils fünf bzw. sechs schon formal voneinander 70. Als einer der wenigen Exegeten grenzt D.E. Aune Apk, 22,21 m.R. von dem Vorangehenden als „epistolary postscript“ (Apk III, 1238) ab; dabei stellt er fest: „… is the concluding epistolary benediction of Revelation, which functions to remind the reader that the book is framed as a letter extending from 1:4 through 22:21“ (1239). Vgl. hierzu aber auch A. Satake, Apk, 429. 71. Vgl. zu der hier vorgelegten Gliederung etwa U. Schnelle, Einleitung, 605–608 und P. Pokorný/U. Heckel, Einleitung, 588–592; vgl. insbesondere auch A. Satake, Apk, 8, der eine Gliederung entwickelt, die der hier vorgelegten weitestgehend entspricht. 72. Eine – in anderen Zusammenhängen sicherlich notwendige – weitere Aufgliederung dieses zweiten Hauptteils kann an dieser Stelle unterbleiben; vgl. zu einer weiteren Aufgliederung von Apk 4,1–22,5 etwa den Vorschlag von F. Tóth, Vision, 408. 73. Zu einer detaillierteren Gliederung der einzelnen Sendschreiben, insbesondere der einzelnen Corpora, vgl. etwa D.E. Aune, Apk I, 119–124 und auch F. Hahn, Sendschreiben, 370–377. Für die in der vorliegenden Studie verhandelten Fragestellungen reicht diese grobe Gliederung – zumindest zunächst – zu. Sollte an einem konkreten Punkt der Argumentation eine detaillierte Strukturanalyse erforderlich werden, wird eine solche dann an entsprechender Stelle diskutiert. Zu der hier vorgelegten, groben Analyse der Struktur der sieben Sendschreiben vgl. etwa U.B. Müller, Apk, 92–95, J. Roloff, Apk, 47, H. Lichtenberger, Apk, 83 und H. Zimmermann, Christus und die Kirche, 176f., darüber hinaus auch D.E. Aune, Form and Function, 183–194; Aune unterscheidet folgende Elemente der Sendschreiben: „(1) the adscriptio, (2) the command to write …, (3) the τάδε λέγει formula, (4) the Christological predications, (5) the οἶδα-clause (which introduces the narratio of each proclamation and is

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zu unterscheidende Elemente unterteilt: (1) Dem eigentlichen Sendschreiben geht jeweils ein stereotyp formulierter Schreibbefehl74 voraus, innerhalb dessen der Apokalyptiker von dem ihm in Apk 1,9–20 erscheinenden ὅμοιος υἱὸν ἀνθρώπου aufgefordert wird, an den ἄγγελος der entsprechenden ἐκκλησία75 zu schreiben. (2) Daran schließt sich eine Botenformel an, in der der in den Sendschreiben redende Christus sich der angeschriebenen Gemeinde unter Verwendung charakteristischer Epitheta vorstellt. (3) Unmittelbar im Anschluss an die Botenformel, immer eingeleitet durch das Prädikat οἶδα, thematisieren der in den Sendschreiben redende Christus bzw. der Apokalyptiker unterschiedliche Aspekte der Situation der jeweils angeschriebenen Gemeinde. (4) Beschlossen werden die einzelnen Episteln jeweils durch einen stereotyp formulierten Weckruf – ὁ ἔχων οὖς ἀκουσάτω τί τὸ πνεῦμα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις – und durch einen Überwinderspruch76. Während innerhalb der ersten drei Sendschreiben der Weckruf dem Überwinderspruch vorausgeht, steht in den letzten vier Episteln gerade umgekehrt der Überwinderspruch dem Weckruf voran77. II.2.3. Die Gattung der sieben Sendschreiben In seinem umfangreichen Apk-Kommentar macht D.E. Aune letzten Endes insgesamt fünf unterschiedliche, in der Forschung vertretene Vorschläge zur Bestimmung der Gattung der sieben Sendschreiben namhaft78: (a) Mit den sieben Sendschreiben lehne sich der Apokalyptiker an Sprachformen extremely varied in content), (6) the proclamation formula, and (7) the promise of victory. In addition there is an eighth feature, the dispositio … which must be distinguished from the οἶδα-clause, even though the transition is not assigned a stereotyped linguistic marker“. 74. Zu diesem Schreibbefehl und seinen traditions- und auch religionsgeschichtlichen Voraussetzungen vgl. etwa D.E. Aune, Apk I, 120f. und auch U.B. Müller, Apk, 92. 75. Zu dieser Figur vgl. neuestens die Ausführungen von C.R. Koester, Apk, 248f., darüber hinaus auch D.E. Aune, Apk I, 108–112; vgl. hierzu ausführlich u. 92–114. 76. Zum Problem des Begriffs des Überwinderspruches vgl. M. Karrer, Apk I, 280; Karrer zufolge verenge dieser Begriff „die Nuance auf die Bewältigung und Überwindung von Bedrohnissen im Leben“, eine Beobachtung, der zufolge er für diesen Textteil der Sendschreiben den Begriff ‚Siegerspruch‘ (vgl. 277) vorlegt. Damit berührt Karrer einen entscheidenden Gesichtspunkt der Interpretation dieser Texte; vgl. hierzu und zu den semantischen Implikationen des Terminus νικάω ausführlich u. 162–163, 166–167. 77. Zu den möglichen Gründen für diese Veränderung der Reihenfolge vgl. ausführlich u. 152–153. 78. Vgl. hierzu Apk I, 124–129; die von J.T. Kirby, The Rhetorical Situations of Revelation 1–3, NTS 34, 1988, 197–207 vertretene These, die sieben Sendschreiben seien als deliberative Rede zu charakterisieren (vgl. etwa 200) bleibt an dieser Stelle unberücksichtigt, da es sich hierbei um eine rhetorische, nicht jedoch um eine linguistische bzw. literaturwissenschaftliche Definition handelt. Die Ausführungen und Hinweise Kirbys werden im weiteren Verlauf der vorliegenden Studie jedoch an geeigneter Stelle verarbeitet.

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alttestamentlicher und frühjüdischer Prophetie an79. (b) Die sieben Sendschreiben seien als Himmelsbriefe zu klassifizieren80. (c) Mit den sieben Sendschreiben lasse der Apokalyptiker die Textsorte des prophetischen Briefes wieder aufleben81. (d) Die sieben Sendschreiben seien der Gattung des „covenant suzerainty treaty“82 zuzuordnen83 und als Bundeserneuerungsbotschaften zu verstehen. (e) Die sieben Sendschreiben bildeten eine vom Apokalyptiker selbst kreierte Gattung sui generis, kombiniert aus den Gattungen ‚kaiserliches Edikt‘ und „parenetic salvation-judgment oracle“84. Diese fünf Vorschläge sind an dieser Stelle zunächts darzustellen und dann kritisch-konstruktiv zu reflektieren. II.2.3.1. Die sieben Sendschreiben als Prophetensprüche In seiner 1975 veröffentlichten Habilitationsschrift, in der es wesentlich um das Phänomen einer urchristlichen Prophetie geht, unternimmt U.B. Müller 79. Vgl. zu dieser These insbesondere U.B. Müller, Prophetie und Predigt im Neuen Testament. Formgeschichtliche Untersuchungen zur urchristlichen Prophetie, StNT 10, Gütersloh 1975, 57–107 und F. Hahn, Die Sendschreiben der Johannesapokalypse: Ein Beitrag zur Bestimmung prophetischer Redeformen, in: Tradition und Glaube: Das frühe Christentum in seiner Umwelt. FS K.G. Kuhn, Göttingen 1971, 372–394. 80. Diese These wird in der Forschung prominent vertreten etwa von A. Deissmann, der – nachgerade apodiktisch – formuliert: „Auch die sieben Christusbriefe der Offenbarung Johannis nach Ephesus, Smyrna, Pergamon, Thyateira, Sardes, Philadelphia und Laodikeia, die formengeschichtlich zu den Himmelsbriefen zu rechnen sind, …“ (Licht vom Osten, 321; vgl. auch 208, A. 1.2, dort auch weitere Literatur). 81. Vgl. hierzu etwa K. Berger, Apostelbrief und apostolische Rede: Zum Formular frühchristlicher Briefe, ZNW 65, 1974, 190–231, hier insbesondere 212–219; zu dieser Gattungsbestimmung vgl. auch neuestens M. Wilson, Victor Sayings, 54: „To classify Revelation 2–3 as prophetic letters is perhaps the closest we can come to describing the form and content of these chapters“. 82. D.E. Aune, Apk I, 119. 83. Vgl. hierzu etwa W.H. Shea, The Covenantal Form of the Letters to the Seven Churches, AUSS 21, 1983, 71–84. 84. D.E. Aune, Apk I, 119; diese letzte Gattungszuschreibung stellt Aunes eigenen Vorschlag dar; vgl. hierzu Apk I, 124–132; im Blick auf die Gattung der Sendschreiben noch deutlicher in Richtung ‚imperiales Edikt‘ tendierend ders., Form and Function, 204: „John has used this form [d.h. diejenige eines imperialen Edikts] to create prophetic proclamations issued by the Kind of kings and Lord of lords to his subjects. John has consciously employed the form of the royal or imperial edict as part of his strategy to emphasize the fact that Christ is the true king in contrast to the Roman emperor who is both a clone and tool of Satan“. Wie D.E. Aune geht auch M. Karrer, Johannesoffenbarung, 159f., davon aus, dass die sieben Sendschreiben eine Gattung sui generis darstellen: „Da die Sendschreiben in ihrer Parallelisierung deutlich stilisiert sind, da außerhalb der Apk keine formalen Parallelen zur Gesamtstruktur der einzelnen Sendschreiben oder gar ihres Siebenerzusammenhangs vorliegen und da schließlich dieser Befund angesichts der Fülle überkommener griechischer, jüdischer und frühchristlicher Texte nicht nur zufällig sein kann, ist eine starke redaktionelle Eigenarbeit des Apk-Autors, die verschiedene Formtraditionen kombiniert, von vornherein wahrscheinlich“.

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den Versuch, die sieben Sendschreiben Apk 2f. als christliche Weiterentwicklung von innerhalb der alttestamentlichen und der frühjüdischen Prophetie nachweisbaren Sprachformen zu beschreiben. Im Rahmen dieses Unterfanges möchte er zunächst nachweisen, dass „die sogenannten Sendschreiben … anscheinend auf mündliche Rede zurück[gehen]“85, diese Episteln also eine in Apk 2f. zwar schriftlich vorliegende bzw. verschriftlichte, letzten Endes aber in der mündlichen Kommunikation beheimatete Sprachform darstellen86. Zugunsten dieser These führt Müller im Einzelnen folgende Argumente an: (a) Die Sendschreiben wiesen weder eine briefliche Form auf noch ließen sie auf eine briefliche, somit schriftliche Kommunikation zwischen dem Apokalyptiker und den von ihm angeschriebenen Gemeinden schließen87. (b) Die Ausführungen der Apk selbst indizierten, dass die sieben Sendschreiben als „das Wort, das er [d.h. der Apokalyptiker] normalerweise bei Anwesenheit in der Gemeindeversammlung mündlich vorzutragen hätte“88, zu begreifen seien, beschrieben sie doch den Sachverhalt, dass der Apokalyptiker die in diesen Episteln verkündigte Botschaft am Herrentag im Status der „Geistergriffenheit“89 empfangen habe. Dieser Sachverhalt führe zu „eine[r] Art pneumatischer Präsenz“90 des Apokalyptikers in den Versammlungen der von ihm angeschriebenen Gemeinden, die zur Folge habe, dass die Sendschreiben – unabhängig von der Tatsache, dass sie in Apk 2f. als eine „bewußt komponierte literarische Einheit“91 vorlägen92, – letztlich nichts anderes als „nur der Ersatz mündlicher Predigt“93 sein könnten. 85. Prophetie und Predigt, 48. 86. Vgl. hierzu Prophetie und Predigt, 48: „Wir haben hier gleichsam niedergeschriebene Predigten vor uns“. 87. Vgl. hierzu Prophetie und Predigt, 47f., unter Berufung auf E. Lohmeyer: „Abgesehen von der stereotypen Aufforderung zum Schreiben zu Beginn jedes Schreibens erinnert eigentlich nichts an einen Brief. Lohmeyer stellte in diesem Zusammenhang fest: ‚Die Schreiben in c. 2 und 3 sind alles andere als Briefe. Keine briefliche Form, keine briefliche Situation, kein brieflicher Austausch ist in ihnen zu finden‘“. Anders, aber kaum überzeugend, hier M. Karrer, Johannesoffenbarung, 160: „Die Sendschreiben sind bereits durch die konkreten Schreibbefehle, die sie einleiten, auf die briefliche Kommunikationsform hin stilisiert, die sie nach dem Willen ihres Autors insgesamt trägt“. Angesichts dieses Befundes ebenfalls eher unwahrscheinlich F. Hahn, Sendschreiben, 363f.: „Denn der Verfasser [d.h. der Apokalyptiker] hat ihr [d.h. der Apk], wie der Abschnitt 1,4–6 und der mit liturgischen Elementen durchsetzte Schluß in 22,6–21 zeigen, einen brieflichen Rahmen gegeben und aus diesem Grund die prophetischen Botschaften an die Gemeinden als ‚Sendschreiben‘ stilisiert“. 88. Prophetie und Predigt, 48. 89. Prophetie und Predigt, 48; Müller bezieht sich hier in Sonderheit auf die Ausführungen in Apk 1,9f. 90. Prophetie und Predigt, 48. 91. Prophetie und Predigt, 48. 92. Dies käme Müller zufolge etwa dadurch zum Ausdruck, dass die Rahmungen der einzelnen Sendschreiben als „gleichartige Stilisierung[en]“ (Prophetie und Predigt, 48) erkennbar seien. 93. Prophetie und Predigt, 48.

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(c) Die Wortwahl in den einzelnen Botenformeln (τάδε λέγει κτλ.) sowohl als auch in den einzelnen Weckrufen (ὁ ἔχων οὖς ἀκουσάτω τί τὸ πνεῦμα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις) unterstreiche den im Grunde mündlichen Charakter der sieben Sendschreiben94. (d) Die Ausführungen des Apokalyptikers in Apk 14,13: Καὶ ἤκουσα φωνῆς ἐκ τοῦ οὐρανοῦ λεγούσης· γράψον· μακάριοι οἱ νεκροὶ οἱ ἐν κυρίῳ ἀποθνῄσκοντες ἀπ᾽ ἄρτι. ναί, λέγει τὸ πνεῦμα, ἵνα ἀναπαήσονται ἐκ τῶν κόπων αὐτῶν, τὰ γὰρ ἔργα αὐτῶν ἀκολουθεῖ μετ᾽ αὐτῶν, stützen die These des eigentlich mündlichen Charakters der sieben Sendschreiben, da in ihnen „unmittelbar mündliche Tradition nachwirk.[e]“; daraus nämlich ergebe sich zweierlei: (1) Die in den Einleitungen der einzelnen Sendschreiben verwendete Botenformel τάδε λέγει sei keinesfalls als lediglich „literarische Nachahmung des AT“95 zu begreifen, sondern stelle einen „Reflex tatsächlicher, [vom Apokalyptiker praktizierter] prophetischer Übung“96 dar. (2) Die Einleitung des Corpus der sieben Sendschreiben, hier konkret die Ausführungen in Apk 1,10.11.19 und die die einzelnen Episteln einleitenden Botenformeln, entspräche dem in Apk 14,13a.b.d Ausgeführten; daraus folge dann, dass der jeweilige Kern der einzelnen Sendschreiben strukturell mit dem in Apk 13,14e überlieferten Logion zu parallelisieren, der jeweilige Kern der einzelnen Sendschreiben somit als eigentlich mündliche Sprachform zu begreifen sei97. Auf der Basis dieser Forschungsergebnisse sieht Müller dann in den einzelnen Sendschreiben jeweils „zwei Grundformen prophetischen Redens“98 realisiert, nämlich einerseits die „Paraklese als Bußpredigt“99, die ihm zufolge aus den Strukturelementen „Urteil über die Gemeindesituation (Anklage)“100, „Mahnung“101 und „bedingte Gerichtsdrohung“102 besteht, andererseits 94. Vgl. hierzu Prophetie und Predigt, 48; vgl. zu diesem Argument auch F. Hahn, Sendschreiben, 363, der, wie auch Müller, im Zusammenhang seiner Interpretation der Sendschreiben als prophetischer Redeformen noch auf Am 1f. verweist: „Was den Charakter der Sendschreiben angeht, wird mit Recht auf die im Hintergrund stehende prophetische Tradition hingewiesen. Vor allem die Prophetensprüche in Amos 1 und 2 werden dabei herangezogen, aber auch jüdisch-apokalyptische Überlieferungen erwähnt. Die an alttestamentliche Prophetenrede erinnernde Eingangsformulierung τάδε λέγει ὁ κτλ. macht diesen Zusammenhang besonders deutlich“. 95. Prophetie und Predigt, 50. 96. Prophetie und Predigt, 50. 97. Vgl. hierzu Prophetie und Predigt, 50: „…; die Rede des Menschensohnes im eigentlichen Korpus der sog. Schreiben entfaltet das, was in 14,13e kurz als Logion formuliert ist“. 98. Prophetie und Predigt, 57. 99. Prophetie und Predigt, 61; vgl. hierzu auch ders., Apk, 95. 100. Prophetie und Predigt, 61; vgl. hierzu auch ders., Apk, 95f. 101. Prophetie und Predigt, 61; nach Müller besteht diese Mahnung ihrerseits aus einer „appellierende[n] Erinnerung an den Empfang des Evangeliums“ (61) und aus einem „Ruf zur Umkehr“ (61). 102. Prophetie und Predigt, 61.

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das „Heilswort als unbedingte Ansage eschatologischen Heils“103, gebildet aus den Elementen „Urteil über die Gemeindesituation (Lob, Anerkennung)“104 und „unbedingte Heilsankündigung“105. Diese beiden Formen der prophetischen Rede findet Müller in reiner Form jedoch nur in Apk 3,1–6, dem Sendschreiben an die Gemeinde zu Sardes verifiziert: Die Sprachfom der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ umfasse die Ausführungen in Apk 3,1b–3, das ‚Heilswort als unbedingte Ansage eschatologischen Heils‘ diejenigen in Apk 3,4a.b106. Alle übrigen Episteln böten ausgearbeitet lediglich eine dieser beiden Formen; die andere sei – den Verhältnissen in der jeweils angeschriebenen Gemeinde geschuldet – wenn überhaupt, so allerhöchstens rudimentär vorhanden. In Apk 2,1–7, dem Sendschreiben an die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας sieht Müller zwar in Apk 2,4f. eine ‚Paraklese als Bußpredigt‘ vorliegen107, erkennt jedoch das ‚Heilswort als unbedingte Ansage eschatologischen Heils‘ als „nur im Ansatz vorhanden“108. Auch das Sendschreiben an den pergamenischen ‚Gemeindeengel‘ Apk 2,12–17 biete nur eine ‚Paraklese als Bußpredigt‘; hier fehle allerdings „das Moment der Erinnerung an den Empfang des Evangeliums als Teil der Mahnung“109. Das Sendschreiben an die Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας Apk 2,18–29 habe wiederum „einen ganz eigenen Charakter“110, da der Apokalyptiker hier die Grundform der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ um ein ‚Erweiswort‘111 erweitere, was dann zur Folge habe, dass die ‚Mahnung‘ als zweites Element 103. Prophetie und Predigt, 62. 104. Prophetie und Predigt, 62. 105. Prophetie und Predigt, 62. 106. Vgl. hierzu Prophetie und Predigt, 61; dabei identifiziert Müller die einzelnen Elemente der beiden von ihm (re-)konstruierten Sprachformen in folgender Weise: Im Rahmen der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ bildeten die Ausführungen in Apk 3,1b.2b die Anklage (οἶδά σου τὰ ἔργα ὅτι ὄνομα ἔχεις ὅτι ζῇς, καὶ νεκρὸς εἶ, bzw.: οὐ γὰρ εὕρηκά σου τὰ ἔργα πεπληρωμένα ἐνώπιον τοῦ θεοῦ μου), diejenigen in Apk 3,2a.3a die Mahnung (γίνου γρηγορῶν καὶ στήρισον τὰ λοιπὰ ἃ ἔμελλον ἀποθανεῖν, bzw.: μνημόνευε οὖν πῶς εἴληφας καὶ ἤκουσας καὶ τήρει καὶ μετανόησον) und diejenigen in Apk 3,3b die bedingte Gerichtsdrohung (ἐὰν οὖν μὴ γρηγορήσῃς, ἥξω ὡς κλέπτης, καὶ οὐ μὴ γνῷς ποίαν ὥραν ἥξει ἐπὶ σέ). Im Zusammenhang des ‚Heilswortes als unbedingter Ansage eschatologischen Heils‘ stellten die Ausführungen in Apk 3,4a das Lob der Gemeinde (ἀλλὰ ἔχεις ὀλίγα ὀνόματα ἐν Σάρδεσιν ἃ οὐκ ἐμόλυναν τὰ ἵμάτια αὐτῶν) und diejenigen in Apk 3,4b eine auf die Apk 3,4a Angesprochenen bezogene unbedingte Heilsankündigung (καὶ περιπατήσουσοιν μετ’ ἐμοῦ ἐν λευκοῖς, ὅτι ἄξιοί εἰσιν) dar. Auffällig ist, dass der Apokalyptiker Elemente der ‚Anklage‘ und der ‚Mahnung‘ offensichtlich nicht als getrennt voneinander darstellen kann, sondern als ineinander verschränkt interpretieren muss. 107. Vgl. Prophetie und Predigt, 65. 108. Prophetie und Predigt, 65; Müller begreift Apk 2,2f.6 als ‚Urteil über die Gemeindesituation‘, vermisst allerdings die „dazu passende Heilsankündigung“ (65). 109. Prophetie und Predigt, 66. 110. Prophetie und Predigt, 72. 111. Vgl. hierzu Prophetie und Predigt, 67–70; dieses ‚Erweiswort‘ findet Müller in Apk 2,20b–23.

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dieser Grundform erst gegen Ende dieser Epistel (Apk 2,24f.) erscheine112, darüber hinaus fehle innerhalb der Mahnung das Element der Aufforderung zur Umkehr113. Apk 3,14–22, das Sendschreiben an den ‚Gemeindeengel‘ der Gemeinde zu Laodicea schließlich zeige „nur bedingte Ähnlichkeit mit der oben festgestellten Struktur der Paraklese als Bußpredigt“114. Das Element der ‚bedingten Gerichtsdrohung‘ fehle und werde durch die in Apk 3,20f. aufweisbare bedingte Heilsankündigung substituiert. Darüber hinaus werde dieses Sendschreiben eingeleitet durch eine in ihrer Form der alttestamentlichen Gerichtsprophetie entsprechenden „Anklage mit unmittelbarer Gerichtsankündigung (3,15–16)“115; dies alles führe dazu, dass die von Müller für diese Epistel postulierte Form der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ in derselben – nur – „noch einigermaßen sichtbar“116 werde. In Apk 2,8–11, dem Sendschreiben an den smyrnäischen ‚Gemeindeengel‘, und in Apk 3,7–13, demjenigen an die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας, findet Müller – der jeweiligen Situation der einzelnen Gemeinde geschuldet – die von ihm rekonstruierte Form der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ „kaum noch“117 erhalten. In Apk 2,8–11 sei vielmehr nur das ‚Heilswort als unbedingte Ansage eschatologischen Heils‘ nachweisbar; das Element der ‚unbedingten Heilsankündigung‘ sei allerdings, ergänzt um eine „Mahnung in der Form bedingter Heilsankündigung“118 (Apk 2,10c.11b), ersetzt durch ein Heilsorakel (Apk 2,10a.b119)120. In Apk 3,7–13 sei – im Unterschied zu Apk 3,1–6 – die Form des ‚Heilswortes als unbedingter Ansage eschatologischen Heils‘ in Apk 3,8–10 gleich in einer doppelten Folge enthalten; auf diese beiden Heilsworte folge dann in Apk 3,11 – als Reflex auf die Form der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ – eine Mahnung121.

Das s.E. in fünf der sieben Sendschreiben – zumindest im Grundsatz – aufweisbare Schema der ‚Paraklese als Bußpredigt‘122 sieht Müller im Neuen Testament – über die Apk hinaus – belegt in der Mt 3,7–10; Lk 3,7–9 112. Vgl. hierzu Prophetie und Predigt, 71f. 113. Vgl. Prophetie und Predigt, 72. 114. Prophetie und Predigt, 76. 115. Prophetie und Predigt, 76. 116. Prophetie und Predigt, 76. 117. Prophetie und Predigt, 93. 118. Prophetie und Predigt, 95. 119. Als alttestamentliche bzw. frühjüdische Parallelen verweist Müller auf 1Hen 103,4 in griechischer Fassung und auf Jes 54,4 und Jer 30,10.11 (vgl. Prophetie und Predigt, 94); vgl. zu dieser Form auch ders., Apk, 96 – hier verweist Müller als neutestamentliche Parallele noch auf Lk 12,32. 120. Auf dieses Heilsorakel folge nach Müller in Apk 2,10c.11b dann die o. bereits angesprochene „Mahnung in der Form bedingter Heilsankündigung“ (Prophetie und Predigt, 95). 121. Vgl. hierzu Prophetie und Predigt, 100; diese von Müller hier konstatierte doppelte Form des ‚Heilswortes als unbedingter Ansage eschatologischen Heils‘ findet er auch in Jer 35,18f.; 1Kön 21,29 und 2Kön 10,30 belegt. 122. Vgl. hierzu Prophetie und Predigt, 76: „Die vollständige Grundform mit allen Einzelelementen ließ sich zwar nur in Apk 3,1ff. und 2,1ff. erheben, in den übrigen sog. Sendschreiben, 2,12ff.; 2,18ff. und 3,14ff., konnte aber der Einfluß der Grundform so weit nachgewiesen werden, daß sie als Variationen der Grundform anzusehen sind“; vgl. zu diesen fünf Sendschreiben o. 44–45.

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überlieferten Bußpredigt Johannes des Täufers, in der frühjüdischen Literatur in 1Hen 91,3–17;18f., in Jub 7,20–29; 36,3–11 und in LibAnt 20,3b–4; 22,5f.123. Die alttestamentliche Vorgeschichte dieser Form werde ihm zufolge erkennbar in124 Jos 23125, Jer 7126; 17,19ff.127; 22128, sowie in 2Chr 15129; 30,6–9130; 13,4–12131. Im Jahr 1971, somit also vier Jahre früher als U.B. Müller, hat – m.W. erstmalig132 – F. Hahn eine sich auf alle sieben in Apk 2f. dargebotenen Sendschreiben zugleich beziehende Strukturanalyse derselben vorgelegt, um mit derselben den Charakter der sieben Sendschreiben als – in der Apk in schriftlicher Form vorliegende – Sprachformen prophetischer Rede zu untermauern. Dabei legt er sein Augenmerk insbesondere auf den auf Schreibbefehl133 und Botenformel134 folgenden, von ihm als „Mittelteil 123. Vgl. hierzu Prophetie und Predigt, 88: „Die frühesten Belege scheinen der Asidäerzeit zu entstammen (1Hen), die spätesten der Zeit nach der Zerstörung des zweiten Tempels (LibAnt). In diesen zeitlichen Bereich gehören ja auch die neutestamentlichen Texte, die Zeugen dieser Grundform sind“. 124. Vgl. hierzu die von Müller vorgelegte tabellarische Übersicht (Prophetie und Predigt, 91). 125. Hier rekurriert Müller insbesondere auf Jos 23,6–8.11.14 – diese Verse enthielten das Element der Mahnung –, auf Jos 23,2b–4(5).9–10 – hier werde das Element der Erinnerung transportiert –, und auf Jos 23,12–13.15–16 – hier sei die bedingte Gerichtsankündigung belegt; die Elemente ‚Anklage‘ und ‚bedingte Heilsankündigung‘ ließen sich in Jos 23 jedoch nicht aufweisen (vgl. Prophetie und Predigt, 91). 126. Hier verweist Müller auf Jer 7,3–4 (Mahnung).12 (Erinnerung). 8–11 (Anklage). 5–7 (bedingte Heilsankündigung). 13–15 (bedingte Gerichtsankündigung, von Müller in Klammern gesetzt) (vgl. Prophetie und Predigt, 91). 127. Hier nimmt Müller die Elemente ‚Mahnung‘ (Jer 17,21f.), ‚Erinnerung‘ (Jer 17,23), ‚bedingte Heilsankündigung‘ (Jer 17,24–26) und ‚bedingte Gerichtsankündigung‘ (Jer 17,27) besonders in den Blick, das Element der ‚Anklage‘ sieht Müller in Jer 17 jedoch nicht (vgl. Prophetie und Predigt, 91). 128. In Jer 22,3.4.5 sieht Müller die Elemente ‚Mahnung‘, ‚bedingte Heilsankündigung‘ und ‚bedingte Gerichtsankündigung‘ vorliegen; die Elemente ‚Erinnerung‘ und ‚Anklage‘ fehlen (vgl. Prophetie und Predigt, 91). 129. Eine ‚Mahnung‘ liege Müller zufolge vor in 2Chr 15,7a, eine ‚Erinnerung‘ in 2Chr 15,3– 6, eine ‚bedingte Heilsankündigung‘ in 2Chr 15,2b(.7b), eine ‚bedingte Gerichtsankündigung‘ schließlich in 2Chr 15,2c; das Element der ‚Anklage‘ fehlt (vgl. Prophetie und Predigt, 91). 130. Während die Elemente ‚Anklage‘ und ‚bedingte Gerichtsankündigung‘ in diesem Beleg zu fehlen scheinen, ließen sich eine ‚Mahnung‘ in 2Chr 30, 6b.(7a).8, eine ‚Erinnerung‘ in 2Chr 30,(7a.)7b, eine ‚bedingte Heilsankündigung‘ schließlich in 2Chr 30,9 nachweisen (vgl. Prophetie und Predigt, 91). 131. Nach Müller enthielten 2Chr 13,12b eine ‚Mahnung‘, 2Chr 13,5 eine ‚Erinnerung‘, 2Chr 13,6 – 11 eine ‚Anklage‘ und 2Chr 13,12c – von Müller in Klammern gesetzt – eine ‚bedingte Gerichtsankündigung‘; eine ‚bedingte Heilsankündigung‘ fehle (vgl. Prophetie und Predigt, 91). 132. Vgl. hierzu F. Hahn, Sendschreiben, 362: „Dazu gehören vor allem die Elemente der Sendschreiben, die noch immer einer eingehenden Strukturanalyse harren“. 133. Hahn zufolge habe der Apokalyptiker mit Hilfe des Schreibbefehls „die im Stil der Prophetenrede geformten Sendschreiben der literarischen Gestalt der Johannesapokalypse ein..[zu]füg.[en]“ (Sendschreiben, 363) gesucht. Daher sei der Schreibbefehl im Rahmen einer Analyse der Struktur der ‚Sendschreiben‘ selbst durchaus vernachlässigbar (vgl. 364). 134. Zur Botenformel vgl. Sendschreiben, 366–370.

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oder Hauptteil“135 charakterisierten „οἶδα-Abschnitt“136. Dieser Abschnitt bestehe Hahn zufolge aus insgesamt sechs ‚Hauptelementen‘, (a) einem mit dem Prädikat οἶδα beginnenden Satz, „der sich zur Kennzeichnung der Gemeindesituation in sämtlichen Sendschreiben findet“137, (b) einer Weiterführung des mit οἶδα eingeleiteten Satzes „mit der Wendung ἀλλὰ ἔχω κατὰ σοῦ“138, mit der wiederum eine Einschränkung der zuvor formulierten Anerkennung des Verhaltens der jeweiligen Gemeinde eingeführt werde139, (c) einer „Aufforderung zur Umkehr“140, innerhalb derer „die Aussagen, soweit sie sich kritisch gegen die Gemeinde richten, … zusammengefaßt und fortgesetzt“141 werden, (d) daran anschließend dann ein mit der Aufforderung ἰδού eingeleitetes „spezifisch prophetisches Offenbarungswort“142, (e) dann ein ‚Hauptelement‘, das durch das Grundmotiv des ἔρχομαι ταχύ gekennzeichnet sei143, (f) abschließend dann eine Passage, in der „von dem gesprochen [werde], was die Gemeinde ‚hat‘ und bewahren soll“144. An diesen ‚οἶδα-Abschnitt‘ schlössen sich dann, gleichsam als Abschluss des einzelnen Sendschreibens, ein Weckruf145 und ein Überwinderspruch146 an. Allerdings vermag die von Hahn vorgelegte Analyse der Struktur der sieben Sendschreiben, da er darauf verzichtet, im Alten Testament oder im Frühjudentum belegbare, spezifisch prophetische Sprachformen namhaft zu machen, die These, sie seien in ihrer Gesamtheit als verschriftlicht vorliegende Sprachformen prophetischer Rede zu fassen, gerade in formgeschichtlicher Hinsicht nicht zu untermauern147.

Als ein erstes wichtiges Ergebnis der von U.B. Müller entwickelten Argumentation verdient die Beobachtung Beachtung, dass die sieben Sendschreiben in keinem Falle als echte Briefe angesehen werden dürfen, fehlen ihnen doch für die Gattung ‚Brief‘ entscheidende Formmerkmale wie etwa ein Briefpräskript, ein Briefprooemium als Übergangspassage zwischen Briefpräskript und Briefcorpus148, oder auch ein Briefschluss149. Dass der 135. Sendschreiben, 362. 136. Sendschreiben, 362. 137. Sendschreiben, 370. 138. Sendschreiben, 371. 139. Vgl. hierzu Sendschreiben, 371: „Die vorausgegangene Anerkennung der Gemeinde wird durch dieses zweite Hauptelement in bestimmter Hinsicht eingeschränkt“. 140. Sendschreiben, 372. 141. Sendschreiben, 372. 142. Sendschreiben, 373. 143. Vgl. hierzu Sendschreiben, 374f. 144. Sendschreiben, 375. 145. Vgl. hierzu Sendschreiben, 377–381. 146. Vgl. hierzu Sendschreiben, 381–390. 147. Vgl. hier instruktiv die von U.B. Müller, Prophetie und Predigt, 56, A. 26 formulierte Kritik an dem Vorschlag von Hahn: „Das was Hahn an Einzelelementen nennt, ist in sich zu vielschichtig und enthält zu viele in sich verschiedenartige Teile, als daß man sie als wirkliche Grundelemente akzeptieren könnte“. 148. Vgl. hierzu H.-J. Klauck, Briefliteratur, 37f.: „Zwischen dem Briefpräskript und dem Hauptteil des Briefes mit den Inhalten, um deretwillen er geschrieben wurde, finden sich häufig stereotype, mehr oder weniger lange Übergangswendungen, die man, auch wenn sie sich nicht immer ganz sauber abgrenzen lassen, als Briefproömium klassifizieren kann“. 149. Vgl. hierzu insgesamt H.-J. Klauck, Briefliteratur, 35–40.

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Apokalyptiker diese Briefkonventionen kannte, belegen Apk 1,4–6; 22,21; dass er diese in Apk 2f. nicht verwendete, belegt, dass er die in diesen beiden Kapiteln überlieferten sieben Sendschreiben nicht als Briefe klassifiziert wissen wollte. H.-J. Klauck zufolge stelle das Briefpräskript „das eindeutigste Merkmal dafür, daß ein Brief vorliegt“150, dar. Ein solches Briefpräskript bestehe aus der im Nominativ vorliegenden Angabe des Absenders, der superscriptio, auf die die adscriptio, die „Adressenangabe im Dativ“151, und die salutatio, ein „Gruß im Infinitiv“152, folgten. Ein Briefschluss bietet in der Regel Schlussgrüße, nach Klauck entweder „direkte Grüße des Schreibers an den Adressaten in der 1. Person“153, „Grußaufträge an Dritte über den Adressaten in der 2. Person“154, oder aber „Grußübermittlungen bzw. –ausrichtungen von Dritten an den Adressaten in der 3. Person“155.

Darüber hinaus lassen einerseits die in die einzelnen Sendschreiben integrierten Weckrufe, andererseits die die jeweilige Botenformel der einzelnen Sendschreiben jeweils einleitende Wendung τάδε λέγει durchaus den Schluss zu, dass der Apokalyptiker im Rahmen seiner schriftlichen Formulierung und seiner auf die Apk als Gesamtwerk bezogenen Stilisierung der sieben Sendschreiben auf eine oder mehrere zumindest ursprünglich in der Mündlichkeit beheimatete Sprachformen oder eine oder mehrere zumindest ursprünglich in der Mündlichkeit beheimatete Gattungen zurückgegriffen habe – oder doch zumindest den Eindruck erwecken wollte, auf diese zurückgegriffen zu haben. Mit dieser Annahme wird auf der einen Seite die Schriftlichkeit der Sendschreiben ernstgenommen – dies ist angesichts des Sachverhalts, dass sie in Apk 2f. schriftlich vorliegen und mit den stereotyp formulierten Weckrufen und den Überwindersprüchen Elemente beinhalten, die ihre Ausrichtung auf einen zumindest lokal entgrenzten Adressatenkreis wahrscheinlich erscheinen lassen156, letzten Endes unumgänglich157 –, ohne auf der anderen Seite aber deren mögliche in der Mündlichkeit liegende Wurzeln von vornherein zu negieren: Sie stellen sicherlich keinesfalls 150. Briefliteratur, 36. 151. Briefliteratur, 36. 152. Briefliteratur, 36. 153. Briefliteratur, 40. 154. Briefliteratur, 40. 155. Briefliteratur, 40. 156. Vgl. hierzu bereits o. 39–40. 157. Vgl. hierzu U.B. Müller selbst, der festzustellen vermag: „Während aber die Stilisierung der sog. Sendschreiben als Christusworte, eingeleitet durch die Botenformel, ferner die regelmäßige Anfügung des Überwinderspruches und der Weckformel … der bewußten Absicht des ‚Schriftstellers‘ Johannes entspringen, der die Einheit der sieben Sendschreiben komponiert hat, trifft diese Einschätzung der Sendschreiben als literarische Größe auf ihre weitere Gestaltung nicht mehr zu“ (Prophetie und Predigt, 103).

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„nur de.[n] Ersatz mündlicher Predigt“158 dar, genauso wenig aber auch eine ausschließlich im Rahmen der Schriftlichkeit interpretierbare sich realisierende Kommunikationsform. Insofern ist hier eine gattungstheoretische Position skizziert, die den diametralen Gegensatz der von U.B. Müller formulierten, die Sendschreiben weitestgehend nachgerade ausschließlich im Bereich der Mündlichkeit verortenden Position159, zu derjenigen M. Karrers, der jene als Produkte einer reinen Schriftlichkeit definieren möchte160, zu überwinden in der Lage ist.

Die von Müller verfochtene These, der Apokalyptiker habe bei der Formulierung der sieben Sendschreiben durchgängig und bewusst auf zwei explizit prophetische Sprachformen, nämlich auf die ‚Paraklese als Bußpredigt‘ und das ‚Heilswort als unbedingte Ansage eschatologischen Heils‘, zurückgegriffen, vermag nun allerdings gleich aus mehreren Gründen nicht zu überzeugen: (a) Im Blick auf die Frage nach der Gattung der sieben nun in Apk 2f. – als verschriftlichte Texte – vorliegenden Sendschreiben inhäriert die These Müllers ein aus seiner zu einseitigen Betonung des eigentlich mündlichen Charakters dieser Episteln161 erwachsendes, seinen Frageund Interpretationshorizont betreffendes Grundproblem. Dies besteht in dem Sachverhalt, dass er auf der Basis seiner exegetischen Überlegungen – möglicherweise – unterschiedliche, innerhalb und als einer von mehreren Bestandteilen der einzelnen Sendschreiben jeweils verarbeitete prophetische Text- oder präziser: Sprachformen namhaft machen, damit allerdings noch keine Aussagen über die (Text-)Gattung der Sendschreiben als solche formulieren kann. Mit dem Hinweis darauf, dass in den Sendschreiben die prophetischen Sprachformen der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ und des ‚Heilswortes als unbedingter Ansage eschatologischen Heils‘ verarbeitet worden sind, ist noch nicht gesagt, welcher sprachlichen oder präziser: literarischen (Text-)Gattung die einzelnen (Gesamt-)Sendschreiben als solche denn zuzurechnen seien. Diese Differenzierung korrespondiert mit dem Sachverhalt, dass U.B. Müller im Rahmen seiner formgeschichtlichen Analysen der einzelnen Sendschreiben etwa die Elemente ‚Botenformel‘162, ‚Weckruf‘ und ‚Überwinderspruch‘ gattungstheoretisch 158. Prophetie und Predigt, 48; vgl. hierzu bereits o. 42. 159. Vgl. hierzu o. 41–46, darüber hinaus auch Prophetie und Predigt, 103: „Gerade bei den Formen der Bußparaklese, der Gerichtsrede, des Heilsorakels und des besonderen Heilswortes (aufgrund bestandener Bewährung) lässt die jeweils situationsbedingte Aufnahme einer Form eine eigentlich literarische Stilisierung nicht mehr erkennen“. 160. Vgl. hierzu etwa Johannesoffenbarung, 160f. (vgl. hierzu auch bereits o. 41, A. 84). 161. Vgl. hierzu o. 41–42. 162. U.B. Müller sieht die Botenformel lediglich als ein „entscheidendes Kennzeichen dafür, daß in Apk 2f. prophetische Rede vorliegt“ (Prophetie und Predigt, 102), an. Der

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entweder nicht oder aber in durchaus unterschiedlicher, in Sonderheit angesichts der Stereotypie der entsprechenden Formulierungen jedoch letztlich nur wenig plausibilisierbarer Weise zu berücksichtigen und einzuordnen vermag. Die folgende tabellarische Übersicht lässt diesen Sachverhalt deutlich erkennen: Text

Botenformel

Weckruf

./

./

Müller zufolge versuche „der Überwinderspruch … zuletzt, das, was als Heil vorher nur einer Gruppe gelten sollte, als Möglichkeit für die ganze Gemeinde hinzustellen“163. Er gebe „dem ganzen Schreiben eine allgemeine Abrundung“164, gehöre aber „zu keinem der beiden Redegänge notwendig dazu“165, sei also bestenfalls inhaltlich, nicht aber formgeschichtlich mit dem Corpus dieses Sendschreibens verbunden.

Apk 2,1–7166 ./.

./.

Der Überwinderspruch wird von Müller nicht in eine der beiden in diesem Sendschreiben identifizierten Sprachformen integriert, sondern im Sinne einer „allgemein gehaltenen bedingten Heilsankündigung“167 als eigenständige Sprachform neben jene gestellt.

Apk 2,12–17 ./.

./.

Müller zufolge nimmt der Überwinderspruch inhaltlich, jedoch nicht gattungstheoretisch Bezug auf die Ausführungen in Apk 2,14c und „soll … zum Durchhalten aufrufen und den entsprechenden Lohn versprechen“168, stellt somit also auch eine ‚allgemein gehaltene bedingte Heilsankündigung‘ dar.

Apk 3,1–6

Überwinderspruch

Apokalyptiker begreife „sich wie der alttestamentliche Prophet als Bote seines himmlischen Herren“ (102), „der besondere Offenbarungscharakter … [der in den einzelnen Sendschreiben überlieferten] Worte … [sei somit] gewährleistet“. 163. Prophetie und Predigt, 61. 164. Prophetie und Predigt, 61. 165. Prophetie und Predigt, 61. 166. Vgl. zu diesem Sendschreiben insgesamt Prophetie und Predigt, 62–65. 167. Prophetie und Predigt, 65. 168. Prophetie und Predigt, 66.

METHODISCHE UND INHALTLICHE VORKLÄRUNGEN

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Apk 2,18–29 ./.

./.

Der Überwinderspruch „nimmt hier auf seine Weise die Funktion der sonstigen Gerichtsdrohung [!] auf, nur eben nicht drohend, sondern die Mahnung [Apk 2,24f.] durch eine bedingte Verheißung verstärkend“169, hängt also Müller zufolge, anders als etwa die Überwindersprüche in Apk 2,7b.17b.c.d, nicht nur inhaltlich, sondern offensichtlich auch formgeschichtlich mit den Ausführungen des Corpus dieses Sendschreibens zusammen.

Apk 3,14–22 ./.

./.

Dem Überwinderspruch kommt nach Müller eine „paränetische Funktion“170 zu, „das Verheißene dient anscheinend als Lohn zur Bekräftigung der Mahnung und des Bußrufes, die das Zentrum … dieses Schreibens bilden“171. Letzten Endes besteht zwischen jenem und dem Corpus dieses Sendschreibens Müller zufolge somit also offensichtlich ein inhaltlicher, nicht aber ein formgeschichtlicher Konnex.

Apk 2,8–11

./.

./.

Der Überwinderspruch dieses Sendschreibens wird formgeschichtlich in den innerhalb des Corpus desselben ausgeführten Argumentationsgang integriert; er bildet gemeinsam mit Apk 2,10c eine „Mahnung in der Form bedingter Heilsankündigung“172.

Apk 3,7–13

./

./.

./.

Diese Übersicht lässt Folgendes erkennen: Im Blick auf die Elemente ‚Botenformel‘ und ‚Weckruf‘ verzichtet Müller auf jegliche formgeschichtliche Definition, im Blick auf das Element ‚Überwinderspruch‘ nimmt er – unbeschadet der deutlich wahrnehmbaren Stereotypie der Formulierung desselben – jeweils durchaus unterschiedliche formgeschichtliche Definitionen vor. Dies zeigt: Müller gibt mit seinem Ansatz eine Antwort auf die Frage, welche – möglicherweise als prophetisch zu charakterisierenden – mündlichen Sprachformen in den Sendschreiben Apk 2f. verarbeitet worden sind, nicht jedoch eine Antwort auf die Frage nach der literarischen Gattung derselben.

169. Prophetie und Predigt, 72. 170. Prophetie und Predigt, 75. 171. Prophetie und Predigt, 75. 172. Vgl. hierzu bereits o. 45 und darüber hinaus Prophetie und Predigt, 95.

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DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN APK 2–3

(b) Wie Müller in unterschiedlichen Zusammenhängen selbst einräumt, ließen sich die beiden von ihm (re-)konstruierten prophetischen Sprachformen der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ und des ‚Heilswortes als unbedingter Ansage eschatologischen Heils‘ nur in Apk 3,1–6, dem Sendschreiben an die Gemeinde zu Sardes, formgeschichtlich rein nachweisen. In den übrigen Sendschreiben lägen entweder nur eine dieser beiden Sprachformen oder aber nur eine derselben vollständig und die jeweils andere nur in rudimentärer Form vor. Darüber hinaus ließen die in den einzelnen Sendschreiben jeweils vorliegenden Sprachformen im Vergleich zu der von Müller (re-)konstruierten reinen Form z.T. deutliche Modifikationen erkennen. Die folgende Tabelle bietet eine Übersicht über die jeweiligen Differenzierungen innerhalb der einzelnen Sendschreiben: Text

Apk 2,1–7173

Sprachform ‚Paraklese als Sprachform ‚Heilswort als Bußpredigt‘ mit den unbedingte Ansage Strukturelementen ‚Urteil über eschatologischen Heils‘ mit die Gemeindesituation den Strukturelementen ‚Urteil (Anklage)‘ , ‚Mahnung‘ und über die Gemeindesituation ‚bedingte Gerichtsdrohung‘ (Lob, Anerkennung)‘ und ‚unbedingte Heilsankündigung‘ läge vor in Apk 2,4f.

nach Müller „nur im Ansatz vorhanden“174: Apk 2,2f.6 bieten das Lob bzw. die Anerkennung

Apk 2,12–17175 läge vor; es fehlte allerdings „das ./. Moment der Erinnerung an den Empfang des Evangeliums als Teil der Mahnung“176 Apk 2,18–29177 werde um ein ‚Erweiswort‘178 ./. erweitert; innerhalb der Mahnung (Apk 2,24f.) fehle das Element der Aufforderung zur Umkehr179.

173. Vgl. zu diesem Sendschreiben insgesamt Prophetie und Predigt, 62–65. 174. Vgl. hierzu bereits o. 44. 175. Vgl. zu diesem Sendschreiben insgesamt Prophetie und Predigt, 65f. 176. Vgl. hierzu bereits o. 44. 177. Vgl. zu diesem Sendschreiben insgesamt Prophetie und Predigt, 66–72. 178. Vgl. hierzu bereits o. 44. 179. Vgl. hierzu bereits o. 45.

METHODISCHE UND INHALTLICHE VORKLÄRUNGEN

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Apk 3,14–22180 diese Epistel weise „nur bedingte ./. Ähnlichkeit mit der oben festgestellten Struktur der Paraklese als Bußpredigt“181 auf; es fehlte das Element der ‚bedingten Gerichtsdrohung‘, das durch eine die in Apk 3,20f. aufweisbare bedingte Heilsankündigung substituiert werde; dieses ‚Sendschreiben‘ werde darüber hinaus eingeleitet durch eine dieser Sprachform nicht entsprechende „Anklage mit unmittelbarer Gerichtsankündigung (3,15–16)“182; Müller räumt ein, dass die Form der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ in diesem Sendschreiben – nur – „noch einigermaßen sichtbar“183 werde Apk 2,8–11184

./.

Apk 3,7–13186

werde nur noch durch eine in sei in Apk 3,8–10 in einer dopApk 3,11 vorliegende Mahnung pelten Folge erhalten188 angedeutet187

läge vor in Apk 2,9f.11b; das Element der ‚unbedingten Heilsankündigung‘ ersetzt durch ein Heilsorakel (Apk 2,10a.b), ergänzt um eine „Mahnung in der Form bedingter Heilsankündigung“185 (Apk 2,10c.11b)

Angesichts dieses letztlich wenig eindeutigen und in der Summe sehr disparaten Befundes stellt sich nun aber ganz grundsätzlich die Frage, ob der Apokalyptiker die von ihm in Apk 2f. präsentierten sieben Sendschreiben überhaupt bewusst durchgängig und damit gattungsbildend in Anlehnung an die beiden grundlegenden prophetischen Sprachformen, die Müller in jedem einzelnen der sieben Sendschreiben nachweisen zu können 180. Vgl. zu diesem Sendschreiben insgesamt Prophetie und Predigt, 73–76. 181. Vgl. hierzu bereits o. 45. 182. Vgl. hierzu bereits o. 45. 183. Vgl. hierzu bereits o. 45. 184. Vgl. zu diesem Sendschreiben insgesamt Prophetie und Predigt, 93–96. 185. Vgl. hierzu bereits o. 45. 186. Vgl. zu diesem Sendschreiben insgesamt Prophetie und Predigt, 96–100. 187. Vgl. hierzu bereits o. 45. 188. Vgl. hierzu bereits o. 45.

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DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN APK 2–3

glaubt, gestaltet hat. Mit dieser Frage aber öffnet dieser Befund – unabhängig von der Frage nach der literarischen Gattung dieser Episteln – zumindest den Raum für die Annahme, dass in den sieben Sendschreiben andere als die von Müller postulierten prophetischen Sprachformen der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ und des ‚Heilswortes als unbedingter Ansage eschatologischen Heils‘ verarbeitet worden sind; dabei kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei diesen – an dieser Stelle noch zu postulierenden – anderen Sprachformen nicht um solche aus einem prophetischen Kontext handelt. Eine paradigmatisch vorgenommene detailliertere Einzelanalyse der von Müller im Blick auf das Sendschreiben an die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας, dasjenige an die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας sowie dasjenige an die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας jeweils vorgelegten formgeschichtlichen Rekonstruktionsvorschläge erweist noch einmal en détail die Berechtigung dieser o. unter den Punkten (a) und (b) formulierten exegetischen Skepsis und der hier formulierten Anfragen: (a) Die jenem zufolge aus den Strukturelementen ‚Urteil über die Gemeindesituation (Anklage)‘, ‚Mahnung‘ und ‚bedingte Gerichtsdrohung‘ bestehende ‚Paraklese als Bußpredigt‘ sieht er im Rahmen der Epistel an den ephesischen ‚Gemeindeengel‘ realisiert in Apk 2,4f.189; ein aus den Elementen ‚Urteil über die Gemeindesituation (Lob, Anerkennung)‘ und ‚unbedingte Heilsankündigung‘ bestehendes ‚Heilswort als unbedingte Ansage eschatologischen Heils‘ lässt sich nun aber weder in Apk 2,2f. noch in Apk 2,6 nachweisen. Zwar bieten Apk 2,2f.6 durchaus eine Beurteilung des Verhaltens bzw. der Situation des ephesischen ‚Gemeindeengels‘, eine unbedingte Ansage des eschatologischen Heils, so wie sie in Apk 3,4 vorliegt, fehlt in diesem Sendschreiben allerdings190. Da nun einerseits kaum schlüssig erklärt werden kann, warum der Apokalyptiker bewusst darauf verzichtet, in seinem an den ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας gerichteten Sendschreiben eine solche unbedingte Heilsansage zu formulieren, die 189. Vgl. hierzu auch U.B. Müller, Apk, 101.103f.; nicht unter den Tisch fallen darf allerdings, dass sich zwischen Apk 2,4f. und Apk 3,1b–3 formgeschichtlich doch deutliche Unterschiede aufweisen lassen: Apk 2,4f. entspricht weitestgehend der von Müller (re-)konstruierten Form der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ (vgl. hierzu o. 43), bestehend aus einem als Anklage formulierten Urteil über die Gemeindesituation (Apk 2,4: ἀλλὰ ἔχω κατὰ σοῦ ὅτι τὴν ἀγάπην σου τὴν πρώτην ἀφῆκες), einer Mahnung, ihrerseits unterteilt in eine Erinnerung an das seinerzeit empfangene Evangelium und einen Ruf zur Umkehr (Apk 2,5a: μνημόνευε οὖν πόθεν πέπτωκας καὶ μετανόησον καὶ τὰ πρῶτα ἔργα ποίησον), schließlich einer mit einer Bedingung versehenen Gerichtsandrohung (Apk 2,5b: εἰ δὲ μή, ἔρχομαί σοι καὶ κινήσω τὴν λυχνίαν σου ἐκ τοῦ τόπου αὐτῆς, ἐὰν μὴ μετανοήσῃς). Innerhalb der im ‚Sendschreiben‘ an die Gemeinde zu Sardes vorliegenden ‚Paraklese als Bußpredigt‘ jedoch folgen die Elemente ‚Anklage‘ und ‚Mahnung‘ nicht aufeinander, sondern sind ineinander verschränkt (Apk 3,1b–3a; vgl. hierzu auch bereits o. 44). Ob angesichts dessen im Blick auf Apk 2,4f.; 3,1b–3 dann noch von einer in diesen beiden Passagen sichtbar werdenden gemeinsamen – als prophetisch zu charakterisierenden – Sprachform gesprochen werden kann, muss hier dahingestellt bleiben. 190. Vgl. hierzu bereits o. 44, 52 und auch U.B. Müller, Prophetie und Predigt, 65: „Das andere Grundschema ist nur im Ansatz vorhanden, da sich nur die erneute Hinwendung zur Gemeindesituation als Lob findet (V. 2–3.6), nicht aber die dazu passende Heilsankündigung“.

METHODISCHE UND INHALTLICHE VORKLÄRUNGEN

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– von Müller (re-)konstruierte – Sprachform somit in erheblichem Maße variiert, da sich andererseits kaum plausibilisieren lässt, warum der Apokalyptiker seine in Apk 2,2f.6 formulierte, formgeschichtlich eigentlich zusammengehörige Beurteilung des Verhaltens bzw. der Situation des ‚Gemeindeengels‘ anscheinend ohne jegliche Not auseinandergerissen haben sollte, wird die Annahme, der Apokalyptiker habe in Apk 2,1–7 neben der prophetischen Sprachform der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ auch diejenige des ‚Heilswortes als unbedingter Ansage eschatologischen Heils‘ verwendet, denkbar unwahrscheinlich. Aus dieser Analyse aber ergeben sich mehrere kritische Anfragen. Zunächst: Lässt sich womöglich eine andere – möglicherweise auch nicht-prophetisch akzentuierte – Gattung benennen, unter die sich die Ausführungen in Apk 2,2f.6 schlüssiger als unter diejenige des ‚Heilswortes als unbedingter Ansage eschatologischen Heils‘ subsummieren lassen? Darüber hinaus: Ist denkbar, dass die Ausführungen Apk 2,2f.4f.6 in ihrer Gesamtheit plausibel zu einer anderen, von derjenigen der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ zu unterscheidenden – mündlichen oder schriftlichen, prophetischen oder nicht-prophetischen – Sprachform integriert werden können? Schließlich: Wie ließen sich die Botenformel Apk 2,1b.c auf der einen und der Weckruf und der Überwinderspruch Apk 2,7 auf der anderen Seite – immerhin sind diese drei Elemente zu den Grundbestandteilen des Sendschreibens an die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας zu zählen191 – mit den Ergebnissen der formgeschichtlichen Analysen Müllers korrelieren? Im Blick auf das Sendschreiben an den ephesischen ‚Gemeindeengel‘ scheint jener diesen drei Elementen keinerlei formgeschichtliche Bedeutung zukommen lassen zu wollen192. (b) Ähnliche Anfragen ergeben sich im Anschluss an die von U.B. Müller im Blick auf das Sendschreiben an den ‚Gemeindeengel‘ zu Smyrna Apk 2,8–11 formulierten formgeschichtlichen Ergebnisse. Dass in diesem Schreiben eine ‚Paraklese als Bußpredigt‘ nicht nachweisbar ist, lässt sich sicherlich zwanglos mit der Beurteilung der smyrnäischen Gemeinde durch den Apokalyptiker erklären, dass die ‚unbedingte Heilsankündigung‘ als ein Element der von Müller (re-)konstruierten Sprachform des ‚Heilswortes als unbedingter Ansage eschatologischen Heils‘ durch ein um eine Mahnung193 ergänztes 191. Vgl. hierzu o. 39–40. 192. Vgl. hierzu die Ausführungen Müllers in Prophetie und Predigt, 62–65; die Botenformel wird gattungstheoretisch genausowenig diskutiert wie der Weckruf. Dem Überwinderspruch wird zwar die Funktion einer „allgemein gehaltenen bedingten Heilsankündigung“ zugeschrieben, dessen gattungstheoretische Relation zu den beiden Sprachformen der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ und des ‚Heilswortes als unbedingter Ansage eschatologischen Heils‘ allerdings nicht reflektiert. 193. Diese Mahnung verortet Müller in Apk 2,10c.11b, d.h. in den Textpassagen γίνου πιστὸς ἄχρι θανάτου, καὶ δώσω σοι τὸν στέφανον τῆς ζωῆς (zu Apk 2,10c als Mahnung vgl. auch A. Satake, Apk, 162) und ὁ νικῶν οὐ μὴ ἀδικηθῇ ἐκ τοῦ θανάτου τοῦ δευτέρου. Unerklärt lässt er aber den Sachverhalt, dass der Apokalyptiker diese im Grunde doch zusammengehörige Mahnung offensichtlich durch den Apk 2,11a vorliegenden ‚Weckruf‘ getrennt hat. Angesichts des Fehlens einer solchen, diesen Sachverhalt schlüssig zu begründen vermögenden Erklärung muss die von Müller vorgenommene Addition der Ausführungen Apk 2,10c und Apk 2,11b zu einer formgeschichtlichen Sprachform mehr als fraglich bleiben. Darüber hinaus lässt sich das in Apk 2,11b als ‚Überwinderspruch‘ Ausgeführte formgeschichtlich kaum als Mahnung begreifen, sondern stellt eine – noch dazu formgeschichtlich eigenständige – Verheißung dar (vgl. hierzu etwa A. Satake, Apk, 162).

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Heilsorakel194 substituiert worden sein sollte195, lässt sich hingegen kaum plausibel begründen. Auch hier lässt sich in mehrere Hinsichten fragen: Lassen sich die Ausführungen in Apk 2,9f. in ihrer Gesamtheit womöglich mit höherer Plausibilität einer anderen Sprachform oder Gattung als derjenigen eines ‚Heilswortes als unbedingter Ansage eschatologischen Heils‘ zuordnen? Darüber hinaus: Welcher literarischen Gattung wäre das Sendschreiben an den ἄγγελος τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας zuzurechnen, wenn auch die Botenformel, der Weckruf und der Überwinderspruch als Bestandteile dieser Epistel in den Blick genommen werden? (c) Analoges gilt schließlich im Blick auf das Sendschreiben an die Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας. Jenes biete Müller zufolge zwar die Grundform der ‚Paraklese als Bußpredigt‘; diese sei allerdings um ein Erweiswort erweitert, so dass die ‚Mahnung‘ als Element der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ erst gegen Ende dieser Epistel, in Apk 2,24f. nämlich, begegne. Darüber hinaus habe der Apokalyptiker die Aufforderung zur Umkehr, ein Element der ‚Mahnung‘196, in diesem Sendschreiben weggelassen. Wenn nun aber die – hier ohne das Element des ‚Rufs zur Umkehr‘ formulierte197 – ‚Mahnung‘ erst in Apk 2,24f. vorliegt, folgt daraus, dass die ‚bedingte Gerichtsdrohung‘, das dritte Element der von Müller identifizierten Sprachform der ‚Paraklese als Bußpredigt‘, in diesem Sendschreiben fehlt – der Überwinderspruch Apk 2,26f. vermag diese Lücke nicht zu füllen, kommt ihm doch eine eigenständige formgeschichtliche Relevanz zu198. Dies führt wiederum zunächst zu der Frage, ob die Ausführungen in Apk 2,19–25, werden sie 194. Nach Müller lassen sich 1Hen 103,4 in griechischer Fassung sowie Jes 54,4 und Jer 30,10.11 als alttestamentliche bzw. frühjüdische Belege für die hier in Apk 2,10a.b vorliegende Form eines Heilsorakels namhaft machen (vgl. hierzu bereits o. 45, A. 119). Bei näherem Hinsehen erweisen sich diese Belege jedoch nur als bedingt vergleichbar mit dem Apk 2,10a.b Ausgeführten, treffen jene im Unterschied zu diesem doch jeweils eine explizite – futurische – Heilsaussage, die den vorangehenden Zuspruch begründen soll: In Jes 54,4 wird explizit darauf hingewiesen, dass Gott die Schande und die Schmach seines Volkes beseitigen wird, in Jer 30,11f. immerhin explizit die Rettung aus dem Exil, die Rückkehr nach Palästina und ein Leben in Frieden und Sicherheit verheißen. Ähnliches gilt im Blick auf die Geister der verstorbenen Gerechten für 1Hen 103,4gr: Καὶ χαιρήσονται καὶ οὐ μὴ ἀπόλωνται τὰ πνεύματα αὐτῶν οὐδὲ τὸ μνημόσυνον ἀπὸ προσώπου τοῦ μεγάλου εἰς πάσας τὰς γενεὰς τῶν αἰώνων. μὴ οὖν φοβεῖσθε τοὺς ὀνειδισμοὺς αὐτῶν (Text nach M. Black, Apocalypsis Henochi Graece, 42; „Die Geister derer[, die in Gerechtigkeit gestorben sind,] sollen [leben und] frohlocken; ihre Geister sollen nicht untergehen noch ihr Angedenken vor dem Antlitz des Großen Einen bis zu allen Geschlechtern der Welt. Daher fürchtet nicht diejenigen, die sie erniedrigen“; Übersetzung nach E. Isaac, 1Hen, 83f.), und, nun im Blick auf die Christen, für Lk 12,32. Damit aber wird auch die von Müller vertretene formgeschichtliche Charakterisierung von Apk 2,10b als Heilsorakel gänzlich zweifelhaft. Vgl. hierzu auch K. Berger, Formen, 350, der darauf hinweist, dass die Ausführungen in Apk 2,10 „nur bedingt zu dieser Gattung [d.h. zur Gattung der Heilsansagen]“ zu zählen sind. Stattdessen spricht er – durchaus mit einem gewissen Recht – im Blick auf Apk 2,10a.b formgeschichtlich von einer Martyriumsparänese; dabei verweist er insbesondere auf 4Makk 13,13–15 (vgl. Formen, 206). 195. Vgl. hierzu die referierten Ausführungen Müllers o. 45, 53. 196. Vgl. hierzu ausführlich o. 45, 52. 197. Vgl. hierzu bereits o. 45, 52. 198. Vgl. hierzu U.B. Müller, Prophetie und Predigt, 72: „Stattdessen ist hier der Überwinderspruch so eng mit der Mahnung verknüpft, daß er der Mahnung den eschatologischen Ernst verleiht“.

METHODISCHE UND INHALTLICHE VORKLÄRUNGEN

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als ‚Paraklese als Bußpredigt‘ definiert, in ihrer Gesamtheit gattungstheoretisch überhaupt angemessen interpretiert werden199; darüber hinaus bleibt zu klären, wie das Sendschreiben an den thyateirischen ‚Gemeindeengel‘ formgeschichtlich denn zu charakterisieren wäre, würden die Botenformel Apk 2,18b und der Weckruf Apk 2,29 in die entsprechenden Überlegungen miteinbezogen.

(c) Die von Müller angeführten entsprechenden Belege aus dem Alten Testament vermögen seinen Versuch, die von ihm (re-)konstruierte, aus den Strukturelementen ‚Urteil über die Gemeindesituation (Anklage)‘, ‚Mahnung‘ und ‚bedingte Gerichtsdrohung‘ sich zusammensetzende prophetische Sprachform der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ als eine formgeschichtlich bereits im Alten Testament breit verankerte Textgattung bzw. – um die Ebene der Mündlichkeit zu berücksichtigen – als eine formgeschichtlich bereits im Alten Testament breit verankerte Sprachform zu erweisen200, in der Summe letzten Endes nicht zu untermauern. Dies sei im vorliegenden Zusammenhang zunächst exemplarisch an den Ausführungen in Jos 23,2b– 16, einem von mehreren Referenztexten aus dem Alten Testament, die die alttestamentliche Verankerung der prophetischen Sprachform der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ belegen sollen, aufgezeigt. U.B. Müller zufolge werde in diesem Text „die bisherige Grundform der Mahnrede sichtbar“201; im Rahmen des von ihm geführten Nachweises macht er in diesem Text folgende Strukturelemente aus: Jos 23,2b–4(5) biete eine „Erinnerung an die Heilstaten Gottes an Israel“, Jos 23,6–8 eine „Mahnung zum Halten des Gesetzes“ und Jos 23,9f. eine „erneute Erinnerung an Gottes Taten“. Jos 23,11 enthielte dann eine „erneute Mahnung“, Jos 23,12f. eine „bedingte Gerichtsdrohung“; eine dritte „Mahnung“ fände sich dann in Jos 23,14, eine erneute „bedingte Gerichtsdrohung“ läge schließlich in Jos 23,15f. vor202. Auffällig ist jedoch, dass der Text Jos 23,2b–16 nichts enthält, was sich auch nur annähernd als ein ‚Urteil über eine Gemeinde- [bzw. in diesem Falle die Volks-]situation‘ oder eine ‚Anklage‘ verstehen ließe203; das aber heißt: Eines der drei nach Müller für die prophetische Sprachform der 199. Vgl. hierzu die Einlassungen von U.B. Müller, Prophetie und Predigt, 72: „Das Schreiben an die Gemeinde zu Thyatira hat einen ganz eigenen Chrakter. Die Struktur des sog. Erweiswortes in 2,20b–23 macht es unmöglich, daß der Prophet einfach der sonstigen Struktur der Bußparaklese folgt [!]. Die auffälligste Abkehr vom üblichen Parakleseschema liegt in der Tatsache, daß die Mahnung erst gegen Ende des Schreibens erscheint“. 200. Vgl. zu dieser Absicht Müllers seine Ausführungen in Prophetie und Predigt, 88: „Aus allen bisher gegeben Beispielen von Mahnrede in jüdischer Tradition dürfte hinlänglich klar sein, daß die von uns angenommene Grundform stark verbreitet war“. 201. Prophetie und Predigt, 90. 202. Zu diesem Nachweis und zu den hier zitierten Begriffen vgl. insgesamt Prophetie und Predigt, 90. 203. Vgl. hierzu auch die tabellarische Übersicht Prophetie und Predigt, 91.

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‚Paraklese als Bußpredigt‘ konstitutiven Elemente204 fehlt im Referenztext Jos 23,2b–16, der somit als alttestamentlicher Beleg für diese Sprachform letzten Endes nicht in Frage kommen kann. Dieser Einwand trifft alle der von Müller als alttestamentliche Referenztexte für die Sprachform der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ angeführten Perikopen aus dem Alten Testament mit Ausnahme von Jer 7,3–15 und 2Chr 13,4– 12205. Der Text Jer 7,3–15 bietet jedoch neben der bedingten Gerichtsankündigung in Jer 7,8–11 auch noch eine bedingte Heilsankündigung206; dies führt nun aber dazu, dass auch er als alttestamentlicher Beleg für die von Müller postulierte prophetische Sprachform der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ ausfallen muss. Die Passage 2Chr 13,4–12 wiederum schließt in 2Chr 13,12c – wenn diese Ausführungen überhaupt als Gerichtsankündigung begriffen werden können – weniger mit einer bedingten als vielmehr mit einer unbedingten Gerichtsankündigung: ὅτι οὐκ εὐοδωθήσεται ὑμῖν207. Damit lässt sich auch dieser Text allenfalls mit großen Schwierigkeiten als alttestamentlicher Beleg für die von Müller in den Sendschreiben der Apk ausgemachte Sprachform der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ in Anschlag bringen. Aus alledem folgt: Die von U.B. Müller zugunsten seiner These, die von ihm rekonstruierte Sprachform der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ mit den Strukturelementen ‚Urteil über die Gemeindesituation (Anklage)‘, ‚Mahnung‘ und ‚bedingte Gerichtsdrohung‘ stelle eine bereits in der alttestamentlichen Überlieferung in großer Breite und standardisiert verankerte sprachliche Realität dar, angeführten alttestamentlichen Belege vermögen jene in der Summe nicht zu substantiieren. (d) Im Rahmen einer mit dem Ziel des positiven Erweises der verbreiteten und verfestigten Tradierung der Sprachform der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ innerhalb des Früjudentums geführten Diskussion entsprechender frühjüdischer Belege kommt Müller zunächst auf die beiden Mahnreden in 1Hen 91,3–17.18f.208

204. Vgl. hierzu o. 43. 205. Vgl. hierzu wiederum die tabellarische Übersicht Prophetie und Predigt, 91. 206. Darauf macht U.B. Müller selbst aufmerksam; vgl. hierzu Prophetie und Predigt, 91. 207. Vgl. hierzu wiederum U.B. Müller, Prophetie und Predigt, 91, A. 98: „Formal liegt in [2Chr 13,] V. 12c eine unbedingte Gerichtsankündigung vor“; diesem Einwand entgegnet er allerdings: „Sachlich jedoch ist es eine bedingte Drohung, der unmittelbar vorangehende Imperativ gibt den Fall an, für den die Drohung gilt: Wenn ihr gegen Jahwe, den Gott eurer Väter kämpft, wird es euch nicht gelingen“. Dies mag durchaus zutreffen; fraglich bleibt allerdings, inwieweit 2Chr 13,4–12 dann noch als alttestamentlicher Beleg für die Sprachform der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ zu gelten vermag. 208. S. Uhlig, 1Hen, 494 zufolge zählen diese beiden Mahnreden zu einer Passage des 1Hen, deren Entstehung in das zweite vorchristliche Jahrhundert zu datieren ist.

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zu sprechen209. Die Analyse derselben zeigt zunächst jedoch, dass keine von beiden in ihrer Struktur der von Müller beschriebenen Sprachform der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ entspricht, denn keine von beiden enthält einen Abschnitt, der als ‚Urteil über die Gemeindesituation‘ oder gar als Anklage verstanden werden könnte210. Darüber hinaus wird erkennbar, dass sich innerhalb ihrer das Formelement der ‚bedingten Gerichtsdrohung‘ wenn überhaupt, so nur implizit nachweisen lässt. Das aber heißt: Die beiden Mahnreden 1Hen 91,3–17;18f. vermögen kaum als frühjüdischer Beleg für die Existenz und Verbreitung der Sprachform der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ fruchtbar gemacht werden zu können. Ähnliches gilt im Blick auf die Passage Jub211 36,3–11, einen Teil einer Rede Isaaks212. Eine Passage, die als ‚Urteil über die Gemeindesituation‘ oder womöglich 209. S. Uhlig gibt den Text von 1Hen 91,3–17;18f. folgendermaßen wieder: „Und er (= Henoch) redete zu allen Kindern der Gerechtigkeit und sprach: ‚Hört, Kinder Henochs, alle Worte eures Vates Henoch, und achtet genau auf meine Rede, denn ich ermahne euch und sage euch, Geliebte: Liebt die Gerechtigkeit und wandelt in ihr. (4) Naht euch der Gerechtigkeit nicht mit geteiltem Herzen, und habt nicht mit denen Gemeinschaft, die geteilten Herzens sind, sondern wandelt in Gerechtigkeit, meine Kinder, und sie wird euch auf guten Wegen führen, und die Gerechtigkeit wird euer Gefährte sein. (5) Denn ich weiß, daß der Zustand der Ungerechtigkeit auf Erden zunehmen wird, und ein großes Straf(gericht) wird auf Erden vollzogen, und alle Ungerechtigkeit wird vollendet, von ihren Wurzeln abgehauen werden, und ihr ganzes ‚Gebäude‘ wird vergehen. (6) Und die Ungerechtigkeit wird sich noch einmal wiederholen und sich auf Erden vollenden. Und alle Taten der Ungerechtigkeit, der Frevelhaftigkeit und der Bosheit werden zum zweiten Mal um sich greifen. (7) Und wenn die Ungerechtigkeit, die Sünde, die Blasphemie und die Frevelhaftigkeit bei allem Handeln zunehmen werden, wird ein großes Straf(gericht) vom Himmel herab über sie alle kommen, und der heilige Herr wird mit Zorn und Strafe kommen, daß er Gericht auf Erden halte. (8) In jenen Tagen wird die Frevelhaftigkeit von ihren Wurzeln und die Wurzeln der Ungerechtigkeit mit der Falschheit abgehauen werden, und sie werden unter dem Himmel (hinweg) vernichtet werden. (9) Und alle (Götzen)Bilder der Heiden werden hingegeben, (ihr) Tempel (oder: Turm) wird mit Feuer verbrannt, und man wird sie von der Erde wegschaffen, und sie (= die heidnischen Völker) werden in das Gericht des Feuers geworfen werden und werden vernichet durch den Zorn und durch das gewaltige Gericht, das bis in Ewigkeit (reicht). (10) Und der Gerechte wird aufstehen von seinem Schlaf, und die Weisheit wird sich erheben, und ihnen wird gegeben werden …. (18) Und nun, meine Kinder, sage ich euch und zeige ich euch die Wege der Gerechtigkeit, ja, ich habe sie euch wieder gezeigt, daß ihr wißt, was kommen wird. (19) Und nun, hört auf mich, meine Kinder, und wandelt auf den Wegen der Gerechtigkeit, und wandelt nicht auf den Wegen der Ungerechtigkeit, denn alle, die auf den Wegen des Unrechts wandeln, werden für ewig vernichtet werden‘“ (1Hen, 705–707). 210. Dies scheint U.B. Müller ebenso zu sehen; zumindest findet sich in der von ihm vorgelegten Gliederung zu 1Hen 91,3ff. ein solcher Abschnitt nicht (vgl. Prophetie und Predigt, 81). 211. Nach K. Berger, Jub, 299f. „bahnt sich in der neueren Forschung [im Blick auf die Datierung von Jub] ein gewisser Konsens an, nach dem das Buch zwischen 167 und 140 v.Chr. entstanden ist“. 212. „‚… (3) Und dieses will ich euch gebieten, meine Kinder, daß ihr Gerechtigkeit und Rechtes auf der Erde tut, damit der Herr über euch alles kommen lasse, wieviel der Herr [zu

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als konkrete Verfehlungen aufgreifende Anklage charakterisiert werden könnte, fehlt in dieser von Müller als Beleg für seine These angeführten Rede Isaaks aus Jub 36213; diese Beobachtung lässt die Annahme, sie stelle einen frühjüdischen Beleg für die von Müller (re-)konstruierte Sprachform der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ dar, zumindest zweifelhaft erscheinen. In ähnlicher Weise fehlen eine Analyse der Situation der Angesprochenen oder eine Anklage in der Passage LibAnt214 20,3b–4215, ein ihm] gesagt hatte, daß er es tun werde dem Abraham und seinem Samen. (4) Und seid, meine Kinder, untereinander (solche), die ihr eure Brüder liebt gleichwie ein Mensch, der seine Seele liebt, und indem ein jeder für seinen Bruder sucht, womit er ihm Gutes tue, und gemeinsam zu handeln auf der Erde! Und sie sollen sich untereinander lieben wie ihre Seelen. (5) Und was die [Sache der] Götzenbilder betrifft, gebiete ich euch und ermahne ich euch, daß ihr sie verwerft und bekämpft und daß ihr sie nicht liebt. Denn von Verirrung voll sind sie für die, die sie verehren, und für die, die sie anbeten. (6) Erinnert euch, meine Söhne, des Herren, des Gottes Abrahams, eures Vaters, indem auch ich ihn verehrt habe und ihm gedient habe in Gerechtigkeit und in Freude, daß er euch zahlreich mache und euren Samen wachsen lasse wie die Sterne des Himmels zur Vielzahl und euch pflanze auf der Erde als Pflanze der Gerechtigkeit, die nicht ausgerottet werden wird in alle Generationen, die in Ewigkeit sind! (7) Und jetzt beschwöre ich euch mit einem großen Schwur. Denn einen Schwur, der größer ist als dieser, gibt es nicht: Bei dem gelobten und geehrten und großen, herrlichen und wunderbaren und mächtigen und großen Namen, der gemacht hat Himmel und Erde und alles zusammen: Daß ihr solche seid, die ihr ihn fürchtet und ihn verehrt (8) und indem ein jeder seinen Bruder liebt in Barmherzigkeit und in Gerechtigkeit. Und daß ein Mensch nicht Böses für seinen Bruder erstrebt von jetzt an und bis in Ewigkeit, alle Tage eures Lebens, damit ihr glücklich seid in all eurem Werk und nicht umkommt. (9) Und wenn einer aus euch Böses sucht gegen seinen Bruder, so wißt ihr von jetzt an, daß jeder, der gegen seinen Bruder Böses sucht, in seine Hand fallen wird und ausgerottet wird aus dem Land der Lebendigen. Und sein Same wird vertilgt werden unter dem Himmel. (10) Und an dem Tag der Verwirrung und des Fluches und des Unwillens und des Zornes wird er mit Feuer, das verzehrend brennt, so wie er Sodom verbrannt hat, so sein Land verbrennen und seine Stadt und alles, was sein ist. Und er wird ausgetilgt werden aus dem Buch der Ermahnung der Menschen und nicht hinaufgehen in das Buch des Lebens, sondern in (das Buch) dessen, der vernichtet werden wird. Und er wird hinübergehen in ewigen Fluch, damit ihr Gericht alle Tage sei, indem es erneuert wird durch Schmach und durch Fluch und durch Zorn und durch Qual und durch Unwillen des Zornes und durch Peinigung und durch Krankheit in Ewigkeit. (11) Ich sage und bezeuge über euch, meine Kinder, wie das Gericht ist, das über den Menschen kommen wird, der (es) erstrebt, an seinem Bruder Unrecht zu tun‘“ (Text nach K. Berger, Jub, 501–503). 213. Eine solche ein Urteil über die gegenwärtige Situation der Angesprochenen formulierende Passage wird innerhalb von Jub 36,3–11 auch von U.B. Müller nicht identifiziert; vgl. hierzu die von ihm gebotene Gliederung dieser Passage in Prophetie und Predigt, 85; zudem formuliert er selbst unmittelbar: „Im Unterschied zur Grundform fehlt die Anklage“. Dass er diesen Sachverhalt aus der dieser Passage zugrundeliegenden – angenommenen – historischen Situation erklären zu können glaubt, heißt allerdings keinesfalls, dass jene als positiver Beleg für die Sprachform einer ‚Paraklese als Bußpredigt‘ innerhalb des Frühjudentums gewertet werden kann. 214. C. Dietzfelbinger, LibAnt, 95 datiert die Entstehung dieses Buches in die Zeit zwischen 70 und 132 n.Chr.; „Es ist also zwischen 70 und 132 nach Christus niedergeschrieben worden“. 215. „…, und er [d.h. Josua] sprach zu dem Volk: ‚Siehe, die erste Generation ist gestorben in der Wüste, darum weil sie ihrem Gott widersprochen haben. Und siehe, jetzt sollt ihr Führer alle heute wissen, daß, wenn ihr einhergeht in den Wegen des Herrn, eures Gottes, eure Wege gerade gelenkt werden. (4) Wenn ihr aber seiner Stimme nicht gehorchen und

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Sachverhalt, den U.B. Müller wiederum selbst einräumt216. So gut erklärbar das Fehlen einer solchen Anklage aus der vorgestellten literarischen Situation heraus auch sein mag217, so wenig kann doch dieser Text als solcher einen frühjüdischen Beleg für die Sprachform der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ darstellen, sondern vermag bestenfalls als Postulat einer solchen zu dienen.

Anders als im Blick auf die o.cit. Mahnreden aus 1Hen 91 scheinen innerhalb der Passage Jub 7,20–29218, dem zweiten der o. von Müller angeführten euren Vätern ähnlich sein werdet, werden eure Werke verdorben werden, und ihr selbst werdet zerbrochen werden, und es wird von der Erde euer Name verschwinden. Und wo werden die Worte sein, die Gott gesprochen hat zu euren Vätern? Denn wenn auch die Völker sagen werden: ‚Vielleicht hat Gott (sie) verlassen, weil er sein Volk nicht befreit hat‘, so werden sie doch anerkennen, daß er sich nicht andere Völker aussuchen wird und mit ihnen große Wunder tut, und einsehen, daß der Allmächtige die Person nicht ansah, sondern weil ihr in Überheblichkeit gesündigt habt, darum hat er seine Kraft von euch weggenommen und euch preisgegeben. Und jetzt erhebt euch und macht euer Herz fest, damit ihr wandelt in den Wegen eures Herren, und er wird euch lenken‘“ (Text nach C. Dietzfelbinger, LibAnt, 155f.). 216. Vgl. hierzu Prophetie und Predigt, 86: „In dieser Mahnrede fehlt die Anklage“. 217. Vgl. hierzu U.B. Müller, Prophetie und Predigt, 86: „In dieser Mahnrede fehlt die Anklage, aber das ist nicht weiter verwunderlich, von der Sünde des Volkes ist ja in der ersten Erinnerung die Rede. Josua will mit dem Volk ja einen Neuanfang machen, deshalb will er nicht anklagen, sondern das Volk zu einer neuen Entscheidung für seinen Gott bewegen“. 218. „Und im 28. Jubiläum begann Noah, zu gebieten den Kindern seiner Kinder die Ordnungen und alles Gebot, das er kannte. Und er verordnete und bezeugte über seine Kinder, daß sie Gerechtigkeit täten und daß sie die Scham ihres Fleisches bedeckten und daß sie den segneten, der sie geschaffen, und daß sie Vater und Mutter ehrten und daß sie ein jeder den Nächsten liebten und daß er bewahre seine Seele vor Unzucht und Unreinigkeit und vor aller Ungerechtigkeit. (21) Denn wegen dieser drei war die Sintflut über der Erde. Denn wegen der Unzucht, die die Wächter getrieben haben gegen das Gebot ihrer Satzung hinter den Töchtern der Menschen her. Und sie nahmen sich, die sie erwählten. Sie machten den Anfang der Unreinheit. (22) Und sie zeugten Kinder, die Nafidim. Und sie alle waren ungleich. Und sie fraßen ein jeder den anderen. Und die Giganten töteten den Nafil. Und Nafil tötete den Eljo und Eljo die Menschenkinder und ein Mensch den anderen. (23) Und ein jeder fuhr fort, Unrecht zu tun [und], daß sie viel Blut vergossen. Und es wurde die Erde voll von Ungerechtigkeit. (24) Und danach auch alle Tiere und Vögel und was sich bewegt und was geht auf der Erde. Und viel Blut wurde auf der Erde vergossen. Und alle Gedanken und Wünsche der Menschen dachten Nichtigkeit und Böses in allen Tagen. (25) Und der Herr vernichtete alles vom Antlitz der Erde wegen ihrer Werke und wegen des Blutes. (26) Und wir sind übriggeblieben, ich und ihr, meine Kinder, und alles, was hineingegangen ist mit uns in den Kasten. Und siehe, ich sehe vor mir euer Werk, daß ihr nicht solche seid, die in Gerechtigkeit wandeln. Denn auf dem Weg des Verderbens habt ihr zu gehen begonnen und euch ein jeder von seinem Nächsten zu trennen und eifersüchtig zu sein dieser mit jenem. Und so werden nicht gemeinsam sein, meine Kinder, einer mit seinem Bruder. (27) Denn ich sehe, und siehe, Dämonen haben begonnen, in die Irre zu führen euch und meine Kinder. Jetzt aber fürchte ich wegen euch, daß ihr, nachdem ich gestorben bin, Menschenblut auf der Erde vergießen werdet und daß auch ihr vertilgt werdet vom Antlitz der Erde. (28) Denn jeder, der Menschenblut vergießt, und jeder, der Blut ißt, welches von jeglichem Fleisch ist, vernichtet werden sie alle von der Erde. (29) Und es wird nicht übrigbleiben jeder Mensch, der Blut ißt und Blut vergießt, auf der Erde. Und nicht wird zurückbleiben Same für ihn noch Nachkommenschaft unter dem Himmel leben. Denn in die Unterwelt werden sie gehen und in den

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frühjüdischen Belege – und in Sonderheit innerhalb der von ihm augenscheinlich nicht berücksichtigten Ausführungen Jub 7,30–39 – die eine ‚Paraklese als Bußpredigt‘ umfassenden Strukturelemente ‚Urteil über die Gemeindesituation (Anklage)‘, ‚Mahnung‘ und ‚bedingte Gerichtsdrohung‘ als solche durchaus vorhanden zu sein, allerdings in einer anderen Reihenfolge als derjenigen, die innerhalb der in Apk 2f. – vermeintlich – aufweisbaren Paraklesen zu beobachten ist: Während nach Müller in den Texten in Apk 2f. auf die Beurteilung der Gemeindesituation die Mahnung und auf die Mahnung die bedingte Gerichtsdrohung folgt, bieten Jub 7,20–29 eine Mahnung, eine als Warnung fungierende Erinnerung an das frühere Gerichtshandeln Gottes, eine – allerdings als Vorhersage stilisierte219 – Anklage gegen die in der Gegenwart wahrnehmbare Übertretung des Willens Gottes und schließlich eine bedingte Gerichtsdrohung220. Aufgrund dieser von dem von Müller (re-)konstruierten Formschema abweichenden Reihenfolge der einzelnen Elemente aber scheiden die Ausführungen Jub 7,20–29 als formgebender und formbildender frühjüdischer Beleg für die Gattung der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ aus. Eine augenscheinlich vollständige ‚Paraklese als Bußpredigt‘, die darüber hinaus alle dieser Sprachform zugehörigen einzelnen Elemente in der richtigen Reihenfolge präsentiert, scheinen nun allerdings die Ausführungen in LibAnt 22,5f.221 zu bieten222. Die Datierung von LibAnt in die Zeit zwischen 70 und 132 n.Chr.223, eine Datierung, die dieses Werk letztlich in die Zeit der Entstehung der Apk stellt, verbietet es allerdings, diesen Beleg Ort des Gerichtes. Und sie werden hinabsteigen in die Finsternis des Abgrunds. Sie werden alle durch einen gewaltsamen Tod entfernt werden“ (Text nach K. Berger, Jub, 364–366). 219. Vgl. U.B. Müller, Prophetie und Predigt, 84. 220. U.B. Müller, Prophetie und Predigt, 84. 221. „Da sprach Josua: ‚Ist der König, der Herr nicht stärker als tausend Opfer? Und warum habt ihr eure Söhne nicht gelehrt die Worte des Herrn, die ihr von uns gehört habt? Denn wenn eure Söhne im Bedenken des Gesetzes des Herrn wären, würden ihre Sinne nicht verführt hinter einem von Hand verfertigten Altar her. Oder wisst ihr nicht: als das Volk für kurze Zeit in der Wüste allein gelassen worden war, da Mose hinaufstieg, um die Tafeln zu empfangen, wurde sein Sinn verführt, und es machte sich Götzenbilder? Und wenn nicht die Barmherzigkeit des Gottes eurer Väter Wächter gewesen wäre, so wären alle Scharen zum Märchen geworden und bekanntgemacht würden alle Sünden des Volkes wegen eurer Torheit. (6) Und darum geht jetzt und wühlt die Altäre um, die ihr euch erbaut habt, und lehrt eure Söhne das Gesetz, und sie sollen es bedenken Tag und Nacht, damit ihnen durch alle Tage ihres Lebens der Herr zum Bund und Richter werde. Und es wird Gott Zeuge und Richter sein zwischen mir und euch und zwischen meinem Herzen und eurem Herzen, weil, wenn ihr in Hinterlist diese Sache gemacht habt, es an euch gerächt werden wird, darum weil ihr eure Brüder verderben wolltet. Wenn ihr es aber in Unwissenheit getan habt, wie ihr sagt, wegen eurer Söhne, wird Gott barmherzig sein mit euch‘“ (Text nach C. Dietzfelbinger, LibAnt, 161f.). 222. Vgl. hierzu auch die Ausführungen bei U.B. Müller, Prophetie und Predigt, 88. 223. Vgl. zu dieser Datierung von LibAnt bereits o. 60, A. 214.

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in die den Ausführungen Apk 2f. vorausgehende, ihren Gebrauch festigende und absichernde Vorgeschichte der Sprachform der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ einzuordnen. LibAnt 22,5f. stellt einen Beleg dafür dar, dass im Frühjudentum um die Wende vom ersten zum zweiten nachchristlichen Jahrhundert die von U.B. Müller (re-)konstruierte und aus den Strukturelementen ‚Urteil über die Gemeindesituation (Anklage)‘, ‚Mahnung‘ und ‚bedingte Gerichtsdrohung‘ bestehende, als ‚Paraklese als Bußpredigt‘ beschreibbare Sprachform Verwendung finden konnte und auch Verwendung gefunden hat, nicht jedoch dafür, dass diese Sprachform innerhalb der frühjüdischen Literatur – bereits – breit und formgeschichtlich standardisiert verankert gewesen wäre. Damit aber führen die unter den Punkten (c) und (d) formulierten Erwägungen in ihrer Gesamtheit zu der grundsätzlichen Frage, inwieweit überhaupt von der Existenz einer in alttestamentlicher und frühjüdischer Zeit verwendeten, geprägten, im Bewusstsein verankerten und standardisiert überlieferten prophetischen Sprachform der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ gesprochen und ausgegangen werden kann, oder ob die Rede von einer solchen Sprachform – und dies gilt dann in gleicher Weise auch im Blick auf diejenige des ‚Heilswortes als unbedingter Ansage eschatologischen Heils‘, für die Müller einen entsprechenden Erweis nicht zu liefern unternimmt – nicht eher als ein Postulat zu bezeichnen ist. (e) Die beiden von U.B. Müller angeführten neutestamentlichen Belege, mit deren Hilfe er die bereits standardisierte Verwendung der mittlerweile geprägten prophetischen Sprachform der aus den Strukturelementen ‚Urteil über die Gemeindesituation (Anklage)‘, ‚Mahnung‘ und ‚bedingte Gerichtsdrohung‘ bestehenden ‚Paraklese als Bußpredigt‘ in neutestamentlicher Zeit erweisen möchte, nämlich die Bußpredigt Johannes des Täufers nach Mt 3,7–10 und nach Lk 3,7–9, vermögen die Last eines solchen Erweises ebenso nicht zu tragen. Sie bieten, wie die u. gebotene Übersicht deutlich macht, zwar einerseits sämtliche einzelne Strukturelemente der von Müller (re-)konstruierten prophetischen Sprachform, darüber hinaus aber auch noch das Element einer „Proklamation der Nähe des Gerichts“224, das sich zumindest in dieser Form weder in der von Müller (re-)konstruierten reinen Form der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ noch in den Sendschreiben Apk 2f. findet. Diese Beobachtung evoziert – im Anschluss an die Erwägungen zu den Punkten (c) und (d) – in gleicher Weise die grundsätzliche Frage nach dem Bewusstsein der Existenz der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ als einer geprägten, standardisiert überlieferten und bewusst verwendeten prophetischen Sprachform im Kreise der ur- und frühchristlichen Autoren. 224. Prophetie und Predigt, 77.

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Mt 3,7–10

Lk 3,7 – 9

Urteil über die γεννήματα ἐχιδνῶν, τίς ὑπέδει- γεννήματα ἐχιδνῶν, τίς ὑπέGemeindesituation ξεν ὑμῖν φυγεῖν ἀπὸ τῆς μελ- δειξεν ὑμῖν φυγεῖν ἀπὸ τῆς (Anklage) λούσης ὀργῆς (3,7b); μελλούσης ὀργῆς (3,7b); ποιήσατε οὖν καρποὺς ἀξίους τῆς μετανοίας καὶ μὴ ἄρξησθε λέγειν ἐν ἑαυτοῖς· πατέρα ἔχομεν τὸν Ἀβραάμ. λέγω γὰρ ὑμῖν ὅτι δύναται ὁ θεὸς ἐκ τῶν λίθων τούτων ἐγεῖραι τέκνα τῷ Ἀβραάμ (3,8).

Mahnung

ποιήσατε οὖν καρπὸν ἄξιον τῆς μετανοίας (9) καὶ μὴ δόξητε λέγειν ἐν ἑαυτοῖς· πατέρα ἔχομεν τὸν Ἀβραάμ. λέγω γὰρ ὑμῖν ὅτι δύναται ὁ θεὸς ἐκ τῶν λίθων τούτων ἐγεῖραι τέκνα τῷ Ἀβραάμ (3,8f.).

Proklamation der Nähe des Gerichts

ἤδη δὲ ἡ ἀξίνη πρὸς τὴν ῥίζαν ἤδη δὲ καὶ ἡ ἀξίνη πρὸς τὴν ῥίζαν τῶν δένδρων κεῖται τῶν δένδρων κεῖται (3,10a). (3,9a)·

Bedingte Gerichtsdrohung

πᾶν οὖν δένδρον μὴ ποιοῦν πᾶν οὖν δένδρον μὴ ποιοῦν καρπὸν καλὸν ἐκκόπτεται καὶ καρπὸν καλὸν ἐκκόπτεται καὶ εἰς πῦρ βάλλεται (3,10b) εἰς πῦρ βάλλεται (3,9b).

(f) Jenseits der immanenten Probleme der von U.B. Müller formulierten formgeschichtlichen Thesen ist festzuhalten, dass keiner der als Belege für jene angeführten Texte das für zumindest drei der in Apk 2f. vorliegenden sieben Sendschreiben, nämlich für die Episteln Apk 2,1–7, Apk 2,12–17 und Apk 2,18–29, charakteristische Momentum der analytischen und abwägenden Bewertung des Verhaltens des jeweils angeschriebenen ἄγγελος τῶν ἐκκησίων in positiver und zugleich auch in negativer Hinsicht bietet. Dies wird schlaglichtartig bereits daran deutlich, dass Müller diese Episteln gattungstheoretisch nicht eindeutig definieren bzw. nicht einer Gattung zuordnen kann, sondern in ihnen jeweils zwei unterschiedliche Sprachformen verarbeitet sieht bzw. sehen muss. Der Versuch einer Antwort auf die Frage nach der Gattung der sieben Sendschreiben Apk 2f. muss jedoch, um nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt zu sein, gerade bei diesem Momentum ansetzen und der Frage nachgehen, welche mögliche einzige Sprach- oder Textform gerade solche differenzierten, sowohl positiv als zugleich aber auch negativ evaluierenden Verhaltensanalysen zu transportieren vermag. Die Diskussion der von U.B. Müller entwickelten Überlegungen zur Frage der Gattung der in Apk 2f. überlieferten Sendschreiben zeitigt in der Summe somit folgendes Ergebnis: Sie vermögen einerseits sehr wohl die Annahme einer mündlichen Vorgeschichte der sieben Sendschreiben zu plausibilisieren und auch zu erweisen, dass die sieben Sendschreiben gattungstheoretisch nicht als Briefe im eigentlichen Sinne definiert werden können. Sie vermögen andererseits aus unterschiedlichen Gründen aber

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nicht zu bestätigen, dass der Apokalyptiker in den Sendschreiben die prophetischen Sprachformen der ‚Paraklese als Bußpredigt‘ und des ‚Heilswortes als unbedingter Ansage eschatologischen Heils‘ verwendet habe. Sie vermögen darüber hinaus die Frage nach der literarischen Gattung der sieben Sendschreiben nicht zureichend zu beantworten. Die Überlegungen Müllers klammern dieses letzte Problem eher aus als dass sie einen Ansatz zu seiner befriedigenden Lösung lieferten. II.2.3.2. Die sieben Sendschreiben als Himmelsbriefe Der nicht zuletzt auch von A. Deissmann vertretenen These, die sieben in Apk 2f. überlieferten Sendschreiben seien formgeschichtlich in die Gattung ‚Himmelsbrief‘ einzuordnen, widerrät der Sachverhalt, dass sich zugunsten derselben keinerlei Belege beibringen lassen, die eine entsprechende gattungstheoretische Einordnung der Episteln Apk 2f. nahelegten225. Der von Deissmann selbst angeführte Beleg OdSal 23 erzählt zwar von einem solchen Brief226, bietet aber nicht dessen Inhalt, was bedeutet, dass ein formgeschichtlicher Vergleich zwischen diesem in OdSal 23 erwähnten Himmelsbrief und den sieben Sendschreiben Apk 2f. nicht möglich ist. Gleiches gilt im Blick auf das ‚Perlenlied‘ ActThom 108–113. Damit aber fehlt der These, die in Apk 2f. überlieferten Sendschreiben stellten Himmelsbriefe dar, jegliche argumentative Kraft. II.2.3.3. Die sieben Sendschreiben als prophetische Briefe Zugunsten der These, die sieben Sendschreiben Apk 2f. seien gattungstheoretisch als prophetische Briefe zu kategorisieren, führen K. Berger und auch U.B. Müller folgende alttestamentliche Belege an: den Brief des Propheten Elia an König Joram (2Chr 21,12–15), den Brief Jeremias an die 225. Vgl. hierzu auch die oftmals angeführten Ausführungen von R. Stübe, Himmelsbrief, passim; sie wissen nichts von einer bereits in der Antike überlieferten, bereits geprägten Gattung ‚Himmelsbrief‘. 226. Zum Text dieser Ode vgl. M. Lattke, OdSal, 164–168; vgl. hierzu die entsprechende Passage OdSal 23,5–10: „Und sein [d.h. Gottes oder Christi] Denken war wie ein Brief, sein Wille stieg herab von der Höhe. (6) Und er (sc. der Wille) wurde abgesandt, wie der Pfeil vom Bogen, der abgeschnellt wird mit Wucht. (7) Und es stürzten sich auf den Brief viele Hände, um ihn an sich zu reißen und zu nehmen und zu lesen, (8a) und er (sc. der Brief) entfloh ihren Fingern. (8b) Und sie fürchteten sich vor ihm und dem Siegel auf ihm, (9) weil es ihnen nicht möglich war, sein Siegel zu brechen, denn die Macht, die auf dem Siegel war, war stärker als sie. (10) Es folgten aber dem Brief jene, die ihn sahen, damit sie innewürden, wo er wohnt und wer ihn liest und wer ihn hört“ (Text nach M. Lattke, OdSal, 165f.).

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nach Babylon Weggeführten (Jer 29,1–23; Jer 36,1–23LXX), EpJer, den in TargJer 10,11 genannte Brief Jeremias, den Bericht über zwei Briefe des Baruch in 2Bar 77,17–19, den Brief des Baruch an die 9½ Stämme (2Bar 78–87), den Brief des Baruch an Jeremia und den Brief Jeremias an Baruch (ParJer 6,13–14.17–23 und 7,23–29)227. Eine Analyse dieser Belege, soweit sie nun nicht nur Hinweise auf etwaige Briefe, sondern diese Briefe selbst beinhalten, muss im Einzelnen zeigen, inwieweit diese tatsächlich die Charakterisierung der in Apk 2f. überlieferten Sendschreiben als prophetische Briefe zu indizieren vermögen: (a) Der 2Chr 21,12–15 überlieferte Brief228 des Propheten Elia an den judäischen König Joram bietet zwar, in gleicher Weise wie auch die sieben Sendschreiben, in seiner Einleitung die Formel τάδε λέγει κτλ.229, unterscheidet sich sonst allein schon in formaler Hinsicht jedoch deutlich von jenen: (1) Elemente, die dem Weckruf oder dem Überwinderspruch, den beiden Formelementen, die die sieben Sendschreiben jeweils beschließen, entsprechen könnten, fehlen in 2Chr 21,12–15 vollständig. (2) Der Apokalyptiker leitet die jeweilige Diskussion des Verhaltens des in den einzelnen Schreiben jeweils angeschriebenen ἄγγελος formal stereotyp mit dem Prädikat οἶδα ein. In 2Chr 21,12 beginnt die Darstellung des – fehlerhaften – Verhaltens Jorams hingegen unmittelbar mit einer in einem Kausalsatz formulierten Begründung für das im weiteren Verlauf dann angekündigte Gerichtshandeln an demselben: ἀνθ᾽ ὧν οὐκ ἐπορεύθης ἐν ὁδῷ Ιωσαφατ τοῦ πατρός σου καὶ ἐν ὁδοῖς Ασα βασιλέως Ιουδα (13) καὶ ἐπορεύθης ἐν ὁδοῖς βασιλέων Ισραηλ καὶ ἐξεπόρνευσας τὸν Ιουδαν καὶ τοὺς κατοικοῦντας ἐν Ιερουσαλημ ὡς ἐξεπόρνευσεν οἶκος Αχααβ καὶ τοὺς ἀδελφούς σου υἱοὺς τοῦ πατρός σου τοὺς ἀγαθοὺς ὑπὲρ σὲ ἀπέκτεινας (2Chr 21,12c.13). (3) Schließlich ist erkennbar, dass es Elia, im Unterschied zu dem Verfasser 227. Vgl. hierzu U.B. Müller, Apk, 92 und K. Berger, Apostelbrief, 213 mit A. 108. 228. 2Chr 21,12LXX bietet als Fachbegriff hier nicht das geläufige ἐπιστολή (vgl. hierzu etwa nur die zahlreichen neutestamentlichen Belege bei W. Bauer/B. Aland, Wörterbuch, s.v. ἐπιστολή, 608f., darüber hinaus auch Jeru 36,1LXX), sondern stattdessen den im Neuen Testament sonst nicht belegten Begriff ἐγγραφή, einen Begriff, den H. Menge, Wörterbuch, s.v. ἐγγραφή, 198 mit „Eintragung in die Listen wiedergibt“, ohne hier auch nur im entferntesten die Bedeutung ‚Brief‘ anklingen zu lassen. Der masoretische Text liest an dieser Stelle nicht, wie etwa in Jer 29,1, das Substantiv ‫ס ֶפר‬, ֵ sondern das ebenfalls sehr selten belegte ‫מ ְכ ָ֔תּב‬, ִ einen Terminus, den L. Köhler/W. Baumgartner, Lexicon, s.v., ‫ ִמ ְכ ָ֔תּב‬523 mit „Schriftstück“ übersetzen. Das aber heißt, dass die Verfasser von 2Chr hier in 2Chr 21,12 sicherlich nicht an einen Brief im gattungstheoretischen Sinne dachten, sondern bestenfalls an ein ‚Schriftstück‘, d.h. eine letztlich formlose schriftliche Botschaft, die sich von mündlicher Verkündigung nur durch die Tatsache unterscheidet, dass der Verkündigende und Empfänger sich nicht am gleichen Ort aufhalten. 229. Vgl. zu dieser Formel ausführlich u. 71–72, 140.

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der sieben Sendschreiben, in seinem Brief nicht darum zu gehen scheint, das Verhalten des Königs Joram zu analysieren und in negativer oder aber auch positiver Hinsicht zu bewerten; auch eine an Joram gerichtete und aus dieser Bewertung resultierende Aufforderung zu einer Änderung seines zuvor als negativ bewerteten Verhaltens wird nicht geboten. Die von Elia gesandte Epistel hebt vielmehr ausschließlich auf das künftige Gerichtshandeln Gottes an Joram, seiner Familie und seinem Volk ab. In der Summe aber heißt das: Die formgeschichtliche Parallelität zwischen den sieben Sendschreiben Apk 2f. und dem Brief des Elia an Joram ist zu gering als dass letzterer als gattungstheoretische Vorlage für erstere angesehen werden könnte. (b) Der Jer 29,1–23 bzw. Jer 36,1–23LXX überlieferte Brief Jeremias an die in Babylon Exilierten beinhaltet keines der für die sieben Sendschreiben Apk 2f. typischen Formelemente; zu Weckruf, Überwinderspruch und οἶδα-Formel lassen sich überhaupt keine Entsprechungen aufweisen, an die Stelle der Wendung τάδε λέγει κτλ. tritt in Jer 36,4LXX die Wendung οὕτως εἶπεν κύριος ὁ θεὸς Ισραηλ230. Schwerwiegender jedoch als diese eher formalen Einwände wiegt der Sachverhalt, dass der Brief Jeremias, hier deutlich anders als die sieben Sendschreiben, keinerlei – positiv oder aber auch negativ wertende – Analyse des vergangenen oder auch gegenwärtigen Verhaltens der in Babylon Exilierten bietet. Somit vermag auch dieser Text kaum als – stilbildende und prägende – formgeschichtliche Analogie zu den sieben Sendschreiben zu fungieren. (c) Gleiches gilt in erheblich eindeutigerer Weise im Blick auf die Belege EpJer, 2Bar 78–87, ParJer 6,13–14.17–23 und 7,23–29, die – mit Ausnahme vielleicht der an die τάδε λέγει-Formel der sieben Sendschreiben erinnernden Einleitung „So spricht Baruch, der Sohn des Neria, zu den Brüdern, …“ 2Bar 78,2 – keinerlei formgeschichtliche Übereinstimmungen mit den sieben Episteln Apk 2f. bieten, somit auch keine formgeschichtliche Analogie zu jenen darstellen können. Aus alledem folgt: Die These, die sieben Sendschreiben Apk 2f. seien gattungstheoretisch als prophetische Briefe zu kategorisieren, lässt sich auf der Basis des zuhandenen Textmaterials nicht positiv belegen. II.2.3.4. Die sieben Sendschreiben als ‚covenant suzerainty treaties‘ W.H. Shea möchte die sieben Sendschreiben formgeschichtlich als Bundeserneuerungsformulare verstehen. Im Rahmen des Versuchs, diese These zu 230. In Jer 29,4 formuliert der Prophet dementsprechend: ‫ֹלהי יִ ְשׂ ָר ֵ ֑אל‬ ֣ ֵ ‫הו֥ה ְצ ָב ֖אוֹת ֱא‬ ָ ְ‫ ֥כֹּה ָא ַ ֛מר י‬.

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untermauern, rekonstruiert er zunächst das hittitische bzw. israelitische Bundesformular, das s.E. aus fünf Elementen bestehe, einer Präambel231, einem historischen Prolog232, den konkreten einzelnen Bestimmungen (stipulationes), denen sich die Vasallen zu unterwerfen hätten233, dem Hinweis auf die von Zeugen zu leistende Bezeugung eines solchen Vertrages234 und aus Segnungen und Flüchen bestehenden Sanktionsdrohungen235. Der von Shea vorgenommenen formgeschichtlichen Einordnung der sieben Sendschreiben widerraten folgende Überlegungen: (a) Der jedem der sieben Sendschreiben Apk 2f. vorangehende Schreibbefehl ist in den Bundeserneuerungsformularen formgeschichtlich ohne jegliches Äquivalent236. (b) Die einzelnen Sendschreiben und die einzelnen in ihnen verarbeiteten Strukturelemente lassen sich z.T. nur sehr gezwungen in das Schema des von Shea rekonstruierten Bundesformulars einfügen, ein Sachverhalt, der dessen These in ihrer Gesamtheit fragwürdig werden lässt237. So muss Shea etwa im Blick auf das Sendschreiben an den ephesischen ‚Gemeindeengel‘ Apk 2,1–7 einräumen, dass der in Apk 2,2–4 begonnene Prolog erst in Apk 2,6 fortgeführt werde238, die diesen Prolog unterbrechenden Ausführungen in Apk 2,5a jedoch bereits die – eigentlich erst auf den Prolog folgenden – von diesem ἄγγελος zu erfüllenden konkreten Einzelbestimmungen und diejenigen in Apk 2,5b die Verfluchung im Falle des Verstoßens gegen jene enthielten, wohingegen die ebenfalls zu den Sanktionen zu rechnenden 231. Vgl. hierzu Form, 72: „The preamble to the Hittite suzerainty treaty identified the king who was the author of the covenant by giving his name, titles, attributes, and genealogy“. 232. Vgl. hierzu Form, 72: „The historical prologue described the past relations between the two contracting parties“. 233. Vgl. hierzu Form, 72: „The stipulations detailed the obligations imposed upon the vassal“. 234. Vgl. hierzu Form, 72: „The witnesses to the extra-biblical treaties were the gods of the participants, but monotheistic Yahwism found other elements to substitute for them“. 235. Vgl. hierzu Form, 72: „The treaties then concluded with their religious sanctions, the blessings and curses that would occur in the case of loyalty to, or breach of, the covenant“; vgl. zu diesen fünf Elementen auch die Übersicht bei M. Wilson, Victor Sayings, 33. 236. Vgl. hierzu M. Wilson, Victor Sayings, 33: „However, to find these parallels Shea ignores the address saying that opens each letter“. 237. Vgl. hierzu auch D.E. Aune, Form and Function, 182, A. 4: „Shea has forced the structure of the seven proclamations into a framework which is essentially alien to them (the seven proclamations deal primarily with a temporary situation rather than the legal establishment of a long term relationship), and his verse-by-verse analysis reveals far too many exceptions to the overall schema“. 238. Vgl. hierzu etwa G.B. Caird, Apk, 31, der, offensichtlich um dem hier angezeigten Problem zu entgehen, die Auslegung von Apk 2,6 hinter derjenigen von Apk 2,2f. vornimmt. In diese Richtung denkt auch H. Lichtenberger, Apk, 86, der am Ende seiner Ausführungen zu Apk 2,5 formuliert: „Erstaunlicherweise folgt dann aber doch noch Positives“.

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Segensverheißungen erst in Apk 2,7b und somit deutlich getrennt von der eigentlich mit jenen zusammengehörigen Fluchandrohung geboten würden239. Darüber hinaus lassen sich die von Shea als „historical prologue“ markierten Einlassungen Apk 2,2–4.6.9.13–15.19–21; 3,1b.8–10.15 bestenfalls in Teilen als Beschreibung der „past relations between the two contracting parties“, d.h. in diesem Falle doch zwischen den dem jeweils angeschriebenen ἄγγελος τῶν ἐκκλησίων und dem in diesen Sendschreiben redenden Christus, interpretieren. So geht es etwa in Apk 2,9 weitaus eher um die Relation zwischen dem smyrnäischen ‚Gemeindeengel‘ und seiner smyrnäischen Umwelt als um dessen Beziehung zu Christus, die hier allenfalls mittelbar eine Rolle spielt, jedoch eben gerade nicht explizit thematisiert wird; gleiches gilt etwa für die Ausführungen in Apk 3,15. Schließlich erschließt sich kaum schlüssig, dass die in den Weckrufen jeweils nur gänzlich allgemein und unkonkret angesprochenen Personen als Zeugen, die einen Vertrag beglaubigen sollen, fungieren, die Weckrufe somit die Funktion einer Bezeugungsformel einnehmen könnten. (c) Eine bundestheologische Diktion, die die sieben Sendschreiben als Bundesformulare ausweisen könnte, fehlt in Apk 2f.240. Auf der anderen Seite fehlen etwa in dem von Shea als „excellent example of a suzerainty treaty“241 genannten Vertrag zwischen dem hethitischen Großkönig Muršili II. und Duppi-Teššup, dem amarnazeitlichen König von Amurru, jegliche bewertende Analyse des vergangenen oder auch des gegenwärtigen Verhaltens des Duppi-Teššup. Zwar werden unterschiedliche Verhaltensweisen sowohl des Vaters als auch des Großvaters von Duppi-Teššup gegenüber den Hethitern einer- und das vergangene Verhalten des Muršili II. gegenüber Duppi-Teššup, dem neuen König von Amurru, andererseits zwar nicht bewertet, aber doch immerhin beschrieben. Eine explizite Bewertung des vergangenen und gegenwärtigen Verhaltens jenes letzteren aber – und genau dies würde der Argumentationslogik der sieben Sendschreiben, innerhalb derer das vergangene und das gegenwärtige Verhalten des jeweils angeschriebenen ‚Gemeindeengels‘ bewertet werden, entsprechen – enthält der Vertrag zwischen dem hethitischen Großkönig Muršili II. und DuppiTeššup, dem amarnazeitlichen König von Amurru nicht. Gleiches gilt etwa auch im Blick auf die Ausführungen in Ex 20, die von Shea als biblischer

239. Vgl. zur Analyse dieses Sendschreibens W.H. Shea, Form, 76f. 240. Vgl. zu diesem Gesichtspunkt etwa M. Wilson, Victor Sayings, 34: „Most damaging to Shea is the lack of covenant language here … But the absence of such language in chapters 2–3 suggests strongly that the seven letters do not constitute a covenant renewal“. 241. Form, 71, A. 3.

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Beleg für ein „covenant formulary“242 angeführt werden; Hinweise auf eine von Gott durchgeführte – positive oder auch negative – Bewertung des vergangenen und des gegenwärtigen Verhaltens des Volkes Israel begegnen hier nicht. In der Summe aber heißt das alles: Der von W.H. Shea unternommene Versuch, die sieben Sendschreiben formgeschichtlich als Bundeserneuerungsformulare zu interpretieren, vermag trotz einiger durchaus interessanter Einzelbeobachtungen letzten Endes nicht zu überzeugen. II.2.3.5. Die sieben Sendschreiben als prophetische Verkündigung in Form imperialer Edikte Unter Berufung auf M. Benner unterscheidet D.E. Aune fünf Elemente des Corpus eines königlichen oder kaiserlichen Edikts243, die in den einzelnen Edikten allerdings nicht immer vollständig vorhanden sein müssten bzw. vorhanden seien: (1) das prooemium, mit dem „benevolence and interest in the addressees“244 geweckt bzw. hervorgerufen werden sollten, (2) die promulgatio, eine Formel, die den eigentlichen Beginn des zu verkündigenden Erlasses markierte245, (3) die narratio, „a clear, short account for the state of the matter, the facts which caused the enactment, etc.“246, (4) die dispositio, innerhalb der die eigentliche Entscheidung bzw. der eigentliche Erlass formuliert würden247, (5) schließlich die sanctio oder corroboratio, die über die positiven, vor allem aber die negativen Konsequenzen der Beoder auch Missachtung der in diesem Edikt erlassenen Anweisungen informierte248. Diesen fünf Bestandteilen249 gehe eine praescriptio voraus, die ein 242. Form, 73. 243. Vgl. hierzu auch M. Karrer, Apk I, 278f.; gegen eine deutliche Trennung der Gattungen ‚Edikt‘ und ‚Prophetenspruch‘ oder ‚Prophetenbrief‘ wendet sich, wie D.E. Aune, auch Karrer: „Aber im öffentlichen Leben der römischen Kaiserzeit durchdrangen sich politische und religiöse Aspekte. So wäre falsch, die Aspekte gegeneinander auszuspielen“ (279). Dass sich diese Aspekte im öffentlichen Leben des ersten oder auch des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts durchdrangen, mag stimmen; dies gilt jedoch nicht für die einzelnen Gattungen bzw. Sprachformen. 244. Form and Function, 201. 245. Diese promulgatio umfasse in Sonderheit „a ‚publishing‘ phrase such as ‚I make known that‘, etc.“ (Form and Function, 201). 246. Form and Function, 201. 247. Vgl. hierzu Form and Function, 201: „…, ‚arrangement‘ (the central part of the document expressing the decision)“. 248. Vgl. hierzu Form and Function, 201: „... end clauses whose purpose is to bring about the observance of the enactment“. 249. Vgl. zu diesen Bestandteilen eines imperialen Ediktes auch M. Wilson, Victor Sayings, 39.

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„verb of declaration“ enthielte und „the only formal characteritic which always occurs in imperial edicts“ darstelle. Im Anschluss an diese die Ausführungen M. Benners aufnehmende formale und inhaltliche Charakterisierung imperialer Edikte und ihrer Einzelelemente unternimmt D.E. Aune dann den Versuch, einzelne Passagen aus den Sendschreiben Apk 2f. als in ihrem Aufbau, ihrer Struktur und ihrer Form den entsprechenden Bestandteilen imperialer Edikte zumindest vergleichbar, wenn nicht sogar vollständig konform gehend zu erweisen250: (a) So begönne Aune zufolge jedes der sieben Sendschreiben aus Apk 2f. mit einer praescriptio, die derjenigen imperialer Edikte durchaus entspräche, wobei er jedoch einräumt, dass „the verb of declaration normally follows the name and titles of the issuing emperor or magistrate(s) in imperial edicts, but precedes the titles and predicates of Christ in the seven proclamations“251. Diese Differenz wird etwa erkennbar an der praescriptio eines von Josephus zitierten Ediktes des Augustus: Καῖσαρ Σεβαστὸς ἀρχιερεὺς δημαρχικῆς ἐξουσίας λέγει252, derjenigen eines ebenfalls von dem jüdischen Historiographen überlieferten Ediktes des Claudius: Τιβέριος Κλαύδιος Καῖσαρ Σεβαστὸς Γερμανικὸς δημαρχικῆς ἐξουσίας λέγει253, schließlich derjenigen eines von Kaiser Hadrianus erlassenen Ediktes aus dem Jahr 136 n.Chr.: Αὐτοκράτωρ Καῖσα[ρ] θεοῦ Τραϊανοῦ Παρθικοῦ υἱὸς θεοῦ Νέρουα | υἱωνὸς Τραϊανὸς Ἁδριανὸς Σεβαστὸς ἀρχιερεὺς μέγιστος | δημαρχικῆς ἐξουσίας τὸ κ’ αὐτοκράτωρ τὸ β’ ὕπατος τὸ γ’ | πατὴρ πατ[ρίδ]ος λέγει254. Als Ausnahmen von dieser Regel vermag Aune offensichtlich lediglich einen bei Thukydides überlieferten Brief des Xerxes an Pausanias255 und eine bei Lukianos 250. Vgl. zu dieser Übersicht bzw. diesem von Aune hier vorgelegten formalen Vergleich auch M. Wilson, Victor Sayings, 41. 251. Form and Function, 201f.; vgl. zu diesem Sachverhalt auch M. Karrer, Apk I, 278, A. 10. 252. Ant. XVI 162 (Text nach R. Marcus, Josephus VIII, 270); vgl. hierzu auch M. Wilson, Victor Sayings, 40–42. 253. Ant. XIX 280 (Text nach L.H. Feldman, Josephus IX, 344). 254. Text nach E.M. Smallwood, Documents II, 171; vgl. darüber hinaus auch das von D.E. Aune selbst als Beleg angeführte Edikt Dareios‘ I (Apk I, 129). 255. Vgl. hierzu Thukydides, Ὁ πόλεμος τῶν Πελοποννησίων καί Ἀθηναίων I, 128–130: ἔπεμψε δὲ [Παυσανίας] καὶ ἐπιστολὴν τὸν Γόγγυλον φέροντα αὐτῷ· ἐνεγέγραπτο δὲ τάδε ἐν αὐτῇ, (128,7) ὡς ὕστερον ἀνηυρέθη· ‚Παυσανίας ὁ ἡγεμὼν τῆς Σπάρτηςτούσδε τέ σοι χαρίζεσθαι βουλόμενος ἀποπέμπει δορὶ ἑλών, καὶ γνώμην ποιοῦμαι, εἰ καὶ σοὶ δοκεῖ, θυγατέρα τε τὴν σὴν γῆμαι καί σοι Σπάρτην τε καὶ τὴν ἄλλην Ἑλλάδα ὑποχείριον ποιῆσαι. δυνατὸς δὲ δοκῶ εἶναι ταῦτα πρᾶξαι μετὰ σοῦ βουλευόμενος. εἰ οὖν τί σε τούτων ἀρέσκει, πέμπε ἄνδρα πιστὸν ἐπὶ θάλασσαν δι’ οὗ τὸ λοιπὸν τοὺς (129,1) λόγους ποιησόμεθα.‘ τοσαῦτα μὲν ἡ γραφὴ ἐδήλου, Ξέρξης δὲ ἥσθη τε τῇ ἐπιστολῇ καὶ ἀποστέλλει Ἀρτάβαζον τὸν Φαρνάκου ἐπὶ θάλασσαν καὶ κελεύει αὐτὸν τήν τε Δασκυλῖτιν σατραπείαν παραλαβεῖν Μεγαβάτην ἀπαλλάξαντα, ὃς πρότερον ἦρχε, καὶ παρὰ Παυσανίαν ἐς Βυζάντιον ἐπιστολὴν ἀντεπετίθει αὐτῷ ὡς

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von Samosata, saturnalia 10 belegte praescriptio aus dem Munde des Priesters Κρονοόλων256 beizubringen. Die Beweiskraft des erstgenannten Beleges wird nun aber dadurch verringert, dass es sich bei diesem Text eben nicht um ein edictum, sondern expressis verbis um einen einen Teil eines Briefwechsels ausmachenden Brief handelt, den Xerxes an Pausanias gesandt hat.

Diese Beobachtung ruft unweigerlich die Frage hervor, warum der Apokalyptiker, wenn er denn im Rahmen seiner Ausführungen in Apk 2f. die Gattung ‚imperiales Edikt‘ zumindest in formaler Hinsicht reproduzieren wollte, dies dann gerade im Blick auf die Form der praescriptio nicht auch – etwa durch eine invertierte Wortstellung – deutlicher zum Ausdruck gebracht und sich nicht auch offenkundiger an dieselbe angelehnt hat.

τάχιστα διαπέμψαι καὶ τὴν σφραγῖδα ἀποδεῖξαι, καὶ ἤν τι αὐτῷ Παυσανίας παραγγέλλῃ περὶ τῶν (2) ἑαυτοῦ πραγμάτων, πράσσειν ὡς ἄριστα καὶ πιστότατα. ὁ δὲ ἀφικόμενος τά τε ἄλλα ἐποίησεν ὥσπερ εἴρητο καὶ τὴν (3) ἐπιστολὴν διέπεμψεν· ἀντενεγέγραπτο δὲ τάδε· ‚ὧδε λέγει βασιλεὺς Ξέρξης Παυσανίᾳ. καὶ τῶν ἀνδρῶν οὕς μοι πέραν θαλάσσης ἐκ Βυζαντίου ἔσωσας κείσεταί σοι εὐεργεσία ἐν τῷ ἡμετέρῳ οἴκῳ ἐς αἰεὶ ἀνάγραπτος, καὶ τοῖς λόγοις τοῖς ἀπὸ σοῦ ἀρέσκομαι. καί σε μήτε νὺξ μήθ’ ἡμέρα ἐπισχέτω ὥστε ἀνεῖναι πράσσειν τι ὧν ἐμοὶ ὑπισχνῇ, μηδὲ χρυσοῦ καὶ ἀργύρου δαπάνῃ κεκωλύσθω μηδὲ στρατιᾶς πλήθει, εἴ ποι δεῖ παραγίγνεσθαι, ἀλλὰ μετ’ Ἀρταβάζου ἀνδρὸς ἀγαθοῦ, ὅν σοι ἔπεμψα, πρᾶσσε θαρσῶν καὶ τὰ ἐμὰ καὶ τὰ (130,1) σὰ ὅπῃ κάλλιστα καὶ ἄριστα ἕξει ἀμφοτέροις.‘ (Text nach M. Weißenberger, Thukydides, 272.274; „[Er bediente sich dabei der Hilfe des Gongylos aus Eretria, dem er Byzanz und die Gefangenen übergeben hatte.] Dieser mußte ihm auch einen Brief hintragen, in dem geschrieben war (wie später an den Tag kam): ‚Pausanias, Führer von Sparta, sendet dir, um dir gefällig zu sein, diese Kriegsgefangenen zurück, und ich tue dir den Vorschlag, wenn es dir auch recht ist, deine Tochter zu heiraten und dir Sparta und das übrige Hellas untertan zu machen. Ich glaube dazu imstande zu sein, wenn wir uns gemeinsam beraten. Sagt dir etwas zu von diesen Dingen, so sende einen zuverlässigen Mann an die Küste, durch den wir inskünftig miteinander reden können.‘ Soviel besagte das Schreiben. [129] Xerxes freute sich über den Brief und sandte Artabazos Pharnakes‘ Sohn an die Küste, mit der Weisung, die Satrapie von Daskyleion zu übernehmen und Megabates, der sie bisher verwaltete, abzulösen, und gab ihm für Pausanias einen Antwortbrief mit, den er baldigst nach Byzanz bestellen solle unter Vorzeigung des Siegels, und wenn ihm Pausanias Aufträge gebe in Sachen des Königs, solle er sie aufs beste und treueste erfüllen. Wie nun Artabazos hinkam, tat er alles, wie ihm gesagt war, und übersandte den Brief. Darin stand folgende Antwort: ‚So spricht König Xerxes zu Pausanias: Wegen der Männer, die du mir übers Meer aus Byzanz gerettet hast, soll dir die Wohltat in unserem Hause für immer zu Dank verzeichnet sein, und was du mir schriebest, sagt mir zu. Nicht Nacht noch Tag soll dich hemmen, daß du säumest zu tun, was du mir versprichst; kein Bedarf an Gold und Silber darf dich hindern, noch an Kriegsvolk, wenn du es irgendwo zur Stelle brauchst, sondern mit dem edlen Artabazos, den ich dir schicke, betreibe unbedenklich meine und deine Dinge, wie es sich für uns beide am schönsten und besten fügt.‘“; Übersetzung nach G.P. Landmann, Thukydides, Geschichte des Peloponnesischen Krieges, 100f.). 256. Τάδε λέγει Κρονοσόλων ἱερεὺς καὶ προφήτης τοῦ Κρόνου καὶ νομοθέτης τῶν ἀμφὶ τὴν ἑορτήν (Text nach K. Kilburn, Lucian VI, 102; „Dies sagt Kronosolon, Priester und Prophet des Kronos und Gesetzgeber, über alles das Fest Betreffende“).

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(b) Dem prooemium257 eines imperialen Edikts entsprechende Ausführungen fänden sich Aune zufolge in den sieben Sendschreiben Apk 2f. nicht; ein solches Fehlen sei allerdings „appropriate in eastern provinces where the traditions of absolute sovereignty, first of the Persian monarchs and then of the Hellenistic kings, were predominant“258. Diese Feststellung mag zwar durchaus zutreffen, vermag aber die These, die Sendschreiben Apk 2f. seien formal imperialen Edikten entsprechend aufgebaut, nicht positiv zu substantiieren. Darüber hinaus zeigen jedoch zumindest die Ausführungen des Josephus in ant. XVI 162, dass ein entsprechendes prooemium auch in den die östlichen Provinzen des imperium Romanum, in diesem Falle u.a. die jüdischen Einwohner der römischen Provinz Asia (ant. XVI 160), betreffenden kaiserlichen Edikten keinesfalls gänzlich unbekannt gewesen ist: ἐπειδὴ τὸ ἔθνος τὸ τῶν Ἰουδαίων εὐχάριστον εὑρέθη οὐ μόνον ἐν τῷ ἐνεστῶτι καιρῷ ἀλλὰ καὶ ἐν τῷ προγεγενημένῳ καὶ μάλιστα ἐπὶ τοῦ ἐμοῦ πατρὸς αὐτοκράτορος Καίσαρος πρὸς τὸν δῆμον τὸν Ῥωμαίων ὅ τε ἀρχιερεὺς αὐτῶν Ὑρκανός259. Dieser Sachverhalt lässt zunächst fragen, warum der Apokalyptiker in seinen Sendschreiben ein solches prooemium nicht verwendet hat, darüber hinaus jedoch, ob nicht solche Ausführungen wie etwa diejenigen in Apk 2,2.9.13, die von D.E. Aune allerdings als narratio identifiziert werden260, im Sinne eines solchen prooemium zu interpretieren sind. Insbesondere diese letzte Frage zeigt bereits, wie uneindeutig und fragil die von ihm vorgenommene gattungstheoretische Einordnung letzten Endes zu sein scheint.

(c) Der im Rahmen eines imperialen Edikts den der später verkündeten Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt präsentierenden narratio entsprächen innerhalb der sieben Sendschreiben die jeweils mit dem Prädikat οἶδα eingeleiteten Sätze261, eine These, die Aune in Sonderheit mit dem Verweis auf semantische Parallelen in anderen Edikten zu begründen sucht. Konkret führt Aune zwei Beispiele an262, um seine These zu untermauern, zunächst ein bei Josephus überliefertes Edikt des Claudius, in dem der Imperator formuliert: 257. M. Wilson, Victor Sayings, 41, A. a zufolge fehle in der von D.E. Aune vorgelegten Auflistung der einzelnen Elemente eines imperialen Ediktes das Element der promulgatio, das auf dasjenige des prooemium folge. 258. D.E. Aune, Apk I, 128. 259. Ant. XIX 280f. (Text nach L.H. Feldman, Josephus IX, 344; „…: in Erwägung, dass das Volk der Juden nicht bloß jetzt, sondern auch schon früher und besonders zu den Zeiten meines Adoptivvaters Cäsar, da Hyrkanus Hohepriester war, sich dem römischen Volke treu und ergeben bewiesen, …“; Übersetzung nach H. Clementz, Josephus, 786. 260. Vgl. hierzu u. 261. Vgl. hierzu D.E. Aune, Form and Function, 202: „The narratio has a clear funtional counterpart in the οἶδα-clause in each of the seven proclamations“. 262. M. Wilson, Victor Sayings, 41, A. b merkt an, dass Aune im Rahmen seiner Auflistung das Verbum εὑρίσκω unberücksichtigt gelassen habe.

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Τιβέριος Κλαύδιος Καῖσαρ Σεβαστὸς Γερμανικὸς δημαρχικῆς ἐξουσίας λέγει (281) ἐπιγνοὺς ἀνέκαθεν κτλ., und ein inschiftlich überliefertes Edikt Dareios I., der schreibt: βασιλεὺς [βα]σιλέ | ων Δαρεῖος ὁ Ὑσ | τάσπεω Γαδάται | δούλωι τάδε λέγε[ι]. | πυνθάνομαί σε τῶν ἑμῶν | ἐπιταγμάτων | οὐ κατὰ πάντα πει- | θαρχεῖν263.

Der These Aunes widerrät zunächst, dass in diesen beiden Edikten mit den Verben ἐπιγινώσκω und πυνθάνομαι zwar „terms from closely related semantic domains“264, aber eben nicht das Verbum οἶδα verwendet wird, ein Sachverhalt, der die Frage evoziert, warum der Apokalyptiker, um hier einen Wiedererkennungseffekt zu generieren, nicht auch Verben wie etwa ἐπιγινώσκω und πυνθάνομαι verwendet habe. Darüber hinaus muss aus inhaltlichen Gründen mehr als fraglich bleiben, ob die innerhalb der Sendschreiben mit dem Prädikat οἶδα eingeleiteten Sätze überhaupt als narratio aufgefasst werden können; schließlich scheinen sie doch zumindest nicht in jedem Falle diejenigen Sachverhalte zu erläutern, aufgrund derer die dann folgende Entscheidung oder Anordnung formuliert werden. Dies lässt sich pars pro toto anhand der Ausführungen in Apk 2,2–5265 unmittelbar zeigen: Wenn die Ausführungen Apk 2,5a als Entscheidung oder Anordnung begriffen werden, eine Annahme, die sich aufgrund der in ihr entwickelten Inhalte nahelegt – immerhin werden hier die Aufforderung bzw. die Anordnung zur Umkehr und zur wieder erneuten Praxis der πρῶτα ἔργα formuliert: μνημόνευε οὖν πόθεν πέπτωκας καὶ μετανόησον καὶ τὰ πρῶτα ἔργα ποίησον266 –, so folgt daraus, dass der Sachverhalt, der diese Anordnung evoziert, in Apk 2,4 benannt wird, nicht jedoch im Rahmen des mit dem Prädikat οἶδα eingeleiteten Satzes Apk 2,2f., der im Kontext des Sendschreibens Apk 2,1–7 der von Aune vorgelegten Definition gemäß dann weniger als narratio, sondern vielmehr als prooemium zu fungieren scheint. Wer nun, um diese Schwierigkeit zu umgehen, die mit dem Prädikat οἶδα eingeleiteten Sätze sämtlich als prooemia verstehen und den Beginn der einzelnen narrationes im Anschluss an diese ansetzen möchte, scheitert – und damit gerät die These Aunes zumindest an diesem Punkt vollständig aus den Fugen – an den Ausführungen des Sendschreibens an den ἄγγελος 263. Text nach R. Meiggs/D. Lewis, Inscriptions, 20f.; „Dareios Hystaspes, König der Könige, sagt dem Sklaven Gadates dies: Ich habe erfahren, daß Du meinen Anweisungen nicht in jeder Hinsicht gehorsam gewesen bist“; Übersetzung nach D.E. Aune, Form and Function, 202. Vgl. zu diesem Text auch L. Robert. Documents, 84f. 264. Form and Function, 202. 265. Zur Analyse dieser Passage vgl. ausführlich u. 117–147. 266. Vgl. hierzu etwa D.E. Aune, Form and Function, 203, der die dispositiones innerhalb der sieben Sendschreiben beschreibt als „ethical exhortations, usually matched by conditional threats“; diese Charakterisierung trifft auf die Ausführungen in Apk 2,5a zu.

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τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας. Innerhalb dieser nämlich stellt der mit dem Prädikat οἶδα eingeleitete Satz sehr wohl einen Bestandteil der das eigentliche Problem entfaltenden und der disposito vorausgehenden narratio dar267. Das aber heißt: Die mit dem Prädikat οἶδα eingeleiteten Sätze lassen sich weder sämtlich als prooemia noch sämtlich als narrationes definieren, eine Erkenntnis, die die formale Charakterisierung der Sendschreiben als edicta letzten Endes wenn nicht verunmöglicht, so doch massiv erschwert. Schließlich nötigt das Nacheinander der Ausführungen in Apk 2,5 und Apk 2,6 zu der Annahme, dass im Anschluss an die Apk 2,5a formulierte dispositio dann wieder die narratio einsetzt, ein im Kontext imperialer Edikte sonst nicht nachweisbares Phänomen. (d) D.E. Aune scheint darauf zu verzichten, die innerhalb der einzelnen Sendschreiben seiner These entsprechend notwendig vorliegenden dispositiones präzise zu definieren, ein Sachverhalt, dem die Beobachtung entspricht, dass die für eine dispositio charakterisitischen Verben κελεύω bzw. διακελεύομαι in den sieben Sendschreiben Apk 2f. nicht belegt sind268. Dies indiziert mit Deutlichkeit die sachlichen Schwierigkeiten der von ihm verfochtenen These zur Gattung dieser Episteln. (e) Als sanctio oder corroboratio möchte D.E. Aune offensichtlich die die jeweiligen Sendschreiben beschließenden Überwindersprüche ansehen269. Wird dies angenommen, ist aber zu fragen, wie denn dann die innerhalb einiger Sendschreibencorpora, d.h. noch weit vor den einzelnen Überwindersprüchen, begegnenden, immer mit der Ankündigung von im Verweigerungsfalls greifenden Sanktionen verbundenen Aufforderungen zur Umkehr (Apk 2,5.16; 3,3) zu charakterisieren sind. Darüber hinaus wurde innerhalb einer sanctio oder corroboratio in die im Verweigerungsfalle greifende Sanktionierung in der Regel via negativa expliziert, wohingegen die Überwindersprüche einen positiven Akzent transportieren270. Aus der Analyse der Argumentation D.E. Aunes folgt: Die sieben in Apk 2f. vorliegenden Sendschreiben enthalten fraglos einige Formelemente, die durchaus – zumindest in ähnlicher Form – auch in imperialen Edikten

267. Zur Analyse dieses Sendschreibens vgl. ausführlich u. 290–312. 268. Vgl. zu dieser Beobachtung bereits M. Wilson, Victor Sayings, 42. 269. Diesen Gedanken übernimmt M. Karrer, Apk I, 279: Edikte und Reskripte „schlossen mit einer Bekräftigung (‚sanctio / corroboratio‘), deren Funktion sich rhetorisch zu Weckruf und Siegerspruch der Sendschreiben analogisieren läßt“. 270. Vgl. hierzu etwa M. Wilson, Victor Sayings, 42: „However, a difference of tone distinguishes the decretal sanction from the victor sayings in the seven letters. The typical sanction is negative while the promises are positive“.

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begegnen, wie etwa die Wendung τάδε λέγει oder die mit Sanktionen verknüpften Aufforderungen zur Änderung des Verhaltes der jeweils angeschriebenen ἄγγελοι. Sie lassen sich jedoch in der Summe formgeschichtlich nicht als imperiale Edikte bzw. als imitationes derselben charakterisieren271. Damit wird aber auch die von Aune entwickelte These, die Sendschreiben seien formgeschichtlich als eine vom Apokalyptiker selbst kreierte Gattung sui generis, kombiniert aus den Gattungen ‚imperiales Edikt‘ und ‚parenetic salvation-judgment oracle‘272 zu klassifizieren, hinfällig. II.2.3.6. Fazit Die Frage der Gattung der in Apk 2f. überlieferten sieben Sendschreiben scheint trotz einiger in der exegetischen Forschung entwickelter Vorschläge mit z.T. wichtigen und wegweisenden Einzelbeobachtungen in ihrer Gesamtheit nach wie vor ungeklärt; eindeutige Belege, die zu einer Entscheidung in die eine oder die andere Richtung nötigten, fehlen. Soll angesichts dessen nicht zu der – letztlich immer als Verlegenheitsauskunft anzusehenden – Festellung Zuflucht genommen werden, der Apokalyptiker habe als ein kreativer theologischer Denker und Literat mit diesen Sendschreiben eine Gattung sui generis kreiert, wäre zu überprüfen, inwieweit diese hier im Blick auf die sieben Sendschreiben beschriebene formgeschichtliche Sackgasse nicht dem Sachverhalt geschuldet ist, dass jene in ihrer jetzigen Form das Ergebnis eines – nicht formgeschichtlich supervisierten – Textwachstumsprozesses darstellen, innerhalb dessen die seinerzeit klaren Konturen ihrer ursprünglichen gattungstheoretischen Kategorisierung mehr und mehr unscharf geworden sind. Das bedeutete, dass eine literarkritische Analyse der sieben Sendschreiben und die Rekonstruktionen ihres – von ihrer gegenwärtigen Textgestalt möglicherweise abweichenden – ursprünglichen Textes dazu führen müsste, auch im Blick auf die Frage nach deren Gattung zumindest auf der Ebene ihrer ursprünglichen Gestalt mehr Klarheit zu gewinnen.

271. Diese Feststellung stimmt überein mit dem Fazit von M. Wilson, Victor Sayings, 43: „While some parallels do exist, there are significant differences as well. Thus Aune’s conclusion that the literary genre to which the seven letters belong is that of the imperial edict remains unproven“. 272. Vgl. zu dieser Kategorisierung o. 41.

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II.3. EXEGETISCHE VORENTSCHEIDUNGEN II.3.1. Apk 1,20 und die Relation der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν zu den ἐκκλησίαι Den Ausführungen des Apokalyptikers in Apk 1,20 kommt für die Interpretation der sieben Sendschreiben in Apk 2f. insgesamt, insbesondere aber auch für die Frage nach der Identität der in Apk 2f. begegnenden Gestalten der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν273, eine entscheidende Bedeutung zu. Immerhin nämlich werden hier die in Apk 2f. begegnenden und die dortige Darstellung prägenden Größen der ἄγγελοι τῆς ἐκκλησίας und der ἐκκλησίαι in die apokalyptische Erzählung eingeführt und mit der Figur des ὅμοιος υἱὸς ἀνθρώπου verknüpft. Der Darstellung in Apk 1,20b zufolge symbolisieren die ἑπτὰ ἀστέρες274, die der ὅμοιος υἱὸς ἀνθρώπου in seiner rechten Hand hält (Apk 1,16)275 und die sich somit in seiner unmittelbaren Umgebung befinden, – als ein ihnen augenscheinlich inhärentes μυστήριον276 – 273. Vgl. hierzu u. 92–114. 274. Eine durchaus bemerkenswerte Erklärung für die Verwendung des Bildes der ἑπτὰ ἀστέρες bietet G.K. Beale, Apk, 211: „Nevertheless, the picture could be a polemic against the imperial myth of an emperor’s son who dies and becomes a divine ruler over the stars of heaven, since the title ‚ruler of the kings of the earth‘ in 1:5 likely also has such a polemical connotation. If so, Christ’s universal sovereignty is also thus accented“. 275. An dieser Stelle zu unpräzise U.B. Müller, Apk, 84: „Wenn Christus in der rechten Hand sieben Sterne trägt, so drückt dies seine Herrenstellung gegenüber den Gemeinden aus; denn die Sterne bedeuten die sieben Gemeinden (1,20)“. Dies lässt sich aus Apk 1,20 so gerade nicht erschließen. Zu den zwischen den Ausführungen in Apk 1,16a und Apk 1,20a aufweisbaren Unterschieden in der Formulierung und ihren interpretatorischen Implikationen vgl. O. Cremer, Sohn Gottes, 25f. 276. P. Prigent, Apk 145 deutet mit Verweis auf H.B. Swete dieses logische Subjekt des Satzes Apk 1,20a als – einen offensichtlich von dem finiten Verb γράψον Apk 1,19 abhängigen – accusativus absolutus; vgl. hierzu Apk, 145; vgl. hierzu auch F. Spitta, Apk, 31 und R.H. Charles, Apk I, 33, der in diesem Zusammenhang auf Apg 26,3; 1Tim 2,6 und Röm 8,3 verweist. D.E. Aune, Apk I, 68 möchte das Lexem τὸ μυστήριον als einen nominativus absolutus oder einen nominativus pendens (‚nominative pendent‘) verstehen, eine Konstruktion, die sich u.a. auch in Apk 2,26, 3,12.21 finde, in der Apk in der Regel „at the conclusion of a unit of text“ (68) verwendet werde und daher „coheres with the author’s peculiar style“ (68). Aune muss allerdings einräumen, dass in Apk 1,20a „a pronoun in an oblique case is missing from the following clauses“ (68). Dieses Faktum lässt sich leicht zeigen, werden die Ausführungen in Apk 1,20a etwa mit denjenigen von Apk 2,26 verglichen: Während in Apk 1,20a ein den Terminus τὸ μυστήριον aufnehmendes Pronomen in einem abhängigen Kasus fehlt, lässt sich ein solches Pronomen in Apk 2,26 leicht identifizieren: καὶ ὁ νικῶν καὶ ὁ τηρῶν ἄχρι τέλους τὰ ἔργα μου, δώσω αὐτῷ ἐξουσίαν ἐπὶ τῶν ἐθνῶν. Das aber heißt, dass die Formulierung in Apk 1,20a kaum als „the author’s peculiar style“ charakterisiert werden kann. Die Frage ist, ob es an diseser Stelle nicht ausreicht, das Substantiv τὸ μυστήριον als einen schlichten Nominativ, der das logische Subjekt des Satzes Apk 1,20a bildet, zu analysieren. Wenn dies zutrifft, bedürfen allerdings sowohl die syntaktische als auch die semantische Relation

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die ἄγγελοι der sieben in Apk 2f. begegnenden Gemeinden277. Jene sieben Gemeinden selbst hingegen werden durch die ἑπτὰ λυχνίαι χρυσαῖ278, die nachgerade die Begrenzung des Raumes des Aufenthalts des ‚Menschensohnähnlichen‘ markieren (Apk 1,12b.13a), dargestellt279. Diese in Apk 1,20b vorliegende doppelte interpretatorische Verknüpfung bildet nun allerdings den argumentationslogischen Ausgangspunkt für auf zwei unterschiedlichen Ebenen beobachtbare nicht unerhebliche inhaltliche Spannungen280, die sich einerseits aus einer massiven Inkohäsion zwischen den im Rahmen dieser interpretatorischen Verknüpfung zusammengefügten Argumentations- bzw. Darstellungsebenen, andererseits aus einer auf einer der beiden Ebenen selbst zu verortenden ‚Binnen‘von Apk 1,20 bzw. Apk 1,20a zu Apk 1,19 einer genaueren Untersuchung. Zum Begriff des μυστήριον in der Apk insgesamt vgl. etwa A. Satake, Apk, 147, A. 89. 277. Anders hier O. Cremer, Sohn Gottes, 32: „Doch ist die Zuordnung sieben Sterne gleich sieben Engel der sieben Gemeinden von 1,20 her fraglich. Denn dort sind die ἄγγελοι (im Gegensatz zur Zahl der durch die Leuchter im gleichen Vers symbolisierten ἐκκλησίαι) weder durch Artikel noch durch eine Zahl bestimmt. Die Zahl der Engel ist nicht von vornherein auf die Zahl der in den Sendschreiben besonders genannten (sieben) Engel zu begrenzen“; zu dieser Argumentation mit einer inhaltlich ähnlichen Begründung vgl. auch M. Karrer, Johannesoffenbarung, 184 mit A. 207a, der darüber hinaus Apk 1,20 als traditionsgeschichtliches „Zwischenglied zwischen der unbestimmten Zuordnung Engel – Kirche bei Herm und der determinierten Zuordnung einzelner Engel – einzelne Gemeinde in Apk 2,1 usw.“ verstehen möchte. Die von O. Cremer und M. Karrer formulierte Beobachtung ist grundsätzlich durchaus bemerkenswert, die aus ihr gezogene Konsequenz wird jedoch – zumindest auf der Ebene des im Neuen Testament vorliegenden Textes der Apk – unmittelbar durch Apk 2,1a falsifiziert. Darüber hinaus ergibt sich aus der numerischen Begrenzung der ἀστέρες einerund der ἐκκλησίαι andererseits mit einem gewissen Automatismus auch diejenige der ἄγγελοι. Inwieweit es schließlich denkbar ist, dass innerhalb eines – zumindest von M. Karrer als einheitlich angesehenen (vgl. hierzu 24–30) – Gesamtwerkes Apk 1,20 als traditionsgeschichtliches Zwischenglied der Darstellung einer Relation zwischen Engel und Gemeinde in unmittelbarem Kontext zu einer traditionsgeschichtlichen Weiterentwicklung derselben Relationalität positioniert wird bzw. werden kann, muss mehr als fraglich bleiben. 278. Vgl. zu diesem Terminus und zu diesem Syntagma die ausführlichen traditionsgeschichtlich orientierten Darlegungen bei D.E. Aune, Apk I, 88–90, der dafür plädiert, den Begriff λυχνία im Sinne von ‫ מנורר‬zu verstehen; ihm zufolge greift der Apokalyptiker hier auf die Darlegungen in Sach 4,1–10 zurück, innerhalb derer aber nur ein Leuchter dargestellt wird; vgl. zur Übersetzung des Terminus λυχνία im Sinne von „Leuchter“ auch W. Bauer, Wörterbuch, s.v. λυχνία, 980. 279. Vgl. hierzu grundsätzlich etwa A. Satake, Apk, 147: „Zunächst deutet der Menschensohnähnliche die sieben Sterne auf die sieben ‚Gemeindeengel‘. … Danach werden die sieben Leuchter mit den Gemeinden identifiziert“, darüber hinaus etwa auch U.B. Müller, Apk, 87, D.E. Aune, Apk I, 107f. und K. Huber, Menschensohn, 193. D.E. Aune zufolge werden die hier formulierten Identifikationen von λυχνίαι und ἐκκλησίαι explizit nur noch in Apk 2,5b aufgegriffen: „The equation of these menorahs with the churches is also carried out through only in 2:5, where Christ, addressing the church at Ephesus, threatens to remove their menorah from its place, i.e., to blot out the Christian community at Ephesus“ (vgl. hierzu auch u. 130–147). 280. Vgl. zu diesem Begriff und zu dessen von H. Schweizer vorgelegter Definition o. 33.

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Inkohäsion ergeben. Zunächst nämlich stehen auf der Bildebene281 die ἑπτὰ ἀστέρες sowohl material als auch formal gänzlich unverbunden und ohne jeglichen inneren Konnex neben den ἑπτὰ λυχνίαι χρυσαῖ; darüber hinaus transportieren ihrer beider jeweilige Relationen zu der Figur des ὅμοιος υἱὸς ἀνθρώπου den – in diesem Falle lokal zu definierenden – Akzent einer jeweils unterschiedlichen Nähe bzw. Distanz zu derselben. Dabei scheinen diese unterschiedlichen Lokalisierungen gerade nicht sphärisch definiert zu sein, etwa in dem Sinne, dass die ἑπτὰ ἀστέρες als himmlische, die ἑπτὰ λυχνίαι χρυσαῖ hingegen als irdische Größen wahrnehmbar wären. Einer solchen möglicherweise aus dem ἀστήρ-Begriff282 interpolierbaren Annahme steht schon der Sachverhalt entgegen, dass innerhalb der nach Apk 1,9 auf der Insel Patmos283, somit also auf der Erde, zu lokalisierenden Vision Apk 1,9ff. beide Elemente in einem Bild und in der gleichen illustrativen Dimension in Erscheinung treten. Vielmehr scheint diese unterschiedliche lokale Verortung ausschließlich als unterschiedliche Distanz bzw. als unterschiedliche Nähe zu der Figur des ὅμοιος υἱὸς ἀνθρώπου Gestalt zu gewinnen: Die ἑπτὰ ἀστέρες stehen jenem weitaus näher und erscheinen als weitaus enger mit ihm verbunden als die ἑπτὰ λυχνίαι χρυσαῖ284. Beide Beobachtungen indizieren die Annahme der Zuordnung der Sterne und der Leuchter zu jeweils unterschiedlichen und inhaltlich offensichtlich vollständig diskonnektiven Dimensionen des Bildes der Erscheinung der Gestalt des ὅμοιος υἱὸς ἀνθρώπου und profilieren die Annahme, dass jene als unabhängige und selbständig existierende, lediglich über die Gestalt des ὅμοιος υἱὸς ἀνθρώπου mittelbar miteinander verbundene Größen gedacht sind. Bezogen auf die Sachebene bedeutete dies in letzter Konsequenz, dass die von jenen jeweils repräsentierten sieben ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν und die sieben ἐκκλησίαι weder als in einem unmittelbaren Zusammenhang zueinander 281. Im Rahmen der hier präsentierten Überlegungen soll die Differenzierung zwischen Bild- und Sachebene, die der Apokalyptiker in Apk 1,20 immerhin selbst einführt, aus heuristischen Gründen beibehalten werden, zumal der Apokalyptiker diese Differenzierung in seinen Ausführungen selbst vornimmt. 282. Zu den Möglichkeiten der Deutung der ἑπτὰ ἀστέρες vgl. etwa D.E. Aune, Apk I, 97f.; Aune referiert hier drei Optionen: die Planeten, das Sternbild des Großen Bären oder auch dasjenige der Plejaden; vgl. hierzu auch u. 92–93. 283. Vgl. hierzu etwa U.B. Müller, Apk, 81: „Beim Visionsempfang befand sich Johannes auf der Insel Patmos, die zu den Sporaden gehört und damals nur wenig bevölkert war. Aus dem Vergangenheitstempus …, das auf die Anwesenheit auf der Insel zurückzublicken scheint, kann man schließen, daß Johannes bei der Abfassung der Schrift nicht mehr dort weilte“. 284. Vgl. zu diesem Gesichtspunkt etwa A. Satake, Apk, 147: „Die Apposition zu den Sternen, ‚die du in meiner Rechten sahst‘, unterstreicht das enge Verhältnis zwischen ihnen und Christus“.

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stehende oder gar deckungsgleiche Phänomene aufgefasst noch unmittelbar ineins gesetzt werden können bzw. dürfen285. Das Momentum der vollständigen Diskonnektivität der beiden Größen ἑπτὰ ἀστέρες und ἑπτὰ λυχνίαι χρυσαῖ wird letztendlich auch in den gänzlich der visionären Bildebene verhafteten Ausführungen in Apk 2,1b.c – hier begegnen die bildspendenden Komponenten der ἑπτὰ ἀστέρες und der ἑπτὰ λυχνίαι χρυσαῖ im Rahmen der Botenformel als nähere Charakterisierung des in dem ersten der sieben Sendschreiben redenden Christus: τάδε λέγει ὁ κρατῶν τοὺς ἑπτὰ ἀστέρας ἐν τῇ δεξιᾷ αὐτοῦ, ὁ περιπατῶν ἐν μέσῳ τῶν ἑπτὰ λυχνιῶν τῶν χρυσῶν286 – expliziert: Auch im Rahmen dieser die Ausführungen in Apk 1,12f.16.20287 aufnehmenden Botenformel werden die beiden Elemente ‚sieben Sterne‘ und ‚sieben goldene Leuchter‘ im besten Falle mittelbar, d.h. vermittelt über die Person des Christus, miteinander in Verbindung gebracht288. Demgegenüber begegnet nun aber auf der Sachebene der Aspekt eines material konnotierten relationalen Konnexes der durch die ἑπτὰ ἀστέρες und die ἑπτὰ λυχνίαι χρυσαῖ jeweils repräsentierten Phänomene. Dieser Aspekt wird zunächst in Apk 1,20 selbst schon dadurch signalisiert, dass die ἄγγελοι näherhin als ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν apostrophiert und somit als mit diesen ἐκκλησίαι in einer materialen Verbindung stehende Figuren beschrieben werden, eine materiale Verbindung, die die Relation der ἑπτὰ ἀστέρες zu den ἑπτὰ λυχνίαι bereits deutlich transzendiert, allerdings immer noch den Gedanken einer sachlogischen Differenz zwischen ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν 285. Vgl. zu dieser Argumentation etwa D.E. Aune, Apk I, 109: „Since the seven stars are interpreted as the angels of the seven churches, and the seven menorahs as the seven churches, it appears that the angels and the churches are not identical“. In diesem Sinne auch W. Hadorn, Apk, 38: „Wenn der Engel der Gemeinde die idealisierte, als Genius vorgestellte Gemeinde bedeutet, so hat die Unterscheidung von Sternen und Leuchtern keinen Sinn, sondern Sterne und Leuchter fließen dann ineinander über“. 286. Vgl. zu dieser Botenformel ausführlich u. 116–117. 287. Vgl. hierzu die Übersicht bei O. Cremer, Sohn Gottes, 45. 288. Vgl. hierzu A. Satake, Apk, 155: „Die Christusbeschreibung … ist aus 1,16.13 entnommen; auch die den beiden Bildern in 1,20 gegebene Erklärung wird vorausgesetzt“. Diese Diskonnektivität wird auch deutlich etwa in der von O. Cremer vorgelegten Interpretation dieser beiden Teilverse: „Das erste Attribut, nach dem Christus die sieben Sterne in seiner Rechten machtvoll hält (V 1b), betont Christi große Macht. Dabei geht es bei dem Bild in der Offenbarung … um die Geborgenheit der verstorbenen und verherrlichten Gerechten in Christus. … Das zweite Christusattribut – der unter den sieben Leuchtern wandelnde Christus (V 1c) – versetzt die Leser und Hörerinnen der Offenbarung in zwei Bildwelten. Die wichtigste ist die des himmlischen Tempels …. In ihm kommt den Gemeinden als Leuchter eine Gott ehrende Aufgabe zu. … Im Wandeln Christi inmitten seiner Gemeinden nimmt der Seher zusätzlich zur Tempelthematik der Leuchter ein im hebräischen Text des Pentateuchs verbreitetes Exodusmotiv auf. Für den Seher wandelt Christus unter und mit seinen Gemeinden in Richtung des himmlischen Erbes“.

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und ἐκκλησίαι transportiert. Einen neuen, diesen Konnex weiterentwickelnden und vertiefenden, damit zugleich aber auch diese sachlogische Differenz überformenden Akzent erhält diese konnektive Relation demgegenüber dann aber in Apk 2,5b: Im Anschluss an die an den ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας gerichtete Aufforderung zur Umkehr führt der Apokalyptiker aus: εἰ δὲ μή, ἔρχομαί σοι καὶ κινήσω τὴν λυχνίαν σου ἐκ τοῦ τόπου αὐτῆς, ἐὰν μὴ μετανοήσῃς, macht somit deutlich, dass, sollte der ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας die Umkehr verweigern, die ἐκκλησία bestraft und ihres Seins als Gemeinde verlustig gehen wird289. Mit diesem Hinweis präzisiert der Apokalyptiker die Verknüpfung der individuellen Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας mit der kollektiven Größe der ephesischen Gemeinde und lässt beide womöglich (noch) nicht als vollständig identisch290, aber doch als wechselseitig austausch- und auswechselbar erscheinen291. Die Ankündigung, dass die ephesische Gemeinde bestraft wird, wenn deren ἄγγελος die Umkehr verweigert, impliziert die Voraussetzung, dass letzterer durch erstere – und damit natürlich auch erstere durch letzteren – ersetzt werden, dass beide Größen offensichtlich letzten Endes einander vertreten können, impliziert somit eine sehr enge inhaltliche, durchaus reziprok zu nennende Relation von ‚Gemeindeengel‘ und zugehöriger ἐκκλησία. Wer diese Konsequenz nicht ziehen möchte, muss aus den Ausführungen in Apk 2,5bβ dann die Aussage extrapolieren, dass die ephesische ἐκκλησία für ein Fehlverhalten zur Rechenschaft gezogen werden würde, das eigentlich dem ἄγγελος derselben vorzuwerfen ist, eine Extrapolation, die argumentationslogisch kaum denkbar scheint und in der exegetischen Literatur auch kaum formuliert wird292. Das Problem wird vielmehr durch die Identifikation der Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας mit der Gemeinde selbst gelöst. 289. Vgl. hierzu u. 130–147. 290. Vgl. hierzu auch J. Weiß, Apk, 49, A. 1: „Am natürlichsten wäre es immer, das ‚Du‘ der Briefe auf die Gemeinde selber zu beziehen …, aber daß der Engel nur eine ‚Personifikation‘ der Gemeinde sei, ist doch wohl eine moderne Abstraktion“. 291. Vgl. in diesem Sinne etwa C. Brütsch, Apk I, 98 in Aufnahme einer Aussage von A.T. Nikolainen: „‚Keine Erklärung scheint überzeugend zu sein; aber eins ist klar: ‚Engel‘ und ‚Gemeinde‘ sind Wechselbegriffe. In der Person des ‚Engels‘ redet Christus die ganze Gemeinde an‘“; vgl. hierzu auch J. Roloff, Apk, 50: „Der Herr selbst wird zu der unbußfertigen Gemeinde kommen und ihren Leuchter von der Stelle rücken“, und I.T. Beckwith, Apk, 450: „Without brotherly love a church must become extinct“. Vgl. darüber hinaus bereits F. Spitta, Apk, 41: „Dieser letzten Charakteristik entspricht es, dass er der unbussfertigen Gemeinde drohnt, er werde ihr den Leuchter umstossen“. 292. Anders hier jedoch T. Zahn, Apk, 225, der exakt diese Extrapolation formuliert: „Aber nicht ihn [d.h. den ‚Gemeindeengel‘] persönlich, den Jesu 1,20; 2,1 mit einem der 7 Sterne verglichen hat, die er fest in seiner rechten Hand hält, sondern einen der 7 Leuchter, die Gemeinde von Ephesus würde das angedrohte Strafgericht treffen, wenn er die drohende Warnung überhören sollte“.

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Diese Reziprozität wird dann in Apk 2,10 noch einmal unterstrichen und darüber hinaus weiter zugespitzt: Indem der Apokalyptiker in seinen dortigen Einlassungen zwischen 2. Person Singular und 2. Person Plural wechselt – Apk 2,10a.d. stehen im Singular, Apk 2,10b.c im Plural: μηδὲν φοβοῦ ἃ μέλλεις πάσχειν. ἰδοὺ μέλλει βάλλειν ὁ διάβολος ἐξ ὑμῶν εἰς φυλακὴν ἵνα πειρασθῆτε καὶ ἕξετε θλῖψιν ἡμερῶν δέκα. γίνου πιστὸς ἄχρι θανάτου, καὶ δώσω σοι τὸν στέφανον τῆς ζωῆς –, spitzt er das Konzept der Reziprozität nun explizit weiter zu in Richtung auf das Momentum einer nachgerade identitären Reziprozität293 von ‚Gemeindeengeln‘ und entsprechenden Gemeinden294, ohne dass beide Größen jedoch einfach als in einer simplen Identität aufgehend gefasst werden dürften295. Dieser letzte Gedanke wird 293. Vgl. hierzu die Formulierungen von G.K. Beale, Apk, 217: „The initial answer to this is that inherent to the concept of corporate representation is the representative’s accountability for the group and the group’s acountability for the actions of the representative“, wobei das Konzept der identitären Reziprozität den Zusammenhang der beiden Größen letzten Endes noch enger fasst. 294. Nach E. Lohmeyer, Apk, 20 symbolisierten die Gestalten der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν die besondere religiöse Bedeutung der einzelnen Gemeinden, der Begriff ἐκκλησίαι bezeichne hingegen die geschichtlich wahrnehmbare Gestalt derselben: „Dem Seher aber kommt es in der ganzen Apc allein auf die religiöse Würde der Gemeinden an, die unter seinem eschatologisch gerichteten Blick ihre einzige Wahrheit und Wirklichkeit ist, in der allein das Recht sich begründet, ‚7 Sterne‘ in der Hand Christi zu sein. Und diese Würde ist im ‚Engel‘ personifiziert, und solche Benennung ein deutliches Zeugnis für die plastisch gestaltende, nach eigenem Sinn umformende Kraft des Sehers. Aber diese Würde ist nicht ohne den geschichtlichen ‚Leib‘ der Gemeinde. Darum kann der ‚Engel‘ in gleicher Weise behandelt und angeredet werden wie die Gemeinde; was in ihr vorgeht berührt unmittelbar auch ihn“. Diese komplexe und aus der Perspektive einer gesamtneutestamentlichen Theologie sich ergebende Erklärung setzt allerdings eine massive „rekonstruktive oder konstruktive Operation des Rezipienten“ (vgl. hierzu o. 29) auf der Basis einer postulierten Bipolarität des ἐκκλησία-Begriffs – nach E. Lohmeyer bezeichne das Syntagma ἐκκλησία τοῦ θεοῦ „die Gemeinschaft der Heiligen und Vollendeten“, das Lexem ἐκκλησία hingegen eher „die geschichtliche Organisation der Gläubigen, mit Unvollkommenheit behaftet und der endgültigen Verwirklichung ihres religiösen Sinnes harrend“ (Apk, 20) – voraus. 295. Anders hier I.T. Beckwith, Apk, 447, der die Frage nach der Identität der ‚Gemeindeengel‘ im Blick auf die Frage der Interpretation der Apk für zweitrangig hält, „since the ‚angel‘ is completely identified with his church in the seven epistles“; an anderer Stelle stellt er dementsprechend fest: „It is true that we have … two distinct representations of a church, the lampstand and the angel“. Dieses Momentum der Identifikation mag, werden die Texte der einzelnen Sendschreiben Apk 2f. für sich betrachtet, durchaus zutreffen, die Ausführungen in Apk 1,20b, die den Sendschreiben offensichtlich bewusst vorgeschaltet sind, geben diese von Beckwith postulierte simple Identität jedoch gerade nicht her. Ähnlich Beckwith hier auch K. Huber, Menschensohn, 197: „Zudem ist die in den Schreiben dominierende Du-Anrede wohl kollektiv verwendet, ihr Inhalt jedenfalls kaum nur auf den Engel zu beziehen, bzw. in den Aussagen eine irgendwie geartete Differenzierung zwischen diesen beiden Größen wenig zielführend“. Der Text etwa des ersten Sendschreibens Apk 2,1–7, in diesem Falle in gewisser Weise die Interpretationsgrundlage für das Folgende, gibt diesen kollektiven Ansatz gerade nicht her und lässt auch nicht erkennen, wie die Erstrezipienten diese kollektive Akzentsetzung auf der Basis der Ausführungen in Apk 1,20 hätten erkennen können.

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nämlich – zumindest auf der rezeptionsästhetischen Ebene – durch den Sachverhalt verunmöglicht, dass die sieben ἐκκλησίαι nach Apk 1,20b nicht einfach, so wie die sieben ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν zuvor, additiv auf die ἑπτὰ ἀστέρες bezogen werden, sondern dass der Apokalyptiker den Aspekt der Relation zwischen den ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν und den ἑπτὰ ἀστέρες (Apk 1,20bα) additiv um den Gedanken des Bezugs der ἐκκλησίαι auf die ἑπτὰ λυχνίαι χρυσαῖ (Apk 1,20bβ) ergänzt, ohne dass zwischen dem bildspendenden Bereich der ἑπτὰ ἀστέρες und demjenigen der ἑπτὰ λυχνίαι χρυσαῖ eine inhaltliche Konnektivität auszumachen wäre. Aus dieser Analyse ergibt sich zweierlei: (a) In Apk 1,9ff.; 2f. wird die Relation zwischen den nach Apk 1,20b den bildempfangenden Bereich ausmachenden Elementen der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν und der ihnen jeweils zugehörigen ἐκκλησίαι – und dies wird zumindest im weiteren Verlauf der Darstellung immer klarer erkennbar – deutlich anders definiert als diejenige zwischen den aus dem bildspendenden Bereich entnommenen Aspekten der ἑπτὰ ἀστέρες und der ἑπτὰ λυχνίαι χρυσαῖ. Im Kontext der interpretatorischen Verknüpfung des bildspendenden und des bildempfangenden Bereiches ergibt sich aus dieser Differenz dann eine näherhin als inhaltliche Spannung296 zu beschreibende Inkohäsion; die Bild- und Sachebene der beiden in Apk 1,20b vorliegenden Erklärungen stehen inkohäsiv einander gegenüber297. (b) Die beiden dem bildempfangenden Bereich zuzuschreibenden Elemente der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν und der ihnen jeweils zugehörigen ἐκκλησίαι werden in Apk 1,20b – hier der Darstellung auf der Bildebene zumindest noch im Grundsatz entsprechend – zunächst explizit voneinander unterschieden, im weiteren Verlauf der Darstellung dann jedoch immer weitgehender, schließlich identitär-reziprok miteinander identifiziert. Auch diese innerhalb des bildempfangenden Bereichs zu verortende argumentationslogische 296. Vgl. hierzu die entsprechenden Ausführungen von H. Schweizer o. 33. 297. Vgl. hierzu durchaus m.R. H. Kraft, Apk, 49: „Ihm [d.h. dem von Kraft angenommenen Glossator] schien ebenso offensichtlich zu sein, daß sie [d.h. die ἑπτὰ ἀστέρες und die ἑπτὰ λυχνίαι χρυσαῖ] nicht bedeutungsgleich seien, wie daß zwischen ihnen ein enger Zusammenhang bestehen müsse“. Dieser von Kraft hier angesprochene enge Zusammenhang wird auf der Bildebene aber ebenso wenig sichtbar wie die von ihm konstatierte fehlende Bedeutungsgleichheit auf der Sachebene. Hier bereits sehr scharfsinnig F. Spitta, Apk, 32, der im Rahmen des Versuchs, die Ausführungen in Apk 1,20 insgesamt als spätere Hinzufügung zu erweisen (vgl. hierzu u. 87–92), feststellt: „Zweitens würde man erwarten, dass wenigstens jene beiden auf ganz Spezielles gehenden Züge [d.h. die Elemente der ἑπτὰ ἀστέρες und der ἑπτὰ λυχνίαι χρυσαῖ] ihren Unterschied von den übrigen dadurch dokumentierten, dass sie bei einander ständen. Das ist nicht der Fall“. Damit legt Spitta m.R. den Finger in die argumentationslogische Wunde des auf der Bildebene gänzlich fehlenden Konnexes der ἑπτὰ ἀστέρες zu den ἑπτὰ λυχνίαι χρυσαῖ.

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Entwicklung selbst lässt sich kaum anders als eine Inkohäsion, näherhin als eine inhaltliche Spannung, beschreiben. Diese zweite, ausschließlich den bildempfangenden Bereich betreffende ‚Binnen‘-Inkohäsion ließe sich u.U. noch bewältigen mit Hilfe der Annahme, dass es sich bei den ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν und den ἐκκλησίαι um ontologisch identische, noetisch jedoch voneinander zu unterscheidende Wesenheiten handelte, dass Gemeindeengel und Gemeinden also lediglich unterschiedliche Erscheinungsformen der gleichen Realität darstellten. Diese Annahme führt der Apokalyptiker zwar nicht explizit aus, sie wäre aber auf der Basis des Textes Apk 1,9ff.; 2f. für den bildempfangenden Bereich, d.h. für die Sachebene der Darstellung, zumindest denkbar. Auf die konkrete Interpretation bezogen hieße dies dann, dass der Apokalyptiker in Apk 1,20b eher die noetische, in Apk 2,10 jedoch vorrangig die ontologische Perspektive dieser beiden Wesenheiten in den Blick genommen habe. Damit ist jedoch die erste, zwischen Sach- und Bildebene aufgewiesene und in diese ‚Binnen‘-Inkohäsion letzten Endes hineinragende Inkohäsion noch keinesfalls überwunden. Um diese zu bewältigen, müssten die (Erst-)Rezipienten postulieren, dass zwischen den aus dem bildspendenden Bereich entnommenen Elementen der ἑπτὰ ἀστέρες und der ἑπτὰ λυχνίαι χρυσαῖ ein ähnlicher materiell konnotierter relationaler Konnex, d.h. letztlich eine ähnliche, als identitäre Reziprozität zu definierende Relation bestünde wie zwischen den beiden Größen der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν und der ἐκκλησίαι. Da sich ein solches Postulat aber weder am Text von Apk 1 belegen298 noch traditionsgeschichtlich nachweisen und somit zumindest implizit als den (Erst-)Rezipienten bekannt voraussetzen lässt, stellte dieses, würde es im Rahmen der Interpretation von Apk 1,9ff.; 2f. realisiert, eine jenseits jeglicher intratextueller und intertextueller Textindikation vom jeweiligen Rezipienten konstruierte Interpretationsvoraussetzung dar. Diese ließe den Prozess des Textverstehens selbst als einen ausschließlich individuell und 298. Unter Verweis auf E. Lohmeyer sucht P. Prigent diese Inkohäsion mit dem Hinweis darauf zu bewältigen, dass sowohl die ἑπτὰ ἀστέρες als auch die ἑπτὰ λυχνίαι χρυσαῖ als Lichtquellen zu interpretieren seien, erstere als himmlische, letztere als irdische: „Both of them are borrowed from the register of light sources, but the star is a heavenly one (as is the angel), whereas the lampstand is more modestly linked to the earth“ (Apk, 147). Diese Ausführungen zeigen, dass Prigent die hier konstatierte Inkohäsion offensichtlich durchaus wahrgenommen hat, sie aber mit Hilfe einer interpretatorischen Inferenz zu überwinden sucht, die der Text selbst nicht nur nicht indiziert, sondern letzten Endes sogar implausibilisiert. Immerhin nämlich erscheint doch in Apk 1,9ff. die Gestalt des ὅμοιος υἱὸς ἀνθρώπου auf der Insel Patmos, somit also auf der Erde; dass der solchermaßen auf der Erde Auftretende zugleich aber auch die ἑπτὰ ἀστέρες in seiner Rechten hält (Apk 1,16), lässt letztere sicherlich nicht oder zumindest nicht primär als himmlische Lichtquellen erscheinen (vgl. hierzu bereits o. 79).

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subjektiv akzentuierten und den Prozess der Sinnbildung als einen ausschließlich durch den (Erst-)Rezipienten und die von ihm vorgenommenen Inferenzen geleisteten erscheinen299. Das aber hieße dann zwangläufig, dass auch die nur den bildempfangenden Bereich betreffende ‚Binnen‘-Inkohäsion nur auf dem Wege eines ausschließlich individuellen und subjektiv akzentuierten, grundsätzlich inferentiellen Textauslegungsprozesses überformt werden könnte. In seinem Kommentar zu Apk 1,16 bietet G.K. Beale einige Belege aus der rabbinischen Literatur – im Einzelnen verweist er hier auf LevR300 30,2; Sifre Dtn301 10; PRK302 27(28),2, PesR303 51,4 und TPsJ zu Ex 40,4304 – , mit deren Hilfe er zeigen möchte, dass „the Zechariah lampstand and the stars of Dan. 12:3 were … equated in Jewish writings“305, was s.E. dann zur Folge hätte, dass die Gleichsetzung dieser beiden Bilder in Apk 1,20 als „natural“306 und somit als den (Erst-)Rezipienten der Apk vertraut anzusehen wäre. Träfen die Ausführungen von Beale zu, ließe sich somit im Blick auf die Einlassungen in Apk 1,20 auch auf der Bildebene, d.h. zwischen den Elementen der ἑπτὰ ἀστέρες und der ἑπτὰ λυχνίαι χρυσαῖ,s eine den (Erst-) Rezipienten bekannte und als identitäre Reziprozität zu charakterisierende Relation aufweisen, wären die o. konstatierte inhaltliche Spannung zwischen Bild- und Sachebene und damit auch die in dieser inhaltlichen Spannung Gestalt gewinnende Inkohäsion überwunden.

Die Diskussion der einzelnen von Beale aufgelisteten Belege zeigt jedoch, dass sie – unabhängig von der Problematik ihrer Datierung und ihrer noch nicht aufgehellten Entstehungsgeschichte, unabhängig auch von der Tatsache, dass in diesen Belegen zumeist nurmehr von einem, nicht jedoch von sieben λυχνίαι gesprochen wird – weder den Gedanken einer Identität noch denjenigen einer identitären Auswechselbarkeit von ‚Sternen ‘ und ‚Leuchtern‘ 299. Vgl. zu diesen Überlegungen grundsätzlich o. 25–33. 300. G. Stemberger, Einleitung, 287 gibt als Datum der Endredaktion von LevR die Zeit zwischen 400 und 500 n.Chr. und als Entstehungsort Palästina an. 301. G. Stemberger, Einleitung, 269 sieht die Endreaktion von Sifre Dtn im „späten 3. [nachchristlichen] Jh.“. 302. Nach G. Stemberger, Einleitung, 291 sei PRK „von Inhalt, Aufbau, literarischen Beziehungen und Sprache her … in das 5. Jh. zu datieren, etwa gleichzeitig mit LevR“, und in Palästina zu verorten. 303. Zu den Schwierigkeiten, die Entstehungsgeschichte von PesR zu erhellen und im Blick auf die Datierung dieses Werkes und einzelner seiner Teile zu zumindest einigermaßen gesicherten Ergebnissen zu kommen, vgl. G. Stemberger, Einleitung, 294–297. 304. G. Mayer, Bibel, 20 mit A. 89 vetritt unter Bezugnahme auf M. Maher und D.M. Splansky die These, dass TPsJ, wiewohl es „viele. antike. Traditionen“ bewahrt habe, „seine Endgestalt frühestens in der zweiten Hälfte des 9. Jh.s n.Chr erhalten zu haben“ scheine. 305. Apk, 211; zuvor formuliert er: „In Jewish writings the Zech 4:2 lampstand is said to symbolize the righteous in Israel and is equated with the wise who will shine like the stars in Dan. 12:3“, zielt somit ebenfalls auf die Gleichsetzung von Leuchtern und Sternen ab. 306. Apk, 211.

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zu indizieren vermögen: (a) Die im Wesentlichen gleichlautenden Ausführungen in LevR 30,2; Sifre Dtn 10; PRK 27(28),2 und PesR 51,4 stellen die Sterne und den im Heiligtum befindlichen Leuchter in eine Reihe mit anderen leuchtenden Phänomenen, ohne hier die Sterne und den Leuchter exklusiv aufeinander zu beziehen oder gar gleichzusetzen. Um der besseren Lektüre willen seien die einzelnen Texte hier dargeboten: LevR 30,2:

‫ ֵאלּוּ ֶשׁ ַבע ִכּתּות ֶשׁל‬,‫שׂבע ְשׂ ָמחוֹת ֶאת ָפּנֶ יָך‬ ַ ,‫ ָל ָר ִק ַיע‬,‫וּל ָבנָ ה‬ ְ ‫יהם דּוֹמוֹת ַל ַח ָמּה‬ ֶ ֵ‫וּפנ‬ ְ ‫ַצ ִדּ ִקים ֶשׁ ֲע ִת ִידים ְל ַה ְק ִבּיל ְפּנֵ י ְשׁ ִכינָ ה‬ ָ ‫הוֹרה ֶשׁ ָה‬ ָ ‫נוֹרה ַה ְטּ‬ ָ ‫שׁוֹשׁנִ ים וְ ַל ְמּ‬ ַ ‫וּל‬ ְ ‫בּר ִקים‬ ָ ‫ ַל‬,‫כּוֹכ ִבים‬ ָ ‫ַל‬ ,307‫יְתה ְבּ ֵבית ַה ִמּ ְק ָדּשׁ‬

Sifre Dtn 10:

‫לשבע שמחות פניהם של צדיקים דאוים לעתיד‬ ‫לבוא׃ לחמה ללבנה לרקיע ולכוכבים ולברקים לשושנים ולמנורת בית‬ ,308‫המקדש‬

PRK 27(28),2:

‫אליו שבע שמחות אילו שבע כיתות של צדיקים שהם עתידים להקביל פני‬ ‫ לשושנים‬,‫ לכוכבים‬,‫ לברקים‬,‫ לרקיע‬,‫ ללבנה‬,‫השכינה ופניהם דומות לחמה‬, ,309‫למנורות בית המקדש‬

und schließlich PesR 51,4: „Shine like the stars? Yes, as Scripture says, And they that turn the many to righteousness shall be as the stars for ever and ever (Dan. 12:3). Shine like Shoshannim? Yes, as Scripture says, For the leader; upon Shoshannim. A Psalm of David (Ps. 69:1). Shine like the lampstand in the Temple? Yes, as Scripture says, I have seen, and behold a lampstand all of gold, etc. (Zech 4:2)“310. 307. Text nach der editio princeps von LevR aus dem Jahr 1512, online dargeboten von der Bar-Ilan University (url: https://www.biu.ac.il/JS/midrash/VR/outfiles/OUT30-02.htm, zugegriffen am 22.05.2019) und M. Margulies, Wayyikra Rabbah, 292f.; „‚Eine Fülle von Freuden ist bei deinem Antlitz‘ d.s. die sieben Classen von Gerechten, die einst das Antlitz der Schechina aufnehmen werden, und ihre Antlitze gleichen der Sonne und dem Monde, dem Firmament, den Sternen, den Blitzen, den Lilien, dem reinen Leuchter, der im Heiligthume war“; Übersetzung nach A. Wünsche, Midrasch Wajikra Rabba, 208. 308. Text nach L. Finkelstein, Siphre ad Deuteronomium, 18; „Für sieben Freuden ist das Angesicht der Frommen würdig in der Zukunft: der Sonne, des Mondes, des Firmamentes, der Sterne, der Blitze, der Lilien und der Leuchter des Tempels“; Übersetzung nach G. Kittel, Sifre zu Deuteronomium, 18. Innerhalb einer Erklärung für den zuvor gegebenen Hinweis auf die Leuchter wird explizit der Bezug zu Sach 4,3 aufgezeigt: „Wieso die Leuchter des Tempels? Weil es heißt: „Und zwei Ölbäume daneben, einer zur Rechten des Ölgefäßes und einer zu seiner Linken“ (18). 309. Text nach B. Mandelbaum, Pesikta de Rav Kahana II, 405; „Lies nicht so (d.i. lies nicht ‫שׂוֹבע‬, ַ Fülle), sondern: ‫שׂמחות ֶשׁ ַבע‬, sieben Freuden, d.s. die sieben Haufen von Gerechten, die einst das Antlitz der Schechina aufnehmen werden, und ihre Antlitze gleichen der Sonne und dem Monde, dem Firmament, den Sternen, den Blitzen, den Lilien, dem reinen Leuchter, der im Heiligthume war“; Übersetzung nach A. Wünsche, Pesikta des Rab Kahana, 263. 310. W.G. Braude, Pesikta Rabbati II, 861; für den hier vorliegenden Argumentationszusammenhang reicht es zu, den entsprechenden Abschnitt dieser nur im Codex Parma fol. 220b– 222a, nicht jedoch in der von M. Friedmann besorgten Textausgabe von PesR vorliegenden ‫( ִפ ְס ָקה‬vgl. hierzu W.G. Braude, Pesikta Rabbati II, 852) in der von W.G. Braude gebotenen

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(b) Die Ausführungen in TPsJ zu Ex 40,4 beschreiben zwar eine Entsprechung der sieben Leuchter bzw. der sieben Kerzen bzw. Lampen des in der ‫ ִמ ְשׁ ַכּן‬aufzustellenden Leuchters zu (den) sieben Sternen, expliziert durch die ‫כל־קבל‬, lassen aber ebenfalls nicht erkennen, dass einen als durch die jeweils anderen ersetz- und somit identitär auswechsel- und austauschbar vorgestellt werden sollen: ‫בוצינהא שׁובעא כל־קבל שׁבעתי כוכביא דמתילין לצדיקיא דמנהרין לעלמא‬311 ‫ותדלק ית‬ .312‫בזכותהון‬ Hinzu kommt: Der Sachverhalt, dass die übrigen palästinischen und auch die babylonischen Targumim-Traditionen diese Entsprechung nicht überliefern, lässt die Annahme keineswegs unwahrscheinlich erscheinen, dass es sich bei dieser um eine späte, in jedem Falle zeitlich nach der Abfassung der Apk dem bereits bestehenden Text des TPsJ hinzugefügte Ergänzung handelt.

Aus diesen Erwägungen aber folgt zunächst: Die beiden o. aufgewiesenen, letzten Endes lediglich inferentiell zu bewältigenden Inkohäsionen legen im Blick auf die Frage der Genese des Textes Apk 1,9ff.; 2f. in seiner Gesamtheit die Annahme eines literarkritisch zu rekonstruierenden Wachstumsprozesses nahe, innerhalb dessen zumindest zwei Stufen desselben zu veranschlagen sind: Auf einer früheren Stufe dieses Textes werden ausschließlich die (Einzel-)Gestalten der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν als von den einzelnen ἐκκλησίαι zu differenzierende Größen in den Blick genommen, auf einer späteren Stufe werden diese ‚Gemeindeengel‘ dann mit den einzelnen von ihnen jeweils repräsentierten ἐκκλησίαι verknüpft, wobei diese Repräsentation zugespitzt als eine wechselseitige Auswechselbarkeit und Austauschbarkeit transportierende identitäre Reziprozität definiert werden kann. Dies wiederum heißt grundsätzlich, dass sämtliche in Apk 2f. vorliegenden Textpassagen, die diesen Gedanken der identitären Reziprozität von ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν und ἐκκλησίαι transportieren – und dies gilt mutatis mutandis dann auch für die die einzelnen Sendschreiben jeweils abschließenden Weckrufe und Überwindersprüche, innerhalb derer die Figuren der ‚Gemeindeengel‘ vollständig aus dem Blickfeld geraten zu sein scheinen313 –, englischen Übersetzung darzubieten. Zu der komplizierten Überlieferungsgeschichte von PesR vgl. etwa W.G. Braude, Pesikta Rabbati I, 28, A. 41; 30–32 und G. Stemberger, Einleitung, 293–297. Zu 15 ‫ ִפ ְס ָקה‬führt Stemberger aus: „51 bei Braude ist eine Homilie zu Sukkot aus MS Parma, die in die Drucke nicht aufgenommen wurde, jedoch für die Vollständigkeit des Jahreszyklus notwendig ist“. 311. Zur Übersetzung des Terminus ‫ בוצינהא‬im Sinne von vgl. M. Jastrow, Wörterbuch I, s.v. ‫בּוּצין‬, ִ ‫בּוּצינָ א‬, ִ 147f. 312 Text nach E.G. Clarke, Targum Pseudo-Jonathan, 117; „Und du sollst entzünden die sieben Kerzen entsprechend den sieben Sternen, die den Gerechten gleichen, die glänzen in ihrer Gerechtigkeit bis in Ewigkeit“; Übersetzung nach M. McNamara, New Testament, 197–199. 313. Vgl. hierzu ausführlich u. 147–174.

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einer späteren Hand zuzuschreiben sind, eine Konsequenz, die im Einzelnen natürlich im Rahmen einer Analyse der entsprechenden Texte selbst zu erhärten sein wird. Demgegenüber will die nachgerade umgekehrte Annahme, dass der Gedanke einer identitären Reziprozität von Gemeindeengeln und Gemeinden eine zu postulierende frühere Stufe des Textes prägte, die dann sekundär um das Konzept einer Differenzierung zwischen den (Einzel-)Gestalten der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν und den einzelnen ἐκκλησίαι erweitert worden wäre, kaum denkbar scheinen. Dagegen spricht schon die Beobachtung, dass der Gedanke der identären Reziprozität sich im Verlauf der Darstellung Apk 1,9ff.; 2f. derselben nur schrittweise bemächtigt und – dem entsprechend – das Konzept der Differenzierung nur schrittweise überformt314.

Aus dem o. durchgeführten Aufweis einer Inkohäsion, d.h. einer inhaltlichen Spannung, zwischen der Bild- und der Sachebene einer-, darüber hinaus einer ‚Binnen‘-Inkohäsion auf der Sachebene, d.h. innerhalb des bildempfangenden Bereiches, selbst andererseits ergibt sich jenseits der Diskussion dieser Inkohäsionen – nun im Blick auf das in Apk 1,20 Dargestellte – die Frage, warum der Apokalyptiker den Gedanken der identitären Reziprozität, der in letzter Grundsätzlichkeit etwa die Ausführungen in Apk 2,10 bestimmt, nicht schon in Apk 1,20 expressis verbis formuliert hat. Möglich wäre dies etwa gewesen, indem er das Element der ἐκκλησίαι additiv mit demjenigen der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν und damit auch unmittelbar mit demjenigen der ἑπτὰ ἀστέρες verknüpft oder womöglich im Kontext dieses Verses über die dortigen Erklärungen hinaus die Relation der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν zu den ἐκκλησίαι reflektiert und dann auch in insbesondere für die Erstrezipienten nachvollziehbarer Weise expliziert hätte. Oder anders und deutlich umfassender gefragt: Warum hat der Apokalyptiker Apk 1,20 in der vorliegenden Weise, oder, noch schärfer: überhaupt formuliert? Für seine in den Sendschreiben jeweils sichtbar werdenden Argumentationsgänge kommt dem Sachverhalt, dass die ἑπτὰ ἀστέρες die ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν und die ἑπτὰ λυχνίαι χρυσαῖ die ἐκκλησίαι selbst darstellen, doch keinerlei argumentationslogische Relevanz zu. Eine plausible Antwort auf diese beiden Fragen lieferte die – der o. im Blick auf die in Apk 1,9ff.; 2f. fassbaren Inkohäsionen formulierten durchaus korrespondierende – Annahme, dass die Ausführungen in Apk 1,20 in der vorliegenden Form das Ergebnis eines literarischen Wachstumsprozesses darstellen315. Konkret und zugespitzt formuliert bedeutet dies, dass der 314. Vgl. hierzu ausführlicher u. 90–91. 315. Zu Apk 1,20 als einer später eingefügten Glosse vgl. etwa F. Spitta, Apk, 32f., H. Kraft, Apk, 49 und J. Wellhausen, Analyse, 5; Wellhausen begründet seine Annahme damit, dass er

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Apokalyptiker bei der Komposition der Gesamt-Apk in Apk 1,20 einen Text vorgefunden und diesen dann eben nicht gestrichen und auch nicht vermeintlich unzulänglich oder doch zumindest missverständlich bearbeitet, sondern als Ausgangspunkt für seine im Laufe der Darstellung schrittweise entwickelte Konzeption einer identitären Reziprozität von ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν und ἐκκλησίαι verwendet hat. Ein Indiz zugunsten dieser Annahme, das zugleich die Rekonstruktion der Genese des Apk 1,20 Ausgeführten ermöglicht, ergibt sich schon aus der Formulierung in Apk 1,20a. Hier ist zu lesen: τὸ μυστήριον τῶν ἑπτὰ ἀστέρων οὓς εἶδες ἐπὶ τῆς δεξιᾶς μου καὶ τὰς ἑπτὰ λυχνίας τὰς χρυσᾶς, eine Einlassung, die dann in Apk 1,20b weitergeführt und erklärt wird. Auffällig ist, dass der Apokalyptiker hier – und diese Auffälligkeit ist insbesondere in der neueren exegetischen Literatur nur selten wahrgenommen worden316 –, wiewohl nach Apk 1,20b und der dort vorgelegten erläuternden Interpretation die Lexeme ἀστήρ und λυχνία doch offensichtlich in gleicher Weise von dem Begriff τὸ μυστήριον als dem logischen Subjekt des in Apk 1,20a vorliegenden, wenn auch unvollständigen Satzes abhängig zu denken sind, den Terminus ἀστήρ im Genitiv, den Terminus λυχνία hingegen im Akkusativ einführt317. In der Literatur werden zur Erklärung dieser in Anlehnung an H. Schweizer die Sinnhaftigkeit der in Apk 1,20 vorgenommenen Interpretation insgesamt in Zweifel zieht: „Der Schluß (1,20) schlägt nach und interpretiert nicht richtig. … Aber die sieben Sterne sind die Planeten. Nicht die Genien der sieben Gemeinden in Ephesus und Nachbarschaft hat der himmlische Gott-Christus in seiner Hand; denn sie sind ja durchaus keine Totalität, und in den Himmel könnte doch nur die christliche Gesamtheit projiciert werden. Darum können die Gemeinden auch nicht mit den sieben Leuchtern gemeint sein, da der himmlische Christus doch nicht zwischen Ephesus Smyrna Pergamum u.s.w. herumwandelt. Diese sind vielmehr eine Variation des siebenarmigen Kandelabers“. Dies aber reicht zum Erweis von Apk 1,20 als einer später eingefügten Glosse sicherlich nicht zu; kritisch gegenüber der Argumentation Wellhausens – und anderer Vertreter der These, die Ausführungen von Apk 1,20 stellten in ihrer Gesamtheit eine spätere Hinzufügung dar – nicht zuletzt auch I.T. Beckwith, Apk, 446. Vgl. zu diesem Aspekt auch D.E. Aune, Apk I, 68: „Whether nom[inative]. or acc[usative]., it is clear that τὸ μυστήριον functions very much like a gloss abruptly introducing the theme or problem of interpretation and therefore functions much like the title of a book or the topic of a paragraph“. 316. Eine neben anderen wichtige Ausnahme bilden hier die Ausführungen von D.E. Aune, Apk I, 67f., der sich intensiv mit diesem Problem beschäftigt. Anders hier jedoch neuestens etwa M. Karrer, Apk I, 270, der dieses Problem nicht diskutiert. 317. Vgl. hierzu aber immerhin H.B. Swete, Apk, 21 und W. Hadorn, Apk, 38: „Die sprachliche Konstruktion von 20 ist hart, der Acc[usativ] τὰς ἑπτὰ λυχνίας, statt Gen[itiv]., ist mit οὓς εἶδες konfirmiert“, und auch W. Bousset, Apk, 199: „…. τὰς ἑπτὰ λυχνίας schließt sich … ganz irregulär an den Akkus[ativ]. in dem vorausgegangenen Relativsatz an“. D.E. Aune, Apk I, 68 merkt an: „A further problem lies in the fact that the second noun group, headed by τὰς ἑπτὰ λυχνίας, should [!] be in the gen[itive]. case since it is parallel to τῶν ἑπτὰ ἀστέρων in the first noun group (dependent on τὀ μυστήριον) and should therefore also be dependent on τὀ μυστήριον“; eine Lösung für dieses Problem schlägt Aune nun allerdings

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durchaus als syntaktischer Bruch318 zu charakterisierenden Inkohäsion folgende Vorschläge gemacht: (a) R.H. Charles nimmt an, dass das akkusativische Syntagma τὰς ἑπτὰ λυχνίας τὰς χρυσᾶς sich dem Umstand verdanke, „that John did not revise his work“319. Diese Überlegung vermag jedoch unabhängig von dem Sachverhalt, dass es sich um eine seltene Konstruktion handelt320, angesichts der Tatsache, dass der Verfasser von Apk 1,20a unmittelbar zuvor mit dem Syntagma τῶν ἑπτὰ ἀστέρων doch den – an dieser Stelle dann korrekten – Genitiv verwendet hat, kaum zu überzeugen. (b) T. Zahn scheint den appositionellen Bezug des Syntagma τὰς ἑπτὰ λυχνίας τὰς χρυσᾶς auf das Lexem τὸ μυστήριον bestreiten und ersteres mit letzterem syntaktisch parallelisieren und beide als – womöglich absolute – Akkusative analysieren zu wollen321. Damit wäre die o. aufgewiesene Inkohäsion zwar bewältigt, aber zugleich auch eine neue kreiert, denn der Vorschlag Zahns beinhaltet das Problem, dass der Verfasser von Apk 1,20 dann, wiewohl er in Apk 1,20b sowohl die ἑπτὰ ἀστέρες als auch die ἑπτὰ λυχνίαι erklärend interpretiert, in Apk 1,20a nur ersteren ein ihnen augenscheinlich innewohnendes oder mit ihnen verknüpftes μυστήριον zubilligen möchte. Der Vorschlag Zahns überwände den syntaktische Bruch, schüfe aber zugleich eine – neue – inhaltliche Spannung. E. Lohmeyer möchte diese Auffälligkeit mit der Annahme erklären, dass dem Apokalyptiker und seinen Rezipienten das Bild der ἑπτὰ λυχνίαι als Bild für (christliche) Gemeinden aus der Tradition vertraut gewesen sei, die Darstellung der sieben Gemeinden als ἑπτὰ ἀστέρες hingegen eine neuartige und aktuelle Kreation des Sehers darstellte322. Diese Erklärung wird durch den Text von Apk 1 selbst jedoch nicht indiziert.

Weitaus plausibeler als die etwa von Charles und Zahn vorgelegten Vorschläge zur Erklärung des Akkusativs καὶ τὰς ἑπτὰ λυχνίας τὰς χρυσᾶς will die Annahme scheinen, diese Wendung als einen im Blick auf seinen Kasus nicht vor. I.T. Beckwith, Apk, 445 formuliert: „It [d.h. der Terminus λυχνίας] takes irregularly the case of μυστήριον“. 318. Vgl. hierzu o. 33. 319. Apk I, 33. 320. Vgl. hierzu auch m.R. kritisch D.E. Aune, Apk I, 67, der festhält: „…, a rare construction that has no syntactical relationship to the rest of the sentence“ 321. Vgl. hierzu Apk, 207f.: „[‚Was anlangt] das Geheimnis der 7 Sterne, die du auf meiner rechten Hand sahest, und die 7 goldenen Leuchter, [so bedeuten] die sieben Sterne ἄγγελοι der 7 Gemeinden, und die 7 Leuchter sind 7 Gemeinden‘“; vgl. zu dieser Sicht der Dinge auch 207, A. 60. 322. Vgl. hierzu Apk, 19: „So begreift sich, daß μυστήριον nur zu τῶν ἑπτὰ ἀστέρων, nicht zu ἑπτὰ λυχνίας gesetzt ist; denn dieses ist das traditionelle Symbol für die Gemeinden, jenes das aktuelle“.

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entweder an dem vorangehenden Relativpronomen οὕς323 oder aber, was wahrscheinlicher sein dürfte, an dem Satzsubjekt τὸ μυστήριον324 orientierten sekundären Zusatz anzunehmen. Mit dessen Hilfe beabsichtige der entsprechende Interpolator, das Element der ἑπτὰ λυχνίαι in die Diskussion einzuführen, um so – ohne jedoch die o. aufgewiesene Inkohäsion zwischen Sach- und Bildebene ausreichend zu beachten – die argumentationslogisch über die Ausführungen in Apk 2,5 und Apk 2,10 vollzogene letztendliche Identifikation der einzelnen ἐκκλησίαι mit den denselben jeweils zugehörigen ἄγγελοι vorzubereiten. Der ursprüngliche Text von Apk 1,20a thematisierte dann ausschließlich das μυστήριον der ἑπτὰ ἀστέρες und lautete: τὸ μυστήριον τῶν ἑπτὰ ἀστέρων οὓς εἶδες ἐπὶ τῆς δεξιᾶς μου κτλ. – „Das Geheimnis der sieben Sterne, die du in meiner Hand siehst, ist dies …“. Träfe diese Annahme zu, wäre auch die in Apk 1,20bβ formulierte Interpretation καὶ αἱ λυχνίαι αἱ ἑπτὰ ἑπτὰ ἐκκλησίαι εἰσίν als eine von gleicher Hand vorgenommene sekundäre Ergänzung anzusehen. Diese Annahme wird gestützt durch die Beobachtung, dass das Syntagma ἑπτὰ ἐκκλησίαι, auch im Unterschied zu Apk 1,20bα, hier, wiewohl die sieben Gemeinden doch in Apk 1,4.11 schon eingeführt sind, ohne einen intratextuell auf diese Einführung verweisenden bestimmten Artikel erscheint325, ein Sachverhalt, der durch die Annahme, die Ausführungen in Apk 1,20bβ verdankten sich einer späteren Hand, durchaus plausibel erklärt würde. Der ursprüngliche Text von Apk 1,20 lautete somit: τὸ μυστήριον τῶν ἑπτὰ ἀστέρων οὓς εἶδες ἐπὶ τῆς δεξιᾶς μου ...· οἱ ἑπτὰ ἀστέρες ἄγγελοι τῶν ἑπτὰ ἐκκλησιῶν εἰσιν ..., und beinhaltete ausschließlich einen Hinweis für die Interpretation der ἑπτὰ ἀστέρες, die auf die Gestalten der sieben Gemeindeengel zu beziehen wären. Das Faktum, dass es sich bei den die Figur des ὅμοιος υἱὸς ἀνθρώπου umgebenden λυχνίαι ebenfalls um sieben handelte (Apk 1,12), eröffnete dem Interpolator dann die argumentationslogische Möglichkeit, das Motiv derselben in die Argumentation in Apk 1,20 einzufügen, auf die sieben ἐκκλησίαι zu beziehen und als Ausgangspunkt für die in abgestuften Schritten erfolgte Implementierung des Konzepts der identitären Reziprozität von ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν und ἐκκλησίαι zu benutzen. Diese Technik einer stufenweisen Implementierung bzw. stufenweisen Enthüllung einer bestimmten argumentativen Konzeption in übernommenes Material wird in 323. Dies entspricht den Interpretationsvorschlägen W. Hadorns und W. Boussets; vgl. hierzu o. 89, A. 317. 324. Vgl. hierzu den Erklärungsansatz von T. Zahn o. 90, A. 321. 325. Vgl. hierzu etwa D.E. Aune, Apk I, 68: „The articular ἑπτά is part of the noun cluster αἱ λυχνίαι αἱ ἑπττά“ und damit eben nicht des Syntagma ἑπτὰ ἐκκλησίαι am Ende dieses Verses.

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ähnlicher Weise sichtbar in den Ausführungen zur Figur des ersten θηρίον Apk 13326: Während der Apokalyptiker sich im Rahmen seiner Darstellung des Auftretens des ersten θηρίον in Apk 13,1–3a zunächst, mit Ausnahme der Erwähnung des θρόνος Apk 13,2, im Wesentlichen auf das imperium Romanum in seiner Gesamtheit bezieht, spitzt er ab Apk 13,3b die Figur des ersten θηρίον auf eine individuelle Herrscherpersönlichkeit zu327.

II.3.2. Zur Interpretation der Gestalten der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν Vor der Diskussion der Texte der einzelnen Sendschreiben will es ratsam scheinen, einige grundlegende Erwägungen hinsichtlich der Interpretation der Figur der ἄγγελοι (τῆς ἐν Ἐφέσῳ, ἐν Σμύρνῃ κτλ. ἐκκλησίας) anzustellen, an die der Apokalyptiker das ihm von Christus diktierte einzelne Sendschreiben jeweils adressieren soll328. In der exegetischen Literatur329 wird die Frage, „wer die Gemeindeengel sind“330, intensiv diskutiert; im Einzelnen lassen sich innerhalb derselben folgende unterschiedliche Deutungen dieser Figuren wahrnehmen331: (a) Die sieben ‚Gemeindeengel‘ symbolisierten die sieben Planeten, die sieben Sterne des Sternbildes des Kleinen Bären oder desjenigen der Plejaden332. Dieser Interpretation widerrät allerdings, dass einige der sieben ἄγγελοι zur Umkehr aufgerufen werden – erkennbar wird 326. Vgl. hierzu insgesamt etwa T. Witulski, Johannesoffenbarung, 154–158. 327. Vgl. hierzu im Blick auf Apk 13,3b U.B. Müller, Apk, 250: „Schon hier zeichnet sich die weitere Tendenz des Visionsberichts ab, das Tier als Verkörperung des römischen Reiches mit einem seiner Herrscher zu identifizieren“. In diese Richtung denkt auch Prigent, Apk, 405: „One should note that the wound, which in the present text [d.h. Apk 13,3a] affects one of the heads, will later be seen as affecting the beast himself (13:12,14)“. Dies wird aber bereits deutlich in Apk 13,3b. Ähnlich im Blick auf Apk 13.17 auch Ulrichsen, Häupter, 4: „Das Tier [d.h. das (erste), Apk 13,1–8 beschriebene θηρίον] hat den Auslegern viele Probleme bereitet, denn die verschiedenen Aussagen in Kap. 13 und 17 ergeben kein einheitliches Bild. Es beruht darauf, dass die Bestie tatsächlich zwei Grössen verkörpert. Sie ist einerseits das römische Imperium, andererseits ein ganz bestimmter Kaiser, nämlich Nero. Wenn man sich dieser Doppeltheit bewusst ist, braucht man nicht mit ungleichen Quellen, Interpolationen, Bearbeitungen, usw. zu operieren“. 328. Die von K. Huber, Menschensohn, 197 formulierte Problematisierung: „Eine Entscheidung in die eine oder andere Richtung ist nicht ohne Schwierigkeiten möglich“, mag methodisch durchaus zutreffen, kann aber hermeneutisch nicht das letzte Wort darstellen. Es muss davon ausgegangen werden, dass die Erstrezipienten der Apk recht präzise wussten, welche Figuren mit den ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν denn gemeint gewesen sind. 329. Vgl. hierzu etwa die Diskussionen etwa D.E. Aune, Apk I, 108–112, P. Trebilco, Christians, 299, M. Wilson, Victor Sayings, 65–68 und U.B. Müller, Apk, 87–89. 330. U.B. Müller, Apk, 87. 331. K. Huber, Menschensohn, 194 sieht zwei grundsätzlich einander gegenüberstehende Deutungen des ἄγγελος-Begriffs: „jene [Interpretation], die mit ἅγγελοι übernatürliche, himmlische Wesen bezeichnet sieht, auf der einen Seite und jene, die für eine Deutung der ‚Engel‘ auf irdische Gestalten plädiert, auf der anderen Seite“. 332. Zu dieser Deutung vgl. etwa D.E. Aune, Apk I, 97f.112; dort auch weitere Literatur.

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dies etwa in Apk 2,5.16; 3,3.19333 –, eine Aufforderung, die sich vor dem Hintergrund der Annahme, die sieben ἄγγελοι stellten sieben Sterne dar, kaum plausibilisieren lässt. Damit ist jedoch die Option eines materialen bzw. traditionsgeschichtlichen Zusammenhanges zwischen ersteren und letzteren keinesfalls bestritten. Darüber hinaus ließe sich die den ἄγγελος τῆς ἐν Περγάμῳ ἐκκλησίας betreffende Einlassung Apk 2,13a – hier wird auf den Wohnort desselben angespielt334 – kaum sinnvoll erklären, repräsentierte dieser ἄγγελος einen einem Sternbild zuzurechnenden Stern. (b) Die sieben in Apk 2f. angeschriebenen ἄγγελοι der sieben einzelnen Gemeinden stellten deren Schutzengel dar335. Diese – semantisch augenscheinlich mehr als naheliegende336 und auch traditions- bzw. religionsgeschichtlich durchaus nachweisbare337 – Interpretation wird letztendlich 333. Vgl. zu diesen Belegen im Einzelnen u. 129–147, 200–206, 253–260 und 302–303. 334. Vgl. hierzu auch u. 195–198. 335. Vgl. hierzu etwa A. Satake, Apk, 148: „Während die bisher genannten Thesen die Gemeindeengel als irdische Gestalten deuten, betrachten einige andere sie als Schutzengel der Gemeinden“; Satake verweist hier u.a. auf E. Lohse, der formuliert: „Vielmehr liegt sicherlich eine Vorstellung zugrunde, die im damaligen Judentum und im frühen Christentum durchaus geläufig war: Wie der einzelne Mensch nach verbreiteter Anschauung einen Schutzengel hat (Mt. 18,10), der sogar die Gesichtszüge des von ihm behüteten Menschen tragen kann (Apg. 12,15), so ist auch jeder Gemeinde ein Engel zugeordnet, in dem zugleich die Gemeinde repräsentiert ist. Wird daher der Engel angesprochen, so gilt das Wort zugleich der zu ihm gehörenden Gemeinde“ (Apk, 23). H. Giesen, Apk, 91 kombiniert zwei im Grunde unterschiedliche Thesen miteinander, wenn er die Figuren der ‚Gemeindeengel‘ als „Schutzpatrone der Gemeinden“ definiert, die „genauerhin als deren himmlische Repräsentanten und Doppelgänger“ zu betrachten sind. 336. Vgl. hierzu etwa A. Satake, Apk, 148: „Dieser Vorschlag hat den Vorteil, dass man die semantischen Implikationen des Wortes ἄγγελος nicht weiter zu belegen braucht“, und auch G.K. Beale, Apk, 217: „The observation that ἄγγελος (‚angel‘) refers without exception to heavenly beings in the visionary portion of Revelation (about 60 times) points to the same identification here“. An diesem Punkt aber m.R. sehr kritisch D.E. Aune, Apk I, 109: „…, most scholars presume that the eight problematic references [des Terminus ἄγγελος] must also refer to beneficent supernatural beings …. This argument is flawed, however, since it is a form of petitio principii, i.e., assuming in the premise of an argument the conclusion that is still to be proved“. Anders hier etwa J. Roloff, Apk, 45f.: „Umgekehrt wiegt der Umstand schwer, daß sonst durchweg in der Apk, wie auch fast stets im übrigen Neuen Testament mit angelos immer nur der Engel gemeint ist. Läge in unserem Zusammenhang eine Abweichung von diesem Sprachgebrauch vor, so müßte er deutlicher als solcher gekennzeichnet sein“; zu diesem Argument vgl. auch C.R. Koester, Apk, 249, die der Interpretation der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν als menschliche Wesen mit dem Hinweis ablehnt, dass „the consistent use elsewhere in Revelation of angelos for supernatural figures, however, makes this interpretation unlikely“. Diese Erwägung geht nun allerdings von der literarischen Einheitlichkeit der Apk aus; sollte es sich bei Apk 1–3 etwa um einen dem apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 womöglich später hinzugefügten Text handeln (vgl. zu dieser Möglichkeit o. 17–21), verlöre dieses Argument – unabhängig von den kritischen grundlegenden Einwänden Aunes – seine Beweiskraft. 337. Vgl. hierzu etwa G.K. Beale, Apk, 219, der u.a. im Blick auf Dan 10,20f.; 12,1 formuliert: „In Daniel angels appear as the heavenly, protective counterparts to earthly nations“.

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jedoch verunmöglicht durch die Beobachtung, dass der in diesen Sendschreiben redende Christus das Verhalten dieser ἄγγελοι zumindest z.T. kritisiert und, wie bereits o. thematisiert, deren Umkehr und die Neuausrichtung ihrer (christlichen) Existenz einfordert, eine Forderung, die gegenüber irdischen Gestalten durchaus nachvollziehbar, gegenüber ἄγγελοι als himmlischen, nach Apk 1,20b338 von den einzelnen Gemeinden zu unterscheidenden Schutzengeln339 allerdings nur wenig sinnvoll erscheinen will340 – wie etwa sollte ein himmlisches, mit der Aufgabe des Schutzes der jeweiligen ἐκκλησία betrautes Wesen zur ἀγάπη πρώτη bzw. zu den πρῶτα ἔργα zurückkehren341 (Apk 2,4f.) oder das einst Empfangene und Gehörte in der Gegenwart wiederum aktualisieren und nun ‚festhalten‘342 (Apk 3,3) können; darüber hinaus ließe sich nur sehr schwer erklären, warum Christus den sieben ἄγγελοι als himmlischen Wesen durch den – menschlichen und irdischen – Apokalyptiker jeweils ein Sendschreiben zukommen lassen sollte und die sieben einzelnen Gemeinden selbst dann nicht unmittelbar anspräche343. 338. Vgl. zur Diskussion dieses Belegs ausführlich o. 77–92. 339. Vgl. hierzu o. 93 mit A. 335. 340. Vgl. zu diesem Argument bereits A. Satake, Apk, 148: „…; dass die Gemeindeengel in den Sendschreiben gelegentlich zur Umkehr aufgefordert werden, macht diese Identifizierung … fragwürdig“. Noch deutlicher hier W. Hadorn, Apk, 38: „Man kann nicht an Engel, die im Himmel sind, Briefe schreiben, noch an sie die Aufforderung richten, Buße zu tun und Zucht zu üben in der Gemeinde“. In disese Richtung denkt auch H. Giesen, Apk, 90: „Für irdische Gestalten scheint zu sprechen, daß sich die Briefe mit ihrem Lob und Tadel an die Engel der Gemeinden auf Erden wenden“. 341. Vgl. hierzu ausführlich u. 129–147. 342. Vgl. hierzu ausführlich u. 253–260. 343. Auf diese Frage formuliert G.K. Beale eine zweifache Antwort: Einerseits weist er darauf hin, dass die Konzeption einer corporativen Repräsentation das Momentum der „representative’s accountability for the group and the group’s accountability for the actions of the representative“ (Apk, 217) transportiere, was bedeute, dass in gewissem Sinne „the angels are accountable (e.g., resposibility of oversight) for the churches, yet the churches also benefit from the position of the angels“ (Apk, 217). Dies mag durchaus stimmen, erklärt aber letzten Endes nicht, warum der Apokalyptiker sich unbeschadet dessen mit seinen Sendschreiben nicht doch unmittelbar an die Gemeinden gewandt hat, erklärt darüber hinaus nicht, warum er sich dann in einigen Passagen doch offensichtlich dazu verleiten ließ (vgl. hierzu o. 77–92), dies doch zu tun. Andererseits stellt er fest: „The fuller reason for addressing the churches through their representative angels is to remind the churches that already a dimension of their existence is heavenly, that their real home is not with the unbelieving ‚earth dwellers‘ …, and that they have heavenly help and protection in their struggle not to be conformed to their pagan environment“. Inwieweit die Adressierung der Sendschreiben an die (himmlischen) Repräsentanten der irdischen Gemeinden allerdings geeignet ist, diese theologischen Implikationen zu transportieren, muss doch mehr als fraglich bleiben, zumal diese von Beale postulierte himmlische Dimension der Existenz der in der Apk angeschriebenen Christen auf anderem Wege sehr viel besser hätte deutlich gemacht werden können. Darüber hinaus vermag dieser Hinweis Beales den Sachverhalt, dass der Apokalyptiker die Christen der einzelnen

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U.B. Müller möchte die Deutung der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν als leitende Personen der entsprechenden Gemeinden344 mit derjenigen derselben als himmlische Repräsentanten der Gemeinden kombinieren, indem er letzte als eine „literarische Fiktion [betrachtet,] um eine Adressierung der Schreiben an die wirklichen Vertreter der Gemeinde zu umgehen“345, eine Fiktion, die der Apokalyptiker entworfen habe, da seine eigene Konzeption von Gemeinde derjenigen, die er in den sieben von ihm angeschriebenen Gemeinden vorfand, nicht entsprach346. Das von Müller dem Apokalyptiker unterstellte Motiv vermag jedoch kaum zu überzeugen347.

(c) U.a. nach E. Lohmeyer handelte es sich bei den in Apk 2f. angeschriebenen – und in Apk 1,20 bereits eingeführten – ἄγγελοι weniger um Schutzengel, sondern vielmehr „um eine Art himmlischer Doppelgänger348, die an allem Ergehen der irdischen Gemeinden unmittelbar Teil haben und verantwortlich sind“349. Eine religionsgeschichtliche Parallele zu den solchermaßen verstandenen ἄγγελοι stellten nach Lohmeyer die persischen Fravašis350 dar; in kritischer Abgrenzung dazu verweist D.E. Aune auf die – zeitlich und räumlich sicherlich näherliegenden – Ausführungen in AscJes351 3,15352 als einen Beleg für die Gestalt eines Engels als eines „heavenly counterpart. Gemeinden zumindest in bestimmten Passagen seiner Sendschreiben auch direkt anzureden in der Lage ist, nicht zu erklären; um der himmlischen Dimension der Existenz der asianischen Christen willen hätte er dies, der Logik Beales folgend, doch erst recht unterlassen und die engelische Adressierung aufrechterhalten müssen. 344. Vgl. hierzu u. 100–112. 345. Apk, 89. 346. Vgl. hierzu Apk, 88f. 347. Vgl. hierzu auch m.R. kritisch H. Lichtenberger, Apk, 81. 348. Vgl. hierzu explizit etwa auch U.B. Müller, Apk, 87: „Die sieben Sterne symbolisieren die Engel der Gemeinden als die himmlischen Doppelgänger derselben“. 349. Apk, 20; vgl. hierzu auch R.H. Charles, Apk I, 34: Die ‚Gemeindeengel‘ seien zu verstehen als „‚heavenly doubles or counterparts of the Seven Churches, which thus come to be identical with the Churches themselves“, und G.K. Beale, Apk, 211: „… and may suggest that ‚the stars,‘ even if angelic, represent the church’s heavenly existence and the ‚lampstands‘ its earthly existence“. Zu weiterer Literatur vgl. etwa A. Satake, Apk, 148 mit A. 98, darüber hinaus auch U.B. Müller, Apk, 88 und C. Brütsch, Apk I, 101. H. Lichtenberger, Apk, 81 spricht von den Gestalten der ‚Gemeindeengel‘ als den „himmlische[n] Repräsentanten für die jeweiligen irdischen Gemeinden“. In diesem Sinne neuestens auch O. Cremer, Sohn Gottes, 32: „Näher liegend als die Völkerengelvorstellung ist ein anderer Deutungshintergrund der Gemeindeengel. Demnach handelt es sich bei ihnen um himmlische Repräsentanten der Gemeinden“. 350. Vgl. hierzu Apk, 20 mit Verweis auf N. Söderblom; kritisch hierzu allerdings D.E. Aune, Apk I, 110f.: „The suggestion that the Persian fravashis are a parallel phenomenon … is a phenomenological parallel providing little enlightenment …. The fravashis , ‚spirits of the just,‘ originated as spirits of the dead … who were a combination of ancestral spirits, guardian spirits, and transcendental doubles of the soul“. 351. Nach C.D.G. Müller, AscJes, 548 ist AscJes in der gegenwärtig vorliegenden Form „frühestens in der zweiten Hälfte des 2. Jh. [n.Chr.] zusammengestellt“ worden. 352. Vgl. zu diesem Beleg bereits M. Karrer, Johannesoffenbarung, 183.

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to earthly communities“353. Bei diesem ἄγγελος handele es sich nach Aune um „the angelic representative of the celestial Church, the heavenly counterpart of the earthly Church“354. Jenseits des Hinweises der aus den Ausführungen in Apk 1,20b sich ergebenden Verunmöglichung einer simplen Identifikation der Figuren der ‚Gemeindeengel‘ mit den sieben Gemeinden355 widerraten dieser Erklärung folgende Beobachtungen356: (1) Nach Apk 2,13a scheint der ἄγγελος τῆς ἐν Περγάμῳ ἐκκλησίας in Pergamon, somit also auf der Erde zu wohnen: οἶδα ποῦ κατοικεῖς, ὅπου ὁ θρόνος τοῦ σατανᾶ357. Damit lässt sich diese Figur schwerlich als ein im Himmel ansässiger Doppelgänger einer irdischen christlichen Gemeinde – und auch nicht als eine in anderer Weise konnotierte himmlische Figur – fassen358. (2) Die auf eine Binnendifferenzierung innerhalb der entsprechenden ἐκκλησία zielenden Ausführungen des Apokalyptikers in Apk 3,4 verunmöglicht es, die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας unmittelbar als individuellen Doppelgänger des Kollektivs der irdischen Gemeinde in Sardes zu fassen; die in Apk 3,4 vorliegende Formulierung ἀλλὰ ἔχεις ὀλίγα ὀνόματα ἐν Σάρδεσιν ἃ οὐκ ἐμόλυναν τὰ ἱμάτια αὐτῶν nötigt vielmehr dazu, die das ‚du‘ als das Subjekt des mit der Konjunktion ἀλλά eingeleiteten Hauptsatzes repräsentierende Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας als von der ἐκκλησία selbst unterschieden zu betrachten. Stellte die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας – etwa analog zu Apg 12,15359 – unmittelbar den himmlischen Doppelgänger der hier angeschriebenen sardischen Gemeinde dar, ließe sich kaum formulieren, dass dieser ἄγγελος in 353. Apk I, 111. 354. Apk I, 111. 355. Vgl. hierzu bereits o. 77–92. 356. Kritisch hierzu auch M. Karrer, Apk I, 284, A. 39: „Auch der Engel der himmlischen Kirche in AscJes 3,15 ist nicht unmittelbar zu vergleichen“. 357. Zu den in der Forschung vertretenen unterschiedlichen Deutungen des Syntagma θρόνος τοῦ σατανᾶ vgl. etwa D.E. Aune, Apk I, 182–184. Offensichtlich sieht aber keine dieser Deutungen in jenem eine himmlische Realität; dies aber wäre notwendig, um die Deutung der Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Περγάμῳ ἐκκλησίας als eines „heavenly counterpart. to earthly communities“ durchhalten zu können. 358. Auf diesen Sachverhalt weist m.R. A. Satake, Apk, 148 hin: „Das Wort ‚himmlisch‘ ist dabei etwas anstößig, weil in [Apk] 2,13 der Aufenthalt des betreffenden Engels auf der Erde vorausgesetzt ist“; vgl. hierzu auch T. Zahn, Apk, 210: „…; denn weder in jüdischer, noch in urchristlicher Anschauung haben die einzelnen Synagogen oder christlichen Gemeinden je einen bei ihnen wohnenden besonderen Engel“. Zwar ist U.B. Müller, Apk, 88 grundsätzlich durchaus recht zu geben, wenn er formuliert: „Daß Johannes sich direkt an die Gemeindeengel wendet, bedeutet nicht, daß diese auf Erden weilen müssen“; allerdings legt der Terminus κατοικέω diese Annahme doch mehr als nahe. 359. Vgl. zu diesem Beleg etwa R. Pesch, Apg I, 366: „‚Vorausgesetzt ist dabei die Vorstellung, daß jeder Mensch einen Schutzengel hat, der ihm als sein himmlischer Doppelgänger auch äußerlich gleicht‘“.

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Sardes ‚einige Namen hat‘360, also einige Personen vorweisen oder benennen kann, die ihre Kleider nicht befleckt haben361, da er selbst als Doppelgänger der dortigen ἐκκλησία in ihrer Gesamtheit diese Personen doch ebenfalls abbildete. Die Einlassung Apk 3,4a lässt – für sich genommen – bestenfalls die Annahme zu, dass es sich bei der Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας um einen himmlischen Repräsentanten dieser Gemeinde im Sinne eines himmlischen Leiters derselben, nicht jedoch um deren unmittelbares und als Individuum ein Kollektiv vertretendes himmlisches Pendant handelt. (3) In Apk 3,17 kritisiert der Apokalyptiker die Selbsteinschätzung362 der Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας mit den folgenden Worten: ὅτι λέγεις ὅτι πλούσιός εἰμι καὶ πεπλούτηκα καὶ οὐδὲν χρείαν ἔχω, καὶ οὐκ οἶδας ὅτι σὺ εἶ ὁ ταλαίπωρος καὶ ἐλεεινὸς καὶ πτωχὸς καὶ τυφλὸς καὶ γυμνός. Diese Kritik macht jedoch, wird sie auf die Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας als eines auch im Rahmen der Konzeption einer identitären Reziprozität letztlich doch eigenständig zu denkenden363 himmlischen Repräsentanten oder Doppelgängers der irdischen ἐκκλησία bezogen, keinerlei Sinn; vielmehr ist sie lediglich denkbar als Kritik an dem Verhalten und an der Selbsteinschätzung einer konkreten irdischen Gemeinschaft oder aber einer konkreten irdischen Einzelperson. Diese Überlegung aber evoziert die Frage – eine Frage, die durchaus grundsätzlicher Natur ist, in der gegenwärtigen Diskussion allerdings kaum thematisiert wird –, warum der Apokalyptiker in Apk 2f. überhaupt die Gestalten der ‚Gemeindeengel‘ als himmlische Repräsentanten oder Doppelgänger der entsprechenden irdischen ἐκκλησίαι einführt und in den sieben Sendschreiben die entsprechenden Gemeinden selbst eben nicht unmittelbar, sondern nur über den Umweg der ihnen jeweils zugehörigen ἄγγελοι anschreibt. Immerhin wird doch die Gesamt-Apk nach Apk 1,4.11 auch unmittelbar an die irdischen ἑπτὰ ἐκκλησίαι αἱ ἐν τῇ Ἀσίᾳ und nicht an deren himmlische ‚Engel‘ adressiert. (4) Die Ausführungen in Apg 12,15, auf die in der Literatur zur Begründung der Interpretation der Figuren der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν als himmlische Doppelgänger immer wieder hingewiesen wird, vermögen, wie deren nähere Analyse zeigt, das in Apk 1,20; 2f. die Relation von ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν und ἐκκλησίαι charakterisierende Momentum der identitären 360. Vgl. zu dieser Übersetzung etwa H. Giesen, Apk, 125. 361. Zur Interpretation dieser Aussage vgl. ausführlich u. 260–262. 362. Vgl. hierzu H. Giesen, Apk, 140: „Nun kommt die Gemeinde in einem Einwand selbst zu Wort“; vgl. auch U.B. Müller, Apk, 136: „Johannes entlarvt die Selbstsicherheit der Gemeinde“. Zur Analyse dieser Einlassung vgl. ausführlich u. 299–300. 363. Vgl. hierzu o. 77–92.

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Reziprozität364 nicht zu belegen. Für diejenigen, die der Magd Ῥόδη, die bei geschlossener Pforte Petrus an seiner Stimme erkannte (Apg 12,14), vorwerfen, dass sie nicht zurechnungsfähig sei (μαίνῃ) und sie bescheiden, sie habe nicht den Apostel selbst, sondern seinen ἄγγελος vernommen (ὁ ἄγγελός ἐστιν αὐτοῦ), stellen Petrus und sein ἄγγελος doch offensichtlich gerade nicht identitäre und wechselseitig austausch- und auswechselbare, sondern voneinander zu unterscheidende Wesenheiten dar365. Begriffen jene nämlich die Relation des Petrus zu seinem ἄγγελος als diejenige einer identitären Reziprozität, hätten sie im Rahmen der Erzähl- und Argumentationslogik dieser Perikope gerade nicht in Erwägung ziehen können, dass letzterer an der Pforte steht, da er dann nämlich in gleicher Weise wie ersterer noch im Gefängnis des Ἡρῴδης in Ketten liegen müßte366. Dies gilt auch im Blick auf die Ausführungen in Dan 10,20f., die von G.K. Beale als Beleg für die These, dass die ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν Apk 1,20; 2f. „corporate representatives of saints“367, also (himmlische) Repräsentanten der sieben in der Apk angeschriebenen Gemeinden darstellten, ins Feld geführt werden368. Dass das in Dan 10,20f. Ausgeführte die Existenz (himmlischer) Repräsentanten irdischer Gemeinwesen belegt, ist kaum bestreitbar; allerdings stehen, wie die Einlassungen insbesondere in Dan 10,21 zeigen, (himmlischer) Repräsentant und irdische Gemeinde nicht in einem als identitäre Reziprozität definierbaren Verhältnis zueinander, wie dies für die ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν Apk 1,20; 2,1f. und die sieben angeschriebenen Gemeinden charakteristisch ist369: ‫יוֹצא וְ ִה ֵנּ֥ה‬ ֵ֔ ‫ם־שׂר ָפּ ָ ֑רס וַ ֲא ִנ֣י‬ ֣ ַ ‫אתי ֵא ֔ ֶליָך וְ ַע ָ ֣תּה ָא ֔שׁוּב ְל ִה ָלּ ֵ ֖חם ִע‬ ִ ‫ה־בּ‬ ֣ ָ ‫אמר ֲהיָ ַ ֙ד ְע ָ֙תּ ָל ָמּ‬ ֶ ֹ ‫וַ ֗יּ‬ ‫ַשׂר־יָ ָו֖ ן ָ ֽבּא׃‬ ‫ל־א ֶלּה ִ ֥כּי‬ ֵ֔ ‫מּי ַע‬ ֙ ִ ‫ת־ה ָר ֥שׁוּם ִבּ ְכ ָ ֖תב ֱא ֶ ֑מת וְ ֵ֙אין ֶא ָ֜חד ִמ ְת ַח ֵזּ֤ק ִע‬ ָ ‫( ֲא ָבל֙ ַא ִגּ֣יד ְל ָ֔ך ֶא‬21) .‫יכ ֵ ֖אל ַשׂ ְר ֶ ֽכם‬ ָ ‫ם־מ‬ ִ ‫ִא‬ Immerhin nämlich kündigt hier der Daniel erschienene ‫מוּת ְבּ ֵנ֣י ָא ָ ֔דם‬ ֙ ‫( ְד‬Dan 10,16) an, dass er wiederum Krieg führen müsse gegen den ‫שׂר ָפּ ָ ֑רס‬und ַ֣ gegen den ‫ר־יָו֖ ן‬ ָ ‫;שׂ‬ ַ bei diesem Feldzug werde ihm allerdings nur Michael, der ‚Engelfürst‘ Israels (‫)מ ָיכ ֵ ֖אל ַשׂ ְר ֶ ֽכם‬ ִ zu Hilfe kommen. Im Rahmen der Relation einer identitären Reziprozität hieße dies, dass dann auch die entsprechenden Völker gegeneinander Krieg führen müssten, eine Vorstellung, die der Text Dan 10,20f. jedoch gerade nicht indiziert. Diese Überlegungen 364. Vgl. hierzu o. 77–92. 365. Dies gilt auch im Blick auf die Ausführungen in Mt 18,10: λέγω γὰρ ὑμῖν ὅτι οἱ ἄγγελοι αὐτῶν ἐν οὐρανοῖς διὰ παντὸς βλέπουσι τὸ πρόσωπον τοῦ πατρός μου τοῦ ἐν οὐρανοῖς. 366. Deshalb beschreibt R. Pesch, Apg I, 366 den in Apg 12,15 angesprochenen ἄγγελος durchaus m.R. als einen „Schutzengel“. 367. Apk, 219. 368. Vgl. zu diesen Belegen auch P. Prigent, Apk, 146f.; allerdings räumt Prigent ein: „The conclusion that we can draw from these texts is not without ambiguity, for they often mention two angels, a good and an evil one, who dispute each other’s influence over a man and his conduct“. 369. Vgl. hierzu o. 77–92.

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sprechen dafür, das Konzept der identitären Reziprozität als eine eigenständige Leistung desjenigen anzusehen, der diese in den ihm vorliegenden Text von Apk 1–3* implementiert hat370.

(5) Der Hinweis auf AscJes 3,15 verfängt kaum, da keinesfalls klar ist, dass die Gestalt des hier angesprochenen ἄγγελος τῆς ἐκκλησίας τῆς ἐν οὐρανῷ371 nicht auch als Bote dieser himmlischen Gemeinde und eben gerade nicht als deren himmlischer Repräsentant zu verstehen ist; immerhin nämlich weiß AscJes im gleichen Kontext auch von einem ‚Engel des heiligen Geistes‘ (AscJes 3,16)372 zu sprechen, der doch kaum als Doppelgänger eben dieses heiligen Geistes angesehen werden kann. Über AscJes 3,15 hinaus verweist J. Roloff als Beleg für die Annahme, dass es sich bei den in Apk 2f. auftretenden ἄγγελοι τῶν έκκλησιῶν um die einzelnen Gemeinden regierende Engelwesen handelt373, noch auf Herm vis. V 2f.: καὶ εὐθὺς παρεκάθισέν μοι καὶ λέγει μοι Ἀπεστάλην ἀπὸ τοῦ σεμνοτάτου ἀγγέλου ἵνα μετὰ σοῦ οἰκήσω τὰς λοιπὰς ἡμέρας τῆς ζωῆς σου (3) ἔδοξα ἐγὼ ὅτι πάρεστιν ἐκπειράζων με καὶ λέγω αὐτῷ Σὺ γὰρ τίς εἶ ἐγὼ γάρ φημί γινώσκω ᾧ παρεδόθην λέγει μοι Οὐκ ἐπιγινώσκεις με Οὔ φημί Ἐγώ φησίν εἰμὶ ὁ ποιμὴν ᾧ παρεδόθης374. Der von Roloff hier ins Feld geführte Text aus Herm vis.V 3 vermag die von ihm formulierte These allerdings kaum zu belegen, da dort von einer wie auch immer zu definierenden Engelsgestalt nicht die Rede ist375.

(d) H. Kraft sieht in den in Apk 2f. auftretenden ‚Gemeindeengeln‘ „Boten der Gemeinden, an die er [d.h. der Apokalyptiker] schreibt“376; diese Gemeindeboten hielten sich in seiner Nähe auf und standen als Überbringer des jeweiligen Sendschreibens zur Verfügung. Dieser Annahme steht der Sachverhalt entgegen, dass in einigen der sieben Sendschreiben zwar die entsprechenden ἄγγελοι, nicht aber die mit diesen aufgrund von Apk 1,20b eben nicht identifizierbaren Gemeinden377 zur Umkehr aufgefordert 370. Vgl. hierzu ausführlich o. 77–92. 371. Text nach B.F. Grenfell/A.S. Hunt, Amherst Papyri I, 11 372. Vgl. hierzu C.D.G. Müller, AscJes, 551. 373. Vgl. hierzu Apk, 46. 374. Text nach A. Lindemann/H. Paulsen, Die Apostolischen Väter, 374. 375. Vgl. zu den möglichen alttestamentlichen, frühjüdischen und auch urchristlichen Belegen zugunsten dieser Deutung der Gestalten der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν neuestens auch m.R. kritisch M. Karrer, Apk I, 284: „Freilich gibt es [außer den Ausführungen in Apk 1,20; 2f.] kein weiteres Beispiel für Gemeindeengel“. 376. Apk, 52; vgl. zu dieser Interpretation bereits F. Spitta, Apk, 38: „Unter diesen Umständen ist wahrhaft kein Grund vorhanden, bei ἄγγελος an irgend eine gewichtige Persönlichkeit zu denken; vielmehr wird die, auch nicht neue, Deutung zu befolgen sein, nach welcher unter ἄγγελος nichts anderes zu verstehen ist, als ein Bote, welchen je die betreffende Gemeinde an Johannes schickte, ihm zu berichten und seine Weisungen mit zurückzunehmen“. 377. Vgl. hierzu ausführlich u. 103–104.

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werden378. Warum aber sollte der in den sieben Sendschreiben redende Christus Boten der einzelnen Gemeinden zur Umkehr aufrufen, nicht jedoch die einzelnen Gemeinden und ihre Glieder selbst379? (e) Dieser Einwand lässt auch die Annahme, hinter den Apk 2f. angeschriebenen ἄγγελοι verbargen sich unter der Oberaufsicht und Leitung des Apokalyptikers380 stehende „prophetic messengers“381, vermittelst derer er seine – tatsächliche oder auch nur empfundene – Jurisdiktionsgewalt über die sieben in der Apk angeschriebenen Gemeinden ausübte, unwahrscheinlich erscheinen; warum sollte der Apokalyptiker solchermaßen definierte Propheten etwa zur Umkehr auffordern? (f) U.a. T. Zahn und W. Hadorn plädieren dafür, die Figuren der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν als „die irdischen Leiter der Gemeinden“382, an die der Apokalyptiker die einzelnen Sendschreiben jeweils richtete, zu interpretieren383. Dass die Bezeichung eines Gemeindeleiters oder Gemeindeverantwortlichen als ἄγγελος sprachlich zumindest nicht unmöglich, u.U. sogar nicht unüblich gewesen ist, belegen einerseits die Ausführungen in Mal 2,7 – hier wird immerhin ein Priester als ‫ה־צ ָב ֖אוֹת‬ ְ ‫הו‬ ֽ ָ ְ‫ ַמ ְל ַ ֥אְך י‬bzw. als ἄγγελος κυρίου, d.h. also als Bote Gottes, bezeichnet384 –, andererseits Hinweise innerhalb der rabbinischen Literatur – „im Rabbinischen erscheinen nicht nur die Priester als Gottes ‫לוּחים‬ ִ ‫ =( ְשׁ‬ἄγγελοι, ἀπόστολοι), d.h. als Gottes Boten u[nd]. Beauftragte, sondern jeder konnte als Gottes ‫ =( ָשׁ ִליַ ח‬ἄγγελος, ἀπόστολος) bezeichnet werden, der in irgendeiner göttlichen Sendung 378. Vgl. hierzu nur die Ausführungen in Apk 2,4f; zu diesen und weiteren Aufforderungen zur Umkehr innerhalb der Sendschreiben vgl. bereits o. 92–93. 379. Vgl. hierzu etwa J. Roloff, Apk, 45: „Eine solche Adressierung widerspricht der in der alten Welt strikt geltenden Regel, wonach der Bote lediglich für die Überbringung einer Botschaft zuständig ist“. 380. Zu einer solchen Funktion des Apokalyptikers vgl. etwa K. Backhaus, Vision, 16–18 und auch O. Cremer, Sohn, 12 mit A. 65. 381. Vgl. hierzu D.E. Aune, Prophecy, 197: „If, as I suspect, the ‚angels‘ of the seven churches … should be regarded as prophetic messengers rather than guardian angels or church officials, it would appear that John is functioning as a kind of master prophet in transmitting revelatory messages to the churches under his (real or assumded) jurisdiction through local prophetic messengers“. Aune schränkt zugleich aber auch ein: „But this is purely hypothetical and incapable of demonstration“. 382. U.B. Müller, Apk 87; nach M. Karrer, Apk I, 282 dominierte dieser Interpretationsansatz die Auslegungen der Apk „vom Mittelalter über die Reformationszeit bis zum 17. Jh.“. 383. Vgl. hierzu W. Hadorn, Apk 38f.; zumindest in diese Richtung scheint auch K. Huber, Menschensohn, 197 zu denken. 384. Vgl. zu diesem Beleg bereits H. Strack/P. Billerbeck, Kommentar III, 791: „Ähnlich wird Hag 1,13 der Prophet u[nd]. Mal 2,7 der Priester ein ‫הוה‬ ֽ ָ ְ‫מ ְל ַ ֥אְך י‬, ַ ein Gottesbote (LXX: ἄγγελος κυρίου) genannt“ und auch D. Völter, Apk, 22. Vgl. hierzu auch J. Noetzel, Maleachi, 128: „Die darauf aufbauende Begründung identifiziert den Boten Jhwh Zebaoths mit dem Priester im ersten Versteil“.

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einherging“385, – schließlich der in der rabbinischen Literatur aufweisbare und mit dem Syntagma ἄγγελος τῆς ἐκκλησίας semantisch deckungsgleiche Terminus ‫צבּוּר ָשׁ ִליַ ח‬, ִ der im Sinne von „‚Gesandter, Beauftragter, Bevollmächtigter der Gemeinde‘“386 zu verstehen ist387. In den Kontext dieses hier diskutierten Deutungsversuchs sind durchaus auch solche Interpretationen einzureihen, die in den ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν nicht unbedingt ‚die‘ monepiskopalen Leiter der irdischen Gemeinden, sondern explizit innerhalb der Gemeinde wirksame christliche Lehrer oder christliche Propheten, denen aufgrund ihrer Lehrer- oder Prophetenposition ein gesamtgemeindlicher Einfluss zukommt, sehen wollen. So geht etwa T.B. Slater davon aus, dass „the angels of the churches might be human prophets within the congregations“388. R. Lülsdorff verweist neben Mal 2,7 als einen weiteren, allerdings bestenfalls mittelbar verwendbaren alttestamentlichen Beleg für die Annahme, hinter dem ἄγγελος-Begriff verberge sich die Bezeichnung für das Amt eines gemeindlichen Entscheidungsträgers, noch auf Koh 5,5; der hier verwendete, im Griechischen mit dem Terminus ἄγγελος wiederzugebende Begriff ‫ ַמ ְל ָאְך‬scheint in ähnlicher Weise auf ein konkretes, womöglich am Tempel ausgeübtes Amt hinzuweisen389. Darüber hinaus sieht Lülsdorff – mit durchaus respektablen Gründen – in 1Tim 3,16; 5,21 den Terminus ἄγγελος in der Bedeutung von ἀπόστολος verwendet390, eine Auslegung, die im Blick auf die Verwendung dieses Terminus in Apk 1,20; 2f. zumindest den theoretischen Raum für die Interpretation der hier begegnenden ‚Gemeindeengel‘ als mit Leitungsaufgaben betraute Glieder dieser ἐκκλησίαι eröffnet391.

385. H. Strack/P. Billerbeck, Kommentar III, 791; zu den entsprechenden Belegen vgl. die entsprechenden Ausführungen zum in Röm 1,1 begegnenden Terminus ἀπόστολος 3f.; vgl. hierzu auch T. Zahn, Apk, 214 386. H. Strack/P. Billerbeck, Kommentar III, 791. 387. Vgl. hierzu auch H.W. Günther, Nah- und Enderwartungshorizont, 151f., A. 240. 388. Christ, 104; vgl. hierzu auch A.-M. Enroth, Hearing Formula, 604. 389. Vgl. hierzu ΕΚΛΕΚΤΟΙ ΑΓΓΕΛΟΙ, 107 mit Verweis auf D.N. Freedman und B.E. Willoughby und dem von ihnen verfassten Artikel im ThWAT; vgl. darüber hinaus auch J. Noetzel, Maleachi, 128, A. 512, die diese Annahme positiv gouttiert. Zustimmend auch etwa A. Lauha, Koh, 100 und T. Krüger, Koh, 210. 390. Vgl. hierzu ΕΚΛΕΚΤΟΙ ΑΓΓΕΛΟΙ, 104–108, bes. 105: „Tatsächlich stimmt die Chronologie also, sobald man unter den ἄγγελοι menschliche Boten Gottes – eine sachliche Parallele zu den ἀπόστολοι – versteht“; die Position Lülsdorffs wird akzeptiert von K. Huber, Menschensohn, 196. 391. Im Blick auf Apk 1,20; 2f. und die Interpretation der Figuren der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν formuliert Lülsdorff, hier Ausführungen von P. Billerbeck und H. Strack aufnehmend: „Man wird deshalb unter den ἄγγελοι Menschen zu verstehen haben, die ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν genannt wurden, weil sie Gottes Gesandte, Beauftragte, Bevollmächtigte im Dienste an der Gemeinde waren, d.h. Männer, die in den Gemeinden an leitender Stelle standen“ (ΕΚΛΕΚΤΟΙ ΑΓΓΕΛΟΙ, 106).

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Neben den Argumenten, die o. bereits gegen die Interpretation dieser Figuren als Schutzengel oder als himmlische Doppelgänger irdischer Gemeinden angeführt worden sind und die – ins Positive gewendet – die etwa von Zahn und Hadorn vertretene Deutung derselben zu stützen vermögen, sprechen folgende weitere Erwägungen ganz unmittelbar für diese Interpretation: (1) Die Ausführungen in Apk 2,20a lassen sich vor dem Hintergrund dieser These zwanglos plausibilisieren: ἀλλὰ ἔχω κατὰ σοῦ ὅτι ἀφεῖς τὴν γυναῖκα Ἰεζάβελ, ἡ λέγουσα ἑαυτὴν προφῆτιν καὶ διδάσκει καὶ πλανᾷ τοὺς ἐμοὺς δούλους πορνεῦσαι καὶ φαγεῖν εἰδωλόθυτα; der Hinweis, dass der für dasselbe augenscheinlich durchaus verantwortlich zeichnende392 ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας das Wirken der προφῆτις Ἰεζάβελ toleriert (ἀφεῖς393), spricht dafür, dass jener als jemand, der mit der Gemeinde zu Thyatira nicht unmittelbar identifiziert werden darf394, innerhalb derselben offensichtlich die Macht besaß, ein solches Wirken auch zu unterbinden, somit also in der Gemeinde zumindest Einfluss, wenn auch sicherlich nicht das Amt ‚des‘ Gemeindeleiters ausübte395. (2) Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass ausweislich des textkritischen Apparates des NA sowohl der Codex A als auch die Minuskeln 1006, 1841, 1854 und 2351 in Apk 2,20a anstelle des augenscheinlich besser bezeugten396 Textes ἀλλὰ ἔχω κατὰ σοῦ ὅτι ἀφεῖς τὴν γυναῖκα Ἰεζάβελ die Lesart ἀλλὰ ἔχω κατὰ σοῦ ὅτι 392. Vgl. zu dem hier verwendeten Verbum ἀφίημι und seiner diesen interpretatorischen Kontext abdeckenden Semantik etwa I.T. Beckwith, Apk, 466, der – wenn auch in einem anderen interpretatorischen Rahmen – durchaus m.R. formuliert: „…, and the church [d.h. die Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας] is held responsible [!] for her [d.h. der Ἰεζάβελ] activity“. 393. Vgl. zu dieser Übersetzung des Verbums ἀφίημι etwa W. Bauer/B. Aland, Wörterbuch, s.v. ἀφίημι, 253; Bauer und Aland übersetzt mit „gewähren lassen“. 394. Vgl. hierzu u. 214–216. 395. Anders hier etwa A. Satake, Apk, 170: „Mit V. 20 setzt der Tadel der Gemeinde ein; sie lasse das Weib Isebel, eine falsche Prophetin, gewähren“, oder auch U.B. Müller, Apk, 118: „Johannes klagt die Gemeinde an, daß sie eine bekannte Frau bei sich wirken läßt, die vom Seher so apostrophierte Prophetin ‚Isebel‘. Es scheint, daß die Gemeinde diese Frau als Lehrerin und Prophetin anerkannte“. Die Annahme, dass in Apk 2,20 die thyatirische Gemeinde in ihrer Gesamtheit angeklagt wird, implizierte letztlich, dass die um die προφῆτις Ἰεζάβελ sich scharende Gruppe als eine von außerhalb in diese Gemeinde einwirkende und von der eigentlichen Gemeinde zu unterscheidende zu charakterisieren wäre; für diese Annahme bietet der Text dieses Sendschreibens selbst allerdings keinerlei Anhalt. 396. Anders hier O. Cremer, Sohn Gottes, 37, A. 189, der diese alternative Lesart für „gut bezeugt.“ hält, ohne sich jedoch umfassend mit dem textkritischen Problem auseinanderzusetzen, und T. Zahn, Apk, 286–288; vgl. hierzu jedoch D.E. Aune, Apk I, 197, der noch weitere Zeugen für diese alternative Lesart benennt. Zur Wertigkeit der Textzeugen der Apk und den daraus zu ziehenden Konsequenzen vgl. neuestens M. Karrer, Apk I, 75–79; in diesem Zusammenhang stellt Karrer fest: „Der A-Text [d.h. die Papyri P18, P24, P98 und P115 sowie die Majuskeln A und C, die Minuskel 0163 und die Überlieferung bei Oecumenius; vgl. 72] ist etwas älter und besser als der S-Text [d.h. die Papyri P47 und P85, die Minuskeln 0207 und 0169,

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ἀφεῖς τὴν γυναῖκα σου [τὴν] Ἰεζάβελ, die Figur der Ἰεζάβελ also als Ehefrau des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας erscheinen lassen397. Auch wenn diese Lesart womöglich nicht als die ursprüngliche angenommen werden kann, so belegt sie doch, dass die entsprechenden Abschreiber die Gestalt der Ἰεζάβελ offensichtlich als Ehefrau des thyatirischen ‚Gemeindeengels‘ angesehen haben398, was seinerseits bedeutet, dass sie die Gestalt dieses ἄγγελος als eine irdische Person begriffen haben müssen, was wiederum heißt, dass dieser Terminus diesen semantischen Inhalt augenscheinlich durchaus transportieren konnte. In den Kontext dieser textkritischen Überlegungen gehört auch der Hinweis M. Karrers auf die von Codex A gebotene Überlieferung der das Sendschreiben an den thyatirischen Gemeindeengel einleitenden Botenformel Apk 2,18a; dieser Codex liest als Botenformel: τῷ ἀγγέλῳ τῷ ἐν Θυατίροις399, lässt also den „>Engel< in der Gemeinde irdisch tätig“400 sein, ohne ihn auch nur im Ansatz als eine himmlische Figur darzustellen. Inwieweit diese von Codex A gebotene Lesart allerdings als ursprünglich gelten kann, muss letztlich mehr als fraglich bleiben.

(3) Auch die Einlassungen in Apk 3,1b.2a geben unter der Voraussetzung, bei dem ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας handele es sich um einen in dieser Gemeinde Einfluss ausübenden Funktionsträger, einen guten Sinn: οἶδά σου τὰ ἔργα ὅτι ὄνομα ἔχεις ὅτι ζῇς, καὶ νεκρὸς εἶ (2) γίνου γρηγορῶν καὶ στήρισον τὰ λοιπὰ ἃ ἔμελλον ἀποθανεῖν401. Kaum zu verstehen wären ‫ א‬und die Zitate bei Origines; vgl. 72] nachgewiesen. Die in Nestle Aland 26–28 begonnene Revision der Apk in Richtung auf den A-Text und sein Umfeld hat darum gute Gründe“ (77). 397. Vgl. hierzu etwa T. Zahn, Apk, 288; Zahn zufolge stehe fest, „daß dieses Weib [d.h. Ἰεζάβελ] die Ehegattin des Bischofs [d.h. des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας] war“; vgl. darüber hinaus neuestens M. Karrer, Apk I, 283, der an anderer Stelle zwei unterschiedliche Deutungen dieses Possesivpronomens erwägt, einerseits nämlich im – eher geläufigen – Sinne von ‚Ehefrau‘, andererseits aber auch im Sinne von „‚die Ehefrau bei dir / in deiner Verantwortung‘“ (329). Träfe letztere zu, ließe sich „weiterhin eine überirdische Deutung des Gemeindeengels“ (329) aufrechterhalten. Diesem zweiten Deutungsvorschlag widerrät allerdings die sich dann aufdrängende, letztlich jedoch kaum zu plausibilisierende interpretatorische Konsequenz, dass der Apokalyptiker in Apk 2,20 dann von der Prophetin Ἰεζάβελ als von der Ehefrau eines noch dazu unbekannt bleibenden Ehemannes spräche, ohne dass dies für die Argumentation in diesem Sendschreiben von auch nur irgendeiner Relevanz wäre. 398. D.E. Aune, Apk I, 197 möchte, wie schon B. Weiß, Apk, 162, die Ergänzung des Possesivums σου als motiviert durch „the frequency with which σου occurs in the preceding verses“ begreifen. Hier m.R. kritisch T. Zahn, Apk, 287. 399. Vgl. hierzu Apk I, 283. 400. Apk I, 283. 401. Vgl. hierzu etwa A. Satake, Apk, 147: „Diese [d.h. die u.a. von T. Zahn und W. Hadorn vorgeschlagene] Deutung passt in 3,2 gut, wo vom Gemeindeengel aufgefordert wird, den ‚Rest‘ zu stärken“, und – noch deutlicher – 178: „Diese [in Apk 3,2a vorliegenden] Mahnungen, besonders die zweite, könnten den Eindruck vermitteln, als handelte es sich beim Gemeindeengel um den Gemeindevorsteher. Auch der Gedanke, sich um andere Gemeindeglieder zu

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jene hingegen, würde dieser ἄγγελος mit der sardischen Gemeinde in ihrer Gesamtheit unmittelbar identifiziert und ineins gesetzt; dann nämlich forderte der in diesem Sendschreiben redende Christus eine bereits verstorbene oder doch zumindest schlafende Gemeinde auf, wach zu werden und ‚das Übrige‘ – was immer das dann jenseits dieser ἐκκλησία aber überhaupt noch sein mag oder sein kann402 –, das sterben will, zu stärken403. Diese interpretatorische Schwierigkeit besteht nicht, wird der ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας als ein mit einer wie auch immer näherhin zu definierenden Leitungsfunktion und -verantwortung ausgestattetes Gemeindeglied verstanden, das der in diesem Sendschreiben redenden Christus auffordert, seine eigene persönliche religiöse und theologische Lethargie hinter sich zu lassen und die übrige Gemeinde, die zu sterben im Begriff ist, mit neuen geistlichen Impulsen wieder zu beleben404. (4) Schließlich scheinen die Ausführungen in Dan 12,3MT/LXX durchaus geeignet, die Interpretation der Gestalten der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν als innerhalb der einzelnen Gemeinden wirksame, im Rahmen der Lehre und der (prophetischen) Verkündigung Verantwortung tragende Funktionsträger zu stützen. Hier nämlich werden diejenigen, die Einsicht haben405, als solche charakterisiert, die – zur Zeit der Errettung derjenigen aus dem Volk Israel, deren Namen in dem ‫ס ֶפר‬/βιβλίον ֵ (Dan 12,1) aufgezeichnet sind, somit also am Ende der Zeit – glänzen werden wie der Glanz des Himmels, und diejenigen, die den

kümmern, ist in den Sendschreiben sonst beispiellos“. Wenig überzeugend hier U.B. Müller, Apk, 125: „Auffällig ist, daß der Gemeindeengel (‚du‘) betont zur Stärkung der sterbenden Glieder der Gemeinde aufgerufen wird. Dieser Ruf geht zwar zunächst an ihn als den himmlischen Repräsentaten derselben; gleichwohl ist damit die Gemeinde als ganze gemeint“. 402. Sicherlich ist mit D.E. Aune, Apk I, 216 davon auszugehen, dass dieser Terminus „refers here to people rather than things“; anders hier jedoch G.K. Beale, Apk, 273: „The mention of ‚remaining things‘ … implies that the readers have begun a life of faithful service, but something has happened that impeded further progress. There are still some things left for these Christians to do to show the genuineness of their faith and the legitimacy of the Christian ‚name‘ that they profess“. 403. Vgl. hierzu etwa D.E. Aune, Apk I, 219: „Here the author shifts the metaphor from characterizing the congregation as a whole as being ‚dead,‘ to describing some members of the congregation who are not ‚dead‘ but rather weak and ‚on the point of death‘“. 404. Vgl. hierzu etwa T. Zahn, Apk, 299: „Als Seelsorger soll er [d.h. der ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας] diejenigen Glieder seiner Gemeinde, die bisher schon seit einiger Zeit im Begriff waren, demselben schlafähnlichen Todeszustand zu verfallen, in welchem er sich jetzt schon befindet, stärken“, und W. Hadorn, Apk, 57: „Der Vorsteher soll wach werden …, damit er das Übrige, nicht das in seiner Seele noch vorhandene Gute, sondern den abgesehen von dem v 4 genannten noch übrigen Teil der Gemeinde, der durch seine Schuld schon im Begriff war, zu sterben, stärke und am Leben erhalte“. 405. Zur Übersetzung des Hifil des Verbums ‫ שׂכל‬vgl. W. Köhler/W. Baumgartner, Lexicon, 922.

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Vielen Recht schaffen406, als solche, die für alle Zeit strahlen werden wie die Sterne: .‫עוֹלם וָ ֶ ֽעד‬ ֥ ָ ‫כּוֹכ ִ ֖בים ְל‬ ָ ‫יקי ָ ֽה ַר ִ֔בּים ַכּ‬ ֙ ֵ ‫וּמ ְצ ִדּ‬ ַ ‫וְ ַ֙ה ַמּ ְשׂ ִכּ ֔ ִלים יַ זְ ִ ֖הרוּ ְכּ ֹ֣ז ַהר ָה ָר ִ ֑ ק ַיע‬

Diese Aussage wird in ähnlicher Form auch in der LXX-Fassung von Dan 12,3407 – καὶ οἱ συνιέντες φανοῦσιν ὡς φωστῆρες τοῦ οὐρανοῦ καὶ οἱ κατισχύοντες τοὺς λόγους μου ὡσεὶ τὰ ἄστρα τοῦ οὐρανοῦ εἰς τὸν αἰῶνα τοῦ αἰῶνος – zum Ausdruck gebracht408, wobei die Phrase οἱ κατισχύοντες τοὺς λόγους hier durchaus eine Lehr- oder Verkündigungstätigkeit insinuieren könnte409. Der – auf irdische Menschen bezogene – Impetus des in Dan 12,3MT, vor allem aber derjenige des in Dan 12,3LXX Ausgeführten öffnen daher zumindest den Raum für die Annahme, dass der Apokalyptiker in den nach Apk 1,20bα durch die ἑπτὰ ἀστέρες dargestellten sieben ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν solche erblickte, die in den einzelnen Gemeinden in der Gegenwart ein 406. Zur Übersetzung des hier im Hifil stehenden Verbums ‫ צדק‬vgl. W. Köhler/W. Baumgartner, Lexicon, 794. 407. Die Theodotion-Fassung von Dan 12,3 bietet einen deutlich anderen Akzent; hier symbolisieren die ἀστέρες nicht solche, die Recht schaffen, sondern, solche, die selbst gerecht handeln: καὶ οἱ συνιέντες ἐκλάμψουσιν ὡς ἡ λαμπρότης τοῦ στερεώματος καὶ ἀπὸ τῶν δικαίων τῶν πολλῶν ὡς οἱ ἀστέρες εἰς τοὺς αἰῶνας καὶ ἔτι. 408. Vgl. hierzu durchaus m.R. G.K. Beale, Apk, 218: „The ‚stars‘ of Dan. 12:3 refer to the ‚wise‘ of Israel who are rewarded with the status of heavenly glory“; um so überraschender allerdings muss die Fortsetzung Beales anmuten: „This does not mean that ἄγγελοι in Rev. 1:20 refers exclusively to human leaders of the churches but probably that John also associated the ‚stars‘ of Daniel with heavenly beings in general“. 409. Vgl. hierzu die Darstellung der Verarbeitung dieses Motivs in der rabbinischen Literatur o. 85–86. Sämtliche Texte sprechen hier von irdischen Menschen. Vgl. zumindest im Grundsatz auch O. Cremer, Sohn Gottes, 30, der die s.E. von den durch die ἑπτὰ ἀστέρες symbolisierten Engelfiguren allerdings notwendigerweise zu unterscheidenden sieben ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν in einen himmlischen Kontext rücken möchte: „Denn die mit den Sternen verglichenen verklärten Lehrer in Dan 12,3 zeichneten sich in ihrem irdischen Leben durch ein Festhalten am rechten Glauben und die beständige Weitergabe dieses Glaubens aus. Und das taten sie trotz des Erleidens von Repressalien, womöglich sogar des Märtyrertodes (Dan 11,33f). Auf solche im Glauben bewährten, auferweckten, jetzt himmlischen Individuen, die wie Sterne am Himmel leuchten, spielt Offb 1,16a an, wenn dort Christus mit sieben Sternen in seiner Rechten geschildert wird“, und darüber hinaus dann, auf die Gestalten der ‚Gemeindeengel‘ bezogen, 37: „Die Engel [, d.h. die ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν,] sind himmlische Gestalten, stammen aber aus den irdischen Gemeinden, in denen sie wahrscheinlich eine Leitungs- oder Lehrfunktion o.ä. inne hatten“. Das entscheidende Problem dieser Interpretation liefert Cremer selbst, wenn er schreibt: „Lob und Tadel dieser Engel in den Sendschreiben erklären sich dann recht unkompliziert als Beurteilung des zurückliegenden Wirkens der ersten Gemeindelehrer und seiner aktuellen Wirkung“ (36f.). Wie aber sind dann die in den Sendschreiben immer wieder belegten, an die einzelnen ἄγγελοι gerichteten und mit konkreten Erwartungen und auch Drohungen verknüpften Rufe zur Umkehr zu interpretieren, die doch nicht auf die gegenwärtigen Wirkungen des in der Vergangenheit Platz gegriffen habenden Verhaltens der angeschriebenen ἄγγελοι, sondern unmittelbar auf deren aktuelles Verhalten selbst abzielen?

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verantwortliches Lehramt ausübten, auch wenn die in Dan 12,3 im Hintergrund stehende eschatologische Perspektive in Apk 1,20; 2f. fehlt410. G.K. Beale unternimmt in seinem Apk-Kommentar im Rahmen seines Unterfangens, die Gestalten der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν als „heavenly angels who represent the church“ zu erweisen411, den Versuch, die etwa in Dan 12,3 angesprochenen Personen bzw. Personengruppen, d.h. die Einsichtigen und die Recht Schaffenden, wenn womöglich nicht als himmlische Wesen zu klassifizieren, so aber doch ontologisch zumindest in die Nähe solcher zu rücken, da ihr ontologischer Status mit demjenigen von im Himmel zu verortenden Engeln verglichen bzw. gleichgesetzt werde412. Diese Gleichsetzung müsse im Kontext der in der alttestamentlichen und der frühjüdischen Literatur reich bezeugten Metaphorisierung sowohl von Engeln als auch von Heiligen bzw. Gerechten als Sterne verstanden und nachvollzogen werden413. Ließe sich dies erhärten, könnten die Ausführungen in Dan 12,3 nicht mehr als ein die Deutung der Figuren der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν Apk 1,20; 2f. auf irdische Funktions- oder Leitungsträger der sieben in der Apk angeschriebenen Gemeinden stützender Beleg angesehen werden; sie indizierten dann vielmehr im Gegenteil deren Interpretation als Himmelswesen und ermöglichten letztendlich zugleich auch deren Identifikation mit den ἐκκλησίαι in ihrer Gesamtheit. Die von Beale im Einzelnen vorgelegte Argumentation vermag freilich nicht zu überzeugen: (a) Der Sachverhalt, dass in Dan 12,1MT/LXX die Figur des ‫ל־בּ ֵנ֣י ַע ֶמָּך‬ ְ ‫יכ ֵ֜אל ַה ַ ֣שּׂר ַהגָּ ֗דוֹל ָהע ֵֹמ ֮ד ַע‬ ָ ‫מ‬/Μιχαηλ ִֽ ὁ ἄγγελος ὁ μέγας ὁ ἑστηκὼς ἐπὶ τοὺς υἱοὺς τοῦ λαου414 erscheint, rechtfertigt in keinem Falle die Annahme einer möglichen Identifikation der in Dan 12,3MT/ LXX begegnenden ‫כּוֹכ ִ ֖בים‬/ἄστρα ָ (nach der Th-Fassung ἀστέρες) mit Engelwesen415. (b) Der in Dan 8,10 begegnende Begriff ‫כּוֹכ ִבים‬/ἀστέρες ָ bezöge sich, wie die Ausführungen in Dan 8,11; 7,27 und 8,24 nahelegten, auf Engel und stelle eine Metapher für jene dar416. Die Lektüre der von Beale angegebenen Belege in ihrer Gesamtheit vermag diese Deutung jedoch weder unmittelbar noch mittelbar wahrָ τέρες aus Dan 8,10 sind vielmehr schlicht scheinlich zu machen417; die ‫כּוֹכ ִבים‬/ἀσ als – neben dem ‫ ְצ ָ ֣בא ַה ָשּׁ ָ ֑מיִם‬im Himmel existierende – Himmelskörper zu verstehen. 410. Zu Herm sim X 27,3 (104,3) als einem weiteren möglichen Beleg für die Deutung der Gruppe der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν Apk 1,20; 2f. auf irdische Gemeindeleiter vgl.u. 109–110. 411. Apk, 218. 412. Vgl. hierzu Apk, 218: „Indeed, Dan. 12:3 probably likens the heavenly status of resurrected Israelites to that of angels“. 413. Vgl. hierzu Apk, 218; hier formuliert Beale als Überschrift: „Stars as metaphorical for both saints and angels in the OT and Judaism“. 414. Vgl. hierzu den Text der Th-Fassung, der stärker die herrschaftliche Funktion der Figur des Michael zu reflektieren scheint: Μιχαηλ ὁ ἄρχων ὁ μέγας ὁ ἑστηκὼς ἐπὶ τοὺς υἱοὺς τοῦ λαοῦ σου. 415. Anders hier G.K. Beale, Apk, 218: „…, since Michael is seen as the guardian ‚angel‘ of Israel in Dan. 12:1 … and is associated directly with the ‚stars‘ of 12:3“, 416. Vgl. hierzu Apk, 218: „… since ‚stars‘ in Dan. 8:10 refer to angels, as borne out by 8:11; 7:27; and 8:24“. 417. Die Ausführungen von Dan 8,10MT legen eher eine Unterscheidung denn eine Identifikation von Engeln und Sternen nahe: ‫כּוֹכ ִ ֖בים‬ ָ ‫ן־ה‬ ַ ‫וּמ‬ ִ ‫ן־ה ָצּ ָ ֥בא‬ ַ ‫ד־צ ָ ֣בא ַה ָשּׁ ָ ֑מיִם וַ ַתּ ֵ ֥פּל ַ ֛א ְר ָצה ִמ‬ ְ ‫וַ ִתּגְ ַ ֖דּל ַע‬ ‫ו ִתּ ְר ְמ ֵ ֽסם‬,ֽ ַ eine Beobachtung, die in gleicher Weise auch auf Dan 8,10Th zutrifft: ἐμεγαλύνθη ἕως τῆς δυνάμεως τοῦ οὐρανοῦ καὶ ἔπεσεν ἐπὶ τὴν γῆν ἀπὸ τῆς δυνάμεως τοῦ οὐρανοῦ καὶ ἀπὸ

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(c) In 1Hen 104,2–6 werden, wie die Durchsicht dieser Passage erweist, die Gerechten bzw. die „believers who endure tribulation“418, im Blick auf ihre Erscheinung am noch zukünftigen Tage des Gerichts, also im futurisch-eschatologischen Horizont, zwar mit Engeln und – zumindest mittelbar – auch mit den Sternen verglichen bzw. in jeweils unterschiedlichen Aspekten mit jenen parallelisiert419, nicht aber – womöglich auf dem Weg einer Metaphorisierung – mit diesen identifiziert: „Hofft, denn zuerst (hattet) ihr Schmach durch Unglück und Not, aber jetzt werdet ihr leuchten wie das Licht des Himmels, ihr werdet leuchten und werdet scheinen, und das Tor des Himmels wird für euch geöffnet werden. (3) Und mit eurem Geschrei schreit nach Gericht, und es wird erscheinen, denn von den Herrschern wird Rechenschaft gefordert (für) all eure Bedrängnis und von all jenen, die denen geholfen haben, die euch beraubten. (4) Hofft und gebt eure Hoffnung nicht auf, denn ihr werdet große Freude haben wie die Engel im Himmel. (5) Was werdet ihr (dann) tun müssen? Ihr müßt euch nicht verbergen an dem Tag des großen Gerichtes, und ihr werdet nicht als Sünder erachtet werden; und das ewige Gericht wird für alle ewigen Generationen fern von euch sein. (6) Und nun fürchtet euch nicht, ihr Gerechten, wenn ihr die Sünder stark werden und (mit) ihrem Weg Glück haben seht, habt keine Gemeinschaft mit ihnen, sondern haltet euch von ihrer Gewalttat fern, denn ihr sollt Gemeinschaft mit τῶν ἄστρων καὶ συνεπάτησεν αὐτά. Dan 8,10LXX lässt hingegen keinerlei Anspielung auf Engelwesen erkennen: καὶ ὑψώθη ἕως τῶν ἀστέρων τοῦ οὐρανοῦ καὶ ἐρράχθη ἐπὶ τὴν γῆν ἀπὸ τῶν ἀστέρων καὶ ἀπὸ αὐτῶν κατεπατήθη. Gleiches gilt auch hinsichtlich der Belege Dan 8,11; 7,27; 8,24; im Blick auf die letzten beiden räumt Beale selbst ein: „The latter two read ‚people of the saints‘ and may be intentionally ambiguous so as to allude both to angels and to Israelite saints“ (Apk, 218). Auch in 2Hen 66,7 geht es, wie Beale letzten Endes selbst einräumt (die Texte 2Hen 66,7; 4Makk 17,5; LibAnt 33,5 und 4Esr 7,95f. „linken deceased saints who have suffered to shining stars“ [Apk, 218]), nicht um Engelwesen: „Wie glücklich sind die Gerechten, die dem Gericht des Herren entrinnen; sie werden glänzen siebenmal heller als die Sonne“ (Übersetzung nach F.I. Anderson, 2Hen, 194), ebenso wenig in 4Makk 17,5: οὐχ οὕτως σελήνη κατ᾽ οὐρανὸν σὺν ἄστροις σεμνὴ καθέστηκεν ὡς σὺ τοὺς ἰσαστέρους ἑπτὰ παῖδας φωταγωγήσασα πρὸς τὴν εὐσέβειαν ἔντιμος καθέστηκας θεῷ καὶ ἐστήρισαι σὺν αὐτοῖς ἐν οὐρανῷ, in LibAnt 33,5: „Da antwortete Debora und sprach zu dem Volk: ‚Solange der Mensch lebt, kann er beten für sich und seine Söhne; nach seinem Ende wird er nicht beten, vielmehr auch niemandes eingedenk sein können. Darum hofft nicht auf eure Väter. Sie werden euch nämlich nicht nützen, wenn ihr ihnen nicht ähnlich erfunden werdet. Es wird aber eure Gestalt dann sein wie die Gestirne des Himmels, die jetzt bei euch bekannt sind‘“ (Übersetzung nach C. Dietzfelbinger, LibAnt, 199f.), oder in 4Esr 7,95f.: „die fünfte [Stufe], daß sie jubeln darüber, daß sie der Vergänglichkeit entflohen sind und das Künftige erben sollen, ferner, daß sie die mühevolle Enge sehen, von der sie befreit sind, und die Weite, die sie genießen sollen als Unsterbliche; (97) die sechste, daß ihnen gezeigt wird, wie ihr Gesicht wie die Sonne leuchten soll und wie sie dem Licht der Sterne gleichen sollen, von nun an nicht mehr vergänglich“ (Übersetzung nach J. Schreiner 4Esr, 355). 418. Apk, 218. 419. Vgl. hierzu auch die Ausführungen von G.K. Beale selbst: „1 En.104:2–6 develops Daniel 12:3 in this manner by promising believers who endure tribulation that they ‚will shine like the lights of heaven … will have great joy like the angels of heaven … will become companions of the hosts of heaven‘“ (Apk, 218). Die von Beale hier vorgelegte Übersetzung lässt klar erkennen: (a) Die hier geschauten Realitäten greifen erst in der Zukunft Platz. (b) Eine wirkliche Identifikation der Gerechten mit Engeln oder Sternen wird gerade nicht expliziert.

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den Guten des Himmels haben“420. Darüber hinaus lässt sich aus diesem Text gerade nicht entnehmen, dass die hier angesprochenen Gerechten insbesondere in ihrer gegenwärtigen Existenz als himmlische Wesen verstanden werden sollen, ein Momentum, das aber essentiell wäre, wollte man 1Hen 104,2–6 als Hintergrund bzw. Subtext für die Interpretation der Figuren der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν Apk 1,20; 2f. verwenden421; alles spricht vielmehr dafür, die in 1Hen 104 genannten Gerechten bzw. „believers who endure tribulation“ in ihrem gegenwärtigen Status (noch) als irdische Wesen zu begreifen. In diesem Sinne lässt sich 1Hen 104,2–6 dann jedoch eher als Beleg für die Interpretation der Gestalten der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν als irdische denn als himmlische Wesen anführen. (d) Diese letztlich vergleichende und parallelisierende Perspektive lassen auch die Ausführungen in 2Bar 51,5.10 durchscheinen: „Darum – wenn sie sehen werden, daß die, über die sie sich jetzt hoch erhaben dünkten, alsdann erhoben und verherrlicht werden weit mehr als sie und verwandelt werden diese wie auch jene – zum Glanz der Engel diese [d.h. die Gerechten, Einsichtigen und Weisen; vgl. 51,.73], jene (aber) zu bestürzenden Erscheinungen und gräßlichen Gestalten – noch schlimmer werden sie vergehen. … (10) Denn in den Höhen jener Welt wird ihre Wohnung sein; sie werden Engeln gleichen und den Sternen ähnlich sein. Sie werden sich wandeln in jegliche Gestalt, die sie nur wünschen – von Schönheit bis zur Lieblichkeit, vom Licht zum Glanz der Herrlichkeit“422. Darüber hinaus beziehen sich diese Einlassungen auf zum gegenwärtigen Zeitpunkt in jedem Falle noch irdische Wesen, deren eschatologische Zukunft hier thematisiert wird. Da es sich bei den Gestalten der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν Apk 1,20; 2f. in jedem Falle um zum Zeitpunkt der Abfassung der Apk gegenwärtige Wesen handelt, vermögen die möglicherweise auf eine eschatologische Identifikation der Gerechten, Einsichtigen und Weisen mit Sternen und/oder Engeln zielenden Ausführungen aus 2Bar 51 nicht

420. Übersetzung nach S. Uhlig, 1Hen, 739f.; in der Passage 1Hen 43,1–44,1 scheinen die auf dem Festland – d.h. doch wohl auf der Erde und eben gerade nicht im Himmel – wohnenden Gerechten zwar durchaus mit den Sternen, aber eben gerade nicht mit Engeln identifiziert zu werden: „Und ich sah wiederum Blitze und die Sterne des Himmels. Und ich sah, wie er sie je (einzeln) bei ihrem Namen rief und (wie) sie auf ihn hörten. (2) Und ich sah die gerechte Waage, wie sie (darauf) gewogen wurden nach ihrem Licht, nach der Weite ihrer Räume und dem Tag ihres Aufgehens, und (ich sah, wie) ihre Umdrehung den Blitz erzeugt, (und ich sah) ihren Umlauf entsprechend der Zahl der Engel und (wie) sie sich untereinanter ihre Treue bewahren. (3) Und ich fragte den Engel, der mit mir ging, der mir das Verborgene gezeigt hatte: ‚Was (sind) diese?‘ (4) Und er sprach zu mir: ‚Ein Gleichnis hat dir der Herr der Geister an ihnen gezeigt: Das sind die Namen der Heiligen, die auf dem Festland wohnen und an den Namen des Herrn der Geister von Ewigkeit zu Ewigkeit glauben.‘ (44,1) Und noch anderes sah ich hinsichtlich der Sterne: wie sich einige von den Sternen erheben und zu Blitzen werden und (diese) ihre Gestalt nicht (mehr) verlassen können“ (Übersetzung nach S. Uhlig, 1Hen, 584f.). 421. Anders hier jedoch G.K. Beale, Apk, 219: „The tradition of associating Israel with angels … is set in contexts either of inaugurated eschatology (Qumran) or of the latter-day ressurection, which makes it all the more suitable as a background for the context of Rev. 1:20, where the same two eschatological features are found (in this respect, Christ’s resurrection is identified with that of eschatological Israel“. Diese Ausführungen Beales treffen im Kontext einer explizit theologischen Interpretation der Apk u.U. zu, lassen sich jedoch im Rahmen des Versuchs einer historisch-kritischen Auslegung kaum aufrechterhalten, zumal der Apokalyptiker die allgemeine Auferstehung der Christen deutlich als zukünftig beschreibt. 422. Übersetzung nach A.F.J. Klijn, 2Bar, 156.

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als Beleg für die Deutung der Figuren der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν aus Apk 1,20; 2f. als himmlische Engelwesen zu dienen423. (e) Nach 1QSa II 8–11 finden sich in der qumranischen Gemeinde ‚Engel der Heiligkeit‘ (‫)קוֹדשׁ ַמ ֽל ֲא ֵכי‬, ֶ die „die Gewißheit des Segens Gottes in der [gesamten] ֶ ‫)ע ֵצת ַה‬ ֲ begründen. Vor diesem Rat, Gemeinde“424 als dem ‚Rat der Heiligkeit‘ (‫קּוֹדשׁ‬ nach 1QS II 25 der Versammlung der gesamten männlichen Gemeinde, dürfen diejenigen Männer nicht erscheinen, die mit einer Unreinheit geschlagen sind (1QSa II 3): ‫]נ[וֹשׁי ַה ֵשּׁם ִכּיא ַמ ֽל ֲא ֵכי‬ ֵ ‫]בּ[תוְֹך ֲע ֵדת ֲא‬ ְ ‫ַאל יׇב]וֹאוּ[ ֵא ֶלּה ְל ִה ְתיַ ֵצּב‬ ְ ָ ‫]בּ ֲע ָד‬ ַ ‫קוֹדשׁ‬ ֶ (9) ‫קּוֹדשׁ‬ ֶ ‫[א ֶלּה ְל ַד ֶבּר ֶאל ֲע ֵצת ַה‬ ֵ ‫[תם › וְ ִאם יֵ שׁ ָדּ ָב]ר ְל ַא ַחד ֵמ‬ ‫]ה ֵע ָדה לוֹ[א יָבוֹ ָה ִאישׁ ִכּיא ְמנוּגָּ ע‬ ָ ‫[דוֹרשׁ]וּהוּ[ ִמ ִפּיהוּ וְ ֶאל תּוְֹך‬ ְ ְ‫( ]י‬10) .425‫( ֽה]וּ[א‬11) Diese Ausführungen lassen keinesfalls den Schluss zu, dass hier die einzelnen Glieder der männlichen Gemeinde in ihrer Gesamtheit mit den ‫קוֹדשׁ ַמ ֽל ֲא ֵכי‬ ֶ identifiziert werden. Die Gemeindeglieder bleiben im Blick auf ihren ontologischen Status irdische und werden in keinem Falle zu himmlischen Wesen. Dies gilt in gleicher Weise im Blick auf 1QM VII 4–6426. (f) Die Einlassungen in Herm sim X 27,3 (104,3) lassen zwar – im Unterschied zu den zuvor diskutierten, ausschließlich futurisch-eschatologisch konnotierten Belegen 1Hen 104,2–6 und 2Bar 51,5.10 – die hier angesprochenen ἐπίσκοποι und φιλόξενοι schon in der Gegenwart einen Platz bei den Engeln haben, identifizieren diese aber nicht mit jenen, sondern lassen sie deutlich als irdische Wesen auftreten427: οὗτοι οὖν πάντες σκεπασθήσονται ὑπὸ τοῦ κυρίου διαπαντός οἱ οὖν ταῦτα ἐργασάμενοι ἔνδοξοί εἰσι παρὰ τῷ θεῷ καὶ ἤδη ὁ τόπος αὐτῶν μετὰ τῶν ἀγγέλων ἐστίν ἐὰν ἐπιμείνωσιν ἕως τέλους λειτοργοῦντες τῷ κυρίῳ428. Insofern stellt Herm sim. X 27,3 423. Dies gilt auch für Ausführungen wie etwa diejenigen in Lk 20,36: οὐδὲ γὰρ ἀποθανεῖν ἔτι δύνανται, ἰσάγγελοι γάρ εἰσιν καὶ υἱοί εἰσιν θεοῦ τῆς ἀναστάσεως υἱοὶ ὄντες. Die Engelsgleichheit wird hier den Auferstandenen, nicht aber den Irdischen zugebilligt; vgl. zu weiteren Belegen auch M. Wolter, Lk, 658. W. Eckey, Lk II, 837 spricht im Blick auf Lk 20,35f. explizit vom „Leben in der kommenden Welt“. 424. H. Lichtenberger, Menschenbild, 226. 425. „Nicht dürfen diese kom[men], um [in]mitten der Gemeinde der angesehenen Männer einen Platz einzunehmen; denn die Engel (9) der Heiligkeit sind [in ihrer Ge]meinde. Und wenn [einer von] diesen dem Rat der Heiligkeit etwas zu sagen hat, (10) so sollen sie es [von ihm] erfragen, aber in die Mitte [der Gemeinde] darf der Mann [nic]ht kommen, denn geschlagen ist (11) [e]r“; Text und Übersetzung nach E. Lohse, Texte aus Qumran, 50f. 426. Vgl. hierzu wiederum H. Lichtenberger, Menschenbild, 226. In 1QH III 19–23; XI 3–14, den letzten beiden der von G.K. Beale zugunsten seiner These angeführten Belegen der Qumranliteratur begegnet zwar der Begriff der ‚Himmelssöhne‘ (‫ ְבּנֵ י ָשׁ ָ ֽמיִ ם‬1QH III 22), der sich aber nicht im Sinne von ‚Engeln‘ bzw. Himmelswesen verstehen lässt. 427. In gewisser Weise entspricht dies durchaus den Ausführungen von Apg 6,15; auch hier wird Stephanus nicht mit einem Engel identifiziert, sondern in einem konkreten Aspekt mit der Erscheinung eines solchen parallelisiert: καὶ ἀτενίσαντες εἰς αὐτὸν πάντες οἱ καθεζόμενοι ἐν τῷ συνεδρίῳ εἶδον τὸ πρόσωπον αὐτοῦ ὡσεὶ πρόσωπον ἀγγέλου; vgl. hierzu E. Haenchen, Apg, 225: „…; diese Verklärung zeigt für Lukas, daß Stephanus vom h[ei]l[igen]. Geist erfüllt und durch ihn befähigt ist, die nun folgende Rede zu halten“. 428. „Sie alle werden ebenso vom Herrn versorgt werden immerdar. Die solches tun, sind herrlich vor Gott, und ihr Platz ist schon bei den Engeln, wenn sie bis zum Ende beharren im Dienst des Herrn“; Text und Übersetzung nach A. Lindemann/H. Paulsen, Apostolische Väter, 524f.

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(104,3) eigentlich eher einen Beleg für die Interpretation der Apk 1,20; 2f. begegnenden Gestalten der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν als irdische Wesen dar; wird hinzugenommen, dass in Herm sim X 27,3 (104,3) explizit von ἐπίσκοποι die Rede ist, ließe sich dieser Beleg – vollständig entgegen der Intention Beales – letztlich sogar als Indiz für die etwa von T. Zahn und W. Hadorn vorgeschlagene Deutung der Figuren der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν als Bischöfe bzw. Gemeindeleiter begreifen429, wenn nicht das späte Datum der Abfassung von Herm eine solche Argumentation wenn nicht verunmöglichte, so doch erschwerte430. (g) In MartPol 2,3 geht es zwar um Märtyrer, die mit dem durchstandenen Martyrium zu Engeln werden431: καὶ προσέχοντες τῇ τοῦ Χριστοῦ χάριτι τῶν κοσμικῶν κατεφρόνουν βασάνων διὰ μιᾶς ὥρας τὴν αἰώνιον ζωὴν ἐξαγοραζόμενοι καὶ τὸ πῦρ ἦν αὐτοῖς ψυχρὸν τὸ τῶν ἀπανθρώπων βασανιστῶν (b) πρὸ ὀφθαλμῶν γὰρ εἶχον φυγεῖν τὸ αἰώνιον καὶ μηδέποτε σβεννύμενον καὶ τοῖς τῆς καρδίας ὀφθαλμοῖς ἀνέβλεπον τὰ τηρούμενα οὔτε ὀφθαλμὸς εἶδεν οὔτε ἐπὶ καρδίαν ἀνθρώπου ἀνέβη ἐκείνοις δὲ ὑπεδείκνυτο ὑπὸ τοῦ κυρίου οἵπερ μηκέτι ἄνθρωποι ἀλλ᾽ ἤδη ἄγγελοι ἦσαν432. Allerdings kann MartPol aufgrund des Sachverhalts, dass diese Schrift nicht vor 150 n.Chr. entstanden ist433, kaum als Beleg für die 429. Der von M. Karrer, Johannesoffenbarung, 183 im Kontext der Frage nach der Identität der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν Apk 2f. beigebrachte Beleg Herm sim V 5, 3 (58,3) trägt für diese Frage zumindest in seiner gegenwärtigen Kontextualisierung kaum etwas aus, da die hier erwähnten ἅγιοι ἄγγελοι sich bestenfalls mittelbar auf irdische Gemeinden bzw. auf die Gesamtheit der irdischen Kirche beziehen, in keinem Falle jedoch, wie die ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν Apk 2f., einen unmittelbaren Bezug zu jenen aufweisen: οἱ δὲ χάρακες οἱ ἅγιοι ἄγγελοί εἰσι τοῦ κυρίου οἱ συγκρατοῦντες τὸν λαὸν αὐτοῦ αἱ δὲ βοτάναι αἱ ἐκτετιλμέναι ἐκ τοῦ ἀμπελῶνος ἀνομίαι εἰσὶ τῶν δούλων τοῦ θεοῦ τὰ δὲ ἐδέσματα ἃ ἔπεμψεν αὐτῷ ἐκ τοῦ δείπνου αἱ ἐντολαί εἰσιν ἃς ἔδωκε τῷ λαῷ αὐτοῦ διὰ τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ οἱ δὲ φίλοι καὶ σύμβουλοι οἱ ἅγιοι ἄγγελοι οἱ πρῶτοι κτισθέντες ἡ δὲ ἀποδημία τοῦ δεσπότου ὁ χρόνος ὁ περισσεύων εἰς τὴν παρουσίαν αὐτοῦ („Die Pfähle sind die heiligen Engel des Herren, die sein Volk schirmend umgeben; das aus dem Weinberg ausgejätete Unkraut bedeutet die Sünden der Knechte Gottes; die Speisen, die er ihm vom Mahl schickte, sind die Gebote, die er seinem Volk durch seinen Sohn gab; die Freunde und Berater sind die zuerst geschaffenen heiligen Engel; die Reise des Herrn ist die Zeit, die bis zu seiner Wiederkunft noch übrig ist“; Text und Übersetzung nach A. Lindemann/H. Paulsen, Apostolische Väter, 445). 430. Nach A. Lindemann/H. Paulsen, Apostolische Väter, 325 ist Herm „vermutlich noch in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts in Rom“ verfasst worden. 431. Vgl. hierzu G. Buschmann, MartPol, 106: „Die standhaften Märtyrer sind dann schon Engeln gleich und gelangen unmittelbar nach ihrem Tode zu Gott in die himmlische Herrlichkeit“. Buschmann verweist in diesem Zusammenhang auf Apg 6,15. 432. Text nach J.B. Lightfoot, MartPol, 366f.; „Sie richten ihren Sinn auf die Gnade Christi und verachten die irdischen Foltern; während einer einzigen Stunde erkauften sie das ewige Leben. Kalt war ihnen das Feuer der entmenschten Folterknechte. (b) Denn sie hatten vor Augen, dem ewigen und niemals verlöschenden Feuer zu entfliehen, und mit den Augen des Herzens erblickten sie die Güter, die für die Standhaltenden aufbewahrt sind und die kein Ohr gehört, kein Auge gesehen und die in keines Menschen Herz gekommen sind, die aber vom Herrn jenen gezeigt wurden, die nicht mehr Menschen, sondern schon Engel waren“; Übersetzung nach G. Buschmann, MartPol, 89. 433. Vgl. hierzu G. Buschmann, MartPol, 39f.; Buschmann referiert drei unterschiedliche in der Forschung vertretene Vorschläge zur Datierung der Abfassung von MartPol; diesen zufolge kann diese Schrift nicht eher als 155/156–160 n.Chr. entstanden sein.

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Interpretation von Apk 1,20 herangezogen werden. Darüber hinaus bezieht sich dieser Text ausschließlich auf Martyrien und Märtyrer434, eine Konnotation, die für die Figuren der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν in Apk 1,20; 2f. nicht in Frage kommen dürfte. Fazit: Die von G.K. Beale zugunsten seiner Hypothese ins Feld geführten Belege, mit denen er, vermittelt durch die Annahme einer metaphorischen Identifikation von Engeln, Sternen und Gerechten bzw. Recht Schaffenden oder auch Gläubigen, zu erweisen versucht, dass die Gestalten der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν Apk 1,20; 2f. als himmlische Wesen zu begreifen seien, vermögen in ihrer Gesamtheit diesen Nachweis nicht zu stützen.

Aus den hier angestellten Erwägungen ergibt sich somit: Wiewohl Apk 2f. keinerlei Hinweis auf eine episkopal akzentuierte Kirchen- oder Gemeindeverfassung bietet – eine Beobachtung, die es wahrscheinlich erscheinen lässt, den ‚Gemeindeengeln‘ weder eine monepiskopale noch eine monarchischepiskopale Position zuzuschreiben –, lassen sich die Apk 1,20; 2f. auftretenden ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν am plausibelsten als menschliche, in den einzelnen Gemeinden wirkende und mit einer offensichtlich die Gemeinde in ihrer Gesamtheit betreffenden und durchaus einflussreichen Kompetenz und Wirksamkeit ausgestattete, näherhin als spiritus rectores begreifbare Führungs- und Leitungspersönlichkeiten verstehen435. Die in Apk 1,20bα sichtbar werdende Indeterminiertheit dieser ἄγγελοι436 erklärt sich vor diesem Hintergrund dann zwanglos mit der Annahme, dass in den einzelnen Gemeinden neben den in Apk 2f. angeschriebenen noch weitere ‚Gemeindeengel‘ tätig sind, die der Apokalyptiker nicht anschreibt, weil er auf sie augenscheinlich keinen Einfluss ausüben kann. Diese Erklärung ließe sich mit der Annahme korrelieren, dass der Apokalyptiker „as a kind of master prophet“437 mit den ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν seine ihm untergeordneten, ihn und seine theologische Schule in den einzelnen Gemeinden jeweils vertretenden und innerhalb der jeweiligen Gemeinde mit Leitungsfunktionen und -aufgaben betrauten Repräsentanten anschreibt; der Begriff ἄγγελος wäre in diesem 434. Vgl. hierzu MartPol 2,1. 435. Vgl. hierzu auch H.W. Günther, Nah- und Enderwartungshorizont, 151, A. 240: „So gebe ich der Auslegung den Vorzug, die in den Engel[n] der Gemeinde Gemeindeleiter erbleicht; ob allerdings Bischöfe, Älteste oder gar Propheten, bleibt dann offen“; vgl. darüber hinaus immerhin H. Lichtenberger, Apk, 80: „Am einfachsten wäre es natürlich, man könnte sich die erste Lösung [, d.h. die Deutung der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν als Leiter der entsprechenden Gemeinden] zu eigen machen. Dafür spricht, dass die sieben Schreiben ja an irdische, reale Gemeinden gerichtet sind, und dass man eigentlich nicht erwartete, dass Engel auf die in den Sendschreiben zu erkennende Art und Weise ermahnt und getadelt oder auch gelobt werden“. 436. Auf diese Indeterminiertheit weisen etwa M. Karrer und O. Cremer hin; vgl. hierzu ausführlich o. 78, A. 277. 437. D.E. Aune, Prophecy, 197; vgl. hierzu bereits o. 100.

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Rahmen dann, semantisch durchaus korrekt, als ‚Bote‘ zu definieren438, jedoch nicht einfach im Sinne eines schlichten Überbringers von Nachrichten439, sondern im Sinne eines Repräsentanten, Bevollmächtigten, Gesandten oder Botschafters des Apokalyptikers – oder des fiktiv mit dem Namen Ἰωάννης bezeichneten Verfassers der Apk440 – in jeder einzelnen der sieben Gemeinden, an die er seine Apk richtet. Unter dieser interpretatorischen Prämisse flössen innerhalb des in Apk 1,20; 2f. verwendeten ἄγγελος-Begriffs der Aspekt der theologischen Verantwortung und Leitung in einer Gemeinde oder einer Gemeindegruppe und derjenige der Botenschaft, d.h. der Repräsentanz einer übergeordneten Institution, zusammen. Kaum zu überzeugen vermag der neuestens von M. Karrer formulierte Vorschlag, innerhalb dessen er eine „Durchdringung beider Vorstellungslinien“441, d.h. eine inhaltliche Verknüpfung der Interpretation der Figuren der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν als himmlische Wesen mit derjenigen derselben als irdischer Boten, annehmen und die Figuren der Gemeindeengel als „himmlische Engel (Boten Gottes) durch irdische Menschen“442 fassen möchte. Als Übersetzungsvorschlag für die einzelnen Schreibbefehle schlägt er daher vor: „dem himmlischen Engel über der Gemeinde und zugleich der irdischen Gestalt in der Gemeinde, in der diese einen Vertreter des Himmels und damit die Gegenwart des himmlischen Engels erkennt“443. Dieser Auslegung widerraten jedoch folgende Hinweise und Beobachtungen: (a) Für eine solche die himmlische und die irdische Dimension miteinander verknüpfende Interpretation des ἄγγελος-Begriffs lassen sich keinerlei Belege anführen444. (b) Angesichts der Tatsache, dass, wie Apg 12,15 zeigt, im Urchristentum die Vorstellung der Existenz eines ἄγγελος als eines himmlischen Doppelgängers des entsprechenden irdischen Menschen durchaus verbreitet gewesen ist445, führt dieser Deutungsvorschlag, auf der ontologischen Ebene weiterentwickelt, doch letzten Endes zu keiner anderen als der Annahme, als dass es sich bei den Gestalten der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν um – wenn auch in ihrer Funktionalität den ἄγγελοι vergleichbare und somit aus der Allgemeinheit der Christen zur Zeit der Abfassung der Apk herausgehobene und heraushebbare – menschliche Wesen handele, denen innerhalb der einzelnen Gemeinden allerdings eine mit einer besonderen Bedeutung und Relevanz belegte Rolle und Funktion zugeschrieben werden446. 438. Vgl. hierzu etwa W. Bauer/B. Aland, Wörterbuch, s.v. ἄγγελος, 12–14; vgl. hierzu auch H.G. Liddell/R. Scott, Lexicon, s.v. ἄγγελος, 7, die für diesen Terminus u.a. die Bedeutung „envoy“ bieten. 439. Vgl. hierzu den von H. Kraft vorgelegten Interpretationsvorschlag o. 99–100. 440. Zur Pseudonymität der Apk vgl. bereits T. Witulski, Johannesoffenbarung, 339–345. 441. Apk I, 286. 442. Apk I, 286. 443. M. Karrer, Apk I, 287. 444. M. Karrer selbst verweist lediglich auf „einen von fern vergleichbaren Text“ (Apk I, 286, A. 47) aus dem vierten nachchristlichen Jahrhundert. 445. Vgl. hierzu o. 96 mit A. 359. 446. Vgl. hierzu dann auch M. Karrer, Apk I, 286, A. 47, der in seiner Diskussion des den Ausführungen in Apk 1,20 „von fern vergleichbaren Text[es]“ im Blick auf die in demselben erwähnte, möglicherweise aus montanistischer Tradition stammende προφήτισα formuliert: „D.h. eine besonders begabte irdische Gestalt [!] hatte entweder Zugang zum Raum der Engel oder wirkte selbst engelgleich“.

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Dies alles bedeutet im Grundsatz dann, dass die sieben Sendschreiben nicht an kollektive, sondern an jeweils individuelle Adressaten gerichtet sind. Im vorliegenden Zusammenhang kann dann letzten Endes offen bleiben, ob der Genitiv τῆς ἐκκλησίας als genitivus subiectivus – somit wären die ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν als von Gott für die einzelnen Gemeinden bestellte Beauftragte zu begreifen – oder aber genitivus obiectivus – die ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν stellten von den einzelnen Gemeinden selbst inaugurierte Bevollmächtigte dar – zu fassen ist447. Durchaus denkbar ist, dass die in Apk 1,20; 2f. auftretenden Figuren der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν zu parallelisieren sind mit solchen ἄγγελοι, wie sie etwa im 3Joh in Erscheinung treten. Innerhalb seines an Gaius gerichteten Briefes nämlich formuliert der πρεσβύτερος als Verfasser des 3Joh: ἐγραψά τι τῇ ἐκκλησίᾳ· ἀλλ᾽ ὁ φιλοπρωτεύων αὐτῶν Διοτρέφης οὐκ ἐπιδέχεται ἡμᾶς. Wiewohl der Terminus ἐπίσκοπος nicht genannt wird448 und es daher auch nicht angeraten ist, einen solchen hier implizit zu unterstellen449, lassen doch insbesondere die Ausführungen in 3Joh 10 die Annahme plausibel erscheinen, die Person des Διοτρέφης als eine Gestalt wahrzunehmen, der offensichtlich eine gemeindeleitende Funktion zukam. Nach 3Joh 10 nämlich habe Διοτρέφης in jüngster Vergangenheit bereits Glieder aus seiner Gemeinde hinausgestoßen450; dass ihm die Glieder seiner Gemeinde das Recht und die Macht zu solchen Maßnahmen augenscheinlich kritiklos zugestehen, lässt die Annahme wahrscheinlich erscheinen – ohne hier gleich von der Vollmacht zur Exkommunikation sprechen zu wollen451–, dass jene diesem Autorität über sich nicht nur in theologischen, sondern auch in kirchen- bzw. gemeinderechtlichen und disziplinarischen Fragen zubilligten, ein Sachverhalt, der wiederum die Vermutung nahelegt, dass Diotrephes innerhalb seiner Gemeinde als – wie auch immer des Näheren zu charakterisierender – Amtsträger anzusehen ist452. Dieser Διοτρέφης 447. Für die zweite Annahme votiert H.W. Günther, Nah- und Enderwartungshorizont, 152, A. 240 mit Verweis auf H. Strack/P. Billerbeck, Kommentar III, 792. 448. Vgl. zu dieser Diskussion etwa G. Strecker, 1–3 Joh, 365–368; Strecker referiert die Position E. Käsemanns wie folgt: „Danach ist nicht Diotrephes ein Ketzerhaupt, sondern ein ‚monarchischer Bischof, der sich einem Irrlehrer gegenübersieht und dementsprechend handelt‘. Er übt ‚am Presbyter und dessen Anhängern bis in die eigene Gemeinde hinein die kirchliche Disziplinargewalt aus‘“; vgl. hierzu auch H.-J. Klauck, 2.3 Joh, 110: „In einer Gemeinde, die sich vielleicht nur zu gern seiner starken Hand anvertraute, etabliert Diotrephes sich selbst als oberste Autorität“. 449. E. Lohse, Apk, 23 fragt durchaus m.R., „ob es damals [d.h. zur Zeit der Abfassung der Apk] schon das Amt eines Bischofs gegeben hat, der allein an der Spitze der Gemeinden gestanden hat (monarchischer Episkopat)“. 450. Dies wird etwa auch von J.-W.Tager, Rebell, 68 konzediert. 451. So aber etwa K. Wengst, 1–3 Joh, 249. 452. Vgl. hierzu bereits, wenn auch mit einem deutlich anderen, nachgerade ‚episkopalen‘ Akzent, R. Bultmann, 1–3 Joh, 99: „Der Diotrephes, von dem sonst nichts bekannt ist, wird als ὁ φιλοπρωτεύων αὐτῶν bezeichnet, also als derjenige, der in der Gemeinde … den ersten Platz einzunehmen beansprucht. Das Wort φιλοπρ. ist sonst im NT und auch in nichtchristlicher Literatur nicht nachgewiesen; es ist vielleicht eine Bildung des Verfassers, durch die er herabsetzend den wirklichen Titel des Diotrephes vermeidet bzw. ersetzt, nämlich den Titel

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verweigert nun augenscheinlich den Abgesandten, also den ἄγγελοι des πρεσβύτερος die Aufnahme in ‚seine‘ Gemeinde und verhindert somit auch deren Wirksamkeit in derselben. Durchaus denkbar ist es, den πρεσβύτερος – hier dann dem Apokalyptiker vergleichbar – ebenfalls als „a kind of master prophet“453 zu begreifen, dem es darum zu tun ist, seine ἄγγελοι in den entsprechenden Gemeinden zu installieren454.

Ebenfalls möglich ist es, die Person des ἀγαπητὸς Γάιος als des Adressaten des Briefes analog zu den Gestalten der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν als in der entsprechenden Gemeinde ansässigen, wirkenden und mit einer Leitungsfunktion betrauten Repräsentanten, d.h. ἄγγελος, des πρεσβύτερος zu begreifen455. Letzten Endes beweisbar ist dies alles freilich nicht; immerhin jedoch bieten die um 375 n.Chr. zu datierenden456 Apostolischen Konstitutionen einen Hinweis auf den im 3Joh angeschriebenen Γάιος als den Bischof der Gemeinde in Pergamon457.

ἐπίσκοπος“; ähnlich auch K. Wengst, 1–3 Joh, 248: „Wenn diese Einstellung und das ihr entsprechende Verhalten eines einzelnen den Zweck eines an die Gemeinde gerichteten Briefes vereiteln kann, dann muß Diotrephes – was Vers 10 bestätigt – die führende Stellung in ihr eingenommen haben, also ihr Bischof gewesen sein“ (vgl. hierzu auch H.-J. Klauck, 2.3 Joh, 101 mit A. 470); zu weiteren Vertretern dieser These vgl. J.-W. Taeger, Rebell, 67, A. 39. Taeger selbst möchte das Verbum φιλοπρωτεύειν eher allgemein im Sinne des „Bestreben[s] des Diotrephes, die Gemeinde einheitlich hinter sich zu bringen, sie für seine Auffassung zu gewinnen“ (68), nicht aber im Sinne des Verweises auf ein in einer Gemeindeverfassung zu lokalisierendes Amt interpretieren. Gegen die These Taegers spricht allerdings, dass die Möglichkeiten des πρεσβύτερος, auf Diotrephes Einfluss auszuüben, augenscheinlich sehr begrenzt sind (vgl. hierzu etwa P. Trebilco, Christians, 484f.), eine Beobachtung, die den Gedanken einer gleichsam offizialen Autorität des letzteren im Sinne ‚kirchenamtlicher‘ Befugnisse zu stützen vermag. 453. D.E. Aune, Prophecy, 197; vgl. hierzu bereits o. 17–21. Zur Person des πρεσβύτερος vgl. etwa U. Schnelle, Einleitung, 523: „So dürfte ὁ πρεσβύτερος eine Würdebezeichnung für ‚einen besondere Hochschätzung genießenden Lehrer‘ sein. Der Presbyter muss eine hervorragende Gestalt innerhalb der joh[anneischen]. Schule, wahrscheinlich sogar ihr Gründer gewesen sein, denn nur so lassen sich die Erhaltung und die Übernahme des 2.3 Joh in den Kanon erklären“. 454. Vgl. hierzu U. Schnelle, Einleitung, 531: „Die Gemeinde des Presbyters betrieb eine umfangreiche (Heiden-)Mission (3Joh 7), wobei sie auf die Unterstützung anderer Gemeinden der joh[anneischen]. Schule angewiesen war. Während Gaius den Wandermissionaren des Presbyters die notwendige Unterstützung erteilte, nahm Diotrephes diese Missionare nicht auf und hinderte auch andere daran, dies zu tun (3Joh 10)“. 455. Vgl. zur Person des Γάιος etwa H.-J. Klauck, 2.3Joh, 78f. 456. Vgl. hierzu H.-J. Klauck, 2.3Joh, 78. 457. Vgl. hierzu H.-J. Klauck, 2.3Joh, 78 mit A. 334; konkret verweist Klauck auf ConstAp VII 46,9 (110,16f.).

III. DAS LITERARISCHE VERHÄLTNIS DER WECKRUFE UND DER ÜBERWINDERSPRÜCHE ZU DEN ÜBRIGEN TEXTBESTANDTEILEN DER SIEBEN SENDSCHREIBEN

Um die Frage beantworten zu können, ob die Weckrufe und die Überwindersprüche einen ursprünglichen und integralen Bestandteil der jeweiligen Sendschreiben oder aber eine sekundäre Ergänzung derselben darstellen, ist es erforderlich, die argumentationslogische und die textgrammatische Struktur der einzelnen Episteln zu analysieren und daraufhin zu befragen, inwieweit der jeweilige Weckruf und der jeweilige Überwinderspruch sich im Rahmen derselben, insbesondere in Relation zum Corpus des zugehörigen Sendschreibens, als kohäsiv oder aber als inkohäsiv erweisen. Falls letzteres der Fall ist, ergäbe sich die Frage, wie die entsprechenden textlichen Diskontinuitäten überwunden werden können: Wäre dies für die Erstrezipienten nur auf dem Wege nicht-textgeleiteter, somit also subjektiver bzw. individueller Sinnbildung möglich, läge die Annahme nahe, dass sowohl der entsprechende Weckruf als auch der entsprechende Überwinderspruch als sekundäre Einfügungen in einen bereits existierenden – mündlich oder schriftlich konstruierten – Textzusammenhang anzusehen sind1. Dass dabei im Rahmen der Diskussion des ersten Sendschreibens an die Gemeinde zu Ephesus einige auch die weiteren Sendschreiben betreffenden Aspekte in grundsätzlicher und auch für jene gültiger Weise diskutiert werden und werden können, liegt auf der Hand.

1. Vgl. zu diesem die Methodik der vorliegenden Studie betreffenden Zusammenhang ausführlich o. 25–38.

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DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN IN DER EINZELANALYSE III.1. DAS SENDSCHREIBEN AN DEN ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας Die das Sendschreiben an den ἄγγελος τῆς ἐν2 Ἐφέσῳ3 ἐκκλησίας4 einleitende Botenformel Apk 2,1b.c5 nimmt, wie die folgende tabellarische Übersicht zeigt, Elemente und Motive der zuvor geschilderten Berufungsvision auf6 und lässt somit den in diesem Sendschreiben redenden himmlischen Christus als mit der Figur des Apk 1 auftretenden ὅμοιος υἱὸς ἀνθρώπου (Apk 1,13) identisch und zugleich auch mit dessen Autorität begabt erscheinen7. 2. Zum Verständnis der hier im Griechischen verwendeten Präposition ἐν vgl. R. Mucha/ S. Witetschek, Buch ohne Siegel, 111: „Das Verhältnis zwischen Stadt und christlicher Gemeinde ist … nicht als Besitz oder Identifikation gedacht, sondern es ist lediglich ein lokales: Die Gemeinde befindet sich eben in Ephesos – aber sonst hat sie mit der Stadt nicht viel zu tun“. Anders hier C.R. Koester, Apk, 256, der augenscheinlich eine engere Verbindung zwischen Gemeinde und Stadt im Blick hat, wenn er formuliert: „Here, it is the city’s Christian community“. Inwieweit sich dies historisch plausibilisieren lässt, muss jedoch mehr als fraglich bleiben. 3. Zur Stadt Ephesus vgl. etwa die Erläuterungen bei D.E. Aune, Apk I, 136–141; zu der Frage, warum die christliche Gemeinde zu Ephesus als erste von sieben Gemeinden angeschrieben worden ist, vgl. etwa die Erwägungen von G.K. Beale, Apk, 228; zu der Frage, warum der Apokalyptiker nur die sieben in der Apk aufgelisteten asianischen Gemeinden anschreibt, wiewohl doch offensichtlich gegen Ende des ersten nachchristlichen Jahrhunderts bereits mehr als diese sieben existiert haben werden, und die in der Apk abgebildete Reihenfolge gewählt hat, vgl. etwa W.M. Ramsay, Letters, 171–196, wieder aufgenommen von C. Hemer, Letters, 14f. Insbesondere Ramsay entwickelt die These, „dass diese Anordnung die Reiseroute des Briefboten beschreibe, der die Johannesapokalypse in diesen sieben ‚Mittelzentren‘ zur weiteren Verteilung zustellte“ (R. Mucha/S. Witetschek, Buch ohne Siegel, 106). Kritisch gegen diese These insbesondere S. Friesen, Revelation, 300. Vgl. zu dieser Fragestellung auch P. Trebilco, Christians, 297f. 4. Zu diesem Syntagma und dessen unterschiedlichen Deutungen vgl. bereits ausführlich o. 77–92, 93–114. 5. Zu ihrer Funktion und ihrer Parallelität mit entsprechenden Einleitungen alttestamentlicher Prophetenreden vgl. etwa F. Hahn, Sendschreiben, 366; zur Frage der Gattung der Sendschreiben vgl. bereits o. 40–76. 6. Vgl. hierzu etwa U.B. Müller, Apk, 101; vgl. hierzu auch M. Stowasser, Sendschreiben, 51: „Für die Selbstvorstellung des Christus in den Botenformeln der ersten vier Sendschreiben bildet die Vision des Menschensohnähnlichen (1.12–20) sehr präzise den Anknüpfungspunkt“. Auffällig ist allerdings, dass der Apokalyptiker in Apk 2,1c im Unterschied zu Apk 1,12f. das Motiv des περιπατεῖν ergänzt; vgl. hierzu D.E. Aune, Apk I, 142: „The only added feature here is the fact that Christ is said to walk in the midst of the lampstands, which can only be an allegory for the unseen presence of Christ among the christians of the seven congregations“. 7. In diesem Sinne etwa H. Lichtenberger, Apk, 84; zum Gesichtspunkt der Autorität vgl. D.A. DeSilva, Minds, 130: „These briefer echoes of that initial vision, often strategically selected to undergird some aspect of the oracle itself, serve as economical reminders of the power and stature of the One who speaks these words, establishing his ethos – his authority to speak, and the importance of being attentive to what this speaker has to say“.

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

Motiv/Element in der Botenformel Apk 2,1b.c8

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Referenztext(e) in der Berufungsvison

Apk 2,1b.c: τάδε λέγει9 ὁ κρατῶν τοὺς Apk 1,12: καὶ ἐπιστρέψας εἶδον ἑπτὰ ἑπτὰ ἀστέρας ἐν τῇ δεξιᾷ αὐτοῦ, ὁ περι- λυχνίας χρυσᾶς (13) καὶ ἐν μέσῳ τῶν πατῶν ἐν μέσῳ τῶν ἑπτὰ λυχνιῶν τῶν λυχνιῶν κτλ. χρυσῶν Apk 1,16a: καὶ ἔχων ἐν τῇ δεξιᾷ χειρὶ αὐτοῦ ἀστέρας ἑπτά Apk 1,20: τὸ μυστήριον τῶν ἑπτὰ ἀστέρων οὓς εἶδες ἐπὶ τῆς δεξιᾶς μου καὶ τὰς ἑπτὰ λυχνίας τὰς χρυσᾶς· οἱ ἑπτὰ ἀστέρες ἄγγελοι τῶν ἑπτὰ ἐκκλησιῶν εἰσιν καὶ αἱ λυχνίαι αἱ ἑπτὰ ἑπτὰ ἐκκλησίαι εἰσίν

An diese knüpft dann im Corpus dieses Sendschreibens eine mit dem Prädikat οἶδα10 eingeleitete grundsätzliche, im Kern – aus dem Blickwinkel des Apokalyptikers – außerordentlich positive geistlich-theologische Bewertung des Verhaltens des in diesem Sendschreiben angeschriebenen und in der ephesischen Gemeinde wirkenden Entscheidungsträgers11 an (Apk 2,2f.)12. Im Blick auf die Frage nach der textgrammatischen Struktur 8. Zu diesen Belegen vgl. insgesamt M. Stowasser, Sendschreiben, 52. 9. Zu der die Botenformel einleitenden Wendung τάδε λέγει vgl. ausführlich D.E. Aune, Apk I, 141f. und auch G.K. Beale, Apk, 229. 10. Vgl. zu diesem Terminus und seinem Bedeutungsgehalt P. Prigent, Apk, 157: „The verb used is οἶδα and not γιγνώσκω. This word choice perhaps corresponds to an intention: Jn 21:17 shows that the first verb denotes a much larger scope of knowledge than the second: ‚Lord, you know (οἶδα) all things, you know (γιγνώσκω) that I love you‘“; in eine ähnliche Richtung argumentiert D.E. Aune, Apk I, 143: „Yet in spite of the conventional formulaic use of οἶδα, something much deeper is being referred to, namely, the knowledge that the exalted Jesus has of all human affairs upon the earth“. 11. P. Trebilco, Christians, 335–342 diskutiert ausführlich die Frage, ob der Apokalyptiker mit diesem Sendschreiben eine unter mehreren christlichen Gruppen in Ephesus oder die ephesische Christenheit in ihrer Gesamtheit angeschrieben habe; er kommt zu dem Ergebnis, „that John is writing to all the Christians who, in his view, are not ‚beyond the pale‘ in each of the cities. But he anticipates that many will disagree with him“ (342). Diese Fragestellung macht natürlich nur Sinn unter der Voraussetzung, dass mit dem ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας auf die Figur eines himmlischen Repräsentanten der gesamten ephesischen Gemeinde angespielt wird; vgl. hierzu allerdings o. 93–114. 12. U.B. Müller, Apk, 101 spricht in diesem Zusammenhang von „einer Art ernstgemeinter captatio benevolentiae“, mit der der Apokalyptiker bzw. der in diesem Schreiben redende Christus diese Epistel eröffnen. P. Trebilco, Christians, 299f. zufolge handelt es sich in Apk 2,2f. um eine „narratio, or narrative, which is introduced by an οἶδα clause“ (299); diese narratio „describes the situation of the community in the past and the present. It serves as a basis for the dispositio or response which follows, and gives the actual situation of the Ephesian community from the perspective of the risen Christ” (299f.).

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DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN APK 2–3

dieser Ausführungen gibt etwa U.B. Müller folgende Antwort: Während das Syntagma τὰ ἔργα σου das Verhalten des ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας in seiner Gesamtheit bezeichne, beschrieben die Termini κόπος und ὑπομονή (σου13) – letzterer wird am Beginn von Apk 2,3a augenscheinlich wieder aufgenommen14 – zwei konkrete Aspekte dieser ἔργα15. Diese Annahme vermöchte durch die Beobachtung, dass gerade nicht das unmittelbar erste auf das Syntagma τὰ ἔργα σου folgende Substantiv, d.h. κόπος, sondern erst das zweite Substantiv, d.h. ὑπομονή, von einem in der 2. Person Singular stehenden Possessivpronomen begleitet wird, durchaus gestützt zu werden16. Dieser eigentlich auffällige Sachverhalt nämlich ließe sich vor dem Hintergrund der Interpretation der Begriffe κόμος und ὑπομονή als Explikationen des Syntagma τὰ ἔργα σου zwanglos erklären; das Possesivum σου sei als auf diese beiden Begriffe zugleich bezogen zu denken17. Die Schlagworte κόπος und ὑπομονή (σου) würden ihrerseits dann in Apk 2,2b.c und Apk 2,3a.b zunächst in allgemeiner Form expliziert (Apk 2,2b.3a) und 13. Im Zusammenhang der in dieser Weise analysierten Struktur der Ausführungen in Apk 2,2f. ist denkbar, dass das vom Substantiv ὑπομονή abhängige Possessivpronomen σου Apk 2,2a zugleich auch auf das Substantiv κόπος zu beziehen ist; vgl. hierzu etwa die Ausführungen von H.B. Swete, Apk, 25 („The single pronoun after ὑπομ[ονή]. links κόπος and ὑπομονή together“) und auch die Übersetzung von D.E. Aune, Apk I, 142; zu den textkritischen Problemen dieser Stelle Apk I, 134. 14. Auf diesen Sachverhalt weist etwa I.T. Beckwith, Apk, 449 explizit hin; Beckwith zufolge wiederholt der Apokalyptiker in Apk 2,3a das in Apk 2,2a bereits verwendete Schlagwort ὑπομονή. 15. Dies hat zur Folge, dass die auf das das Syntagma τὰ ἔργα σου folgende Kopula καί als καί explicativum zu verstehen ist; vgl. hierzu etwa D.E. Aune, Apk I, 143 mit Verweis auf W. Bousset und E. Lohmeyer: „The translation ‚your deeds, namely, your effort and endurance,‘ reflects the view that the first καί is epexegetical and that the two nouns that follow, τὸν κόπον, ‚effort,‘ and τὴν ὑπομονήν, ‚endurance,‘ are both qualified by the possesive pronoun σου, ‚your,‘ and therefore are two aspects of the ἔργα, ‚deeds,‘ of the Ephesian Christians“. In diesem Sinne etwa auch H. Giesen, Apk, 97, A. Satake, Apk, 155 und E. Lohmeyer, Apk, 21f., der, wie auch R.H. Charles, Apk I, 49, deutlich den in Apk 2,2a aufweisbaren hypotaktischen Charakter der Begriffe κόπος und ὑπομονή ausweist; anders hier etwa H. Ulland, Vision, 53, A. 131: „Es ist darauf hinzuweisen, daß die Werke und die folgenden Zuschreibungen koordiniert sind. Werke sind also etwas anderes als Mühe etc. was durch das verbindende καί deutlich wird“; dabei übersieht Ulland jedoch, dass diese Konjunktion semantisch durchaus – zumindest auch – explikativ konnotiert sein kann. Zu der hier in Apk 2,2a begegnenden Trias ἔργα, κόπος und ὑπομονή vgl. auch 1Thess 1,3; vgl. zu dieser begrifflichen Trias auch ausführlicher u. 125–127. 16. Vgl. hierzu auch W. Bousset, Apk, 203: „Das σου ist mit Absicht nicht zu κόπος gesetzt, weil ἔργα der Oberbegriff, κόπος und ὑπομονή die beiden Arten der gemeinten ἔργα sind. … Es sind demgemäß auch nicht alle drei Momente gleichzustellen und gleichmäßig auf den Kampf mit den Irrlehrern zu beziehen“, und R.H. Charles, Apk I, 49: „The single pronoun [d.h. das Possessivpronomen σου] links together the two preceding nouns. These two are the works of the Church in Ephesus“. 17. Vgl. zu einem solchen Bezug des Possessivpronomens σου etwa C.R. Koester, Apk, 261, der Apk 2,1a folgendermaßen übersetzt: „I knew your works, namely your labor and your endurance“; in gleicher Weise auch J. Roloff, Apk, 48.

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

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im Anschluss daran jeweils mit Bezugnahmen auf in der Vergangenheit zu verortende einzelne Ereignisse konkretisiert18 (Apk 2,2c.3b)19. Letztere Annahme werde ihrerseits zunächst indiziert durch die augenscheinliche Wiederaufnahme des Terminus ὑπομονή von Apk 2,2a in Apk 2,3a. Darüber hinaus ließe sich zugunsten derselben der Sachverhalt anführen, dass die Wendung καὶ ὑπομονὴν ἔχεις Apk 2,3a präsentisch formuliert sei20, sich damit von den übrigen Ausführungen sowohl in Apk 2,2c als auch in Apk 2,3b unterscheide und offensichtlich eine syntaktische Parallele zu den ebenfalls präsentisch formulierten Ausführungen in Apk 2,2b darstellen solle, beide Sätze somit also auf der gleichen syntaktischen Ebene anzuordnen seien21 – eine Forderung, der die hier entwickelte Struktur von Apk 2,2f. durchaus Rechnung trägt. Schließlich wäre zugunsten derselben darauf hinzuweisen, dass der Apokalyptiker das Substantiv κόπος aus Apk 2,2aβ in Apk 2,3bβ wieder anklingen lasse, indem er hier das Verbum κοπιάω verwendet22 und somit zwischen Apk 2,2aβ und Apk 2,3bβ – möglicherweise23 18. Anders hier A. Satake, Apk, 156; Satake sieht in den Ausführungen Apk 2,3a.b „drei inhaltlich verwandte. Sätze“, begreift die Ausführungen also eher parataktisch und nicht, wie in dem hier diskutierten Strukturmodell vorgeschlagen, hypotaktisch. Dabei übersieht Satake allerdings, dass die Ausführungen in Apk 2,3a präsentisch, diejenigen in Apk 2,3b hingegen im Aorist bzw. im Perfekt formuliert sind. Ähnlich hier auch D.E. Aune, Apk I, 146; Aune spricht im Blick auf Apk 2,3 von „three short parallel clauses, each with a finite verb, the first in the present tense indicating their current situation, the second in the aorist indicating their past behavior, and the third in the perfect indicating that they have been faithful up to the present time“. Dieser grundsätzlich sicherlich möglichen Interpretation widerrät allerdings die Beobachtung, dass die Ausführungen in Apk 2,2a; 3,a beide im Präsens formuliert und daher auf der syntaktischen Ebene als parallel anzusehen sind, was heißt, dass die Ausführungen in Apk 2,3b in Relation zu denjenigen in Apk 2,3a als hypotaktisch zu definieren sind. 19. Zu dieser Analyse der Struktur von Apk 2,2f. vgl. etwa U.B. Müller, Apk, 101: „Er [d.h. der Apokalyptiker] erwähnt die ‚Werke‘ der Gemeinde als Oberbegriff für ihr ganzes Verhalten. Näherhin nennt er ihre ‚Mühe‘ und ‚Standhaftigkeit‘. Im Folgenden interpretiert er, was mit diesen beiden Begriffen gemeint ist. Die in Vers 2b sogleich geschilderte Abwehr der falschen Apostel bezieht sich auf die Mühe der Gemeinde. Im Übrigen nimmt Vers 3 das Stichwort ‚Standhaftigkeit‘ betont auf und erläutert, was diese konkret bedeutet: das Durchhalten in Verfolgung und Leiden“. In gleicher Weise auch W. Bousset, Apk, 203: „Vielmehr ist, da in V. 3 der Begriff ὑπομονή wieder aufgenommen und erläutert wird, der dazwischen liegende V. 2b offenbar Erläuterung zu κόπος. Demgemäß haben wir in V. 2–3: a) einen Oberbegriff, ἔργα, die b) zerfallen in die beiden Arten κόπος und ὑπομονή, und diese wiederum werden c) in V. 2b und 3 näher erklärt“; in diese Richtung scheint auch H. Lichtenberger, Apk, 85 zu tendieren, wenn er formuliert: „‚Und dass du Böse nicht ertragen kannst.‘ Mit dem eben genannten ‚Dreigestirn‘ Werke, Mühe und Ausharren hat die Gemeinde ‚Böse‘ nicht ertragen“. 20. Anders hier etwa J. Roloff, Apk, 48, der übersetzt: „3 Und du hast ausgeharrt …“; diese Übersetzung wird dem präsentischen Charakter dieser Formulierung letztlich nicht gerecht. 21. Vgl. hierzu zumindest im Ansatz durchaus m.R. A. Satake, Apk, 156: „Nach der konkreteren Beschreibung in V. 2b kehrt der V[er]f[asser]. in V. 3 zur allgemeineren zurück“. 22. Vgl. zu diesem semantischen Zusammenhang etwa P. Prigent, Apk, 157 und auch C.R. Koester, Apk, 262. 23. Nach R. Wonneberger, Redaktion, 85, ist von einer inclusio dann zu sprechen, „wenn am Anfang und Ende der literarischen Einheit das gleiche Verb bzw. die gleiche Wendung

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– eine begriffliche inclusio herstelle, die den gesamten Abschnitt Apk 2,2aβ– 2,3bβ textgrammatisch als Explikation zu dem Syntagma τὰ ἔργα σου Apk 2,2aα auszuweisen in der Lage sei. Graphisch lässt sich die etwa von Müller entwickelte Struktur der Ausführungen in Apk 2,2f. folgendermaßen darstellen. Dabei sind die explikativ zu interpretierenden Konjunktionen unterstrichen: οἶδα τὰ ἔργα σου καὶ erster Aspekt der ἔργα

zweiter Aspekt der ἔργα

τὸν κόπον [σου]

καὶ τὴν ὑπομονήν σου καὶ ὅτι

Konkretion des κόπος

Konkretion der ὑπομονή

οὐ δύνῃ βαστάσαι κακούς, (Apk 2,2b)

καὶ ὑπομονὴν ἔχεις (Apk 2,3a)

konkrete Einzelaspekte καὶ ἐπείρασας τοὺς λέγοντας ἑαυτοὺς ἀποστόλους καὶ οὐκ εἰσὶν καὶ εὗρες αὐτοὺς ψευδεῖς (Apk 2,2c)

konkrete Einzelaspekte καὶ ἐβάστασας διὰ τὸ ὄνομά μου καὶ οὐ κεκοπίακες (Apk 2,3b)

steht“. Dies ist im Blick auf Apk 2,2,aβ und Apk 2,3bβ in diesem strengen Sinne sicherlich nicht der Fall. Eine inclusio, hier vermittelt durch das Substantiv δικαιοσύνη, bieten etwa die Ausführungen in Sap 1,1LXX: Αγαπήσατε δικαιοσύνην οἱ κρίνοντες τὴν γῆν φρονήσατε περὶ τοῦ κυρίου ἐν ἀγαθότητι καὶ ἐν ἁπλότητι καρδίας ζητήσατε αὐτόν, und Sap 1,15LXX: δικαιοσύνη γὰρ ἀθάνατός ἐστιν; vgl. hierzu auch M. Kepper, Hellenistische Bildung, 22. Vgl. zu dieser Frage auch umfassend H. Lausberg, Handbuch I, § 625, 317f.; Lausberg verweist in seiner Auflistung der Hinweise antiker Rhetoriker u.a. auf M. Fabius Quintilianus IX 3,34, Quintilianus führt hier unter Bezug auf M. Tullius Cicero aus: respondent primis et ultima: ‚multi et graves dolores inventi parentibus et propinquis, multi‘ („Dem Anfang entspricht auch der Schluß: ‚Zahlreiche, schwere Schmerzen trafen die Eltern und Verwandten, zahlreiche‘“; Text und Übersetzung nach H. Rahn, Quintilianus II, 332f.). Vgl. zu diesem antiken Textbeispiel auch J. Martin, Antike Rhetorik, 303.

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

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Würde die Struktur von Apk 2,2f. in dieser Weise analysiert, folgte daraus jedoch, dass – ergänzend zu der Kopula καί vor dem Substantiv κόπος – in gleicher Weise auch zumindest die die Ausführungen in Apk 2,2b einleitende, letzten Endes auf das Syntagma τὰ ἔργα σου zu beziehende Konjunktion καί und auch die die Ausführungen in Apk 2,3b24 einleitende Konjunktion καί als explikativ bzw. epexegetisch zu definieren wären. Die Konjunktion ὅτι Apk 2,2b wäre wie die mit ihr verbundene Konjunktion καί syntaktisch ebenfalls von dem Syntagma τὰ ἔργα σου abhängig zu denken – angesichts der im Griechischen sonst gebräuchlichen Verwendung der Konjunktion ὅτι25 eine an sich schon problematische grammatische Konstruktion, sofern nicht noch ein dieser Konjunktion vorausgehendes Verbum des Wahrnehmens ergänzt wird –, wobei dieses Syntagma und die beiden Konjunktionen dann auffällig weit auseinanderständen. Überdies erforderte diese Struktur schon aufgrund der sich aus der Tatsache ihrer jeweils präsentischen Formulierung ergebenden Annahme einer syntaktischen Parallelität der Sätze οὐ δύνῃ βαστάσαι κακούς Apk 2,2b und καὶ ὑπομονὴν ἔχεις Apk 2,3a das Postulat der syntaktischen Abhängigkeit auch der Ausführungen Apk 2,3a bzw. Apk 2,3 in ihrer Gesamtheit von der die Ausführungen in Apk 2,2b einleitenden Konjunktion ὅτι. Aufgrund der hohen syntaktischen Komplexität dieser etwa von U.B. Müller im Blick auf die Apk 2,2f. vorliegenden Ausführungen ermittelten Textstruktur werden die diesen Text erstmalig wahrnehmenden, d.h. vermutlich hörenden Rezipienten jene im Rahmen ihrer Erstrezeption kaum nachvollzogen haben können. Diese Überlegung wirft die Frage auf, ob dem Apokalyptiker an dieser Stelle wirklich die Kreation einer derart komplexen Textstruktur unterstellt werden darf. Dieser letzte Einwand öffnet den Raum für eine deutlich anders akzentuierte These zur Struktur der Ausführungen in Apk 2,2f. Von dem einleitenden Prädikat οἶδα seien abhängig zu denken einerseits die drei substantivisch formulierten Objekte τὰ ἔργα σου, ὁ κόπος und ἡ ὑπομονή σου, andererseits aber auch die Konjunktion ὅτι, die in diesem Falle an ein Verbum der Wahrnehmung gebunden zu begreifen ist26. Von dieser Konjunktion ὅτι hingen nun ihrerseits ab die beiden präsentisch formulierten Aussagen οὐ δύνῃ βαστάσαι κακούς Apk 2,2b und καὶ ὑπομονὴν ἔχεις Apk 2,3a. An den Satz οὐ δύνῃ βαστάσαι κακούς schlössen dann, gleichsam als aus der Vergangenheit belegbare Konkretion dieser präsentischen Zustandsbeschreibung, – verknüpft nun mit einem καί explicativum – die Ausführungen Apk 2,2c 24. Zum epexegetischen bzw. explikativen Verständnis der die Ausführungen Apk 2,3b einleitenden Konjunktion καί vgl. etwa I.T. Beckwith, Apk, 449. 25. Vgl. hierzu F. Blaß/A. Debrunner/F. Rehkopf, Grammatik, § 396f., 325–329. 26. Vgl. hierzu F. Blaß/A. Debrunner/F. Rehkopf, Grammatik, § 397, 327–329.

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an: καὶ ἐπείρασας τοὺς λέγοντας ἑαυτοὺς ἀποστόλους καὶ οὐκ εἰσὶν καὶ εὗρες αὐτοὺς ψευδεῖς, an den Satz καὶ ὑπομονὴν ἔχεις Apk 2,3a analog die Ausführungen Apk 2,3b: καὶ ἐβάστασας διὰ τὸ ὄνομά μου καὶ οὐ κεκοπίακες27. Eine erste – allerdings sicherlich keinesfalls unlösbare – Schwierigkeit dieser Strukturanalyse besteht allerdings in der Notwendigkeit, den in Apk 2,2a und Apk 2,3a auf jeweils unterschiedlichen syntaktischen Ebenen begegnenden Begriff ὑπομονή – möglicherweise – semantisch jeweils unterschiedlich füllen zu müssen. Als ein weiteres Problem kommt allerdings hinzu, dass im Rahmen dieser letzten Endes auf vier von dem Prädikat οἶδα abhängige, untereinander jedoch voneinander unabhängige einzelne Objekte abhebenden Struktur nicht erklärt werden kann, warum der Apokalyptiker das zweite Objekt dieser Objektkette, den Akkusativ τὸν κόπον, nicht auch, wie das erste und das dritte Objekt dieser Kette, die Akkusative τὰ ἔργα und τὴν ὑπομονήν, mit einem Possessivpronomen, hier demjenigen der zweiten Person Singular, versieht. Schließlich lässt sich innerhalb dieser Struktur der o. aufgewiesene letzten Endes zweifache terminologische Zusammenhang zwischen Apk 2,2aβ und Apk 2,3a.bβ nicht darstellen. Dieser parataktisch ausgelegte Vorschlag zur Struktur der Ausführungen Apk 2,2f. lässt sich graphisch in folgender Weise darstellen. Auch hier sind die explikativ zu interpretierenden Konjunktionen unterstrichen: οἶδα τὰ ἔργα σου

καὶ τὸν κόπον

οὐ δύνῃ βαστάσαι κακούς (Apk 2,2b) konkrete Einzelaspekte καὶ ἐπείρασας τοὺς λέγοντας ἑαυτοὺς ἀποστόλους καὶ οὐκ εἰσὶν καὶ εὗρες αὐτοὺς ψευδεῖς (Apk 2,2c)

καὶ τὴν ὑπομονήν σου

καὶ ὅτι

καὶ ὑπομονὴν ἔχεις (Apk 2,3a) konkrete Einzelaspekte

καὶ ἐβάστασας διὰ τὸ ὄνομά μου καὶ οὐ κεκοπίακες (Apk 2,3b)

27. Eine in diese Richtung gehende These zur Struktur von Apk 2,2f. scheint H. Ulland, Vision 52–58 zu vertreten, mit dem Unterschied allerdings, dass er offensichtlich jeden innerhalb der Ausführungen Apk 2,2f. mit einer Konjunktion καί eingeleiteten Satz unterschiedslos von dem das in Apk 2,2 Ausgeführte einleitende Prädikat οἶδα machen möchte, ohne dabei jedoch die jeweils unterschiedlichen, eine syntaktische Struktur implizierenden Tempora zu beachten.

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

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Denkbar wäre im Blick auf die Ausführungen in Apk 2,2f. auch die Annahme einer Struktur, die gewissermaßen eine Mischform dieser der beiden o. entwickelten Vorschläge darstellt: Von dem den Satz Apk 2,2a einleitenden Prädikat οἶδα hinge zunächst unmittelbar das Syntagma τὰ ἔργα σου ab, das seinerseits durch die Termini κόπος und ὑπομονή näher expliziert werde, dann aber darüber hinaus auch die Konjunktion ὅτι, mit der der Apokalyptiker einen in Relation zum Syntagma τὰ ἔργα σου neuen Argumentationsansatz einzuleiten beabsichtigte. Von dieser Konjunktion seien ihrerseits nun – in der bereits innerhalb des zweiten der beiden o. dargestellten Strukturmodelle aufgewiesenen Weise – die Ausführungen Apk 2,b.c.3a.b abhängig zu denken. Diese Struktur böte folgende Vorteile: (a) Gegenüber dem ersten o. entwickelten Modell erscheint die Struktur von Apk 2,2f. überschaubar und auch im Rahmen einer hörenden Rezeption nachvollziehbar; die Anzahl der epexegetisch bzw. explikativ zu interpretierenden Konjunktionen καί bliebe begrenzt. (b) Wird der von der Konjunktion ὅτι eingeleitete Textabschnitt, d.h. die Ausführungen Apk 2,2b.c.3a.b, wie dies aufgrund dieser Strukturanalyse durchaus möglich ist, als argumentativer Neuan- bzw. -einsatz verstanden, lässt sich das Problem des zweimaligen Auftretens des Terminus ὑπομονή sowohl in Apk 2,2a als auch in Apk 2,3a auch ohne semantische Kunstgriffe zwanglos erklären28. Dies gilt in gleicher Weise auch im Blick auf die o. konstatierte begriffliche Verbindung zwischen Apk 2,2aβ (κόπος) und Apk 2,3bβ (κοπιάω), die, entlastet von einer möglichen inkludierenden Funktion dieser beiden Termini, schlicht als Wiederaufnahme eines zuvor verwendeten Begriffs in einem nun neuen Argumentationsgang gefasst werden kann. Diese These eines mit der Konjunktion ὅτι Apk 2,2b einsetzenden argumentativen Neuan- bzw. -einsatzes gewinnt an Überzeugungskraft durch die Erwägung, dass der Apokalyptiker mit der von ihm in Apk 2,2a verwendeten, immerhin auch in 28. Dieses Argument spricht zumindest in der Tendenz auch gegen den offensichtlich von A. Satake geäußerten Vorschlag, einerseits die Akkusativobjekte τὸν κόπον und τὴν ὑπομονήν σου, andererseits aber auch die Konjunktion ὅτι und die von derselben abhängigen Ausführungen als in gleicher Weise auf das Syntagma τὰ ἔργα σου bezogen zu denken (vgl. hierzu Apk 155: „Die ‚Werke‘ werden durch die Worte ‚deine Mühe und Geduld‘ und die Aussage, ‚du kannst böse [Menschen] nicht ertragen‘, erläutert“). In diesem Falle ließe sich der mit der konjunktionalen Verbindung καὶ ὅτι eingeleitete Abschnit Apk 2,2b.c.3a.b nur noch schwerlich als argumentativer Neuansatz begreifen, was zur Folge hätte, dass Satake den sowohl in Apk 2,2a als auch in Apk 2,3a begegnenden Begriff ὑπομονή semantisch jeweils unterschiedlich füllen müsste. Darüber hinaus erklärte der von Satake vorgelegte Ansatz zumindest weit weniger schlüssig, warum der Apokalyptiker dem Akkusativobjekt τὸν κόπον kein Possessivpronomen zur Seite gestellt hat. Dem Vorschlag Satakes durchaus ähnlich die Auskunft von I.T. Beckwith, Apk, 449: „… in apposition with τὰ ἔργα, thy works, of which the whole passage to the end of v. 3 is an explanation“.

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1Thess 1,3 belegten29 begrifflichen Trias ἔργον/ἔργα, κόπος und ὑπομονή Apk 2,2a möglicherweise zunächst auf traditionelles und formelhaft geprägtes Material zurückgegriffen hat, um dann in Apk 2,2b.c.3a.b, dieses traditionelle geprägte Material teilweise aufnehmend, nun eigenständig bzw. eigenständiger zu formulieren. Dies bedeutete, dass die Ausführungen in Apk 2,2a und diejenigen in Apk 2,2b.c.3.a.b letzten Endes als Hendiadyoin zu verstehen wären30.

(c) Die Beobachtung, dass zwar das Akkusativobjekt τὴν ὑπομονήν, nicht jedoch das Akkusativobjekt τὸν κόπον ein Possessivpronomen nach sich zieht, stellt im Rahmen dieser Strukturanalyse keine interpretatorische Schwierigkeit (mehr) dar. Angesichts dieser interpretatorischen Vorteile wird in der vorliegenden Studie die grammatische Struktur der Ausführungen in Apk 2,2f. in dieser dritten Weise analysiert. Dieser hypotaktisch akzentuierte Vorschlag zur Struktur der Ausführungen Apk 2,2f. lässt sich graphisch wie folgt darstellen. Wiederum sind hier die explikativ zu interpretierenden Konjunktionen unterstrichen. οἶδα erster argumentativer Ansatz τὰ ἔργα σου καὶ τὸν κόπον [σου]

argumentativer Neuansatz καὶ ὅτι

καὶ τὴν ὑπομονήν σου

οὐ δύνῃ βαστάσαι κακούς (Apk 2,2b)

konkrete Einzelaspekte καὶ ἐπείρασας τοὺς λέγοντας ἑαυτοὺς ἀποστόλους καὶ οὐκ εἰσὶν καὶ εὗρες αὐτοὺς ψευδεῖς (Apk 2,2c)

καὶ ὑπομονὴν ἔχεις (Apk 2,3a)

konkrete Einzelaspekte καὶ ἐβάστασας διὰ τὸ ὄνομά μου καὶ οὐ κεκοπίακες (Apk 2,3b)

29. Vgl. hierzu bereits o. 118, A. 15 und etwa D.E. Aune, Apk I, 142 und J. Roloff, Apk, 49. 30. Anders hier G.K. Beale, Apk, 229; Beale möchte einen argumentativen Neuansatz in Apk 2,3 ausmachen – „V 3 emphasizes the point [d.h. das in Apk 2,2 Ausgeführte] in almost the same words“ –, wird mit dieser Annahme der im Blick auf die Ausführungen in Apk 2,2b und Apk 2,3a konstatierten syntaktischen Parallelität derselben jedoch kaum gerecht.

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Im Anschluss an die Klärung der Struktur des in Apk 2,2f. Ausgeführten ist nun nach den semantischen Implikationen der in dieser Passage verwendeten Lexeme zu fragen. Der Begriff ἔργον/ἔργα ist in der Apk innerhalb der sieben Sendschreiben neben Apk 2,2a noch insgesamt zehnmal belegt, in Apk 2,5.6.19(bis).23.26; 3,1.2.8.15, in der übrigen Apk darüber hinaus noch in Apk 9,20; 14,13; 16,11 und 18,6. Unberücksichtigt bleiben kann in diesem Zusammenhang der Beleg Apk 15,3a; hier geht es, in der kombinierten Aufnahme von Ausführungen aus Ps 111,2; 139,14, um die ἔργα θεοῦ31. H. Ulland definiert diese – hier in Apk 2,2a positiv konnotierten – Werke insbesondere auf der Basis der im apokalyptischen Hauptteil vorfindlichen Belege als „Alleinverehrung Gottes, Ablehnung der Kollaboration mit dem Staat, von Mord, Giftmischerei, Hurerei, und schließlich von Luxus und Wohlleben als Erträgen des Unrechtsstaates“32. Methodisch muss allerdings fraglich bleiben, inwieweit es schon aus rezeptionsästhetischer Sicht angemessen ist, den Begriff ἔργον/ἔργα Apk 2,2a, der in der gesamten Apk erstmalig an dieser Stelle begegnet, vor dem Hintergrund von demselben erst im weiteren Verlauf der Apk – möglicherweise – additiv beigelegten semantischen Implikationen, die den Erstrezipienten im Rahmen ihrer Rezeption von Apk 2,2a jedoch noch nicht bekannt gewesen sein können, zu interpretieren33. Im unmittelbaren Kontext der Ausführungen von Apk 2,2f., dem primären Bezugsrahmen des Begriffs ἔργον/ἔργα, gewinnt derselbe seine semantische Konkretion primär zunächst durch die Begriffe κόπος und ὑπομονή, sekundär dann aber auch durch das im Rahmen eines Neuan- oder -einsatzes der Argumentation unter Verwendung des Terminus ὑπομονή in Apk 2,2b.c.3 Ausgeführte34. Der Sachverhalt, dass der Apokalyptiker in Apk 2,2a den Terminus ἔργον/ἔργα mit Hilfe der Begriffe κόπος und ὑπομονή zu explizieren vermag, weist darauf hin, dass der Apokalyptiker unter den ἔργα das christliche Glauben, Leben und Handeln des von ihm angeschriebenen ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας in seiner Gesamtheit subsummieren möchte35. Mit dem neben Apk 2,2 noch in Apk 14,13 belegten Terminus κόπος rekurriert der Apokalyptiker auf die sich aus der christlichen Existenz ergebenden Anstrengungen des alltäglichen

31. Vgl. hierzu auch H. Ulland, Vision, 52, A. 124. 32. Vision, 53. 33. Vgl. hierzu auch durchaus zutreffend H. Ulland, Vision, 53: „Die Leser bekommen also nachträglich die Möglichkeit geboten, die Werke der Epheser zu entschlüsseln“. 34. In diesem Sinne etwa I.T. Beckwith, Apk, 449. 35. Vgl. hierzu neben vielen anderen etwa H. Giesen, Apk, 98, der davon spricht, „daß die ‚Werke‘ alles umfassen, was das christliche Handeln ausmacht“. In diesem umfassenden Sinne spricht auch P. Prigent, Apk, 157, von einem „neutral meaning“ dieses Terminus.

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Lebens36; dieser Begriff umgreift einerseits die Anstrengungen des „aktiven missionarischen Einsatz[es]“37, andererseits aber sicherlich auch die in Apk 2,2b.c thematisierten Mühen der vom ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας zu leistenden Auseinandersetzung mit die theologische Integrität der ephesischen Gemeinde bedrohenden Pseudoaposteln und Irrlehrern38. Der in Apk 2,3a wieder aufgegriffene und in Apk 2,3b näher explizierte – aufgrund von Apk 1,9 semantisch eng mit der Person des Christus verbunden zu denkende – Begriff ὑπομονή bezieht sich offensichtlich ebenfalls auf die mit seinem Christsein verbundenen und sich aus diesem ergebenden Belastungen für den ‚Gemeindeengel‘. Wird dieser Terminus, was semantisch durchaus möglich ist, im Sinne von ‚Ausharren‘ oder ‚Standhaftigkeit‘ interpretiert39, will die etwa von J. Roloff formulierte Annahme, dass der Apokalyptiker mit dem Begriff κόπος auf innergemeindliche bzw. präziser: innerchristliche Konflikte und Auseinandersetzungen und die daraus resultierenden Belastungen, mit dem Terminus ὑπομονή hingegen auf Belastungen, die sich aus Konflikten des ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας mit seiner nichtchristlichen Umwelt ergeben, anspielen wollte40, durchaus plausibel scheinen. In Apk 1,9 verwendet der Apokalyptiker den Terminus ὑπομονή im Rahmen seiner Selbstvorstellung gegenüber den Adressaten seiner Apk; er selbst sei Mitgenosse 36. In diesem allgemeinen Sinne deutet etwa H. Fendrich, Art. κόπος, in: EWNT2 II, 761 diesen Begriff, wenn er formuliert: „Apk 2,2 (Werke, Mühe und Ausharren kennzeichnen wie 1Thess 1,3 die gute Gemeinde)“. 37. J. Roloff, Apk, 49; anders hier H. Ulland, Vision, 53, A. 132 und auch H. Giesen, Apk, 98. Giesen möchte diesen Terminus u.a. unter Verweis auf Apk 14,13 ausschließlich auf „die Bewährung in der Bedrängnis“ beziehen. Eine solche semantische Einengung ist aber hier in Apk 2,2a kaum wahrnehmbar und wird durch keinerlei Textsignal indiziert. 38. Vgl. hierzu U.B. Müller, Apk, 101: „Die in Vers 2b sogleich geschilderte Abwehr der falschen Apostel bezieht sich auf die Mühe der Gemeinde“. 39. Vgl. hierzu W. Bauer/B. Aland, Wörterbuch, s.v. ὑπομονή, 1686. 40. Vgl. hierzu Apk, 49: „Neben diese innere Bedrohung [, d.h. das in Apk 2,2b.c Ausgeführte,] traten, wie V. 3 anzudeuten scheint, auch äußere Bedrohungen durch Juden und Heiden, denen gegenüber die Gemeinde sich ebenfalls als standfest erwiesen hat“; in diese Richtung tendieren auch E. Lohmeyer, Apk, 22, der im Blick auf Apk 2,3b formuliert: „…; wegen der Wendung διὰ τὸ ὄνομά μου ist wohl an äußere Feindseligkeiten zu denken“, und U.B. Müller, Apk 102: „Neben der erfolgreichen Abwehr von Irrlehrern würdigt Johannes die Standhaftigkeit der Gemeinde bei Bedrückungen, die vonseiten der nichtchristlichen Umwelt ausgingen“. Anders hier R.H. Charles, Apk I, 49f. mit Verweis auf C.J. Ellicott; Charles zufolge gilt im Blick auf den Begriff ὑπομονή: „It does not mark merely the endurance … but … the brave patience with which the Christian contends against the various hindrances, persecutions, and temptations that befall him in his conflict with the inward [!] and the outward world‘“. Anders bzw. noch weitergehender hier C.R. Koester, Apk, 262, der im Blick auf Apk 2,3 formuliert: „Nevertheless, the principal conflict is with different Christian groups, not with outsiders“, Apk 2,3 somit noch nicht einmal auf gesellschaftliche

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seiner Adressaten und zwar sowohl ἐν τῇ θλίψει als auch [ἐν] βασιλείᾳ als auch [ἐν] ὑπομονῇ ἐν Ἰησοῦ. W. Bauer und B. Aland interpretieren diesen Begriff an dieser Stelle im Sinne von „Erwarten“ bzw. „Erwartung“41, während etwa I.T. Beckwith demselben im Blick auf Apk 1,9 die Bedeutung von „steadfast endurance“42 beilegen möchte. Im Blick auf Apk 2,2a dürfte das semantische Momentum der „steadfast endurance“ im Vordergrund stehen43.

Diese Interpretation des Terminus κόπος Apk 2,2a entspricht durchaus dem Impetus der einen argumentativen Neuansatz darstellenden Ausführungen von Apk 2,2b.c. Hier bestätigt der Apokalyptiker dem ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας zunächst, dass er ‚die Bösen nicht ertragen kann‘ (οὐ δύνῃ βαστάσαι κακούς Apk 2,2b), ein Lob, das er spezifiziert durch den im Aorist formulierten Hinweis, dass jener in der Gemeinde auftretende Pseudoapostel, ein Konkretum der in Apk 2,2b angeführten κακοί44, als solche erkannt und wohl auch entsprechend behandelt habe (καὶ ἐπείρασας τοὺς λέγοντας ἑαυτοὺς ἀποστόλους καὶ οὐκ εἰσὶν καὶ εὗρες αὐτοὺς ψευδεῖς Apk 2,2c)45. Den Begriff ὑπομονή bezieht der Apokalyptiker Apk 2,3b zufolge auf das von dem ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας im Rahmen der Auseinandersetzung mit seiner und seiner Gemeinde nichtchristlicher Umwelt geleistete – und von ihm positiv gouttierte – nimmermüde Tragen von Lasten (καὶ ἐβάστασας διὰ τὸ ὄνομά μου46 καὶ Pressionen, sondern auf innergemeindliche bzw. innerchristliche Auseinandersetzungen beziehen möchte. 41. W. Bauer/B. Aland, Wörterbuch, s.v. ὑπομονή, 1687. 42. Vgl. hierzu Apk, 433: „Then is added, as it were in an afterthought, the ὑπομονή, steatfast endurance, which must be exercised in the former [d.h. in der θλίψις] as a condition of inheriting the latter [d.h. die βασιλεία]“. 43. Vgl. hierzu instruktiv A. Satake, Apk, 139, der darauf hinweist, dass dieser Terminus in der LXX und im Frühjudentum „zwei verschiedene Nuancen [besitzt]: Erwartung auf das Kommen Gottes und Erdulden der Bedrängnis; je nach dem Zusammenhang tritt eine von ihnen stärker in den Vordergrund, ohne dadurch die andere ganz zurückzudrängen. Auch in der Offb impliziert ὑπομονή diese zwei Nuancen. Das Gewicht liegt jedoch auf dem Erdulden der Bedrängnis“. 44. Vgl. hierzu etwa R.H. Charles, Apk, 50: „The intolerance here commended is of evildoers who claimed to be apostles“, und D.E. Aune, Apk I, 143: „The κακοί represent a generic type of which the fals ἀπόστολοι are specific types“, darüber hinaus etwa auch P. Prigent, Apk, 158 und H. Giesen, Apk, 98; vgl. zu den hier angesprochen ψευδαπόστολοι und dem von der Gemeinde angewandten Prüfverfahren ausführlich U.B. Müller, Apk, 101f. und P. Trebilco, Christians, 300–303. 45. Neben anderen möchte auch P. Prigent die hier angesprochenen ψευδαπόστολοι mit der in Apk 2,6 in den Fokus gerückten Gruppe der Νικολαΐται identifizieren: „We should probably identify the preachers driven away as the Nicolaitans whom the community rejected with horror (cf. Verse 6)“. Zugunsten einer solchen Annahme bietet der Text Apk 2,2.6 jedoch keinerlei Anhalt; vgl. hierzu auch P. Trebilco, Christians, 302f. 46. Im Blick auf das Syntagma διὰ τὸ ὄνομά μου führt H. Ulland, Vision, 57 aus: „In ihr [d.h. der Präposition διά] klingt … beides – sowohl der Grund als auch der Zweck – an. Das bedeutet, daß die Geduld sowohl vom Offenbarer her kommt, als auch auf ihn hin ausgerichtet ist“.

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οὐ κεκοπίακες47). Auch wenn diese Explikation des Begriffs ὑπομονή letzten Endes unspezifisch bleibt48, lässt sie sich doch zumindest zwanglos mit dem o. zur Bedeutung dieses Terminus im Kontext der Darstellung Apk 2,2a Ausgeführten vereinbaren49. Insbesondere vor dem Hintergrund von Apk 13,10 – ὦδέ ἐστιν ἡ ὑπομονὴ καὶ ἡ πίστις τῶν ἁγίων – und Apk 14,12f. – ὦδε ἡ ὑπομονὴ τῶν ἁγίων ἐστίν, οἱ τηροῦντες τὰς ἐντολὰς τοῦ θεοῦ καὶ τὴν πίστιν Ἰησοῦ. 13 Καὶ ἤκουσα φωνῆς ἐκ τοῦ οὐρανοῦ λεγούσης· γράψον· μακάριοι οἱ νεκροὶ οἱ ἐν κυρίῳ ἀποθνῄσκοντες ἀπ᾽ ἄρτι. ναί, λέγει τὸ πνεῦμα, ἵνα ἀναπαήσονται ἐκ τῶν κόπων αὐτῶν, τὰ γὰρ ἔργα αὐτῶν ἀκολουθεῖ μετ᾽ αὐτῶν – möchte H. Giesen das in Apk 2,2f Ausgeführte auf die kultisch-religiöse Kaiserverehrung beziehen: Diejenigen, die es an ὑπομονή fehlen ließen, seien als diejenigen zu identifizieren, „die sich dem Druck beugen, der vom Kaiserkult ausgeht, das Tier und sein Standbild anbeten und das Kennzeichen des Tieres auf ihrer Stirn tragen“50, während unter den Pseudoaposteln solche zu verstehen seien, die „ihre Mitchristen offenbar dazu bewegen [wollen], sich gegenüber dem religiösen Anspruch des röm[ischen]. Staates kompromißbereit zu zeigen“51. Um diesen letzten Hinweis argumentativ abzufedern, stellt er die hier angesprochenen falschen Apostel vor allem aufgrund ihrer Bezeichnung als ψευδαπόστολοι in einen Zusammenhang mit der Person des Apk 16,13; 19,20; 20,10 belegten Figur des ψευδοπροφήτης, der Giesen zufolge als „Sinnbild der Propagandamaschinerie für den Kaiserkult“52 auftritt: „Als Lügner entlarvt, werden sie [d.h. die falschen Apostel] auf die Seite des Lügenpropheten gestellt“53. Der Text von Apk 2,2f. bietet jedoch keinerlei Anhalt für dessen einseitige Interpretation im Kontext der kultischreligiösen Kaiserverehrung54; ein solcher Bezug ist aufgrund von Apk 13,10; 14,12f. zwar im Nachhinein durchaus möglich, stellt auf dieser Ebene aber eine interpretatorische Leistung des modernen Exegeten dar, zu der die Apk 2,2f. erstmalig hörenden Rezipienten dieser beiden Verse in dieser Form sicherlich nicht in der Lage gewesen sind. 47. Zu diesem Perfekt vgl. H.B. Swete, Apk, 26: „…; here the perf[ect]. κεκοπ[1ιακες]. indicates a condition which continued when the endurance (ἐβάστασας) was at the end“. 48. U.B. Müller, Apk, 101 spricht in diesem Zusammenhang durchaus m.R. von der ὑπομονή als dem „Durchhalten in Verfolgung und Leiden“. Auch H. Lichtenberger, Apk, 85 sieht in Apk 2,3 keinerlei konkreten Bezug auf die kultisch-religiöse Kaiserverehrung: „Welcher konkreten Art diese Bedrängnis war, lässt sich nicht sagen“. M. Karrer, Apk I, 204 spricht in diesem Zusammenhang von „Aussagen in der katalogischen Art usueller Paränese“. 49. Anders hier H. Ulland, Vision, 58: „Eine Erklärung durch den Kontext könnte ‚ertragen‘ und ‚nicht müde werden‘ auf die erwähnte Prüfung der Pseudoapostel beziehen“; dieser Hinweis scheint jedoch bereits in Apk 2,2b aufgenommen und verallgemeinert worden zu sein. 50. Apk, 98. 51. Apk, 98. 52. Apk, 98. 53. Apk, 98. 54. Vgl. hierzu auch R. Mucha/S. Witetschek, Buch ohne Siegel, 108: „Umgekehrt wird z.B. im Sendschreiben nach Ephesos der Kaiserkult überhaupt nicht thematisiert, obwohl dieser seit Mitte der 80er Jahre des 1. Jahrhunderts das Stadtbild und anscheinend auch das gesellschaftliche Leben in Ephesos nachhaltig prägte“.

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Fazit: In Apk 2,2f., den ersten beiden Versen des Corpus des Sendschreibens an den ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας, wird jener ‚Gemeindeengel‘ gelobt ob seiner sowohl nach innen als auch nach außen gerichteten grundsätzlichen und in Vergangenheit und Gegenwart weitestgehend durchgehaltenen Glaubenstreue und Standhaftigkeit55. In dieser Passage nimmt der Apokalyptiker, wie die Tempora der entsprechenden Verben belegen, auf konkretes Verhalten desselben in der – womöglich unmittelbar vergangenen – Vergangenheit Bezug und extrahiert aus diesem eine Analyse der Art und Weise der Praxis seiner Leitungsverantwortung in der Gegenwart. Diese Ausführungen interpretieren die gegenwärtige Situation des ‚Gemeindeengels‘ zugleich als „endzeitliche Kampfsituation …, in der es sich zu bewähren gilt“56. In Apk 2,4 kommt der Apokalyptiker, eingeleitet mit der adversativen Konjunktion ἀλλά57, nun jedoch auf einen aus seiner Sicht kritisch zu hinterfragenden Aspekt des Verhaltens des ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας zu sprechen58: Er sei seiner ἀγάπη πρώτη verlustig gegangen (Apk 2,4)59. Dieser Hinweis ist aufgrund des in Apk 2,2f. Ausgeführten und der in Apk 2,5a mit der konzessiven Konjunktion οὖν60 eingeleiteten Aufforderung, 55. Zu Apk 2,2f. als Lob der Gemeinde vgl. etwa U.B. Müller, Apk, 101, C.R. Koester, Apk, 267 spricht im Blick auf Apk 2,2f. von einer „commendation for resisting false teachers“, womit der Inhalt von Apk 2,2f. aber nur sehr unzureichend wiedergegeben wird. Besser hier D.E. Aune, Apk I, 155: „The Ephesian church receives a generally positive evaluation“. 56. U.B. Müller, Apk, 103. 57. Vgl. hierzu F. Blaß/A. Debrunner/F. Rehkopf, Grammatik, § 448, 378f. 58. D.A. DeSilva, Minds, 130 spricht im Blick auf Apk 2,4 von der stasis dieses Sendschreibens, dem „principal ‚sticking point‘ of a speech, particularly in regard to forensic rhetoric, where the stasis is the relevant question requiring a decision by the jurists“. Wenn das zutrifft, dann stellt sich die Frage nach der Bedeutung und der Funktion der Überwindersprüche und der Weckrufe im Kontext der Sendschreiben in neuer Weise. Daraus folgert er, dass „the audience is expected to accept the diagnosis on the basis of the authority of the speaker, accepting that it is indeed the glorified Christ who is addressing them, together with, perhaps, that ‚intuitive response to the message‘ that here perceives and acknowledges the truth of the accusation in their own experience“ (131). 59. C.R. Koester, Apk, 269, sieht einen inhaltlichen Zusammmenhang zwischen dem hier genannten Kritikpunkt und dem in Apk 2,2f. beschriebenen Verhalten: „Instead, the problem seems to be that their opposition to false teaching has led to a loss of love for other believers“. Textsignale, die eine solche Interpretation stützten, führt Koester jedoch nicht an. Nicht unwichtig ist gerade im Blick auf die Frage nach der Konzeption von Zeit in der Apk (vgl. hierzu T. Witulski, Tempus tempus praecedit, passim) die Beobachtung von D.A. DeSilva, Minds, 131, der darauf aufmerksam macht, dass „no evidence is offered for the premise [d.h. für den Vorwurf, die ἀγάπη πρώτη verlassen zu haben], as, for example, a list of specific acts or behaviors revealing a failure of love“. 60. Vgl. hierzu F. Blaß/A. Debrunner/F. Rehkopf, Grammatik, § 451, 381f.; vgl. zu dieser Konjunktion und ihrer argumentationslogischen Relevanz A. Satake, Apk, 157: „Das einleitende Wort der Mahnungen, οὖν, und die Entsprechung zwischen ‚du hast deine erste

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sich der Vergangenheit, d.h. seines früheren Frömmigkeitsstatus bzw. präziser: seiner früheren Frömmigkeitspraxis zu erinnern61, umzukehren und die πρῶτα ἔργα zu tun62, weniger in einer umfassenden theologischen, die Glaubenslehre und -unterweisung des ‚Gemeindeengels‘ in ihrer Gesamtheit und Grundsätzlichkeit betreffenden Hinsicht63, sondern vielmehr – lediglich – in einem ethischen Kontext, im Sinne eines – auf der Grundlage einer aus der Perspektive des Apokalyptikers orthodoxen theologischen Positionierung – wahrnehmbaren orthopraktischen „Nachlassens der Liebe, die … [er] in der Vergangenheit … geübt habe.“64, zu interpretieren. In Apk 2,5b beschreibt der Apokalyptiker dann Sanktionen für den Fall, dass die in Apk 2,5a geforderte μετάνοια nicht geleistet wird65. Hier Motive aus der Botenformel Apk 2,1c aufnehmend droht der in diesem Sendschreiben redende Christus: εἰ δὲ μή, ἔρχομαί σοι καὶ κινήσω τὴν λυχνίαν σου ἐκ τοῦ τόπου αὐτῆς, ἐὰν μὴ μετανοήσῃς. Diese Drohung thematisiert das innergeschichtliche Kommen des in diesem Sendschreiben redenden Christus und zielt – und dies ist angesichts des in Apk 1,13f.20b Ausgeführten kaum Liebe verlassen‘ in V. 4 und ‚tue die ersten Werke‘ in V. 5 zeigen, dass beide Verse inhaltlich eng verbunden sind“. 61. Vgl. zu dieser Auslegung W. Bauer/B. Aland, Wörterbuch, s.v. πόθεν, 1364; sie formulieren im Blick auf die semantischen Implikationen dieses Adverbs in Apk 2,5a: „Denke daran, von woher (= aus welchem Zustand heraus) du deinen Fall getan hast“. 62. Diese Ausführungen definiert D.A. DeSilva, Minds, 133 als „conclusion“. 63. Dies sieht zutreffend W. Hadorn, Apk, 43: „Der Herr hat etwas wider den Vorsteher und die Gemeinde; er hat die erste Liebe verlassen. Der Eifer um die reine Lehre und die Zucht in der Gemeinde kann über diesen Mangel nicht hinwegtäuschen.“. 64. U.B. Müller, Apk, 103; in diesem Sinne auch C.R. Koester, Apk, 269: „The Ephesians are faulted for letting go of the love they had at first“, und J. Roloff, Apk, 49: „Es geht hier nicht nur um das Nachlassen der Begeisterung der Anfangszeit, also um die typische Erscheinung, unter der die Kirche der 2. und 3. Generation litt, sondern konkret um ein Versagen gegenüber dem Liebesgebot als der zentralen, das Miteinander der Christen in der Gemeinde bestimmenden Norm“; anders hier etwa A. Satake, Apk, 157: „Von V. 5 aus gesehen ist es kaum denkbar, dass mit dieser ‚Liebe‘ die an andere Menschen gerichtete gemeint ist; denn die Mahnungen V. 5 beziehen sich auf das Verhalten der Epheser Gott gegenüber. ‚Deine Liebe‘ ist also die Liebe der Epheser zu Gott, ihr Eifer für Gott“. M. Karrer, Apk I, 204f. möchte einen Bezug des in Apk 2,4 Ausgeführten sowohl auf die Nächsten- als auch auf die Gottesliebe ermöglichen und spricht daher davon, dass im Kontext dessen „das ganze Bedeutungsfeld von der emotionalen Grundkraft der Liebe über die Nächsten- bis zur Gottesliebe aktivierbar ist“ (205); in diese Richtung denkt, allerdings ohne den rezeptionsästhetischen Impetus Karrers, auch H. Giesen, Apk, 99. Für die hier zu führende Diskussion kann diese Problematik unentschieden bleiben. G.K. Beale möchte den Verlust der ἀγάπη πρώτη – unter Verweis auf Mt 24,12–14 – als „unfaithfulness to the covenantal task of enduring impreaching the gospel ‚for a witness‘“ (Apk, 231) interpretieren. 65. U.B. Müller, Apk, 101.103 sieht in Apk 2,4f. eine prophetische Mahnrede formuliert, die aus einer „Anklage (Vers 4). [und einer] Mahnung als Erinnerung an die frühere Erfahrung der Gemeinde und als Ruf zur Umkehr“ (101) besteht, auf die dann „entsprechend dem Stil der prophetischen Bußpredigt … eine [bedingte] Gerichtsdrohung [folgt], die die Mahnung dringlich macht (Vers 5b), eingeleitet mit ‚wenn nicht‘“ (103).

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anders denkbar66 – „auf den Ausschluß der Gemeinde aus der Gemeinschaft mit Christus“67 bzw. auf eine offensichtlich endgültige, nicht rückgängig zu machende Streichung dieser christlichen Gemeinde aus der Gemeinschaft der christlichen οἰκουμένη68. In der Forschung wird die Frage kontrovers diskutiert, ob sich das in Apk 2,5bα angekündigte Kommen des in diesem Sendschreiben redenden Christus auf dessen Kommen in der Parusie, also auf dessen eschatologische Wiederkunft bezieht, oder aber auf ein mögliches Kommen desselben innerhalb der Geschichte anspielt. Während etwa A. Satake69, G.K. Beale70 und J. Roloff71 hier ein innergeschichtliches, als Reaktion auf die Reaktion – oder Nicht-Reaktion – der ephesischen Gemeinde sich ereignendes Kommen Christi thematisiert sehen72, möchte etwa U.B. Müller das hier angesprochene Kommen als einen Hinweis auf die Parusie verstehen73; die eine 66. Werden die Ausführungen in Apk 1,13f. und diejenigen in Apk 1,20b miteinander verknüpft, so zeigt sich, dass der ὅμοιος υἱὸς ἀνθρώπου hier als jemand vorgestellt wird, der sich mitten unter den sieben ἐκκλησίαι bewegt und somit mit diesen Gemeinden eng verbunden bzw. „in seinen Gemeinden gegenwärtig ist“ (H. Giesen, Apk, 91). 67. U.B. Müller, Apk, 103; Müller begründet sein Urteil explizit mit einem Verweis auf die Ausführungen in Apk 2,5bβ: „Denn der Leuchter, der die Gemeinde symbolisiert (1,13.20), soll aus seiner [d.h. Christi] Nähe entfernt werden, wenn die Gemeinde nicht umkehrt“. 68. D.E. Aune, Apk I, 147 formuliert dies sehr deutlich: „This is nothing less than a threat to obliterate the Ephesian congregation as an empirical Christian community“; G.K. Beale, Apk, 232 führt aus: „They [d.h. die ephesischen Christen] will cease to exist as a church when the very function that defines the essence of their existence is no longer performed“; A. Satake, Apk, 157 spricht davon, dass das in Apk 2,5bβ Ausgeführte auf „die Annulierung des Seins der Gemeinde als Gemeinde“ ziele; H. Lichtenberger, Apk, 86 führt aus: „Angedroht wird der Ausschluss der Gemeinde aus der Gemeinschaft mit Christus und aus der Gemeinschaft der übrigen Gemeinden – und zwar endgültig“; in eine ähnliche Richtung tendieren J. Roloff, Apk, 49f., der im Zusammenhang von Apk 2,5b von einem „drohenden Verderben“ (49) spricht und darüber hinaus formuliert: „Weder ihre große Vergangenheit noch ihr gegenwärties Ansehen, sondern allein ihr Gehorsam kann die Gemeinde vor dem Ausgestoßenwerden aus dem Kreis der Gemeinden Jesu Christi bewahren“. 69. Vgl. hierzu Apk, 157: „Der erste Satz, ‚ich will zu dir kommen‘, kann sich nicht auf die Parusie beziehen, weil ihn ein Konditionalsatz begleitet, von dessen Erfüllung das Kommen abhängig gemacht ist“; in diesem Zusammenhang verweist Satake auf Parallelen in Apk 2,16; 3,3. 70. Vgl. hierzu Apk, 242: „Furthermore, the actual wording ‚I will remove your lampstand from its place‘ indicates removal of the church as a light of witness to the world, which points to the removal of it before Christ’s final coming“; inwieweit der Terminus λυχνία hier interpretatorisch jedoch auf die Zeugenfunktion der Gemeinde eingeschränkt werden kann, muss allerdings mehr als fraglich bleiben; zur Begründung dieses Zusammenhangs führt Beale zahlreiche nicht aus der Apk stammende Belege an (vgl. hierzu Apk, 231f.). 71. Vgl. hierzu Apk 50: „Solches Kommen meint nicht die Parusie und das mit ihr verbundene Endgericht, sondern den innergeschichtlichen Machterweis des Herrn über seine Kirche“. 72. Vgl. hierzu auch C.R. Koester, Apk, 269f.: „Some interpreters think this warning refers to Christ’s final coming at the end of the age when the unrepentant will be judged …. Yet this proposal is unlikely, since his final coming is definitive and affects all people (Rev 1:7; 22:12), whereas his coming to the Ephesians is conditional and is directed at a specific congregation“. 73. Vgl. hierzu Apk, 103: „Denn der Leuchter, der die Gemeinde symbolisiert (1,13.20), soll aus seiner Nähe entfernt werden, wenn die Gemeinde nicht umkehrt. Dies würde bei der eschatologischen Wiederkunft Christi, der Parusie eintreten. ‚Ich komme über dich‘ meint

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konditionale Relation andeutende Wendung εἰ δὲ μή bezieht er demzufolge nicht auf das Erscheinen Christi selbst, sondern auf die „Art und die Folge seines Kommens“74. Der etwa von U.B. Müller vertretenen Position widerraten letzten Endes zwei Überlegungen: (a) Die Wendung εἰ δὲ μή lässt sich kaum anders als zunächst auf die Ankündigung ἔρχομαί σοι bezogen begreifen, ein Sachverhalt, der zu der Annahme nötigt, das Kommen Christi selbst als abhängig vom Verhalten der Gemeinde zu Ephesus und damit als ein in der Geschichte sich ereignendes zu verstehen75. (b) Aus der Reihe der von Müller zugunsten seiner These angeführten Belege, nämlich Apk 2,16.25; 3,3.1176, sind lediglich Apk 2,25; 3,11 mit einiger Notwendigkeit auf die Parusie Christi zu beziehen77. Hier unterscheiden sich die Formulierungen aber charakteristisch von derjenigen in Apk 2,5bα: Während der in diesem Sendschreiben redende Christus in Apk 2,25 und in Apk 3,11 ohne jeglichen personalen Bezug und ohne jegliche Konditionalität allgemein ankündigt: οὐ ἂν ἥζω bzw. ἔρχομαι ταχύ, spricht er in Apk 2,5bα von einem explizit auf die – und offensichtlich zunächst nur auf die – ephesischen Christen bezogenen Kommen: ἔρχομαί σοι – das zudem noch von einer konditionalen Wendung eingeleitet wird78. Diese Beobachtung vermag die Annahme, in Apk 2,5bα thematisiere der hier redende Christus sein vom Verhalten der ephesischen Gemeinde abhängiges und innergeschichtlich zu verstehendes Kommen, durchaus zu stützen.

Dieser – zumindest in Apk 2,5bβ – die Zukunft der gesamten ephesischen Gemeinde betreffende Bußruf und in Sonderheit auch die in ihn integrierte Gerichtsandrohung müssen aus zwei Gründen befremden: Einerseits ob der in ihrer Endgültigkeit zum Ausdruck kommenden Härte79 – eindeutig dieses eschatologische Geschehen (wie 2,16.25; 3,3.11). … Den Ausschluß der Gemeinde auf ein innerweltliches Gericht vor der Parusie zu beziehen, geht wohl nicht an“. 74. Apk, 103. 75. Vgl. hierzu G.B. Caird, Apk, 32: „The writer of the letters has said as clearly as words can say that it is the coming itself, not the result of the coming, which is conditional on men’a failure to repent. The threatened coming of Christ would not, in fact, be a worldwide crisis, but a crisis private to the churches concerned“. 76. G.K. Beale, Apk, 232 verweist in diesem Zusammenhang auch auf Apk 3,20; im Unterschied zu Apk 2,5bα ist das in Apk 3,20 beschriebene Hineingehen aber ohne jegliche konditionale Einschränkung formuliert. 77. Vgl. zu diesen Belegen jeweils ausführlich u. 200–206, 225–231, 253–260 und 285–287. 78. Im Blick auf die Relevanz von Apk 2,25; 3,11 innerhalb des hier diskutierten argumentativen Zusammenhangs auch kritisch G.K. Beale, Apk, 232: „The statements about Christ’s coming in 2:25 and 3:11 could well refer to the final parousia, but they are not in the form of conditional statements“; im weiteren Verlauf seiner Darlegungen scheint Beale dann aber in die andere Richtung zu tendieren: „Nevertheless, it must be admitted that to attempt to see 2:25 and 3:11 as strictly parallel to the other comings is plausible. And this would be the best argument that in 2:25, 16 and 3:3, 20 it is not the coming of Christ that is conditional but only the effect of that coming“ (233). 79. D.A. DeSilva, Minds, 133 möchte diese Härte rhetorisch „as a topic of amplification, showing that the matter is indeed sufficiently serious to merit the hearers‘ immediate attention (and positive response to the oracle)“ definieren. Diese Erklärung wird allerdings konterkariert durch den Sachverhalt, dass der Apokalyptiker in Apk 2,6 die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας für seinVerhalten wiederum lobt und damit diese „amplification“ zugleich relativiert.

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immerhin nämlich bewertet der Apokalyptiker das seiner Verantwortung als gemeindlicher Entscheidungsträger entsprechende Verhalten des ephesischen ‚Gemeindeengels‘ zunächst in Apk 2,2f., darüber hinaus dann noch in Apk 2,680 als außerordentlich positiv81 –, andererseits ob der Tatsache, dass nach Apk 2,5bβ offensichtlich die gesamte Gemeinde für ein potentielles zukünftiges Fehlverhalten ihres ἄγγελος, ihres eine Leitungsfunktion ausübenden ‚Gemeindeengels‘, bestraft werden soll. Das aber heißt: Zumindest die Ausführungen in Apk 2,5bβ signalisieren eine erhebliche Diskontinuität innerhalb des Corpus des Sendschreibens an den ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας, eine letzten Endes zweifache Diskontinuität, die mit H. Schweizer in ihrer Gesamtheit als inhaltliche Spannung82 zu fassen ist. Eine weitere Diskontinuität innerhalb dieses Rufes zur Umkehr selbst wird durch den Sachverhalt konstituiert, dass der Bußruf in Apk 2,5b gleich zweifach mit einer Bedingung versehen ist, nämlich einerseits durch den Konditionalsatz εἰ δὲ μή83, der Apk 2,5bα einführt, andererseits durch den mit der Konjunktion ἐάν und einem davon abhängigen Konjunktiv Aorist gebildeten Konditionalsatz ἐὰν μὴ μετανοήσῃς, der Apk 2,5bβ beschließt, eine textgrammatische Auffälligkeit, die mit H. Schweizer in die Kategorie ‚Mehrfachnennung von Wörtern, Wortgruppen, Sätzen und Abschnitten‘84 einzuordnen ist85. Nicht zu Unrecht weist O. Cremer auf eine auf der Bildebene wahrnehmbare weitere Diskontinuität, in diesem Falle eine inhaltliche Spannung86 zwischen den Ausführungen in Apk 2,1c und denjenigen in Apk 2,5b, hin: Während sich nach Apk 2,1c Christus „unter den Gemeinden“, d.h. unmittelbar in ihrer Nähe aufhält, kündigt bzw. droht er in Apk 2,5b – nach traditioneller exegetischer Lesart – der ephesischen 80. Vgl. hierzu u. 147–149. 81. Hier sehr schön U.B. Müller, Apk, 103f.: „Die Härte dieser Gerichtsandrohung muß zunächst befremden, da sie einer Gemeinde gilt, die Johannes vorher ausdrücklich lobt“. Die Erklärung, die Müller selbst für den von ihm beobachteten Sachverhalt gibt, vermag kaum zu überzeugen: „Verständlich wird der Gerichtsernst des Sehers und Propheten von seiner Überzeugung her, daß ‚die Zeit nahe ist‘ …, daß Christus in Bälde kommt“; vgl. hierzu auch G. Fee, Apk, 27: „This particular warning has created no end of trouble for later believers, who for the most part perceive the punishment to far exceed the crime“. 82. Vgl. hierzu o. 33. 83. Vgl. zu dieser Wendung F. Blaß/A. Debrunner/F. Rehkopf, Grammatik, § 376, 306. 84. Vgl. hierzu o. 33. 85. Anders hier H. Giesen, Apk, 100, der in Apk 2,5a.b, vermittelt über das Verbum μετανοέω, eine Inklusion wahrnehmen möchte: „Wie wichtig Christus die Umkehr ist, zeigt der Umstand, daß Umkehr und umkehren in V. 5 eine Inklusion bilden“. Inwieweit im Rahmen dieses lediglich einen Verses, der keinesfalls als eigenständige literarische Einheit, sondern eng mit Apk 2,4 verbunden zu betrachten ist, überhaupt von einer inclusio (zur Definition dieses Stilmittels vgl. bereits o. 119, A. 23) die Rede sein kann, muss jedoch fraglich bleiben. 86. Vgl. zu diesem Terminus bereits o. 33.

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Gemeinde sein Kommen an, eine Ankündigung und eine Drohung, die darauf schließen lässt, dass er sich zur Zeit des Diktates des Sendschreibens von derselben deutlich entfernt aufhält87. Der von Cremer zur Bewältigung dieser Diskontinuität vorgelegte Interpretationsvorschlag scheint freilich nicht zuzureichen; ihm zufolge löse sich diese Spannung „gut auf, wenn man die für die Apokalyptik grundlegende Entsprechung von himmlischer und irdischer Welt bedenkt: Wenn nun Christus zur irdischen Gemeinde kommt, wendet er sich in der himmlischen Welt speziell dem Leuchter der Gemeinde zu. Und wenn er in der irdischen Welt richtend oder erziehend eingreift, verändert sich auch das Setting im Himmel“88. Mit diesem die Parallelität zwischen himmlischer und irdischer Welt betonenden Hinweis wird die von Cremer konstatierte inhaltliche Spannung zwischen der Nähe Christi zur ephesischen Gemeinde, die in Apk 2,1c expliziert wird, und seiner offensichtlichen Distanz ihr gegenüber, die in Apk 2,5b durchscheint, nun aber gerade nicht überwunden, sondern letzten Endes noch verschärft.

Diese hier aufgewiesenen Diskontinuitäten lassen sich – zumindest in der Theorie – überwinden, wenn die Erstrezipienten – gleichzeitig – folgende Inferenzen89 vornehmen: (a) Das als inhaltliche Spannung identifizierte Problem der Bestrafung der gesamten ephesischen ἐκκλησία für ein potentielles zukünftiges Fehlverhalten ihres ἄγγελος würde entschärft, wenn die Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας aus ihrer im Kontext der Semantik des ἄγγελος-Begriffs ursprünglichen individuellen Begrenzung90 gelöst und kollektiv auf die gesamte ἐκκλησία bezogen bzw. mit dieser ineins gesetzt würde. (b) Die in Apk 2,5bβ zum Ausdruck kommende, offensichtlich unverhältnismäßige Härte der Gerichtsandrohung ließe sich auf zweierlei Weise relativieren: (1) Die in Apk 2,5b geäußerte Drohung εἰ δὲ μή, ἔρχομαί σοι καὶ κινήσω τὴν λυχνίαν σου ἐκ τοῦ τόπου αὐτῆς, ἐὰν μὴ μετανοήσῃς, müsse nicht als endgültiger Ausschluss aus Gemeinschaft der christlichen οἰκουμένη, sondern könne durchaus weit weniger radikal, etwa im Sinne des Verlustes der der christlichen Gemeinde von Ephesus bis dato zugestandenen Vorrangstellung gegenüber anderen christlichen Gemeinden interpretiert werden91. (2) Es müsse angenommen werden, dass der Apokalyptiker die im Tun der πρῶτα ἔργα zum Ausdruck kommende Praxis der ἀγάπη πρώτη als die entscheidende Grundlage und das entscheidende 87. Vgl. hierzu Sohn Gottes, 56f.: „Denn nach V5b wird Christus erst noch zur Gemeinde kommen, während er nach V1c schon höchst präsent unter den Gemeinden wandelt“. 88. Sohn Gottes, 57. 89. Vgl. zu diesem Begriff bereits o. 28 mit A. 13; 29. 90. Vgl. zur Interpretation der Figur des ‚Gemeindeengels‘ bereits ausführlich o. 93–114. 91. Dies versucht etwa C.R. Koester, Apk, 262, der die etwa von Müller propagierte Interpretation ablehnt und stattdessen formuliert: „But it more probably means a loss of status. Ephesus will no longer be first among the churches or deemed legitimate“.

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Signum der Existenz der ephesischen Gemeinde als einer christlichen Gemeinde betrachtete92. Vor diesem Hintergrund wird es dann zumindest möglich, die in der Gemeinde virulente Nicht-Praxis der ἀγάπη πρώτη, wird diese nicht korrigiert, als ein Kriterium zu interpretieren, das zum „Ausschluß der Gemeinde aus der Gemeinschaft mit Christus“ führen muss, zu einem Ausschluss, der in all seiner Konsequenz und Endgültigkeit eben nicht erst mit dem Kommen der Parusie, sondern schon innergeschichtlich Platz greifen wird. Um die entscheidende Wichtigkeit der Umkehr insbesondere in diesem Punkt zu unterstreichen, habe der Apokalyptiker dann in Apk 2,5bβ die Aufforderung zur μετάνοια bewusst noch einmal wiederholt. Diese von den Erstrezipienten gleichzeitig vorzunehmenden Inferenzen werden aber vom Text der Apk selbst nicht nur nicht indiziert, sondern nachgerade verwehrt: (a) Die – von jenen bereits zur Kenntnis genommenen – Ausführungen des Apokalyptikers in Apk 1,20, insbesondere diejenigen in Apk 1,20b, schließen eine unmittelbare Identifikation des ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας mit der ephesischen ἐκκλησία aus93. Aus dieser Beobachtung ergibt sich die – anhand der Einzeltexte jeweils noch zu diskutierende – grundsätzliche Frage nach der literarischen Relation der innerhalb der sieben Sendschreiben in der 2. Person Plural abgefassten, somit also unmittelbar an die Glieder der jeweiligen Gemeinde gerichteten Passagen – konkret handelt es sich dabei neben der hier diskutierten Passage Apk 2,10b.c94 um Apk 2,13d; 2,23b.2495 – zu den übrigen Partien der jeweiligen Sendschreiben. Angesichts der klaren inhaltlichen Differenzierung in Apk 1,20b will es kaum glaublich scheinen, dass der Apokalyptiker die mit den jeweiligen Gemeinden zu identifizierenden Figuren der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν als literarische Fiktion entwickelt, diese Fiktion an einigen Stellen allerdings dann selbst durchbrochen habe96 oder aber die 2. Person

92. Vgl. hierzu G. Fee, Apk, 27: „But that says more about us than it does about the author of the Johannine literature, since he perceived the whole of the Christian faith to be a matter of experiencing God’s love for us through Christ and then returning that love to him by loving others. From his perspective, to fail at this point is to fail exceedingly – if not altogether – which is why for him the ‚punishment‘ is precisely in keeping with the ‚crime.‘ And ‚love‘ for John is not simply a matter of attitude toward others; the only love worthy of the name from his perspective lies in their doing the things you did at first. Thus the only correct response to their current failure is to ‚repent‘“. 93. Vgl. hierzu bereits ausführlich o. 77–92. 94. Zur Analyse dieser Passage vgl.u. 178–184. 95. Zur Analyse dieser Passagen vgl.u. 198–200 und u. 215–230. 96. So aber D.E. Aune, Apk I, 109: „A close reading of the seven proclamations in Rev 2–3 clearly suggests that this [d.h. die Figuren der ‚Gemeindeengel‘] is a literary fiction, which the author is simply not able to maintain consistently“; in diesem Sinne auch K. Huber, Menschensohn, 197: „Die 2. Person Singular wird auch nicht konsequent durchgehalten und wechselt vereinzelt in die 2. Person Plural …, was die literarische Fiktion vermuten lässt“.

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Singular – in Anlehnung an die deuterojesajanische Figur des Gottesknechtes97 – unmittelbar kollektiv verstanden wissen wollte98. Viel wahrscheinlicher und auch plausibler ist demgegenüber die Annahme, dass es sich bei diesen in der 2. Person Plural abgefassten Passagen um nachträgliche, womöglich durch aktuelle Entwicklungen veranlasste Einfügungen oder Ergänzungen handelt, die sich einem Redaktor verdanken, der seinerseits dann unter – bewusster oder unbewusster – Vernachlässigung der Ausführungen in Apk 1,20b die Gestalten der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν als Repräsentanten der einzelnen Gemeinden interpretiert und die Engel und die entsprechenden Gemeinden miteinander identifiziert hat.

(b) Gegen die etwa von C.R. Koester vertretene Deutung der Ausführungen Apk 2,5bβ als Androhung eines Statusverlustes spricht, dass in der Apk an keiner Stelle eine Rangfolge innerhalb der ἄγγελοι der sieben angeschriebenen Gemeinden expliziert wird, es also offensichtlich keinerlei Vorrangstellung gibt, die verloren gehen könnte. Dass sich den Erstrezipienten der Apk eine solche Auslegung nahegelegt haben wird, darf daher mit Fug und Recht bezweifelt werden. Der Interpretation der Praxis der ἀγάπη πρώτη als der entscheidenden Grundlage der Existenz der ephesischen Gemeinde als einer christlichen Gemeinde widerrät der Duktus der Argumentation, der im Corpus dieses Sendschreibens selbst sichtbar wird: Wenn der Apokalyptiker zu vermitteln beabsichtigte, dass die durch die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας offensichtlich nur mangelhaft realisierte Praxis der ἀγάπη πρώτη bereits an den Rand des Ausschlusses aus der christlichen οἰκουμένη brächte, stellte sich die Frage, warum er – wie etwa in Apk 3,1b – in Apk 2,2a dieses Versäumnis dann nicht unmittelbar thematisierte, eben um die gravierende soteriologische Gefährdung, in der der ἄγγελος aus seiner Sicht schwebt, in wünschenswerter Deutlichkeit vor Augen zu führen. Stattdessen beginnt er sein Sendschreiben an den ephesischen ‚Gemeindeengel‘ in Apk 2,2f. mit dessen Verhalten grundsätzlich und explizit lobenden Ausführungen – später folgt ein in dieser Weise konnotiertes Urteil auch noch in Apk 2,699 –, die einen positiven Tenor 97. Auf diese Figur verweist T. Holtz, Christologie, 115; Holtz zitiert hier O. Eißfeldt, Einleitung, 412: „‚Der ‘Ebed der Lieder … ist mit Israel identisch und zugleich auch nicht identisch, hat teil an Schicksal und Schuld des empirischen Israel und ist doch – als eine Art ideales Israel – zugleich Vorbild und Heiland für die anderen Völker und für das empirische Israel selbst‘“. Dass die Figur des ‫ – ֶע ֶבד יהוה‬unabhängig von der entsprechenden Diskussion innerhalb der alttestamentlichen Exegese (vgl. hierzu nur O. Kaiser, Einleitung, 278–280) – im Urchristentum jedoch gerade nicht kollektiv, sondern individuell gedeutet worden ist, belegen bereits die Ausführungen in Apg 8,30–35; hier bezieht der Evangelist Philippus diese Figur explizit auf Jesus (Apg 8,35). 98. In diese Richtung denkt H. Giesen, Apk, 90: „...; denn er verwendet das ‚Du‘ kollektiv“; dabei verweist Giesen u.a. auf T. Holtz, Christologie, 113–116. 99. Vgl. hierzu u. 147–149.

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transportieren und innerhalb derer jener jenem ein hohes Maß an Standhaftigkeit und Glaubenstreue bescheinigt. Aus den Ausführungen Apk 2,2–5 vermögen die Erstrezipienten der Apk, die als Hörer zunächst den grundlegend positiven Tenor dieses Sendschreibens wahrnehmen und unter diesem Vorzeichen das Weitere hören, einen schlüssigen, in diesem Falle die gravierende soteriologische Gefährdung der Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας reflektierenden Gesamtsinn somit in keinem Falle zu extrapolieren. Das aber heißt: Im Blick auf die Ausführungen in Apk 2,5b, insbesondere diejenigen in Apk 2,5bβ ist texthermeneutische Kohärenz nur zu gewinnen, wenn die Erstrezipienten im Zuge des Prozesses des Textverstehens den Text Apk 2,2–5 auf der Basis einer bzw. mehrerer „rekonstruktive[r] oder konstruktive[r] Operation[en]“100 in einer Weise interpretieren, die dieser selbst und der Duktus seiner Argumentation gerade nicht nahelegen, letztlich somit eine textkonträre und vollständig subjektive Sinnbildung vornehmen101. Daraus aber folgt: Der Text Apk 2,2–5 ist in der vorliegenden Form texthermeneutisch als inkohärent zu bewerten, ein Urteil, das seinerseits wiederum dazu führt, ihn literarkritisch zu untersuchen und auf mögliche unterschiedliche Wachstumsstufen zu befragen. In diesem Zusammenhang legen die o. konstatierten textgrammatischen Diskontinuitäten die Annahme nahe, die Ausführungen in Apk 2,5bβ, d.h. die konkret die Formulierung καὶ κινήσω τὴν λυχνίαν σου ἐκ τοῦ τόπου αὐτῆς, ἐὰν μὴ μετανοήσῃς, als eine spätere, möglicherweise jedoch dem Apokalyptiker selbst zu verdankende Hinzufügung aufzufassen. Dies einmal probehalber vorausgesetzt, ergibt sich für Apk 2,4f. folgender ursprünglicher Text: ἀλλὰ ἔχω κατὰ σοῦ ὅτι τὴν ἀγάπην σου τὴν πρώτην ἀφῆκες. (5) μνημόνευε οὖν πόθεν πέπτωκας καὶ μετανόησον καὶ τὰ πρῶτα ἔργα ποίησον· εἰ δὲ μή, ἔρχομαί σοι. Dieser Text weist keinerlei Diskontinuität auf und lässt sich aufgrund der auf seiner Basis mühelosen Stiftung von Sinn zwanglos als kohärent wahrnehmen. Darüber hinaus vermag diese Annahme die Auffälligkeit der in Apk 2,5bα und 2,5bβ vorliegenden doppelten Konditionalität zu plausibilisieren: Im Rahmen der Einfügung des Satzes καὶ κινήσω τὴν λυχνίαν σου ἐκ τοῦ τόπου αὐτῆς Apk 2,5bβ habe der Apokalyptiker die Konditionalität verdoppelt, um auch die Ergänzung des bereits vorliegenden konditionalen Bedingungsgefüges explizit in ein konditionales Bedingungsgefüge integriert präsentieren zu können. Mit R. Wonneberger 100. T. Lewandowski, Linguistisches Wörterbuch I, s.v. Inferenz, 441; vgl. hierzu bereits o. 28 mit A. 13; 29. 101. Zum theoretischen Hintergrund dieser Überlegungen vgl. bereits o. 25–37.

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lässt sich die Erweiterung des vorliegenden Textes Apk 2,5a.bα um die Formulierung καὶ κινήσω τὴν λυχνίαν σου ἐκ τοῦ τόπου αὐτῆς, ἐὰν μὴ μετανοήσῃς Apk 2,5bβ als eine auf den vorangehenden Kontext bezogene ‚anschließende Erweiterung‘ begreifen102, innerhalb derer das Stichwort λυχνία aus Apk 2,1c – und aus Apk 1,12.20 – wieder aufgenommen wird103. Zugleich wird durch die Einfügung des Konditionalsatzes ἐὰν μὴ μετανοήσῃς, wenn auch sicherlich nicht im strengen Sinne, in Relation zu den Ausführungen μνημόνευε οὖν πόθεν πέπτωκας καὶ μετανόησον καὶ τὰ πρῶτα ἔργα ποίησον Apk 2,5a eine inclusio104 kreiert105. Zu fragen ist nun aber, ob der in der vorliegenden Weise rekonstruierte Text seinerseits überhaupt einen Sinn ergibt, eine Frage, die nicht zuletzt davon abhängt, ob die in Apk 2,5bα auf die konditionale Wendung εἰ δὲ μή folgende Einlassung ἔρχομαί σοι lediglich neutral im Sinne von ‚ich komme zu dir‘ bzw. ‚ich besuche dich‘ zu verstehen ist, oder ob dieselbe womöglich auch, etwa im Sinne von ‚ich komme über dich‘ bzw. ‚ich bestrafe dich‘, als eine Sanktionen implizierende Ankündigung aufgefasst werden kann. Dass ein Verständis dieser Einlassung im letztgenannten Sinn zumal für den Apokalyptiker als eines im Judentum verwurzelten christlichen Theologen106 durchaus möglich ist, ergibt sich aus folgender Überlegung: Nach L. Köhler und W. Baumgartner könne das hebräische Verbum ‫בוא‬, das in seiner Grundbedeutung etwa mit ‚hineingehen‘ oder auch ‚hinkommen‘ zu übersetzen sei107, durchaus auch die Bedeutungen „an jmd, über jmd kommen, herfallen über“108 transportieren, wobei das entsprechende personale Objekt entweder mit den Partikeln ‫על‬, ַ ‫ ֶאל‬oder ‫ ֽל‬an das Prädikat angeschlossen oder aber auch durch ein mit dem Prädikat unmittelbar verbundenes Suffix expliziert werde. Als Belege für diese Suffix-Konstruktion verweisen Köhler und Baumgartner auf Hi 15,21 und Ez 32,11, Belege, zu denen auch noch Ps 109,17a (Ps 108,17aLXX) hinzuzufügen wäre. 102. Vgl. hierzu Redaktion, 124; unter einer ‚anschließenden Erweiterung‘ versteht Wonneberger „solche redaktionellen Erweiterungen …, die auf den vorangehenden Kontext bezogen sind“. 103. Zum Begriff der Stichworterweiterung vgl. R. Wonneberger, Redaktion, 132. Anders hier etwa J. Wellhausen, Analyse, 5, der das in Apk 2,5bβ Ausgeführte für ursprünglich halten und die Einlassungen in Apk 1,20 aus Apk 2,5bβ heraus motiviert begreifen möchte. 104. Zum Begriff der inclusio vgl. bereits o. 119–120. 105. Diese Überlegungen legen mit einer gewissen Zwangsläufigkeit die Annahme nahe, dass die dieses Sendschreiben einleitende und mit den Ausführungen in Apk 2,5bβ – und zugleich auch mit denjenigen in Apk 1,12f.16a.20 – motivisch eng zusammenhängende Botenformel Apk 2,1b.c ebenfalls als das Resultat einer sekundären Erweiterung anzusehen ist. Vgl. zu dieser Frage aber ausführlich u. 139–147. 106. Vgl. hierzu etwa A. Satake, Apk, 35; Satake formuliert etwa: „Seine Kenntnis der hebräischen Bibel und sein nicht immer korrektes Griechisch deuten an, dass sein [d.h. des Apokalyptikers] ursprünglicher Wirkungsbereich Palästina gewesen ist“. Satake zufolge sei der Apokalyptiker aus Palästina nach Kleinasien ausgewandert und erst dort mit dem Christentum in Kontakt gekommen. 107. Vgl. hierzu Lexicon, 111. 108. Lexicon, 112.

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LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

MT

LXX

Hi 15,21

‫שׁוֹדד‬ ֥ ֵ ‫קוֹל־פּ ָח ִ ֥דים ְבּ ָאזְ ָנ֑יו ַ֜בּ ָשּׁ ֗לוֹם‬ ְ ὁ δὲ φόβος αὐτοῦ ἐν ὠσὶν αὐτοῦ ‫יְבוֹאנּוּ‬ ֶֽ ὅταν δοκῇ ἤδη εἰρηνεύειν ἥξει αὐτοῦ ἡ καταστροφή

Ez 32,11

‫הו֑ה ֶ ֥ח ֶרב‬ ִ ְ‫ ִ ֛כּי ֥כֹּה ָא ַ ֖מר ֲאד ָֹנ֣י י‬ὅτι τάδε λέγει κύριος ῥομφαία ‫בוֹאָך‬ ֽ ֶ ‫ְך־בּ ֶ ֖בל ְתּ‬ ָ ‫ ֶ ֽמ ֶל‬βασιλέως Βαβυλῶνος ἥξει σοι

Ps 109,17a

‫בוֹאהוּ‬ ֑ ֵ ‫ וַ יֶּ ֱא ַ ֣הב ְ ֭ק ָל ָלה וַ ְתּ‬καὶ ἠγάπησεν κατάραν καὶ ἥξει αὐτῷ

In Ez 32,11LXX und Ps 108,17aLXX werden die entsprechenden hebräischen, mit dem Verbum ‫ בוא‬gebildeten Suffix-Konstruktionen ‫בוֹאָך‬ ֽ ֶ ‫ ְתּ‬bzw. ‫בוֹאהוּ‬ ֑ ֵ ‫וַ ְתּ‬, die im Sinne von ‚über jemanden kommen‘ bzw. ‚über jemanden herfallen‘ zu verstehen sind, mit dem Verbum ἥκω und einem davon abhängigen Dativobjekt wiedergegeben. Aufgrund des engen semantischen Zusammenhangs der Verben ἥκω und ἔρχομαι109 ist es nun, zumal dann, wenn unterstellt wird, dass dem Apokalyptiker als einem im Judentum verwurzelten christlichen Theologen das hebräische Alte Testament nicht unbekannt gewesen ist, zwanglos denkbar, dass jener die Formulierung ἔρχομαί σοι Apk 2,5bα – in Anlehnung eben an die Suffix-Konstruktionen in Ez 32,11 und Ps 109,17a – weniger neutral, sondern durchaus im Sinne einer Sanktion des in diesem Sendschreiben redenden Christus gegenüber der ephesischen Gemeinde verstehen konnte und auch verstanden wissen wollte.

Diese Überlegungen zu Apk 2,5bβ verweisen nun ihrerseits zurück auf die mit den dortigen Ausführungen motivisch eng verbundene Botenformel Apk 2,1b.c und evozieren die Frage, ob jene nicht ebenfalls eine sekundäre Ergänzung darstelle, durch die u.U. eine ursprünglich anderslautende Botenformel – denkbar wären hier etwa die alttestamentlichen, in der prophetischen Literatur begegnenden Formeln τάδε λέγει κύριος παντοκράτωρ oder τάδε λέγει κύριος110 – ersetzt worden sei111. Diese Ersetzung verdankte sich dann dem Bemühen, ein bis dato ursprünglich eigenständiges, in schriftlicher Form vorliegendes Sendschreiben an den ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας – oder auch ein womöglich bis dato nur in mündlicher Form vorliegendes, an den ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας gerichtetes prophetisches Wort – mit Hilfe einer ‚anschließenden Erweiterung‘ bzw. einer Stichworterweiterung112 nachträglich mit der Vision vom ὅμοιος υἱὸς ἀνθρώπου 109. Vgl. hierzu nur Hebr 10,37; hier formuliert der Verfasser dieser Epistel in Aufnahme eines Zitats aus Hab 2,3LXX: ἔτι γὰρ μικρὸν ὅσον ὅσον, ὁ ἐρχόμενος ἥξει καὶ οὐ χρονίσει. 110. Vgl. zu diesen beiden Formeln etwa G.K. Beale, Apk, 229, der im Kontext seiner Ausführungen zu Apk 2,1b.c auf dieselben zu sprechen kommt. 111. Vgl. hierzu etwa R.H. Charles, Apk I, 45f. „But the divine titles of Christ at the beginnings of the Letters can hardly have stood in the original Letters as they now do“. 112. Vgl. zu diesen beiden Begriffen R. Wonneberger, Redaktion, 124.132.

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Apk 1,9ff. zu verknüpfen und so unter Einbezug weiterer sechs Sendschreiben eine Sammlung von prophetischen Mahnreden zu schaffen113. Als alttestamentliche Analogie114 zu einer solchen etwaigen Sammlung ließe sich die Sammlung der Völkersprüche bzw. das Völkergedicht Am 1,3–2,16 anführen. In ihrem Grundbestand scheinen diese Sprüche eine vorexilische Komposition darzustellen115, wobei sich die Frage, ob jene zunächst als Einzelsprüche unabhängig voneinander existierten, kaum sicher beantworten lässt116.

Für diese Annahme lassen sich durchaus Gründe namhaft machen: (a) Im Rahmen der der in Apk 2f. verwendeten Botenformel entsprechenden alttestamentlichen Wendungen wird die jeweils sprechende Figur lediglich mit ihrem Namen und/oder ihren Titeln eingeführt, nicht aber, wie in Apk 2,1b.c, mit einer ausführlichen Beschreibung der diese Figur betreffenden aktuellen Verhältnisse bzw. Vorfindlichkeiten. Einige Beispiele seien hier angeführt: Gen 45,9LXX: τάδε λέγει ὁ υἱός σου Ιωσηφ; Ex 5,1LXX: τάδε λέγει κύριος ὁ θεὸς Ισραηλ; Ex 5,10LXX: τάδε λέγει Φαραω; Ex 9,1LXX: τάδε λέγει κύριος ὁ θεὸς τῶν Εβραίων; Num 16,1LXX: τάδε λέγει Βαλακ ὁ τοῦ Σεπφωρ. Dies trifft insbesondere zu auch auf die in der exegetischen Literatur häufig als Parallele zu Apk 2f. herangezogenen117 Völkersprüche des Amos (Am 1f.)118, die sämtlich mit der Formel ‫יְהוה‬ ֔ ָ ‫ ֚כֹּה ָא ַ ֣מר‬/ τάδε λέγει κύριος eingeleitet werden. (b) Die einzelnen Elemente der Botenformel Apk 2,1b.c – die das Aussehen und das Verhalten des in diesem Sendschreiben redenden Christus beschreibenden Formulierungen ὁ κρατῶν τοὺς ἑπτὰ ἀστέρας ἐν τῇ δεξιᾷ αὐτοῦ, und ὁ περιπατῶν ἐν μέσῳ τῶν ἑπτὰ λυχνιῶν τῶν χρυσῶν – weisen in ihrer Gesamtheit und für sich genommen, werden die Ausführungen in 113. Vgl. hierzu R.H. Charles, Apk I, 46: „Some of the existing titles may be original, but it is hard to evade the conclusion that the original titles were recast by our author, when he incorporated the Letters into the complete edition of his visions, and were brought into close conformity with the divine titles of Christ in i. 13 – 18“. 114. Im Blick auf die sieben Sendschreiben augenscheinlich jedoch anders etwa D.E. Aune, Apk I, 129: „The reason for including seven separate proclamations (making it possible for each community to read the divine edict of each of the other communities) is that imperial edicts did not have universal application but were valid only for the region and people for whom they were promulgated“. 115. Vgl. hierzu etwa E. Zenger, Einleitung, 655. Zenger vermutet als vorexilischen Grundbestand die Sprüche I, II, V, VI und den Grundbestand von VII; aus der Exilzeit stammten s.E. die Sprüche III, IV, VI und der in Spruch VIII enthaltene Geschichtsrückblick Am 2,9–12 (vgl. hierzu 657). 116. Vgl. hierzu etwa J. Jeremias, Rezeptionsprozesse, 34, A. 12: „Das gleiche gilt für die schwer beantwortbare Frage, ob Völkersprüche und Visionsberichte einmal ein Eigenleben führten, …“. 117. Vgl. hierzu etwa W. Hadorn, Apk, 39 und F. Hahn, Sendschreiben, 363. 118. Vgl. hierzu o.

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Apk 2,5bβ als sekundär ausgeschieden, keinerlei inhaltlichen Bezug zu dem an die Botenformel anschließenden Corpus des Sendschreibens an die Gemeinde zu Ephesus auf119. So sind sie etwa kaum geeignet, als Begründung für das ab Apk 2,2 thematisierte Wissen des in diesem Sendschreiben redenden Christus um die Grundhaltung und das konkrete Verhalten des in dieser Epistel adressierten ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας zu fungieren120. (c) Auffällig ist, dass die einzelnen Sendschreiben keinerlei wechselseitige, intra- oder auch intertextuelle Bezüge aufweisen, in ihren einzelnen, z.T. sehr ähnlichen oder gleichen Inhalten somit also nicht aufeinander Bezug nehmen. Dies zeigt anschaulich etwa folgender Sachverhalt: Während nach Apk 2,14 der ἄγγελος τῆς ἐν Περγάμῳ ἐκκλησίας Christen hat, die κρατοῦντες τὴν διδαχὴν Βαλαάμ, ὃς ἐδίδασκεν τῷ Βαλὰκ βαλεῖν σκάνδαλον ἐνώπιον τῶν υἱῶν Ἰσραὴλ φαγεῖν εἰδωλόθυτα καὶ πορνεῦσαι, duldet der ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας τὴν γυναῖκα Ἰεζάβελ, ἡ λέγουσα ἑαυτὴν προφῆτιν καὶ διδάσκει καὶ πλανᾷ τοὺς ἐμοὺς δούλους πορνεῦσαι καὶ φαγεῖν εἰδωλόθυτα (Apk 2,20), also eine Frau, die inhaltlich annähernd das gleiche zu propagieren scheint wie der in Apk 2,14 – zumindest implizit – kritisierte Βαλαάμ. Eine explizite Parallelisierung der beiden – fiktiven oder realen – Personen und der im Verantwortungsbereich der beiden ἄγγελοι virulenten Verhältnisbestimmungen oder einen expliziten Verweis auf die jeweils andere Person bzw. die jeweils anders verortete Verhältnisbestimmung bietet jedoch keiner der beiden Belege. Gleiches trifft zu im Blick auf die Gruppe der Ἰουδαῖοι, die der Apokalyptiker sowohl in Apk 2,9b als auch in Apk 3,9a in z.T. durchaus parallelen Formulierungen als συναγωγὴ τοῦ σατανᾶ121 einführt, ohne dass der Hinweis in Apk 3,9a einen expliziten Bezug auf das in Apk 2,9b Ausgeführte erkennen ließe. Im Gegenteil: Die Ausführungen in Apk 3,9a vermitteln den Eindruck, dass der Apokalyptiker im Rahmen seiner Begründung der Qualifizierung der 119. Dies ergibt sich aus den Ausführungen A. Satakes, Apk, 155, der festhält: „Die Beschreibung [d.h. die Epitheta innerhalb der Botenformel] steht nicht nur für dieses Sendschreiben, sondern auch für alle sieben“. Vgl. hierzu auch deutlich R.H. Charles, Apk I, 48: „This clause [d.h. Apk 2,1b] has no organic connection with the letter to the Church in Ephesus“. 120. Anders hier jedoch G.K. Beale, Apk, 229: „Christ’s introduction of himself as holding the seven stars and walking among the seven golden lampstands, which refers back to ch. 1, directly relates him to the problem of the Ephesian church. He ist always in their midst and therefore is keenly aware of how they are living“. Nach R.H. Charles, Apk I, 46 ließe sich dieser von G.K. Beale formulierte Bezug als eine „artificial connection“ charakterisieren. Eine besondere Nähe des in diesem Sendschreiben redenden Christus zu dem hier angeschriebenen ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας hätte der Apokalyptiker weit besser explizieren können, wenn er in Apk 2,1b etwa formuliert hätte: ὁ κρατῶν καὶ σὲ ἐν τῇ δεξιᾷ αὐτοῦ 121. Zur inhaltlichen Interpretation dieses Begriffs vgl.u. 178.

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Ἰουδαῖοι als συναγωγὴ τοῦ σατανᾶ nicht auf den bereits in Apk 2,9b entwickelten und weitgehend gleichlautenden Begründungszusammenhang zurückblickt, sondern diesen Begründungszusammenhang in Apk 3,9a neu entwickelt. Darüber hinaus muss auffallen, dass der Apokalyptiker innerhalb der sieben Sendschreiben darauf verzichtet, einzelnen, den von ihm in ihrem Verhalten kritisierten ἄγγελοι andere, von ihm gelobte ἄγγελοι als vorbildhaft und nachahmenswert vor Augen zu führen. Eine genauere Analyse der Ausführungen in Apk 2,9b und Apk 3,9a vermöchte u.U. darüber hinaus noch eine gänzlich andere Sicht auf deren Relation zu generieren. Werden beide Passagen untereinander angeordnet dargestellt, so werden Parallelen und Differenzen deutlich erkennbar: Innerhalb des in Apk 2,9b Gesagten erweitert der Apokalyptiker, um das Akkusativobjekt τὴν βλασφημίαν näher zu definieren, dasselbe um eine mit der Präposition ἐκ c.gen. angeschlossene Formulierung, die diese βλασφημία näherhin als eine „von denen, die sagen, daß sie Juden seien und es nicht sind, sondern die Synagoge des Satans“ (ἐκ τῶν λεγόντων Ἰουδαίους εἶναι ἑαυτοὺς καὶ οὐκ εἰσὶν ἀλλὰ συναγωγὴ τοῦ σατανα) stammende charakterisiert. In Apk 3,9a erweitert der Apokalyptiker das Prädikat διδῶ um ein mit der Präposition ἐκ c.gen. angeschlossenes Genitivobjekt, bestehend zunächst aus dem Syntagma συναγωγὴ τοῦ σατανᾶ, von dem dann eine attributive Ergänzung abhängig zu sein scheint, die, wie das u.a. Schaubild deutlich macht, in ihrer Struktur weitestgehend der in Apk 2,9b auf das Akkusativobjekt τὴν βλασφημίαν bezogenen Formulierung entspricht: (ἐκ) τῶν λεγόντων ἑαυτοὺς Ἰουδαίους εἶναι, καὶ οὐκ εἰσὶν ἀλλὰ ψεύδονται. Apk 2,9b

οἶδά σου ... τὴν βλασφημίαν

Apk 3,9a

ἰδοὺ διδῶ

ἐκ τῶν λεγόντων Ἰουδαίους εἶναι ἑαυτοὺς ἐκ τῆς (ἐκ)122 τῶν συναγωγῆς λεγόντων ἑαυτοὺς τοῦ σατανᾶ Ἰουδαίους εἶναι,

καὶ οὐκ ἀλλὰ εἰσὶν συναγωγὴ τοῦ σατανα ἀλλὰ ψεύδονται

In der exegetische Literatur wird die Genitivformulierung ἐκ τῆς συναγωγῆς τοῦ σατανᾶ häufig als genitivus partitivus interpretiert123 und der Anfang von Apk 3,9a dann entsprechend folgendermaßen übersetzt: „Behold, I will cause those of the 122. Nach W. Bousset, Apk, 227, A. 2 lesen Teile der syrischen Überlieferung (vgl. hierzu 150) und der von dem Kirchenvater Primasius verwendete und wiedergegebene Text vor der attributiven Ergänzung τῶν λεγόντων κτλ. noch die – textkritisch sicherlich sekundäre – Präposition ἐκ. Das Vorhandensein dieser alternativen Lesart lässt erkennen, dass zumindest einige Abschreiber die in Apk 3,9a vorliegende grammatische Struktur offensichtlich als nicht den Regeln der griechischen Grammatik entsprechend wahrgenommen und jene daher, wenn nicht verbessert, so doch jedenfalls deutlicher herausgearbeitet haben. Diese Alternativlesart ist wie folgt zu übersetzen: „… aus der Synagoge des Satans, von denen, die sagen …“. 123. Zur Interpretation dieser Genitivwendung als genitivus partitivus vgl. etwa D.E. Aune, Apk I, 230, zum genitivus partitivus vgl. auch F. Blaß/A. Debrunner/F. Rehkopf, Grammatik, §164, 135f.

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

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synagogue of Satan who call themselves Jews (but are not, but are lying …)“124. Der Deutung der Phrase ἐκ τῆς συναγωγῆς τοῦ σατανᾶ als eines genitivus partitivus widerraten jedoch folgende Überlegungen: (a) Ein der Präposition ἐκ vorausgehendes und explizit deklariertes indefinites Pronomen wie etwa τινάς oder τινῶν fehlt125. (b) Die Interpretation der Formel ἐκ τῆς συναγωγῆς τοῦ σατανᾶ als eines genitivus partitivus bedeutete, dass der Apokalyptiker in Apk 3,9a, hier deutlich im Unterschied zu Apk 2,9b, innerhalb der sardischen Judenschaft zu differenzieren und eben nicht deren Gesamtheit, sondern nur einen Teil derselben anzusprechen beabsichtigte126, eine Annahme, die sich inhaltlich kaum plausibilisieren lässt. Dieser partitiven Deutung entgegen indizieren nun die grammatisch sehr ähnlich konstruierten Ausführungen in Apk 15,2 die Interpretation der Wendung ἐκ τῆς συναγωγῆς τοῦ σατανᾶ als eines Akkusativobjekts. In Apk 15,2 vermag der Apokalyptiker nämlich zu formulieren: Καὶ εἶδον ὡς θάλασσαν ὑαλίνην μεμιγμένην πυρὶ καὶ τοὺς νικῶντας ἐκ τοῦ θηρίου καὶ ἐκ τῆς εἰκόνος αὐτοῦ καὶ ἐκ τοῦ ἀριθμοῦ τοῦ ὀνόματος αὐτοῦ ἑστῶτας ἐπὶ τὴν θάλασσαν τὴν ὑαλίνην ἔχοντας κιθάρας τοῦ θεου. Der Sachverhalt, dass es sich bei der Figur des (ersten) θηρίον und auch bei dessen εἰκών um eine Einzelgestalt bzw. um ein Einzelphänomen handelt, verunmöglicht hier die partitive Interpretation der Formulierung ἐκ τοῦ θηρίου κτλ. in ihrer Gesamtheit; deren Verknüpfung mit dem Verbum νικάω nötigt darüber hinaus dazu, sämtliche an dasselbe mit der Präposition ἐκ c.gen. angeschlossene Genitivobjekte logisch als Akkusativobjekte zu interpretieren, Apk 15,2b also letzten Endes folgendermaßen zu lesen: τοὺς νικῶντας τὸν θηρίον καὶ τὴν εἰκόνα κτλ. Daraus folgt im Blick auf die Interpretation von Apk 3,9b, dass auch die von dem Prädikat διδῶ abhängige Wendung ἐκ τῆς συναγωγῆς τοῦ σατανᾶ satzlogisch als Akkusativ, also im Sinne von τὴν συναγωγήν τοῦ σατανᾶ aufzufassen ist. Da der logischen Struktur der Ausführungen in Apk 3,9a entsprechend anzunehmen ist, dass das Partizip τῶν λεγόντων und die von diesem abhängigen Sätze bzw. Satzglieder als auf das Substantiv συναγωγή bezogen und somit als eine Apposition zu diesem verstanden werden müssen127, ist die Phrase ἐκ τῆς συναγωγῆς τοῦ σατανᾶ τῶν λεγόντων κτλ. insgesamt folgendermaßen zu verstehen: „Siehe, ich gebe hin die Synagoge des Satans, die Synagoge derer, die sagen, …“. Diese Interpretation aber evoziert ein neues Problem. In Apk 3,9b nämlich scheint der Apokalyptiker, wie die Partikel ἰδού an dessen Beginn signalisiert, den in Apk 3,9a angefangenen, aber nicht zu Ende geführten Satz wieder aufzunehmen, mit dem Unterschied allerdings, dass er nun das von dem entsprechenden Prädikat ποιήσω abhängige Akkusativobjekt – im Unterschied zu dem diesem in Apk 3,9a entsprechenden vorherigen Genitivobjekt ἐκ τῆς συναγωγῆς τοῦ σατανᾶ bzw., akkusativisch interpretiert, τὴν συναγωγὴν τοῦ σατανᾶ – nicht im Singular, sondern 124. So D.E. Aune, Apk I, 228; ähnlich auch U.B. Müller, Apk, 127: „Siehe, ich füge es: Die aus der Synagoge des Satans, die sagen, sie seien Juden, und sind es nicht, sondern sie lügen …“. 125. Vgl. hierzu etwa F. Blaß/A. Debrunner/F. Rehkopf, Grammatik, §164, 135 und auch D.E. Aune, Apk I, 230. 126. Vgl. zu diesem Gesichtspunkt m.R. D.E. Aune, Apk I, 230: „In this particular instance, the idiom is used atypically, since it is apparently not just some of those who are part of the synagogue of Satan …, but all“. 127. Vgl. hierzu etwa W. Bousset, Apk, 227 und I.T. Beckwith, Apk, 481.

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im Plural fasst: ἰδοὺ ποιήσω αὐτοὺς ἵνα ἥξουσιν καὶ προσκυνήσουσιν ἐνώπιον τῶν ποδῶν σου καὶ γνῶσιν ὅτι ἐγὼ ἠγάπησά σε. Da es nun grammatisch kaum möglich ist, das Personalpronomen αὐτοὺς auf das Substantiv συναγωγή Apk 3,9a zu beziehen – es sei denn, der Terminus συναγωγή wird referentiell oder kollektiv interpretiert, was aber angesichts der folgenden Genitivapposition τῶν λεγόντων κτλ. kaum plausibel scheinen will –, bleiben als Bezugsgröße für dasselbe nur das Partizip τῶν λεγόντων und die von diesem abhängigen Sätze und Satzglieder übrig. Damit aber ergäbe sich eine im Blick auf die offensichtlich vom Apokalyptiker beabsichtigte Parallelität der Sätze Apk 3,9a und Apk 3,9b eine erhebliche syntaktische Verschiebung, tritt damit doch in Apk 3,9b sachlogisch ein Akkusativobjekt in Erscheinung, das innerhalb der Formulierung Apk 3,9a noch die syntaktische Position einer von dem dortigen Genitiv- bzw. Akkusativobjekt abhängigen Genitivapposition einnimmt. Dieser – durchaus als Diskontinuität definierbare – syntaktische Bruch nötigt zwar keinesfalls zu literarkritischen Operationen, da sie nicht zwangsläufig zu einer texthermeneutischen Inkohärenz führt, ließe sich aber mühelos beseitigen, würde die Einfügung τῆς συναγωγῆς τοῦ σατανᾶ als sekundär angesehen. Stellte dieses Syntagma aber eine sekundäre Zutat dar, ließe sich dessen Hinzufügung nur als ein im Zuge der Zusammenstellung der sieben Sendschreiben zu einem Textcorpus eingefügter, nachgerade impliziter Querverweis erklären128, eine Überlegung, die ihrerseits die Annahme stützte, die einzelnen Sendschreiben bzw. deren Corpora stellten ursprünglich eigenständige, mündlich oder schriftlich vorliegende sprachliche Einheiten dar.

(d) Schließlich lassen sich zwischen den einzelnen Sendschreibencorpora deutliche theologische Differenzen nachweisen129: Während etwa nach Apk 2,10d der ἄγγελος τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας den στέφανος τῆς ζωῆς erhalten wird, wenn er sich bis zu seinem Tode als standfest und glaubenstreu erweist: γίνου πιστὸς ἄχρι θανάτου, καὶ δώσω σοι τὸν στέφανον τῆς ζωῆς, scheint der ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας Apk 3,11b zufolge diesen Kranz schon zu seinen Lebzeiten erhalten zu haben130. Er soll lediglich darauf achten, desselben bis zum (erneuten) Kommen des ἀρνίον Christus nicht noch verlustig zu gehen: κράτει ὃ ἔχεις, ἵνα μηδεὶς 128. Mit R. Wonneberger, Redaktion, 126–128 ließe sich im Blick auf die die Funktion dieses Zusatzes, wenn auch nicht in temporalem Sinne, von einer synchronisierten oder synchronisierenden Einfügung sprechen; zu der in der vorliegenden Studie entwickelten These, die Ausführungen in Apk 3,9 in ihrer Gesamtheit stellten eine nachträglich oder sekundär eingefügte Synchronisation zu den Ausführungen in Apk 2,9b dar, vgl.u. 283–285. 129. Anders hier etwa E. Lohmeyer, Apk, 36, der im Blick auf Apk 3,11 von „eine[r] ähnlichen Verheißung wie 2,10“ spricht, freilich ohne dies näher zu begründen. 130. Vgl. hierzu H. Lichtenberger, Apk, 110: „Das Kommen Christi ist hier tröstlich; die Gemeinde in Philadelphia hat sich bereits den (Sieges-)Kranz erworben. Ihn gilt es nun zu bewahren“; zu Apk 2,10 bemerkt er: „Dieser Lorbeerkranz, der den ‚Treuen‘ übergeben wird [!], ist ohne Zweifel das Heil in Christus“ (Apk, 93). Ähnlich hier auch P. Prigent, Apk, 206: „One should note that the wording implies that Christians already possess the crown, even though the use of this favor is conditional, requiring faithfulness without fail“, und H. Giesen, Apk, 135, der hier von einem „bereits geschenkte[n] eschatologische[n] Heil“ spricht.

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λάβῃ τὸν στέφανόν σου131. Diese als inhaltliche Spannung zu definierende, den Bereich des Theologisch-Konzeptionellen betreffende textliche Diskontinuität132 widerrät der Annahme, alle sieben Sendschreiben seien zu gleicher Zeit bzw. gleichermaßen in der Perspektive ihrer Zusammenfügung zu einem Gesamtkorpus abgefasst worden. Vielmehr indiziert diese mit Nachdruck die These, die einzelnen Sendschreiben bzw. deren jeweilige Corpora stellten – zumindest zunächst – voneinander unabhängige und primär auf die konkrete Situation des jeweils angesprochenen oder angeschriebenen ἄγγελος bezogene und daher theologisch durchaus unterschiedlich akzentuierte Äußerungen dar133. Diese Diskontinuität lässt sich kaum mit der Annahme auflösen, dass der Apokalyptiker in Apk 2,10; 3,11 jeweils unterschiedliche στεφανοί vor Augen gehabt hätte134. Weitere denkbare Möglichkeiten der Bewältigung dieser Diskontinuität wären: (a) die Interpretation des in Apk 2,10d Ausgeführten im Sinne von: „… werde ich dir den Kranz des Lebens zu einem dann nicht mehr verlierbaren Besitz geben“, eine Deutung, die durch die Semantik des Verbums δίδωμι ausgeschlossen ist135, oder aber: (b) die Auslegung der Einlassungen Apk 3,11b im Sinne von: „ …, dass dir niemand deinen Kranz, den du aber erst mit deinem Tod wirklich erhalten wirst, kurz vor dem Ziel noch nehme“, eine Interpretation, die an der Semantik des Verbums λαμβάνω scheitern muss136. In jedem Falle müsste ein Rezipient, unternähme er den Versuch, die Ausführungen von Apk 2,10d und Apk 3,11b auf einem der hier aufgezeigten Wege miteinander kompatibel zu machen, erhebliche Inferenzen137 vornehmen, die sich semantisch in keinem Falle begründen lassen.

Diese Beobachtungen vermögen in ihrer Gesamtheit durchaus die Annahme nahezulegen, dass die einzelnen Sendschreiben bzw. deren Corpora ursprünglich nicht in der Absicht abgefasst worden seien, sie zu einer Sammlung 131. Gänzlich anders hier etwa U.B. Müller, Apk, 132, der im Blick auf Apk 3,11 formuliert: „Die Gemeinde soll sich den Kranz, der als Zeichen der Vollendung für sie schon bereitliegt …, nicht nehmen lassen (ähnlich 2,10 [!])“. Diese von Müller hier postulierte sachliche bzw. inhaltliche Ähnlichkeit lässt sich an den beiden Texten selbst jedoch kaum begründen. Müller und seiner Auslegung hier sehr ähnlich etwa auch C.R. Koester, Apk, 326 und J. Roloff, Apk, 62. 132. Vgl. hierzu o. 33. Zu einfach macht es sich O. Cremer, Sohn Gottes, 33, A. 173, der – wenn auch in einem anderen Zusammenhang – formuliert: „Dem Seher geht es weniger um eine konzeptionell geschlossene Darstellung der Auferstehung und des Seins bei Christus, als vielmehr darum, verschiedene Verheißungen und Hoffnungsbilder … auf zu nehmen“. 133. Zu einer möglichen, im Rahmen der Frage der Entstehung der Texteinheit Apk 1,9–3,22 entwickelten Erklärung für diese im Zuge der hier verhandelten Fragestellung nur konstatierbaren theologisch-konzeptionellen Differenzen vgl.u. 369–376. 134. Vgl. zur Parallelität dieser beiden στεφανοί nur J.-W. Taeger, Gesiegt, 140. 135. Vgl. hierzu nur W. Bauer/B. Aland, Wörterbuch, s.v. δίδωμι, 387–389. 136. Vgl. hierzu nur W. Bauer/B. Aland, Wörterbuch, s.v. λαμβάνω, 942–946. 137. Zu diesem Begriff vgl. bereits o. 28 mit A. 13; 29.

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zusammenzufügen und sie als Sammlung zu veröffentlichen138. Dies aber bedeutet, dass deren Verknüpfung mit der Vision von der Gestalt des ὅμοιος υἱὸν ἀνθρώπου Apk 1,9ff. als eine lediglich sekundär realisierte zu betrachten ist139. Das aber heißt dann, dass die mit dieser Vision motivisch eng verbundene Botenformel Apk 2,1b.c erst im Zuge dieser sekundären Verknüpfung generiert und dem Corpus des Sendschreibens an den ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας vorangestellt wurde, eine Konsequenz, die auch im Blick auf den Schreibbefehl Apk 2,1a gezogen werden muss, da dieser nur als ein aus dem Munde des ὅμοιος υἱὸν ἀνθρώπου ergangener Befehl denkbar ist. In der exegetischen Literatur wird immer wieder darauf hingewiesen, dass in Apk 2,15, in der Formulierung οὕτως ἔχεις καὶ σὺ κρατοῦντας τὴν διδαχὴν [τῶν] Νικολαϊτῶν ὁμοίως, ein Verweis auf die in Apk 2,6, im Rahmen des Sendschreibens an den ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας, ebenfalls erwähnten Νικολαΐται vorläge; die Wendung οὕτως ἔχεις καὶ σύ wird dann im Sinne von „so hast auch du“ interpretiert140. Dieser Auslegung stehen jedoch folgende Überlegungen entgegen: (a) Der Satz Apk 2,15, insbesondere auch dessen Einleitung und dessen Schluss, beziehen sich, wie dessen Kontextualisierung nahelegt, mit erheblich größerer Wahrscheinlichkeit auf die Ausführungen in Apk 2,14; in diesen Ausführungen wird mit Bezug auf die biblische Person des Βαλαάμ/Bileam und dessen Wirken unter den Israeliten eine offensichtlich in Pergamon ansässige Gruppe beschrieben, deren Mitglieder das φαγεῖν εἰδωλόθυτα und das πορνεῦσαι praktizieren, d.h. also offen ist für eine weitreichende Integration in die pagane Mehrheitsgesellschaft141: ἀλλ᾽ ἔχω κατὰ σοῦ ὀλίγα ὅτι ἔχεις ἐκεῖ κρατοῦντας τὴν διδαχὴν Βαλαάμ, ὃς ἐδίδασκεν τῷ Βαλὰκ βαλεῖν σκάνδαλον ἐνώπιον τῶν υἱῶν Ἰσραὴλ φαγεῖν εἰδωλόθυτα καὶ πορνεῦσαι. Mit seinen die Einlassungen in Apk 2,15 einleitenden und beschließenden Formulierungen beabsichtigte der Apokalyptiker nun, den in Apk 2,15 beschriebenen Sachverhalt, d.h. das Auftreten der Gruppe der Νικολαϊτεῖς innerhalb der pergamenischen Gemeinde, als sachliche Parallelität und Entsprechung zu der Apk 2,14 dargestellten Vorfindlichkeit zu explizieren und vor dem Hintergrund des in Apk 2,14 Ausgeführten zu interpretieren142: 138. Diese Überlegungen berühren sich inhaltlich durchaus mit den o. bereits diskutierten formgeschichtlichen Annahmen etwa von U.B. Müller und F. Hahn (vgl. hierzu o. 41–65). 139. Anders hier etwa H. Ulland, Vision, 26: „Der wichtigste Grund allerdings, die Sendschreiben nicht als Briefe zu verstehen, besteht in ihrer Verankerung im Kontext der Apk. Die Sendschreiben sind Teile der Menschensohnvision, die in 1,10 beginnt“. Letzteres trifft sicherlich zu, stellt aber kein zwingendes Argument zugunsten der These dar, dass die sieben Sendschreiben nicht zunächst unabhängig von der in Apk 1,9ff. beginnenden Darstellung existiert haben. 140. Vgl. hierzu etwa D.E. Aune, Apk I, 188: „The καὶ σύ, ‚you too,‘ refers to the presence of this influence in Ephesus previously mentioned in 2:6; the concluding ὁμοίως, ‚as well, likewise, similarly,‘ also compares the situation in Pergamon with that in Ephesus“; in ähnlicher Weise hier auch U.B. Müller, Apk, 112. 141. Vgl. zur inhaltlichen Interpretation dieser beiden Verse ausführlich u. 200–206. 142. Vgl. zu diesem Rückbezug explizit etwa H. Ulland, Vision, 95f.; Ulland möchte das in Apk 2,15 Ausgeführte auf die in Apk 2,14c eingeführten υἱοὶ Ἰσραήλ zurückbeziehen und formuliert: „Dies bedeutet, daß sich das ‚so hast auch du‘ nicht auf die Epheser, sondern auf die ‚Kinder Israel‘ zurückbezieht, in deren Mitte ebenfalls einige oder viele waren, die

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„Ebenso143 hast auch du, d.h. wie die υἱοὶ Ἰσραήλ, die solche hatten, die der διδαχὴ Βαλαάμ folgten, solche, die in gleicher Weise wie diese die Lehre der Nikolaiten praktizieren“144. Dieser Auslegung gegenüber eignet die Annahme, dass der Apokalyptiker in Apk 2,15 einen Querverweis auf das Sendschreiben an den ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας und auf die Ausführungen in Apk 2,6 zu konstruieren suchte, weitaus weniger Plausibilität und Wahrscheinlichkeit. (b) Dem entspricht, dass in Apk 2,15 ein expliziter Verweis auf Apk 2,6, auf den ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας und das von diesem gegenüber der Gruppe der Νικολαΐται an den Tag gelegte Verhalten fehlen, ein nur schwer erklärbarer Sachverhalt, wenn anzunehmen wäre, der Apokalyptiker hätte an dieser Stelle einen entsprechenden Querverweis implementieren wollen145.

Im Anschluss an das Drohwort in Apk 2,5 thematisieren der Apokalyptiker bzw. der in dieser Epistel redende Christus – in gewissem Sinne in Form eines nachklappenden Lobes – in Apk 2,6, eingeleitet durch die adversative Konjunktion ἀλλά146, wiederum einen aus ihrer Sicht positiven einer anderen Lehre anhingen, nämlich der, die über Bileam und Balak zu ihnen gelangt war, und durch sie andere zum Abfall verführten“. Vgl. hierzu auch D.E. Aune, Apk I, 188: „The οὕτως … coordinates the phrase that it introduces with the statement that immediately precedes in v 15, by way of interpretation or explanation“. Anders hier etwa H. Giesen, Apk, 114f., der in Apk 2,14f. zwei unterschiedliche Gemeindegruppen dargestellt sieht. 143. Zu dieser Bedeutung des Adverbs οὕτως vgl. etwa W. Bauer/B. Aland, Wörterbuch, s.v. οὕτω(ς), 1208f.; zu möglichen, auf die Ausführungen in Apk 2,6 rekurrierenden relationalen Implikationen dieses Adverbiums vgl. m.R. ablehnend H. Ulland, Vision, 95, A. 347: „Auch die … geäußerte Vermutung, daß durch οὕτως in Apk 2,15 eine Identität zwischen den Nikolaiten in Ephesus (2,6) und Pergamon hergestellt werde, kann nicht überzeugen“. 144. Vgl. hierzu etwa W. Bousset, Apk, 213: „Auch im Alten Testament verführen die moabitischen Buhlerinnen die Israeliten zur Teilnahme an den Opfermahlen …; für den Apokalyptiker ist diese Parallele zu den gegenwärtigen Verhältnissen, da es sich bei den Irrlehrern wieder um diese beiden Dinge handelt, besonders schlagend. Wenn also hier den Irrlehrern Schuld gegeben wird, daß sie die ‚Lehre‘ Bileams haben, so bedeutet das, daß sie dieselben verführerischen Ratschläge gaben wie damals Bileam“, und A. Satake, Apk, 166: „In V. 15 kommt der V[er]f[asser]. zur Wirklichkeit in Pergamon zurück, indem er diesmal die Menschen mit ihrer Selbstbezeichnung ‚Nikolaiten‘ … anspricht“. 145. Hinzu kommt ein weiteres Argument, das allerdings nur dann gilt, wenn – anders als in der vorliegenden Studie – die Sendschreiben als unmittelbar an die einzelnen Gemeinden gerichteten Episteln, die einzelnen ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν also als identitär reziprok zu den entsprechenden ἐκκλησίαι aufgefasst werden (vgl. hierzu ausführlich o. 92–114): Nach Apk 2,6 scheint die Gruppe der Νικολαΐται in der ephesischen Gemeinde gerade nicht akzeptiert, sondern vielmehr abgelehnt worden zu sein. Damit aber läuft der Versuch, die Apk 2,15 einleitende Wendung οὕτως ἔχεις καὶ σύ im Sinne von „so hast auch du [pergamenische Gemeinde gleichwie die ephesische]“ zu interpretieren, von vornherein ins Leere; vgl. hierzu etwa J. Roloff, Apk, 54: „Und zwar handelt es sich um die gleichen Nikolaiten, die bereits in Ephesus begegneten …. Während sie jedoch dort abgewiesen wurden, konnten sie in Pergamon einen Teil der Gemeinde für ihre Lehre gewinnen“. 146. Vgl. hierzu etwa T. Zahn, Apk, 225: „Nicht mit einem das Vorangehende nur weiterführenden und ergänzenden δέ, sondern mit ἀλλά, also mit einem stark betonten, zu den vorigen ernsten, kurzen und drohenden Mahnungen scharf gegensätzlichen ‚aber‘ ist dieses anerkennende Wort eingeleitet“.

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Aspekt des Handelns des ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας147. Dieser nämlich ‚hasst‘ die ἔργα Νικολαϊτῶν148, die auch der Apokalyptiker bzw. der hier sprechende Christus hassen. In der gegenwärtigen Forschung wird immer wieder die Frage diskutiert, ob die Gruppe der Νικολαΐται mit der in Apk 2,2c angesprochenen Gruppe der ψευδαπόστολοι zu identifizieren oder doch zumindest in Verbindung zu bringen sei. Gegen eine solche Annahme spricht die Beobachtung, dass der Apokalyptiker bzw. Christus diese beiden Personengruppen und den Umgang der Gemeinde mit ihnen nicht in ein- und demselben Argumentationskomplex, sondern an zwei durchaus unterschiedlichen Stellen innerhalb seiner Darstellung in Apk 2,1–7 diskutiert149. Im Rahmen der von ihm vorgelegten rhetorischen Analyse der sieben Sendschreiben macht J.T. Kirby in den Corpora der sieben Sendschreiben jeweils zwei Bestandteile aus, eine narratio, in der ein „statement of facts“150 formuliert werde, und eine propositio, innerhalb derer der Apokalyptiker die „core or major point[s]“151 diskutierte152. Im Blick auf das Sendschreiben an den ephesischen ‚Gemeindeengel‘ definiert er die Passage Apk 2,2f. als narratio153, die Passage Apk 2,4–6 als die entsprechende propositio154. Zu fragen ist jedoch, ob und inwieweit das in Apk 2,2f. als „statements of facts“ Erörterte überhaupt in einem sachlichen Zusammenhang mit dem in der narratio Apk 2,4–6 Diskutierten steht. Während nämlich etwa in Apk 2,2f. u.a. die Aspekte des κόπος und der ὑπομονή des ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας 147. Hier durchaus m.R. C.R. Koester, Apk, 270: „Since the congregation has been faulted for a lack of love, it is perhaps surprising that it is now commended for hating the works of the Nicolaitans“. 148. H. Ulland, Vision, 61f. erwägt, „ob sich dahinter [d.h. hinter der Gruppe der Νικολαΐται] wirklich historische Größen der Zeit der Apk verbergen, oder es sich hier um fiktive Gegner handelt, denn auch über Ignatius, IgnEph 9,1 und die patristische Literatur ist nichts Sicheres über diese Gruppen zu erfahren. Der Name ‚Nikolaiten‘ könnte symbolisch sein und die griechische Form des ebenfalls symbolisch gedeuteten Namens ‚Bileam‘ darstellen“. Dass es sich bei dieser Gruppe zur relativen Zeit von Apk 2f. jedoch um eine – welchen Namen auch immer tragende – real existierende Gruppe handeln muss, bestätigen schon die Ausführungen in Apk 2,6, die sich andernfalls kaum sinnvoll erklären ließen. Zur Gruppe der Nikolaiten auch ausführlich P. Trebilco, Christians, 307–335. 149. Vgl. hierzu m.R. D.E. Aune, Apk I, 147: „The adversative ἀλλά … marks the beginning of a new thought, suggesting that the false apostles of v 2 are not to be identified with the Nicolaitans, a distinction made clear by the aorist tense of the verbs in v 2, while the present tense is used here“. 150. Rhetorical Situations, 200; diese Fakten dienen als „background“ (201) für die an die narratio anschließende propositio. 151. Rhetorical Situations, 200; in diesem Abschnitt werde dargelegt; „what … the speaker wants principally to say“ (201). 152. Nach H. Lausberg, Handbuch II, 788 und Handbuch I, 148f. begreifen diejenigen antiken Rhetoriker, die die propositio als Teil einer Rede definieren, dieselbe als den „gedankliche[n]. Kern der narratio“ (II, 788). 153. Vgl. hierzu Rhetorical Situations, 201. 154. Vgl. hierzu Rhetorical Situations, 201.

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angesprochen werden, thematisiert der Apokalyptiker in Apk 2,4–6 Verhältnisse und Entwicklungen, die weder aus diesen beiden Aspekten resultieren noch diese beiden Aspekte zur Folge haben. Einen anderen Vorschlag zu einer einheitlichen, alle sieben Corpora der sieben Sendschreiben als Strukturmuster in gleicher Weise erfassenden Gliederung legt M. Hubert vor; ihm zufolge würden in diesen insgesamt vier Aspekte transportiert, die allerdings, der Situation der jeweiligen Gemeinde entsprechend, nicht in jedem Corpus auch vollständig aufweisbar seien, nämlich zunächst eine Auflistung der positiv zu beurteilenden Verhältnisse und Entwicklungen, dann eine Auflistung der aus der Sicht des Apokalyptikers negativen Vorfindlichkeiten, dann Aufforderungen, schließlich Drohungen155. Gegen diesen sich auf alle Sendschreibencorpora in gleicher Weise beziehenden Gliederungsvorschlag spricht, dass er zwar durchaus geeignet ist, die unterschiedlichen Inhalte der einzelnen Corpora zu erfassen, nicht jedoch dazu taugt, deren Struktur wiederzugeben. So bietet etwa das Corpus des Sendschreibens an den ephesischen ‚Gemeindeengel‘ zunächst eine Liste positiv zu bewertender Entwicklungen (Apk 2,2f.), dann eine negativ zu bewertende, an die eine Aufforderung und eine Drohung geknüpft sind (Apk 2,4f.), zum Schluss aber wieder ein explizit als positiv deklariertes Verhaltensmuster (Apk 2,6). Neuestens schlägt M. Wilson vor, die Corpora der einzelnen Sendschreiben in „praise sayings“156, „blame sayings“ und „coming sayings“ zu differenzieren. Wilson zufolge diskutiere der Apokalyptiker innerhalb der „praise sayings“ und der „blame sayings“ die gegenwärtige Situation der sieben angeschriebenen Gemeinden, wohingegen sich die „coming sayings“ auf zukünftige Ereignisse und Entwicklungen bezögen157. Diese nach inhaltlichen und zugleich nach temporalen Gesichtspunkten durchgeführte Gliederung der Corpora der sieben Sendschreiben scheitert – zumindest in Hinsicht auf das Sendschreiben an den ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας – daran, dass sich die von Wilson als „coming sayings“ betitelten Passagen zumindest in Teilen auch auf die aktuelle Gegenwart des jeweils angeschriebenen ‚Gemeindeengels‘ beziehen; dies belegen die Ausführungen in Apk 2,5, die Wilson explizit unter die Gruppe der „coming saying“ rubriziert: Die diese Ausführungen einleitende Aufforderung μνημόνευε οὖν spricht mit dem Imperativ Aorist μνημόνευε diesen Gegenwartsbezug nachgerade unmittelbar aus158.

In Apk 2,7a formulieren der Apokalyptiker bzw. der in dieser Epistel redende Christus dann einen Weckruf159 – ὁ ἔχων οὖς ἀκουσάτω τί τὸ 155. Vgl. hierzu L’Architecture, 349; Hubert spricht von „le bilan positif, … le bilan négatif, … les exhortations, … les menaces“. 156. Vgl. zu diesen Begriffen Victor Sayings 64f.258–260. 157. Vgl. hierzu Victor Sayings, 65: „The elements of the praise and blame sayings were mentioned while discussing the rhetorical situation of the seven churches. The coming sayings will be touched on in future discussions“. 158. Vgl. hierzu die Ausführungen von F. Blaß/A. Debrunner/F. Rehkopf, Grammatik, § 337,1, 276 zum Imperativ Aorist, hier mit Blick auf Jak 4,7: „Ingressiv drückt er [d.h. der Imperativ Aorist] das Zustandekommen des Verhaltens im Gegensatz zum bisherigen aus: Jak 4,7 ὑποτάγετε τῷ θεῷ ‚ordnet euch (von nun an [!]) Gott unter‘“. 159. Zur literarischen Funktion dieses Weckrufs vgl. etwa W. Popkes, Funktion, 96: „Der Weckruf macht in der beschriebenen, apokalyptisch-weisheitlich geprägten Tradition

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πνεῦμα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις160 –, mit dem jener, wie die ansonsten nicht erklärbare Formulierung ὁ ἔχων οὖς ἀκουσάτω Apk 2,7aα belegt, offensichtlich nicht mehr nur ausschließlich den in der 2. Person Singular anzuredenden ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας anspricht. Vielmehr richtet jener – aufgrund des Plurals ταῖς ἐκκλησίαις – augenscheinlich nun ohne die Vermittlung der Figur eines gemeindlichen ἄγγελος sein Wort an diejenigen aus der Gruppe der sieben der in der Apk angeschriebenen Gemeinden bzw. diejenigen aus der Menge ihrer Glieder161, auf die die in der Protasis formulierte Eigenschaft des ἔχων οὖς zutrifft, letzten Endes also sämtliche Glieder der sieben angeschriebenen Gemeinden162. Textsignale, die den Erstrezipienten diese – in jedem Falle diskontinuitäre163 – Adressatenänderung erklärten oder jenen diese doch zumindest im Vorhinein signalisierten, finden sich allerdings nicht, genauso wenig wie Konjunktionen oder andere Konnektoren, die im Rahmen der Interpretation den intendierten inhaltlichen Zusammenhang zwischen den vorangehenden Ausführungen und diesem Weckruf explizieren könnten. Der in diesem Sendschreiben redende Christus kündigt all denjenigen, die mit der Eigenschaft des ἔχων οὖς begabt darauf aufmerksam, dass ein Tiefensinn im Text beachtet werden soll, den es zu erheben gilt, wozu es freilich wiederum besonderer Voraussetzungen bedarf“. Kritisch gegenüber der von Popkes formulierten These einer dem Weckruf zuzuschreibenden hermeneutischen Funktion jedoch A.-M. Enroth, Hearing Formula, 602f.; allein schon die Verbindung mit dem entsprechenden Überwinderspruch spräche ihr zufolge – zumindest primär – für eine präparativ-paränetische Funktion desselben; zusammenfassend führt sie aus: „Its [d.h. des Weckrufes] function is parenetic …. The HF [d.h. der Weckruf] is an invitation and an encouragement to hear. It underlines what should be heard and how it should be heard, and what follows from hearing aright“ [602]); in diesem Sinne auch U.B. Müller, Apk, 94, der den mit den Weckrufen jeweils zusammenhängenden Überwindersprüchen eine “paränetische Bedeutung” zuschreiben möchte, und H. Giesen, Apk, 104, der feststellt: „Mit dem prophetischen Weckruf unterstreicht Christus den Ernst der Lage und ruft zur Wachsamkeit auf“. 160. Zur traditionsgeschichtlichen Verankerung dieses Weckrufes vgl. etwa F. Hahn, Sendschreiben, 377–380 und W. Popkes, Funktion, 92f. 161. Vgl. hierzu schon die entsprechenden, von den Codices A – zumindest dessen erster Korrektor – und C gebotenen Lesarten; deren (Ab-)Schreiber haben jeweils das Numeral ἑπτά zwischen den Artikel ταῖς und das Substantiv ἐκκλησίαις eingefügt. 162. Vgl. hierzu durchaus m.R. H. Ulland, Vision, 45: „Beide Teile, die Mahnung und die Verheißung an den Sieger, gehören zusammen und heben sich vom Kontext ab. Erstens, weil sie trotz unterschiedlicher Reihenfolge stets zusammen auftreten. Zweitens wird mit der unpersönlichen 3. Pers. Sg. die Ebene der direkten Ansprache an den Engel der Gemeinde bzw. die Gemeinden selbst, die in der 2. Pers. Sg. oder Pl. stehen, verlassen. Dies hält sich in beiden Teilen durch. Drittens wird der Kontext der direkten Bezugnahme auf die konkrete Gemeinde verlassen, indem das, was der Geist den Gemeinden (Pl.!) sagt, der besonderen Aufmerksamkeit der Hörer anempfohlen wird“. 163. Mit H. Schweizer ließe sich diese Diskontinuität als eine inhaltliche Spannung definieren; vgl. hierzu ausführlich o. 33–34.

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sind164, also sämtliche Glieder der sieben angeschriebenen Gemeinden, an, dass die Figur des πνεῦμα ihnen eine Botschaft übermitteln wird165. Zumindest theoretisch denkbar ist es, als Adressaten dieses Weckrufes nicht die Gesamtheit der Glieder der in der Apk angeschriebenen Gemeinden anzunehmen, sondern nur die Gesamtheit der Glieder der christlichen Gemeinde zu Ephesus. Die Formulierung ὁ ἔχων οὖς ἀκουσάτω τί τὸ πνεῦμα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις wäre dann folgendermaßen zu paraphrasieren: „Wer ein Ohr hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt, in diesem Falle, jetzt und hier, der Gemeinde zu Ephesus“. Textsignale, die eine solche Paraphrase stützen könnten, finden sich allerdings nicht; aufgrund des Plurals ταῖς ἐκκλησίαις ist es allerdings weitaus naheliegender, als Adressatengruppe dieses Weckrufes die Gesamtheit der Glieder der sieben asianischen Gemeinden zu postulieren. D.E. Aune vertritt in seiner Auslegung von Apk 2,7a – bzw. der Weckrufe überhaupt – die These, dass die Figur des in diesem Sendschreiben redenden Christus und diejenige des πνεῦμα als eng miteinander verbunden zu denken seien166, eine These, die den Gedanken impliziert, dass letzten Endes die Gestalt des erhöhten Christus selbst als diejenige anzusehen sei, die, vermittelt durch das πνεῦμα, den in Apk 2,7b gebotenen Überwinderspruch formuliere. Eine unmittelbare Identifikation dieser beiden Gestalten lehnt Aune jedoch ab: „The exalted Christ and the Spirit are not identical however …, for the Spirit is active in the earthly community as the representative of the exalted Jesus who will come in the near future“167. Der von Aune hier vertretenen Einschätzung stehen jedoch folgende Erwägungen entgegen: (a) Diejenigen Exegeten, die der Figur des πνεῦμα etwa die Rolle eines Mediators der Worte des erhöhten Christus zuschreiben wollen168, müssen 164. Vgl. hierzu M. Karrer, Johannesoffenbarung, 164: „Der Apk-Autor lenkt damit [d.h. mit Apk 2,7aβ] zurück zu der dem Weckruf ursprünglich voraus- und kommunikativ zugrundeliegenden Höraufforderung an alle, die hören können, also an alle, die von dem zu hörenden Gehalt erreichbar sind“. 165. I.T. Beckwith, Apk, 451 sieht im Kontext dieses Weckrufes die Figur des in diesem Sendschreiben redenden Christus mit derjenigen des πνεῦμα identifiziert: „…: the words attributed to Christ from v. 1 throughout the epistle are here attributed to the Spirit. Christ speaks to the Prophet through the Spirit; the Spirit is his … and is here identified with him“. Dies gibt der Argumentationsduktus dieses Schreibens jedoch nicht her; kritisch hier etwa auch F. Hahn, Sendschreiben, 380f., der auf T. Holtz verweist. 166. Vgl. hierzu etwa Proclamations, 193: „Formulated in the third person, it appears to introduce a new speaker, the Spirit, for the first Promise of Victory formula which follows it in 2. 7b is formulated in the first person …. Yet that cannot be the author’s intention, for when the order of the Promise of Victory formula and the Proclamation formula in the last four proclamations is reversed, it is clear that a new speaker has not been introduced. The Spirit is therefore closely associated with the exalted Christ in the proclamations to the seven churches, perhaps as the prophetic Spirit who mediates the words of the exalted Christ“. 167. Proclamations, 193, A. 43; vgl. hierzu auch ders., Apk I, 123f., allerdings doch deutlich abgeschwächt, da er hier die Annahme, mit der Figur des πνεῦμα werde ein neuer Sprecher eingeführt, nicht mehr ablehnt, sondern nur noch als „doubtful“ (123) bezeichnet. 168. Vgl. ergänzend zu D.E. Aune etwa C.R. Koester, Apk, 270, der eine doppelte Mediatorenfunktion definiert: „The Spirit mediates the word of the risen Jesus in two ways. First, the Spirit enables John to receive the words of the risen Christ through his vision. John said that he received his message while ‚in the Spirit‘ (1:9). This expression likens him to the

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sich fragen lassen, warum letzterer etwa in den Corpora der einzelnen Sendschreiben offensichtlich ohne einen solchen Mediator zu kommunizieren in der Lage ist, d.h., warum der Apokalyptiker dann nicht sämtliche in den Sendschreiben geäußerten Worte des erhöhten Christus durch die Gestalt des πνεῦμα vermittelt erscheinen lässt. Hätte der Apokalyptiker die Figur des πνεῦμα als Mediator der Worte des erhöhten Christus auftreten lassen wollen, hätte er jene bereits im Zusammenhang von Schreibbefehl und Botenformel einführen und als eine der Partizipanten des in diesen Passagen skizzierten Kommunikationsprozesses zwischen dem erhöhten Christus, dem Apokalyptiker und dem jeweiligen ἄγγελος τῆς ἐκκλησίας erscheinen lassen müssen. (b) Der Aufbau und die Struktur der ersten drei Sendschreiben erwecken – zumal bei einem sich der Apk ohne jegliches Vorwissen annähernden Erstrezipienten – den Eindruck, dass der Apokalyptiker – durchaus auch ganz bewusst – die Gestalt des πνεῦμα einerseits als diejenige des Verkünders der jeweiligen Überwindersprüche, andererseits zugleich aber auch als das ‚Ich‘ derselben darzustellen beabsichtigte169. Wer nun auf der Basis dieses im Rahmen der Rezeption der ersten drei Sendschreiben gewonnenen Eindrucks die übrigen vier Episteln zu verstehen sucht, wird auch im Rahmen der Interpretation jener zunächst den Überwinderspruch mit dem Weckruf verknüpfen, dann aber auch die Figur des πνεῦμα als Verkünder der ersteren und als Realisierer der in jenen angekündigten Verheißungen deuten wollen. Aus dieser rezeptionsästhetischen Überlegung folgt dann: Wenn nicht angenommen werden soll, dass der Apokalyptiker sich in den ersten drei Sendschreiben im Blick auf die Rolle und die Funktion der Gestalt des πνεῦμα ‚vertan‘ und völlig unabsichtlich einen irrigen Eindruck erweckt haben sollte, ist zu postulieren, dass der Apokalyptiker mit der von ihm entwickelten Textstruktur und mit den in diesen implementierten Formulierungen just das o. skizzierte interpretative Szenario realisiert wissen, d.h. bei seinen Erstrezipienten den Eindruck hervorrufen wollte, dass auch in den letzten vier Sendschreiben die Figur des πνεῦμα für die Verkündigung sowohl als auch die endzeitliche Realisierung der entsprechenden Überwindersprüche verantwortlich zeichnet. Die in diesen Episteln zu beobachtende Umstellung der Reihenfolge von Weckruf und Überwinderspruch mag aus anderen Gründen erfolgt sein, nicht aber aus der Überlegung heraus, die Überwindersprüche unmittelbar der Gestalt des himmlischen Christus zuzuordnen. Daraus folgt: Schon aus rezeptionsästhetischen Erwägungen heraus legt sich die Annahme nahe, in allen sieben Sendschreiben die Figur des πνεῦμα als diejenige zu begreifen, die der Apokalyptiker als biblical prophets, who were moved by the Spirit of convey a word from God. Second, the Spirit enables the readers to receive the risen Christ’s word through John’s text. Communication is complete when the word given to John in visionary form is received by the readers in written form. In this process the Spirit shares Christ’s authority: both speak … as one“. Für eine solch weitreichende Interpretation der Rolle des πνεῦμα bieten die Ausführungen in Apk 2f. jedoch keinerlei textlichen Anhalt. 169. Anders, aber letzten Endes kaum plausibel hier U.B. Müller, Apk, 93, der die Figur des πνεῦμα als Verkünderin der einzelnen Sendschreiben in ihrer Gesamtheit sehen möchte: „In Konkurrenz dazu [d.h. zu der Botenformel, die den erhöhten Christus als Sprecher des nun Folgenden definiert] scheint der Weckruf zu stehen, der den Inhalt der Sendschreiben als Wort des Geistes an die Gemeinden bestimmt“. Dies trifft zumindest auf die ersten drei Sendschreiben nicht zu.

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mit der Verkündigung und der Realisierung der Überwindersprüche und der jenen inhärenten Inhalten betraute Figur verstanden wissen wollte170.

Um diese hier aufgewiesene Diskontinuität bewältigen und den Text Apk 2,1–7a als ein sinnvolles Ganzes wahrnehmen, ihn somit als kohärent ansehen und bewerten zu können, muss der Rezipient, musste insbesondere der Erstrezipient, dem die Apk in ihrer im Neuen Testament vorliegenden Form noch nicht bekannt gewesen ist, eben aufgrund der fehlenden Textsignale folgende ‚konstruktive Operation‘171 vornehmen: Er muss im Zuge der Rezeption von Apk 2,7a die Annahme konstruieren, dass der in diesem Sendschreiben redende Christus seine an den ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας gerichtete Botschaft abgeschlossen und den Brief an denselben, somit auch die Kommunikation mit demselben, mit Apk 2,6 beendet hat und sich in Apk 2,7a nun der Gesamtheit der in der Apk angeschriebenen Gemeinden zuwenden möchte. Darüber hinaus muss er, um diesen nun neuen Kommunikationsvorgang vorstell- und nachvollziehbar zu machen, annehmen, dass der dem Apokalyptiker auf der Insel Patmos erschienene ὅμοιος υἱὸς ἀνθρώπου (Apk 1,13) sich nun unmittelbar und ohne Vermittlergestalt – immerhin wird ja gerade nicht gesagt, dass der Apokalyptiker diesen Weckruf an die Erstrezipienten seines Werkes weitergeben soll – den Christen in den sieben Gemeinden der römischen Provinz Asia zuwendet und diese unmittelbar und unvermittelt anredet172. Diese beiden für die Argumentations- und Verstehenslogik des Textes notwendigen Annahmen werden vom Text selbst jedoch in keiner Weise signalisiert oder gar indiziert, eine Beobachtung, die verwundern muss. Dies gilt zumal angesichts der Tatsache, dass der Apokalyptiker einerseits in Apk 2,1a den zur Erstellung des Sendschreibens an die Gemeinde zu Ephesus führenden – vor dem Hintergrund des in Apk 1,9–20 auch für den Erstrezipienten klar erkennbaren – Kommunikationsvorgang explizit beschreibt, andererseits in Apk 2,2–6 mit einer zwar interpretierbaren, aber letztlich doch textgrammatisch klaren Argumentationsstruktur arbeitet173. Da somit die mit den Ausführungen in 170. In diesem Sinne trifft das Votum von C.R. Koester, Apk, 265: „The Spirit can be distinguished from Jesus yet does not work independently of Jesus“, durchaus zu. 171. Zu diesem Begriff vgl. bereits o. 28 mit A. 13; 29. 172. C.R. Koester, Apk, 270 beschreibt zwar das Problem, scheint aber dessen argumentationslogische bzw. textgrammatische Dimension deutlich zu unterschätzen, wenn er formuliert: „The message addresses the whole congregation, but it concludes with an exhortation for every individual to ‚hear‘ and to head it (2.7). The exhortation is then broadened to include all the churches, not only the one at Ephesus“. Die Frage ist aber doch, warum der Apokalyptiker diesen im Grunde doch neuen Kommunikationsvorgang nicht im Text selbst entsprechend konturiert. 173. Vgl. im Einzelnen die bisherige Darstellung.

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Apk 2,7a innerhalb des Textes Apk 2,1–7a gegebene Diskontinuität nur durch den Text selbst nicht gedeckte massive ‚konstruktive Operationen‘ der Rezipienten bzw. in diesem Falle der Erstrezipienten überwunden, der Text somit nur mit Hilfe von Inferenzen174 als ein kohärentes Gebilde wahrgenommen werden kann, legt sich die Annahme nahe, dass der Weckruf Apk 2,7a ursprünglich kein integraler Bestandteil des Sendschreibens an die Gemeinde zu Ephesus gewesen, sondern diesem zu einem späteren Zeitpunkt hinzugefügt worden ist. Diesem hier im Blick auf Apk 2,7a aufgewiesenen Postulat subjektiver Sinnbildung entspricht, dass in der exegetischen Forschung die Frage nach dem Bezugsrahmen der Ausführungen in Apk 2,7a durchaus kontrovers diskutiert wird. Konkret lassen sich drei Bezüge derselben denken: (a) In der exegetischen Sekundärliteratur wird immer wieder und auch sehr häufig gefordert, diesen Weckruf und die in ihm ausgewiesene Adressatenausweitung anaphorisch zu interpretieren und auf das in Apk 2,2–6 Ausgeführte zu beziehen. Der Weckruf signalisiere der Gesamtheit der in der Apk angeschriebenen Rezipienten, die einzelnen, zunächst nur auf die in Ephesus ansässigen Christen bezogenen Inhalte desselben in ihrer Gesamtheit auf alle in der Apk angeschriebenen Christen zu beziehen175. Dieser anaphorischen Interpretation des Weckrufes stehen jedoch erhebliche Bedenken entgegen: (a) Einerseits stellt sich die Frage, warum der Apokalyptiker in seiner Apk zunächst überhaupt sieben inhaltlich durchaus differente einzelne Episteln bietet, wenn es ihm letzten Endes offensichtlich doch nur darum gehe, eine verallgemeinernde Quintessenz dieser Episteln herauszuarbeiten und diese dann für seine weitere Argumentation fruchtbar zu machen. 174. Vgl. zu diesen Begriff bereits o. 28 mit A. 13; 29. 175. Zu einer solchen Interpretation vgl. etwa M. Stowasser, Sendschreiben, 63, der in Aufnahme eines Zitats von U.B. Müller formuliert: „Die Funktion der Weckrufe besteht grundsätzlich darin, ‚das für die einzelne Gemeinde jeweils individuell Gesagte für alle Gemeinden gültig zu erklären‘“; vgl. hierzu auch U.B. Müller, Apk, 94, der zwar ein kataphorisches Verständnis des Weckrufs nicht ausschließen möchte, aber letzten Endes doch feststellt: „Doch steht die Beziehung zum jeweiligen Sendschreiben im Vordergrund, dessen Aussagen er für alle Gemeinden verpflichtend macht“. Ähnlich auch C.R. Koester, Apk, 238: „Moreover the messages begin by identifying the particular congregation being addressed, but they conclude by speaking to the assemblies. Each message takes up the specific challenges facing a given congregation, yet the words of reproof, encouragement, promise, and warning have implications for all readers“, und 270: „The specific issues facing each congregation may vary, but the call for renewed works of love and continued resistance to false teaching applies to all“, und F. Hahn, Sendschreiben, 381: „Wir sahen bereits, daß im übrigen durch jenen Zusatz in dem Weckruf der Sendschreiben das einer bestimmten Gemeinde Gesagte verallgemeinert werden soll“. Neuestens wird diese Deutung auch von R. Mucha und S. Witetschek vertreten: „Der allgemeine Weckruf am Ende jedes Sendschreibens lässt sich so verstehen, dass alle Hörer bei allen Sendschreiben die Situation der eigenen Gemeinde mitbedenken und möglicherweise Lob und Kritik auch auf sich selbst beziehen“ (Buch ohne Siegel, 108).

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(b) Andererseits fragt man sich, warum eine solche Verallgemeinerung überhaupt notwendig gewesen sein sollte, wenn doch – zumindest den anderen Sendschreiben zufolge – keinesfalls alle der in Apk 2,2–6 angesprochenen Themen und Probleme zugleich auch für sämtliche anderen in der Apk angeschriebenen Gemeinden Relevanz besitzen. (c) Sprechen diese Überlegungen bereits deutlich gegen eine anaphorische Interpretation des Weckrufes Apk 2,7a, so wird dieselbe verunmöglicht durch den Sachverhalt, dass innerhalb des Weckrufes das πνεῦμα als verkündende Gestalt eingeführt wird, was im Rahmen der inneren Logik dieses Sendschreibens – nach Apk 2,1b.c spricht in Apk 2,2–6 immerhin die Gestalt des Christus – zur Folge hat, dass der Inhalt der Verkündigung des πνεῦμα – zumindest bezogen auf die ersten drei der sieben Sendschreiben176 – nicht im Corpus des Sendschreibens, d.h. im Vorangehenden, gefunden werden kann, sondern im Folgenden, somit im Überwinderspruch, gesucht werden muss177. Auf der textgrammatischen Ebene nämlich weist der Weckruf eben nicht das in Apk 2,2–6, sondern das in Apk 2,7b, also unmittelbar im Anschluss an das in Apk 2,7a Formulierte als diejenige Aussage aus, die nun nicht mehr unmittelbar von dem in dem Sendschreiben bis dato redenden Christus, sondern vom πνεῦμα getätigt wird, eine Interpretation, die auch aus rezeptionsästhetischer Perspektive gestützt wird.

(b) Diesem anaphorischen Ansatz entgegen versuchen einzelne Exegeten, den Weckruf Apk 2,7a kataphorisch zu verstehen, d.h. ihn auf den ihm folgenden Überwinderspruch zu beziehen und ihn als rezeptorische Aufmerksamkeit erheischenden Hinweis auf die besondere Wichtigkeit des nun Folgenen zu interpretieren178. Ein solches kataphorisches Verständnis der Überwindersprüche ließe sich etwa durch die von M. Wilson dargebotene tabellarische Übersicht über die in jenen explizierten Verheißungen und die entsprechenden Referenztexte, in denen ihre jeweilige Erfüllung beschrieben wird, untermauern, zeigt diese doch, dass die Realisierung sämtlicher der in Apk 2f. innerhalb der Überwindersprüche formulierten Verheißungen in der Passage Apk 19,6–22,9 geschildert wird. Diese tabellarische Übersicht sei hier dargeboten179: 176. Vgl. hierzu u. 184–192 und u. 206–212. 177. Zur Kritik dieser anaphorischen oder auch retrospektiven Interpretation des Weckrufes vgl. etwa W. Popkes, Funktion, 93f.; anders hier A.-M. Enroth, Hearing Formula, 602: „What the HF [d.h. der Weckruf] in its present contexts does is in fact to refer forwards to the exhortation to be victorious, and at the same time back to the previous parenesis of each letter“. 178. In diesem Sinne etwa J. Roloff, Apk, 50: „Dieser Funktion, Hörbereitschaft zu wecken, entspricht es, wenn die Weckrufe in der Apk. nicht auf Vorhergegangenes zurück-, sondern auf das Folgende vorausverweisen“, der daran anschließend aber weiter ausführt: „In den ersten drei Sendschreiben … lenken sie [d.h. die Weckrufe] die Aufmerksamkeit der Leser auf die Überwindersprüche, in den restlichen vier … auf den zentralen, mit 4,1 beginnenden Hauptteil des Buches“. Vgl. hierzu auch W. Popkes, Funktion, 93f.: „Worauf nimmt der Weckruf inhaltlich Bezug? Welche Blickrichtung hat er? Weist er auf das jeweilige Sendschreiben bzw. einzelne Teile daraus zurück oder auf das Corpus der Apk voraus? Letzteres ist m.E. das Wahrscheinlichere“ (93). 179. Vgl. hierzu Victor Sayings, 228f.

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„… Seven Churches (1:4–4:2)

… New Jerusalem (19:6–22:9)

Promises

Fulfillment

1. Tree of life in paradise of God (2:7) Tree of life (22:2, 14, 19) 2. …180; second death (2:11)

First resurrection (20:5–6); second death (20:6, 14; 21:4, 8)

3. Hidden manna; white stone; new River of living water (22:1, 17); wedding name (2:17) supper (19:7–9); precious stone (21:19); new name (22:4) 4. Authority over the nations; rod of Conquers and judges nations with Christ iron (2:26); Morning Star (2:27) who holds iron scepter (19:15; 20:4); Morning Star (22:16) 5. White garments; book of life; con- Dressed in white, as a bride (19:7–8; fession of name (3:5) 21:2; cf. 7:9, 13181), names in book of life (20:12, 15; 21:27; cf. 13:8) … 6. Pillar in the temple; divine names Divine names written (22:4, cf. 14:1); written; new Jerusalem descending new Jerusalem descending from heaven from heaven (3:12) (21:2, 10) 7. Divine throne (3:21)

Martyrs judge seated on thrones (20:4)“

Dieser Interpretationsansatz evoziert jedoch einerseits die Frage, warum der Apokalyptiker, eben um den Zusammenhang des Überwinderspruchs mit dem Corpus des Sendschreibens an die Gemeinde zu Ephesus herauszuarbeiten, dann nicht den Überwinderspruch unmittelbar dem erhöhten Christus in den Mund gelegt hat, sondern in Apk 2,7a eben nicht diesen, sondern das πνεύμα zu Wort kommen lässt182, andererseits, warum innerhalb der letzten vier Sendschreiben, in Apk 2,26f.; 3,5f.12f.21f., der Weckruf dem Überwinderspruch folgt.

(c) Eine dritte Gruppe von Forschern sucht den Weckruf Apk 2,7a weder auf das Corpus des Sendschreibens an die Gemeinde zu Ephesus Apk 2,2–6 noch auf den Überwinderspruch Apk 2,7b, sondern prospektiv und im 180. Der hier von Wilson gegebene Hinweis auf die „crown of life (2:10)“ verfängt hier nicht, da dieser Begriff in den von ihm unter der Rubrik „fulfillment“ angeführten Belegen gerade nicht begegnet. 181. Zu diesem Beleg und auch zu dem in der darunter liegenden Zellen angeführten Beleg Apk 14,1 merkt Wilson an: „Two of the promises find their initial fulfillment outside the final new Jerusalem section (19:6 – 22:9) in the proleptic appearances of the heavenly saluts. The image of white garments is seen in two passages – 6:11 and 7:9, 13. The image of the divine name written, through the sealing of the saints, is most oviously seen in 14:1. These early iterations of two promises act as a downpayment, in a sense, that all the rest of the promises will be given in the new Jerusalem“. 182. Der Hinweis von H. Ulland, Vision, 47: „Christus und Geist haben als voneinander zu unterscheidende Wesen partiell analoge Funktion“, vermag diese Frage letzten Endes kaum zu beantworten, da er den Sachverhalt nicht begründet.

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Sinne paränetischer Präparation auf das im apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 Verkündigte zu beziehen und diesen als einen in paränetischer Absicht vorausgreifenden Hinweis auf jenen zu verstehen183. Diesem Deutungsansatz entspräche durchaus, dass sich über Apk 2f. hinaus in der übrigen Apk nur noch ein weiterer – wenn auch gegenüber der in Apk 2f. überlieferten Form ὁ ἔχων οὖς ἀκουσάτω τί τὸ πνεῦμα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις deutlich anders formulierter184 – Weckruf findet, nämlich mitten in der Darstellung des Auftretens der beiden als Helfershelfer des δράκων bzw. des σατανᾶς fungierenden θηρία, in Apk 13,9; hier formuliert der Apokalyptiker: εἴ τις ἔχει οὖς ἀκουσάτω185. Bei allen erkennbaren Unterschieden der beiden Formen des Weckrufes lässt sich schon unter rezeptionsästhetischen Gesichtspunkten der Eindruck kaum vermeiden, dass der Apokalyptiker, vermittelt über die gemeinsame textliche (Grund-)Form, die Weckrufe – und dann sicherlich auch die mit ihnen verknüpften Überwindersprüche – in Apk 2f. mit dem Weckruf Apk 13,9 und der diesen umgebenden Darstellung inhaltlich verknüpfen wollte. Auffällig ist freilich, dass in Apk 13,9 nicht, wie in Apk 2f., das πνεῦμα den Weckruf ausspricht, sondern „the prophet himself is speaking in his own person and not through a supernatural authority as in the letters“186. Auf der Basis der Ausführungen des Apokalyptikers in Apk 1,19 wäre, werden diese streng zeitlich interpretiert187, als Erklärung für diesen Sachverhalt denkbar, dass der Apokalyptiker im 183. So im Blick auf den Weckruf in wünschenswerter Klarheit A. Satake, Apk, 151: „Der Plural ‚den Gemeinden‘ schließt die Möglichkeit aus, dass sich der Weckruf allein auf den Inhalt des jeweiligen Sendschreibens bezieht. Das Subjekt ist nicht mehr ‚ich‘ (= der himmlische Christus), sondern ‚der Geist‘. Der Subjektwechsel deutet an, dass mit dem, ‚was der Geist sagt‘, nicht nur der Inhalt der Sendschreiben gemeint ist, bei denen der himmlische Christus ausdrücklich als Redner vorgestellt ist, sondern vielmehr der Visionsteil des Buches, 4,1–22,5, insgesamt …. Der Weckruf hat somit buchkompositorisch die Funktion, die Sendschreiben mit dem Visionsteil fest zu verbinden“, H. Ulland, Vision, 45: „Inhaltlich besteht ein Unterschied zum jeweils voranstehenden Kontext, weil der Inhalt der Verheißung an den Sieger [und des dazugehörigen Weckrufes] sehr viel konkreter auf [Apk] 4,1 – 22,5 bezogen ist; anstatt der eher abstrakten Hinweise auf Parusie und Gericht finden sich hier konkrete Vorwegnahmen des folgenden Visionsteils“. 184. Zu den Unterschieden vgl. etwa A.-M. Enroth, Hearing Formula, 605 und M. Wilson, Victor Sayings, 71. 185. Vgl. hierzu A.-M. Enroth, Hearing Formula, 606f.: „The HF [d.h. der Weckruf] and the oracle are naturally connected with the description of the beast in chapter 13. In this chapter the contemporary situation [!] of the church and its members is reflected perhaps more forcefully than elsewhere in the book“. 186. A.-M. Enroth, Hearing Formula, 605. 187. U.a. U.B. Müller sieht in den Ausführungen des Apokalyptikers in Apk 1,19: γράψον οὖν ἃ εἶδες καὶ ἃ εἰσὶν καὶ ἃ μέλλει γενέσθαι μετὰ ταῦτα, einen vom Apokalyptiker bewusst formulierten „deutlichen Hinweis auf die Gliederung des ganzen Werks“ (Apk, 29; ähnlich hier auch F. Tóth, Vision, 335: „Die redaktionsgeschichtlich bedingte Zweiteilung des Werkes wird durch die programmatische Formulierung in Apk 1,19 unterstrichen“); nach Müller beziehe sich die Phrase ἃ εἶδες auf die Berufungsvision Apk 1,9–20, die Formulierung ἃ εἰσὶν auf die Sendschreiben Apk 2f. und die Aussage ἃ μέλλει γενέσθαι μετὰ ταῦτα auf den apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 (vgl. hierzu U.B. Müller, Apk, 29: „‚Schreibe nun, was du gesehen hast und was ist und was geschehen soll danach‘. Die erste Angabe betrifft die

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Rahmen der auf die relative Gegenwart der Erstrezipienten bezugnehmenden Ausführungen in Apk 2f. das πνεῦμα zu Wort kommen lässt, weil die von demselben thematisierten Zusammenhänge, von dem in Apk 2f. eingenommenen relativen Zeitpunkt her gesehen, eben noch in einer relativen Zukunft liegen. In Apk 13,9, somit zum relativen Zeitpunkt der – mittlerweile allerdings gegenwärtigen – Zukunft, vermöchte der Apokalyptiker im Zuge einer rhetorischen Durchbrechung der inneren Temporalität der Apk seine Erstrezipienten dann unmittelbar anzusprechen. Das bedeutete dann zugleich aber auch, dass die mit den Weckrufen verknüpften Überwindersprüche in Apk 2f. sich inhaltlich auf die ‚Überwindung‘, d.h. den Sieg über die beiden bzw. über das erste der beiden in Apk 13 auftretenden θηρία und damit zugleich auch auf den Sieg über die Gestalt des dieselben zurüstenden δράκων bzw. σατανᾶς bezögen188.

Dass in der Forschung der Bezugsrahmen des Weckrufs Apk 2,7a so unterschiedlich bestimmt wird, hängt damit zusammen, dass entsprechende Textsignale, die die Rezeption hier in eine eindeutige Richtung lenken könnten, fehlen. Das aber heißt: Die Rezipienten sind genötigt, den Bezugsrahmen des Weckrufs im Zuge ihrer Interpretation desselben auf dem Wege subjektiver Sinnkonstruktion mehr oder weniger überzeugend zu bestimmen. Dies spricht deutlich für eine sekundäre oder doch zumindest nachträgliche Hinzufügung desselben zu einem bereits bestehenden, das Sendschreiben an die Gemeinde zu Ephesus darstellenden textlichen Gebilde. vorausgehende Beauftragungsvision, die zweite Angabe ‚was ist‘ die Gegenwart der Gemeinden (Kap. 2–3) und die dritte ‚was geschehen soll danach‘ die mit [Apk 4,1] einsetzende Visionenfolge“ (vgl. auch 86); in diesem Sinne auch H. Giesen, Kirche, 78: „V. 19bc bezieht sich somit nicht auf das ganze Buch, sondern auf das in V. 9–16 Geschaute und dessen Erklärung in V. 17–20 sowie wahrscheinlich auch auf Kapitel 2–3, V. 19d (‚was geschehen wird danach‘) auf die folgenden Visionen, die nicht notwendig etwas über die eschatologische Zukunft aussagen, und deren Deutungen“, und D.E. Aune, Apk I, 105: „Therefore write down what you will see, that is, the events which are now happening and the events which will happen later“); das Apk 1,19c einleitende καί müsse somit als ein καί epexegeticum verstanden werden (vgl. hierzu auch F. Tóth, Vision, 335 mit A. 132). Die Wiederaufnahme der Wendung ἃ μέλλει γενέσθαι μετὰ ταῦτα durch die Formulierung ἃ δεῖ γενέσθαι μετὰ ταῦτα in Apk 4,1aα schließe aus, dass die Aussage Apk 1,19 auf das Werk in seiner Gesamtheit bezogen werden könne. Daher sei aufgrund der streng zeitlichen Interpretation dieses Verses, insbesondere auch der Formel μετὰ ταῦτα, anzunehmen, dass der Apokalyptiker in Apk 2f. primär auf die Gegenwart der angeschriebenen Gemeinden, in Apk 4–22 in erster Linie auf deren Zukunft Bezug nehme (Vgl. hierzu Apk, 30: In Apk 2f. „steht der Gegenwartsaspekt der Gemeinden ... im Vordergrund (‚was ist‘), während der Zukunftshorizont in 4,1–22,5 die dominierende Rolle spielt (‚was geschehen muß danach‘)“. In diesem Sinne etwa auch J. Lähnemann, Sendschreiben, 520); zu weiteren Vertretern dieser Interpretation vgl. auch R. Mucha/S. Witetschek, Buch ohne Siegel, 106, A. 29. 188. Hier durchaus zutreffend C.R. Koester, Apk, 267: „These elements [d.h. der Botenspruch und der Überwinderspruch] reflekt the movement of the book as a whole, which begins with the seven cities and culminaties in the eschatological city, where the tree of life is found“; vgl. zur Definition der Überwindersprüche als Anker-Erweiterungen u. 175–176.

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

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Innerhalb des in Apk 2,7b189 überlieferten, das Sendschreiben an die Gemeinde zu Ephesus beschließenden Überwinderspruches: τῷ νικῶντι δώσω αὐτῷ φαγεῖν ἐκ τοῦ ξύλου τῆς ζωῆς190, ὅ ἐστιν ἐν τῷ παραδείσῳ τοῦ θεοῦ, sieht nun M. Stowasser einen über das Motiv des Essens bzw. der Speise vermittelten unmittelbaren, letzten Endes als kontinuitär zu definierenden Bezug auf die Gruppe der Νικολαΐται (Apk 2,6), die, wie Apk 2,14f. belege, das φαγεῖν εἰδωλόθυτα wenn nicht aktiv propagiere, so doch zumindest theologisch legitimiere. Diesem von der Gruppe der Νικολαΐται propagierten oder legitimierten φαγεῖν εἰδωλόθυτα entgegen stelle der Apokalyptiker demjenigen, der ‚überwinde‘, das φαγεῖν ἐκ τοῦ ξύλου τῆς ζωῆς als eschatologische Heilsgabe in Aussicht. Mit der Phrase φαγεῖν ἐκ τοῦ ξύλου τῆς ζωῆς Apk 2,7b kreiere der Apokalyptiker somit einen unmittelbaren Bezug auf das Corpus des ephesinischen Sendschreibens, konkret: auf die in Apk 2,6, d.h. also im Vers zuvor, angesprochene Gruppe der Νικολαΐται191. Dieser hier von M. Stowasser postulierte Bezug zwischen Apk 2,7b und Apk 2,6 lässt sich, werden die Ausführungen des Apokalyptikers in Apk 2,6 und auch in 2,7b genauer in den Blick genommen, zwar möglicherweise auf der literarischen Ebene, d.h. auf der Ebene der Interpretation der Apk als Gesamtschrift, nicht jedoch auf der situativen Ebene, d.h. auf der Ebene der Interpretation des Sendschreibens an die Christen zu Ephesus – als dem primären Interpretationsrahmen der Erstrezipienten der Apk – aufrechterhalten: (a) Zunächst lassen die Ausführungen in Apk 2,6 deutlich erkennen, dass die Gruppe der Νικολαΐται192 und damit auch die von ihr propagierte 189. Zu Apk 2,7 als „conclusion“ vgl. etwa C.R. Koester, Apk, 267.270f.; zu Apk 2,7b als Zusammenfassung des gesamten Sendschreibens vgl. J. Roloff, Apk, 50. 190. Vgl. zu diesem den Überwinderspruch Apk 2,7b inhaltlich beherrschenden Motiv des ξύλον τῆς ζωῆς etwa M. Wilson, Victor Sayings, 107–110, zum Motiv des παράδείσος vgl. 110–112. Zu den theologischen Implikationen dieser Motivik vgl. etwa C.R. Koester, Apk, 271: „Those who conquer will eat from the tree of life in the paradise of God (2:7). This imagery recalls that at creation the tree of life stood in the ‚paradise‘ of Eden (Gen 2:9). … Redemption required overcoming the barriers of sin and death so fullness of life could be restored. Eating from the tree of life signified salvation“. 191. Vgl. hierzu M. Stowasser, Sendschreiben, 57: „Ephesus und Pergamon verbindet das Problem der Nikolaiten, wobei 2.14 zeigt, dass sich ‚Essen‘ … als Teil jenes Problems erweist, das Johannes als Anbiederung an die Gesellschaft und Glaubensabfall bewertet. In beiden Überwindersprüchen findet sich ein Motiv, das mit Speise zu tun hat. Jene ‚Sieger‘, die der Versuchung widerstehen, Götzenopferfleisch zu verspeisen, werden dafür vom Baum des Lebens essen dürfen …“. 192. Zum Verhältnis der Gruppe der Νικολαΐται zu derjenigen der Apk 2,2 angeführten ψευδαπόστολοι vgl. etwa D.E. Aune, Apk I, 147: „The adversative ἀλλά … marks the beginning of a new thought, suggesting that the false apostles of v 2 are not to be identified with the Nicolaitans, a distinction made clear by the aorist tense of the verbs in v 2, while the present tense is used here“.

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oder zumindest theologisch legitimierte Praxis des φαγεῖν εἰδωλόθυτα als Indikator einer aus der Sicht des Apokalyptikers zu weit gehenden „Anbiederung an die Gesellschaft und [eines weitreichenden] Glaubensabfall[s]“193 in der Gemeinde zu Ephesus offensichtlich auf weitgehende Ablehnung stoßen194. Warum aber sollte der Apokalyptiker dann in diesem Überwinderspruch, der das – aus der Sicht der Erstrezipienten die konkrete Gemeindesituation thematisierende195 – Sendschreiben an die Gemeinde zu Ephesus beschließt, dann im Sinne einer Kontrastanalogie196 überhaupt auf diese Gruppe und die von ihr geübte Praxis anspielen? Das aus einer kontrastanalogen Gegenüberstellung sich in der Regel ergebende Argumentations- und Überzeugungspotential liefe im Blick auf die ephesischen Christen und ihre gegenwärtige Situation, liefe somit auch im Blick auf die Situation der Erstrezipienten, im Rahmen einer solchen Argumentationslogik ins Leere und würde von den Erstrezipienten der Apk, die den Überwinderspruch Apk 2,7b zwangsläufig im Kontext des Sendschreibens an die ephesische Gemeinde interpretieren müssen, allenfalls in objektiv-rationaler Distanz, nicht jedoch in subjektiv-emotionaler Betroffenheit wahrgenommen. Um eine wirkliche Kontrastanalogie aufzubauen, hätte der Apokalyptiker seinen Überwinderspruch zumindest folgerichtiger mit dem Participium τῷ ἀγαπῶντι – damit wäre der Bezug auf Apk 2,4 herausgearbeitet – einleiten sollen. (b) Darüber hinaus ergibt sich die Frage, wie denn die Erstrezipienten der Apk im Zuge ihrer Rezeption von Apk 2,7b den von Stowasser postulierten Bezug hätten erschließen sollen? Einerseits nämlich ist in Apk 2,2–6 insgesamt – was dem in Apk 2,6 Ausgeführten sachlich auch durchaus entspricht – von einem wie auch immer des näheren zu charakterisierenden φαγεῖν nicht die Rede, andererseits haben die Erstrezipienten im Rahmen ihrer Rezeption von Apk 2,7b das in Apk 2,14f. Ausgeführte gerade noch nicht rezipiert, was die Annahme notwendig machte, dass jene ausschließlich aus ihrer möglichen Kenntnis der Gruppe der Νικολαΐται und der von jener propagierten Lehre heraus diesen außerordentlich subtilen Bezug hätten selbst erschließen, bzw. präziser: selbst (re-)konstruieren müssen. Diese Überlegung aber führt dann schließlich zu der Frage, warum der Apokalyptiker diese von 193. M. Stowasser, Sendschreiben, 57. 194. Vgl. hierzu bereits o. und darüber hinaus treffend H. Giesen, Apk, 104: „Es fällt auf, daß der Vf die Gemeinde nicht deshalb lobt, weil sie die Irrlehrer haßt, sondern deren Werke. Ihr Haß äußert sich vor allem darin, daß sie deren Verhaltensweisen nicht folgt. [!] Auf diese Weise entspricht sie dem Willen ihres Herrn“. 195. Vgl. hierzu m.R. U.B. Müller, Apk, 93, der die Ausführungen der einzelnen Corpora der sieben Sendschreiben als „bezogen auf die jeweilige Gemeindesituation“ charakterisiert; ähnlich hier H. Giesen, Apk, 94; vgl. hierzu auch bereits o. 40. 196. Zu diesem Begriff vgl. T. Witulski, Polemik, passim.

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

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Stowasser hier postulierte Bezugnahme dann nicht explizit formuliert und seinen Rezipienten hier im Sinne der Leserlenkung nicht durch deutlichere und vor allem eindeutige Textsignale vor Augen geführt hat? Aus alledem folgt: Der von M. Stowasser wahrgenommene und formulierte kontinuitätsstiftende Zusammenhang zwischen dem Überwinderspruch Apk 2,7b und dem Corpus des Sendschreibens an die christliche Gemeinde zu Ephesus vermag auf der situativen Ebene, d.h. auf der Ebene der Interpretation des Sendschreibens an die Gemeinde zu Ephesus diesen kontinuitären Impetus gerade nicht zu leisten197. Angesichts der auf der situativen Ebene nachweisbaren Kontrastlosigkeit der von Stowasser intendierten Kontrastanalogie erweist sich der Überwinderspruch darüber hinaus letzten Endes de facto als nicht-kontinuitätsstiftend, da der diesen durchdringende argumentative Duktus demjenigen des Corpus dieses Sendschreibens in keiner Weise entspricht198, auch wenn es womöglich zuweit gehen mag, diese hier zwischen Apk 2,2–6 zu Apk 2,7b aufgewiesene textgrammatische Nicht-Kontinuität als Diskontinuität bzw. – mit H. Schweizer – als inhaltliche Spannung zu charakterisieren199. Einen anderen inhaltlichen Zusammenhang zwischen dem Überwinderspruch Apk 2,7b und dem Corpus des Sendschreibens an die Christen zu Ephesus möchte – nicht als erster – M. Wilson postulieren; ihm zufolge stelle die in Apk 2,6 vorliegende Erwähnung der Gruppe der Νικολαΐται ein „dualistic construct providing a parallel to the theme of the victors in the promises“200 dar. Hier Wilson durchaus ähnlich vertritt J.T. Kirby die These, dass „the paronomasia of Νικολαϊτῶν/νικῶντι in this context would have not a whimsical but an oracular tone for the ancient ear. That word-play is audial; Νικόλαος/‫ בלעם‬is conceptual“201. Dass hier auf der akustischen Ebene durchaus ein Wortspiel wahrgenommen werden kann, soll und kann nicht bestritten werden; jedoch gilt auch im Blick auf die etwa von Wilson und Kirby formulierte These einer in Apk 2,6.7a vorliegenden Kontrastanalogie, d.h. also eines 197. Damit lässt sich auch das von C.R. Koester, Apk, 267 im Blick auf das Sendschreiben an die ephesischen Christen in ihrer Gesamtheit ausgeführte Gliederungsschema nicht mehr aufrechterhalten, innerhalb dessen er die Struktur von Apk 2,1–7 als eine Ringkomposition beschreibt und die Ausführungen in Apk 2,7, damit auch diejenigen in Apk 2,7b als „conclusion“ dieser Epistel definiert. 198. Vgl. zu diesem hier aufgewiesenen Ergebnis auch schon F. Spitta, Apk, 45f.: „Grösser aber noch sind die Bedenken, welche sich gegen die Verheißungen aus ihrem Inhalte ergeben. So eng die Beziehungen sind zwischen den Selbstbezeichnungen Jesu und den unmittelbar daran sich anschließenden Ausführungen, so lose hängt mit beiden der Inhalt der Schlußverheißung zusammen. … Der unter den sieben Leuchtern Wandelnde, der den Leuchter der liebeleeren Gemeinde zu Ephesus umstoßen will, verheißt – daß er dem Sieger vom Lebensbaume im Paradiese zu essen geben wolle (2,7). Ein Zusammenhang ist nicht zu entdecken“. 199. Vgl. hierzu ausführlich o. 33–34. 200. Victor Sayings, 84. 201. Rhetorical Situation, 207, A. 41.

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konzeptionellen Gegensatzes zwischen der Gruppe der Νικολαΐται und ihrem Frömmigkeitsansatz einer- und den νικῶντες und ihrem Frömmigkeitsansatz andererseits, dass diese Kontrastanalogie im Kontext des Sendschreibens an die Christen zu Ephesus als dem primären Interpretationsrahmen der Erstrezipienten der Apk gerade keine oder eine nur sehr geringe argumentative Kraft entwickeln kann, da die ephesischen Christen das Konzept der Νικολαΐται, d.h. deren ἔργα, ja, wie unmittelbar zuvor in Apk 2,6 bezeugt, ablehnen202. Warum aber sollte der Apokalyptiker hier dann jenseits eines bloßen Wortspiels ein solches konzeptionelles „dualistic construct“ kreieren, dies in anderen Sendschreiben, in denen weitaus adäquatere Gemeindesituationen beschrieben werden, dann aber unterlassen? Darüber hinaus: Warum deutet der Apokalyptiker eine solche für ihn doch offensichtlich elementare Kontrastanalogie in Apk 2,6.7b nur an und verzichtet darauf, diese durch weitere Textsignale zu fundamentieren?

Noch darüber hinaus weisen Überlegungen zu den aus dem Profangriechischen zu erhebenden semantischen Implikationen des den Überwinderspruch in Apk 2,7b einleitenden Participiums τῷ νικῶντι. H. Menge steckt im Blick auf die Verwendung des Lexems νικάω ohne Akkusativobjekt folgenden Bedeutungsrahmen ab: „siegen, obsiegen, den Sieg od[er]. Preis davontragen …; üb[er]h[aupt]. die Oberhand gewinnen od[er]. behalten, überlegen od[er]. besser sein, der beste od[er]. der erste sein, den Vorzug haben …, insb[esondere].: den Prozeß gewinnen, freigesprochen werden. … mit p[er]f[ektischer]. Bedeutung: gesiegt haben, Sieger sein, siegreich dastehen, auch üb[er]tr[agen]. … mit seiner Meinung durchdringen, Stimmenmehrheit erhalten, angenommen od[er]. zum Beschluß erhoben werden, Beifall finden … besser sein als, mehr gelten als j[e]m[an]d“203, für die Verwendung von νικάω mit Akkusativobjekt „(mit innerem Obj[ekt].) etw[as]. ersiegen, in etw[as]. siegen, etw[as]. gewinnen … einen Sieg davontragen … in einer Schlacht, in den Wettkämpfen, in den Olympischen Spielen … siegen … mit seiner Meinung durchdringen, seinen Vorschlag durchsetzen … in allem (= vollständig) siegen, alle Preise gewinnen … entschieden siegen. … (mit äußerem Obj[ekt].) … besiegen, überwinden, überwältigen … übertreffen, überbieten, es j[emande]-m zuvortun … j[emande]-n zu etw[as]. bewegen od[er]. bestimmen, verführen“204. Sämtliche der von H. Menge für das Verbum νικάω referierten Bedeutungsvarianten setzen – implizit oder explizit – einen als relational zu definierenden Subtext voraus, der, auf welcher konkreten semantischen Ebene auch immer, auf einen Siegenden, der jeweils über einen oder mehrere andere, eben die dann von ihm Besiegten, triumphiert, verweist. 202. Vgl. hierzu bereits ausführlich o. 147–149. 203. Wörterbuch, 471f.; das von Menge gebotene Schriftbild wurde hier vereinheitlicht. 204. Wörterbuch, 471; das von Menge gebotene Schriftbild wurde hier vereinheitlicht.

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Dies gilt auch im Blick auf den Beleg 4Esr 7,127f., auf den in der Forschung im Kontext der Überwindersprüche Apk 2f. immer wieder hingewiesen wird. Der Verfasser des 4Esr spricht an dieser Stelle davon, dass der in dieser Welt lebende Mensch einen Kampf zu führen hat; wenn er in diesem Kampf siegt, wird er nach dem Tod in den paradisus (4Esr 7,123) eingehen, wenn er in diesem Kampf verliert, wird er Qualen zu erleiden haben (4Esr 7,67). In 4Esr 7,92, somit also deutlich vor den Ausführungen in 4Esr 7,127f., definiert der Verfasser des 4Esr diesen Kampf näherhin als einen Kampf des Menschen gegen „den mit … [ihm] erschaffenen bösen Trieb“205. Somit lassen sich die Ausführungen in 4Esr 7,127f. letzten Endes nicht als Beleg für die Verwendung des Verbums νικάω ohne relationalen Subtext, d.h. ohne die zugehörige Angabe des Objekts des (Be-)Siegens bzw. Überwindens, anführen206. In der Apk findet sich eine solche semantische Spur, die das Objekt des νικάω in dieser deutlichen Weise explizierte, jedoch nicht.

Im Blick auf Apk 2,7b und die Gesamtheit der Überwindersprüche in Apk 2f. – und auch Apk 21,7207 – zwingt dieses Ergebnis zu der Annahme, dass das Verbum νικάω auch in diesem Zusammenhang bzw. diesen Zusammenhängen einen relationalen Subtext transportiert, d.h. zumindest implizit auf jemanden oder etwas, der oder das von dem, der gesiegt hat, dann eben besiegt worden ist, zu beziehen ist208. Soll diese Relation – wie im Zuge der Erstrezeption kaum anders möglich – als in Apk 2,2–6, also im 205. Text nach J. Schreiner, 4Esr, 354; die lateinische Übersetzung von 4Esr bietet an dieser Stelle als Text: cum eis [d.h. den Menschen] plasmatum cogitamentum malum (vgl. hierzu Anmerkung b zu Vers 92). Vgl. hierzu auch bereits J.-W. Taeger, Gesiegt, 93, A. 36: „Die feindliche Macht, die es zu besiegen gilt, ist allerdings eine andere (vgl. 4Esr 7,92: das im Menschen selbst wohnende Böse)“ und in ähnlicher Weise auch T. Holtz, Christologie, 38; Holtz verweist darüber hinaus noch auf TestBenj 4,3: κἄν βουλεύωνται περὶ αὐτοῦ εἰς κακά, οὗτος ἀγαθοποιῶν νικᾷ τὸ κακόν, σκεπαζόμενος ὑπὸ τοῦ ἀγαθοῦ· τοὺς δὲ δικαίους ἀγαπᾷ ὡς τὴν ψυχὴν αὐτοῦ („Auch wenn sie über ihn zum Bösen planen, so besiegt er, das Gute tuend, das Böse, da er von Gott beschirmt wird. Die Gerechten liebt er wie seine Seele“; Text nach M. de Jonge, Test XII, 170; Übersetzung nach J. Becker, TestXII, 133). 206. Anders hier A. Satake, Apk, 153, der formuliert: „…; auch darin, dass hier [d.h. in 4Esr 7,127f.] das Wort vom Überwinden nicht von einer Angabe des Objekts des Überwindens begleitet wird, stimmen die Ausführungen in 4Esr mit den meisten Überwindersprüchen der Offb überein“. 207. Vgl. hier etwa U.B. Müller, Apk, 352f.: „Der Überwinderspruch in Vers 7 knüpft an die entsprechenden sieben Sprüche der Sendschreiben an und faßt deren Verheißungen im Blick auf das Leben in der neuen Welt zusammen. Wer wie Christus ‚gesiegt‘ hat (3,21), wer also standhaft und treu durchgehalten hat bis zum Ende (2,26), wird ‚dieses alles‘ erben“; ähnlich hier auch I.T. Beckwith, Apk, 752: „The words echo the close of the seven epistles, chapts. 2–3“. Die Ausführungen von Müller und Beckwith sind an dieser Stelle insofern charakteristisch für die exegetische Forschung, als zwar immer wieder ein Bezug von Apk 21,7 auf die Überwindersprüche in Apk 2f., nicht aber auf die Ausführungen in Apk 12,11; 15,2 herausgearbeitet wird. Vgl. hierzu auch M. Wilson, Victor Sayings, 174–179. 208. In diesem Zusammenhang muss zu denken geben, dass T. Holtz, Art. νικάω, EWNT2, 1150 im Neuen Testament ein absolut, präziser: nicht-relational verwendetes Verbum νικάω nur innerhalb der Überwindersprüche in Apk 2f.; 21,7 und darüber hinaus noch in Apk 3,21; 5,5; 6,2(bis) und darüber hinaus sonst nicht nachweisen zu können meint; zu

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Corpus des Sendschreibens an die Gemeinde zu Ephesus, verankert gefasst werden, müsste das Verbum νικάω Apk 2,7, wenn ein expliziter Subtext angenommen werden soll, auf den Begriff des κόπος (Apk 2,2a) oder aber auf die – in Ephesus womöglich nicht einmal mehr präsenten209 – Gruppen der κακοί bzw. ψευδαπόστολοι (Apk 2,2b.c) oder der Νικολαϊτεῖς (Apk 2,6) bezogen werden: Der νικῶν hätte auf dem Weg zum Heil dann den κόπος, die ψευδαπόστολοι oder auch die Νικολαϊτεῖς besiegt und sich durch diesen bzw. jene und die von ihnen in die Gemeinde getragene theologische Botschaft gerade nicht von seinem Ziel abbringen lassen. Stellte sich der Subtext des Verbums νικάω als ein impliziter dar, ergäbe sich zum einen die Möglichkeit, die partizipiale Wendung τῷ νικῶντι auf den mit dem Terminus ὑπομονή (Apk 2,2a.3) implizit gesetzten Begriff etwa der δυσπάθεια zu beziehen und damit den νικῶν als jemanden darzustellen, der seinen Unwillen und seine Ungeduld überwunden hätte. Zum anderen ließe sich die Wendung τῷ νικῶντι als bezogen auf das in Apk 2,4f. Ausgeführte bzw. auf die implizite Negation desselben denken – der νικῶν wäre dann jemand, der der Versuchung, die ἀγάπη πρώτη zu vernachlässigen, widerstanden hätte. Konkrete Textsignale, die den Erstrezipienten – bzw. auch den Rezipienten insgesamt – die eine oder die andere Bezugsmöglichkeit signalisierten, fehlen jedoch vollständig210. Die hier aufgewiesene augenscheinlich nur sehr wenig konkrete und klare Bezugnahme des Überwinderspruches Apk 2,7b auf das Corpus des Sendschreibens Apk 2,2–6 und die in diesem gebotenen Inhalte muss umso mehr verwundern, als der Apokalyptiker innerhalb des Corpus selbst einerseits eine klare und explizite Argumentationsstruktur erkennen lässt, andererseits die angesprochenen einzelnen unterschiedlichen Themen und Sachverhalte klar und explizit aufeinander bezieht. So zeigen zunächst die Ausführungen in Apk 2,2f. eine augenscheinlich sehr planvolle und durchdachte Struktur mit deutlich erkennbaren internen Bezugnahmen211. Die im Rahmen der Apk insbesondere in Apk 2f. begegnende den Belegen Apk 3,21; 5,5; 6,2(bis), die sich durchaus als relational vernetzt verstehen lassen, vgl.u. 168–172. 209. Vgl. hierzu o. 125–129. 210. Vgl. hierzu, wenn auch mit einem anderen Akzent, durchaus zutreffend G.B. Caird, Apk, 32f.: „The letter closes, like the other six, with a promise of heavenly bliss to the Conqueror; the imagery changes from letter to letter, but the substance of it remains the same, as we can see when it is gathered up in the one comprehensive vision of the clestial city. But who is the Conqueror? To what battle is he summoned? And by what weapons is he to win his victory? John introduces this mysterious, almost numinous, term over and over again without any attempt at definition, for it is the purpose of his whole book to answer these questions. Only slowly does the character of the Conqueror take shape as we read“. Damit hat Caird – im Umkehrschluss – sehr treffend die Diskontinuität des Überwinderspruchs Apk 2,7b zum Corpus des Sendschreibens an die Gemeinde zu Ephesus erkannt. 211. Zur Struktur von Apk 2,2f. vgl. ausführlich o. 117–125.

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adversative Konjunktion ἀλλά212 grenzt das in Apk 2,4 Ausgeführte, aus der Sicht des Apokalyptikers ein negatives Merkmal der ephesischen Christen, von dem Vorangehenden ab, die konzessive Konjunktion οὖν213 am Beginn von Apk 2,5a macht das in Apk 2,5 Dargestellte explizit als Konsequenz der Darlegungen in Apk 2,4 kenntlich. Das in Apk 2,5b vorliegende Bedingungsgefüge wird mit der Konditionalität signalisierenden Wendung εἰ δὲ μή214 eingeleitet. Das in Apk 2,6 Dargestellte, nun wiederum eine aus der Sicht des Apokalyptikers positive Errungenschaft der ephesischen Gemeinde, wird – erneut unter Verwendung der Konjunktion ἀλλά – seinerseits dann wiederum adversativ vom Vorhergehenden abgegrenzt. Angesichts dieser innerhalb der Ausführungen in Apk 2,2–6 beobachtbaren hohen expliziten syntaktischen Relationalität muss überraschen, dass sowohl der Weckruf als auch der Überwinderspruch in keiner Weise, weder implizit noch explizit, in dieses syntaktische Gefüge eingebunden zu sein scheinen, eine Beobachtung, die die hier vertretene These, u.a. der Überwinderspruch stelle eine spätere Hinzufügung zu dem bereits vorhandenen Corpus des Sendschreibens dar, durchaus zu unterstützen vermag. Der Unklarheit im Blick auf den Haftpunkt der partizipialen Wendung τῷ νικῶντι innerhalb des Corpus des Sendschreibens an die Gemeinde zu Ephesus entspricht es durchaus, dass das den Überwinderspruch Apk 2,7 inhaltlich bestimmende Syntagma ξύλον τῆς ζωῆς und das mit diesem Syntagma transportierte Motiv einerseits in keinem erkennbaren Zusammenhang mit dem in Apk 2,2–6 Ausgeführten stehen, andererseits aber in Apk 22,2.14.19 wieder aufgenommen und weiter expliziert werden215.

Da der Apokalyptiker in Apk 2,7b im Blick auf die semantische Konkretion des relationalen Subtextes des Participiums τῷ νικῶντι seinen Erstrezipienten keinerlei Hinweis gibt, werden diese gleichsam genötigt, die partizipiale Wendung τῷ νικῶντι als auf das vorangehende Sendschreiben und die in diesem explizierten Inhalte in ihrer Gesamtheit zurückzubeziehen. Diese Nötigung macht es ihrerseits unumgänglich notwendig, das Verbum νικάω in Apk 2,7b etwa im Sinne von ‚durchhalten‘, ‚ausharren‘, ‚standfest bleiben in äußeren Bedrängnissen und gegenüber inneren Aufweichungstendenzen‘ oder ‚auf dem gegenwärtig eingeschlagenen Weg unbeirrt voranschreiten‘ zu interpretieren216. Die Durchsicht der von H. Menge für das 212. Vgl. hierzu bereits o. 129 mit A. 57. 213. Vgl. hierzu bereits o. 129 mit A. 60. 214. Vgl. hierzu bereits o. 133 mit A. 83. 215. Vgl. hierzu etwa H. Giesen, Apk, 474, der im Blick auf Apk 22,2 formuliert: „Von diesem Lebensbaum wird der Überwinder gemäß der Verheißung durch den erhöhten Herrn genährt werden (2,7)“; vgl. hierzu auch ausführlich M. Wilson, Victor Sayings, 179–187. 216. Vgl. in diesem Sinne etwa U.B. Müller, Apk, 104: „Dem Überwinder, der siegreich bis zum Ende durchhält, sagt Johannes zu, daß er im Paradies vom Baum des Lebens essen wird“, und 155: „In den Überwindersprüchen von Kap. 2–3 meint das Verb [d.h. νικάω] das sieghafte Durchstehen der irdischen Notsituation bis in den möglichen Tod hinein“; H. Giesen, Apk, 104 formuliert im Blick auf Apk 2,7b: „Hinter dem Begriff siegen steht die dualistische

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Verbum νικάω angeführten Bedeutungsvarianten zeigt jedoch, dass keine von ihnen ein solches nicht-relationales, somit also absolutes Verständnis dieses Verbums in diesem hier skizzierten Sinne auch nur im Ansatz ermöglicht. Mit H. Schweizer ist im Kontext eines solchen Interpretationsansatzes somit von einer terminologischen Indifferenz zu sprechen; Sachverhalte, „die eigentlich auseinanderzuhalten sind, werden [terminologisch] miteinander vermengt“217. Nach C.R. Koester deckt das Verbum νικάω als Metapher drei Bedeutungsbereiche ab, nämlich den militärischen, den auf sportliche Wettkämpfe bezogenen, schließlich denjenigen der „faithfulness“218; im Rahmen seiner Diskussion dieses dritten Bedeutungsbereiches formuliert er: „Those who remained true to their convictions in the face of opposition also ‚conquered‘. Such a victory is achieved not by inflicting violence, but by enduring it“219. Dabei versucht er, unter Verweis auf 4Makk 1,11; 6,10; 9,30, 11,20; 17,15 und 7,4; 16,14; 17,24220 eine semantische Brücke zwischen diesen drei Bedeutungsbereichen zu schlagen: „The Maccabean martyrs, who endured torture and were executed for their faithfulness to Jewish law, were compared to athletes … and soldiers“221, eine Brücke, die dazu verhelfen könnte, das hier aufgewiesene semantische Problem des νικάω-Begriffs zumindest zu entschärfen. Allein die Belege aus 4Makk können dies nicht leisten, zeigen sie doch sämtlich die Verknüpfung des Verbums νικάω mit einem relationalen Subtext und nicht dessen – anscheinend – absoluten Gebrauch, so wie er in den Überwindersprüchen der Apk belegt ist; dies belegt unmittelbar eine tabellarische Übersicht der von Koester angeführten Belege aus 4Makk: Vorstellung eines andauernden Kampfes zwischen Gott und den widergöttlichen Mächten, die die jetzige Weltzeit bestimmen, aus dem Gott am Ende als der triumphierende Sieger hervorgeht. … Dem Sieger, d.h. dem, der entsprechend den Weisungen der Offb lebt …, wird das ewige Leben zugesagt“; ähnlich hier auch T. Holtz, Art. νικάω, in: EWNT2 II, 1150: „Absolutes νικάω bezeichnet die eschatologische Bewährung, durch die Heilsteilhabe und Erhöhung erlangt wird. Zugrunde liegt die Vorstellung von der Welt als Ort des Kampfes, den der Widergott gegen Gott führt und in dem die geschichtlich handelnde Person dem Widergott unterliegen oder ihn besiegen kann“ (angesichts dessen mutet umso überraschender an, dass Holtz einige Zeilen zuvor feststellt: „Der absolute Gebrauch von νικάω ist nicht aus einer Verkürzung der gefüllteren Aussage entstanden“; gerade dieses aber wird doch mit der o.cit. Passage insinuiert). Von dieser theologischen Konzeption aber ist in Apk 2,2–6 nichts zu lesen. Zur gegenwärtigen Problematik der Interpretation des νικάω-Begriffs im Sinne von ‚überwinden‘ vgl. m.R. M. Karrer, Johannesoffenbarung, 216: „Die Spannweite zwischen gegenwärtiger Antizipation und zukünftiger uneingeschränkter Erfüllung bündelt sich im Motiv des νικᾶν, des Siegens, das den Überwindersprüchen – leider in zum ‚Überwinden‘ abgeschwächter Interpretation – ihren Namen gab“. 217. Vgl. hierzu bereits o. 33 mit A. 34. 218. Apk, 265. 219. Apk, 265. 220. Zu den Belegen aus 4Makk vgl. auch M. Wilson, Victor Sayings, 83f.; Wilson verweist dabei auf R. Leivestad, der die Belege aus 4Makk als „‚nearest material analogies‘“ (83) zu den Überwindersprüchen aus Apk 2f. bezeichnet. 221. Apk, 265.

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

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4Makk 1,11

θαυμασθέντες γὰρ οὐ μόνον ὑπὸ πάντων ἀνθρώπων ἐπὶ τῇ ἀνδρείᾳ καὶ ὑπομονῇ ἀλλὰ καὶ ὑπὸ τῶν αἰκισαμένων αἴτιοι κατέστησαν τοῦ καταλυθῆναι τὴν κατὰ τοῦ ἔθνους τυραννίδα νικήσαντες τὸν τύραννον τῇ ὑπομονῇ ὥστε καθαρισθῆναι δι᾽ αὐτῶν τὴν πατρίδα

4Makk 6,10

καὶ καθάπερ γενναῖος ἀθλητὴς τυπτόμενος ἐνίκα τοὺς βασανίζοντας ὁ γέρων

4Makk 9,30

οὐ δοκεῖς πάντων ὠμότατε τύραννε πλέον ἐμοῦ σε βασανίζεσθαι ὁρῶν σου νικώμενον τὸν τῆς τυραννίδος ὑπερήφανον λογισμὸν ὑπὸ τῆς διὰ τὴν εὐσέβειαν ἡμῶν ὑπομονῆς

4Makk 11,20222 ὁ δὲ βασανιζόμενος ὦ ἱεροπρεποῦς ἀγῶνος ἔλεγεν ἐφ᾽ ὃν διὰ τὴν εὐσέβειαν εἰς γυμνασίαν πόνων ἀδελφοὶ τοσοῦτοι κληθέντες οὐκ ἐνικήθημεν 4Makk 17,15223 ὁ τύραννος ἀντηγωνίζετο ὁ δὲ κόσμος καὶ ὁ τῶν ἀνθρώπων βίος ἐθεώρει 15 θεοσέβεια δὲ ἐνίκα τοὺς ἑαυτῆς ἀθλητὰς στεφανοῦσα 4Makk 7,4

οὐχ οὕτως πόλις πολλοῖς καὶ ποικίλοις μηχανήμασιν ἀντέσχε ποτὲ πολιορκουμένη ὡς ὁ πανάγιος ἐκεῖνος τὴν ἱερὰν ψυχὴν αἰκισμοῖς τε καὶ στρέβλαις πυρπολούμενος ἐνίκησεν τοὺς πολιορκοῦντας διὰ τὸν ὑπερασπίζοντα τῆς εὐσεβείας λογισμόν

4Makk 16,14

ὦ μῆτερ δι᾽ εὐσέβειαν θεοῦ στρατιῶτι πρεσβῦτι καὶ γύναι διὰ καρτερίαν καὶ τύραννον ἐνίκησας καὶ ἔργοις δυνατωτέρα καὶ λόγοις εὑρέθης ἀνδρός

4Makk 17,24

ἔσχεν τε αὐτοὺς γενναίους καὶ ἀνδρείους εἰς πεζομαχίαν καὶ πολιορκίαν καὶ ἐκπορθήσας ἐνίκησεν πάντας τοὺς πολεμίους

Die von Koester thematisierten Vergleiche treffen zwar durchaus zu, die angeführten Belege allerdings bieten im Blick auf die Überwindersprüche Apk 2f. und die in diesen belegte absolute Verwendung des Verbums νικάω keinerlei Verständnisgewinn.

Zudem hätte es für den Apokalyptiker, um in Apk 2,7b den Gedanken der Glaubenstreue bzw. der Standfestigkeit im Glauben zu explizieren, – gerade auch im Rahmen einer Bezugnahme auf das zuvor Formulierte – mehr als nahegelegen, auf das in Apk 2,2.3 bereits verwendete Substantiv ὑπομονή, womöglich wiederum in Verbindung mit den Verben βαστάζειν oder μὴ κοπιᾶν – oder auch, wie etwa in Apk 2,10d –, auf Begriffe aus dem Wortfeld πιστεύειν zurückzugreifen. Wer das Lexem νικάω angesichts des 222. Die Ausführungen in 4Makk 11,13–16 zeigen, dass auch hier der τύραννος als – zu besiegender – Gegenspieler im Hintergrund steht, eine Annahme, die allein schon durch die passivische Formulierung οὐκ ἐνικήθημεν indiziert wird. 223. Der das Verbum νικάω hier begleitende relationale Subtext ergibt sich explizit aus den Ausführungen in 4Makk 17,14.

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DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN APK 2–3

in Apk 2,2f. Ausgeführten dennoch – und zwar explizit gegen den o. erhobenen lexikalischen Befund – im Sinne von ‚durchhalten‘, ‚ausharren‘, ‚standfest bleiben in äußeren Bedrängnissen und gegenüber inneren Aufweichungstendenzen‘ oder ‚auf dem gegenwärtig eingeschlagenen Weg unbeirrt voranschreiten‘ verstehen möchte, kommt somit nicht umhin, in Hinsicht auf die textgrammatische Relation von Apk 2,2–6 zu Apk 2,7b über die o. bereits konstatierte terminologische Indifferenz hinaus in Anlehnung an H. Schweizer224 zudem noch eine terminologische Differenz zu diagnostizieren: Der gleiche Sachverhalt wird in Apk 2,2f. einer- und Apk 2,7b andererseits unterschiedlich benannt. In der Apk selbst begegnet das Verbum νικάω über die Überwindersprüche in Apk 2f.; 21,7 hinaus noch in Apk 3,21; 5,5; 6,2; 11,7; 12,11; 13,7; 15,2 und 17,14. Der im Profangriechischen diesem Verbum beiliegende relationale Subtext wird im Kontext der Belege Apk 11,7; 12,11,225; 13,7; 15,2226 und 17,14, in denen das Verbum νικάω immer im Sinne von ‚siegen, besiegen‘ zu verstehen ist227, expressis verbis zum 224. Vgl. hierzu ausführlich o. 33 mit A. 34. 225. Vgl. hierzu J.-W. Taeger, Gesiegt, 94: „Die zweite Strophe [des Hymnus Apk 12,10– 12] besingt den Sieg der irdischen Gemeinde über den Teufel“; vgl. hierzu auch H. Lichtenberger, Apk, 182: „Nicht nur im Himmel ist der Satan/Drache überwunden, auch die irdische Gemeinde hat ihn paradox überwunden“. M. Karrer, Apk I, 216 betont den forensischen Bezug der Passage Apk 12,10f.: „In Verbindung damit tritt in 12,10f. eine ihren Eigencharakter behaltende Vorstellung vom Sieg im Rechtsstreit, im Prozeß hervor: Spricht 12,7–9 vom Kampf im Himmel …, so kommentiert dies der am ehesten als Siegeslied zu bezeichnende hymnische Text der VV. 10b–12 jedenfalls redaktionell, und zwar mit Hilfe des alten mythischen Bildes vom himmlischen Gerichtshof. Der dort gegen die Christen angestrengte Prozeß ist von ihnen bereits gewonnen (V. 11). Denn der Ankläger ist gestürzt“; anders hier U.B. Müller, Apk, 238, der eher auf die militärische Konnotation von Apk 12,11 abhebt: „Vers 11 blickt also auf die Kirche auf Erden, die sich dem Kampf mit dem inzwischen gestürzten Satan gestellt hat und darin selbst zum Sieger über ihn geworden ist (vgl. die Überwindersprüche in den Sendschreiben [!])“. 226. Vgl. hierzu etwa U.B. Müller, Apk, 273f.: „Es sind die Sieger über das Tier und sein Bild, Christen, die durch den Glauben an die Kraft des Blutes des Lammes den Satan besiegt haben, ihr Leben nicht liebten … und deshalb nicht das Zeichen des Tieres annahmen, sondern den Namen des Lammes tragen“; vgl. hierzu auch D.E. Aune, Apk II, 903: „While neither the presence of the throne nor the presence of God is directly mentioned, the hymn of descriptive praise in vv 3–4 is sung to God by the heavenly company of martyrs who had not worshiped the beast“; noch deutlicher hier J. Roloff, Apk, 158: „Aber wer sind die Überwinder? Zweifellos jene Glieder der Kirche, die in der Gegenwart (2,13[!]) und in der vor den Augen des Sehers liegenden unmittelbaren Zukunft standhaft gegenüber dem religiösen Machtanspruch des Imperium blieben und die Teilnahme am Kaiserkult verweigern, ungeachtet der daraus erwachsenden Konsequenzen für ihr persönliches Schicksal“, und H. Giesen, Apk, 343: „Die Sieger … spielen auf den Harfen Gottes … zu dessen Lobpreis. Es sind die treuen Christen in der himmlischen Herrlichkeit. Sie haben während ihrer Erdenzeit kraft des Blutes des Lammes den Satan besiegt (12,11), indem sie sich geweigert haben, das Tier und sein Standbild göttlich zu verehren“. 227. Anders, aber wenig überzeugend hier F. Hahn, Sendschreiben, 382f.: „Dabei ist zu beachten, daß sämtliche [mit dem Verbum νικάω verknüpften] Aussagen am Sterben bzw.

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

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Ausdruck gebracht. Auch die Ausführungen in Apk 6,2d lassen sich kaum ohne die Annahme eines solchen, nun allerdings implizierten relationalen Subtextes begreifen228. Dass auch die auf die νίκη Christi bezogenen Ausführungen in Apk 3,21; 5,5 auf einen relationalen Subtext bezogen sind, lässt sich zumindest mit gutem Grund mutmaßen, wenn die Ausführungen von Joh 16,33b als Interpretationsrahmen herangezogen werden229; dort nämlich steht zu lesen: ἐν τῷ κόσμῳ θλῖψιν ἔχετε· ἀλλὰ θαρσεῖτε, ἐγὼ νενίκηκα τὸν κόσμον230. Werden diese Ausführungen nun mit dem Joh 16,11 Gesagten korreliert, so ergibt sich, dass diese νίκη über den κόσμος als Sieg über den ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου aufzufassen ist231. Übertragen auf die Apk heißt dies, dass der in Apk 3,21; 5,5 thematisierte Sieg Christi als ein solcher über die widergöttlichen Mächte, konkret zunächst über die Gestalt des δράκων/σατανᾶς zu begreifen ist. Wenn dies nun zutrifft, dann folgt aus den Ausführungen in Apk 3,21a: ὁ νικῶν δώσω αὐτῷ καθίσαι μετ᾽ ἐμοῦ ἐν τῷ θρόνῳ μου, ὡς κἀγὼ ἐνίκησα unmittelbar232, dass auch die in den Überwindersprüchen angesprochene Töten orientiert sind. … Man wird also ὁ νικῶν nicht im Sinne des Empfangs ewigen Lebens nach dem Tod verstehen dürfen, sondern ausschließlich im Blick auf den Tod“. 228. Zu Apk 6,2d vgl. ausführlich T. Witulski, Reiter, 130–134. 229. Für die Annahme eines zumindest mittelbaren Zusammenhanges zwischen der Apk und den übrigen johanneischen Schriften votiert etwa U. Schnelle, Einleitung, 516: „Diese Differenzen lassen es sinnvoll erscheinen, die Offenbarung nicht unmittelbar zur johanneischen Schule zu zählen, sondern sie in einer mittelbaren Verbindung zu den anderen joh[anneischen]. Schriften zu sehen, wodurch sich dann auch die vorhandenen Gemeinsamkeiten erklären“. 230. Zum Verständnis dieser Aussage vgl. J.-W. Taeger, Gesiegt, 85: „Doch nicht weil ihre Schrecknisse oder Lockungen ihn nicht zu irritieren vermochten, erwies sich Jesus als der Welt überlegen; der von ihm errungene Sieg besteht vielmehr darin, daß er, der in die Welt Gekommene und wieder zum Vater Zurückgekehrte …, diese grundsätzlich entmachtet hat“; vgl. zur νίκη über den κόσμος im johanneischen Kreis auch noch 1Joh 5,4f.: ὅτι πᾶν τὸ γεγεννημένον ἐκ τοῦ θεοῦ νικᾷ τὸν κόσμον· καὶ αὕτη ἐστὶν ἡ νίκη ἡ νικήσασα τὸν κόσμον, ἡ πίστις ἡμῶν. 5 τίς [δέ] ἐστιν ὁ νικῶν τὸν κόσμον εἰ μὴ ὁ πιστεύων ὅτι Ἰησοῦς ἐστιν ὁ υἱὸς τοῦ θεοῦ; auch hier wird der Begriff νικάωο explizit mit einem relationalen Subtext gebraucht. 231. In diesem Sinne etwa T. Holtz, Art. νικάω, in: EWNT2 II, 1149: „Joh 16,33 faßt das Ergebnis des Prozesses zusammen, durch den sich Jesus der Welt gegenüber als überlegen erwies. 16,11 spricht das bezogen auf den ‚Herrscher dieser Welt‘ und in Gerichtsterminologie aus“; vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch R. Schnackenburg, Joh III, 188: „Hinter dem Kosmos steht ‚der Böse‘ (1Joh 2,13f; vgl. 5,19), der im Ev ‚der Herrscher der Welt‘ heißt“. Vgl. hierzu auch 1Joh 2,13f.: γράφω ὑμῖν, πατέρες, ὅτι ἐγνώκατε τὸν ἀπ᾽ ἀρχῆς. γράφω ὑμῖν, νεανίσκοι, ὅτι νενικήκατε τὸν πονηρόν. 14 ἔγραψα ὑμῖν, παιδία, ὅτι ἐγνώκατε τὸν πατέρα. ἔγραψα ὑμῖν, πατέρες, ὅτι ἐγνώκατε τὸν ἀπ᾽ ἀρχῆς. ἔγραψα ὑμῖν, νεανίσκοι, ὅτι ἰσχυροί ἐστε καὶ ὁ λόγος τοῦ θεοῦ ἐν ὑμῖν μένει καὶ νενικήκατε τὸν πονηρόν, und 1Joh 4,1–4: ἀγαπητοί, μὴ παντὶ πνεύματι πιστεύετε ἀλλὰ δοκιμάζετε τὰ πνεύματα εἰ ἐκ τοῦ θεοῦ ἐστιν, ὅτι πολλοὶ ψευδοπροφῆται ἐξεληλύθασιν εἰς τὸν κόσμον. 2 ἐν τούτῳ γινώσκετε τὸ πνεῦμα τοῦ θεοῦ· πᾶν πνεῦμα ὃ ὁμολογεῖ Ἰησοῦν Χριστὸν ἐν σαρκὶ ἐληλυθότα ἐκ τοῦ θεοῦ ἐστιν, 3 καὶ πᾶν πνεῦμα ὃ μὴ ὁμολογεῖ τὸν Ἰησοῦν ἐκ τοῦ θεοῦ οὐκ ἔστιν· καὶ τοῦτό ἐστιν τὸ τοῦ ἀντιχρίστου, ὃ ἀκηκόατε ὅτι ἔρχεται, καὶ νῦν ἐν τῷ κόσμῳ ἐστὶν ἤδη. 4 ὑμεῖς ἐκ τοῦ θεοῦ ἐστε, τεκνία, καὶ νενικήκατε αὐτούς, ὅτι μείζων ἐστὶν ὁ ἐν ὑμῖν ἢ ὁ ἐν τῷ κόσμῳ. Zu den Belegen aus dem 1Joh insgesamt M. Wilson, Victor Sayings, 81f. 232. Zu der in Apk 3,21a explizierten Parallelisierung vgl. etwa A. Satake, Apk, 190: „Der V[er]f[asser]. parallelisiert also das den treuen Glaubenden bestimmte Geschick absichtlich mit dem Geschick Christi und gibt dadurch der Verheißung eine feste Basis“. Dieser

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νίκη der Christen als ein Sieg über eben diese – und ihre irdischen Helfershelfer – zu interpretieren ist233. Denkbar wäre allenfalls noch, die Überwindersprüche in Apk 2f.; 21,7 analog zu Joh 16,33 als νίκη über den κόσμος aufzufassen; dieser Begriff begegnet zwar in Apk 11,15; 13,8; 17,8, an keiner dieser drei Stellen aber in einer dem Joh bzw. der übrigen johanneischen Literatur insgesamt vergleichbaren Weise theologisch negativ aufgeladen234. Wird von diesen Belegen auf die Bedeutung des Verbums νικάω im Kontext des Überwinderspruches Apk 2,7b, darüber hinaus aber auch der Überwindersprüche in Apk 2f.; 21,7 insgesamt zurückgeschlossen, legt sich die Annahme nahe, dieselben und das in ihnen begegnende Verbum νικάω nicht – oder zumindest nicht primär – im Sinne etwa von ‚durchhalten‘, ‚ausharren‘, ‚standfest bleiben in äußeren Bedrängnissen und gegenüber inneren Aufweichungstendenzen‘ oder ‚auf dem gegenwärtig eingeschlagenen Weg unbeirrt voranschreiten‘ zu verstehen, sondern ebenfalls im Sinne des Überwindens dieser beiden widergöttlichen Figuren zu interpretieren. Dass sich eine solche Interpretation auf dem richtigen Weg befindet, belegen zunächst die Ausführungen des Apokalyptikers in Apk 12,11: καὶ αὐτοὶ ἐνίκησαν αὐτὸν [d.h. τὸν δράκοντα τὸν μέγαν Apk 12,9] διὰ τὸ αἷμα τοῦ ἀρνίου καὶ διὰ τὸν λόγον τῆς μαρτυρίας αὐτῶν καὶ οὐκ ἠγάπησαν τὴν ψυχὴν αὐτῶν ἄχρι θανάτου, dann aber auch diejenigen in Apk 15,2: καὶ εἶδον ... τοὺς νικῶντας ἐκ τοῦ θηρίου καὶ ἐκ235 τῆς Parallelisierung ließe sich nur entgehen, wenn mit H. Roose, Zeugnis, 49 angenommen wird, dass „das νικᾶν Christi und das der Christen … zwei durchaus unterschiedliche Dinge [bedeuten]: Bei den Christen ist der Begriff stark ethisch ausgerichtet. Bei Christus hingegen ist sein Heilstod gemeint“. Diese Interpretation lässt sich jedoch mit den Formulierungen von Apk 3,21 nur sehr schwer in Einklang bringen; vgl. zur Kritik der Interpretation von Roose auch A. Satake, Apk, 391, A. 164. 233. Dieses Ergebnis entspricht letzten Endes der Forderung von F. Hahn, Sendschreiben, 382: „Die Parallelität der verschiedenen Aussagen ist nur sinnvoll, wenn sich die Grundbedeutung [des Verbums νικάω] überall durchhält“; gänzlich anders hier M. Wilson, Victor Sayings, 81: „To conclude, in Revelation νικάω is used in three different senses – first, of a moral, spiritual victory by Christ and the saints; second, a physical, military victory by the beast; and third, a moral and military victory by Christ and the saints“. Das Problem der Ausführungen Wilsons im Blick auf die Bedeutung des Verbums νικάω in der Apk (vgl. hierzu 79–81) – und auch darüber hinaus – besteht darin, dass er die aus dem Profangriechischen sich ableitenden relationalen Implikationen dieses Begriffs augenscheinlich nicht zureichend in den Blick bekommt. Wichtiger als die Frage, ob es sich bei den in der Apk jeweils thematisierten νίκαι um militärische, juristische oder moralische Siege handelt, ist die Frage, gegen bzw. über wen oder was diese Siege errungen werden. 234. Zum κόσμος-Begriff in der johanneischen Theologie vgl. nur H. Balz, Art. κόσμος, in: EWNT2 II, 772: „In der johanneischen Theologie finden sich Grundzüge der p[au]l[inische]n Rede vom κ[όσμος]. in einer aufs Äußerste gesteigerten Radikalität der Entfremdung und Widergöttlichkeit des durch den Logos geschaffenen κ[όσμος]. und der dennoch durchgehaltenen Liebe Gottes zum κ[όσμος]. wieder …. Im Begriff des κ[όσμος]. … ist sowohl die Gesamtheit des Geschaffenen … wie der bes[ondere]. Aspekt des das Geschaffene in seiner Gottesferne repräsentierenden Menschen gegeben, ohne daß beides voneinander getrennt werden könnte. Das Verhältnis Gottes zum κ[όσμος]. entspricht dem des Lichtes zur Finsternis; das Geschaffene erkennt den Schöpfer nicht, die Finsternis verweigert sich dem Licht … wie der Wahrheit“. 235. Zu den grammatikalischen Problemen dieser Wendung vgl. etwa D.E. Aune, Apk II, 871f.

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

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εἰκόνος αὐτοῦ καὶ ἐκ τοῦ ἀριθμοῦ τοῦ ὀνόματος αὐτοῦ ἑστῶτας ἐπὶ τὴν θάλασσαν τὴν ὑαλίνην ἔχοντας κιθάρας τοῦ θεοῦ236; insbesondere die innerhalb dieser sichtbar werdende Verwendung des Verbums νικάω legt die Annahme nahe, die Überwindersprüche, die stets mit der – entweder im Nominativ oder im Dativ formulierten – partizipialen Wendung ὁ νικῶν einsetzen, inhaltlich mit dem in Apk 12,11; 15,2 Ausgeführten zu verknüpfen237 und sie somit auf den Sieg über den δράκων/σατανᾶς 236. Vor allem der Verweis auf Apk 15,2 und die dortigen Einlassungen des Apokalyptikers lassen die in der Forschung im Blick auf die Interpretation der partizipialen Wendung ὁ νικῶν in der Regel vorgelegten, eher allgemein gehaltenen Deutungsvorschläge unwahrscheinlich erscheinen (die semantische Verknüpfung der Überwindersprüche Apk 2f. mit Apk 12,11; 15,2 lässt darüber hinaus eine agonistische Interpretation der Wendung ὁ νικῶν unwahrscheinlich erscheinen; vgl. hierzu D.E. Aune, Apk I, 151: „The use of the term νικᾶν … can be either a military or an athletic metaphor, though in Revelation it is probably drawn from military language since it often involves the possibility of death“; in diesem Sinne auch T. Holtz, Art. νικάω, in: EWNT2 II, 1150). Zwar merkt etwa U.B. Müller – und dies im Grundsatz auch durchaus m.R. – an, dass die Phrase ὁ νικῶν auf „das Bestehenkönnen in der Bedrängnis der endzeitlichen Kampfsituation, … [auf] das Standhalten angesichts der Machenschaften des Satans“ (Apk, 94) abziele (ähnlich allgemein etwa auch W. Bousset, Apk, 207: „Wer im Kampf mit allen ungöttlichen Mächten den Sieg erringt, …“, J.-W. Taeger, Gesiegt, 92f.: „Der Autor denkt dabei an den Widerstand gegen Irrlehrer …, das rechte ethische Verhalten sowie das Bestehen in äußerer, letztlich vom Teufel bewirkter Bedrängnis“, und H. Giesen, Apk, 104 im Blick auf Apk 2,7: „Dem Sieger, d.h. dem, der entsprechend den Weisungen der Offb lebt [22,19], wird das ewige Leben zugesagt“. In gleicher Weise spricht G.K. Beale, Apk, 235 von den νικῶντες als von solchen, die sich durch eine „victorious perseverance through temptation, compromise, or tribulation“ ausgezeichnet haben); die vom Apokalyptiker in Apk 12,11; 15,2 – sicherlich bewusst – über die Verwendung des Verbums νικᾶν installierte semantische Verknüpfung der Überwindersprüche mit dem Motiv der Verehrung der Gestalten des δράκων/σατανᾶς bzw. des (ersten) θηρίον (zu den grammatischen Problemen der entsprechenden Ausführungen in Apk 15,2 vgl. ausführlich etwa D.E. Aune, Apk II, 871f.) konkretisiert jedoch diese „Machenschaften des Satans“ und spitzt sie auf die Praxis der kultisch-religiösen Verehrung des von der Figur des δράκων/σατανᾶς entsprechend bevollmächtigten amtierenden römischen Regenten bzw. die vom Apokalyptiker geforderte Verweigerung gegenüber derselben zu. (Dieses interpretatorische Ergebnis wird zu wenig berücksichtigt von S. Friesen, Satan’s Throne, 367, der hier feststellen zu können meint: „First, the absence of condemnations in Rev. 2–3 for participation in imperial cults is striking. In Rev. 13–19 non-participation is the defining feature of those who are faithful to God, so it is hard to imagine that John would not mention it in Rev. 2–3 if there were any divergent practices involving worship of the emperors“. Innerhalb der Überwindersprüche werden nun aber durchaus „condemnations“ formuliert, allerdings eben nicht unmittelbar, sondern mittelbar, in dem denjenigen, die ‚überwinden‘, eine entsprechende Verheißung zugesagt wird). 237. Diesen Zusammenhang zwischen den Überwindersprüchen und Apk 15,2 formulieren explizit etwa J. Roloff, Apk, 158 (vgl. hierzu o. 168 mit A. 226) und C.R. Koester, Apk, 634: „The faithful have conquered the beast by refusing to worship its image or receive its mark (15:2b). At the beginning of the book, promises were made to those who conquer summoning readers to active engagement against the forces that threaten faith (2:7,11,17,26; 3:5,12,21). At the end of the book, the conquerors have a place in the New Jerusalem (21:7)“; vgl. darüber hinaus auch H. Giesen, Apk, 343, der im Zusammenhang der Auslegung von Apk 15,2 ebenfalls explizit auf die Überwindersprüche Apk 2f. Bezug nimmt, und T. Holtz, Art. νικάω, in: EWNT2 II, 1150, der feststellt: „15,2 … kommt dem absoluten Gebrauch des subst.[antivierten] P[ar]t[i]z[ips] für den Überwinder sehr nahe“.

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und das (erste) θηρίον, d.h. letzten Endes auf die Verweigerung gegenüber den von jenen propagierten Ansprüchen der Verehrung ihrer selbst, zu beziehen238. Diese Annahme gewinnt an Gewicht durch die Beobachtung, dass der Apokalyptiker das Verbum νικάω im semantischen Kontext des Siegens von Christen über Apk 2f.; 21,7239 hinaus nur noch in den hier ins Feld geführten Passagen Apk 12,11 und Apk 15,2 verwendet hat240. Im Sinne von ‚standfest bleiben in äußeren Bedrängnissen und gegenüber inneren Aufweichungstendenzen‘ ließe sich das Verbum νικάω in den Überwindersprüchen nur dann interpretieren, wenn sich diese äußeren Bedrängnisse und inneren Aufweichungstendenzen in Apk 2f. als konkrete Folgen der Wirksamkeit des δράκων/σατανᾶς bzw. des ersten der beiden in Apk 13 auftretenden θηρία definieren ließen. Eine solche Schlussfolgerung aber geben das Sendschreiben an die Gemeinde zu Ephesus in gleicher Weise wie auch die übrigen Sendschreiben gerade nicht her241; sie lässt sich vielmehr nur auf der Basis und im Horizont der Gesamt-Apk ziehen.

Um diese Diskontinuität zu überwinden, sind die Erstrezipienten darauf angewiesen, das Lexem νικάω einerseits nicht-relational zu interpretieren 238. Vgl. zu dieser in der exegetischen Forschung bis dato kaum so explizit gezogenen Konsequenz auch J.-W. Taeger, Gesiegt, 94: „Noch ehe das von ihm geschilderte endzeitliche Drama seinen Höhepunkt erreicht …, schaut er sie im Himmel als tatsächliche Sieger, die der feindlichen Macht des Römischen Imperiums samt dessen Anspruch auf religiöse Verehrung widerstanden haben (15,2)“; in diesem Sinne durchaus auch J. Roloff, Apk, 50f.: „Hinter ihm [d.h. dem Verbum νικάω] steht die Vorstellung, wonach das gesamte Weltgeschehen ein unaufhörlicher Kampf zwischen Gott und den widergöttlichen Mächten ist. Christus selbst hat zwar bereits am Kreuz den Sieg errungen, aber noch haben die Gegner Gottes auf Erden Raum für ihren Kampf gegen die Christus zugehörigen Menschen. Für diese gilt es darum, sich solcher Auseinandersetzung nicht zu entziehen und den feindlichen Mächten Widerstand entgegenzusetzen bis zu deren endgültiger Niederringung durch Christus am Ende der Geschichte“. Diese Überlegung relativiert die Einlassung von D.E. Aune, Apk I, cxxxii: „Together with the introductory (1:1–20) and concluding (22,5–21) sections of Revelation, 2:1–3:22 reflects no persecution on the part of the Roman state, nor is there any evidence for the imperial cult“, zugleich auch den Hinweis von S. Friesen, Satan’s Throne, 356, der zumindest weiten Teilen der exegetischen Forschung eine „inappropriate importation of imperial cults into the message to the Pergamene assembly“ vorhält. 239. Vgl. hierzu o. 168–170. 240. Vgl. zu dieser Beobachtung etwa D.E. Aune, Apk II, 871: „Outside of Rev 2–3, the term νικᾶν is used of Christians conquering only in 12:11 and 21:7“. 241. Von einem in der Gemeinde und der Stadt in der Gegenwart ausgetragenen oder in der Zukunft auszutragenden – sich möglicherweise durchaus in einem Kampf gegen äußere Bedrängnisse und innere Aufweichungstendenzen konkretisierenden – Kampf gegen den δράκων/σατανᾶς und das (erste) θηρίον ist in Apk 2,2–6, dem Corpus des Sendschreibens an die Gemeinde zu Ephesus, die, von der in Apk 2,4 formulierten, eben gerade nicht mit den Figuren des δρακών/σατανᾶς bzw. des (ersten) θηρίον in Zusammenhang gebrachten, die inneren Verhältnisse der Gemeinde betreffende Kritik einmal abgesehen, vom Apokalyptiker für ihr Verhalten durchweg gelobt wird, hingegen nichts zu spüren. Jenes vermittelt, für sich genommen, vielmehr den Eindruck, dem Apokalyptiker ginge es nur um innergemeindliche Fehlentwicklungen, nicht aber um einen – weitaus grundsätzlicher anzusiedelnden und diese Fehlentwicklungen womöglich evozierenden oder aber auch theologisch zuspitzenden – Konflikt zwischen der christlichen Gemeinde und von außen auf sie zukommenden staatlich-imperialen Ansprüchen, mit denen sie in ihrer Gesamtheit konfrontiert würde.

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und ihm andererseits ein Sinnpotential zuzueignen, das seinem Bedeutungspotential nicht entspricht. Damit aber ergäbe sich in Hinsicht auf die Ausführungen in Apk 2,7b eine als kohärent zu bewertende Interpretation des Textes Apk 2,1–7 nicht aus dem Text selbst heraus, sondern ausschließlich aufgrund von den Erstrezipienten vorzunehmenden Inferenzen, d.h. „rekonstruktive[n] oder konstruktive[n] Operation[en] …, durch die störungsbedingte, zufällige oder strategisch angelegte Diskontinuitäten des Textes zur Bildung von Kohärenz überformt werden“242. Das aber heißt, dass der Überwinderspruch Apk 2,7b – wie auch der Weckruf Apk 2,7a – dem Text des Sendschreibens an die christliche Gemeinde zu Ephesus entweder von einer zweiten Hand oder vom Apokalyptiker selbst zu einem späteren Zeitpunkt hinzugefügt worden ist. Hinzu kommt ein weiterer, in der gegenwärtigen exegetischen Forschung bisher scheinbar kaum beachteter Aspekt. Angesichts der hier in Apk 2,7 vorliegenden Reihenfolge von Weckruf und Überwinderspruch stellt sich die Frage, wer denn mit dem ‚ich‘ im Überwinderspruch gemeint ist. Während die Forschung, so sie sich zu dieser Frage überhaupt äußert, weitestgehend unisono – und auch durchaus zurecht, denn wie sollte das πνεῦμα die in den Überwindersprüchen jeweils angekündigten entsprechenden Siegespreise verleihen – davon ausgeht, dass der in diesem Sendschreiben redende Christus dieses ‚ich‘ repräsentiert243, folgt aus der Argumentationslogik und der Textgrammatik von Apk 2,1–7 insbesondere für die Erstrezipienten der Apk mit einer gewissen Notwendigkeit, dass die Figur des πνεῦμα diejenige sein muss, die dem νικῶν die entsprechenden Siegespreise verleihen wird244. Mit H. Schweizer lässt sich diese Diskontinuität als syntaktischer Bruch bezeichnen: „Textdeiktisch entsteht Verwirrung, weil bei einem vorausgesetzten, aber ungenannten Subjekt oder bei einem Pronomen in anderer Satzfunktion unklar ist, wer gemeint ist“245. Nicht unerwähnt bleiben darf an dieser Stelle eine Beobachtung, die die hier formulierte literarkritische These durchaus zu stützen vermag, der Sachverhalt nämlich, dass der Überwinderspruch in Apk 2,7b – und nicht nur dieser, sondern alle anderen Überwindersprüche in gleicher Weise – eine eindeutig futurisch-eschatologische 242. T. Lewandowski, Linguistisches Wörterbuch I, s.v. Inferenz, 441; vgl. zu diesem Begriff und diesem Zitat bereits o. 28–29. 243. Vgl. hierzu etwa M. Wilson, Victor Sayings, 106: „Jesus promises to grant … the victor permission to eat from the tree of life in the paradise of God“; vgl. darüber hinaus H. Giesen, Apk, 104: „Im Bild heißt das, daß Christus ihm [d.h. dem νικῶν] vom Baum des Lebens … zu essen geben wird, der im Paradies Gottes steht“. 244. Zur Unmöglichkeit einer anaphorischen Interpretation des Weckrufes Apk 2,7a vgl. bereits o. 154–155. 245. Vgl. hierzu bereits o. 33 mit A. 31.

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Prägung transportieren, wohingegen die Einlassungen in Apk 1,5b.6 eine deutlich präsentisch-eschatologische Konnotation tragen246, ohne dass diese beiden eschatologischen Akzente miteinander vermittelt würden: Während nach Apk 2,7b das hier angesprochene νικᾶν noch aussteht, scheint es nach Apk 1,5b.6 im Leben der Gläubigen bereits realisiert zu sein. Wie diese textliche Diskontinuität, näherhin eine inhaltliche Spannung247, zu vermitteln sei, wird durch den Text der Apk selbst nicht angedeutet; diese zum Verständnis des Textes jedoch notwendige Vermittlung muss der (Erst-)Rezipient leisten, ohne auf entsprechende textliche Signale oder Hinweise zurückgreifen zu können. Auch dieser Sachverhalt indiziert somit die Zuordnung der Ausführungen in Apk 1,5b.6 und Apk 2,7b – und damit aller übrigen Überwindersprüche in Apk 2f. – zu unterschiedlichen Phasen des Textwachstumsprozesses der Apk.

Aus der Gesamtheit des hier Erwogenen folgt, dass der Weckruf Apk 2,7a und auch der Überwinderspruch Apk 2,7b – wie auch die Botenformel Apk 2,1b.c und die Ausführungen in Apk 2,5bβ – nicht zum ursprünglichen Bestand dieses Sendschreibens zu zählen sind, sondern demselben sekundär oder aber doch zumindest nachträglich hinzugefügt worden sind. Das an den ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας als ein in leitender Funktion stehendes Glied der ephischen Gemeinde248 gerichtete Sendschreiben umfasste somit ursprünglich folgenden Text: [τάδε λέγει {ὁ κύριος} ...]249 (2) οἶδα τὰ ἔργα σου καὶ τὸν κόπον καὶ τὴν ὑπομονήν σου καὶ ὅτι οὐ δύνῃ βαστάσαι κακούς, καὶ ἐπείρασας τοὺς λέγοντας ἑαυτοὺς ἀποστόλους καὶ οὐκ εἰσὶν καὶ εὗρες αὐτοὺς ψευδεῖς, (3) καὶ ὑπομονὴν ἔχεις καὶ ἐβάστασας διὰ τὸ ὄνομά μου καὶ οὐ κεκοπίακες. (4) ἀλλὰ ἔχω κατὰ σοῦ ὅτι τὴν ἀγάπην σου τὴν πρώτην ἀφῆκες. (5) μνημόνευε οὖν πόθεν πέπτωκας καὶ μετανόησον καὶ τὰ πρῶτα ἔργα ποίησον· εἰ δὲ μή, ἔρχομαί σοι .... (6) ἀλλὰ τοῦτο ἔχεις, ὅτι μισεῖς τὰ ἔργα τῶν Νικολαϊτῶν ἃ κἀγὼ μισῶ. Angesichts des Sachverhaltes, dass, wie das folgende Schaubild zeigt, das den Überwinderspruch Apk 2,7b inhaltlich beherrschende Motiv des ζύλον τῆς ζωῆς in Apk 22,2.14.19 wieder aufgenommen wird250, legt sich die Annahme nahe, als Zeitpunkt der Hinzufügung desselben den Termin der Abfassung bzw. der Endredaktion der im Neuen Testament vorliegenden Apk anzunehmen.

246. Vgl. hierzu u. 325–326. 247. Vgl. hierzu ausführlich o. 33 mit A. 32. 248. Vgl. hierzu bereits o. 92–114. 249. Zu dieser Botenformel als einer möglichen Einführung in den ursprünglichen Text dieses Sendschreibens vgl. o. 139–147. 250. Vgl. hierzu M. Wilson, Victor Sayings, 228f.

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

Motiv/Text im Überwinderspruch

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Bezugnahmen im apokalyptischen Hauptteil

Apk 2,7b: τῷ νικῶντι δώσω αὐτῷ Apk 22,2: ἐν μέσῳ τῆς πλατείας αὐτῆς φαγεῖν ἐκ τοῦ ξύλου τῆς ζωῆς, ὅ ἐστιν καὶ τοῦ ποταμοῦ ἐντεῦθεν καὶ ἐκεῖθεν ἐν τῷ παραδείσῳ τοῦ θεοῦ. ξύλον ζωῆς ποιοῦν καρποὺς δώδεκα, κατὰ μῆνα ἕκαστον ἀποδιδοῦν τὸν καρπὸν αὐτοῦ, καὶ τὰ φύλλα τοῦ ξύλου εἰς θεραπείαν τῶν ἐθνῶν Apk 22,14: ἵνα ἔσται ἡ ἐξουσία αὐτῶν ἐπὶ τὸ ξύλον τῆς ζωῆς Apk 22,19: ἀφελεῖ ὁ θεὸς τὸ μέρος αὐτοῦ ἀπὸ τοῦ ξύλου τῆς ζωῆς

Redaktionstheoretisch lässt sich der offensichtlich auf den apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 bzw. auf die Apk insgesamt bezogene Überwinderspruch – und dies trifft auf sämtliche in Apk 2f. vorliegenden Überwindersprüche zu, sofern sich, wie Apk 2,7b, motivisch auf den apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 beziehen bzw. auf diesen verweisen – als Anker-Erweiterungen fassen. Im Rahmen der von ihm auf der Grundlage der Überlieferung der alttestamentlichen Samuelbücher formulierten Erkenntnisse zu Techniken, Formen und Methoden der Textfortschreibung definiert R. Wonneberger eine AnkerErweiterung folgendermaßen: „Gelegentlich finden sich kurze redaktionelle Stücke, die zwar nicht in den Kontext passen [!], sich jedoch als Vorbereitung einer später eingefügten Passage zu erkennen geben. Sieht man letztere als ‚Schiff ‘, dann bildet erstere den ‚Anker‘, sorgt also dafür, dass das große und damit den Text leicht sprengende Stück festen Halt im Text bekommt. Deshalb wollen wir in solchen Fällen von ‚Anker-Erweiterung‘ sprechen“251; Wonneberger zufolge werde „durch den Anker eine Erwartung aufgebaut, die dann durch das Schiff eingelöst wird“252. Dass der Überwinderspruch Apk 2,7b sich in diesem Sinne gänzlich zwanglos als Anker-Erweiterung fassen lässt, liegt auf der Hand: Einerseits wird das in ihm entwickelte und ihn beherrschende Motiv des ζύλον τῆς ζωῆς erst im apokalyptischen Hauptteil wieder aufgenommen, verankert also das ‚Schiff‘ Apk 4–22 zunächst auf der literarischen Ebene, d.h. in intratextuellem Sinne, in der Epistel an den ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας. Darüber hinaus baut dieser Überwinderspruch als Anker eine – in diesem Falle – soteriologische Erwartung auf, die dann im apokalyptischen Hauptteil, insbesondere in Apk 19–22, als dem ‚Schiff‘ als zukünftig sich realisierend dargestellt wird, verankert somit das 251. Redaktion, 124. 252. Redaktion, 125.

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‚Schiff‘ Apk 4–22 auch in theologischem, hier konkret in soteriologischem Sinne im Sendschreiben an die Christen zu Ephesus. Dieses Ergebnis wird auch nicht konterkariert durch den seinerzeit von W. Ramsay unternommenen und gegenwärtig von C. Hemer erneuerten Versuch, einzelne Motive des Überwinderspruches Apk 2,7a aus dem Lokalkolorit der Stadt Ephesus abzuleiten253. Selbst dann, wenn die Hinweise Ramsays und Hemers zuträfen254, sagte dies nichts darüber aus, ob der Überwinderspruch Apk 2,7b als ein ursprünglicher und integraler Bestandteil des Sendschreibens an den ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας oder als eine nachträgliche oder sekundäre Hinzufügung zu demselben anzusehen ist. Sollte sich die Annahme von innerhalb dieses Überwinderspruches vorliegenden lokalen Referenzen hingegen falsifizieren lassen, wäre ein weiteres Argument für die Annahme gewonnen, dass dieser Überwinderspruch dem Corpus dieses Sendschreibens sekundär oder doch zumindest nachträglich hinzugefügt worden ist, da jenes doch offensichtlich das konkrete Verhalten des ephesischen ‚Gemeindeengels‘ thematisiert.

III.2. DAS SENDSCHREIBEN AN DEN ἄγγελος τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας Auch die das Sendschreiben an den ἄγγελος τῆς ἐν Σμύρνῃ255 ἐκκλησίας256 einleitende Botenformel Apk 2,8b.c nimmt Motive aus der Darstellung der Erscheinung des ὅμοιος υἱὸς ἀνθρώπου Apk 1,9ff., konkret aus Apk 1,17f., auf und identifiziert diesen auf diesem Wege mit dem in diesem Sendschreiben redenden Christus257: Motiv/Text in der Botenformel

Referenztext(e) in der Berufungsvision

Apk 2,8b.c: τάδε λέγει ὁ πρῶτος καὶ ὁ Apk 1,17f.: Καὶ ὅτε εἶδον αὐτόν, ἔπεσα ἔσχατος, ὃς ἐγένετο νεκρὸς καὶ ἔζησεν πρὸς τοὺς πόδας αὐτοῦ ὡς νεκρός, καὶ ἔθηκεν τὴν δεξιὰν αὐτοῦ ἐπ᾽ ἐμὲ λέγων· μὴ φοβοῦ· ἐγώ εἰμι ὁ πρῶτος καὶ ὁ ἔσχατος (18) καὶ ὁ ζῶν, καὶ ἐγενόμην νεκρὸς καὶ ἰδοὺ ζῶν εἰμι εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων καὶ ἔχω τὰς κλεῖς τοῦ θανάτου καὶ τοῦ ᾅδου. 253. Vgl. hierzu C. Hemer, Letters, 41–52. 254. Kritisch zu Ramsay und Hemer etwa C.R. Koester, Apk, 265f. und auch I.T. Beckwith, Apk, 451: „This promise, like the epithet of Christ in v. 1, does not have specific reference to the circumstances of the Ephesians, it is applicable to all alike; and it is placed appropriately in this introductory epistle as fundamental to the promises in all the others“. 255. Zur Stadt Smyrna vgl. etwa D.E. Aune, Apk I, 159f. 256. Vgl. zu dieser Figur bereits grundsätzlich o. 92–114. 257. Vgl. hierzu etwa A. Satake, Apk, 158: „Die Christusbeschreibung ‚der Erste und der Letzte, der tot war und lebendig wurde‘, ist aus 1,17f. übernommen“. O. Cremer, Sohn Gottes, 63 sieht in dieser Botenformel zwei Bereiche berührt, einen Bereich, den er mit der Überschrift ‚Christus vor der Welt‘ belegen möchte, darüber hinaus einen zweiten Bereich, den er als ‚Christus für die Seinen‘ betitelt.

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In Apk 2,9 kommt eben dieser Christus, eingeleitet durch das Prädikat οἶδα, dann auf „die gegenwärtige Lage der Smyrnäer“258, d.h. also des ἄγγελος τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας, zu sprechen, die er mit den Lexemen θλῖψις259 und πτωχεία (Apk 2,9a) sowie der Wendung βλασφημία260 ἐκ τῶν λεγόντων Ἰουδαίους εἶναι ἑαυτοὺς261 (Apk 2,9b), nicht jedoch mit der für die sieben Sendschreiben in ihrer Gesamtheit durchaus charakteristischen Formel οἶδα τὰ ἔργα σου (Apk 2,2.19; 3,1.8.15) kennzeichnet262. Der ἄγγελος τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας leidet unter augenscheinlich dauerhaften, zumindest jedoch in unterschiedlichen, mehr oder weniger regelmäßigen zeitlichen Abständen immer wieder aufflammenden263 Anfeindungen und Bedrängnissen und ist dazu – im Gegensatz allerdings zu seinem inneren, geistlichen Reichtum264 – auch noch materiell arm265. Darüber hinaus266 258. A. Satake, Apk, 159. 259. Zu den unterschiedlichen Implikationen dieses Begriffs vgl. etwa H. Ulland, Vision, 69: „So finden wir als Ergebnis die Tatsache, daß an keiner Stelle der Apk die Art und die Gegenwärtigkeit der θλῖψις sicher zu klären ist. Es könnte sich um Exil, Gefangenschaft, soziale Ächtung, üble Nachrede, ökonomische Ausbeutung, Armut, Gewalt oder um juristische Bedrohung handeln“. 260. Zum Begriff der βλασφημία vgl. etwa H. Ulland, Vision, 72, der eine religiöse Deutung dieses Terminus wahrscheinlich zu machen sucht: „Die Botschaft könnte dann lauten, daß derjenige, der die Christen schmäht, in Wirklichkeit Christus selbst schmäht“, diese aber nur unter Verweis auf Apk 13,1.5.6 und 17,3 zu begründen vermag. Vgl. hierzu auch H. Giesen, Apk, 108: „Inhaltlich bestreiten die Juden wahrscheinlich die Mitte des christlichen Glaubens, daß Gott durch Jesu Tod und Auferweckung den Menschen das Heil gebracht hat“. 261. Zu den in der Forschung diskutierten unterschiedlichen Möglichkeiten der Identifikation dieser Ἰουδαίοι vgl. etwa A. Satake, Apk, 159f.; vgl. hierzu auch D.E. Aune, Apk I, 164. Zum Verhältnis zwischen Christen und Juden in der römischen Provinz Asia vgl. ders., Apk I, 162f., zum Syntagma συναγωγὴ τοῦ σατανᾶ vgl. Apk I, 164f. und auch C.R. Koester, Apk, 276. 262. Vgl. hierzu A. Satake, Apk, 159: „In den jeweiligen οἶδα-Sätzen in den anderen Sendschreiben wird das Handeln der Gemeindeglieder thematisiert, hier dagegen auf den ersten Blick nur ihre Situation; die charakteristische Wendung τὰ ἔργα σου kommt nicht vor“. 263. Diesen Aspekt transportieren die Ausführungen von U.B. Müller, Apk, 106: „Der eigentliche Hauptteil setzt mit der Hinwendung zur Gemeindesituation ein, die ein Lob enthält, gleichzeitig aber die bedrängte Lage beschreibt“. 264. Vgl. hierzu H. Giesen, Apk, 111, der diesen Sachverhalt mit Blick auf die smyrnäischen Christen in ihrer Gesamtheit formuliert: „Ihr Reichtum besteht in ihrer Gottes- und Christusbeziehung“. 265. Vgl. hierzu U.B. Müller, Apk, 106: „Johannes betont die äußere Armut, aber auch den geistlichen Reichtum der Gemeinde“; in diesem Zusammenhang verweist Müller auf 2Kor 6,10; Jak 2,5. D.E. Aune, Apk I, 161 zufolge ergibt sich die Armut der smyrnäischen Christen nicht aus ihrer gesellschaftlichen Position – die Christen gehörten den untersten gesellschaftlichen Schichten an –, sondern aus dem Sachverhalt, dass „uncompromising Christians found it difficult to make a living in a pagan environment“. Zu der hier formulierten Gleichzeitigkeit von Armut und Reichtum und den unterschiedlichen Möglichkeiten der Interpretation dieser Paradoxie vgl. auch H. Ulland, Vision, 69–71. 266. Vgl. hierzu U.B. Müller, Apk, 106: „Besonderer Anlaß der Bedrängnis ist die Verleumdung seitens der Juden, die die Christen in der Stadt in Mißkredit brachten“.

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sieht er sich offensichtlich von jüdischer Seite dem Vorwurf der βλασφημία ausgesetzt, deren Inhalte an dieser Stelle allerdings nicht näher bestimmt werden267. Die solchermaßen die Person des ἄγγελος τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας Verleumdenden werden in Apk 2,9b.c näherhin charakterisiert als solche, die λέγοντες Ἰουδαῖοι εἶναι ἑαυτοὶ καὶ οὐκ εἰσὶν ἀλλὰ συναγωγὴ268 τοῦ σατανᾶ. D.E. Aune erwägt im Blick auf die solchermaßen charakterisierte Personengruppe zwei unterschiedliche Verstehensmöglichkeiten: Entweder handele es sich bei ihnen um solche, die „had forsworn their faith and maintained only an ethnic tie to Judaism“269 und sich weitgehend in die pagane Mehrheitsgesellschaft integriert haben, oder aber um solche, die als Juden aktiv gegen die christliche Gemeinde Smyrnas bzw. – nach der in der vorliegenden Studie vertretenen Interpretation – gegen die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας270 – vorgehen271. Eine sichere Entscheidung scheint angesichts der wenig konkreten Informationen des Apokalyptikers an dieser Stelle kaum möglich; zu fragen ist allerdings, ob die von Aune vorgestellten unterschiedlichen Verstehensmöglichkeiten als einander ausschließend verstanden werden müssen: Schließlich ist doch zwanglos denkbar, dass es sich bei den Gliedern der συναγωγή τοῦ σατανᾶ um weitgehend in die städtische Gesellschaft integrierte Juden handelt, die zugleich auch gegen die Christen bzw. gegen die Person des ἄγγελος τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας agitieren. Auffällig ist, dass der Apokalyptiker hier in Apk 2,9c die Figur des σατανᾶς einführt, ohne dieselbe vorzustellen oder näher zu charakterisieren; dieser Sachverhalt vermag allerdings kaum eine Diskontinuität – denkbar wäre hier die Annahme eines aus dem Text sich ergebenden Informationsdefizits272 – zu indizieren, da vorausgesetzt werden darf, dass der Begriff und die Figur des σατανᾶς bei christlichen Rezipienten keinerlei näherer Erklärung bedürfen. In Apk 2,10 nimmt Christus dann – aus seiner Perspektive – die Zukunftsaussichten für den ‚Gemeindeengel‘ in den Blick. Der ἄγγελος τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας soll sich vor dem, was er wird leiden müssen, nicht

267. Sicherlich nicht zuletzt auch deswegen schlägt D.E. Aune, Apk I, 162 vor, diesen Terminus hier „in a more general sense of ‚slander‘“ zu begreifen. 268. Nach D.E. Aune, Apk I, 165 handelt es sich bei der συναγωγή um eine „empirical community, i.e., members of a Jewish community who meet for worship“. 269. Apk I, 164. 270. Vgl. hierzu o. 92–114. 271. Vgl. hierzu Apk I, 164; Aune hält diese Möglichkeit für wahrscheinlicher und formuliert: „It is perhaps more likely, however, that the author of Revelation is referring not to apostate Jews but rather to Jews who are opposed to Christianity“. 272. Vgl. hierzu die Auflistung von H. Schweizer o. 33–34.

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fürchten: μηδὲν φοβοῦ ἃ μέλλεις πάσχειν (Apk 2,10a)273. In Apk 2,10b wird dieses Leiden dann augenscheinlich präzisiert und in den kommunalen institutionellen Kontext der Stadt Smyrna eingeordnet: ἰδοὺ μέλλει βάλλειν ὁ διάβολος ἐξ ὑμῶν εἰς φυλακὴν274 ἵνα πειρασθῆτε καὶ ἕξετε θλῖψιν ἡμερῶν δέκα275. Auffällig ist, dass der Apokalyptiker sich hier nicht mehr, wie noch in Apk 2,10a, an den ἄγγελος τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας wendet, sondern, ohne dies im Text selbst in irgendeiner Form zu annoncieren, unter Verwendung der 2. Person Plural die smyrnäischen Christen in ihrer Gesamtheit unvermittelt unmittelbar anzusprechen scheint. Dieser Sachverhalt wird in der exegetischen Literatur zu Apk 2,10 nur am Rande zur Kenntnis 273. O. Cremer, Sohn Gottes, 63 möchte, vermittelt über den Gedanken der Liebe und der Treue Christi, der letztlich auch in der Wendung μὴ φοβοῦ expliziert werde, eine intratextuelle Relation zwischen den Ausführungen in Apk 1,5f.17c und 2,10a wahrscheinlich machen: Der in Apk 1,5 als ὁ μάρτυς (und) ὁ πιστός charakterisierte und die Gemeinschaft des Apokalyptikers und der Adressaten der Apk liebende Christus fordere in Apk 1,17c zunächst den Apokalyptiker auf, sich nicht ängstigen, und daran anschließend dann in Apk 2,10a – nach traditioneller Auslegung (vgl. hierzu o. 40) – die Christen in Smyrna, das nicht zu fürchten, was jene erleiden werden bzw. müssen; diese Aufforderungen erwüchsen Cremer zufolge inhaltlich jeweils aus dem in Apk 1,5f. formulierten Hinweis auf die Liebe und die Treue des ἀρνίον Christus gegenüber den Christen. Auffällig ist allerdings, dass weder der an den Apokalyptiker gerichtete Zuspruch in Apk 1,17c noch derjenige, der sich in Apk 2,10a an die smyrnäischen Christen richtet, etwa vermittelt über ein explizites Textsignal wie beispielsweise das Verbum ἀγαπάω, in einen unmittelbaren Zusammenhang mit den Ausführungen in Apk 1,5 gestellt wird. Wird darüber hinaus die Formel μὴ φοβοῦ Apk 1,17c als „zum Stil des Epiphanieberichtes“ (J. Roloff, Apk, 44) zugehörig definiert, lässt sich die von Cremer vorgeschlagene intratextuelle Relation noch weniger aufrechterhalten. 274. Zu der an dieser an Stelle insinuierten Gefängnisstrafe vgl. etwa H. Giesen, Apk, 109: „Denn die Gefängnisstrafe gilt im griech[ischen]. und röm[ischen]. Verfahren nicht als Strafe für ein Verbrechen, sondern geht der eigentlichen Verurteilung voraus, die in Geldstrafe, Verbannung und Hinrichtung bestehen kann“; darüber hinaus auch H. Lichtenberger, Apk, 92: „Für die Glaubenden ging es aber doch ums letzte – um die mögliche Todesstrafe“, und C.J. Hemer, Letters, 68: „A. Berger … mentions three functions of imprisonment: (1) as a coercive measure by magistrates against recalcitrance (coercitio); (2) detention pending trial (custodia rerorum); (3) to await execution“. In diesem Sinne neuestens auch O. Cremer, Sohn Gottes, 74: „Denn diese gehen einer mehr als ungewissen Zukunft entgegen, in der die Möglichkeit des Todes nicht unwahrscheinlich ist“. 275. Nach J. Roloff, Apk, 52 scheint hier „an ein behördliches Einschreiten gegen einzelne Glieder der Gemeinde gedacht zu sein“; vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch A. Satake, Apk, 161, der die Figur des διάβολος mit der „Ortsbehörde“ identifizieren möchte: „Derjenige, der die Smyrnäer ins Gefängnis wirft, ist ‚der Teufel‘. Wahrscheinlich ist damit die Ortsbehörde gemeint“. Neben vielen anderen sieht etwa E. Lohmeyer, Apk, 25 in der Zeitangabe ἡμερῶν δέκα eine „Bezeichnung einer kurzen Zeitspanne“, somit also keine auf Dauer gestellte Realität; vgl. hierzu auch D.E. Aune, Apk I, 166: „The phrase ‚ten days‘ is used for an undefined but relatively short period of time, perhaps because it is the sum of the fingers of both hands“. Zahlreiche Kommentatoren verstehen diese Zeitangabe darüber hinaus als Anspielung auf Ausführungen in Dan 1,12–15; vgl. hierzu etwa G.K. Beale, Apk, 242.

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genommen und zu erklären versucht276. Er bedarf aber, da er eine textgrammatische Diskontinuität – mit H. Schweizer letzten Endes je nach Blickwinkel eine terminologische Differenz oder aber eine terminologische Indifferenz277 – bildet, in jedem Falle einer Erklärung278, zumal in Apk 2,10d279 offensichtlich wiederum die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας als Adressat der Worte des in diesem Sendschreiben redenden Christus erscheint. Um diese Diskontinuität zu überwinden und ein sinnvolles Textganzes zu (re-)konstruieren, bleiben den Rezipienten, insbesondere den Erstrezipienten, folgende Möglichkeiten: (a) Sie identifizierten die Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας mit den Gliedern der Gemeinde selbst; das Sendschreiben richtete sich somit nicht an einen ἄγγελος als himmlischen Repräsentanten dieser Gemeinde, sondern unmittelbar an die einzelnen Glieder derselben280. Diese Möglichkeit ist – unbeschadet des Sachverhalts, dass sie in Apk 1,4.11 die sieben ἐκκησίαι als Adressaten der Apk wahrgenommen haben und in Apk 2,7a bereits mit einem sämtliche Gemeinden der Apk betreffenden Weckruf konfrontiert worden sind281 – insbesondere 276. Vgl. hierzu etwa A. Satake, Apk, 160: „Zwei Mahnungen in der 2. Pers. Sg. umschließen eine längere ‚Voraussage‘ in der 2. Pers. Pl.“. Eine Erklärung für diesen doch überraschenden Sachverhalt bietet Satake allerdings nicht. K. Huber, Menschensohn, 197 spricht hier von einem kollektiven ‚Du‘, das dann in ein ‚Wir‘ überführt wird (vgl. hierzu bereits o. ###). Auch er verzichtet auf den Versuch einer Erklärung dieser doch zumindest auffälligen Textbeobachtung. 277. Vgl. hierzu o. 33 mit A. 33.34. Eine terminologische Differenz liegt vor, wenn eine Person oder eine Sache jeweils unterschiedlich benannt werden; im vorliegenden Fall ergäbe sich die terminologische Differenz durch den Sachverhalt, dass die smyrnäische Gemeinde im Rahmen des Sendschreibens Apk 2,8–11 zunächst als ἄγγελος τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας, in Apk 2,10b.c jedoch augenscheinlich einfach als ἐκκλησία bezeichnet wird. Eine terminologische Indifferenz ergibt sich, wenn Personen oder Sachen, die eigentlich auseinanderzuhalten sind, miteinander vermengt werden; im Rahmen des Sendschreibens an die Gemeinde zu Smyrna werden die letztlich doch als Einzelperson zu definierende Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας und die in jedem Falle kollektiv konstituierte ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησία miteinander vermischt. 278. Anders hier – neben vielen anderen – etwa H. Ulland, Vision, 75, der diese Diskontinuität nicht wahrzunehmen scheint. 279. Als Auffälligkeit sei an dieser Stelle zumindest darauf hingewiesen, dass der Apokalyptiker die Verleihung des στέφανος τῆς ζωῆς in Apk 2,10d explizit als ein auf die Zukunft bezogenes Ereignis beschreibt, während er in Apk 1,6a die Teilhabe der Christen an der βασιλεία als einen in der Vergangenheit bereits Platz gegriffen habenden Vorgang beschreibt. Dies verbietet es, die Ausführungen in Apk 2,10d einfach mit denjenigen in Apk 1,6a zu parallelisieren; anders hier allerdings O. Cremer, Sohn Gottes, 63f. 280. Vgl. hierzu bereits ausführlich o. 92–114, in Sonderheit 95–99. 281. D.E. Aune, Apk I, 109 möchte aus diesen beiden Beobachtungen die These einer Identifikation der sieben Gemeinden den sieben Engelgestalten herleiten: „While the first command given to the author to write a revelatory book specifies that he sent it to the seven churches, with no mention of the fictive angelic recipients (1:11), and the message of each proclamation is clearly said to be spoken by the Spirit ταῖς ἐκκλησίαις … , the addressee of

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den Erstrezipienten allerdings aus folgenden Gründen verwehrt: (1) Erkennbar ist, dass der Apokalyptiker eine solche Identifizierung in Apk 2f. zunächst offensichtlich gerade nicht artikulieren wollte, da er in dieser Passage sonst doch unmittelbar, ohne den jeweiligen Umweg über die Figur des ἄγγελος, an die ἐκκλησία ἡ ἐν Ἐφέσῳ, ἐν Σμύρνῃ κτλ. hätte schreiben können. (2) Die – von den Erstrezipienten bereits zur Kenntnis genommenen – Ausführungen des Apokalyptikers in Apk 1,20, insbesondere diejenigen in Apk 1,20b schließen eine unmittelbare Identifikation des ἄγγελος τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας mit der smyrnäischen ἐκκλησία im Sinne einer identitären Reziprozität aus282. (b) Die Erstrezipienten nähmen an, dass in Apk 2,10b.c ein von dem eigentlichen Sendschreiben selbst gänzlich zu unterscheidender und unabhängiger Kommunikationsvorgang vorliege, innerhalb dessen der in diesem Sendschreiben redende Christus sein Diktat an den Apokalyptiker unterbreche und sich ohne Vermittlung direkt an die smyrnäischen Christen wende283. Diese Erklärung, die durch den Text von Apk 2,8–11 in keiner Weise indiziert wird, setzte bei den (Erst-)Rezipienten ein hohes Maß an Konstruktions- und Rekonstruktionsvermögen und an exegetischer Phantasie voraus – und evozierte darüber hinaus die Frage, warum der Apokalyptiker diesen unabhängigen Kommunikationsvorgang nicht explizit oder doch zumindest deutlicher annonciert hat. Da diese – einzig verbleibende – Möglichkeit der Überwindung der Diskontinuität in Apk 2,10 eine gänzlich von den Rezipienten zu bewältigende, vollständig subjektive Sinnbildung inhäriert, ist der Text an dieser Stelle als texthermeneutisch inkohärent zu bewerten. Dies wiederum heißt, dass hier von einem Wachstum des entsprechenden Textes auszugehen ist, konkret, dass die Ausführungen in Apk 2,10b.c nachträglich oder auch sekundär in einen bereits vorliegenden Text Apk 2,10a.d eingefügt worden sind284. Daraus aber folgt: In Apk 2,10a forderte der each of the proclamations is the ἄγγελος to which that message is directed …, suggesting the equivalency of churches and angels“. Diese Argumentation vermag jedoch insbesondere im Lichte von Apk 1,20b (vgl. hierzu o. 77–78) schon aus rezeptionsästhetischen Gründen nicht zu überzeugen. 282. Vgl. hierzu bereits ausführlich o. 77–92. 283. Mit noch mehr Schwierigkeiten belastet und daher noch unwahrscheinlicher hier die Interpretation von D.E. Aune, Apk I, 166f.: „The implied subject of the second-singular aorist imperative γίνου apparently refers to the angel of the community and indicates that this sentence is addressed to the entire community, not simply to those referred to in v 10bc“. Wie aber soll ein hörender (Erst-)Rezipient diese hier von Aune intendierte Differenzierung erkennen? 284. Zu dem dieser These zugrundeliegenden methodischen Ansatz vgl. bereits o. 25–37; anders hier J. Wellhausen, Analyse, 5f., der, ohne dies explizit zu begründen, Apk 2,10d als eine sekundäre Zutat ansieht.

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Apokalyptiker ursprünglich lediglich den ἄγγελος τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας dazu auf, sich nicht vor den kommenden, offensichtlich absehbaren Leiden zu fürchten, eine Aufforderung, die er – dann in Apk 2,10d285 – unmittelbar verknüpft mit der Verheißung, ihm im Falle seiner Treue und seiner Standfestigkeit bis zu seinem Tod den στέφανος τῆς ζωῆς286 zuteil werden zu lassen: μηδὲν φοβοῦ ἃ μέλλεις πάσχειν. ... γίνου πιστὸς ἄχρι θανάτου, καὶ δώσω σοι τὸν στέφανον τῆς ζωῆς. Die Ausführungen in Apk 2,10b.c sind augenscheinlich eingefügt worden, um in der Zeit zwischen der Abfassung von Apk 2,10a.d und dieser Einfügung Platz greifende oder gegriffen habende, sich gegen die smyrnäischen Christen richtende und in jedem Falle behördlich sanktionierte Maßnahmen287 in den zuhandenen Text Apk 2,10a.d zu integrieren und auf diese Weise theologisch zu reflektieren. Der diese Einfügung Eintragende hat die in Apk 1,20 formulierte Differenzierung zwischen den ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν und den ἐκκλησίαι im Rahmen seiner Textbearbeitung bewusst oder unbewusst eingeebnet. Denkbar ist, dass er den angesichts der Ausführungen von Apk 1,20b für diese Einebnung benötigten interpretatorischen Spielraum gewonnen hat, indem er die Apk 1,20bα erwähnten ἄγγελοι von den sieben ‚Gemeindeengeln‘ unterschieden hat, eine Deutung, zu der immerhin der fehlende Artikel vor dem Substantiv ἄγγελοι anregen könnte288. Würden diese ἄγγελοι nicht mit den ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν identifiziert, würden die Ausführungen von Apk 1,20bα somit nicht auf die Gestalten der ‚Gemeindeengel‘ bezogen, steht der Annahme einer Identifikation jener mit den sieben ἐκκλησίαι zumindest auf der Ebene der Apk inhärenten Argumentations- und Darstellungslogik nichts (mehr) im Wege. Auch diese Hinzufügung in Apk 2,10b.c lässt sich durchaus als eine ‚Anker-Erweiterung‘289 begreifen; die an alle sieben in der Apk angeschriebenen Gemeinden gerichteten Ausführungen in Apk 13,10: εἴ τις εἰς αἰχμαλωσίαν, εἰς αἰχμαλωσίαν ὑπάγει· εἴ τις ἐν 285. Vgl. zu dem inhaltlichen Zusammenhang von Apk 2,10a und Apk 2,10d A. Satake, Apk, 160: „Die beiden Mahnungen stehen in einem komplementären Verhältnis zueinander; die erste von ihnen ist negativ, die zweite positiv formuliert. Furcht vor der Bedrängnis und Treue zu Gott schließen einander aus“. 286. Zu den möglichen zeit- oder auch lokalgeschichtlichen Hintergründen dieses Syntagmas vgl. etwa C.R. Koester, Apk, 277f. und D.E. Aune, Apk I, 167f.172–175; zu den inhaltlichen Implikationen des Bildes vom στέφανος τῆς ζωῆς vgl. etwa H. Giesen, Apk, 110: „Der Kranz ist im NT Metapher des Erfolgs, des Sieges und Triumphs“, darüber hinaus auch H. Lichtenberger, Apk, 93. 287. Zur Figur des διάβολος vgl. bereits o. 179, A. 275, zur Funktion des Gefängnisaufenthalts vgl.o. 179, A. 274. 288. Vgl. zu einer solchen auch in der Gegenwart belegbaren Auslegung von Apk 1,20bα etwa die o.cit. entsprechenden Ausführungen von O. Cremer o. 78, A. 277. 289. Vgl. hierzu bereits o. 175–176.

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μαχαίρῃ ἀποκτανθῆναι αὐτὸν ἐν μαχαίρῃ ἀποκτανθῆναι. Ὧδέ ἐστιν ἡ ὑπομονὴ καὶ ἡ πίστις τῶν ἁγίων, werden hier – trotz einer jeweils verwendeten unterschiedlichen Begrifflichkeit290 – in gewissem Sinne inhaltlich verankert und vorbereitet291. Diese literarkritische Operation vermag zudem eine inhaltliche Spannung, die sich aus der Relation von Apk 2,9a zu Apk 2,10c ergibt, zu lösen: In Apk 2,9a spricht der Apokalyptiker davon, dass ihm die θλῖψις, die der ἄγγελος τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας auszuhalten habe, bekannt sei, in Apk 2,10c kündigt er – offensichtlich – den Gliedern der smyrnäischen Gemeinde für die Zukunft eine zehn Tage währende θλῖψις an292. Die sich aus diesen beiden Einlassungen ergebende Diskontinuität – warum nämlich sollte für die Zukunft eine lediglich zehn Tage währende θλῖψις angekündigt werden, wenn eine solche anscheinend dauerhafte θλῖψις schon in der Gegenwart spürbar ist – wird bewältigt, wird Apk 2,10b.c als sekundär hinzugefügt gefasst. Auch die aus dem Sachverhalt sich ergebende Diskontinuität, dass der Gegenspieler Gottes in Apk 2,9 zunächst als σατανᾶς, in Apk 2,11 dann jedoch als διάβολος bezeichnet293 wird294, würde sich mit Hilfe der hier im Blick auf Apk 2,10b.c propagierten literarkritischen These mühelos erklären und zugleich auch überwinden lassen.

Fraglich ist nun allerdings, ob im Rahmen dieses als ursprünglich rekonstruierten Textes die Wendung ἄχρι θανάτου Apk 2,10d mit Notwendigkeit 290. Denkbar ist, dass diese unterschiedliche Begrifflichkeit sich dem jeweils unterschiedlichen Kontext verdankt. In Apk 13,10 ist im Kontext des Kampfes des ersten θηρίον gegen die Christen (Apk 13,7) von αἰχμαλωσία, somit von Kriegsgefangenschaft (vgl. hierzu W. Bauer/ B. Aland, Wörterbuch, s.v. αἰχμαλωσία, 51) die Rede, in Apk 2,10b.c ‚nur‘ von Gefangenschaft, da die Situation des πόλεμος des ersten θηρίον gegen die Christen hier offensichtlich noch nicht Platz greift, präziser: im Rahmen der Darstellungslogik der Gesamt-Apk noch nicht Platz greifen soll. 291. Dies sieht – allerdings nur im Grundsatz, nicht in der konkreten Interpretation – richtig H. Ulland, Vision, 75, der formuliert: „Der Verfasser schildert in 2,9f zwei verschiedene Phänomene: religiöse Lästerung durch die ‚Pseudojuden‘ und staatliche Verfolgung, deren Akteure einmal mit dem Satan und das andere Mal mit dem Teufel in Verbindung gebracht werden. Diese beiden werden erst in Apk 12 auf ein und denselben Urheber zurückgeführt, nämlich den Drachen, und somit im Rahmen des kosmischen Dramas interpretiert“. In der Sekundärliteratur wird dieser Bezug insgesamt allerdings nur sehr selten gesehen und diskutiert. 292. Vgl. hierzu etwa A. Satake, Apk, 161, der aus diesem Grund das Apk 2,10b.c Ausgeführte als vaticinium ex eventu deklarieren möchte: „Die genannten Besonderheiten der Darstellung werfen die Frage auf, ob es sich bei der hier vorliegenden Ankündigung um eine ‚echte‘ Voraussage handelt. M.E. liegt hier vielmehr ein vaticinium ex eventu vor. Vor allem ein Vergleich mit V. 9 legt das nahe. Wenn sich die hier angeredeten Christen jetzt schon in der Bedrängnis befinden …, wird es für sie wenig Sinn haben, über eine künftige Bedrängnis, die nur ‚zehn Tage‘ dauern soll, informiert zu werden“. 293. Nach H. Schweizer handelt es sich bei dieser unterschiedlichen Benennung um eine terminologische Differenz; vgl. hierzu o. 33 mit A. 33. 294. Diese Auffälligkeit wird immerhin gesehen von A. Satake, Apk, 161, A. 45; dass diese beiden Figuren für den Apokalyptiker offensichtlich identisch sind, wird erst in Apk 12,9; 20,2 expliziert. Angesichts dessen stellt sich umso mehr die Frage, warum die Identität jener nicht bereits hier in Apk 2,10 explizit zumindest angedeutet wird.

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in martyrologischem Sinne, d.h. als Reflex auf den dem ἄγγελος τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας ob seiner Standhaftigkeit und seiner Glaubenstreue mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorstehenden Märtyrertod zu verstehen ist, oder ob der Apokalyptiker diesem Syntagma – in eher neutraler Weise – nur ein chronologisches Datum, nämlich den Zeitpunkt des Endes des biologischen Lebens, zum Ausdruck bringen wollte. Für die zweite Möglichkeit spricht die Beobachtung, dass in Apk 2,10a.d als dem an dieser Stelle ursprünglichen Text von einer etwaigen aktiven Beteiligung staatlicher Organe an dem zu erwartenden θάνατος nicht die Rede ist. Ohne Verfügungen, Beschlüsse und Anordnungen solcher Organe sind jedoch die Verhängung der Todesstrafe für einen Christen, der trotz einer zuvor geäußerten Todesdrohung an seinem Glauben festhält, und sein daraus resultierender und daran anschließender (Märtyrer-)Tod schlicht nicht denkbar. In diesem Sinne öffnet somit erst die Einfügung von Apk 2,10b.c – ἰδοὺ μέλλει βάλλειν ὁ διάβολος ἐξ ὑμῶν εἰς φυλακὴν ἵνα πειρασθῆτε καὶ ἕξετε θλῖψιν ἡμερῶν δέκα295 –, die zugleich das in Apk 2,10a angekündigte πάσχειν nicht mehr auf die Begriffe θλῖψις, πτωχεία und βλασφημία (Apk 2,9), sondern auf den im unmittelbaren Anschluss geschilderten Gefängnisaufenthalt bezieht und somit semantisch neu füllt296, den argumentationslogischen Raum für die Annahme, das Syntagma ἄχρι θανάτου im Sinne eines (Märtyrer-)Todes zu interpretieren. Sie nämlich führt einerseits das Momentum aktiv handelnder behördlicher Organe297 und einer offensichtlich von diesen verfügten Gefängnisstrafe in die Darstellung ein, stellt andererseits einen Zusammenhang zwischen dieser Gefängnisstrafe und dem Tod des in diesem Sendschreiben adressierten ἄγγελος τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας her. Diese Kontextualisierung führt im Rahmen der Auslegung dann dazu, sowohl die avisierte Gefängnisstrafe Apk 2,10c als auch den zukünftigen Tod Apk 2,10d in einen martyrologischen Kontext zu rücken298. Im Anschluss an den in Apk 2,11a formulierten Weckruf299 folgt in Apk 2,11b der zu dem Sendschreiben an den ἄγγελος τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας 295. Vgl. zu dieser Zeitangabe bereits o. 179, A. 275. 296. Vgl. hierzu mit einem gewissen Recht H. Ulland, Vision, 75; vgl. zu dessen Ausführungen bereits o. 180, A. 278. 297. Zur Deutung der Figur des διάβολος vgl. bereits o. 179, A. 275. 298. Vgl. zu dieser Kontextualisierung durchaus m.R. H. Ulland, Vision, 75, der formuliert: „Welche Art von Gefängnisaufenthalten hier im Blick ist, bleibt offen. Der Text läßt die Möglichkeit, an Zwangsmaßnahmen wegen Widerspenstigkeit, Gewahrsam während des Verfahrens und – aufgrund von 2,10c [!] – an die Haft vor einer Exekution zu denken“, und auch C.J. Hemer, Letters, 68: „In the present context the sense that ‚prison‘ conveyed was probably that of a temporary, interim period of suffering in anticipation of martyrdom“. Vgl. darüber hinaus auch O. Cremer, Sohn Gottes, 74, A. 381. 299. Zur Interpretation des Weckrufes vgl. bereits o. 149–158.

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

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zugehörige Überwinderspruch, innerhalb dessen dem νικῶν zugesagt wird, dass ihm vom ‚zweiten Tod‘ kein Schaden geschehen wird300. Auffällig ist, dass der Apokalyptiker das in diesem Überwinderspruch begegnende Syntagma θάνατος δεύτερος301 hier in Apk 2,11b – im Rahmen einer proleptischen Vorwegnahme302 – augenscheinlich mit einer gewissen Selbstverständlichkeit verwendet303, während er in Apk 20,14b seinen Rezipienten dessen semantischen Gehalt offensichtlich zunächst erklären möchte bzw. erklären muss304: οὗτος ὁ θάνατος ὁ δεύτερός ἐστιν, ἡ λίμνη τοῦ πυρός305. Die folgende tabellarische Übersicht stellt die sich im Wesentlichen auf das Motiv des θάνατος δεύτερος beschränkenden literarischen Bezüge des Überwinderspruches Apk 2,11b zum apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 heraus: 300. Vgl. zu dieser Übersetzung des Verbums ἀδικέω W. Bauer/B. Aland, Wörterbuch, s.v. ἀδικέω, 32. 301. Die mit diesem Syntagma insinuierte eschatologische Konzeption in der Apk scheint, indiziert schon durch die Verwendung der Ordinale πρῶτος und δεύτερος, eng verknüpft zu sein mit derjenigen einer vor diesem θάνατος δεύτερος erfolgten – hier in Apk 2,11b allerdings weder diskutierten noch überhaupt annoncierten – ἀνάστασις πρώτη (Apk 20,5b.6a); vgl. hierzu U.B. Müller, Apk, 339: „Im Anschluß an den eigentlichen Visionsbericht … deutet der Verfasser das Geschaute: ‚Dies ist die erste Auferstehung.‘ Er hebt sie ab von der allgemeinen Totenauferstehung, die in 20,11–15 dargestellt wird, ohne daß dort der Ausdruck ‚die zweite Auferstehung‘ erscheint. Bei der Kombination zweier Auferstehungsvorgänge hat Johannes jüdische Vorstellungen übernommen und auf seine Art modifiziert. … Der Verfasser benutzte die erstgenannte Konzeption [, d.h. die Vorstellung von der Auferstehung nur der Gerechten], um die Auferstehung der Märtyrer zu schildern“. Bei dieser Auferstehung handelt es sich um die Auferstehung derer, die πεπελεκίσμενοι διὰ τὴν μαρτυρίαν Ἰησοῦ καὶ διὰ τὸν λόγον τοῦ θεοῦ καὶ οἵτινες οὐ προσεκύνησαν τὸ θηρίον οὐδὲ τὴν εἰκόνα αὐτοῦ καὶ οὐκ ἔλαβον τὸ χάραγμα ἐπὶ τὸ μέτωπον καὶ ἐπὶ τὴν χεῖρα αὐτῶν (Apk 20,4). U.B. Müller, Apk, 337 sieht hier zwei unterschiedliche Gruppen benannt: „Johannes unterscheidet demnach zwei Gruppen von Getöteten, solche, die um des Zeugnisses Jesu und des Wortes Gottes willen enthauptet wurden, und solche, die nicht das Tier noch sein Bild angebetet haben. Erstere meinen Christen, die in der Vergangenheit bzw. Gegenwart des Verfassers ihre Treue zu Christus mit dem Tode bezahlt haben …, letztere Märtyrer unter der Herrschaft des Antichristen“. Anders hier etwa D.E. Aune, Apk III, 1088, der die Ausführungen in Apk 20,4 auf eine einzige Gruppe bezogen verstehen möchte: „It is more natural to construe the text as referring to a single group of martyrs who had been executed for both positive reasons … and negative reasons“. 302. Vgl. zum Stilmittel der Prolepse in der Apk etwa F. Tóth, Vision, 348f.; vgl. hierzu auch A. Satake, Apk, 64f. und D.E. Aune, Apk I, cxxixf. 303. Vgl. hierzu m.R. T.J. Bauer, Messiasreich, 194: „Der Überwinder-Spruch des zweiten Sendschreibens nennt den ‚zweiten Tod‘, ohne eine Erklärung dieser Vorstellung zu geben“. 304. Vgl. hierzu etwa W. Bousset, Apk, 235: „Eine wirklich nachträgliche Erklärung in späteren Partien findet übrigens höchstens der Begriff des δεύτερος θάνατος“; ähnlich hier auch F. Spitta, Apk, 47: „Was der zweite Tod ist …, wäre von einem mit der Apokalypse unbekannten Leser von heute gewiß schwer zu enträtseln; ob von den ursprünglichen Lesern des Buches, erscheint mir sehr zweifelhaft, wenn ich sehe, daß später eine förmliche Erklärung vom zweiten Tode gegeben werden muß“. 305. Vgl. hierzu auch Apk 21,8b: ἐν τῇ λίμνῃ τῇ καιομένῃ πυρὶ καὶ θείῳ, ὅ ἐστιν ὁ θάνατος ὁ δεύτερος.

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Motiv/Text im Überwinderspruch

Bezugnahmen im apokalyptischen Hauptteil

Apk 2,11b: ὁ νικῶν οὐ μὴ ἀδικηθῇ ἐκ Apk 20,6: ἐπὶ τούτων ὁ δεύτερος θάνατος τοῦ θανάτου τοῦ δευτέρου. οὐκ ἔχει ἐξουσίαν Apk 20,14: οὗτος ὁ θάνατος ὁ δεύτερός ἐστιν, ἡ λίμνη τοῦ πυρός Apk 21,8: τὸ μέρος αὐτῶν ἐν τῇ λίμνῃ τῇ καιομένῃ πυρὶ καὶ θείῳ, ὅ ἐστιν ὁ θάνατος ὁ δεύτερος

Diese Beobachtung führt zu der Frage, warum der Apokalyptiker diese für eine angemessene Interpretation jenes Syntagmas letztlich notwendige Erklärung nicht bereits in Apk 2,11b, sondern erst in Apk 20,14b bietet. Eine mögliche Antwort auf diese Frage stellt die Annahme dar, dass die Erstrezipienten der Apk mit der Konzeption eines θάνατος δεύτερος grundsätzlich bereits vertraut gewesen seien306 und lediglich darüber informiert werden mussten, dass die in Apk 20,14b; 21,8b erscheinende λίμνη τοῦ πυρός diesem gleichzusetzen sei. In Apk 20,14b; 21,8b würde somit nicht das Konzept des θάνατος δεύτερος, sondern das Bild der λίμνη τοῦ πυρός 306. Vgl. hierzu etwa T.J. Bauer, Messiasreich, 193; Bauer geht davon aus, „dass der Begriff ‚zweiter Tod‘, anders als die ‚erste Auferstehung‘, im Umfeld des V[er]f[asser].s bereits bekannt war“. Die von ihm zugunsten dieser Annahme angeführten Gründe jedoch vermögen kaum zu überzeugen: (a) Zunächst weist Bauer darauf hin, dass die Komplementärbegriffe ‚zweite Auferstehung‘ und ‚erster Tod‘ in der Apk fehlten, s.E. ein Indiz dafür, dass dem Apokalyptiker „eine ausgefaltete eschatologische Konzeption …, in der diese vier Begriffe enthalten waren“ (193) nicht vorlag. Das mag durchaus zutreffen, besagt aber nichts im Blick auf die Frage, ob die Adressaten der Apk mit dem Gedanken eines θάνατος δεύτερος vor ihrer Rezeption der Apk bereits vertraut gewesen sind. (b) „Die durch den Begriff ‚erste Auferstehung‘ vorausgesetzte Abfolge partielle Auferstehung – Messiasreich – allgemeine Auferstehung – Totengericht ist vor der Johannesoffenbarung nicht belegt und findet sich erst sehr spät in der rabbinischen Überlieferung (3. Jh. n.Chr.)“ (193f.). Auch diese Feststellung vermag die Annahme, den Rezipienten der Apk war die Konzeption eines θάνατος δεύτερος vor ihrer Lektüre der Apk bereits bekannt, aber in keiner Weise zu stützen. (c) Schließlich sei Bauer zufolge der Gedanke eines θάνατος δεύτερος „als endgültige Vernichtung der Sünde und Feinde Gottes beim Endgericht in der frühjüdischen Literatur zumindest der Sache nach bekannt“ (194); in der späteren rabbinischen Literatur (vgl. hierzu u. 187–188) sei dann auch der Begriff selbst belegt. Die Tatsache, dass der Apokalyptiker in Apk 2,11b nun aber explizit und kommentarlos den Begriff θάνατος δεύτερος verwendet, nötigt, soll die Annahme, dieser und die mit diesem verknüpfte Konzeption seien den Adressaten der Apk bereits vor ihrer Rezeption derselben bekannt gewesen, aufrechterhalten werden, ihrerseits zu der Annahme, dass jenen dieses Syntagma selbst und eben nicht nur die durch dasselbe womöglich ausgesagte Sache geläufig gewesen sei. Dieses selbst ist jedoch erst in der späteren, im Blick auf ihre Datierung mit zahlreichen Unsicherheiten behafteten rabbinischen Literatur belegt. Das aber heißt, dass die Frage, ob den Adressaten der Apk die Konzeption des θάνατος δεύτερος bereits vor ihrer Rezeption der Apk bekannt gewesen ist, auf der Basis traditionsgeschichtlicher Überlegungen nicht zureichend beantwortet werden kann (vgl. hierzu auch u. 186–187).

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erklärt. Diese Überlegung vermag jedoch dem ihr inhärenten Ansatz zur Lösung der o. aufgewiesenen crux interpretum letztlich keinerlei Vorschub zu leisten, da im Rahmen der Erklärungen in Apk 20,14b und auch Apk 21,8b eben nicht nur das Phänomen der λίμνη τοῦ πυρός, sondern auch die Konzeption des θάνατος δεύτερος zumindest aus der Sicht der Adressaten der Apk eine neue semantische Qualifikation erfährt. Das bedeutete dann, dass der Apokalyptiker in Apk 2,11b, ohne dies in irgendeiner Weise zu kommentieren oder zu explizieren, ein seinen Adressaten dann zwar nicht im Grundsatz, wohl aber in der von ihm intendierten semantischen Konkretion vollständig unbekanntes Syntagma einführte. Damit aber bleibt die o. formulierte Frage, warum der Apokalyptiker die von ihm in neuer Akzentuierung mit dem Syntagma θάνατος δεύτερος verknüpften semantischen Implikationen nicht bereits – wenn auch womöglich nur skizzenhaft und in vorläufigen Andeutungen, wie dies etwa in Apk 2,7; 3,12 geschieht – in Apk 2,11b, sondern erst in Apk 20,14b entfaltet, in ihrem Kern bestehen. Ebenfalls denkbar ist, dass der Apokalyptiker die Konzeption eines θάνατος δεύτερος auf der Basis des in Apk 20,6b.14b; 21,8b Ausgeführten in Apk 2,11b mehr oder weniger kommentarlos habe anklingen lassen, als er im Zuge der Erstellung einer zweiten Auflage seiner Apk die bereits existierende erste Auflage u.a. um die Passage Apk 2f. ergänzte307. Diese These setzte aber voraus, dass die sieben Sendschreiben Apk 2f. zeitlich deutlich später als der apokalyptische Hauptteil Apk 4–22 verfasst – und dann erst mit diesem verknüpft – worden ist, eine Annahme, die zuvor bereits als eher problematisch erwiesen worden ist308. Der Gedanke eines θάνατος δεύτερος ist immerhin innerhalb der palästinischen Targumtradition durchaus belegt309; so bieten etwa die Manuskripte P310 und V311 des Fragmenten-Targum zu Dtn 33,6 folgenden Text: 307. Zu dieser These etwa D.E. Aune, Apk I, 168: „The unusual phrase ‚the second death‘ is also found in 20:6 … and in 20:14; 21:8 …, and its incorporation into this context was certainly based on these references, which were present in the first edition of Revelation“; vgl. zu dieser These, die immer wieder formuliert worden ist, bereits W. Bousset, Apk, 244. 308. Vgl. hierzu o. 19–20. 309. Anders hier jedoch M. Wilson, Victor Sayings, 119: „There is no mention of ‚second death‘ outside of Revelation“. 310. Bei dem mit dem Siglum ‚P‘ bezeichneten Manuskript handelt es sich nach U. Gleßmer, Einleitung, 126 um „das Fragmenten-Targum Ms 110 Paris“, welches Gleßmer als Rezension b der Fragmenten-Targumim kategorisiert; zu diesem Manuskript insgesamt vgl. 126–128. 311. Das so bezeichnete Manuskript stellt eine Handschrift der von U. Gleßmer, Einleitung, 121–126 als Rezension a klassifizierten Rezension der Fragmenten-Targumim dar; konkret handelt es sich um das Manuskript Vatican 440. Zu diesem Manuskript vgl. 123f.

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‫יחי ראובן בעלמא הדין ולא ימות במותא תניינה דבה מותה מייתין רשיעיה לעלמא דאתי‬ und: .313‫יחי ראובן׃ יחיי ראובֺ בעלמא הדין ולא ימות במותה תינינא דבה מייתין רשיעיא לעלמא דאתי‬ 312

Der babylonische Targum ‫אונקלוס‬314 führt – hier vergleichbar – zu Dtn 33,6 aus: .315‫וּמוֹתא ִתנְ יָ נָ א ָלא יׅ מּוּת‬ ָ ‫בּחיֵ י ָע ְל ָמא‬ ַ ‫אוּבן‬ ֵ ‫יְ ִהי ְר‬ Unabhängig von den Unsicherheiten der Datierung – und auch der Lokalisierung – des Targum ‫ אונקלוס‬316 und des Fragmenten-Targums öffnen diese Belege zwar den argumentationslogischen Raum für die Annahme, den Rezipienten der Apk seien der Begriff des θάνατος δεύτερος und die mit diesem verbundenen inhaltlichen Implikationen bereits vor ihrer Rezeption der Apk zumindest im Grundsatz bekannt gewesen, vermögen dieselbe jedoch kaum mit Notwendigkeit zu untermauern.  

Mit Hilfe des Terminus θάνατος stellt der Apokalyptiker in Apk 2,11b einen expliziten semantischen Bezug zwischen den Ausführungen in Apk 2,10d: γίνου πιστὸς ἄχρι θανάτου, καὶ δώσω σοι τὸν στέφανον τῆς ζωῆς, und denjenigen des Überwinderspruches in Apk 2,11b: ὁ νικῶν οὐ μὴ ἀδικηθῇ ἐκ τοῦ θανάτου τοῦ δευτέρου, her317. Allerdings wird hier unmittelbar eine „semantische Verschiebung“318 erkennbar: Bezeichnet der Begriff θάνατος den am Ende des Lebens stehenden leiblichen Tod eines Menschen319, so spielt das Syntagma θάνατος δεύτερος320 auf den endgültigen, nach dem tausendjährigen 312. Text nach M.L. Klein, Fragment-Targums I, 115; „Laß Ruben leben in dieser Welt und nicht sterben beim zweiten Tod, bei welchem die Bösen sterben in der zukünftigen Welt“; Übersetzung nach M.L. Klein, Fragment-Targums II, 88 und U.B. Müller, Apk, 109. Zu weiteren Belegen dieser Konzeption eines θάνατος δεύτερος in unterschiedlichen Targumim vgl. D.E. Aune, Apk I, 168. 313. Text nach M.L. Klein, Fragment-Targums I, 231; „Laß Ruben leben in dieser Welt und nicht sterben beim zweiten Tod, bei welchem die Bösen sterben in der zukünftigen Welt“; Übersetzung nach M.L. Klein, Fragment-Targums II, 188 und U.B. Müller, Apk, 109. 314. Vgl. zu diesem Targum U. Gleßmer, Einleitung, 84–94. 315. Text nach A. Berliner, Targum Onkelos I, 237; „Möge Ruben ein unvergängliches Leben leben und einen zweiten Tod nicht sterben“; Übersetzung nach D.E. Aune, Apk I, 168. 316. Im Blick auf die Datierung dieses Targums nimmt U. Gleßmer zufolge gegenwärtig eine Forschungsmehrheit eine Endredaktion desselben „in der Zeit vom Ende des 1. Jh. bzw. dem Anfang des 2. Jh. n.Chr.“ (Einleitung, 93) an; der Ort dieser Endredaktion ließe „sich [jedoch] nicht mehr eindeutig ermitteln“ (92), was bedeutet, dass hier grundsätzlich sowohl Palästina als auch Babylonien möglich sind. 317. Vgl. zu diesem Bezug etwa M. Stowasser, Sendschreiben, 57f.; C.R. Koester, Apk, 279 sieht gar Apk 2,10d und Apk 2,11 als eine thematische Einheit, dabei jedoch verkennend, dass einem solchen Gliederungsvorschlag bereits formgeschichtliche Erwägungen widerraten. 318. M. Stowasser, Sendschreiben, 58. 319. Vgl. hierzu etwa W. Bousset, Apk, 210: „Der erste Tod ist demgegenüber der natürliche, der, von den Ueberlebenden [sic!] im Zwischenreich abgesehen, jeden Menschen trifft“. 320. Zu den jüdischen und auch den hellenistischen Kontexten dieses Syntagmas vgl. etwa M. Karrer, Johannesoffenbarung, 194, A. 241 und auch D.E. Aune, Apk I, 168.

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Reich (Apk 20,1–6), dem letzten eschatologischen Kampf (Apk 20,7–10) und dem Weltgericht (Apk 20,11–15) realisierten Ausschluss vom endgültigen Heil an, der all diejenigen ereilt, die nicht im βίβλος τῆς ζωῆς verzeichnet sind (Apk 20,14f.)321 – das Ordinal δεύτερος ersetzt somit in gewissem Sinne das Adjektiv αἰώνιος322. Über diese semantische Verschiebung hinaus spiegeln die Ausführungen in Apk 2,10d und 2,11b aber auch zwei unterschiedliche, letzten Endes kaum miteinander in Einklang zu bringende, sondern im Grunde einander ausschließende eschatologische Konzeptionen wider: Inwiefern nämlich sollten im Rahmen einer soteriologischen Konzeption, der zufolge dem bis zu seinem Tode treuen Christen eben aufgrund dieser Treue mit seinem Sterben offensichtlich unmittelbar323 der στέφανος τῆς ζωῆς – und damit doch augenscheinlich endgültiges Heil324 – verliehen werden (Apk 2,10d)325, ein wie auch immer zu definierender θάνατος δεύτερος bzw. ein diesem θάνατος vorausgehendes Weltgericht überhaupt noch eine soteriologische Funktion oder gar eine soteriologische Relevanz zukommen können? Ein solches Theologumenon implizierte doch, dass das endgültige Heil dem treuen ἄγγελος τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας eben gerade nicht unmittelbar nach seinem individuellen Sterben – wie die Ausführungen in Apk 2,10d jedoch indizieren –, sondern erst viel später, mit dem Untergang der bestehenden Welt nämlich, zugeeignet wird326? Somit ist im 321. Vgl. hierzu etwa U.B. Müller, Apk, 108, der den θάνατος δεύτερος definiert als „die endgültige Vernichtung, die die Sünder nach dem Endgericht erleiden müssen“. 322. Vgl. in diesem Sinne etwa P. Prigent, Apk, 170: „The second death is the last, total eschatological death“; ähnlich hier auch H. Giesen, Apk, 111: „In der Offb ist damit [d.h. mit dem θάνατος δεύτερος] das absolute Ende, die Vernichtung gemeint“. 323. Zumindest lässt in den Ausführungen des Apokalyptikers nichts darauf schließen, dass zwischen dem Sterben und der Verleihung des στέφανος τῆς ζωῆς ein signifikanter Zeitraum läge; vgl. hierzu etwa H. Giesen, Apk, 110: „Wer bis zu seinem Tod Christus die Treue hält, erhält den Kranz, der Leben bedeutet“. Anders hier O. Cremer, Sohn Gottes, 67: „Christus jedoch wird dem treuen Christen einst [!] ein sehr hohes Zeichen der Ehre, den (Sieger-)Kranz, verleihen“. 324. Vgl. hierzu etwa W. Bousset, Apk, 210, der den στέφανος τῆς ζωῆς näherhin definiert als den „Kranz, der zum (ewigen) Leben gehört“; in diesem Sinne auch J. Roloff, Apk, 53: „Der Kranz des Lebens bezeichnet das ewige Heil, das Jesus Christus, der Herr des Lebens, jenen zuteil werden läßt, die in den Drangsalen der gegenwärtigen Weltzeit ausgeharrt und ihr Leben dabei aufs Spiel gesetzt haben“, und H. Ulland, Vision, 41: „In disesem Kontext verbindet die Aufforderung γίνου πιστὸς ἄχρι θανάτου mit der Verheißung καὶ δώσω σοι τὸν στέφανον τῆς ζωῆς irdische und himmlische Welt, denn das irdische Festhalten am Glauben angesichts satanischer Bedrohung wird himmlisch belohnt“. 325. Vgl. hierzu bereits o. 178–184; vgl. darüber hinaus auch D. Tripaldi, Geist, 373, der m.R. auf Jak 1,12 hinweist und formuliert: „Insbesondere teilt Apk 2,10 mit Jak 1,12 nicht nur den Ausdruck ὁ στεφανὸς τῆς ζωῆς, sondern auch die thematische Kette VersuchungStandhaftigkeit/ Ausharren-Belohnung mit der Krone als Preis für den Sieg“. 326. Diesen Widerspruch nimmt sehr schön wahr R.H. Charles, Apk I, 59; Charles, der den ‚Überwinderspruch‘ Apk 2,11b für eine vom Apokalyptiker formulierte und später

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Blick auf die inhaltliche Relation von Apk 2,10d zu Apk 2,11b eine erhebliche Diskontinuität, mit H. Schweizer eine inhaltliche Spannung327 zu konstatieren. Diese können die (Erst-)Rezipienten – wenn überhaupt, so – nur dann bewältigen, wenn sie die in Apk 20ff. entwickelten – ihnen allerdings eben aufgrund des Offenbarungscharakters derselben zum Zeitpunkt der Rezeption von Apk 2f. unmöglich bereits bekannten – apokalyptischen Endereignisse und deren theologische Implikationen in das in Apk 2,10d Ausgeführte hineininterpretierten, somit also eine erhebliche, letzten Endes aufgrund ihres gegenwärtigen theologischen Wissensstandes aber bestenfalls hypothetisch leistbare „rekonstruktive oder konstruktive Operation“328 vornähmen. Diese wird durch den Text von Apk 2,10a.d jedoch nicht signalisiert. Dies spricht deutlich dafür, die Relation von Apk 2,10a.d zu Apk 2,11b literarkritisch zu entschärfen und – nicht zuletzt angesichts des Sachverhalts, dass das Motiv vom θάνατος δεύτερος erst in Apk 20,6 wieder aufgenommen wird – die Ausführungen von Apk 2,11b als eine spätere oder sekundäre Hinzufügung anzusehen. In diesem Zusammenhang verdient der Umstand Beachtung, dass der Apokalyptiker im Rahmen der Öffnung des fünften Siegels in Apk 6,9–12 – hier kommt er auf die ψυχαὶ τῶν ἐσφαγμένων διὰ τὸν λόγον τοῦ θεοῦ καὶ διὰ τὴν μαρτυρίαν ἣν εἶχον329 (Apk 6,9) zu sprechen – zwar davon berichtet, dass jede dieser ψυχαί eine στολὴ λευκή zugeeignet wird, nicht jedoch ein στέφανος τῆς ζωῆς, was nach dem Apk 2,10d Verheißenen eigentlich hätte geschehen müssen. Darüber hinaus wird aus der an das Corpus dieses ‚Sendschreibens‘ angefügte Ergänzung hält, formuliert: „here the addition is unhappy, for it comes in the form of an anti-climax after the great promise in [Apk 2,]10e“; ähnlich hier auch F. Spitta, Apk, 46: „Hier steht die Schlußverheißung dem Vorhergehenden nicht gerade fremd gegenüber, erscheint aber überflüssig, nachdem schon eine Verheißung gleichen Inhalts vorangegangen ist“. Anders hier J. Roloff, Apk, 53, der hier keinen Widerspruch sieht: „Auch der abschließende Überwinderspruch … bleibt bei dem Tod/ Leben-Motiv, indem er das negative Gegenstück zu der positiven Aussage von V. 10b ergänzt: Wer den Kranz des Lebens empfängt, dem kann der zweite Tod nichts mehr anhaben“. Allerdings wird der ‚Überwinderspruch‘ Apk 2,11b eben nicht mit einem Verweis auf Apk 2,10d, sondern mit der partizipialen Wendung ὁ νικῶν eingeleitet. Ebenfalls anders hier G.K. Beale, Apk, 244, der im Blick auf Apk 2,11 formuliert: „The continuation of the promise [d.h. des in Apk 2,10d formulierten] in v 11b shows clearly that the ‚crown of life‘ is a metaphor for eternal life“; es ist allerdings eben angesichts der partizipialen Wendung ὁ νικῶν Apk 2,11b, nicht zuletzt aber auch angesichts des Apk 2,11a formulierten ‚Weckrufes‘ schlichtweg kaum möglich, Apk 2,11b als „continuation“ des in Apk 2,10d Ausgeführten zu charakterisieren; in dem von Beale hier angedeuteten Sinne auch M. Wilson, Victor Sayings, 120f. und C.R. Koester, Apk, 279, der die Ausführungen in Apk 2,10c und 2,11 unter der Überschrift „Concluding promise of life and not second death“ zusammenzufassen vermag. 327. Vgl. hierzu o. 33 mit A. 32. 328. Vgl. zu diesem Begriff o. 29. 329. Dass es sich hierbei um christliche Märtyrer handelt, wird in der exegetischen Forschung annähernd unisono vorausgesetzt; vgl. hierzu etwa U.B. Müller, Apk, 170.

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

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Darstellung Apk 6,9–12 in Verbindung mit Apk 20,4330 – hier stehen die ψυχαὶ τῶν πεπελεκισμένων διὰ τὴν μαρτυρίαν Ἰησοῦ καὶ διὰ τὸν λόγον τοῦ θεου im Fokus – unmittelbar klar, dass diese ψυχαί dem mit der Verleihung der στολὴ λευκή als Heilszeichen verknüpften Heil selbst offensichtlich noch nicht teilhaftig geworden sind331; sie müssten vielmehr vor dem Wiederkommen des ἀρνίον Christus und der Aufrichtung des tausendjährigen Reiches, innerhalb dessen sie mit Christus selbst die Herrschaft ausüben werden (Apk 20,4c) ‚noch eine kleine Zeit ruhen‘, bis die vollständige Zahl der Märtyrer erreicht sein werde (Apk 6,12b): καὶ ἐρρέθη αὐτοῖς ἵνα ἀναπαύσονται ἔτι χρόνον μικρόν, ἕως πληρωθῶσιν καὶ οἱ σύνδουλοι αὐτῶν καὶ οἱ ἀδελφοὶ αὐτῶν οἱ μέλλοντες ἀποκτέννεσθαι ὡς καὶ αὐτοί. Diese Beobachtung vermag die o. formulierte These, dass die Ausführungen in Apk 2,10d und diejenigen in Apk 2,11b unterschiedliche eschatologische Konzeptionen transportieren, durchaus zu untermauern.

Darüber hinaus bleibt auch bei diesem Sendschreiben offen, auf welchen der im Corpus desselben thematisierten Aspekte oder Figuren die partizipiale Wendung ὁ νικῶν Apk 2,11b sich denn beziehen bzw. welchen relationalen Subtext sie denn transportieren sollte. Denkbar wären hier – zumindest grundsätzlich – die θλῖψις und die πτωχεία (Apk 2,9a), die Ἰουδαῖοι oder die von ihnen geäußerte βλασφημία (Apk 2,9c), oder aber der σατανᾶς (Apk 2,9d) oder der διάβολος (Apk 2,10b), oder aber auch die Gesamtheit dieser das Leben des smyrnäischen ‚Gemeindeengels‘ beeinträchtigenden Figuren, Gruppen und Verhältnisse. Textsignale, die eine Entscheidung ermöglichten, fehlen in Apk 2,11b. Aufgrund dessen und aufgrund der Tatsache, dass Apk 2,11b Ausgeführte in Apk 20,14b; 21,8b wieder aufgegriffen wird, scheint es naheliegend, Apk 2,11 in seiner Gesamtheit332 nicht anaphorisch, sondern kataphorisch zu verstehen, d.h. als Vorverweis auf den apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 zu interpretieren. Auch dies ist durchaus als ein Indiz dafür zu werten, dass der Überwinderspruch Apk 2,11b nachträglich an den bereits vorhandenen Corpus dieses Sendschreibens angefügt worden ist. 330. Zur Verbindung von Apk 6,9 und Apk 20,4 vgl. etwa A. Satake, Apk, 221f. und auch G.K. Beale, Apk, 391. 331. Vgl. hierzu etwa A. Satake, Apk, 223: „Zunächst wird jedem von ihnen [d.h. jedem Märtyrer] ein weißes Gewand gegeben als ein Zeichen der Zugehörigkeit zur himmlischen Welt. Sie werden allerdings nicht jetzt gleich als volle Bürger dort aufgenommen; ‚die Johannes-Apokalypse kennt nicht die Lehre von der Sonderauferstehung der Märtyrer‘“; in diesem Sinne auch U.B. Müller, Apk, 170: „Bei dieser Vorstellung ist zunächst vorausgesetzt, daß die Seelen der Märtyrer sich in einer Art Zwischenzustand im Himmel befinden, nachdem der Leib getötet ist“. Anders hier H. Ulland, Vision, 67, A. 195, der annehmen möchte, „daß die Märtyrer schon vor dem Gericht Gottes über die Täter die himmlische Seligkeit erlangen können“ und aufgrund dessen in der Apk eine „zweigleisige. Eschatologie“ postuliert: „Während die Märtyrer sofort nach dem Martyrium ihren eschatologischen Lohn bekommen, dauert es hinsichtlich der ‚Rache‘, also dem eschatologischen Gericht, bis zum Ende einer zwar festgesetzten, aber nicht näher bestimmten Zeit“. 332. Zum Weckruf Apk 2,11a vgl. bereits o. 184.

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Diese hier skizzierten Überlegungen lassen insgesamt die Annahme wahrscheinlich erscheinen, dass auch der Überwinderspruch Apk 2,11b – und auch der mit diesem verknüpfte Weckruf333 – mit dem Corpus des Sendschreibens an den ἄγγελος τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας nicht in einem ursprünglichen Zusammenhang standen, sondern vom Apokalyptiker später, konkret: im Zuge der Integration u.a. der Passage Apk 2f. und des apokalyptischen Hauptteils Apk 4–22 zu einer Gesamt-Apk, sekundär mit jenem verknüpft worden sind. Redaktionstheoretisch bzw. -methodisch lässt sich die hier zu beobachtende und vom Apokalyptiker angewandte literarische Technik – mit Bezug auf das vorangehende Corpus dieses Sendschreibens334 – durchaus als Stichworterweiterung definieren335: Im Überwinderspruch, konkret im Syntagma θάνατος δεύτερος, greife der Apokalyptiker das Stichwort θάνατος aus Apk 2,10d auf und knüpfe zugleich an dieses an, wenn auch mit einer in Vergleich zu Apk 2,10d neuen semantischen Kontextualisierung336. Aus der Perspektive des apokalyptischen Hauptteils lassen sich der Weckruf und insbesondere auch der diesem zugehörige Überwinderspruch wiederum337 als ‚Anker-Erweiterung‘ begreifen, mit deren Hilfe der Apokalyptiker die noch kommenden Ausführungen des apokalyptischen Hauptteils bereits in Apk 2f. vorzubereiten und somit zu verankern sucht338. Vor dem Hintergrund des zu Apk 2,1b Ausgeführten339 lässt sich auch die in Apk 2,8b.c vorliegende, mit der Darstellung der Vision von der Gestalt des ὅμοιος υἱὸς ἀνθρώπου Apk 1,9ff. motivisch eng verknüpfte Botenformel 333. Vgl. hierzu bereits ausführlich o. 149–158. 334. Zu den redaktionstheoretischen bzw. -methodischen Erwägungen im Blick auf die Einfügung der Überwindersprüche mit Bezug auf den apokalyptischen Hauptteil bzw. die Apk insgesamt vgl. ausführlich o. 175–176. 335. Vgl. hierzu R. Wonneberger, Redaktion, 132, der in dem hier zitierten Werk „eine [allerdings auf das Alte Testament bzw. auf die Samuelüberlieferung bezogene] umfassende Theorie der Redaktion … mit einer erschöpfenden Systematisierung aller möglichen Redaktionstechniken“ (F. Tóth, Vision, 341, A. 71) bietet: „Stichworterweiterungen benutzen ein bestimmtes Stichwort als Anknüpfungspunkt“. Als ein mögliches Beispiel verweist er auf Ausführungen in 1Sam 9,2: „Die Erläuterung ‚und es war keiner unter den Israeliten besser (ṭôb) als er‘ [greift] das Stichwort ṭôb in der Personenschilderung auf (1.S 9,2)“. Wonneberger ordnet die Methode der Stichworterweiterung ein in die Gruppe der Anknüpfungen (vgl. Redaktion, 128), eine Untergruppe der von ihm unter dem Oberbegriff „anschließendes Erweitern“ eingeführten Gruppe redaktioneller Handlungen auf der Textebene (vgl. hierzu Redaktion, 124). 336. Vgl. hierzu bereits o. 188–190. 337. Vgl. zu 2,7 – hier beschließen der Weckruf und der Überwinderspruch das Sendschreiben an den ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας – bereits ausführlich o. 149–174. 338. Vgl. auch hierzu bereits o. 175–176. 339. Vgl. hierzu o. 139–147.

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τάδε λέγει ὁ πρῶτος καὶ ὁ ἔσχατος, ὃς ἐγένετο νεκρὸς καὶ ἔζησεν zumindest in weiten Teilen als sekundäre Zufügung plausibilisieren. Wenn davon ausgegangen werden kann, dass die einzelnen Sendschreiben ursprünglich unabhängig voneinander existierten340, legt sich die Annahme nahe, dass sich die an Apk 1,17f. angelehnten Elemente der Hand desjenigen verdanken, der dieselben, damit auch das Sendschreiben an den ἄγγελος τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας, mit der Apk 1,9ff. geschilderten Vision von der Gestalt des ὅμοιος υἱὸς ἀνθρώπου verbunden und somit ein neues Textcorpus geschaffen hat. Dieser Annahme vermögen auch die Beobachtung, dass das in der Botenformel Apk 2,8c aufgegriffene Motiv vom Sterben und Lebendigwerden in den Apk 2,10d begegnenden Begriffen θάνατος und στέφανος τῆς ζωῆς augenscheinlich wieder aufgenommen werde, und die aus dieser Beobachtung gewonnene conclusio, dass die Ausführungen Apk 2,8c.10d in gewissem Sinne eine Ringkomposition darstellten341, somit also ursprünglich zusammengehörten, letzten Endes nicht entgegenzustehen. Zunächst nämlich gilt: Sollten die Ausführungen in Apk 2,10d tatsächlich einen bewussten und gewollten motivischen Rückbezug auf das in Apk 2,8c Formulierte darstellen, bleibt doch zwanglos denkbar, dass dieser motivische Rückbezug von dem für die Ergänzung bzw. Bearbeitung von Apk 2,8c Verantwortlichen implementiert worden ist. Darüber hinaus ist auffällig, dass die Ausführungen von Apk 2,8c gerade keinerlei expliziten systematischen Zusammenhang zu denjenigen von Apk 2,10d erkennen lassen, wiewohl doch ein solcher leicht herzustellen gewesen wäre, hätte der Apokalyptiker das in Apk 2,8c Ausgeführte ergänzt um einen Hinweis auf in Apk 1,18c bereits Formuliertes: Hier nämlich beschreibt er den νεκρὸς καὶ ζῶν als jemanden, der – offensichtlich eben aufgrund seiner Auferstehung oder Auferweckung342 – über die Schlüssel des Todes und der Unterwelt, somit letztlich über die Herrschaft über den Tod und das Potential zur Verleihung eines entsprechenden, offensichtlich die Existenz in der Zukunft betreffenden στέφανος τῆς ζωῆς verfügt: καὶ ἔχω τὰς κλεῖς τοῦ θανάτου καὶ τοῦ ᾅδου. Die Tatsache aber, dass der Apokalyptiker in Apk 2,8c diesen theologisch auf der Hand liegenden 340. Vgl. hierzu o. 145–146. 341. In diesem Sinne etwa O. Cremer, Sohn Gottes, 75: „Im zweiten Attribut (2,8c) ist das Sterben und Tot-Sein Christi besonders hervorgehoben. Christus identifiziert sich darin mit den vom Tode bedrohten Gemeindegliedern. Er hat das gleiche Todesschicksal durchlitten, wie es der Seher auf die smyrenischen Christen zukommen sieht“. 342. Vgl. hierzu durchaus m.R. O. Cremer, Sohn Gottes, 71, der das die folgende Wendung einleitende καί unter Verweis auf W. Bousset als ein καί consecutivum verstehen möchte. Vgl. hierzu etwa auch H. Giesen, Apk, 89: „Als jener, der den Tod überwunden hat und für immer lebt, hat er auch den Schlüssel zu Tod und Hades“.

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systematischen Zusammenhang nicht thematisch vorbereitet und auf dieses in Apk 1,18c angedeutete lebensspendende Potential des ἀρνίον Christus nicht abhebt, sondern hier einen gegenüber Apk 1,18 „neuen [, den Hinweis auf dieses Potential offensichtlich vernachlässigenden] inhaltlichen Schwerpunkt“343 setzt, lässt folgende Annahme wahrscheinlich erscheinen: Der Apokalyptiker wollte in Apk 2,8 diesen in Apk 1,18c entwickelten Gesichtspunkt nicht explizieren bzw. auf diesen in Apk 1,18c entwickelten Gesichtspunkt nicht anspielen und somit die Ausführungen in Apk 2,10d und das dort begegnende Konzept eines von Christus verliehenen στέφανος τῆς ζωῆς mit jenem nicht kontextualisieren, wiewohl beide doch auf der theologischen Ebene als unmittelbar miteinander verknüpft gedacht werden müssen und eine solche Kontextualisierung aus rezeptionsästhetischer Sicht einen erheblich größeren Grad interpretativer Klarheit generiert hätte. Im Blick auf diese durchaus als inhaltliche Spannung344 zu charakterisierende Auffälligkeit sind folgende Erklärungen denkbar: (a) Der Apokalyptiker wollte die Ausführungen von Apk 2,8c, die explizit nur die Ausführungen in Apk 1,18a.b reproduzieren, inklusiv, d.h. auch die in Apk 1,18c vorliegende, aus Apk 1,18a.b. erwachsende consecutio aufnehmend, verstanden wissen. Ein solcher schon auf der methodischen Ebene fragwürdiger Interpretationsansatz wird aber dem Wortlaut der Ausführungen von Apk 2,8c nicht gerecht. (b) Die Ausführungen Apk 1,18; 2,8 und 2,10 sind nicht in einem kohärenten Produktionsvorgang, sondern in unterschiedlichen Phasen der Entwicklung des nun vorliegenden Textes entstanden. Diese Annahme öffnet ihrerseits den Raum für die Vermutung, dass demjenigen, der – sicherlich unter Verwendung der ihm zu diesem Zeitpunkt bekannten und vorliegenden Einlassungen in Apk 1,18 – die Ausführungen in Apk 2,8, hier insbesondere diejenigen in Apk 2,8c, verfasst hat, die theologischen Implikationen des in Apk 2,10d Ausgeführten nicht oder nicht mehr so weit präsent gewesen sind, dass jener diese bei der Abfassung von Apk 2,8 theologisch berücksichtigt hätte. Diese Unkenntnis führte dann dazu, dass der Verfasser der Botenformel des Sendschreibens an den ἄγγελος τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας die im Kontext von Apk 2,10d theologisch exzellent kontextualisierbaren 343. O. Cremer, Sohn Gottes, 72, A. 371, der diesen Sachverhalt ausdrücklich konzediert; Cremer formuliert: „Bei der Aufnahme von Offb 1,18bc in 2,8c fällt auf, dass das erste Glied (καὶ ἐγενόμην νεκρός → ὃς ἐγένετο νεκρός) nur eine grammatische Anpassung erfahren hat, während das zweite Glied (καὶ ἰδοὺ ζῶν εἰμι εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων → καὶ ἔζησεν) stark verkürzt wurde. Die Aussage wird dadurch kaum geändert, aber ein anderer Akzent wird sichtbar: Der Ton liegt auf dem ersten Glied, Christi Sterben und Todsein“. 344. Vgl. zu diesem Begriff bereits o. 33 mit A. 32.

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Einlassungen von Apk 1,18c in Apk 2,8b.c eben nicht verarbeitet hat. Konkret denkbar ist, dass der Verfasser von Apk 2,8 im Rahmen einer von ihm vorgenommenen Zusammenstellung der einzelnen Sendschreiben im Zuge ihrer Verschmelzung mit der Vision Apk 1,9ff. zwar an das in Apk 1,18 Ausgeführte anknüpfen wollte, sich dabei aber des in Apk 2,10d Gesagten (noch) nicht oder aber nicht mehr bewusst gewesen ist. Diese Überlegung aber vermag die Annahme, dass die Botenformel Apk 2,8b.c dem Sendschreiben an den ἄγγελος τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας nachträglich oder sekundär hinzugefügt worden ist, nicht nur zu plausibilisieren, sondern auch positiv zu indizieren. Der ursprüngliche Text der Epistel an den smyrnäischen ‚Gemeindeengel‘ ließe sich insgesamt somit folgendermaßen rekonstruieren: [τάδε λέγει {ὁ κύριος} ...] (9) οἶδά σου τὴν θλῖψιν καὶ τὴν πτωχείαν, ἀλλὰ πλούσιος εἶ, καὶ τὴν βλασφημίαν ἐκ τῶν λεγόντων Ἰουδαίους εἶναι ἑαυτοὺς καὶ οὐκ εἰσὶν ἀλλὰ συναγωγὴ τοῦ σατανᾶ. (10) μηδὲν φοβοῦ ἃ μέλλεις πάσχειν. ... γίνου πιστὸς ἄχρι θανάτου, καὶ δώσω σοι τὸν στέφανον τῆς ζωῆς.

III.3. DAS SENDSCHREIBEN AN

DEN

ἄγγελος τῆς ἐν Περγάμῳ ἐκκλησίας

In Apk 2,12b, der Botenformel des Sendschreibens an den ἄγγελος345 τῆς ἐν Περγάμῳ346 ἐκκλησίας, wird der in diesem Sendschreiben redende Christus näherhin charakterisiert durch das bereits in Apk 1,16b im Rahmen der Epiphanie des ὅμοιος υἱὸς ἀνθρώπου begegnende Motiv der ῥομφαία δίστομος ὀξεῖα347. Diese Motivparallelität verbindet einerseits dieses Sendschreiben mit der Darstellung der Erscheinung des ὅμοιος υἱὸς ἀνθρώπου, identifiziert andererseits die in diesem Sendschreiben redende Gestalt explizit eben mit jenem: Motiv/Text in der Botenformel

Referenztext(e) in der Berufungsvision

Apk 2,12b: τάδε λέγει ὁ ἔχων τὴν Apk 1,16b: καὶ ἐκ τοῦ στόματος αὐτοῦ ῥομφαίαν τὴν δίστομον τὴν ὀξεῖαν ῥομφαία δίστομος ὀξεῖα ἐκπορευομένη

An diese Botenformel schließt sich, wie immer eingeführt durch das Prädikat οἶδα, das Corpus dieses Sendschreibens an. Der in diesem Sendschreiben redende Christus ‚weiß‘ zunächst jedoch, anders als etwa in Apk 2,2.19; 345. Vgl. zur Figur dieses ἄγγελος bereits grundsätzlich o. 92–114. 346. Zur Stadt Pergamon vgl. etwa D.E. Aune, Apk I, 180f. 347. Vgl. hierzu neben vielen anderen etwa O. Cremer, Sohn Gottes, 76f.

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DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN APK 2–3

3,1.15, nicht um die ἔργα des pergamenischen ‚Gemeindeengels‘, sondern um dessen Wohnort348; jener wohnt dort349, wo sich der θρόνος τοῦ σατανᾶ befindet (Apk 2,13a). Daran anschließend wird dem ἄγγελος τῆς ἐν Περγάμῳ ἐκκλησίας bescheinigt, dass er in der Gegenwart der Abfassung dieser Epistel und damit offensichtlich auch im Allgemeinen350 den Namen Christi festhält und bis in die Gegenwart hinein den Glauben an ihn351 bzw. die Treue zu ihm nicht verleugnet hat, insbesondere auch nicht in den Tagen des Ἀντιπᾶς352, der παρ᾽ ὑμῖν, d.h. offensichtlich in Pergamon, getötet353 worden ist354, in einer Stadt oder an einem Ort, in der oder an dem355 der σατανᾶς wohnt. 348. Vgl. hierzu W. Hadorn, Apk, 48: „In keinem der übrigen Sendschreiben wird der Wohnort hervorgehoben“. 349. Zu diesem Hinweis auf den Wohnort des ἄγγελος τῆς ἐν Περγάμῳ ἐκκλησίας und seiner Relevanz für die Frage nach der Identität der Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Περγάμῳ ἐκκλησίας vgl. bereits o. 93, 96. 350. Vgl. hierzu A. Satake, Apk, 164. 351. Zur Interpretation des Begriffs πίστις im Sinne von ‚Glauben‘ etwa U.B. Müller, Apk, 111: „Pistis meint hier wohl Glaube (wie 14,12) und nicht Treue (wie 2,19; 13,10)“; vgl. hierzu auch W. Bousset, Apk, 212. 352. Zur Figur des Ἀντιπᾶς und dem möglichen Bedeutungsspektrum des Begriffs μαρτύς vgl. etwa D.E. Aune, Apk I, 184 und auch U.B. Müller, Apk, 111f.; W. Bousset, Apk, 212 spricht mit Blick auf diese Zeit von „einer[r] ganz bestimmte[n] Verfolgungsperiode“. 353. D.E. Aune, Apk I, 185 möchte das Prädikat ἀπεκτάνθη im Sinne von „öffentlich hinrichten“ verstehen; nach W. Bauer/B. Aland, Wörterbuch, s.v. ἀποκτείνω, 187f., scheint die Bedeutung dieses Verbs diese semantische Akzentuierung jedoch nicht zu implizieren. Zu der hier vorgelegten Übersetzung vgl. etwa H. Giesen, Apk, 112. Für die in der vorliegenden Studie diskutierte Fragestellung kann die Frage, ob es sich bei dem hier geschilderten Tod des Ἀντιπᾶς um einen Märtyrertod im engeren und technischen Sinne handelt, oder ob mit Ἀντιπᾶς nur ein μαρτύς, ein Glaubenszeuge den Tod erlitten hat, vernachlässigt werden; H. Ulland, Vision, 80 weist jedoch m.R. darauf hin, dass „allein aus der Form ἀπεκτάνθη … kein Märtyrertod abzuleiten“ sei; vgl. zu der Diskussion etwa Vision, 81 und darüber hinaus etwa auch D.E. Aune, Apk I, 184f. 354. H. Giesen, Apk, 114 weist angesichts des in Apk 2,13b erwähnten Todes des Ἀντιπᾶς – Giesen sieht diesen als „aufgrund eines ordentlichen Verfahrens hingerichtet, da sein Tod wohl mit der Weigerung, dem Kaiser zu opfern, zusammenhängt“ (113) – darauf hin, dass der Apokalyptiker das in Apk 2,12.16 begegnende Motiv des „zweischneidige[n], scharfe[n] Schwert[es] Christi“ verwendet habe, um einen „Kontrast zum ius gladii des röm[ischen]. Prokonsuls“ zu formulieren und somit die Person des in diesem Sendschreiben redenden Christus als Kontrastanalogie zu der die Spitze der Provinzialverwaltung bildenden Position des proconsul Asiae zu installieren. Ähnlich hier C.R. Koester, Apk, 285. Zu fragen ist allerdings, ob die Gestalt des Christus hier als kontrastanalog zum Provinzialstatthalter oder nicht doch viel eher als kontrastanalog zum amtierenden römischen Kaiser definiert werden soll. Das von H. Giesen angesprochene ‚ordentliche Verfahren‘ wird in der exegetischen Literatur häufig vor dem Hintergrund des Christenbriefes des Plinius und des Reskripts des Kaisers Traianus gedeutet; vgl. hierzu neben anderen etwa H.-J. Klauck, Sendschreiben, 162f. 355. Die präpositionale Wendung παρ᾽ ὑμῖν nötigt dazu, die auf diese folgende Konjunktion ὅπου lokal zu interpretieren; vgl. hierzu explizit etwa W. Bauer/B. Aland, Wörterbuch, s.v. ὅπου, 1167. Als einer der wenigen anders hier H. Ulland, Vision, 79, der dieser Konjunktion

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Die kritische Diskussion der unterschiedlichen, im Rahmen der Interpretation des Terminus θρόνος τοῦ σατανᾶ Apk 2,13 vorgelegten Erklärungsvorschläge356 lässt die Annahme wahrscheinlich erscheinen, dass der Apokalytiker sich hier auf das dem Ζεὺς Φίλιος/Iuppiter Amicalis und dem princeps Traianus geweihte Heiligtum bezogen hat. O. Wischmeyer möchte dieses Syntagma hingegen nicht als auf eine mit der Stadt Pergamon in Verbindung stehende architektonische, administrative oder kultische Realität bezogen definieren357, sondern als eine satirisch-polemisch akzentuierte358 Metapher verstehen, mit deren Hilfe der Apokalyptiker die Satanität der Stadt Pergamon als der Stadt des Ἀντιπᾶς, „des ersten ‚treuen [Blut-]Zeugen‘“359 Christi, zu entlarven und zu beschreiben suchte360. Neben eher impliziten und als metapherntheoretisch zu charakterisierenden Problemen, die Wischmeyer selbst aufwirft und diskutiert361, und dem Sachverhalt, dass der Terminus θρόνος sich in der Apk immer über die örtliche hinaus noch eine kausale Bedeutung beilegen möchte; ähnlich Ulland auch U.B. Müller, Apk, 111. 356. Vgl. zu dieser Diskussion, die an dieser Stelle nicht nachgezeichnet werden kann, ausführlich T. Witulski, Johannesoffenbarung, 250–278. Diese Diskussion scheint in der gegenwärtigen Forschung, bis auf wenige Ausnahmen, kaum aufgenommen, geschweige denn entscheidend revidiert worden zu sein. 357. Vgl. hierzu Thron des Satans, 109: „Man braucht weder an die besondere religiöse oder administrative noch an die geologisch-architektonische Bedeutung Pergamons zu denken“. 358. Vgl. hierzu Thron des Satans, 108. 359. Thron des Satans, 109. 360. Vgl. hierzu die entsprechende Zusammenfassung bei O. Wischmeyer, Thron des Satans, 110: „Die Metapher in Off 2,13 gehört in den Zusammenhang der Metaphorik des Bösen. Die entsprechenden Metaphern werden in Off 2 und 3 für eine aggressiv-sarkastische Polemik gegen verschiedene Gegner innerhalb und ausserhalb der Gemeinden eingesetzt. Beide syntagmatischen Metaphern setzen nicht visuelle Eindrücke in Metaphern aus dem Bereich des Bösen um, sondern visualisieren Böses. Während das Syntagma ‚Synagoge des Satans‘ in 2,9 eine vollständig ausgeführte sarkastische Metapher mit deutlich angegebenem Quell- und Zielbereich ist, stellt das Syntagma ‚Thron des Satans‘ in 2,13 eine unvollständig ausgeführte Metapher dar, die ebenfalls aggressiv-sarkastisch ist, deren Zielbereich aber unausgesprochen bleibt“, und – noch klarer und deutlicher – bereits 109: „Der Ort ist böse, weil es ein Blutopfer gegeben hat. Dort wohnt der Satan, der gegen die Christen kämpft. In Pergamon ist der ‚Thron des Satans‘“. In diesem Zusammenhang verweist O. Wischmeyer auf D.E. Aune, der wiederum an Erwägungen von J.G. Eichhorn anknüpft: „Pergamon as a center of Christian persecution, exemplified by the execution of Antipas. Eichhorn … construes ‚the throne of Satan‘ as Satanae imperium, ‚the dominion of Satan,‘ which caused the oppression of Christians in Pergamon“ (Apk I, 183), und schließlich feststellt: „The view of Eichhorn … is the view open to least objection“. Vgl. in diesem Zusammenhang auch C.R. Koester, Apk, 286: „Revelation locates Satan’s throne at Pergamum because it is the only one of the seven cities where a Christian has been put do death“; diese Feststellung scheint jedoch zumindest unpräzise formuliert, da die darstellerische Subjektivität an die Stelle historischer Objektivität gerückt wird: Pergamon ist nicht die einzige Stadt, in der ein Christ zu Tode gekommen ist, sondern Pergamon ist die einzige Stadt, von der der Apokalyptiker weiß oder berichtet, dass in ihr ein Christ zu Tode gekommen sei. Vgl. darüber hinaus auch bereits R.H. Charles, Apk I, 61. 361. Vgl. hierzu Thron des Satans, 108f.: „Anders als in 2,9; 3,9 und den anderen polemisch gesetzten Metaphern in den Sendschreiben fehlt in 2,13 der Gegner. Bildempfänger, Zielbereich oder vergleichendes Konzept bleiben ungenannt. Entweder ist die Metapher schlecht konstruiert, was aber bei der pointierten Sprache der Sendschreiben unwahrscheinlich ist, oder es gibt in Pergamon – anders als in anderen Städten – keine gegnerischen

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auf einen konkreten Thronsitz bezieht und sich ein metaphorisches oder figuratives Verständnis desselben nicht nachweisen lässt362, widerrät diesem Interpretationsansatz in Sonderheit, dass der Apokalyptiker hier in Apk 2,13a explizit auf den θρόνος τοῦ σατανᾶ und eben nicht nur auf die Anwesenheit der Person des σατανᾶς in Pergamon zu sprechen kommt. Im Kontext eines metapherntheoretischen Interpretationsansatzes hieße dies, dass der Apokalyptiker hier zum Ausdruck zu bringen versucht hätte, dass dieser Stadt eine im Vergleich zu den übrigen Städten der römischen Provinz Asia einzigartige und das übliche Maß weit übersteigende Satanität zukäme. Angesichts der Ausführungen von Apk 2,10 und der dort – zumindest innerhalb des in der Gesamt-Apk vorliegenden Endtextes – geschilderten, bereits absehbaren oder aber in naher Zukunft zu erwartenden Aktivitäten des διάβολος/σατανᾶς363 stellt sich dann aber einerseits die Frage, warum der Apokalyptiker nicht der Stadt Smyrna den Titel θρόνος τοῦ σατανᾶ zubilligt – dort nämlich scheint die Aktivität dieser Gestalt in naher Zukunft weit mehr Opfer zu fordern als dasjenige und bis dato und auch auf absehbare Zeit offensichtlich einzige des Ἀντιπᾶς, von dem in Apk 2,13c.d die Rede ist, – ergibt sich andererseits die Frage, ob denn die Erstrezipienten der Apk die erst in Apk 2,13c.d begegnende Metapher vom θρόνος τοῦ σατανᾶ überhaupt in dem von O. Wischmeyer postulierten Sinn verstanden haben können. Schließlich sind doch in der Provinz Asia neben Pergamon im 1./2. Jh. n.Chr. zumindest noch Ephesus364 und Smyrna als wichtige Zentren paganer Gottesverehrung, somit also in gleicher Weise als den Christen potentiell θλῖψεις bereitende und Todesgefahr kreierende Wohnorte des σατανᾶς, in Erscheinung getreten365. Daraus folgt: Die intratextuellen sowohl als auch die extratextuellen Schwierigkeiten des Unterfangens, den Terminus θρόνος τοῦ σατανᾶ rein metapherntheoretisch, ausschließlich auf der Textebene und unter Absehung von jeglichem Bezug auf in der Stadt Pergamon nachweisbare architektonische, administrative oder kultische Realitäten zu interpretieren, nötigen dazu, dieses Syntagma letztlich doch auf eben diese Realitäten zu beziehen und im Rahmen eines solchen Bezuges zu interpretieren zu suchen.

Auffällig ist, dass der in diesem Sendschreiben redende Christus in Apk 2,13c.d, vermittelt über das Personalpronomen ὑμῖν, seine Kommunikation Gruppen, seien es Juden oder Gemeindeglieder. Weshalb dann die satirische Metapher vom Thron des Satans“?; vgl. hierzu auch 103. Darüber hinaus macht H. Ulland, Vision, 81 darauf aufmerksam, dass „zwischen Satan und Tod des Antipas nur diese lockere Verbindung durch ἀπεκτάνθη ... ὅπου ὁ σατανᾶς κατοικεῖ“ besteht, ein Sachverhalt, der die von O. Wischmeyer postulierte kausale Verbindung des Todes des Ἀντιπᾶς mit der Gestalt des σατανᾶς auch grundsätzlich in Frage stellt. 362. Vgl. hierzu T. Witulski, Johannesoffenbarung, 261f. 363. Vgl. hierzu o. 178–179. 364. Zu Ephesus und den dort lauernden Gefahren für christliche Missionare und sicherlich auch für die christliche Gemeinde vor Ort vgl. nur die Darstellung in Apg 19,23–40, darüber hinaus auch die Einlassungen des Paulus in 2Kor 1,8–11. 365. Vgl. zu dieser Argumentation zumindest im Grundsatz bereits T. Witulski, Johannesoffenbarung, 275 und darüber hinaus die Ausführungen des Apokalyptikers in Apk 2,2 (vgl. hierzu bereits o. 117–129). Vgl. hierzu auch H. Ulland, Vision, 79: „Aber durch die weitere Verbreitung des Kaiserkultes kann fast jede kleinasiatische Gemeinde die ‚Wohnung in der Nähe des Satansthrones‘ für sich beanspruchen und sich so von der Botschaft an die Gemeinde in Pergamon angesprochen fühlen“.

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augenscheinlich über die Figur des zunächst angesprochenen pergamenischen ‚Gemeindeengels‘ hinaus auf die gesamte in Pergamon ansässige christliche Gemeinde ausweitet366, diese dann aber in Apk 2,14a wieder exklusiv auf den ἄγγελος τῆς ἐν Περγάμῳ ἐκκλησίας eingrenzt bzw. zurückführt. Dieses Phänomen konnte bereits innerhalb der Relation von Apk 2,10a.d zu Apk 2,10b.c beobachtet werden367. Hier wie dort bleibt vollständig offen und aus dem Text heraus unerklärbar, welche Gründe den Apokalyptiker dazu veranlasst haben könnten, von der 2. Person Singular in die 2. Person Plural und dann unmittelbar im Anschluss wieder in die 2. Person Singular zu wechseln, zumal dann nicht, wenn, wie die überwältigende Mehrheit der Exegeten dies annimmt, die Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Περγάμῳ ἐκκλησίας von vornherein als „eine Art himmlischer Doppelgänger“368 der irdischen pergamenischen Gemeinde interpretiert wird. Auch der Text Apk 2,13f. liefert, in gleicher Weise wie auch die Ausführungen in Apk 2,10, somit keinerlei Signale, die es den Rezipienten erlauben könnten, diese als terminologische Differenz oder aber auch als terminologische Indifferenz zu bewertende369 textliche Diskontinuität auf der Ebene der Rezeption inhaltlich schlüssig zu erklären und damit zu überwinden370. Vielmehr sind die Rezipienten gefordert, dieselbe in einem Akt vollständig subjektiver und individueller Sinnbildung zu bewältigen. Sie müssen, um Apk 2,13c.d sinnvoll verstehen zu können, die als ein einzelnes Individuum aufzufassende Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Περγάμῳ ἐκκλησίας subjektiv als gemeindliches Kollektiv interpretieren und die erstere mit dem letzteren identifizieren, obwohl doch die Ausführungen in Apk 1,20b dies nachgerade ausschließen371. Diese Erwägungen sprechen dafür, die Passage Apk 2,13d, konkret entweder den gesamten Relativsatz ὃς ἀπεκτάνθη παρ᾽ ὑμῖν, ὅπου ὁ σατανᾶς κατοικει, oder aber zumindest die inhaltlich zusammenhängende Ortsangabe παρ᾽ ὑμῖν, ὅπου ὁ σατανᾶς κατοικει als einen nachträglichen oder sekundären Einschub zu klassifizieren. Der ursprüngliche Text von Apk 2,13 ließe sich demnach 366. Vgl. hierzu etwa D.E. Aune, Apk I, 185: „The plural form of the pronoun ὑμῖν … indicates that the address has shiftet from the angel of the church to the members of the church who are now addressed directly“. Bemerkenswert ist, dass zahlreiche Exegeten diese hier nachweisbare Veränderung in der Adresse nicht kommentieren, sie also entweder nicht wahrnehmen oder aber, was wahrscheinlicher scheint, für bedeutungslos halten. Auch D.E. Aune, der diesen Wechsel immerhin bemerkt, verzichtet darauf, nach einer Erklärung für diesen zu suchen. 367. Vgl. hierzu bereits o. 178–183. 368. E. Lohmeyer, Apk, 20; vgl. hierzu auch o. 95–99. 369. Vgl. hierzu bereits o. 33 mit A. 33.34. 370. Vgl. zu der entsprechenden, im Blick auf Apk 2,10 durchgeführten Argumentation bereits o. 178–184. Diese Argumentation gilt im Blick auf Apk 2,13 in äquivalenter Weise. 371. Vgl. hierzu bereits o. 77–92.

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dann folgendermaßen rekonstruieren: οἶδα ποῦ κατοικεῖς, ὅπου ὁ θρόνος τοῦ σατανᾶ, καὶ κρατεῖς τὸ ὄνομά μου καὶ οὐκ ἠρνήσω τὴν πίστιν μου καὶ ἐν ταῖς ἡμέραις Ἀντιπᾶς ὁ μάρτυς μου ὁ πιστός μου[, ὃς ἀπεκτάνθη]372. Dieser hier vertretenen Ansicht scheint der Sachverhalt entgegenzustehen, dass die Ausführungen in Apk 2,13a und 2,13d, vermittelt über das Verb κατοικέω, eine inclusio des in Apk 2,13 insgesamt Gesagten bilden. Dem ist zuzustimmen; damit ist aber noch nicht entschieden, in welcher Phase des Textwachstumsprozesses diese inclusio entwickelt worden ist.

Auf diese im Grundsatz letztlich außerordentlich positive Bewertung des Verhaltens bzw. des Wirkens des ἄγγελος τῆς ἐν Περγάμῳ ἐκκλησίας folgt in Apk 2,14 eine mit der adversativen Konjunktion ἄλλα eingeleitete kritische Bemerkung; negativ wertet der Apokalyptiker ὀλίγα, also Geringfügiges373. Konkret geht es darum, dass der ‚Gemeindeengel‘ in der pergamenischen Gemeinde solchen gegenübergestellt ist, die an der διδαχὴ Βαλαάμ festhalten, der wiederum den Βαλάκ lehrte, den Israeliten das σκάνδαλον des φαγεῖν εἰδωλόθυτα und des – hier umfassend im Sinne einer „Hinneigung zum Heidentum“374 zu verstehenden – πορνεῦσαι in den Weg zu stellen und jene zum Tun dieser zu verführen. Ebenso treten in der Gemeinde zu Pergamon solche auf, die die διδαχὴ [τῶν]375 Νικολαϊτῶν propagieren (Apk 2,15)376. Diesen Gruppen bzw. dieser Gruppe377 gegenüber wird der ἄγγελος τῆς ἐν Περγάμῳ ἐκκλησίας nun zur Umkehr aufgefordert 372. Vgl. hierzu auch eine Beobachtung von H. Ulland, Vision, 80, der formuliert: „Auffällig ist auch die Satzkonstruktion, daß den Pergamenern zugute gehalten wird, den Glauben an den Offenbarer auch in den Tagen des Antipas nicht verleugnet zu haben, und erst daran anschließend wird seine Tötung erwähnt“. Diese Beobachtung spricht eher dafür, den gesamten Relativsatz als eine nachträgliche oder sekundäre Einfügung anzusehen. 373. Vgl. hierzu etwa R.H. Charles, Apk I, 62: „In ὀλίγα only one thing is meant, though the writer speaks of that one thing generically“; mit einem etwas anderen Akzent hier A. Satake, Apk, 165, der das Lexem ὀλίγα im Sinne von „einiges“ verstehen möchte; richtiger hier etwa U.B. Müller, Apk, 109, der in diesem Zusammenhang von „wenigem“ spricht, und auch H. Giesen, Apk, 112.114f., der m.R. ausführt: „Daß der erhöhte Christus nur wenig an der Gemeinde zu tadeln hat, obwohl er die Irrlehre für gefährlich hält, erklärt sich am besten damit, daß diese nur wenige Anhänger hat“. In diesem Sinne auch H. Kraft, Apk, 65: „Da der Vorwurf des Nikolaitismus selber sehr schwer wiegt, kann es nur die geringe Zahl der Nikolaiten sein, die die Geringfügigkeit bewirkt“. 374. E. Lohmeyer, Apk, 31. 375. Im weiteren Verlauf der Ausführungen wird der im Text textkritisch umstrittene Artikel τῶν aus stilistischen, nicht aus textkritischen Gründen immer mitgelesen. 376. Zur Relation dieser beiden Verse zueinander vgl. bereits o. 146–147. 377. Die in der Forschung immer wieder diskutierte Frage, ob es sich bei den Vertretern der διδαχὴ Βαλαάμ und denjenigen der διδαχὴ τῶν Νικολαϊτῶν um eine oder um zwei verschiedene Gruppen innerhalb der pergamenischen Gemeinde handelt, kann im Blick auf die in der vorliegenden Studie diskutierte Fragestellung unentschieden bleiben; vgl. hierzu bereits o. 146–147 mit A. 142.

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(Apk 2,16a)378; falls er diese verweigert (Apk 2,16b), wird der in diesem Sendschreiben redende Christus schnell ‚über ihn kommen‘379 und gegen sie (μετ᾽ αὐτῶν), d.h. doch wohl gegen die Vertreter der διδαχὴ Βαλαάμ bzw. der διδαχὴ τῶν Νικολαϊτῶν380, Krieg führen mit dem Schwert seines Mundes (Apk 2,16c). Während die semantischen Implikationen des Syntagmas φαγεῖν εἰδωλόθυτα mehr oder weniger evident erscheinen381, wird in der exegetischen Literatur die Frage nach denjeningen des Infinitivs πορνεῦσαι durchaus kontrovers diskutiert. Grundsätzlich ist denkbar, diesen Terminus entweder wörtlich – dann würde mit ihm der in Pergamon offensichtlich zumindest von einigen Gemeindegliedern praktizierte Besuch bei Prostituierten reflektiert382 – oder aber figurativ – dann bezöge sich das in Pergamon gepflegte πορνεῦσαι auf die die Jahwe- und Christusverehrung u.U. ergänzende Verehrung heidnischer Gottheiten383 – zu 378. I.T. Beckwith, Apk, 460 begreift diese Umkehr als Abkehr von einer zuvor praktizierten „tolerance of the false teaching“. 379. Zur Interpretation der Wendung ἔρχομαί σοι vgl. bereits ausführlich o. 138–139. A. Satake, Apk, 167 weist m.R. darauf hin, dass mit dieser Wendung, wie auch schon in Apk 2,5, „auf das Kommen [des in diesem Sendschreiben redenden Christus] noch im Laufe der Geschichte [d.h. somit auf ein in der Geschichte sich ereignendes Strafgericht,] angespielt“ ist; vgl. hierzu auch I.T. Beckwith, Apk, 460. 380. Vgl. hierzu A. Satake, Apk, 167: „…, bezieht sich der nächste Satz [d.h. Apk 2,16bβ] direkt auf die Nikolaiten: ‚Und ich werde sie mit dem Schwert meines Mundes bekämpfen‘ …. Die Nikolaiten werden als Feinde Gottes bekämpft, vernichtet“. 381. Nach D.E. Aune sind im Blick auf das Verständnis des Begriffs φαγεῖν εἰδωλόθυτα vier Möglichkeiten denkbar: (a) die Teilnahme an einer sakralen Mahlzeit im Tempel, (b) der Verzehr von Götzenopferfleisch, das während öffentlicher, religiös motivierter Festlichkeiten verteilt worden ist, (c) der Kauf von Götzenopferfleisch auf dem Markt, und (d) die Teilnahme an einer von einem Verein oder einer Gilde im Rahmen der in dieser Corporation praktizierten religiösen Verehrung abgehaltenen Mahlzeit (vgl. hierzu bereits T. Witulski, Johannesoffenbarung, 245f.). Wird allerdings berücksichtigt, dass der Apokalyptiker den Begriff φαγεῖν εἰδωλόθυτα einerseits auf die aus Num 31,16; 25,1–3 erhebbare διδαχὴ Βαλαάμ, andererseits auf die in der Gegenwart des Apokalyptikers virulente διδαχὴ τῶν Νικολαϊτῶν bezieht, legt sich die Annahme nahe, dass er bei der Verwendung des Terminus φαγεῖν εἰδωλόθυτα weniger an den Verzehr von auf dem Markt feilgebotenen Fleisch, das zuvor in heidnischen Gottheiten gewidmeten Opferritualen Verwendung gefunden hat, sondern weitaus eher an den Verzehr von Götzenopferfleisch innerhalb öffentlicher, heidnischen Gottheiten gewidmeter Feierlichkeiten dachte; vgl. zu dieser Argumentation bereits T. Witulski, Johannesoffenbarung, 246. 382. Vgl. hierzu, wenn auch recht vorsichtig, U.B. Müller, Apk, 113: „Hier mag der Gang zur gewerbsmäßigen Dirne gemeint sein oder eine andere Form freizügigen Geschlechtsverkehrs“; in diesem Sinne etwa auch J. Roloff, Apk, 55, der diesen Begriff auf das sexuelle Verhalten beziehen möchte, und W. Hadorn, Apk, 49. 383. So die große Mehrheit der Forschung; vgl. hierzu etwa G.K. Beale, Apk, 250: „Here, however, John is emphasizing the broader spiritual nuance since πορνεύω (and its word group) typically has this metaphorical meaning elsewhere in Revelation … and since it is unlikely that all the forms of compromise in this church involved sexual immorality“, C.R. Koester, Apk, 288: „Here, the metaphorical sense is prominent“, und auch D.E. Aune, Apk I, 188: „A close association is assumed by Judaism to exist between idolatry and sexual

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verstehen384. In Sonderheit die Verwendung des Begriffs πορνεῦσαι im Alten Testament und im Frühjudentum385, darüber hinaus dessen unmittelbare Verknüpfung mit dem Syntagma φαγεῖν εἰδωλόθυτα in Apk 2,14c386, lassen an dieser Stelle ein figuratives Verständnis des Terminus πορνεῦσαι wahrscheinlich erscheinen; der Apokalyptiker bzw. der in diesem Sendschreiben redende Christus zielte mit diesem auf die s.E. zu weit gehende Integration der Vertreter der διδαχὴ Βαλαάμ bzw. der διδαχὴ τῶν Νικολαϊτῶν in die kultisch-religiöse Praxis der paganen Mehrheitsgesellschaft der Stadt Pergamon ab387, die er als unvereinbar mit und somit als grundsätzliche Abwendung von der christlichen Gottes- und Christusverehrung betrachtete388. Im Rahmen dieser Erklärung stellt der Vorwurf, das φαγεῖν εἰδωλόθυτα zu praktizieren, somit einen Teilaspekt des weitaus umfassenderen Vorwurfs der πορνεία dar389.

Insbesondere diese letzten Ausführungen werfen – und dies gilt unabhängig davon, ob die Figur des ‚Gemeindeengels‘ als einzelnes Individuum oder als Chiffre für die gesamte Gemeinde aufgefasst wird390 –, hier eine immorality …. In the OT, the idolatry of Israel is frequently condemned through the use of the metaphor of prostitution and sexual immorality …. Idolatry is often regarded as the root of all other forms of vice“. 384. Zu den einzelnen Vertretern der beiden Positionen vgl. etwa A. Satake, Apk, 166, A. 63, der selbst eine unentschiedene Haltung einnimmt. 385. Vgl. hierzu auch H. Ulland, Vision, 92: „In diese Richtung [d.h. in die Richtung eines figurativen Verständnisses] weist auch die Traditionsgeschichte des Motivs ‚Hurerei‘ in Hos 1– 3, Ez 16; 23 u.ö.“. 386. Vgl. zu diesem Argument bereits T. Witulski, Johannesoffenbarung, 242, darüber hinaus 243–246. 387. Vgl. hierzu etwa G.B. Caird, Apk, 39, der die διδαχὴ Βαλαάμ mit der διδαχὴ τῶν Νικολαϊτῶν ineinssetzt: „The sum total of the Nicolaitan’s offence, then is that they took a laxer attitude than John to pagan society and religion“, und H. Kraft, Apk, 65, der die Begriffe φαγεῖν εἰδωλόθυτα und πορνεῦσαι als Hendiadyoin verstehen möchte und formuliert: „Die [von ihm augenscheinlich mit den Bileamiten identifizierten] Nikolaiten lehren Nachlässigkeit in der Frage des Götzenopfers und Kompromißbereitschaft in der Frage der ‚Unzucht‘, d.h. des Götzendienstes im allgemeinen“; ähnlich auch T. Witulski, Johannesoffenbarung, 247f.; wesentlich weitergehender an dieser Stelle C.R. Koester, Apk, 288f., der in dem in Apk 2,14c geäußerten Vorwurf des πορνεῦσαι die Aspekte von „sexual immorality“, „idolatry“ und „commercial practices“ zusammengefasst sieht. Inwieweit dieser letzte Aspekt aus dem in Apk 2,14 Ausgeführten ableitbar ist, muss aber dahingestellt bleiben; m.R. kritisch an dieser Stelle, allerdings vor dem Hintergrund anderer Überlegungen, auch H. Ulland, Vision, 92, A. 326. 388. Vgl. hierzu etwa H. Giesen, Apk, 114: „Das Essen von Götzenopferfleisch und das Treiben von Unzucht … sind Metaphern für den Abfall von Gott“; ähnlich auch H. Ulland, Vision, 92: „Das bedeutet, daß Hurerei in der Apk nicht mit sexueller Ausschweifung zu tun hat, sondern mit dem Abfall von Gott“. 389. H. Ulland, Vision, 92 möchte das in Apk 2,14c angesprochene πορνεῦσαι als „‚Hurerei‘ mit dem [römischen] Staat“ verstehen; dies mag auf der Basis von Apk 12–22 wohl möglich sein, auf der Grundlage von Apk 1,1–2,13, dem bis dato rezipierten Text der Apk, lässt sich schon aus rezeptionsästhetischen Gründen eine solche eher einengende Interpretation dieses Terminus kaum wahrscheinlich machen. 390. Vgl. zu dieser Diskussion ausführlich o. 92–114.

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diskontinuitäre sachliche Spannung signalisierend, folgende argumentationslogische Frage auf: Wie soll es denn zu verstehen sein, dass einerseits der ἄγγελος τῆς ἐν Περγάμῳ ἐκκλησίας zur Umkehr aufgefordert wird, andererseits aber im Kontext seiner im Falle seiner Verweigerung angekündigten Bestrafung ein innergeschichtlich zu definierendes Strafgericht nun augenscheinlich gerade nicht über jenen selbst, sondern über die Anhänger der διδαχὴ Βαλαάμ bzw. der διδαχὴ τῶν Νικολαϊτῶν verheißen wird. Schließlich impliziert doch die Aufforderung zur μετάνοια im Kontext der Ausführungen Apk 2,14–16 kaum etwas anderes als die auf dem Wege der Unterweisung zu vollziehende theologische (Re-)Integration der hier angesprochenen Vertreter der διδαχὴ Βαλαάμ bzw. der διδαχὴ τῶν Νικολαϊτῶν in den gemeindlichen Verantwortungsbereich des in dieser Epistel angeschriebenen ‚Gemeindeengels‘ oder aber deren Exkommunikation aus der Gemeinde bzw. eine konsequente Abgrenzung gegenüber jenen391, sollte eine solche theologische (Re-) Integration nicht realisierbar sein. In jedem Falle soll doch die pergamenische Gemeinde – durch das Wirken dieser selbst oder durch dasjenige der Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Περγάμῳ ἐκκλησίας – auf die eine oder andere Weise von den Propagandisten und Vertretern dieser (Irr-)Lehre und damit von dieser gereinigt und befreit werden. Wenn sich der Impetus der Ausführungen in Apk 2,14–16 nun aber in dieser Weise beschreiben lässt, ist es unmöglich, das in Apk 2,16cβ Gesagte als ein Element des in Apk 2,16b mit der Wendung εἰ δὲ μή einsetzenden potentialen Bedingungsgefüges zu begreifen. Innerhalb dessen wird eben nicht eine Strafe für den Umkehrverweigerer, nach mehrheitlicher exegetischer Ansicht die pergamenische Gemeinde, nach der in der vorliegenden Studie entwickelten These die individuell zu verstehende Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Περγάμῳ ἐκκλησίας392, definiert, sondern eine Bestrafung der aus der Gemeinde zu entfernenden Vertreter der διδαχὴ Βαλαάμ bzw. der διδαχὴ τῶν Νικολαϊτῶν angekündigt. Letztere tangierte jedoch den Umkehrverweigerer, wird er als Gestalt eines individuell zu begreifenden ‚Gemeindeengels‘ gefasst, letztlich gar nicht, wird er als Kollektiv der pergamenischen Gemeinde gefasst, nur dann fühlbar und schmerzhaft, wenn es sich bei diesen Bileamiten und Nikolaiten um einen veritablen Bestandteil der pergamenischen Gemeinde handelte. Dieser 391. Vgl. hierzu etwa U.B. Müller, Apk, 114: „Weil hier Gefahr besteht, da die Gemeinde die Nikolaiten unter sich duldet, ist neben der Anklage (Vers 14f.) die Bußmahnung nötig: ‚Kehre um!‘ Der Verfasser unterstreicht sie mit der sofort angefügten Gerichtsdrohung (Vers 16). Er kündigt das baldige eschatologische Kommen Christi an. Dieses gilt der ganzen Gemeinde (‚über dich‘); das Vernichtungsgericht wird aber nur die Anhänger der Nikolaiten treffen (‚ich werde gegen sie Krieg führen‘)“. 392. Vgl. hierzu ausführlich o. 92–114.

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Annahme stehen aber die Ausführungen in Apk 2,14a – hier formuliert der Apokalyptiker: ἀλλ᾽ ἔχω κατὰ σοῦ ὀλίγα, und nicht: ἀλλ᾽ ἔχω κατὰ σοῦ πολλά, oder, wie etwa in Apk 3,1b: οἶδά σου τὰ ἔργα ὅτι ὄνομα ἔχεις ὅτι ζῇς, καὶ νεκρὸς εἶ – entgegen393. Dem in der exegetischen Literatur zu Apk 2,16 immer wieder begegnenden Erklärungsansatz, dass der Apokalyptiker hier zwischen der gesamten Gemeinde und denjenigen, über die das angekündigte Strafgericht ergehen soll, unterscheiden möchte394, widerrät, dass er in Apk 2,16a aber den ἄγγελος τῆς ἐν Περγάμῳ ἐκκλησίας, somit also – dem traditionellen Erklärungsansatz entsprechend – die pergamenische Gemeinde in ihrer Gesamtheit zur Umkehr auffordert, nicht jedoch die Bileamiten bzw. die Nikolaiten. Exegetisch ließe sich dieses interpretatorische Problem nur lösen, wenn die Ausführungen in Apk 2,16c, in Apk 2,16cα und Apk 2,16cβ aufgespalten und das in Apk 2,16cβ Ausgeführte nicht mehr als Teil des konditionalen Bedingungsgefüges Apk 2,16b.c und somit nicht mehr als Element des auf die conditio Apk 2,16b bezogenen Sanktionsmechanismus, sondern als ein neuer und eigenständiger Hauptsatz interpretiert würden. Das auf diesem Wege entstehende syntaktische Gebilde sähe dann, mit der entsprechenden Interpunktion versehen, etwa folgendermaßen aus: εἰ δὲ μή, ἔρχομαί σοι ταχὺ. καὶ πολεμήσω μετ᾽ αὐτῶν ἐν τῇ ῥομφαίᾳ τοῦ στόματός μου. In diesem verkündigte der in diesem Sendschreiben redende Christus zunächst der Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Περγάμῳ ἐκκλησίας, dass er im Falle der Verweigerung der geforderten Umkehr jenen bestrafen und – vollständig unabhängig davon – darüber hinaus in jedem Falle gegen die Vertreter der διδαχὴ Βαλαάμ bzw. der διδαχὴ τῶν Νικολαϊτῶν zu Felde ziehen werde. Das aber hieße, dass der Apokalyptiker die Formulierung ἔρχομαί σοι ταχὺ offensichtlich auch ohne parataktische Ergänzung verwenden konnte. Dieser exegetischen Perspektive widerrät jedoch die Argumentationslogik von Apk 2,14–16a in ihrer Gesamtheit. In dieser Passage geht es nämlich ausschließlich um die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Περγάμῳ ἐκκλησίας 393. Noch pointierter hier O. Cremer, Sohn Gottes, 90, der die Vertreter der διδαχὴ Βαλαάμ bzw. der διδαχὴ τῶν Νικολαϊτῶν nicht als Glieder der pergamenischen Gemeinde begreifen möchte: „Die distanzierende Formulierung μετ’ αὐτῶν … macht deutlich, dass die getadelte Gruppe für den Seher nicht zur Gemeinde gehört, sondern bereits außerhalb derselben steht“. Diese – sehr pointierte – Sicht lässt sich angesichts des in Apk 2,14f. Ausgeführten aber wohl kaum aufrechterhalten. Anders hier etwa H. Kraft, Apk, 65: „Hier, in Pergamon, gehören sie [d.h. die Nikolaiten] [anders als in Ephesus] noch zur Gemeinde“. 394. Vgl. hierzu etwa W. Bousset, Apk, 214: „Diejenigen aber, über die das Gericht ergeht, werden deutlich von der Gesamtheit der Gemeinde unterschieden. … Das Strafgericht trifft die Gemeinde, insofern es eine Anzahl ihrer Glieder trifft“, und auch U.B. Müller, Apk, 114.

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und um seine – vom Apokalyptiker kritisch gouttierte – Relation zu den Propagandisten der διδαχὴ Βαλαάμ bzw. der διδαχὴ τῶν Νικολαϊτῶν, nicht jedoch um das Verhältnis des in diesem Sendschreiben redenden Christus jenen gegenüber. Dies lässt eine Übersicht über das syntaktische Gerüst dieser Passage deutlich erkennen: ἀλλ᾽ ἔχω κατὰ σοῦ ... ὅτι ἔχεις .... (15) οὕτως ἔχεις καὶ σὺ .... (16) μετανόησον οὖν. Darüber hinaus bietet der Text selbst, wie schon die Durchsicht der unterschiedlichen Textausgaben und darüber hinaus der entsprechenden Kommentarliteratur zu belegen vermag, keinerlei Indiz für die Annahme, dass in Apk 2,16cβ ein syntaktischer und argumentationslogischer Neuansatz vorläge bzw. dass Apk 2,16cβ als syntaktischer und argumentationslogischer Neuansatz gelesen und rezipiert werden solle. Damit aber bliebe dem Rezipienten, um die o. beschriebene Diskontinuität zu bewältigen und den Ausführungen in Apk 2,14–16 einen kohärenten Sinn zu implementieren, nur die Konstruktion einer – in diesem Falle explizit gegen den Text und dessen Signale gerichteten – Inferenz395. Diese besteht darin, auf der Basis einer kollektiven und ekklesiologischen Deutung der Figur des pergamenischen ‚Gemeindeengels‘ den Feldzug des in diesem Sendschreiben redenden Christus gegen die Bileamiten bzw. Nikolaiten zugleich auch als Strafe gegen den die Umkehr verweigernden ἄγγελος τῆς ἐν Περγάμῳ ἐκκλησίας zu interpretieren, die Vertreter der der διδαχὴ Βαλαάμ bzw. der διδαχὴ τῶν Νικολαϊτῶν also implizit, der Argumentationslogik von Apk 2,14a allerdings diametral widersprechend, als signifikanten Bestandteil der pergamenischen Gemeinde wahrzunehmen. Diese Überlegungen aber nähren den Verdacht, dass die Ausführungen in Apk 2,16 in ihrer Gesamtheit das Produkt eines literarischen Wachstumsprozesses darstellen: Die o. explizierte Diskontinuität wird beseitigt, wenn das in Apk 2,16cβ Formulierte als eine nachträgliche oder sekundäre Zutat definiert und der ursprüngliche Text von Apk 2,16 folgendermaßen rekonstruiert wird: μετανόησον οὖν· εἰ δὲ μή, ἔρχομαί σοι ταχύ. Durchaus denkbar ist, diese Ergänzung einerseits als eine ‚anschließende Erweiterung‘ zu begreifen, da hier das Apk 2,12b verwendete Stichwort ῥομφαία wieder aufgegriffen wird396. Andererseits blickt der Verfasser von Apk 2,16bβ mit seiner Einfügung zugleich auch voraus auf den endzeitlichen Kampf des wiederkommenden Christus, wie die Aufnahme des Motivs der ῥομφαία τοῦ στόματός μου im Kontext einer Kampf- und Kriegsrhetorik in Apk 19,15 395. Vgl. zu diesem Terminus bereits o. 28 mit A. 13; 29. 396. Zum Begriff der ‚anschließenden Erweiterung‘ vgl. R. Wonneberger, Redaktion, 124, zu demjenigen der Stichworterweiterung vgl. 132; vgl. zu der Gesamtproblematik auch o. 25–37.

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belegt: καὶ ἐκ τοῦ στόματος αὐτοῦ ἐκπορεύεται ῥομφαία ὀξεῖα, ἵνα ἐν αὐτῇ πατάξῃ τὰ ἔθνη, καὶ αὐτὸς ποιμανεῖ αὐτοὺς ἐν ῥάβδῳ σιδηρᾷ, καὶ αὐτὸς πατεῖ τὴν ληνὸν τοῦ οἴνου τοῦ θυμοῦ τῆς ὀργῆς τοῦ θεοῦ τοῦ παντοκράτορος. In diesem Sinne ließe sich diese Einfügung dann auch als ‚Anker-Erweiterung‘397 charakterisieren. Auf den Weckruf Apk 2,17a398 folgt dann in Apk 2,17b.c.d der diesem Sendschreiben zugehörige Überwinderspruch. Innerhalb dessen wird dem νικῶν zunächst verheißen, dass ihm das μάννα κεκρύμμενον399 zuteil wird (Apk 2,17b), daran anschließend, dass jener einen weißen Stein, eine ψῆφος λευκή, empfangen wird, auf dem ein ὄνομα καινόν verzeichnet ist, das nur derjenige kennt, der es empfangen hat (Apk 2,17c.d). Die literarischen Bezüge zwischen dem Überwinderspruch Apk 2,17b.c.d und dem apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 seien hier tabellarisch aufgelistet: Motiv/Text im Überwinderspruch

Bezugnahmen im apokalyptischen Hauptteil

Apk 2,17b.c.d: τῷ νικῶντι δώσω αὐτῷ Apk 19,12: καὶ ἐπὶ τὴν κεφαλὴν αὐτοῦ τοῦ μάννα τοῦ κεκρυμμένου καὶ δώσω διαδήματα πολλά, ἔχων ὄνομα γεγραμαὐτῷ ψῆφον λευκήν, καὶ ἐπὶ τὴν ψῆφον μένον ὃ οὐδεὶς οἶδεν εἰ μὴ αὐτός ὄνομα καινὸν γεγραμμένον ὃ οὐδεὶς οἶδεν εἰ μὴ ὁ λαμβάνων

Mit dem diesen Überwinderspruch einleitenden Hinweis τῷ νικῶντι δώσω αὐτῷ τοῦ μάννα τοῦ κεκρυμμένου Apk 2,17b nehme der Apokalyptiker etwa M. Stowasser zufolge nun Bezug auf die Ausführungen in Apk 2,14b.c.d. Innerhalb derer erkläre jener, dass in der pergamenischen Gemeinde von einer oder auch mehreren Gruppen von Christen die διδαχή vertreten werde, dass es Christen zumindest gestattet sei, Götzenopferfleisch zu sich zu nehmen (φαγεῖν εἰδωλόθυτα)400. Diesen Gruppen von Christen und der von ihnen propagierten διδαχή entgegen habe der Apokalyptiker in Apk 2,17b zum Ausdruck bringen wollen, dass den νικῶντες keine irdische und damit verderbliche, sondern eine himmlische, Leben spendende und 397. Vgl. zu diesem Terminus ausführlich o. 175–176. 398. Zum Element des Weckrufes vgl. bereits o. 149–158. 399. Zur traditionsgeschichtlichen Verortung dieses Syntagmas vgl. etwa U.B. Müller, Apk, 114; Müller verweist hier insbesondere auf 2Bar 29,8: „Es wird zu jener Zeit geschehen, daß aus der Höhe Mannaschätze wiederum herniederkommen; sie werden zehren dann davon in jenen Jahren, weil die es sind, die ans Ende der Zeit gekommen sind“ (Text nach A.F.J. Klijn, 2Bar, 142). 400. Vgl. hierzu Sendschreiben, 57: „Jene ‚Sieger‘, die der Versuchung widerstehen, Götzenopferfleisch zu verspeisen, werden dafür … das verborgene Manna“ zu sich nehmen können.

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das Heil repräsentierende Speise gereicht werde401. Einen noch deutlich weitergehenden bzw. umfassenderen Bezug des Überwinderspruchs Apk 2,17b.c.d in seiner Gesamtheit auf die Praxis des φαγεῖν εἰδωλόθυτα nehmen etwa H.-J. Klauck und H. Kraft an, indem sie die ψῆφος λευκή als eine von Christus dem νικῶν übergebene Eintrittskarte für ein himmlisches Bankett interpretieren möchten, auf dem dann eben das μάννα κεκρύμμενον als himmlische Speise serviert werde402. R.H. Charles möchte die These wahrscheinlich machen, dass der Apokalyptiker in Apk 2,17b das Motiv des μάννα κεκρύμμενον verwendet habe, um, vermittelt über die Figur des Βαλαάμ, die in seinen Augen bestehende sachliche Parallelität zwischen der Situation des Volkes Israel auf seiner Wanderung durch die Wüste und der gegenwärtigen Situation der pergamenischen Christen herauszuarbeiten: „There he [d.h. der Apokalyptiker] was thinking of Israel in the wilderness tempted by Balaam, just as the Pergamene Christians are tempted by his spiritual successors. As the ancient Israel was fed by a material manna, the true Israelites would in the future life be fed by a spiritual manna“403. Diese Auslegung muss an dem Sachverhalt scheitern, dass die Christen als das nach Charles wahre Volk Israel anders als das Volk Israel während der Wüstenzeit das μάννα gerade nicht in der relativen Gegenwart ihrer Existenz zur Zeit der Abfassung der Apk, sondern erst in einer noch zu realisierenden Zukunft erhalten werden. Diese entscheidende Akzentverschiebung lässt die Annahme, der Apokalyptiker habe an dieser Stelle die Existenz des Volkes Israel während der Wüstenzeit als eine Blaupause oder interpretative Hintergrundfolie für die Existenz der Christen zur Zeit der Abfassung der Apk generieren wollen, mehr als unwahrscheinlich erscheinen; immerhin nämlich wurde doch dem Volk Israel das als von Gott geschenktes Heilsgut zu verstehende μάννα doch bereits in der Wüste und nicht erst im verheißenen Land zuteil, ein Sachverhalt, der den christlichen Rezipienten der Apk durchaus zu der – für den Apokalyptiker aus argumentationslogischer Sicht verheerenden – Frage hätte führen können, warum er denn, anders als seinerzeit die Israeliten, bis zum Anbruch des neuen Äon warten solle bzw. müsse.

Gegen diesen zweiten, weiterreichenden und umfassenderen Interpretationsansatz sprechen jedoch folgende Überlegungen: (a) Wer annimmt, dass 401. Vgl. hierzu etwa A. Satake, Apk, 167: „Die Erwähnung [des Manna] an unserer Stelle ist durch den vorangehenden Hinweis auf den Genuss von Götzenopferfleisch veranlasst: Die Nikolaiten bekommen nur verderbliche Speise, die Überwinder dagegen die Speise des ewigen Lebens“; ähnlich hier auch H.-J. Klauck, Sendschreiben, 169: „Der Überwinderspruch im Sendschreiben nach Pergamon … stellt dem Sieger das verborgene Manna in Aussicht, die himmlische Speise, offenkundig als Gegenentwurf zu den inkriminierten irdischen Mahlzeiten“. U.B. Müller, Apk, 114 spricht in diesem Zusammenhang von einem „beabsichtigte[n]. Kontrast zum Essen des Götzenopferfleisches in der Gegenwart“. 402. Vgl. hierzu H. Kraft, Apk, 66f. und H.-J. Klauck, Sendschreiben, 169, A. 57, letzterer mit Verweis auf C.J. Hemer, Letters, 98. Hemer formuliert aber einschränkend: „Many writers have seen allusion to one or more of the numerous usages of this kind. Some are attractive, but at most they offer only a partial analogy“. 403. Apk I, 65f.

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es sich bei der ψῆφος λευκή um eine Eintrittskarte zu einem himmlischen Bankett, auf dem dann das μάννα κεκρύμμενον serviert wird, handele, muss erklären, warum nach Apk 2,17b.c.d – und dies legt die augenscheinlich eine zeitliche Reihung implizierende Formulierung an dieser Stelle zumindest nahe404 – dem νικῶν offensichtlich zuerst die auf dem Bankett servierte Speise und danach erst die Eintrittskarte zu demselben übergeben wird. (b) Der Begriff ψῆφος als Bezeichnung für eine solche Eintrittskarte oder Zugangsberechtigung zu einem Bankett oder einer anderen ähnlichen Veranstaltung ist nicht belegt405. Vielmehr lässt sich durchaus wahrscheinlich machen, dass der Apokalyptikter das Syntagma ψῆφος λευκή als einen Siegespreis verstanden wissen wollte406. Aber auch der ersten der beiden o. formulierten Annahmen, der zufolge hier in Apk 2,17b eine ausdrückliche und bewusste inhaltliche Bezugnahme auf Apk 2,14c vorläge, stehen erhebliche Schwierigkeiten entgegen; im Einzelnen widerraten derselben folgende Beobachtungen: (a) In Apk 2,17b begegnet das die eigentliche Handlung ausdrückende Verb φαγεῖν, wiewohl der Apokalyptiker es in Apk 2,7b noch explizit verwendet, gerade nicht. Dementsprechend wird in Apk 2,17b auch nicht, zumindest nicht expressis verbis, davon gesprochen, dass die νικῶντες – anstelle der εἰδωλόθυτα – das μάννα κεκρύμμενον zu sich nehmen werden407. Damit aber ergeben sich einerseits erhebliche Zweifel gegenüber der These, dass der Apokalyptiker in Apk 2,17b eine kontrastanaloge Relation zwischen dem Motiv des φαγεῖν εἰδωλόθυτα auf der einen und demjenigen des μάννα κεκρύμμενον auf der anderen Seite konstruieren wollte, andererseits die Frage, ob die Rezipienten, insbesondere die Erstrezipienten der Apk, diese zumindest nach Meinung zahlreicher Exegeten408 in Apk 2,14.c.17b intendierte Relation dann überhaupt wahrzunehmen in der Lage gewesen sind. Immerhin nämlich ruft der 404. Vgl. hierzu T. Zahn, Apk, 276, der im Blick auf Apk 2,17c.d m.R. von einer „zweite[n] Verheißung“ spricht. 405. Vgl. hierzu bereits T. Witulski, ψῆφος λευκή, 16 mit A. 48. 406. Zur Interpretation des Syntagmas ψῆφος λευκή als eines Siegespreises vgl. T. Witulski, ψῆφος λευκή, 18f. und auch bereits T. Zahn, Apk, 276–280; Zahn sieht im Begriff der ψῆφος λευκή eine Anspielung „auf den [zur Zeit der Abfassung der Apk virulenten] Kampf mit dem die Christen verfolgenden und gewaltsam unterdrückenden Heidentum“. 407. Dies übersieht etwa M. Stowasser, Sendschreiben, 57, wenn er formuliert: „Das verborgene Manna wird ihre Speise sein“. 408. Vgl. hierzu etwa U.B. Müller, Apk, 114: „Der zukünftige Genuß himmlischen Mannas steht bei Johannes in beabsichtigtem Kontrast zum Essen des Götzenopferfleisches in der Gegenwart. Der eschatologische Lohn entschädigt die Rechtgläubigen für ihren Verzicht auf den Genuß des Fleisches, der Götzendienst bedeutet“; in ähnlicher Weise bereits W. Bousset, Apk, 214: „Jedenfalls hat diese Verheißung im Zusammenhang einen bestimmten Sinn.

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Begriff des μάννα κεκρύμμενον aus rezeptionsästhetischer Perspektive doch viel eher das μάννα der Wüstenzeit in Erinnerung409 als dass er an die gegenwärtig – und wenn überhaupt, so nur von einem kleinen Teil der pergamenischen Gemeinde410 – zu sich genommenen εἰδωλόθυτα denken lässt. (c) Darüber hinaus bliebe, würde das Konzept des (φαγεῖν) μάννα κεκρύμμενον als – unmittelbare und direkte – Kontrastanalogie zu demjenigen des φαγεῖν εἰδωλόθυτα aufgefasst, unerklärt, warum der Apokalyptiker in diesem Überwinderspruch dann lediglich eine auf die Praxis des φαγεῖν εἰδωλόθυτα beschränkte und nicht darüber hinaus auch eine auf diejenige des – doch sicherlich weitaus umfassender zu verstehenden – πορνεῦσαι bezogene Kontrastanalogie formuliert haben sollte. Aus alledem folgt zunächst: Die in Apk 2,17b vorliegende Konzeption des μάννα κεκρύμμενον als eines eschatologischen Heilsgutes lässt sich kaum als direkte Kontrastanalogie zum Modell des φαγεῖν εἰδωλόθυτα und somit nicht als unmittelbar auf die entsprechenden Ausführungen in Apk 2,14c bezogen interpretieren. Darüber hinaus gibt – auch411 – der in Apk 2,17b.c.d vorliegende Überwinderspruch keinerlei Hinweis darauf, auf welche Personen, Personengruppen, Verhältnisse oder sonstige Aspekte dieser denn bezogen, welche Personen, Personengruppen, Verhältnisse oder sonstigen Aspekte denn überwunden bzw. besiegt werden sollten. Zumindest in der Theorie wären hier folgende Möglichkeiten denkbar: (a) Die Christen Pergamons hätten in der Gegenwart der Abfassung der Apk unter Bedrängnissen von Seiten ihrer paganen Umwelt zu leiden. Solche Bedrängnisse und Bedrückungen werden jedoch in dem Sendschreiben selbst als gegenwärtige Erfahrungen nicht unmittelbar thematisiert. Darüber hinaus ließe sich wiederum412 dann fragen, warum der Apokalyptiker nicht Diejenigen, die auf das Essen von Götzenopferfleisch verzichten, bekommen dereinst himmlisches Manna als ihren Lohn“. 409. Vgl. hierzu D.E. Aune, Apk I, 189: „The term ‚manna‘ … refers to the miraculous feeding narrated in Ex 16:4–36“; Aune zufolge wird diese Geschichte innerhalb der frühjüdischen Literatur verarbeitet bei Josephus, ant. III 26–32 und Ps.-Philo, lib.ant. 10,7. Ähnlich hier auch U.B. Müller, Apk 114: „Der erste Teil der Verheißung nimmt eine Erwartung auf, die ein Ereignis der Wüstenwanderung Israels eschatologisch aktualisiert“, und C. Hemer, Letters, 94f.: „The allusion is ultimately traceable to Exod. 16.32–34, where the Lord commanded a sample of manna to be preserved as a memorial for future generations“. 410. Vgl. hierzu o. 200–201; vgl. darüber hinaus auch grundsätzlich etwa D.E. Aune, Apk I, 193: „Meat was not a regular part of the diet of most people, except when distributed publicly …. Most people in Greece and Italy lived primarily on a diet of flour in earlier times made into porridge … and later baked into bread“. 411. Vgl. hierzu bereits o. 163–165 und 191–192. 412. Vgl. hierzu bereits o. 167–172.

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solche Verben verwendet habe, die den Aspekt des Durchhaltens und der Standfestigkeit semantisch weitaus besser transportierten als das Verb νικάω413. (b) Die pergamenischen Christen sollten diejenigen Christen, die die διδαχὴ Βαλαάμ befolgen (Apk 2,14b), und die Gruppe der Νικολαϊτεῖς (Apk 2,15) besiegen, d.h. entweder in die Gemeinde (re-)integrieren oder aber vollständig aus der Gemeinde entfernen, in jedem Falle aber – ohne jegliche Rücksicht auf eine in den Augen des Apokalyptikers falsch verstandene Toleranz414 – die Gemeinde von deren Einfluss bzw. vom Einfluss der von ihnen vertretenen (Irr-)Lehre reinigen. Aus diesem Interpretationsansatz ergäbe sich die Konsequenz, dass lediglich denjenigen das eschatologische Heil zuteil werden würde, die erfolgreich die (Re-)Integration oder aber die vollständige Entfernung der Gruppen der Bileamiten und der Νικολαϊτεῖς aus der pergamenischen Gemeinde betrieben, also einen innerkirchlichen Gegner besiegt bzw. überwunden hätten. Eine solche für die Apk und auch für das Urchristentum gänzlich unübliche theologische Denkstruktur aber wird schon durch Apk 2,16 ausgeschlossen: Den dortigen Ausführungen zufolge bringt das Festhalten an der Duldung der Bileamiten und der Νικολαϊτεῖς zwar ein innergeschichtliches Strafgericht415 des in diesem Sendschreiben redenden Christus über den ἄγγελος τῆς ἐν Περγάμῳ ἐκκλησίας mit sich, gerade nicht jedoch den Verlust des eschatologischen Heils. (c) Zum dritten ist denkbar, dass das Partizip νικῶν als Aufforderung zur ‚Überwindung‘ der von den Vertretern der διδαχὴ Βαλαάμ bzw. der διδαχὴ τῶν Νικολαϊτῶν wenn nicht verfochtenen, so doch zumindest legitimierten Praxis des φαγεῖν εἰδωλόθυτα καὶ πορνεῦσαι (Apk 2,14c) zu interpretieren sei. Dagegen spricht jedoch zunächst die Beobachtung, dass offensichtlich sowohl der ἄγγελος τῆς ἐν Περγάμῳ ἐκκλησίας als auch die Mehrheit der pergamenischen Gemeinde weder das eine noch das andere praktizieren, was bedeutete, dass sich dieser Überwinderspruch aktuell nur an eine Minderheit der pergamenischen Christen richtete. Darüber hinaus steht einer solchen Überlegung der Sachverhalt entgegen, dass das Verb νικάω mit der eigentlichen Intention des Apokalyptikers, die im konkreten Fall doch darin bestände, diejenigen, die das φαγεῖν εἰδωλόθυτα καὶ πορνεῦσαι praktizieren, zur Aufgabe dieser Praxis, und diejenigen, die das φαγεῖν εἰδωλόθυτα καὶ πορνεῦσαι (noch) nicht praktizieren, zur standhaften Verweigerung derselben gegenüber aufzurufen, semantisch nur schwerlich kompatibel scheint. 413. Vgl. zu diesem Gedanken bereits o. 167–168. 414. Vgl. hierzu bereits o. 200–201. 415. Vgl. hierzu bereits o. 201.

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Das aber heißt in der Summe: Eine anaphorische Interpretation des Überwinderspruchs Apk 2,17b.c.d – und eine andere Möglichkeit ist in Sonderheit für die Erstrezipienten, denen der weitere Text der Apk zum Zeitpunkt der Rezeption von Apk 2,17b.c.d noch unbekannt ist, ausgeschlossen – ist für dieselben nur dann leistbar, wenn sie jenem in seiner Gesamtheit, insbesondere aber dem Partizip τῷ νικῶντι, auf der Basis eigener hermeneutischer Kreativität einen Sinn implementieren, der sich aus dem Text selbst weder semantisch noch syntaktisch ergibt. Dies stellte eine bemerkenswerte Auffälligkeit gerade angesichts der Tatsache dar, dass der Apokalyptiker im Rahmen des Corpus dieses Sendschreibens durchaus eine hohe syntaktische Relationalität kreiert416. Dieser Sachverhalt aber indiziert417, dass der Überwinderspruch Apk 2,17b.c.d nicht ursprünglich mit dem Corpus dieses Sendschreibens verbunden gewesen, sondern nachträglich oder aber sekundär an dasselbe angefügt worden ist. Auf der anderen Seite verbinden die Ausführungen in Apk 2,17d, vermittelt über das Motiv des ὄνομα καινὸν γεγραμμένον ὃ οὐδεὶς οἶδεν εἰ μὴ ὁ λαμβάνων (Apk 2,17d), den Überwinderspruch insgesamt mit dem in Apk 19,12c Ausgeführten: Hier wird die Figur des sog. ‚Messiasreiters‘ als eine beschrieben, die ἔχων ὄνομα γεγραμμένον ὃ οὐδεὶς οἶδεν εἰ μὴ αὐτός418, legen somit ein kataphorisches Verständnis des Überwinderspruches in seiner Gesamtheit nahe. Diese Beobachtung stützt die Annahme, dass der Überwinderspruch Apk 2,17b.c.d dem Corpus dieses Sendschreibens später hinzugefügt worden ist. Denkbar ist immerhin, dass im Zuge dieser Hinzufügung dann der Versuch unternommen worden ist, mit dem Hinweis auf das μάννα κεκρύμμενον semantisch lose an das in Apk 2,14c Ausgeführte anzuknüpfen, ohne dabei jedoch die dem Corpus selbst inhärente Argumentationslogik aufgreifen oder gar eine direkte kontrastanaloge Relation kreieren zu wollen. Im Blick auf die Relation des Überwinderspruches Apk 2,17b.c.d zu Apk 2,13– 16*, dem Corpus des Sendschreibens an die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Περγάμῳ ἐκκλησίας, ließe sich somit, wenn auch in einem etwas weiteren Sinne, redaktionstheoretisch bzw. -methodisch durchaus von einer Stichworterweiterung419 sprechen, im Blick auf die Relation des Überwinderspruchs zum 416. Diese syntaktische Relationalität wird etwa erkennbar in Apk 2,14a – hier leitet der Apokalyptiker das Folgende mit der adversativen Konjunktion ἀλλά ein – und in Apk 2,16a – hier verwendet er die Konjunktion οὖν in konsekutiv-koordinierendem Sinne (vgl. hierzu F. Blaß/A. Debrunner/F. Rehkopf, Grammatik, § 451.1, 381). 417. Vgl. zu den theoretischen Grundlagen dieser Schlussfolgerung ausführlich o. 28–37. 418. Vgl. zu diesem Zusammenhang bereits o. 28–37 und darüber hinaus auch D.E. Aune, Apk III, 1055: „There is a close verbal parallel in 2:17, where the victorious Christian is promised a white stone ὄνομα καινὸν γεγραμμένον ὃ οὐδεὶς οἶδεν εἰ μὴ ὁ λαμβάνων“. 419. Vgl. hierzu bereits o. 192.

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apokalyptischen Hauptteil hingegen – wiederum – von einer ‚Anker-Erweiterung‘420, mit deren Hilfe letzterer in der Darstellung Apk 2f. verankert werde. Diese redaktionstheoretische Bifunktionalität des Überwinderspruches Apk 2,17b.c.d in seiner Gesamtheit spiegelt sich deutlich in der inhaltlichen Struktur desselben: Mit dem erstgenannten Motiv, demjenigen der Gabe des μάννα κεκρύμμενον, knüpft der Überwinderspruch – semantisch allerdings nur außerordentlich lose – an das Corpus der an den pergamenischen ‚Gemeindeengel‘ gerichteten Epistel an, mit dem in Apk 2,17c.d aufgenommenen Element der Gabe einer ψῆφος λευκή und eines ὄνομα καινόν weist er auf den apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 voraus. Die Gesamtheit der in diesem Abschnitt angestellten Überlegungen lässt folgenden ursprünglichen Text des Sendschreibens an den ἄγγελος τῆς ἐν Περγάμῳ ἐκκλησίας wahrscheinlich erscheinen: τάδε λέγει ὁ [κύριος] ... (13) οἶδα ποῦ κατοικεῖς, ὅπου ὁ θρόνος τοῦ σατανᾶ, καὶ κρατεῖς τὸ ὄνομά μου καὶ οὐκ ἠρνήσω τὴν πίστιν μου καὶ ἐν ταῖς ἡμέραις Ἀντιπᾶς ὁ μάρτυς μου ὁ πιστός μου[, ὃς ἀπεκτάνθη] ... (14) ἀλλ᾽ ἔχω κατὰ σοῦ ὀλίγα ὅτι ἔχεις ἐκεῖ κρατοῦντας τὴν διδαχὴν Βαλαάμ, ὃς ἐδίδασκεν τῷ Βαλὰκ βαλεῖν σκάνδαλον ἐνώπιον τῶν υἱῶν Ἰσραὴλ φαγεῖν εἰδωλόθυτα καὶ πορνεῦσαι. (15) οὕτως ἔχεις καὶ σὺ κρατοῦντας τὴν διδαχὴν [τῶν] Νικολαϊτῶν ὁμοίως. (16) μετανόησον οὖν· εἰ δὲ μή, ἔρχομαί σοι ταχύ. III.4. DAS SENDSCHREIBEN AN DEN ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας Im Rahmen der Botenformel des Sendschreibens421 an den ἄγγελος422 τῆς ἐν Θυατείροις423 ἐκκλησίας in Apk 2,18b greift der Apokalyptiker auf Motive zurück, die bereits in der Darstellung der Epiphanie des ὅμοιος υἱὸς ἀνθρώπου, konkret in Apk 1,14f.424, Verwendung gefunden haben. Damit 420. Zu diesem Begriff vgl. bereits o. 175–176. 421. Gleich zu Beginn der Analyse des Sendschreibens an die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας sei darauf hingewiesen, dass der Aufbau und die Struktur desselben in der exegetischen Literatur zumindest z.T. als Problem empfunden wird; vgl. hierzu etwa U.B. Müller, Apk, 117, der feststellt: „Das Schreiben nach Thyatira erscheint in seinem Aufbau recht kompliziert“. Solche und ähnliche Äußerungen nähren den – zunächst freilich noch unbestimmten – Verdacht, dass diese Epistel in der Form, wie sie in der neutestamentlichen Apk vorliegt, nicht in einem Guss entstanden ist, sondern das Ergebnis eines Wachstumsprozesses darstellt. 422. Vgl. zur Figur dieses ἄγγελος bereits grundsätzlich o. 92–114. 423. Zur Stadt Thyatira vgl. etwa D.E. Aune, Apk I, 201, darüber hinaus auch G. Guttenberger, Johannes, 165–167. 424. Vgl. hierzu etwa A. Satake, Apk, 169, der diesen Aspekt explizit anspricht, darüber hinaus auch M. Stowasser, Sendschreiben, 52.

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wird einerseits das an die Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας gerichtete Sendschreiben semantisch mit dieser Epiphanieerzählung verknüpft, andererseits die Figur des ὅμοιος υἱὸς ἀνθρώπου als diejenige gekennzeichnet, die in diesem Sendschreiben das Wort nimmt. Motiv/Text in der Botenformel

Referenztext(e) in der Berufungsvision und Bezugnahmen im apokalyptischen Hauptteil

Apk 2,18b: τάδε λέγει ὁ υἱὸς τοῦ θεοῦ, ὁ ἔχων τοὺς ὀφθαλμοὺς αὐτοῦ ὡς φλόγα πυρὸς καὶ οἱ πόδες αὐτοῦ ὅμοιοι χαλκολιβάνῳ

Apk 1,14f.: ἡ δὲ κεφαλὴ αὐτοῦ καὶ αἱ τρίχες λευκαὶ ὡς ἔριον λευκόν ὡς χιὼν καὶ οἱ ὀφθαλμοὶ αὐτοῦ ὡς φλὸξ πυρὸς (15) καὶ οἱ πόδες αὐτοῦ ὅμοιοι χαλκολιβάνῳ ὡς ἐν καμίνῳ πεπυρωμένης καὶ ἡ φωνὴ αὐτοῦ ὡς φωνὴ ὑδάτων πολλῶν

Bemerkenswert ist, dass diese Botenformel – mit Ausnahme womöglich der Charakterisierung des in diesem Sendschreiben redenden Christus als des υἱὸς τοῦ θεοῦ425, die in invertierter Form in Apk 2,28a, also im Rahmen des Überwinderspruches, wiederkehrt426 – keinerlei semantische oder auch inhaltliche Bezüge zu den an dieselbe anschließenden Ausführungen des Sendschreibens in Apk 2,19–29 aufweist427. Dies und der Sachverhalt, dass die Botenformeln der ersten drei Sendschreiben – zumindest mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit – als sekundäre Hinzufügungen zu den jeweils ursprünglichen Texten der einzelnen Episteln zu begreifen sind428, lassen es 425. Diese Titulatur begegnet innerhalb der Apk nur hier in Apk 2,18b; vgl. hierzu etwa U.B. Müller, Apk, 117, der von einem „singuläre[n]. Gebrauch im Rahmen der Offb“ spricht. M. Karrer, Apk I, 327 weist darauf hin, dass dieses „Prädikat eine alte Herrschertitulatur [abbilde]. Seit Augustus beanspruchen die Kaiser des römischen Imperiums es“; Karrer zufolge signalisiere diese Prädikation, dass der in diesem Sendschreiben redende Christus „jeder irdischen Macht überlegen“ sei, was es für den Apokalyptiker „unsinning [erscheinen ließe], der Attraktivität irdischer Mächte samt den kaiserlichen Gottessöhnen zu erliegen“. 426. Vgl. hierzu bereits F. Spitta, Apk, 52: „…; daß der Hinweis auf die königliche Herrschaft über die Heiden 2,26f. irgendwie veranlaßt ist durch die auf Psalm 2,7 zurückgehende Selbstbezeichnung Jesu als ὁ υἱὸς τοῦ θεοῦ 2,18“. 427. Anders hier etwa U.B. Müller, Apk, 117, der die Phrase ὁ ἔχων τοὺς ὀφθαλμοὺς αὐτοῦ ὡς φλόγα πυρός Apk 2,18bβ als „Hinweis auf den durchdringenden Blick [der Person des in diesem Sendschreiben redenden Christus als] des Richters“ verstehen und, auf der Basis dieser Deutung, einen – wenn auch impliziten – inhaltlichen Bezug zwischen Apk 2,18bβ und Apk 2,23b.c definieren möchte; vgl. zu weiteren Vertretern dieser Interpretation A. Satake, Apk, 169, A. 81. Diese Auslegung lässt sich jedoch allenfalls auf der Ebene der Rezeption, nicht jedoch auf derjenigen des Textes selbst realisieren; dem entsprechend deutet etwa A. Satake die Ausführungen in Apk 2,18bβ als Ausdruck der „Kampfkraft des himmlischen Jesus“ (169). 428. Vgl. hierzu o. 139–147, 192–193 und 195.

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schon aus methodischen Gründen429 plausibel erscheinen, auch Apk 2,18b als dem Sendschreiben an den ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας nachträglich hinzugefügt zu verstehen. In Apk 2,19 kommt der in diesem Sendschreiben redende Christus dann auf das Verhalten des Adressaten dieser Epistel zu sprechen430, das er zunächst uneingeschränkt und umfassend lobt431, wobei er gerade auch dessen – in Relation zu früheren Zeiten offensichtlich deutlich verbessertes – Verhalten in der Gegenwart explizit würdigt432: οἶδά σου τὰ ἔργα καὶ τὴν ἀγάπην καὶ τὴν πίστιν433 καὶ τὴν διακονίαν434 καὶ τὴν ὑπομονήν σου435, καὶ τὰ ἔργα σου τὰ ἔσχατα πλείονα τῶν πρώτων436. Im Anschluss an dieses Lob folgen dann, wiederum eingeleitet durch die adversative Konjunktion ἀλλά, einige kritische Bemerkungen: Konkret wird dem ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας vorgeworfen, in seinem Umfeld die προφῆτις437 Ἰεζάβελ438 und deren Wirken zu tolerieren439; diese Prophetin und ihre Anhänger befleißigten sich, belehrt 429. Vgl. hierzu o. 25–37. 430. Allein schon diese Feststellung widerrät der Aussage von G. Guttenberger, Johannes, 180, der zufolge innerhalb des Sendschreibens an die Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας „die Fiktion der Adressierung an den Gemeindeengel durchgehend aufgegeben“ sei. Bis hin zu den Ausführungen in Apk 2,23a lässt sich vielmehr niemand anderer als der thyatirische ‚Gemeindeengel‘ als Adressat dieses Sendschreibens definieren. 431. Vgl. hierzu – wenn auch im Duktus der Argumentation der Forschungsmehrheit – U.B. Müller, Apk 117: „Einleitend erhält die Gemeinde großes Lob (Vers 19)“. 432. Vgl. hierzu etwa U.B. Müller, Apk, 117, immer im traditionellen Argumentationsduktus: „Die positive Kennzeichnung der Gemeinde schließt mit der Bemerkung, daß ihr letztes Verhalten besser sei als ihr früheres. Entgegen der Gemeindesituation in Ephesus (2,4f.) findet also die Gegenwart ein Lob“. 433. Nach U.B. Müller, Apk, 117 ist der Begriff der πίστις an dieser Stelle „als ethische Tugend“ zu verstehen und im Sinne von Glaubenstreue zu interpretieren; in diesem Sinne auch M. Karrer, Apk I, 328. 434. Zum Begriff der διακονία und dessen Verwendung in der Apk vgl. M. Karrer, Apk I, 328, A. 27 und A. Satake, Apk, 169f. 435. Zu den vier hier genannten Begriffen und deren Interpretation vgl. etwa A. Satake, Apk, 169f.; mit gewissem Recht merkt Satake an: „Die ‚Werke‘ … werden durch vier Begriffe erläutert, die alle grundsätzlichen Charakters sind; es ist schwierig, zu verdeutlichen, was mit ihnen konkret gemeint ist“ (169). 436. G. Guttenberger, Johannes, 168 möchte annehmen, „dass die [dem Terminus ἔργα] folgenden Substantive logisch untergeordnet werden und explikativ zu verstehen sind“. Das ist möglich, aber vom Text her, wie Guttenberger selbst einräumt, nicht indiziert. 437. Nach U.B. Müller, Apk, 118 „scheint [es], daß die Gemeinde diese Frau als Lehrerin und Prophetin anerkannte“. Wenn dies zuträfe, fragte es sich allerdings, warum der Apokalyptiker dann – in der Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας – die gesamte Gemeinde unmittelbar zuvor ob ihres in seinen Augen vollständig korrekten Verhaltens ausdrücklich lobt. 438. Vgl. zu dieser Namensgebung die Ausführungen von M. Karrer, Apk I, 329. 439. Vgl. zum in Apk 2,20 verwendeten Verbum ἀφίημι bereits o. 102. G. Guttenberger, Johannes, 172 formuliert, wenn auch im Kontext einer traditionellen Interpretation der Figur des ‚Gemeindeengels‘, durchaus zutreffend: „Die Gemeinde lässt eine Prophetin gewähren“.

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von ihr als spiritus rector, des πορνεῦσαι und des φαγεῖν εἰδωλόθυτα, pflegten somit offensichtlich eine zumindest in den Augen des Apokalyptikers – womöglich um der Sicherung des eigenen beruflichen Auskommens willen erfolgte440 – zu weit gehende Integration in die kultisch-religiöse Praxis der paganen Mehrheitsgesellschaft (Apk 2,20)441. Der προφῆτις Ἰεζάβελ, die bisher jegliche Umkehr verweigert habe (Apk 2,21)442, und ihren Anhängern, den μοιχεύοντες μετ᾽ αὐτῆς443, droht der in diesem Sendschreiben redenden Christus, beharrten sie in ihrer Verweigerungshaltung444, schwere Strafen an; eine weitere Gruppe, die ‚Kinder‘ der Prophetin, die τέκνα αὐτῆς445, scheint hingegen ohne jegliche Bußmöglichkeit bereits in der Gegenwart dem Tod geweiht zu sein (Apk 2,22.23a)446. An diesen Hinweis auf den Tod der τέκνα der προφῆτις Ἰεζάβελ mit der Konjunktion καί unmittelbar anschließend formuliert der in dieser Epistel redende Christus dann einen auf alle ἐκκλησίαι sich beziehenden 440. In diese Richtung denkt etwa U.B. Müller, Apk, 118: „Wollte man [als Christ] weiterhin in den Handwerksvereinen bleiben und an ihrem geselligen Leben teilnehmen wie bisher, so war der Genuss von Götzenopferfleisch geradezu unumgänglich“. 441. Vgl. hierzu die entsprechenden Ausführungen zu Apk 2,14 o. 200–202; vgl. hierzu auch U.B. Müller, Apk, 118: „Sie vermochte es, ein ethisches Verhalten christlich zu rechtfertigen, das im Einklang blieb mit den Sitten der heidnischen Gesellschaft in der Stadt“, und M. Karrer, Apk I, 330: „Die Prophetin teilt … das Anliegen der von der Apk in Ephesus und Pergamon bekämpften Gruppen, das Leben der jungen Gemeinde in die nichtchristliche Umgebung einzubetten“; allerdings dürften nach Karrer „sie und die Nikolaiten nicht zu einer Einheit“ verschmolzen werden. 442. Vgl. zu diesem Gesichtspunkt eine Beobachtung von A. Satake, Apk, 171, der feststellt: „Auffällig ist, dass die Verweigerung der Umkehr in der Offb sonst stets ein Akt von Ungläubigen ist“. 443. A. Satake, Apk, 172 fasst die Gruppe der μοιχεύοντες μετ᾽ αὐτῆς als „Gemeindeglieder, die ihre Anhänger geworden sind“; für diese sei „die Möglichkeit der Umkehr noch vorhanden“. 444. Nach A. Satake, Apk, 172 scheinen sowohl der Apokalyptiker als auch der in diesem Sendschreiben redende Christus „ihre Bekehrung nicht wirklich [zu] erwarte[n]. Die Beziehung zwischen ihnen und ihm ist so weit beschädigt, dass er sich nicht mehr direkt an sie wenden kann“. 445. Vgl. hierzu etwa H. Giesen, Apk, 120: „Christus droht den Kindern Isebels mit dem Tod“. A. Satake, Apk, 172 identifiziert diese Personengruppe als „solche Gemeindeglieder, die erst durch das Wirken Isebels in die Gemeinde eingetreten sind“. Dass deren Umkehr nicht thematisiert wird, erklärt er mit dem Hinweis, „dass sie nach dem Verständnis des V[er]f[assers]. von Anfang an keine Christen gewesen sind“. Anders hier D.E. Aune, Apk I, 206, der das Syntagma τὰ τέκνα αὐτῆς (Apk 2,23a) als Bezeichnung einer „group that should probably be identified with the disciples of ‚Jezebel‘ or members of her prophetic circle“ verstehen möchte; in diesem Sinne etwa auch H. Kraft, Apk, 70. 446. Nach H. Giesen, Apk, 120, seien „die genannten Strafen nicht wörtlich zu verstehen, sondern ziel[t]en auf das Gottesverhältnis der Isebel und ihrer Gefolgsleute. Die Strafe für ihren Glaubensabfall liegt darin, daß sie in großer Bedrängnis leben bzw. getötet werden, d.h. aus der Gemeinschaft mit Gott und seinem Gesalbten ausgeschlossen werden“.

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‚erkenntnistheoretischen‘ Grundsatz447, der die Erkenntnis seiner Person und deren ihr eignender Erkenntnisfähigkeit thematisiert und in einer eschatologischen, auf das Endgericht abzielenden Vergeltungsformel448 kulminiert: καὶ γνώσονται πᾶσαι αἱ ἐκκλησίαι ὅτι ἐγώ εἰμι ὁ ἐραυνῶν νεφροὺς καὶ καρδίας449, καὶ δώσω ὑμῖν ἑκάστῳ κατὰ τὰ ἔργα ὑμῶν450 (Apk 2,23b.c), wobei auffällig ist, dass er, anders noch als in Apk 2,20, die Adressaten zumindest der eschatologischen Vergeltungsformel in der 2. Person Plural anspricht451. Dieser Grundsatz und die Art und Weise seiner Formulierung evozieren interpretatorische Probleme, die im Rahmen seiner Auslegung zu diskutieren sind: (a) Im Blick auf diesen ‚erkenntnistheoretischen‘ Grundsatz selbst ist zunächst zu fragen: In welchem inhaltlichen Zusammenhang stehen die Ausführungen in Apk 2,23b zu denen in Apk 2,23c? Werden die Ausführungen von Jer 17,10 an dieser Stelle als alttestamentlicher Referenztext veranschlagt, so ergibt sich die Annahme, dass die Erforschung von Herzen und Nieren die Kriterien für das im Endgericht nach dem Maßstab der entsprechenden geleisteten ἔργα dann zu fällende Urteil liefert. Dieses konsekutive oder, je nach Blickrichtung, finale Verhältnis wird sowohl im hebräischen Text von Jer 17,10452 als auch in der LXX-Fassung453 dieses 447. U.B. Müller, Apk, 119 spricht im Blick auf Apk 2,23b.c von einer „Erkenntnisformel“. 448. Vgl. hierzu A. Satake, Apk, 173: „Mit der Vergeltung für jeden einzelnen nach seinen Werken ist das Endgericht gemeint“; in diesem Sinne auch U.B. Müller, Apk, 119 und J.-W. Taeger, Johannesapokalypse, 162 mit A. 189. 449. Zur Auslegung von Apk 2,23b und der in diesen Ausführungen beobachtbaren christologischen Akzentverschiebung vgl. etwa M. Karrer, Apk I, 331: „23b überträgt eine Beschreibung Gottes auf Christus, denn Gott ist es in den Schriften Israels, der Herzen und Nieren prüft und die Gerechten rettet, während sein Schwert aufblitzt über denen, die nicht umkehren“. 450. Nach D.E. Aune, Apk I, 206 – und nicht nur nach diesem – liegt an dieser Stelle eine Anspielung auf Jer 17,10 vor; zu weiteren denkbaren alttestamentlichen Subtexten vgl. etwa H. Giesen, Apk, 120f. 451. Dieser Sachverhalt wird in der exegetischen Diskussion kaum thematisiert; eine der wenigen Ausnahmen bilden die Ausführungen von A. Satake, Apk, 175. ֲ vgl. hierzu auch 452. ‫]כּ ְד ָר ָ֔כיו[ ִכּ ְפ ִ ֖רי ַמ ֲע ָל ָ ֽליו‬ ִ (‫)כּ ְד ָר ָכו‬ ִ ‫ישׁ‬ ֙ ‫הו֛ה ח ֵ ֹ֥קר ֵל֖ב בּ ֵ ֹ֣חן ְכּ ָלי֑ וֹת וְ ָל ֵ ֤תת ְל ִא‬ ָ ְ‫; א ִנ֧י י‬ die Übersetzungen von J. Fischer, Jer I, 540: „Ich, JHWH, bin erforschend Herz, prüfend Nieren, und [zwar], um zu geben jedem nach seinen Wegen nach der Frucht seiner Taten“, und J. Schreiner, Jer I, 109f.: „Ich, der Herr, erforsche das Herz und prüfe die Nieren, um jedem zu vergelten, wie es sein Verhalten verdient, entsprechend der Frucht seiner Taten“; vgl. darüber hinaus auch J. Fischer, Jer I, 555: „Seine Absicht bei diesem Prüfen ist nicht Neugierde oder akademischer Wissensdurst, sondern das Bemühen um rechte Vergeltung, entsprechend der Ausrichtung und den einzelnen Handlungen … einer Person“, und J. Schreiner, Jer I, 110: „Er [d.h. der Herr] übersieht hier nichs und bezieht das Ergebnis in sein vergeltendes Handeln mit ein“. 453. Ἐγὼ κύριος ἐτάζων καρδίας καὶ δοκιμάζων νεφροὺς τοῦ δοῦναι ἑκάστῳ κατὰ τὰς ὁδοὺς αὐτοῦ καὶ κατὰ τοὺς καρποὺς τῶν ἐπιτηδευμάτων αὐτοῦ.

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Verses explizit zum Ausdruck gebracht454, in Apk 2,23b.c jedoch gerade nicht455. Soll hier nicht von der – letzten Endes doch unwahrscheinlichen – Annahme ausgegangen werden, dass der Apokalyptiker bei der Abfassung von Apk 2,23b.c eine ausgerechnet in diesem Punkt sowohl von der MTals auch der LXX-Überlieferung auffällig abweichende Textvorlage verwendet habe, wäre zu erwägen, ob dieser auffällige Befund nicht mit der Annahme erklärt werden könnte, dass die Ausführungen in Apk 2,23b und Apk 2,23c verschiedenen Händen zuzuschreiben sind. Allerdings vermöchte diese exegetisch zumindest vordergründig ohnehin kaum belegbare zweite Annahme denselben letzten Endes auch nicht zu erklären, sondern die diesem inhärenten Probleme nur auf eine andere Ebene zu verlagern. (b) Darüber hinaus stellt sich die Frage, in welchem inhaltlichen Verhältnis die Ausführungen von Apk 2,23b.c zu denen in Apk 2,22.23a stehen, bzw., wie die die Ausführungen in Apk 2,23b einleitende Konjunktion καί zu interpretieren sei? In der Forschung werden zwischen diesen beiden Sätzen, je nach interpretativem Schwerpunkt, immer wieder eine den Aspekt der Erkenntnis betreffende konsekutive456 oder aber auch finale457 Relation postuliert. D.h.: Das Gericht an der προφῆτις Ἰεζάβελ und ihren Anhängern und Schülern hat die Erkenntnis eines alle Christen betreffenden universalen Gerichts zur Folge, oder aber: Das Gericht an der προφῆτις Ἰεζάβελ und ihren Anhängern und Schülern wird vollzogen werden, damit die übrigen Christen Erkenntnis über das möglicherweise sie selbst treffende endzeitliche Gericht gewinnen. Vor dem Hintergrund der Semantik der Konjunktion καί sind beide Relationen durchaus denkbar458; zumindest auffällig ist aber, dass der Apokalyptiker das inhaltliche Verhältnis 454. Zu den möglichen alttestamentlichen Textvorlagen des Apokalyptikers vgl. neuestens O. Cremer, Sohn Gottes, 6–9; Cremer geht davon aus, dass der Apokalyptiker sowohl die LXX- als auch die MT-Überlieferung, darüber hinaus womöglich noch andere Überlieferungen alttestamentlicher Texte als Vorlage verwendet hat. 455. H. Ulland, Vision, 110 liest die Ausführungen in Apk 2,23c als Hinweis auf einen dem in diesem Sendschreiben redenden Christus zuteil gewordenen Autoritätszuwachs, der es ihm dann erlaubte, „sogar Herzen und Nieren erforschen zu können bzw. erforscht zu haben“. Dieser Interpretation widerrät jedoch schon die Reihenfolge des in Apk 2,23b.c Dargestellten. 456. Eine solche Relation scheint A. Satake zu postulieren, wenn er formuliert: „V. 23b beschreibt, welche Folgen der Vollzug der Strafen für die übrigen Christen hat“ (Apk, 173). 457. In diesem Sinne scheint U.B. Müller, Apk, 119 zu denken: „Das Gericht an ‚Isebel‘ soll für die Gemeinde der Anstoß sein, Christi unentrinnbares Richterhandeln zu erkennen“; ähnlich hier auch H. Giesen, Apk, 121: „Das Gericht in der Zeit … wird zum Paradigma für das endzeitliche Gericht“. 458. Vgl. hierzu F. Blaß/A. Debrunner/F. Rehkopf, Grammatik, § 442, s.v. καί, 367f.; sie schreiben der Konjunktion καί hier zumindest potentiell sowohl konsekutive als auch finale Implikationen zu. Im Blick auf die Kontextualisierung eines καί consecutivum halten sie allerdings fest: „Durch καί wird die Folge gewissermaßen verselbständigt, ohne dabei aber ein

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von Apk 2,22.23a zu Apk 2,23b – etwa durch die Verwendung der Konjunktionen ὥστε oder ἵνα – nicht deutlicher definiert. Auch dieser Sachverhalt – für sich genommen – könnte darauf hinweisen, dass sich die Bemerkung in Apk 2,23b – u.U. gemeinsam mit dem in Apk 2,23c Ausgeführten – einer späteren Hand verdankt; zumindest ließe er sich vor dem Hintergrund einer solchen Annahme mit einer gewissen Plausibilität erklären. An dieser Stelle kommt allerdings ein weiterer Aspekt hinzu, der die o. beschriebene, zunächst rein syntaktisch zu analysierende Problematik letzten Endes inhaltlich weiterentwickelt: Zu fragen ist nämlich, inwieweit die Ankündigung des Todes der τέκνα der προφῆτις Ἰεζάβελ bzw. allgemeiner die Ankündigung der Bestrafung derselben und ihrer Anhänger überhaupt die Erkenntnis des in diesem Sendschreiben redenden Christus als einer Gestalt, der die νεφροί und die καρδίαι, somit das Innerste eines Menschen459, zu prüfen vermag, evozieren kann460. Immerhin liegen und treten doch nach Apk 2,20 zunächst die διδαχή dieser Prophetin, dann aber auch deren lebenspraktische Konsequenzen und deren Auswirkungen auf das Miteinander in der thyatirischen Gemeinde augenscheinlich so offen zutage, dass es kaum einer eingehenden individuellen Prüfung der νεφροί und der καρδίαι der einzelnen Christen Thyatiras bedarf, um die Gefolgsleute der προφῆτις Ἰεζάβελ aus der Gesamtmenge derselben herauszufiltern461. Die selbständiger Satz zu werden“ (370); dies trifft auf das Apk 2,23b.c Ausgeführte allerdings nicht zu. 459. Vgl. hierzu W. Bauer/B. Aland, Wörterbuch, s.v. νεφρός, 1086f.; sie sprechen vom „Innerlichste[n]“ eines Menschen (1087); vgl. hierzu auch H. Ulland, Vision, 110, A. 425. 460. Einen engeren inhaltlichen Zusammenhang zwischen Apk 2,20–23a und Apk 2,23b verneint H. Ulland, Vision, 110: „Christus erforscht Nieren und Herzen: Ihm bleibt also keine Irrlehre und Ketzerei verborgen, die sich in den Gemeinden ausbreitet. Das bedeutet nicht, daß es sich bei Isebel und deren Anhängern um verborgene Ketzereien handeln muß, die nur durch die Allwissenheit des Offenbarers zu erkennen sind, sondern es handelt sich hierbei zunächst um eine Aussage über den Erhöhten, durch die er neben der Funktion in der Gnadenlehre auch eine in der Lehre vom Gericht erhält“. Träfe dies zu, wäre aber doch einerseits zu fragen, warum der Apokalyptiker das in Apk 2,23b.c Ausgeführte ausgerechnet an Apk 2,23a anschließt, andererseits dann aber auch, wie die (Erst-)Rezipienten der Apk diese von Ulland postulierte Interpretation ohne entsprechende Textsignale denn hätten entwickeln können und sollen. 461. Dieses Problem thematisiert immerhin A. Satake, Apk, 173, allerdings mit einer kaum überzeugenden Lösung: „Die Aussage, Christus sei es, der ‚Nieren und Herzen untersucht‘ …, setzt voraus, dass es auch unter denjenigen, die regelmäßig den Gottesdienst besuchen, Anhänger Isebels gibt, die man nicht leicht ausfindig machen kann“; ähnlich hier auch H. Kraft, Apk, 70: „V. 23 zeigt, daß wir uns die Vergehen der Nikolaiten nicht allzu offensichtlich vorstellen dürfen, sondern daß es des Herz und Nieren prüfenden göttlichen Scharfsinns bedarf, um ihre Bosheit in deren ganzem Ausmaß zu erkennen. Die Nikolaiten können ihre Schlechtigkeit vor der Gemeinde, wenigstens teilweise, verborgen halten, aber nicht vor dem Blick Gottes“.

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Erstrezipienten dieses Textes können diese hier aufgewiesene und als inhaltliche Spannung462 zu definierende Inkohäsion463 letzten Endes nur bewältigen, wenn sie entweder – explizit gegen die Ausführungen von Apk 2,20– 23a – die προφῆτις Ἰεζάβελ und ihre Anhänger als nur schwer erkenn- und identifizierbar begreifen, oder aber, ohne sich dafür auf entsprechende Textsignale berufen zu können, einen inhaltlichen Bezug zwischen Apk 2,20–23a und Apk 2,23b gänzlich in Abrede stellen464. M.a.W.: Die hier aufgewiesene Kohäsion ist nur zu bewältigen, wenn die Erstrezipienten – und nicht nur diese – eine Inferenz, d.h. eine nicht aus dem Text selbst sich ergebende konstruktive Operation vornehmen, mit deren Hilfe diese inhaltliche Spannung dann überformt werden kann. Dies aber indiziert die Annahme, dass das in Apk 2,23b Ausgeführte als eine sekundäre Zutat anzusehen sei. (c) Zu fragen ist drittens, wer mit den in Apk 2,23b angesprochenen πᾶσαι αἱ ἐκκλησίαι465 gemeint ist? Denkbar ist, dass es sich hier um die sieben in der Apk angeschriebenen Gemeinden handelt (Apk 1,4.11). Dagegen scheint augenscheinlich zu sprechen, dass in Apk 1,4.11 das Substantiv ἐκκλησίαι nicht ohne das zugehörige Numeral ἑπτά begegnet, eine Beobachtung, die den Raum öffnet für die Annahme, dass das Syntagma πᾶσαι αἱ ἐκκλησίαι auch über den Kreis der in der Apk angeschriebenen sieben Gemeinden hinausweisen könnte466. Wenn dies zuträfe, ergäbe sich aber unmittelbar die Frage, warum diese Ausweitung in den Rahmen eines an eine Einzelperson – die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας467 462. Vgl. zu diesem Begriff bereits o. 33 mit A. 32. 463. Vgl. zu diesem Terminus bereits o. 26 mit A. 9. 464. Vgl. zu diesem Interpretationsansatz auch A. Satake, Kirche, 344, A. 50; hier bezeichnet Satake das in Apk 2,23b Ausgeführte als ein zwischen die inhaltlich zusammenhängenden Passagen Apk 2,23a und 2,23c eingefügtes „Zwischenstück“, eine Position, die er in seinem Kommentar zur Apk dann – bedauerlicherweise – aber wieder zurücknimmt (173, A. 93). 465. Wenn U.B. Müller, Apk, 119 im Zusammenhang der Auslegung von Apk 2,23 singularisch von ‚der‘ Gemeinde spricht (vgl. hierzu o.), ist die in Apk 2,23b begegnende pluralische Formulierung übersehen. 466. Vgl. in diesem Sinne etwa H. Ulland, Vision, 111: „Diese explizite Ausweitung ist einmalig in der Apk und wurde in der Forschung als Synonym für ‚die sieben Gemeinden‘ verstanden. Wenn man dagegen Ernst macht mit der Beobachtung, daß die sieben Gemeinden eigentlich ein Symbol für alle Gemeinden, sprich: die Kirche Kleinasiens, sind, dann kann in dieser Formulierung ein Beleg dafür gesehen werden, daß der Geltungs- und Rezeptionsbereich der Apk schon vom Text aus über die sieben genannten Gemeinden hinausgehen soll“. Wenig überzeugend hingegen hier etwa U.B. Müller, Apk, 119, der diese Ausweitung zu übersehen scheint, wenn er formuliert: „Das Gericht an ‚Isebel‘ soll für die Gemeinde [!] der Anstoß sein, Christi unentrinnbares Richterhandeln zu erkennen“ (anders dann allerdings 119f.: „Das zeitliche Gericht an ‚Isebel‘ hat eschatologiche Dimension für die Gemeinden insgesamt [!]“). 467. Vgl. hierzu o. 92–114.

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– oder, wird die traditionelle Deutung dieser Figur zugrundegelegt, an eine einzelne Gemeinde gerichteten Schreibens implementiert wird468. Bezöge sich das Syntagma πᾶσαι αἱ ἐκκλησίαι jedoch auf die sieben in der Apk angeschriebenen Gemeinden – und diese Annahme hat vor dem Hintergrund des in Apk 1,4.11 Ausgeführten immerhin eine erhebliche rezeptionsästhetische Plausibilität für sich –, wäre in ähnlicher Weise näherhin zu begründen, warum der Apokalyptiker diese den Weckruf Apk 2,29469 letztlich vorwegnehmende Ausweitung der Adresse in den Rahmen der an die Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας gerichteten Epistel einarbeitet. Zudem hängt von der Interpretation des Syntagma πᾶσαι αἱ ἐκκλησίαι zu einem großen Teil die Frage nach der Deutung des Possesivpronomens ὑμῶν Apk 2,23c ab. Wäre dieses Syntagma auf die Christenheit insgesamt auszuweiten, bezeichnete das entsprechende Possesivpronomen eben diese, bezöge sich ersteres auf die sieben in der Apk angeschriebenen Gemeinden, bezeichnete letzteres die in diesen ἐκκλησίαι versammelten Christen. Schließlich ist es zumindest nicht unmöglich, dieses Possessivpronomen auch auf die Menge der Christen der Gemeinde zu Thyatira zu beziehen470. Die Tatsache, dass der Apokalyptiker seine Apk Apk 1,4.11 zufolge offensichtlich an einen begrenzeten Kreis von Christen adressieren wollte, scheint schon aus rezeptionsästhetischen Gründen, – wiederum – die erste der o. formulierten Annahmen auszuschließen.

Für diese aus beiden Interpretationsansätzen sich ergebende, sehr ähnlich konturierte Frage liefert die o. bereits begründete Annahme, Apk 2,23b stelle eine spätere Hinzufügung dar, wird sie denn redaktionsgeschichtlich weiterentwickelt, die Grundlage für eine nicht nur denkbare, sondern auch plausible Erklärung: Wird nämlich angenommen, dass die Ausführungen von Apk 2,23b dem Sendschreiben an die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας im Zuge entweder der Zusammenfügung der in Apk 1–3 sekundär zusammengestellten471 Texte zu einer unabhängig existierenden Texteinheit oder aber im Zuge der Komposition der Gesamt-Apk erfolgt sei, ergäbe sich angesichts der damit vollzogenen Ausweitung des zunächst nur aus der Figur des thyatirischen Gemeindeengels bestehender Rezipientenkreises durchaus die schriftstellerische Möglichkeit, in einen ursprünglich 468. A. Satake, Apk, 173 sieht „die Entwicklung des Gedankengangs von V. 23a zu V. 23b … durch alttestamentliche Prophetenschriften, vor allem durch Ez beeinflußt“; konkret verweist er hier auf Ez 25,3–5. 469. Zum Element des Weckrufes vgl. bereits ausführlich o. 149–158. 470. In diesem Sinne etwa A. Satake, Apk, 173, der formuliert: „Der Maßstab bei der Vergeltung sind ‚eure Werke‘…, also ihr Verhalten gegenüber der Lehre Isebels; an die Werke im allgemeinen ist nicht gedacht“. 471. Vgl. zu der Annahme, dass es sich bei den sieben in Apk 2f. überlieferten Sendschreiben um ursprünglich selbständig existierende Texteinheiten gehandelt habe, bereits o. 145–146.

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individuell adressierten Text kollektiv ausgerichtete Aussagen einzuarbeiten. Dass der Apokalyptiker diesen auf die Erkenntnisfähigkeit des in diesem Sendschreiben redenden Christus zielenden Hinweis, verknüpft mit der Apk 2,23c folgenden Ankündigung eines Gerichts nach den Werken, ausgerechnet an das in Apk 2,23a Gesagte angeschlossen hat, mag damit zusammenhängen, dass hier innerhalb der sieben Sendschreiben letztmalig das Auftreten von Irrlehrern und – zumindest aus der Sicht des Apokalyptikers – ‚falschen‘ Propheten thematisiert wird. Ihnen und ihren Anhängern gegenüber unterstriche der Apokalyptiker die ‚erkenntnistheoretische‘ Autorität des ἀρνίον Christus, die ihn – und zwar ihn allein – dazu befähigt und berechtigt, das Gericht nach den Werken zu vollziehen (Apk 2,23c). (d) Viertens muss das Problem der Relation der in Apk 2,23c erwähnten ὑμεῖς zu dem in Apk 2,18a als Adressat der der hier diskutierten Epistel genannten ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας thematisiert werden. Wenn es sich bei den ὑμεῖς – und andere Möglichkeiten scheinen hier schlicht undenkbar – entweder um die Menge der in der Apk insgesamt angeschriebenen Christen oder aber um die Menge der Christen der thyatirischen Gemeinde handelt, ergeben sich unmittelbar zwei Fragen: Einerseits, warum der Apokalyptiker in einem an die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας, somit also an eine einzelne Person472 gerichteten Schreiben eine solche offensichtliche Adressatenerweiterung473 vornimmt474, 472. Zur Deutung der Figuren der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν vgl. bereits ausführlich o. 92–114. 473. Vgl. hierzu H. Ulland, Vision, 110: „[Apk] 2,23 weitet den Adressatenkreis aus. Wie schon mehrfach erwähnt, finden sich in den Sendschreiben Anreden in der 2. Pers. Pl., die die literarische Fiktion, die Sendschreiben seien an die Engel der Gemeinden gerichtet, durchbrechen, und die die Gemeinden als die eigentlichen Adressaten vorstellen“. Ulland zufolge läge in Apk 2,23 also keine reale Erweiterung des Adressatenkreises vor, sondern der Apokalyptiker nähme mit seinen dortigen Ausführungen lediglich die von Anfang dieses Schreibens an intendierte Adressatengruppe, nun jedoch ohne jegliche metaphorische Verhüllung, in den Blick. Eine solche These evoziert aber die Frage nach der Intention der in der ursprünglichen Adresse des an den ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας gerichteten Sendschreibens vorgenommenen Metaphorisierung der eigentlichen Adressatengruppe. M.a.W.: Warum hat der Apokalyptiker dieses Sendschreiben nicht sofort unmittelbar an die Gesamtheit der Christen Thyatiras adressiert? Vgl. zu dieser Frage im allgemeineren Kontext der Sendschreiben insgesamt bereits o. 92–114. 474. Vgl. zu diesem Phänomen bereits o. 80–83, 132–133 und 179–180. Nur wenig zureichend scheint hier die Auskunft A. Satakes zu sein, der den hier vorliegenden Wechsel in der Anrede mit dem Hinweis zu erklären sucht, dass der Apokalyptiker „durch die direkte Anrede (die 2. Pers. Pl.) … ihre [d.h. der Rezipienten] Aufmerksamkeit wecken“ (Apk, 173) möchte. Diese Auskunft verkennt, dass der Wechsel von der zweiten Person Singular in die zweite Person Plural kein singuläres Phänomen des Sendschreibens an die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας darstellt, sondern innerhalb der sieben Sendschreiben häufiger zu beoachten, jedoch keineswegs in jedem Falle mit dem Hinweis auf eine mögliche Steigerung der Aufmerksamkeit der Rezipienten zu erklären ist.

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andererseits, wie die (Erst-)Rezipienten dieses Sendschreibens diese als sachliche Spannung zu definierende textliche Diskontinuität überwinden sollen, zumal insbesondere angesichts der zuvor rezipierten, den bildspendenden Bereich bzw. die Bildebene betreffenden Ausführungen von Apk 1,20b, die eine deutliche Differenzierung zwischen den einzelnen Gemeindeengeln und den Gemeinden selbst indizieren475. Insbesondere dieser letzte Hinweis aber nötigt zu der Annahme, dass das Postulat einer identitär-reziproken Verhältnisbestimmung der Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας zu der Gruppe der in Apk 2,23c angesprochen ὑμεῖς – und ausschließlich eine solche würde die hier angezeigte Inkohäsion überwinden können – nur geleistet werden kann, wenn die (Erst-)Rezipienten dieselbe auf der Basis einer von ihnen vorgenommenen Inferenz eigenständig und letztlich gegen den Text der Apk selbst entwickeln476. Diese Überlegung aber lässt auch das in Apk 2,23c Ausgeführte als eine sekundäre, dem ursprünglichen Sendschreiben nachträglich hinzugefügte Zutat erscheinen. Diese Zutat sei – und damit ließe sich auch die Frage nach der Ursache bzw. dem Anlass der o. konstatierten Adressatenerweiterung beantworten – zu dem Zeitpunkt in das an die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας gerichtete Sendschreiben eingefügt worden, an dem dieses und auch die sechs anderen Episteln nicht mehr als an individuelle Gestalten, sondern an kollektiv zu definierende Adressaten, eben an einzelne Gemeinden, gerichtet verstanden worden sind. (e) Schließlich ist die Relation zumindest des in Apk 2,23c Ausgeführten zu dem in Apk 2,26–28 vorliegenden Überwinderspruch näher in den Blick zu nehmen, dies vor allem deswegen, da sich beide Passagen auf das Endgericht beziehen und, wie die in beiden Passagen belegte Verwendung des Futurums δώσω (Apk 2,26bα477) und des Terminus ἔργα (Apk 2,26aβ)478 zeigen, auch offenkundige begriffliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Ihre 475. Vgl. zu den Ausführungen in Apk 1,20b bereits ausführlich o. 77–92. 476. Vgl. zu diesem Gesichtspunkt bereits o. 28–29. 477. Das Prädikat δώσω begegnet zudem im Rahmen des Überwinderspruchs Apk 2,26– 28 noch einmal in Apk 2,28b. 478. Allerdings begegnet dieser Terminus in Apk 2,23c mit einem auf die in diesem Vers Angesprochenen bezogenen Possesivpronomen (τὰ ἔργα ὑμῶν), in Apk 2,26aβ mit einem Possesivum, das sich auf die Person des in diesem Sendschreiben redenden Christus bezieht (τὰ ἔργα μου). A. Satake, Apk, 174 sieht in dem Syntagma τὰ ἔργα μου Apk 2,26aβ augenscheinlich ausschließlich eine Replik auf die ἔργα der προφῆτις Ἰεζάβελ (Apk 2,22c), ohne jedoch an dieser Stelle die Ausführungen in Apk 2,23c oder auch diejenigen in Apk 2,19 – hier werden die ἔργα des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας angesprochen – in den Blick zu nehmen; vgl. zu dieser These auch M. Karrer, Apk I, 330: „Entsprechend sind die τὰ ἔργα αὐτῆς [d.h. die Werke der προφῆτις Ἰεζάβελ] … in V. 22 die Taten der Prophetin im Sinne der ‚Taten, zu denen sie anleitet‘, analog zu τὰ ἔργα μου, den Taten, zu denen Jesus anleitet“.

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offensichtlich identische eschatologische Ausrichtung und ihre begrifflichen Gemeinsamkeiten lassen die Ausführungen in Apk 2,26 in ihrer Gesamtheit durchaus als eine inhaltliche Bezugnahme auf oder eine inhaltliche Anknüpfung an das in Apk 2.23c Ausgeführte erscheinen. In diesem Zusammenhang verdient der Umstand Beachtung, dass die in Apk 2,26a begegnende partizipial formulierte Kautele des Überwinderspruches Apk 2,26–28 eine charakteristische Erweiterung erfahren hat: Während innerhalb der bis dato formulierten Überwindersprüche an dieser Stelle lediglich die Formulierung ὁ νικῶν bzw. τῳ νικῶντι begegnete (Apk 2,7.11.17), formuliert der Apokalyptiker in Apk 2,26a: καὶ ὁ νικῶν καὶ ὁ τηρῶν ἄχρι τέλους τὰ ἔργα μου, ergänzt die bis augenscheinlich übliche partizipiale Wendung also um den Hinweis ὁ τηρῶν ἄχρι τέλους τὰ ἔργα μου479. Unabhängig von der Frage des Bezugs des Possessivums μου480 – hier ist grundsätzlich nur die Person des in diesem Sendschreiben redenden Christus, nicht jedoch diejenige des Apokalyptikers denkbar481 – legen diese Beobachtungen in ihrer Gesamtheit durchaus die Annahme nahe, die Ausführungen in Apk 2,23c und diejenigen in Apk 2,26a.b als eine Inklusion zu begreifen, die das in Apk 2,24f. Gesagte einschließen bzw. in die das in Apk 2,24f. Gesagte implementiert ist. Dies könnte im Rahmen der Frage nach der Art und Weise des Prozesses des Wachstums des Textes Apk 2,18–29 die Annahme indizieren, dass Apk 2,23c und Apk 2,26–28 ein- und derselben – in diesem Falle späteren – Hand zuzurechnen sind. Denkbar ist freilich auch, dass diese Inklusion sekundär kreiert worden ist, dass sich Apk 2,23c und Apk 2,26–28 also zwei 479. D.E. Aune, Apk I, 208 möchte diesen ergänzenden Hinweis als konkretisierende Definition des mit der Wendung ὁ νικῶν Explizierten wahrnehmen: „This promise-to-thevictor formula differs from the parallel formulas in Rev 2–3 in that the substantival participle ὁ νικῶν … is coordinated with an additional substantival participle ὁ τηρῶν … which serves to further delineate the specific meaning of ὁ νικῶν“; vgl. in diesem Sinne auch R.H. Charles, Apk I, 74, W. Hadorn, Apk, 55: „Das Überwinden ist für die Christen von Thyatira vor allem ein Festhalten an den Werken Jesu, im Gegesatz zu den ἔργα αὐτῆς“, und M. Karrer, Apk I, 335: „Sieger ist demnach, wer die Taten bis zum Ende festhält, zu denen Jesus anleitet und befähigt“. Genauso gut aber ist denkbar, die Wendung καὶ ... καί im Sinne eines korrelativen „sowohl … als auch“ (vgl. hierzu etwa F. Blaß/A. Debrunner/F. § 444, 373f.) zu interpretieren und die beiden Elemente dieser Wendung als gleichberechtigt nebeneinander stehend aufzufassen, somit also zu übersetzen: „der, der sowohl siegt als auch meine Werke bis zum Ende bewahrt, …“; in diesem Sinne scheint G.K. Beale, Apk, 266 zu denken: „Christ promises that those who ‚overcome‘ compromise and who discipline the compromising Jezebel party will reign with him in his kingdom“; vgl. hierzu auch C.R. Koester, Apk, 301. 480. Zu den mit der Wendung τὰ ἔργα μου insgesamt verbundenen interpretatorischen Problemen vgl. D.E. Aune, Apk I, 209. 481. In diesem Sinne allerdings A. Satake, Apk, 174: „Aufgrund der Entsprechung zu der Formulierung ‚was ihr habt‘ in V. 25 ist anzunehmen, dass ‚meine Werke‘ die Verkündigung des V[er]f[assers]. bezeichnet. Der Ausdruck erinnert an ‚ihre (Isebels) Werke‘ in V. 22. Beide ‚Werke‘ stehen im schroffen Gegensatz zueinander“.

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DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN APK 2–3

verschiedenen späteren Händen verdanken. Diese Überlegung wird gestützt durch die Beobachtung, dass in Apk 2,23c der Begriff der ἔργα mit dem Possesivpronomen ὑμῶν, in Apk 2,26a hingegen mit dem Possesivpronomen μου verknüpft ist; darüber hinaus darf nicht übersehen werden, dass zumindest in Apk 2,23c insgesamt die 2. Person Plural, nicht jedoch, wie in Apk 2,26–28, die 3. Person Singular die Darstellung prägt. Die Annahme, die Ausführungen in Apk 2,23c und Apk 2,26a.b seien – ursprünglich oder aber sekundär – bewusst als Inklusion von Apk 2,24f. komponiert, erklärte zudem zwanglos, warum im Rahmen des Sendschreibens an den ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας erstmalig der Weckruf auf den Überwinderspruch und nicht, wie in den ersten drei Sendschreiben in Apk 2, der Überwinderspruch auf den Weckruf folgt. Die Absicht, Apk 2,23c und Apk 2,26a.b das in Apk 2,24f. Gesagte inkludieren zu lassen, musste zwangsläufig zu einer Verschiebung des Weckrufes an das Ende des Überwinderspruches führen. In den drei letzten, in Apk 3 überlieferten Sendschreiben, hätte der Apokalyptiker diese nun neue Reihenfolge einfach weitergeführt482.

In Apk 2,24 wendet sich der Apokalyptiker dann, eingeführt durch das Personalpronomen ὑμῖν und die Partikel δέ, einer aus der Menge der Christen Thyatiras herauszuhebenden Gruppe zu, nämlich denjenigen, die die διδαχὴ ταύτη, d.h. die von der προφῆτις Ἰεζάβελ propagierte διδαχή, nicht ‚haben‘, d.h., dieser Lehre weder folgen noch diese lehren483. Die dieser Gruppe Zugehörigen werden in Apk 2,24b und 2,24c in doppelter Weise definiert484, 482. Wenig überzeugend hier die Argumentation von U.B. Müller, Apk, 120, der den hier in Rede stehenden Sachverhalt durch die Ausführungen in Apk 2,25b evoziert verstehen möchte; der in Apk 2,25b erscheinende Hinweis auf das (Wieder-)Kommen des Christus verleihe der Mahnung Apk 2,25a eine „besondere Dringlichkeit“ (120), die in ähnlicher Weise von dem unmittelbar daran anschließenden Überwinderspruch expliziert werde: „Speziell leistet dies [d.h. die besondere Dringlichkeit [!]] der unmittelbar angefügte Überwinderspruch, der hier zum ersten Mal in den Sendschreiben vor dem Weckruf steht“. Inwieweit freilich der Überwinderspruch das Momentum der Dringlichkeit der in Apk 2,25a formulierten Mahnung transportieren sollte, bleibt im Rahmen der Argumentation Müllers offen. 483. Vgl. hierzu etwa A. Satake, Apk, 173: „In V. 24f wendet sich der V[er]f[asser]. an die treuen Gemeindeglieder in Thyatira“; angesichts des Sachverhaltes, dass die Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας in der gegenwärtigen exegetischen Literatur in der Regel mit der thyatirischen Gemeinde identifiziert wird, evoziert diese Einschränkung rückwirkend die Frage, warum der Apokalyptiker in Apk 2,19 denn am Anfang dieser Epistel das Verhalten der Gemeinde in ihrer Gesamtheit lobt, wiewohl es nach Apk 2,23f. in derselben jedoch nur eine – womöglich eher kleine – Gruppe gibt, die sich aus seiner Sicht auf dem richtigen, d.h. glaubenstreuen Weg befindet; argumentationslogisch wäre es bedeutend sinnvoller gewesen, die Heterogenität der Gemeinde von Anfang an in den Blick zu nehmen und expressis verbis nur die zu loben, die sich aus der Perspektive des Apokalyptikers richtig und damit glaubenstreu verhalten. In diesem Sinne liefern die Ausführungen in Apk 2,23f. ein klares Argument für die Interpretation der Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας als einer individuellen Person. 484. Vgl. hierzu A. Satake, Apk, 173: „Sie [d.h. die Mitglieder dieser Gruppe] sind durch zwei Nebensätze näher charakterisiert“.

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zunächst eben als solche, die sich der διδαχή der προφῆτις Ἰεζάβελ bis dato verweigert haben (Apk 2,24b), daran anschließend dann als solche, die οὐκ ἔγνωσαν τὰ βαθέα τοῦ σατανᾶ ὡς λέγουσιν (Apk 2,24c), wobei sich der in der dritten Person Plural formulierte Satz ὡς λέγουσιν auf die Äußerungen der προφῆτις Ἰεζάβελ und ihrer Anhänger beziehen dürfte485. Dieser Gruppe innerhalb der thyatirischen Gemeinde will der in diesem Sendschreiben redende Christus keine andere Last (ἄλλο βάρος) auferlegen (Apk 2,24d); er fordert sie allerdings auf, bis zu seinem (Wieder-)Kommen das festzuhalten, was sie haben (Apk 2,25): πλὴν486 ὃ ἔχετε κρατήσατε ἄχρι[ς] οὗ ἂν ἥξω487. In der exegetischen Literatur werden die Ausführungen in Apk 2,25 häufig als Parallele zu Apk 3,11 angesehen488. Allerdings sind, auch wenn eine sachliche Parallelität der in diesen beiden Versen vorliegenden Ausführungen durchaus konzediert sei, die Unterschiede in Formulierung und Inhalt doch frappant: (a) Während in Apk 2,25 in der 2. Person Plural formuliert wird, stehen die Ausführungen in Apk 3,11 in der 2. Person Singular. (b) Während in Apk 2,25b das Futur des Verbums ἥκω verwendet wird489, um das endzeitliche Kommen des in diesem Sendschreiben redenden Christus zu verbalisieren, begegnet in Apk 3,11a, um dieses Ereignis zu explizieren, das Präsens des Verbums ἔρχομαι. (c) In Apk 3,11c spricht der Apokalyptiker von einem dem ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας eignenden στέφανος, den es nicht zu verlieren gilt: ἔρχομαι ταχύ· κράτει ὃ ἔχεις, ἵνα μηδεὶς λάβῃ τὸν στέφανόν σου. In Apk 2,25 ist von einem solchen στέφανος nicht die Rede. Diese hier aufgewiesenen Differenzen zwischen den Ausführungen in Apk 2,25 und dem in Apk 3,11 Gesagten evozieren die Frage nach dem Anlass bzw. der Ursache, die den Apokalyptiker dazu angeregt haben mögen, in Apk 2,25 sprachlich, aber auch inhaltlich so deutlich anders als in Apk 3,11 zu sprechen. 485. In diesem Sinne etwa A. Satake, Apk, 173. 486. W. Bauer, Wörterbuch, 1346, s.v. πλήν sieht dieses Adverb hier als „ein die Erörterung abschließend[es] u[nd]. das Wesentl[iche]. hervorhebend[es]“ an und übersetzt mit „nur, jedenfalls“. 487. Zur Auslegung von Apk 2,25a vgl.u. 226–231; sehr allgemein an dieser Stelle R.H. Charles, Apk I, 74: „Once and for all take a firm hold … on these duties incumbent on you, and shun absolutely the sacrificial feasts of the heathen and the moral evils that attend on them“. 488. Vgl. hierzu etwa D.E. Aune, Apk I, 208: „This statement has a close parallel in 3:11, where the motif of the coming of Christ (i.e., the Parousia) is combined with that of ‚maintaining what you have‘“; allerdings führt Aune im weiteren Verlauf einschränkend aus: „…, though there the verbs are in the second person singular“. 489. Anders hier W. Bousset, Apk, 221, der aber durchaus auch die Außergewöhnlichkeit des in Apk 2,25b vorliegenden Sprachgebrauchs konzediert: „Wegen des feststehenden Sprachgebrauchs der Apk muß ἥξω als Konjunktiv von einem ungewöhnlichen ἧξα aufgefaßt werden“; in diesem Sinne auch R.H. Charles, Apk I, 74: „ἥξω is to be taken as a subjunctive of the aorist ἥξω since ἄχρι in our author elsewhere is followed by the subjunctive“.

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Auch die Ausführungen in Apk 2,24f. geben zu zahlreichen (Nach-) Fragen Anlass: (a) Zunächst: Was ist näherhin gemeint mit dem Syntagma τὰ βαθέα τοῦ σατανᾶ bzw. mit dem Hinweis auf die Erkenntnis derselben? Gerade angesichts des Satzes ὡς λέγουσιν, der das Syntagma τὰ βαθέα τοῦ σατανᾶ als ein Schlagwort der Gruppe um die Prophetin Isebel kennzeichnet490, will die Annahme, dieser Terminus beziehe sich in ironisierender Weise auf die Behauptung der προφῆτις Ἰεζάβελ und ihrer Anhänger, die Tiefen Gottes erkannt zu haben491, nur wenig wahrscheinlich scheinen. Weitaus naheliegender ist es demgegenüber, den Terminus βάθος im Sinne von „Tiefe“492 oder auch „Grundlage“ zu verstehen und auf der Basis eines solchen Verständnisses anzunehmen, dass jene „behaupten …, die Tiefen, d.h. die grundlegende religiöse Relevanz und die theologische Bedeutung [der Figur des σατανᾶς als] des Widersachers Gottes, erkannt zu haben“493. U.B. Müller möchte das Syntagma τὰ βαθέα τοῦ σατανᾶ nicht als auf die religiöse Relevanz oder die theologische Bedeutung, sondern auf die gedachte gegenwärtige kosmologische bzw. die gedachte gegenwärtige heilsgeschichtliche Position der Figur des σαταᾶς bezogen interpretieren; ihm zufolge seien die προφῆτις Ἰεζάβελ und ihre Anhänger der Überzeugung gewesen, dass „Gott bzw. Christus … den Satan total entmachtet, ja in die ‚Tiefe‘ gestürzt [hat], so dass Christen seine Schadenseinwirkung in ihrer Umwelt nicht mehr zu fürchten brauchten“494. Diesem Deutungsansatz widerraten jedoch folgende Überlegungen: (a) Die von Müller selbst als „nächste Parallele zur gegnerischen Position, die ‚Tiefen des Satans‘ erkannt zu haben“, eingeführte Passage aus 1Kor 2,10 lässt sich kaum in diesem von Müller postulierten Sinn einer Depotenzierung der Figur des σατανᾶς verstehen495. 490. Vgl. hierzu bereits W. Bousset, Apk, 220: „Wir haben in dem Ausdruck ‚die Tiefen des Satans erkennen‘ demgemäß eine Selbstcharakteristik der Irrlehrer zu sehen“; in diesem Sinne auch D.E. Aune, Apk I, 207: „Here ὡς λέγουσιν … is a citation formula that suggests that the phrase ‚the deep things of Satan‘ is a central concern of the Nicolaitans“, und A. Satake, Apk, 173, A. 94. 491. Zu den Vertretern einer solchen Position vgl. etwa A. Satake, Apk, 173, A. 94. 492. Zu dieser Bedeutung vgl. etwa W. Bauer/B. Aland, Wörterbuch, s.v. βάθος, 261. 493. T. Witulski, Johannesoffenbarung, 285; zu dieser Argumentation insgesamt 284f.; hier durchaus ähnlich H. Ulland, Vision, 113, allerdings mit einer weniger auf die Theorie der Erkenntnis abhebenden Akzentuierung: „Deshalb stimmen wir letztlich der These zu, daß sich die Isebeliten selbst zugute halten, die Tiefen des Satans erkannt zu haben. Aufgrund des Befundes zur historischen Situation in Thyatira kann das so verstanden werden, daß sie durch ihre Praxis der Mitgliedschaft in den Handwerksgilden erkannt haben, daß sie durchaus gleichzeitig Christen sein können, denn von dem dort gepflegten Kult gehe für sie als Christen keine spirituelle und leibliche Gefahr aus“. 494. Tiefen des Satans, 469. 495. Zu 1Kor 2,10 vgl. etwa D. Zeller, 1Kor, 140: „Die begründende Feststellung V. 10b macht den Geist gleichsam anthropomorph zum Erkenntnisorgan Gottes, das sogar die eigenen Tiefen erforscht“. W. Bauer/B. Aland, Wörterbuch, s.v. βάθος, 261 sprechen im Blick auf 1Kor 2,10 von den „Abgründe[n] d[es]. Göttlichen Wesens“.

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(b) Die alttestamentlichen und frühjüdischen Parallelen legen die Annahme nahe, den Terminus βάθος, insbesondere auch dann, wenn jener im Kontext des Verbums γινώσκω begegnet, im Sinne von „Grundlage“ oder auch „verborgene Eigenschaft“ bzw. allgemeiner: „Verborgenes“, zu verstehen. Pars pro toto sei hier auf Dan 2,20– 23LXX: καὶ ἐκφωνήσας εἶπεν ἔσται τὸ ὄνομα τοῦ κυρίου τοῦ μεγάλου εὐλογημένον εἰς τὸν αἰῶνα ὅτι ἡ σοφία καὶ ἡ μεγαλωσύνη αὐτοῦ ἐστι (21) καὶ αὐτὸς ἀλλοιοῖ καιροὺς καὶ χρόνους μεθιστῶν βασιλεῖς καὶ καθιστῶν διδοὺς σοφοῖς σοφίαν καὶ σύνεσιν τοῖς ἐν ἐπιστήμῃ οὖσιν (22) ἀνακαλύπτων τὰ βαθέα καὶ σκοτεινὰ καὶ γινώσκων τὰ ἐν τῷ σκότει καὶ τὰ ἐν τῷ φωτί καὶ παρ᾽ αὐτῷ κατάλυσις (23) σοί κύριε τῶν πατέρων μου ἐξομολογοῦμαι καὶ αἰνῶ ὅτι σοφίαν καὶ φρόνησιν ἔδωκάς μοι καὶ νῦν ἐσήμανάς μοι ὅσα ἠξίωσα τοῦ δηλῶσαι τῷ βασιλεῖ πρὸς ταῦτα496, und auch auf 1QS XI 18–20 verwiesen: ‫וּל ַה ְש ֹכּיל‬ ֽ ‫כּוֹח‬ ַ ‫יכה ִעם‬ ָ ‫אוֹת‬ ֶ ‫וּל ִה ְתבּוֹנֵ ן ְבּכוֹל נְ ְפ ְל‬ ְ ‫יכה‬ ָ ֶ‫עוֹמק ָרז‬ ֶ ‫וּל ַה ִבּיט ְבּ‬ ְ ‫קוֹד ְשׁ ָכה‬ ְ ‫( ְבכוֹל ַמ ֲח ֶשׁ ֶבת‬19) .497‫בוּר ֶ ֽת ָכה‬ ָ ְ‫( גּ‬20) (c) Die im Rahmen des von Müller vertretenen Interpretationsansatzes als notwendig anzunehmende lokale Deutung des βάθος-Begriffs498 evoziert die Frage, warum dieser Terminus in Apk 2,24c dann im Plural und nicht im Singular begegnet. M. Karrer schlägt neuestens vor, diejenigen, die vorgeben, die βαθέα τοῦ σατανᾶ erkannt zu haben, als eine prägnostische Gruppe zu definieren, der es nicht mehr darum ginge, „die gemeinsame christliche Erkenntnis [zu] pflegen …, sondern die in eine Tiefe einzudringen versucht, die der sarkisch-irdischen Umwelt (und natürlich auch unserem Seher) verschlossen bliebe“499. Dieser Deutung steht jedoch entgegen, dass sich der an die Gruppe derer um die προφῆτις Ἰεζάβελ dann zu richtende Vorwurf einer etwaigen Abweichung von den von den λοιποί (Apk 2,24) beschrittenen ‚orthodoxen‘ Wegen christlicher Erkenntnis am Text des Sendschreibens an die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας in keiner Weise verifizieren lässt. 496. Vgl. in ähnlicher Weise auch Dan 2,20–23Th: Δανιηλ καὶ εἶπεν εἴη τὸ ὄνομα τοῦ θεοῦ εὐλογημένον ἀπὸ τοῦ αἰῶνος καὶ ἕως τοῦ αἰῶνος ὅτι ἡ σοφία καὶ ἡ σύνεσις αὐτοῦ ἐστιν (21) καὶ αὐτὸς ἀλλοιοῖ καιροὺς καὶ χρόνους καθιστᾷ βασιλεῖς καὶ μεθιστᾷ διδοὺς σοφίαν τοῖς σοφοῖς καὶ φρόνησιν τοῖς εἰδόσιν σύνεσιν (22) αὐτὸς ἀποκαλύπτει βαθέα καὶ ἀπόκρυφα γινώσκων τὰ ἐν τῷ σκότει καὶ τὸ φῶς μετ᾽ αὐτοῦ ἐστιν (23) σοί ὁ θεὸς τῶν πατέρων μου ἐξομολογοῦμαι καὶ αἰνῶ ὅτι σοφίαν καὶ δύναμιν ἔδωκάς μοι καὶ νῦν ἐγνώρισάς μοι ἃ ἠξιώσαμεν παρὰ σοῦ καὶ τὸ ὅραμα τοῦ βασιλέως ἐγνώρισάς μοι. 497. „… und zu verstehen (19) deinen ganzen heiligen Plan und in die Tiefe deiner Geheimnisse zu blicken und all deine Wunder zu begreifen samt der Macht (20) deiner Stärke“ (Text und Übersetzung nach E. Lohse, Texte aus Qumran, 42f.); vgl. zu weiteren Parallelen D. Zeller, 1Kor, 140, A. 326. 498. Zur lokalen Interpretation des βάθος-Begriffs vgl. auch A. Satake, Apk, 173: „Mit ‚den Tiefen‘ ist der Ort gemeint, zu dem man nicht leicht hinabsteigen und den man nicht einfach untersuchen kann“. 499. Apk I, 332 mit Verweis auf 1Clem 40,1: προδήλων οὖν ἡμῖν ὄντων τούτων καὶ ἐγκεκυφότες εἰς τὰ βάθη τῆς θείας γνώσεως πάντα τάξει ποιεῖν ὀφείλομεν ὅσα ὁ δεσπότης ἐπιτελεῖν ἐκέλευσεν κατὰ καιροὺς τεταγμένους; daraus folgert er: „Wir stießen auf die christliche Strömung, aus der Vorformen der Gnosis entstehen“; zur Geschichte dieser Auslegung vgl. A. 47.

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Bemerkenswert – und für den Zusammenhang der vorliegenden Studie wichtiger als die Frage nach der Semantik des Syntagma τὰ βαθέα τοῦ σατανᾶ – ist nun jedoch die Beobachtung, dass die in Apk 2,24c formulierte Beschreibung der διδαχή der προφῆτις Ἰεζάβελ erst an dieser Stelle, im Kontext der Darstellung der διδαχή derjenigen, die ihr die Gefolgschaft verweigern, dementsprechend auch via negativa formuliert, und nicht schon in Apk 2,20, dort nämlich im Kontext der positiv formulierten Darstellung der ethischen Konsequenzen der Lehre derselben, vorgelegt wird, wiewohl der Apokalyptiker in Apk 2,20c sogar explizit das Verbum διδάσκω verwendet: καὶ διδάσκει καὶ πλανᾷ τοὺς ἐμοὺς δούλους πορνεῦσαι καὶ φαγεῖν εἰδωλόθυτα. Nebst diesem muss auffallen, dass der Apokalyptiker in Apk 2,20c die Inhalte der διδαχή der προφῆτις Ἰεζάβελ unter die Begriffe πορνεῦσαι καὶ φαγεῖν εἰδωλόθυτα zu subsummieren vermag, dieser Lehre in Apk 2,24c hingegen den Aspekt der Erkenntnis der βαθέα τοῦ σατανᾶ zuschreibt, ohne dass der diese beiden auf den ersten Blick unterschiedlichen Lehrinhalte womöglich verknüpfende systematische bzw. theologische Zusammenhang expliziert würde. Schließlich verdient die Tatsache Beachtung, dass nach Apk 2,20,c die προφῆτις Ἰεζάβελ allein für die Lehre der von ihr geprägten Gruppe der Christen Thyatiras verantwortlich zu zeichnen, während nach Apk 2,24c eine Mehrzahl der Mitglieder dieser Gruppe an der Verkündigung beteiligt zu sein scheint. Diese keinesfalls unerheblichen, zumindest teilweise als inhaltliche Spannungen500 zu beschreibenden Inkohäsionen reichen, für sich genommen, jedoch noch nicht zu, die Ausführungen in Apk 2,24 in ihrer Gesamtheit als inkohärent zu denjenigen in Apk 2,20 zu erweisen und somit im Blick auf Apk 2,24 die Annahme einer späteren Hinzufügung zu plausibilisieren. Zwar ist der Rezipient, um diese Inkohärenzen zu überwinden, – auch an dieser Stelle – genötigt, Inferenzen vorzunehmen; diese Inferenzen müssen im Rahmen des Vorgangs der Interpretation aber zumindest nicht unmittelbar gegen den Text, sondern lediglich ohne die Möglichkeit der Berufung auf dieselben indizierende Textsignale entwickelt werden. (b) Was ist näherhin mit der ἄλλο βάρος gemeint, die der in diesem Sendschreiben redende Christus denjenigen, die sich der προφῆτις Ἰεζάβελ und ihrer Verkündigung verweigern, nicht auferlegen will? Mit zahlreichen weiteren Exegeten möchte U.B. Müller diese ἄλλο βάρος vor dem Hintergrund der Ausführungen in Apk 2,25 – mit ihnen sieht Müller auf die Regelungen des sog. Aposteldekrets Apg 15,28f. verwiesen501 – als 500. Vgl. zu diesem Begriff bereits o. 33 mit A. 32. 501. Vgl. hierzu Apk, 120: „Es handelt sich um Regelungen, die denen des sog. Aposteldekrets entsprechen (Apg 15,28f.). Zu dieser Einsicht führt die Beobachtung, dass beide Texte, Offb 2,24f. und Apg 15,28f., in ihrer Aussage gleich strukturiert sind“.

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

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„Gesetzeslast“502 interpretieren. A. Satake sieht diese Last hingegen in der Lehre der προφῆτις Ἰεζάβελ konkretisiert, die jedoch kein Teil der Verkündigung des Apokalyptikers sei503. Aufgrund der Tatsache, dass der Apokalyptiker dieses Syntagma selbst nur wenig präzise definiert, ist es sinnvoll, die Wendung ἄλλο βάρος so offen wie möglich zu interpretieren: „Man könnte an die Konfrontation mit und die geforderte Abgrenzung von den Isebeliten denken oder an die Gebote des Apostelkonzils, die jüdischen Satzungen oder aber an das Leben in heidnischer Umwelt schlechthin“504. (c) Zu fragen ist schließlich, warum der Apokalyptiker in einem an die singuläre Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας505 gerichteten Sendschreiben nun unmittelbar eine Gruppe aus der thyatirischen Gemeinde anspricht, und – darüber hinaus und damit zusammenhängend – wie die (Erst-)Rezepienten diese diskontinuitäre inhaltliche Spannung506 überwinden sollen. Diese Frage stellt sich umso mehr, da die Ausführungen in Apk 1,20b die Annahme einer unmittelbaren Identifikation von Gemeindeengel und Gemeinde oder diejenige einer identitär-reziproken Relation zwischen beiden zu verunmöglichen scheinen, da sie zwischen den ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν auf der einen und den ἐκκλησίαι auf der anderen Seite letztendlich deutlich differenzieren507. Da sich diese sachliche Spannung unter der Voraussetzung der Annahme der literarischen Einheit des an die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας gerichteten Sendschreibens somit nur mit Hilfe einer – mehr oder weniger – unmittelbar gegen den Text der Apk gerichteten konstruktiven Operation bewältigen ließe, gewinnt die literarkritisch akzentuierte Annahme an Wahrscheinlichkeit, die diese inhaltliche Spannung als das Resultat eines Textwachstumsprozesses und die Ausführungen in Apk 2,24 und damit dann auch diejenigen in Apk 2,25 als von einer späteren Hand hinzugefügt betrachten möchte. Diese These ist bereits o. im Kontext der Diskussion der Frage nach der Relation des in Apk 2,23c Ausgeführten zum Überwinderspruch Apk 2,26–28 ins Blickfeld getreten508. 502. Apk, 120; vgl. darüber hinaus erläuternd: „Nur das, was sie haben, was bei ihnen bisher schon in Geltung steht, daran sollen sie festhalten“; in diese Richtung denkt neuestens auch M. Karrer, Apk I, 334. 503. Vgl. hierzu Apk, 173: „Isebel behauptet, dass sie und ihre Anhänger sich das Mysterium des Satans zueigen gemacht haben und deswegen jetzt darüber verfügen. Für den V[er]f[asser]. ist aber eine solche Lehre eine ‚weitere Last‘, die nicht zu seiner Verkündigung gehört, sie vielmehr zerstört“. 504. H. Ulland, Vision, 111. 505. Vgl. hierzu o. 92–114. 506. Vgl. zu diesem Terminus bereits o. 33 mit A. 32. 507. Vgl. hierzu bereits o. 77–92. 508. Vgl. hierzu o. 217–218.

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Diese Annahme lässt sich zunächst durch die Beobachtung erhärten, dass der Apokalyptiker in Apk 2,25b, um das endzeitliche (Wieder-)Kommen des in diesem Sendschreiben redenden Christus und die mit diesem Ereignis für die im Glauben Standfesten einhergehenden Konsequenzen zu explizieren, deutlich anders formuliert als in der in der Forschung immer wieder als Parallele herangezogenen Einlassung in Apk 3,11509. Eine angesichts der doch deutlichen Unterschiede plausible Antwort läge in der Annahme, dass sich Apk 3,11 und Apk 2,25 unterschiedlichen Händen verdankten. Da das in Apk 3,11 Ausgeführte in der 2. Person Singular, also im originären Duktus eines Sendschreibens an die Gestalt des ἄγγελος einer der sieben in der Apk angeschriebenen Gemeinden, formuliert ist, werden die Ausführungen in Apk 2,25 womöglich einer späteren Hand zuzuschreiben sein510. Dieser Annahme scheint nun aber die in der exegetischen Forschung verschiedentlich vertretene These zu widerraten, dass die Ausführungen in Apk 2,25 auf das in Apk 2,19 Ausgeführte zurückzubeziehen seien; dies bedeutete, dass diese beiden Verse als Rahmung des Corpus dieses Sendschreibens und damit als von ein- und derselben Hand stammend anzusehen wären511. Dieser Überlegung entgegen lässt sich aber schon aus rezeptionsästhetischen Erwägungen ein Bezug des Satzes ὃ ἔχετε κρατήσατε auf Apk 2,24b wahrscheinlich machen: ὅσοι οὐκ ἔχουσιν τὴν διδαχὴν ταύτην. Die in Apk 2,25a Angesprochenen ‚haben‘ – und befolgen – nicht die von der προφῆτις Ἰεζάβελ propagierte διδαχή, sondern eine andere, die sie bewahren sollen, bis der in diesem Sendschreiben redende Christus (wieder-)kommt.

Aus den Überlegungen zu Apk 2,18b.23b.c.24f. folgt dann insgesamt, dass das ursprüngliche Sendschreiben an den ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας lediglich die Ausführungen Apk 2,19–23a umfasste, letzten Endes also folgenden Text: οἶδά σου τὰ ἔργα καὶ τὴν ἀγάπην καὶ τὴν πίστιν καὶ τὴν διακονίαν καὶ τὴν ὑπομονήν σου, καὶ τὰ ἔργα σου τὰ ἔσχατα πλείονα τῶν πρώτων. (20) ἀλλὰ ἔχω κατὰ σοῦ ὅτι ἀφεῖς τὴν γυναῖκα Ἰεζάβελ, ἡ λέγουσα ἑαυτὴν προφῆτιν καὶ διδάσκει καὶ πλανᾷ τοὺς ἐμοὺς δούλους πορνεῦσαι καὶ φαγεῖν εἰδωλόθυτα. (21) καὶ ἔδωκα αὐτῇ χρόνον ἵνα μετανοήσῃ, καὶ οὐ θέλει μετανοῆσαι ἐκ τῆς πορνείας αὐτῆς. (22) ἰδοὺ βάλλω αὐτὴν εἰς κλίνην καὶ τοὺς μοιχεύοντας μετ᾽ αὐτῆς εἰς θλῖψιν μεγάλην, ἐὰν μὴ μετανοήσωσιν ἐκ τῶν ἔργων αὐτῆς, (23) καὶ τὰ τέκνα αὐτῆς ἀποκτενῶ ἐν θανάτῳ. 509. Vgl. hierzu bereits o. 132. 510. Vgl. zu dem in der vorliegenden Studie entworfenen Modell der Entstehung der Texteinheit Apk 1,9–3,22 ausführlich u. 385–396. 511. In diese Richtung denkt etwa H. Giesen, Apk, 122: „Christus erinnert die Christen an sein in V. 19 ausgesprochenes Lob …. Festzuhalten sind somit die dort genannten Werke der Liebe, der Glaubenstreue, des Dienstes und des Ausharrens“; anders hier C.R. Koester, Apk, 301, der formuliert: „‚Holding feast‘ means continuing to show love and to resist idolatry“, der in seiner Gliederung dieses Sendschreibens Apk 2,19.24f. aber dennoch als Rahmung des Corpus des Sendschreibens zu verstehen vermag.

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Im Rahmen der hier geführten Diskussion darf nicht unerwähnt bleiben, dass „bei der Beschreibung dieser [d.h. der Apk 2,24f. genannten Gemeindeglieder] [augenscheinlich] kein Rückgriff auf den ersten, lobenden Teil der narratio“512 erfolge. G. Guttenberger möchte diesen Sachverhalt mit der Annahme erklären, dass diese hier genannten Gemeindeglieder „keine gemeinsamen Kennzeichen haben, mithin keine eigenständige Gruppe innerhalb der Gemeinde bilden“513; daraus folgert sie dann: „Deswegen erscheint es zweifelhaft, dass sie [, d.h. die in Apk 2,24f. angesprochenen Gemeindeglieder] ausschließlich oder auch nur in besonderer Weise Träger und Repräsentanten der ἀγάπη, πίστις, διακονία und ὑπομονή sind“514. Diese Erklärung scheitert freilich am Text von Apk 2,24a.b; hier nämlich werden die in Apk 2,24f. angesprochenen Christen Thyatiras in ihrer Relation zu denjenigen um die προφῆτις Ἰεζάβελ definiert und im Rahmen dessen als οἱ λοιποὶ ἐν Θυατείροις ὅσοι οὐκ ἔχουσιν τὴν διδαχὴν ταύτην charakterisiert, Ausführungen, die zu der Annahme nötigen, dass der Apokalyptiker in der christlichen Gemeinde Thyatiras nur zwei Gruppen ausmacht, nämlich diejenigen, die sich um die προφῆτις Ἰεζάβελ geschart haben, und diejenigen, die sich von ihrer Verkündigung nicht haben beeinflussen lassen. Daraus aber folgt mit Notwendigkeit, dass es sich – zumindest in der Perspektive des Apokalyptikers – bei den in Apk 2,24f. angeschriebenen Christen um diejenigen handelt, die in Apk 2,19 von dem in diesem Sendschreiben redenden Christus gelobt werden. Angesichts dessen untermauert der Sachverhalt, dass die Darstellung in Apk 2,24f. nicht auf das in Apk 2,19 Ausgeführte zurückgreift, entweder die o. bereits formulierte These, dass es sich bei den in Apk 2f. begegnenden ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν um einzelne, in einer besonderen Verantwortung stehende Einzelgestalten handelt515 – damit wären in diesem Sendschreiben dann drei Gruppen angesprochen: der thyatirische ‚Gemeindeengel‘, die Gruppe um die προφῆτις Ἰεζάβελ und die λοιποὶ ὅσοι οὐκ ἔχουσιν τὴν διδαχὴν ταύτην –, oder aber, wenn die in der Forschung weit verbreitete These, die Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας repräsentiere die Gemeinde in ihrer Gesamtheit, die Annahme, dass die Ausführungen in Apk 2,24f. nachträglich oder sekundär hinzugefügt worden seien.

Zwischen dem an das Corpus des Sendschreibens anschließenden und letzten Endes aus zwei Verheißungen bestehenden516 Überwinderspruch Apk 2,26–28517 und Apk 2,19–25, dem Corpus des Sendschreibens an die Gemeinde zu 512. Auf diesen Sachverhalt macht G. Guttenberger, Johannes, 179 aufmerksam. 513. Johannes, 179. 514. Johannes, 179f. 515. Vgl. hierzu ausführlich o. 92–114. 516. Vgl. hierzu etwa A. Satake, Apk, 174: „Der Überwinderspruch enthält zwei Verheißungen. Während die zweite ganz kurz gefasst ist, wird die erste, bei der die Anspielung auf Ψ 2,8f deutlich ist, von einer längeren Erklärung und einem Begründungssatz … begleitet“; beide Verheißungen beziehen sich Satake zufolge auf den Aspekt der Übergabe der eschatologischen Herrschaft an die treuen und standfesten Christen (vgl. 174f.); in diesem Sinne auch H. Lichtenberger, Apk, 104. 517. Zu den biblischen und außerbiblischen Bezügen dieser Passage vgl. etwa C.R. Koester, Apk, 301f. und D.E. Aune, Apk I, 208–213; dieser Überwinderspruch, insbesondere die Ausführungen in Apk 2,26f., werden repliziert in Apk 12,5; 19,15; 22,16; vgl. hierzu M. Stowasser, Sendschreiben, 56.

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Thyatira, lassen sich, abgesehen einmal von dem in diesem Sendschreiben viermal belegten Begriff ἔργον, der in Apk 2,19.22.23.26 jeweils in unterschiedlichen Zusammenhängen begegnet518, keinerlei semantische Bezüge aufweisen. Das aber heißt, dass zumindest im Blick auf das Sendschreiben an die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας von einer vom Apokalyptiker konstruierten etwaigen „durchgehende[n] [semantischen] Bezugnahme.“519 der Überwindersprüche auf die Corpora der dazugehörigen Sendschreiben keinerlei Rede sein kann. Allerdings sehen zahlreiche Exegeten einen engen argumentationslogischen Zusammenhang zwischen den Ausführungen in Apk 2,25: πλὴν ὃ ἔχετε κρατήσατε ἄχρι[ς] οὗ ἂν ἥξω, und dem in Apk 2,26aβ Dargestellten und interpretieren daher den Überwinderspruch in seiner Gesamtheit als – mit jener verbunden zu denkenden – Fortsetzung der in Apk 2,25 formulierten Aufforderung bzw. Mahnung520. Dieser hier postulierte Zusammenhang zwischen Apk 2,25 und Apk 2,26aβ ist jedoch allenfalls als ein mittelbarer, keinesfalls jedoch als ein unmittelbarer zu denken: Einerseits setzt der Apokalyptiker selbst, indem er in Apk 2,26aβ die die Aussage in Apk 2,25 – und auch diejenige in Apk 2,24 – regierende Ebene der 2. Person Plural verlässt und hier stattdessen in der 3. Person Singular formuliert, ein deutliches Textsignal, mit dessen Hilfe er das in Apk 2,26–28 insgesamt Ausgeführte von dem in Apk 2,24f. Formulierten deutlich abgrenzt. Hätte der Apokalyptiker einen unmittelbaren Bezug zwischen den Ausführungen Apk 2,25 und dem Hinweis ὁ τηρῶν ἄχρι τέλους τὰ ἔργα μου Apk 2,26aβ herstellen wollen, hätte er letzteren unmittelbar an das in Apk 2,25 Gesagte anschließen und entsprechend in der zweiten Person Plural formulieren können. Dass er dies nicht getan hat, spricht dafür, das in Apk 2,26–28 insgesamt Gesagte allenfalls mittelbar, im Sinne etwa einer die Ebene des Konkreten verlassenden und die Logik der Argumentation ins Grundsätzliche ausweitenden Verallgemeinerung521, mit den Ausführungen Apk 2,25 bzw. Apk 2,24f. zu verknüpfen. 518. Zu der dem in diesem Sendschreiben redenden Christus innerhalb der Botenformel Apk 2,18b zugeeigneten Titulatur ὁ υἱὸς τοῦ θεοῦ, die in Apk 2,28a im Rahmen des Syntagmas πατήρ μου dann wieder aufgenommen wird, vgl. bereits o. 213. 519. M. Stowasser, Sendschreiben, 57. 520. Vgl. hierzu beispielhaft etwa A. Satake, Apk, 174: „Das Wort ‚wer überwindet‘ wird – nur an dieser Stelle in den sieben Sendschreiben – durch eine weitere Aussage, ‚wer bis zum Ende meine Werke bewahrt‘, expliziert, die sich auf die Mahnung in V. 25 bezieht; alle Elemente dieser explizierenden Aussage finden eine Entsprechung in der dortigen Mahnung (wer bewahrt – haltet fest / bis zum Ende – bis ich komme / meine Werke – was ihr habt). Der Überwinderspruch ist also als Verheißung an die gedacht, die der Mahnung in V. 25 gehorchen“; in diesem Sinne etwa auch U.B. Müller, Apk, 120: „Die [in Apk 2,25 formulierte] Mahnung wird unter die Verheißung gestellt (Vers 26–28)“, und W. Bousset, Apk, 221. 521. Vgl. hierzu bereits F. Spitta, Apk, 49: „Allein von der Parallele zu den drei ersten Briefen, die man doch nicht außer Augen lassen darf, und dem auch hier stehenden allgemeinen

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Darüber hinaus fällt auf, dass die die Argumentation in Apk 2,24f. tragenden Begriffe wie etwa βάρος, ἔχω, κρατέω und auch ἥκω in der Darstellung in Apk 2,26 keinerlei Berücksichtigung finden. Auf der anderen Seite lassen sich, wie o. gezeigt522, explizite semantische Bezüge zwischen den Ausführungen in Apk 2,26a.bα und denjenigen in Apk 2,23c aufweisen, was es seinerseits wahrscheinlich erscheinen lässt, dass die Ausführungen in Apk 2,23c.26 eine inclusio zu Apk 2,24f. darstellten, eine Sichtweise, die im Gegenzug dann die Annahme, Apk 2,26 sei als unmittelbar auf Apk 2,25 bezogen zu denken, unwahrscheinlich macht. Schließlich: Wer einen unmittelbaren Bezug des in Apk 2,26 Ausgeführten auf das in Apk 2,24f. Dargestellte wahrscheinlich machen möchte, ist zu der Annahme gezwungen, das die Darstellung in Apk 2,26 einleitende Partizip νικῶν auf die Realisierung des ethisch Geforderten zu beziehen und in dem νικῶν jemanden zu sehen, der „sein ethisches Verhalten konsequent bis zuletzt an den geltenden Forderungen ausrichtet“523. Einem solchen Verständnis des Verbums νικάω stehen jedoch unmittelbar dessen stets einen relationalen Subtext transportierenden semantische Implikationen, die dieses Verbum immer als auf ein konfrontatives Gegenüber ausgerichtet erscheinen lassen524, entgegen. Sind die Ausführungen Apk 2,23c und Apk 2,26a.bα als von unterschiedlichen Händen stammend anzunehmen, ist nicht undenkbar, den Bezug von letzteren auf erstere als eine vom Apokalyptiker an dieser Stelle angewandte Verknüpfungstechnik zu interpretieren, mit deren Hilfe er den – dann sekundär – zum von ihm in dieser Form vorgefundenen Corpus dieses Sendschreibens hinzugesetzten Überwinderspruch mit ersterem verknüpfen wollte. Auf der Basis der Klassifizierung von R. Wonneberger ließe sich die Einfügung von Apk 2,26aβ, bezogen auf das Corpus Apk 2,18b–25, redaktionstheoretisch gänzlich zwanglos – in Apk 2 nun allerdings nicht in einem narrativen, sondern in einem diskursiven Kontext – als „Bezugnahme durch Iteration“525, präziser: als „Iterationszuschreibung“526 definieren: Mit der partizipialen Wendung Begriff ὁ νικῶν“ ganz abgesehen, zeigt z.B. gleich der Brief an Thyatira, daß hier die Sache nicht anders liegt als bei den drei ersten. Offenbar mit einer beabsichtigten Anlehnung an 2,25 (πλὴν ὃ ἔχετε κρατήσατε ἄχρι οὗ ἂν ἥξω) wird fortgefahren: καὶ ὁ νικῶν καὶ ὁ τηρῶν ἄχρι τέλους τὰ ἔργα μου. Aber ebenso deutlich ist, daß sich der ganz spezielle Gedanke in V. 25, der von dem den Heidenchristen aufgelegten βάρος, zu dem der Herr kein anderes hinzuthun will, handelt, in V. 26 möglichst verallgemeinert“. 522. Vgl. hierzu o. 222–224. 523. U.B. Müller, Apk, 120. 524. Vgl. hierzu bereits ausführlich o. 162–172. 525. R. Wonneberger, Redaktion, 130 beschreibt diese Methode, die er als eine anschließende Erweiterung (vgl. hierzu 124) unter die Rubrik der „Anknüpfungen“ subsummiert (vgl. 128), im Grundsatz folgendermaßen: „Ein wichtiges Hilfsmittel ist es auch, eine Episode oder Handlung als Wiederholung einer anderen darzustellen“. 526. Als Iterationszuschreibungen definiert R. Wonneberger solche Handlungen, die die Wiederholung einer anderen Handlung, aber keinen eigenständigen Erzählschritt darstellten

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ὁ τηρῶν ἄχρι τέλους τὰ ἔργα μου Apk 2,26aβ – und auch dem Prädikat δώσω Apk 2,26bα – nimmt der Apokalyptiker das in Apk 2,23c Ausgeführte wieder auf, ohne hier einen neuen und eigenständigen Handlungsschritt bzw. einen neuen und eigenständigen Diskussionsaspekt zu kreieren; dieser wird dann erst in Apk 2,26bβ formuliert. Nicht zuletzt ließe sich auf der Grundlage der Annahme, die partizipiale Wendung ὁ τηρῶν ἄχρι τέλους τὰ ἔργα μου Apk 2,26aβ – und das Prädikat δώσω Apk 2,26bα – verdankten sich einer vom Apokalyptiker bewusst vorgenommenen Bezugnahme durch Iteration, stellten also ein redaktionstheoretisches Erfordernis dar, zwanglos erklären, warum der Apokalyptiker lediglich in Apk 2,26aβ die in allen übrigen Überwindersprüchen vorliegende literarische Beschränkung der partizipial formulierten soteriologischen Kautelen auf die Wendung ὁ νικῶν um die Wendung καὶ ὁ τηρῶν ἄχρι τέλους τὰ ἔργα μου ergänzt hat527.

Bemerkenswert ist nun, dass der Apokalyptiker in dem das Sendschreiben an die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας beschließenden Überwinderspruch, indem er Ausführungen aus Ps 2,8f. aufnimmt528, zunächst denen, die ‚überwinden‘ und die ἔργα des Christus bewahren, die endzeitliche Herrschaft über die ἔθνη verheißt: ... δώσω αὐτῷ ἐξουσίαν ἐπὶ τῶν ἐθνῶν (Apk 2,26bβ), die er selbst von seinem Vater empfangen hat (Apk 2,28a). Zu fragen ist, warum der Apokalyptiker in diesem Überwinderspruch die von ihm angedeutete zukünftige „Herrschaft der Überwinder“529 über die ἔθνη so deutlich akzentuiert, obwohl doch das Corpus dieses Sendschreibens selbst keinerlei Anlass zu einer solchen Akzentuierung zu bieten scheint530. (vgl. Redaktion, 130). Davon unterscheidet er die Iterationserweiterungen, die eben als ein neuer und in sich „eigene.[r] Erzählschritt“ (130) aufzufassen seien. Als ein Beispiel für eine Iterationszuschreibung verweist Wonneberger auf die Phrase ‫( וְ ַע ָ֗תּה ִ ֽה ְתיַ ְצּ ֛בוּ‬1Sam 12,7), die in 1Sam 12,16 in der Formulierung ‫ם־ע ָתּ ֙ה ִה ְתיַ ְצּ ֣בוּ‬ ַ ַ‫גּ‬, hier allerdings unter Verwendung der Partikel ‫ גַּ ם‬als eines Qualifikatoren (vgl. hierzu Redaktion, 131, A. 80), wieder aufgenommmen werde. 527. Vgl. zu diesem Gesichtspunkt etwa F. Hahn, Sendschreiben, 381, der diesen Sachverhalt explizit feststellt: „Nur in einem Fall ist der Vordersatz erweitert“; vgl. darüber hinaus auch T. Zahn, Apk, 294. 528. Dass der Apokalyptiker auf Ps 2,8f.LXX anspielt, ist unbestreitbar; ob es sich dabei um ein Zitat handelt, muss angesichts der Differenzen in den Formulierungen jedoch fraglich bleiben: Während es in Ps 2,8f.LXX heißt: αἴτησαι παρ᾽ ἐμοῦ καὶ δώσω σοι ἔθνη τὴν κληρονομίαν σου καὶ τὴν κατάσχεσίν σου τὰ πέρατα τῆς γῆς (9) ποιμανεῖς αὐτοὺς ἐν ῥάβδῳ σιδηρᾷ ὡς σκεῦος κεραμέως συντρίψεις αὐτούς, formuliert der Apokalyptiker in Apk 2,26b.27: δώσω αὐτῷ ἐξουσίαν ἐπὶ τῶν ἐθνῶν (27) καὶ ποιμανεῖ αὐτοὺς ἐν ῥάβδῳ σιδηρᾷ ὡς τὰ σκεύη τὰ κεραμικὰ συντρίβεται. Etwa A. Satake, Apk 174 spricht allerdings explizit von einem „Zitat“ von Ps 2,8f.LXX in Apk 2,26b.27; ähnlich auch H. Lichtenberger, Apk, 104. 529. U.B. Müller, Apk, 121. 530. Vgl. hierzu die sehr schöne Beobachtung von A. Satake, Apk, 174, A. 97: „In diesem Sendschreiben ist das Problem der Heiden bis jetzt nicht behandelt worden. Augenfällig ist also, wenn im Überwinderspruch plötzlich vom Herrschen der Überwinder über diese die Rede ist. Huber, Psalm 2, 269, erklärt den Sachverhalt damit, dass die Gemeindeverhältnisse

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Dieser Sachverhalt widerrät der von ihr grundsätzlich auf alle Sendschreiben, zugleich aber in Sonderheit auch auf dasjenige an den ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας bezogenen These von G. Guttenberger, der zufolge der Apokalyptiker „in dem Bildmaterial der Überwindersprüche … Besonderheiten der Sendschreiben und der Gemeindesituation aufgenommen“531 würden. Dies trifft weder zu im Blick auf Apk 2,26b–28a532 – hier geht es um die Herrschaft der νικῶντες über die ἔθνη – noch auf Apk 2,28b – hier wird die eschatologische Verleihung des ἀστὴρ προϊνός533 angekündigt.

In der Forschung wird diese Frage unterschiedlich beantwortet, werden somit unterschiedliche Vorschläge zur Überwindung dieser als sachliche Spannung zu definierenden Inkohäsion vorgelegt: (a) U.B. Müller möchte diese Inkohäsion überwinden, indem er innerhalb des Sendschreibens eine Front zwischen Heidentum und Christentum zu verankern sucht, die die Ausführungen in Apk 2,26–28 evoziert hätte: „Das [, d.h. das in Apk 2,26– 28 Ausgeführte] mag seinen Grund in der aktuellen Fronthaltung haben. Gegen die Anpassungsbereitschaft an das heidnische Leben vonseiten der Irrlehrer betone der Seher: ‚Nicht dem Heidentum gebührt die Weltherrschaft, sondern den Gläubigen allein‘“534. Diesem Ansatz widerrät jedoch die Überlegung, dass diejenigen, die sich, wie Müller es formuliert, an das heidnische Leben anzupassen beabsichtigen, damit nicht zugleich auch ihr Christsein aufgeben und zum Heidentum (re-)konvertieren wollen. Vielmehr begreifen sich diese anpassungsbereiten Christen explizit als Christen, und zwar offensichtlich als solche, die sich zumindest in Teilen in ihre pagane Umwelt integrieren zu können meinen, ohne dabei ihr Christsein aufgeben zu müssen oder zu verlieren. Das aber heißt: Innerhalb des Corpus des Sendschreibens an die Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας wird eben keine Front zwischen Heidentum und Christentum entwickelt, sondern ein innerchristlicher Frontverlauf abgesteckt535. Angesichts ‚für den Verfasser universale Dimension‘ haben, auch wenn es um innergemeindliche Gefährdung geht. Aber diese Erklärung vermag den Verdacht eines Bruchs zwischen dem Hauptteil des Sendschreibens noch nicht gänzlich zu entkräften“. 531. Johannes, 181; daraus folgert sie: „Insofern sind die Überwindersprüche trotz ihrer universalen Weite nicht austauschbar und formulieren für die jeweiligen Gemeinden spezifische Verheißungen“ (181) – eine Konsequenz, deren Richtigkeit angesichts des o. Ausgeführten zumindest in Frage zu stellen ist. 532. Vgl. hierzu auch die folgende Diskussion. 533. Vgl. zu diesem Motiv M. Karrer, Apk I, 335f. und M. Wilson, Victor Sayings, 138– 140. 534. U.B. Müller, Apk, 121 mit Verweis auf E. Lohmeyer. 535. Anders hier M. Karrer, Johannesoffenbarung, 212: „Der Bedrohung von Heiden und sich nach Ansicht des Apk-Autors mit ihnen gemein machenden (früh-)gnostischen Heidenchristen steht die Zusage der eisernen Herrschaft über die Heidenvölker für die entgegen, die überwinden und – anders als die Anhänger der gnostischen Strömung – an den Heilstaten

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dieses Frontverlaufes jedoch läuft die Verheißung der endzeitlichen Herrschaft der νικῶντες über die ἔθνη letzten Endes ins Leere; sie lässt sich – zumindest in dem von Müller skizzierten Sinne – eben gerade nicht in die im Corpus dieses Sendschreibens dargestellten Kontroversen implementieren. Damit aber wären die (Erst-)Rezipienten, um diese Inkohäsion zu überwinden und Kohärenz zu generieren, im Rahmen des von U.B. Müller vorgelegten Interpretationsvorschlages genötigt, eine gegen die Argumentationslogik des Textes Apk 2,19–25.26–28 selbst gerichtete Inferenz vorzunehmen. Dies wiederum indizierte die Annahme, die Ausführungen in Apk 2,26–28 stellten eine sekundär hinzugefügte Zutat dar536. (b) Anders als U.B. Müller vermutet A. Satake eine in der Struktur der sieben Sendschreiben Apk 2f. insgesamt zu suchende Begründung für die o. skizzierte Inkohäsion: S.E. sei zur Überwindung derselben „bei der Gesamtstruktur der Sendschreiben anzusetzen: Gerade in der Mitte der sieben Sendschreiben formuliert der V[er]f[asser]. einen Überwinderspruch mit zusammenfassendem und universalem Charakter, der mit dem Hauptteil des betreffenden Sendschreibens unmittelbar nichts zu tun hat“537. Eine überzeugende Erklärung für den Sachverhalt, dass der Apokalyptiker hier das vierte der sieben, somit also die Mitte der Sendschreiben, und eben nicht die siebte und letzte Epistel ausgewählt hat, um innerhalb der Darstellung Apk 2f. einen „Überwinderspruch mit zusammenfassendem und universalem Charakter“ zu platzieren, bietet Satake allerdings nicht. Dies lässt die von ihm vorgeschlagene Begründung zumindest im Ansatz willkürlich erscheinen. (c) Gänzlich zwanglos ließe sich die o. beschriebene Problemstellung lösen und die mit dieser gegebene Inkohärenz überwinden, wenn angenommen würde, dass die Ausführungen in Apk 2,26–28, d.h. der das Sendschreiben an die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας beschließende Überwinderspruch, dem Corpus dieser Epistel erst sekundär, nämlich im Zuge der Zusammenstellung der Darstellung in Apk 1,9ff.; 2f. mit dem apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22, hinzugefügt worden seien. Redaktionstheoretisch wäre diese Hinzufügung, wie bereits diejenige der bisher diskutierten drei Überwindersprüche538, als eine ‚Anker-Erweiterung‘539 zu Jesu Christi uneingeschränkt festhalten (2,26ff.)“. Von einer Bedrohung der Christen durch ihre pagane Umgebung ist innerhalb des Corpus des Sendschreibens an den thyatirischen ‚Gemeindeengel‘ allerdings nicht die Rede. 536. Vgl. zu diesem Zusammenhang bereits ausführlich o. 25–27. 537. Apk, 174, A. 97. 538. Vgl. hierzu bereits o. 163–165, 191–192 und 209–211. 539. Zu diesem Begriff vgl. bereits o. 175–176.

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definieren, mit deren Hilfe der apokalyptische Hauptteil Apk 4–22 in der diesem vorangehenden Darstellung Apk 2f. verankert wird. Diese literarkritische Annahme wird gestützt zunächst durch die o. bereits formulierte Beobachtung der weitgehenden semantischen Bezugslosigkeit540, darüber hinaus dann aber auch durch die deutlich erkennbare syntaktische Dysrelationalität541 des Überwinderspruches Apk 2,26–28 zum Corpus des Sendschreibens an die thyatirische Gemeinde. Diese syntaktische Dysrelationalität des Überwinderspruches hat zur Folge, dass auch542 an dieser Stelle gänzlich unklar bleibt, welcher relationale Subtext der partizipialen Wendung ὁ νικῶν zuzueignen ist; denkbar wären hier die in Apk 2,19 aufgezählten ἔργα der ἀγάπη, der πίστις, der διακονία und der ὑπομονή, die dann durchzuhalten wären, die Prophetin Ἰεζάβελ und ihre Anhänger, die es aus der Gemeinde zu entfernen gälte –, der im Gegensatz aber deutliche und explizite intratextuelle Bezugnahmen zu Apk 4–22, hier konkret zu Apk 12,5; 19,15; 22,16 gegenüberstehen543. Darüber hinaus vermöchte diese Annahme dazu beizutragen, eine weitere Inkohäsion, eine sachliche Spannung nämlich zwischen den Ausführungen in Apk 2,19 – hier werden die von der Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας getanen ἔργα als ἔργα σου bezeichnet – und Apk 2,26a – hier fordert der erhöhte Christus dazu auf, seine Werke, d.h. ἔργα μου, zu halten –, zu bewältigen. Diese Inkohäsion ließe sich allerdings mühelos auch im Rahmen einer aus dem Argumentationsduktus des Textes Apk 2,19–28 entwickelten und diesem entsprechenden, im Zuge der Interpretation von den Rezipienten selbst kreierten Sinnkonstitution überwinden. Die folgende tabellarische Übersicht verdeutlicht die entsprechenden literarischen Bezüge zwischen dem das Sendschreiben an die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας beschließenden Überwinderspruch und dem apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22: 540. Vgl. hierzu bereits o. 159–165. 541. Vgl. hierzu o. 149–150 und 231–234; innerhalb des Corpus des Sendschreibens an die Gemeinde zu Thyatira zeigt sich die vom Apokalyptiker geschaffene syntaktische Relationalität etwa in Apk 2,20 – hier leitet er das Folgende mit der adversativen Konjunktion ἀλλά ein – und in Apk 2,24 – hier verwendet er die Konjunktion δέ in adversativem Sinne (vgl. hierzu F. Blaß/A. Debrunner/F. Rehkopf, Grammatik, § 447.1, 376). Diese – trotz der singulären Einleitung dieses Überwinderspruchs mit der in der Regel kopulativ zu fassenden Konjunktion καί (vgl. hierzu F. Blaß/A. Debrunner/F. Rehkopf, Grammatik, § 42, 367–372) – syntaktische Dysrelationalität zwischen dem Corpus des Sendschreibens und dem nachfolgenden Überwinderspruch muss umso mehr überraschen, als hier der Weckruf nicht, wie in den ersten drei Sendschreiben beobachtbar, dem Überwinderspruch vorangeht, sondern diesem folgt, und als darüber hinaus eine kausale Verknüpfung des letzteren mit dem Corpus des Sendschreibens, insbesondere mit den Ausführungen in Apk 2,25, die Gesamtaussage Apk 2,25.26–28 wesentlich stringenter und auch intensiver hätte erscheinen lassen. 542. Vgl. zu dieser Beobachtung bereits o. 163–165. 543. Vgl. hierzu bereits o. 231, A. 517.

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Motiv/Text im Überwinderspruch

Bezugnahmen im apokalyptischen Hauptteil

Apk 2,26–28: καὶ ὁ νικῶν καὶ ὁ τηρῶν ἄχρι τέλους τὰ ἔργα μου, δώσω αὐτῷ ἐξουσίαν ἐπὶ τῶν ἐθνῶν (27) καὶ ποιμανεῖ αὐτοὺς ἐν ῥάβδῳ σιδηρᾷ ὡς τὰ σκεύη τὰ κεραμικὰ συντρίβεται, (28) ὡς κἀγὼ εἴληφα παρὰ τοῦ πατρός μου, καὶ δώσω αὐτῷ τὸν ἀστέρα τὸν πρωϊνόν

Apk 22,16: ἐγώ εἰμι ἡ ῥίζα καὶ τὸ γένος Δαυίδ, ὁ ἀστὴρ ὁ λαμπρὸς ὁ πρωϊνός Apk 19,15: καὶ αὐτὸς ποιμανεῖ αὐτοὺς ἐν ῥάβδῳ σιδηρᾷ Apk 12,5: υἱὸν ... ὃς μέλλει ποιμαίνειν πάντα τὰ ἔθνη ἐν ῥάβδῳ σιδηρᾷ

Die Tatsache nun, dass der Apokalyptiker bereits in Apk 2,25b die in Apk 2,25a an diejenigen, die sich der διδαχή der προφῆτις Ἰεζάβελ verweigern, gerichtete Forderung, das festzuhalten, was sie aktuell haben bzw. praktizieren, mit einem Ausblick auf die Parusie Christi verknüpft544, indiziert, dass es sich bei demjenigen, der Apk 2,24f. in das thyatirische Sendschreiben einfügte545, und demjenigen, der den daran anschließenden Überwinderspruch ergänzte, um zwei voneinander zu unterscheidende Redaktoren handelte. Diese Annahme wird allerdings im weiteren Verlauf der vorliegenden Studie noch näher zu begründen sein. Demjenigen, der den Überwinderspruch anfügte, wird schließlich auch die Anfügung des Weckrufes zu verdanken sein546. In diesem Zusammenhang will es nicht undenkbar scheinen, dass die in Apk 1,18bα erscheinende Christustitulatur ὁ υἱὸς τοῦ θεοῦ aufgrund des in Apk 2,28a Ausgeführten in den Text gelangt ist, sich also demjenigen verdankt, der den Überwinderspruch Apk 2,26–28 an das Corpus des Sendschreibens an die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας angefügt hat, um dem Sendschreiben und dem ihm inhärenten Argumentationsduktus insgesamt ein inklusives und integratives Momentum zu verleihen. Die ursprüngliche Fassung der Botenformel, selbst eine sekundäre Ergänzung zum Corpus der hier diskutierten Epistel, lautete somit: τάδε λέγει ... ὁ ἔχων τοὺς ὀφθαλμοὺς αὐτοῦ ὡς φλόγα πυρὸς καὶ οἱ πόδες αὐτοῦ ὅμοιοι χαλκολιβάνῳ, eine Formulierung, die in ihrer syntaktischen Struktur immerhin den Botenformeln in Apk 2,1b.c.12b; 3,1b durchaus entsprechen würde.

Fazit: Der in der gegenwärtigen Forschung annähernd unisono als Sendschreiben an die christliche Gemeinde in Thyatira betitelte Text Apk 2,18–29 544. In diesem Sinne etwa U.B. Müller, Apk, 120: „Der Schluß der Mahnung (Vers 25) lenkt den Blick auf den wiederkommenden Christus“; anders, aber letzten Endes nicht überzeugend, hier H. Giesen, Apk, 122: „Wenn Christus davon spricht, daß die Gemeinde an dem festhalten soll, bis Christus kommt, ist wie in 2,5.16; 3,3.11 nicht an die Parusie gedacht, sondern an ein innergeschichtliches Gericht“. 545. Vgl. hierzu bereits o. 226–230. 546. Vgl. hierzu bereits ausführlich o. 36–37, 149–174.

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war ursprünglich an eine einzelne Person, nämlich an die Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας gerichtet und bot in seiner ursprünglichen, die Passage Apk 2,19–23a umfassenden Fassung folgenden Text547: [τάδε λέγει ὁ {κύριος} ...] (19) οἶδά σου τὰ ἔργα καὶ τὴν ἀγάπην καὶ τὴν πίστιν καὶ τὴν διακονίαν καὶ τὴν ὑπομονήν σου, καὶ τὰ ἔργα σου τὰ ἔσχατα πλείονα τῶν πρώτων. (20) ἀλλὰ ἔχω κατὰ σοῦ ὅτι ἀφεῖς τὴν γυναῖκα Ἰεζάβελ, ἡ λέγουσα ἑαυτὴν προφῆτιν καὶ διδάσκει καὶ πλανᾷ τοὺς ἐμοὺς δούλους πορνεῦσαι καὶ φαγεῖν εἰδωλόθυτα. (21) καὶ ἔδωκα αὐτῇ χρόνον ἵνα μετανοήσῃ, καὶ οὐ θέλει μετανοῆσαι ἐκ τῆς πορνείας αὐτῆς. (22) ἰδοὺ βάλλω αὐτὴν εἰς κλίνην καὶ τοὺς μοιχεύοντας μετ᾽ αὐτῆς εἰς θλῖψιν μεγάλην, ἐὰν μὴ μετανοήσωσιν ἐκ τῶν ἔργων αὐτῆς, (23) καὶ τὰ τέκνα αὐτῆς ἀποκτενῶ ἐν θανάτῳ III.5. DAS SENDSCHREIBEN AN DEN ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας Die Botenformel des Sendschreibens an den ‚Gemeindeengel‘548 der christlichen Gemeinde zu Sardes549 scheint – im Unterschied zu den Botenformeln der ersten vier Sendschreiben550 – sowohl auf Aspekte der Darstellung in Apk 1 als auch auf solche der Darstellung in Apk 4f. literarisch Bezug zu nehmen: Einerseits nämlich auf die Darstellung der Epiphanie des ὅμοιος υἱὸς ἀνθρώπου, hier konkret – vermittelt über das Motiv der ἑπτὰ ἀστέρες – auf die Ausführungen in Apk 1,16.20, andererseits auf Ausführungen, die der Darstellung dieser Epiphanie vorangehen, konkret auf Ausführungen innerhalb des Präskripts in Apk 1,4d551, darüber hinaus auch auf Darlegungen innerhalb des apokalyptischen Hauptteils, hier auf diejenigen in Apk 4,5c; 5,6c552. Dies aber hieße dann grundsätzlich: „Die Botenformel 547. In die Richtung der hier vorgelegten Analyse gehen auch die Überlegungen von J. Wellhausen, Analyse, 6; Wellhausen hält Apk 2,23–26 für eine sekundäre Zutat. 548. Vgl. zur Figur dieses ἄγγελος bereits grundsätzlich o. 92–114. 549. Zur Stadt Sardes und zur dortigen christlichen Gemeinde vgl. etwa D.E. Aune, Apk I, 218f. und neuestens M. Karrer, Apk I, 338f. 550. Vgl. hierzu M. Stowasser, Sendschreiben, 52: „Dabei fällt auf, dass mit dem fünften Sendschreiben nach Sardes … eine Veränderung eintritt. Den Referenztext für die Botenformel bildet nicht mehr bloß die Vision des Menschensohnähnlichen …, sondern Johannes beginnt Vernetzungen mit dem apokalyptischen Visionsteil zu schaffen“. 551. Vgl. zu diesen drei Belegen etwa A. Satake, Apk 177, der die Passagen Apk 1,4.16.20 explizit nennt. 552. Vgl. zu dem Beleg Apk 5,6c in Sonderheit M. Stowasser, Sendschreiben, 52, der den Beleg Apk 4,5c allerdings offensichtlich nicht diskutiert; anders hier jedoch etwa D.E. Aune, Apk I, 219, der im Rahmen seiner Ausführungen weder auf Apk 4,5c noch auf Apk 6,5b hinweist. Alle möglichen Belege dieses Syntagma nimmt hingegen, wenn auch recht pauschal, O. Cremer, Sohn Gottes, 138 in den Blick: „Die sieben Geister Gottes verweisen auf Offb 1,4; 4,5; und 5,6“.

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von Sardes bietet … ein Mischsystem an Referenzpunkten und beendet den einlinigen Bezug zur Anfangsvision des Menschensohnähnlichen, wie er die Botenformeln davor prägt“553. Die folgende Tabelle bietet eine Übersicht dieser literarischen Bezüge: Motiv/Text in der Botenformel

Referenztext(e) in der Berufungsvision und Bezugnahmen im apokalyptischen Hauptteil

Apk 3,1b: τάδε λέγει ὁ ἔχων554 τὰ ἑπτὰ Apk 1,4d: χάρις ὑμῖν καὶ εἰρήνη ἀπὸ ὁ πνεύματα τοῦ θεοῦ καὶ555 τοὺς ἑπτὰ ὢν καὶ ὁ ἦν καὶ ὁ ἐρχόμενος καὶ ἀπὸ ἀστέρας τῶν ἑπτὰ πνευμάτων ἃ ἐνώπιον τοῦ θρόνου αὐτοῦ Apk 1,16a: καὶ ἔχων ἐν τῇ δεξιᾷ χειρὶ αὐτοῦ ἀστέρας ἑπτὰ Apk 1,20: τὸ μυστήριον τῶν ἑπτὰ ἀστέρων οὓς εἶδες ἐπὶ τῆς δεξιᾶς μου καὶ τὰς ἑπτὰ λυχνίας τὰς χρυσᾶς· οἱ ἑπτὰ ἀστέρες ἄγγελοι τῶν ἑπτὰ ἐκκλησιῶν εἰσιν καὶ αἱ λυχνίαι αἱ ἑπτὰ ἑπτὰ ἐκκλησίαι εἰσίν Apk 4,5: καὶ ἐκ τοῦ θρόνου ἐκπορεύονται ἀστραπαὶ καὶ φωναὶ καὶ βρονταί, καὶ ἑπτὰ λαμπάδες πυρὸς καιόμεναι ἐνώπιον τοῦ θρόνου, ἅ εἰσιν τὰ ἑπτὰ πνεύματα τοῦ θεοῦ556 Apk 5,6b.c: ... ἔχων κέρατα ἑπτὰ καὶ ὀφθαλμοὺς ἑπτὰ οἵ εἰσιν τὰ [ἑπτὰ] πνεύματα τοῦ θεοῦ ἀπεσταλμένοι εἰς πᾶσαν τὴν γῆν 553. M. Stowasser, Sendschreiben, 52. 554. Zum Bedeutungshorizont des Verbums ἔχειν vgl. neuestens O. Cremer, Sohn Gottes, 143. „Das blasse ἔχειν, haben, lässt sich als Halten in der Hand (vgl. 1,16) interpretieren. Christus wird dementsprechend vorgestellt als jemand, der die sieben Geister in der einen und die sieben Sterne in der anderen – oder zusätzlich derselben – Hand hält. Das Halten eines Objekts (in der Hand) kann als Präsentation …, als Zeichen der Machtausübung …, als Drohung …, als Besitz … oder aber als zu erwartende Gabe an die Empfänger der Szene interpretiert werden. Offb 3,1 selbst gibt keinen Hinweis darauf, welche Art des Haltens gemeint ist“. 555. D.E. Aune, Apk I, 219 schlägt vor, die hier verwendete Konjunktion καί epexegetisch zu verstehen: „Here καί … can be understood epexegetically, since the seven spirits of God constitute a heavenly reality, while the seven stars are a symbol of a heavenly reality“. Warum aber sollte der Apokalyptiker die Gruppe der ἑπτὰ πνεύματα mit derjenigen der ἑπτὰ ἀστέρες identifizieren wollen? 556. Vgl. zu diesem von M. Stowasser offensichtlich nicht berücksichtigten Beleg etwa H. Lichtenberger, Apk, 105, O. Cremer, Sohn Gottes, 138 und J. Roloff, Apk, 59.

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Im Unterschied etwa zu D.E. Aune und A. Satake widerspricht neuestens M. Stowasser der These, die Ausführungen in Apk 1,4d seien als Referenztext zu Apk 3,1b zu verstehen; Stowasser zufolge seien die in Apk 1,4d genannten ἑπτὰ πνεύματα, hier der in Apk 3,1b durchscheinenden christologischen Färbung widersprechend, „theozentrisch verstanden, denn ihre Mittelstellung soll sie nicht Christus vor- oder überordnen, sondern an Gott als dessen dienende Geister heranrücken“557. Nach Stowasser eigneten sich die Ausführungen in Apk 5,6c demgegenüber weitaus besser als ein solcher Referenztext zu Apk 3,1b, da die dort genannten ἑπτὰ πνεύματα als „mit einem Christusbezug versehen“558 in Erscheinung träten. Dieser These Stowassers widerraten nun allerdings folgende Überlegungen: (a) Es muss vorausgesetzt werden, dass der Apokalyptiker als Verfasser des Endtextes der Apk sich bei seiner eigenständigen (Neu-)Formulierung der – oder aber bei seiner Verarbeitung der ihm bereits vorliegenden – Ausführungen in Apk 3,1b im Klaren darüber gewesen ist, dass das Syntagma ἑπτὰ πνεύματα [τοῦ θεοῦ]559 bereits in Apk 1,4d Verwendung gefunden hat und dass die Rezipienten der Apk jeden weiteren ihnen im Rahmen ihrer Rezeption der Apk an anderer Stelle begegnenden Beleg desselben unmittelbar auf denjenigen in Apk 1,4d beziehen und mit jenem verknüpfen würden. Das aber heißt: Der Apokalyptiker als Verfasser des Endtextes hat das Syntagma ἑπτὰ πνεύματα [τοῦ θεοῦ] in Apk 3,1b in der identifizierbaren Absicht verwendet, seine Rezipienten und deren interpretatorischen Blick aktiv auf das in Apk 1,4d Ausgeführte zurückzulenken, eine Annahme, die unmittelbar impliziert, dass er letzteres bewusst als Bezugstext zu Apk 3,1b verstanden und interpretiert wissen wollte. (b) Dass im Rahmen der Passage καὶ ἀπὸ τῶν ἑπτὰ πνευμάτων ἃ ἐνώπιον τοῦ θρόνου αὐτοῦ Apk 1,4d das Syntagma ἑπτὰ πνεύματα theozentrisch zu 557. Sendschreiben, 52. 558. Sendschreiben, 52. 559. Vgl. zu dieser Gruppe der ἑπτὰ πνεύματα etwa M. Karrer, Johannesoffenbarung, 128–131, A. Satake, Apk, 129f. und auch D.E. Aune, Apk I, 33–35 und C.R. Koester, Apk, 216. D.E. Aune möchte diese Figuren als „the seven principal angels of God“ (34) verstehen und verweist in diesem Zusammenhang auf entsprechende Hinweise und Parallelen insbesondere in der qumranischen Literatur (vgl. 34f.). Sämtliche Versuche, die Gruppe der ἑπτὰ πνεύματα als „representing the Holy Spirit in its fullness“ (33), bezeichnet er hingegen – durchaus m.R. – als „artificial and unconvincing“ (34), da ihnen der Sachverhalt entgegensteht, dass dem Apokalyptiker, wie schon die Weckrufe belegen, die Figur des einen πνεῦμα Gottes offensichtlich bekannt gewesen ist; auch dem Versuch, die ἑπτὰ πνεύματα als Gruppe von Astralgottheiten zu klassifizieren, steht er ablehnend gegenüber. Anders als D.E. Aune hier etwa A. Satake, Apk, 130, der „die sieben Geister … als die himmlische Erscheinungsform … des einen Geistes … betrachten“ möchte, textliche Indizien zugunsten dieser Interpretation jedoch schuldig bleiben muss.

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verstehen ist, lässt sich insbesondere angesichts des Kontextes schlechterdings nicht bestreiten. Der Sachverhalt jedoch, dass in Apk 3,1b – wie übrigens auch in Apk 5,6c und auch in Apk 4,5c – das Syntagma ἑπτὰ πνεύματα, textkritisch vollständig unumstritten, eben mit der attributiven Ergänzung τοῦ θεου begegnet, legt allerdings auch im Blick auf diese beiden Belege ein zumindest im Grundsatz theozentrisches Verständnis desselben nahe, auch wenn dessen grundsätzlich theozentrische Ausrichtung in Apk 3,1b; 5,6c um einen deutlichen christologischen Akzent erweitert sein mag. Aus dieser das grundsätzliche Verständnis ergänzenden – oder womöglich auch neu ausrichtenden – Neuakzentuierung dieses Syntagmas lässt sich aber schwerlich die Annahme ableiten, dass die Ausführungen in Apk 1,4d, vermittelt über die Figuren der ἑπτὰ πνεύματα, auf der Basis des Endtextes nicht als Referenztext zu dem in Apk 3,1b Gesagten gelten können oder gar dürfen. (c) Auf der methodischen Ebene bleibt fraglich, inwieweit mit Apk 5,6c eine Textpassage, die – nach Meinung der gegenwärtigen Mehrheit der exegetischen Forschung und offensichtlich auch nach derjenigen M. Stowassers – zeitlich später als das in Apk 3,1b Ausgeführte kreiert worden ist und zum Zeitpunkt der Formulierung dessen in ihrer gegenwärtig vorliegenden Form womöglich noch überhaupt nicht im Blick des Apokalyptikers gelegen hat, die auch von den Rezipienten der Apk zum Zeitpunkt ihrer Lektüre von Apk 3,1b noch nicht wahrgenommen worden sein konnte, als Referenztext bzw. Bezugstext desselben definiert werden kann – eine Frage, die sich auch im Blick auf das in Apk 4,5c Ausgeführte stellt. Eher trifft doch das Umgekehrte zu: Apk 3,1b fungierte als Referenz- oder Bezugstext zu Apk 4,5c; 5,6c. Mit den explikativ zu verstehenden Wendungen ἅ εἰσιν τὰ ἑπτὰ πνεύματα τοῦ θεοῦ Apk 4,5c560 und οἵ εἰσιν τὰ [ἑπτὰ] πνεύματα τοῦ θεοῦ ἀπεσταλμένοι [!] εἰς πᾶσαν τὴν γῆν Apk 5,6c561 verweise der Apokalyptiker zurück auf Apk 1,4d; 3,1b562. Mit dieser Überlegung aber verliert die These Stowassers, dass „die Botenformel von Sardes … ein Mischsystem an Referenzpunkten“ böte563, ihre exegetische Durchschlagskraft. Die Aussage, dass „Johannes … [in Apk 3,1b] Vernetzungen mit dem apokalyptischen Hauptteil zu schaffen [beginnt], der auf die Sendschreiben folgt“564, lässt sich 560. Vgl. hierzu etwa A. Satake, Apk, 198, der die o.cit. Ausführungen in Apk 4,5c als „Deutewort“ charakterisiert; vgl. in diesem Sinne auch J. Roloff, Apk, 68. 561. Vgl. hierzu neben anderen etwa A. Satake, Apk, 210: „Während die sieben Hörner vom V[er]f[asser]. selbst nicht gedeutet sind, fügt er zu ‚den sieben Augen‘ die Erklärung bei, sie seien ‚die sieben Geister Gottes …, in alle Welt gesandt‘“. 562. Diesen Sachverhalt übersieht auch O. Cremer, Sohn Gottes, 138, der formuliert: „Die ‚sieben Geister Gottes‘ verweisen auf Offb 1,4; 4,5 und 5,6“. 563. Vgl. hierzu o. 239–240. 564. Sendschreiben, 52.

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angesichts des hier Erwogenen zumindest im Kontext der von Stowasser explizierten Intention nicht mehr aufrechterhalten. Aus alledem folgt in der Summe: Die das Sendschreiben an den ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας einleitende Botenformel verweist zumindest auf der Ebene des Endtextes zurück auf Ausführungen in Apk 1,4d.16a.20 und fungiert – u.a. zusammen mit dem in Apk 1,4d Gesagten – selbst als Referenz zu den Ausführungen in Apk 5,6c565 – und auch zu denjenigen in Apk 4,5c. Die entsprechenden, innerhalb ihrer Kontexte jeweils eine explicatio bietenden Ausführungen in Apk 4.5c; 5,6c stellen ihrerseits somit also Bezugnahmen auf Apk 1,4d; 3,1b dar. Mit dieser These ist allerdings noch keine Entscheidung hinsichtlich des literarischen Verhältnisses der Ausführungen Apk 1,4d zu denen in Apk 3,1b getroffen: Angesichts der von Stowasser durchaus m.R. thematisierten unterschiedlichen und zugleich diskontinuitären theologischen Profilierung der Gestalten der ἑπτὰ πνεύματα in Apk 1,4d einer- und Apk 3,1b andererseits stellt sich nämlich die Frage, ob jene vom gleichen Verfasser stammten und aus einem Guss formuliert oder aber zu unterschiedlichen Zeiten verfasst worden seien und sich unterschiedlichen Händen verdankten, eine Frage, die im weiteren Verlauf dieser Studie umfassend erörtert wird566. Der in der Forschung verschiedentlich registrierte Sachverhalt, dass innerhalb der Botenformel „ein spezieller Bezug auf die Gemeindesituation oder das besondere Anliegen des Johannes noch nicht erkennbar“567 sei568, lässt im Zusammenhang mit dem zu den 565. In diesem Sinne etwa M. Karrer, Apk I, 340, der in seiner Auslegung zu Apk 3,1b im Blick auf das Syntagma ἑπτὰ πνεύματα τοῦ θεοῦ nur auf Apk 1,4d, nicht aber auf Apk 5,6c verweist; vgl. hierzu auch H. Lichtenberger, Apk, 105: „Die sieben Geister Gottes stammen aus 1,4“. 566. Vgl. hierzu ausführlich u. 322–325. 567. U.B. Müller, Apk, 124; vgl. in diesem Sinne auch A. Satake, Apk, 177: „In unserem Sendschreiben findet man keinen zwingenden Grund für die Aufnahme dieser Motive“, und W. Bousset, Apk, 222: „Es ist ganz vergeblich, in der Überschrift und den Attributen, die hier dem Menschensohn beigelegt werden, eine bestimmte Beziehung auf die folgende Gerichtsdrohung zu finden“. Anders hier aber H. Kraft, Apk 75, der die Ausführungen in Apk 3,c – hier konkret den Hinweis ὅτι ὄνομα ἔχεις ὅτι ζῇς – mit dem Gedanken der Gabe des Geistes verknüpft, eben des Geistes, den nach Apk 3,1b Christus gebracht habe; in diesem Sinne auch A. Satake, Apk, 130: „Die sieben Geister sind als die himmlische Erscheinungsform … des einen Geistes zu betrachten, der auf der Erde wirkt“. In Apk 3,1b ist aber von einem solchen das lebensspendende πνεῦμα vermittelnden Christus nicht die Rede; hier geht es vielmehr um ἑπτὰ πνεύματα, die als dem in diesem Sendschreiben redenden Christus zur Verfügung stehend beschrieben werden; vgl. hierzu auch M. Karrer, Apk I, 340, A. 17: „Diese Geister sind kein Symbol des heiligen Geistes“. 568. Ebenfalls anders, aber ohne dies näher zu begründen, hier G.K. Beale, Apk, 272: „Christ’s dual self-introduction uniquely suits the situation in Sardis. It is almost identical to that of the Message to Ephesus … and most likely has the same purpose here as there, which the following verses bear out“.

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Botenformeln der ersten vier Sendschreiben Ausgeführten569 die Annahme wahrscheinlich erscheinen, dass auch diese Botenformel dem ursprünglichen Text des an den sardischen ‚Gemeindeengel‘ gerichteten Sendschreibens nachträglich oder aber sekundär hinzugefügt worden ist. Jeglicher Versuch der (Erst-)Rezipienten, die Botenformel im Kontext des an diese anschließenden Corpus des Sendschreibens an die Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας zu interpretieren, ist vollständig auf durch den Text und dessen Verstehenssignale selbst nicht gedeckte konstruktive Operationen derselben angewiesen und stellt eine in ihrer Gänze subjektive Sinnbildung dar570, im Kontext der Interpretation der sieben Sendschreiben immer ein Hinweis auf einen zugrundeliegenden Textwachstumsprozess571. Hinzu kommt, dass innerhalb des an den sardischen ‚Gemeindeengel‘ gerichteten Sendschreibens – wie auch in den diesem Sendschreiben vorausgehenden Ausführungen in Apk 1f. – die Beziehung der Gruppe der ἑπτὰ πνεύματα zu der in Apk 3,6 auftretenden Figur des πνεῦμα nicht geklärt wird. Vielmehr 569. Vgl. hierzu o. 139–147, 192–193, 195 und 213–214. 570. Vgl. zu einer solchermaßen kontextualisierten Interpretation, die auch die Subjektivität der Konstruktion von Sinn unmittelbar deutlich werden lässt, etwa O. Cremer, Sohn Gottes, 144f.: „Was folgt daraus [d.h aus der zuvor gebotenen Interpretation der Hauptaussagen des Corpus dieses Sendschreibens] für die Deutung der Selbstvorstellung Christi in Offb 3,1b? Wie ist Christi Halten der sieben Geister Gottes zu verstehen? Das Moment der Drohung und das der Machtausübung liegen nicht nur von der positiven Bedeutung der sieben Geister in 1,4d her fern, sondern passen auch nicht inhaltlich zur Linie des Sendschreibens und den Vorwürfen Christi gegenüber der Gemeinde. Das Motiv des Besitzes – Christus als Träger des durch die sieben Geister Gottes symbolisierten Heiligen Geistes – ist nicht auszuschließen, wirkt aber durch die Siebenzahl als sehr umständlich konstruiert. Die sieben Geister Gottes im Sendschreiben lassen primär auf einen Bezug zur adressierten Gemeinde schließen, und erst sekundär auf eine christologische Aussage. Bleibt die für ἔχειν auch in der Offenbarung belegte Funktion jemandem etwas zu präsentieren, das den Adressaten zu teilwerden soll …. Lassen sich die sieben Geister Gottes (in Christi Hand) als eine Aufforderung oder ein Angebot interpretieren, den Geist Gottes neu von Christus zu empfangen und in der Gemeinde wirken zu lassen? Der weitere Text des Sendschreibens lässt eine solche Interpretation zumindest zu [!]. Demnach braucht die (geistlich) tote Gemeinde in Sardes … den ‚Geist des Lebens‘ …. Auch soll sie sich darauf besinnen, wie sie ihn (im Rahmen der Gemeindegründung) empfangen hat …. Genau so, wie sie damals (auf den Geist) gehört hat …, soll die Gemeinde jetzt erneut auf ihn hören (vgl. die Weckformel … jeweils mit ἀκούειν). Weiter erinnert der Geist die Gemeinde an das Kommen Christi … und den notwendigen Ruf der Gemeinde nach seiner Wiederkunft. Insgesamt befähigt der Geist die Gemeinde neu zum Zeugnis gegenüber ihrer Umwelt und zum Dienst an Gott und seinem Christus“. Sämtliche der hier von Cremer angesprochenen Aspekte ergeben sich jedoch nicht aus dem Text des Sendschreibens an den sardischen ‚Gemeindeengel‘ selbst, innerhalb dessen der Begriff des πνεῦμα, den auf die Allgemeinheit der Christen bezogenen Weckruf (vgl. hierzu o. 149–158) einmal ausgenommen, nicht begegnet, sondern ausschließlich aus theologischen Inferenzen des Interpreten selbst und lassen sich in ihrer Gesamtheit als subjektive, durch den Text und seine Ausführungen selbst nicht indizierte Sinnbildung charakterisieren. 571. Vgl. hierzu ausführlich o. 385–396.

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bleibt es dem Rezipienten überlassen, dieselbe zu definieren, eine Aufgabe, die er ohne Hinweise aus dem Text vollständig inferentiell, d.h. auf der Basis einer subjektiven Sinnkonstruktion, bewältigen muss. Diese Beobachtung spricht zumindest dafür, dass in der Relation von Apk 3,1b zu Apk 3,6 ein Textwachstumsprozess vorliegt. Im Anschluss an die Botenformel wendet sich der in diesem Sendschreiben redende Christus der Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας zu, dessen offensichtlich gänzlich unzulängliches Verhalten er mit scharfen Worten kritisiert und als eine umfassende und vollständige572 geistige bzw. präziser: geistliche Todesverfallenheit auslegt573: οἶδά σου τὰ ἔργα ὅτι ὄνομα574 ἔχεις ὅτι ζῇς575, καὶ νεκρὸς εἶ. Unmittelbar im Anschluss daran wird der ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας in Apk 3,2a aufgefordert, ein Wachsamer zu werden (γίνου γρηγορῶν576)577 und ‚das Übrige‘ zu stärken (στήρισον τὰ λοιπά), das sterben will bzw. im Begriff steht zu sterben578 (ἃ ἔμελλον579 572. Wohl aus diesem Grund „verzichtet [der Apokalyptiker in Apk 3,1c] darauf, die Kritik durch eine Normenreihe zu erläutern“ (M. Karrer, Apk I, 341); aus seiner Sicht scheint es offensichtlich nichts zu geben, was positiv zu erwähnen und zu beurteilen wäre. 573. Vgl. hierzu etwa, wenn auch im Kontext der Deutung der Figur des ἄγγελος auf die Gemeinde in ihrer Gesamtheit, H. Giesen, Apk, 126f.: „Deshalb reißt der allwissende Christus, der die Werke der Gemeinde, d.h. ihren wirklichen Stand vor Gott genau kennt, ihr die Maske vom Gesicht, indem er sie für geistig tot erklärt“; ähnlich hier J. Roloff, Apk, 59, der den Begriff des Namenschristentums in die Diskussion einführt, D.E. Aune, Apk I, 219, der in diesem Zusammenhang von einer „moral and spiritual … morbidity“ spricht, G.K. Beale, Apk, 273, der einen „spiritual death“ konstatiert, und – wenn auch mit einem deutlich anderen Akzent – A. Satake, Apk, 178: „Mit dem ‚Tot‘-Sein ist die Lauheit des Glaubens gemeint, die auf dem Gefühl der Selbstsicherheit beruht“. Vgl. hierzu auch M. Karrer, Apk I, 341, der allerdings aufgrund des in Apk 3,1cα Ausgeführten stärker auf die ethischen Implikationen einer solchen Todesverfallenheit abhebt: „Christus weiß auch, dass der Engel nur dem Namen nach lebt. Am Resultat seines Handelns bemessen ist er tot“. 574. Zur Bedeutung des Substantivs ὄνομα im Sinne von „Ruf“ vgl. etwa W. Bousset, Apk, 222; vgl. darüber hinaus auch L. Hartman, Art. ὄνομα, in: ENWT2 II, 1270, hier mit Verweis auf Mk 6,14: „Die Verknüpfung Namen – Person ist auch Mk 6,14 zu finden: der Ruf einer Person wird bekannt“. Vgl. zur Deutung der Wendung ὅτι ὄνομα ἔχεις neuestens auch M. Karrer, Apk I, 341. 575. Vgl. zur Interpretation dieser Wendung, wenn auch im Kontext einer traditionellen Deutung der Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας, etwa H. Giesen, Apk, 126: „Nach außen vermittelt die Gemeinde den Eindruck, lebendig, d.h. vorbildlich, zu sein“. Sehr schön hier auch J. Roloff, Apk, 59: „Die Gemeinde von Sardes bietet nach außen hin das Bild völliger Intaktheit, was ihr den Ruf einer lebendigen Gemeinde einträgt“. 576. W. Bauer/B. Aland, Wörterbuch, s.v. γρηγορέω, 334 geben für Apk 3,2f. die Übersetzung „wachsam sein, d. Augen offen halten“ an. 577. Neben anderen macht P. Prigent, Apk, 193 darauf aufmerksam, dass „the exhortation to be watchful recalls Mt. 24:42 (Mk 13:35)“. 578. Zu dieser Übersetzung des Prädikats μέλλω vgl. W. Bauer/B. Aland, Wörterbuch, s.v. μέλλω, 1015. 579. Nach A. Satake, Apk, 178, A. 112 muss das hier vorliegende Imperfekt als „Tempus des Briefstils“ analysiert und „im Sinne des Präsens“ verstanden werden.

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ἀποθανεῖν)580, denn (γάρ) – und diese Konjunktion leitet die Begründung dieser Aufforderung ein581 – der in diesem Sendschreiben redende Christus hat die ἔργα des ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας als ‚nicht erfüllt vor seinem Gott‘ (οὐ ... πεπληρωμένα582 ἐνώπιον τοῦ θεοῦ μου) erkannt (Apk 3,2b). M. Karrer wirft in seinem Kommentar die Frage auf, wie der Begriff τὰ λοιπά Apk 3,2a zu interpretieren ist. Während ihm zufolge eine Mehrheit innerhalb der exegetischen Forschung diese Wendung als ein abstractum pro homine interpretieren und personal, d.h. auf die Menge der übrigen Christen der sardischen Gemeinde bezogen verstehen möchte, votiert er selbst dafür, jene auf den Terminus τὰ ἔργα (Apk 3,1c.2a) zu beziehen und somit also ethisch, im Sinne von ‚die übrigen Werke‘, zu verstehen. Seine Interpretation begründet Karrer in Sonderheit mit dem Hinweis auf Apk 2,24; hier würde die Gruppe der ‚Übrigen‘ mit dem Terminus οἱ λοίποι, also in einer maskulinen Formulierung, expliziert583. Zugunsten der von Karrer vorgeschlagenen Interpretation lässt sich – über das von ihm selbst Vorgetragene hinaus – folgende Beobachtung anführen: Ausweislich der Konkordanz ist der Begriff λοιπός κτλ. in der Apk insgesamt achtmal belegt, davon in substantivierter Form, abgesehen von Apk 2,24 und Apk 3,2, noch in Apk 9,20; 11,13; 12,17; 19,21 und 20,5584. Wenn sich dieser Begriff auf eine Gruppe von Menschen bezieht, wird er in der Apk immer im Maskulinum, niemals aber im Neutrum verwendet, ein Sachverhalt, der zunächst eindeutig in die Richtung einer neutrischen, 580. D.A. DeSilva, Minds, 142 möchte das in Apk 3,2a Ausgeführte als in Form einer Aufforderung formulierte Folgerung aus dem in Apk 3,1c Gesagten interpretieren. Auffällig ist freilich, dass eine solche argumentationslogische Relation innerhalb der Formulierung von Apk 3,2a nicht expliziert wird, insbesondere angesichts der Tatsache, dass der Apokalyptiker in Apk 3,2a – hier verwendet er die Konjunktion γάρ – durchaus mit Textsignalen zu arbeiten weiß, die die Logik seiner Argumentation aufzuzeigen geeignet sind. 581. So etwa D.A. DeSilva, Minds, 143, der hier von einem „rationale“ spricht; anders hier A. Satake, Apk, 177, A. 108: „Da V. 2b mit γάρ eingeleitet ist, kann man ihn als Begründung der zwei Mahnungen in V. 2a betrachten. Aber weil diese durch den Hinweis auf das ‚Tot‘-Sein in V. 1c schon begründet sind und weil die Mahnung V. 3a, die mit οὖν beginnt, mit der Beschreibung V. 2b eng verbunden ist, ist das γάρ in V. 2b als ein Übergangspartikel anzusehen“. Dieser Auslegung widerrät zweierlei: (a) Das in Apk 3,1c Ausgeführte vermag schon aus syntaktischen Gründen kaum als Begründung für das in Apk 3,2a Gesagte zu fungieren. (b) Inwieweit die Verwendung der Partikel οὖν in Apk 3,3a gegen eine auf Apk 3,2a bezogene kausale Interpretation der Konjunktion γάρ in Apk 3,2b sprechen sollte, wird nicht erkennbar. (c) Es muss mehr als fraglich bleiben, ob eine solche syntaktische Relativierung der Partikel γάρ semantisch durchgehalten werden kann. 582. Zu den semantischen Implikationen des Verbums πληρόω vgl. etwa I.T. Beckwith, Apk, 474 und auch D.E. Aune, Apk I, 220; Aune übersetzt hier mit: „‚to make complete or perfect‘“. 583. Vgl. zu den Ausführungen Karrers insgesamt Apk I, 142; im Rahmen seiner Ausführungen verweist M. Karrer auf D.A. DeSilva, Minds, 142f., A. 23, dessen Interpretation in seiner Übersetzung deutlich wird: „Be vigiliant and strengthen the things that remain and are about to die“, ohne dass DeSilva diese jedoch mit einer Begründung versieht. In ähnlicher Weise versteht G.K. Beale, Apk, 273 unter den λοιπά „some things left for these Christians to do to show the genuineness of their faith and the legitimacy of the Christian ‚name‘ that they profess”. 584. Vgl. zu diesen Belegen W.F. Moulton/A.S. Geden, Concordance, s.v. λοιπός, 606.

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naheliegenderweise auf den Begriff τὰ ἔργα zurückzubeziehenden Deutung des Terminus τὰ λοιπά zu weisen scheint. Allerdings bleiben Fragen: (a) Zunächst: Wenn der Apokalyptiker in Apk 3,2a von ‚übrigen Werken‘ spricht, die gestärkt werden müssen, ergibt sich die Frage, welche ἔργα denn zu der von dieser Gruppe der ‚übrigen‘ doch offensichtlich zu unterscheidende Gruppe von Werken zählen, die entweder nicht gestärkt werden müssen oder aber möglicherweise nicht mehr gestärkt werden können, weil sie bereits vollständig aus dem ethischen Horizont gerückt sind? Auf diese Frage gibt der Text Apk 3,1f. keinerlei Antwort, was bedeutet, dass eine neutrische Interpretation des Terminus τὰ λοιπά zwar ein semantisches Problem zu lösen vermöchte, zugleich aber ein logisches Problem kreierte. Darüber hinaus scheint die Formulierung νεκρὸς εἶ Apk 3,1cγ doch zu indizieren, dass es – soll der Rahmen einer ethisch akzentuierten Interpretation von Apk 3,1c beibehalten werden – keine Werke mehr gibt, die gestärkt werden könnten585, sondern im Höchstfalle nur noch solche, die wiederbelebt werden müssen, eine Beobachtung, die das logische Problem einer neutrischen Auslegung des Begriffs τὰ λοιπά noch verstärkte. (b) Die von M. Karrer präferierte neutrische Auslegung des Terminus τὰ λοιπά implizierte die Notwendigkeit, dass diese ‚übrigen Werke‘ dann auch sterben (ἀποθανεῖν) können müssen bzw. sterben können wollen (ἔμελλον); dass menschliche Wesen auf dem Wege zu einem metaphorisch zu verstehenden geistigen oder geistlichen Tod sind und in diesem Sinne ‚sterben wollen‘, lässt sich zwanglos plausibilisieren, dass – nicht weiter praktizierte – Werke auf einem solchen Wege sein sollen und auch wollen, hingegen kaum586. Wenn M. Karrer im Blick auf die Wendung τὰ λοιπά das letztlich in der Semantik zu lokalisierende Problem eines abstractum pro homine vermeiden möchte, muss er den Infinitiv ἀποθανεῖν im Sinne eines hominum pro abstracto interpretieren, was bedeutet, dass er letzten Endes eine semantische Schwierigkeit durch eine andere ersetzt. Diese Einwände lassen es in ihrer Summe geraten erscheinen, mit der Mehrheit der Ausleger und gegen M. Karrer die Wendung τὰ λοιπά als auf Menschen bzw. eine Gruppe von Menschen bezogen, d.h. somit im Sinne von οἱ λοίποι, zu verstehen587. 585. Vgl. hierzu u. 586. Dies belegt in Hinsicht auf die Apk ein Blick in die Konkordanz; in der Apk begegnet das Verbum ἀποθνῄσκω insgesamt sechsmal, über den hier diskutierten Beleg hinaus noch in Apk 8,9.11; 9,6; 14,13 und 16,3 (vgl. zu diesen Belegen W.F. Moulton/A.S. Geden, Concordance, s.v ἀποθνῄσκω, 91). In all diesen Belegen ist aber immer vom Sterben von Lebenwesen die Rede, nicht jedoch von einem Absterben einer konkreten Frömmigkeitspraxis. Dies entspricht auch durchaus der profangriechischen Semantik dieses Verbums; vgl. hierzu H. Menge, Wörterbuch, s.v. ἀποθνῄσκω, 89; ähnlich hier auch W. Bauer/B. Aland, Wörterbuch, s.v. ἀποθνῄσκω, 182f., die zwar eine metonymische, aber keine von menschlichen oder tierischen Lebewesen losgelöste Bedeutung dieses Begriffs nachweisen. 587. Vgl. zu einem solchen Verständnis auch 1Kor 1,27, ein Beleg, der etwa von M. Karrer, Apk I, 342, A. 24 durchaus als Beleg für eine hier vertretene Interpretation eines abstractum pro homine akzeptiert wird. Einen durchaus interessanten Vorschlag zur Lösung des hier u.a. von M. Karrer aufgewiesenen semantischen Problems macht A. Satake, Apk, 178, A. 111, der im Blick auf die Formulierung in Apk 3,2a anregt: „Vielleicht muß man [in Entsprechung zu Apk 3,4 den Begriff] ὀνόματα ergänzen“. Insgesamt deutet – neben vielen anderen – auch Satake den Terminus τὰ λοιπά in maskulinem Sinne: „Darauf folgen zwei Mahnungen: ‚werde wach‘ und ‚stärke den Rest‘“. H. Kraft, Apk, 76 möchte unter Verweis auf Ez 43,4 „zu

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Die vom Apokalyptiker in Apk 3,1c.2 vorgelegte Argumentation veranlasst verschiedene Nachfragen: (a) Es bleibt völlig unklar – und wird auch in der exegetischen Literatur kaum diskutiert588 –, warum der Apokalyptiker im Zuge der Darstellung von Apk 3,1c zu Apk 3,2a im Rahmen der von ihm verwendeten Bildersprache die Metaphorik wechselt589. Wird der ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας in Apk 3,1c noch für νεκρός, also – unter Verwendung eines semantisch durchaus konvergierenden Metonyms – für geistig oder geistlich tot erklärt, soll er Apk 3,2a zufolge ein Wachsamer werden, eine Aufforderung, die impliziert, dass er zum Zeitpunkt der Abfassung bzw. Zustellung dieses Sendschreibens als Unaufmerksamer bzw. Schläfriger zu charakterisieren ist. Wenn die Ausführungen in Apk 3,2a nun vor dem Hintergrund derjenigen in Apk 3,1b zu deuten sind – und ein anderer Ansatz zur Interpretation des in Apk 3,2a Gesagten scheint an dieser Stelle kaum denkbar –, heißt dies, dass der Apokalyptiker in Apk 3,2a, um den Zustand des geistigen oder geistlichen Totseins zu beschreiben, nun auf eine Metapher aus dem Bereich des Schlafens590 zurückgreift591. Die entscheidende semantische Differenz zwischen diesen beiden Metaphern besteht nun aber darin, dass die erste, expliziert durch das Adjektiv νεκρός, einen unumkehrbaren Zustand definiert592, während die zweite, hier nur inversiv zum Ausdruck gebracht durch das Partizip γρηγορῶν, diese Unumkehrbarkeit gerade nicht impliziert593. λοιπ]ά entsprechend πρόβατα … ergänzen“. Eine vermittelnde Position nimmt hier ein I.T. Beckwith, Apk, 473: „Both persons and the elements of Christian character are included“; vgl. zu diesem Ansatz auch R.H. Charles, Apk I, 79 und P. Prigent, Apk, 194, beide mit Verweis auf H.B. Swete. 588. In der Regel werden diese beiden Metaphern in der exegetischen Literatur – stillschweigend – gesetzt; vgl. hierzu etwa H. Kraft, Apk, 76: „…; es fehlt im entscheidenden Punkt, nämlich die Bekenntnisfreudigkeit der Gemeinde läßt zu wünschen übrig. ‚Tot sein‘ (oder ‚schlafen‘) und ‚wachen‘ sind technische Termini, die sich auf die große eschatologische Versuchung beziehen“. 589. Vgl. zu dieser Beobachtung als – zumindest in dieser expliziten Form – einer von wenigen bereits H.B. Swete, Apk, 49: „After νεκρὸς εἶ we expect the call ἀνάστα ἐκ τῶν νεκρῶν (Eph. v. 14)“. 590. Vgl. zu diesem Bedeutungshorizont des Verbums γρηγορέω etwa J.M. Nützel, Art. γργγορέω, in: EWNT2 I, 638: „Γ[ρεγορέω]. bedeutet zunächst nicht schlafen“. 591. Vgl. hierzu etwa H. Giesen, Apk, 127: „Der geistige Tod, die fehlende Beziehung zu Christus und zu seinem Gott, kann auch als Schlaf gedeutet werden“. 592. Vgl. hierzu etwa R. Dabelstein, Art. νεκρός, EWNT2 II, 1134, der durchaus m.R. perfektisch formuliert: „Wenn es Apk 3,1 von Sardes heißt, daß du im Ruf stehst, lebendig zu sein und bist doch tot‘, so meint νεκρός: Die Gemeinde ist der Versuchung erlegen und von Gott abgefallen. Sie hat sich verführen lassen und sich mit Götzendienst besudelt“. 593. Anders hier etwa T. Zahn, Apk, 297, der feststellt: „Es trifft ihn [d.h. den Gemeindeengel] das scharfe Urteil, daß er tot, oder wie statt dessen v. 2f. dafür gesagt wird, daß er in tiefen Schlaf versunken sei“, und U.B. Müller, Apk, 125: „Dabei geht der Verfasser bei der

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Diese sich aus der Verwendung dieser inkohäsiven und semantisch widersprüchlichen Metaphorik ergebende sachliche Spannung wird in der exegetischen Literatur, sofern sie denn in derselben überhaupt thematisiert wird594, implizit oder explizit unterschiedlich aufzulösen versucht: (1) H. Giesen interpretiert – im Unterschied zu seiner eigenen Übersetzung – den Hinweis καὶ νεκρὸς εἶ Apk 3,1cβ im Sinne eines offensichtlich noch nicht an sein Ende gekommenen Prozesses des Sterbens, den es aufzuhalten gelte: „Sie [d.h. die Gutmütigen in der Gemeinde] sollen auch den Rest der christlichen, nicht der empirischen Gemeinde … stärken, der im Begriff war, geistig zu sterben“595. Ein solcher durativer Akzent aber wird durch die Formulierung καὶ νεκρὸς εἶ – das Verbum ἀποθνῄσκω verwendet der Apokalyptiker in Apk 3,1c, anders als etwa in Apk 3,2a, gerade nicht – nicht gedeckt und ist im Rahmen der Rezeption somit als eine unabhängig vom, präziser: gegen den Text entwickelte rekonstruktive oder konstruktive Operation des Rezipienten596 zu charakterisieren, die ihrerseits im Blick auf die Ausführungen in Apk 3,1c.2a die Annahme eines literarischen Wachstumsprozesses indiziert. (2) D.E. Aune möchte die Ausführungen in Apk 3,1c und Apk 3,2a auf zwei unterschiedliche Gruppen von Personen beziehen; Auswahl seiner Bildworte von der Gleichung Wachen = Leben, Schlafen = Sterben aus“. Das hier aufgewiesene Dilemma wird – im Kontext der traditionellen Auslegung der Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας – expressis verbis vermittelt durch die Ausführungen von W. Bousset, Apk, 222 zu Apk 3,2a; Bousset formuliert: „Die Gesamtheit der Gemeindeglieder (nicht der Bischof oder das Presbyterium) wird ermahnt zu erwachen und sich der absterbenden Glieder anzunehmen“, und P. Prigent, Apk, 193: „The community is, in reality, dead. And yet it can be called to watchfulness that would demonstrate its return to life“. Diese Aussagen sind logisch kaum nachzuvollziehen. Wenn u.a. M. Karrer auf Eph 5,14 hinweist und im Blick auf diesen Vers formuliert: „Schlaf ist ein beliebtes antikes Bild für den Tod“, so trifft dies zwar zu, tangiert aber das aus dem in Apk 3,1c.2 Gesagten sich ergebende exegetische Problem nur am Rande, da es hier um den Sachverhalt geht, dass zwei semantisch differente Metaphern in einem Argumentationsvorgang wechselseitig aufeinander rekurrieren. In Eph 5,14 stehen hingegen beide Metaphern ohne einen solchen wechselseitigen Bezug parallel nebeneinander: ἔγειρε, ὁ καθεύδων, καὶ ἀνάστα ἐκ τῶν νεκρῶν. Vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch D.E. Aune, Apk I, 219, der m.R. darauf hinweist, dass „the contrasting metaphors are ‚life‘ and ‚death.‘. 594. So scheint etwa D.A. DeSilva, Minds, 152 im Rahmen seiner Analyse der argumentationslogischen und rhetorischen Struktur der Epistel an den ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας diese hier aufgewiesene Spannung nicht wahrzunehmen; DeSilva zufolge bildeten die Ausführungen in Apk 3,1c die stasis, auf die dann in Apk 3,2a die entsprechende conclusio folge. Allerdings räumt DeSilva ein: „Argumentative texture at its most developed in the oracle to the congregation in Sardis, even though the identification of the challenge to be addressed (the stasis) in their situation remains the most opaque to those outside the situation“. 595. Apk, 127; in diesem Sinne neuestens auch M. Karrer, Apk I, 342: „Das Handeln unseres Engels in Sardes jedoch ist gleichsam eingeschlafen. Dieser Schlaf droht in den Totenschlaf überzugehen. Fast starben die Taten schon. Nur noch wenig ist von ihnen übrig“. 596. Vgl. hierzu ausführlich o. 28–29.

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bezögen sich Apk 3,1c auf die gesamte sardische Gemeinde, die als νεκρός charakterisiert werde597, würden in Apk 3,2a diejenigen „members of the congregation who are not ‚dead‘ but rather weak and ‚on the point of death‘“598 angesprochen599. Textsignale, die eine solche Interpretation zu unterfüttern vermöchten, finden sich in Apk 3,1f. freilich nicht, eine Beobachtung, die verwundern muss angesichts der Tatsache, dass solchermaßen von Aune charakterisierte Glieder der sardischen Gemeinde und ihr Verhalten in Apk 3,4 in den Blick genommen werden. M.a.W.: Auch die von D.E. Aune vorgelegte Interpretation und die von ihm entwickelte Überwindung der o.a. Inkohäsion beruhen auf einer von jenem vorgenommenen Inferenz, die durch den Text selbst nicht gedeckt ist, und indizieren somit hinsichtlich des in Apk 3,1c.2a Ausgeführten ebenfalls die Annahme eines literarischen Wachstumsprozesses. (3) W. Hadorn fasst, um diese Inkohäsion zu überwinden, die Formulierung καὶ νεκρὸς εἶ als Beschreibung eines durchaus noch reversiblen Status auf und formuliert somit letztlich eine paradoxe Interpretation: „Sein [d.h. des ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας] Totsein ist nicht endgültig. Er kann noch erwachen“600. Diese sowohl der Semantik des Adjektivs νεκρός601 als auch dem in der übrigen Apk bezüglich desselben nachweisbaren Sprachgebrauch widersprechende, letzten Endes somit wiederum inferentielle Interpretation führt im Ergebnis aber eben aufgrund ihrer Inferentialität auch nur dazu, die Annahme, bei dem Text Apk 3,1c.2a handele es sich um eine sekundär zusammengewachsene Texteinheit, zu substantiieren602.

597. Vgl. hierzu Apk I, 219: „Here the author shifts the metaphor from characterizing the congregation as a whole as being ‚dead,‘ …“. 598. Apk I, 219. 599. In diese Richtung scheint auch B. Weiß zu denken, im Blick auf dessen Auslegung W. Bousset ausführt: „Verkehrt ist es, mit B. Weiß anzunehmen, daß hier diejenigen Gemeindeglieder gemeint seien, die allein in der Gemeinde noch nicht dem Tode verfallen seien, also die besseren Elemente“ (Apk, 222). 600. Apk, 57; vgl. hierzu auch I.T. Beckwith, Apk, 473, der entsprechend formuliert: „ …: not a state of complete spiritual death, which would exclude ἔμελλον ἀποθανεῖν [in Apk 3,2a]“, und W. Bousset, Apk, 222: „Das Urteil ist nicht absolut zu verstehen, wie aus dem Folgenden hervorgeht“. H. Lichtenberger, Apk, 106 spricht, den hier zitierten Äußerungen durchaus vergleichbar, vom „Todesschlaf“. 601. Vgl. hierzu R. Dabelstein, Art. νεκρός, in: EWNT2 II, 1129: „Als Adj[ektiv]. bedeutet das Wort tot im Sinne von ‚nicht (mehr) lebend(ig)‘. Es charakterisiert sowohl Menschen als auch Dinge, und zwar in eigentl[icher]. wie in übertr[agener]. Bedeutung. Das Subst[antiv]. bezeichnet den oder die Toten im Gegenüber zu den Lebenden als ‚nicht (mehr) am Leben‘“. 602. Kritisch gegenüber einem solchen paradoxen Verständnis m.R. auch H. Giesen, Apk, 127: „Wenig wahrscheinlich ist ein paradoxes Verständnis: Obwohl die Gemeinde für tot erklärt wird, ist es ihr noch möglich, das Leben wiederherzustellen“.

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Aus alledem folgt: Alle Versuche, den Ausführungen in Apk 3,1c.2a einen Sinn zu implementieren und sie zu verstehen, lassen erkennen, dass diese Implementierung letzten Endes auf einer Inferenz des jeweiligen Interpreten basiert. Dies kann zweierlei bedeuten: (1) Die Ausführungen in Apk 3,2a seien in Relation zu denjenigen in Apk 3,1c als ein späterer Einschub aufzufassen, mit denen möglicherweise insbesondere die in der Formulierung καὶ νεκρὸς εἶ zum Ausdruck kommende Endgültigkeit relativiert werden sollte. (2) Die Ausführungen in Apk 3,1c seien in Relation zu denjenigen in Apk 3,2a als später hinzugefügt zu bewerten, eine Annahme, die implizierte, dass zu einem späteren Zeitpunkt eine zuvor noch für möglich gehaltene positive Entwicklung der Frömmigkeit und der Frömmigkeitspraxis der Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας nun – zumindest aus der Perspektive des entsprechenden Redaktors – ausgeschlossen zu sein scheint. Ein erstes Indiz zugunsten der ersten dieser beiden Annahmen ergibt sich aus der Argumentationslogik des Abschnitts Apk 3,1c.2: In Apk 3,1cβ.γ beschreibt und bewertet der Apokalyptiker zunächst das aus seiner Sicht defizitäre Glauben und Leben der Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας (ὅτι ὄνομα ἔχεις ὅτι ζῇς, καὶ νεκρὸς εἶ), formuliert dann in Apk 3,2a eine an diesen gerichtete Aufforderung zur Änderung seines aktuellen Status (γίνου γρηγορῶν καὶ στήρισον τὰ λοιπὰ ἃ ἔμελλον ἀποθανεῖν), um dann in Apk 3,2b wiederum dessen seine Frömmigkeitspraxis betreffenden Defizite zu thematisieren (οὐ γὰρ εὕρηκά σου τὰ ἔργα πεπληρωμένα ἐνώπιον τοῦ θεοῦ μου)603. Wird diese Beobachtung verknüpft mit dem Sachverhalt, dass der Apokalyptiker in Apk 3,3a erneut und nach Apk 3,2a zum zweiten Male auf die Notwendigkeit einer Änderung der Glaubens- und Lebensführung des ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας zu sprechen kommt (μνημόνευε οὖν πῶς εἴληφας καὶ ἤκουσας καὶ τήρει καὶ μετανόησον), gewinnt die Annahme an Plausibilität, dass die Ausführungen in Apk 3,2a in einen bereits vorliegenden und aus Apk 3,1c.2b.3a bestehenden Text eingefügt worden sei. Der ursprüngliche Text des Sendschreibens an die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας ließe sich somit, was die Passage Apk 3,1b–3a betrifft, folgendermaßen rekonstruieren: οἶδά σου τὰ ἔργα ὅτι ὄνομα ἔχεις ὅτι ζῇς, καὶ νεκρὸς εἶ. (2) ... οὐ γὰρ εὕρηκά σου τὰ ἔργα πεπληρωμένα ἐνώπιον τοῦ θεοῦ μου. (3) μνημόνευε οὖν πῶς εἴληφας καὶ ἤκουσας καὶ τήρει καὶ μετανόησον. (b) Diese Annahme lässt sich verdichten, wird ein weiteres den Ausführungen in Apk 3,1c.2 inhärentes interpretatorisches Problem diskutiert, 603. Vgl. zu diesem Gesichtspunkt A. Satake, Apk, 178: „V. 2b formuliert der V[er]f[asser]. nochmals sein Urteil über die ‚Werke‘ der Gemeinde“.

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nämlich dasjenige des Bezugs der Ausführungen in Apk 3,2b. Wenn angenommen wird, dass die Konjunktion γάρ in Apk 3,2b kausal oder auch explikativ aufzufassen ist604, ergibt sich unmittelbar die Frage, auf welche der zuvor getätigten Ausführungen dieser Begründungssatz zu beziehen sei. Im Einzelnen ergeben sich hier folgende Möglichkeiten: (1) Jener beziehe sich auf das unmittelbar zuvor Ausgeführte, d.h. auf Apk 3,2aβ und die dort formulierte Aufforderung, ‚das Übrige‘ zu stärken, das sterben will: στήρισον τὰ λοιπὰ ἃ ἔμελλον ἀποθανεῖν. Dieser Annahme widerrät der Sachverhalt, dass sich zwischen dem Hinweis darauf, dass die übrigen Glieder der sardischen Gemeinde auf dem Wege zu ihrem – geistlichen oder geistigen – Tode sind, einer- und der kritischen Bemerkung, dass der in diesem Sendschreiben redende Christus die ἔργα der Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας als nicht zureichend vor seinem Gott bewertet hat bzw. bewerten musste, andererseits ein sachlich unterfütterter Kausalzusammenhang nicht herstellen lässt: Wieso nämlich sollte jemand diejenigen stärken sollen, die auf dem Wege zum Tode sind, weil seine eigenen Werke als vor seinem Gott nicht zureichend angesehen werden. Eine konzessive Verknüpfung läge hier weitaus näher als eine kausale605; eine solche Relation ließe sich jedoch allenfalls konstruieren, wenn der innerhalb der Aufforderung des στηρίζειν τὰ λοιπὰ ἃ ἔμελλον ἀποθανεῖν Apk 3,2aβ erscheinende Begriff τὰ λοιπά neutrisch zu interpretieren und vor diesem Hintergrund als auf den Begriff der ἔργα Apk 3,2b bezogen zu denken wäre606, eine exegetische Möglichkeit, die o. allerdings bereits ausgeschlossen werden konnte607. (2) Die Ausführungen in Apk 3,2b begründen – zumindest in erster Linie – die mit dem Imperativ γίνου γρηγορῶν in Apk 3,2aα geforderte Selbstaktivierung der – offensichtlich aktuell ‚nicht wachsamen‘, sondern dem geistigen bzw. geistlichen Tiefschlaf608 anheimgefallenen – Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας: Werde ein 604. Vgl. hierzu F. Blaß/A. Debrunner/F. Rehkopf, Grammatik, § 452, 382f.; vgl. darüber hinaus auch W. Bauer/B. Aland, Wörterbuch, s.v. γάρ, 304f., die im Blick auf diese Konjunktion vier Bedeutungsebenen annehmen: begründend, erklärend, folgernd und bekräftigend, und auch M. Karrer, Apk I, 342, der diese Konjunktion in seiner Paraphrase mit „daher“ wiedergibt. 605. Vgl. hierzu auch die in diese Richtung gehenden Ausführungen von D.E. Aune, Apk I, 220: „It is difficult not to understand the phrase ‚I have not found your conduct perfect‘ as ironical in view of v 2a“. 606. Dies insinuiert etwa die in seiner Übersetzung von Apk 3,2a zum Ausdruck kommende Interpretation von D.A. DeSilva, Minds, 142: „Be vigilant and strengthen the things that remain and are about to die“; vgl. hierzu bereits o. 246, A. 583. 607. Vgl. hierzu o. 246–247. 608. Vgl. hierzu H. Giesen, Apk, 127, der diesen Zustand als „fehlende Beziehung zu Christus und zu seinem Gott“ beschreibt; vgl. hierzu bereits o. 248, A. 591.

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Wachsamer, weil ich deine Werke als nicht zureichend erfunden habe vor meinem Gott, oder: denn ich habe deine Werke als nicht zureichend erfunden vor meinem Gott. Dieser Annahme wird durch die in Apk 3,2a vorliegende Syntax zwar nicht verunmöglicht, aber doch deutlich erschwert; zu fragen nämlich bleibt, warum der Apokalyptiker, wenn er eine solche Relation hätte explizieren wollen, dann nicht Apk 3,2b unmittelbar an die Aufforderung γίνου γρηγορῶν Apk 3,2aα angeschlossen hat. Zudem ergibt sich als inhaltliche Schwierigkeit, dass die in Apk 3,2aα geforderte Änderung der Haltung und des Verhaltens in Apk 3,2b nicht – wie in den Sendschreiben bis dato immer wieder beobachtbar (Apk 2,5.16.21f.) – durch einen Verweis auf im Verweigerungsfalle eintretende, aber grundsätzlich zukünftige Sanktionen – dieser klappt dann in seinem jetzigen Kontext eher zusammenhanglos in Apk 3,3b nach609 –, sondern durch einen Verweis auf den gegenwärtig diagnostizierbaren, im Grundsatz defizitären Status begründet wird. In der Summe will diese Argumentation die Annahme, das in Apk 3,2b Ausgeführte bezöge sich auf die Aufforderung γίνου γρηγορῶν Apk 3,2aα, zwar nicht unmöglich, aber doch unwahrscheinlich erscheinen lassen. (3) Die Ausführungen von Apk 3,2b beziehen sich auf die in Apk 3,1cβ.γ geäußerte Feststellung ὅτι ὄνομα ἔχεις ὅτι ζῇς, καὶ νεκρὸς εἶ; der Hinweis auf die Defizite in Haltung und Verhalten begründen eben diese: Du bist tot, weil ich deine Werke als nicht zureichend vor meinem Gott befunden habe610. Diese argumentationslogische Relation lässt sich gänzlich zwanglos insinuieren, indiziert dann aber insbesondere angesichts der o. formulierten Überlegungen die Konsequenz, dass die Ausführungen in Apk 3,2a eine spätere oder sekundäre, diese ursprüngliche Relation unterbrechende Hinzufügung darstellen. Im Anschluss an die in Apk 3,2b formulierte Begründung zieht der in diesem Sendschreiben redende Christus in Apk 3,3a eine aus derselben611 – und v.a. auch aus der jener inhärenten negativen Zustandsbeschreibung – folgende, mit der konsekutiven koordinierenden Konjunktion οὖν612 609. Vgl. hierzu etwa M. Karrer, Apk I, 342: „Wenn er [d.h. der Gemeindeengel] aber nicht erwacht, wird Christus kommen wie ein Dieb. … Wenn er den Weckruf von V. 2 jetzt nicht hört und erwacht, soll und wird er die Stunde nicht erfahren, in der Jesus wie ein Dieb über ihn und gegen ihn (ἐπί) kommt“; deutlicher hier noch U.B. Müller, Apk, 126: „Die Gerichtsdrohung (Vers 3b) ist durch das Stichwort ‚Aufwachen‘ mit der Mahnung (Vers 2a) verklammert“. 610. Vgl. hierzu sehr instruktiv W. Bousset, Apk, 223: „Das ἐνώπιον τοῦ θεοῦ steht in einem gewissen Gegensatz zu dem Satz, daß die Gemeinde (vor der Welt) den Namen hat [, daß sie lebt]“. 611. Vgl. hierzu etwa A. Satake, Apk, 178. 612. Vgl. hierzu F. Blaß/A. Debrunner/F. Rehkopf, Grammatik, §451, 381.

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eingeleitete Konsequenz: μνημόνευε οὖν πῶς613 εἴληφας614 καὶ ἤκουσας615 καὶ τήρει καὶ μετανόησον. Der Hinweis darauf, dass die Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας sich – in einem ersten Schritt – erinnern möge an die Art und Weise, auf die er in der Zeit seiner erstmaligen Hinwendung zum Christentum die christliche Botschaft empfangen und gehört, mit welcher Haltung, mit welcher Offenheit und Bereitschaft er seinerzeit die christliche Botschaft aufgenommen hat616, korreliert auffallend passgenau zu der in Apk 3,1cγ formulierten Diagnose νεκρὸς εἶ. Diese mache, soll sie überwunden werden, notwendigerweise eine erneute und grundlegend neue, nun jedoch nachhaltige (τήρει) Bekehrung des ‚Gemeindeengels‘ zum Christentum erforderlich. Dass in Apk 3,3a eine solche inhäriert ist, belegt der Vergleich dieser Ausführungen mit denjenigen in Apk 2,5a617, in denen immerhin, wie auch in Apk 3,3a, die Verben μνημονεύω und μετανοέω Verwendung finden: Im Blick auf die Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας angesichts seiner in der Summe positiven Beurteilung durch den 613. Einige neuere Kommentatoren übersetzen die Partikel πῶς wie ein Akkusativobjekt im Sinne von „was“, so etwa C.R. Koester, Apk 313 und D.E. Aune, Apk I, 321; vgl. zu der semantischen Möglichkeit einer solchen Übersetzung I.T. Beckwith, Apk, 474, der auch ein wichtiges Argument zugunsten einer solchen Interpretation liefert: „Some take it [d.h. die Partikel πῶς] strictly as denoting the manner, i.e. the zeal with which they received the Christian instruction given to them; but τήρει … said of keeping what one has, points rather to the matter, what they received“. Zu der semantischen Möglichkeit einer solchen Übersetzung vgl. auch W. Bauer/B. Aland, Wörterbuch, s.v. πῶς, 1464–1466. Wird diese Partikel jedoch adverbial im Sinne der Bezeichnung der Art und Weise interpretiert – und dafür spricht immerhin deren grundlegende Semantik –, beschriebe der Apokalyptiker hier „die Art und Weise …, wie die Gemeinde die christliche Botschaft angenommen hat, nämlich mit der Antwort ihrer ersten Liebe“ (H. Giesen, Apk, 127); in diesem adverbialen Sinne interpretieren neben Giesen etwa M. Karrer, Apk I, 337, W. Bousset, Apk, 223 und auch P. Prigent, Apk, 195: „The idea is … more subtle than it seems; what should come back to memory is not so much the contents of the Gospel as the miracle that allowed this Gospel to be heard and received“. Vgl. in diesem Sinne auch A. Satake, Apk, 179, A. 115: „Eigentlich wäre τί statt πῶς zu erwarten, da es sich auch auf τήρει in der zweiten Mahnung bezieht. Der V[er]f[asser]. verwendet wohl absichtlich πῶς: Er denkt nämlich nicht nur an das, was er damals den Gemeindegliedern weitergab, sondern auch an deren eigene Haltung, mit der sie damals seiner Verkündigung begegneten“. 614. Nach M. Karrer, Apk I, 342, A. 27 betone „das Perfekt εἴληφας … die Gegenwartsrelevanz des Empfangenen“; in diesem Sinne auch W. Bousset, Apk, 223; anders hier etwa H. Giesen, Apk, 127, der „das Perfekt … wie ein[en] Aorist nehmen“ möchte. 615. Für A. Satake, Apk, 179 spielt diese erste der in Apk 3,3b formulierten Mahnungen „auf die [seinerzeit erfolgte und wohl auch erfolgreiche] Verkündigung des V[er]f[assers]. [der Apk]“ an. 616. Vgl. hierzu W. Hadorn, Apk, 57: „Gemeint ist allgemein die Anfangszeit seines inneren Lebens, …, oder speziell der Empfang der Amtsaufgabe“. 617. Auf diese Parallele wird in der exegetischen Forschung immer wieder hingewiesen (vgl. hierzu neuestens M. Karrer, Apk I, 342); im Blick auf die Interpretation von Apk 3,3a wird diese Parallelität jedoch wenn überhaupt, so nur in Ansätzen ausgewertet.

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Apokalyptiker scheint es zureichend zu sein, ihn im Rahmen einer – wenn auch einen wichtigen Aspekt betreffenden – relativen Korrektur seines an sich durchaus zielführenden (Glaubens-)Kurses618 aufzufordern, sich an seine frühere Frömmigkeitspraxis, d.h. seine ἀγάπη πρώτη bzw. seine πρῶτα ἔργα, zu erinnern und diese entsprechend zu reaktivieren. Der sardische ‚Gemeindeengel‘ ist hingegen aufgerufen, sich seine seinerzeitige grundsätzliche Haltung der Offenheit und der Aufnahmebereitschaft zum Zeitpunkt seiner erstmaligen Konfrontation mit der christlichen Botschaft in Erinnerung zu rufen und diese Haltung in der Gegenwart in einer neuen Weise wieder einzunehmen, somit also – zumindest aus der Perspektive des Apokalyptikers – eine absolute Umkehr vorzunehmen und den grundsätzlichen Kurs in Richtung auf den christlichen Glauben und die christliche Frömmigkeit aufs Neue einzuschlagen619. A. Satake möchte diese drei in Apk 3,3a formulierten Mahnungen als „Entfaltung der Mahnung ‚sei wachsam‘ in V. 2a“620 interpretieren, das in Apk 3,3a Ausgeführte also unmittelbar auf die in Apk 2,2aα geäußerte Aufforderung γίνου γρηγορῶν beziehen621. Diesem Ansatz widerraten jedoch syntaktische Überlegungen; warum nämlich sollte der Apokalyptiker, wenn er das in Apk 3,3a Ausgeführte als Entfaltung der Aufforderung γίνου γρηγορῶν verstanden wissen wollte, einerseits nicht Apk 3,3a unmittelbar an diese Aufforderung anschließen, andererseits aber, indem er in Apk 3,3a die Konjunktion οὖν verwendet, die dortigen Ausführungen als unmittelbar auf das in Apk 3,2b Gesagte bezogen erscheinen lassen. Diese syntaktischen Überlegungen lassen sich um eine semantische, den Bedeutungsgehalt des Verbums γρηγορέω betreffende ergänzen: Wie diejenigen neutestamentlichen Belege, in denen, wie auch in Apk 3,2a, dasselbe ohne unmittelbaren Bezug auf den Zeitpunkt der Ankunft Jesu Christi begegnet – nach J.M. Nützel handelt es sich hierbei um Apg 20,31; 1Kor 16,13; Kol 4,2 und 1Petr 5,8 – zeigen, wird dieses Verbum in solchen nicht-eschatologischen Kontexten in der Regel 618. Vgl. hierzu o. 129–130. 619. Vgl. in diesem Zusammenhang die Ausführungen von D.A. DeSilva, Minds, 143, der folgende Beobachtung formuliert: „Here [d.h. im Rahmen des Sendschreibens an den sardischen ‚Gemeindeengel‘], however, the speaker does not even use the familiar phrase ‚I have this against you‘ to signal that the disparity between reputation and reality is a deficit requiring attention, expecting the audience immediately to recognize and accept it as such. Furthermore, the speaker offers no evidence for this startling claim, pointing to no particulars in the congregation’s behavior or attitude that betray a lack of ‚life‘“. 620. Apk, 178; in diesem Sinne ebenfalls H.B. Swete, Apk, 50, der die drei in Apk 3,3a begegnenden Imperative als „subordinate“ gegenüber der Apk 2,2a einleitenden Mahnung γίνου γρηγορῶν analysiert. 621. Vgl. hierzu etwa auch D.A. DeSilva, Minds, 144: „…, suggesting that the second exhortation is really an elaboration of the first one, explicating (though still not precisely enough for outsiders) what ‚vigilance‘ and ‚strengthening what remains‘ mean in their situation – a return to the message they received in the beginning and to the manner in which they embodied a response to that message“.

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immer im Kontext von Ermahnungen verwendet, die die jeweiligen Adressaten derselben dazu sensibilisieren sollen, darauf zu achten, dass sie bestimmte, einmal eingenommene Status und bestimmte, einmal erreichte Fortschritte nicht verlieren oder einbüßen: (a) In Apg 20,29f. kündigt der lukanische Paulus den ephesischen πρεσβύτεροι innere und äußere Gefährdungen und Gefährder an und fordert sie in Apg 20,31 dann entsprechend auf, gegenüber diesen wachsam zu sein und darauf achtzuhaben, dass die Gemeinde von diesen Gefährdungen und Gefährdern nicht aufgerieben wird, sondern als Gemeinde gegenüber jenen standhalten kann622: διὸ γρηγορεῖτε μνημονεύοντες ὅτι τριετίαν νύκτα καὶ ἡμέραν οὐκ ἐπαυσάμην μετὰ δακρύων νουθετῶν ἕνα ἕκαστον. (b) In 1Kor 16,13 ermahnt Paulus die Christen Korinths: γρηγορεῖτε, στήκετε ἐν τῇ πίστει, ἀνδρίζεσθε, κραταιοῦσθε, wachsam zu sein, im Glauben festzustehen und mutig und stark zu sein, um ihren Status als auf Hoffnung Errettete nicht zu gefährden623. (c) Der Verfasser des Kol verknüpft in seiner Ermahnung ebenfalls den Gedanken der Wachsamkeit mit demjenigen der Ausdauer und Beharrlichkeit: τῇ προσευχῇ προσκαρτερεῖτε, γρηγοροῦντες ἐν αὐτῇ ἐν εὐχαριστίᾳ624. (d) Den Ausführungen in Apg 20,29–31 durchaus entsprechend fordert der Verfasser des 1Petr in 1Petr 5,8f. Wachsamkeit ein, damit die von ihm angeschriebenen Christen ihres soteriologischen Status nicht verlustig gehen: Νήψατε, γρηγορήσατε. ὁ ἀντίδικος ὑμῶν διάβολος ὡς λέων ὠρυόμενος περιπατεῖ ζητῶν [τινα] καταπιεῖν· (9) ᾧ ἀντίστητε στερεοὶ τῇ πίστει εἰδότες τὰ αὐτὰ τῶν παθημάτων τῇ ἐν [τῷ] κόσμῳ ὑμῶν ἀδελφότητι ἐπιτελεῖσθαι625. Vor dem Hintergrund dieser Belege scheint sich für das Verbum γρηγορέω im Kontext seiner nicht-eschatologischen Verwendung eine Bedeutung im Sinne von „auf der Hut sein gegenüber Böswilligen“, „aufpassen, dass nichts verloren wird“, „auf der Wacht sein gegenüber Angriffen auf den eigenen soteriologischen Status“626 nahezulegen. Ein solcher, auf das Momentum der Bestandssicherung abzielender Bedeutungshintergrund des Verbums γρηγορέω unterscheidet sich deutlich von den Formulierungen in Apk 3,3a, die den Aspekt der Umkehr und der Neubesinnung auf die Anfänge im christlichen Glauben implizieren. Das wiederum heißt, dass sich die Ausführungen in Apk 3,3a aus semantischen Gründen kaum als Entfaltung der Aufforderung γίνου γρηγορῶν aus Apk 3,2a interpretieren lassen.

622. Vgl. hierzu etwa G. Schille, Apg, 404: „Während sich der Irrlehrer darum bemüht, die Gemeinde zur Personalgemeinde umzufunktionieren, geht das Bemühen des idealen Seelsorgers auf die Einheit des Kollektivs Gemeinde“. 623. Vgl. hierzu etwa D. Zeller, 1Kor, 540, der im Blick auf den Imperativ γρηγορεῖτε formuliert: „Benachbart ist die Standhaftigkeit …, wobei der Glaube Stand gibt, aber auch das Feld ist, in dem sich die Christen als prinzipientreu bewähren sollen“. 624. Vgl. hierzu etwa E. Lohse, Kol, 233: „Mit nicht nachlassender Beharrlichkeit will Gott angerufen werden …. In solchem Gebet wird die Gemeinde auf der Wacht sein“. 625. Vgl. hierzu L. Goppelt, 1Petr, 339: „Wer durch den Glauben nüchtern geworden die Situation in der Gesellschaft realistisch sieht, wendet sich jetzt in der Hoffnung und im Gebet Gott zu … und wehrt sich, wie unsere Stelle hinzufügt, wachend und daher wachsam gegen die Bedrohung“. 626. Vgl. zu diesem Gesichtspunkt etwa auch H. Giesen, Apk, 360: „‚Wachsam sein‘ bedeutet nämlich ‚bereit sein‘“.

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In Apk 3,3b wird nun, offensichtlich unmittelbar bezogen auf Apk 3,3a und an die dortigen Ausführungen – wiederum – mit der Konjunktion οὖν, eine augenscheinlich innergeschichtliche und innerzeitlich zu interpretierende627 Sanktion formuliert628: ἐὰν οὖν μὴ γρηγορήσῃς, ἥξω ὡς κλέπτης, καὶ οὐ μὴ γνῷς ποίαν ὥραν ἥξω ἐπὶ σέ629. Diese Sanktion lässt nun jedoch, hier in deutlicher Differenz zu ähnlichen den Gedanken einer angedrohten Sanktionierung transportierenden und dabei die adversative Konjunktion δέ, nicht jedoch die eher ein konzessives Momentum ausdrückende Konjunktion οὖν verwendenden Formulierungen630, keinerlei inhaltlichen Bezug auf die zuvor, d.h in Apk 3,3a explizierte Mahnung bzw. Forderung erkennen, sondern erscheint vielmehr lediglich „durch das Stichwort ‚Aufwachen‘ mit der Mahnung (Vers 2a) verklammert“631. Geht es nämlich in Apk 3,3a 627. Vgl. hierzu etwa M. Karrer, Apk, 343: „Unser Sendschreiben erwähnt den ‚Tag des Herrn‘ nicht und geht von einem besonderen Kommen Jesu zur Gemeinde von Sardes und ihrem ‚Engel‘ aus. Das spricht dafür, dass sich die Apk an unserer Stelle ein innerzeitliches Kommen Jesu vorstellt, das jederzeit geschehen kann“, und 344: „Christus ist also in den Sendschreiben nicht nur der endzeitliche Richter, sondern vermag jederzeit in das Geschehen seiner Gemeinde einzugreifen“; ähnlich hier auch A. Satake, Apk, 179: „In unserem Sendschreiben wird die Mahnung zum Wachsen (V. 2a) anders als in den meisten Fällen im NT ohne Bezug auf das nahende Ende … ausgesprochen“. Durchaus m.R. weist M. Karrer darüber hinaus darauf hin, dass „dieses Zeitdenken … nicht zur Auffassung einer geschlossenen End- und Naherwartung der Apk“ passe (343). Dies evoziert die Frage nach dem literarischen Zusammenhang zwischen Apk 3,3b und dem Überwinderspruch Apk 3,5, der sich zwanglos in die geschlossene End- und Naherwartung der Apk einbinden lässt; vgl. hierzu u. 262–263. 628. Vgl. hierzu A. Satake, Apk, 177: „Daran anschließend spricht V. 3b eine Warnung aus, die deutlich macht, was geschehen wird, wenn die Mahnungen nicht befolgt werden“. 629. Zu der hier vorliegenden Wendung ἐπὶ σέ vgl. etwa M. Karrer, Apk I, 342: „…, soll und wird er die Stunde nicht erfahren, in der Jesus wie ein Dieb über ihn und gegen ihn (ἐπί) kommt“. Nicht zuletzt diese Formulierung ließe darauf schließen, „dass sich die Apk an unserer Stelle ein innerzeitliches Kommen Jesu vorstellt“ (343); zur Diskussionslage vgl. darüber hinaus A. 34. 630. Vgl. in diesem Zusammenhang etwa Apk 2,5b.16b; hier formuliert der Apokalyptiker, in dem er auf das Vorangehende und dessen Inhalt, ohne einen neuen Aspekt einzuführen, unmittelbar Bezug nimmt: εἰ δὲ μή; ähnliches trifft zu auf Apk 2,22c: Hier greift der Apokalyptiker dezidiert zurück auf die zuvor entfalteten und beschriebenen ἔργα der προφῆτις Ἰεζάβελ. Darüber hinaus ist auffällig, dass der Apokalyptiker sich in Apk 3,3b nicht der adversativen Konjunktion δέ (vgl. hierzu F. Blaß/A. Debrunner/F. Rehkopf, Grammatik, § 447, 376–378) bedient, um die für den Fall der Verweigerung der Erfüllung des in Apk 3,3a Geforderten eintretende Sanktion zu explizieren, sondern der konsekutiven koordinierenden Konjunktion οὖν. Vgl. zu diesem Verweis auf Apk 2,5.16b auch R.H. Charles, Apk I, 80, zu den mit der Konjunktion οὖν im Kontext der vorliegenden Formulierungen verbundenen interpretatorischen Schwierigkeiten E. Lohmeyer, Apk 33, der im Blick auf den in der gegenwärtigen Fassung der Apk vorliegenden Textzusammenhang von Apk 3,3a zu Apk 3,3b von einem „schwierige[n] οὖν“ spricht. 631. U.B. Müller, Apk, 126; vgl. hierzu auch H.B. Swete, Apk, 50: „Οὖν is again resumptive, looking back to v. 2 γίνου γρηγορῶν, to which the succeding imperatives … are subordinate“.

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um das – unmetaphorisch explizierte – Erinnern der Haltung zum Zeitpunkt der erstmaligen Begegnung mit der christlichen Botschaft, um das Bewahren derselben und ihrer zentralen Inhalte und um eine grundlegende Lebenswende, scheinen die Ausführungen in Apk 3,3b angesichts der in ihnen – in Anbetracht des Apk 3,3a Formulierten für den Rezipienten überraschend – begegnenden Metaphorik des Schlafens und Wachsamwerdens eben nicht auf die Aufforderungen in Apk 3,3a, sondern augenscheinlich unmittelbar auf diejenige in Apk 3,2a bzw. 3,2aα zu antworten. Neben diese als inhaltliche Spannung zu definierende textliche Diskontinuität632 zwischen den Ausführungen in Apk 3,3a und Apk 3,3b tritt eine weitere als diskontinuitär zu charakterisierende sachliche Spannung, nun jedoch zwischen den Ausführungen in Apk 3,3b und dem Rest des an die Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας gerichteten Sendschreibens. Diese Spannung wird sichtbar in der fehlenden inhaltlichen Relation der entweder das Momentum der Unmittelbarkeit633 oder aber dasjenige der Unkalkulierbarkeit634 implizierenden Ausführungen von Apk 3,3bγ635 zu den übrigen bisher rezipierbaren Passagen dieses Sendschreibens. Diese nämlich inhärieren in argumentationslogischer Hinsicht – etwa in Form eines Verweises auf den von der Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας propagierten, aus der Perspektive des Apokalyptikers trügerischen Zustand einer soteriologischen securitas636 – weder das eine noch das andere637, ein Sachverhalt, der auch für die bis dato diskutierten ersten vier der sieben Sendschreiben zutrifft. 632. Vgl. hierzu bereits o. 33 mit A. 32. 633. Vgl. hierzu etwa A. Satake, Apk, 179, der im Blick auf Apk 3,3b von „Aussagen über das plötzliche Kommen Jesu“ spricht. 634. Vgl. hierzu M. Karrer, Apk I, 344, der in Apk 3,3b ein „Überraschungsmoment“ entwickelt sieht. 635. W. Hadorn, Apk, 58 fasst diese beiden Momente zusammen, wenn er formuliert: „Der in dieser Drohung ausgesprochene Hinweis auf das plötzliche und unerwartete Kommen des Herrn bei seiner Wiederkunft gilt aber auch von vorangehenden Gerichten über Kirchen und einzelne Menschen“. 636. Vgl. hierzu M. Karrer, Apk I, 343, der mit Blick auf 1Thess 5,2–4 formuliert: „Sollte unser Autor von dieser paulinischen Pointe [d.h. der Kritik gegenüber der Propagierung von pax et securitas von Seiten des imperium Romanum] wissen …, gäbe das dem Text eine besondere Stoßrichtung. Der Gemeindeengel geriete wegen seines ethischen Versagens auf die Seite der Weltkinder, die sich bei der scheinbaren Sicherheit der Welt beruhigen und ihr Handeln nicht auf das Kommen des Herrn einstellen, so dass sie es als Verderben werden erleben müssen“. 637. Vgl. hierzu sehr schön A. Satake, Apk, 179: „Man findet im Sendschreiben keinen Grund, auf die Plötzlichkeit [bzw. auf die Unberechenbarkeit und Unkalkulierbarkeit] des Kommens [Christi] hinweisen zu müssen; dieser Hinweis verdankt sich ausschließlich der Metapher des Diebes“. In diese Richtung zielen auch Ausführungen von R.H. Charles, Apk I, 80: „It is to be unexpected, whereas in the clause ἥξω ὡς κλέπτης there is a definite menace, in

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Dass der Apokalyptiker dieses Momentum einer aus seiner Sicht nicht tragfähigen soteriologischen securitas durchaus zu explizieren weiß, belegen dessen Ausführungen in Apk 3,17, hier im Kontext des Sendschreibens an den ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας638. Dass die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας eine solche trügerische securitas öffentlich zur Schau stellte, wirft der in diesem Sendschreiben redende Christus jenem gerade nicht vor639.

Diese beiden Inkohäsionen nötigen, um überwunden werden zu können, den Rezipienten zu folgenden Inferenzen640: (a) Der Rezipient muss das in Apk 3,2a.3b begegnende Motiv des γρηγορεῖν mit denjenigen des μνημονεύειν, des τηρεῖν und des μετανοεῖν in Apk 3,3a verknüpfen bzw. die letzteren als Entfaltung des ersteren begreifen, ohne das dies vom Text selbst, wie die – nicht vorhandene – syntaktische und semantische Relation von Apk 3,3b zu Apk 3,2a641 und die Verwendung der konsekutiven koordinierenden Konjunktion οὖν anstelle der adversativen Konjunktion δέ in Apk 3,3b erweisen642, unmittelbar signalisiert würde. (b) Der Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας muss das Bewusstsein einer aus der Sicht des Apokalyptikers trügerischen soteriologischen securitas unterstellt werden, wiewohl der restliche Text dieses Sendschreibens den Vorwurf des Vorhandenseins einer solchen nicht indiziert. Diese Erwägungen indizieren die Annahme, dass die Ausführungen in Apk 3,3b, wie schon diejenigen in Apk 3,2a, später hinzugefügt worden which it is implied that the Church of Sardis will be caught off their guard by the suddenness of Christ’s Advent“. Charles selbst löst, von Apk 16,15 her denkend, nolens volens dieses Problem, indem er die Ausführungen in Apk 16,15 denjenigen von Apk 3,3b vorordnet; vgl. in ähnlicher Weise auch E. Lohmeyer, Apk 33; kritisch gegenüber diesem Unterfangen etwa H. Giesen, Apk, 127: „Einige Autoren weisen dem Makarismus in 16,15 einen Platz zwischen 3,3a und 3,3b zu, da er an der jetzigen Stelle unvorbereitet eingeführt werde …. Diese Textumstellung ist jedoch kaum zu begründen, zumal der V[er]f[asser] häufiger kurze Worte einfügt, ohne sie vorzubereiten, die dann der Sache nach in den Kontext passen“. 638. Vgl. hierzu u. 299–300. 639. Anders hier jedoch U.B. Müller, Apk, 125: „Johannes greift das Vollkommenheitsbewußtsein der Gemeinde an, weil es sich nicht in der Erfüllung von Werken ausdrückt, sondern in der Freiheit von gesetzlichen Normen“. Müller verweist, um die Existenz eines solchen Vollkommenheitsbewußtseins zu belegen, augenscheinlich auf Apk 3,1cβ, wenn er formuliert: „Anscheinend erlaubt das ‚Leben‘, das die Gemeinde schon zu haben glaubt, die Praktizierung sexueller Freizügigkeit …. Diese Position widerspricht der Einstellung des Johannes total“. Ob angesichts des Apk 3,17 Formulierten und ihrer intentionalen Klarheit der Hinweis ὅτι ὄνομα ἔχεις ὅτι ζῇς Apk 3,1cβ aber ebenfalls im Sinne der Kritik eines Vertrauens auf eine trügerische securitas gedeutet werden darf, muss doch mehr als fraglich bleiben; vgl. zur Interpretation von Apk 3,1cβ und der Wendung ὄνομα ἔχειν auch o. 245–253. 640. Vgl. zu diesem Begriff bereits o. 28 mit A. 13; 29. 641. Vgl. hierzu die Diskussion der entsprechenden, u.a. von A. Satake präferierten exegetischen Position o. 257–258. 642. Vgl. hierzu o. 257.

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sind oder sich einer späteren Hand verdanken; der ursprüngliche Text von Apk 3,1b–3 lautete demnach: οἶδά σου τὰ ἔργα ὅτι ὄνομα ἔχεις ὅτι ζῇς, καὶ νεκρὸς εἶ. (2) ... οὐ γὰρ εὕρηκά σου τὰ ἔργα πεπληρωμένα ἐνώπιον τοῦ θεοῦ μου. (3) μνημόνευε οὖν πῶς εἴληφας καὶ ἤκουσας καὶ τήρει καὶ μετανόησον ...643. Angesichts des Sachverhalts, dass in Apk 16,15, somit also im apokalyptischen Hauptteil, nun Ausführungen begegnen, die eine den hier als Hinzufügungen ausgemachten Passagen Apk 3,2a.3b ähnliche Thematik und Motivik transportieren, lässt sich die Annahme durchaus plausibilisieren, dass die Ausführungen Apk 3,2a.3b – wiederum – als eine ‚AnkerErweiterung‘644 anzusehen sind, die die Ausführungen des apokalyptischen Hauptteils bereits in Apk 2f. verankern und jene somit vorbereiten sollen. Dass der Apokalyptiker das in Apk 3,2a.3b Formulierte gerade in das an die Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας gerichtete Sendschreiben implementiert habe, ließe sich erklären mit dem Hinweis, dass innerhalb dessen erstmalig in der Apk, konkret in Apk 3,4a.b, wenn auch in anderer Weise, das Motiv der ἱμάτια der treuen und standfesten Gläubigen begegnete, das auch die Ausführungen von Apk 16,15 bestimmt, so dass der Apokalyptiker den Kontext dieses Sendschreibens nutzen zu können meinte, um hier einen Anker für den apokalyptischen Hauptteil zu werfen. Wiewohl sich zwischen den Ausführungen in Apk 3,2a.3b und denjenigen in Apk 16,15 deutliche Übereinstimmungen in der Motivik erkennen lassen, soll nicht unerwähnt bleiben, dass die jeweiligen Kontextualisierungen der beiden Passagen sich nicht unerheblich voneinander abheben: Werden in Apk 16,15 nämlich diejenigen selig gepriesen, die wachen und ihre Kleider bewahren, um nicht unbekleidet dazustehen, werden in Apk 3,4b solche gelobt, die ihre Kleider rein gehalten und nicht befleckt haben645. Diese Differenz ließe sich vor dem Hintergrund der Annahme, dass die Ausführungen in Apk 3,2a.3b einer- und diejenigen in Apk 3,4 andererseits von unterschiedlichen Händen stammen, zwanglos plausibilisieren.

In Apk 3,4a.b kommt der in diesem Sendschreiben redende Christus gegenüber der Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας dann auf einen offensichtlich kleinen Teil der sardischen Gemeinde (ὀλίγα ὀνόματα) zu sprechen, die οὐκ ἐμόλυναν τὰ ἱμάτια αὐτῶν, „die [also] entsprechend dem in der Taufe empfangenen Heil leben“646, und „in all ihrem Tun und 643. Vgl. zu dieser Rekonstruktion bereits o. 245–259. 644. Vgl. zu diesem Begriff bereits o. 175–176. 645. Vgl. hierzu A. Satake, Apk, 338, der im Blick auf Apk 16,15 formuliert: „In unserer Aussage ist aber ein [im Vergleich zu Apk 3,2–4] anderes Thema mit aufgenommen, nämlich das der ‚Bewahrung der Kleider‘, damit die Schande nicht entdeckt wird“. 646. H. Giesen, Apk, 128; Giesen führt darüber hinaus aus: „Es [d.h. das Bild der nicht befleckten Kleider] macht … eine Aussage über ihre [d.h. ihrer Träger] Glaubensbewährung angesichts der Einflüsse aus der heidnischen Umwelt“; vgl. hierzu auch P. Prigent, Apk, 196,

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gesellschaftlichen Leben angespannt darauf achten, dass sie keinen Flecken auf sich ziehen“647, d.h. sich in der Vergangenheit bis in die Gegegenwart hinein648 einer Integration in die pagane Mehrheitsgesellschaft weitestgehend verweigert haben. Aufgrund dessen werden jene – augenscheinlich ohne eine mögliche weitere Vorbedingung649 – in der eschatologischen Zukunft des Reiches Gottes bzw. Christi650 mit letzterem in ihr Heil symbolisierenden651 der unter Verweis auf Apk 14,4 formuliert: „The verb occurs again in 14:4, where it undoubtedly denotes idolatry. Such is probably the case here as well. But it depends upon the interpretation one gives to the white garments“, und A. Satake, Apk, 179: „Die Formulierung ‚sie haben ihre Kleider nicht befleckt‘ bedeutet, dass sie treu ihren Glauben bewahrt haben“; anders hier U.B. Müller, Apk, 126, der die Ausführungen in Apk 3,4a.b verengen und exklusiv auf „bestimmte Formen geschlechtlichen Verkehrs mit Frauen“ beziehen möchte; Müller formuliert: „Johannes fügt aber eine Heilsankündigung an die wenigen in der Gemeinde an, die sich nicht durch sexuelle Freizügigkeit befleckt haben“. Eine vermittelnde Position nimmt an dieser Stelle H. Lichtenberger, Apk, 106 ein: „Das Beflecken des Gewandes kann als sexuelle Ausschweifung verstanden werden. … Es könnte aber auch das grundsätzlichere Verständnis des Götzendienstes nahelegen“. Gegen die etwa von U.B. Müller vertretene Position (weitere Vertreter derselben nennt A. Satake, Apk, 179, A. 119) führt A. Satake m.R. ins Feld, dass der Apokalyptiker „in V. 1–3 … mit keinem Wort einen Vorwurf wegen Unzucht“ (179, A. 119) macht. 647. M. Karrer, Apk, 344. 648. Der Aorist ἐμόλυναν wird in der hier vorliegenden Auslegung nicht ingressiv oder komplexiv interpretiert, sondern – hier durchaus in Entsprechung zum Hebräischen – als Ersatz für ein perfektives bzw. konfektives Präsens angesehen; vgl. hierzu F. Blaß/A. Debrunner/ F. Rehkopf, Grammatik, § 333, 272f. 649. Vgl. hierzu etwa J. Roloff, Apk, 60: „Die jedoch, die es [nach J. Roloff ihr Taufgewand] rein gehalten haben, sind der Gemeinschaft mit Christus, die er zusagt, würdig und werden ihrer darum teilhaftig“. 650. Vgl. hierzu neben vielen anderen H. Giesen, Apk, 128: „Für sie gibt es also kein Gericht, sondern einen Übergang vom anfänglich geschenkten Heil, das noch verlorengehen kann …, in das unvergängliche Heil“; ähnlich hier auch H. Lichtenberger, Apk, 107: „Ein Entsprechungsverhältnis wird festgestellt. Sie haben auf Erden ihre weißen Kleider weiß erhalten, darum werden sie künftig mit Christus in weißen Kleidern wandeln“. Anders hier M. Karrer, Apk I, 345, der im Blick auf Apk 3,4c über den endzeitlichen Bezug hinaus auch einen auf die Gegenwart der Abfassung dieses Sendschreibens abzielenden annehmen möchte: „V. 4 denkt nicht allein an die weißen Gewänder der Parusie, sondern fordert ein innerzeitliches Leben mit Christus in weißen Gewändern, das sich bis zur Parusie in der Zukunft hin erstreckt“. Dieser Sicht Karrers widerrät nun aber deutlich die Verwendung des Verbs περιπατέω in Futur in Apk 3,4c, das auf eine von der Zeit der Gegegenwart zu unterscheidende, in der Zukunft liegende Zeit anspielt; vgl. zu der Wendung περιπατήσουσιν μετ’ ἐμοῦ I.T. Beckwith, Apk 475. „The words express intimate fellowship with the Lord, as companions in the messianic kingdom“. D.E. Aune, Apk I, 222 macht m.R. auf die inhaltlichen Unbestimmtheiten innerhalb dieser Verheißung aufmerksam: „The specific manner and place in which the author thought that this promise would be fulfilled is difficult to imagine“. 651. Vgl. hierzu H. Giesen, Apk, 128: „Den wenigen treuen Christen wird die Gemeinschaft mit Christus in der Heilsvollendung verheißen, wie das Bild vom Wandeln in weißen Gewändern mit Christus … beweist …, das sie jetzt schon besitzen. Für sie gibt es also kein Gericht, sondern einen Übergang vom anfänglich geschenkten Heil, das noch verlorengehen kann …, in das unvergängliche Heil“. In diese Richtung denkt auch U.B. Müller, Apk, 126:

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weißen Gewändern einhergehen, weil sie es wert sind (Apk 3,4c): καὶ περιπατήσουσιν μετ᾽ ἐμοῦ ἐν λευκοῖς, ὅτι ἄξιοί εἰσιν – eine Aussage, die die eschatologischen Verheißungen im Rahmen des Überwinderspruchs Apk 3,5 vorwegzunehmen scheint652 und daher zu der Frage führt, warum der Apokalyptiker hier in diesem Sendschreiben überhaupt eine die eschatologische Zukunft betreffende Verheißung außerhalb des Überwinderspruches formuliert. Zu dieser aus der Sicht des Apokalyptikers ihren Glauben vorbildlich lebenden kleinen Gruppe scheint jener den ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας als den Adressaten dieses Sendschreibens allerdings nicht zu rechnen653. Einen im Vergleich zum Sendschreiben an den ‚Gemeindeengel‘ der christlichen Gemeinde in Thyatira654 offensichtlich erheblich engeren semantischen und – aufgrund der Verwendung des Adverbs οὕτως655 – augenscheinlich auch argumentationslogischen Zusammenhang zwischen dem Corpus des Sendschreibens und dem zugehörigen Überwinderspruch scheint der Apokalyptiker im Rahmen des Sendschreibens an die Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας herzustellen656: Wird in Apk 3,4c der kleinen Gruppe derer, die ihre Kleider nicht befleckt haben, verheißen, dass sie mit Christus in weißen Kleidern wandeln werden, weil sie es wert sind, so wird in Apk 3,5aβ den νικῶντες u.a. verheißen, dass sie – in eben dieser Weise – mit weißen Kleidern angetan werden: ὁ νικῶν οὕτως περιβαλεῖται ἐν ἱματίοις λευκοῖς657. Diese Verheißung wird dann in Apk 3,5b.c um zwei „Johannes fügt … eine Heilsankündigung an die wenigen in der Gemeinde an, die sich nicht durch sexuelle Freizügigkeit befleckt haben“. 652. Vgl. zu diesen Ausführungen sehr scharfsinnig R.H. Charles, Apk I, 81: „We have here the first eschatological promise, which is not preceded by the words ὁ νικῶν“; ähnlich auch H. Kraft, Apk, 78: „Hier ist die Verheißung teilweise vor den Überwinderspruch vorgezogen“, und A. Satake, Apk, 179, A. 120. 653. Vgl. zu dieser Diskussion u. 260–262. 654. Vgl. hierzu o. 92–114. 655. Zu dem hier verwendeten Adverb οὕτως vgl. etwa D.E. Aune, Apk I, 223: „The οὕτως … refers to the reward of white garments mentioned in v 4b“; somit stellt dieses Adverb über die semantische Brücke der ἱμάτια λευκά hinaus auch noch einen inhaltlichen Bezug zwischen Apk 3,4b bzw. 3,4c und Apk 3,5a her. Zu den mit der Interpretation der Partikel οὕτως verbundenen Problemen vgl. instruktiv I.T. Beckwith, Apk, 476. 656. Zur grundsätzlichen Beweiskraft solcher semantischen oder gar argumentationslogischen Zusammenhänge sehr aufschlussreich F. Spitta, Apk, 52: „Aber was folgt aus alle dem? Nichts, als was nicht schon von vornherein als das Natürliche erscheint, daß nämlich die Zusätze zu den Briefen nicht gänzlich ohne Berücksichtigung des Zusammenhanges, in den man sie stellte, abgefaßt sind“; vgl. darüber hinaus 53: „…; aber nach meiner lebhaften Empfindung runden sich die Briefe an Smyrna (2,10), Pergamon (2,16), Thyatira (2,25), Sardes (3,4), Philadelphia (3,11), Laodicea (3,20) mit den betreffenden Verheißungen und Drohungen so herrlich ab, daß die darauf folgenden Worte geradezu stören“. 657. Vgl. hierzu etwa M. Stowasser, Sendschreiben, 58.

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weitere ergänzt: Einerseits sollen die ὀνόματα der νικῶντες nicht aus dem βίβλος τῆς ζωῆς658 getilgt werden (3,5b), andererseis werde der in diesem Sendschreiben redende Christus die ὀνόματα derselben vor seinem Vater und dessen Engeln bekennen (3,5c). M. Stowasser sieht über die enge sachliche und syntaktische Relation zwichen Apk 3,4b und Apk 3,5a hinaus einen inhaltlichen, letzten Endes augenscheinlich das gesamte Sendschreiben verklammernden Bezug zwischen Apk 3,1b [bzw. 3,1c] und Apk 3,5b – und sicherlich auch, auch wenn dies explizit nicht annonciert ist – zwischen Apk 3,1c und Apk 3,5c: „In Sardes tragen viele den Namen, der eigentlich Leben bedeutet, zu Unrecht …, aber wer umkehrt, dessen Name wird nicht aus dem Buch des Lebens getilgt werden (…, 3.5b). Das in der Taufe geschenkte Leben, das man wie einen Namen trägt, ist beinahe erstorben (…, 3.2b); es muss sich jedoch in Glaubenstreue wie Glaubenspraxis bewähren, soll der Name nicht aus jenem Buch getilgt werden, in dem die Namen derer eingetragen sind, die für das Leben in Herrlichkeit bestimmt sind …“659. Gegen diese diese den ὄνομα-Begriff als inclusio begreifende Interpretation des Sendschreibens an den sardischen ‚Gemeindeengel‘ spricht jedoch der Sachverhalt, dass in Apk 3,1cβ.γ weder das Motiv des βίβλος τῆς ζωῆς, in dem das ὄνομα des ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας, wird die Aussage in Apk 3,1cγ ernstgenommen, aktuell nicht mehr verzeichnet sein dürfte, noch dasjenige des Bekenntnisses vor Gott und seinen Engeln begegnen. Soll diese inkludierende Auslegung des Terminus ὄνομα dennoch aufrechterhalten werden, so bliebe angesichts der erheblichen motivischen Differenzen zu fragen, ob diese inclusio als eine primäre oder womöglich als eine nachträglich oder sekundär kreierte zu verstehen ist. M.a.W.: Nötigt der eventuell inkludierende Charakter des ὄνομα-Begriffs zu der Annahme, dass die Passagen Apk 3,1c und Apk 3,5 vom gleichen Verfasser stammen und zeitgleich entstanden sind, oder weist die o. konstatierte motivische Unterschiedlichkeit beider nicht eher in die Richtung einer nachträglichen oder sekundären Verknüpfung derselben, was bedeutete, dass die inkludierende Funktion des Terminus ὄνομα erst in einem späteren Stadium des Textwachstumsprozesses realisiert worden sei. Gestützt wird diese Annahme durch die Beobachtung einer sachlichen Spannung zwischen den Ausführungen in Apk 3,1cβ.γ und Apk 3,5b: Wenn der Apokalyptiker den soteriologischen Status der Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας als νεκρός charakterisieren kann, heißt dies doch, dass sein ὄνομα – zumindest aus der Perspektive des Apokalyptikers – aktuell nicht mehr im βίβλος τῆς ζωῆς verzeichnet ist. Wenn nun mit den Ausführungen in Apk 3,5b auf Apk 3,1c Bezug genommen werden sollte, wäre es argumentationslogisch doch deutlich sinnvoller, 658. Zum religionsgeschichtlichen Hintergrund dieses Syntagmas vgl. neuestens etwa M. Karrer, Apk I, 345f. 659. Sendschreiben, 58; in diese Richtung denken auch D.A. DeSilva, Minds, 145: „Once again, the double repetition of the noun ‚name‘ (ὄνομα, Rev. 3.1,5) suggests that all that is undesirable in the situation … will be adequately resolved by following the counsel given in the oracle“, und A. Satake, Apk, 178, der mit Verweis auf U.B. Müller, Theologiegeschichte, 39 im Blick auf die Passage ὅτι ὄνομα ἔχεις ὅτι ζῇς Apk 3,1cβ formuliert: „Wahrscheinlich behaupten die Gemeindeglieder selber, dass sie leben und ihre Namen schon im Lebensbuch (V. 5) aufgeschrieben seien“.

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in Apk 3,5b nicht negativ660, sondern positiv zu formulieren: Die ὀνόματα sämtlicher νικῶντες werden im βίβλος τῆς ζωῆς verzeichnet sein. Dass hier eine negative Formulierung vorliegt, mag darauf hindeuten, dass der begriffliche Zusammenhang zwischen Apk 3,1cβ.γ und Apk 3,5 als ein sekundär kreierter zu interpretieren ist. Die Annahme einer sekundären Relation ist ebenfalls gut denkbar im Blick auf den von M. Wilson aufgewiesenen Bezug zwischen Apk 3,2b und Apk 3,5c; an letzterer Stelle rekurriere der Apokalyptiker mit der Wendung ἐνώπιον τοῦ πατρός μου bewusst auf die einige Verse zuvor formulierte Phrase ἐνώπιον τοῦ θεοῦ μου661. Diese Bezugnahme lässt sich gerade auch angesichts des Sachverhalts, dass der in diesem Sendschreiben redende Christus in Apk 3,5c nicht von ‚meinem Gott‘, sondern, deutlich familiärer akzentuiert, von ‚meinem Vater‘ spricht, zwanglos als eine von einer späteren Hand kreierte, letztlich sekundäre Bezugnahme interpretieren.

Auffällig ist an dieser Stelle allerdings, dass das in Apk 3,5aβ Ausgeführte eine – wenn auch verallgemeinernde und somit nicht wortwörtliche – letzten Endes jedoch augenscheinlich nichts grundlegend Neues aussagende und die Argumentation nicht weiterführende Wiederholung der Aussage Apk 3,4c darstellt662, eine Wiederholung, die noch dazu syntaktisch annähernd parallel konstruiert ist: In beiden Fällen folgt auf Subjekt und jeweils attributiv ergänztes Prädikat ein mit der Präposition ἐν angeschlossenes Objekt im Dativ. Die syntaktische Parallelität zwischen Apk 3,4c und Apk 3,5aβ lässt sich in der folgenden Grafik deutlich erkennen: Subjekt und Prädikat attributive Ergänzung präpositionales Objekt Apk 3,4c

Apk 3,5aβ

καὶ

περιπατήσουσιν

μετ᾽ ἐμοῦ

ἐν λευκοῖς

ὁ νικῶν περιβαλεῖται

οὕτως663

ἐν ἱματίοις λευκοῖς

Begründung ὅτι ἄξιοί εἰσιν

Subjekt und Prädikat attributive Ergänzung präpositionales Objekt

660. Vgl. hierzu M. Karrer, Apk I, 346: „Unsere Stelle [d.h. Apk 3,5b] wählt die negative Aussage, Menschen seien nicht aus der Liste zu löschen, und unterstreicht dadurch: Die Menschen, die die Verheißungen hören, stehen schon in der Liste Gottes“; vgl. darüber hinaus auch A. Satake, Apk, 180. 661. Vgl. hierzu Victor Sayings, 151: „The phrase ‚before my Father‘ finds its antecedent in 3:2 where Jesus finds the works of the Sardians fulfilled ‚before my God‘“. 662. Vgl. hierzu etwa A. Satake, Apk, 180: „Die Verheißung im Überwinderspruch besteht aus drei Sätzen. Der erste ist faktisch eine Wiederholung der Verheißung in V. 4 (οὕτως)“. 663. Dem hier als attributive Ergänzung klassifizierten Adverb οὕτως kommt darüber hinaus im Sinne der Argumentation R. Wonnebergers durchaus die Funktion eines Qualifikatoren zu (vgl. hierzu Redaktion, 131 mit A. 80 und ders., Syntax, 158–161).

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Zu fragen ist nun: Weist diese offensichtlich auf eine Verallgemeinerung abzielende, zumindest annähernd parallel konstruierte Wiederholung von Apk 3,4c in Apk 3,5aβ eher auf einen ursprünglichen Zusammenhang zwischen dem Überwinderspruch und dem Corpus des Sendschreibens an die Gemeinde zu Sardes? Oder vermag sie nicht möglicherweise doch, interpretiert als im Rahmen der redaktionellen Arbeit angewandte Technik zur Verknüpfung des Überwinderspruchs mit dem Corpus des Sendschreibens, konkret: – wiederum664 – als Iterationszuschreibung, den im Verhältnis zum Corpus dann allerdings doch sekundären Charakter des Überwinderspruches – und somit auch des Weckrufes – zu indizieren? Über die Beobachtung hinaus, dass sich der Überwinderspruch Apk 3,5, anders als die Ausführungen in Apk 3,4c, nicht in den Heilszusagen in Apk 3,5a erschöpft, sondern noch weitere bietet, zugleich auch jenseits des Problems eines dem Verbum νικάω jeweils zu unterlegenden, in Apk 3,5aα jedoch nicht erkennbaren relationalen Subtextes665, sprechen folgende Überlegungen für die zweite der hier formulierten Annahmen: (a) Zunächst lassen sich bei aller sachlichen und syntaktischen Parallelität zwischen den Ausführungen in Apk 3,4c und Apk 3,5aβ dennoch auch deutliche inhaltliche Unterschiede konstatieren. I.T. Beckwith macht etwa m.R. darauf aufmerksam, dass „the close companionship contained in the words ‚walk about with me‘ [Apk 3,4c] is not declared in the general words ‚shall be arrayed in white rainment‘ [Apk 3,5aβ]“666. Um diese als inhaltliche Spannung zu definierende Inkohäsion667 zu überwinden, ist der Rezipient genötigt, das in Apk 3,5aβ Ausgeführte, wiewohl dieses keinerlei Signal für eine solche Interpretation bietet, als Anfangspunkt einer Entwicklung zu begreifen, die im περιπατεῖν ἐν λοικοῖς mit Christus zu ihrem Ziel kommt, somit also eine durch den Text selbst nicht gedeckte bzw. indizierte Inferenz vorzunehmen. (b) Der Überwinderspruch lässt nicht erkennen, auf welche Person, welchen Sachverhalt oder welche Einlassung innerhalb des Corpus dieses Sendschreibens die partizipiale Wendung ὁ νικῶν denn konkret bezogen werden 664. Vgl. hierzu bereits o. 233–234; selbstverständlich wäre es auch möglich, die hier angewandte Redaktionstechnik als Stichworterweiterung zu beschreiben (vgl. hierzu o. 211– 212). Als Stichwort, an das er anzuknüpfen beabsichtigte, hätte der Apokalyptiker dann das Syntagma ἱμάτια λευκά gewählt. 665. Vgl. hierzu o. 162–172. 666. Apk, 475; vgl. in diesem Zusammenhang auch eine Bemerkung Beckwith‘ zur Interpretation der Partikel οὕτως), mit der er darauf aufmerksam macht, dass, werde diese Partikel auf das Prädikat περιβαλεῖται bezogen, dieselbe „a certain distinction between the ὁ νικῶν and the unsullied“ (376) indiziere, wohingegen doch „the latter [zumindest grundsätzlich] must be included in the former“. 667. Vgl. hierzu o. 33 mit A. 32.

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und wen der Apokalyptiker mit derselben denn konkret gemeint haben sollte668: Der ‚Gemeindeengel‘ – und mit ihm Apk 3,4a.b zufolge auch die große Mehrheit der sardischen Christen – wird angesichts offensichtlich defizitärer ἔργα (Apk 3,1c) vom Apokalyptiker aufgefordert, zu den ursprünglichen Grundlagen ihres Glaubens zurückzukehren und Buße zu tun (Apk 3,3a). Soll die partizipiale Wendung ὁ νικῶν auf diesen – oder diese – bezogen werden, implizierte sie die Aufforderung, den eingeschlagenen, aus der Sicht des Apokalyptikers jedoch unzureichenden oder falschen theologischen bzw. Glaubensweg zu ‚überwinden‘, somit also umzukehren, die eigene theologische Position von Grund auf neu zu definieren und dann auch gegen Widerstände durchzuhalten. Eine Minderheit der Christen in Sardes hingegen wird vom Apokalyptiker hinsichtlich ihrer theologischen Ausrichtung positiv beurteilt (Apk 3,4a.b). In diesem Zusammenhang spielte die partizipiale Wendung ὁ νικῶν darauf an, die bestehende und im Alltagsleben praktizierte theologische Position beizubehalten und eventuelle Widerstände gegen dieselbe oder auch Verlockungen, diese Position aufzuweichen, zu ‚überwinden‘. Versuchte der Rezipient, diesen unklar bleibenden Bezug der Wendung ὁ νικῶν, letztlich eine Inkohäsion, die sich als ein aus dem Text sich ergebendes Informationsdefizit charakterisieren lässt669, durch einen Bezug derselben zugleich sowohl auf den aus der Sicht des Apokalyptikers vom rechten Weg abgekommenen sardischen ‚Gemeindeengel‘ – und augenscheinlich auch die Mehrheit der sardischen Gemeindeglieder – als auch auf die sich augenscheinlich auf dem rechten Weg befindende Minderheit der sardischen Gemeinde zu lösen, wird er zu der letzten Endes kaum durchhaltbaren Annahme einer semantischen Mehrdimensionalität des hier verwendeten Verbums νικάω genötigt. Dieses Verb wäre hier dann, ohne dass dies durch Textsignale indiziert wäre, zugleich im Sinne von ‚umkehren‘ und im Sinne von ‚durchhalten‘ zu verstehen. M.a.W.: Unternimmt der Rezipient den Versuch, die partizipiale Wendung ὁ νικῶν inhaltlich auf die in dem Corpus des an die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας gerichteten Sendschreibens zu beziehen und mit den in dieser Epistel diskutierten Personen in Verbindung zu bringen, muss er erhebliche 668. Vgl. hierzu – begrifflich allerdings unpräzise – etwa M. Karrer, Johannesoffenbarung, 217: „Das Siegesmotiv hat seinen stringenten Ort in den Sendschreiben. Denn in ihnen stellt sich dem Apk-Autor seine Gegenwart, wie gezeigt, als Kampfzeit dar, in der die widergöttliche Macht die Christen durch ihr botmäßige Menschengruppen in ihrem Wohlergehen angreift und anklagend ihr Heil bestreitet, in der Christen sogar selbst ihr Heil gefährden“. Von im Dienste dieser widergöttlichen Macht stehenden Menschengruppen ist in Apk 3,1c–4 nicht die Rede, allerdings davon, dass „Christen sogar selbst ihr Heil gefährden“ (217). Inwieweit dieser Satz aber noch durch das νικᾶν-Motiv abgedeckt ist, muss doch mehr als fraglich bleiben. 669. Vgl. hierzu bereits o. 33 mit A. 36.

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konstruktive Operationen vornehmen, um das mit der relationalen Unbestimmtheit dieser Wendung gegebene Informationsdefizit zu überwinden und den Überwinderspruch Apk 3,5 sinnvoll mit dem Corpus dieses Sendschreibens zu verknüpfen. (c) Neben dieses inkohäsive aus dem Text sich ergebende Informationsdefizit tritt als eine dritte Inkohäsion eine inhaltliche Spannung zwischen den Ausführungen in Apk 3,4b und Apk 3,5: Wird in Apk 3,5 letztlich konditional formuliert, d.h. wird in Apk 3,5 die Vergabe der in Apk 3,5aβ.b.c explizierten eschatologischen Belohnungen an die Bedingung des νικάω geknüpft, fehlt eine solche Bedingung in Apk 3,4b: Denjenigen, die nach Apk 3,4a in der Vergangenheit sowohl als auch ihre Kleider nicht befleckt haben, wird ohne einen konditionalen oder zumindest konditional zu interpretierenden Vorbehalt zugesagt, dass sie mit dem in diesem Sendschreiben redenden Christus in weißen Kleidern wandeln werden670. Diese Gegenüberstellung aber evoziert die Frage, ob der Apokalyptiker in Apk 3,4f. zwei unterschiedliche Gruppen von Christen im Blick hat: Einerseits solche, die bereits ‚gesiegt‘ haben und denen – gleichgültig, wann das Reich Gottes oder Christi aufgerichtet werden wird – der ‚Sieg‘ offensichtlich nicht mehr zu nehmen ist, andererseits solche, die augenscheinlich erst noch ‚siegen‘ müssen, um in den Genuss der eschatologischen Belohnungen zu gelangen. In der wissenschaftlichen Exegese wird häufig der Versuch unternommen, diese Spannung – sofern sie überhaupt wahrgenommen wird – dadurch zu bewältigen, dass die Ausführungen in Apk 3,4c im Lichte des in Apk 3,5aα Gesagten interpretiert und die in Apk 3,4a vom Apokalyptiker gelobten ὀλίγα ὀνόματα und ihr Tun somit ebenfalls unter den Vorbehalt des in Apk 3,5aα formulierten νικῶν gestellt werden671. Die Argumentationslogik 670. Vgl. hierzu bereits o. und – an dieser Stelle sehr deutlich – U.B. Müller, Apk, 126: „Was Vers 4b wenigen in der Gemeinde ohne weitere Bedingung [!] verheißt, das eröffnet der Überwinderspruch (Vers 5) als grundsätzliche Möglichkeit für jeden ‚Überwinder‘, der umkehrt“; ähnlich hier auch A. Satake, Apk, 179: „In V. 4b geht der Text, ohne vorher eine Mahnung auszusprechen, gleich zur Verheißung über“; darüber hinaus weist Satake darauf hin, dass, ähnlich dem Sendschreiben an den ‚Gemeindeengel‘ von Smyrna, „auch in diesem schon hier, noch vor dem Überwinderspruch V. 5, eine Verheißung ausgesprochen“ (179, A. 120) werde. 671. Vgl. hierzu etwa W. Hadorn, Apk, 58: „Die dem Überwinder gegebene Verheißung bestätigt zunächst ausdrücklich die in Aussicht stehende [!] Verleihung eines weißen Gewandes“; ähnlich auch M. Wilson, Victor Sayings, 142: „The ‚unsullied‘ in Sardis will be among the victors, if they continue to walk worthy“; diese Argumentationsrichtung wird zumindest impliziert in den Ausführungen von M. Karrer, Apk I, 345: „V. 4 denkt nicht allein an die weißen Gewänder der Parusie, sondern fordert ein innerzeitliches Leben mit Christus in weißen Gewändern, das sich bis zur Parusie in der Zukunft hin erstreckt [vgl. zu diesem Zitat bereits o. 261, A. 650]. Erst der Siegerspruch (V. 5) geht ganz zur Zukunft über. Er verheißt Siegerinnen und Siegern, dass sie sich auch in der Gegenwart Gottes weiße Gewänder anlegen werden“.

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von Apk 3,4f. indiziert dies aber nun gerade nicht, was bedeutet, dass auch diese Inkohäsion mit Hilfe einer Inferenz zu überwunden gesucht wird, die der Text selbst nicht nahelegt. (d) Schließlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass das in Apk 3,5b begegnende Motiv des βιβλίον τῆς ζωῆς und des Notiertseins des eigenen Namens in demselben im Sendschreiben selbst keine, im apokalyptischen Hauptteil hingegen offensichtlich sehr wohl eine gewichtige Rolle spielt und immerhin in fünf Passagen an zentraler Position wieder aufgegriffen wird, nämlich, wie in der angefügten tabellarischen Übersicht deutlich wird, in Apk 13,8; 17,8; 20,12.15 und 21,27672. Motiv/Text im Überwinderspruch

Bezugnahmen im apokalyptischen Hauptteil

Apk 3,5: οὐ μὴ ἐξαλείψω τὸ ὄνομα Apk 20,12: καὶ ἄλλο βιβλίον ἠνοίχθη, ὅ αὐτοῦ ἐκ τῆς βίβλου τῆς ζωῆς ἐστιν τῆς ζωῆς Apk 20,15: καὶ εἴ τις οὐχ εὑρέθη ἐν τῇ βίβλῳ τῆς ζωῆς γεγραμμένος Apk 21,27: ... εἰ μὴ οἱ γεγραμμένοι ἐν τῷ βιβλίῳ τῆς ζωῆς τοῦ ἀρνίου Apk 13,8: ... οὗ οὐ γέγραπται τὸ ὄνομα αὐτοῦ ἐν τῷ βιβλίῳ τῆς ζωῆς τοῦ ἀρνίου τοῦ ἐσφαγμένου ἀπὸ καταβολῆς κόσμου Apk 17,8: ... ὧν οὐ γέγραπται τὸ ὄνομα ἐπὶ τὸ βιβλίον τῆς ζωῆς ἀπὸ καταβολῆς κόσμου

Diese Beobachtung spricht dafür, den Überwinderspruch Apk 3,5 in seiner Gesamtheit nicht anaphorisch zu deuten, sondern als von vornherein kataphorisch angelegt, d.h. auf den apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 bezogen zu fassen, eine Interpretationsperspektive, die die Annahme, dieser sei dem Corpus des Sendschreibens an die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας nachträglich hinzugefügt worden, zumindest zu stützen vermag. In der Summe legen die hier diskutierten Überlegungen die Vermutung nahe, dass die in Apk 3,5 vorliegenden Ausführungen, d.h. der Überwinderspruch, eine nachträgliche oder aber sekundäre Ergänzung des Corpus der an den sardischen ‚Gemeindeengel‘ gerichteten Epistel bzw. dieser Epistel selbst darstellen673. Wird auch der Weckruf Apk 3,6 als sekundäre Zutat ausgeschieden674, so ergibt sich als Gesamtergebnis der Analyse des 672. Vgl. hierzu bereits o. 262–263, darüber hinaus etwa A. Satake, Apk, 180, A. 122. 673. Vgl. hierzu etwa auch J. Wellhausen, Analyse, 7. 674. Vgl. hierzu bereits o. 149–158.

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Textes des Sendschreibens an die Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας, dass dieses ursprünglich folgenden Text enthielt: [τάδε λέγει ὁ {κύριος} ...] (1c) οἶδά σου τὰ ἔργα ὅτι ὄνομα ἔχεις ὅτι ζῇς, καὶ νεκρὸς εἶ. (2) ... οὐ γὰρ εὕρηκά σου τὰ ἔργα πεπληρωμένα ἐνώπιον τοῦ θεοῦ μου. (3) μνημόνευε οὖν πῶς εἴληφας καὶ ἤκουσας καὶ τήρει καὶ μετανόησον. … (4) ἀλλὰ ἔχεις ὀλίγα ὀνόματα ἐν Σάρδεσιν ἃ οὐκ ἐμόλυναν τὰ ἱμάτια αὐτῶν, καὶ περιπατήσουσιν μετ᾽ ἐμοῦ ἐν λευκοῖς, ὅτι ἄξιοί εἰσιν. III.6. DAS SENDSCHREIBEN AN DEN ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας M. Stowasser zufolge setze der Apokalyptiker mit seinen Ausführungen in Apk 3,7b.c, der Botenformel des Sendschreibens an den ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας, seine in der Botenformel der Epistel an den ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας begonnene „Neuorientierung“675 derselben fort: In Apk 3,7b.c beziehe er sich mittlerweile zur Gänze nicht mehr auf die Berufungsvision Apk 1,9ff., deren Motivik in den Botenformeln der ersten vier der sieben in Apk 2f. vorliegenden Sendschreiben prägenden Einfluss ausgeübt habe, sondern verarbeite nur noch Motive, die ausschließlich im apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22, konkret in Apk 6,10 (ὁ ἅγιος καὶ ἀληθινός) und Apk 5,5 (ἡ ῥίζα Δαυίδ), belegt seien. In der Forschung verschiedentlich genannten weiteren möglichen Referenztexten zu oder Bezugnahmen auf Apk 3,7b.c – er selbst diskutiert die Ausführungen in Apk 1,18 und 20,1 – spricht Stowasser im Blick auf Apk 3,7b.c ihren referentiellen bzw. relationalen Charakter ab676. Die einzelnen von ihm diskutierten, akzeptierten oder abgelehnten Referenztexte seien um der Übersichtlichkeit willen in der folgenden Tabelle aufgelistet: Motiv/Text in der Botenformel

Referenztext(e) in der Berufungsvision und Bezugnahmen im apokalyptischen Hauptteil

Apk 3,7b.c: τάδε λέγει ὁ ἅγιος, ὁ ἀληθινός, ὁ ἔχων τὴν κλεῖν Δαυίδ, ὁ ἀνοίγων καὶ οὐδεὶς κλείσει καὶ κλείων καὶ οὐδεὶς ἀνοίγε

Apk 1,18: καὶ ὁ ζῶν, καὶ ἐγενόμην νεκρὸς καὶ ἰδοὺ ζῶν εἰμι εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων καὶ ἔχω τὰς κλεῖς τοῦ θανάτου καὶ τοῦ ᾅδου

675. Sendschreiben, 52. 676. Vgl. hierzu Sendschreiben, 53.

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Apk 6,10: καὶ ἔκραξαν φωνῇ μεγάλῃ λέγοντες· ἕως πότε, ὁ δεσπότης ὁ ἅγιος καὶ ἀληθινός, οὐ κρίνεις καὶ ἐκδικεῖς τὸ αἷμα ἡμῶν ἐκ τῶν κατοικούντων ἐπὶ τῆς γῆς Apk 5,5: καὶ εἷς ἐκ τῶν πρεσβυτέρων λέγει μοι· μὴ κλαῖε, ἰδοὺ ἐνίκησεν ὁ λέων ὁ ἐκ τῆς φυλῆς Ἰούδα, ἡ ῥίζα Δαυίδ, ἀνοῖξαι τὸ βιβλίον καὶ τὰς ἑπτὰ σφραγῖδας αὐτοῦ Apk 20,1: καὶ εἶδον ἄγγελον καταβαίνοντα ἐκ τοῦ οὐρανοῦ ἔχοντα τὴν κλεῖν τῆς ἀβύσσου καὶ ἅλυσιν μεγάλην ἐπὶ τὴν χεῖρα αὐτοῦ

Dieser von Stowasser entwickelten These stehen jedoch folgende Überlegungen entgegen: (a) Schon aus grundsätzlichen methodischen, im Prozess der Produktion von Literatur verankerten Gründen lässt sich die von ihm formulierte Aussage, dass der Apokalyptiker „in [Apk] 3.7 … mit den ersten beiden Epitheta Christi auf [Apk 6,10] [verweise!]“677, zumindest in der von Stowasser intendierten Aussageabsicht kaum aufrechterhalten678. Wie nämlich soll ein Autor auf einen Text verweisen können, der zum Zeitpunkt der Abfassung von Apk 3,7b.c. noch nicht existiert bzw. von den Rezipienten zum Zeitpunkt ihrer Rezeption von Apk 3,7 noch nicht zur Kenntnis genommen werden konnte? Insofern lässt sich sinnvoll nur davon sprechen, dass der Apokalyptiker in Apk 5,5; 6,10; 20,1 – womöglich – auf das in Apk 3,7b.c Ausgeführte Bezug genommen hat, nicht aber davon, dass er in Apk 3,7b.c auf Apk 5,5; 6,10; 20,1 verweisen wollte. (b) Inwieweit Apk 3,7b, hier in Sonderheit die auf Christus bezogene Passage ὁ ἔχων τὴν κλεῖν Δαυίδ Apk 3,7bβ, als Bezugstext für die Ausführungen in Apk 5,5b definiert werden kann, muss mehr als fraglich bleiben. Zwar konvergieren beide Textpassagen zumindest im Grundsatz in ihrer christologischen, die Person des ἀρνίον Christus mit derjenigen des Δαυίδ verknüpfenden Akzentsetzung679, aber die Motive des κλείς (Apk 3,7bβ) 677. Sendschreiben, 52. 678. Vgl. hierzu bereits o. 242–243. 679. Vgl. hierzu Sendschreiben, 53: „So legt es sich nahe, weniger die Schlüssel im Vordergrund zu sehen, sondern mit dem Hinweis auf ‚David‘ eine ebenfalls christologische Perspektive zu vermuten, wie sie auch beim Systemwechsel davor in 3.1 leitend ist. Deshalb bietet es sich erneut an, die Vision des Lammes, das in 5.5 als ἡ ῥίζα Δαυίδ … bezeichnet wird, anvisiert zu sehen“.

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und der ῥίζα (Apk 5,5b) transportierten doch zu unterschiedliche Inhalte, als dass das in Apk 5,5b Gesagte mit Notwendigkeit als auf das in Apk 3,7b Ausgeführte bezogen aufgefasst werden müsste. Gleiches gilt nun allerdings auch im Blick auf die – von Stowasser abgelehnte, aber etwa von H. Giesen vorgeschlagene680 – Annahme, mit seinen Ausführungen in Apk 3,7bβ verweise der Apokalyptiker zurück auf das in Apk 1,18b Gesagte. Als diese implausibilisierend erweist sich hier in Sonderheit der Sachverhalt, dass der Apokalyptiker in Apk 1,18b offensichtlich von einer Mehrzahl von κλείς spricht, in Apk 3,7b hingegen nur von einem. Weitaus naheliegender ist es demgegenüber, das in Apk 3,7b.c Ausgeführte in seiner Gesamtheit als unmittelbaren Verweis auf den alttestamentlichen Beleg Jes 22,22MT zu interpretieren:681 .681‫וּפ ַת ֙ח וְ ֵ ֣אין ס ֔ ֵֹגר וְ ָס ַג֖ר וְ ֵ ֥אין פּ ֵ ֹֽת ַח‬ ָ ‫ל־שׁ ְכ ֑מוֹ‬ ִ ‫ית־דִּ ֖וד ַע‬ ָ ‫וְ נָ ַת ִ ֛תּי ַמ ְפ ֵ ֥תּ ַח ֵבּ‬ (c) Zu fragen ist schließlich, ob die Anrede ὁ δεσπότης ὁ ἅγιος καὶ ἀληθινός Apk 6,10b mit Notwendigkeit als auf die Wendung ὁ ἅγιος, ὁ ἀληθινός Apk 3,7bα bezogen intepretiert werden muss. Immerhin nämlich begegnet in Apk 6,10b der Terminus δεσπότης, der in Apk 3,7bα ohne jegliche Parallele ist. Darüber hinaus wird dieser δεσπότης in Apk 6,10b als ἅγιος καὶ ἀληθινός beschrieben, wohingegen die Ausführungen Apk 3,7bα den in dem Sendschreiben an den ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας redenden Christus asyndetisch als ὁ ἅγιος, ὁ ἀληθινός charakterisieren682. Diese Beobachtungen, die sich letzten Endes in der – wenig aussagekräftigen – These zusammenfassen lassen, dass sowohl in Apk 6,10 als auch in Apk 3,7bα die Termini ἅγιος und ἀληθινός begegnen, reichen kaum zu, die Annahme zu plausibilisieren, dass der Apokalyptiker mit seiner Formulierung von Apk 6,10b bewusst auf das in Apk 3,7bα Ausgeführte zurückverweisen wollte. Zusammenfassend folgt aus alledem: Mit seinen Ausführungen in Apk 3,7b.c greift der Apokalyptiker weder Motive aus der Berufungsvision 680. Vgl. hierzu Apk, 131. 681. Vgl. in diesem Sinne etwa C.R. Koester, Apk, 323f., der im Blick auf Apk 3,7b.c keinerlei Bezugstexte innerhalb der Apk angibt, sondern ausschließlich auf Jes 22,22 rekurriert; ähnliche hier auch T. Holtz, Christologie, 86, der allerdings darüber hinaus noch auf Apk 1,18 verweist, in diesem Zusammenhang allerdings deutlich relativierend von „eine[r] sachlich analoge[n], positiv gewendete[n] Vorstellung“ spricht. 682. Diesen Sachverhalt räumt auch M. Stowasser, Sendschreiben, 52 ein: „Ein absolutes und mit Artikel versehenes ὁ ἀληθινός findet sich in der Offenbarung lediglich in 3.7, die Kombination (wenn auch ohne Artikel) mit ὁ ἅγιος eben nur noch in 6.10“; vorsichtig an dieser Stelle auch A. Satake, Apk, 181, A. 124: „In der Offb wird ἅγιος nur selten auf Gott bzw. Christus bezogen; abgesehen von unserer Stelle, kommen nur 6,10 … und 4,8 (in Anlehnung an Jes 6,3) in Frage [!]“.

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Apk 1,(4–8.)9ff. auf noch fungieren jene als Bezugstext(e) für Passagen aus dem apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22683. Augenscheinlich hat er die das Sendschreiben an den ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας einleitende Botenformel in Sonderheit unter Rückgriff auf die Ausführungen von Jes 22,22MT, ergänzt um die Verwendung von innerhalb des Judentums und des frühen Christentums durchaus verbreiteten Gottes- und Christusepitheta684, gestaltet. Wichtiger als die Diskussion der Frage nach den Referenz- und Bezugstexten der Botenformel Apk 3,7b.c ist nun allerdings diejenige der Frage, ob diese als ein ursprünglicher Bestandteil des Sendschreibens an den philadelphischen ‚Gemeindeengel‘ zu definieren oder als ein dem an sie anschließenden Corpus desselben nachträglich oder sekundär hinzugefügter Bestandteil dessen zu bewerten ist. Die Ausführungen in Apk 3,8b.c: ἰδοὺ δέδωκα ἐνώπιόν σου θύραν ἠνεῳγμένην, ἣν οὐδεὶς δύναται κλεῖσαι αὐτήν, die augenscheinlich das Momentum „eine[r] grundsätzliche[n] Garantie des Heils“685 transportieren, scheinen auf diese Frage eine eindeutige, und zwar positive Antwort zu indizieren. Immerhin nämlich nehmen jene mit dem Motiv des κλεῖσαι und des μὴ κλεῖσαι bzw. des ἀνοίγειν und des μὴ ἀνοίγειν einen wichtigen Motivkomplex des in Apk 3,7b.c Dargestellten auf686 und legen 683. In diesem Sinne etwa A. Satake, Apk, 181f., der in seinem Kommentar zu Apk 3,7b.c keine Referenz- oder Bezugstexte innerhalb der Apk diskutiert; vgl. zu dieser Annahme Satakes auch M. Stowasser, Sendschreiben, 52, A. 5. 684. T. Holtz, Christologie, 140 weist darauf hin, dass „der Christustitel ὁ ἅγιος … ‚eine der häufigsten Gottesbezeichnungen im Judentum‘“ darstelle. Darüber hinaus macht er darauf aufmerksam, dass sich die Bezeichnung ὁ ἀληθινός zwar „weder als Gottes- noch als Christusbezeichnung im Alten Testament oder im Spätjudentum erweisen“ (141) ließe, aber „bisweilen zur Charakterisierung des Wesens Gottes“ (141) verwendet werde; als Belege verweist er auf Ex 34,6; Num 14,18; Ps 86,15; Jes 65,16; 2Chron 15,3LXX; 1Esdr 8,86LXX; 3Makk 2,11. 685. A. Satake, Apk, 182; in diesem Sinne auch M. Karrer, Apk I, 352: „Doch die Türe zum himmlischen Heiligtum und zum vollendeten Leben in Gottes und Christi Gegenwart ist vor ihnen dauerhaft und unverbrüchlich geöffnet“, H. Giesen, Apk, 132: „Im Anschluß an V. 7b ist damit [, d.h. mit dem Syntagma θύρα ἠνεῳγμένη] gesagt, daß der Christ bereits in der Gegenwart Zugang zum eschatologischen Heil hat. Christus hat von seiner Schlüsselgewalt zugunsten der Gemeinde schon Gebrauch gemacht“, und U.B. Müller, Apk, 130: „Daß Christus seine Macht bereits angewandt hat, drückt das erste Heilswort in Vers 8 aus. Er hat der Gemeinde die Tür zum ewigen Leben aufgesperrt. Die Entscheidung über sie ist gefallen. Denn sie hat sich trotz Anfeindung und Verfolgung zu Christus und seinem Wort öffentlich bekannt (Vers 8b)“. An dieser Stelle weitaus zurückhaltender C.R. Koester, Apk, 324; Koester formuliert: „The open door means access to God. Readers already have access to God through prayer …, and in the future they have the hope of resurrection to life in God’s presence“. Gegen diese auf die Zukunft bezogene Auslegung Koesters spricht der Sachverhalt, dass das in Apk 3,8c Ausgeführte aufgrund seiner präsentischen Formulierung eine bereits für die Gegenwart geltende Garantie zu implizieren scheint. 686. Vgl. hierzu etwa J. Roloff, Apk, 61: „Die ganz auf tröstlichen Zuspruch gestimmte Situationsbesprechung [nach Roloff Apk 3,8–11] … nimmt dieses Bild der Schlüsselgewalt

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somit die Annahme nahe, dass die Botenformel und das Corpus dieses Sendschreibens als von vornherein zusammengehörige Textpassagen komponiert worden sind. Darüber hinaus sieht C.K. Rothschild eine sachliche Verknüpfung zwischen Apk 3,7b und Apk 3,11b bzw. 3,11c. Ihr zufolge stelle das Motiv des κλείς „a symbol of the Philadelphians‘ royal status“687 dar, das in gleicher Weise durch den Begriff des στέφανος in Apk 3,11c reflektiert werde688. Dieser Sicht steht jedoch entgegen, dass in Apk 3,7b gerade nicht der Status der – nach der Mehrheit der Ausleger der Gegenwart – philadelphischen Gemeinde reflektiert wird, sondern derjenige des in diesem Sendschreiben redenden Christus. Darüber hinaus bleibt mehr als fraglich, ob der dem ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας offensichtlich bereits zugeeignete689 στέφανος ein Symbol von Macht und Herrschaft darstellt690.

Dieser Annahme widerrät allerdings die Beobachtung, dass sich die in Apk 3,8 vorliegende argumentationslogische Struktur von der in den Sendschreiben sonst üblichen deutlich unterscheidet: In der Regel nämlich schließen an die Eingangswendung οἶδά σου τὰ ἔργα, die in dieser oder einer zumindest sehr ähnlichen Form unter Absehung von Apk 3,8 in Apk 2,5.19; 3,1.15 belegt ist, entweder lediglich eine im Akkusativ formulierte konkretisierende Aufzählung dieser ἔργα (Apk 2,19) oder aber eine solche Aufzählung in Verbindung mit einem mit der Konjunktion ὅτι eingeleiteten Nebensatz (Apk 2,5) oder aber, unter Verzicht auf eine solche konkretisierende Aufzählung, ausschließlich ein solcher Nebensatz (Apk 3,1.15) an691. Die folgende Tabelle vermag diesen Sachverhalt zu verdeutlichen: Beleg

Text

Apk 2,2a.b οἶδα τὰ ἔργα σου καὶ τὸν κόπον καὶ τὴν ὑπομονήν σου καὶ ὅτι οὐ δύνῃ βαστάσαι κακούς sogleich wieder auf: Jesus hat dieser Gemeinde, die ihm mit ihren geringen Kräften die Treue gehalten hat, die Tür zur Herrschaft Gottes aufgetan; sie kann darum gewiß sein, zum endzeitlichen Volk Gottes zu gehören“. 687. Principle, 276, A. 76. 688. Vgl. hierzu Principle, 276, A. 76. 689. Vgl. hierzu u. 285–286. 690. Vgl. hierzu den entsprechenden Exkurs bei D.E. Aune, Apk I, 172–175; im Blick auf das Bild des στέφανος τῆς ζωῆς Apk 2,10 formuliert Aune: „The ‚wreath‘ image appears to be derived from athletic language“ (167), stellt s.E. somit keinesfalls ein Element der Herrschaftsmetaphorik dar. 691. Vgl. zu diesem Sachverhalt H. Ulland, Vision, 128: „Zum vierten Male steht die Formel οἶδά σου τὰ ἔργα am Beginn der apk Gemeindebeschreibungen, hier aber erstmalig weder in einer Aufzählung noch als Begründung der Kritik, sondern zunächst allein und das folgende Lob vorbereitend“; wird noch Apk 3,15a hinzugerechnet, lässt sich der von Ulland beschriebene Sachverhalt in sieben Sendschreiben insgesamt viermal nachweisen.

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Apk 2,19a οἶδά σου τὰ ἔργα καὶ τὴν ἀγάπην καὶ τὴν πίστιν καὶ τὴν διακονίαν καὶ τὴν ὑπομονήν σου Apk 3,1c

οἶδά σου τὰ ἔργα ὅτι ὄνομα ἔχεις ὅτι ζῇς, καὶ νεκρὸς εἶ

Apk 3,15a οἶδά σου τὰ ἔργα ὅτι οὔτε ψυχρὸς εἶ οὔτε ζεστός

Wird nun das Segment Apk 3,8b.c, in dem der in diesem Sendschreiben redende Christus davon spricht, dass er vor der Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας bzw. diesem selbst eine geöffnete Tür gegeben habe, die niemand schließen könne, probehalber als sekundäre Hinzufügung gestrichen, so ergibt sich ein Text, dessen argumentationslogische Struktur vollständig derjenigen in Apk 3,1c.15a692 und tendenziell, d.h. unter Absehung der im Akkusativ formulierten konkretisierenden Aufzählung einzelner ἔργα, auch derjenigen von Apk 2,5a.b.19a entspricht. Auf die einleitende Wendung οἶδά σου τὰ ἔργα folgte dann nämlich folgender Text: ὅτι μικρὰν ἔχεις δύναμιν καὶ ἐτήρσάς μου τὸν λόγον καὶ οὐκ ἠρνήσω τὸ ὄνομά μου. Diese Beobachtung vermag die Annahme, dass es sich bei den Ausführungen in Apk 3,8b.c um eine sekundäre Zutat handelt, mit deren Hilfe eine spätere Hand das in Apk 3,7c Formulierte in die Argumentationsstruktur des Corpus des an die Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας gerichteten Sendschreibens zu integrieren beabsichtigte693, durchaus wahrscheinlich erscheinen zu lassen. Ein weiteres kommt hinzu: Es muss auffallen, dass die Ausführungen in Apk 3,8b.c mit der vorausgehenden Wendung οἶδά σου τὰ ἔργα Apk 3,8a in keiner Weise argumentationslogisch verknüpft sind, wiewohl sich hier zumindest im Grundsatz eine konsekutive oder auch eine kausale oder explikative Verknüpfung durchaus angeboten hätte. Die die Ausführungen in Apk 3,8b.c einleitende Partikel ἰδού lässt sich nur schwerlich in einem solchen Sinne interpretieren694. Das aber heißt: Der Rezipient ist u.U. genötigt, eine solche argumentationslogische Verknüpfung zwischen den Ausführungen in Apk 3,8a und Apk 3,8b.c inferentiell695 zu konstruieren, ohne dass der vorliegende Text ihm dazu ein entsprechendes Signal böte. 692. Vgl. zu dieser Beobachtung auch G.K. Beale, Apk, 286 und R.H. Charles, Apk I, 86. 693. In diese Richtung vermag immerhin A. Satake, Apk, 182, A. 127 zu denken: „Möglich ist auch, den ὅτι-Satz … direkt als die Inhaltsangabe der ‚Werke‘ und den dazwischen geschobenen Satz V. 8b … als eine Parenthese zu betrachten“. 694. Vgl. hierzu H. Ulland, Vision, 128: „…, denn grammatikalisch deutet nichts darauf hin, daß die ‚Werke‘ und die anschließend erwähnte geöffnete Tür in einem Kausalzusammenhang stehen“. 695. Vgl. zum Begriff der Inferenz bereits o. 28 mit A. 13; 29.

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Werden, um diesem Problem zu entgehen, die Ausführungen von Apk 3,8b hingegen nicht als mit dem dieser Passage vorangehenden, sondern als mit dem an dieselbe anschließenden Kontext verknüpft interpretiert696, die mit einem immerhin kausal interpretierbaren ὅτι eingeleiteteten Ausführungen in Apk 3,8d somit als Begründung zu Apk 3,8b.c gelesen697, ergäbe sich zwangsläufig die Frage nach der argumentationslogischen Funktion von Apk 3,8a, die der Rezipient in diesem Falle dann, wiederum ohne konkreten Anhalt am Text, im Rahmen einer konstruktiven Operation zu definieren hätte698. Werden die Ausführungen in Apk 3,8d kausal verstanden699, so bezeichnet die in Apk 3,8b thematisierte θύρα ἠνεῳγμένη letzten Endes dasjenige Gut, mit dem der ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας für sein in Apk 3,8d beschriebenes Verhalten belohnt wird. Dann aber ergibt sich die Frage, wie diese Ausführungen mit denjenigen in Apk 3,10700, die ihrerseits ebenfalls eine Belohnung explizieren, zu verknüpfen sind; immerhin nämlich wird dort ausgeführt, dass Christus den ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας in der kommenden, die gesamte οἰκουμένη und die Gesamtheit der κατοικοῦντες ἐπὶ τῆς γῆς betreffenden ὥρα τοῦ πειρασμοῦ bewahren wird, weil jener seinerseits dessen λόγος τῆς ὑπομονῆς bewahrt habe. Da die Ausführungen von Apk 3,8d und Apk 3,10 kaum als beide das gleiche Belohnungs- bzw. Heilsgut signalisierend interpretiert werden können, evozieren sie als im Sendschreiben an die Figur des philadelphischen ‚Gemeindeengels‘ nebeneinander-, präziser: zusammengestellt die Frage, in welcher Relation zueinander sie stehen, eine Frage, auf die der Apokalyptiker jedoch eine Antwort schuldig bleibt. In diesem Sinne ergibt sich zwischen den Ausführungen Apk 3,8d und Apk 3,10 696. G.K. Beale, Apk, 286 schlägt in diesem Zusammenhang als mögliche Interpretation vor, „to take the first four words of 3:8 [d.h. die Wendung οἶδά σου τὰ ἔργα] … as one sentence and the remainder of the verse as a second sentence“ zu begreifen. Eine solche syntaktische Trennung widerspräche allerdings vollständig dem sonst beobachtbaren Sprachgebrauch des Apokalyptikers (vgl. hierzu o.). 697. Vgl. hierzu A. Satake, Apk, 182, A. 127: „Von der Satzstruktur her ist er [d.h. die Passage Apk 3,8d] aber eher als ein Begründungssatz anzusehen“; in diesem Sinne auch H. Ulland, Vision, 128f.: „Ein solcher [d.h. ein kausaler Zusammenhang] wird erst zwischen 3,8c und 8d durch ὅτι hergestellt, während hier mit ἰδού angeschlossen wird. Festzuhalten ist, daß die geöffnete Tür, unter der Voraussetzung, ὅτι mit ‚weil‘ zu übersetzen, deshalb niemand schließen kann, weil die Gemeinde eine kleine Kraft, das Wort von Christus bewahrt und seinen Namen nicht verleugnet hat“. G.K. Beale, Apk, 286 hält ein solches Verständnis im Blick auf die Interpretation des in Apk 3,8b.c Ausgeführten als „the ultimate basis for the church’s work“ für „possible but not … plausible“, eine Auslegung, die allerdings zu der Frage führt, wie denn dann die das in Apk 3,8d Gesagte einleitende Konjunktion ὅτι zu verstehen sei. 698. Vgl. hierzu bereits W. Bousset, Apk, 227, der vollständig zutreffend bemerkt: „Eher könnte man überlegen, wenn man die sprunghafte Darstellung im Anfang des Sendschreibsens bessern möchte, ob nicht das οἶδά σου τὰ ἔργα mit Primasius [!] zu streichen sei“; vgl. hierzu auch R.H. Charles, Apk I, 86: „This clause has by some scholars been rejected on the ground that it breaks the connection and is harmonistic“. 699. Vgl. in diesem Sinne etwa A. Satake, Apk, 182: „V. 8c [d.h. 8d] gibt an, warum der Gemeinde die [in Apk 3,8b.c beschriebene] Gnade gegeben ist“. 700. Vgl. zu Apk 3,10 u. 279–285.

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eine als inhaltliche Spannung zu definierende Inkohäsion701, die der jeweilige Rezipient nur überwinden kann, indem er entweder den Bezug zwischen beiden ignoriert oder aber eine vom Text selbst nicht indizierte Inferenz vornimmt. Auch diese Beobachtung vermag als Indiz dafür zu gelten, dass es sich bei dem in Apk 3,8d Ausgeführten um eine sekundäre Hinzufügung handelt.

Entscheidend hinsichtlich der Frage nach der textlichen Ursprünglichkeit des in Apk 3,8b.c Gesagten scheint jedoch eine dritte Beobachtung zu sein: Ein Vergleich der Darstellung in Apk 3,8b.c mit derjenigen in Apk 3,11b.c zeigt, dass der Apokalyptiker in ersterer eine offensichtlich nicht konditionierte Heilsgarantie formuliert, wohingegen er in letzterer den Behalt des στέφανος als des Zeichens des gewonnenen Heils702 an die Bedingung knüpft, dass der ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας festhält und bewahrt, was er gegenwärtig vorweisen kann703: κράτει ὃ ἔχεις, ἵνα μηδεὶς λάβῃ τὸν στέφανόν σου704. Diese inhaltliche Spannung zwischen den Ausführungen in Apk 3,8b.c und Apk 3,11b.c stellt ihrerseits eine weitere Inkohäsion dar, die der Rezipient im Rahmen seines Versuchs einer kohärenten Interpretation des Textes nur bewältigen kann, indem er eine durch den Text selbst nicht indizierte Inferenz vornimmt; in der gegenwärtigen Forschung wird diese Spannung kaum gesehen, geschweige denn diskutiert705. Einen Ausweg aus dem hier diskutierten interpretatorischen Dilemma könnte allenfalls folgendes – zumindest im Grundsatz nicht unmögliche – Unterfangen bieten: Einerseits wären die Ausführungen in Apk 3,8b.c in einem missionarischen Kontext zu interpretieren und die Metapher θύρα ἠνεῳγμένη als Hinweis auf „eine … bald zu eröffnende große Missionstätigkeit“706 zu begreifen707 – solches nicht-soteriologisches Verständnis von Apk 3,8b.c löste die o. beschriebene inhaltliche Spannung zwischen den Ausführungen in Apk 3,8b.c und denjenigen in Apk 3,11b.c unmittelbar. 701. Vgl. zu diesem Begriff o. 33 mit A. 32. 702. Zum στέφανος-Begriff vgl. bereits o. 225. 703. Vgl. zu dieser Konditionalität etwa P. Prigent, Apk, 206: „One should note that the wording implies that Christians already possess the crown, even though the use of this favor is conditional, requiring faithfulness without fail“. 704. Zu Apk 3,11 vgl.u. 285–287. 705. Vgl. hierzu als Beispiel für viele etwa U.B. Müller, Apk, 129; Müller stellt fest: „In dreifacher Weise verheißt Christus die eschatologische Rettung der Gemeinde (Vers 8.9.10)“, ohne die Ausführungen von Apk 3,11 überhaupt in diesem soteriologischen Kontext wahrzunehmen. Anders hier aber C.R. Koester, Apk, 324, der das in Apk 3,8b.c Ausgeführte futurisch und zugleich auch konditional interpretiert; Koester formuliert zu Apk 3,8b.c: „…, and in the future they [d.h. die s.E. in diesem Sendschreiben angeschriebenen Christen] have the hope of resurrection to life in God’s presence“. 706. W. Bousset, Apk, 226. 707. Zu den Vertretern dieser Auslegung vgl. H. Giesen, Apk, 132.

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Andererseits müssten sie aber zugleich als bewusst gesetzte Parenthese verstanden werden, mit der der Apokalyptiker den argumentationslogischen Zusammenhang in Apk 3,8a.d in voller Absicht unterbrochen habe708. Der argumentationslogische Zusammenhang verliefe dann innerhalb der Darstellung in Apk 3,8a.d und entspräche dem Sprachgebrauch des Apokalyptikers, die Nötigung, einen argumentationslogischen Konnex zwischen Apk 3,8a und Apk 3,8b.c zu konstruieren, entfiele, die im Blick auf die Soteriologie aufgewiesene Inkohäsion zwischen Apk 3,8b.c und Apk 3,11b.c wäre überwunden. Allerdings ergäbe sich zunächst die – grundsätzliche und im Rahmen der Argumentationslogik des Textes aus diesem selbst heraus nicht beantwortbare – Frage, in welcher Beziehung das vom Apokalyptiker in Apk 3,8(a.)d formulierte positive Verhalten der Person des ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας zu der Eröffnung einer offensichtlich bedeutenden missionarischen Gelegenheit stehen sollte. Werden hier probehalber eine kausale – das Verhalten der Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας begründet seine missionarischen Möglichkeiten – oder eine konsekutive Relation – die missionarischen Möglichkeiten der Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας ergeben sich aus seinem Verhalten – unterstellt, so läge in Apk 3,8b.c.d der im Rahmen der sieben Sendschreiben singuläre Fall vor, dass das Tun oder Lassen eines ‚Gemeindeengels‘ nicht im soteriologischen, sondern im missionstheologischen Kontext bewertet wird: Das Tun oder Lassen eines ‚Gemeindeengels‘ zögen keine innergeschichtlich wirksamen Bestrafungen oder aber eschatologische Belohnungen, sondern eine missionarische Gelegenheit und offensichtlich beträchtlichen missionarischen Erfolg nach sich. In jedem Falle aber nötigte darüber hinaus, da eine argumentationslogische Relation zwischen Apk 3,8(a.)d und Apk 3,8b.c aus dem Text selbst nicht ableitbar ist – die Partikel ἰδού vermag hier keinerlei Klarheit zu schaffen709 –, auch die Interpretation des in 708. Dies scheint, wenn auch unausgesprochen, der Interpretationsansatz zahlreicher Kommentare zu Apk 3,8 zu sein; vgl. hierzu neben vielen anderen etwa I.T. Beckwith, Apk, 479: „The special meaning [des Terminus ἔργα] is given in the clause ὅτι μικρὰν κτλ., namely that thou hast little power and yet, etc. The intervening words ἰδοὺ δέδωκα κτλ., …, form a parenthesis“, und G.K. Beale, Apk, 286, der im Blick auf seinen eigenen Interpretationsansatz feststellt: „This understanding of v 8 means that the introductory οἶδά σου τὰ ἔργα … is intentionally interrupted by a parenthetical statement … and is picked up again and continued in v 8b with a declarative ὅτι: …“; vgl. in diesem Sinne u.a. auch R.H. Charles, Apk I, 87, P. Prigent, Apk, 203 und U.B. Müller, Apk, 127.128f. Anders hier etwa H. Lichtenberger, Apk, 109: „Die Situationsbeschreibung beginnt mit der lobenden Erwähnung der Werke; worin diese bestehen, wird nicht weiter entfaltet. Vielmehr wird gesagt, was Christus getan hat: …“; zu fragen ist aber, wie der Rezipient dazu kommen sollte, die Wendung οἶδά σου τὰ ἔργα als ein Lob implizierend zu interpretieren. 709. Vgl. hierzu bereits o.

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Apk 3,8b.c Ausgeführten als einer missionstheologisch akzentuierten Parenthese den Rezipienten zu einer konstruktiven Operation: Er muss die argumentationslogische Relation zwischen Apk 3,8b.c und Apk 3,8(a.)d inferentiell substantiieren – eine Notwendigkeit, die im Blick auf die Darstellung Apk 3,8 in ihrer Gesamtheit die Annahme eines Textwachstumsprozesses zu plausibilisieren vermag. Zu klären ist in diesem Zusammenhang dann aber, was einen dann anzunehmenden Redaktor veranlasst haben könnte, die Ausführungen in Apk 3,8b.c parenthetisch zwischen Apk 3,8a und Apk 3,8d einzufügen. Denkbar ist, dass jener mit derselben an das in Apk 3,7b.c Ausgeführte anknüpfen und letzteres im Rahmen einer individuellen Konkretisierung der in Apk 3,7b.c noch allgemein beschriebenen Eigenschaften des in diesem Sendschreiben redenden Christus in das Corpus desselben integrieren wollte710, ein redaktioneller Vorgang, innerhalb dessen die diesem Corpus inhärente Argumentationsstruktur und deren Inkohäsivität dann von zweitrangiger Bedeutung gewesen sind. Redaktionstheoretisch ließe sich im Blick auf Apk 3,8b.c von einer ‚anschließenden Erweiterung‘711, präziser: von einer Stichworterweiterung712 sprechen.

Aus diesen Überlegungen folgt in der Summe: Die Tatsache, dass der Rezipient, um die Ausführungen in Apk 3,8 im Kontext des Corpus des Sendschreibens an die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας sinnvoll zu verstehen und einen Sinn derselben zu generieren, letzten Endes in jedem Falle eine, u.U. womöglich sogar mehrere inferentielle Leistungen zu erbringen genötigt ist, legt ebenfalls die Annahme nahe, dass das in Apk 3,8 Ausgeführte das Ergebnis eines Textwachstumsprozesses darstellt. Angesichts des o. im Blick auf die argumentationslogische Struktur der jeweiligen Eingangspassagen der einzelnen Corpora der unterschiedlichen Sendschreiben Ausgeführten will die These, die Ausführungen in Apk 3,8b seien als nachträgliche oder sekundäre Hinzufügung zu betrachten, mehr als plausibel erscheinen. Der ursprüngliche Text von Apk 3,8 wäre damit folgendermaßen zu rekonstruieren: οἶδά σου τὰ ἔργα ... ὅτι μικρὰν ἔχεις δύναμιν καὶ ἐτήρσάς μου τὸν λόγον καὶ οὐκ ἠρνήσω τὸ ὄνομά μου. Wenn diese Annahme zuträfe, spräche nichts mehr dagegen, sondern dann vielmehr vieles dafür, auch die Botenformel Apk 3,7b.c als nicht ursprünglich mit dem Corpus des Sendschreibens an die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας 710. Vgl. zu Apk 2,5 bereits o. 130–147 und zu Apk 2,16 o. 200–206. 711. Vgl. hierzu R. Wonneberger, Redaktion, 124; unter einer ‚anschließenden Erweiterung‘ versteht Wonneberger „solche redaktionellen Erweiterungen …, die auf den vorangehenden Kontext bezogen sind“. 712. Vgl. hierzu R. Wonneberger, Redaktion, 132: „Stichworterweiterungen benutzen ein bestimmtes Stichwort als Anknüpfungspunkt“; als Stichwort fungiert in diesem Falle das Verb κλεῖν.

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verknüpft zu betrachten713: Würde nämlich von dem in Apk 3,8b.c Ausgeführten abgesehen, ließe sich weder eine inhaltliche noch eine motivische Verbindung zwischen der Botenformel und dem Corpus des Sendschreibens an den philadelphischen ‚Gemeindeengel‘ ausmachen. Im Anschluss an die das Verhalten des ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας uneingeschränkt lobende Darstellung in Apk 3,8 verheißt der in diesem Sendschreiben redende Christus in Apk 3,9 demselben, dass er einige aus der philadelphischen Judenschaft dazu bringen wird, dass sie vor seinen Füßen anbeten und erkennen, dass Christus selbst den ‚Gemeindeengel‘ der christlichen Gemeinde Philadelphias geliebt hat: ἰδοὺ διδῶ714 ἐκ τῆς συναγωγῆς τοῦ σατανᾶ τῶν λεγόντων ἑαυτοὺς Ἰουδαίους εἶναι, καὶ οὐκ εἰσὶν ἀλλὰ ψεύδονται. ἰδοὺ ποιήσω αὐτοὺς ἵνα ἥξουσιν καὶ προσκυνήσουσιν ἐνώπιον τῶν ποδῶν σου καὶ γνῶσιν ὅτι ἐγὼ ἠγάπησά σε715. Daran schließt sich in Apk 3,10 die Verheißung an, dass Christus den ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας in oder aber vor716 der ὥρα τοῦ πειρασμοῦ, die über die gesamte οἰκουμένη hereinbricht, bewahren wird, weil jener seinerseits dessen Wort von der ὑπομονή bewahrt habe, eine Begründung, die an das in Apk 3,8d Ausgeführte anknüpft und darauf Bezug nimmt717. Für die Interpretation von Apk 3,10 von nicht geringer Wichtigkeit ist die Frage, was mit dem in der Apk nur in Apk 3,10 begegnenden718 Syntagma ὥρα τοῦ πειρασμοῦ, einem offensichtlich eschatologischen Zeitraum bzw. einem eschatologischen Zeitabschnitt, von dem im apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 und innerhalb der dortigen Darstellung der Abfolge der endzeitlichen Ereignisse nicht mehr die Rede ist, konkret gemeint ist. Nach M. Karrer transportiert dieses Syntagma den 713. Vgl. zu dieser Sicht der Dinge etwa J. Wellhausen, Analyse, 7. 714. Zu διδῶ als Nebenform von δίδωμι vgl. etwa H. Ulland Vision, 135, A. 542; dort auch weitere Literatur. 715. Zur parallelen Struktur von Apk 3,9a und Apk 3,9b vgl. etwa G.K. Beale, Apk, 287; daraus folgert er: „The parallelism … supports the translation of διδῶ not as ‚I will give‘ but ‚I will make‘ …, which is supported by similar LXX uses of the verb in literal renderings of Hebrew“; zu den mit den Ausführungen in Apk 3,9 verbundenen interpretatorischen Problemen vgl. bereits o. 141–144. 716. Zu der hier vorliegenden Konstruktion des Verbs τηρεῖν mit der Präposition ἐκ vgl. D.E. Aune, Apk I, 239: „Brown … argues that here the ἐκ refers to a situation out of which people are taken (presupposing that they had actually been in such a situation), not their separation from that situation, i.e., a genitive of source not separation“. Im Gegensatz dazu spricht etwa U.B. Müller, Apk, 131 von einer „Bewahrung vor der endzeitlichen Bedrängnis“; vgl. darüber hinaus auch 132: „Es geht nicht nur um die Zusage, daß sie [d.h. die Christen Philadelphias] in jener Versuchung nicht zu Fall kommen; denn damit wäre der Gemeinde bloß verheißen, was allen Gläubigen zugesichert ist (7,1–8)“. 717. Vgl. hierzu etwa A. Satake, Apk, 183: „V. 10 nimmt zunächst die Wendung ἐτήρησάς μου τὸν λόγον aus V. 8c auf“. 718. Vgl. hierzu etwa M. Karrer, Apk I, 355: „Von Prüfung [πειρασμός] spricht die Apk nur hier“.

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Gedanken „einer endzeitlichen Krise … [, in der] Gott die Menschen prüfen und die Erwählten heiligen [werde], während die Sünder sich nicht aus ihrer Verstrickung würden lösen können“719. Diese Krise greife vor der Parusie Platz und beträfe die gesamte οἰκουμένη, also alle auf der Welt lebenden Menschen720, bzw. die κατοικοῦντες ἐπὶ τῆς γῆς721, wobei in der Forschung durchaus umstritten ist, inwieweit die Christen von diesem πειρασμός betroffen sein werden722. Die Aussage aber, dass der in diesem Sendschreiben redende Christus den ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας in oder vor dieser ὥρα τοῦ πειρασμοῦ bewahren wird723, andere ‚Gemeindeengel‘ jedoch offensichtlich nicht – jedenfalls ist davon in den übrigen in Apk 2f. vorliegenden Sendschreiben an keiner Stelle die Rede724 – lässt sich sinnvoll nur im Kontext der Annahme verstehen, dass diese ‚Stunde der Prüfung‘ grundsätzlich eben auch alle Christen betreffen wird725. Daraus folgt, dass die in 719. Apk I, 355. 720. Gegen diese Interpretation werden in der exegetischen Literatur immer wieder – mehr oder weniger deutlich – zwei Einwände sichtbar: (a) Das Syntagma ἡ οἰκουμένη ὅλη habe „immer den Nebenklang des ‚Wohnortes‘ derer die Gott nicht Folge leisten“ (A. Satake, Apk, 184, A. 135 mit Verweis auf H.R. Balz, Art. οἰκουμένη, in: EWNT2 II, 1233). (b) Die Phrase οἱ κατοικοῦντες ἐπὶ τῆς γῆς beziehe sich in der Apk auf „die ungläubigen Erdenbewohner“ (H.R. Balz, Art. οἰκουμένη, in: EWNT2 II, 1233; vgl. zu dieser Interpretation dieser Wendung auch D.E. Aune, Apk I, 240). Beide Einwände vermögen schon aufgrund der inneren Logik der Ausführungen in Apk 3,10 nicht zu überzeugen; wieso nämlich sollte der in dem Sendschreiben an die Christen Philadelphias redende Christus eben dieselben – und zwar offensichtlich nur diese – in oder auch vor der ὥρα τοῦ πειρασμοῦ bewahren sollen, wenn der kommende πειρασμός nur die Heiden bzw. die Nichtchristen betrifft. 721. Vgl. hierzu etwa U.B. Müller, Apk, 131: „In einem dritten Heilswort verkündet Johannes der Gemeinde die Bewahrung vor der endzeitlichen Bedrängnis, die als Versuchung über die Erdenbewohner kommt (Vers 10). Hier schaut Johannes, der innerhalb der Sendschreiben nur lokal begrenzte Ereignisse nennt, auf eine umfassende, den ganzen Erdkreis betreffende Notzeit“; anders, aber nicht überzeugend, hier W. Bousset, Apk, 228: „Doch muß in der Tat auch dieser Ausdruck [d.h. das Syntagma κατοικοῦντες ἐπὶ τῆς γῆς] auf die Gläubigen bezogen werden, da nur bei ihnen von πειρασμός und πειράζειν die Rede sein kann“. 722. Vgl. zu dieser Diskussion etwa M. Karrer, Apk I, 184 und auch A. Satake, Apk, 184. 723. Hier, wenn auch im Kontext des traditionellen Verständnisses der Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας, sehr klar C.R. Koester, Apk, 326: „… that the promise is made to a first-century congregation at Philadelphia“; anders hier etwa H. Giesen, Apk, 134, der die in Apk 3,10b.c. zugesagte Verheißung für alle Christen gelten lassen möchte. Wenn es aber zutrifft, dass die Corpora der einzelnen Sendschreiben die individuellen Verhältnisse der jeweiligen Gemeinde thematisieren, dann muss das in Apk 3,10b.c Gesagte – zumindest zunächst – ausschließlich auf die Christen Philadelphias bezogen werden. 724. Vgl. hierzu W. Bousset, Apk, 228f.: „Durch diese Wendung werden eben die Gläubigen in der ganzen Welt der kleinen Gemeinde in Philadelphia gegenübergestellt. … Der Sinn der Verheißung kann vielmehr nur der sein, daß die Stürme und Kämpfe der letzten Zeit die kleine und abgelegene Gemeinde von Philadelphia nicht mehr berühren werden. Diese hat bereits ihre Feuerprobe bestanden und bedarf keiner zweiten mehr“; in diesem Sinne auch D.E. Aune, Apk I, 240: „Unfortunately, both sides of the debate have ignored the fact that the promise made here pertains to Philadelphian Christians only and cannot be generalized to include Christians in the other churches of Asia“. 725. Vgl. hierzu U.B. Müller, Apk, 131f.: „Die Stunde der Prüfung und Versuchung trifft dabei vor allem die nichtgläubigen Erdenbewohner …, aber auch die Mehrzahl der Christen, da eigentlich nur im Blick auf sie von einer Versuchung geredet werden kann“; vgl.

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

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Apk 3,10b thematisierte ὥρα τοῦ πειρασμοῦ sich nicht auf im weiteren Verlauf der Apk geschilderte Ereignisse und Szenarien beziehen kann, die nur eine der die οἰκουμένη ausmachenden Gruppen betrifft, d.h. konkret die Christen oder die Heiden bzw. die Nichtchristen. Wird diese letzte Überlegung verknüpft mit dem Sachverhalt, dass der Apokalyptiker das Syntagma ὥρα τοῦ πειρασμοῦ sowohl als auch den Terminus πειρασμός im weiteren Verlauf seiner Darlegungen – überraschenderweise – nicht wieder verwendet726, so ergibt sich im Blick auf die Auslegung der Apk in ihrer Gesamtheit folgende interpretatorische Konsequenz: Dieses Syntagma kann sich gerade nicht auf „die Epoche des Entscheidungskampfes zwischen Gott und Satan, die Zeit des Tieres (Kap. 13)“727 beziehen, genauso wenig freilich auf als Bestrafungen sich ereignende weltweite Katastrophen, von denen die Christen in ihrer Gesamtheit aufgrund einer ihnen widerfahrenen Versiegelung ausgenommen sind, schließlich auch nicht auf Katastrophen, die explizit nur einen Teil der οἰκουμένη betreffen. Daraus wiederum folgt, dass, wird die innere (Erzähl-)Logik der Apk ernstgenommen, keine der nach Apk 7,3 geschilderten, die gesamte οἰκουμένη betreffenden Katastrophenszenarien als ὥρα τοῦ πειρασμοῦ firmieren kann, da der Apokalyptiker in Apk 7,3 einen ἄλλος ἄγγελος zitiert, der den vier ἄγγελοι οἷς ἐδόθη αὐτοῖς ἀδικῆσαι τὴν γῆν καὶ τὴν θάλασσαν (Apk 7,2d) befiehlt, mit ihrem katastrophalen Tun zu warten, bis die Christen versiegelt seien: λέγων [d.h. ein ἄλλος ἄγγελος Apk 7,2]· μὴ ἀδικήσητε τὴν γῆν μήτε τὴν θάλασσαν μήτε τὰ δένδρα, ἄχρι σφραγίσωμεν τοὺς δούλους τοῦ θεοῦ ἡμῶν ἐπὶ τῶν μετώπων αὐτῶν728, was bedeutet, dass letzten Endes nur noch die in Apk 6 geschilderten Ereignisse als Bezugspunkt des Syntagmas ὥρα τοῦ πειρασμοῦ in Frage kämen. Die in Apk 6,12–17 geschilderten Ereignisse fasst der Apokalyptiker selbst in Apk 6,17a unter dem Begriff ἡμέρα ἡ μεγάλη τῆς ὀργῆς τοῦ θεοῦ καὶ τοῦ ἀρνίου (vgl. Apk 6,16) zusammen und bezeichnet sie gerade nicht – was nahegelegen hätte, wenn er jene so hätte titulieren wollen – als ὥρα τοῦ πειρασμοῦ. Werden nun die in Apk 6,1–8 auftretenden vier ‚apokalyptischen Reiter‘ als Chiffren für konkrete, mit den jüdischen Aufständen während der Regierungszeit darüber hinaus auch H. Giesen, Apk, 134: „Die Versuchung ist somit auch eine Gefahr für die Christen, denen allerdings besondere Hilfe zugesagt ist“. 726. Vgl. hierzu D.E. Aune, Apk I, 240: „The substantive πειρασμός occurs only here in Revelation (the verb πειράζειν occurs three times: 2:2, 10; 3:10); the presence of these cognates in Rev 2–3 is one indication of the distinctive literary character of this section of the book“. 727. U.B. Müller, Apk, 131. 728. Vgl. hierzu U.B. Müller, Apk, 177f.: „An diesem Punkt stellt sich die Frage, wovor das Siegel die Gott Zugehörigen konkret bewahren soll. Zunächst ist nur vom Schutz vor den verheerenden Winden die Rede, die Erde und Meer treffen und die Menschen bedrohen. Die Knechte Gottes sind diesen speziellen Plagen entnommen. Dies entspricht [Apk] 9,4: Dort sollen im Gegensatz dazu die nicht versiegelten Menschen längere Zeit gepeinigt werden. Diese ganze Vorstellung folgt dem Prinzip der gerechten Vergeltung …. Die Schädigung trifft exklusiv die Gottlosen; von ihnen heißt es, daß auch der Tod vieler die übrigen nicht zur Umkehr bewegen konnte …. Dementsprechend erschöpft sich die Bedeutung von [Apk] 7,1–8 nicht im Schutz vor den Unheil bringenden Winden, wie es nach [Apk] 7,3f. zunächst den Anschein hat. Den Gläubigen bleiben auch jene Plagen erspart, die von vornherein als Teil des endzeitlichen Gerichtsgeschehens an den Gottlosen gelten: die vier Winde und anscheinend die Qualen, die in den Posaunenvisionen [Apk] 8,7–9,21 geschildert werden“.

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des Kaisers Traianus zu verbindende Personen gedeutet729, so bleibt im Rahmen des apokalyptischen Hauptteils Apk 4–22 nichts mehr übrig, das sinnvoll als Konkretion des Syntagmas ὥρα τοῦ πειρασμοῦ Apk 3,10 angesehen und unter demselben subsummiert werden könnte. Das aber heißt: Der in Apk 3,10 begegnende Begriff ὥρα τοῦ πειρασμοῦ – und damit auch die mit diesem Terminus verknüpfte eschatologische Konzeption – erscheinen gänzlich unvernetzt und spielen in der Gesamtkonzeption der neutestamentlichen Apk keine Rolle730. Dies lässt zunächst die Annahme mehr als wahrscheinlich erscheinen, dass das Sendschreiben an die Gemeinde zu Philadelphia bzw. das Corpus desselben und der apokalyptische Hauptteil Apk 4–22 sich offensichlich unterschiedlichen Wirkungsund Schaffensperioden des Apokalyptikers verdanken. Da nun kaum denkbar ist, dass der Apokalyptiker im Wissen um das von ihm selbst in Apk 4–22 entwickelte und womöglich auch bereits schriftlich fixierte hochdramatische, komplexe und umfassende apokalyptische Szenario an anderer Stelle seiner Apk – ‚en passant‘ gleichsam – eine neue und andere oder doch zumindest deutlich anders akzentuierte Konzeption der Endereignisse aufscheinen lässt, indizieren die Ausführungen in Apk 3,10b.c, dass das in dem Syntagma ὥρα τοῦ πειρασμοῦ gebündelte eschatologische Szenario ein früheres Stadium der Enderwartung des Apokalyptikers widerspiegelt als dasjenige, das er in Apk 4–22 skizziert. Diese Überlegung wiederum macht, da der Überwinderspruch Apk 3,12 explizit auf das Apk 21f. beschriebene Kommen der πόλις ἁγία Ἰερουσαλὴμ καινή Bezug nimmt731 und somit das in Apk 4–22 entwickelte eschatologische Konzept voraussetzt, die Annahme wahrscheinlich, dass das Corpus des Sendschreibens an die Gemeinde zu Philadelphia zeitlich früher als der apokalyptische Hauptteil Apk 4–22 entstanden und mit jenem erst im Zuge der Integration von Apk 1–3 und Apk 4–22 zu der im Neuen Testament vorliegenden Gesamt-Apk zu einem einheitlichen Werk verschmolzen worden und ein integraler Bestandteil derselben geworden ist. Im Rahmen dieser Integration konnte der Apokalyptiker den Begriff ὥρα τοῦ πειρασμοῦ beibehalten, weil diesem durch die Verknüpfung mit dem endzeitlichen Szenario Apk 4–22 ein neuer semantischer Gehalt implantiert wird, der sich eben – entweder vollständig oder partiell – aus dem in Apk 4–22 Dargestellten ergibt. 729. Vgl. hierzu T. Witulski, Reiter, 200. 730. Vgl. hierzu auch H. Ulland, Vision, 142: „Aber an keiner Stelle [der Apk] wird explizit die ‚Stunde der Versuchung‘ wörtlich aufgenommen und identifiziert“. Die Erklärung, die Ulland für diesen Sachverhalt anbietet, vermag nun allerdings kaum zu überzeugen; s.E. habe der Apokalyptiker die ὥρα τοῦ πειρασμοῦ und ihren Zeitpunkt im apokalyptischen Hauptteil deswegen nicht wieder aufgenommen und identifiziert, weil er seinen Adressaten jede mögliche falsche Sicherheit nehmen wollte, um sie so zu einem aus seiner Sicht angemessenen ethischen Verhalten motivieren zu können: „Er läßt offen, wann man mit ihr konfrontiert ist, was für die Rezipienten zur Folge hat, nie sicher sein zu können, daß sie sie überstanden haben bzw. daß sie gut genug gewappnet sind. Sofern die Darstellung des Verfassers glaubwürdig ist, kann dadurch der Eifer um Orthodoxie erhöht werden“ (Vision, 142). Um seine Rezipienten zu dem von ihm intendierten, auf Ungewissheit basierenden ethischen Rigorismus zu führen, hätte der Apokalyptiker den Begriff der ὥρα τοῦ πειρασμοῦ doch nur in einer der Passagen des apokalyptischen Hauptteils zu verankern brauchen, deren Szenario sich in jedem Falle erst in der Zukunft derselben realisiert. Das Problem liegt, wie o. gezeigt, an einer gänzlich anderen Stelle; wird die Darstellung in Apk 4–22 ernstgenommen, so scheint sich die in Apk 3,10 angekündigte ὥρα τοῦ πειρασμοῦ im weiteren Verlauf der Geschichte überhaupt nicht zu realisieren. 731. Vgl. hierzu u. 286–289.

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

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Auffällig ist, dass der Apokalyptiker mit seinen Ausführungen in Apk 3,10 argumentationslogisch augenscheinlich unmittelbar an die Ausführungen in Apk 3,8d anknüpft; dass die Formulierung ὅτι ἐτήρησας τὸν λόγον τῆς ὑπομονῆς μου Apk 3,10a, mit deren Hilfe der in diesem Sendschreiben redende Christus das in Apk 3,10b.c Verheißene begründet, den zuvor formulierten Hinweis Apk 3,8dβ: καὶ ἐτήρησάς μου τὸν λόγον, unmittelbar aufgreift, lässt sich schlechterdings nicht bestreiten732. Diese Beobachtung aber gibt Anlass zu der Frage nach der argumentationslogischen Funktion von Apk 3,9 im Kontext von Apk 3,8–10, die sich für den Rezipienten aus dem vorliegenden Text eben nicht ohne Weiteres ergibt733. In der Forschung wird in der Regel darauf verwiesen, dass die – in Apk 3,8d geschilderte – „schwierige Situation der Gemeinde … von den Juden verursacht“734 worden sei, das in Apk 3,9 Ausgeführte also die Begründung für die in der Darstellung Apk 3,8d durchscheinenden Probleme liefere. Dieser kausale Konnex wird, hier deutlich anders als in Apk 2,9735, durch den Text selbst inhaltlich jedoch in keiner Weise indiziert: Weder werden die philadelphischen Ἰουδαῖοι einer gegen die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ 732. Vgl. hierzu etwa A. Satake, Apk, 183 und H. Ulland, Vision, 141. 733. M. Karrer, Apk I, 352f. formuliert an dieser Stelle: „In V. 9a folgt der Kontrast. In Philadelphia existieren neben dieser Gemeinde, die der Gottes- und Christusgegenwart so vertrauensvoll gewiss sein kann, auch Menschen, die lügnerisch behaupten, sie seien Juden, während sie eine Versammlung des Satans bilden. Christus gestattet ihr Wirken; er ‚gibt‘ es nach dem griechischen Text geradezu, damit sich die philadelphische Gemeinde angesichts dessen bewähre“. Aus dem Text selbst scheint sich dieser Interpretationsansatz jedoch nicht zu ergeben. 734. A. Satake, Apk, 182; in ähnlicher Weise unternimmt U.B. Müller, Apk, 130 in seiner Auslegung von Apk 3,9 den Versuch, das an dieser Stelle Ausgeführte auf Apk 3,8d zu beziehen und so einen argumentationslogischen und kohärenten Konnex zu installieren, indem er formuliert: „Die Verfolgungen, die die Gemeinde zum Bekenntnis zu Christus nötigten, gingen von den Juden der Stadt aus. Dies ist aus ihrer scharfen Verurteilung zu erschließen (Vers 9a), die fast wörtlich [Apk] 2,9 wiederholt“. In diese Richtung denkt auch E. Schüssler Fiorenza, Apk, 74, die von „Diskriminierung und Schikanen von … [den] jüdischen Religionsgenossen“ den Christen Philadelphias gegenüber spricht, wohingegen W. Hadorn, Apk, 60 „Anfechtung von seiten der Juden“ nicht ausschließen möchte. G.K. Beale, Apk, 286 nimmt die Charakterisierung der hier angesprochenen Ἰουδαῖοι als συναγωγὴ τοῦ σατανᾶ zum Anlass, aus dem Text eine wahrscheinliche („probably“) Verfolgung der philadelphischen Christen durch eben jene herauszulesen, C. Brütsch, Apk I, 182 formuliert: „Gerade über ihre gefährlichsten Widersacher, die sich hier ebenfalls unter den Juden finden … wird die kleine Gemeinde Macht bekommen“, und J. Weiß, Apk, 50 vermag festzustellen: „In Smyrna, aber auch in Philadelphia sind die Juden die eigentlichen Feinde der Gemeinde, sie lästern sie und bringen es dahin, daß einzelne Christen ins Gefängnis geworfen werden …; sie haben es – wenn auch vergeblich – dahin bringen wollen, daß der ‚Engel‘ von Philadelphia seinen Glauben verleugne“. D.A. De Silva, Minds, 146 erwägt, die Ausführungen in Apk 3,8d als Begründung zu denjenigen in Apk 3,9 zu verstehen und führt als syntaktische Parallele Apk 3,10 an (vgl. A. 29). Dem widerrät jedoch, dass sowohl Apk 3,9a als auch Apk 3,9b, anders als Apk 3,10b, mit der Partikel ἰδού beginnen. 735. Vgl. hierzu o. 141–144.

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ἐκκλησίας oder gegen die christliche Gemeinde Philadelphias gerichteten Aktivität geziehen736 – in Apk 2,9 ist immerhin explizit von der βλασφημία der smyrnäischen Juden die Rede, in Apk 3,9 klingt nichts dergleichen an737 – noch verheißt der in diesem Sendschreiben redende Christus den philadelphischen Juden in Apk 3,9 explizit eine Bestrafung derselben, um ihnen ihr antichristliches Verhalten zu vergelten738. Darüber hinaus scheint die Belohnung für das in Apk 3,8dβ.10a angedeutete Verdienst des τηρεῖν μου τὸν λόγον bzw. τὸν λόγον τῆς ὑπομονῆς μου, wie die Ausführungen in Apk 3,10a vermuten lassen, erst in Apk 3,10b.c, nicht jedoch in Apk 3,9 beschrieben zu sein. Das alles aber bedeutet: Die Einlassungen in Apk 3,9 sind im Rahmen des Corpus des Sendschreibens an den ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας in keiner Weise kontextualisiert. Der Rezipient ist somit genötigt, diese fehlende Kontextualisierung, letzten Endes ein inkohäsives, aus dem Text sich ergebendes Informationsdefizit739 im Zuge einer „rekonstruktive[n] oder konstruktive[n] Operation“740 zu überwinden, um auf diesem Wege dann eine texthermeneutische Kohärenz zu generieren. Diese Überlegung untermauert die Annahme, dass die Ausführungen in Apk 3,9 als eine das Corpus des Sendschreibens an die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας nachträglich oder aber sekundär ergänzende Hinzufügung anzusehen seien. Der ursprüngliche Argumentationszusammenhang verliefe zwischen den Einlassungen in Apk 3,8d und denjenigen in Apk 3,10; die Ausführungen in Apk 3,9 ließen sich mit R. Wonneberger als eine in der Absicht, die Inhalte der einzelnen Sendschreiben im Nachhinein enger miteinander zu synchronisieren, vorgenommene Stichworterweiterung definieren: Die Stichworte Ἰουδαῖοι und συναγωγὴ τοῦ σατανᾶ, die im zweiten der sieben Sendschreiben begegnen, werden – in zumindest 736. Vgl. hierzu m.R. H. Ulland, Vision, 137: „Von daher ist weder die These von der Verfolgung der philadelphischen Christen durch Juden als sicher zu behaupten, …“; darüber hinaus 137, A. 559: „Wie bereits gesagt, ist im Text weder von Schwierigkeiten mit Juden die Rede, …“. 737. Vgl. hierzu unter Verweis auf E. Pax H. Ulland, Vision, 136 mit A. 549: „Insofern ist die Argumentation abzulehnen, aus Apk 3,7–13 wüßten wir ‚daß dort eine jüdische Gemeinde existierte, die, wie in Pergamon, den Christen, wohl mit Unterstützung der Behörden, Schwierigkeiten bereitete‘“; anders, wenn auch nicht überzeugend, hier jedoch etwa M. Karrer, Apk I, 353: „Der Vorwurf an die fremde Gruppe hält sich eng an 2,9“. 738. Denkbar ist, dass der Apokalyptiker hier auf eine soteriologische Konkurrenz zwischen Christen und Juden abheben möchte, die letztlich zugunsten der Christen entschieden werden wird; vgl. hierzu etwa J. Roloff, Apk, 61: „Mit den gleichen Worten wie in 2,9 wird der Anspruch der Juden, Versammlung … Gottes und Volk Gottes zu sein, als lügnerisch zurückgewiesen“. 739. Vgl. zu diesem Begriff bereits o. 33 mit A. 36. 740. T. Lewandowski, Linguistisches Wörterbuch I, s.v. Inferenz, 441; vgl. hierzu bereits o. 28 mit A. 13; 29.

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

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weitgehend identischer Formulierung – nachgerade symmetrisch im vorletzten der sieben Sendschreiben nachträglich oder sekundär wieder aufgegriffen741, dem Corpus der Sendschreiben in seiner Gesamtheit somit ein deutlich antijüdischer Akzent verliehen. Den hier entwickelten Ergebnissen entgegen möchte R.H. Charles Apk 3,10 als einen von einer späteren Hand veranlassten sekundären Einschub qualifizieren742. Zugunsten seiner Sicht führt Charles im Wesentlichen zwei Argumente an: (a) Die Ausführungen von Apk 3,10 setzten diejenigen von Apk 7 voraus; hier werde dargestellt, dass 144.000 δοῦλοι τοῦ θεοῦ versiegelt werden743. (b) Darüber hinaus spiegele Apk 3,10 eine „world-wide persecution“744 wider, die in den übrigen Sendschreiben nicht ablesbar sei. Dass das Syntagma ὥρα τοῦ πειρασμοῦ keine „world-wide persecution“ ausdrücken kann, ergibt sich schon aus dem Sachverhalt, dass der hier gemeinte πειρασμός die gesamte οἰκουμένη und eben nicht nur die Christen betrifft745. Der Annahme, dass die Ausführungen von Apk 3,10 das in Apk 7 Dargelegte voraussetzen bzw. voraussetzen müssen, widerrät die Beobachtung, dass der Apokalyptiker in Apk 3,10 offensichtlich einen die Gemeinde Philadelphias auszeichnenden und aus ihrem Verhalten in der Vergangenheit herrührenden zukünftigen Sonderstatus derselben explizieren möchte, der gerade nicht in einer letzten Endes dann die Gesamtheit der Christen betreffenden Versiegelung aufzugehen scheint; die in Apk 3,10b.c formulierte und in Apk 3,10a begründete Verheißung bezieht sich bestenfalls eben nur auf die philadelphischen Christen, nicht eo ipso auf alle Christen der römischen Provinz Asia oder der οἰκουμένη746.

Im Anschluss an das in Apk 3,10 Ausgeführte kommt der in diesem Sendschreiben redende Christus in Apk 3,11a auf sein auch die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας betreffendes baldiges Kommen zu sprechen, das insbesondere angesichts der Ausführungen in Apk 2,5.16747 nicht als ein endgeschichtliches Kommen, ein Kommen zur Parusie, sondern als ein innergeschichtliches und den philadelphischen ‚Gemeindeengel‘ angesichts der in Apk 3,10 angekündigten ὥρα τοῦ πειρασμοῦ offensichtlich stärken sollendes und auch werdendes aufzufassen ist748. Vor 741. Vgl. zum Begriff der synchronisierten Einfügung Redaktion, 126–128, zum Begriff der Stichworterweiterug Redaktion, 132. 742. Vgl. hierzu Apk I, 89. 743. Vgl. hierzu Apk I, 89. 744. Apk I, 89. 745. Vgl. hierzu o. 279–282. 746. Vgl. auch hierzu bereits o. 279. 747. Vgl. zu diesen beiden Belegen bereits o. 92–93. 748. Vgl. hierzu etwa H. Giesen, Apk, 135: „Das baldige Kommen Christi bezieht sich nicht auf die Parusie …, sondern wie in 2,5.16.25; 3,3 auf die Gegenwart“, G.B. Caird, Apk, 54 und G.K. Beale, Apk, 293, der, wie auch G.B. Caird, seiner Interpretation einen engen inhaltlichen Zusammenhang zwischen den Ausführungen in Apk 3,10 und denjenigen in Apk 3,11 zugrundelegt: „Consequently, the ‚coming‘ referred to in this verse is the increased presence of Christ that will protect these believers when they pass through tribulation, as has just been

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dem Hintergrund dieses baldigen Kommens fordert Christus in Apk 3,11b.c den philadelphischen ‚Gemeindeengel‘ auf, seine Glaubenslehre und seine Glaubenspraxis beizubehalten und nicht nachzulassen, damit er den ihm als Zeichen des Heils offensichtlich bereits verliehenen στέφανος nicht verliere: κράτει ὃ ἔχεις, ἵνα μηδεὶς λάβῃ τὸν στέφανόν σου749. M.a.W.: Die Ausführungen in Apk 3,11b.c bezeugen die präsentischeschatologische Konzeption eines auf der Erde und in der Gegenwart bereits realisierten endgültigen Heils, das es bis zur Parusie Christi allerdings zu bewahren gilt. Nach M. Stowasser nimmt der Apokalyptiker im Anschluss daran im Rahmen des aus zwei Verheißungen bestehenden750 und mit dem Partizip ὁ νικῶν eingeleiteten Überwinderspruchs Apk 3,12 in Apk 3,12d auf die Phrase καὶ οὐκ ἠρνήσω τὸ ὄνομά μου aus Apk 3,8d Bezug, indem er im Überwinderspruch „dreifach das Stichwort des Namens auf[greift] und … ihn als Heilsgabe [verheißt]“751: καὶ γράψω ἐπ᾽ αὐτὸν τὸ ὄνομα τοῦ θεοῦ μου καὶ τὸ ὄνομα τῆς πόλεως τοῦ θεοῦ μου, τῆς καινῆς Ἰερουσαλὴμ ἡ καταβαίνουσα ἐκ τοῦ οὐρανοῦ ἀπὸ τοῦ θεοῦ μου, καὶ τὸ ὄνομά μου τὸ καινόν (Apk 3,12d)752. Inwieweit diese – möglicherweise sogar nachträglich oder sekundär kreierte – Stichwortassoziation, die noch dazu durch die Tatsache relativiert wird, dass in Apk 3,8d von ὄνομα Christi, in Apk 3,12d hingegen von seinem ὄνομα καινόν die Rede ist, allerdings die These zu indizieren vermag, das Corpus dieses Sendschreibens und der dieses beschließende Überwinderspruch seien in einem Zuge entstanden und stellten ursprüngliche integrale Bestandteile dieses Sendschreibens dar, muss doch mehr als fraglich bleiben. Ein Vergleich der innerhalb des Überwinderspruches Apk 3,12 formulierte Inhalte mit den in Apk 3,11b.c dargestellten lässt nämlich erkennen, dass beide Texte jeweils unterschiedliche eschatologische Konzeptionen transportieren: Während innerhalb des Überwinderspruches, wie schon die Prädikate ποιήσω und γράψω signalisieren, eine futurisch konnotierte Eschatologie verkündigt wird – dem νικῶν werden die an dieser Stelle verheißenen Heilsgüter in der Zukunft zuteil –, verfügt zumindest die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ mentioned in v 10“; anders hier jedoch etwa A. Satake, Apk, 184, der im Zusammenhang von Apk 3,11a von einem „Hinweis auf die Nähe der Parusie“ spricht. 749. Vgl. hierzu etwa M. Karrer, Apk I, 356: „Die Gemeinde muss nur den Siegeskranz festhalten, den sie schon besitzt [!], damit ihn niemand ihr wegnehme; nach 2,10 ist das der Kranz des Lebens“. 750. Vgl. hierzu A. Satake, Apk, 184. 751. Sendschreiben, 58. 752. Vgl. hierzu auch A. Satake, Apk, 184: „Die zweite Verheißung, Christus werde dem Überwinder ‚den Namen meines Gottes usw.‘ schreiben, korrespondiert mit der Aussage V. 8c“.

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ἐκκλησίας bereits in der Gegenwart über den die bereits gegenwärtige Teilhaberschaft am Heil signalisierenden στεφανός753, den es nun allerdings nicht mehr zu verlieren gilt754. Diese als inhaltliche Spannung zu definierende Inkohäsion755, die noch dadurch verschärft wird, dass das die Ausführungen in Apk 3,11b.c beherrschende Motiv des στέφανος in Apk 3,12 vollständig unberücksichtigt bleibt – ein Sachverhalt, der in der exegetischen Literatur insgesamt nur sehr vereinzelt wahrgenommen wird –, lässt sich nur überwinden, wenn der Rezipient entweder die in Apk 3,11b.c durchscheinende, auf den bereits verliehenen στέφανος abhebende präsentisch-eschatologische Konzeption ignoriert756 oder sie und ihr eigenständiges theologisches Profil im Horizont des futurisch-eschatologischen Konzepts des Überwinderspruches, in dem es um das ὄνομα Gottes, dasjenige des neuen Jerusalem und das neue ὄνομα Christi geht, in dieses einebnet757. Das aber heißt: Der Rezipient muss, ohne sich hier auf Textsignale berufen zu können, letztlich gegen den Text selbst und gegen den Duktus der Argumentation desselben massive Inferenzen vornehmen, um die Darstellung Apk 3,11b.c.12 als texthermeneutisch kohärent wahrnehmen zu können. Dies spricht dafür, den Überwinderspruch Apk 3,12 als nachträglich oder sekundär an das Apk 3,11b.c Ausgeführte angefügt zu begreifen – eine Annahme, die auch den in Apk 3,13 vorliegenden Weckruf betrifft758. 753. Vgl. hierzu m.R D.E. Aune, Apk I, 241: „The way this exhortation is phrased suggests that the Philadelphians already have their crowns but must take care that no one takes them away“, und A. Satake, Apk, 184: „Zugleich macht dieses Wort [d.h. Apk 3,11b] deutlich, dass das, ‚was du hast‘, für sie schon die höchste Gabe ist“; an dieser Stelle im Blick auf die unterschiedlichen temporalen Implikationen weit weniger klar und eindeutig etwa U.B. Müller, Apk, 132: „Die Gemeinde soll sich den Kranz, der als Zeichen der Vollendung für sie schon bereitliegt [!] …, nicht nehmen lassen“, und C.R. Koester, Apk, 326: „Here, it [d.h. der στεφανός] is given to those who win victory through faithfulness to God and Christ in the face of opposition“, und: „They already have the wreath in the form of a promise, which will be fully realized through resurrection to life in New Jerusalem“ (332), eine Perspektive, die sich nur aus dem Horizont der Gesamt-Apk ergibt. 754. Vgl. hierzu etwa H. Giesen, Apk, 135: „Das bereits geschenkte eschatologische Heil ist auch für diese vorbildliche Gemeinde nicht unverlierbar; sie muß sich wie alle Christen noch bewähren, d.h. dafür sorgen, daß ihr niemand den Kranz nehme“; in diesem Sinne auch J. Roloff, Apk, 62: „…; gilt es doch, das, was sie bereits empfangen hat, vor Verlust zu bewahren, nämlich das im Bild des Siegerkranzes … dargestellte gegenwärtige Heil der Christusgemeinschaft“. 755. Vgl. zu diesen Begriffen bereits o. 26–27, 33 mit A. 32. 756. Diesen Weg der Interpretation scheint M. Karrer, Apk I, 356 zu gehen, wenn er im Blick auf Apk 3,11b.c.12 formuliert: „Der Siegerspruch (V. 12) vertieft das [d.h. das in Apk 3,11b.c Dargelegte] geradezu überschäumend“. Dieser von Karrer hier namhaft gemachte Vertiefungsaspekt lässt sich am Text selbst jedoch nicht verifizieren. 757. Vgl. in diesem Sinne etwa die Ausführungen von C.R. Koester, Apk, 332 (vgl. hierzu o. A. 753). 758. Vgl. zum Weckruf bereits ausführlich o. 149–158.

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Denkbar wäre es freilich immerhin, den Überwinderspruch Apk 3,12 im Sinne einer Warnung zu deuten, die dazu auffordern soll, den bereits zugeeigneten στεφανός innerhalb des Zeitraums bis zur Wiederkunft des ἀρνίον Christus nicht doch noch zu verlieren. Gegen einen solchen Interpretationsansatz spricht zunächst aber, dass eine solche Warnung schon in Apk 3,11c explizit formuliert ist und keiner weiteren Zuspitzung bedarf. Darüber hinaus übersähe ein solches Unterfangen die grundsätzliche futurische Akzentuierung des Überwinderspruches, der eben nicht auf einen Verlust des gegenwärtig bereits verfügbaren eschatologischen Heils, sondern auf dessen Zueignung erst in der Zukunft abhebt.

Nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass der Apokalyptiker in Apk 3,12 das in Apk 21f. dann ausführlich entfaltete Motiv der πόλις ἡ καινὴ Ἰερουσαλὴμ ἡ καταβαίνουσα ἐκ τοῦ οὐρανοῦ ἀπὸ τοῦ θεοῦ verarbeitet759, legt sich die Annahme nahe, diesen Überwinderspruch, wie auch diejenigen der zuvor diskutierten fünf Sendschreiben760, als eine ‚Anker-Erweiterung‘761 zu definieren: Der Apokalyptiker beabsichtigte mit jenem, den an die Sendschreiben Apk 2f. anschließenden apokalyptischen Hauptteil und dessen Argumentation bereits in der Darstellung der Sendschreiben zu verankern und seine Rezipienten in diesem Sinne auf jenen vorzubereiten und vorzuverweisen. Die Motivverwandtschaft zwischen dem Überwinderspruch und dem apokalyptischen Hauptteil mag die folgende tabellarische Übersicht verdeutlichen: Motiv/Text im Überwinderspruch

Bezugnahmen im apokalyptischen Hauptteil

Apk 3,12: τὸ ὄνομα τοῦ θεοῦ μου καὶ τὸ ὄνομα τῆς πόλεως τοῦ θεοῦ μου, τῆς καινῆς Ἰερουσαλὴμ ἡ καταβαίνουσα ἐκ τοῦ οὐρανοῦ ἀπὸ τοῦ θεοῦ μου, καὶ τὸ ὄνομά μου τὸ καινόν

Apk 21,2: καὶ τὴν πόλιν τὴν ἁγίαν Ἰερουσαλὴμ καινὴν εἶδον καταβαίνουσαν ἐκ τοῦ οὐρανοῦ ἀπὸ τοῦ θεοῦ Apk 21,10: καὶ ἀπήνεγκέν με ἐν πνεύματι ἐπὶ ὄρος μέγα καὶ ὑψηλόν, καὶ ἔδειξέν μοι τὴν πόλιν τὴν ἁγίαν Ἰερουσαλὴμ καταβαίνουσαν ἐκ τοῦ οὐρανοῦ ἀπὸ τοῦ θεοῦ Apk 14,1: τὸ ὄνομα αὐτοῦ καὶ τὸ ὄνομα τοῦ πατρὸς αὐτοῦ γεγραμμένον ἐπὶ τῶν μετώπων αὐτῶν

759. Vgl. hierzu in wünschenswerter Deutlichkeit A. Satake, Apk, 185: „Die längere Erklärung zur ‚Stadt meines Gottes‘, ‚das neue Jerusalem, das vom Himmel von meinem Gott herabkommt‘, deckt sich fast vollkommen mit der Darstellung in 21,2.10“; darüber hinaus weist Satake darauf hin, dass der Name ‚Jerusalem‘ in der Apk insgesamt nur dreimal, nämlich in Apk 3,12; 21,2.10 belegt ist (vgl. 185, A. 185). 760. Vgl. hierzu o. 159–174, 184–192, 206–212, 231–238 und 262–268. 761. Vgl. zu diesem Begriff bereits o. 175–176.

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Das Nebeneinander präsentisch- und futurisch-eschatologischer Momente innerhalb des Sendschreibens an die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας ließe sich, die u. folgende762 ausführliche Diskussion im Ansatz vorwegnehmend, redaktionsgeschichtlich zwanglos erklären, würde folgendes geschichtliche Szenario angenommen: Der präsentisch-eschatologische Entwurf des Corpus spiegele die Zeit vor der Intensivierung der kultisch-religiösen Kaiserverehrung in der römischen Provinz Asia wider, die futurisch akzentuierte und das in der Gegenwart erst noch zu leistende νικῶν voraussetzende Konzeption des Überwinderspruchs hingegen die Gegenwart der Intensivierung der kultisch-religiösen Verehrung des amtierenden römischen Regenten763, ließe jene sich doch als Standhaftigkeit und Glaubenstreue zu evozieren suchende theologische Reaktion im Kontext der Forcierung der Praxis der kultisch-religiösen Kaiserverehrung ohne Schwierigkeit plausibilisieren und entspräche sie doch vollständig derjenigen des apokalyptischen Hauptteils Apk 4–22764.

Fazit: Die Analyse der Ausführungen des Apokalyptikers in Apk 3,10b.c.11b und ihr Vergleich mit denjenigen des Überwinderspruchs Apk 3,12 vermag die These, dass das Corpus des Sendschreibens an die Gemeinde zu Philadelphia und der jenes beschließende Überwinderspruch unterschiedlichen Stufen des Wachstums des Textes Apk 3,7–13 angehören, durchaus zu bestätigen765. Darüber hinaus wird diese These indiziert durch die Beobachtung, dass auch im Blick auf dieses Sendschreiben bzw. auf das Corpus desselben und den es beschließenden Überwinderspruch vom Apokalyptiker nicht deutlich herausgearbeitet wird, auf wen oder was die partizipiale Wendung ὁ νικῶν Apk 3,12a denn zu beziehen ist. Bestenfalls wäre hier die Gruppe der Ἰουδαῖοι denkbar, die in Apk 3,9 nun aber auch nicht als die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας bedrängende Kommunität in Erscheinung tritt766, somit auch keine Gruppierung ist, die ‚besiegt‘ 762. Vgl. hierzu u. 289–290 mit A. 764. 763. Zu Apk 13,18 als Reflex auf die gegenwärtige Situation der in der Apk angeschriebenen Christen vgl. ausführlich u. 412–414. 764. Zu dieser Bewegung der Veränderung einer theologischen, hier konkret der eschatologischen Perspektive innerhalb des johanneischen Kreises, wenn auch in einem anderen forschungsgeschichtlichen Kontext, vgl. etwa J.-W. Taeger, Gesiegt, 102: „Wenn der Seher diesem Erbe gegenüber neu auch von zukünftigen Siegen spricht, ist darin eine Tendenz erkennbar, die ebenso jüngere Stadien der Theologie des johanneischen Kreises charakterisiert: Der futurische Aspekt tritt ergänzend neben den präsentischen, verdrängt diesen jedoch nicht. Im Zuge dieser Entwicklung wird dann verstärkt auf apokalyptische Traditionen zurückgegriffen; das lässt sich schon im JohEv und in den Briefen beobachten“. Vgl. hierzu auch U.B. Müller, Apk, 61: „Handlungsmotivation ist vor allem die eschatologische Zukunftsperspektive des ganzen Buches [!], die Seligkeit dem zuspricht, der den Weisungen gemäß lebt (vgl. nur die Überwindersprüche). Daneben spielt der Blick auf das durch Christi Tod bereits erlangte Heil eine Rolle, das es zu bewahren gilt (vgl. 1,5b.8 und 3,11 [!]“. 765. Vgl. hierzu bereits o. 286–288. 766. Vgl. hierzu o. 279.

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werden müsste. In besonderer Weise gilt daher im Blick auf Apk 3,7–13 das bereits o. mehrfach in anderem Zusammenhang Angemerkte: Diese Wendung erhält ihren Sinn nicht auf der situativen Ebene des Sendschreibens, sondern erst auf der literarischen Ebene der Gesamt-Apk, denn der ‚Gemeindeengel‘ Philadelphias gehörte offensichtlich zu denen, die bereits ‚gesiegt‘ bzw. ‚überwunden‘ haben, da ihm der soteriologisch konnotierte στεφανός augenscheinlich schon zugeeignet worden ist767. Der ursprüngliche Text des Sendschreibens an die Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας umfasste somit folgenden Text: [τάδε λέγει ὁ {κύριος} ...] (8) οἶδά σου τὰ ἔργα, ... ὅτι μικρὰν ἔχεις δύναμιν καὶ ἐτήρησάς μου τὸν λόγον καὶ οὐκ ἠρνήσω τὸ ὄνομά μου. ... (10) ὅτι ἐτήρησας τὸν λόγον τῆς ὑπομονῆς μου, κἀγώ σε τηρήσω ἐκ τῆς ὥρας τοῦ πειρασμοῦ τῆς μελλούσης ἔρχεσθαι ἐπὶ τῆς οἰκουμένης ὅλης πειράσαι τοὺς κατοικοῦντας ἐπὶ τῆς γῆς. (11) ἔρχομαι ταχύ· κράτει ὃ ἔχεις, ἵνα μηδεὶς λάβῃ τὸν στέφανόν σου.

III.7. DAS SENDSCHREIBEN AN DEN ἄγγελος τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας Im Rahmen seiner Analyse der in Apk 3,14b vorliegenden Botenformel des an den ἄγγελος τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας gerichteten Sendschreibens arbeitet M. Stowasser folgende Referenztexte bzw. Bezugnahmen heraus: (a) Mit der Wendung ὁ μάρτυς ὁ πιστὸς καὶ ἀληθινός greife der Apokalyptiker die in Apk 1,5a vorliegende doppelte Kennzeichnung des in diesem Sendschreiben redenden Christus als ὁ μάρτυς und ὁ πιστός auf768. (b) Auf die Charakterisierung des Christus als ὁ πιστὸς καὶ ἀληθινός werde in Apk 19,11 Bezug genommen; zwar stehe „absolutes ὁ πιστός … neben einem absoluten ὁ μάρτυς … auch schon in 1.5 und wird zumeist als Referenzpunkt aufgefaßt, doch macht der Aspekt der Kombination 19.11 wahrscheinlicher“769. 767. Vgl. hierzu o. 286–289. 768. Vgl. Sendschreiben, 53: „Mit ὁ μάρτυς greift der Verfasser auf die stark entfalteten Christusaussagen des Präskriptes …, näherhin 1.5, zurück. Mit dieser Erweiterung wird 1.4– 20 zum Bezugspunkt der Sendschreiben, der damit noch stärker in Richtung Anfang des Buches rückt“, und darüber hinaus auch O. Cremer, Sohn Gottes, 189. D.E. Aune, Apk I, 255 formuliert: „The phrase ὁ μάρτυς ὁ πιστὸς καὶ ἀληθινός … has a close parallel in Rev 1:5, where Jesus Christ is called ὁ μάρτυς ὁ πιστός …; only here and in Rev 1:5 is Jesus Christ called a μάρτυς“. Aune zufolge bezeichne der Apokalyptiker mit diesem Syntagma die Gestalt des „exhalted Jesus who guarantees the truth of the revelation transmitted through John“, nicht jedoch die Figur des „historical Jesus, i.e., his faithfulness in completing his earthly ministry through his death“. 769. Sendschreiben, 53.

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(c) Der Christustitel ὁ ἀμήν fände sich in Apk 21,1 wieder, eine These, die M. Stowasser mit einem Hinweis auf Jes 65,16a.17LXX zu begründen sucht: Die Ausführungen in Jes 65,16aLXX schlössen mit einem ἀμήν, in Jes 65,17LXX folgen dann der Hinweis ἔσται γάρ ὁ οὐρανὸς καινὸς καὶ ἡ γῆ καινή770. (d) Die Titulatur ἡ ἀρχὴ τῆς κτίσεως halle wider in der eher kosmologisch als temporal konnotierten Wendung ἡ ἀρχὴ καὶ τὸ τέλος, die in Apk 21,6 auf Gott, in Apk 22,13 hingegen auf Christus bezogen werde771. Die folgende Tabelle bietet eine Übersicht der von M. Stowasser zu den Ausführungen in Apk 3,14b angeführten Referenztexte und Bezugnahmen: Motiv/Text in der Botenformel

Referenztext(e) in der Berufungsvision und Bezugnahmen im apokalyptischen Hauptteil

Apk 3,14b τάδε λέγει ὁ ἀμήν, ὁ μάρτυς Apk 1,5a: ὁ μάρτυς, ὁ πιστός ὁ πιστὸς καὶ ἀληθινός, ἡ ἀρχὴ τῆς κτίApk 19,11c: ἐπ᾽ αὐτὸν [καλούμενος] σεως τοῦ θεοῦ· πιστὸς καὶ ἀληθινός Apk 21,1: καὶ εἶδον οὐρανὸν καινὸν καὶ γῆν καινήν. ὁ γὰρ πρῶτος οὐρανὸς καὶ ἡ πρώτη γῆ ἀπῆλθαν καὶ ἡ θάλασσα οὐκ ἔστιν ἔτι Apk 21,6b: ἡ ἀρχὴ καὶ τὸ τέλος Apk 22,13: ἐγὼ τὸ ἄλφα καὶ τὸ ὦ, ὁ πρῶτος καὶ ὁ ἔσχατος, ἡ ἀρχὴ καὶ τὸ τέλος

Eine Überprüfung der einzelnen von M. Stowasser vorgeschlagenen Referenztexte und Bezugnahmen zu Apk 3,14b führt, unabhängig von dem methodischen Grundsatzproblem seines Interpretationsansatzes772, allerdings zu einem deutlich anderen Befund: (a) Mehr als fraglich bleiben muss die Annahme, dass der Apokalyptiker in der Apk 22,13 vorliegenden Wendung ἡ ἀρχὴ καὶ τὸ τέλος den in Apk 3,14b begegnenden Titel ἡ ἀρχὴ τῆς κτίσεως aufgegriffen habe: Während nämlich die Wendung ἡ ἀρχὴ καὶ τὸ 770. Vgl. hierzu Sendschreiben, 54; in eine ähnliche Richtung tendieren etwa auch D.E. Aune, Apk I, 255 und O. Cremer, Sohn Gottes, 184–189. 771. Vgl. hierzu Sendschreiben, 55: „Ähnlich wie in 3.14 mit seinem Bezug zu 19.11 wäre in diesem Fall erneut eine Vernetzung mit dem Schlussteil der Offb, näherhin den Schlussworten des Christus (22.13) vorgenommen“. 772. Zu den grundsätzlichen methodischen Problemen der Ausführungen M. Stowassers vgl. bereits o. 242–243.

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τέλος den Gedanken einer die Gesamtheit aller Existenz vorausgehenden und nachfolgenden, somit derselben umgreifenden Bedeutung Gottes bzw. Christi vermittelt, transportiert die Bezeichnung ἡ ἀρχὴ τῆς κτίσεως doch weit eher das Momentum der Relevanz des so Bezeichneten für die Summe des Geschaffenen, ohne damit jedoch protologische oder eschatologische Implikationen zu verbinden. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Syntagma ἡ ἀρχὴ τῆς κτίσεως im Sinne von „Herrschaft über die Schöpfung“ interpretiert wird773. (b) Außerordentlich konstruiert erscheint das Unterfangen, den Christustitel ὁ ἀμήν, vermittelt über Jes 65,16a.17LXX, auf Apk 21,1 beziehen zu wollen. Der Text selbst will eine solche Verknüpfung unmittelbar kaum indizieren, ein Sachverhalt, der die Frage aufwirft, wie ein sowohl die Ausführungen in Apk 3,14 als auch diejenigen in Apk 21,1 lediglich hörender (Erst-)Rezipient dieselbe nachvollziehen können sollte. (c) In Apk 19,11 begegnet zwar, hier durchaus parallel zu Apk 3,14b, die Wendung πιστὸς καὶ ἀληθινός, jedoch ohne den diese beiden Epitheta in Apk 3,14b regierenden und damit deren Semantik bestimmenden Terminus μάρτυς. Dies führt zu der Frage, ob es dem Apokalyptiker im Kontext seiner Formulierung von Apk 19,11 explizit darum zu tun gewesen ist, auf das in Apk 3,14 Ausgeführte zurückzuverweisen, oder ob er in Apk 19,11 das Syntagma πιστὸς καὶ ἀληθινός ohne eine solche Absicht eingeführt hat. (d) Schließlich belegt der Sachverhalt, dass der Apokalyptiker in Apk 1,5a von einem μάρτυς spricht, der zugleich ein πίστος ist, in Apk 3,14b den in diesem Sendschreiben redenden Christus jedoch, deutlich anders akzentuiert, als einen μάρτυς ὁ πιστὸς καὶ ἀληθινός bezeichnet, dass der Apokalyptiker im Rahmen seiner Ausführungen in Apk 3,14b diejenigen von Apk 1,5a bestenfalls anklingen lässt774. Angesichts dessen von einer expliziten Referenz ersterer auf letztere zu sprechen, scheint über die jeweiligen Signale, die die beiden Texte selbst bieten, jedoch deutlich hinauszugehen. Aus alledem folgt: Zwar lassen sich in Apk 3,14b einzelne Motive namhaft machen, die einerseits in Apk 1,4–20, andererseits in Apk 4–22 ebenfalls

773. Vgl. zu einer solchen Interpretation etwa O. Cremer, Sohn Gottes, 202, der diesem Syntagma zugleich einen antiimperialen Akzent zubilligen möchte: „Wenn der Seher in 3,14d die Herrschaft Christi über die gesamte Schöpfung Gottes betont, schildert er Christi alles umfassenden Machtbereich im Kontrast zur Herrschaft des Kaisers über das sich als οἰκουμένη verstehende römische Reich. … Es geht bei der κτίσις τοῦ θεοῦ also um die gesamte, von Gott geschaffene, ihm zugehörige und unter Christi Herrschaft stehende Welt“. 774. Vgl. hierzu A. Satake, Apk, 186: „Die zweite Beschreibung, ‚der treue und wahrhaftige Zeuge‘, lehnt sich an ‚der treue Zeuge‘ in 1,5 an“.

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belegt sind; als Beleg für ein „als systematisch konzipiert“775 zu bezeichnendes „Referenzsystem der Botenformeln“776 vermögen die Ausführungen von Apk 3,14b hingegen kaum zu dienen. Wichtiger als diese Feststellung scheint jedoch die Beobachtung zu sein, dass sich zwischen der Botenformel und dem Corpus des Sendschreibens an den laodicaeischen ‚Gemeindeengel‘ keinerlei semantische, motivische oder gar konzeptionell-theologische Berührungen aufweisen lassen777. Dies öffnet, für sich betrachtet, zunächst zumindest den Raum für die Annahme, dass die in Apk 3,14b vorliegende Botenformel dem Corpus dieser Epistel nachträglich vorangestellt worden ist778. Wahrscheinlichkeit gewinnt dieselbe durch die Überlegung, dass der Rezipient im Zuge seiner Interpretation des Sendschreibens an den ἄγγελος τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας, will er die Botenformel nicht als vollständig außerhalb des argumentationslogischen Zusammenhangs dieser Epistel stehend begreifen, zu einer ohne jeglichen Textbezug, präziser: ohne jegliche Möglichkeit eines ‚objektiven‘ Textrückgriffs sich realisierenden und somit vollständig subjektiven Konstruktion des dann zu kreierenden Sinnzusammenhanges genötigt ist, sofern an dieser Stelle überhaupt ein positives Sinnpotential gehoben werden kann. Nach C.K. Rothschild habe der Apokalyptiker mit den Begriffen ψυχρός und ζεστός Apk 3,15f. auf in der antiken philosophischen Literatur entweder als ἀρχαί oder als στοιχεῖα definierte schöpferisch-kreative medizinische bzw. biologische Prinzipien anspielen wollen, die zu Christus als der ἡ ἀρχὴ τῆς κτίσεως in enger Beziehung stehen – bzw. hätten stehen sollen779, eine These, die ihrerseits dann das 775. M. Stowasser, Sendschreiben, 55. 776. M. Stowasser, Sendschreiben, 55. 777. So m.R. A. Satake, Apk, 186: „Sie [d.h. die einzelnen Motive der Botenformel] zeigen auch keine inhaltliche Verbindung mit dem Hauptteil des Sendschreibens“. Zwar ist durchaus denkbar, dass der Apokalyptiker mit dem Titel ἡ ἀρχὴ τῆς κτίσεως die in der laodicaeischen Gemeinde u.U. verbreitete und Kol 1,18 belegte Vorstellung Christi als des Schöpfungsmittlers aufnimmt (vgl. hierzu C.K. Rothschild, Principle, 276f.); im Blick auf die hier verhandelte Frage nach einer semantischen oder motivischen Verknüpfung von Botenformel und Sendschreibencorpus kommt dieser Beobachtung aber keinerlei Relevanz zu. Anders an dieser Stelle allerdings O. Cremer, Sohn Gottes, 188, der im Blick auf die Christusprädikation ὁ ἀμήν, die die Wahrheit und die Unanfechtbarkeit der Worte des in diesem Sendschreiben redenden Christus untermauere, formuliert: „Gerade weil die Selbsteinschätzung der Gemeinde in Laodizea in großem Kontrast zur Beurteilung der Gemeinde durch Christus steht …, unterstreicht das Amen Christi zu Beginn des Sendschreibens die negative Analyse der Gemeindesituation als wahr und zutreffend“. Diese Interpretation will zwar nicht unmöglich scheinen, lässt sich am Text dieser Epistel selbst allerdings nicht verifizieren. Darüber hinaus vermag Cremer an anderer Stelle festzustellen: „Die abschließende Selbstvorstellung Christi in den Sendschreiben (3,14b.c.d) bietet wie oben beobachtet sprachlich wenig Bezüge zu den weiteren Teilen des Sendschreibens nach Laodizea“ (202). 778. Vgl. hierzu bereits o. 139–147, 192–193, 195, 213–214, 239–245 und 269–273. 779. Vgl. hierzu u. 295–299.

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Momentum einer motivischen Verknüpfung zwischen Botenformel und Corpus des Sendschreibens an den ἄγγελος τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας implizierte780. Diese Interpretation scheitert jedoch daran, dass sich die von Rothschild unterstellte medizinisch-biologische Kontextualisierung der Begriffe ψυχρός und ζεστός zumindest im Blick auf die Ausführungen in Apk 3,15f. nicht wahrscheinlich machen lässt.

Im Anschluss an die in Apk 3,14b entwickelte Botenformel kommt der Apokalyptiker dann im Corpus dieses Sendschreibens auf das Verhalten des ἄγγελος τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας zu sprechen, wie es sich aus seiner Sicht darstellt. In Apk 3,15a wird der laodicaeische ‚Gemeindeengel‘, wiewohl es wünschenswert wäre, dass er sich als ψυχρὸς ... ἢ ζεστός (Apk 3,15b) erzeigte781, als οὔτε ψυχρὸς οὔτε ζεστός782 charakterisiert, eine negativ formulierte Charakterisierung, die in Apk 3,16a positiv formuliert und mit dem Begriff χλιαρός wiedergegeben wird. Dieser Terminus scheint auf ein „laxe[s], selbstgenügsame[s] Glaubensverhalten“783 anzuspielen, das bereits dazu geführt hat, dass der in diesem Sendschreiben redende Christus im Begriff steht784, der Person des ἄγγελος τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας die Gemeinschaft aufzukündigen, indem er ihn – ob im Rahmen des letzten Gerichts oder aber, womöglich wahrscheinlicher, weil endzeitliche Motive in Apk 3,16 nicht anklingen, im Rahmen einer innergeschichtlichen Bestrafung785 – aus seinem 780. Vgl. hierzu M. Karrer, Apk I, 364, der mit Blick auf die Überlegungen Rothschilds formuliert: „Ein solch physiologischer Bezug wirft ein zusätzliches Schlaglicht auf die Prädikate Jesu in V. 14; denn Jesus ist nun die ἀρχή, der Ausgangspunkt, auch für die physiologischen Elemente (ἀρχαί)“. 781. Vgl. zu dieser Passage D.A. DeSilva, Minds, 149: „The exclamation (‚Would that you were!‘) communicates the negative assessment of their [d.h. der Christen Laodicaeas] present deficiency“. 782. Zu möglichen historischen Hintergründen der an dieser Stelle verwendeten Metaphorik vgl. neuestens M. Karrer, Apk I, 363f.; zur Geschichte der Interpretation derselben vgl. ausführlich C.K. Rothschild, Principle, 262–270, zu ihren philosophischen Konnotationen vgl. 270–274. 783. A. Satake, Apk, 188; mit einem etwas anderen Akzent hier H. Giesen, Apk, 140: „Wahrscheinlich meint der V[er]f[asser] – wie in den zuvor angesprochenen Gemeinden – die Kompromißbereitschaft gegenüber den heidnischen Kulten, vor allem gegenüber dem Kaiserkult. Das muß er nun nicht mehr konkretisieren, denn die Adressaten sind mit dem Inhalt der vorausgehenden Schreiben und mit ihrer eigenen Situation vertraut“. 784. Zu dieser Übersetzung des Prädikats μέλλω vgl. W. Bauer/B. Aland, Wörterbuch, s.v. μέλλω, 1015; dass ein solches Ausspeien droht, aber noch nicht vollzogen worden ist, sieht m.R. I.T. Beckwith, Apk, 490: „The words [μέλλω σε ἐμέσαι] have the sound of final rejection as already fixed, but the assurance of love still continuing in chastisement, and the exhortation to repentance and zealousness given in v. 19 show that the language is meant to awaken the Laodiceans to their imminent danger“. 785. Vgl. zu dieser Frage etwa die Erwägungen von A. Satake, Apk, 188 mit A. 154: „Wann es [d.h. das Gericht] geschehen wird, ist nicht deutlich. Manche Ausleger denken an das letzte Gericht …, aber die Möglichkeit eines Gerichts vor dem Ende wie in 2,5.16; 3,3 ist nicht ausgeschlossen“.

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

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Munde ausspeit786. Die Ausführungen von Apk 3,17f.19787 zeigen allerdings, dass das in Apk 3,16b Angekündigte nurmehr als eine Absichtserklärung zu verstehen ist; die in dieser Erklärung formulierte Absicht wird dann realisiert, wenn die Person des ἄγγελος τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας den in Apk 3,17f. formulierten Ratschlägen und Aufforderungen keinerlei Folge leistet788. Das aber heißt, dass die Ankündigung Apk 3,16b eher als eine in einem zukünftigen Verweigerungsfalle Platz greifende Sanktion denn als aufgrund des vergangenen Verhaltens bereits unabwendbare Konsequenz zu interpretieren ist. C.K. Rothschild zufolge rekurriere der Apokalyptiker mit der von ihm an dieser Stelle verwendeten Metaphorik auf die antike Medizin und die antike Physiologie, in Sonderheit auf entsprechende Ausführungen des Galenos von Pergamon. Dieser nämlich definiere vier biologische ἀρχαί, die ψυχρότης ἄκρα, die ξηρότης, die θερμότης und die ὑγρότης, die er als „primary causal powers“789 von den mit denselben verknüpften στοιχεῖα unterscheide: ἀλλὰ πρὸϲ αὐτῷ ποιότητεϲ τέϲϲαρεϲ, ψυχρότηϲ ἄκρα καὶ ξηρότηϲ καὶ θερμότηϲ καὶ ὑγρότηϲ. οὐ μὴν ϲτοιχεῖά γε ταῦτ’ ἔϲτιν οὔτε τῶν ἄλλων οὔτ’ ἀνθρώπου φύϲεωϲ, ἀλλὰ ἀρχαί. ϲυνεκέχυτο δ’ ἔτι τοῦτο παρὰ τοῖϲ ἀρχαίοιϲ οὐδ’ εἰϲ ἔννοιαν ἀφιγμένοιϲ τῆϲ διαφορᾶϲ ἀρχῆϲ τε καὶ ϲτοιχείου διὰ τὸ δύναϲθαι χρῆϲθαι τῇ τοῦ ϲτοιχείου προϲηγορίᾳ κἀπὶ τῶν ἀρχῶν. ἄλλα δὲ δύο πράγματά ἐϲτι φανερῶϲ ἀλλήλων διαφέροντα, τὸ μὲν ἕτερον ἐλάχιϲτον μόριον τοῦ ὅλου, τὸ δὲ ἕτερον εἰϲ ὃ διαλλάττεται κατ’ ἐπίνοιαν αὐτὸ τοῦτο τὸ ἐλάχιϲτον790. Den Prinzipien ‚kalt‘ und ‚heiß‘, denen Christus als ἡ ἀρχὴ τῆς κτίσεως τοῦ θεοῦ vorausgehe und zugrundeliege791, kämen nach Aristoteles, auf den Rothschild in diesem

786. D.A. DeSilva, Minds, 149 versteht die Ausführungen in Apk 3,15aβ.b als eine stasis, diejenigen in Apk 3,16a als Folgerung und diejenigen in Apk 3,16b als ein mit dieser Folgerung verknüpftes Argument; diese Ausführungen umfassten „the circumstances requiring corrective action at the outset“. 787. Vgl. hierzu u. 299–309. 788. Vgl. hierzu etwa A. Satake, Apk, 188: „‚Ausspeien aus dem Munde‘ bedeutet, das Verhältnis abzubrechen; es bezieht sich auf das entscheidende Gericht. Der V[er]f[asser]. rechnet aber mit der Möglichkeit der Umkehr (vgl. V. 19)“. 789. Principle, 272, hier in Aufnahme einer Formulierung von R.J. Hankinson. 790. In Hippocratis de natura hominibus I 30f. (Kühn XV 30f.; Text nach K.G. Kühn, Galenii opera omina XV 30; „in addition to this there are four qualities, pure cold, dryness, heat and moisture. These are not elements either of man or anything else, but rather principles: but this was confused by the earlier thinkers, who failed to distinguish the concepts of principle and element, since the word ‚element‘ may be used in the case of the principles as well. But the two things are evidently distinct from one another, the one [sc. ‚element‘] being the least part of the whole, the other [sc. ‚principle‘] being that into which this least is conceptually changeable“; Übersetzung nach R.J. Hankinson, Companion, 214, zitiert C.K. Rothschild, Principle, 271. 791. Vgl. hierzu Principle, 278: „In sum, Christ is ἡ ἀρχή – the principle of life – an interpretation known elsewhere in early Christian literature. As principle, he is the essence of, guides and directs elements in particular the two he expects to be most effective (i.e., ποιητικά), hot and cold“.

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Zusammenhang verweist, schöpferische Kraft zu792; da – der traditionellen Deutung des Terminus ἄγγελος entsprechend – die laodicaeischen Christen nun als οὔτε ψυχρὸς οὔτε ζεστός beschrieben würden, ließen sie aus der Perspektive des Apokalyptikers eben diese schöpferische Kraft vermissen und legten im Blick auf ihre ἔργα dementsprechend eine grundsätzliche schöpferisch-kreative Unzulänglichkeit an den Tag793. Demgegenüber wäre lauwarmes Wasser, wie die Ausführungen in vita Aesopi 2f. zeigten, „was considered emetic in antiquity“794, somit in der Antike also als potentes Brechmittel bekannt gewesen795. Diese medizinische bzw. biologische Interpretation der Ausführungen Apk 3,15f. würde bestätigt durch die Kommentare des Victorinus von Pettau, des Beda Venerabils und des Andreas von Caesarea zur Stelle796. Darüber hinaus zeige die antike Physiognomik – hier insbesondere das Wirken und das Werk des in Laodicaea geborenen Antonius Polemon –, dass das Ideal der Ausgewogenheit, im hier vorliegenden Falle dasjenige des χλιαρόν, zwar nach irdischen, nicht jedoch nach himmlischen Maßstäben als wertvoll beurteilt werde797. M. Karrer stützt diese von C.K. Rothschild entwickelte Interpretation, indem er darauf hinweist, dass „das Verb ἐμεῖν, das V. 16 wählt, präziser zu dieser als zu den anderen Deutungen [passe], weil es in der Regel nicht das Ausspeien aus dem Mund bezeichnet …, sondern das Erbrechen aus dem Magen“798. Aus alledem folge – immer im Kontext der traditionellen Deutung des ἄγγελος-Begriffs: Anstatt als ἀρχαί auch nach himmlischen Maßstäben kraftvolle und gute ἔργα zu kreieren, versinken die laodicaeischen Christen im irdischen Mittelmaß und taugen nur noch als Brechmittel. Schon aufgrund der Tatsache, dass die Begriffe ψυχρός und ζεστός einer- und der Terminus χλιαρός andererseits im Rahmen der von C.K. Rothschild vorgeschlagenen 792. Konkret nennt Rothschild hier Mete. IV 1, 378b, 10–13: Ἐπεὶ δὲ τέτταρα αἴτια διώρισται τῶν στοιχείων, τούτων δὲ κατὰ συζυγίας καὶ τὰ στοιχεῖα τέτταρα συμβέβηκεν εἶναι, ὧν τὰ μὲν δύο ποιητικά, τὸ θερμὸν καὶ τὸ ψυχρόν, τὰ δὲ δύο παθητικά, τὸ ξηρὸν καὶ τὸ ὑγρόν (Text nach O. Gigon, Aristotelis Opera I, 378; „Wir haben vier Entstehungsursachen für die Urstoffe unterschieden, und diese ließen wieder den Urstoffen entsprechend vier Verbindungsmöglichkeiten zu; von ihnen sind zwei schaffend, nämlich ‚warm‘ und ‚kalt‘, zwei nur leidend, nämlich ‚trocken‘ und ‚feucht‘“; Übersetzung nach P. Gohlke, Meteorologie, 138). 793. Vgl. Principle, 261: „Insofar as the Laodicean church is neither ‚cold‘ nor ‚hot,‘ it lacks potency“. 794. Principle, 265, A. 27; vgl. zu diesem Beleg auch C.R. Koester, Message, 415. 795. Vgl. hierzu Principle, 261: „Χλιαρός … represents the tepid water given to patients to indurce vomitting, a standard part of the procedure“. 796. Vgl. zu diesem letzten Gesichtspunkt Principle, 281f. 797. Vgl. hierzu Principle, 287: „These excerpts about the impact of the elements of cold and hot on faces and bodies offer a simple and plausible explanation for the condemnation of Laodicean church members (on account of their works). They are neither cold, nor hot – that is impotent (and perhaps impure) and must, therefore, be expelled. In Revelation 3, lukewarm does not represent the balanced admixture of or median between cold and hot; it is the vomited mixture containing harmful excesses. A contrast is evident. Whereas earthly standards (human physiology and physiognomy) value, even demand, a balance between hot and cold (so: lukewarm), the risen Christ holds his churches to a heavenly standard of potency and purity … A moral message is also possible: lukewarm represents earthly ideals from which Christian churches must be purged“. 798. Apk I, 364.

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Interpretation aus unterschiedlichen Kategorien entstammen – erstere sind eher einer so zu bezeichnenden Elementarmedizin bzw. -biologie, letzterer eher einer als Krankheitslehre zu klassifizierenden Kategorie zuzuordnen –, sind deren Auslegungen jeweils getrennt zu beurteilen: (a) Die von C.K. Rothschild vorgeschlagene Deutung des Terminus χλιαρός vor dem von ihr entwickelten medizinischen bzw. biologischen Hintergrund vermag – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Ausführungen von Apk 3,16b – durchaus zu überzeugen: Die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας wird von dem in diesem Sendschreiben redenden Christus ob seiner fehlenden ἔργα als χλιαρός, somit also als Brechmittel bezeichnet, das nur noch ausgespien werden kann, eine aus der Perspektive des Apokalyptikers nachgerade vernichtende, dem weiteren Duktus des Sendschreibens799 aber durchaus entsprechende Charakterisierung. (b) Der Annahme, mit den Begriffen ψυχρός und ζεστός spiele der Apokalyptiker auf die medizinischen bzw. biologischen Theorien und Diskussionen seiner Zeit an, stehen nun allerdings die entsprechenden Formulierungen in Apk 3,15f. selbst entgegen: Nach Apk 3,15b.c.16a hielte der Apokalyptiker es für wünschenswert, dass die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας, nach gegenwärtig mehrheitlicher Forschungsmeinung die Christen der Gemeinde in Laodicaea, sich als entweder ψυχρός oder ζεστός erwiesen (ὄφελον ψυχρὸς ἦς ἢ ζεστός Apk 3,15c). Damit aber fordert er zunächst etwas in der Realität des Irdischen medizinisch bzw. biologisch wenig Wünschenswertes, wenn nicht letztlich sogar Unmögliches oder Ausgeschlossenes800, wie der o. bereits zitierte Galenos von Pergamon selbst bestätigt: In den drei Büchern seiner de temperamentis weist er zunächst darauf hin, dass ein Körper dann als gesund zu bezeichnen ist, wenn die von ihm als ἀρχαί bezeichneten ‚primary causal powers‘ sich in Ausgewogenheit befänden: οὐδὲ γὰρ δύνασθαι ζῷον οὐδὲν οὔτ’ ἄκρως θερμὸν ὑπάρχειν ὡς πῦρ οὔτ’ ἄκρως ὑγρὸν ὡς ὕδωρ. ὡσαύτως δ’ οὐδὲ ψυχρὸν ἢ ξηρὸν ἐσχάτως, ἀλλ’ ἀπὸ τοῦ πλεονεκτοῦντος ἐν τῇ κράσει γίγνεσθαι τὰς προσηγορίας801. Im weiteren Verlauf seiner Darlegungen führt er darüber hinaus aus: οὐδὲ γὰρ οὐδὲ τὴν ὑγιεινὴν δίαιταν εἰς ἄλλο τι βλέποντες ἐξευρίσκουσιν ἢ εἰς τὴν εὔκρατον ἐκείνην φύσιν, τὸ μὲν θερμότερον τοῦ δέοντος σῶμα κελεύοντες ἐμψύχειν, τὸ δ’ αὖ ψυχρότερον θερμαίνειν, ὡσαύτως τὸ μὲν ὑγρότερον ξηραίνειν, τὸ δὲ ξηρότερον ὑγραίνειν, ἀντειςάγοντες ἀεὶ δηλονότι τῷ πλεονάζοντι τὸ λεῖπον, ὡς εὔκρατόν τινα καὶ μέσην ἐργάσασθαι κατάστασιν802. Das aber heißt: Mit dem 799. Vgl. hierzu u. 299–309. 800. Dies sieht auch C.K. Rothschild, die formuliert: „Homeostatic plant and animal life do not reflect these absolutes“ (Principle, 272). 801. De temperamentis libris III I 510 (Text nach K.G. Kühn, Galenii opera omnia I, 510; „No animal is hot in the absolute sense, like fire, nor wet in the absolute sense, like water. Nor does it have an extreme degree of either cold or dry. Such epithets derive rather from an excess of any of these qualities in the mixture“; Übersetzung nach P.N. Singer, Galen, 202); vgl. zu diesem Zitat auch C.K. Rothschild, Principle, 272. 802. De temperamentis libris III I 519 (Text nach K.G. Kühn, Galenii opera omnia I, 519; „Nor can the healthy regime be discovered otherwise than by reference to this well-balanced state of nature; for the aim is to cool and body which is hotter than it should be, to heat any which is colder, and similarly to dry any which is wetter and moisten any which is drier. In each case the attempt is to remedy an excess by the introduction of what is missing, in order to bring about a state which may be described as well-balanced or median“; Übersetzung nach P.N. Singer, Galen, 206); vgl. zu diesem Zitat auch C.K. Rothschild, Principle, 272.

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Wunsch oder der Aufforderung, alternativ ψυχρός oder aber ζεστός zu sein bzw. zu werden, formulierte der Apokalyptiker eine nach irdischen medizinisch-biologischen Maßstäben wenn womöglich nicht vollständig unmögliche, so aber doch in höchstem Maße ungesunde und ‚kranke‘ Erwartung. Wohl nicht zuletzt, um dieser letzten Endes kaum plausibilisierbaren Konsequenz zu entgehen, führt C.K. Rothschild die – aus dem Text Apk 3,15f. in keiner Weise entnehmbare und auch den semantischen Implikationen des Begriffs χλιαρός kaum noch gerecht werdende – Unterscheidung zwischen ‚earthly standards‘ und ‚heavenly standards‘ ein803 und erklärt die ἀρχαί ψυχρότης (ἄκρα) und ξηρότης zu – potenten und reinen – ‚heavenly standards‘, denen die Christen Laodicaeas dem Apokalyptiker zufolge entsprechen sollten. Dann aber stellt sich, da sich in der entsprechenden antiken medizinischen oder biologischen Literatur das Momentum einer in der Existenz Gestalt gewinnenden Alternativität zwischen den schöpferisch-kreativen Prinzipien ψυχρότης (ἄκρα) und ξηρότης – schon aus nachvollziehbaren anthropologischen oder ontologischen Gründen – nämlich gerade nicht nachweisen lässt, die Frage, warum jener, hätte er in Apk 3,15c auf solche schöpferisch-kreativen, als ποιητικά zu bezeichnenden ἀρχαί anspielen wollen, hier nicht inklusiv formuliert: ὄφελον ψυχρὸς ἦς καί ζεστός, sondern alternativ: ὄφελον ψυχρὸς ἦς ἢ ζεστός, somit also fordert, dass die Christen Laodicaeas entweder ‚kalt‘ oder aber ‚heiß‘ sein sollten, nicht aber ‚kalt‘ und zugleich ‚heiß‘804. Das aber heißt: Die Annahme, der Apokalyptiker spiele mit den Termini ψυχρός und ζεστός auf die in der medizinischen und biologischen Literatur seiner Zeit nachweisbaren schöpferisch-kreativen ἀρχαί bzw. στοιχεῖα ψυχρότης (ἄκρα) und ξηρότης an, verliert erheblich an Plausibilität. Dann aber lässt sich auch die Annahme einer motivischen Verknüpfung zwischen diesen Begriffen und dem in Apk 3,14b dem in diesem Sendschreiben redenden Christus zugeeigneten Titel ἡ ἀρχὴ τῆς κτίσεως kaum mehr aufrechterhalten. Diesem der Interpretation von C.K. Rothschild inhärenten Auslegungsproblem entgeht C.R. Koester, der die Ausführungen in Apk 3,15f. auf die antike Mahlpraxis beziehen möchte. Heißes oder kaltes Wasser würden im Rahmen solcher Mahlzeiten, genauso wie auch gekühlter und erhitzter Wein, durchaus geschätzt, lauwarme Getränke hingegen nicht805. Aus diesem Sachverhalt folgert Koester im Blick auf die Interpretation von Apk 3,15f.: „The message to Laodicea rebukes the congregation by declaring that its works are lukewarm rather than cold or hot. Drawing on the imagery of a meal, the author expected readers to know that cold and hot beverages stand in contrast to their environment, and that diners find them refreshing. In contrast, the temperature of a cup of lukewarm water or wine is more like that of its surroundings; it does not distinguish itself to the touch. When applied to the Christians at Laodicea the imagery suggests that their works in no way distinguish them from others in their society“806. Vor dem Hintergrund dieser Auslegung von Apk 3,15f. sieht Koester 803. Vgl. hierzu bereits o. 293–294. 804. Diesen Sachverhalt scheint C.K. Rothschild, Principle, 268 zu übersehen, wenn sie formuliert: „Although Rev 3:15–16 certainly implies an opposition, ‚cold‘ and ‚hot‘ reside together on one end of the spectrum as positive; the binary exists between ‚cold‘/‚hot‘ (positive) and ‚lukewarm‘ (negative)“. 805. Vgl. hierzu Message, 412–415; hierbei verweist Koester in Sonderheit auf Athenaios, deipn. III 123; vgl. darüber hinaus auch Apk, 343f. 806. Message, 415.

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dann eine motivische Verwandtschaft zwischen den Ausführungen in Apk 3,15f. und denen in Apk 3,20, die er beide unter dem Stichwort „dining“ zusammenzufassen vermag807; die Ausführungen zum Thema „dining“ bildeten einen zweiten von drei konzentrischen Kreisen, in die sich das Sendschreiben an die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας gliedern ließe808. Vermögen auch die von C.R. Koester vorgelegten Ausführungen zum mahlpraktischen Hintergrund der in Apk 3,15f. verwendeten Termini an sich durchaus zu überzeugen, so muss doch die von ihm postulierte motivische Verknüpfung zwischen Apk 3,15f. und Apk 3,20 wenn nicht in Frage gestellt, so aber doch deutlich relativiert werden: (a) Der Kontext eines antiken Mahles wird in Apk 3,15f. nicht explizit namhaft gemacht; Begriffe, die einen solchen anzeigen könnten, fehlen völlig. (b) Der Terminus χλιαρός lässt sich, insbesondere im Verein mit den Darlegungen des Apokalyptikers in Apk 3,16, weitaus plausibeler innerhalb des von C.K. Rothschild skizzierten medizinischen809 denn innerhalb des von C.R. Koester angenommenen mahlpraktischen Hintergrundes verankern. Damit aber wäre zumindest im Blick auf Apk 3,15 das von Koester vorgeschlagene Postulat eines Mahlkontextes nicht mehr haltbar. (c) Die Darstellung in Apk 3,20 bietet eine vollständig andere Perspektive als diejenige in Apk 3,16: Wird in Apk 3,20 also von möglichen Teilnehmern eines – womöglich eschatologischen810 – Mahls mit Christus gesprochen, die bestimmte Vorbedingungen zu erfüllen haben, stellt Apk 3,16 die Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας als eine lauwarme Speise oder ein lauwarmes Getränk, in jedem Falle jedoch als offensichtlich ungenießbar dar. Diese Beobachtungen lassen in ihrer Summe die Annahme, dass die Ausführungen in Apk 3,15f. einer- und in Apk 3,20 andererseits bewusst und ursprünglich als Ringkomposition konzipiert worden seien, mehr als fraglich erscheinen. Denkbar ist allerdings, dass Apk 3,20 nachträglich in das Sendschreiben an den laodicaeischen ‚Gemeindeengel‘ integriert worden ist811, weil sich dies aufgrund der in Apk 3,16f. implizit anklingenden Mahlthematik anbot.

In Apk 3,17a zitiert der Apokalyptiker dann eine außerordentlich positive Einschätzung des ἄγγελος τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας, die dieser augenscheinlich bezüglich seines gegenwärtigen soteriologischen Status formuliert: ὅτι λέγεις ὅτι πλούσιός εἰμι καὶ πεπλούτηκα καὶ οὐδὲν χρείαν ἔχω812, um diese 807. Vgl. hierzu Apk, 342: „Dining: Christ will vomit the lukewarm out of his mouth. … Dining: Christ will eat with those who open the door to him“. 808. Vgl. hierzu Apk, 342. 809. Vgl. hierzu o. 92–114. 810. Vgl. hierzu J. Wanke, Art. δεῖπνον κτλ., in: EWNT2 I 674; Wanke assoziiert diesen Begriff mit dem eschatologischen Mahl des wiedergekommenen Christus. In diesem Sinne auch A. Satake, Apk, 190: „Das Mahlmotiv selbst entspricht der Erwartung des eschatologischen messianischen Mahles, die im Judentum weit verbreitet gewesen ist“. 811. Vgl. hierzu u. 304–309. 812. Vgl. hierzu etwa H. Giesen, Apk, 140f.: „Nun kommt die Gemeinde in einem Einwand selbst zu Wort. … Die Gemeinde schätzt sich ganz anders ein als der erhöhte Christus. Sie ist mit sich selbst voll zufrieden und rühmt sich damit, mit geistlichem Besitz reichlich gesegnet zu sein“; Giesen zufolge erinnere dieser Einwand an Formulierungen aus Hos 12,9.

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dann unmittelbar in ihr negatives, aus der Perspektive des Apokalyptikers allerdings realistisches Gegenteil zu verkehren813: καὶ οὐκ οἶδας ὅτι σὺ εἶ ὁ ταλαίπωρος καὶ ἐλεεινὸς καὶ πτωχὸς καὶ τυφλὸς καὶ γυμνός (Apk 3,17b). Als Konsequenz aus dieser in der Realität negativen Einschätzung des soteriologischen Status des laodicaeischen ‚Gemeindeengels‘ formuliert der in diesem Sendschreiben redende Christus in Apk 3,18, inhaltlich an die letzten drei in Apk 3,17b begegnenden Adjektive πτωχός, τυφλός und γυμνός angelehnt und auf diese bezogen, einen aus drei einzelnen Ratschlägen bestehenden Rat: συμβουλεύω σοι ἀγοράσαι παρ᾽ ἐμοῦ814 χρυσίον πεπυρωμένον ἐκ πυρὸς ἵνα πλουτήσῃς, καὶ ἱμάτια λευκὰ ἵνα περιβάλῃ καὶ μὴ φανερωθῇ ἡ αἰσχύνη τῆς γυμνότητός σου, καὶ κολλ[ο]ύριον ἐγχρῖσαι τοὺς ὀφθαλμούς σου ἵνα βλέπῃς. Die Formulierung in Apk 3,18 zeigt einen regelmäßigen Aufbau: Der in diesem Sendschreiben redende Christus rät dem ἄγγελος τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας, von ihm drei Dinge zu kaufen (Apk 3,18a), nämlich χρυσίον πεπυρωμένον ἐκ πυρός (Apk 3,18b), ἱμάτια λευκά815 (Apk 3,18c) und κολλ[ο]ύριον ἐγχρῖσαι τοὺς ὀφθαλμούς σου (Apk 3,18d), wobei er mit jedem der zu kaufenden Artikel eine konkrete, jeweils in einem mit der finalen Konjunktion ἵνα eingeleiteten Satz explizierte Absicht verbindet816. Konkret geht es dabei „um den Erwerb wahren Reichtums …, die Bedeckung der Schande817 und wirkliche Heilung“818. Ausweislich der Konkordanz begegnet der Terminus χρυσίον in der Apk 813. Vgl. hierzu etwa U.B. Müller, Apk, 136, der auf der Basis der die Forschungsmehrheit widerspiegelnden Deutung des Begriffs des ἄγγελος τῆς ἐκκλησίας formuliert: „Er [d.h. der Apokalyptiker] bleibt dabei nicht stehen. Er deckt zunächst die wahre Situation der Gemeinde auf. Während die Gemeinde zu Smyrna trotz äußerer Armut in Wahrheit reich ist …, gilt von den Christen Laodizeas das Gegenteil. Johannes läßt die Gemeinde durch einen Einwurf zu Wort kommen …, um diesen alsbald zu entkräften (Vers 17). Wenn dabei von Reichtum die Rede ist, so ist dies doppelsinnig gemeint. Reichtum bedeutet im eigenen Verständnis der Christen Laodizeas sicher auch geistlichen Reichtum …. Wenn nun Johannes den Zustand der Gemeinde gerade mit diesem Begriff bestimmt, dann dürfte dies seinen Grund in der wirtschaftlichen Lage haben. Er sieht wohl einen Zusammenhang zwischen der falschen religiösen Sicherheit und der wirtschaftlichen Situation“. 814. Die Wortstellung spricht dafür, das Syntagma παρ᾽ ἐμοῦ als von dem Infinitiv ἀγοράσαι und nicht von dem Participium πεπυρωμένον abhängig zu verstehen; in diesem Sinne etwa D.E. Aune, Apk I, 259; anders hier A. Satake, Apk, 189. 815. Zum Begriff der ἱμάτια λευκά vgl. bereits o. 262. 816. A. Satake, Apk, 189 weist darauf hin, dass „beim dritten Gegenstand … das Verb im angehängten ἵνα-Satz anders als in den vorangehenden zwei Sätzen nicht im Aorist, sondern im Präsens … [steht]; der V[er]f[asser]. denkt nicht nur an den Gewinn der Sehkraft, sondern auch an den andauernden Zustand des Sehen-Könnens“. 817. Nach U.B. Müller, Apk, 137 liegt an dieser Stelle „wohl Polemik gegen die griechische Sitte vor, sich in den Gymnasien nackt zu bewegen. Anscheinend waren die anpassungswilligen Christen Laodizeas dazu bereit“. 818. U.B. Müller, Apk, 136.

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insgesamt fünfmal, über Apk 3,18 hinaus noch in Apk 17,4; 18,16; 21,18 und Apk 21,21, allerdings nicht mehr mit der Apk 3,18b vorfindlichen attributiven Ergänzung πεπυρωμένον ἐκ πυρός819. Das Syntagma ἱμάτια λευκά ist in der Apk, abgesehen von Apk 3,18, noch in Apk 3,5; 4,4 und – zumindest mittelbar – auch in Apk 3,4 belegt820. In Apk 3,4.5 stellen diese weißen Kleider eine erst in der eschatologischen Zukunft denjenigen, die standhaft und glaubenstreu geblieben sind, zu verleihende und die Teilhabe am Heil signalisierende Gabe dar821, in Apk 4,4 das Gewand der um den Thron Gottes versammelten vierundzwanzig πρεσβύτεροι. Dass die ἱμάτια λευκά als soteriologisches Signum in der innergeschichtlichen Gegenwart bereits erworben werden können, wird hingegen nur in Apk 3,18c ausgeführt. Der Terminus κολλ[ο]ύριον schließlich stellt sowohl in der Apk als auch im Neuen Testament insgesamt ein hapax legomenon dar822. Im Rahmen der Darlegungen in Apk 3,18c ist zumindest auffällig, dass die Farbe der zu kaufenden Kleidung für die mit demselben zu realisierende Absicht augenscheinlich bedeutungslos ist823. Dann aber muss erklärt werden, warum der Apokalyptiker an dieser Stelle das Syntagma ἱμάτια λευκά, nicht jedoch lediglich das Substantiv ἱμάτια verwendet hat. Die von A. Satake formulierte Erklärung: „Die Verwendung des Ausdrucks ‚weiße Kleider‘ geht also lediglich auf die gewohnte Ausdrucksweise des V[er]f[assers]. zurück“824, vermag kaum zu überzeugen. Weitaus plausibler erscheint hier die Annahme, das Syntagma ἡ αἰσχύνη τῆς γυμνότητός, die mit den zu 819. Vgl. hierzu W.F. Moulton/A.S. Geden, Concordance, s.v. χρυσίον, 1019. 820. Vgl. hierzu W.F. Moulton/A.S. Geden, Concordance, s.v. ἱμάτιον, 486f.; anders hier D.E. Aune, Apk I, 259, der über die hier genannten Belege hinaus noch auf Apk 6,11; 7,9.13.14; 19,8.14 verweist. In Apk 6,11; 7,9.13.14 begegnet jedoch jeweils das Syntagma στολὴ λευκή, in Apk 19,8.14 der Begriff βύσσινον λαμπρὸν καθαρόν bzw. βύσσινον λευκὸν καθαρόν. Zu fragen ist, warum das Syntagma ἱμάτια λευκά in der Apk nach Apk 4,4, d.h. somit also auch in der Darstellung der endzeitlichen Heilserwartungen in Apk 15,1ff., nicht mehr begegnet, dessen Verwendung im Verlauf der Apk somit also nachgerade ausläuft. Nicht undenkbar ist hier die Vermutung, dass jenes zwar den Sprachgebrauch und damit auch die theologische Ausrichtung des Verfassers der Sendschreiben, nicht jedoch diejenigen des Verfassers des apokalyptischen Hauptteils prägte; damit aber indizierte dieser innerhalb der Apk beobachtbare veränderte Sprachgebrauch im Blick auf die Überlieferung der sieben Sendschreiben Apk (1.)2f. und den apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 die Annahme zweier unterschiedlicher Verfasser. 821. Vgl. hierzu o. 262; vgl. hierzu auch A. Satake, Apk, 189: „Während in V. 4 das Tragen ‚der weißen Kleider‘ erst für die Zukunft vorgesehen ist, werden die Laodicaeer an unserer Stelle ermahnt, sie schon jetzt zu kaufen“. Eine Erklärung für diese Beobachtung bietet Satake freilich nicht. 822. Vgl. hierzu W.F. Moulton/A.S. Geden, Concordance, s.v. κολλούριον, 553. 823. Auf diesen Sachverhalt macht A. Satake, Apk, 189 aufmerksam: „Die Kleider brauchen hier nicht weiß zu sein; denn es geht im Kontext um die Nacktheit“. 824. Apk, 189.

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kaufenden weißen Kleidern bedeckt oder verhüllt werden soll, nicht in buchstäblichem, sondern in übertragenem, d.h. soteriologischem Sinne zu interpretieren und, in gleicher Weise wie auch die in Apk 3,17b konstatierte πτωχεῖα desselben, als Zeichen für und Hinweis auf den gegenwärtigen, allerdings nur aus der Perspektive des Apokalyptikers erkennbaren Unheilsstatus der Gestalt des laodicaeischen ‚Gemeindeengels‘ zu verstehen. Diesen Unheilsstatus vermag der ἄγγελος τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας selbst allerdings erst wahrzunehmen, wenn er das in Apk 3,18d eingeführte κολλ[ο]ύριον erworben und aufgetragen hat. Der Sachverhalt, dass Apk 3,18a.c zufolge die hier angesprochenen ἱμάτια λευκά offensichtlich bereits in der als innergeschichtlich zu klassifizierenden Gegenwart des laodicaeischen ‚Gemeindeengels‘ erworben und auch getragen werden können, wohingegen jene nach Apk 3,4c den standhaft gebliebenen und bleibenden Gläubigen erst in der eschatologischen Zukunft zugeeignet werden, kreiert eine diskontinuitäre inhaltliche Spannung825 zwischen diesen beiden jeweils den Corpora der entsprechenden Sendschreiben zugehörigen Belegstellen. Diese inhaltliche Spannung legt die Annahme nahe, dass es sich bei den sieben in Apk 2f. überlieferten Sendschreiben bzw. bei deren Corpora um ursprünglich voneinander unabhängige und primär auf die konkrete Situation des jeweils angesprochenen oder angeschriebenen ἄγγελος bezogene und daher theologisch durchaus unterschiedlich akzentuierte – mündliche oder schriftliche – Äußerungen handelte826.

An diesen Ratschlag knüpft in Apk 3,19 dann ein Ruf zur Umkehr an (Apk 3,19b), der eingeleitet wird durch eine Selbstbeschreibung des in diesem Sendschreiben redenden Christus. In Apk 3,19a weist dieser nämlich auf sein korrigierendes und erzieherisches Handeln gegenüber all denen, die er lieb hat, hin: ἐγὼ ὅσους ἐὰν φιλῶ ἐλέγχω καὶ παιδεύω. Dabei scheint es im Rahmen dieser Erziehung weniger um Bestrafung – diesen Aspekt betonen jedoch in Sonderheit diejenigen Kommentatoren, die das Verbum παιδεύω mit „züchtigen“ wiedergeben – als vielmehr um ein pädagogisches Korrigieren und Zurechtbringen zu gehen, da eine Bestrafung des ἄγγελος τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας und deren unmittelbare und womöglich eschatologische Konsequenzen im Rahmen dieser Darstellung gerade nicht thematisiert werden827. Dem entspricht, dass der in diesem Sendschreiben redende Christus seine Relation zu der Figur des laodicaeischen 825. Vgl. zu diesem Begriff bereits o. 33 mit A. 32. 826. Vgl. zu dieser Argumentation etwa o. 142–144; die Ausführungen in Apk 2,10d; 3,11b und deren inhaltliche Relation zueinander evozieren eine ähnlich gelagerte Argumentation und eine der hier im Blick auf Apk 3,4c.18a.c gezogenen durchaus vergleichbare Konsequenz. 827. Zur pädagogischen Interpretation der beiden Prädikate ἐλέγχω und παιδεύω vgl. m.R. M. Karrer, Apk I, 368, A. 64: „Der Apk ist trotz ihrer Kritik an Laodizea die positive Motivation wichtiger als die Peitsche“; vgl. hierzu auch C.R. Koester, Apk, 339: „Accordingly,

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‚Gemeindeengels‘ immerhin mit dem das Momentum der Nähe und der Zugewandtheit transportierenden Verbum φιλέω zu beschreiben vermag828; auch das Verbum παιδεύω. Das Corpus des Sendschreibens an den laodicaeischen ‚Gemeindeengel‘ wird abgeschlossen in Apk 3,20829 mit der Ankündigung des in diesem Sendschreiben redenden Christus, vor der Tür zu stehen und anzuklopfen (Apk, 3,20a); zu jedem, der seine Stimme hört und die Tür öffnet, wird er hineingehen und mit ihm das Mahl halten (Apk 3,20b.c). In der exegetischen Literatur wird einerseits die Frage diskutiert, ob hier das eschatologische, zum Zeitpunkt seiner Parusie stattfindende Mahl Christi mit seinen Nachfolgern oder womöglich doch „ein innerzeitliches Kommen Jesu und die Mähler im Alltag ihres [d.h. der Christen Laodicaeas] Lebens oder … besondere [, aber auch als innerzeitlich zu qualifizierende] Mahlfeiern“830 im Fokus stehen831, andererseits die Frage, ob die Ausführungen eine individuelle oder aber eine kollektive Interpretation erforderlich machen. Gegen eine eschatologische, präziser: endzeitliche, auf die Zukunft bezogene Deutung der Ausführungen in Apk 3,20 sprechen zunächst insbesondere die Tempora der Verba in Apk 3,20a, das perfektische ἕστηκα und das präsentische κρούω, beschreiben sie doch Christus als jemanden, der sich in der Vergangenheit bereits vor die Tür gestellt hat und in der Gegenwart bereits klopft832. Gegen eine iterative Auslegung des in Apk 3,20 Ausgeführten im Christ disciples the Laodiceans by telling them the truth about their impoverished condition and directing them to the source of authentic wealth and healing“. 828. Vgl. zu diesem Terminus etwa H. Ulland, Vision, 152: „Dies [d.h. die Wendung ἐὰν φιλῶ] soll zum einen die positive Christusbeziehung der Gemeinde sichern, denn der Offenbarer mutet ihr die Umorientierung aus Liebe zu, und zum anderen wird der Prozeß der Umorientierung als im Wesen des Offenbarers selbst verankert vorgestellt“. 829. Zu Apk 3,20 und den traditionsgeschichtlichen Grundlagen sowie den historischen Kontextualisierungen der in diesem Vers vorliegenden Ausführungen vgl. etwa D.E. Aune, Apk I, 250–254, dort auch weitere Literatur. 830. M. Karrer, Apk I, 369. 831. Vgl. hierzu D.E. Aune, Apk I, 250: „Most commentators understand the passage in connection with the eschatological coming of Christ …. A few commentators understand the saying (in connection with v 19b) to refer to a present ‚coming‘ of Christ to summon people to repentence or conversion“. Aune weist darüber hinaus darauf hin, dass „neither view necessarily excludes the other“, ohne einen solchen integrativen Ansatz jedoch näher zu begründen oder doch zumindest näher auszudifferenzieren. Auch wenn D.E. Aune theologisch grundsätzlich sicherlich recht zu geben ist, muss doch im Blick auf Apk 3,20 die Frage, ob die Ausführungen in Apk 3,20 im Zusammenhang mit der Parusie Christi stehen oder nicht, gestellt und auch eindeutig in die eine oder die andere Richtung zu beantworten gesucht werden. 832. Vgl. hierzu A. Satake, Apk, 190: „Die Anwendung der präsentischen Tempora (ἕστηκα, Pf., dem Sinn nach präsentisch, und κρούω) … deutet ihre unmittelbare Nähe an“; diese Zeitbestimmung aber greift zu kurz. M. Karrer, Apk I, 368 hält – im Rahmen eines letztlich integrativen Interpretationsansatzes – fest: „So, zum festlichen Beisammensein,

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Sinne mehrerer Mähler, zu denen Christus einkehrt, spricht die Beobachtung, dass der Text selbst keinerlei Hinweis zugunsten eines solchen iterativen Verständnisses bietet; vielmehr scheint hier ein einmaliger und zugleich andauernder Vorgang beschrieben zu sein, der beginnt, wenn die in Apk 3,20b formulierten Bedingungen erfüllt sind. Gegen eine auf gesamtgemeindliche Eucharistiefeiern bezogene Interpretation spricht der Sachverhalt, dass in Apk 3,20b.c nur einzelnen Individuen833, nicht aber kollektiv von aus mehreren Mitgliedern bestehenden Gruppen gesprochen wird834. Daraus folgt: Die Ausführungen in Apk 3,20 müssen innergeschichtlich, singularisch und individuell interpretiert werden: Sie beschreiben eine bereits in der Gegegenwart Platz greifende und zugleich bis in die Zukunft hinein andauernde Beziehung eines jeden einzelnen Menschen, der die Stimme Christi hört und die Tür auftut, zu eben diesem; dass es sich bei dieser Beziehung um eine mit soteriologischer Qualität, somit eine heilvolle Beziehung handelt, wird durch das Bild des gemeinsamen δεῖπνον indiziert. Das aber heißt: Die Ausführungen in Apk 3,20 transportieren, wie bereits diejenigen in Apk 3,11, das Momentum einer innergeschichtlich und letzten Endes präsentisch konnotierten Soteriologie: Derjenige, der den eintrittswilligen und -bereiten Christus in der Gegenwart einlässt, ist aufgenommen in die heilvolle (Mahl-)Gemeinschaft mit ihm835. Über diese grundsätzlichen Erwägungen hinaus bieten die Ausführungen in Apk 3,20 in Sonderheit drei bemerkenswerte Aspekte: (a) Wie o. schon angedeutet, werden in Apk 3,20 nicht, wie in Apk 3,15–19, in der 2. Person Singular formuliert und die Figur des laodicaeischen ‚Gemeindeengels‘ unmittelbar angesprochen. Stattdessen formuliert der Apokalyptiker in

kommt Christus. Er tut das schon innerzeitlich: ἕστηκα … ist griechisches Perfekt, κρούω … Präsens. Aber er tut es vor eschatologischem Horizont“. Zum Gebrauch des Perfekts vgl. F. Blaß/ A. Debrunner/F. Rehkopf, Grammatik, § 340, 279: „Das Perfektum vereinigt gleichsam Präsens und Aorist in sich, indem es die Dauer des Vollendeten [!] ausdrückt“. Weitere Argumente gegen eine endzeitliche Interpretation von Apk 3,20 liefert H. Giesen, Apk, 142: „Abgesehen davon, daß auch Lk 22,29f wohl kaum auf die Parusie zu beziehen ist …, sprechen gegen eine solche Deutung, daß die Ermahnungen sich persönlich an jeden einzelnen richten und daß das Eintreten Christi hier – anders als bei der Parusie – vom einzelnen, der die Tür öffnet, abhängig ist“. 833. H. Ulland, Vision, 154 spricht hier durchaus zutreffend von einer „individuelle[n] Fassung von 3,20, welche sich in den Worten τίς und πρὸς αὐτὸν ausdrückt“. 834. Vgl. hierzu m.R. I.T. Beckwith, Apk, 491: „There is no reference to the eucharist“. 835. Vgl. hierzu auch C.R. Koester, Apk, 340, der für diese Position als Gewährsmänner u.a. auf G.K. Beale und H. Giesen, aber auch auf Andreas von Caesarea verweist: „Jesus asks to be admitted, and the shared meal is contigent upon the response each person gives. The passages uses the images of the door and meal to describe the quality of the faithful relationship in the present“.

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Apk 3,20 in der 3. Person Singular und verwendet das indefinite Pronomen τις bzw., auf dieses bezogen, das Personalpronomen αὐτόν836. (b) Das Bild des vor der Tür stehenden Christus, der anklopft und um Einlass bittet, definiert den Status desjenigen, der sich jenseits bzw. diesseits der Tür befindet, als jemandes, der entweder noch nicht in der Nachfolge Christi steht, oder aber als jemandes, der – hier natürlich aus der Perspektive des Apokalyptikers – die Sphäre der Nachfolge Christi bereits wieder verlassen hat, betont also die – zumindest aktuelle – Distanz zwischen der mit dem indefiniten Pronomen τις und dem Personalpronomen αὐτόν bezeichneten indefiniten Person und Christus. (c) Der Konditionalsatz ἐάν τις ἀκούσῃ τῆς φωνῆς μου καὶ ἀνοίξῃ τὴν θύραν Apk 3,20b formuliert zwei Vorbedingungen für das Eintreten Christi, die derjenige zu erfüllen hat, der dasselbe und das daran anschließende gemeinsame δεῖπνον realisieren möchte, nämlich das Hören der Stimme und das Öffnen der Tür. Das aber bedeutet, dass nach dem in Apk 3,20 Ausgeführten eine unmittelbare Gemeinschaft Christi mit der hier angesprochenen indefiniten Person nicht gegeben ist, sondern durch jene erst konstituiert werden muss. Diese Implikation entspricht dem Bild des vor der Tür stehenden Christus, der anklopft und um Einlass bittet in soweit, als dass sowohl dieses Bild als auch der Konditionalsatz Apk 3,20b letzten Endes das Momentum einer – zumindest aktuellen, wenn nicht sogar grundsätzlichen – Distanz zwischen Christus und der mit dem Pronomen τις eingeführten indefiniten Person transportieren. Dass der Apokalyptiker in Apk 3,20 das Momentum der Distanz betonen möchte, wird deutlich erkennbar, wenn das in Apk 3,20 Ausgeführte mit der „wohl aus Q“837 stammenden Darstellung in Lk 12,35–38 verglichen wird838, einem Text, der 836. Vgl. hierzu etwa U.B. Müller, Apk, 137f.: „Dazu tritt die Beobachtung, daß das Wort ganz unbestimmt und allgemein von ‚einem‘ redet, der auf Jesu Stimme hört, während sonst die Gemeinde direkt in der 2. Person angesprochen wird“. 837. M. Karrer, Apk I, 368, 838. An dieser Stelle anders etwa G.K. Beale, Apk, 308, der zumindest im Blick auf Apk 3,20a und die dort verarbeiteten Motive des Stehens vor der Tür und des Anklopfens eine traditionsgeschichtliche Verknüpfung von Apk 3,20 mit Hl 5,2 wahrscheinlich machen möchte („The first part of the invitation is cast in metaphorical form, probably in dependence on Cant. 5:2“): ἐγὼ καθεύδω καὶ ἡ καρδία μου ἀγρυπνεῖ φωνὴ ἀδελφιδοῦ μου κρούει ἐπὶ τὴν θύραν ἄνοιξόν μοι ἀδελφή μου ἡ πλησίον μου περιστερά μου τελεία μου ὅτι ἡ κεφαλή μου ἐπλήσθη δρόσου καὶ οἱ βόστρυχοί μου ψεκάδων νυκτός (vgl. zu dieser traditionsgeschichtlichen Herleitung auch D.E. Aune, Apk I, 250, der diese als in der Forschung diskutierte Möglichkeit angibt). Ließe sich diese traditionsgeschichtliche Herleitung erhärten, würde damit im Blick auf die Intention von Apk 3,20 zugleich das Momentum eines trotz des in diesem Vers augenscheinlich transportierten Akzents einer Differenz zwischen Christus und der hier mit dem indefiniten Pronomen τις angesprochenen indefiniten Person bestehenden

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womöglich mit Apk 3,20 „eine gemeinsame traditionsgeschichtliche Wurzel“839 teilt. Immerhin nämlich sind „beiden Stellen … folgende konstitutive Züge gemeinsam: Christus kommt zu seinem Haus …, klopft an die Tür, geht hinein, wenn die Knechte sie öffnen, und hält mit ihnen gemeinsam das Mahl“840: Ἔστωσαν ὑμῶν αἱ ὀσφύες περιεζωσμέναι καὶ οἱ λύχνοι καιόμενοι· (36) καὶ ὑμεῖς ὅμοιοι ἀνθρώποις προσδεχομένοις τὸν κύριον ἑαυτῶν πότε ἀναλύσῃ ἐκ τῶν γάμων, ἵνα ἐλθόντος καὶ κρούσαντος εὐθέως ἀνοίξωσιν αὐτῷ. (37) μακάριοι οἱ δοῦλοι ἐκεῖνοι, οὓς ἐλθὼν ὁ κύριος εὑρήσει γρηγοροῦντας· ἀμὴν λέγω ὑμῖν ὅτι περιζώσεται καὶ ἀνακλινεῖ αὐτοὺς καὶ παρελθὼν διακονήσει αὐτοῖς. (38) κἂν ἐν τῇ δευτέρᾳ κἂν ἐν τῇ τρίτῃ φυλακῇ ἔλθῃ καὶ εὕρῃ οὕτως, μακάριοί εἰσιν ἐκεῖνοι. Ein erheblicher Unterschied zwischen beiden Texten besteht nun allerdings darin, dass in Lk 12,35–38 von Christus als einem zurückkehrenden, mit den auf ihn Wartenden also in enger Verbindung stehenden Herren gesprochen wird, während dieses Momentum im Apk 3,20 gerade fehlt841, ein Sachverhalt, der kaum als zufällig angesehen werden kann. Vielmehr ist wahrscheinlich, dass der Apokalyptiker in seiner in Apk 3,20 vorliegenden Neukonzeption842 des u.a. in Lk 12,35–38 verarbeiteten Bildes eines um Einlass nachsuchenden Richters diesen Akzent ganz bewusst gerade nicht aufgenommen hat, eben um die Distanz zwischen dem um Einlass bittenden Christus und der indefiniten Person, die diesen Einlass gewähren oder verweigern kann, zu explizieren.

Diese Beobachtungen nötigen dazu, eine als inhaltliche Spannung zu beschreibende Diskontinuität843 zwischen den Ausführungen in Apk 3,15– 19 und denjenigen in Apk 3,20 zu konstatieren: Einerseits werden nämlich in Apk 3,15–19 die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας, eine innerhalb der Gemeinde wirkende Führungs- und Leitungspersönlichkeit844, oder aber – nach mehrheitlicher Forschungsmeinung – die Gesamtheit der Christen Laodicaeas845, in ihrer Glaubenspraxis zwar kritisiert und korrigiert, aber immer noch als in einem gemeinschaftlichen, Korrektur und Erziehung Verhältnisses der Freundschaft und der Nähe zwischen beiden wahrscheinlich gemacht (vgl. hierzu u.). Allerdings will dieser etwa von G.K. Beale, darüber hinaus aber u.a. auch noch von H. Kraft und H.B. Swete propagierte Vorschlag zur traditionsgeschichtlichen Herleitung des in Apk 3,20 Ausgeführten angesichts der Tatsache, dass in Hl 5,2 das Motiv des gemeinsamen Mahles nicht belegt ist, kaum wahrscheinlich erscheinen. 839. A. Satake, Apk, 189; vgl. hierzu auch J. Roloff, Apk, 64, H. Giesen, Apk, 142 und E. Lohmeyer, Apk, 39. 840. A. Satake, Apk, 189f. 841. Vgl. hierzu A. Satake, Apk, 190, A. 160, der diese Differenz zwar sieht, ihr aber – unter Verweis auf J. Roloff – keinerlei Bedeutung beimisst: „Dies [d.h. das Motiv des zurückkehrenden Herrn] wird an unserer Stelle nicht ausdrücklich ausgesagt, aber ‚Jesus ist hier gerade nicht gedacht als der heimatlose Wanderer‘“. 842. Vgl. hierzu D.E. Aune, Apk I, 250: „Since Rev 3:20 has the form of an ‚I saying‘ and is not in narrative form, if it is based on a parable of Jesus, that parable has been radically rewritten“; ähnlich auch U.B. Müller, Prophetie und Predigt, 75, der davon spricht, dass das in Apk 3,20 Ausgeführte „ein ehemals selbständiges Prophetenwort“ darstellt, das „inhaltlich an synoptische Worte erinnert“. 843. Vgl. zu diesem Begriff bereits o. 33 mit A. 32. 844. Vgl. hierzu o. 92–114. 845. Vgl. zu dieser Diskussion bereits o. 95–99.

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überhaupt erst ermöglichenden Verhältnis zu dem in diesem Sendschreiben redenden Christus stehend angesprochen. Andererseits nimmt die eine deutliche Distanz zwischen Christus und der hier angesprochenen individuellen Person atmende Darstellung in Apk 3,20 im Gegensatz dazu im Kontext einer indefiniten Formulierung entweder alle diejenigen κατοικοῦντες ἐπὶ τῆς γῆς in den Blick, die noch nicht zur Gesamtheit der Christen zu rechnen sind, d.h. ihm grundsätzlich distanziert gegenüberstehen, oder aber doch zumindest diejenigen unter den Christen, die – aus der Perspektive des Apokalyptikers – in der Relation einer aktuellen Distanz zu Christus leben. In der exegetischen Forschung wird diese diskontinuitäre inhaltliche Spannung bewältigt, indem die jeweiligen Interpreten in der Regel folgende Inferenzen vornehmen: Zunächst wird die in Apk 3,20 genannte indefinite Person, die durch das indefinite Pronomen τις und das Personalpronomen αὐτόν wiedergegeben wird, auf die einzelnen Glieder der laodicaeischen Gemeinde bezogen, die mit diesem Indefinitum angesprochen seien, eine Inferenz, die durch den Text von Apk 3,20 selbst nicht gedeckt ist. Immerhin nämlich ist doch keinesfalls undenkbar, letztlich sogar wahrscheinlich, dass das Pronomen τις als auf jeden Glaubenden bezogen zu fassen ist846. Darüber hinaus müssen die eigentlich auf eine – wenn auch womöglich nur temporär – grundsätzliche bzw. absolute Distanz zielenden Ausführungen in Apk 3,20 im Kontext der in Apk 3,19b formulierten Aufforderung zu Eifer und Umkehr als Konkretion derselben, als eine lediglich innerchristliche, innerhalb einer noch bestehenden Gemeinschaft zwischen Christus und dem Christen sich realisierende und damit relative Distanzierung interpretiert werden. Diese beiden inferentiellen Leistungen kommen etwa in der Interpretation von H. Giesen deutlich zum Ausdruck: „Christus ist … gewillt, die Gemeinschaft, die die Gemeinde durch ihr Lausein aufgegeben hat, mit dem einzelnen Christen wieder aufzunehmen, sobald dieser dazu bereit ist“847. Zwar ist eine solche Interpretation, so wie sie u.a. H. Giesen vorschlägt, als subjektive Konstruktion von Sinn gewiss nicht unmöglich, aber sie evoziert doch zumindest folgende Fragen: (a) Warum sollte der Apokalyptiker in Apk 3,20 die einzelnen Glieder der christlichen Gemeinde Laodicaeas als Individuen ansprechen und ihnen die individuell zu erfüllenden Bedingungen für die Gemeinschaft mit Christus vor Augen führen, wenn der in diesem Sendschreiben redende Christus noch in Apk 3,19b, somit also unmittelbar zuvor, die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας, nach 846. Vgl. hierzu etwa U.B. Müller, Apk, 137f.: „Dazu tritt die Beobachtung, daß das Wort ganz unbestimmt und allgemein von ‚einem‘ redet, der auf Jesu Stimme hört, während sonst die Gemeinde direkt in der 2. Person angesprochen wird“. 847. H. Giesen, Apk, 143.

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gegenwärtiger Forschungsmehrheit die gesamte Gemeinde, als kollektive Größe auffordert, zu eifern und Buße zu tun? Eine plausible Antwort auf diese Frage scheint kaum möglich848. (b) Warum sollte der Apokalyptiker in Apk 3,18 zunächst eine ausführliche und soteriologisch augenscheinlich vollständig zureichende Handlungsanweisung formulieren, um diese durch das in Apk 3,20 Ausgeführte letzten Endes zu relativieren? Im Kontext dieser Überlegungen stellen die Darlegungen von Apk 3,20 in Relation zu denjenigen in Apk 3,18 eine als inhaltliche Spannung849 zu definierende textliche Diskontinuität dar: Der (Erst-)Rezipient wird im Rahmen seiner Interpretation genötigt, die in Apk 3,18b.c.d begegnenden Motive des Kaufens von χρυσίον πεπυρωμένον ἐκ πυρὸς, von ἱμάτια λευκά und von κολλ[ο]ύριον ἐγχρῖσαι τοὺς ὀφθαλμούς mit den in Apk 3,20 erscheinenden Motiven des Hörens der Stimme Christi und des Öffnens der Tür in eine Relation zueinander zu setzen, konkret: miteinander zu identifizieren, ohne dass der Text selbst eine solche Relation in irgendeiner Form signalisiert, somit also im Blick auf die Ausführungen in Apk 3,18.20 auf inferentiellem Wege eine vollständig subjektiv akzentuierte Bildung von Sinn zu generieren850. Diese Überlegung aber indiziert angesichts des inhaltlichen Zusammenhangs von Apk 3,17 zu Apk 3,18 die Annahme, die Ausführungen von Apk 3,20 stellten eine nachträgliche oder aber sekundäre Hinzufügung zu dem in einer Grundform bereits vorliegenden Text des Sendschreibens an den ἄγγελος τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας dar. (c) Dem korrespondiert die Beobachtung, dass die Ausführungen von Apk 3,19 in Apk 3,20 nicht, wie etwa diejenigen in Apk 2,5.16; (3,3), mit einer „bedingte[n] Gerichtsdrohung“851 fortgesetzt werden, sondern eben mit einer neuen, als Heilsverheißung formulierten Mahnung. Aus alledem folgt: Die Ausführungen in Apk 3,20 stellen mit hoher Wahrscheinlichkeit ein nachträglich oder aber sekundär an das Corpus des an den ἄγγελος τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας gerichteten Sendschreibens angefügtes 848. Vgl. zu diesen Gesichtspunkten etwa A. Satake, Apk, 189: „Zwischen V. 19 und V. 20 liegt ein Einschnitt vor. Formal wird das dadurch deutlich, dass statt der 2. Pers. Sg., die in V. 15–19 vorherrschend war, in V. 20 ein τις erscheint. Inhaltlich ist der Vers keine Fortsetzung der Mahnung in V. 19; er spiegelt auch nicht mehr die konkrete Gemeindesituation wider, von der in V. 15ff die Rede war, sondern weist auf die Hilfsbereitschaft Christi jedem Glaubenden gegenüber hin“. In diesem Sinne auch U.B. Müller, Apk, 137: „Auffällig ist, daß Begrifflichkeit und Bildmaterial des Spruches keinen unmittelbaren Bezug zum sonstigen Schreiben haben, vielmehr ganz selbständig von der zukünftigen Mahlgemeinschaft mit Christus handeln“. 849. Vgl. zu diesem Begriff bereits o. 33 mit A. 32. 850. Vgl. zu diesen hier nur angedeuteten grundsätzlichen methodischen Überlegungen bereits o. 25–37. 851. U.B. Müller, Apk, 137.

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Textelement dar. Das Corpus des Sendschreibens an den laodicaeischen ‚Gemeindeengel‘ umfasste somit ursprünglich lediglich die Verse Apk 3,15– 19, somit folgenden Text: [τάδε λέγει ὁ {κύριος} ...] (15) οἶδά σου τὰ ἔργα ὅτι οὔτε ψυχρὸς εἶ οὔτε ζεστός. ὄφελον ψυχρὸς ἦς ἢ ζεστός. (16) οὕτως ὅτι χλιαρὸς εἶ καὶ οὔτε ζεστὸς οὔτε ψυχρός, μέλλω σε ἐμέσαι ἐκ τοῦ στόματός μου. (17) ὅτι λέγεις ὅτι πλούσιός εἰμι καὶ πεπλούτηκα καὶ οὐδὲν χρείαν ἔχω, καὶ οὐκ οἶδας ὅτι σὺ εἶ ὁ ταλαίπωρος καὶ ἐλεεινὸς καὶ πτωχὸς καὶ τυφλὸς καὶ γυμνός, (18) συμβουλεύω σοι ἀγοράσαι παρ᾽ ἐμοῦ χρυσίον πεπυρωμένον ἐκ πυρὸς ἵνα πλουτήσῃς, καὶ ἱμάτια λευκὰ ἵνα περιβάλῃ καὶ μὴ φανερωθῇ ἡ αἰσχύνη τῆς γυμνότητός σου, καὶ κολλ[ο]ύριον ἐγχρῖσαι τοὺς ὀφθαλμούς σου ἵνα βλέπῃς. (19) ἐγὼ ὅσους ἐὰν φιλῶ ἐλέγχω καὶ παιδεύω· ζήλευε οὖν καὶ μετανόησον. Im Blick auf die Frage nach dem literarischen Verhältnis von Apk 3,21 zu Apk 3,15–19(.20) fallen insgesamt folgende Beobachtungen ins Gewicht: (a) Zwischen Apk 3,15–19(.20), dem Corpus des Sendschreibens an die Figur des ἄγγελος τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας, und dem zugehörigen Überwinderspruch Apk 3,21 lassen sich keinerlei semantische, motivische oder inhaltliche Bezüge ausmachen. (b) Das den Überwinderspruch bestimmende Motiv des θρόνος Gottes oder auch des θρόνος des ἀρνίον Christus wird erst im apokalyptischen Hauptteil, dann aber gleich in mehreren Passagen, wieder aufgenommen, konkret nämlich in Apk 5,6.13; 7,10.15.17; 22,3852. Die anschließende Tabelle weist diese Bezugnahmen aus. Motiv/Text im Überwinderspruch

Bezugnahmen im apokalyptischen Hauptteil

Apk, 3,21: ὁ νικῶν δώσω αὐτῷ καθίσαι μετ᾽ ἐμοῦ ἐν τῷ θρόνῳ μου, ὡς κἀγὼ ἐνίκησα καὶ ἐκάθισα μετὰ τοῦ πατρός μου ἐν τῷ θρόνῳ αὐτοῦ

Apk 22,3: καὶ ὁ θρόνος τοῦ θεοῦ καὶ τοῦ ἀρνίου ἐν αὐτῇ ἔσται Apk 5,6: καὶ εἶδον ἐν μέσῳ τοῦ θρόνου Apk 5,13: ῷ καθημένῳ ἐπὶ τῷ θρόνῳ καὶ τῷ ἀρνίῳ Apk 7,10: τῷ καθημένῳ ἐπὶ τῷ θρόνῳ καὶ τῷ ἀρνίῳ Apk 7,15: διὰ τοῦτό εἰσιν ἐνώπιον τοῦ θρόνου τοῦ θεοῦ καὶ λατρεύουσιν αὐτῷ ἡμέρας καὶ νυκτὸς ἐν τῷ ναῷ αὐτοῦ, καὶ ὁ καθήμενος ἐπὶ τοῦ θρόνου σκηνώσει ἐπ᾽ αὐτούς Apk 7,17: τὸ ἀρνίον τὸ ἀνὰ μέσον τοῦ θρόνου

852. Vgl. hierzu etwa o. 232–243.

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(c) Wird der Überwinderspruch im Kontext des Sendschreibens zu interpretieren versucht, scheint sich die Annahme nahezulegen, dass sein Impetus weniger auf Standhaftigkeit und Glaubenstreue, sondern ausschließlich auf Buße und Umkehr abziele853, auf die Buße und die Umkehr des laodicaeischen ‚Gemeindeengels‘ als einer Gestalt, die sich selbst offensichtlich – in diametralem Gegensatz zu der Einschätzung des Apokalyptikers – durchaus auf dem richtigen (Glaubens-)Weg sieht: ὅτι λέγεις ὅτι πλούσιός εἰμι καὶ πεπλούτηκα καὶ οὐδὲν χρείαν ἔχω (Apk 3,17a)854. Diese Beobachtung nötigte nun aber dazu, das Verbum νικάω in Apk 3,21 im Sinne von ‚Buße tun‘ bzw. ‚umkehren‘ zu verstehen, ein Verständnis, das sich in das von dem Verbum νικάω üblicherweise855 und auch in der Apk856 abgedeckte semantische Spektrum kaum integrieren lässt und zugleich die Frage evoziert, warum der Apokalyptiker, wie bereits in Apk 3,19, dann hier nicht auf eben diese Haltung der Umkehr explizierende Verba zurückgreift. Möchte der (Erst-)Rezipient das Lexem νικάω in Apk 3,21, angelehnt an die Auslegung der vorangehenden sechs Überwindersprüche, angesichts dieser Überlegungen jedoch dennoch im Sinne von ‚durchhalten‘, ‚ausharren‘, ‚standfest bleiben in äußeren Bedrängnissen und gegenüber inneren Aufweichungstendenzen‘ oder ‚auf dem gegenwärtig eingeschlagenen Weg unbeirrt voranschreiten‘ verstehen – eine Deutung, die angesichts des o. erhobenen lexikalischen Befundes ihrerseits bereits problematisch ist857 –, wäre er gezwungen, zwischen Apk 3,19 bzw. Apk 3,20 und Apk 3,21 einen beträchtlichen, durch den Text dieser Epistel selbst nicht gedeckten interpretatorischen Zwischenschritt zu interpolieren: Er müsste voraussetzen, dass der ἄγγελος τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας in Apk 3,21 als jemand angesprochen würde, der bereits umgekehrt sei und sich nun auf dem aus der Perspektive des Apokalyptikers ‚richtigen‘ Weg befände, den durchzuhalten er nun mit dem dieses Sendschreiben abschließenden Überwinderspruch ermutigt und aufgefordert würde. Das aber heißt: Wollte er die Ausführungen in Apk 3,21 als ursprüngliches Element der an den laodicaeischen ‚Gemeindeengel‘ gerichteten Epistel interpretieren, würde der (Erst-)Rezipient in jedem Falle, ohne dass der Text ihm entsprechende Leseanweisungen 853. Vgl. in diesem Sinne durchaus U.B. Müller, Apk, 137, der im Blick auf Apk 3,20 und dessen Verhältnis zum zuvor Dargelegten formuliert: „Anstatt nun den Bußruf [!] durch eine bedingte Gerichtsandrohung dringlich zu machen, …“; vgl. hierzu auch H. Giesen, Apk, 142 zu Apk 3,19: „Durch diese Selbstlosigkeit ihres Herrn soll die Gemeinde zu neuem Eifer und zur Umkehr bewegt werden“. 854. Vgl. hierzu o. 299–300. 855. Vgl. hierzu o. 162. 856. Vgl. hierzu o. 168–172. 857. Vgl. hierzu o. 162–172.

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an die Hand gäbe, zu erheblichen konstruktiven Operationen gezwungen, was dazu führte, dass im Blick auf die Relation von Apk 3,(14b.)15–19(.20) zu Apk 3,21 textliche Kohärenz nur auf dem Wege einer als vollständig subjektiv zu qualifizierenden Sinnbildung zu generieren wäre858. Damit aber sind im Blick auf diese Relation die Annahme eines Textwachstumsprozesses, konkret diejenige der Ausführungen von Apk 3,21 als einer nachträglichen oder sekundären Hinzufügung, indiziert. (d) Viertens schließt das Corpus mit – den nachträglich oder sekundär hinzugefügten Ausführungen in – Apk 3,20 bereits mit einem – strukturell bzw. syntaktisch dem Überwinderspruch Apk 3,21 durchaus vergleichbaren und schon aufgrund der Verwendung der Bilder vom Hören der Stimme und vom Öffnen der Tür die im Corpus Apk 3,15–19(.20) diskutierte Problematik der Gemeinde adäquat aufnehmend – als konditionalem Bedingungsgefüge konstruierten Heilswort ab (Apk 3,20b.c), so dass der Überwinderspruch Apk 3,21 als letztlich überflüssiges Anhängsel erscheint, es sei denn, er wird einerseits anaphorisch „als Zusammenfassung der Botschaft aller sieben Sendschreiben“859 und andererseits zugleich kataphorisch als „Brücke zum folgenden Visionsteil“860 aufgefasst. Das folgende Schaubild vermag die grundsätzliche syntaktische Parallelität zwischen Apk 3,20b.c und Apk 3,21 zu verdeutlichen: Konditionalsatz

Hauptsatz

Apk 3,20b.c ἐάν τις ἀκούσῃ τῆς φωνῆς [καὶ] εἰσελεύσομαι πρὸς αὐτὸν καὶ μου καὶ ἀνοίξῃ τὴν θύραν, δειπνήσω μετ᾽ αὐτοῦ καὶ αὐτὸς μετ᾽ ἐμου

Apk 3,21

ὁ νικῶν861

δώσω αὐτῷ καθίσαι μετ᾽ ἐμοῦ ἐν τῷ θρόνῳ μου, ὡς κἀγὼ ἐνίκησα καὶ ἐκάθισα μετὰ τοῦ πατρός μου ἐν τῷ θρόνῳ αὐτοῦ

Konditionalsatz

Hauptsatz

Wenn die ihrerseits ohne unmittelbaren Bezug auf Apk 3,15–19 formulierten und an diese Textpassage nachträglich oder sekundär angefügten862 Ausführungen 858. Vgl. zu diesem Zusammenhang ausführlich o. 25–37. 859. A. Satake, Apk, 190. 860. A. Satake, Apk, 190. 861. Ein durchgängig konditionales Verständnis dieses Participium verficht etwa J.-W. Taeger, Johannesapokalypse, 40; ähnlich hier auch A. Satake, Apk, 153. 862. Vgl. hierzu ausführlich o. 303–309.

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in Apk 3,20863 als Abschluss der Reihe der sieben Sendschreiben insgesamt gelesen werden864, so stellt der Überwinderspruch Apk 3,21 mit Notwendigkeit eine spätere Ergänzung zunächst des Sendschreibens an die Gemeinde zu Laodicaea, zugleich aber auch der Reihe der sieben Sendschreiben insgesamt dar.

Angesichts all dessen will es durchaus naheliegend scheinen, den Überwinderspruch Apk 3,21 als eine in späterer Zeit nachträglich oder sekundär an das seinerseits bereits um den Vers Apk 3,20 – und um die Botenformel Apk 3,14b865 – erweiterte Corpus des Sendschreibens an die Gestalt des ἄγγελος τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας angefügte Einlassung zu werten. Somit umfasste der ursprüngliche Text dieser Epistel lediglich die Passage Apk 3,15–19. III.8. ZWISCHENERGEBNIS Die literarkritische Analyse der einzelnen Sendschreiben ergab im Einzelnen folgende Ergebnisse866: (a) Der ursprüngliche Text des Apk 2,1–7 überlieferten Sendschreibens an den ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας ließ sich jenseits der hier fakultativ gebotenen Einführungsformel folgendermaßen rekonstruieren: [τάδε λέγει {ὁ κύριος} ...] (2) οἶδα τὰ ἔργα σου καὶ τὸν κόπον καὶ τὴν ὑπομονήν σου καὶ ὅτι οὐ δύνῃ βαστάσαι κακούς, καὶ ἐπείρασας τοὺς λέγοντας ἑαυτοὺς ἀποστόλους καὶ οὐκ εἰσὶν καὶ εὗρες αὐτοὺς ψευδεῖς, (3) καὶ ὑπομονὴν ἔχεις καὶ ἐβάστασας διὰ τὸ ὄνομά μου καὶ οὐ κεκοπίακες. (4) ἀλλὰ ἔχω κατὰ σοῦ ὅτι τὴν ἀγάπην σου τὴν πρώτην ἀφῆκες. (5) μνημόνευε οὖν πόθεν πέπτωκας καὶ μετανόησον καὶ τὰ πρῶτα ἔργα ποίησον· εἰ δὲ μή, ἔρχομαί σοι .... (6) ἀλλὰ τοῦτο ἔχεις, ὅτι μισεῖς τὰ ἔργα τῶν Νικολαϊτῶν ἃ κἀγὼ μισῶ. Die übrigen Elemente dieses Sendschreibens wurden als nachträgliche oder sekundäre Hinzufügungen definiert; dies sind: (1) der Schreibbefehl 863. Vgl. hierzu etwa U.B. Müller, Apk, 137f.: „Auffällig ist, daß Begrifflichkeit und Bildmaterial des Spruches keinen unmittelbaren Bezug zum sonstigen Schreiben haben, vielmehr ganz selbständig von der zukünftigen Mahlgemeinschaft mit Christus handelt. Dazu tritt die Beobachtung, daß das Wort ganz unbestimmt und allgemein von ‚einem‘ redet, der auf Jesu Stimme hört, während sonst die Gemeinde direkt in der 2. Person angesprochen wird. Das führt zu der Vermutung, daß der Heilsspruch ursprünglich selbständig war und vom Verfasser hier zitiert wird“; vgl. zu diesem Zitat bereits o. 305, A. 836. 864. Vgl. hierzu etwa A. Satake, Apk, 190; Satake spricht davon, dass der Apokalyptiker „die Reihe der Sendschreiben mit einem verheißungsvollen Wort schließen [möchte], was seiner grundsätzlich positiven Stellungnahme den Gemeinden gegenüber entspricht“. 865. Vgl. hierzu o. 293. 866. Vgl. hierzu jeweils das entsprechende, sich dem jeweiligen Sendschreiben widmende Kapitel o.

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

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Apk 2,1a: Τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας γράψον; (2) die Botenformel Apk 2,1b.c – zumindest in ihrer jetzigen Form: Τάδε λέγει ὁ κρατῶν τοὺς ἑπτὰ ἀστέρας ἐν τῇ δεξιᾷ αὐτοῦ, ὁ περιπατῶν ἐν μέσῳ τῶν ἑπτὰ λυχνιῶν τῶν χρυσῶν; (3) die Gerichtsandrohung Apk 2,5bβ: καὶ κινήσω τὴν λυχνίαν σου ἐκ τοῦ τόπου αὐτῆς, ἐὰν μὴ μετανοήσῃς; (4) schließlich der Weckruf und der Überwinderspruch Apk 2,7: Ὁ ἔχων οὖς ἀκουσάτω τί τὸ πνεῦμα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις. Τῷ νικῶντι δώσω αὐτῷ φαγεῖν ἐκ τοῦ ξύλου τῆς ζωῆς, ὅ ἐστιν ἐν τῷ παραδείσῳ τοῦ θεοῦ. (b) Das Sendschreiben Apk 2,8–11 umfasste ursprünglich folgende Ausführungen: [τάδε λέγει {ὁ κύριος} ...] (9) οἶδά σου τὴν θλῖψιν καὶ τὴν πτωχείαν, ἀλλὰ πλούσιος εἶ, καὶ τὴν βλασφημίαν ἐκ τῶν λεγόντων Ἰουδαίους εἶναι ἑαυτοὺς καὶ οὐκ εἰσὶν ἀλλὰ συναγωγὴ τοῦ σατανᾶ. (10) μηδὲν φοβοῦ ἃ μέλλεις πάσχειν. ... γίνου πιστὸς ἄχρι θανάτου, καὶ δώσω σοι τὸν στέφανον τῆς ζωῆς. Nachträglich oder aber sekundär hinzugefügt worden sind: (1) der Schreibbefehl Apk 2,8a: Τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας γράψον; (2) die Botenformel Apk 2,8b.c: Τάδε λέγει ὁ πρῶτος καὶ ὁ ἔσχατος, ὃς ἐγένετο νεκρὸς καὶ ἔζησεν; (3) die in der 2. Person Plural formulierten Wendungen in Apk 2,10b.c: ἰδοὺ μέλλει βάλλειν ὁ διάβολος ἐξ ὑμῶν εἰς φυλακὴν ἵνα πειρασθῆτε καὶ ἔξετε θλῖψιν ἡμερῶν δέκα; (4) schließlich – auch hier – der Weckruf und der Überwinderspruch in Apk 2,11: Ὁ ἔχων οὖς ἀκουσάτω τί τὸ πνεῦμα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις. Ὁ νικῶν οὐ μὴ ἀδικηθῇ ἐκ τοῦ θανάτου τοῦ δευτέρου. (c) Die ursprüngliche Fassung des Sendschreibens Apk 2,12–17 lautete folgendermaßen: [τάδε λέγει ὁ {κύριος} ...] (13) οἶδα ποῦ κατοικεῖς, ὅπου ὁ θρόνος τοῦ σατανᾶ, καὶ κρατεῖς τὸ ὄνομά μου καὶ οὐκ ἠρνήσω τὴν πίστιν μου καὶ ἐν ταῖς ἡμέραις Ἀντιπᾶς ὁ μάρτυς μου ὁ πιστός μου[, ὃς ἀπεκτάνθη] ... (14) ἀλλ᾽ ἔχω κατὰ σοῦ ὀλίγα ὅτι ἔχεις ἐκεῖ κρατοῦντας τὴν διδαχὴν Βαλαάμ, ὃς ἐδίδασκεν τῷ Βαλὰκ βαλεῖν σκάνδαλον ἐνώπιον τῶν υἱῶν Ἰσραὴλ φαγεῖν εἰδωλόθυτα καὶ πορνεῦσαι. (15) οὕτως ἔχεις καὶ σὺ κρατοῦντας τὴν διδαχὴν [τῶν] Νικολαϊτῶν ὁμοίως. (16) μετανόησον οὖν· εἰ δὲ μή, ἔρχομαί σοι ταχύ. Dieses Sendschreiben wurde nachträglich oder sekundär ergänzt um: (1) den Schreibbefehl Apk 2,12a: Τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν Περγάμῳ ἐκκλησίας γράψον; (2) die Botenformel Apk 2,12b: Τάδε λέγει ὁ ἔχων τὴν ῥομφαίαν τὴν δίστομον τὴν ὀξεῖαν; (3) die Passage Apk 2,13d, entweder den gesamten Relativsatz ὃς ἀπεκτάνθη παρ᾽ ὑμῖν, ὅπου ὁ σατανᾶς κατοικει, oder aber zumindest die inhaltlich zusammenhängende Ortsangabe παρ᾽ ὑμῖν, ὅπου ὁ σατανᾶς κατοικει; (4) die Passage Apk 2,16bβ: καὶ πολεμήσω μετ᾽ αὐτῶν ἐν τῇ ῥομφαίᾳ τοῦ στόματός μου; (5) schließlich der Weckruf und der Überwinderspruch Apk 2,17: Ὁ ἔχων οὖς ἀκουσάτω τί

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DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN APK 2–3

τὸ πνεῦμα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις. Τῷ νικῶντι δώσω αὐτῷ τοῦ μάννα τοῦ κεκρυμμένου καὶ δώσω αὐτῷ ψῆφον λευκήν, καὶ ἐπὶ τὴν ψῆφον ὄνομα καινὸν γεγραμμένον ὃ οὐδεὶς οἶδεν εἰ μὴ ὁ λαμβάνων. (d) Der Grundbestand des Sendschreibens Apk 2,18–29 lässt sich folgendermaßen darstellen: [τάδε λέγει ὁ {κύριος} ...] (19) οἶδά σου τὰ ἔργα καὶ τὴν ἀγάπην καὶ τὴν πίστιν καὶ τὴν διακονίαν καὶ τὴν ὑπομονήν σου, καὶ τὰ ἔργα σου τὰ ἔσχατα πλείονα τῶν πρώτων. (20) ἀλλὰ ἔχω κατὰ σοῦ ὅτι ἀφεῖς τὴν γυναῖκα Ἰεζάβελ, ἡ λέγουσα ἑαυτὴν προφῆτιν καὶ διδάσκει καὶ πλανᾷ τοὺς ἐμοὺς δούλους πορνεῦσαι καὶ φαγεῖν εἰδωλόθυτα. (21) καὶ ἔδωκα αὐτῇ χρόνον ἵνα μετανοήσῃ, καὶ οὐ θέλει μετανοῆσαι ἐκ τῆς πορνείας αὐτῆς. (22) ἰδοὺ βάλλω αὐτὴν εἰς κλίνην καὶ τοὺς μοιχεύοντας μετ᾽ αὐτῆς εἰς θλῖψιν μεγάλην, ἐὰν μὴ μετανοήσωσιν ἐκ τῶν ἔργων αὐτῆς, (23) καὶ τὰ τέκνα αὐτῆς ἀποκτενῶ ἐν θανάτῳ. Diesem Sendschreiben wurden nachträglich oder sekundär implementiert: (1) der Schreibbefehl Apk 2,18a: Καὶ τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας γράψον; (2) die Botenformel Apk 2,18b: Τάδε λέγει ὁ υἱὸς τοῦ θεοῦ, ὁ ἔχων τοὺς ὀφθαλμοὺς αὐτοῦ ὡς φλόγα πυρὸς καὶ οἱ πόδες αὐτοῦ ὅμοιοι χαλκολιβάνῳ; (3) die Ausführungen in Apk 2,23b.c: καὶ γνώσονται πᾶσαι αἱ ἐκκλησίαι ὅτι ἐγώ εἰμι ὁ ἐραυνῶν νεφροὺς καὶ καρδίας, καὶ δώσω ὑμῖν ἑκάστῳ κατὰ τὰ ἔργα ὑμῶν; (4) die in der zweiten Person Plural gefassten Formulierungen in Apk 2,24f.: ὑμῖν δὲ λέγω τοῖς λοιποῖς τοῖς ἐν Θυατείροις, ὅσοι οὐκ ἔχουσιν τὴν διδαχὴν ταύτην, οἵτινες οὐκ ἔγνωσαν τὰ βαθέα τοῦ σατανᾶ ὡς λέγουσιν· οὐ βάλλω ἐφ᾽ ὑμᾶς ἄλλο βάρος, (25) πλὴν ὃ ἔχετε κρατήσατε ἄχρι[ς] οὗ ἂν ἥξω; (5) schließlich der Überwinderspruch und der Weckruf in Apk 2,26–29: Καὶ ὁ νικῶν καὶ ὁ τηρῶν ἄχρι τέλους τὰ ἔργα μου, δώσω αὐτῷ ἐξουσίαν ἐπὶ τῶν ἐθνῶν (27) καὶ ποιμανεῖ αὐτοὺς ἐν ῥάβδῳ σιδηρᾷ ὡς τὰ σκεύη τὰ κεραμικὰ συντρίβεται, (28) ὡς κἀγὼ εἴληφα παρὰ τοῦ πατρός μου, καὶ δώσω αὐτῷ τὸν ἀστέρα τὸν πρωϊνόν. (29) Ὁ ἔχων οὖς ἀκουσάτω τί τὸ πνεῦμα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις. (e) Das Sendschreiben Apk 3,1–6 bot ursprünglich folgenden Inhalt: [τάδε λέγει ὁ {κύριος} ...] (1c) οἶδά σου τὰ ἔργα ὅτι ὄνομα ἔχεις ὅτι ζῇς, καὶ νεκρὸς εἶ. (2) ... οὐ γὰρ εὕρηκά σου τὰ ἔργα πεπληρωμένα ἐνώπιον τοῦ θεοῦ μου. (3) μνημόνευε οὖν πῶς εἴληφας καὶ ἤκουσας καὶ τήρει καὶ μετανόησον. … (4) ἀλλὰ ἔχεις ὀλίγα ὀνόματα ἐν Σάρδεσιν ἃ οὐκ ἐμόλυναν τὰ ἱμάτια αὐτῶν, καὶ περιπατήσουσιν μετ᾽ ἐμοῦ ἐν λευκοῖς, ὅτι ἄξιοί εἰσιν. Als nachträgliche oder sekundäre Hinzufügungen wurden hier ausgemacht: (1) der Schreibbefehl Apk 3,1a: Καὶ τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας γράψον; (2) die Botenformel Apk 3,1b: Τάδε λέγει ὁ ἔχων τὰ ἑπτὰ πνεύματα τοῦ θεοῦ καὶ τοὺς ἑπτὰ ἀστέρας; (3) die Ausführungen in Apk 3,2a.3b: γίνου γρηγορῶν καὶ στήρισον τὰ λοιπὰ ἃ ἔμελλον ἀποθανεῖν,

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

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... (3) .... ἐὰν οὖν μὴ γρηγορήσῃς, ἥξω ὡς κλέπτης, καὶ οὐ μὴ γνῷς ποίαν ὥραν ἥξω ἐπὶ σέ; (4) schließlich der Weckruf und der Überwinderspruch in Apk 3,5f.: Ὁ νικῶν οὕτως περιβαλεῖται ἐν ἱματίοις λευκοῖς καὶ οὐ μὴ ἐξαλείψω τὸ ὄνομα αὐτοῦ ἐκ τῆς βίβλου τῆς ζωῆς καὶ ὁμολογήσω τὸ ὄνομα αὐτοῦ ἐνώπιον τοῦ πατρός μου καὶ ἐνώπιον τῶν ἀγγέλων αὐτοῦ. (6) Ὁ ἔχων οὖς ἀκουσάτω τί τὸ πνεῦμα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις. (f) Das Sendschreiben Apk 3,7–13 lässt sich in seiner ursprünglichen Fassung folgendermaßen rekonstruieren: [τάδε λέγει ὁ {κύριος} ...] (8) οἶδά σου τὰ ἔργα, ... ὅτι μικρὰν ἔχεις δύναμιν καὶ ἐτήρησάς μου τὸν λόγον καὶ οὐκ ἠρνήσω τὸ ὄνομά μου. ... (10) ὅτι ἐτήρησας τὸν λόγον τῆς ὑπομονῆς μου, κἀγώ σε τηρήσω ἐκ τῆς ὥρας τοῦ πειρασμοῦ τῆς μελλούσης ἔρχεσθαι ἐπὶ τῆς οἰκουμένης ὅλης πειράσαι τοὺς κατοικοῦντας ἐπὶ τῆς γῆς. (11) ἔρχομαι ταχύ· κράτει ὃ ἔχεις, ἵνα μηδεὶς λάβῃ τὸν στέφανόν σου. Hier kamen nachträglich oder sekundär hinzu: (1) der Schreibbefehl Apk 3,7a: Καὶ τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας γράψον; (2) die Botenformel Apk 3,7b.c: Τάδε λέγει ὁ ἅγιος, ὁ ἀληθινός, ὁ ἔχων τὴν κλεῖν Δαυίδ, ὁ ἀνοίγων καὶ οὐδεὶς κλείσει καὶ κλείων καὶ οὐδεὶς ἀνοίγει; (3) die Ausführungen in Apk 3,8b.c: ἰδοὺ δέδωκα ἐνώπιόν σου θύραν ἠνεῳγμένην, ἣν οὐδεὶς δύναται κλεῖσαι αὐτήν; (4) die die συναγωγὴ τοῦ σατανᾶ betreffenden Ausführungen in Apk 3,9: ἰδοὺ διδῶ ἐκ τῆς συναγωγῆς τοῦ σατανᾶ τῶν λεγόντων ἑαυτοὺς Ἰουδαίους εἶναι, καὶ οὐκ εἰσὶν ἀλλὰ ψεύδονται. ἰδοὺ ποιήσω αὐτοὺς ἵνα ἥξουσιν καὶ προσκυνήσουσιν ἐνώπιον τῶν ποδῶν σου καὶ γνῶσιν ὅτι ἐγὼ ἠγάπησά σε; (5) schließlich der Überwinderspruch und der Weckruf Apk 3,12f.: Ὁ νικῶν ποιήσω αὐτὸν στῦλον ἐν τῷ ναῷ τοῦ θεοῦ μου καὶ ἔξω οὐ μὴ ἐξέλθῃ ἔτι καὶ γράψω ἐπ᾽ αὐτὸν τὸ ὄνομα τοῦ θεοῦ μου καὶ τὸ ὄνομα τῆς πόλεως τοῦ θεοῦ μου, τῆς καινῆς Ἰερουσαλὴμ ἡ καταβαίνουσα ἐκ τοῦ οὐρανοῦ ἀπὸ τοῦ θεοῦ μου, καὶ τὸ ὄνομά μου τὸ καινόν. (13) Ὁ ἔχων οὖς ἀκουσάτω τί τὸ πνεῦμα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις. (g) Das Sendschreiben Apk 3,14–22 lautete ursprünglich: [τάδε λέγει ὁ {κύριος} ...] (15) οἶδά σου τὰ ἔργα ὅτι οὔτε ψυχρὸς εἶ οὔτε ζεστός. ὄφελον ψυχρὸς ἦς ἢ ζεστός. (16) οὕτως ὅτι χλιαρὸς εἶ καὶ οὔτε ζεστὸς οὔτε ψυχρός, μέλλω σε ἐμέσαι ἐκ τοῦ στόματός μου. (17) ὅτι λέγεις ὅτι πλούσιός εἰμι καὶ πεπλούτηκα καὶ οὐδὲν χρείαν ἔχω, καὶ οὐκ οἶδας ὅτι σὺ εἶ ὁ ταλαίπωρος καὶ ἐλεεινὸς καὶ πτωχὸς καὶ τυφλὸς καὶ γυμνός, (18) συμβουλεύω σοι ἀγοράσαι παρ᾽ ἐμοῦ χρυσίον πεπυρωμένον ἐκ πυρὸς ἵνα πλουτήσῃς, καὶ ἱμάτια λευκὰ ἵνα περιβάλῃ καὶ μὴ φανερωθῇ ἡ αἰσχύνη τῆς γυμνότητός σου, καὶ κολλ[ο]ύριον ἐγχρῖσαι τοὺς ὀφθαλμούς σου ἵνα βλέπῃς. (19) ἐγὼ ὅσους ἐὰν φιλῶ ἐλέγχω καὶ παιδεύω· ζήλευε οὖν καὶ μετανόησον. Nachträglich oder sekundär wurden hinzugefügt: (1) der Schreibbefehl Apk 3,14a: Καὶ τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας γράψον; (2) die

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DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN APK 2–3

Botenformel Apk 3,14b: Τάδε λέγει ὁ ἀμήν, ὁ μάρτυς ὁ πιστὸς καὶ ἀληθινός, ἡ ἀρχὴ τῆς κτίσεως τοῦ θεοῦ; (3) die Ausführungen in Apk 3,20: Ἰδοὺ ἕστηκα ἐπὶ τὴν θύραν καὶ κρούω· ἐάν τις ἀκούσῃ τῆς φωνῆς μου καὶ ἀνοίξῃ τὴν θύραν, [καὶ] εἰσελεύσομαι πρὸς αὐτὸν καὶ δειπνήσω μετ᾽ αὐτοῦ καὶ αὐτὸς μετ᾽ ἐμοῦ; (4) schließlich der Weckruf und der Überwinderspruch in Apk 3,21f.: Ὁ νικῶν δώσω αὐτῷ καθίσαι μετ᾽ ἐμοῦ ἐν τῷ θρόνῳ μου, ὡς κἀγὼ ἐνίκησα καὶ ἐκάθισα μετὰ τοῦ πατρός μου ἐν τῷ θρόνῳ αὐτοῦ. (22) Ὁ ἔχων οὖς ἀκουσάτω τί τὸ πνεῦμα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις. Bei näherem Hinsehen fällt auf, dass sich diese nachträglich oder aber sekundär hinzugefügten Passagen zumindest ansatzweise kategorisieren lassen. Wie die tabellarische Übersicht zeigt, lässt sich folgende Einteilung plausibilisieren: Schreibbefehl

Botenformel

Passagen in der 2. Person Plural867

Überwinderspruch

Weckruf

Apk 2,1–7

Apk 2,1a: Τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας γράψον

Apk 2,1b.c: Τάδε λέγει ὁ κρατῶν τοὺς ἑπτὰ ἀστέρας ἐν τῇ δεξιᾷ αὐτοῦ, ὁ περιπατῶν ἐν μέσῳ τῶν ἑπτὰ λυχνιῶν τῶν χρυσῶν

Apk 2,5bβ: καὶ κινήσω τὴν λυχνίαν σου ἐκ τοῦ τόπου αὐτῆς, ἐὰν μὴ μετανοήσῃς868

Apk 2,7b: Τῷ νικῶντι δώσω αὐτῷ φαγεῖν ἐκ τοῦ ξύλου τῆς ζωῆς, ὅ ἐστιν ἐν τῷ παραδείσῳ τοῦ θεοῦ

Apk 2,7a: Ὁ ἔχων οὖς ἀκουσάτω τί τὸ πνεῦμα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις

Apk 2,8–11

Apk 2,8a: Τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας γράψον

Apk 2,8b.c: Τάδε λέγει ὁ πρῶτος καὶ ὁ ἔσχατος, ὃς ἐγένετο νεκρὸς καὶ ἔζησεν

Apk 2,10b.c: ἰδοὺ μέλλει βάλλειν ὁ διάβολος ἐξ ὑμῶν εἰς φυλακὴν ἵνα πειρασθῆτε καὶ ἔξετε θλῖψιν ἡμερῶν δέκα

Apk 2,11b: Ὁ νικῶν οὐ μὴ ἀδικηθῇ ἐκ τοῦ θανάτου τοῦ δευτέρου

Apk 2,11a: Ὁ ἔχων οὖς ἀκουσάτω τί τὸ πνεῦμα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις

867. Hier werden solche Passagen aus den Sendschreiben zusammengestellt, die die Gesamtheit der Glieder einer einzelnen Gemeinde, eine Gruppe aus dieser Gesamtheit der Glieder einer Gemeinde oder aber die Gesamtheit der Gemeinden unmittelbar in den Blick nehmen. 868. Trotz der singularischen Formulierung ist hier, nicht zuletzt auch aufgrund der Formulierung von Apk 1,20bβ, die Gemeinde als ganze in den Blick genommen, denn das hier in der 2. Person Singular verwendete Possesivum σοῦ kann nicht mehr den ἄγγελος, sondern muss eben die ephesische Gemeinde repräsentieren. Andernfalls wäre die – durch den Text und dessen Impetus nicht gedeckte – Annahme zu postulieren, dass der Apokalyptiker hier zum Ausdruck bringen wollte, dass die Gemeinde als ganze für das Fehlverhalten ihres ἄγγελος bestraft werden würde; vgl. zu diesem Zusammenhang bereits o. 132–133.

317

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

Apk 2,12–17 Apk 2,12a: Τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν Περγάμῳ ἐκκλησίας γράψον

Apk 2,12b: Τάδε λέγει ὁ ἔχων τὴν ῥομφαίαν τὴν δίστομον τὴν ὀξεῖαν

Apk 2,13d: [ὃς ἀπεκτάνθη] παρ᾽ ὑμῖν, ὅπου ὁ σατανᾶς κατοικει; Apk 2,16bβ: καὶ πολεμήσω μετ᾽ αὐτῶν ἐν τῇ ῥομφαίᾳ τοῦ στόματός μου;

Apk 2,17b.c.d: Τῷ νικῶντι δώσω αὐτῷ τοῦ μάννα τοῦ κεκρυμμένου καὶ δώσω αὐτῷ ψῆφον λευκήν, καὶ ἐπὶ τὴν ψῆφον ὄνομα καινὸν γεγραμμένον ὃ οὐδεὶς οἶδεν εἰ μὴ ὁ λαμβάνων

Apk 2,17a: Ὁ ἔχων οὖς ἀκουσάτω τί τὸ πνεῦμα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις

Apk 2,18–29 Apk 2,18a: Καὶ τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας γράψον

Apk 2,18b: Τάδε λέγει ὁ υἱὸς τοῦ θεοῦ, ὁ ἔχων τοὺς ὀφθαλμοὺς αὐτοῦ ὡς φλόγα πυρὸς καὶ οἱ πόδες αὐτοῦ ὅμοιοι χαλκολιβάνῳ

Apk 2,23b.c: καὶ γνώσονται πᾶσαι αἱ ἐκκλησίαι ὅτι ἐγώ εἰμι ὁ ἐραυνῶν νεφροὺς καὶ καρδίας, καὶ δώσω ὑμῖν ἑκάστῳ κατὰ τὰ ἔργα ὑμῶν; Apk 2,24f.: ὑμῖν δὲ λέγω τοῖς λοιποῖς τοῖς ἐν Θυατείροις, ὅσοι οὐκ ἔχουσιν τὴν διδαχὴν ταύτην, οἵτινες οὐκ ἔγνωσαν τὰ βαθέα τοῦ σατανᾶ ὡς λέγουσιν· οὐ βάλλω ἐφ᾽ ὑμᾶς ἄλλο βάρος, (25) πλὴν ὃ ἔχετε κρατήσατε ἄχρι[ς] οὗ ἂν ἥξω

Apk 2,26–28: Καὶ ὁ νικῶν καὶ ὁ τηρῶν ἄχρι τέλους τὰ ἔργα μου, δώσω αὐτῷ ἐξουσίαν ἐπὶ τῶν ἐθνῶν (27) καὶ ποιμανεῖ αὐτοὺς ἐν ῥάβδῳ σιδηρᾷ ὡς τὰ σκεύη τὰ κεραμικὰ συντρίβεται, (28) ὡς κἀγὼ εἴληφα παρὰ τοῦ πατρός μου, καὶ δώσω αὐτῷ τὸν ἀστέρα τὸν πρωϊνόν

Apk 2,29: Ὁ ἔχων οὖς ἀκουσάτω τί τὸ πνεῦμα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις.

Apk 3,1–6

Apk 3,1b: Τάδε λέγει ὁ ἔχων τὰ ἑπτὰ πνεύματα τοῦ θεοῦ καὶ τοὺς ἑπτὰ ἀστέρας

Apk 3,5: Ὁ νικῶν οὕτως περιβαλεῖται ἐν ἱματίοις λευκοῖς καὶ οὐ μὴ ἐξαλείψω τὸ ὄνομα αὐτοῦ ἐκ τῆς βίβλου τῆς ζωῆς καὶ ὁμολογήσω τὸ ὄνομα αὐτοῦ ἐνώπιον τοῦ πατρός μου καὶ ἐνώπιον τῶν ἀγγέλων αὐτοῦ

Apk 3,6: Ὁ ἔχων οὖς ἀκουσάτω τί τὸ πνεῦμα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις.

Apk 3,1a: Καὶ τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας γράψον

318 Apk 3,7–13

DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN APK 2–3

Apk 3,7a: Καὶ τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας γράψον

3,7b.c: Τάδε λέγει ὁ ἅγιος, ὁ ἀληθινός, ὁ ἔχων τὴν κλεῖν Δαυίδ, ὁ ἀνοίγων καὶ οὐδεὶς κλείσει καὶ κλείων καὶ οὐδεὶς ἀνοίγει

Apk 3,14–22 Apk 3,14a: Καὶ τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας γράψον

Apk 3,14b: Τάδε λέγει ὁ ἀμήν, ὁ μάρτυς ὁ πιστὸς καὶ ἀληθινός, ἡ ἀρχὴ τῆς κτίσεως τοῦ θεοῦ

Apk 3,20: Ἰδοὺ ἕστηκα ἐπὶ τὴν θύραν καὶ κρούω· ἐάν τις ἀκούσῃ τῆς φωνῆς μου καὶ ἀνοίξῃ τὴν θύραν, [καὶ] εἰσελεύσομαι πρὸς αὐτὸν καὶ δειπνήσω μετ᾽ αὐτοῦ καὶ αὐτὸς μετ᾽ ἐμοῦ

Apk 3,12: Ὁ νικῶν ποιήσω αὐτὸν στῦλον ἐν τῷ ναῷ τοῦ θεοῦ μου καὶ ἔξω οὐ μὴ ἐξέλθῃ ἔτι καὶ γράψω ἐπ᾽ αὐτὸν τὸ ὄνομα τοῦ θεοῦ μου καὶ τὸ ὄνομα τῆς πόλεως τοῦ θεοῦ μου, τῆς καινῆς Ἰερουσαλὴμ ἡ καταβαίνουσα ἐκ τοῦ οὐρανοῦ ἀπὸ τοῦ θεοῦ μου, καὶ τὸ ὄνομά μου τὸ καινόν

Apk 3,13: Ὁ ἔχων οὖς ἀκουσάτω τί τὸ πνεῦμα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις

Apk 3,21: Ὁ νικῶν δώσω αὐτῷ καθίσαι μετ᾽ ἐμοῦ ἐν τῷ θρόνῳ μου, ὡς κἀγὼ ἐνίκησα καὶ ἐκάθισα μετὰ τοῦ πατρός μου ἐν τῷ θρόνῳ αὐτοῦ

Apk 3,22: Ὁ ἔχων οὖς ἀκουσάτω τί τὸ πνεῦμα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις

In diese Kategorisierung nicht einordnen ließen sich lediglich die Ausführungen in Apk 3,2a.3b: γίνου γρηγορῶν καὶ στήρισον τὰ λοιπὰ ἃ ἔμελλον ἀποθανεῖν, ... (3) .... ἐὰν οὖν μὴ γρηγορήσῃς, ἥξω ὡς κλέπτης, καὶ οὐ μὴ γνῷς ποίαν ὥραν ἥξω ἐπὶ σέ, diejenigen in Apk 3,8b.c: ἰδοὺ δέδωκα ἐνώπιόν σου θύραν ἠνεῳγμένην, ἣν οὐδεὶς δύναται κλεῖσαι αὐτήν, und die die συναγωγὴ τοῦ σατανᾶ betreffenden Einlassungen in Apk 3,9: ἰδοὺ διδῶ ἐκ τῆς συναγωγῆς τοῦ σατανᾶ τῶν λεγόντων ἑαυτοὺς Ἰουδαίους εἶναι, καὶ οὐκ εἰσὶν ἀλλὰ ψεύδονται. ἰδοὺ ποιήσω αὐτοὺς ἵνα ἥξουσιν καὶ προσκυνήσουσιν ἐνώπιον τῶν ποδῶν σου καὶ γνῶσιν ὅτι ἐγὼ ἠγάπησά σε. Offensichtlich ist, dass innerhalb dieser drei nicht eindeutig kategorisierbaren Passagen die Figur des ἄγγελος τῆς ἐκκλησίας (noch) in individuellem Sinne interpretiert und nicht (bereits) als ein Kollektivum verstanden wird, eine Beobachtung, die die Annahme, diese drei Passagen seien auf den- oder diejenigen zurückzuführen, die auch für die in der 2. Person Plural formulierten Passagen verantwortlich zeichneten, von vornherein als unwahrscheinlich erscheinen lässt.

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

319

Diese Ergebnisse sind nun im Blick daraufhin zu untersuchen, ob und inwiefern sich aus ihnen ein plausibles redaktionsgeschichtliches Modell zur Entstehung des Textes Apk 2f. entwickeln lässt. Da, wie o. gezeigt, in zahlreichen der sieben Botenformeln Motive aus der mit einem brieflichen Eingang869 versehenen Christusvision Apk 1,4–8.9–20 aufgenommen werden, ist es notwendig, zunächst auch diesen Text einer literarkritischen Analyse zu unterziehen, um dann womöglich ein redaktionsgeschichtliches Modell zur Entstehung der Texteinheit Apk 1,4–3,22 herausarbeiten zu können.

III.9. APK 1 Da die literarischen Bezüge zwischen den sieben Sendschreiben Apk 2f. und der Christusvision Apk 1,9ff. offenkundig sind870, ist es im Rahmen der in der vorliegenden Studie verhandelten Frage nach dem zeitlichen und damit auch dem literarischen Verhältnis der sieben Episteln zum apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 notwendig, im Anschluss an die Analyse der ersteren auch letztere in Sonderheit auch literarkritisch zu untersuchen. Zunächst nämlich gilt es, zu klären, ob die Christusvision an sich ein einheitliches textliches Gebilde darstellt oder ob sich auch im Blick auf diese ein Textwachstumsprozess wahrscheinlich machen lässt. Trifft letzteres zu, soll im Anschluss dann untersucht werden, ob und inwieweit zwischen den Phasen des Wachstums des Textes Apk 1,9ff. und denjenigen des Wachstums der sieben Sendschreiben Korrelationen bzw. parallele Entwicklungen auszumachen und in welcher Phase des Wachstumsprozesses der sieben Sendschreiben jene mit der Christusvision Apk 1,9ff. verknüpft worden sind. Da zumindest zwischen den Ausführungen in Apk 3,1b und denjenigen in Apk 1,4d, vermittelt über die Figuren der ἑπτὰ πνεύματα (τοῦ θεοῦ), ein enger literarischer Bezug vorzuliegen scheint, ist es ratsam, diese Untersuchung nicht erst mit Apk 1,9, sondern bereits mit Apk 1,4 beginnen zu lassen871. III.9.1. Die briefliche Einleitung Apk 1,4–8 Im Anschluss an das Incipit Apk 1,1–3 bietet der Apokalyptiker in Apk 1,4–8 ein „erweitertes Briefpräskript“872, an dessen Anfang, in Apk 1,4.5a, 869. Vgl. hierzu etwa o. 116–117. 870. Vgl. hierzu die entsprechenden Ausführungen im Rahmen der exegetischen Diskussion der einzelnen Sendschreiben o. passim. 871. Zum Incipit Apk 1,1–3 vgl. neuestens M. Karrer, Apk I, 181–203. 872. U.B. Müller, Apk, 70.

320

DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN APK 2–3

ein in der urchristlichen Briefliteratur durchaus übliches zweiteiliges Briefpräskript, bestehend aus superscriptio873, adscriptio874 und – in Apk 1,5a allerdings recht umfangreicher – salutatio, steht875. Innerhalb der salutatio werden die als Wünsche formulierten Begriffe χάρις und εἰρήνη im Blick auf ihre

873. K. Huber, Menschensohn, 83 weist m.R. darauf hin, dass in dieser superscriptio „die Absenderangabe ohne weiteren Zusatz ganz auf den Eigennamen reduziert“ erscheint; dies und der in Apk 1,5f. aufweisbare „solidarische Zusammenschluss mit den angesprochenen Christen“ (83) lassen „den Johannes aber dennoch als eine in den Adressatengemeinden bekannte und wohl auch einflussreiche Persönlichkeit erkennen“ (83), der „immerhin so viel Autorität [zukomme], dass … [sie] sich lediglich mit … [ihrem] Namen einzuführen braucht und für … [ihre] Botschaft Gehör erwarten kann“ (83). In diesem Sinne auch M. Karrer, Apk I, 212: „Seinen Adressaten muss Johannes bekannt sein, da er sich in der brieflichen Eröffnung (V. 4a) nicht näher vorstellt“. 874. Die Namen der sieben in der Apk angeschriebenen Gemeinden werden nicht in der Apk 1,4 begegnenden adscriptio, sondern erst in Apk 1,11 geboten (vgl. hierzu u. 353–362); in Apk 1,4 erscheint stattdessen lediglich die determinierte Wendung ταῖς ἑπτὰ ἐκκλησίαις ἐν τῇ Ἀσία. Damit unterscheidet sich der Apokalyptiker zumindest von der Gesamtheit der im Neuen Testament überlieferten Briefe. M. Karrer möchte den in dieser Wendung begegnenden bestimmten Artikel unter Verweis etwa auf R.H. Charles als Textdeixis, d.h. „als Vorverweis auf der textimmanenten expliziten Kommunikationsebene, auf 1,11 … interpretieren“ (Johannesoffenbarung, 74), und lehnt deren Verständnis als Realdexis, d.h. „als Verweis auf die damalige textexterne Situation“ (75) ab. Die Gründe für diese Ablehnung vermögen freilich kaum zu überzeugen; der Sachverhaltt, dass die in Apk 1,11 angegebenen Städte „verschiedenen Verwaltungsgebieten und Landschaften an[gehören], so Ephesus Ionien, Sardes Lydien und Laodizea Phrygien, die geographisch nur in der Provinz Asia zusammenfaßbar sind“ (74f.), spricht keinesfalls gegen eine realdeiktische Interpretation des Artikels ταῖς; es muss lediglich angenommen werden, dass sich der Apokalyptiker mit dem geographischen Verweis ἐν τῇ Ἀσία auf die römische Provinz Asia bezieht. D.E. Aune, Apk I, 29 zufolge habe der Apokalyptiker die in der adscriptio gebotene Siebenzahl nicht aus realen geographischen Gründen gewählt, sondern, um die göttliche Legitimation und Autorität seiner Botschaft zu unterstreichen: „Rather, the number seven emphasizes the divine origin and authority of the message of John, since seven is primarily a number with cosmic significance and is therefore associated with heavenly realities“. Träfe dies zu, ließe sich allerdings kaum erklären, warum dann in Apk 1,11 eben eine geographische Näherbestimmung dieser ἑπτὰ ἐκκλησίαι erfolgt. Dies gilt auch im Blick auf den Hinweis von M. Karrer, Apk I, 212: „Die Apk erlaubt zudem nicht, die ungenannten Gemeinden aus der gewünschten Leserschaft auszuschließen. Im Gegenteil, sie wünscht sich Gehör über die 7 Gemeinden hinaus (2,7 usw.), zuerst in deren Nachbarschaft, also in Milet, Hierapolis etc.“. 875. Vgl. hierzu – pars pro toto – die Ausführungen von H.-J. Klauck, Briefliteratur, 263f.: „…, steht in 1,4–6 ein Briefpräskript, das in manchen Punkten mit den Konventionen der paulinischen und deuteropaulinischen Briefproduktion konform geht. In der superscriptio stellt sich der Autor mit seinem – wahrscheinlich authentischen, was aber keinerlei Identifikationsmöglichkeiten eröffnet – Namen ‚Johannes‘ vor, die adscriptio bezeichnet ‚die sieben Gemeinden in der Asia‘ als Empfänger, und die salutatio erfährt analog zum Gal eine umfangreiche Erweiterung durch eine Gottesprädikation mit Hilfe der Dreizeitenformel, durch christologische Traditionssplitter und durch eine Doxologie mit responsorischem Amen als Abrundung“. Zum Vergleich dieses Präskripts mit denjenigen, die in der paulinischen Tradition sichtbar werden, vgl. etwa M. Karrer, Apk I, 210; Karrer verweist in diesem Zusammenhang in Sonderheit auf das Präskript des Gal.

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

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Urheberschaft drei unterschiedlichen personalen Größen zugeordnet876, zunächst Gott selbst (Apk 1,4c)877, dann den ἑπτὰ πνεύματα (Apk 1,4d)878, schließlich Ἰησοῦς Χριστός879 (Apk 1,5a). Die in Apk 1,4c begegnende, in der urchristlichen Literatur weitestgehend analogielose Dreizeitenformel880 ist über diesen Beleg hinaus in der Apk – in mehr oder weniger veränderter Form – noch in Apk 1,8; 4,8; 11,17 und 16,5 belegt; in den letzten beiden Belegen erscheint sie allerdings nicht als Drei-, sondern als lediglich die Vergangenheit und die Gegenwart umgreifende Zweizeitenformel. Die folgende Tabelle stellt diese Belege in übersichtlicher Form einander gegenüber: Beleg

Formel καὶ ὁ

weitere, die Formel ergänzende Titel

Apk 1,4c

ὁ ὢν καὶ ὁ ἦν ἐρχόμενος

Apk 1,8

ὁ ὢν καὶ ὁ ἦν καὶ ὁ ἐρχόμενος τὸ ἄλφα καὶ τὸ ὦ, ὁ παντοκράτωρ, ὁ κύριος

Apk 4,8d

ὁ ἦν καὶ ὁ ὢν καὶ ὁ ἐρχόμενος ἅγιος ἅγιος ἅγιος κύριος, ὁ παντοκράτωρ

Apk 11,17b

ὁ ὢν καὶ ὁ ἦν

ὁ παντοκράτωρ, ὁ κύριος

Apk 16,5

ὁ ὢν καὶ ὁ ἦν

ὁ δίκαιος, ὁ ὅσιος (,16,7: ὁ κύριος, ὁ παντοκράτωρ)

881

./.

Diese Zusammenstellung lässt bereits auf den ersten Blick folgende Auffälligkeit erkennen: In Apk 1,8 und auch in den Belegen des apokalyptischen Hauptteils wird die Drei- bzw. dann auch Zweizeitenformel immer in den Kontext weiterer Gottes876. Vgl. hierzu etwa H. Giesen, Apk, 74: „Der Segen hat eine dreifache Herkunft: Gott – die sieben Geister – Jesus Christus“. 877. Zu dem hier verwendeten Gottesnamen vgl. neben vielen anderen etwa D.E. Aune, Apk I, 30–32.32f.; vgl. zu Apk 1,4 und der Verwendung der hier aufgegriffenen Dreizeitenformel im Nominativ darüber hinaus auch u. 337. 878. Vgl. zur Gruppe der ἑπτὰ πνεύματα bereits o. 239–243; vgl. darüber hinaus M. Karrer, Apk I, 215–217. 879. Nicht ohne Belang könnte die Beobachtung sein, dass das Epitheton Χριστός in der Apk in den Sendschreiben Apk 2f. nicht begegnet, genauso wenig in der Visionsschilderung Apk 1,9ff., sondern vielmehr nur in Apk 1,1.2.5 und dann erst wieder in Apk 11,15; 12,10; 20,4.6 und 22,21; vgl. hierzu W.F. Moulton/A.S. Geden, Concordance, s.v. Χριστός, 1018. T. Holtz, Christologie, 5 weist darüber hinuas darauf hin, dass dieser Titel nur in Apk 1,1–3 als Name verstanden wird. Zu fragen ist, wie sich dieser Sachverhalt erklären lässt. 880. Zu dieser Formel und ihrer Konstruktion vgl. H. Kraft, Apk, 31: „Im Unterschied von der eng an Paulus angelehnten Salutation ist die Umschreibung des Gottesnamens frei gebildet und in dieser Form ohne Analogie“. M. Karrer, Apk I, 214 weist darauf hin, dass der Apokalyptiker die in Apk 1,4c formulierten Prädikationen „nominal, wie einen Namen schreibt“. 881. Vgl. zu der Sequenz ὁ ἦν H. Kraft, Apk, 31: „Anders als in entsprechenden griechischen Formeln hat der Verfasser als Ausdruck für die Vergangenheit nicht ὁ γεγονώς gewählt. Der Grund dafür liegt auf der Hand: er hätte damit von der Gottheit ein Werden ausgesagt, d.h. das Gegenteil dessen, was er wirklich sagen wollte“.

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prädikationen gestellt, vornehmlich in denjenigen der Titel κύριος und παντοκράτωρ882; beide Titel erscheinen in Apk 1,8; 4,8d; 11,17b als unmittelbar mit der Drei- bzw. Zweizeitenformel verknüpft, in Apk 16,7 immerhin noch in enger und organischer Verbindung mit derselben (Apk 16,5). In Apk 1,4c wird die Dreizeitenformel hingegen nicht von weiteren Gottesprädikationen begleitet; zu fragen ist, welche Gründe dafür namhaft gemacht werden könnten. Über diese Auffälligkeit hinaus ist bemerkenswert, dass das dritte Glied der Dreizeitenformel in Apk 1,4.8; 4,8 nicht, wie zu erwarten wäre und wie es auch entsprechende Parallelen sowohl aus der hellenistisch-römischen als auch aus der jüdischen Umwelt zeigen883, die entsprechende futurisch-temporale Wendung ὁ ἐσόμενος, sondern stattdessen die eine Handlung definierende Phrase ὁ ἐρχόμενος bietet884. Diese Beobachtung scheint die Annahme nahezulegen, dass es dem Apokalyptiker, der diese Formel entweder schuf oder aber aus der Tradition übernahm, darum ging, neben dem Gedanken der Ewigkeit Gottes auch denjenigen Gottes als einer Figur, deren Erscheinen auf der Erde am Ende der Zeit die Menschen für die Zukunft zu gewärtigen haben werden, zu transportieren885.

Im Vergleich zu den entsprechenden salutationes innerhalb der paulinischen und der deuteropaulinischen Briefliteratur muss u.a. auffallen, dass in Apk 1,4d, ergänzend zu Gott und Christus und vor der Erwähnung des letzteren, die ἑπτὰ πνεύματα886 als eine den Rezipienten augenscheinlich nicht unbekannte887 Größe eingeführt werden. Sie werden näherhin charakterisiert als offensichtlich eigenständige Wesenheiten, die sich ἐνώπιον τοῦ θρόνου αὐτοῦ [θεοῦ] aufhalten und ebenfalls χάρις und εἰρήνη zu spenden in der Lage sind888. 882. Über die hier aufgewiesenen Belege ist dieser Titel noch in Apk 15,3; 16,14; 19,6.15 und 22,21 belegt, bis auf Apk 19,15 immer in Verbindung mit dem κύριος-Titel; vgl. hierzu W.F. Moulton/A.S. Geden, Concordance, s.v. παντοκράτωρ, 749. 883. Vgl. hierzu etwa die ausführliche Diskussion und Darstellung der entsprechenden Belege, die im Rahmen der vorliegenden Studie nicht umfassend dargestellt werden können, bei D.E. Aune, Apk I, 30–32.32f., vgl. darüber hinaus auch U.B. Müller, Apk, 72. 884. Vgl. hierzu bereits H. Kraft, Apk, 31: „Auch der dritte Ausdruck ist ungewöhnlich. Wir hätten ὁ ἐσόμενος erwarten müssen“, und D.E. Aune, Apk I, 32: „Instead of the phrase ὁ ἐρχόμενος … one fully expects the temporal expression ὁ ἐσόμενος“. Aune verweist in diesem Zusammenhang auf einen entsprechenden Beleg bei Clemens Alexandrinus, strom. 5,6. 885. Vgl. hierzu sehr deutlich U.B. Müller, Apk, 72: „Was Offb 1,4 von den Parallelen unterscheidet, ist die Ausformung des dritten Gliedes, das vom eschatologischen Kommen Gottes redet. Der Seher erwartet das Eintreffen der Endereignisse für bald …. Dementsprechend ist Gott für ihn der, der in Kürze zu seinem eschatologischen Handeln kommt. Als der zukünftig Eingreifende verleiht er doch jetzt schon ‚Gnade und Frieden‘“. 886. Vgl. zu dieser Gruppe der ἑπτὰ πνεύματα neuestens M. Karrer, Apk I, 215–217, der hier in Sonderheit auf Parallelen aus der Qumran-Literatur verweist. Angesichts der in der Apk insgesamt nachweisbaren Terminologie werden diese sich kaum mit ἄγγελοι identifizieren lassen; anders hier jedoch M. Karrer, Apk I, 216 unter Verweis auf Apk 8,2. 887. Zu diesem Aspekt vgl. D.E. Aune, Apk I, 33: „The fact that τῶν ἑπτὰ πνευμάτων is articular suggests that the phrase is familiar to the readers“. 888. Vgl. hierzu etwa U.B. Müller, Apk, 73: „Als weiterer Ursprung des Segens fungieren die sieben Geister vor Gottes Thron“.

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

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Jenseits der Frage nach einer eher theologischen oder eher christologischen Akzentuierung der Gestalten der ἑπτὰ πνεύματα in Apk 1,4d bzw. Apk 3,1b fallen nun jedoch – und in dieser Hinsicht wäre M. Stowasser durchaus zuzustimmen889 – zwischen diesen beiden Darstellungen der Figuren der ἑπτὰ πνεύματα deutliche Unterschiede auf: (a) In Apk 1,4d treten die ἑπτὰ πνεύματα als eine ἐνώπιον τοῦ θρόνου θεοῦ befindliche eigenständige und auch eigenständig agierende Gruppe auf, die mit der Person des Christus gänzlich unverbunden erscheint. In Apk 3,1b hingegen wird der in den Sendschreiben redende Christus als jemand beschrieben, der diese sieben – nun deutlich exponierter christologisch und nicht mehr, wie in Apk 1,4b, noch ausschließlich theologisch akzentuierten – Geistergestalten ‚hat‘, also als eng mit ihnen verbunden auftritt. Dies gilt umso mehr, als die Gestalten der ἑπτὰ πνεύματα gemeinsam mit den ἑπτὰ ἀστέρες als von Christus ‚habend‘ beschrieben werden890, eine Auskunft, die in Sonderheit aufgrund der Ausführungen in Apk 1,16a (ἔχων [!] ἐν τῇ δεξιᾷ χειρὶ αὐτοῦ ἀστέρας ἑπτά) die (Erst-)Rezipienten dazu veranlassen muss, die Gruppe der ἑπτὰ πνεύματα als ebenfalls ἐν τῇ δεξιᾷ χειρὶ αὐτοῦ, d.h. Χριστοῦ, befindlich vorzustellen891. (b) Die Ausführungen in Apk 1,4d lassen die ἑπτὰ πνεύματα als augenscheinlich soteriologisch aktive, nämlich χάρις und εἰρήνη spendende Gruppe auftreten, wohingegen sie in Apk 3,1b in dieser Hinsicht eher bedeutungslos erscheinen. Diese hier aufgewiesene, näherhin durchaus als inhaltliche Spannung892 zu kennzeichnende textliche Diskontinuität zwischen Apk 1,4d und Apk 3,1b – immerhin scheinen die Figuren der ‚sieben Geister‘ den jeweiligen Ausführungen konzeptionell jeweils gänzlich unterschiedlich angelegt zu sein 889. Vgl. hierzu Sendschreiben, 52. 890. Vgl. hierzu etwa O. Cremer, Sohn Gottes, 143 (vgl. zu dem entsprechenden Zitat bereits o. 240, A. 554). 891. Vgl. hierzu sehr schön W. Bousset, Apk, 185: „Vor allem aber zeigt die vorliegende Stelle einen ganz andern Stil, als jene spiritualisierenden Vorstellungen. Es steht hier eben nicht, daß der Messias im Besitz von sieben Geistern sei, sondern ganz real und konkret stehen die sieben Geister neben dem Χριστός. Was wir hier vor Augen haben, ist eine Vorstellungsform polytheistischer Mythologie, von der von vornherein behauptet werden darf, daß sie weder auf alttestamentlichem noch auf neutestamentlichem Boden gewachsen ist, wenn auch unser Apok[alyptiker]., als er sie aufnahm, von deren ursprünglicher Bedeutung und Herkunft wohl kaum noch eine Ahnung gehabt hat“. Die religionsgeschichtlichen Konsequenzen, die Bousset hier formuliert, mögen sich in der Gegenwart als überholt erzeigen, die ihnen zugrundeliegende Textbeobachtung trifft jedoch vollständig zu. Vgl. in diesem Zusammenhang auch M. Karrer, Johannesoffenbarung, 130, der im Blick auf Apk 3,1b von einer nachträglichen christologischen Bindung der Gruppe der ἑπτὰ πνεύματα spricht; diese nachträgliche christologische Bindung, die ob ihrer Nachträglichkeit in jedem Falle einer Erklärung bedarf, wird in Apk 1,4d allerdings in keiner Weise indiziert. 892. Vgl. hierzu bereits o. 33 mit A. 32.

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– ließe sich im Zuge der Rezeption im Grundsatz nur überwinden, indem die (Erst-)Rezipienten diese eigentlich auseinanderlaufenden Akzentuierungen der Gruppe der ἑπτὰ πνεύματα im Rahmen einer als subjektiv zu bezeichnenden, d.h. ohne jeglichen Anhalt am Text der Apk zu vollziehenden Sinnbildung miteinander verknüpften. Das aber hieße: Die die Gruppe der ἑπτὰ πνεύματα betreffenden Ausführungen in Apk 1,4d und in Apk 3,1b scheinen unterschiedlichen Phasen des Prozesses des Wachstums des Textes Apk 1–3 zugeordnet werden zu müssen893. Allerdings aber werden die ἑπτὰ πνεύματα in Apk 3,1b explizit als ἑπτὰ πνεύματα τοῦ θεοῦ beschrieben, ein Sachverhalt, der der von den (Erst-)Rezipienten zu vollziehenden subjektiven Sinnbildung immerhin eine am Text selbst verifizierbare objektive Grundlage verleiht und die hier aufgewiesene textliche Diskontinuität überwinden hilft. Diese Beobachtung spricht eher gegen die Annahme, im Blick auf die jeweilige Kreation der die Gruppe der ἑπτὰ πνεύματα betreffenden Darstellungen in Apk 1,4d und Apk 3,1b unterschiedliche Phasen des Textwachstumsprozesses anzunehmen; vielmehr scheinen die auf diese Gruppe bezogenen Ausführungen in Apk 3,1b gegenüber denjenigen in Apk 1,4d einen ergänzenden oder erweiternden, neue Aspekte der Gruppe der ἑπτὰ πνεύματα vermittelnden Charakter zu tragen. Insgesamt reicht die hier aufgewiesene inhaltliche Spannung zwischen Apk 1,4d und Apk 3,1b somit nicht zu, die beiden Ausführungen in unterschiedliche Textwachstumsphasen einzuordnen. Die Ausführungen in Apk 4,5c und insbesondere diejenigen in Apk 5,6c lassen sich in gewisser Weise durchaus als – wenn auch womöglich eher unbeholfene – Versuche verstehen, diese in Apk 1,4d; 3,1b vorliegenden gegeneinanderlaufenden Akzentuierungen der Gruppe der ἑπτὰ πνεύματα zusammenzuführen; zumindest in Apk 5,6c – hier greift der Apokalyptiker Ausführungen aus Sach 4,10 auf894 – erscheinen diese nämlich einerseits als Augen des ἀρνίον Christus, also als eng mit 893. R.H. Charles, Apk I, 12 plädiert dafür, die Ausführungen in Apk 1,4d als eine spätere, nicht vom Verfasser der Apk stammende Interpolation anzunehmen: „Now, if we identify ‚the seven spirits‘ and the seven archangels, it is inconceivable that the Seer, who issued so emphatic a polemic against angel worship, could have inserted such a clause as 4c between 4b and 5a. … For whatever be the dignity possessed by the seven spirits, they were after all merely created beings in the opinion of the Seer, and could not therefore be put by him on a level with God and Jesus Christ or represented as fitting objects for man’s worship“. Angesichts der engen syntaktischen Verknüpfung von Apk 1,4d mit Apk 1,4c und Apk 1,5a ist jedoch vielmehr zu fragen, ob die Ausführungen in Apk 1,4f. und diejenigen des apokalyptischen Hauptteils Apk 4–22, innerhalb dessen, wie von Charles zutreffend beobachtet, gegen die Verehrung von Engeln polemisiert wird, von einer Hand stammen können. Zum Aspekt der Polemik gegen eine in den in der Apk angeschriebenen christlichen Gemeinden der römischen Provinz Asia womöglich verbreiteten Engelchristologie vgl. auch M. Karrer, Johannesoffenbarung, 147–149. 894. Vgl. hierzu etwa A. Satake, Apk, 210.

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diesem verbundene und christologisch akzentuierte Figuren, andererseits jedoch eben auch, theologisch akzentuiert und ihre eigenständige Wirkmächtigkeit betonend, als οἵ εἰσιν τὰ [ἑπτὰ] πνεύματα τοῦ θεοῦ ἀπεσταλμένοι εἰς πᾶσαν τὴν γῆν895. Diese in Apk 5,6c vorliegende Interpretation lässt aber deren ihr inhärente Subjektivität, d.h. die vollständig fehlende Textbezogenheit, deutlich erkennen.

In Apk 1,5a wird die Figur des Χριστός zunächst mit Hilfe einiger – auffälligerweise im Nominativ verwendeter896 – Substantive bzw. substantivierter Adjektive in titularer Form897 näher charakterisiert; Christus wird beschrieben bzw. betitelt als μάρτυς, dann als πιστός und als πρωτότοκος τῶν νεκρῶν898, schließlich als ἄρχων τῶν βασιλέων899 τῆς γῆς900. In Apk 1,5b.6, einem offensichtlich auf die gemeindliche Taufpraxis Bezug nehmenden doxologischen Abschnitt901, bietet der Apokalyptiker dann eine Darstellung des 895. In diese Richtung etwa H. Giesen, Apk, 168f.: „Daß die sieben Augen mit den sieben Geistern Gottes identifiziert werden, bedeutet, daß dem Lamm die Fülle der dienstbaren Geister …, nicht der Heilige Geist …, zur Verfügung steht“. 896. Nach M. Karrer, Apk I, 211 behandelte der Apokalyptiker die hier vorliegenden Christusprädikationen, wie auch schon die Gottesprädikationen in Apk 1,4c, „wie Namen“ und verwendete sie dementsprechend indeklinabel (vgl. hierzu bereits o. 321–322). 897. U.B. Müller, Apk, 74 spricht in diesem Zusammenhang von Titelprädikationen. 898. T. Holtz, Christologie, 57 weist darauf hin, dass dieses Syntagma „nicht nur die Auferstehung selbst aus[drücke], sondern zugleich die damit gewonnene Herrenstellung“. 899. Vgl. zu diesem Titel etwa H. Giesen, Apk, 77: „Jesus Christus ist sodann auch ‚der Herrscher über die Könige der Erde‘, die im Anschluß an Ps 2,2 in der Offb stets gottfeindliche politische Machthaber sind“. 900. Vgl. zu diesen Titulaturen und ihren theologischen Implikationen insgesamt H. Giesen, Apk, 77: „Wie die Gottestitel beziehen sich auch die drei christologischen Titel auf die Gegenwart der Gemeinde: Christus bezeugt die eschatologische Botschaft in der Offb zuverlässig, er garantiert den Christen, die sein Herrsein anerkennen, die Auferstehung von den Toten und sichert ihnen zu, daß er entgegen allem Schein die gottfeindlichen Inhaber politischer Macht in der Hand hat. Das ist in der Tat eine ermutigende Botschaft, die an die bedrängten Christen am Ende des 1. Jh. ergeht“. M. Karrer, Apk I, 217 zufolge habe der Apokalyptiker diese Motive sämtlich aus Ps 88LXX entnommen. Allerdings werde das solchermaßen bezeichnete ἀρνίον Christus „nicht einfach [als] der erhoffte Davidide“ (217) vorgestellt; vielmehr verlange „Christus ... in der Apk aus himmlischer Höhe Anerkennung und Gehör bei allen irdischen Herrschern, implizite samt den Kaisern. Er ist ihr himmlischer Fürst“ (218); vgl. hierzu insgesamt 217f. 901. Vgl. hierzu etwa A. Satake, Apk, 131; zur Gliederung dieser Doxologie vgl. etwa D.E. Aune, Apk I, 43; Aune zufolge bestehe diese Doxologie aus „a compound doxology consisting of two phrases in the dativus commodi, a liturgical form that is comparatively rare in the NT“ (46). T. Holtz, Christologie, 61 spricht von einer „dreigliedrige[n] Aussage, die die Tat des Christus für die Gemeinde entfaltet“. D.E. Aune, Apk I, 49 weist darauf hin, dass die christologische Adresse dieser Doxologie im Kontext der urchristlichen Literatur durchaus als ungewöhnlich zu bezeichnen ist. M. Karrer, Apk I, 206 weist darauf hin, dass der Aufbau des Briefpräskripts Apk 1,4–6 in Sonderheit demjenigen des Gal entspricht; daraus folgert er: „Nehmen wir hinzu, dass Apk 1,5 und Gal 1,4 noch ein weiteres Motiv, das der Überwindung der Sünden teilen, spricht einiges dafür, dass das Formular des Gal als Modell einer ortsübergreifenden Anschrift in die Nachbarschaft der Asia ausstrahlte“. Ob eine solche

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„vergangene[n] christologische[n] Heilsgeschehen[s], das das neue Sein der Christen erst ermöglicht“902: Christus, der die ἡμεῖς, offensichtlich die in Apk 1,4 intendierten Glieder der sieben Gemeinden in der römischen Provinz Asia, liebe903 und in der Vergangenheit von ihren ἁμαρτίαι durch sein Blut erlöst904 habe, habe dieselben, wiederum augenscheinlich bereits in der Vergangenheit905, zur βασιλεία und zugleich906 zu ἱερεῖς τῷ θεῷ καὶ πατρὶ αὐτοῦ gemacht, d.h. ernannt oder aber eingesetzt907 – ein Sachverhalt, den der Apokalyptiker expliziert, indem er im Rahmen seiner Ausführungen in Apk 1,6a offensichtlich auf Ex 19,6 zurückgreift. Diese Ausführungen lassen deutlich erkennen, dass der Apokalyptiker in Apk 1,5b.6, somit also an exponierter Stelle seines Œuvre, offensichtlich beabsichtigt, den „Indikativ des schon erlangten Heiles“908, somit also die Grundlinien einer präsentisch akzentuierten, soteriologisch auf dem Kreuzesgeschehen fußenden Eschatologie zu formulieren909. weitreichende Schlussfolgerung aus dieser beobachteten strukturellen Parallelität gezogen werden kann, muss allerdings fraglich bleiben. 902. U.B. Müller, Apk, 74; Müller spricht in diesem Zusammenhang von Tatprädikationen, die der Person des Christus hier beigelegt werden. 903. Die an dieser Stelle vorliegende partizipiale Wendung τῷ ἀγαπῶντι „deutet die Kontinuität des Verhaltens“ (A. Satake, Apk, 132) der Person des Christus an; in diesem Sinne auch U.B. Müller, Apk, 75: „Hier … wählt der Verfasser das Präsens, um die fortdauernde Liebe des Christus zu seiner Gemeinde zu betonen“. Vgl. hierzu auch W. Bousset, Apk, 188: „Das Präsens … ist wegen des folgenden Aor[ist]. wirklich als Präsens zu nehmen“. 904. Zu den mit diesem Verbum verbundenen textkritischen Problemen vgl. etwa D.E. Aune, Apk I, 42. 905. Vgl. hierzu U.B. Müller, Apk, 76: „In der doxologischen Aussage von 1,5b.6 redet der Verfasser von der bereits vollzogenen Einsetzung in die Herrschaft, von der erfolgten Bestellung zu Priestern (Aorist!)“. 906. Vgl. zu der hier explizierten Trennung dieser beiden Aspekte etwa D.E. Aune, Apk I, 48: „John … appears to be drawing on a very early Jewish understanding of Exod 19:6 in terms of two distinct privileges rather than the single one reflected in the MT and LXX“. 907. Zu dieser Deutung des Verbums ποιέω im vorliegenden Zusammenhang vgl. U.B. Müller, Apk, 75: „Es handelt sich um die offizielle Einsetzung in neue Funktionen (wörtlich ‚machen zu‘ in der Bedeutung ‚einsetzen‘ bzw. ‚ernennen‘ …)“. 908. U.B. Müller, Apk, 75; vgl. hierzu auch H. Giesen, Apk, 79: „In 1,5b.6 betont der Seher den Heilsindikativ: Die Christen sind aufgrund der Heilsgaben, die sie in der Taufe empfangen haben, für die bevorstehenden Versuchungen von seiten der nichtchristlichen Umwelt gewappnet“. 909. Vgl. hierzu sehr prägnant E. Lohmeyer, Apk, 11: „…; jeder Gläubige ist König und Priester zugleich …. Erst so tritt der überschwängliche Stolz des Sehers, der auf den einzelnen Gläubigen mehr an Würde legt, als sie dem atlichen Gottesvolk zukommt, klar ins Licht“. Ebenfalls deutlich M. Karrer, Johannesoffenbarung, 116: „Alle Glieder der Glaubensformulierung von 1,5b.6a legen demnach ihr Gewicht auf die volle Gegenwart des Heils“, noch deutlicher ders., Apk I, 221: „Auf die heilige Nähe zu Gott kommt es der Apk an. Sie ist jedem Christen und jeder Christin lebenslang durch Christus schöpferisch zugeeignet. Christus beseitigte die Sünden, die sie beeinträchtigen könnten, und trägt das von schuldiger Unreinheit freie Leben durch seine starke Liebe. Die Christen vermögen darum ohne jede

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In der Forschung wird die Bedeutung des Terminus βασιλεία kontrovers diskutiert. Während einerseits dafür plädiert wird, diesen Begriff im Sinne von ‚Königsherrschaft‘ zu verstehen, somit also den mit den Personalpronomen ἡμεῖς bezeichneten Christen eine bereits in der Gegenwart realisierte Herrscherfunktion zuschreiben zu wollen910, wird andererseits der Versuch unternommen, jenen im Sinne von ‚königliches Volk‘, über das Gott oder Christus in der Gegenwart bereits herrschen, zu deuten911. Für die erste Interpretation sprechen die Ausführungen in Apk 5,10; hier weist der Apokalyptiker darauf hin, dass das ἀρνίον Christus Menschen aus allen Völkern zur βασιλεία und zugleich ἱερεῖς gemacht habe und jene selbst – und eben nicht als Untertanen Gottes oder Christi – über die Erde herrschen werden: καὶ ἐποίησας αὐτοὺς τῷ θεῷ ἡμῶν βασιλείαν καὶ ἱερεῖς, καὶ βασιλεύσουσιν ἐπὶ τῆς γῆς. Dieser Hinweis legt die Annahme nahe, dass der Apokalyptiker mit dem Begriff βασιλεία eben nicht den Gedanken eines zwar königlichen, aber letztendlich doch selbst auch nur beherrscht werdenden, sondern denjenigen eines im Rahmen einer aktiven Königsherrschaft selbst herrschenden Volkes zu transportieren beabsichtigte, eine Annahme, die auch durch die Darlegungen in Apk 20,6c gestützt wird912. Gesetzt aber den – hier als unwahrscheinlich aufgewiesenen – Fall, dass die Deutung des Terminus βασιλεία im Sinne von ‚königliches Volk‘ zuträfe, so ergäbe sich in der Relation zwischen den Ausführungen Apk 1,5b.6 und Apk 5,9cf. eine andere als die u. aufgezeigte, als inhaltliche Spannung zu definierende textliche Diskontinuität913: Auffällig wäre dann, dass der Apokalyptiker die mit den Personalpronomen ἡμεῖς bezeichneten Christen in Apk 1,5bf. als unter der Herrschaft eines anderen stehendes, selbst aber die Herrschaft nicht ausübendes ‚königliches Volk‘ charaktierisiert, in Apk 5,10b; 20,6c jenen hingegen eine offensichtlich eigenständige Herrscherfunktion zubilligt914.

Einschränkungen aus der Gottesgegenwart heraus zu leben. Sie wissen um Gottes nahes himmlisches Heiligtum und dienen ihm in königlicher Kraft und Würde“; vgl. darüber hinaus T. Holtz, Christologie, 70: „Die Erlösung der Gemeinde ist gegenwärtige Wirklichkeit; sie hat das als Besitz, was einst der Gemeinde des alten Bundes als eschatologische Gabe verheißen war“, und E. Schüssler Fiorenza, Apk, 63: „Indem er den ersten Aorist ins Präsens setzt, betont der Autor, daß die Liebe Christi jetzt mit denen ist, die Christus erlöst und zur Königsherrschaft eingesetzt hat, um Priester für Gott zu sein“. 910. Vgl. zu dieser ersten Interpretation etwa U.B. Müller, Apk, 75, E. Lohmeyer, Apk, 11: „…; jeder Gläubige ist König und Priester zugleich, und wird es dereinst ebenso sein“, und G.K. Beale, Apk, 192: „They not only have been made part of his kingdom and his subjects, but they have also been constituted kings together with him and share his priestly office by virtue of their identification with his death and resurrection“. 911. Vgl. zu dieser zweiten Deutung etwa H. Giesen, Apk, 78: „Die Christen werden zum königlichen Volk gemacht“; Giesen verweist in diesem Zusammenhang auf J. Roloff und M. Karrer; ähnlich hier auch C.R. Koester, Apk, 228: „Revelation considers the crucified and risen Christ to be the ruler of all of earth’s kings, while referring to the Christian community as his ‚kingdom‘ in a unique sense“. 912. Vgl. zur Interpretation von Apk 5,9f.; 20,6c u. 330–333. 913. Vgl. zu dieser textlichen Diskontinuitiät ausführlich u. 332–333. 914. Vgl. zu diesem Zusammenhang, zumindest im Grundsatz, auch I.T. Beckwith, Apk, 429: „The meaning is determined from the parallel 5,10, which the writer has in mind here, and from 20,6, passages which show that reference is made not to the saints as forming the kingdom over which Christ now rules, nor their present priestly character, but to the reign of the

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In Apk 1,7 wird im Rahmen eines ersten von zwei „prophetic oracles“915 dann der Blick auf das Wiederkommen Christi und die mit diesem Platz greifenden Ereignisse gelenkt916, ohne dass allerdings die zuvor fixierte präsentische Grundausrichtung der Eschatologie revidiert würde, da zumindest der Gedanke eines zukünftigen, auch die Christen betreffenden Gerichts, das deren gegenwärtigen Heilsstand noch einmal in Frage stellen könnte, oder aber derjenige einer endgültigen Zueignung des Heils erst in der Zukunft in diesen Ausführungen nicht transportiert werden917. Beschlossen wird die briefliche Einleitung in Apk 1,8 mit einer offensichtlich unmittelbar an den Apokalyptiker gerichteten Rede Gottes918, einem zweiten, von

saints and their priesthood in the messianic kingdom when it shall be established“; dieser letzte Gesichtspunkt ergibt sich aus Apk 1,5b.6 allerdings gerade nicht. 915. D.E. Aune, Apk I, 50; ein Briefprooemium, das einen Wohlergehenswunsch oder aber auch eine Freudensäußerung transportierte (vgl. hierzu H.-J. Klauck, Briefliteratur, 45f.), scheint innerhalb der brieflichen Einleitung Apk 1,4–8 nicht vorhanden zu sein. 916. Zu dieser inhaltlichen Diskrepanz vgl. bereits F. Spitta, Apk, 25f., der diese literarkritisch bzw. redaktionsgeschichtlich auswerten möchte: „Diese Verse [d.h. Apk 1,7f.] sprechen energisch den Gedanken von der Wiederkunft Christi in Herrlichkeit als Richter der Welt aus. Derselbe tritt als ein ganz neues Moment neben den Eingang 1,4–6, wo nur von Jesu Lehrthätigkeit, seiner Auferstehung und himmlischen Herrlichkeit sowie von seiner Erlöserthätigkeit an seiner Gemeinde die Rede ist. … In den Briefen aber, welche durch die Vision 1,9ff. eingeleitet werden, handelt es sich durchweg um das gegenwärtige Verhältnis zwischen Christus und den Gemeinden; …. So unterbricht nicht bloss formell, sondern auch inhaltlich das Stück 1,7f. den Zusammenhang und ist deshalb entschieden einer späteren Feder zuzuschreiben“. 917. Dies gilt insbesondere dann, wenn Apk 1,7 mit T. Holtz, Christologie, 136 im Sinne eines Hinweises auf eine zukünftige universale Gnadenzeit interpretiert wird: „So hat die Verheißung der Parusie des Christus 1,7 nicht den drohenden Klang des Gerichtes, sondern eher den befreienden Klang der kommenden Gnade; mit dem Erscheinen des Christus wird die Feindschaft der Welt überwunden sein“. Anders hier allerdings die Mehrheit der Forschung, die in diesem Wort die Ankündigung eines Gerichts über die Menschheit sieht; vgl. etwa U.B. Müller, Apk, 77: „1,7 ist ein Gerichtsspruch über die schuldige Menschheit. Von einer Trauer der Völker um das Schicksal des gekreuzigten Christus, die ihre Reue andeutet …, ist keinesfalls die Rede“. Eine vermittelnde Position scheint J. Roloff einnehmen zu wollen, der formuliert: „Was er [d.h. der Apokalyptiker] in dieser [von ihm in Apk 1,7 aufgenommenen] Tradition fand, war eine Aussage über die Begegnung der großen Menge der Nicht-Glaubenden [!] mit dem wiederkommenden Christus: Sie alle werden ihn dann als den Herrscher und Richter erkennen, und diese Erkenntnis wird bei ihnen den Trauergestus auslösen, zugleich als Eingeständnis der Mitschuld am Tode Jesu wie als sichtbares Zeichen der Buße und Umkehr zu Gott“. An dieser Stelle recht präzise D.E. Aune, Apk I, 59: „The first oracle uses a traditional combination of allusions to Dan 7:13 and Zech 12:10 to predict the Parousia … of Christ as a cosmic event that will be witnessed by all and anticipates the distress and fear of unbelievers [!] about to experience judgement“. 918. Vgl. hierzu etwa J. Roloff, Apk, 36, der im Blick auf Apk 1,8 von einer direkten Gottesrede spricht, die sich in dieser Form in der Apk über Apk 1,8 hinaus nur noch in Apk 21,5–8 fände.

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LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

dem ersten deutlich abgesetzten919 „prophetic oracle“, in der Gott selbst sich in seiner allumfassenden Relevanz offenbart920. Die Ausführungen des Apokalyptikers in Apk 1,7 stellen einen Text dar, der in Apk 1,7a zunächst auf Dan 7,13b921, angesichts der Verwendung der Präposition μετά offensichtlich eher auf die bei Theodotion überlieferte Fassung als auf die LXX oder MT, daran anschließend dann auf Sach 12,10ff. Bezug nimmt. Die folgende Tabelle stellt die entsprechenden Bezugnahmen heraus: Apk 1,7 Apk 1,7a: ἰδοὺ ἔρχεται μετὰ τῶν νεφελῶν,

Apk 1,7b: καὶ ὄψεται αὐτὸν πᾶς ὀφθαλμὸς Apk 1,7c: καὶ οἵτινες αὐτὸν ἐξεκέντησαν, Apk 1,7d: καὶ κόψονται ἐπ᾽ αὐτὸν πᾶσαι αἱ φυλαὶ τῆς γῆς. ναί, ἀμήν.

MT

LXX

‫ם־ענָ ֵנ֣י ְשׁ ַמ ָ֔יּא ְכּ ַ ֥בר ֱא ָנ֖שׁ‬ ֲ ‫רוּ ִע‬ ֙ ‫ וַ ֲא‬Dan 7,13b: ἰδοὺ Dan 7,13b:  ‫ ָא ֵ ֣תה ֲהָו֑ה‬ἐπὶ τῶν νεφελῶν τοῦ οὐρανοῦ ὡς υἱὸς ἀνθρώπου ἤρχετο

Theodotion Dan 7,13b: ἰδοὺ μετὰ τῶν νεφελῶν τοῦ οὐρανοῦ ὡς υἱὸς ἀνθρώπου ἐρχόμενος ἦν

Sach 12,10bα:  ‫ וְ ִה ִ ֥בּיטוּ ֵא ַ ֖לי‬Sach 12,10bα: ./. ἐπιβλέψονται πρός με Sach 12,10bβ: ‫ר־דּ ָ ֑ קרו‬ ָ ‫ ֵ ֣את ֲא ֶשׁ‬./.

‫ל־היָּ ִ֔חיד‬ ַ ‫ וְ ָס ְפ ֣דוּ ָע ֗ ָליו ְכּ ִמ ְס ֵפּ ֙ד ַע‬Sach 12,10c: Sach 12,10c: κόψονται ἐπ᾽ αὐτὸν κοπετὸν ὡς ἐπ᾽ ἀγαπητὸν

./.

./.

Auffällig – und in der Exegese auch immer wieder beobachtet worden – ist nun, dass in Apk 1,7a im Blick auf die Gestalt des Ἰησοῦς Χριστός der in Dan 7,13LXX/ Theod nachweisbare Titel ὡς υἱὸς ἀνθρώπου nicht verwendet worden ist922. Dies 919. Vgl. hierzu L. Hartman, Form, 137: „As a rule commentators take V. 7 together with V. 8, but as a matter of fact, the two verses are separated by nai, amên, and by the rather abrupt introduction of V. 8“. 920. Vgl. hierzu etwa H. Giesen, Apk, 81: „Zu seinem [d.h. Gottes] Herrschaftsbereich gehört wirklich alles. Der Gott Jesu Christi hat als der einzige Gott keinen wirklichen Konkurrenten. Ihm ist die Macht nicht gegeben, sondern er hat sie in Fülle aus sich selbst“. 921. A. Satake, Apk, 134, erwägt, dass der Apokalyptiker sich „nicht direkt an die Danielstelle an[lehne], sondern an eine Variante von ihr, die in der frühchristlichen Kirche geläufig war“. 922. K. Huber, Menschensohn, 124 vermutet, dass der Apokalyptiker auf diese Titulatur verzichtet habe, „wohl um die intendierte Identifizierung des Kommenden mit dem zuvor in Offb 1,5 genannten Jesus Christus nicht zu gefährden“. Gegen diese Annahme spricht jedoch zweierlei: (a) Zur Zeit der Abfassung der Apk dürfte die Indentifikation des kommenden Christus mit der Figur des υἱὸν ἀνθρώπου bereits so geläufig gewesen sein (vgl. die entsprechenden Belege u.), dass die Verwendung dieses Titels in Apk 1,7 die intendierte Identifikation

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DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN APK 2–3

könnte motiviert sein durch den Sachverhalt, dass dieser Titel in Apk 1,13 im Rahmen der Vision Apk 1,9ff. in der Form ὅμοιος υἱὸν ἀνθρώπου auf die dem Apokalyptiker auf Patmos erscheinende Gestalt bezogen wird, somit in gewissem Sinne schon anderweitig besetzt ist und daher nicht mehr, zumindest nicht mehr unmittelbar, auf die Figur des Kommenden bezogen werden kann. Denkbar ist – darüber hinaus, möglicherweise aber auch in Addition zu dieser ersten Überlegung – auch, dass der Apokalyptiker mit dem Verzicht auf die Verwendung des Menschensohntitels in Apk 1,7 die etwa in den synoptischen Evangelien erkennbare Verbindung des Gedankens des (Wieder-)Kommens Jesu mit demjenigen eines Gerichts am Ende der Zeit923 aufbrechen wollte, eine Zielsetzung, die dem präsentisch-eschatologischen Akzent der Darstellung Apk 1,5b.6 und dem Konzept eines in der Gegenwart zumindest an den Christen bereits vollzogenen Gerichts vollständig entspräche924.

Werden nun die in Apk 1,5b.6 vorliegenden, den soteriologischen Status der Christen beschreibenden Ausführungen mit den durchaus ähnlich lautenden und somit als Bezugnahmen auf Apk 1,5b.6 zu interpretierenden in Apk 5,9cf., einer von den εἴκοσι τέσσαρες πρεσβύτεροι gesungenen ᾠδὴ καινή, verglichen925, so tritt in letzteren eine deutlich andere theologische Akzentsetzung zutage als in ersteren: Hebt die Darstellung in Apk 1,5b.6 auf die Gegenwart des Heils und auf die Gegenwart des – in der Gegenwart bereits unabänderlich scheinenden – Heilsstatus der Christen ab, ohne futurisch-eschatologische Entwicklungen oder Veränderungen dieses Heilsstatus auch nur im Ansatz zu des Kommenden mit der Person des Ἰησοῦς Χριστός kaum gefährdet hätte. (b) Wenn der Titel des υἱὸν ἀνθρώπου die Identifikation des Kommenden mit der Christusgestalt erschwerte, bleibt zu fragen, warum jener dann in Apk 1,13 offensichtlich gänzlich zwanglos eben derselben beigelegt werden kann; würde die These Hubers konsequent weitergedacht, ergäbe sich entweder die Annahme, dass in Apk 1,9ff. ein anderer als die Figur des Christus die Bühne beträte, oder aber diejenige, dass Apk 1,9ff. von jemand anderem als demjenigen, auf den die Ausführungen in Apk 1,4–8 zurückgehen, verfasst worden sei. A. Satake, Apk, 135 führt für den Verzicht auf die Verwendung des Titels υἱὸς ἀνθρώπου kontextuelle Gründe an: „Der V[er]f[asser]. entfaltet nämlich in 1,5–7 christologische Aussagen in drei Zeitstufen: Um die Einheit der Aussagen zu bewahren, führt er in V. 7 keinen neuen Titel ein“. Inwiefern nun allerdings ein neuer, zur Zeit der Abfassung der Apk sicherlich keinesfalls innovativer Titel die Einheit dieser christologischen Aussagen gesprengt hätte, muss dahingestellt bleiben, insbesondere angesichts der Struktur der Ausführungen etwa in Mk 13,26f. und Mk 14,62, innerhalb derer Jesus von sich als ἀνθρώπου in der 3. Person spricht (vgl. zu diesem Belegen auch u.). 923. Als Beispiele seien hier Mk 13,26f. und Mk 14,62 sowie die entsprechenden synoptischen Parallelen genannt; vgl. zu diesen beiden Belegen A. Satake, Apk, 134. 924. Anders hier U.B. Müller, Apk, 77, der allgemein feststellt: „Einen theologischen Grund für die Weglassung der Menschensohnbezeichnung anzunehmen, legt sich nicht nahe“; anders hier auch A. Satake, Apk, 134, der dem Apk 1,7 vorliegenden Hinweis auf das (Wieder-)Kommen Jesu „eine polemische Intention gegen gewisse Christen, die sich für bereits Vollendete halten“ beilegen möchte, mit dieser Erwägung aber das Fehlen des Menschensohntitels gerade nicht erklären kann. 925. Zur Berechtigung dieses Unterfangens vgl. etwa A. Satake, Apk, 132: „Unserem Lobspruch steht der Hymnus über das Lamm in 5,9b–10 sehr nahe“.

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LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

insinuieren, wird innerhalb der Ausführungen in Apk 5,9c.10 – und noch deutlicher innerhalb derjenigen in Apk 20,6c – eine eschatologische Konzeption erkennbar, die einen unmittelbar futurischen Akzent trägt. Üben die Christen nach Apk 1,6 ihre βασιλεία in der Gegenwart der Abfassung der Apk offensichtlich bereits aus, werden sie Apk 5,10b; 20,6c zufolge erst in der Zukunft über die Erde herrschen, d.h. erst in der Zukunft ihre βασιλεία – und nach Apk 20,6c gar auch ihre Priesterschaft – realisieren926. Die angefügte Tabelle und die in ihr gebotene Gegenüberstellung vermögen einerseits die semantische Parallelität zwischen beiden Passagen, andererseits zugleich aber auch die als inhaltliche Spannung zu beschreibende textliche Diskontinuität927 zwischen beiden deutlich zu explizieren: Darstellungsebene

Apk 1,5b.6

Apk 5,9c.10

Apk 20,6c

das gegenwärtige Verhältnis des Christus zu den Christen

τῷ ἀγαπῶντι ἡμᾶς ./.

./.

die geschichtlich wirksame Heilstat Christi

καὶ λύσαντι ἡμᾶς ἐκ τῶν ἁμαρτιῶν ἡμῶν ἐν τῷ αἵματι αὐτοῦ,

ὅτι ἐσφάγης καὶ ἠγόρασας τῷ θεῷ ἐν τῷ αἵματί σου ἐκ πάσης φυλῆς καὶ γλώσσης καὶ λαοῦ καὶ ἔθνους

./.

soteriologische Konsequenzen in der Gegenwart

καὶ ἐποίησεν ἡμᾶς βασιλείαν, ἱερεῖς τῷ θεῷ καὶ πατρὶ αὐτοῦ

καὶ ἐποίησας αὐτοὺς τῷ θεῷ ἡμῶν βασιλείαν καὶ ἱερεῖς,

./.

926. Diese textliche Diskontinuität bemerkt U.B. Müller, Apk, 76, der formuliert: „In der doxologischen Aussage von 1,5b.6 redet der Verfasser von der bereits vollzogenen Einsetzung in die Herrschaft, von der erfolgten Bestellung zu Priestern (Aorist!). Die zugrundeliegende Tauftradition, die die schon vollendete Rettung betont, kann sich hier voll auswirken. In 5,10; 20,6 erweist sich allerdings, daß die Realisierung dieses Heils angesichts des Widerstandes der Welt und ihrer widergöttlichen Mächte noch aussteht (Futur!)“. Darüber hinaus formuliert Müller im Blick auf Apk 5,10: „Von der Herrschaftsausübung der Christen selbst wird wie 20,4; 22,5 nur zukünftig geredet“. Vgl. zu letzterem auch A. Satake, Apk, 213: „Das künftige Herrschen der treuen Christen ist für den V[er]f[asser]. ein wichtiges Thema (2,26; 20,4.6); der ganze Visionenteil schließt mit dem Wort: ‚Sie werden herrschen von Ewigkeit zu Ewigkeit‘ (22,5)“. Vgl. zu dieser Diskontinuität über Müller hinaus auch P. Prigent, Apk, 120, der einerseits feststellt: „The work of Christ which is celebrated here as having been accomplished on behalf of Christians will be presented as a promise in Rev 20:6, 22:3–5, in which the verbs are in the future tense“, der aber andererseits im Blick auf Apk 5,9f. urteilt: „The same line of reasoning [wie in Apk 1,5b.6]“. 927. Vgl. zu diesem Begriff bereits o. 33 mit A. 32.

332 soteriologische Konsequenzen in der Zukunft

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./.

καὶ βασιλεύσουσιν ἀλλ᾽ ἔσονται ἱερεῖς ἐπὶ τῆς γῆς τοῦ θεοῦ καὶ τοῦ Χριστοῦ καὶ βασιλεύσουσιν μετ᾽ αὐτοῦ [τὰ] χίλια ἔτη

M. Karrer erwägt im Blick auf Apk 5,10b, die hier aufgewiesene Diskontinuität zu überwinden, indem er der etwa von Codex A bezeugten Lesart βασιλεύουσιν den Vorzug geben möchte928. Diese Lesart löst allerdings das grundsätzliche Problem nicht, da in Apk 20,6c immer noch das textkritisch unumstrittene Futurum βασιλεύσουσιν verbleibt. Darüber hinaus scheint die Lesart βασιλεύσουσιν in Apk 5,10b als lectio difficilior zu bevorzugen zu sein929.

Zu fragen ist, warum der Apokalyptiker in Apk 1,5b.6 in einer solchermaßen pointierten Weise die Gegenwart des Heils betont, um diese Gegenwart im weiteren Verlauf seines Werkes dann immer mehr zugunsten einer soteriologischen Zukünftigkeit abzuschwächen? Zu fragen ist darüber hinaus, dieser ersten Frage durchaus entsprechend, welche Möglichkeiten sich denn den (Erst-)Rezipienten bieten, um mit dieser textlichen Diskontinuität umzugehen bzw. diese zu überwinden? M. Karrer formuliert in diesem Zusammenhang folgende Annahme: „Indem sein [d.h. des ἀρνίον] Heilshandeln darauf zielt, daß die von ihm erkauften und zum Herrschaftsbereich Gottes, zu dessen Priestern gemachten Menschen aus allen, auch den heidnischen Nationen … selber (futurisch!) herrschen werden (5,10b), deckt es in pointierter Weiterführung von 1,6a das Anliegen der Apk, ihren Adressaten zur Vergewisserung ihres Heils dessen Zukunftsdimension aufzuweisen“930. Wenn diese Annahme zutreffen sollte931, fragt sich allerdings, warum der Apokalyptiker diese soteriologische Zukunftsdimension, die doch nach Karrer auf eine Heilsvergewisserung zielen soll, nicht gleich in Apk 1,5b.6, 928. Vgl. hierzu Johannesoffenbarung, 238, A. 69: „Der enthusiastische Akzent wird noch deutlicher, wenn man 5,10b die mit A gut bezeugte präsentische Variante βασιλεύουσιν bevorzugt“; vgl. zur Bevorzugung dieser Lesart auch G.K. Beale, Apk, 361, H.B. Swete, Apk, 82 und E. Lohmeyer, Apk, 57. 929. Vgl. hierzu auch D.E. Aune, Apk I, 325 und W. Bousset, Apk 261, A. 3. Der Grund für die etwa im Codex A vorliegende präsentische Korrektur dürfte in dem Versuch liegen, Apk 5,10b an das in Apk 1,5b.6 Ausgeführte anzugleichen und damit die o. aufgewiesene Diskontinuität zu beseitigen oder aber doch deutlich abzumildern. 930. Johannesoffenbarung, 238. 931. Inwieweit freilich die Einführung einer soteriologischen Zukunftsdimension als solche bei den Adressaten bereits zu einer Heilsvergewisserung führen kann, muss zumindest erklärt werden, in jedem Falle dann, wenn diese bis dato vom Gedanken eines gegenwärtig bereits wirksamen Heils geleitet worden sind. Vor diesem Hintergrund wirkt die Einführung einer futurischen Dimension soteriologisch eher relativierend als vergewissernd.

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innerhalb des Briefpräskriptes, somit an exponierter Stelle, einführt, sondern damit bis zum fünften Kapitel seines Werkes wartet, und darüber hinaus offensichtlich bewusst eine inhaltliche Spannung in seine Darstellung aufnimmt, ohne diese rezeptionsästhetisch aufzulösen? Diese Frage ist in gleicher Weise auch an den von H.B. Swete dargebotenen Erklärungsversuch zu richten; jener nämlich nimmt an: „The reign of the Saints had begun in the life of the Spirit, though in the fuller sense it was yet future“932. Dass eine solche dialektische Interpretation grundsätzlich nicht unmöglich ist, soll nicht bestritten werden; warum aber wird diese dann nicht gleich in Apk 1,5b.6 in dieser umfassenden und vor allem für die (Erst-)Rezipienten unmittelbar nachvollziehbaren Weise formuliert? Diese unterschiedlichen Antworten lassen bereits erkennen, dass die (Erst-)Rezipienten, um in der Relation der Passagen Apk 1,5b.6 und Apk 5,9c.10 zueinander Kohärenz zu generieren, genötigt sind, die Ausführungen in Apk 1,5b.6 gegen die jenen inhärenten Textsignale bzw. an den jenen inhärenten Textsignalen vorbei zu interpretieren und ihnen einen inferentiell und subjektiv konstruierten Sinn zu unterlegen, den ihr Text selbst nicht indiziert. Dieser Sachverhalt legt seinerseits die Annahme nahe, dass sich beide Ausführungen jeweils unterschiedlichen Phasen innerhalb des Prozesses des Wachstums des Textes der Apk verdanken. Die o. bereits formulierte Beobachtung, dass sich im Laufe der Darstellung der Apk der präsentisch-eschatologische Aspekt zugunsten des futurisch-eschatologischen abzuschwächen scheint, spricht dafür, die Ausführungen in Apk 1,5b.6 einer früheren Phase dieses Wachstumsprozesses zuzuordnen als diejenigen in Apk 5,9cf.; 20,6c. Im umgekehrten Fall bliebe unerklärt, warum der Apokalyptiker die futurischeschatologisch konnotierten Aussagen in Apk 5,9cf.; 20,6c nicht entsprechend bearbeitet hat. Angesichts der etwa von D.E. Aune formulierten Beobachtung, dass „Rev 1:7–8 consists of two discrete units with no intrinsic literary connections, which are linked together only by virtue of the fact that they are sandwiched between two carefully defined textual units, the doxology in 1:5b–6 and John’s vision and commission in 1:9–3:22“933, ergibt sich darüber hinaus die Frage, ob die Passage Apk 1,4–8 in ihrer Gesamtheit auf ein- und denselben Verfasser zurückgehe und in einem Zug niedergeschrieben worden sei oder womöglich auch das Ergebnis eines Textwachstumsprozesses darstelle. Diese Frage wird verschärft durch den Sachverhalt, dass sich zwischen den Ausführungen in Apk 1,4c.8 einer- und denjenigen in 932. Apk, 82. 933. Apk I, 51.

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Apk 1,7 andererseits eine textliche Diskontinuität, präziser: eine inhaltliche Spannung erkennen lässt: Wird nämlich in Apk 1,4c.8 Gott als derjenige beschrieben, der als der ἐρχόμενος am Ende der Zeit auf die Erde kommen und dann auch entsprechend handeln wird, so tritt nach Apk 1,7 – und dies ist aufgrund des in Apk 1,7c Dargestellten nicht anders denkbar – Christus als der eschatologisch Kommende in Erscheinung, ohne dass in diesem Zusammenhang bzw. in diesem Logion von Gott die Rede wäre oder doch zumindest der Versuch unternommen würde, diese beiden keinsfalls deckungsgleichen Aussagen argumentationslogisch miteinander zu vermitteln934. Offen bleibt, warum der Apokalyptiker in Apk 1,4c.7.8 so diskontinuitär formuliert hat und wie die (Erst-)Rezipienten mit dieser Diskontinuität umgehen bzw. diese bewältigen sollen. J. Roloff macht den Vorschlag, beide Aussagen als sich komplementär zueinander verhaltend zu verstehen und führt zu Apk 1,4c aus: „Die hier vorliegende Formulierung steht dazu [, d.h. zum Gedanken des Wiederkommens der Person des Christus] nicht im Widerspruch; sie deutet vielmehr dieses Kommen Jesu als das Geschehen, in dem Gottes Geschichtsmächtigkeit sichtbar zum Ziel kommt“935. Einer solchen auf eine komplementäre Relation beider Gestalten zueinander ausgerichteten Interpretation936 widerrät allerdings die Beobachtung, dass der Apokalyptiker im Rahmen der salutatio Apk 1,4bf. die Person Gottes von derjenigen des Christus deutlich trennt, beide, getrennt noch dazu durch den Hinweis auf die Gruppe der ἑπτὰ πνεύματα, in ihrer Wirksamkeit als eigenständig darstellt und gerade nicht den Eindruck aufkommen lässt, dass letztere in eher immanenter Weise als Realisierung der Geschichtsmächtigkeit 934. Möglicherweise ist diese textliche Diskontinuität der Grund dafür, dass Codex ‫ א‬in seiner ursprünglichen Lesart in Apk 1,7c das Personalpronomen αὐτόν nicht bietet; fiele dieses weg, ließe sich Apk 1,7 in seiner Gesamtheit dann durchaus auf die Gestalt Gottes beziehen. 935. Apk, 32; J. Roloff tritt als einer der wenigen in Erscheinung, die das hier aufgewiesene Problem überhaupt wahrnehmen und diskutieren. Ähnlich hier A. Satake, Apk, 135, der im Blick auf die Ausführungen in Apk 1,8 formuliert: „Die Selbstprädikation Gottes hebt sich aus dem Kontext heraus, aber durch die Verwendung des gleichen Gottesprädikats wie in V. 4 rundet sie den Abschnitt ab und zeigt, dass das Wirken Christi, von dem in den Versen dazwischen (V. 5–7) die Rede gewesen ist, gerade die Entfaltung des Gottseins Gottes ist“. Anders als Roloff und Satake etwa H. Kraft, Apk, 31, der die Prädikation ὁ ἐρχόμενος mit der Figur des πνεῦμα verknüpfen möchte: „Als Gottesprädikat bezeichnet ‚der Kommende‘ aber die endzeitliche Ankunft des Heiligen Geistes; als eschatologische Heilserwartung ist sie unter anderem durch die Predigt Johannes des Täufers, durch die Täuferfrage und Jesu Antwort, und schließlich auch durch die Pfingstgeschichte zu belegen“. Woher aber sollen die (Erst-)Rezipienten der Apk das alles wissen? Die Figur des πνεῦμα ist in der Apk noch nicht eingeführt. 936. Eine in diesem Sinne komplementäre Zuordnung der Gestalt Gottes zu derjenigen Jesu Christi liegt etwa vor und wird expliziert in 2Kor 5,19: ὡς ὅτι θεὸς ἦν ἐν Χριστῷ κόσμον καταλλάσσων ἑαυτῷ, oder auch in Joh 1,1: ἐν ἀρχῇ ἦν ὁ λόγος, καὶ ὁ λόγος ἦν πρὸς τὸν θεόν, καὶ θεὸς ἦν ὁ λόγος. Eine vergleichbare Formulierung begegnet in Apk 1,4c.7.8 aber gerade nicht.

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der ersteren oder gar als Epiphanie oder Gestaltwerdung derselben begriffen werden solle. Diese Überlegung aber lässt, da sie im Blick auf die Relation von Apk 1,4c.(8) zu Apk 1,7 um des Kohärenzgewinnes willen die Notwendigkeit einer durch die (Erst-)Rezipienten gegen die Argumentationslogik des Textes selbst zu kreierenden subjektiven Sinnkonstitution indiziert, die Annahme wahrscheinlich erscheinen, dass die Ausführungen in Apk 1,4c.(8) einer- und Apk 1,7 andererseits unterschiedlichen Phasen des Prozesses des Wachstums des Textes Apk 1,4–8 zuzuordnen sind. Diese Annahme wird gestützt durch die Beobachtung, dass die Ausführungen in Apk 1,6 in Apk 1,6b mit einer jene abrundenden und abschließenden doxologischen Formel937 beschlossen werden, die es den (Erst-) Rezipienten unmöglich macht, Apk 1,7f. noch als Teil des Präskripts zu interpretieren938. Angesichts des in Apk 1,9 vorliegenden Beginns der Schilderung der Erscheinung des ὅμοιος υἱὸν ἀνθρώπου ergibt sich dann aber zunächst die Frage, warum der Apokalyptiker als der Verfasser von Apk 1,4–6 und Apk 1,9–20 zwischen das abgeschlossene und auch als abgeschlossen zu rezipierende Präskript und den Beginn der Schilderung der Erscheinung des ὅμοιος υἱὸν ἀνθρώπου dann mit Apk 1,7.8 noch zwei Verse eingefügt haben sollte, die syntaktisch weder mit Apk 1,4–6 noch mit Apk 1,9ff. in irgendeiner Weise verknüpft erscheinen939. Darüber hinaus nötigt diese durchaus – auch – als syntaktischer Bruch zu definierende textliche Diskontinuität940 die (Erst-)Rezipienten, wollen sie den Abschnitt

937. Zu diesem doxologischen Formular vgl. etwa A. Satake, Apk, 134. 938. Vgl. hierzu bereits F. Spitta, Apk, 20 in Aufnahme eines Zitats von D. Völter: „Es beruht sicher auf einer ganz natürlichen und unmittelbaren Empfindung, wenn Völter zur Betrachtung des Abschnittes 1,7f. übergehend bemerkt: ‚Mit den Versen 1,4–6 ist der Eingang zu Ende. Man erwartet sofort den Anfang der eigentlichen Offenbarung. Statt dessen bringen die Verse 7 und 8 einen zweiten Eingang, der ohne jede Verbindung dem ersten äußerlich zur Seite gestellt ist und schon darum nicht wohl vom Verfasser der Verse 1,4–6 stammen kann.‘ Es ist richtig, dass mit V. 6 die briefliche Einleitung der Schrift einen so vollständigen Abschluss gefunden hat, dass es selbstverständlich scheint, der Verfasser werde nun beginnen, den Gemeinden zu schreiben, was er ihnen mitzuteilen hat“. Im weiteren Verlauf seiner Darlegungen weist Spitta dann m.R. darauf hin, dass die Ausführungen Apk 1,4–6 nicht als Einleitung des apokalyptischen Hauptteils Apk 4–22 gelesen werden können (vgl. 20f.); für Spitta ist völlig klar, dass „der Briefeingang seine natürliche Fortsetzung in dem Bericht 1,9ff [findet]“ (21). Der Hinweis auf eine ‚natürliche und unmittelbare Empfindung‘ reicht natürlich als Begründung nicht zu, vermag aber gleichwohl einen Verdacht zu generieren, dem dann nachzugehen ist. Inwieweit Apk 1,7f. als ‚zweiter Eingang‘ der Apk identifiziert werden kann (vgl. zu dieser Position auch die Ausführungen von D.E. Aune u. 336–337), muss freilich dahingestellt bleiben. 939. Vgl. zu diesem Sachverhalt bereits o. die Ausführungen von D.E. Aune. 940. Vgl. hierzu o. 33 mit A. 31.

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Apk 1,4–8 denn als kohärentes Ganzes wahrnehmen, dazu, der Doxologie Apk 1,6b gerade nicht eine Abschluss-, sondern eine Brückenfunktion zuzubilligen, diese somit gegen ihre eigentliche Intention zu interpretieren und in diesem Sinne an dieser Stelle somit eine konstruktive Operation vorzunehmen und eine ausschließlich subjektive Sinnbildung zu kreieren. Denkbar ist, dass derjenige, dem die Hinzufügung von Apk 1,7 zu verdanken ist, die in Apk 1,5bf. entwickelte und von ihm womöglich als einseitig empfundene Konzeption einer ausschließlich präsentischen Eschatologie um einen futurischen Akzent zumindest zu ergänzen und sie in diesem Sinne zu korrigieren suchte941. Zahlreiche Beispiele aus der neutestamentlichen sowie auch aus der frühjüdischen und frühchristlichen Literatur zeigen, dass Doxologien in der Form, wie sie in Apk 1,6b vorliegt, immer wieder verwendet worden sind, um Briefe bzw. Briefabschnitte oder aber auch Argumentationsgänge abzuschließen942. So schließt etwa Paulus in Röm 11,36b mit einer solchen Doxologie seine Erwägungen zum Verhältnis der Christen zu Israel ab: αὐτῷ ἡ δόξα εἰς τοὺς αἰῶνας, ἀμήν943, in Röm 16,27b seinen Brief an die römische Gemeinde in seiner Gesamtheit: [... ᾧ ἡ δόξα εἰς τοὺς αἰῶνας, ἀμήν.]944; in Gal 1,5 findet sich eine Doxologie am Ende des Präskripts dieses Briefes: ἡ δόξα εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων, ἀμήν945. Der Verfasser des 1Petr schließt in 1Peter 4,11d den Passus 1Petr 4,7–11 mit einer Doxologie ab: ᾧ ἐστιν ἡ δόξα καὶ 941. Vgl. in diesem Sinne bereits F. Spitta, Apk, 27, der im Blick auf Apk 1,7f. insgesamt formuliert: „Gerade als nachträglicher Zusatz wird das Stück 1,7f. an dieser Stelle wie in seinen Einzelheiten begreiflich. Ein Späterer vermisste im Eingange eines grösseren apokalyptischen Buches einen Hinweis auf das, was ihm in dem Buche die Hauptsache, was aber dem Inhalt der ersten Kapitel entsprechend nicht zum Ausdruck gekommen war“. Mit dieser Analyse nimmt Spitta den u. verwendeten Begriff der ‚Anker-Erweiterung‘ letztlich vorweg (vgl. zu diesem in der vorliegenden Studie allerdings nur auf die Ausführungen in Apk 1,8 bezogenen Begriff u. 337); vgl. in ähnlicher Weise auch L. Hartman, Form, 138, der davon spricht, dass der Apokalyptiker mit Apk 1,7 „an important hint at where the accents of the following should be found“ gäbe. 942. Zu den Belegen vgl. etwa D.E. Aune, Apk I, 49. 943. Vgl. hierzu E. Lohse, Röm, 324: „Mit rhetorischem Pathos beendet Paulus den langen Gedankengang der Kapp. 9–11. … Wie der Apostel am Ende der Kapp. 1–8 Theologie in Doxologie münden läßt …, so stellt er auch hier einen hymnischen Lobpreis an das Ende seiner Ausführungen und verleiht damit dem gesamten lehrhaften Teil seines Briefes voll klingenden Abschluß“. 944. Vgl. hierzu E. Lohse, Röm, 419f.: „Hat der Apostel wiederholt an das Ende längerer Ausführungen ein Wort anbetenden Lobpreises gesetzt … und damit die Auslegung des Evangeliums in Doxologie münden lassen, so lädt – über Paulus hinausgehend – der volltönende Abschluß in den Versen 25 – 27 alle, die die apostolische Predigt im Gehorsam des Glaubens hören und annehmen, dazu ein, ‚Gott allein die Ehre zu geben‘“. 945. Vgl. zu dieser Doxologie F. Mußner, Gal, 52: „In anderen Briefen des Apostels findet man solchen das Präskript abschließenden Lobpreis Gottes nicht, sondern dafür die Danksagung gegen Gott für seine Heilstaten …. Im Galaterbrief muß die kurze Doxologie die längere Danksagung ersetzen, weil es den Apostel drängt, sofort in medias res zu treten, zu der Sache also zu kommen, um die es in den Gemeinden Galatiens ging“.

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τὸ κράτος εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων, ἀμήν946. Diese Beispiele, die sich durchaus vermehren ließen, lassen deutlich erkennen, welche Funktion einer Doxologie wie derjenigen in Apk 1,6b in der frühjüdischen und der frühchristlichen Literatur in der Regel zukommt: Sie schließt Argumentationsgänge, Briefteile oder auch Briefe in ihrer Gesamtheit ab. Übertragen auf die Ausführungen in Apk 1,6b heißt dies, dass der Apokalyptiker die an dieser Stelle begegnende Doxologie als Ende des mit Apk 1,4 beginnenden Briefpräskripts aufgefasst hat und eben dieses im Zuge der Lenkung derselben auch den Rezipienten seines Werkes signalisieren wollte.

Diese letzte Überlegung zieht ihrerseits nun wiederum die Vermutung nach sich, dass auch die Ausführungen in Apk 1,8 nicht zum ursprünglichen Bestand der brieflichen Einleitung Apk 1,4–8 gezählt haben, sondern im Zuge des Prozesses des Wachstums des Textes nachträglich oder aber sekundär in diese eingefügt worden sind. Diese Vermutung wird gestützt durch den Sachverhalt, dass die Dreizeitenformel in Apk 1,8, wie sonst im apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 auch, immer mit anderen Gottesprädikationen, in Sonderheit mit den Titeln παντοκράτωρ und κύριος verknüpft erscheint947, in Apk 1,4 jedoch allein, ein Sachverhalt, der angesichts der zahlreichen Christusprädikationen in Apk 1,5a zumindest auffällig erscheinen muss. Nicht unplausibel will die Annahme erscheinen, dass es sich bei der Hinzufügung von Apk 1,8 wiederum um eine ‚Anker-Erweiterung‘948 handelt, mit deren Hilfe der apokalyptische Hauptteil Apk 4–22 bereits in der Eingangspassage der Apk verankert werden soll949. Dieser Annahme widerrät nicht die Beobachtung, dass die Gottesprädikation ὁ ὢν καὶ ὁ ἦν καὶ ὁ ἐρχόμενος Apk 1,8c die entsprechende Prädikation in Apk 1,4c wieder aufzunehmen und beide auf diesem Wege den Abschnitt Apk 1,4–8 zu inkludieren scheinen950. Aus dem Sachverhalt eines möglichen rhetorischen Zusammenhangs zwischen Apk 1,4 und Apk 1,8 sind keinesfalls mit Notwendigkeit deren literarischer Zusammenhang bzw. deren literarische Einheitlichkeit zu deduzieren. Unabhängig von der Frage, ob dieser in der exegetischen Forschung immer wieder 946. Vgl. hierzu etwa N. Brox, 1Petr, 209: „Sie [d.h. die Doxologie] schließt diesen kleinen Passus 4,7–11 ab, ohne eine Fortsetzung des Schreibens im selben Augenblick und von gleicher Hand auszuschließen“. 947. Vgl. hierzu o. 321–322. 948. Zu diesem Begriff vgl. bereits o. 175–176. 949. Dass die Ausführungen in Apk 1,7 und diejenigen in Apk 1,8 von verschiedenen Händen stammen, lässt eine Beobachtung F. Spittas vermuten, der feststellt: „Denn so lebhaft wie V. 8 an gewisse Stellen der Apokalypse erinnert, so wenig V. 7“. 950. Auf diesen Sachverhalt weist neben anderen etwa A. Satake, Apk, 135 hin: „Die Selbstprädikation Gottes hebt sich aus dem Kontext heraus, aber durch die Verwendung des gleichen Gottesprädikats wie in V. 4 rundet sie den Abschnitt ab“. M. Karrer, Apk I, 212 sieht in den Gottesprädikationen in Apk 1,8 diejenigen von Apk 1,4 klimaktisch gesteigert, somit auch einen rhetorischen und damit auch einen literarischen Zusammenhang von Apk 1,4 und Apk 1,8 (vgl. hierzu auch u.).

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postulierte rhetorische Zusammenhang zwischen Apk 1,4 und Apk 1,8 überhaupt als ein solcher darstellbar ist, gilt, dass dieser etwaige rhetorische Zusammenhang auch im Rahmen einer späteren Bearbeitung und in einer späteren Phase des Textwachstums kreiert worden sein kann.

Das aber heißt: Die briefliche Einleitung Apk 1,4–8 umfasste ursprünglich nur die Verse Apk 1,4–6951: Ἰωάννης ταῖς ἑπτὰ ἐκκλησίαις ταῖς ἐν τῇ Ἀσίᾳ· χάρις ὑμῖν καὶ εἰρήνη ἀπὸ ὁ ὢν καὶ ὁ ἦν καὶ ὁ ἐρχόμενος καὶ ἀπὸ τῶν ἑπτὰ πνευμάτων ἃ ἐνώπιον τοῦ θρόνου αὐτοῦ (5) καὶ ἀπὸ Ἰησοῦ Χριστοῦ, ὁ μάρτυς, ὁ πιστός, ὁ πρωτότοκος τῶν νεκρῶν καὶ ὁ ἄρχων τῶν βασιλέων τῆς γῆς. Τῷ ἀγαπῶντι ἡμᾶς καὶ λύσαντι ἡμᾶς ἐκ τῶν ἁμαρτιῶν ἡμῶν ἐν τῷ αἵματι αὐτοῦ, (6) καὶ ἐποίησεν ἡμᾶς βασιλείαν, ἱερεῖς τῷ θεῷ καὶ πατρὶ αὐτοῦ, αὐτῷ ἡ δόξα καὶ τὸ κράτος εἰς τοὺς αἰῶνας [τῶν αἰώνων]· ἀμήν. Diesem hier auf dem Wege der literarkritischen Analyse gewonnenen Ergebnis scheinen zuletzt von M. Karrer formulierte Beobachtungen entgegenzustehen, die auf die komplexe rhetorische Disposition der Ausführungen von Apk 1,4–8 in ihrer Gesamtheit hinweisen. Karrer zufolge ließen sich dieselben nämlich als ein ‚rhetorischer Dialog‘ wahrnehmen, der aus zwei Sprachlagen bestehe, der Sprachlage A, die einen syntaktisch fortlaufenden Text repräsentiere, und der Sprachlage B, die nicht zuletzt durch Kasusbrüche, Asyndesen und Amen-Formeln charakterisiert werde952. Dieser nicht zuletzt auch „sprachliche. Verstöße“953 transportierende ‚rhetorische Dialog‘ lasse, werde darüber hinaus berücksichtigt, dass die Ausführungen in Apk 1,4–8 noch andere Stilmittel wie etwa eine Ellipse in Apk 1,4b, ein Trikolon in Apk 1,4b–5a, eine klimaktisch gestaltete „Prädizierung Gottes und Christi“954 in Apk 1,4b.5a.8 sowie weitere Inkonzinnitäten böten, erkennen, dass „in Aufbau und Stilistik unserer Verse [d.h. der Ausführungen in Apk 1,4–8] ein Übermaß rhetorischer Mittel“ begegne, was bedeute, dass „unser Autor ... [an dieser Stelle] die Stilhöhe um seines hohen Gegenstandes willen bis an die Grenze des Möglichen“955 steigere, was darauf schließen ließe, dass diese Ausführungen aus einer Hand stammen müssten und einer einzigen Phase eines möglichen Textwachstumsprozesses zuzuschreiben wären. Dieser von M. Karrer vorgelegten, seinen literarischen Zusammenhang betonenden rhetorischen Analyse des Abschnittes Apk 1,4–8 sind folgende Überlegungen 951. In diese Richtung denken etwa auch J. Weiß, Apk, 45 mit A. 1 und F. Spitta, Apk, 20–28; vgl. hierzu in neuerer Zeit H. Kraft, Apk, 34–37, der die spätere Einfügung von Apk 1,7f. als Resultate inspirierter Rede zu begründen sucht (vgl. 37) und D.E. Aune, Apk I, cxxiv u.ö., der Apk 1,7f. zu der von ihm postulierten „first edition“, Apk 1,4–6 hingegen zu der von ihm angenommenen „second edition“ rechnet (zu der von Aune vertretenen Position zur Entstehung der Apk vgl. bereits o. 17–21). 952. Vgl. hierzu insgesamt Apk I, 210–212; Karrer verweist hier auf Beobachtungen von U. Vanni und M.A. Kavanagh. Im Rahmen dieses rhetorischen Dialoges bilde „Sprachlage A ... das Textgerüst“ (210), während Sprachlage B dasselbe vertiefe und „die impliziten Leserinnen und Leser auf[fordere], zuzustimmen“ (210). 953. Apk I, 212. 954. Apk I, 212. 955. Apk I, 212.

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entgegenzuhalten: (a) Zunächst muss trotz neuester, in eine andere Richtung gehender Forschungstendenzen, immer noch grundsätzlich gelten, dass keinesfalls jede Inkohäsion956 und jede grammatische Unrichtigkeit von vornherein als bewusst gesetztes Stilmittel interpretiert werden dürfen. Genauso gut ist denkbar, dass sich womöglich nicht alle, aber doch zumindest einige der entsprechenden Inkohäsionen und Unrichtigkeiten lediglich der dem Apokalyptiker zu unterstellenden mangelhaften Beherrschung des Griechischen verdanken957. In diese Richtung vermag immerhin die Beobachtung zu weisen, dass sich etwa die von M. Karrer – und auch von T. Paulsen – formulierte These, dass die in Apk 1,4–8 zu diagnostizierenden Kasusbrüche als rhetorisch bewusst gesetzte soloecismi aufzufassen wären, im Horizont der antiken rhetorischen Theorie nicht bestätigen zu lassen scheint958. 956. Vgl. zu diesem Begriff ausführlich o. 26–27. 957. Anders hier T. Paulsen, Sprache, 25, der aufgrund der Analyse einiger weniger Passagen der Apk zu der Erkenntnis kommt, im Apokalyptiker „eine[n]. souveränen Kenner der griechischen Sprache und eine[n]. Könner ...[zu sehen], der mit ihr virtuos zu spielen und sie für die Präsentation seiner Inhalte zu nutzen versteht“. Fraglich bleiben muss freilich, ob die von Paulsen vorgenommene Auswahl der Belege und deren jeweilige Interpretation als für eine solche umfassende These zureichende argumentative Basis angesehen werden können. 958. Zwar weist etwa H. Lausberg, Handbuch I, § 520f., 272f. innerhalb der rhetorischen Theorie durchaus Kasusverwechselungen, von ihm sogenannte soloecismi, auf; diese soloecismi unterscheiden sich aber charakteristisch von und sind nicht zu vergleichen mit den – grammatisch unzulänglichen – Kasusbrüchen, die M. Karrer für Apk 1,4–8 nachweist. Dem entspricht durchaus, dass T. Paulsen im Rahmen seiner rhetorischen Diskussion des Abschnitts Apk 1,4–6 (Sprache, 21–24) auf die Erwähnung von seine eigenen Thesen stützenden Hinweisen aus der antiken Rhetoriktheorie verzichtet. Nicht unerwähnt bleiben sollen in diesem Zusammenhang einige Einlassungen des Rhetorikers M. Fabius Quintilianus, der grammatischen Fehlern zwar durchaus eine rhetorische Funktion zuschreiben kann, aber deutlich dazu aufruft, solche rhetorischen Mittel nur sparsam zu verwenden: prius fit isdem generibus quibus vitia: esset enim omne eiusmodi schema vitium si non peteretur sed accideret. (3) Verum auctoritate vetustate consuetudine plerumque defenditur, saepe etiam ratione quadam. Ideoque, cum sit a simplici rectoque loquendi genere deflexa, virtus est si habet probabile aliquid quod sequatur. Vna tamen in re maxime utilis, ut et cotidiani ac semper eodem modo formati sermonis fastidium levet et nos a vulgari dicendi genere defendat. (4) Quod si quis parce et cum res poscet utetur, velut adsperso quodam condimento iucundior erit: at qui nimium adfectaverit, ipsam illam gratiam varietatis amittet („Die erstere [d.h. der Aspekt der Neuerungen der Sprachgrundsätze] kommt in denselben Formen zur Erscheinung wie die Sprachfehler; denn jede derartige Figur wäre ein Fehler, wenn sie nicht gesucht würde, sondern unterliefe. (3) So aber wird sie meistens durch das Gewicht ihres Gewährsmannes, ihr Alter oder den Sprachgebrauch geschützt, oft auch durch einen bestimmten Grund. Und deshalb gilt sie, auch wenn sie eine Abweichung zeigt von der einfachen und unbefangenen Sprechweise, als eine gute Leistung, falls sie etwas Einleuchtendes besitzt, wonach sie sich richtet. Ihr einer Hauptnutzen liegt jedoch darin, daß sie sowohl den Überdruß an der alltäglichen und immer gleichförmig gestalteten Redeweise behebt als auch uns vor der gewöhnlich-vulgären Sprechweise bewahrt. (4) Wenn man sie aber sparsam und nur, wenn es die Sache erfordert, verwendet, wie man ein Gewürz beigibt, ist sie ein größerer Genuß; wer dagegen allzusehr auf sie versessen ist, büßt damit auch den Reiz noch ein, der in der Abwechslung liegt“ (IX 3,2–4; Text und Übersetzung nach H. Rahn, Quintilian II, 318f.; vgl. zu diesem Beleg auch M. Karrer, Apk I, 99). Diesen Ausführungen zufolge hätte der Apokalyptiker mit seinen Formulierungen in Apk 1,4–8 letzten Endes somit nur wenig rhetorische Brillianz bewiesen, eine Feststellung, die ihrerseits wiederum zu der Frage führt, ob die sprachliche Darstellung in der Apk sich entweder vor allem aus der brillianten Rhetorik seines

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(b) Nicht jedes als Inkohäsion oder grammatische Unrichtigkeit und zugleich als vermeintliche rhetorische Figur gedeutetes sprachliche Phänomen muss mit Notwendigkeit als eine solche aufgefasst werden: So stellt etwa der im Nominativ erfolgende Anschluss der Formel ὁ ὢν καὶ ὁ ἦν καὶ ὁ ἐρχόμενος an die einen Genitiv erfordernde Präposition ἀπό Apk 1,4c sicherlich auf den ersten Blick eine Inkohäsion dar, eine Inkohäsion, die sich aber auflöste, würde die hier verwendete Gottesprädikation als ein indeklinabel verwendeter Name interpretiert959. Unter dieser Voraussetzung vermag auch der Hinweis, die Ausführungen in Apk 1,4c stellten eine Ellipse dar, da, im Unterschied etwa zu den praescripta der paulinischen Tradition, der Terminus θεός hier ausgelassen sei960, nicht mehr zu greifen961. (c) Die Annahme, die Ausführungen in Apk 1,4–8 stellten einen in zwei Sprachlagen formulierten rhetorischen Dialog dar, der – und diese Konsequenz ist dann zu formulieren – nur aus einer einzigen Hand stammen könne, entbehrt letzten Endes nicht einer gewissen argumentationslogischen Inkonsequenz. Eine solche Annahme nämlich konterkarierte im Grunde die von Karrer ebenfalls vertretene These, dass die von ihm namhaft gemachten „Durchbrechungen der Syntax (Kasusbrüche ..., Asyndesen und Amen-Formeln ...)“962 sämtlich als vom Apokalyptiker Verfassers oder aber aus seinen sprachlichen Unzulänglichkeiten speist; vgl. zu dieser Diskussion, die in der Spätantike bereits geführt worden ist, M. Karrer, Apk I, 91. 959. Vgl. zu diesem Gesichtspunkt die Ausführungen von M. Karrer, Apk I, 214f. (vgl. hierzu bereits o. 325). Deutlich weitergehender hier T. Paulsen, Sprache, 23f.: „Gott steht über allen von Menschen gemachten Regeln, so dass seine Majestät nicht durch grammatische Regeln aus der Grundform des Nominativs gedrängt werden kann“. Vor dem Hintergrund dieser Einlassung aber stellt sich dann die Frage, wie die Formulierung καὶ ἀπὸ Ἰησοῦ Χριστοῦ, ὁ μάρτυς, ὁ πιστός, ὁ πρωτότοκος τῶν νεκρῶν καὶ ὁ ἄρχων τῶν βασιλέων τῆς γῆς Apk 1,5a zu erklären, präziser: wie der Sachverhalt zu deuten ist, dass der Apokalyptiker hier an die Präposition ἀπό zunächst einen Genitiv anschließt, um dann im Nominativ fortzufahren. Den von Paulsen im Blick auf Apk 1,4c formulierten Ausführungen entsprechend könnte eine Erklärung folgendermaßen aussehen: ‚Mit der Verwendung des Genitivs Ἰησοῦ Χριστοῦ habe der Apokalyptiker zunächst andeuten wollen, dass das ἀρνίον Christus sich vollständig der Sphäre des Menschlichen unterwirft, um daran anschließend dann, expliziert durch weitere Attribute im Nominativ, wieder in die Sphäre des Göttlichen und Unmanipulierbaren zurückzukehren‘. Dass eine solche Interpretation sehr konstruiert wirkt, ist mit Händen zu greifen; das aber heißt im Umkehrschluss, dass auch die von Paulsen – mit Bezug auf T. Holtz – im Blick auf die Formulierung in Apk 1,4c formulierte Hypothese sich des Verdachts der interpretatorischen Konstruiertheit kaum zu erwehren vermag. 960. Die textkritische Korrektur dieser Auffälligkeit ist sicherlich als eine nachträgliche Glättung aufzufassen; vgl. hierzu m.R. T. Paulsen, Sprache, 22f. 961. Wird die Formulierung ὁ ὢν καὶ ὁ ἦν καὶ ὁ ἐρχόμενος Apk 1,4c als ein indeklinabler Name aufgefasst, ergibt sich allerdings die Frage, warum der Apokalyptiker in Apk 1,5a an die Präposition ἀπό zunächst einen deklinierten Namen, den Genitiv Ἰησοῦ Χριστοῦ nämlich, anschließt, um dann im Nominativ fortzufahren: ὁ μάρτυς, ὁ πιστός, ὁ πρωτότοκος τῶν νεκρῶν καὶ ὁ ἄρχων τῶν βασιλέων τῆς γῆς. Dieses Problem lässt sich, wie o. gezeigt, rhetorisch kaum zureichend beantworten; soll hier nicht eine literarkritische Antwort formuliert werden, bleibt letzten Endes nur noch die Annahme übrig, dass der Apokalyptiker des Griechischen nun doch nicht, wie von T. Paulsen unterstellt (vgl. hierzu o. 339 mit A. 357.358), in einer solch souveränen Weise mächtig gewesen ist. Alternativ ließe sich auch denken, dass er an dieser Stelle seine Formulierung schlicht nicht gründlich genug reflektiert hat. 962. Apk I, 210.

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bewusst gesetzte rhetorische Mittel aufzufassen seien, nötigt eine solche These auf der literarischen Ebene argumentationslogisch doch zu der Annahme, die Ausführungen in Apk 1,4–8 als einen zusammenhängenden Text aufzufassen963. Die Interpretation des Textes Apk 1,4–8 als eines in gewissem Sinne dialogischen Geschehens nimmt der Annahme seiner von Karrer postulierten rhetorischen Ausrichtung somit die Spitze; ob dem Apokalyptiker als einem kenntnisreichen Rhetoriker eine solche argumentationslogische Relativierung des eigenen Impetus zugetraut werden darf, muss doch sehr dahingestellt bleiben. Darüber hinaus eignet einer solchen Annahme ein in hohem Maße artifizieller Charakter; so bleibt, da Karrer hier keine objektiven Kriterien beibringt, etwa vollkommen unklar, warum die Ausführungen in Apk 1,4dα.6a.c und diejenigen in Apk 1,4dβ.6b.d jeweils zwei unterschiedlichen Sprachlagen zuzuordnen sein sollten. Gleiches gilt im Blick auf das in Apk 1,8 Dargelegte, zumal dann, wenn mit M. Karrer die hier vorliegende Prädizierung Gottes als gegenüber 963. Dies gilt in Sonderheit dann, wenn, wie M. Karrer dies tut, dem Apokalyptiker die Verwendung einer in besonderer Weise akzentuierten ‚Rhetorik des Erhabenen‘ unterstellt wird (vgl. Apk I, 95–99). Im Kontext seiner diese ‚Rhetorik des Erhabenen‘ entwickelnden Überlegungen verweist Karrer auf entsprechende Ausführungen des Pseudo-Longinus, περὶ ὕψους, 33,1 (zur Kontextualisierung dieser Schrift vgl. R. Brandt, Pseudo-Longinos, 11–26); hier führt Pseudo-Longinus aus: Φέρε δή, λάβωμεν τῷ ὄντι καθαρόν τινα συγγραφέα καὶ ἀνέγκλητον. ἆρ’ οὐκ ἄξιόν ἐστι διαπορῆσαι περὶ αὐτοῦ τούτου καθολικῶς, πότερόν ποτε κρεῖττον ἐν ποιήμασι καὶ λόγοις μέγεθος ἐν ἐνίοις διημαρτημένον ἢ τὸ σύμμετρον μὲν ἐν τοῖς κατορθώμασιν ὑγιὲς δὲ πάντη καὶ ἀδιάπτωτον; („Wohlan also – laß uns einen tatsächlich reinen, untadeligen Schriftsteller hernehmen. Ist es nicht der Mühe wert, sich hierbei allgemein zu fragen: was übt in Dichtung und Prosa eine stärkere Wirkung aus, das Große mit einigen Mängeln oder etwas, das an seinen gelungenen Stellen mäßig, im Ganzen aber gesund und fehlerfrei geschrieben ist“; Text und Übersetzung nach R. Brandt, Pseudo-Longinos, 92f.). Diese Ausführungen sind aber keinesfalls dahingehend zu deuten, dass Pseudo-Longinus etwa einer Korrelation zwischen der Quantität und der Qualität der Fehler einer- und der rhetorischen Leistung andererseits das Wort redete, etwa in dem Sinne, dass eine höhere Fehlerquantität und -qualität unmittelbar mit einer überzeugenderen rhetorischen Leistung zu parallelisieren wäre, eine Interpretation, der M. Karrer mit seinem hier wiedergegebenen Zitat aus περὶ ὕψους, 33,1 durchaus Vorschub zu leisten scheint. Einige Sätze weiter nämlich warnt Pseudo-Longinus ausdrücklich: ἀλλὰ μὴν οὐδὲ ἐκεῖνο ἀγνοῶ τὸ δεύτερον, ὅτι φύσει πάντα τὰ ἀνθρώπεια ἀπὸ τοῦ χείρονος ἀεὶ μᾶλλον ἐπιγινώσκεται καὶ τῶν μὲν ἁμαρτημάτων ἀνεξάλειπτος ἡ μνήμη παραμένει, τῶν καλῶν δὲ ταχέως ἀπορρεῖ (33,3; „Auf der anderen Seite verkenne ich durchaus nicht, daß wir durch eine natürliche Anlage alles Menschenwerk eher jeweils von seiner schwächeren Seite betrachten und daß die Fehler unauslöschbar in unserem Gedächtnis haften, die Erinnerung aber an das Schöne schnell zerrinnt“; Text und Übersetzung nach R. Brandt, Pseudo-Longinos, 92f.). Diese in sich ausgewogene Beurteilung von grammatischen Fehlern in Texten lässt im Blick auf deren Bewertung den Schluss zu, dass Pseudo-Longinus zwar dafür plädiert, die rhetorische oder literarische Qualität eines Textes nicht – oder doch zumindest nicht ausschließlich – an der Menge und der Qualität der in ihm enthaltenen Fehler festzumachen, dass er aber keineswegs den grammatischen Fehler zu einem rhetorischen Mittel erhebt, der etwa der Explikation von Erhabenem in besonderer Weise angemessen oder als bewusste Fehlleistung womöglich rhetorisch indiziert wäre. Damit entsprechen die die rhetorische Relevanz des grammatischen Fehlers betreffenden Ausführungen Pseudo-Longinus in ihrem argumentationslogischen Impetus durchaus den o.cit. des M. Fabius Quintilianus (vgl. hierzu o. 339 mit A. 958), der – ebenfalls – darauf hinweist, dass ein quantitatives oder auch qualitatives Übermaß von Fehlern die rhetorische Absicht in ihr Gegenteil verkehrt.

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derjenigen in Apk 1,4 klimaktisch begriffen werden soll. Die Argumentation Karrers im Blick auf Apk 1,8 ist ein treffendes Beispiel für den Sachverhalt, dass die von Karrer vorgelegte Interpretation der Einlassungen Apk 1,4–8 als zwei Sprachlagen die von ihm zugleich entwickelte rhetorische Interpretation dieser Passage relativiert. (d) Schließlich nötigen die von Karrer formulierten umfassenden Beobachtungen zur Rhetorik von Apk 1,4–8 in keinem Falle dazu, die Annahme eines Wachstumsprozesses desselben von vornherein auszuschließen. Ergänzend dazu ist die Überlegung, dass sich diese beiden von Karrer namhaft gemachten unterschiedlichen Sprachlagen nicht der ersten, sondern einer späteren, womöglich der letzten Phase eines solchen Prozesses verdankten, a priori immerhin keinesfalls unmöglich.

III.9.2. Die Christusvision Apk 1,9–20 Im Anschluss an den Briefeingang kommt der Apokalyptiker – im Kontext der Darstellung einer an eine Beschreibung der Situation des Apokalyptikers anschließenden Audition in Apk 1,9–11964 – in Apk 1,9 auf seinen Aufenthalt auf der der römischen Provinz Asia vorgelagerten Insel Patmos965 zu sprechen: Auf ihr hielt er, der sich selbst gegenüber seinen Rezipienten als ἀδελφὸς ἡμῶν και συγκοινωνὸς ἐν τῇ θλίψει καὶ βασιλείᾳ καὶ ὑπονονῇ Ἰησοῦ einführt966, sich auf διὰ τὸν λόγον τοῦ θεοῦ καὶ τὴν μαρτυρίαν Ἰησοῦ (Apk 1,9c)967. An einer κυριακὴ ἡμέρα968 wurde er, ohne sich augenscheinlich von der Insel Patmos zu entfernen, seiner Darstellung zufolge vom Geist ergriffen969 und 964. Zur Gliederung dieses Textes vgl. K. Huber, Menschensohn, 76–81; Huber unterscheidet eine in Apk 1,9 vorliegende „Selbstcharakterisierung und Schilderung der äußeren Umstände bzw. historischen Situation des Johannes“ (76f.), auf die dann in Apk 1,10f. eine Audition folge, die ihrerseits die eigentliche Vision Apk 1,12–16 vorbereite. Der abschließende Textabschnitt Apk 1,17–20 setze sich zusammen aus der Schilderung der Reaktion des Apokalyptikers auf die zuvor wahrgenommene Vision (Apk 1,17a.b), einer daraus resultierenden Handlung der Figur des ὅμοιος υἱὸν ἀνθρώπου (Apk 1,17c) und einer an jene anschließenden direkten Rede desselben (Apk 1,17d–20), die Huber bis Apk 3,22 weiterführt. 965. Zu den möglichen Gründen für diesen Aufenthalt vgl. etwa K. Huber, Menschensohn, 92–103, M. Karrer, Apk I, 245–247 und D.E. Aune, Apk I, 76–80; für die in der vorliegenden Studie behandelte Problemstellung kann diese Frage unberücksichtigt bleiben. 966. Vgl. zu dieser Selbstcharakterisierung K. Huber, Menschensohn, 82: „Trotz betonter Selbsteinführung gibt Johannes durch die weitere Charakterisierung in Offb 1,9 zu verstehen, dass er seinen Adressaten gegenüber gleichrangig ist und sich mit ihnen solidarisch weiß“. 967. Zu den unterschiedlichen Verstehensmöglichkeiten dieser Wendung vgl. etwa D.E. Aune, Apk I, 81f. und D. Pezzoli-Olgiati, Täuschung, 24f. mit A. 54.55; auch diese Frage kann im Blick auf die in der vorliegenden Studie behandelte Problemstellung vernachlässigt werden. 968. Zu dieser Zeitangabe und ihren möglichen interpretatorischen Implikationen vgl. etwa G.K. Beale, Apk, 203. 969. K. Huber, Menschensohn, 77 möchte die hier im Text erscheinende Wendung ἐγενόμεν ἐν πνεύματι Apk 1,10aα als „eine Art Raumwechsel“ verstehen, den er im weiteren Verlauf seiner Darlegungen näherhin als einen „Raumwechsel – wenn auch in übetragenem Sinn“ (104) definiert. Präziser scheint an diesem Punkt D. Pezzoli-Olgiati, Täuschung, 25 zu formulieren, die von einem „Wechsel innerhalb der Beschreibung des Zustandes“ spricht;

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hörte hinter sich eine – als „personifizierte Größe“970 auftretende – φωνὴ μεγάλη, die wie eine σάλπιγξ971 klang (Apk 1,10). Diese Stimme forderte ihn auf: ὃ βλέπεις γράψον εἰς βιβλίον972 καὶ πέμψον ταῖς ἑπτὰ ἐκκλησίαις, εἰς Ἔφεσον καὶ εἰς Σμύρναν καὶ εἰς Πέργαμον καὶ εἰς Θυάτειρα καὶ εἰς Σάρδεις καὶ εἰς Φιλαδέλφειαν καὶ εἰς Λαοδίκειαν973. Das die Ausführungen in Apk 1,10 einleitende Syntagma ἐν πνεύματι ist in der Apk über Apk 1,10aα hinaus noch dreimal belegt, nämlich in Apk 4,2; 17,3 und 21,10; wichtiger als diese Tatsache als solche ist jedoch der Sachverhalt, dass in Apk 4,2a mit der Wendung ἐγενόμην ἐν πνεύματι einer der in Apk 1,10aα vorliegenden im Wortlaut vollständig entsprechende Formulierung begegnet. Diese Beobachtung evoziert – insbesondere auch angesichts des Faktums, dass die Ausführungen in Apk 4,1 mit dem Hinweis μετὰ ταῦτα εἶδον beginnen, also den Apokalyptiker eigentlich als bereits im Status der Geistergriffenheit befindlich beschreiben974 – unmittelbar die Frage nach der argumentations- bzw. darstellungslogischen Relation dieser beiden vollständig parallelen Wendungen bzw. Sätze zueinander: Wenn nämlich der Seher in Apk 1,10aα bereits vom Geist ergriffen worden bzw. in Verzückung geraten ist975, fragt sich, warum der Apokalyptiker eine einen Wechsel des Raumes bzw. präziser: einen Wechsel des Ortes im Sinne der Veränderung des eigenen Standpunktes oder Raumes bzw. des eigenen Ortes des Apokalyptikers wird in Apk 1,10aα im Kontext der Wendung ἐγενόμεν ἐν πνεύματι nämlich gerade nicht expliziert. Vgl. hierzu auch D.E. Aune, Apk I, 83, der auf G.B. Caird verweist und feststellt: „Caird … correctly and idiomatically translates ἐγένομην ἐν πνεύματι with the phrase ‚I fell into a trance.‘“, und U.B. Müller, Apk, 81, der an dieser Stelle von einer Verzückung des Apokalyptikers spricht. F. Tóth, Kult, 233 sieht in Apk 1,10 und durch die Wendung ἐν πνεύματι einen „Ortstransfer in den sakralarchitektonischen Leuchterbereich intendiert“ (vgl. auch 177), eine Annahme, die durch den Text von Apk 1,9–11 allerdings in keiner Weise gedeckt ist und sich auch rezeptionsästhetisch nur sehr gezwungen nachvollziehen lässt. 970. K. Huber, Menschensohn, 113. 971. Zu diesem Instrument vgl. M. Karrer, Apk I, 254; Karrer zufolge diente dieses Instrument „Israel und den Völkern zu Heroldsrufen im Alltag und im Kult“. 972. Zur Verankerung dieses Schreibbefehls in der Sprache der alttestamentlichen Prophetie vgl. etwa G.K. Beale, Apk, 203. 973. K. Huber, Menschensohn, 116 schließt aus der Formulierung von Apk 1,11d, dass die Apk als „eine Art Rundschreiben“ konzipiert worden sei; diese Ausrichtung verleihe „dem Inhalt des Buches den Charakter von Öffentlichkeit, allgemeiner Zugänglichkeit und unmittelbarer Bedeutsamkeit“, impliziere zugleich aber auch „einen universalen Anspruch“. 974. Auf diesen Sachverhalt weist R.H. Charles, Apk I, 110f. hin: „It must be confessed that the expression ἐγενόμεν ἐν πνεύματι is not what we expect here, since it expresses nothing more than what is already definitely implied in μετὰ ταῦτα εἶδον, i.e. that the Seer was in the ecstatic state“; anders hier etwa H. Giesen, Apk, 148, der die Formel μετὰ ταῦτα εἶδον als eine „allgemein einleitende. Formel“ verstehen möchte, wohingegen mit Apk 4,2a der eigentliche Beginn der Vision markiert wird. 975. Vgl. zu dieser inhaltlichen Parallelisierung etwa U.B. Müller, Apk, 81: „Am ‚Herrentag‘, dem Sonntag, gerät er [d.h. der Apokalyptiker] in Verzückung, weil der Geist ihn ergreift“.

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solche Verzückung in Apk 4,2a ohne jegliche Bezugnahme auf Apk 1,10aα noch einmal berichtet, darüber hinaus auch, in welchem Verhältnis jene erste Verzückung zu der in Apk 4,2a beschriebenen zweiten – oder erneuten (?) – Geistergreifung zu denken ist976. Im Blick auf diese Fragestellung referiert D.E. Aune fünf unterschiedliche in der exegetischen Literatur diskutierte Interpretationsansätze: (a) Mit seinem wiederholenden Hinweis in Apk 4,2 beabsichtige der Apokalyptiker, die Rezipienten an die Fortdauer der Geistergriffenheit des Sehers zu erinnern977. Einer solchen Interpretation widerrät allerdings die Beobachtung, dass der Apokalyptiker in der entsprechenden Formulierung in Apk 4,2a das Momentum einer kontinuierlichen, weiter andauernden Geistergriffenheit seiner eigenen Person gerade nicht zum Ausdruck kommen lässt, ein Umstand, der umso mehr verwundern muss, als jener in Apk 4,1 mit seinem Hinweis auf die φωνὴ ἡ πρώτη ἣν ἤκουσα ὡς σάλπιγγος λαλούσης μετ᾽ ἐμου immerhin einen deutlichen Rückbezug auf Apk 1,10 und das dort Geschilderte formuliert978. (b) Im Rahmen der Einleitung zum apokalyptischen Hauptteil, zugleich dem eigentlichen inhaltlichen Hauptteil der Apk habe der Apokalyptiker mit seinem Hinweis ἐγενόμην ἐν πνεύματι „the [möglicherweise noch vertiefte] divine inspiration of the vision narrative that follows“979, noch einmal betonen wollen. Auch dieser Verstehensansatz kann sich nicht auf entsprechende, im Text von Apk 4,2 vorliegende leser- und interpretationslenkende Textsignale berufen. (c) Dieses Argument steht auch in Geltung gegen den dritten von Aune angeführten Interpretationsvorschlag, demzufolge die Wiederholung der Wendung ἐγενόμην ἐν πνεύματι signalisiere, dass mit ihr eine höhere Stufe der Verzückung, die für den Aufstieg in den Himmel notwendig sei, expliziert werden solle980; der Text von Apk 4,2 selbst veranlasst eine solche Interpretation jedoch in keiner Weise981. (d) Viertens referiert Aune die Möglichkeit, die Ausführungen in Apk 4,2a auf der Handlungsebene der Apk als eine neue, von derjenigen in Apk 1,10 zu unterscheidende 976. Dieses Problem beschreibt zutreffend I.T. Beckwith, Apk, 495: „The language would seem to imply the beginning of an ecstasy, whereas the Prophet has been represented in such a state from 1,10 on; it was in this state that he saw the open door, and heard the voice (v. 1). No author or compiler even, who wrote as introductory to the vision verse 1, with its implied ecstasy, could intend in the words of v. 2 the beginning of an ecstasy“. 977. Vgl. hierzu Apk I, 283: „it is possible that the author simply intends to remind the reader of the continuation of his vision trance, as in Ezek 11:1,5“; im Zuge seiner Darlegungen verweist D.E. Aune auf entsprechende Ausführungen bei W. Bousset. 978. Dieser Sachverhalt lässt auch die Überlegung W. Boussets, Apk, 243f: „…; man darf wirklich eine apokalyptische Darstellung nicht so genau und gründlich nehmen: Der Apokalyptiker hat entweder, namentlich wenn wir annehmen, daß die Apk nicht in einem Zuge geschrieben wurde, nicht mehr daran gedacht, daß er schon einmal von sich erzählt hat“, mehr als unwahrscheinlich erscheinen. Dies gilt auch im Blick auf die Einlassung von J. Weiß, Apk, 54, A. 1, der formuliert: „Wer diese zweite Ekstase einführte, empfand nicht mehr, daß schon ἴδον einen visionären Zustand beschreibt“. 979. D.E. Aune, Apk I, 283 mit Verweis auf E. Lohmeyer. 980. Vgl. hierzu D.E. Aune, Apk I, 284: „Some commentators have argued that a higher form of ecstasy was necessary for the heavenly ascent narrated in 4:1ff. .. and that it is a response to the invitation ἀνάβα“, dabei auf H.B. Swete, J. Roloff und wiederum E. Lohmeyer verweisend. 981. Vgl. hierzu bereits J. Weiß, Apk, 51, A. 1: „Von einer Steigerung der Ekstase ist nichts angedeutet“.

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Geistergriffenheit zu interpretieren982. Dem steht nun allerdings entgegen, dass der Apokalyptiker zwischen Apk 1,10 und Apk 4,2 an keiner Stelle signalisiert, dass diese erste Verzückung zwischenzeitlich aufgehoben gewesen wäre983. (e) Schließlich wird in der Forschung erwogen, dass die Ausführungen in Apk 4,2a im Zuge der Verknüpfung der Darstellung Apk 1–3 mit derjenigen in Apk 4(ff.) in den Text eingefügt worden sind984. Mit dieser Annahme wird das durch die Parallelität der Wendung ἐγενόμην ἐν πνεύματι Apk 1,10aα; Apk 4,2a evozierte interpretatorische Problem allerdings nur auf die Ebene eines Redaktors verlagert, nicht jedoch einer Lösung zugeführt; was nämlich – so ist dann zu fragen – hat den entsprechenden Redaktor bewogen, in Apk 4,2a die in Apk 1,10aα bereits verwendete Formel ἐγενόμην ἐν πνεύματι – dessen Existenz ihm, wie die Ausführungen in Apk 4,1c mit Notwendigkeit nahelegen, bewusst gewesen sein muss – in paralleler Weise erneut zu benutzen, bzw. präziser: Welche Botschaft beabsichtigte dieser Redaktor mit der Konstruktion einer solchen Parallelität zu transportieren? Dass diese sich nicht einer vom Apokalyptiker übersehenen Zufälligkeit verdankt, belegen schon die Ausführungen in Apk 4,1c, die einen deutlichen Rückbezug auf Apk 1,10 erkennen lassen, dazu auch die Ausführungen in Apk 4,1d, die das in Apk 1,19 Ausgeführte explizit wieder aufnehmen985.

982. Vgl. hierzu Apk I, 284: „The hearing of the voice, which brought on the first ecstatic experience (1:10), now causes the narrator to fall into a trance for the second time“; vgl. hierzu auch U.B. Müller, Apk, 143: „Daraufhin wird der Seher erneut voll des Geistes und gerät in ekstatischen Zustand (wie 1,10)“, und H. Giesen, Apk, 148: „Der Seher wird wie bei seiner ersten Vision (1,10) vom Geist ergriffen, womit nach der allgemein einleitenden Formel in V. 1a der Beginn der Vision markiert wird …. … Der V[er]f[asser] unterstreicht vielmehr nochmals, daß eine neue Vision beginnt, in der er – anders als in 1,10–20 – nicht Christus, sondern den großen Thronsaal Gottes … schaut“. Angesichts des Sachverhalts, dass der Apokalyptiker die Wendung μετὰ ταῦτα εἶδον bzw. den Ausdruck καὶ εἶδον in der Apk an mehreren Stellen verwendet, um neue Visionen, neue Visionsteile oder aber auch neue Szenen einer Vision einzuführen (vgl. hierzu etwa A. Satake, Apk, 194, A. 2 und auch I.T. Beckwith, Apk, 494), führt diese Einlassung Giesens aber unmittelbar zu der Frage, warum dann die Wendung ἐγενόμην ἐν πνεύματι, wenn sie denn hier in Apk 4,2a und darüber hinaus auch grundsätzlich als Markierung des Beginns der eigentlichen Vision zu verstehen ist, in der Apk nur in Apk 1,10 und 4,2 und nicht erheblich häufiger belegt ist. Der Interpretationsvorschlag Giesens setzt letztlich eine vollständig umgekehrte Reihenfolge des Textes voraus; die Verzückung, expliziert durch die Wendung ἐγενόμην ἐν πνεύματι müsste der Formel (μετὰ ταῦτα) εἶδον bzw. dem Hinweis auf das ὁρᾶν vorausgehen. 983. Vgl. hierzu etwa I.T. Beckwith, Apk, 495: „The language would seem to imply the beginning of an ecstasy, whereas the Prophet has been represented in such a state from 1,10 on; it was in this state that he saw the open door, and heard the voice“. 984. Vgl. hierzu Apk I, 284; R.H. Charles, Apk I, 110 urteilt: „We therefore regard the words καὶ ἰδοὺ ... ἐν πνεύματι as added here by the Seer in order to connect i–iii. and iv.–ix.“; Diese Einfügung sei notwendig gewesen, da die Darstellung Apk 1–3 auf der Erde, diejenige in Apk 4ff. hingegen im Himmel spiele (vgl. 110). In diese Richtung scheint auch C.R. Koester, Apk, 359 zu denken, allerdings ohne jeden literarkritischen bzw. redaktionsgeschichtlichen Akzent: „John was already ‚in the Spirit‘ on Patmos (1:10), but repeating this expression here signals a change to a heavenly setting“. 985. Vgl. hierzu etwa U.B. Müller, Apk, 86: „‚Was geschehen wird danach‘ hat den apokalyptischen Hauptteil 4,1–22,5 im Blick, wie die die folgenden Visionsberichte einleitende Wiederaufnahme der Wendung in 4,1 beweist“.

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Soll nicht angenommen werden, dass der Satz ἐγενόμην ἐν πνεύματι in Apk 4,2a lokal akzentuiert – und damit dann deutlich anders als in Apk 1,10aα986 – zu interpretieren sei, d.h. einen im Status der bereits verwirklichten Geistergriffenheit wahrgenommenen oder realisierten Ortswechsel signalisierte – eine Annahme, die sich am Text von Apk 4,1f. jedoch letzten Endes trotz zahlreicher gegenteiliger Einlassungen in der exegetischen Sekundärliteratur nicht erweisen lässt987 –, lässt sich im Blick auf die Frage nach der Relation desselben zu der gleichlautenden Wendung ἐγενόμην ἐν πνεύματι Apk 1,10aα und diejenige nach den argumentationslogischen und interpretatorischen Implikationen desselben mit Plausibilität letztlich nur Folgendes annehmen: Diesem Satz komme in Apk 4,2a eine Funktion und eine Bedeutung nun zwar nicht auf der Handlungs-, sehr wohl aber auf der Rezeptionsebene des Textes – diese Unterscheidung scheint an dieser Stelle heuristisch hilfreich zu sein – zu. Er markiere zunächst, für die (Erst-)Rezipienten deutlich erkennbar, den Beginn eines neuen, nun zweiten visionären Hauptteils innerhalb der im NT vorliegenden Apk. Darüber hinaus erscheint zwanglos denkbar, dass der Apokalyptiker im Rahmen der von ihm intendierten Leserlenkung mit jenem zum Ausdruck bringen und – wiederum ausschließlich auf der Ebene der Rezeption – seinen (Erst-)Rezipienten signalisieren wollte, dass den Visionen Apk 1,9–3,22 und Apk 4,1–22,5, somit also den durch eine Christusvision eingeleiteten Sendschreiben und dem apokalyptischen Hauptteil, die gleiche theologische Wertigkeit zukämen. Beide Visionen – und dies wird durch die parallele Verwendung der Wendung ἐγενόμην ἐν πνεύματι unabhängig von ihrer zumindest in Apk 4,1f. durchaus problematischen argumentationslogischen Kontextualisierung unterstrichen – bzw. beide Teile der Apk seien, wenn auch an unterschiedlichen Orten, so doch in gleicher Weise ἐν πνεύματι empfangen worden, somit also in gleicher Weise theologisch legitimiert und damit theologisch gleichwertig und in gleicher Weise verbindlich. In diesem Sinne kommt der Wendung ἐγενόμην ἐν πνεύματι in Apk 4,2a auf der Rezeptionsebene, im Kontext der Leserlenkung, eine für die Interpretation der Apk in ihrer Gesamtheit grundlegende Bedeutung zu, ohne dass sie die Handlungsebene des in Apk 4,1f. Dargestellten selbst signifikant tangiert988. 986. Vgl. hierzu o. 333–334. 987. Vgl. hierzu die ausführliche Diskussion u. 988. In diesem Sinne kommt der Formel ἐγενόμην ἐν πνεύματι in Apk 4,2a eine Funktion zu, die etwa U. Schnelle den Einzelelementen der Geheimnistheorie, die das Mk bietet, zuschreibt: „Die Einzelelemente der markinischen Geheimnistheorie entspringen nicht einem historischen Interesse, sondern sie zielen auf den Leser und wollen ihn zu einer umfassenden

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Eine solchermaßen lokal akzentuierte Interpretation der Wendung ἐγενόμην ἐν πνεύματι scheinen die Ausführungen von D.E. Aune zu implizieren. Im Rahmen seiner Darlegungen weist jener nämlich darauf hin, dass die Wendung ἐν πνεύματι in der Apk über Apk 1,10aα hinaus noch dreimal belegt sei, nämlich in Apk 4,2; 17,3; 21,10, und dass dieselbe an diesen drei Stellen immer im Kontext einer durch eine φωνή oder einen Engel gegenüber dem Apokalyptiker geäußerten Aufforderung zu einer Ortsveränderung begegneten: „Three of these [d.h. der Belege] involve responses to an invitation by an angelic being to come“989. Dass in Apk 17,3; 21,10 die Geistergriffenheit unmittelbar mit einem jeweils von einem ἄγγελος initiierten Ortswechsel einhergeht und jenen nachgerade beinhaltet oder umfasst, ist nicht zu bestreiten – in Apk 17,3 wird der Seher von einem ἄγγελος im Geist auf einen Berg getragen (καὶ ἀπήνεγκέν με εἰς ἔρημον ἐν πνεύματι), in Apk 21,10 im Geist auf einen großen und hohen Berg (καὶ ἀπήνεγκέν με ἐν πνεύματι ἐπὶ ὄρος μέγα καὶ ὑψηλόν) –, in Apk 4,2 jedoch ist eine solche Ineinssetzung von Verzückung und Ortswechsel keinesfalls expliziert; zwar fordert die φωνὴ πρώτη den Apokalyptiker auf: ἀνάβα ὧδε, καὶ δείξω σοι ἃ δεῖ γενέσθαι μετὰ ταῦτα (Apk 4,1d), die unmittelbar an diese Aufforderung sich anschließende Verzückung (εὐθέως ἐγενόμην ἐν πνεύματι Apk 4,2a) wird zudem auch durch das Adverbium εὐθέως zeitlich mit der Aufforderung zum – offensichtlich dann auch realisierten, allerdings eben nicht berichteten990 – Aufstieg in den Himmel verknüpft, gerade nicht jedoch etwa in der Erkenntnis Jesu Christi führen“ (Einleitung, 281). Entsprechend ließe sich im Blick auf die Wendung ἐγενόμην ἐν πνεύματι in Apk 4,2a formulieren, dass sie sich nicht einem darstellerischen oder argumentationslogischen Interesse verdankt, sondern auf den Leser zielt und ihn über den Charakter der im apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 dargestellten Vision(en) ins Bild setzen möchte. In diese Richtung denkt auch F. Tóth, Kult, 177f. 989. Apk I, 283; deutlicher als Aune hier etwa I.T. Beckwith, Apk, 495f.: „The words are meant to include the immediate sequel of the summons, that is, the Seer’s rapture in the Spirit into heaven, as well as the continuance of the ecstasy in which he received the relevations following“. In diesem Sinne etwa auch H. Giesen, Apk, 148: „Obwohl der Seher dazu aufgefordert wird, in den Himmel aufzusteigen, liegt das nicht in seiner eigenen Kraft. Er muß in den Himmel entrückt werden“, ein Vorgang, der Giesen zufolge in der Wendung ἐγενόμην ἐν πνεύματι Apk 4,2a expliziert wird, und M. Karrer, Johannesoffenbarung, 222: „4,2 geht darüber noch hinaus. Wie 1,10 verweist es auf eine besondere Geisterfahrung des Johannes, die aber nicht dessen charismatischer Hervorhebung dient, sondern allein der Schau des Throns im Himmel usw. durch die Apk-Adressaten“. 990. Vgl. hierzu K. Huber, Menschensohn, 105: „Ob freilich an dieser Stelle [d.h. in Apk 4,1f.] eine tatsächliche Ortsveränderung des Johannes angezeigt ist oder lediglich ein gegenüber Offb 1,10 allerdings neuerlich angesagter Wechsel in den ‚Innenraum‘ des Geistes erfolgt, lässt die Schilderung trotz der zweifachen Ortsangabe ἐν τῷ οὐρανῷ und der Aufforderung ἀνάβα ὧδε m.E. offen“. Wie ein solcher Aufstieg bzw. Eintritt in den Himmel explizit und für die Rezipienten nachvollziehbar formuliert werden kann, zeigen etwa die Ausführungen in TestLev 2,6f.: καὶ ἰδοὺ ἠνεῴχθησαν οἱ οὐρανοί, καὶ ἄγγελος θεοῦ εἶπε πρός με· Λευί, εἴσελθε. (7) καὶ εἰσῆλθον ἐκ τοῦ πρώτου οὐρανοῦ εἰς τὸν δεύτερον, καὶ εἶδεν ἐκεῖ ὕδωρ κρεμάμενον ἀναμέσον τούτου κἀκείνου (Text nach M. de Jonge, TestXII, 26; „Und siehe: Die Himmel wurden geöffnet. Und ein Engel des Herrn sprach zu mir: Levi, tritt herein! (7) Und ich betrat den ersten Himmel, und ich sah dort Wasser hängen“; Übersetzung nach J. Becker, TestXII, 48), ähnlich auch diejenigen von 1Hen 14, der – angeblich – „‚allernächsten Parallele‘“ (F. Tóth, Kult, 231 mit Verweis auf G. Schimanowski) zu Apk 4f.: „(8) Und die Vision erschien mir folgendermaßen: Siehe, Wolken riefen mich in der Vision, und Nebel rief mich,

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Weise von Apk 17,3; 21,10 selbst als Aufstieg in den Himmel oder aber als Eingang etwa in einen himmlischen Thronsaal (καὶ ἰδοὺ θρόνος ἔκειτο ἐν τῷ οὐρανῷ, ... Apk 4,2b.c) definiert991. Diese in Apk 4,1f. im Blick auf den Aufstieg in den Himmel beobachtbare fehlende darstellerische bzw. argumentationslogische Eindeutigkeit muss umso mehr verwundern, als der Apokalyptiker etwa in Apk 1,10–12, in Sonderheit unter Verwendung der Präposition ὀπίσω und des Verbums ἐπιστρέφειν, die Interaktion zwischen ihm selbst und der von ihm wahrgenommenen φωνὴ μεγάλη außerordentlich präzise, beinahe sogar pleonastisch beschreibt: ἐγενόμην ἐν πνεύματι ἐν τῇ κυριακῇ ἡμέρᾳ καὶ ἤκουσα ὀπίσω μου φωνὴν μεγάλην ὡς σάλπιγγος ... (12) Καὶ ἐπέστρεψα βλέπειν τὴν φωνὴν ..., καὶ ἐπιστρέψας εἶδον ...992. Noch expliziter als D.E. Aune verknüpft etwa J. Roloff das Momentum der Verzückung in Apk 4,2a mit einem Ortswechsel: „Und zwar handelt es sich hier, im Gegensatz zu 1,10 … um eine sogenannte Himmelsreise der Seele. Die Vorstellung dabei war, daß die Seele des Sehers sich kraft der durch den Geist bewirkten Ekstase vorübergehend vom Leibe löste, um zum Himmel aufzusteigen und Zugang zum dort befindlichen Bereich Gottes zu erhalten“993; dieser hier von Roloff beschriebene Zusammenhang wird in Apk 4,1f. aber gerade nicht geschildert, zeigt jedoch sehr instruktiv, wie sehr die Ausführungen in Apk 4,1.2a in ihrer Gesamtheit zu einer subjektiven Sinnbildung nötigen. J. Roloff durchaus ähnlich interpretiert U.B. Müller die Formel ἐγενόμην ἐν πνεύματι Apk 4,2a: „Vielmehr umschreibt die Wendung ‚sogleich wurde ich vom Geist ergriffen‘ die eigentliche Entrückung in den Himmel“994; um seine Interpretation zu untermauern verweist Müller auf 2Kor 12,2, einen Text, der angesichts einer gänzlich anderen Semantik diese argumentative Last allerdings kaum zu tragen vermag. Auch der Interpretationsansatz Müllers fußt letztlich auf einer subjektiven, durch die Ausführungen des Textes selbst nicht gedeckten Sinnkonstruktion.

Untermauern lässt sich diese rezeptionsästhetisch akzentuierte und verankerte Interpretation der Wendung ἐγενόμην ἐν πνεύματι in Apk 4,2a durch die Beobachtung, dass dieser Satz sich in den Kontext von Apk 1,9f. zwanglos einfügt und sich im Rahmen dieses Kontextes bereits auf der Handlungs- bzw. Darstellungsebene vollständig plausibel interpretieren lässt, wohingegen jener im Kontext der Ausführungen Apk 4,1.2a und auch die Gesamtheit derselben auf der Handlungs- bzw. Darstellungsebene gleich mehrere textliche Diskontinuitäten aufweisen: Genannt seien hier das und die Bahn der Sterne und die Blitze drängten mich zur Eile und trieben mich, und die Winde in der Vision gaben mir Flügel und bewegten mich und hoben mich empor in den Himmel. (9) Und ich ging hinein, bis ich nahe an einer Mauer war, …“ (Text nach S. Uhlig, 1Hen, 538). 991. Diese Differenzen zwischen den Ausführungen in 17,3; 21,10 einer- und Apk 4,2a andererseits ebnet C.R. Koester in unzulässiger Weise ein, wenn er zu Apk 4,2a ausführt: „…; and later, John being shown Babylon and New Jerusalem (17:3; 21:10) will mark new phases of Revelation“. 992. Vgl. zu Apk 1,12 auch u. 363. 993. Apk, 66; vgl. zu dieser These auch H. Lichtenberger, Apk, 119. 994. Apk, 144.

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Problem der Relation des Satzes ἐγενόμην ἐν πνεύματι zu dem im Grunde bereits eine visionäre Aktion bzw. eine Vision einleitenden Hinweis μετὰ ταῦτα εἶδον995, darüber hinaus auch dasjenige der argumentations- und darstellungslogischen Nicht-Schilderung des Vorgangs des Aufstieges des Sehers in den Himmel996. Diese Diskontinuitäten müssen, um texthermeneutische Kohärenz zu gewinnen, von den (Erst-)Rezipienten im Zuge inferentieller Konstruktion, somit also der Kreation durch den Text nicht gedeckter und damit ausschließlich subjektiver Sinnbildung überwunden werden. Dieser Sachverhalt lässt die Annahme wahrscheinlich erscheinen, dass letztlich die Gesamtheit der Ausführungen in Apk 4,1.2a zumindest in ihrer gegenwärtig vorliegenden Fassung und damit dann auch die Wendung ἐγενόμην ἐν πνεύματι eine – insbesondere rezeptionsästhetisch motivierte und auf die Entwicklung eines argumentationslogischen Zusammenhanges und damit auf die Leserlenkung abhebende – nachträgliche oder aber sekundäre Zutat zu einem bereits bestehenden oder aber einen im Zuge der Verknüpfung der Ausführungen von Apk 1–3* mit denjenigen in Apk 4–22* erst kreierten und in ähnlicher Weise rezeptionsästhetisch akzentuierten Textzusammenhang darstellen997. Diese Überlegungen hinsichtlich einer annähernd ausschließlich rezeptionsästhetischen Funktion des Satzes ἐγενόμην ἐν πνεύματι in Apk 4,2a und eines im Blick auf die Ausführungen in Apk 4,1.2a zu postulierenden Textwachstumsprozesses lassen sich nun auch für die in der vorliegenden Studie verhandelte Frage nach der zeitlichen und der literarischen Relation der Ausführungen in Apk 1,4–20*; 2,1– 3,22* zu denjenigen in Apk 4–22 auswerten. Wenn nämlich die Wendung ἐγενόμην ἐν πνεύματι in Apk 4,2a in den Kontext der Leserlenkung einzuordnen ist und die Ausführungen in Apk 4,1.2a in ihrer jetzigen Form das in Anlehnung an und unter Bezugnahme auf diejenigen in Apk 1,4–20* konzipierte Ergebnis eines Textwachstumsprozesses darstellen, wird die – gänzlich zwanglos sich ergebende – Annahme wahrscheinlich, dass die um einen brieflichen Eingang und um die sieben 995. Vgl. hierzu die entsprechende Diskussion o.; mit H. Schweizer lässt sich diese hier wahrzunehmende textliche Diskontinuität zwischen Apk 4,1a und Apk 4,2a durchaus im Sinne einer – in jedem Falle erklärungsbedürftigen – Mehrfachnennung von Wörtern, Wortgruppen, Sätzen und Abschnitten (vgl. hierzu bereits o. 33 mit A. 35) verstehen. 996. Vgl. hierzu die entsprechende Diskussion o.; im Blick auf das Faktum des in Apk 4,1f. nicht beschriebenen, aber inhaltlich doch vorausgesetzten Aufstiegs des Sehers in den Himmel ist in Anlehnung an H. Schweizer ein aus dem Text sich ergebendes Informationsdefizit zu konstatieren (vgl. hierzu bereits o. 33 mit A. 36), das als solches zwar nicht unmittelbar auf eine textliche Diskontinuität hindeuten muss, aber in jedem Falle auffällig ist. 997. Vgl. zu diesem Zusammenhang bereits ausführlich o. 343–346; R.H. Charles, Apk I, 108 zufolge stellen die Ausführungen Apk 4,1b–2a, d.h. der Text καὶ ἰδοὺ θύρα ἠνεῳγμένη ἐν τῷ οὐρανῷ, καὶ ἡ φωνὴ ἡ πρώτη ἣν ἤκουσα ὡς σάλπιγγος λαλούσης μετ᾽ ἐμοῦ λέγων· ἀνάβα ὧδε, καὶ δείξω σοι ἃ δεῖ γενέσθαι μετὰ ταῦτα. (2) Εὐθέως ἐγενόμην ἐν πνεύματι, „an addition inserted by the writer with a view to linking together this vision with that which precedes“, dar.

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Sendschreiben Apk 2f. erweiterte Christusvision Apk 1,4–20 zumindest in ihrem Grundbestand zeitlich früher zu datieren ist als der apokalyptische Hauptteil Apk 4–22 bzw. die im Neuen Testament vorliegende Gesamt-Apk; erstere lag dem Apokalyptiker zum Zeitpunkt seiner Schau bzw. seiner Abfassung des letzteren bereits vor und wurde von ihm als ein ihm bereits vorliegender Text mit jenem nun neu kreierten Text zu einem neuen Gesamtwerk, eben der im NT vorliegenden GesamtApk, verbunden. Auf der anderen Seite wird die etwa von F. Tóth vertretene Annahme, die Ausführungen Apk 1,4–3,22 stellten eine spätere Hinzufügung zu dem ursprünglichen Text Apk 1,1–3; 4,1–22,10 dar998, durch diese Erwägungen wenn nicht verunmöglicht, so doch zumindest deutlich erschwert. Diese Annahme setzte auf der Basis der in ihr formulierten Abgrenzung der beiden Texteinheiten und insbesondere aufgrund der ihr inhärenten Voraussetzung, dass die Ausführungen in Apk 4,1.2a einen ursprünglichen Bestandteil der Vision Apk 4f. darstellten, nämlich entweder voraus, dass der Sachverhalt, dass die Wendung ἐγενόμην ἐν πνεύματι in Apk 1,10aα in gleicher Formulierung auch in Apk 4,2a vorliegt, eine vollständig zufällige Übereinstimmung darstellt, oder aber sie erforderte ihrerseits die Annahme, dass der für die Integration der beiden Texteinheiten Verantwortliche diese Wendung in Apk 1,10aα im Rahmen seiner Integrationsbemühungen nachträglich in den dortigen Kontext eingefügt habe. Ersterem kommt eine nur sehr geringe Wahrscheinlichkeit zu, letzteres scheitert daran, dass der Kontext von Apk 1,10 für eine solche Annahme keinerlei Anhalt bietet. Die redaktionsgeschichtliche These Tóths ließe sich vordergründig nur halten, nähme er an, dass entweder zumindest die Wendung ἐγενόμην ἐν πνεύματι oder aber – was angesichts des reflexiv auf Apk 1,19; 2f. verweisenden μετὰ ταῦτα Apk 4,1a999, der in gleicher Weise reflexiven, nun auf die Ausführungen Apk 1,10 bezogenen Wendung ἡ φωνὴ ἡ πρώτη ἣν ἥκουσα ὡς σάλπιγγος Apk 4,1c.d1000 und der entsprechende Ausführungen in Apk 1,19 aufnehmenden Formulierung γενέσθαι μετὰ ταῦτα Apk 4,1e1001 wahrscheinlicher scheint1002 – die Ausführungen Apk 4,1.2a zumindest in wesentlichen Teilen im Zuge der Integration der Texteinheit Apk 1,4–3,22 998. Vgl. hierzu bereits o. und darüber hinaus F. Tóth, Vision, 395: „Das zunächst in sich abgerundete apokalyptische Buch Apk 1,1–3; 4,1–22,10, das inhaltlich eine umfassende sakrale himmlische Wirklichkeit in kritischer Auseinandersetzung mit der imperialen Realität präsentiert, dient demnach als Referenzdokument für die Argumentationsstrategie bei der Konzipierung der prophetischen Sendschreiben“. 999. Vgl. hierzu etwa H. Giesen, Apk, 147, der ausführt: „Mit der Wendung ‚danach sah ich‘, die einen unbestimmt langen Zeitraum bezeichnet, setzt der V[er]f[asser] die folgende Vision … deutlich von der Beauftragungsvision und den sieben Sendschreiben ab und führt den apk Hauptteil des Buches ein“. 1000. Vgl. hierzu etwa D.E. Aune, Apk I, 282: „This is a redactional gloss intended to link this section with 1:9–20. The ‚first voice‘ must be the voice in 1:10–11, which commanded John to write a book and send it to the seven churches“. 1001. Nach D.E. Aune, Apk I, 283 stellt der Satz ἃ δεῖ γενέσθαι μετὰ ταῦτα nachgerade eine Imitation der entsprechenden Ausführungen in Apk 1,19 dar. 1002. Diese zahlreichen in Apk 4,1f. auftretenden reflexiven Bezüge nötigen geradezu dazu, die Visionen Apk 1,9–20. 2f. und Apk 4–22 zumindest vom Grundsatz her „fragmentarisch und unabhängig voneinander“ (F. Tóth, Kult, 178) zu behandeln; anders hier F. Tóth, Kult, 178 der unter Verweis auf B. Kowalski gerade das Gegenteil fordert. Dass dies auf der Basis des Endtextes nicht mehr möglich ist, steht außer Frage; aber dies betrifft dann doch

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in den bereits vorliegenden Textzusammenhang Apk 1,1–3; 4,1–22,10* entweder neu kreiert oder aber grundlegend neu bearbeitet und in letzteren eingearbeitet worden seien, die eigentliche Thronsaalvision also ursprünglich erst mit Apk 4,2b bzw. präziser: mit Apk 4,1b.1003.2b1004 begonnen hätte. Das aber hieße, dass der Apokalyptiker der ersten Fassung seiner Apokalypse zufolge zum Zeitpunkt des Empfangs der Apk 4–22 dargestellten Visionen einen irdischen Standort1005 eingenommen und dieselben erst in der zweiten, dann erweiterten Auflage seines Werkes im Himmel empfangen hätte1006. Warum aber sollte nun derjenige, auf den u.a. die Einfügung von Apk 4,1c.d zurückgeht, eine solche keinesfalls unmaßgebliche, sondern grundsätzlich bedeutsame Standortverschiebung in einen ihm bereits vorliegenden Text einzeichnen, wenn den Rezipienten auch ohne eine solche eben aufgrund des nur die letzte Phase des Prozesses des Wachstums des Textes der Apk bis hin zu ihrer im Neuen Testament vorliegenden Gestalt. 1003. Denkbar wäre immerhin, dass der ohne jedes reflexive Momentum formulierte Satz καὶ ἰδοὺ θύρα ἠνεῳγμένη ἐν τῷ οὐρανῷ bereits ein Bestandteil der im Rahmen der These Tóths dann ursprünglichen Fassung der Thronsaalvision Apk 4f. gewesen ist. 1004. Aufgrund der o.a. zahlreichen Rückverweise und textlichen Wiederaufnahmen innerhalb der Ausführungen Apk 4,1.2a ließe sich als rekonstruierter ursprünglicher Anfang der Thronsaalvision Apk 4f. dann etwa folgender Text denken: ... ἰδοὺ θύρα ἠνεῳγμένη ἐν τῷ οὐρανῷ ... (2) ... καὶ ἰδοὺ θρόνος ἔκειτο ἐν τῷ οὐρανῷ. 1005. Dass der Apokalyptiker in Apk 4,1 – zumindest zunächst – einen irdischen Standort einnimmt, sieht etwa U.B. Müller, Apk, 143. 1006. Um dieser Konsequenz zu entgehen, müsste F. Tóth annehmen, dass zumindest die Aufforderung ἀνάβα ὧδε Apk 4,1d – oder ein derselben vergleichbarer Hinweis – in der ursprünglichen Fassung von Apk 4,1 vorgelegen habe, eine Annahme, die ihrerseits die Notwendigkeit mit sich bringt, zu postulieren, dass diese Aufforderung bzw. dieser Hinweis auch von jemandem ausgesprochen worden sei, dass in der ursprünglichen Fassung von Apk 4,1 also entweder eine – von der Apk 4,1c erwähnten φωνὴ πρώτη zu unterscheidende – Stimme oder eine andere Figur aufgetreten sein müsste, die diese Aufforderung geäußert hätte (vgl. hierzu die o. bereits cit. Ausführungen in TextLev 2,6f., die exakt eben diesen Sachverhalt transportieren, 347, A. 990), deren Existenz und deren literarisches Auftreten im Zuge der redaktionellen Bearbeitung von Apk 4,1.2a aber vollständig überformt worden wären. Eine solche Annahme zu vertreten, hieße nun aber, die methodische Schwierigkeit, einem originär nicht nachweisbaren, sondern lediglich auf der Basis eines exegetischen Postulates rekonstruierten Text eine – zumindest innerhalb einer Phase des Textwachstums der Apk – tatsächliche Existenz zuzuschreiben, vollständig zu ignorieren. Dieses hier skizzierte Problem ist durchaus vergleichbar mit dem der im Kontext der Zwei-Quellen-Theorie diskutierten Frage nach der Existenz der Logienquelle Q. U. Schnelle, Einleitung, 245 formuliert in diesem Zusammenhang: „Gegen die Existenz der Logienquelle wird vor allem in Teilen der englischsprachigen Exegese eingewendet, dass Q als eigenständig überlieferter Text nicht existiere, sondern hypothetisch rekonstruiert werden müsse. Dies ist zutreffend, es ist aber durch die Doppelüberlieferungen bei Matthäus und Lukas methodisch kontrollierbar und stellt im Rahmen der antiken Literatur keineswegs eine Ausnahme dar“. Exakt diese methodische Kontrollierbarkeit fehlt aber im Blick auf die o. formulierte Annahme zu Apk 4,1.2a. Der immerhin nicht undenkbare Versuch, das zu seinem Subjekt φωνὴ πρώτη grammatisch inkongruente Partizipium λέγων Apk 4,1c als einen Hinweis auf eine solche von der φωνὴ πρώτη zu unterscheidende Stimme oder Engelsfigur zu interpretieren, scheitert an dem Sachverhalt, dass es sich bei der Konstruktion in Apk 4,1c um einen in der Apk auch noch an anderer Stelle belegten Hebraismus handelt; vgl. zu einem solchen Hebraismus etwa D.E. Aune, Apk I, 282 und R.H. Charles, Apk I, 108.

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in Apk 4,1b Ausgeführten klar sein musste, dass das im Folgenden beschriebene Geschehen im Himmel zu verorten ist1007? Angesichts dieser interpretatorischen Schwierigkeit will es wesentlich plausibler scheinen, den apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 als zu einem späteren Zeitpunkt an die bereits existierende Texteinheit Apk 1,4–3,22* angefügt zu definieren; der entsprechende Redaktor oder Bearbeiter habe dann in Sonderheit die reflexiven Ausführungen innerhalb des in Apk 4,1.2a Ausgeführten neu geschaffen, um den apokalyptischen Hauptteil nicht zuletzt im Interesse der Leserlenkung1008 mit dem bereits bestehenden Text Apk 1,4–3,22* zu verbinden und den Apokalyptiker zur Wahrnehmung der Apk 4–22 geschilderten Visionen – zumindest andeutungsweise – in den Himmel aufsteigen zu lassen, um mit der örtlichen auch deren temporale Differenz – das in Apk 2f. Geschilderte betrifft die Gegenwart, das in Apk 4–22 die Zukunft – zu akzentuieren.

Die Identität der in Apk 1,10b auftretenden φωνὴ μεγάλη wird in der exegetischen Forschung nun durchaus unterschiedlich bestimmt, nämlich einerseits als diejenige eines ἄγγελος1009, andererseits als diejenige der in der folgenden Vision auftretenden Gestalt des ὅμοιος υἱὸν ἀνθρώπου1010. K. Huber 1007. Diese Überlegung betrifft auch die redaktionsgeschichtliche Position von D.E. Aune; Aune möchte die Ausführungen Apk 1,7–12a (καὶ ἐπεστρεψα βλέπειν τὴν φωνὴν ἥτις έλάλει μετ’ ἐμοῦ); 4,1–22,5 einer ersten Auflage der neutestamentlichen Apk zuschreiben, die in späterer Zeit dann um das in Apk 1,1–6.12b–20; 2,1–3,22; 22,6–21 Ausgeführte ergänzt worden wäre (vgl. hierzu bereits o. und darüber hinaus etwa Apk I, cxxiv). 1008. Vgl. zu diesem Aspekt im Grundsatz m.R. F. Tóth, Kult, 178f.; inwieweit die von Tóth entwickelte chiastische Verzahnung allerdings der im Text sichtbar werdenden Darstellungslogik entspricht, muss freilich dahingestellt bleiben. 1009. Vgl. hierzu auch G.K. Beale, Apk, 203; in diese Richtung scheint auch M. Karrer, Apk I, 254 zu denken, der diese φωνή zumindest im Ansatz als eigenständige Person verstehen möchte. Sein Hinweis auf ApkAbr 9,1 verfängt allerdings nicht, da die in ApkAbr 9,1 ertönende Stimme in ApkAbr 9,2 eindeutig als die Stimme Gottes identifiziert wird: „Da ertönte eine Stimme, die zweimal zu mir sprach: ‚Abraham! Abraham!‘ Und ich erwiderte: ‚Hier bin ich.‘ (2) Und sie sprach: ‚Ich bin es, fürchte dich nicht. Denn ich bin vor allen Äonen und ein starker Gott, der im Anfange das Licht des Äons schuf. …‘“ (Text nach B. Philonenko-Sayar/M. Philonenko, ApkAbr, 429). Überraschenderweise identifiziert Karrer dann aber im weiteren Verlauf seiner Darlegungen unter Hinweis auf das Partizipium λέγων Apk 4,1c die φωνὴ μεγάλη mit der Gestalt des ὅμοιος υἱὸν ἀνθρώπου: „Das Partizip λέγων … in unserem Vers versteht diese Stimme als Maskulinum und korrespondiert zu 1,17. Daher ist der Sprecher der Stimme Christus, der Menschensohngleiche aus Kap. 1“. Inwieweit dieses Argument allerdings überzeugen kann, muss fraglich bleiben, da sich das hier verwendete Partizipium λέγων durchaus als Hebraismus begreifen lässt (vgl. hierzu u. ###), was bedeutet, dass jenes keinerlei Rückschluss auf das Geschlecht und damit auch auf die Gestalt des entsprechenden Redenden zulässt. 1010. Vgl. zu dieser Diskussion K. Huber, Menschensohn, 113–115 mit A. 140. Über diese beiden wichtigsten Interpretationen des Syntagmas φωνὴ μεγάλη hinaus referiert Huber noch drei weitere, allerdings weniger wirkmächtige Deutungsansätze; dieses Syntagma werde etwa von G. Friedrich und D.E. Aune auf die Person Gottes bezogen, von C.A. Gieschen auf diejenigen des Geistes und eines angelus interpres (vgl. 113, A. 140), schließlich von J.H. Charlesworth „als hypostasiserte Größe., als himmlisches Wesen“ (114; vgl. darüber hinaus A. 147) verstanden. Letztere Interpretation wird von Huber „allein schon aufgrund der unbestimmten Nennung in Offb 1,10b“ (114) allerdings m.R. kritisch gesehen.

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zufolge werden in der exegetischen Literatur zugunsten des Bezugs der φωνὴ μεγάλη auf die Gestalt eines ἄγγελος im Wesentlichen folgende Argumente angeführt: (a) In Apk 4,1 werde die hier wiederum, nun als φωνὴ ἡ πρώτη, in Erscheinung tretende und wiederum mit einer σάλπιγξ verglichene φωνὴ μεγάλη von der Gestalt des ὅμοιος υἱὸν ἀνθρώπου deutlich unterschieden1011, dürfe daher in Apk 1,10 nicht mit derselben identifiziert werden. (b) Die φωνὴ μεγάλη lade in Apk 1,10f. „zu einer Vision ein …, zu dessen Inhalt auch Christus selbst gehört“1012, müsse also von der Gestalt desselben unterschieden werden. (c) Auditionen würden in der Apk mehrheitlich von ἄγγελοι eingeführt, eine Beobachtung, die im Blick auf Apk 1,10 die Identifikation der φωνὴ μεγάλη mit einer solchen Engelsgestalt wahrscheinlich machte1013. Diesen Argumenten entgegen spricht jedoch die Logik der Darstellung in Apk 1,9ff., sprechen in Sonderheit die Ausführungen in Apk 1,12f.1014 dafür, die φωνὴ μεγάλη mit der Gestalt des ὅμοιος υἱὸν ἀνθρώπου zu identifizieren, verbinden sie doch beide Realitäten explizit miteinander: Beschrieben wird, dass der Apokalyptiker sich umwendet, um nach der φωνή, die mit ihm spricht, zu sehen; er vermag aber niemand anderen wahrzunehmen als die Figur des ὅμοιος υἱὸν ἀνθρώπου1015. Darüber hinaus wird der Apk 1,11 von der φωνὴ μεγάλη formulierte Schreibbefehl in Apk 1,19 von der Gestalt des ὅμοιος υἱὸν ἀνθρώπου offensichtlich wieder aufgegriffen1016, eine Beobachtung, die den Gedanken der Identifikation dieser beiden Figuren durchaus zu stützen vermag. Gleiches gilt hinsichtlich des Sachverhalts, dass in der Apk Schreibbefehle in der Regel nur durch Christus selbst, nicht jedoch durch diesem untergeordnete Figuren ergehen1017.

1011. Vgl. hierzu K. Huber, Menschensohn, 113 mit Verweis auf J. Roloff (vgl. A. 50). 1012. K. Huber, Menschensohn, 113; Huber verweist hier auf Ausführungen von W. Bousset (vgl. A. 51). 1013. K. Huber, Menschensohn, 113 spricht hier von der „Beobachtung, dass insgesamt in der Johannesoffenbarung besonders häufig Engel als Sprecher von Auditionen auftreten“. 1014. Vgl. hierzu u. 363. 1015. Vgl. hierzu m.R. K. Huber, Menschensohn, 113f.: „Zum einen wird in Offb 1,12 ausdrücklich gesagt, dass Johannes sich umwendet, um die Stimme, d.h. den Urheber der Stimme, zu sehen, und er sieht dann tatsächlich Christus als den Menschensohngleichen (Offb 1,13–16)“; vgl. zu diesem Argument etwa auch A. Satake, Apk, 141. 1016. Vgl. hierzu K. Huber, Menschensohn, 114: „In seinen Worten an Johannes greift Christus außerdem in Offb 1,19 auf und wiederholt, was diesem bereits die posaunenähnliche Stimme in Offb 1,11 aufträgt“; auch hier ähnlich A. Satake, Apk, 141. 1017. Vgl. hierzu K. Huber, Menschensohn, 114 mit A. 145; Huber macht in der Apk insgesamt zwölf Schreibbefehle namhaft, von denen er nur denjenigen in Apk 19,9 auf einen ἄγγελος zurückführt.

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Diese Erwägungen lassen einerseits die Annahme wahrscheinlich erscheinen, dass innerhalb der Darstellung Apk 1,9–20 die φωνὴ μεγάλη als φωνή der Figur des ὅμοιος υἱὸν ἀνθρώπου zu interpretieren ist1018. Diese Interpretation legt sich nicht zuletzt auch aus rezeptionsästhetischen Erwägungen nahe: Wie nämlich sollten die mit dem Text der Apk (noch) nicht vertrauten (Erst-)Rezipienten dieses Werkes, die die Ausführungen von Apk 1,12f. zunächst rezipieren, ohne diejenigen von Apk 4,1 zu kennen, im Rahmen seiner Rezeption an dieser Stelle auf den Gedanken kommen, dass die φωνὴ μεγάλη und die Gestalt des ὅμοιος υἱὸν ἀνθρώπου zwei voneinander zu unterscheidende Größen darstellen könnten. Darüber hinaus lassen diese Erwägungen zugleich aber auch eine inhaltliche Spannung zwischen den Ausführungen in Apk 1,12f. und denjenigen in Apk 4,1 bzw. der Gesamtdarstellung in Apk 4f. erkennen: Legen erstere die Annahme der Identifikation der φωνὴ μεγάλη und der Gestalt des ὅμοιος υἱὸν ἀνθρώπου nahe, indizieren letztere deren Unterscheidung. Wird diese inhaltliche bzw. – im Duktus der vorliegenden Studie – diese sachliche Spannung nicht einfach nur konstatiert – ein Vorgehen, das textheoretisch, auf der synchronen Ebene also, durchaus denkbar ist, aus produktionsästhetischer, d.h. diachroner Perspektive jedoch kaum nachvollziehbar scheinen will1019 –, sondern redaktionsgeschichtlich ausgewertet, vermag sie ein wichtiges Indiz im Blick auf die Frage nach der zeitlichen und damit auch der literarischen Relation zwischen der Texteinheit Apk 1–3 und dem apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 zu bieten. Diese Spannung nämlich lässt die These, dass die beiden Hauptteile der Apk, Apk 1–3 und Apk 4–22, gleichzeitig entstanden und von ein- und demselben Verfasser in einem Zug niedergeschrieben worden seien, denkbar unwahrscheinlich erscheinen. Vielmehr gewinnt die Annahme an Wahrscheinlichkeit, dass einer dieser beiden Hauptteile der Apk bereits vorlag und dann nachträglich mit dem anderen zu einer Einheit verknüpft worden ist; entweder hat derjenige, der den Text Apk 1,4–3,22* in den bereits vorliegenden apokalyptischen Hauptteil Apk 1,1–3; 4–22 integriert hat, in Apk 1,10–12 – bewusst oder unbewusst – unklar formuliert, oder aber – was angesichts der sehr reflektiert erscheinenden Ausführungen in Apk 1,12 1018. Vgl. hierzu etwa H. Giesen, Apk, 87 und A. Satake, Apk, 141 mit Verweis auf weitere Exegeten (vgl. A. 60), darüber hinaus auch H. Lichtenberger, Apk, 75: „In V. 12–16 empfängt Johannes die eigentliche Vision. Die Stimme erschallt ‚hinter‘ ihm …, so wendet er sich um, um die ‚Stimme‘, d.h. den Redenden, zu sehen“, schließlich C.R. Koester, Apk, 245, der feststellt: „John more likely uses synecdoche, that is, the voice represents the speaker, who is Christ“. Ob an dieser Stelle angesichts der Tatsache, dass innerhalb der Apk eine φωνὴ (μεγάλη) durchaus als eigenständige Größe ohne jegliche Repräsentationsfunktion auftritt, von einer Synekdoche gesprochen werden kann, muss fraglich bleiben. 1019. Vgl. hierzu etwa K. Huber, Menschensohn, 114, der diese Spannung sieht, dann aber formuliert: „Die Zuschreibung der Stimme in Offb 1,10b an eine andere Gestalt, vorzugsweise etwa einen Engel, ist von daher jedenfalls nicht zwingend auszuschließen und eine endgültige Entscheidung darüber kaum zu treffen“; dieses Urteil zeigt schlaglichtartig die exegetische Begrenztheit einer ausschließlich synchronen Lektüre der Apk auf.

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wahrscheinlicher scheint – derjenige, der den apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 mit dem bereits vorliegenden Text Apk 1,4–3,22* verknüpft hat, hat – hier Teilen der gegenwärtigen Apk-Forschung durchaus entsprechend – die φωνὴ μεγάλη Apk 1,10 und die Gestalt des ὅμοιος υἱὸν ἀνθρώπου nicht miteinander identifiziert, sondern von vornherein als zwei unterschiedliche Realitäten verstanden wissen wollen und dann entsprechend in Apk 4,1c die φωνὴ ἡ πρώτη ἣν ἤκουσα ὡς σάλπιγγος λαλούσης μετ᾽ ἐμου als eine eigenständige Größe eingeführt.

Die auf den ersten Blick darstellungs- und argumentationslogisch stringent erscheinende, als Einleitung der Christusvision fungierende Audition Apk 1,10f. lässt bei genauerer Analyse innerhalb ihrer selbst folgende textliche Diskontinuitäten erkennen, die allerdings zumindest z.T. erst dann als solche sichtbar werden, wenn der weitere Verlauf der Darstellung der Christusvision, die Ausführungen zu den Sendschreiben in Apk 2f. und auch diejenigen des apokalyptischen Hauptteils Apk 4–22 in die Überlegungen miteinbezogen werden: (a) Der die Darlegungen in Apk 1,11 einleitende relative Anschluss λεγούσης, ein Partizip Präsens Aktiv Femininum im Genitiv Singular, lässt sich syntaktisch nun gerade nicht, wie durch die Ausführungen in Apk 1,12aβ – hier wird ausgeführt, dass der Apokalyptiker sich nach der φωνή ἥτις ἐλάλει μετ᾽ ἐμοῦ umwandte – jedoch unmittelbar gefordert, auf das Substantiv φωνή beziehen. Vielmehr nötigt es aufgrund des Kasus zu einem Bezug auf das Substantiv σάλπιγξ, die allerdings in Apk 1,12 eben gerade nicht als Sprecherin auftritt1020. Zu fragen ist daher: Warum verwendet der Apokalyptiker in Apk 1,11a nicht den Akkusativ λέγουσαν, der sich mühelos auf das ebenfalls im Akkusativ stehende Syntagma φωνὴν μεγάλην beziehen ließe, sondern den Genitiv λεγούσης1021? Im Rahmen seiner Diskussion dieser textlichen Diskontinuität, die sich, allerdings nicht eindeutig, als ein syntaktischer Bruch definieren lässt1022, listet K. Huber folgende in der exegetischen Literatur im Blick auf dieselbe angeführte Erklärungsversuche auf, die hier einer gründlichen Diskussion unterzogen werden sollen1023: (1) G.K. Beale erklärt das Genitivpartizip λεγούσης mit der Vermutung, dass der Apokalyptiker hier beabsichtigte, „to highlight the trumpet sound of the voice in order to underscore even more 1020. Vgl. zu diesem Problem die ausführliche Darstellung und Diskussion bei G.K. Beale, Apk, 204f. 1021. Vgl. zu dieser Frage neben vielen anderen bereits D. Pezzoli-Olgiati, Täuschung, 27. 1022. Vgl. hierzu bereits ausführlich o. 33 mit A. 31. 1023. Vgl. hierzu Menschensohn, 115, A. 148. Nicht diskutiert werden muss an dieser Stelle der Vorschlag von D. Pezzoli-Olgiati, die erwägt, das Genitivpartizip λεγούσης als „Genitiv der Person nach ἀκούω zu betrachten“ (Täuschung, 27, A. 71). Sie selbst nämlich schränkt unmittelbar im Anschluss ein: „Da aber vorher ein Akkusativ steht, erscheint auch dieser Erklärungsversuch problematisch“.

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the background in Exodus 19“1024; damit sollten der Apokalyptiker als prophetische Autorität identifizierbar und dessen prophetische Autorität unterstrichen werden1025. Dieser Annahme widerrät zunächst, dass es, sollte hier ein Bezug zu Ex 19 intendiert sein, insbesondere angesichts der Darstellung in Ex 19,18.19a und der dort beschriebenen Phänome: τὸ δὲ ὄρος τὸ Σινα ἐκαπνίζετο ὅλον διὰ τὸ καταβεβηκέναι ἐπ᾽ αὐτὸ τὸν θεὸν ἐν πυρί καὶ ἀνέβαινεν ὁ καπνὸς ὡς καπνὸς καμίνου καὶ ἐξέστη πᾶς ὁ λαὸς σφόδρα (19) ἐγίνοντο δὲ αἱ φωναὶ τῆς σάλπιγγος προβαίνουσαι ἰσχυρότεραι σφόδρα, wundernehmen muss, dass dieser in Apk 1,10f. nicht deutlicher und expliziter herausgearbeitet wird. Darüber hinaus fragt sich angesichts des in Apk 1,1f. Ausgeführten, wie denn die prophetische Autorität des Apokalyptikers noch weiter gesichert und gesteigert werden könnte; immerhin wird hier der lückenlose Weg der ἀποκάλυψις von Gott zu der Figur des δοῦλος θεοῦ Ἰωάννης dokumentiert. (2) U.a. H.B. Swete möchte das Genitivpartizip λεγούσης als eine rhetorische Figur, konkret als ὑπαλλαγή, d.h. eine vom Apokalyptiker bewusst vorgenommene Vertauschung der jeweiligen Bezugsgrößen, verstehen1026. Der Gedanke einer solchen bewusst vorgenommenen Vertauschung legt sich an dieser Stelle aber keinesfalls nahe, da die grammatische Beziehung der beiden das Syntagma σάλπιγγος λεγούσης ausmachenden Glieder σάλπιγγος und λεγούσης ihrer inhaltlichen bzw. semantischen Beziehung zumindest in dem hier vorliegenden bildersprachlichen Kontext durchaus unmittelbar entsprechen kann. (3) Nach K. Huber sei denkbar, dass der Apokalyptiker das Partizipium – wohl fälschlicherweise – an das im Genitiv stehende Substantiv σάλπιγξ und eben nicht an das im Akkusativ stehende Substantiv φωνή angeglichen hat, ein Phänomen, das vergleichbar in Apk 4,1 und in ähnlicher Weise darüber hinaus auch in 6,7 und 9,13f. zu beobachten sei, somit also letzten Endes dem sich augenscheinlich nicht immer streng nach den Regeln der griechischen Grammatik richtenden Sprachgebrauch des Apokalyptikers entspreche1027. Diese Annahme ist sicherlich zumindest im Grundsatz nicht auszuschließen, stellt aber insofern letztlich nicht mehr als eine Verlegensheitsauskunft dar, als sie nicht positiv erwiesen werden kann.

1024. Apk, 205. 1025. Vgl. hierzu Apk, 205: „If so, this would enhance John’s identification with prophetic authority, since Exodus 19 focuses on Moses as the prophetic representative who receives God’s word and is to convey it to the people (19:19–21)“. 1026. Vgl. hierzu Apk, 13; vgl. in ähnlicher Weise auch E.-B. Allo, Apk, 11, darüber hinaus neuestens auch M. Karrer, Apk I, 252, der dieses hier diskutierte grammatische Phänomen als eine ἀναλλγή definieren möchte. 1027. Vgl. hierzu Menschensohn, 115, A. 148.

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Wiewohl freilich – zumal angesichts der von K. Huber angeführten Belege Apk 6,7; 9,13f. – ebenfalls nicht positiv erweisbar, so allerdings auch zumindest nicht undenkbar ist die Annahme, diese hier aufgewiesene textliche Diskontinuität als Indiz dafür zu werten, dass die Ausführungen in Apk 1,11 nachträglich oder sekundär mit denjenigen von Apk 1,10 verknüpft worden seien1028; derjenige, der für diese nachträgliche oder sekundäre Verknüpfung verantwortlich zeichnet, habe das Partizipium des Verbums λέγω als auf das ebenfalls im Genitiv stehende Substantiv σάλπιγξ bezogenes Genitivpartizip konstruiert, weil er übersehen habe, dass jenes bzw. die Wendung ὡς σάλπιγγος im Kontext der Ausführungen von Apk 1,10 nur als explikatives Attribut zu dem Syntagma φωνὴν μεγάλην fungierten, nicht jedoch eine eigenständig auftretende Realität bezeichneten1029. Allerdings hält diese Annahme der der vorliegenden Studie zugrundeliegenden These, dass ein Textwachstumsprozess immer dann zu vermuten ist, wenn textliche Diskontinuitäten nur durch eine jenseits des Textes oder gar gegen den Text selbst erfolgte inferentielle Konstruktion der (Erst-)Rezipienten überwunden werden können, nicht stand; um die Ausführungen in Apk 1,10f. in der vorliegenden Form kohärent interpretieren zu können, bedarf es einer solchen transtexuellen Konstruktionsleistung nicht, eine Beobachtung, der durchaus entspricht, dass diese textliche Diskontinuität sich einer klaren Definition entzieht. (b) Jenseits dieses eine – mögliche – textliche Diskontinuität darstellenden syntaktischen Bruches ergibt sich eine weitere, näherhin inhaltliche Spannung1030, nun zwischen den Ausführungen in Apk 1,11bα und denjenigen in Apk 2f.: Einerseits wird der Apokalyptiker in Apk 1,11bα aufgefordert, all das, was er erblickt (ὃ βλέπεις), d.h. visuell wahrnimmt, aufzuschreiben, andererseits erscheint in Apk 2f. ein visionär wahrgenommenes 1028. Vgl. hierzu auch H. Kraft, Apk, 43: „Die trockene Aufzählung [in Apk 1,11] paßt schlecht zu dem gewaltigen Eindruck, den der Verfasser empfangen hat, und stört den Rhythmus“; diese Beobachtung mag durchaus zutreffen, reicht aber für sich genommen als Begründung für die Annahme, dass die Ausführungen in Apk 1,11 nachträglich oder sekundär in den vorliegenden Darstellungszusammenhang eingefügt worden sind, nicht zu. Darüber hinaus sieht Kraft den Schreibbefehl Apk 1,11 als eine Doublette zu demjenigen in Apk 1,19; aber auch damit ist noch nichts im Blick auf die Frage nach der textlichen Ursprünglichkeit der Ausführungen in Apk 1,11 insgesamt gewonnen. Kritisch gegenüber der Position Krafts etwa K. Huber, Menschensohn, 115, A. 151. 1029. In eine ähnliche Richtung argumentiert, unter Verweis auf W. Bousset, H. Kraft, Apk, 43: „Λεγούσης ist, wie Bousset festgestellt hat, falsch – nämlich auf die Trompete statt auf die Stimme – bezogen. Wer hier den Genetiv eingesetzt hat, der wußte nicht mehr, daß der Prophet ein Interpret des Donners ist, sondern wollte das Wunder erklären, daß eine Trompete verständlich spricht“. 1030. Vgl. zu dieser Terminologie bereits o. 33 mit A. 32.

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Geschehen wenn überhaupt, so bestenfalls als eine Rahmenhandlung, dem lediglich die Funktion zukommt, eine auditiv wahrgenommene (τάδε λέγει) Botschaft zu übermitteln1031. Zu fragen ist, warum der Apokalyptiker den in Apk 2f. doch hoch virulenten auditiven Aspekt in Apk 1,11bα unterschlägt und nicht expliziert – eine Frage, die in Sonderheit angesichts der Einlassungen des Apokalyptikers in Apk 22,8 an Virulenz gewinnt; hier nämlich schreibt er über sich selbst: κὰγὼ Ἰωάννης ὁ ἀκούων [!] καὶ βλέπων? In jedem Falle nötigt der Apokalyptiker die (Erst-)Rezipienten, sobald diese versuchen, die Ausführungen in Apk 1,11aα und Apk 2f. kohärent zu interpretieren, – eben anders als in Apk 22,8 – mit der in Apk 1,11aα gewählten Formulierung dazu, den semantischen Gehalt des Begriffs βλέπειν unmittelbar diesem entgegen um das Element des Hörens zu erweitern bzw. auf das Element des Hörens auszudehnen. Diese Überlegung lässt, soll nicht angenommen werden, dass der Apokalyptiker hier nur unglücklich bzw. ungenau formuliert habe, die Annahme wahrscheinlich erscheinen, dass die Ausführungen von Apk 1,11aα und diejenigen von Apk 2f. im Rahmen eines zu postulierenden Textwachstumsprozesses erst nachträglich oder aber sekundär zu einer Texteinheit zusammengefügt worden seien. Hier sind nun zumindest grundsätzlich mehrere Szenarien denkbar: (1) Die Formulierung in Apk 1,11aα – und damit auch der Vers Apk 1,11 in seiner Gesamtheit – stellte einen originären Bestandteil der Christusvision Apk 1,9ff. dar, die ursprünglich im Anschluss an Apk 1,20, jedoch nicht mit den auditiv wahrgenommenen sieben Sendschreiben Apk 2f., sondern mit einer oder mehreren weiteren, nicht in der gegenwärtig vorliegenden Fassung der Apk überlieferten Visionen fortgeführt wurde. Bei der Zusammenfügung der Christusvision Apk 1,9ff. mit dem Text der sieben Sendschreiben seien diese Visionen dann entfallen, ohne dass der Apokalyptiker die Ausführungen in Apk 1,11 dieser nun neuen Darstellung inhaltlich angepasst hätte. Dem steht allerdings entgegen, dass der Text Apk 1,9ff. für die Annahme seiner ursprünglich visionären und eben nicht auditiven Weiterführung, von den Ausführungen in Apk 1,11aα selbst womöglich abgesehen, keinerlei Anhalt bietet. (2) Die Ausführungen in Apk 1,11aα seien ausschließlich

1031. Dieses Problem sieht zumindest H. Kraft, Apk, 43, wenn er formuliert: „Die Sendschreiben enthalten keine Visionen, sondern haben nur einen losen formalen Bezug zur Erscheinung Christi in der Berufungsvision“. Allerdings wird er selbst dieser Problematik nicht gerecht, wenn er an anderer Stelle (Apk, 38) darauf hinweist, dass der in Apk 1,11 formulierte Schreibbefehl „durch die Niederschrift der Sendschreiben befolgt“ werde. Dieses Problem umgeht D.E. Aune, Apk I, cxxiv, wenn er annimmt, dass in einer ersten Auflage der Apk das in Apk 1,10f. Ausgeführte unmittelbar auf den apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 bezogen zu denken ist (vgl. hierzu bereits o. 17–21 und auch o. 338).

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als auf die Christusvision Apk 1,9ff. anspielend zu verstehen1032. Dann aber fragt sich, warum der Apokalyptiker in Apk 1,11 den Auftrag bekommen haben sollte, eine solche für sich genommen offensichtlich intentionslose Vision in einem Buch niederzulegen und an die sieben Gemeinden der Apk zu adressieren? (3) Die Ausführungen in Apk 1,11aα als originärer Bestandteil der Christusvision Apk 1,9ff. bezögen sich auf eine – noch nicht um die Ausführungen Apk 4,1.2a erweiterte1033 – Fassung der Vision Apk 4f., die ursprünglich unmittelbar an dieselbe angeschlossen hätte. Dieser Annahme widerrät allerdings das in Apk 1,20aα.bβ1034 Gesagte, das sich unter der Voraussetzung der o. formulierten These kaum in den Duktus der Darstellung der dann zu rekonstruierenden Schilderung Apk 1,9ff.; 4f.* einordnen ließe und dann als sekundäre Zutat begriffen werden müsste, eine Notwendigkeit, die sich am Text von Apk 1,20 allerdings nicht erweisen lässt. (4) Die Ausführungen in Apk 1,11aα bezögen sich vorrangig auf die Gesamtheit der „in der Apokalypse geschilderten Visionen“1035, was zugleich bedeute, dass der in Apk 1,11 begegnende Begriff βιβλίον die neutestamentliche Apk in ihrer vorliegenden umfassenden Form repräsentiere1036. Diese Annahme ermöglicht ihrerseits zwei Folgerungen: (α) Die Christusvision Apk 1,9ff. ginge ursprünglich dem apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 unmittelbar voraus, die Sendschreiben Apk 2f. seien als eine nachträgliche Zutat zu begreifen, durch deren Einfügung der originäre Zusammenhang Apk 1.4–22 unterbrochen worden wäre. Diese Annahme lässt sich, wie o. bereits angemerkt, angesichts des in Apk 1,20aα.bβ Ausgeführten allerdings nicht aufrechterhalten, da selbiges die Annahme eines unmittelbaren und ursprünglichen Zusammenhangs der Christusvision Apk 1,9ff. mit der Darstellung Apk 2f. mit Notwendigkeit erforderlich macht1037. (β) Die Ausführungen Apk 1,11 seien im Zuge der Verknüpfung der Texteinheit Apk 1,9ff.; 2f. mit dem apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 nachträglich oder sekundär in die Schilderung der Christusvision eingefügt worden, um 1032. Vgl. zu diesem Szenario K. Huber, Menschensohn, 115, der zunächst formuliert: „Mit dem Relativsatz ὃ βλέπεις ist unmittelbar auf die folgende Christusvision vorausverwiesen und diese durch die Audition vorbereitet, …“, um daran aber zugleich die Annahme anzuschließen, dass dieser Relativsatz als auf die Apk in ihrer Gesamtheit bezogen zu verstehen sei. 1033. Zum redaktionellen Charakter dieser Ausführungen vgl. bereits o. 343–352. 1034. Vgl. zu Apk 1,20 bereits ausführlich o. 77–92, darüber hinaus dann auch u. 364, A. 1063. 1035. K. Huber, Menschensohn, 115; ähnlich hier etwa auch D.E. Aune, Apk I, 87: „Rev 1:11 then refers to the composition as a whole, not to the seven proclamations in 2:1–3:22“, und W. Hadorn, Apk 35: „Gemeint ist die Gesamtheit der Gesichte“. 1036. In diesem Sinne etwa K. Huber, Menschensohn, 115. 1037. Vgl. hierzu noch einmal u. 365.

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bereits am Anfang der Apk die Rezipienten im Rahmen einer ‚Anker-Erweiterung‘1038 dafür zu sensibilisieren, dass auf die Audition Apk 2f. ein – aus der Perspektive des Apokalyptikers theologisch womöglich bedeutsamerer – Teil folgen wird, innerhalb dessen ein für jene und ihre soteriologische Perspektive entscheidendes Geschehen visionär entfaltet wird. Das aber hieße, dass das in Apk 1,11 Dargestellte in einem späten, präziser: dem letzten Stadium des Textwachstumsprozesses in die Darstellung Apk 1,9ff. integriert worden wäre. Diese Annahme wäre einerseits auch das o. bereits diskutierte Problem des Genitivpartizips λεγούσης1039 zu lösen in der Lage, könnte andererseits aber auch erklären, warum der Apokalyptiker Apk 1,11 zufolge seine Apk offensichtlich gerade an diese sieben aus der sicherlich größeren Menge christlicher Gemeinden in den Grenzen der römischen Provinz Asia adressiert hat1040, vermöchte schließlich auch zu begründen, warum die Namen der sieben in der Apk angeschriebenen Gemeinden – in diesem Punkt etwa deutlich unterschieden nicht nur, aber auch von der paulinischen und der deuteropaulinischen Briefkonvention – erst hier und nicht bereits in Apk 1,4 genannt werden: Derjenige, dem die nachträgliche oder sekundäre Einfügung von Apk 1,11 zu verdanken sei, habe die argumentationslogische Bedeutung der Wendung ὡς σάλπιγγος Apk 1,10b falsch eingeschätzt1041, die Namen der sieben Gemeinden und damit die Adresse der Gesamt-Apk ergaben sich für ihn aus der ihm bereits vorliegenden, als wichtigsten Bestandteil die Sendschreiben an sieben ἄγγελοι sieben asianischer Gemeinden enthaltenden Texteinheit Apk 1,4ff.*; 2f.*, die Namen der sieben Gemeinden als Adressaten der Apk würden nicht im Rahmen der adscriptio Apk 1,4 genannt, weil die von ihr eingeleitete Texteinheit Apk 1,4ff.*; 2f.* sich nicht an diese Gemeinden, sondern nur an die ἄγγελοι derselben richtete, und mussten daher an geeigneter Stelle nachgereicht werden. In Sonderheit wird die Frage, warum der Apokalyptiker mit seinem Werk „diese Gemeinden und nicht etwa bekannte und bedeutende christliche Einzelgemeinden in anderen kleinasiatischen Städten“1042 anschrieb, in der exegetischen Literatur breit diskutiert. K. Huber zufolge „werden zumeist genannt: die genannten Städte liegen an großen Verbindungsstraßen, sind Gerichtssitze, haben Poststationen; sie teilen wenigstens teilweise die Auffassung des Johannes von Rechtgläubigkeit; sie sind am stärksten durch häretische Gruppen bzw. Strömungen bedroht; sie sind regelrechte 1038. Vgl. zu diesem Begriff bereits o. 175–176; mit Hilfe des in Apk 1,11 Ausgeführten wird die Darstellung Apk 4–22 somit bereits in der Christusvision Apk 1,9ff. verankert. 1039. Vgl. hierzu o. 355–357. 1040. Vgl. hierzu u. 360–361. 1041. Vgl. hierzu bereits o. 350. 1042. K. Huber, Menschensohn, 116.

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Ballungsgebiete von Institutionen des Kaiserkults; ihre Situation kennt Johannes wahrscheinlich aus eigener Anschauung besonders gut“1043. Wird die Annahme zugrundegelegt, dass die Namen der in Apk 1,11 aufgelisteten sieben Gemeinden sich aus den Adressen der einzelnen Sendschreiben ergeben, verschiebt sich zwar das in der Forschung diskutierte Problem der in Apk 1,11 vorliegenden Nicht-Berücksichtigung wichtiger anderer asianischer Gemeinden in die Ausführungen von Apk 2f., lässt sich dort aber wesentlich plausibler lösen: Werden die in Apk 2f. begegnenden ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν als in den einzelnen Gemeinden wirkende, mit der Person des Apokalyptikers verbundene Führungs- und Leitungsfiguren definiert1044, will die Annahme keinesfalls undenkbar, sondern vielmehr durchaus plausibel erscheinen, dass just diese sieben Gemeinden einen „übergemeindlichen Verband“1045 darstellen, in dessen Rahmen – im Gegensatz zu anderen asianischen ἐκκλησίαι – die geistliche Autorität des Apokalyptikers zumindest im Grundsatz – zumindest aus seiner Perspektive und zumindest in Teilen – anerkannt ist1046.

(c) Eine weitere, wiederum als inhaltliche Spannung zu beschreibende textliche Diskontinuität ergibt sich aus dem Sachverhalt, dass der Apokalyptiker Apk 1,11aβ.γ zufolge das von ihm noch zu Schauende in einem βιβλίον aufschreiben und jenes dann an ‚die‘ sieben ἐκκλησίαι schicken soll, wohingegen die in Apk 2f. formulierten, den einzelnen Sendschreiben vorangestellten Schreibbefehle1047 sieben unterschiedliche ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν als die Adressaten dieser Episteln ausmachen1048. Dies evoziert die Frage, warum Botschaften, die – und dies legen die einzelnen Schreibbefehle unmittelbar nahe – offensichtlich zunächst und eigentlich nur an konkrete einzelne Gestalten gerichtet sind1049, zugleich auch von Bedeutung für eine zumindest aus sieben Gemeinden und ihren Gliedern bestehende und somit 1043. Vgl. Menschensohn, 117, A. 156; Huber selbst schließt sich keinem der von ihm angeführten Erklärungsversuche an, s.E. lässt sich diese Frage nur spekulativ und kaum schlüssig beantworten (vgl. seine Darlegungen 116f.). Vgl. zu dieser Diskussion etwa auch G.K. Beale, Apk, 204, der im Unterschied zu Huber in dieser Frage einen explizit unhistorischen Standpunkt vertritt: „What is likely is that the number ‚seven‘ refers to the church universal in both a geographical and temporal sense … and that the conclusion of each letter extends its application to all the churches“ (vgl. hierzu bereits o. 355, A. 1020). 1044. Vgl. hierzu bereits ausführlich o. 92–114. 1045. H. Kraft, Apk, 30. 1046. Vgl. hierzu etwa H. Kraft, Apk, 30. 1047. Vgl. hierzu o. 39–40. 1048. C.R. Koester, Apk, 244 überwindet diese Spannung, indem er die einzelnen ‚Gemeindeengel‘ unmittelbar mit den Gemeinden selbst identifiziert (vgl. zu dieser inferentiellen Leistung u.) und dementsprechend formuliert: „To emphasize the need for communication, the commant to ‚write‘ is repeated when addressing each church“. Dabei verkennt Koester allerdings, dass die ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν selbst dann, wenn sie als Repräsentanten der entsprechenden Gemeinden aufgefasst werden würden (vgl. zu dieser Diskussion o. 92–114), keinesfalls unmittelbar mit jenen identifiziert werden können. 1049. Im Rahmen dieser Argumentation ist die Frage, ob es sich bei den in Apk 2f. auftretenden Gemeindeengeln um himmlische Repräsentanten dieser ἔκκλησίαι oder aber um

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deutlich breitere Öffentlichkeit sein sollen1050. Zugespitzt gefragt: Warum sollte etwa von vornherein für die christliche Gemeinde in Thyatira und für die Lebenswirklichkeit ihrer Gemeindeglieder eine Botschaft von Bedeutung sein, die ursprünglich nur für den individuellen ‚Engel‘ der Gemeinde von Ephesus bestimmt und an ihn gerichtet gewesen ist? An diese Frage schlösse sich, würde sie sinnvoll und positiv beantwortet, dann unweigerlich diejenige nach der Intention des Apokalyptikers, die er mit der Form und der Art und Weise seiner Darstellung verfolgte, an: Warum wählte jener, um eine für die sieben in seiner Apk angeschriebenen ἐκκλησίαι in ihrer Gesamtheit gültige und relevante Botschaft zu transportieren, die Form von sieben jeweils an eine einzelne Gestalt gerichteten Episteln, dies zudem dann jedoch nur in Apk 2f., nicht aber im apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22, und schriebe – hier etwa analog dem Brief des Propheten Jeremia in Jer 29 – stattdessen nicht einen gemeinsamen Brief an alle Christen der sieben Gemeinden der Provinz Asia1051? Diese letzten Zuspitzungen heben die hier angesprochene inhaltliche Spannung noch einmal auf eine andere Ebene. Dass ursprünglich an einzelne Gemeinden gerichtete Briefe durchaus auch für andere, benachbarte Gemeinden, in denen, zumindest aus der Perspektive des Autors, womöglich ähnliche Verhältnisse Platz greifen, von Bedeutung sein können und jene ἐκκλησίαι deshalb von vornherein – im Unterschied zu unmittelbar erkennbaren ‚katholischen‘ Briefen zumindest mittelbar – in die Adresse derselben einbezogen werden können, belegen etwa die Ausführungen in Kol 4,161052. Die Sendschreiben Apk 2f. lassen sich ihrer Adresse und ihrem Charakter nach aber kaum als solche ‚mittelbaren‘ Rundschreiben interpretieren.

Diese inhaltliche Spannung ließe sich auf der Ebene der Rezeption nur lösen – und sie ist innerhalb der Apk selbst bereits in dieser Weise gelöst worden1053 –, indem die Figuren der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν, mit Apk 2,1a beginnend, in kollektiver Weise, vermittelt über den Gedanken der himmlischen Repräsentanz, mit den Gemeinden selbst identifiziert würden. Diese Interpretation wäre durch den Text der Apk selbst in keiner Weise gedeckt, irdische, in diesen Gemeinden wirkende Gestalten handelt, letzten Endes von untergeordneter Bedeutung; vgl. zu dieser Diskussion bereits ausführlich o. 92–114. 1050. Wiewohl der im Rahmen seiner Diskussion der Ausführungen in Apk 1,19 die den Schreibbefehl Apk 1,19 – additiv oder aber auch kontrastiv – ergänzende Existenz der die einzelnen Sendschreiben Apk 2f. einleitenden eigenständigen Schreibbefehle explizit wahrnimmt (vgl. hierzu Menschensohn, 191), scheint K. Huber die hier explizierte und problematisierte Fragestellung nicht als Problem oder gar eine textliche Diskontinuität aufzufasssen oder auffassen zu wollen. 1051. Vgl. zu dieser Fragestellung bereits o. 10. 1052. Vgl. hierzu etwa E. Lohse, Kol, 245. 1053. Vgl. hierzu die Diskussionen der entsprechenden, in der 2. Person Plural formulierten Passagen der Sendschreiben o. 77–92 und o. 178–184.

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sondern stellte in Gänze eine inferentielle Leistung der entsprechenden (Erst-)Rezipienten dar, da der Terminus ἄγγελος weder im Gesamtkontext der urchristlichen Literatur noch in der Apk, wie immer er im Blick auf die Ausführungen in Apk 2f. auch verstanden werden mag, einen solchen kollektiven und vor allem identifikatorischen Akzent transportiert1054. Diese Überlegung legt die Annahme nahe, dass die Ausführungen in Apk 2f. und diejenigen in Apk 1,11 zwei unterschiedlichen Phasen des Textwachstums der Texteinheit Apk 1,4–3,22 zuzuordnen seien. Das in Apk 1,11 Gesagte ließe sich dabei zwanglos als eine nachträgliche oder aber sekundäre Hinzufügung wahrnehmen, während die nachgerade umgekehrte Entwicklung, dass nämlich zumindest ursprünglich an einzelne Personen adressierte Episteln nachträglich oder sekundär in ein an mehrere Gemeinden gerichtetes Rundschreiben integriert worden wären, kaum denkbar erscheint. Diese Überlegungen lassen in ihrer Summe die Annahme wahrscheinlich erscheinen, dass der ursprüngliche Text der um eine Situationsbeschreibung erweiterten Audition Apk 1,9–111055 nur die Verse Apk 1,9f. umfasste: Ἐγὼ Ἰωάννης, ὁ ἀδελφὸς ὑμῶν καὶ συγκοινωνὸς ἐν τῇ θλίψει καὶ βασιλείᾳ καὶ ὑπομονῇ ἐν Ἰησοῦ, ἐγενόμην ἐν τῇ νήσῳ τῇ καλουμένῃ Πάτμῳ διὰ τὸν λόγον τοῦ θεοῦ καὶ τὴν μαρτυρίαν Ἰησοῦ. (10) ἐγενόμην ἐν πνεύματι ἐν τῇ κυριακῇ ἡμέρᾳ καὶ ἤκουσα ὀπίσω μου φωνὴν μεγάλην ὡς σάλπιγγος. In Apk 1,12 beginnt, bis Apk 1,16 reichend, dann die eigentliche Vision1056: Inmitten von sieben goldenen λυχνίαι1057 (Apk 1,12d) erscheint die Figur des ὅμοιος υἱὸν ἀνθρώπου (Apk 1,13a), dessen unmittelbares äußerers Erscheinungsbild zunächst in Apk 1,13a–15 näherhin beschrieben wird1058. In Apk 1,16 erfahren die Rezipienten, dass diese Gestalt in ihrer 1054. Vgl. hierzu die ausführliche Diskussion o. 92–114. 1055. Vgl. hierzu o. 342–363. 1056. Vgl. zu dieser Textabgrenzung etwa U.B. Müller, Apk, 82, darüber hinaus auch die Ausführungen von K. Huber, Menschensohn, 80. 1057. Zu diesen ‚Lampenständern‘ aus Gold vgl. etwa M. Karrer, Apk I, 256; Karrer sieht hier einen Bezug zu „den Leuchtern der Jerusalemer Tempeltradition“. Darüber hinaus weist er darauf hin, dass der Apokalyptiker die Darstellung der „Aufsätze und Lampen, die eigentlich auf die Lichtständer gehören“, übergeht. Die Begründung für diesen Sachverhalt klingt freilich recht konstruiert: „Johannes sieht ... keinen geschlossenen Raum, der wie bei einem irdischen Heiligtum der Leuchten bedürfte, sondern eine aus sich leuchtende Gestalt in der Mitte der Lampenständer, den ‚Menschensohngleichen‘. Es wäre daher falsch, den Lichtständern eigenes Licht zu geben“ (256f.). Aus dem Text der Apk selbst ist diese Begründung nicht zu erschließen. 1058. M. Karrer, Apk I, 251 möchte den Sachverhalt, dass in Apk 1,13b das Adjektiv ποδήρη ohne ein zugehöriges Substantiv wie etwa χιτών begegnet, als eine rhetorische Figur, konkret als eine Ellipse interpretieren. Dem widerrät jedoch, dass eine substantivische und damit absolute Verwendung dieses Adjektivs sowohl in der alttestamentlichen als auch in der frühjüdischen Literatur durchaus häufig belegt ist (zu diesen Belegen vgl. etwa W. Bauer/

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rechten Hand sieben Sterne hält, dass aus ihrem Mund ein zweischneidiges Schwert ragt und dass ihr Antlitz scheint wie die Sonne1059. Diese Gestalt in ihrem Erscheinungsbild wahrnehmend fällt der Apokalyptiker zu deren Füßen nieder ὡς νεκρός (Apk 1,17a.b). Daraufhin legt der ὅμοιος υἱὸν ἀνθρώπου seine Rechte auf jenen (Apk 1,17c) und spricht zu ihm: μὴ φοβοῦ. ἐγὼ εἰμι ὁ πρῶτος καὶ ὁ ἔσχατος (Apk 1,17d.e) καὶ ὁ ζῶν Apk (1,18a). Der sich solchermaßen selbst Charakterisierende kommt daran anschließend dann auf seinen Tod und seine Auferstehung zu sprechen (Apk 1,18b.c), um schließlich herauszustellen, dass ihm die Schlüssel des Todes und der Hölle eignen (Apk 1,18d). Diese Selbstvorstellung mündet aus in einen – in Relation zu Apk 1,11aβ.γ nun im Rahmen einer inclusio wiederholten – Schreibbefehl: Der Apokalyptiker solle nun – die hier verwendete Partikel οὖν lässt den Schreibbefehl Apk 1,19a als bezogen auf das in Apk 1,11aβ.γ Ausgeführte erscheinen1060 – schreiben, was er gesehen habe (ἃ εἶδες Apk 1,19b1061) und zwar1062 dasjenige, was ist, d.h., in der Gegenwart geschieht1063 (Apk 1,19c), und dasjenige, was sich μετὰ ταῦτα, B. Aland, Wörterbuch, s.v. ποδήρης, 1364); damit aber muss unentschieden bleiben, ob der Apokalyptiker in Apk 1,13b bewusst eine Ellipse konstruiert oder nur den in seinem Kontext gängigen Sprachgebrauch übernommen habe. 1059. Zu den einzelnen Motiven dieser Beschreibung der Figur des ὅμοιος υἱὸν ἀνθρώπου, auf die im Einzelnen im Kontext der vorliegenden Studie nicht eingegangen werden kann, vgl. umfassend K. Huber, Menschensohn, 117–173. 1060. Vgl. hierzu K. Huber, Menschensohn, 185: „Das in Offb 1,19a gebrauchte οὖν hat zum einen die Funktion, auf den bereits erfolgten Schreibbefehl rückzuverweisen, ihn zu bestätigen und zu bekräftigen, zum anderen hat es aber auch einen folgernden Charakter und zeigt an, dass die Aufforderung zur Niederschrift und damit letztlich das Geschriebene selbst ihre Grundlage, Ursache und Begründung wie auch ihr Gewicht und ihre Autorität in dem in Offb 1,12–18 Erfahrenen haben“. 1061. Zum Rückbezug dieses Satzes auf das in Apk 1,11 Ausgeführte vgl. K. Huber, Menschensohn, 185: „Die Aussage des ersten Gliedsatzes erfolgt im Aorist … und bezieht sich auf der textlichen Ebene trotz unterschiedlicher Wortwahl zunächst wohl ausdrücklich auf das ὃ βλέπεις von Offb 1,11b zurück“. 1062. Zu der hier vertretenen Interpretation der Konjunktion καί in epexegetischem und damit zugleich in unterordnendem Sinne etwa I.T. Beckwith, Apk, 442–444 und D.E. Aune, Apk I, 67.105; zu weiteren Vertretern dieser Deutung vgl. K. Huber, Menschensohn, 187, A. 391. Vgl. darüber hinaus auch F. Tóth, Vision, 355 mit A. 132. 1063. K. Huber, Menschensohn, 186f. zufolge lassen sich der Satz ἃ εἰσίν Apk 1,19c und das ihn regierende Verbum εἰμί entweder zeitlich oder aber interpretierend verstehen. Im ersten Falle bezöge es sich auf in der Gegenwart des Apokalyptikers Platz greifende Ereignisse – Huber nennt hier als mögliche Bezugsgrößen die Ausführungen in Apk 1,20, die „deutende Audition in Offb 1,17–20 insgesamt“ (186), das in Apk 2f. Dargestellte oder etwa die Gegenwart des Apokalyptikers oder der von ihm angeschriebenen Gemeinden zum Zeitpunkt der Visionen, – im zweiten Falle müsse das Verbum εἰμί im Sinne von ‚bedeuten‘ verstanden werden und bezöge sich dann auf die Deutung der empfangenen – und dann in Apk 1,20, Apk 1,17–20 oder Apk 2f. dargestellten (vgl. hierzu 187, A. 388) – Visionen. Vgl. zu der zweiten der von Huber skizzierten möglichen Deutungen von Apk 1,19c, die auch G.K. Beale,

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also im Anschluss an diese Gegenwart, in der – nicht mehr allzu fernen – Zukunft1064 ereignen wird1065 (Apk 1,19d1066)1067. Im Anschluss an diesen Schreibbefehl klärt die Gestalt des ὅμοιος υἱὸν ἀνθρώπου den Apokalyptiker schließlich noch über zwei μύστηρια auf: Die sieben ἄστερες, die jener in seiner Hand hält, stellten die Engel der sieben Gemeinden dar (Apk 1,20bα), die sieben λυχνίαι diese Gemeinden selbst (Apk 1,20bβ). Eine eschatologische Interpretation der Formel μετὰ ταῦτα Apk 1,19d – im Rahmen dieser Interpretation werden die Visionen Apk 4–22 in ihrer Gesamtheit als eschatologische Visionen qualifiziert, deren Inhalt zur Zeit der Abfassung der Apk zumindest in Teilen durchaus schon Realität geworden sein kann1068 – wird u.a. Apk, 162f. erwägt, etwa H. Giesen, Kirche, 78: „V. 19bc bezieht sich somit nicht auf das ganze Buch, sondern auf das in V. 9–16 Geschaute und dessen Erklärung in V. 17–20 sowie wahrscheinlich auch auf Kapitel 2–3, V. 19d (‚was geschehen wird danach‘) auf die folgenden Visionen, die nicht notwendig etwas über die eschatologische Zukunft aussagen, und deren Deutungen“. Gegen diese Interpretation des Verbums εἰμί Apk 1,19c spricht allerdings, dass dann mehr als fraglich wird, in welcher Weise die doch letztlich kaum anders als auf zukünftige Ereignisse und eben nicht auf deren Deutung(en) bezogen denkbaren Ausführungen in Apk 1,19d interpretiert werden sollen. 1064. K. Huber, Menschensohn, 187 zufolge trägt „die Verwendung von μέλλειν … dabei zum einen die Nuance der unmittelbar bevorstehenden Realisierung des Geschehens ein, dessen Beginn geradezu bereits in die Gegenwart hereinreicht …, und zum zweiten den Aspekt unverrückbarer, ja göttlicher Notwendigkeit, mit der das so Angekündigte eintreten wird“. 1065. Zur eschatologischen Dimension des Hinweises in Apk 1,19d vgl. etwa K. Huber, Menschensohn, 188; Huber verweist hier in Sonderheit auf G.K. Beale (vgl. hierzu auch u.). 1066. Zum Zusammenhang von Apk 1,19d und Apk 4,1 vgl. etwa K. Huber, Menschensohn, 187f.: „Was hier in Offb 1,19d in Aussicht gestellt ist, erscheint auf der Ebene des Textes in Offb 4,1 eingeholt: die an die Eingangsvision anschließenden Visionen werden dort nämlich nicht nur mit μετὰ ταῦτα εἶδον erzählerisch eingeleitet, sondern darüber hinaus auch durch die Ankündigung seitens der Stimme …, dem Seher zu zeigen, ‚was danach geschehen muss‘ …, ausdrücklich mit Offb 1,19d in Beziehung gesetzt“. Demzufolge beträfe das in Apk 1,19d Ausgeführte „demnach … alle im Buch noch folgenden Visionen“ (188). 1067. Anders hier etwa U.B. Müller, Apk, 86, der die Ausführungen in Apk 1,19 zwar zeitlich konnotiert, die Kopula καί Apk 1,19c allerdings nicht explikativ oder epexegetisch verstehen möchte: „‚Was du gesehen hast‘ bezieht sich auf die Vision 1,12–16. ‚Was ist‘ meint die Gegenwart, wie sie in den Schreiben an die sieben Gemeinden erscheint …. ‚Was geschehen wird danach‘ hat den apokalyptischen Hauptteil 4,1–22,5 im Blick, wie die die folgenden Visionsberichte einleitende Wiederaufnahme der Wendung in 4,1 beweist“ (vgl. auch 29). Die Position Müllers wird im Wesentlichen geteilt von K. Huber, Menschensohn, 190f., der allerdings der Aussage in Apk 1,19c eine gewisse Unschärfe attestieren möchte und deren Bezug über denjenigen auf die Sendschreiben Apk 2f. hinaus auf die Ausführungen in Apk 1,17–20 und auch auf die zum Zeitpunkt der Abfassung der Apk gegenwärtige Situation des Apokalyptikters und der Adressaten seines Werkes ausdehnen möchte. In diesem Sinne, allerdings unter der Voraussetzung eines καί epexegeticum in Apk 1,19c, auch D.E. Aune, Apk I, 105: „Therefore write down what you will see, that is, the events which are now happening and the events which will happen later“. 1068. In diese Richtung denkt neben G.K. Beale (s.u.) auch J. Roloff, Apk, 67 mit Blick auf Apk 4,1: „Die Ankündigung, der Seher werde dort das gezeigt bekommen, ‚was geschehen soll‘, meint ... nicht nur den Anblick zukünftiger Dinge und die Mitteilung künftiger

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vorgeschlagen von G.K. Beale, der sich dabei auf den Sprachgebrauch des Verfassers des Dan beruft. Ein Vergleich der Formulierungen in Dan 2,28.29.45LXX und Dan 2,29.45Theod zeige1069, dass hier die Formel μετὰ ταῦτα gleichbedeutend mit der Wendung ἐπ’ ἐσχάτων τῶν ἡμερῶν verwendet und wie diese auf die Endzeit allgemein bezogen werde. Diese Endzeit, die in der Vergangenheit bereits begonnen habe, setze sich in der Gegenwart der Abfassung des Dan fort und dehne sich in die Zukunft aus bis zur Realisierung des Endes selbst. Zur Verdeutlichung seien die Texte hier nebeneinander aufgelistet: Dan 2Theod

Dan 2LXX

Apk

2,28: ἃ δεῖ γενέσθαι ἐπ’ ἐσχάτων τῶν ἡμερῶν 2,29: τί δεῖ γενέσθαι μετὰ ταῦτα

2,29: ὃσα δεῖ γενέσθαι ἐπ’ ἐσχάτων τῶν ἡμερῶν

2,45: ἃ δεῖ γενέσθαι μετὰ 2,45: τὰ ἐσόμενα ἐπ’ ταῦτα ἐσχάτων τῶν ἡμερῶν 1,19: ἃ μέλλει γενέσθαι μετὰ ταῦτα 4,1: ἃ δεῖ γενέσθαι μετὰ ταῦτα 22,6; 1,1: ἃ δεῖ γενέσθαι ἐν τάχει1070 Aus diesem Befund zieht Beale den Schluss, dass in Apk 1,19; 4,1 „μετὰ ταῦτα is likely synonymous with Daniel’s general end-time phrase ἐπ’ εσχάτων τῶν ἡμερῶν“1071. Das heiße, dass diese Formel an diesen beiden Stellen nicht streng zeitlich futurisch interpretiert werden dürfe, sondern im Sinne einer „inaugurated eschatology“ verstanden werden müsse1072. Das bedeute, dass sich die in Apk 4–22 geschilderten Visionen keinesfalls mit Notwendigkeit auf eine andere Zeitebene als die Ereignisse, sondern darüber hinaus und vor allem die Einsicht in das, was hinter diesen Dingen und Ereignissen steht, nämlich Gottes Handeln, seinen Heilsplan“. 1069. Zu Dan 2,28.29.45 als traditionsgeschichtlichem Hintergrund u.a. für Apk 1,19 vgl. G.K. Beale, Apk, 155–157; ders., Interpretative Problem, 367–375 und ders., Use, 165–168. 1070. Vgl. hierzu G.K. Beale, Apk, 159: „The allusions to Daniel 2 in [Apk] 1:1, 19; 4:1; and 22:6 all make use of Daniel 2 contextually and understand the prophecy to have an ‚already-and-not-yet‘ end-time sense, referring to the ‚latter days,‘ which had begun but were not yet consummated. The OT context of Daniel 2 is one that fits well thematically with that of Revelation“; vgl. zu dieser Deutung auch M.E. Boring, Apk, 84. 1071. Apk, 158; zur Abhängigkeit der Formulierung Apk 1,19 von Dan 2,29a.45 stellt G.K. Beale, Apk, 157 fest: „Given the great number of textual and contextual similarities between Rev. 1:19 and Dan. 2:29a, 45, it may be said that Rev. 1:19 clearly draws from Daniel 2“. 1072. Vgl. G.K. Beale, Apk, 158: „..., so that the visions following [Apk] 4,1 are also not merely about the eschatological future, but are more broadly eschatological visions, some of which represent what is inaugurated while others still await consummation“.

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

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in Apk 2f. zugrundeliegende beziehen müssten, sondern zumindest z.T. durchaus bereits in der Zeitebene der sieben Sendschreiben Platz gegriffen haben könnten1073. Das grundlegende Problem der Argumentation Beales besteht nun allerdings darin, dass sich die von ihm formulierte These einer semantischen Parallelität der Wendungen ἐπ’ εσχάτων τῶν ἡμερῶν und μετὰ ταῦτα im Blick auf die Ausführungen in Dan 2,28f.Theod zwar durchaus mit Grund vertreten lässt, dass deren Aussage- und Argumentationswert im Blick auf die semantischen Implikationen der in Apk 1,19; 4,1 begegnenden Wendung μετὰ ταῦτα allerdings schon aus methodischen Gründen begrenzt ist, nicht zuletzt deswegen, weil im Text der Apk deren semantische Parallelität zu einer Wendung wie etwa ἐπ’ εσχάτων τῶν ἡμερῶν nicht aufgewiesen werden kann. Hätte der Apokalyptiker die Formel μετὰ ταῦτα im Sinne des danielischen ἐπ’ εσχάτων τῶν ἡμερῶν verstanden wissen wollen, ergibt sich unmittelbar die Frage, warum er diese in Dan belegte Wendung dann nicht in seinem Werk verwendet hat. Gegen die in der vorliegenden Studie vertretene temporale Interpretation des Syntagmas μετὰ ταῦτα führt G.K. Beale im Wesentlichen folgende Argumente ins Feld: (a) Eine streng zeitliche Interpretation der Ausführungen von Apk 1,19 widerspräche dem angesichts des literarischen Genusses der Apk im Kontext ihrer Interpretation notwendigen „figurative approach“1074 gegenüber den in ihr präsentierten Texten und Aussagen1075. Inwieweit nun ein solcher von Beale geforderter bildlicher bzw. bildersprachlicher Zugang zu den Texten der Apk eine chronologische Interpretation der Wendung μετὰ ταῦτα verunmöglichte, bleibt allerdings dahingestellt. (b) Eine chronologische Interpretation von Apk 1,19 verbiete sich darüber hinaus aufgrund des Sachverhalts, dass sowohl in Apk 2f. als auch in Apk 4–22 Ereignisse, Verhältnisse und Entwicklungen aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft thematisiert, eine eindeutige chronologische Zuordnung des in Apk 2f. Geschilderten zum Zeitbereich der Gegenwart, des in Apk 4–22 Geschilderten zum Zeitbereich der Zukunft somit verunmöglicht würde1076. Jenseits des – immerhin auch von Beale referierten – möglichen Einwandes, „that the references to past and future events in chs. 2–3 and 4–22 are merely tangential and not essential parts of these larger narratives“1077, muss gesehen werden, dass die Überzeugungskraft dieses Arguments letzten Endes entscheidend einerseits von der – erst noch zu leistenden – Interpretation der einzelnen Texte der Texteinheiten Apk 2f. und Apk 4–221078, andererseits 1073. Vgl. hierzu G.K. Beale, Apk, 158: „Therefore, if μετὰ ταῦτα in Rev. 4:1b refers to Daniel’s inaugurated eschatology, then the subsequent visions need not refer to a time after that of ch[apter]s. 1–3. It means only that they are further visions concerned with an explanation of the ‚latter days,‘ in both ‚realized‘ and ‚unrealized‘ aspects“. 1074. Apk, 161. 1075. Vgl. hierzu Apk, 161: „the main objection is that it [d.h. eine streng chronologische Interpretation von Apk 1,19] Revelation without sufficient sensitivity to its literary form, giving a straightforward, literal reading of the book, rather than using a figurative approach, which would be more appropriate to the book’s symbolic genre“. 1076. Vgl. hierzu Apk, 161: „Furthermore, since chs. 2–3 … and chs. 4–22 … contain repeated references both to the past and the future, neither section can be understood as strictly chronological“. 1077. Apk, 162. 1078. Konkret verweist Beale in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen in Apk in Apk 1 – hier werde auf „Christ’s redemptive work“ (Apk, 161, A. 41) Bezug genommen, wohingegen die Ausführungen in 12,1–5 auf „the latter period of the OT and the life of

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DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN APK 2–3

von der der Apk inhärenten Konzeption von Zeit1079 abhängig ist, ihm somit schon aus methodischen Gründen a priori keinerlei Überzeugungskraft zukommen kann. U.B. Müller möchte, nicht zuletzt auch, um seine eigene Interpretation dieses Verses zu untermauern, die Ausführungen von Apk 1,19 vor dem Hintergrund einer sowohl in jüdischen als auch in christlichen Texten aufweisbaren, die drei Zeitbereiche Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft abdeckenden Formel interpretieren, „die Geschichte in ihrer Totalität umschreiben will“1080. Die von Müller in diesem Zusammenhang angeführten Beispiele benennen aber im Unterschied zu Apk 1,19 die Dimension der Vergangenheit sämtlich explizit als eine eigenständige Dimension von Zeit. Diese Differenz aber eröffnet im Blick auf Apk 1,19 durchaus die Möglichkeit, hier nur zwei Dimensionen von Zeit, diejenige der Gegenwart und diejenige der Zukunft in den Blick genommen zu sehen, d.h., die die Ausführungen Apk 1,19c einleitende Konjunktion καί explikativ oder epexegetisch zu interpretieren.

Wenn nun die Ausführungen in Apk 1,11 als eine nachträgliche oder aber sekundäre, die ursprüngliche Darstellung Apk 1,9f. ergänzende Zutat anzusehen sind1081, so trifft dies nolens volens dann auch auf das in Apk 1,19 Ausgeführte zu, da letzteres auf Apk 1,11 bezogen erscheint. Werden an dieser Stelle die bereits o. zu Apk 1,20 formulierten Erwägungen mitberücksichtigt, so ergibt sich als ursprüngliche Fassung des in Apk 1,12–20 Dargestellten folgender Text: Καὶ ἐπέστρεψα βλέπειν τὴν φωνὴν ἥτις ἐλάλει μετ᾽ ἐμοῦ, καὶ ἐπιστρέψας εἶδον ἑπτὰ λυχνίας χρυσᾶς (13) καὶ ἐν μέσῳ τῶν λυχνιῶν ὅμοιον υἱὸν ἀνθρώπου ἐνδεδυμένον ποδήρη καὶ περιεζωσμένον πρὸς τοῖς μαστοῖς ζώνην χρυσᾶν. (14) ἡ δὲ κεφαλὴ αὐτοῦ καὶ αἱ τρίχες λευκαὶ ὡς ἔριον λευκόν ὡς χιὼν καὶ οἱ ὀφθαλμοὶ αὐτοῦ ὡς φλὸξ πυρὸς (15) καὶ οἱ πόδες αὐτοῦ ὅμοιοι χαλκολιβάνῳ ὡς ἐν καμίνῳ πεπυρωμένης καὶ ἡ φωνὴ αὐτοῦ ὡς φωνὴ ὑδάτων πολλῶν, (16) καὶ ἔχων ἐν τῇ δεξιᾷ χειρὶ αὐτοῦ ἀστέρας ἑπτὰ καὶ ἐκ τοῦ στόματος αὐτοῦ ῥομφαία δίστομος ὀξεῖα ἐκπορευομένη καὶ ἡ ὄψις αὐτοῦ ὡς ὁ ἥλιος φαίνει ἐν τῇ δυνάμει αὐτοῦ. (17) Καὶ ὅτε εἶδον αὐτόν, ἔπεσα πρὸς τοὺς πόδας αὐτοῦ ὡς νεκρός, καὶ ἔθηκεν τὴν δεξιὰν αὐτοῦ ἐπ᾽ ἐμὲ λέγων· μὴ φοβοῦ· ἐγώ εἰμι ὁ πρῶτος καὶ ὁ ἔσχατος (18) καὶ ὁ ζῶν, καὶ ἐγενόμην νεκρὸς καὶ ἰδοὺ ζῶν εἰμι εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων καὶ ἔχω τὰς κλεῖς τοῦ θανάτου καὶ τοῦ ᾅδου. ... (20) τὸ μυστήριον τῶν ἑπτὰ ἀστέρων οὓς εἶδες ἐπὶ τῆς δεξιᾶς μου ...· οἱ ἑπτὰ ἀστέρες ἄγγελοι τῶν ἑπτὰ ἐκκλησιῶν εἰσιν .... Dieser Text wurde in der ursprünglichen Fassung von

Christ“ (Apk, 161, A. 41) abhöben. Ersteres lässt sich kaum gegen die Annahme eines Gegenwartsbezugs der Ausführungen Apk 2f. ins Feld führen, letzteres beruht auf einer zumindest hinterfragbaren Interpretation von Apk 12,1–5, deren Notwendigkeit am Text selbst erst noch erwiesen werden muss. 1079. Vgl. hierzu T. Witulski, Tempus tempus praecedit, passim. 1080. Apk, 86. 1081. Vgl. hierzu bereits o. 355–368.

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Apk 1,9–3,22 dann unmittelbar mit dem Schreibbefehl Apk 2,1 fortgesetzt, eine Fortsetzung, die sich sprachlich gänzlich zwanglos annehmen lässt.

III.10. DAS WACHSTUM DER TEXTEINHEIT APK 1,4–3,22 III.10.1. Fünf Thesen zum Wachstum der Texteinheit Apk 1,4–3,22 Aus den Diskussionen und den Ergebnissen der literarkritischen Analyse der sieben Sendschreiben einer- und der um einen brieflichen Eingang erweiterten Christusvision Apk 1,4–8.9–20 andererseits lassen sich im Blick auf die Frage nach dem Prozess des Wachstums der Texteinheit Apk 1,4– 3,22 folgende Ergebnisse ableiten: (a) Am Beginn des Wachstumsprozesses der Texteinheit Apk 1,4–3,22 standen einzelne, aus der gegenwärtig in Apk 2f. vorliegenden Fassung der sieben einzelnen Sendschreiben dekonstruierbare Texte, die in Relation zu letzterer jeweils einen rudimentären Charakter tragen1082. Der Sachverhalt, dass diese einzelnen, an die individuell zu fassenden Gestalten der ‚Gemeindeengel‘1083 gerichteten (Rudimentär-) Sendschreiben einerseits keinerlei die Episteln untereinander vernetzende Querverweise, andererseits jedoch in Sonderheit im Blick auf die Konzeption der Eschatologie deutliche Differenzen bieten1084, spricht gegen die Annahme, dass diese in der ersten Phase des Wachstums der Texteinheit Apk 1,4–3,22 unmittelbar als zusammenhängende Sammlung konzipiert worden seien. Vielmehr scheint wahrscheinlich, dass diese (Rudimentär-) Sendschreiben ursprünglich eigenständige, in mündlicher oder auch in schriftlicher Form existierende Verkündigungseinheiten darstellten. Dabei lässt der Sachverhalt, dass innerhalb der (rudimentären) Epistel an den ἄγγελος τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας in Apk 2,6 auf die Forderung einer Verhaltensänderung und eine mit dieser Forderung im Falle der Verweigerung ihr gegenüber verknüpfte Sanktionsandrohung eine sein eigenes unmittelbares Verhalten betreffende positive Aussage folgt, die sinnvoller eigentlich unmittelbar an das in Apk 2,3 Ausgeführte angeschlossen hätte1085, folgende Annahme nicht unwahrscheinlich erscheinen: Bei den rekonstruierten ursprünglichen Texten der einzelnen Sendschreiben handele es sich um zunächst mündlich getätigte Äußerungen, die im weiteren Verlauf ihrer Tradierung dann verschriftlicht worden seien. Das Faktum eines solchen, im 1082. Vgl. hierzu o. 312–318. 1083. Vgl. hierzu o. 92–114. 1084. Vgl. hierzu o. 178–179, 285–286. 1085. Vgl. hierzu bereits o. 147–149.

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Kontext der sieben Episteln hier singulär wahrnehmbaren nachgerade nachklappenden Lobes lässt sich unter der angenommenen Voraussetzung, die ursprünglichen Texte der sieben Sendscheiben hätten von Anfang an jeweils in einer schriftlichen Fassung existiert, nur schwerlich sinnvoll erklären. Eine bis ins letzte sichere Entscheidung ist hier allerdings kaum möglich. Die in Sonderheit im Blick auf die Konzeption der Eschatologie beobachtbaren theologischen Differenzen innerhalb dieser Gruppe der (Rudimentär-) Sendschreiben1086 indiziert zudem, dass diese offensichtlich nicht von einer einzigen Person, sondern viemehr von unterschiedlichen Personen oder Personengruppen kreiert worden sind. Analogien aus dem Bereich der alttestamentlichen Prophetie lassen in diesem Zusammenhang die Annahme wahrscheinlich erscheinen, dass eine Majorität dieser rudimentären Episteln auf eine historische Person mit dem Namen Ἰωάννης1087 zurückgingen, wohingegen sich eine Minorität jener einem oder mehreren anderen Autoren aus einem Kreis von Mitarbeitern oder Schülern dieses Ἰωάννης verdankte. Zu dieser Minorität von Episteln wäre in Sonderheit das (Rudimentär-)Sendschreiben an den ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας zu rechnen, da in diesem eine in den übrigen (Rudimentär-)Sendschreiben in dieser Form nicht verifizierbare Konzeption einer präsentischen Eschatologie begegnet. Die hier entwickelte Annahme zur Entstehung der sieben (Rudimentär-)Sendschreiben findet ihre Analogie in den etwa von E. Zenger formulierten Thesen zur Entstehung des Völkerspruchzyklus Am 1,3–2,161088. Zenger zufolge verdankten sich die Sprüche über Tyros (Am 1,9f.), über Edom (Am 1,11f.) und über Juda (Am 2,4f.), darüber hinaus der innerhalb des Israelspruches begegnende Geschichtsrückblick Am 2,9–12 einer in der Exilszeit erfolgten, offensichtlich deuteronomistischen1089 Bearbeitung eines bereits in vorexilischer Zeit entwickelten Zyklus1090. Lediglich die Sprüche über Aram (Am 1,3–5) und über die Philister (Am 1,6–8), daran anschließend diejenigen über Ammom (Am 1,13–15), über Moab (Am 2,1–3) und über Israel (Am 2,6–8*) scheinen auf die Verkündigung des Propheten Amos selbst zurückzugehen1091. Nach V. Fritz scheint in der Forschung – von ihm selbst 1086. Vgl. hierzu bereits o. 369. 1087. Zu den Gründen für ein nicht-fiktives Verständnis der Person des Ἰωάννης vgl. neuestens M. Karrer, Apk I, 206f. 1088. Auf die traditionsgeschichtliche Nähe der sieben Sendschreiben zu den Völkersprüchen des Amos Am 1f. verwies bereits F. Hahn, Sendschreiben, 363 (vgl. hierzu bereits o. 43 mit A. 94). 1089. Vgl. hierzu die Ausführungen bei O. Kaiser, Einleitung, 224. 1090. Vgl. hierzu Einleitung, 657; hier begründet Zenger diese Annahme ausführlich. Vgl. hierzu auch O. Kaiser, Einleitung, 222: „Unter dem Eindruck des Exils sind die Tyros-, Edom- und die Judastrophen eingeführt worden, um teils der Hoffnung auf die künftige Bestrafung der Nachbarvölker, teils dem Glauben an die Gerechtigkeit des erfolgten Gottesgerichts Ausdruck zu geben“. 1091. Vgl. hierzu O. Kaiser, Einleitung, 223f., der diese Sprüche als in der Forschung „unangefochten“ (223) der Verkündigung des Amos zugerechnet werdend charakterisiert.

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einmal abgesehen – „allenfalls umstritten ..., ob diese vier Sprüche ursprünglich einmal selbständig oder von Anfang an eine geschlossene Einheit gewesen sind“1092. Auch dieser Aspekt der Forschung zu den Völkersprüchen des Amos kommt der hier formulierten These zu den Anfängen der Entstehung der sieben Sendschreiben inhaltlich sehr nahe.

(b) Angesichts der o. in der Analyse der einzelnen Sendschreiben aufgewiesenen engen motivischen Verbindungen zwischen der den Botenformeln der sieben Sendschreiben und der erweiterten Christusvision Apk 1,4–8.9– 20 legt sich die Annahme nahe, dass die nachträgliche oder sekundäre Ergänzung der zunächst eigenständig in mündlicher (oder schriftlicher) Form existierenden (Rudimentär-)Sendschreiben um die Botenformel und um den dieser vorangehenden Schreibbefehl mit hoher Wahrscheinlichkeit im Zuge der Zusammenstellung desselben zu einer Sammlung und der Verknüpfung derselben mit der erweiterten Christusvision Apk 1,4–8.9–20 erfolgt sei. Diese Komposition ließe sich, auch hier den o. bereits bemühten Analogien aus dem Bereich der alttestamentlichen Prophetie durchaus entsprechend, in einem etwaigen unmittelbaren Schülerkreis der historischen Gestalt des Ἰωάννης verorten. Dieser Schülerkreis zeichnete für die auf der Ebene der Schriftlichkeit notwendige, auf der Ebene der Mündlichkeit allerdings entbehrliche literarische Einführung der individuell konnotierten Figuren der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν verantwortlich. Darüber hinaus konservierte er das ursprüngliche Verständnis der sieben Verkündigungseinheiten als an singuläre Individuen, denen in ihren jeweiligen Gemeinden eine führende und verantwortliche Position und Funktion zukam1093 – ohne dass sich dieselben hier näher bestimmen und definieren ließen –, gerichtete Botschaften. Schließlich zeichnete er dann auch verantwortlich für die o. als literarkritisch nicht kategorisierbar aufgewiesenen, allerdings ebenfalls singularisch formulierten Ausführungen in Apk 3,2a.3b; Apk 3,8b.c und Apk 3,91094. Als Motiv dieser literarischen Aktivität dieser Gruppe ließe sich, auch hier der alttestamentlichen Prophetie durchaus entsprechend, zunächst1095 die Absicht ausmachen, die Worte ihres womöglich mittlerweile verstorbenen prophetischen spiritus rector zu sammeln und für die Nachwelt zu bewahren.

Vgl. darüber hinaus auch V. Fritz, Fremdvölkersprüche, 27f.: „Ihre Abfassung durch Amos wurde bisher nicht in Frage gestellt“. 1092. Fremdvölkersprüche, 28; diese 1987 formulierte Aussage spiegelt auch – immer noch – den gegenwärtigen Forschungsstand wider. 1093. Vgl. hierzu o. 92–114. 1094. Vgl. hierzu o. 245–260, o. 273–275 und o. 279. 1095. Zu weiteren möglichen, nun stärker theologisch zu definierenden Motiven dieses zu postulierenden Schülerkreises vgl.u. 372–374.

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Wird angenommen, die auf die Person des Ἰωάννης rückführbaren (Rudimentär-) Sendschreiben hätten in schriftlicher Form vorgelegen, lässt sich durchaus die Annahme in Erwägung ziehen, dass die Schreibbefehle, also die die Sendschreiben jeweils einleitende Formulierung τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν ... ἐκκλησίας γράψον, bereits Bestandteile derselben gewesen sind. Im Zuge der Sammlung der (Rudimentär-) Sendschreiben und ihrer Verknüpfung mit der Christusvision Apk 1,9ff. wären dann eben nicht auch die Schreibbefehle, sondern nur noch die Botenformen hinzugefügt worden.

Nicht undenkbar ist es, diese literarische Aktivität der johanneischen Schule1096 zuzuordnen. Wenn es zutrifft, dass die Gesamt-Apk „in einer mittelbaren Verbindung zu den anderen joh[anneischen]. Schriften zu sehen [ist], wodurch sich dann auch die vorhandenen Gemeinsamkeiten erklären“1097, ließe sich die Annahme, die hier postulierte Grundschrift Apk 1,4–3,22 verdanke sich eben dieser Schule, durchaus mit Grund plausibilisieren. Der Apokalyptiker als Vertreter deutero- oder gar tritojohanneischen Denkens1098 habe diese Grundschrift vorgefunden und dann verwendet, um sie mit dem apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 zu der im Neuen Testament vorliegenden Gesamt-Apk zu verknüpfen. (c) In einem nächsten Schritt, der im Rahmen der vorliegenden Studie als erste Relecture bezeichnet werden soll, wurden den auf diese Weise zu einer Sammlung zusammengestellten und mit der erweiterten Christusvision Apk 1,4–8.9–20 verknüpften (Rudimentär-)Sendschreiben diejenigen Abschnitte implementiert, die in der 2. Person Plural formuliert sind, zusätzlich diejenigen Ausführungen in Apk 1,20aβ.bβ, die diese pluralische Interpretation der zunächst individuell konnotierten Sendschreiben inhaltlich vorbereiten. Zumindest nicht undenkbar ist, dass auf den oder die für diese pluralische Interpretation der sieben Sendschreiben Verantwortlichen auch die Ausführungen in Apk 1,7 zurückgehen, eine Frage, der im Rahmen der in der vorliegenden Studie verhandelten Fragestellung allerdings nur geringe Relevanz zukommt. Der Sachverhalt, dass auf der Ebene dieser Bearbeitung die Figur des ‚Gemeindeengels‘, nicht mehr, wie noch von Ἰωάννης und dem Kreis seiner Schüler, als ein singuläres Individuum, 1096. Zu den Kriterien bzw. den Gründen für die Existenz einer solchen johanneischen Schule bzw. eines solchen johanneischen Kreises vgl. etwa U. Schnelle, Einleitung, 513–515. 1097. U. Schnelle, Einleitung, 516. 1098. Vgl. hierzu J.-W. Taeger, Johannesapokalypse, 205: „Für die Frage nach einer möglichen Beziehung der Apk zum Corpus Johanneum erlaubt dies für den Bereich der Eschatologie den Schluß, daß – zurückhaltend formuliert – nichts entscheidend dagegen spricht, das Werk des Sehers Johannes im Gefälle der johanneischen Theologiegeschichte anzusiedeln, es dem sich auffächernden johanneischen Kreis zuzuordnen und es als einen seiner Exponenten anzusehen“.

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sondern als ein Kollektivum wahrgenommen wird, spricht auf der einen Seite dafür, dass die für diese Bearbeitung verantwortliche Einzelperson oder Gruppierung von der Person des Ἰωάννης und seinem Schülerkreis zu unterscheiden sind. Der Sachverhalt, dass diese Einzelperson oder Gruppe auf die Texteinheit Apk 1,4–3,22* zurückgreifen konnte und sie im Rahmen einer Relecture zwar bearbeitet, nicht jedoch theologisch grundlegend neu akzentuiert hat, will auf der anderen Seite indizieren, dass diese sich mit dieser Texteinheit und den sie überliefernden Personen auf der historischen und auch auf der theologischen Ebene offenbar durchaus verbunden wusste und die Person des Ἰωάννης offensichtlich ebenfalls als für sich maßgebliche Autorität anerkannte. Dieser Einzelperson oder Gruppe ging es darum, die als autoritativ anerkannte Botschaft des Ἰωάννης im Blick auf die theologischen Verhältnisse ihrer Gegenwart zu aktualisieren. (d) Zuletzt fügte dann – im Rahmen einer zweiten Relecture – der eigentliche Apokalyptiker1099 die Weckrufe und die Überwindersprüche in die Sendschreiben ein und ergänzte die erweiterte Christusvision um Apk 1,11 und Apk 1,19, möglicherweise auch um Apk 1,8, um auf diesem Wege die Texteinheit Apk 1,4–8.9–20 mit dem apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 inhaltlich zu verbinden. Der apokalyptische Hauptteil gewinnt auf diesem Wege einer temporalen Spreizung den Akzent der Zukünftigkeit, obzwar er zentral eine die Gegenwart seiner Rezipienten betreffende Botschaft transportiert. Die Beobachtung, dass die Weckrufe und Überwindersprüche im Unterschied zu denjenigen Passagen, die im Zuge der ersten Relecture in die Sendschreiben implementiert worden sind, eine über die einzelne Gemeinde hinausgehende und in dieser Weise entgrenzte Öffentlichkeit anzureden scheinen, spricht dafür, die Einfügung der Überwindersprüche und der Weckrufe nicht den für die erste Relecture Verantwortlichen, sondern einer weiteren, von diesen zu unterscheidenden Person oder Gruppe, in diesem Falle dann dem eigentlichen Apokalyptiker, zuzuschreiben. Jenem sind in Hinsicht auf das Faktum seiner Aufnahme und Bearbeitung der Texteinheit Apk 1,4–3,22* nun zumindest zwei denkbare Motive zu unterstellen: (1) Indem er seine Visionen Apk 4–22 mit dem Namen und der Person Ἰωάννης verknüpfte, sicherte er sich im Blick auf jene die theologische Legitimität und die geschichtliche Autorität dessen und verlieh jenen somit eine erheblich höhere Glaubwürdigkeit. (2) Indem er seinen Visionen die Texteinheit Apk 1,4–3,22* vorschaltete, gewann er für seine Darstellung in ihrer Gesamtheit eine zeitliche Tiefendimension, die es ihm

1099. Vgl. zu dieser Bezeichnung o. 3.

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erlaubte, im Blick auf seine Visionen das Momentum der fiktiven Vorzeitigkeit zu installieren. (e) Die diese These ergänzende Annahme, dass der Autor oder die Autoren der einzelnen Sendschreiben und der für die Gesamt-Apk und deren Gestalt verantwortliche Apokalyptiker voneinander unterschieden werden müssen, wird indiziert durch die Beobachtung, dass, wie o. bereits diskutiert1100, die Semantik des ἄγγελος-Begriffs innerhalb der einzelnen Sendschreiben uneinheitlich ist. Während dieser Terminus einerseits auf eine Einzelperson abzuheben scheint, will er andererseits auf eine größere Gruppe, d.h. auf die Gesamtheit der Glieder einer Gemeinde bezogen sein. Dass diese ab dem zweiten Relecturevorgang Platz greifende semantisch uneinheitliche Verwendung des Terminus ἄγγλος auf ein- und denselben Autor zurückgeht, scheint mehr als fraglich. Weitaus plausibler ist es hingegen, diese beiden unterschiedlichen semantischen Implikationen zwei unterschiedlichen Autoren zuzuschreiben, was bedeutet, dass sowohl die erste als auch die zweite Relecture, d.h. diejenige, in deren Rahmen die Sendschreiben mit dem apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 verschmolzen wurde, jeweils von einem anderen Autoren oder Autorenkreis vorgenommen worden ist als demjenigen, der für die Abfassung der ursprünglich rekonstruierten Fassung der sieben Sendschreiben verantwortlich zeichnet. Darüber hinaus lässt sich diese Annahme stützen durch einige die Sprache der Sendschreiben einer- und diejenge des apokalyptischen Hauptteils Apk 4–22 andererseits betreffende Beobachtungen. Im Rahmen nämlich eines Vergleichs der in den Sendschreiben sichtbar werdenden Sprache mit derjenigen, die im apokalyptischen Hauptteil begegnet, listet D.E. Aune einige sprachliche und stilistische Besonderheiten auf, die die Ausführungen in Apk 2f. von denjenigen in der übrigen Apk unterscheiden1101: (1) Während in der Apk insgesamt 245 der 337 Sätze dieses Werkes mit der Partikel καί begönnen, d.h. 73,79%, seien dies in Apk 2f. nur 9 von 44, d.h. nur 20,5%1102. (2) Darüber hinaus sei in Apk 2f. eine relative Häufung der Verwendung der Partikel δέ zu beobachten; von den insgesamt sieben Belegen begegneten drei innerhalb des Textes der sieben Sendschreiben1103. (3) Gleiches gelte im Blick auf die Konjunktion ἀλλά, die in der Apk insgesamt dreizehnmal belegt sei; acht dieser Belege, ihre große Mehrheit also, begegneten in Apk 2f.1104.

1100. Vgl. hierzu ausführlich o. 92–114. 1101. Vgl. hierzu Apk I, cxxxiiif. 1102. Vgl. hierzu Apk I, cxxxiii; dieser Feststellung fügt er hinzu: „This stylistic difference between Rev 2–3 and the rest of the book is quite striking“. 1103. Vgl. hierzu Apk I, cxxxiii. 1104. Vgl. hierzu Apk I, cxxxiii.

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(4) Schließlich sei die Partikel οὖν in der Apk insgesamt sechsmal, davon allein fünfmal in Apk 2f. nachweisbar1105. Diese stilistischen Differenzen deuteten nach Aune zunächst allerdings nicht unmittelbar darauf hin, dass die sieben Sendschreiben sich einem anderen Verfasser als demjenigen der übrigen Apk verdankten: Zwar ließe sich beobachten, dass der Verfasser derselben versucht habe, „to write in a slightly more elevated style or at least in a higher linguistic register when composing the speeches of the exalted Christ“1106; bei diesem Verfasser handele es sich aber letzten Endes – und diesen Eindruck erweckt D.E. Aune in seinen Ausführungen zunächst – um niemand anderen als den Apokalyptiker selbst1107. Dieser sich unmittelbar auf die Frage der Verfasserschaft der Apk auswirkende Befund scheint bestätigt zu werden durch eine in Sonderheit von G. Mussies auf der Basis des von Codex A gebotenen Textes der Apk vorgenommene weitergehende und umfassende Untersuchung hinsichtlich der in der Apk insgesamt verwendeten Sprache; da diese sich als weitgehend homogen erweise1108, ließe sich die Annahme, die Apk in ihrer gegenwärtigen Form verdanke sich mehreren unterschiedlichen Autoren, kaum zureichend begründen1109.

Auf der anderen Seite vermag Aune aus den von ihm aufgewiesenen sprachlichen und stilistischen Unterschieden aber durchaus auch die Konsequenz abzuleiten, dass es sich bei den Autoren von Apk 2f. und Apk 4–22 um zwei verschiedene Personen handeln könnte: „Another possibility is that the stylistic differences between Rev 2–3 and the rest of the book may indicate the presence of a later addition to the work, perhaps by one who is not [!] the author of the rest of Revelation“1110. Das aber heißt: Die Sprache der Gesamt-Apk ist offensichtlich keinesfalls in einer Weise homogen, dass sie die Annahme einer oder auch mehrerer an ihrer Entstehung beteiligter Autoren oder Autorengruppen a priori verunmöglichte. Vielmehr vermögen die aufgewiesenen sprachlichen und stilistischen Inhomogenitäten zwischen 1105. Vgl. hierzu Apk I, cxxxiii. 1106. Apk I, cxxxiii. 1107. Vgl. hierzu auch G. Mussies, Morphology, 350f. 1108. Vgl. hierzu G. Mussies, Morphology, 351: „In conclusion we may say that we do not see any reason for questioning the unity of the Apc. on linguistic grounds“. Diese Feststellung wird positiv aufgenommen von D.E. Aune, Apk I, cix: „The linguistic homogeneity of Revelation, then, casts doubt on the validity of all compilation theories (hypotheses that Revelation is the product of the combination of two or more relatively extensive apocalypses written by different authors)“. 1109. Vgl. hierzu über Mussies hinaus bereits etwa R.H. Charles, Apk I, 43: „Since an examination of the diction and idiom leads to the conclusion that the Letters are from the hand of our author, it is not necessary to consider the theories of some critics who ascribe them to a final reviser, of others who assign them to an original apocalypse which was subsequently edited and enlarged by later writers“. 1110. Apk I, cxxxiv.

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DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN APK 2–3

Apk 2f. und Apk 4–22 durchaus die Annahme zu indizieren, dass der Autor bzw. die Autoren der sieben Sendschreiben von demjenigen der GesamtApk, also dem Apokalyptiker, zu unterscheiden seien. III.10.2. Das formgeschichtliche Argument Das in dieser Weise entwickelte Gesamtmodell zur Entstehung der Texteinheit Apk 1,4–8.9–20; 2,1–3,22 wird gestützt durch formgeschichtliche Erwägungen. Wie o. bereits diskutiert1111, scheint die Frage nach der Gattung der sieben Sendschreiben in der Forschung mehr denn je ungeklärt; die sieben Texte lassen sich in der Form, in der sie in Apk 2f. jeweils vorliegen, in keine der jeweils vorgeschlagenen Sprachformen bzw. Gattungen einordnen1112. Deutlich anders stellen sich die Dinge jedoch dar, wenn nach der Gattung der rekonstruierten ursprünglichen Texte der sieben Sendschreiben gefragt wird. Deren Analyse lässt nämlich erkennen, dass den einzelnen Texten eine weitestgehend vergleichbare bzw. ähnliche Darstellungs- und Argumentationsstruktur eignet: Basierend auf der – natürlich aus der Perspektive dessen, auf den diese Texte bzw. Ansprachen zurückgehen – wertenden, d.h. lobenden oder aber auch tadelnden Analyse der z.T. von dem jeweils angeschriebenen ‚Gemeindeengel‘ selbst in Szene gesetzten, in jedem Falle aber in seinem Verantwortungsbereich vorfindlichen, in der Vergangenheit und auch in der Gegenwart aufweisbaren Verhaltensweisen und Entwicklungen1113 formuliert der für diese Äußerungen Verantwortliche konkrete, das Verhalten des jeweiligen ἄγγελος betreffende (Auf-)Forderungen1114. Diese schließen häufig, aber nicht immer, an die Ankündigung einer entsprechenden Sanktion an, die entweder den Verweigerungs1115- oder aber auch den Erfüllungsfall1116 betrifft. Eine in Zukunft, nicht aber zur Zeit der Wiederkunft des in diesen Sendschreiben redenden Christus, zu erwartende Belohnung für in der Vergangenheit erwiesenes positives Verhalten wird lediglich in Apk 3,10 ausgesprochen1117. Die folgende tabellarische Übersicht vermag diese hier angesprochenen inhaltlichen bzw. argumentationslogischen Parallelitäten deutlicher sichtbar zu machen. 1111. Vgl. hierzu o. 76. 1112. Vgl. zur Diskussion dieser Frage bereits ausführlich o. 40–76. 1113. Vgl. hierzu die Ausführungen in Apk 2,2–4.6.9.13a.b.14f.19–23a; 3,1c.2b.4.8a.d.15. 16a.17. 1114. Vgl. hierzu die Ausführungen in Apk 2,5a.10a.16a; 3,3a.11a.18f. 1115. Vgl. hierzu die Ausführungen in Apk 2,5bα.16b.cα; 3,16b. 1116. Vgl. hierzu die Ausführungen in Apk 2,10dβ; 3,11b. 1117. Wird das (Rudimentär-)Sendschreiben 3,7–13* einer anderen Person als derjenigen des Ἰωάννης zugeschrieben (vgl. hierzu o. 370), kann diese Abweichung – erst recht – nicht verwundern.

μετανόησον οὖν·

εἰ δὲ μή, ἔρχομαί σοι ταχύ. (16b.cα)

(16a)

[τάδε λέγει {ὁ κύριος} ...] (13a.b) οἶδα ποῦ κατοικεῖς, ὅπου ὁ θρόνος τοῦ σατανᾶ, καὶ κρατεῖς τὸ ὄνομά μου καὶ οὐκ ἠρνήσω τὴν πίστιν μου καὶ ἐν ταῖς ἡμέραις Ἀντιπᾶς ὁ μάρτυς μου ὁ πιστός μου[, ὃς ἀπεκτάνθη] ...

Apk 2,12–17*

ἀλλ᾽ ἔχω κατὰ σοῦ ὀλίγα ὅτι ἔχεις ἐκεῖ κρατοῦντας τὴν διδαχὴν Βαλαάμ, ὃς ἐδίδασκεν τῷ Βαλὰκ βαλεῖν σκάνδαλον ἐνώπιον τῶν υἱῶν Ἰσραὴλ φαγεῖν εἰδωλόθυτα καὶ πορνεῦσαι. (15) οὕτως ἔχεις καὶ σὺ κρατοῦντας τὴν διδαχὴν [τῶν] Νικολαϊτῶν ὁμοίως.

μηδὲν φοβοῦ ἃ (10dβ) καὶ δώσω σοι μέλλεις πάσχειν ... τὸν στέφανον τῆς (10dα) γίνου πιστὸς ζωῆς. ἄχρι θανάτου,

(14)

(10a)

[τάδε λέγει {ὁ κύριος} ...] (9) οἶδά σου τὴν θλῖψιν καὶ τὴν πτωχείαν, ἀλλὰ πλούσιος εἶ, καὶ τὴν βλασφημίαν ἐκ τῶν λεγόντων Ἰουδαίους εἶναι ἑαυτοὺς καὶ οὐκ εἰσὶν ἀλλὰ συναγωγὴ τοῦ σατανᾶ.

Tadel

positive/negative Sanktionierung dieses zukünftigen Verhaltens

Apk 2,8–11*

(4)

Aufforderung zu einem konkreten zukünftigen Verhalten (5a) μνημόνευε οὖν (5bα) εἰ δὲ μή, πόθεν πέπτωκας καὶ ἔρχομαί σοι. μετανόησον καὶ τὰ πρῶτα ἔργα ποίησον·

(2)

Belohnung/Bestrafung für vergangenes Verhalten

[τάδε λέγει {ὁ κύριος} ...] οἶδα τὰ ἀλλὰ ἔχω κατὰ σοῦ ὅτι τὴν ἔργα σου καὶ τὸν κόπον καὶ τὴν ὑπο- ἀγάπην σου τὴν πρώτην ἀφῆκες. μονήν σου καὶ ὅτι οὐ δύνῃ βαστάσαι κακούς, καὶ ἐπείρασας τοὺς λέγοντας ἑαυτοὺς ἀποστόλους καὶ οὐκ εἰσὶν καὶ εὗρες αὐτοὺς ψευδεῖς, (3) καὶ ὑπομονὴν ἔχεις καὶ ἐβάστασας διὰ τὸ ὄνομά μου καὶ οὐ κεκοπίακες. ... (6) ἀλλὰ τοῦτο ἔχεις, ὅτι μισεῖς τὰ ἔργα τῶν Νικολαϊτῶν ἃ κἀγὼ μισῶ.

Lob

Analyse/Bewertung des Verhaltens des jeweiligen ‚Gemeindeengels‘

Apk 2,1–7*

Text

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

377

Apk 3,7–13*

Apk 3,1–6*

Apk 2,18–29*

Text

ἀλλὰ ἔχω κατὰ σοῦ ὅτι ἀφεῖς τὴν γυναῖκα Ἰεζάβελ, ἡ λέγουσα ἑαυτὴν προφῆτιν καὶ διδάσκει καὶ πλανᾷ τοὺς ἐμοὺς δούλους πορνεῦσαι καὶ φαγεῖν εἰδωλόθυτα. (21) καὶ ἔδωκα αὐτῇ χρόνον ἵνα μετανοήσῃ, καὶ οὐ θέλει μετανοῆσαι ἐκ τῆς πορνείας αὐτῆς. (22) ἰδοὺ βάλλω αὐτὴν εἰς κλίνην καὶ τοὺς μοιχεύοντας μετ᾽ αὐτῆς εἰς θλῖψιν μεγάλην, ἐὰν μὴ μετανοήσωσιν ἐκ τῶν ἔργων αὐτῆς, (23a) καὶ τὰ τέκνα αὐτῆς ἀποκτενῶ ἐν θανάτῳ. [τάδε λέγει {ὁ κύριος} ...] (1c) οἶδά σου τὰ ἔργα ὅτι ὄνομα ἔχεις ὅτι ζῇς, καὶ νεκρὸς εἶ. ... (2b) οὐ γὰρ εὕρηκά σου τὰ ἔργα πεπληρωμένα ἐνώπιον τοῦ θεοῦ μου.

(4) ἀλλὰ ἔχεις ὀλίγα ὀνόματα ἐν Σάρδεσιν ἃ οὐκ ἐμόλυναν τὰ ἱμάτια αὐτῶν, καὶ περιπατήσουσιν μετ᾽ ἐμοῦ ἐν λευκοῖς, ὅτι ἄξιοί εἰσιν.

[τάδε λέγει {ὁ κύριος} ...] (8a.) οἶδά σου τὰ ἔργα, ... (8d) ὅτι μικρὰν ἔχεις δύναμιν καὶ ἐτήρησάς μου τὸν λόγον καὶ οὐκ ἠρνήσω τὸ ὄνομά μου.

(20)

[τάδε λέγει {ὁ κύριος} ...] (19) οἶδά σου τὰ ἔργα καὶ τὴν ἀγάπην καὶ τὴν πίστιν καὶ τὴν διακονίαν καὶ τὴν ὑπομονήν σου, καὶ τὰ ἔργα σου τὰ ἔσχατα πλείονα τῶν πρώτων.

Analyse/Bewertung des Verhaltens des jeweiligen ‚Gemeindeengels‘

μνημόνευε οὖν πῶς εἴληφας καὶ ἤκουσας καὶ τήρει καὶ μετανόησον. (3a)

Aufforderung zu einem konkreten zukünftigen Verhalten positive/negative Sanktionierung dieses zukünftigen Verhaltens

ὅτι ἐτήρησας τὸν (11a) ἔρχομαι ταχύ· (11b) ἵνα μηδεὶς λόγον τῆς ὑπομο νῆς κράτει ὃ ἔχεις, λάβῃ τὸν στέφανόν μου, κἀγώ σε τηρήσω σου. ἐκ τῆς ὥρας τοῦ πειρασμοῦ τῆς μελλούσης ἔρχεσθαι ἐπὶ τῆς οἰκουμένης ὅλης πειράσαι τοὺς κατοικοῦντας ἐπὶ τῆς γῆς. (10)

Belohnung/Bestrafung für vergangenes Verhalten

378 DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN APK 2–3

1118. Vgl. zu dieser Einordnung bereits o. 295.

Apk 3,14 –22*

[τάδε λέγει {ὁ κύριος} ...] (15) [(16b) μέλλω σε ἐμέσαι ἐκ οἶδά σου τὰ ἔργα ὅτι οὔτε ψυχρὸς τοῦ στόματός μου.] εἶ οὔτε ζεστός. ὄφελον ψυχρὸς ἦς ἢ ζεστός. (16a) οὕτως ὅτι χλιαρὸς εἶ καὶ οὔτε ζεστὸς οὔτε ψυχρός, ... (17) ὅτι λέγεις ὅτι πλούσιός εἰμι καὶ πεπλούτηκα καὶ οὐδὲν χρείαν ἔχω, καὶ οὐκ οἶδας ὅτι σὺ εἶ ὁ ταλαίπωρος καὶ ἐλεεινὸς καὶ πτωχὸς καὶ τυφλὸς καὶ γυμνός, συμβουλεύω σοι (16b) μέλλω σε ἐμέἀγοράσαι παρ᾽ ἐμοῦ σαι ἐκ τοῦ στόχρυσίον πεπυρωμένον ματός μου1118. ἐκ πυρὸς ἵνα πλουτήσῃς, καὶ ἱμάτια λευκὰ ἵνα περιβάλῃ καὶ μὴ φανερωθῇ ἡ αἰσχύνη τῆς γυμνότητός σου, καὶ κολλ[ο]ύριον ἐγχρῖσαι τοὺς ὀφθαλμούς σου ἵνα βλέπῃς. (19) ἐγὼ ὅσους ἐὰν φιλῶ ἐλέγχω καὶ παιδεύω· ζήλευε οὖν καὶ μετανόησον. (18)

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

379

380

DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN APK 2–3

Zu konzedieren ist freilich, dass die in diesen (Rudimentär-)Sendschreiben sichtbar werdende Darstellungs- und Argumentationsstruktur durchaus – wenn auch nur geringe – Abweichungen und Variationen zulässt. Dies belegt etwa der Sachverhalt, dass der ursprüngliche Text der Epistel in Apk 2,6 von einer positiven Aussage beschlossen wird, der eine Sanktionsdrohung vorausgeht, wohingegen etwa Apk 2,12–17* mit einer solchen Sanktionsdrohung endet, ohne dass noch eine das Verhalten des pergamenischen ‚Gemeindeengels‘ betreffende – positiv oder auch negativ wertende – Aussage folgte. Bezogen auf die Frage nach der Sprachform bzw. der Gattung der sieben Sendschreiben scheint daraus zu folgen: Diese Episteln sind einer zwar formal geprägten Sprachform bzw. Gattung der Alltagssprache zuzuordnen, deren formale Struktur allerdings durchaus flexibel ist und sich weitestgehend aus den im Kontext dieser Sprachform bzw. Gattung verhandelten Inhalten ergibt. Anzumerken ist allerdings auch, dass die hier aufgewiesenen Strukturelemente dieser rekonstruierten ursprünglichen Sendschreiben – im Unterschied etwa zu den Strukturelementen, die U.B. Müller in den Sendschreiben in der Gestalt, so wie sie in Apk 2f. vorliegen, sehen möchte1119 – letzten Endes in annähernd jeder Epistel nachweisbar sind.

Werden diese argumentationslogischen Parallelitäten in ihrer Gesamtheit, in Sonderheit der Sachverhalt, dass in jedem der sieben rekonstruierten Texte eine sowohl in positiver als zugleich aber auch in negativer Hinsicht erfolgende Bewertung entweder des Verhaltens des jeweiligen ‚Gemeindeengels‘ oder aber der von ihm zu verantwortenden innergemeindlichen Verhältnisse vorgenommen wird, beachtet, so scheint sich folgende Annahme nahezulegen: Bei diesen Texten handele es sich – zumindest in ihrer ursprünglichen Fassung – um von einem entsprechend Beauftragten ausgerichtete Inspektions- oder Visitationsberichte, innerhalb derer Christus als himmlischer Inspektor oder Visitator erscheint und eben das Verhalten des entsprechenden ἄγγελος τῆς ἐκκλησίας in positiver und negativer Hinsicht bewertet und dazu auffordert, positiv bewertetes Verhalten durchzuhalten und negativ bewertetes Verhalten zu korrigieren. Dabei werden die entsprechenden Konsequenzen sowohl des Durchhaltens des positiv bewerteten als auch der Verweigerung der Korrektur des negativ bewerteten Verhaltens – als Anreiz und als Abschreckung – im Kontext von Lohn und Strafe deutlich expliziert. Eine von Barnabas als im Auftrag der Jerusalemer Gemeinde tätigen entsprechendem Visitator vorgenommene Visitation scheinen die Ausführungen in Apg 11,22– 24 zu belegen. A. Weiser zufolge „erscheint [Barnabas] nach Lukas geeignet, die Situation in Antiochia zu beurteilen und die Verbindung mit der ‚apostolischen Kirche‘ herzustellen“1120. Denkbar ist, dass die hier rekonstruierten (Rudimentär-) Sendschreiben Berichte solcher Visitationen darstellten. 1119. Vgl. hierzu ausführlich o. 41–46. 1120. Apg I, 277.

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

381

Wie ein solcher Inspektions- oder Visitationsbericht im militärischen Kontext aussehen kann, zeigt exemplarisch eine epigraphisch überlieferte, allerdings nur fragmentarisch erhaltene Manöverkritik1121 des römischen Kaisers Hadrianus, die sich aus allocutiones1122 an die Soldaten der in der römischen Provinz Numidia, wohl in den Städten Lambaesis und Zarai, stationierten legio III Augusta und an die Soldaten der dieser Legion zugeordneten Hilfstruppen zusammensetzt. Den Zweck einer solchen Manöverkritik definiert M.P. Speidel folgendermaßen: „The inscription shows Hadrian fulfilling a Roman commander’s duties, which were, according to Pliny, to look after construction works, be present at maneuvers, and see that men, weapons, and walls work. His speeches were to highten the skill and morale of men and officers. Tireless training of body and mind was always the Roman army’s main source of strength, but Hadrian, more than any other emperor, strove for all-round combat-readiness through disciplina, a broader concept than today’s ‚military discipline‘ for it stressed skill rather than behavior“1123. Mit diesen Ausführungen dürfte auch die Intention der rekonstruierten ursprünglichen Fassungen der sieben Sendschreiben Apk 2f. zumindest in einem generellen Sinne zutreffend beschrieben sein. Dass diese allocutiones überhaupt in Stein verewigt worden sind, geht nach A.R. Birley auf das Betreiben des in denselben verschiedentlich von Hadrianus gelobten Kommandanten der legio III Augusta, des legatus Q. Fabius Catullinus, zurück, der sich selbst mit dieser in ein großes Monument1124 eingearbeiteten Inschrift ein Denkmal setzen wollte1125. Das aber bedeutet: Die hier diskutierten allocutiones stellten ursprünglich mündliche Sprachformen dar, deren nicht der Regel entsprechende Verschriftlichung sich lediglich besonderen Umständen verdankt.

Wie die sieben Sendschreiben so bieten auch die allocutiones an die in Lambaesis stationierten Soldaten Passagen, innerhalb derer das Verhalten einer abgrenzbaren Gruppe derselben positiv bewertet, d.h. gelobt wird. In einer an die pili, d.h. die Infanterie der in Lambaesis stationierten Legion1126, gerichteten Ansprache1127 etwa formuliert der Imperator folgendermaßen: 1121. U.a. Y. Le Bohec, Discours, 5 datiert diese allocutiones in das Jahr 128 n.Chr.; vgl. zu dieser Datierung auch A. Müller, Manöverkritik, 21f. 1122. Vgl. zum Begriff der adlocutio bzw. der allocutio in diesem Zusammenhang Y. Le Bohec, Discours, 124. 1123. Speeches, 91. 1124. Zu diesem Monument selbst vgl. neuestens M.P. Speidel, Speeches, 3–5. 1125. Vgl. hierzu Hadrian, 75. 1126. Vgl. hierzu etwa Y. Le Bohec, Discours, 59f. 1127. A.R. Birley, Hadrian, 74 datiert diese allocutio auf den 1. Juli 128 n.Chr.

382

 5

10

DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN APK 2–3

[Catullinu]s1128 leg(atus) meus pro causa ves[tra a]cer est, ver[um, quae argu][e]nda vobis apud me fuissent omnia mihi pro vobis ipse di[xit, quod] cohors abest, quod omnibus annis per vices in officium pr[ocon]sulis mittitur, quod ante annum tertium cohortem et qui [nos] ex centuris in supplementum comparum tertianorum dudistis,q uod multae,quod diversae stationes von distinent, quod nostra memoria bis non tantum mutastis castra sed et nova fecistis. Ob haec excusatos vos habe[rem si q]uid in exercitatione cessaset. Sed nihil aut cessavis[se videtur aut est nulla causa cur] vobis excusatione [aput me opus esset - - - ca. 25 - - -] vetis val[ - - - ca. 48 - - -]1129.

Diese allocutio, in der der Kaiser das tadellose Verhalten der pili trotz der im Raume stehenden, aus ihrem Dienst sich ergebenden Schwierigkeiten uneingeschränkt lobt, weist durchaus Parallelen zu den Ausführungen in Apk 2,9 auf; hier wird dem ἄγγελος τῆς ἐν Ζμύρνᾳ ἐκκλησίας ob seiner auch in erheblichen Beschwernissen durchgehaltenen Glaubenstreue und Standhaftigkeit ebenfalls uneingeschränktes Lob zuteil.

Daneben finden sich auch Passagen, in denen Einheiten und ihr Verhalten negativ bewertet, d.h. getadelt und Änderungen dieses Verhaltens angemahnt werden; ein Beispiel bietet hier die an eine unbekannte Auxiliareinheit1130 gerichtete allocutio:

 5

Laudo quod convertuit vos ad hanc exercita[tionem . . . . quae verae di]micationis imaginem accepit et sic exercet [vos - - - ca. 12 - - - ut lau]dare vos passim. Cornelianus praefectus ves[ter intre]pide [officio suo sa]tis fecit. Contrari discursus non placent mihi nec [div]o Tra[iano qui mihi] est auctor. E tecto transcurrat eques et pe[- - -. Si non] videt qua vadat aut, si voluerit, equum r[efr]ẹn[are nequit, non potest [qu]ịṇ sit obnoxius caliculis tectis ạ[ut fo]ss[is quas] ṇọṇ videt. S[i] [vul]tis congredi, debetis concurrẹ[re per me]dium campum. Ta[m][q]uam adversus hosti facienda [umquam sunt n]ulla quam caute1131.

1128. Zur Person des Legaten Q. Fabius Catullinus vgl. C. Wolff, Discours, 53–55. 1129. Text nach M.P. Speidel, Speeches, 8; „Catullinus, mein legatus, ist, was eure Sache betrifft, eifrig; wahrhaftig, alles, was von euch bei mir hätte als Entschuldigung vorgebracht werden können, hat er selbst mir zu euren Gunsten gesagt, daß eine Kohorte fehlt, weil eine solche, jedes Jahr eine andere, zum Dienst des proconsul gestellt wird, daß ihr vor zwei Jahren eine Kohorte und fünf Mann von jeder centuria an die dritte Legion abgegeben habt, daß ihr viele auseinanderliegende Stationen zu besetzen habt, daß ihr zu meinen Lebzeiten nicht nur zweimal das Lager gewechselt, sondern auch zweimal ein neues gebaut habt. Aus diesen Gründen entschuldigte ich euch, wäre in eurem Üben etwas zum Stillstand gekommen. Aber nichts scheint zum Stillstand gekommen zu sein; auch besteht kein Grund, warum ihr meinen Pardon nötig haben solltet“; Übersetzung nach M.P. Speidel, Speeches, 8 und A. Müller, Manöverkritik, 23–29. Vgl. zu dieser Übersetzung auch A.R. Birley, Hadrian, 74. 1130. A. Müller, Manöverkritik, 36 spricht im Blick auf diese Einheit von einem Reiterregiment, einer ala; vgl. hierzu auch die Rekonstruktion von M.P. Speidel, Speeches, 13. 1131. Text nach M.P. Speidel, Speeches, 13; „Ich lobe ihn, weil er euch auf diese Übung hingewiesen hat, welche das Ansehen eines wirklichen Kampfes gewann, und euch

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

383

Dieser Text lässt deutlich die Kritik des Hadrianus einerseits an der mit außerordentlich „kühle[n] Wort[en“]1132 beurteilten Manöverleistung des praefectus Cornelianus (Z. 3)1133, andererseits an derjenigen des angesprochenen Truppenteils (Z. 4f.) erkennen1134; zugleich wird sichtbar, dass der Kaiser jenen, um die entsprechenden Übungsziele erreichen und ggf. im Gefecht erfolgreich bestehen zu können, explizit ein anderes Verhalten nahelegt (Z. 5–10)1135. Diese beiden Topoi der Kritik des gegenwärtig wahrnehmbaren und der Forderung eines in Zukunft geänderten Verhaltens begegnen in den sieben Sendschreiben, wie o. aufgewiesen, in unterschiedlichen Zusammenhängen. In den allocutiones des Hadrianus fehlt allerdings das Momentum der Androhung von Sanktionen im Falle der Verweigerung gegenüber den eingeforderten Verhaltensänderungen, ein Sachverhalt, der sich jedoch angesichts der Tatsache, dass der Kaiser, anders als der Apokalyptiker bzw. der in den Episteln redende himmlische Christus, einer solchen Verweigerung nicht gewärtig sein musste und auch nicht gewärtig gewesen ist, zwanglos erklären lässt. Ebenso plausibel ist, dass der Imperator keine in der Zukunft Platz greifenden positiven Sanktionierungen eines den Dienst- und Exerziervorschriften entsprechenden Verhaltens in Aussicht stellen musste, da er ein solches als selbstverständlich voraussetzen musste und auch vorausgesetzt hat. Schließlich bieten die allocutiones des Hadrianus auch den Aspekt der Belohnung für im vergangenen Manöver erbrachte gute Leistungen;

so ausgebildet hat - - -, daß ich euch loben kann. Euer praefectus Cornelianus hat seine Schuldigkeit getan. Abreiten nach entgegengesetzten Richtungen hin gefällt mir nicht, genausowenig wie dem vergöttlichten Traianus, meinem Vorbild. Ein Reiter sollte aus gedeckter Stellung anreiten und - - -. Wenn er nicht sieht, wohin er reitet, oder er sein Pferd nicht zügeln kann, wenn er es will, so ist es nicht zu vermeiden, daß er auf verdeckte Hindernisse oder hingeworfene Fußangeln stößt. Wenn ihr attackieren wollt, müßt ihr geschlossen über die Mitte des Geländes reiten. Wer immer dem Feind gegenübersteht, darf sich nicht zu Sorglosigkeiten hinreißen lassen“; Übersetzung nach M.P. Speidel, Speeches, 13 und A. Müller, Manöverkritik, 36–40. 1132. A. Müller, Manöverkritik, 38. 1133. Vgl. hierzu auch J.-F. Berthet u.a., Discours, 98: „Pour M. Le Glay cependant, Hadrien blâme le préfet, parce qu’il a fait manœvrer la troupe en désordre et qu’il n’a pas suivi l’ordre prescrit pour les exercises. On comprend toutefois alors mal comment Hadrien peut louer les hommes pour leur démonstration, mais blâmer leur chef“. 1134. Vgl. hierzu J.-F. Berthet u.a., Discours, 98: „Ici, le contexte et l’utilisation de l’adjectif contrarius indiquent que le mot est pris dans un sens péjoratif: la course n’est pas bonne, parce qu’elle manque d’ordre“. 1135. Vgl. hierzu J.-F. Berthet u.a., Discours, 99: „Aprés avoir indiqué ce qu’il ne veut pas voir faire, l’empereur expose ce qu’il veut que l’on fasse“; im weiteren Verlauf ihrer Darstellung diskutieren Berthet u.a. dann die in der allocutio formulierten Details dieses geforderten geänderten Verhaltens.

384

DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN APK 2–3

im Rahmen seiner Ansprache an die ala I Pannoniorum vermag er zu formulieren:

5

10

III Idus Iulias. Ala I Pannoniorum Omnia per ordinem egistis. Campum d[e]cursionibus complestis, iaculati estis non ineleganter, hast[is usi q]ụạṃqụạṃ brevibus et duris; lanceas plures vestrum [scie]ṇṭer miserun[t]. Saluistis et hic agiliter et heri velociter. Si q[ui]t defuissset desid[e]rarem, si quis eminuisset, designarem. Tota exercitatione perae[q]ue placentis. Catullinus legatus meus vịṛ clarissimus in o[mni]bus quibus praeest parem suam curam exhib[uit]…. [prae]fectus vester sollicite videtur vobis attendere. Congia[i]um accipite. Viator, iam in Commagenorum campo saliete[s]1136.

Der Hinweis, dass der Kaiser hier den Angehörigen der ala I Pannoniorum für im Manöver erbrachte sehr gute Leistungen ein congiarium1137 (Z. 9) gewährt, lässt sich durchaus vergleichen mit den Ausführungen in Apk 3,10, denen zufolge der in diesem Sendschreiben redende Christus dem philadelphischen ‚Gemeindeengel‘ als Belohnung für seine Standfestigkeit und Glaubenstreue dessen Bewahrung in der bevorstehenden ὥρα τοῦ πειρασμοῦ verheißt. Insgesamt folgt aus der Diskussion der 128 n.Chr. gehaltenen allocutiones des Hadrianus vor in der Provinz Numidia stationierten Truppenteilen und deren argumentationslogischem Vergleich mit der jeweils rekonstruierten Urfassung der sieben Sendschreiben Apk 2f., dass letztere sich in ihrer ursprünglichen Form durchaus zwanglos als Visitationsberichte begreifen lassen, in denen das Verhalten der einzelnen ἄγγελοi τῆς ἐλλησίας analysiert und konstruktiv-kritisch bewertet worden ist. Diese ursprünglichen Visitationsberichte wurden dann zunächst mit dem Briefpräskript Apk 1,4–6 der Christusvision Apk 1 verknüpft und daran anschließend, im Zuge eines 1136. Text nach M.P. Speidel, Speeches, 14; „13. Juli. Vor der ala I Pannoniorum. Ihr vollzogt alles den Vorschriften entsprechend: Ihr fülltet das Übungsgelände vollständig mit Manövern, ihr warft die Speere nicht ohne Anmut, obwohl sie mit kurzen und harten Schäften versehen sind. Eine Anzahl von euch warf lanceae mit großer Fertigkeit. Euer Sprung auf die Pferde war heute lebhaft und gestern hurtig. Wäre etwas zu bemängeln, ich notierte es; stäche etwas hervor, ich erwähnte es. Ihr erfreutet während des gesamten Manövers. Mein legatus Catullinus, ein edler Mann, begleitete mit der gleichen Sorgfalt alle - - - für die er verantwortlich zeichnet. Euer praefectus - - - scheint euch gewissenhaft zu drillen. Nehmt eine Belohnung an. Viator, du wirst deine Sprungübungen auf dem Trainingsgelände der Commageni ausführen“; Übersetzung nach M.P. Speidel, Speeches, 14 und A.R. Birley, Hadrian, 74. 1137. Zum Begriff des congiarium vgl. J.-F. Berthet u.a., Discours, 91: „Dans le cas des Pannoniens, il s’agit évidemment d’une récompense pour un exercice particulièrement réussi, sur les mérites duquel Hadrien revient dans l’allocution aux cohortales commagéniens: précision de la conversion à droite et densité de la charge“.

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

385

Relecturevorganges, als an die Gesamtheit der Glieder der jeweiligen Gemeinde gerichtete Briefe akzentuiert, bevor der Apokalyptiker sie mit dem apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 zusammenfügte. Diese Integration veränderte den inhaltlichen Skopus der Sendschreiben: Sie wurden zu – positiv oder aber auch negativ wertenden – analytischen Beschreibungen der gegenwärtigen Glaubenstreue der einzelnen – dann – jeweils angeschriebenen Gemeinde, die angesichts des in Apk 4–22 entwickelten Zukunftsszenarios auf die Aufforderung abhoben, diese Glaubenstreue entweder zu bewahren oder aber neu zu erringen und dann durchzuhalten. Das aber heißt: Die Frage der Gattung der sieben Sendschreiben in ihrer gegenwärtigen Fassung lässt sich deshalb nicht zureichend beantworten, weil die sieben Sendschreiben in ihrer in Apk 2f. vorliegenden Form letztlich das Ergebnis dreier Bearbeitungsvorgänge darstellen. Die jeweils rekonstruierte Urfassung derselben lässt sich hingegen gänzlich zwanglos der Gattung des Inspektions- oder Visitationsberichts zuordnen; dies seinerseits stellt wiederum ein Argument dar, dass die in der vorliegenden Studie entwickelte These zur Dekonstruktion bzw. zur Rekonstruktion des (ursprünglichen) Textes der sieben Sendschreiben zu untermauern vermag. Die hier entwickelte Definition der (Rudimentär-)Sendschreiben als Inspektionsoder Visitationsberichte wird den überlieferten Texten weitaus besser gerecht als die anderen in der Sekundärliteratur vorgelegten Vorschläge zur Gattungsbestimmung. Das diese Texte inhaltlich bestimmende Momentum der analytischen, positiven und zugleich auch negativen Bewertung einzelner Aspekte des Verhaltens des einzelnen ἄγγελος τῶν ἐκκλησίων und der von diesem jeweils verantworteten Verhältnisse begegnet weder in den v.a. von F. Hahn, U.B. Müller und K. Berger im Rahmen ihrer formgeschichtlichen Analysen vorgeschlagenen prophetischen Sprachformen1138 noch in derjenigen eines imperialen Ediktes, die etwa von D.E. Aune erwogen wird1139.

III.11. DAS REDAKTIONSGESCHICHTLICHE MODELL DES WACHSTUMS DER TEXTEINHEIT APK 1,4–3,22 – EINE ÜBERSICHT Die folgende tabellarische Übersicht fasst die bis dato gewonnenen Ergebnisse zusammen und bietet einen Überblick über das in der vorliegenden Studie entwickelte Modell zum Wachstum der Texteinheit Apk 1,4–3,22:

1138. Vgl. hierzu ausführlich o. 41–47, 65–66. 1139. Vgl. hierzu o. 70–71.

Apk 1,4–8

(möglicherweise von Schülern des historischen Ἰωάννης erstellt; mögliche literarische Einführung der Figuren der ἄγγελοι τῶν ἐκκλησιῶν)

(mündliche [oder schriftliche] Verkündigung an individuelle Einzelgestalten; geht zumindest in weiten Teilen auf eine historische Figur mit Namen Ἰωάννης zurück) (4)

Ἰωάννης ταῖς ἑπτὰ ἐκκλησίαις ταῖς ἐν τῇ Ἀσίᾳ· χάρις ὑμῖν καὶ εἰρήνη ἀπὸ ὁ ὢν καὶ ὁ ἦν καὶ ὁ ἐρχόμενος καὶ ἀπὸ τῶν ἑπτὰ πνευμάτων ἃ ἐνώπιον τοῦ θρόνου αὐτοῦ (5) καὶ ἀπὸ Ἰησοῦ Χριστοῦ, ὁ μάρτυς, ὁ πιστός, ὁ πρωτότοκος τῶν νεκρῶν καὶ ὁ ἄρχων τῶν βασιλέων τῆς γῆς. Τῷ ἀγαπῶντι ἡμᾶς καὶ λύσαντι ἡμᾶς ἐκ τῶν ἁμαρτιῶν ἡμῶν ἐν τῷ αἵματι αὐτοῦ, (6) καὶ ἐποίησεν ἡμᾶς βασιλείαν, ἱερεῖς τῷ θεῷ καὶ πατρὶ αὐτοῦ, αὐτῷ ἡ δόξα καὶ τὸ κράτος εἰς τοὺς αἰῶνας [τῶν αἰώνων]· ἀμήν.

Grundschrift Apk 1,4–3,22*

Grundbestand

Ἰδοὺ ἔρχεται μετὰ τῶν νεφελῶν, καὶ ὄψεται αὐτὸν πᾶς ὀφθαλμὸς καὶ οἵτινες αὐτὸν ἐξεκέντησαν, καὶ κόψονται ἐπ᾽ αὐτὸν πᾶσαι αἱ φυλαὶ τῆς γῆς. ναί, ἀμήν. (7)

(Passagen in der 2. Person Plural, Identifizierung der ἄγγελοι mit den Gemeinden)

erste Relecture / Bearbeitung

Ἐγώ εἰμι τὸ ἄλφα καὶ τὸ ὦ, λέγει κύριος ὁ θεός, ὁ ὢν καὶ ὁ ἦν καὶ ὁ ἐρχόμενος, ὁ παντοκράτωρ. (8)

(Zusammenfügung mit dem apokalyptischen Hauptteil; geht auf den eigentlichen Apokalyptiker zurück)

zweite Relecture / Bearbeitung

386 DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN APK 2–3

Apk 1,9–20

Ἐγὼ Ἰωάννης, ὁ ἀδελφὸς ὑμῶν καὶ συγκοινωνὸς ἐν τῇ θλίψει καὶ βασιλείᾳ καὶ ὑπομονῇ ἐν Ἰησοῦ, ἐγενόμην ἐν τῇ νήσῳ τῇ καλουμένῃ Πάτμῳ διὰ τὸν λόγον τοῦ θεοῦ καὶ τὴν μαρτυρίαν Ἰησοῦ. (10) ἐγενόμην ἐν πνεύματι ἐν τῇ κυριακῇ ἡμέρᾳ καὶ ἤκουσα ὀπίσω μου φωνὴν μεγάλην ὡς σάλπιγγος

(12) Καὶ ἐπέστρεψα βλέπειν τὴν φωνὴν ἥτις ἐλάλει μετ᾽ ἐμοῦ, καὶ ἐπιστρέψας εἶδον ἑπτὰ λυχνίας χρυσᾶς (13) καὶ ἐν μέσῳ τῶν λυχνιῶν ὅμοιον υἱὸν ἀνθρώπου ἐνδεδυμένον ποδήρη καὶ περιεζωσμένον πρὸς τοῖς μαστοῖς ζώνην χρυσᾶν. (14) ἡ δὲ κεφαλὴ αὐτοῦ καὶ αἱ τρίχες λευκαὶ ὡς ἔριον λευκόν ὡς χιὼν καὶ οἱ ὀφθαλμοὶ αὐτοῦ ὡς φλὸξ πυρὸς (15) καὶ οἱ πόδες αὐτοῦ ὅμοιοι χαλκολιβάνῳ ὡς ἐν καμίνῳ πεπυρωμένης καὶ ἡ φωνὴ αὐτοῦ ὡς φωνὴ ὑδάτων πολλῶν, (16) καὶ ἔχων ἐν τῇ δεξιᾷ χειρὶ αὐτοῦ ἀστέρας ἑπτὰ καὶ ἐκ τοῦ στόματος αὐτοῦ ῥομφαία δίστο μος ὀξεῖα ἐκπορευομένη καὶ ἡ ὄψις αὐτοῦ ὡς ὁ ἥλιος φαίνει ἐν τῇ δυνάμει αὐτοῦ. (17) Καὶ ὅτε εἶδον αὐτόν, ἔπεσα

(9)

λεγούσης· ὃ βλέπεις γράψον εἰς βιβλίον καὶ πέμψον ταῖς ἑπτὰ ἐκκλησίαις, εἰς Ἔφεσον καὶ εἰς Σμύρναν καὶ εἰς Πέργαμον καὶ εἰς Θυάτειρα καὶ εἰς Σάρδεις καὶ εἰς Φιλαδέλφειαν καὶ εἰς Λαοδίκειαν. (11)

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

387

Apk 2,1–7

[Τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας γράψον. τάδε λέγει {ὁ κύριος} ...] (2) οἶδα τὰ ἔργα σου καὶ τὸν κόπον καὶ τὴν ὑπομονήν σου καὶ ὅτι οὐ δύνῃ βαςτάσαι κακούς, καὶ ἐπείρασας τοὺς λέγοντας ἑαυτοὺς

Grundbestand

(1) Τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας γράψον· Τάδε λέγει ὁ κρατῶν τοὺς ἑπτὰ ἀστέρας ἐν τῇ δεξιᾷ αὐτοῦ, ὁ περιπατῶν ἐν μέσῳ τῶν ἑπτὰ λυχνιῶν τῶν χρυσῶν·

(20*)

τὸ μυστήριον τῶν ἑπτὰ ἀστέρων οὓς εἶδες ἐπὶ τῆς δεξιᾶς μου ...· οἱ ἑπτὰ ἀστέρες ἄγγελοι τῶν ἑπτὰ ἐκκλησιῶν εἰσιν ...

πρὸς τοὺς πόδας αὐτοῦ ὡς νεκρός, καὶ ἔθηκεν τὴν δεξιὰν αὐτοῦ ἐπ᾽ ἐμὲ λέγων· μὴ φοβοῦ ἐγώ εἰμι ὁ πρῶτος καὶ ὁ ἔσχατος (18) καὶ ὁ ζῶν, καὶ ἐγενόμην νεκρὸς καὶ ἰδοὺ ζῶν εἰμι εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων καὶ ἔχω τὰς κλεῖς τοῦ θανάτου καὶ τοῦ ᾅδου.

Grundschrift Apk 1,4–3,22*

(20*) ... καὶ τὰς ἑπτὰ λυχνίας τὰς χρυσᾶς ... καὶ αἱ λυχνίαι αἱ ἑπτὰ ἑπτὰ ἐκκλησίαι εἰσίν.

erste Relecture / Bearbeitung

γράψον οὖν ἃ εἶδες καὶ ἃ εἰσὶν καὶ ἃ μέλλει γενέσθαι μετὰ ταῦτα. (19)

zweite Relecture / Bearbeitung

388 DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN APK 2–3

Apk 2,8–11

[... τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας γράψον· τάδε λέγει {ὁ κύριος} ...] (9) οἶδά σου τὴν θλῖψιν καὶ τὴν πτωχείαν, ἀλλὰ πλούσιος εἶ, καὶ τὴν βλασφημίαν ἐκ τῶν

(6) ἀλλὰ τοῦτο ἔχεις, ὅτι μισεῖς τὰ ἔργα τῶν Νικολαϊτῶν ἃ κἀγὼ μισῶ.

ἀποστόλους καὶ οὐκ εἰσὶν καὶ εὗρες αὐτοὺς ψευδεῖς, (3) καὶ ὑπομονὴν ἔχεις καὶ ἐβάστασας διὰ τὸ ὄνομά μου καὶ οὐ κεκοπίακες. (4) ἀλλὰ ἔχω κατὰ σοῦ ὅτι τὴν ἀγάπην σου τὴν πρώτην ἀφῆκες. (5a.bα) μνημόνευε οὖν πόθεν πέπτωκας καὶ μετανόησον καὶ τὰ πρῶτα ἔργα ποίησον· εἰ δὲ μή, ἔρχομαί σοι

Καὶ τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας γράψον· Τάδε λέγει ὁ πρῶτος καὶ ὁ ἔσχατος, ὃς ἐγένετο νεκρὸς καὶ ἔζησεν·

(8)

(5b) καὶ κινήσω τὴν λυχνίαν σου ἐκ τοῦ τόπου αὐτῆς, ἐὰν μὴ μετανοήσῃς.

Ὁ ἔχων οὖς ἀκουσάτω τί τὸ πνεῦμα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις. Τῷ νικῶντι δώσω αὐτῷ φαγεῖν ἐκ τοῦ ξύλου τῆς ζωῆς, ὅ ἐστιν ἐν τῷ παραδείσῳ τοῦ θεοῦ. (7)

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

389

Apk 2,12–17

[... τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν Περγάμῳ ἐκκλησίας γράψον· τάδε λέγει {ὁ κύριος} ...] (13a.b) οἶδα ποῦ κατοικεῖς, ὅπου ὁ θρόνος τοῦ σατανᾶ, καὶ κρατεῖς τὸ ὄνομά μου καὶ οὐκ ἠρνήσω τὴν πίστιν μου καὶ ἐν ταῖς ἡμέραις Ἀντιπᾶς ὁ μάρτυς μου ὁ πιστός μου[, ὃς ἀπεκτάνθη] ...

(10d)

γίνου πιστὸς ἄχρι θανάτου, καὶ δώσω σοι τὸν στέφανον τῆς ζωῆς.

λεγόντων Ἰουδαίους εἶναι ἑαυτοὺς καὶ οὐκ εἰσὶν ἀλλὰ συναγωγὴ τοῦ σατανᾶ. (10a) μηδὲν φοβοῦ ἃ μέλλεις πάσχειν

Grundbestand

Καὶ τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν Περγάμῳ ἐκκλησίας γράψον· Τάδε λέγει ὁ ἔχων τὴν ῥομφαίαν τὴν δίστομον τὴν ὀξεῖαν·

(12)

Grundschrift Apk 1,4–3,22*

(13d) παρ᾽ ὑμῖν, ὅπου ὁ σατανᾶς κατοικεῖ.

(10b.c) ἰδοὺ μέλλει βάλλειν ὁ διάβολος ἐξ ὑμῶν εἰς φυλακὴν ἵνα πειρασθῆτε καὶ ἕξετε θλῖψιν ἡμερῶν δέκα

erste Relecture / Bearbeitung

Ὁ ἔχων οὖς ἀκουσάτω τί τὸ πνεῦμα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις. Ὁ νικῶν οὐ μὴ ἀδικηθῇ ἐκ τοῦ θανάτου τοῦ δευτέρου. (11)

zweite Relecture / Bearbeitung

390 DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN APK 2–3

Apk 2,18–29

[... τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας γράψον· τάδε λέγει {ὁ κύριος} ...] (19) οἶδά σου τὰ ἔργα καὶ τὴν ἀγάπην καὶ τὴν πίστιν καὶ τὴν διακονίαν καὶ τὴν ὑπομονήν σου, καὶ τὰ ἔργα σου τὰ

(14) ἀλλ᾽ ἔχω κατὰ σοῦ ὀλίγα ὅτι ἔχεις ἐκεῖ κρατοῦντας τὴν διδαχὴν Βαλαάμ, ὃς ἐδίδασκεν τῷ Βαλὰκ βαλεῖν σκάνδαλον ἐνώπιον τῶν υἱῶν Ἰσραὴλ φαγεῖν εἰδωλόθυτα καὶ πορνεῦσαι. (15) οὕτως ἔχεις καὶ σὺ κρατοῦντας τὴν διδαχὴν [τῶν] Νικολαϊτῶν ὁμοίως. (16a.b.cα) μετανόησον οὖν· εἰ δὲ μή, ἔρχομαί σοι ταχύ

Καὶ τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας γράψον· Τάδε λέγει ὁ υἱὸς τοῦ θεοῦ, ὁ ἔχων τοὺς ὀφθαλμοὺς αὐτοῦ ὡς φλόγα πυρὸς καὶ οἱ πόδες αὐτοῦ ὅμοιοι χαλκολιβάνῳ·

(18)

καὶ πολεμήσω μετ᾽ αὐτῶν ἐν τῇ ῥομφαίᾳ τοῦ στόματός μου.

(16cβ)

Ὁ ἔχων οὖς ἀκουσάτω τί τὸ πνεῦμα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις. Τῷ νικῶντι δώσω αὐτῷ τοῦ μάννα τοῦ κεκρυμμένου καὶ δώσω αὐτῷ ψῆφον λευκήν, καὶ ἐπὶ τὴν ψῆφον ὄνομα καινὸν γεγραμμένον ὃ οὐδεὶς οἶδεν εἰ μὴ ὁ λαμβάνων. (17)

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

391

ἔσχατα πλείονα τῶν πρώτων. (20) ἀλλὰ ἔχω κατὰ σοῦ ὅτι ἀφεῖς τὴν γυναῖκα Ἰεζάβελ, ἡ λέγουσα ἑαυτὴν προφῆτιν καὶ διδάσκει καὶ πλανᾷ τοὺς ἐμοὺς δούλους πορνεῦσαι καὶ φαγεῖν εἰδωλόθυτα. (21) καὶ ἔδωκα αὐτῇ χρόνον ἵνα μετανοήσῃ, καὶ οὐ θέλει μετανοῆσαι ἐκ τῆς πορνείας αὐτῆς. (22) ἰδοὺ βάλλω αὐτὴν εἰς κλίνην καὶ τοὺς μοιχεύοντας μετ᾽ αὐτῆς εἰς θλῖψιν μεγάλην, ἐὰν μὴ μετανοήσωσιν ἐκ τῶν ἔργων αὐτῆς, (23a) καὶ τὰ τέκνα αὐτῆς ἀποκτενῶ ἐν θανάτῳ.

Grundbestand

Grundschrift Apk 1,4–3,22*

καὶ γνώσονται πᾶσαι αἱ ἐκκλησίαι ὅτι ἐγώ εἰμι ὁ ἐραυνῶν νεφροὺς καὶ καρδίας, καὶ δώσω ὑμῖν ἑκάστῳ κατὰ τὰ ἔργα ὑμῶν. (24) ὑμῖν δὲ λέγω τοῖς λοιποῖς τοῖς ἐν Θυατείροις, ὅσοι οὐκ ἔχουσιν τὴν διδαχὴν ταύτην, οἵτινες οὐκ ἔγνωσαν τὰ βαθέα τοῦ σατανᾶ ὡς λέγουσιν· οὐ βάλλω ἐφ᾽ ὑμᾶς ἄλλο βάρος, (25) πλὴν ὃ ἔχετε κρατήσατε ἄχρι[ς] οὗ ἂν ἥξω. (23b.c)

erste Relecture / Bearbeitung

(26) Καὶ ὁ νικῶν καὶ ὁ τηρῶν ἄχρι τέλους τὰ ἔργα μου, δώσω αὐτῷ ἐξουσίαν ἐπὶ τῶν ἐθνῶν (27) καὶ ποιμανεῖ αὐτοὺς ἐν ῥάβδῳ σιδηρᾷ

zweite Relecture / Bearbeitung

392 DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN APK 2–3

Apk 3,1–6

(4) ἀλλὰ ἔχεις ὀλίγα ὀνόματα ἐν Σάρδεσιν ἃ οὐκ ἐμόλυναν τὰ ἱμάτια αὐτῶν, καὶ περιπατήσουσιν μετ᾽ ἐμοῦ ἐν λευκοῖς, ὅτι ἄξιοί εἰσιν.

(2b.3a) οὐ γὰρ εὕρηκά σου τὰ ἔργα πεπληρωμένα ἐνώπιον τοῦ θεοῦ μου. μνημόνευε οὖν πῶς εἴληφας καὶ ἤκου σας καὶ τήρει καὶ μετανόησον.

[... τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας γράψον· τάδε λέγει {ὁ κύριος} ...] (1c) οἶδά σου τὰ ἔργα ὅτι ὄνομα ἔχεις ὅτι ζῇς, καὶ νεκρὸς εἶ.

ἐὰν οὖν μὴ γρηγορήσῃς, ἥξω ὡς κλέπτης, καὶ οὐ μὴ γνῷς ποίαν ὥραν ἥξω ἐπὶ σέ.

(3b)

(2a) γίνου γρηγορῶν καὶ στήρισον τὰ λοιπὰ ἃ ἔμελλον ἀποθανεῖν,

(1a.b) Καὶ τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας γράψον· Τάδε λέγει ὁ ἔχων τὰ ἑπτὰ πνεύματα τοῦ θεοῦ καὶ τοὺς ἑπτὰ ἀστέρας·

ὡς τὰ σκεύη τὰ κεραμικὰ συντρίβεται, (28) ὡς κἀγὼ εἴληφα παρὰ τοῦ πατρός μου, καὶ δώσω αὐτῷ τὸν ἀστέρα τὸν πρωϊνόν. (29) Ὁ ἔχων οὖς ἀκουσάτω τί τὸ πνεῦμα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις.

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

393

Apk 3,7–13 (geht auf einen Schüler oder Mitarbeiter des Ἰωάννης zurück)

(8d) ὅτι μικρὰν ἔχεις δύναμιν καὶ ἐτήρησάς μου τὸν λόγον καὶ οὐκ ἠρνήσω τὸ ὄνομά μου.

[... τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας γράψον· τάδε λέγει {ὁ κύριος} ...] (8a.) οἶδά σου τὰ ἔργα,

Grundbestand

ἰδοὺ διδῶ ἐκ τῆς συναγωγῆς τοῦ σατανᾶ τῶν λεγόντων ἑαυτοὺς Ἰουδαίους εἶναι, καὶ οὐκ εἰσὶν ἀλλὰ ψεύ

(9)

ἰδοὺ δέδωκα ἐνώπιόν σου θύραν ἠνεῳγμένην, ἣν οὐδεὶς δύναται κλεῖσαι αὐτήν,

(8b.c)

(7) Καὶ τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας γράψον· Τάδε λέγει ὁ ἅγιος, ὁ ἀληθινός, ὁ ἔχων τὴν κλεῖν Δαυίδ, ὁ ἀνοίγων καὶ οὐδεὶς κλείσει καὶ κλείων καὶ οὐδεὶς ἀνοίγει·

Grundschrift Apk 1,4–3,22*

erste Relecture / Bearbeitung (5)

Ὁ νικῶν οὕτως περιβαλεῖται ἐν ἱματίοις λευκοῖς καὶ οὐ μὴ ἐξαλείψω τὸ ὄνομα αὐτοῦ ἐκ τῆς βίβλου τῆς ζωῆς καὶ ὁμολογήσω τὸ ὄνομα αὐτοῦ ἐνώπιον τοῦ πατρός μου καὶ ἐνώπιον τῶν ἀγγέλων αὐτοῦ. (6) Ὁ ἔχων οὖς ἀκουσάτω τί τὸ πνεῦμα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις.

zweite Relecture / Bearbeitung

394 DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN APK 2–3

Apk 3,14–22

ὅτι ἐτήρησας τὸν λόγον τῆς ὑπομονῆς μου, κἀγώ σε τηρήσω ἐκ τῆς ὥρας τοῦ πειρασμοῦ τῆς μελλούσης ἔρχεσθαι ἐπὶ τῆς οἰκουμένης ὅλης πειράσαι τοὺς κατοικοῦντας ἐπὶ τῆς γῆς. (11) ἔρχομαι ταχύ· κράτει ὃ ἔχεις, ἵνα μηδεὶς λάβῃ τὸν στέφανόν σου.

[... τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας γράψον· τάδε λέγει {ὁ κύριος} ...] (15) οἶδά σου τὰ ἔργα ὅτι οὔτε ψυχρὸς εἶ οὔτε ζεστός. ὄφελον ψυχρὸς ἦς ἢ ζεστός. (16)

(10)

Καὶ τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας γράψον· Τάδε λέγει ὁ ἀμήν, ὁ μάρτυς ὁ πιστὸς καὶ ἀληθινός, ἡ ἀρχὴ τῆς κτίσεως τοῦ θεοῦ·

(14)

δονται. ἰδοὺ ποιήσω αὐτοὺς ἵνα ἥξουσιν καὶ προσκυνήσουσιν ἐνώπιον τῶν ποδῶν σου καὶ γνῶσιν ὅτι ἐγὼ ἠγάπησά σε.

Ὁ νικῶν ποιήσω αὐτὸν στῦλον ἐν τῷ ναῷ τοῦ θεοῦ μου καὶ ἔξω οὐ μὴ ἐξέλθῃ ἔτι καὶ γράψω ἐπ᾽ αὐτὸν τὸ ὄνομα τοῦ θεοῦ μου καὶ τὸ ὄνομα τῆς πόλεως τοῦ θεοῦ μου, τῆς καινῆς Ἰερουσαλὴμ ἡ καταβαίνουσα ἐκ τοῦ οὐρανοῦ ἀπὸ τοῦ θεοῦ μου, καὶ τὸ ὄνομά μου τὸ καινόν. (13) Ὁ ἔχων οὖς ἀκουσάτω τί τὸ πνεῦμα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις. (12)

LITERARISCHE VERHÄLTNISSE

395

οὕτως ὅτι χλιαρὸς εἶ καὶ οὔτε ζεστὸς οὔτε ψυχρός, μέλλω σε ἐμέσαι ἐκ τοῦ στόματός μου. (17) ὅτι λέγεις ὅτι πλούσιός εἰμι καὶ πεπλούτηκα καὶ οὐδὲν χρείαν ἔχω, καὶ οὐκ οἶδας ὅτι σὺ εἶ ὁ ταλαίπωρος καὶ ἐλεεινὸς καὶ πτωχὸς καὶ τυφλὸς καὶ γυμνός, (18) συμβουλεύω σοι ἀγοράσαι παρ᾽ ἐμοῦ χρυσίον πεπυρωμένον ἐκ πυρὸς ἵνα πλουτήσῃς, καὶ ἱμάτια λευκὰ ἵνα περιβάλῃ καὶ μὴ φανερωθῇ ἡ αἰσχύνη τῆς γυμνότητός σου, καὶ κολλ[ο] ύριον ἐγχρῖσαι τοὺς ὀφθαλμούς σου ἵνα βλέπῃς. (19) ἐγὼ ὅσους ἐὰν φιλῶ ἐλέγχω καὶ παιδεύω· ζήλευε οὖν καὶ μετανόησον.

Grundbestand

Grundschrift Apk 1,4–3,22*

Ἰδοὺ ἕστηκα ἐπὶ τὴν θύραν καὶ κρούω· ἐάν τις ἀκούσῃ τῆς φωνῆς μου καὶ ἀνοίξῃ τὴν θύραν, [καὶ] εἰσελεύσομαι πρὸς αὐτὸν καὶ δειπνήσω μετ᾽ αὐτοῦ καὶ αὐτὸς μετ᾽ ἐμοῦ. (20)

erste Relecture / Bearbeitung

(21) Ὁ νικῶν δώσω αὐτῷ καθίσαι μετ᾽ ἐμοῦ ἐν τῷ θρόνῳ μου, ὡς κἀγὼ ἐνίκησα καὶ ἐκάθισα μετὰ τοῦ πατρός μου ἐν τῷ θρόνῳ αὐτοῦ. (22) Ὁ ἔχων οὖς ἀκουσάτω τί τὸ πνεῦμα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις.

zweite Relecture / Bearbeitung

396 DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN APK 2–3

IV. DIE ZEITLICHE UND DIE LITERARISCHE RELATION DER TEXTEINHEIT APK 1,4–3,22 ZUM APOKALYPTISCHEN HAUPTTEIL APK 4–22

Das o. entwickelte redaktionsgeschichtliche Modell zur Entstehung der Texteinheit Apk 1,4–3,22 schließt im Blick auf die Frage nach der zeitlichen und der literarischen Relation derselben zum apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 einerseits die die Forschung bis dato dominierende Annahme, die beiden Hauptteile der neutestamentlichen Apk seien gleichzeitig und in einem Zug verfasst worden, aus, öffnet andererseits aber den argumentationslogischen Raum für zwei gegensätzliche Annahmen: (a) Denkbar ist auf der einen Seite, dass die (Rudimentär-)Sendschreiben, die am Beginn des o. nachgezeichneten Textwachstumsprozesses stehen, früher entstanden und somit älter sind als der apokalyptische Hauptteil. Der Apokalyptiker1 hätte sie bzw. die um eine erste Bearbeitung erweiterte Grundschrift Apk 1,4–3,22 vorgefunden und sie mit dem von ihm aktuell kreierten apokalyptischen Hauptteil verschmolzen. (b) Auf der anderen Seite lässt sich aber auch – zumindest bis zu dieser Stelle der Argumentation – nicht ausschließen, dass der apokalyptische Hauptteil Apk 4–22 zur Zeit der Abfassung der Grundschrift Apk 1,4–3,22* bereits existierte und der Apokalyptiker jene dann nachträglich – mit Hilfe der Einfügung der Weckrufe und der Überwindersprüche – mit diesem verknüpft habe. Diese auf dem Wege der literarkritischen Analyse gewonnene These, dass die beiden Hauptteile der Apk zu unterschiedlichen Zeiten entstanden sind, wird durch folgende Textbeobachtungen bestätigt: (a) Offensichtlich ist, dass einerseits diejenigen Gruppen und Personen, die in den sieben Sendschreiben aufgelistet und diskutiert werden, im apokalyptischen Hauptteil 1. Vgl. zur Person des Apokalyptikers bereits o. 3.

398

DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN APK 2–3

Apk 4–22 keinerlei Rolle mehr spielen, dass andererseits diejenigen Figuren, die die Ausführungen des apokalyptischen Hauptteils prägen, in Apk 2f. keinerlei Erwähnung finden. Lediglich die Gestalt des Christus und diejenige des δράκων als des himmlischen Antipoden Gottes2 begegnen sowohl in Apk 2f. als auch in Apk 4–22; auffällig ist jedoch, dass diese beiden Figuren in Apk 2f. und Apk 4–22 mit jeweils durchaus unterschiedlichen Titeln belegt werden: Kommt der Christusgestalt in Apk 2f. kein eigentlicher Titel zu, so wird die Darstellung Apk 4–22 von der in Apk 2f. nicht belegten ἀρνίον-Titulatur beherrscht; die Gestalt des himmlischen Antipoden Gottes firmiert in den Sendschreiben ausschließlich unter den Titeln σατανᾶς bzw. διάβολος, im apokalyptischen Hauptteil hingegen vornehmlich unter dem Titel δράκων. Der Apokalyptiker selbst identifiziert die Figur des σατανᾶς/διάβολος mit derjenigen des δράκων expressis verbis – erst – in Apk 12,9; 20,23. Ausweislich der Konkordanz4 ist der Begriff δράκων in der Apk im apokalyptischen Hauptteil über Apk 12,9; 20,2 hinaus insgesamt immerhin noch achtmal, in Apk 12,3.4.7.13.16; 13,2.4; 16,13 nämlich, belegt, innerhalb der sieben Sendschreiben jedoch nicht. Auf der anderen Seite bieten die sieben Sendschreiben die Termini σατανᾶς und διάβολος immerhin fünfmal bzw. einmal, während dieselben sich in dem weitaus umfangreicheren apokalyptischen Hauptteil über Apk 12,9; 20,2 hinaus nur noch in Apk 20,7 bzw. in Apk 12,12; 20,10, also in Apk 4–22 insgesamt lediglich drei- bzw. viermal, nachweisen lassen. Das aber heißt: Augenscheinlich greift der Apokalyptiker in Apk 2f. und in Apk 4–22 im Blick auf die Figur des himmlischen Antipoden Gottes und deren Titulatur auf zwei oder sogar mehrere unterschiedliche Traditionen zurück, die er in seinem Werk dann miteinander zu verknüpfen sucht. Angesichts dieses Befundes ist insbesondere zu fragen, warum der Apokalyptiker die erstmalig in Apk 12,9 und dann noch einmal in Apk 20,2 explizierte Verknüpfung des σατανᾶς- und des διάβολος-Titels mit der Figur des δράκων um der inneren Kohärenz seines Werkes willen nicht bereits in Apk 2f. zumindest angedeutet hat? Eine 2. Vgl. hierzu N. Walter, Art. δράκων, in: EWNT2 I, 855: „So zeigt die Offb im Bilde des Drachen den bei aller Macht und tyrannisch-verführerischer Grausamkeit letztlich doch ohnmächtigen Widersacher Gottes, …“; vgl. darüber hinaus auch U.B. Müller, Apk, 237: „Als Folge des Sieges verliert der Drache seinen Platz im Himmel …. Das setzt wohl voraus, daß er als der Satan im untersten Himmel seinen Ort hatte …. Mit Vers 9 wird sein Wesen näher charakterisiert. Der Verfasser identifiziert ihn als den Drachen, der als ‚die alte Schlange‘, die die ersten Menschen zur Sünde verführt hat …, als den Teufel und Satan. Diabolos = Teufel ist dabei griechische Übersetzung für ‚Satan‘, der nach a[lt]t[estament]l[ich].-jüdischer Vorstellung als himmlischer Ankläger der Menschen vor Gott wirkt …. … Während Vers 7–8 deutlich den Charakter überkommender Tradition haben, ist in Vers 9 das Interesse des Lesers zu spüren, die Drachengestalt für den Leser zu präzisieren“. 3. Vgl. hierzu etwa H. Giesen, Apk, 288: „Der Seher beschreibt das Wesen des Drachen näher, indem er ihn mit verschiedenen Namen versieht (vgl. 20,2). Er ist identisch mit der ‚alten Schlange‘, wie die Rabbinen den Teufel nennen. … Die alte Schlange trägt den Namen Teufel und Satan“. 4. Vgl. hierzu insgesamt W.F. Moulton/A.S. Geden, Concordance, 200f.229.888f.

DIE SENDSCHREIBEN UND DER APOKALYPTISCHE HAUPTTEIL

399

mögliche Erklärung läge in der Annahme, dass der Apokalyptiker Apk 2f. zu einem Zeitpunkt verfasst hat, zu dem er sich über den Inhalt von Apk 4–22 bzw. von Apk 12ff. noch nicht oder noch nicht vollständig im Klaren gewesen ist.

(b) Die spätestens ab Apk 12,17 die Darstellung der Apk prägende Thematik vom Kampf des δράκων/σατανᾶς5 und des ersten der beiden in Apk 13 auftretenden θηρία6, d.h. der Person des amtierenden, eng mit der Figur des δράκων/σατανᾶς verknüpften (Apk 13,4) römischen Kaisers7, gegen die Christen wird in den sieben Sendschreiben lediglich mittelbar, d.h. ausschließlich in den Überwindersprüchen8, angesprochen. Im Zusammenhang des an dieser Stelle Erwogenen ist der Hinweis nicht ohne Bedeutung, dass der Apokalyptiker mit dem in Apk 21,7 vorliegenden Überwinderspruch: ὁ νικῶν κληρονομήσει ταῦτα καὶ ἔσομαι αὐτῷ θεὸς καὶ αὐτὸς ἔσται μοι υἱός, explizit auf die Überwindersprüche in Apk 2f. rekurriert9 und in Apk 12–15, vor allem aber in Apk 19–22, zahlreiche in den Überwindersprüchen Apk 2f. entwickelte, die den νικῶντες zuteil werdenden Heilsgaben thematisierende Motive wieder aufnimmt10. Hingegen lassen die Corpora der sieben Sendschreiben, wiewohl sie selbst durchaus Szenarien einer endzeitlichen Ereignisfolge bzw. Vorstellungen 5. Die Ausführungen des Apokalyptikers in Apk 12,17 weisen explizit auf den Kampf des δράκων gegen die Christen hin: καὶ ὠργίσθη ὁ δράκων ἐπὶ τῇ γυναικὶ καὶ ἀπῆλθεν ποιῆσαι πόλεμον μετὰ τῶν λοιπῶν τοῦ σπέρματος αὐτῆς τῶν τηρούντων τὰς ἐντολὰς τοῦ θεοῦ καὶ ἐχόντων τὴν μαρτυρίαν; vgl. hierzu etwa C.R. Koester, Apk, 554: „Earlier, the woman’s offspring was the messianic child, but now her offspring includes the Christian community“. 6. Vgl. hierzu Apk 13,7: καὶ ἐδόθη αὐτῷ ποιῆσαι πόλεμον μετὰ τῶν ἁγίων καὶ νικῆσαι αὐτούς; vgl. hierzu U.B. Müller, Apk, 251: „Vers 7f. bringen die Zuspitzung der Wirksamkeit des Tieres. Der Verfasser sieht eine weltweite Christenverfolgung auf die Kirche zukommen. Denn das Tier erhält die Macht, mit den Heiligen Krieg zu führen“. 7. Vgl. hierzu U.B. Müller, Apk, 251: „Schon hier zeichnet sich die weitere Tendenz des Visionsberichts ab, das Tier als Verkörperung des Römischen Reiches mit einem seiner Herrscher zu identifizieren“. 8. Zum Aufbau der einzelnen Sendschreiben vgl. bereits o. 39–40. 9. Vgl. hierzu etwa U.B. Müller, Apk, 352: „Der Überwinderspruch in [Apk 21,] Vers 7 knüpft an die entsprechenden sieben Sprüche der Sendschreiben an und faßt deren Verheißungen im Blick auf das Leben in der neuen Welt zusammen“; vgl. zu diesem Zusammenhang auch A. Satake, Apk, 152. Dies gilt trotz des Hinweises von F. Hahn, Sendschreiben, 382, A. 86, dem zufolge der Vordersatz des Überwinderspruches Apk 21,7 „seinen konditionalen Charakter verloren hat und in einen Hauptsatz umgewandelt worden ist“; kritisch zu Hahn etwa J.-W. Taeger, Johannesapokalypse, 40, A. 46. 10. Vgl. hierzu m.R. M. Stowasser, Sendschreiben, 57: „Durch die verheißenen Siegesgaben werden die Überwindersprüche besonders mit dem Abschlussteil der Offenbarung (Offb 19–22) in inhaltlichen Zusammenhang gebracht, wo Gottes (und des Lammes) Triumph sichtbar werden. Die Erweiterung dieses Referenzsystems besonders auf den proleptischen Mittelteil in Kapitel 12–15, die das gesamte Endzeitdrama im Kleinen darstellen, ehe der abschließende dritte Plagenzyklus mit den sieben Schalen anhebt, zieht die siegreiche Perspektive verstärkt und motivierend in die Gegenwart der Lesenden hinein, spannt aber auch kompositionstechnisch ein dichteres Netz über das Buch“; zu einzelnen Bezügen zwischen den ‚Überwindersprüchen‘ und dem apokalyptischen Hauptteil vgl. ausführlich 56f.

400

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des endzeitlichen Reiches Gottes inhärieren11, einerseits keinerlei Bezugnahmen auf das den apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 prägende endzeitliche Szenario erkennen; auf der anderen Seite findet etwa das in Apk 2,10d vorliegende Konzept des σστεφανὸς τῆς ζωῆς12 – hier richtet der im Sendschreiben redende Christus an den ἄγγελος der smyrnäischen Gemeinde die Aufforderung, bis in den Tod treu zu sein; in diesem Falle werde er ihm, offensichtlich als vergeltende Belohnung, ein „Heilszeichen“13, den στεφανὸς τῆς ζωῆς nämlich, somit also das Leben selbst14, überreichen: γίνου πιστὸς ἄχρι θανάτου, καὶ δώσω σοι τὸν στέφανον τῆς ζωῆς15 – keinerlei Widerhall im apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22, auch nicht in Apk 19–22, den Kapiteln also, die sich ausführlich mit der Realisierung des endzeitlichen Heils beschäftigen.

In den – von den Überwindersprüchen schon allein sprachlich deutlich abgesetzten16 – Corpora der einzelnen Sendschreiben lassen sich hingegen – zumal dann, wenn die Annahme zugrundegelegt wird, die einzelnen Passagen der Apk werden sukzessive in der von ihrem Verfasser konstruierten Reihenfolge und im Gefolge des diesem Werk zugrundeliegenden Argumentationsduktus rezipiert – keinerlei explizite Hinweise auf einen Kampf der Christen gegen den δράκων/σατανᾶς und das (erste) θηρίον ausmachen17. In gleicher Weise findet sich keinerlei Indiz für eine – womöglich von einigen Gruppen innerhalb der einzelnen Gemeinden legitimierte oder gar forcierte – Partizipation der in der Apk angeschriebenen Christen an der kultisch-religiösen Verehrung des hinter der Figur des (ersten) θηρίον Apk 13,1–8.18 stehenden18 amtierenden römischen Regenten19. Auch etwaige, 11. Vgl. hierzu unmittelbar u. 12. Dass dieses Konzept auch in Apk 3,11 vorliegt, nimmt neben vielen anderen etwa auch I.T. Beckwith, Apk, 455 an. 13. J.-W. Taeger, Hell oder dunkel?, 140. 14. Vgl. hierzu etwa A. Satake, Apk, 162: „Die Verheißung verspricht den treuen Christen ‚den Kranz des Lebens‘. Er ist ein bildhafter Ausdruck für das Leben“. 15. Vgl. hierzu etwa H. Giesen, Apk, 110: „Wer bis zu seinem Tod Christus die Treue hält, erhält den Kranz, der Leben bedeutet“. 16. Vgl. hierzu ausführlicher o. passim; zumindest in Apk 2,7.11.17 grenzt darüber hinaus der dem jeweiligen Überwinderspruch vorgeschaltete Weckruf ersteren wahrnehmbar vom vorausgehenden Corpus des entsprechenden Sendschreibens ab, wird doch durch diese Vorschaltung der Überwinderspruch letzten Endes zu einer Rede des πνεῦμα; vgl. hierzu D.E. Aune, Apk I, 124, der Weckruf und Überwinderspruch als „closely related“ beschreibt. 17. Anders, aber ohne jeden Beleg, hier W. Bousset, Apk, 237: „…, aber die Sendschreiben spiegeln uns doch eine Lage der Gemeinden wieder, in der die Verfolgungen epidemisch zu werden drohen“. 18. Vgl. hierzu m.R. H. Giesen, Apk, 304: „Der Umstand, daß die Verwundung des einen Kopfes mit dem Geschick des Tieres identifiziert wird, läßt nicht nur an das Römische Reich, sondern an einen bestimmten Herrscher denken“. 19. Zu dieser Beobachtung bereits R.H. Charles, Apk I, 44: „Again, though this worldwide persecution was to arise in connection with the imperial cult of the Caesars as the rest of the Book clearly states, there is not a single reference to this cult in the Letters“. Im Blick

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an die Christen gerichtete unmittelbare Aufforderungen, sich der Partizipation an derselben zu verweigern, fehlen in diesen die konkreten Verhältnisse innerhalb der einzelnen Gemeinden beleuchtenden Passagen der Sendschreiben20. M.a.W.: Die Corpora der sieben Sendschreiben setzen offensichtlich eine andere Abfassungssituation voraus als der apokalyptische Hauptteil Apk 4–2221. Schon die den jeweiligen Überwinderspruch einleitende, in der dritten Person Singular formulierte partizipiale Wendung, die ein Abrücken von der innerhalb des jeweiligen Sendschreibens bis dato gepflegten Anrede in der zweiten Person Singular bzw. Plural signalisiert, lässt erkennen, dass jener jeweils „eine Verallgemeinerung …, bei der das der einzelnen Gemeinde Gesagte generell ausgeweitet wird“22 transportiert, insofern also als von dem eigentlichen Corpus des jeweiligen Sendschreibens

auf die Corpora der einzelnen Sendschreiben – aber eben auch nur im Blick auf diese – ist der Feststellung S. Friesens, Satan’s Throne, 356 (vgl. hierzu u. 404, A. 42), dass die exegetische Forschung häufig gerade auch diesem Sendschreiben eine „inappropriate importation of imperial cults“ inhäriert, nun durchaus zuzustimmen; vgl. darüber hinaus 366: „This means that there are no references to imperial cults anywhere in Rev. 2–3“. 20. Vgl. hierzu auch F. Tóth, Vision, 351: „Auch inhaltlich setzen die Sendschreiben [im Vergleich zum apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22] andere Akzente und theologische Schwerpunkte“; vgl. darüber hinaus noch pointierter und ausführlicher A. Satake, Apk, 60: „Zwischen den Sendschreiben und dem Visionenteil (4,1–22,5) lassen sich einige inhaltliche Differenzen ausmachen: Die Sendschreiben konzentrieren ihr Interesse auf die Situation der sieben Gemeinden, während im Visionenteil von diesen nicht einmal die Rede ist; vielmehr öffnet der Vf. hier seinen Blick, dem apokalyptischen Grundschema entsprechend, auf die universale Weltgeschichte. In den Sendschreiben kommen so Trostwort, Mahnung, Verheißung und Warnung an die Gemeinden wiederholt vor; solche direkten Anreden an sie findet man im Visionenteil nur vereinzelt und am Rande. In einigen Sendschreiben ist von Verfolgungen durch die Juden und dem Wirken von Irrlehrern in den Gemeinden die Rede – Themen, die im Visionenteil gar nicht behandelt werden. Umgekehrt tauchen Themen, die im Visionenteil wiederholt vorkommen (Zwang zum Kaiserkult, Verfolgung durch die römischen Macht und Plagen der ‚Erdenbewohner‘) in den Sendschreiben nicht auf“. Dem entspricht durchaus, dass A. Brent die allermeisten der von ihm innerhalb der sieben Sendschreiben wahrgenommenen Hinweise auf die kultisch-religiöse Kaiserverehrung innerhalb der Überwindersprüche nachweist; vgl. hierzu Imperial Cult, 178–190. 21. Vgl. hierzu auch H. Ulland, Vision, 163: „Die Offenbarung des Johannes – ein Buch des Trostes in schwerer Verfolgung? Der Ertrag der Auswertung der Sendschreiben konnte diese These nur sehr eingeschränkt bejahen. Trost wird zwar an einer Stelle gespendet, doch nicht in ‚großer Verfolgung‘, sondern in der geschilderten Konfliktsituation mit den ‚Pseudojuden‘, in der die Unsichtbarkeit der Liebesbeziehung zwischen Christus und philadelphischer Gemeinde zum Problem wird. In den Sendschreiben werden keine Verfolgungen berichtet. Vielmehr wird eine universale Versuchung angekündigt, die sich durch den Tod des Antipas möglicherweise zu ereignen beginnt. Im Kontrast dazu finden sich im Visionsteil von Apk 4–22 deutliche Aussagen zum Thema (Christen-)Verfolgung und Martyrium“. 22. U.B. Müller, Apk, 94; in diesem Sinne auch H. Giesen, Apk, 104 zu Apk 2,7. Wesentlich weiter als Müller geht an dieser Stelle J. Weiß; er stellt fest: „Besonders deutlich tritt … [der] Abstand des primären prophetischen vom sekundären literarischen Bewusstsein in den Refrains der 7 Briefe [d.h. den Überwindersprüchen] hervor“ (Apk, 36).

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inhaltlich separiert zu fassen ist23. Diese Beobachtung eröffnet – zunächst unabhängig von möglichen literarkritischen oder redaktionsgeschichtlichen Folgerungen – methodisch die Möglichkeit, die Corpora der einzelnen Sendschreiben unabhängig von den an diese anschließenden jeweiligen Überwindersprüchen zu analysieren.

Diesen Sachverhalt vermag eine Durchsicht der Corpora der einzelnen Sendschreiben durchaus zu belegen: (1) Das Corpus des Sendschreibens an den ἄγγελος τῆς ἐν Ἑφέσῳ ἐκκλησίας (Apk 2,2–6)24 berichtet über das Verhalten dieses ‚Gemeindeengels‘ gegenüber anderen Personen und Gruppen aus dem Bereich des Christentums selbst, reflektiert also letztlich innerchristliche Konflikte. Jeglicher Hinweis auf nicht- bzw. außerchristliche Personen, Gruppen oder Gestalten, die den ἄγγελος τῆς ἐν Ἑφέσῳ ἐκκλησίας bedrohten oder in seiner Existenz gefährdeten, fehlen vollständig. (2) Im Rahmen des Corpus des Sendschreibens an den ἄγγελος τῆς ἐν Σμύρνῃ ἐκκλησίας (Apk 2,9f.)25 begegnet zwar erstmalig in der Apk die Figur des σατανᾶς – im Rahmen der Charakterisierung der jüdischen Synagogengemeinde Smyrnas als συναγωγὴ τοῦ σατανᾶ26 –, ohne dass der Apokalyptiker diesen jedoch als Kombattanten der christlichen Gemeinde oder als eigentlichen Verursacher der hier angesprochenen βλασφημία einführte. Darüber hinaus wird zwar der διάβολος – und auffälligerweise hier nicht der σατανᾶς – lediglich einige27 aus der christlichen Gemeinde ins Gefängnis28 werfen29 23. Vgl. hierzu H. Ulland, Vision, 45: „Beide Teile, die Mahnung und die Verheißung an den Sieger, gehören zusammen und heben sich vom Kontext ab. Erstens, weil sie trotz unterschiedlicher Reihenfolge stets zusammen auftreten. Zweitens wird mit der unpersönlichen 3. Pers[on]. S[in]g[ular]. die Ebene der direkten Ansprache an den Engel der Gemeinden bzw. die Gemeinden selbst, die in der 2. Pers[on]. S[in]g[ular]. oder Pl[ural]. stehen, verlassen. Dies hält sich in beiden Teilen durch. Drittens wird der Kontext der direkten Bezugnahme auf die konkrete Gemeinde verlassen, indem das, was der Geist den Gemeinden (Pl[ural].!) sagt, der besonderen Aufmerksamkeit der Hörer anempfohlen wird“. 24. Vgl. zu diesem Sendschreiben ausführlich o. 116–176. 25. Vgl. zu diesem Sendschreiben ausführlich o. 176–195. 26. Zu den unterschiedlichen Möglichkeiten der Interpretation dieses Syntagma vgl. etwa A. Satake, Apk, 159 und D.E. Aune, Apk I, 164, dazu grundlegend A. Yarbro Collins, Vilification, 308–320. 27. Dass diese Maßnahme nur einige aus der Gemeinde, nicht aber die Gemeinde insgesamt betreffen wird, unterstreicht etwa C.R. Koester, Apk, 276: „Some but apparently not all of the Christians are threatened“; ähnlich auch bereits J. Wellhausen, Analyse, 8. 28. Immerhin auffällig ist, dass der Apokalyptiker, um diesen Sachverhalt zu beschreiben, hier die Wendung βάλλειν εἰς φυλακὴν benutzt, in Apk 13,9 hingegen von αἰχμαλωσία spricht und damit einen Begriff benutzt, der weniger im Sinne von „Strafhaft“, sondern eher – durchaus entsprechend der Verwendung des Begriffs πόλεμος – im Sinne von „Kriegsgefangenschaft“ zu verstehen ist; (vgl. hierzu etwa W. Bauer, Wörterbuch, s.v. αἰχμαλωσία, 51 und G. Schneider, Art. αἰχμαλωσία, in: EWNT2 I, 105). 29. Zu Sinn und Zweck dieses Gefängnisaufenthaltes vgl. D.E. Aune, Apk I, 166: „Here it appears that imprisonment, viewed as a period of testing, is primarily for the purpose of coercion“.

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(Apk 2,10b) – möglicherweise aufgrund von Denunziationen von Seiten der Juden30. Einem unmittelbaren, in der kultisch-religiösen Kaiserverehrung Gestalt gewinnenden und gegen die Gesamtheit der Gemeinde gerichteten πόλεμος zwischen dem δράκων/σατανᾶς und dem (ersten) θηρίον einer- und den smyrnäischen Christen andererseits, so wie dies die Ausführungen in Apk 12,17; 13,7 indizieren31, redet der Apokalyptiker in Apk 2,9f. aber gerade nicht das Wort32. Angesichts des Hinweises auf βλασφημία ἐκ τῶν λεγόντων Ἰουδαίους33 εἶναι ἑαυτοὺς καὶ οὐκ εἰσὶν ἀλλὰ συναγωγὴ τοῦ σατανᾶ (Apk 2,9b), die die Christen zu erleiden haben, ließe sich darüber hinaus durchaus die Annahme plausibilisieren, dass zur Zeit der Abfassung des Corpus des smyrnäischen Sendschreibens offenbar „nicht die Römer oder die Heiden, sondern die Juden“34 als „best gehaßte Feinde“35 der smyrnäischen Christen wahrgenommen würden36. Es muss mehr als fraglich bleiben, ob die vom Apokalyptiker in Apk 12,9; 20,2 vorgenommene Ineinssetzung der Figuren des δράκων, des σατανᾶς und des διάβολος auch schon für Apk 2,10b in Anschlag zu bringen ist. Einer solchen Annahme widerrät in jedem Falle, dass jener eine solche Identifizierung, zumindest eine solche der Figuren des σατανᾶς und des διάβολος, eben gerade nicht schon hier in Apk 2,10b, sondern erst in Apk 12,9 und dann wieder in Apk 20,2 formuliert37. Werden im Blick auf Apk 2,10b die Figuren des διάβολος und diejenige des σατανᾶς voneinander unterschieden – eine Sichtweise, zu der insbesondere derjenige gelangen muss, der die Apk in der ihr vom Apokalyptiker zugeeigneten Darstellungsgestalt und in dem ihr vom Apokalyptiker implantierten Argumentationsduktus zur Kenntnis nimmt –, so gewinnt die Annahme, hinter der Gestalt des διάβολος verberge sich unmittelbar eine kommunale oder provinziale, in jedem Falle aber eine politische bzw. administrative Autorität und eben nicht eine mythische oder himmlische Figur, 30. Vgl. hierzu etwa H. Giesen, Apk, 109: „Einige wird er ins Gefängnis werfen. Dabei wird er sich irdischer Helfershelfer bedienen: der Juden … oder genauer der röm.[ischen] Behörden infolge von jüd.[ischer] Denunziation“. 31. Vgl. hierzu o. 399–400. 32. So m.R. P. Prigent, Apk, 168: „We should note that what is meant is not a generalized persecution, but hostile measures which might well entail imprisonment in certain cases“; anders hier J. Cerfaux/J. Cambier, Apk, 32: „Une persécution plus violente va se déchaîner“. 33. Zu den verschiedenen Möglichkeiten der Interpretation des Begriffs Ἰουδαῖος vgl. D.E. Aune, Apk I, 164. 34. J. Wellhausen, Analyse, 8. 35. J. Wellhausen, Analyse, 8 mit Verweis auch auf Apk 3,9. 36. A. Brent möchte den den treuen smyrnäischen Christen verheißenen στέφανος τῆς ζωῆς (Apk 2,10c) mit der kultisch-religiösen Kaiserverehrung verknüpfen und insofern als Anspielung auf eben dieselben begreifen (vgl. Imperial Cult, 179f.). Die Belege, die Brent zugunsten dieser Annahme ins Feld führt, sind freilich wenig überzeugend. Mindestens genauso plausibel ist es, hier einen agonistischen Hintergrund anzunehmen; vgl. hierzu D.E. Aune, Apk I, 172–175) und 1Kor 9,24f.: Οὐκ οἴδατε ὅτι οἱ ἐν σταδίῳ τρέχοντες πάντες μὲν τρέχουσιν, εἷς δὲ λαμβάνει τὸ βραβεῖον; οὕτως τρέχετε ἵνα καταλάβητε. (25) πᾶς δὲ ὁ ἀγωνιζόμενος πάντα ἐγκρατεύεται, ἐκεῖνοι μὲν οὖν ἵνα φθαρτὸν στέφανον λάβωσιν, ἡμεῖς δὲ ἄφθαρτον. 37. Vgl. hierzu o. 398–399 und etwa auch A. Satake, Apk, 161, A. 45.

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durchaus an Plausibilität. In diesem Sinne votiert augenscheinlich etwa A. Satake dafür, die Figur des διάβολος hier mit der „Ortsbehörde“38 Smyrnas gleichzusetzen39. Wenn dies im Grundsatz zuträfe, wäre damit zugleich ein Argument für die Annahme gewonnen, zumindest die Corpora der sieben Sendschreiben seien zu einer anderen – nämlich früheren – Zeit entstanden als die übrige Apk.

(3) Im Corpus des Sendschreibens an den ἄγγελος τῆς ἐν Περγάμῳ ἐκκλησίας (Apk 2,13–16)40 führt der Apokalyptiker die Stadt zunächst als Wohnort des σατανᾶς41 ein, lässt jedoch auch hier mit keinem Wort erkennen, dass dieser gegen den pergamenischen ‚Gemeindeengel‘ oder die pergamenischen Christen zu Felde zöge42. Zwar wurde – und hier hebt der Apokalyptiker auf ein Ereignis der Vergangenheit ab – Ἀντιπᾶς in Pergamon als μάρτυς μου [d.h. des ἀρνίον Christus] ὁ πιστός μου getötet; dass aber etwa der σατανᾶς mit diesem Ereignis in unmittelbarem Zusammenhang stünde, wird eben gerade nicht expliziert (Apk 2,13)43. Über den Hinweis 38. Apk, 161; in diese Richtung scheint durchaus auch C.R. Koester, Apk, 276 zu tendieren. 39. Anders hier neben anderen etwa H. Giesen, Apk, 109 und U.B. Müller, Apk, 108. I.T. Beckwith, Apk, 454 versucht, die beiden Interpretationsmöglichkeiten miteinander zu verbinden; er führt zu Apk 2,10b aus: „The real author of the persecutions is Satan, working through his servants the Jews and the Romans“; ähnlich auch D.E. Aune, Apk I, 166. 40. Vgl. zu diesem Sendschreiben ausführlich o. 195–212. 41. U.B. Müller, Apk, 110 möchte den θρόνος τοῦ σατανᾶ mit dem θηρόνος des ersten der beiden Apk 13 auftretenden θηρία identifizieren; abgesehen davon, dass der Text der Apk selbst eine Identifikation dieser beiden Figuren nicht hergibt, muss Müller einräumen, „daß diese Deutung sich aus den Angaben von [Apk] 2,12–17 allein noch nicht zwingend ergibt; sie wird nur möglich im Zusammenhang mit der Betrachtung von Kap. 13“. Mit diesem letzten Satz hat Müller ein Grundproblem der Interpretation der Corpora der sieben Sendschreiben erkannt und zutreffend beschrieben; zu fragen ist aber doch, warum der Apokalyptiker nicht bereits in Apk 2f. so konkret und eindeutig formuliert, dass schon hier erkennbar wird, dass er diese beiden Kapitel vor dem Hintergrund des in Apk 12f. Dargestellten, d.h. im Kontext der kultisch-religiösen Kaiserverehrung, verstanden wissen möchte 42. Vgl. hierzu S. Friesen, Satan’s Throne, 365: „Thus, the death [des Ἀντιπᾶς] is an exaggerated example of the external hostilities that the Pergamene saints endured, and the throne of Satan reference simply means that Pergamum is a place where opposition to the church had become lethal in at least one instance“. Friesen hat im Grundsatz durchaus zutreffend gesehen, dass die Figur des σατανᾶς in Apk 2,13–16 nicht als aktiver Streiter gegen die christliche Kommunität Smyrnas dargestellt wird; ob aber seine Erwähnung lediglich figurativ im Sinne eines Hinweises auf die in Pergamon augenscheinlich beobachtbare besondere Zuspitzung der von außen gegen die örtliche christliche Gemeinde entwickelten Feindseligkeiten interpretiert werden darf, muss doch mehr als fraglich bleiben. 43. Vgl. hierzu etwa U.B. Müller, Apk, 111: „Es läßt sich nicht entscheiden, ob Antipas einem regulären Gerichtsverfahren zum Opfer fiel oder nur einem Ausbruch von Lynchjustiz einer aufgebrachten Volksmenge“, der im weiteren Verlauf mit Verweis u.a. auf H. Kraft aber formuliert: „Für das erstere könnte die erneute Erwähnung ‚wo der Satan wohnt‘ … sprechen …, weil diese Bemerkung eine kausale Nebenbedeutung gewinnt: Antipas hätte den Tod gefunden, ‚weil er das Opfer vor der Kaiserstatue verweigerte, wie wir das in dem bekannten Pliniusbiref im Einzelnen geschildert finden‘“ (111f.); zu fragen bleibt dann aber, warum der

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auf den Tod des Ἀντιπᾶς44 und das mit diesem verbundene Lob der Gemeinde hinaus übt der Apokalyptiker Kritik an innergemeindlichen Missständen und kritisiert eine Gruppe innerhalb der Gemeinde, die der διδαχὴ Βαλαάμ (Apk 2,14) folgt, schließlich einen Teil der Gemeinde, der sich ὁμοίως der διδαχὴ [τῶν] Νικολαϊτῶν verschrieben hat (Apk 2,15). Diese διδαχὴ Βαλαάμ45 – und in gleicher Weise offensichtlich die διδαχὴ [τῶν] Νικολαϊτῶν46 – scheinen das φαγεῖν εἰδωλόθυτα47 καὶ πορνεῦσαι48 wenn nicht zu propagieren, so doch zumindest theologisch zu rechtfertigen und damit grundsätzlich zu ermöglichen49. Wie diese Begriffe und Wendungen im Einzelnen zu interpretieren sein mögen, kann an dieser Stelle in letzter Konsequenz unberücksichtigt bleiben; entscheidend ist, dass der Apokalyptiker, wenn er mit Apk 2,13c auf die Ursache des Todes des Antipas rekurrieren wollte, hier dann nicht auch explizit kausal formuliert hat. Anders als Müller hier H. Zimmermann, Christus und die Kirche, 186, der Antipas als Opfer einer Verfolgung beschreibt, die „sich bereits ihr erstes blutiges Opfer geholt“ habe, anders ebenfalls A. Brent, Imperial Cult, 181, der den Tod des Ἀντιπᾶς aufgrund der Bemerkung des Apokalyptikers in Apk 2,13d: ὅπου ὁ σατανᾶς κατοικεῖ, als im Kontext der kultisch-religiösen Kaiserverehrung evoziert begreifen möchte: „Furthermore, the reference (Apoc. 2,13) to ‚Antipas my faithful martyr … where Satan dwells …‘ is indicative of persecution specifically in connection with that cult“ [d.h. der kultisch-religiösen Kaiserverehrung]“. Dieser unmittelbare Zusammenhang wird durch den Text selbst allerdings nicht indiziert; vgl. hierzu auch H. Lichtenberger, Apk, 96: „Wie Antipas zu Tode gekommen ist, ist nicht mehr sicher zu sagen“. 44. Zu Ἀντιπᾶς als einem jüdischen Namen vgl. D.E. Aune, Apk I, 184. 45. Zur Gestalt des Βαλαάμ vgl. etwa D.E. Aune, Apk I, 185f. 46. Vgl. zu dieser Gleichsetzung etwa U.B. Müller, Apk, 112: „Die Lehre der Nikolaiten … steht parallel zur ‚Lehre Bileams …; dabei ist der zweite Audruck mit Rücksicht auf die Gegenwart gewählt‘“. 47. Vgl. zu diesem Terminus etwa U.B. Müller, Apk, 112: „Das Essen von Götzenopferfleisch meint den Genuß von den Göttern geweihtem Fleisch, das anläßlich von Opferungen geschlachtet wurde, wobei man das, was bei den Opfern übrigblieb, auf dem Markt zum Verkauf anbot. Das Essen von Götzenopferfleisch könnte aber auch allgemeiner die unmittelbare Teilnahme an heidnischen Festen bedeuten, die eine Verbindung zum Götterkult hatten“; vgl. hierzu auch ausführlich D.E. Aune, Apk I, 186. 48. Vgl. hierzu wiederum U.B. Müller, Apk, 113: „Hier mag der Gang zur gewerbsmäßigen Dirne gemeint sein oder eine andere Form freizügigen Geschlechtsverkehrs. Man hat jedoch zu beachten, daß schon bei den a[lt]t[estament]l.[ichen] Propheten der Abfall des Volkes unter dem Bild der Hurerei erscheint“; noch deutlicher hier D.E. Aune, Apk I, 188: „In the OT, the idolatry of Israel is frequently condemned through the use of the metaphor of prostitution and sexual immorality“; vgl. zu dem letzten Gesichtspunkt auch A. Brent, Imperial Cult, 181. C.R Koester, Apk, 288f. sieht hier drei mögliche Bedeutungsebenen angesprochen, zunächst die sexuelle Freizügigkeit, dann den Götzendienst, schließlich, mit dem Topos des Götzendienstes durchaus zusammenhängend, ökonomische Zusammenhänge; zu letzterer führt er aus: „This dimension is probably operative here as well, since some followers of Jesus may have accommodated Greco-Roman religious practices in order to maintain business relationships with non-Christians“ (289). 49. In diesem Sinne U.B. Müller, Apk, 113: „Johannes muß beide Inhalte der gegnerischen Lehre, die Rechtfertigung des Essens von Götzenopferfleisch wie der ‚Unzucht‘, von seinen theologischen Voraussetzungen her ablehnen“.

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Apokalyptiker in den Ausführungen in Apk 2,13–16 an keiner Stelle auf einen etwaigen πόλεμος zwischen dem δράκων/σατανᾶς und dem (ersten) θηρίον auf der einen und den Christen Pergamons auf der anderen Seite, somit eben auch nicht, zumindest nicht explizit, auf die kultisch-religiöse Kaiserverehrung rekurriert50. (4) Auch das Corpus des Sendschreibens an den ἄγγελος τῆς ἐν Θυατείροις ἐκκλησίας (Apk 2,19–25)51 wird dominiert von der Diskussion und der Kritik innergemeindlicher Verhältnisse, ohne dass der Apokalyptiker, wiewohl er in Apk 2,24 auf die Gestalt des σατανᾶς zu sprechen kommt, eine etwaige ‚kriegerische‘, aus der Praxis der kultischreligiösen Kaiserverehrung und ihren Ansprüchen sich ergebende Auseinandersetzung zwischen jenem und den thyatirischen Christen auch nur anklingen ließe. Sehr kritisch geht der Apokalyptiker insbesondere mit der aus seiner Sicht offensichtlich selbsternannten προφῆτις Ἰεζάβελ ins Gericht, die, der διδαχὴ Βαλαάμ und der διδαχὴ [τῶν] Νικολαϊτῶν offensichtlich nicht unähnlich52, das πορνεῦσαι und das φαγεῖν εἰδωλόθυτα zumindest theologisch legitimiert, wenn nicht gar aktiv propagiert. Auf der anderen Seite lobt er diejenigen in Thyatira, die οὐκ ἔχουσιν τὴν διδαχὴν ταύτην, οἵτινες οὐκ ἔγνωσαν τὰ βαθέα τοῦ σατανᾶ ὡς λέγουσιν (Apk 2,24b); diesen soll nicht noch eine weitere Last auferlegt werden. Der Annahme, in dieser letzten Phrase eine Anspielung auf die kultisch-religiöse Kaiserverehrung zu erblicken53, widerrät zunächst, dass dann zu fragen wäre, woher die Rezipienten der Apk dies zu diesem Zeitpunkt denn wissen sollten, expliziert 50. C.R. Koester, Apk, 289 führt im Blick auf Apk 2,14 und die kritischen Äußerungen des Apokalyptikers an dieser Stelle aus: „In Revelation the critique includes traditional GrecoRoman religions and the imperial cult“; im Hinblick auf die Apk in ihrer Gesamtheit ist dieser Interpretation Koesters durchaus zuzustimmen (vgl. hierzu u. 409–410), in Apk 2,14 ist jedoch von der kultisch-religiösen Kaiserverehrung eben gerade nicht die Rede. 51. Vgl. zu diesem Sendschreiben ausführlich o. 212–239. 52. Vgl. hierzu etwa U.B. Müller, Apk, 118: „Während etwa Ephesus sich gegen die Prinzipien der Nikolaiten gewandt hat …, vertritt diese Frau ungehindert eine entsprechende Lehre in der Gemeinde: Sie verführt dazu, Unrecht zu treiben und Götzenopferfleisch zu essen …. Dabei kommt ihre Position einem Bedürfnis der Christen Thyatiras entgegen (ähnlich in Pergamon). Sie vermochte es, ein ethisches Verhalten christlich zu rechtfertigen, das im Einklang blieb mit den Sitten der heidnischen Gesellschaft in der Stadt“; ähnlich auch H. Giesen, Apk, 119: „Wir haben es also mit derselben Irrlehre zu tun“. 53. Zur Interpretation dieser Phrase in diesem Sinne vgl. neuestens C.R. Koester, Apk, 300f. und U.B. Müller, Tiefen des Satans, 465–478. Müller verficht hier die These, dass der Apokalyptiker die Prophetin Ἰεζάβελ, die er als eine derjenigen begreift, die von sich sagen, τὰ βαθέα τοῦ σατανᾶ erkannt zu haben, als jemanden darstellen wolle, die, wie auch die Figur des (zweiten) θηρίον (Apk 13,11–17), „die Menschen zum Götzendienst des Kaiserkultes“ (473) verführen wolle. In die Richtung Müllers denkt auch H. Giesen, Apk, 121, der im Blick auf Apk 2,24 insgesamt ausführt: „Den Christen, die sich nicht der Prophetin anschließen und sich nicht für die laxe Haltung gegenüber dem Götter- und Kaiserkult gewinnen lassen, legt Christus keine weitere Last auf als die, an dem festzuhalten, was sie haben“.

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der Apokalyptiker die Verbindung der Gestalt des δράκων/σατανᾶς zur Figur des (ersten) θηρίον als des Repräsentanten des imperium Romanum54 doch erst in Apk 12f., hier insbesondere in Apk 12,9 in Verbindung mit Apk 13,2b, was bedeutet, dass er diese Relation bei seinen Rezipienten offensichtlich nicht als bekannt voraussetzt. Darüber hinaus muss verwundern, dass diese Figur des (ersten) θηρίον, das Apk 13,2b zufolge als derjenige auftritt, der den πόλεμος gegen die Christen konkret führt (Apk 13,2b.7), in Apk 2,24 und im Corpus des Sendschreibens an den thyatirischen Gemeindeengel überhaupt gerade nicht in Erscheinung tritt. Schließlich ist von einem πόλεμος, den der Apk 2,24b erwähnte δράκων/σατανᾶς selbst gegen die Christen geführt hätte, an dieser Stelle ebenfalls nicht die Rede. (5) Innerhalb des Corpus des Sendschreibens an den ἄγγελος τῆς ἐν Σάρδεσιν ἐκκλησίας (Apk 3,1c–4)55 werden ausschließlich innergemeindliche Probleme diskutiert. Dass sich die Gemeinde in einem kriegsähnlichen Zustand befände und einen etwaigen πόλεμος gegen den δράκων/σατανᾶς und das (erste) θηρίον zu führen hätte, indizieren diese Ausführungen in keiner Weise. Vielmehr zeigt sich das Corpus dieses Sendschreibens beherrscht von dem Vorwurf der Unvollkommenheit der von den sardischen Christen in ihrer großen Mehrheit praktizierten ἔργα (Apk 3,2b), d.h., ihres „sittlichreligiöse.[n] Zustand[es]“56 in seiner Gesamtheit: οὐ γὰρ εὕρηκά σου τὰ ἔργα πεπληρωμένα ἐνώπιον τοῦ θεοῦ μου57. Nur einige wenige werden von dieser Kritik ausgenommen: ἀλλὰ ἔχεις ὀλίγα ὀνόματα ἐν Σάρδεσιν ἃ οὐκ ἐμόλυναν τὰ ἱμάτια αὐτῶν, καὶ περιπατήσουσιν μετ᾽ ἐμοῦ ἐν λευκοῖς, ὅτι ἄξιοί εἰσιν (Apk 3,4)58. In diesen Bemerkungen einen Hinweis auf die Partizipation 54. Vgl. hierzu U.B. Müller, Tiefen des Satans, 472. 55. Vgl. zu diesem Sendschreiben ausführlich o. 239–269. 56. H. Giesen, Apk, 127; Giesen führt insgesamt aus: „Daß die Werke, d.h. das Verhalten der Gemeinde, vor Gott nicht vollwertig sind, darf nicht quantitativ in dem Sinn verstanden werden, daß ihr nur etwas fehle …. Ihr sittlich-religiöser Zustand erfordert vielmehr eine radikale Umkehr, soll die einstmals geschenkte Heilsgabe nicht verlorengehen“. 57. U.B. Müller, Apk, 125 interpretiert diese Bemerkung unter Verweis auf die Ausführungen in Apk 3,4 als Hinweis auf „die Praktizierung sexueller Freizügigkeit“. 58. Bemerkenswert ist an dieser Stelle, dass U.B. Müller den auf das Corpus dieses ‚Sendschreibens‘ folgenden Überwinderspruch unter Verweis auf dessen Ausweitung ins Grundsätzliche explizit von diesem Corpus trennt: „Was Vers 4b wenigen in der Gemeinde ohne weitere Bedingung verheißt, das eröffnet der Überwinderspruch (Vers 5) als grundsätzliche Möglichkeit für jeden ‚Überwinder‘, der umkehrt“. Abgesehen davon, dass in diesem Überwinderspruch eine mögliche Umkehr nicht thematisiert wird, ist doch zu fragen, warum der Apokalyptiker diese in Apk 3,5 ausgesprochene Verheißung nicht unmittelbar in gesamtchristlicher Perspektive, sondern zunächst in derjenigen der Christen in Sardes formuliert. Eine zwanglose Erklärung ergäbe sich, würde angenommen, das Corpus dieses Sendschreibens habe bereits vor der Abfassung der Apk als Gesamtwerk existiert; vgl. zu diesem Erklärungsversuch ausführlich u. 262–268.

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sardischer Christen an der kultisch-religiösen Kaiserverehrung erblicken zu wollen, dehnt die Aussage des Textes unzulässig weit über seinen eigenen Skopus hinaus aus. (6) Ein ähnliches Bild zeigt die Analyse des Corpus des Sendschreibens an den ἄγγελος τῆς ἐν Φιλαδελφείᾳ ἐκκλησίας, (Apk 3, 8–11)59. Der Apokalyptiker spricht hier die Glaubenstreue der philadelphischen Christen an (Apk 3,8) und kommt explizit auf offensichtlich örtliche Auseinandersetzungen mit jüdischen Kreisen zu sprechen (Apk 3,9), nicht jedoch auf eine etwaige Auseinandersetzung zwischen dem δράκων/σατανᾶς bzw. dem (ersten) θηρίον einer- und den Christen Philadelphias andererseits, d.h. auf eine mögliche extensive Ausweitung der kultisch-religiösen Kaiserverehrung und auf aus dieser erwachsende Probleme und Bedrohungen, so, wie sie etwa in Apk 12f. in den Blick genommen werden. Die Ausführungen in Apk 3,10: ὅτι ἐτήρησας τὸν λόγον τῆς ὑπομονῆς μου, κἀγώ σε τηρήσω ἐκ τῆς ὥρας τοῦ πειρασμοῦ τῆς μελλούσης ἔρχεσθαι ἐπὶ τῆς οἰκουμένης ὅλης πειράσαι τοὺς κατοικοῦντας ἐπὶ τῆς γῆς, lassen sich gerade nicht auf einen solchen in Apk 12f. thematisierten πόλεμος beziehen, spricht hier der Apokalyptiker doch von einem – offensichtlich endzeitlich zu interpretierenden60 – universalen61 πειρασμός, der die οἰκουμένη ὅλη, nicht aber nur die Christen betreffen wird62. (7) Schließlich indiziert auch das Corpus des Sendschreibens an den ἄγγελος τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας (Apk 3,15–20)63 an keiner Stelle eine aktive und aktuelle Auseinandersetzung mit dem δράκων/σατανᾶς oder dem (ersten) θηρίον und daraus resultierende, den ‚Gemeindeengel‘ oder auch die Gemeinde in ihrer Gesamtheit bedrohende Entwicklungen64. Vielmehr scheint der Apokalyptiker sich mit 59. Vgl. zu diesem Sendschreiben ausführlich o. 269–290. 60. In diesem Sinne etwa U.B. Müller, Apk, 131 und auch C.R. Koester, Apk, 325, der formuliert: „apocalyptic writings envisioned such affliction before the furture victory of God“. 61. Darauf macht neben anderen C.R. Koester, Apk, 326 aufmerksam. 62. Insofern ist es nicht möglich, diesen πειρασμός näherhin als die „Epoche des Entscheidungskampfes zwischen Gott und Satan, die Zeit des Tieres …, die dem Anbruch der endgültigen Heilszeit vorausgeht“ (U.B. Müller, Apk, 131) zu interpretieren, da ein solchermaßen verstandener πειρασμός ja nur die Christen treffen würde; vgl. zu diesen Überlegungen auch H. Giesen, Apk, 134 mit Verweis auf W. Bousset: „Eine Schwierigkeit bereitet die Wendung ‚die Bewohner auf der Erde‘, insofern das NT ‚versuchen‘ und ‚Versuchung‘ sonst nur für Jesus und für Christen verwendet. Deshalb deutet W. Bousset ‚die Bewohner auf der Erde‘ hier auf die Christen …. Das aber ist höchst unwahrscheinlich“. 63. Vgl. zu diesem Sendschreiben ausführlich o. 290–312. 64. Anders hier etwa H. Giesen, Apk, 140: „Wahrscheinlich meint der Vf – wie in den zuvor angeschriebenen Gemeinden – die Kompromißbereitschaft gegenüber den heidnischen Kulten, vor allem gegenüber dem Kaiserkult“. Auf der Ebene der Apk als Gesamtwerk ist Giesens Einschätzung sicherlich zuzustimmen; auffällig ist aber, dass der Apokalyptiker an dieser Stelle auf die kultisch-religiöse Kaiserverehrung gerade nicht zu sprechen kommt, obwohl sie doch im apokalyptischen Hauptteil ‚das‘ entscheidende Thema darstellt.

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den Christen Laodiceas als solchen auseinanderzusetzen, die ihren finanziellen und materiellen Reichtum als Gradmesser für ihren Heilsstatus in Anschlag bringen und sich daher für solche halten, die sich auf dem richtigen soteriologischen Weg befinden (Apk 3,17a)65. Diese Gewissheit entlarvt der Apokalyptiker als eine Scheingewissheit (Apk 3,17b–19). Aus alledem folgt zusammenfassend: Während im apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 die ‚kriegerische‘ Auseinandersetzung der Christen mit dem δράκων/σατανᾶς und dem (ersten) θηρίον, d.h. die extensiv forcierte kultisch-religiöse Verehrung des amtierenden römischen Regenten und deren Gefahren für den soteriologischen Status der Christen die Diskussion bestimmen, ist in den Corpora der sieben Sendschreiben von dieser Auseinandersetzung nichts zu spüren: Weder bieten die Corpora der einzelnen Sendschreiben Hinweise auf ein zwischen dem δράκων/σατανᾶς und dem (ersten) θηρίον einer-, den Christen andererseits entbranntes, als πόλεμος zu definierendes Geschehen, noch Hinweise auf eine in den Gemeinden geforderte, diskutierte, womöglich von Teilen auch legitimierte und forcierte Partizipation an der kultisch-religiösen Verehrung des von der Figur des δράκων/σατανᾶς entsprechend bevollmächtigten amtierenden römischen Regenten66. Mögliche Beziehungen der in den Corpora vorfindlichen Ausführungen auf die kultisch-religiöse Kaiserverehrung ergeben sich erst dann, wenn diese in den Kontext der Apk als Gesamtwerk hineingestellt und auf dieser Ebene interpretiert werden. Zu erklären ist, warum der Apokalyptiker diese von ihm auf der Ebene der Apk als Gesamtwerk sicherlich intendierten Beziehungen nicht bereits in den Corpora der sieben Sendschreiben explizit benannt, sondern diese nur mittelbar in den ‚Überwindersprüchen‘ zum Ausdruck gebracht hat67. Die mit Abstand plausibelste Erklärung68 für diese hier formulierten und nachgewiesenen Textbeobachtungen besteht in 65. Vgl. hierzu H. Giesen, Apk, 141: „Die Gemeinde schätzt sich ganz anders ein als der erhöhte Christus. Sie ist mit sich selbst voll zufrieden und rühmt sich damit, mit geistlichem Besitz reichlich gesegnet zu sein.“. 66. Vgl. hierzu durchaus m.R. bereits F. Spitta, Apk, 45: „Schon die Bezeichnung ὁ νικῶν hat in den vorliegenden Zusammenhängen etwas Unvermitteltes, wie auch in einigen Parallelstellen des folgenden Buches. Nach [Apk] 12,11; 17,14; … kann es sich wohl nur um eine Besiegung der teuflischen Mächte handeln. Unter diesen oder einen ähnlichen Gesichtspunkt werden aber die in den Briefen eingeschärften sittlichen Aufgaben hier nie gestellt, selbst nicht in den Schreiben an die Gemeinden zu Smyrna und Pergamon, wo es so leicht gewesen wäre, diesen Gesichtspunkt hervorzuheben“. 67. Vgl. zu diesem letzten Gesichtspunkt bereits o. 402–409. 68. Zu einfach hier W. Bousset, Apk, 237: „Wenn endlich in den Briefen nicht – wie in den übrigen Teilen der Apokalypse – hervorgehoben wird, daß es sich bei den Verfolgungen um den Cäsarenkultus handle …, so mag es auf Zufall beruhen, daß der Apok.[alyptiker] hier von der allen bekannten Tatsache nicht ausdrücklich redet“.

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der Annahme, die Corpora der sieben Sendschreiben seien entstanden zu einer Zeit, in der der von dem δράκων/σατανᾶς und dem (erste) θηρίον initiierte πόλεμος gegen die Gesamtheit der in der Apk angeschriebenen Christen, der dieselben zumindest in den Augen des Apokalyptikers in den status confessionis führt, noch nicht oder aber nicht mehr aktuell gewesen ist69. Der im Anschluss an die These D.E. Aunes zu extrapolierende Annahme, die Corpora der sieben Sendschreiben – und damit natürlich auch diese selbst – seien in einer zweiten Auflage der Apk dem apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 nachträglich vorgeschaltet worden70, dass also der von den gottfeindlichen Mächten ausgerufene πόλεμος gegen die Gesamtheit der in der Apk angeschriebenen Christen zum Zeitpunkt der Abfassung der Corpora der sieben Sendschreiben bereits der Vergangenheit angehöre, widerrät nun allerdings, dass diese im Blick auf die Entstehung der Apk ein historisch nur schwerlich zu plausibilisierendes Szenario voraussetzte71. Zu rekonstruieren wäre nämlich Folgendes: Der Apokalyptiker habe mit dem von ihm in einer ersten, sicherlich auch unmittelbar veröffentlichten72 Auflage verfassten apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 auf eine Intensivierung der kultisch-religiösen Verehrung des amtierenden römischen Regenten reagiert und im Rahmen dieser Reaktion das baldige Ende der bestehenden Schöpfung und das Kommen der πόλις ἁγία Ἰερουσαλὴμ καινή (Apk 21,2) als einer neuen Schöpfung vorhergesagt. Nach der Veröffentlichung dieser Schrift müsse sich die Lage, zumindest aus der Sicht des Apokalyptikers, insgesamt dann jedoch wieder beruhigt haben – die Intensivierung der kultisch-religiösen Kaiserverehrung und die darauf reagierende Intensivierung der Erwartung des baldigen Wiederkommens des ἀρνίον Christus hätten sich wieder abgeschwächt –, so dass der Apokalyptiker sich nun mit aus seinem Blickwinkel drängenden innergemeindlichen bzw. innerchristlichen Problemen beschäftigte. Im Zuge dieser Beschäftigung habe er dann die Corpora der sieben Sendschreiben bzw. diese selbst – und dazu womöglich die Berufungsvision Apk 1 oder Teile derselben formuliert, dem apokalyptischen Hauptteil vorangestellt und so – in der heute vorliegenden Form – eine zweite Auflage seines Werkes kreiert; dieses Gesamtwerk habe er

69. Vgl. hierzu auch bereits J. Wellhausen, Analyse, 8: Die sieben Sendschreiben seien „an sieben besondere Gemeinden gerichtet, und die Situation derselben ist verschieden. Das stimmt nicht zu jener universalen Verfolgung, die vom Imperium ausging“. 70. Vgl. hierzu o. 17–21; an dieser Stelle, wenn auch in einem anderen forschungsgeschichtlichen Kontext, ebenfalls sehr kritisch W. Bousset, Apk, 242. 71. Vgl. hierzu bereits o. 373–374. 72. Dies setzen die von D.E. Aune und H. Kraft vorgelegten Vorschläge voraus; vgl. hierzu bereits o. 17–21.

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dann als eine zweite Auflage der gemeindlichen Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Anders als D.E. Aune und H. Kraft geht A. Satake davon aus, dass die erste, nur aus dem apokalyptischen Hauptteil bestehende Auflage der Apk noch vor ihrer Veröffentlichung um die sieben Sendschreiben ergänzt worden ist, wobei er allerdings einen nur sehr geringen zeitlichen Abstand zwischen der ersten und der zweiten Auflage der Apk annimmt73. Diese Annahme jedoch wirft die Frage auf, warum der Apokalyptiker darauf verzichtet haben sollte, das von ihm geschaffene, zunächst aus Apk 4–22 bestehende Werk unmittelbar nach dessen Fertigstellung zu veröffentlichen; diese Frage stellt sich insbesondere dann, wenn anzunehmen ist, dass apokalyptische Literatur immer einen Gegenwartsbezug impliziert und mit konkreten und aktuellen theologischen Intentionen verknüpft ist74. Diese Überlegung lässt zugleich auch das von D.E. Aune formulierte Urteil hinsichtlich des Prozesses der Entstehung der Apk und seiner zeitlichen Dimensionierung mehr als fraglich erscheinen; Aune formuliert: „For whatever reason, the literary structure of Revelation is more intricate than that of nearly every other ancient apocalypse. This structural complexity suggests that Revelation was not written over a period of a few days, weeks, or even months, but rather was the product of years of apocalyptic-prophetic proclamation, writing, and reflection, including the appropriation and adaptation of a variety of types and forms of earlier traditional material, both written and oral“75. Eine solche weitreichende zeitliche Dimensionierung lässt sich mit dem der neutestamentlichen Apk und der apokalyptischen Literatur insgesamt inhärenten expliziten Gegenwartsbezug und den von den Verfassern apokalyptischer Literatur mit ihren Werken jeweils verbundenen literarischen Intentionen kaum in Einklang bringen.

Dieses Szenario wirft allerdings gleich mehrere Fragen auf: (a) Warum sollte der Apokalyptiker die sieben Sendschreiben dem apokalyptischen Hauptteil vorgeschaltet und beide Teile gemeinsam in einer Schrift veröffentlicht haben, obwohl doch die in Apk 4–22 verhandelten Inhalte zu diesem Zeitpunkt offensichtlich bereits nicht mehr aktuell gewesen sind76? 73. Vgl. hierzu die entsprechenden Einlassungen von A. Satake o. 18; vgl. darüber hinaus auch u. 414–415. 74. Vgl. hierzu etwa M. Tilly, Apokalyptik, 52f.: „Die apokalyptische Literatur will nicht nur kommende Entwicklungen und Ereignisse prognostizieren, sondern auch und vor allem eine neue Perspektive auf die Welt erschließen. Die primäre textpragmatische Funktion gerade der zukunftsbezogenen Heils- und Unheilsvorstellungen in den – den Weltlauf deutenden und das erwartete Weltende enthüllenden – apokalyptischen Schriften besteht demnach in der Erklärung der Geschichte und in der Bewältigung der Gegenwart angesichts bestehender Probleme und Krisen“. 75. Apk I, xci, zustimmend aufgenommen von F. Tóth, Vision, 333: „Gerade aber diese literarische Komplexität lässt darauf schließen, dass hier mit großer Akribie und technischem Fleiß ein literarisches Kunstwerk über Jahre hinweg entstanden ist“. 76. Dieses Problem ergibt sich insbesondere dann, wenn im Gefolge von D.E. Aune oder auch H. Kraft ein signifikanter zeitlicher Abstand zwischen den beiden Auflagen der Apk angenommen wird; vgl. hierzu bereits o. 17–21. Diese Frage wird zurecht aufgeworfen von

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(b) Das o. skizzierte Szenario setzt die – letzten Endes doch außerordentlich unwahrscheinliche – Annahme voraus, dass der Apokalyptiker die zweite Auflage seiner Schrift veröffentlicht habe, obwohl ihm – und auch der Prophetengruppe um ihn herum77 – bewusst gewesen sein muss, dass die von ihm selbst im Rahmen des apokalyptischen Hauptteils Apk 4–22 plastisch ausgestalteten und vollmundig formulierten Vorhersagen des baldigen Endes der bestehenden Welt und des Kommens der Ἰερουσαλὴμ καινή sich eben gerade nicht realisiert haben. Diesem Problem lässt sich nur entgehen, wenn postuliert wird, der Apokalyptiker habe im Zuge der Erstellung der zweiten Auflage seiner Schrift, d.h. der im Neuen Testament vorliegenden Gesamt-Apk, den apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 eigenständig uminterpretiert und nun als auf eine in der ferneren Zukunft der angeschriebenen Gemeinden liegende Epoche bezogen verstanden wissen wollen, ein Postulat, das jedoch allenfalls theoretisch denkbar ist und sich am Text selbst nicht belegen lässt78. Dieses Postulat wird gänzlich unwahrscheinlich angesichts der Beobachtung, dass der Apokalyptiker etwa im Rahmen seiner Darstellung in Apk 4–22 durchaus in seiner Gegenwart Platz greifende Verhältnisse und Entwicklungen reflektiert, wie seine Ausführungen in Apk 13,18 belegen. Hier nämlich formuliert er: ὧδε ἡ σοφία ἐστίν. ὁ ἔχων νοῦν ψηφισάτω τὸν ἀριθμὸν τοῦ θηρίου, ἀριθμὸς γὰρ ἀνθρώπου ἐστίν, καὶ ὁ ἀριθμὸς αὐτοῦ ἑξακόσιοι ἑξήκοντα ἕξ. Unabhängig von der Frage, welche Gestalt sich hinter der hier verlautbarten Zahl ἑξακόσιοι ἑξήκοντα ἕξ verbirgt oder wie diese Zahl zu deuten ist79 – jenseits aller Unterschiede besteht in der exegetischen Forschung der Gegenwart weitgehend Konsens darüber, „that the number 666 in Rev 13:18 is a clear biblical example of gematria …, a form of coded wordplay in which the letters of the alphabet are assigned numerical values based on their position in the alphabet“80 –, nötigt allein schon die an die Rezipienten der Apk S. Friesen, Satan’s Throne, 368, A. 48: „…, nor does he [d.h. D.E. Aune] explain why the final editor would have preserved imperial cults as a prominent theme in the last half of Revelation if they were no longer important“. 77. Vgl. hierzu etwa U.B. Müller, Apk, 50 mit Verweis auf G. Kretschmar: „Richtiger wäre es, an einen ‚Kreis von Propheten‘ zu denken, dem ‚der Seher der Offenbarung angehörte, wenn nicht vorstand‘“. 78. Vgl. zu diesen Erwägungen auch O.K. Peters, Mandate, 14: „To suggest that the letters were written as an afterthought is to miss what appears to be the purpose and occasion for the writing of the visions of the Apocalypse. The visions were prompted by the historical situation of the churches to which John alludes in the letters“. 79. Zu den unterschiedlichen, in der Geschichte der Interpretation dieser Zahl erwogenen Deutungsvorschlägen und zu den mit diesen jeweils verknüpften Problemen vgl. ausführlich D.E. Aune, Apk II, 771–773, darüber hinaus T. Witulski, Johannesoffenbarung, 179–181. 80. D.E. Aune, Apk II, 771; als einer von wenigen anders hier H. Ulland, Vision, 311, der die Anwendung der Methode der Gematrie auf die Deutung der Zahl ἑξακόσιοι ἑξήκοντα ἕξ zunächst mit dem Hinweis darauf ablehnt, dass die für diese Methode notwendige Zuspitzung der Figur des ersten der beiden in Apk 13 auftretenden θηρία vom imperium Romanum

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gerichtete Aufforderung, dieselbe zu decodieren, zu der Annahme, dass die Gestalt des (ersten) θηρίον, die bzw. deren Name in diesem Zahlencode dargestellt ist, den Rezipienten der Apk zur Zeit der Abfassung jener bekannt gewesen ist, somit also zur Zeit der Abfassung der Apk in der römischen Provinz Asia bereits wirkmächtig in Erscheinung getreten ist81. Das aber heißt: Die in Apk 13 insgesamt reflektierten Ereignisse, Entwicklungen und Verhältnisse spielen sich in der Gegenwart der Abfassung der Apk ab, die Ausführungen in diesem Kapitel stellen somit ein vaticinium ex eventu dar82. Auch die Ausführungen des Apokalyptikers in Apk 13,10 – hier fordert er die Rezipienten seines Werkes zu Standfestigkeit und Glaubenstreue auf: εἴ τις εἰς αἰχμαλωσίαν, εἰς αἰχμαλωσίαν ὑπάγει· εἴ τις ἐν μαχαίρῃ ἀποκτανθῆναι in seiner Gesamtheit auf einen römischen Kaiser in Apk 13,3a.12 zwar vollzogen, in Apk 17 aber offensichtlich wieder zurückgenommen werde („Die in [Apk] 13,3a.12 vorliegende Synekdoche wird [in Apk 17] zugleich manifestiert und aufgesprengt“). Dieser Einwand trifft jedoch kaum zu, da sich die in Apk 17 auftretende Figur des (ersten) θηρίον durchgängig auf den einen römischen Regenten bezogen werden kann. Darüber hinaus weist Ulland auf den semantischen Gehalt des in Apk 13,18 verwendeten Verbums ψηφίζω hin, der im Blick auf die Zahl ἑξακόσιοι ἑξήκοντα ἕξ die Anwendung der gematrischen Methode verunmögliche. Solch weitreichende Konsequenzen lassen sich aus der Semantik des Verbums ψηφίζω jedoch kaum ziehen. Dass schließlich die zahlreichen auf der Basis der Zahl ἑξακόσιοι ἑξήκοντα ἕξ vorgenommenen Versuche einer gematrischen Auslegung zu gänzlich unterschiedlichen Ergebnissen geführt haben (vgl. zu den entsprechenden kritischen Bemerkungen Vision, 309), kann nicht geeignet sein, die Anwendung dieser Methode grundsätzlich zu diskreditieren. Die Erstrezipienten der Apk werden das in Apk 13,18 vorliegende Rätsel sicherlich in wünschenswerter Eindeutigkeit gelöst haben können; vgl. hierzu etwa T. Witulski, Johannesoffenbarung, 178–190. Der Vorschlag Ullands, die ebenfalls als Rätsel zu charakterisierenden Ausführungen in Apk 17,9ff. als „formale Lösung“ (Vision, 314; vgl. hierzu auch 312: „Der Text gibt also eine Lösung des Rätsels innerhalb seiner selbst, welche nicht die Auflösung des Rätsels als einen konkreten Namen beinhaltet, sondern an deren Stelle ein anderes Rätsel steht, denn wer der achte König und damit auch das Tier ist, wird nicht gesagt“) des Rätsels Apk 13,18 aufzufassen, scheitert an dem Sachverhalt, dass die Ausführungen in Apk 13,18 kaum im Sinne einer Aufforderung zu einem „Sprung vom νοῦς zur σοφία“ (Vision, 312) verstanden werden können – immerhin wird in Apk 13,18 weder implizit noch explizit zur Erlangung der Weisheit aufgefordert, wie Ulland jedoch interpretieren möchte –, der dann in Apk 17,9 vollzogen bzw. die dann in Apk 17,9 erlangt ist (vgl. hierzu Vision, 312). 81. Dies implizieren auch die Ausführungen von C.R. Koester, Apk, 605: „John continues to challenge his readers by means of a riddle, inviting those who have a mind to calculate the number of the beast, which is 666 …. A riddle challenges people to see something the way the author sees it. The person who poses the riddle is initially in the position of having superior knowledge. Those who take up the challenge seek to demonstrate that they are equally knowledgeable by solving the riddle …. The subject matter needs to be familiar enough for the hearer or reader to have a change of working out the solution [!], but the riddle maker poses the question in a manner that requires people to see the familiar in an unexpected way.“. 82. Vgl. zu diesem Sachverhalt ausführlich O. Böcher, Vaticinium ex eventu, 25f.; Böcher stellt fest: „Da die Christen nicht nur die Machenschaften des Teufels (Apk 12), sondern auch die blasphemischen Ansprüche des römischen Kaisers als des Antichrists (Apk 13,1–10) und die Macht der offiziellen Kaiserverehrung (Apk 13,11–18) mit trickreich ‚belebten‘ Kaiserstatuen (Apk 13,14s.) sowie mit Verfolgung und Ausgrenzung der sich dem Kaiserkult Verweigernden (Apk 13,15–17) selbst erlebt haben müssen, handelt es sich bei Apk 13 um Vaticinia ex eventu“.

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αὐτὸν ἐν μαχαίρῃ ἀποκτανθῆναι. Ὧδέ ἐστιν ἡ ὑπομονὴ καὶ ἡ πίστις τῶν ἁγίων – sprechen für diese Annahme; einerseits sind sie gerade nicht futurisch, sondern präsentisch formuliert, andererseits machen sie in ihrer Konkretheit doch letzten Endes nur Sinn, wenn anzunehmen ist, dass sie die Gegenwart der Erstrezipienten der Apk betreffen und nicht auf eine womöglich ferne Zukunft zu beziehen sind83. Die hier formulierte Kritik an der redaktionsgeschichtlichen Konstruktion D.E. Aunes wird bestätigt durch von R. Wonneberger formulierte redaktionstheoretische Überlegungen. Unter Rückgriff auf die Dissonanztheorie L. Festingers beschreibt Wonneberger als eine der grundlegenden Antriebskräfte für redaktionelle Arbeit84 die Erfahrung der Dissonanz etwa zwischen der prophetischen Verkündigung und dem tatsächlichen Geschichtsverlauf85. Wonneberger formuliert: „Verallgemeinert man die von Festinger beschriebene Situation der Sekte, so fällt es nicht allzu schwer, eine Verbindung zur Prophetie im Alten Testament herzustellen. Soweit dort konkrete Weissagungen gemacht werden, sind sie stets bedroht, durch einen anderen Verlauf der Geschichte Lügen gestraft zu werden. Sofern aber der Prophet eine Gemeinde um sich geschart hat, oder später in das kanonische Erbe der Gemeinde eingegangen ist, wird man seine Weissagungen unter keinen Umständen einfach fallen lassen, sondern nach anderen Wegen zur Verminderung der Widersprüche suchen“86. Im Rahmen der einen signifikanten Entstehungszeitraum der GesamtApk voraussetzenden redaktionsgeschichtlichen Modelle von D.E. Aune und F. Tóth87 hieße dies, bezogen auf den apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22: Es müssten sich innerhalb des apokalyptischen Hauptteils Spuren einer redaktionellen Arbeit nachweisen lassen, die im Zuge der Integration der sieben Sendschreiben und der Veröffentlichung der Gesamt-Apk eine nunmehrige, auf die nun neue Situation der Abfassung bezogene Neuinterpretation dieser Textpassage indizierten. Solche Überund Bearbeitungsspuren aber lassen sich offensichtlich gerade nicht nachweisen, eine Beobachtung, die deutlich gegen ein redaktionsgeschichtliches Modell der Entstehung bzw. des Wachstums der Apk, so wie es etwa von D.E. Aune und F. Tóth beschrieben wird, spricht, sich mit dem in der vorliegenden Studie vertretenen Modell88 aber durchaus in Einklang bringen lässt, denn dass sich solche Überarbeitungen gerade an den sieben Sendschreiben erkennen lassen, wurde o. nachgewiesen.

Wenn angesichts dieser Überlegungen die These, die Sendschreiben seien der im Wesentlichen aus dem apokalyptischen Hauptteil bestehenden Apk 83. Vgl. hierzu zutreffend W. Hadorn, Apk, 141: „Die Schilderung der Notzeit unterbrechend erfolgt ein herzlich ernster Zuruf an die bedrängte Gemeinde, mit welchem Joh nun auf die Gegenwart Bezug nimmt, um der Gemeinde Weisungen für ihr Verhalten zu geben“. Kaum nachvollziehbar will indes die Fortsetzung Hadorns scheinen: „Was im Vorangegangenen geschildert ist, ist noch zukünftig, insofern es der eschatologischen Endzeit angehört“; vgl. zur Unterscheidung zwischen ‚futurisch‘ und ‚eschatologisch‘ bereits o. 366–367. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen von H. Lichtenberger, Apk, 188, zu Apk 13,9: „Der Vers ist ein eschatologischer Weckruf. Das bisher Gesagte betrifft euch! Tua res agitur!“. 84. Vgl. hierzu Redaktion, 109. 85. Vgl. Redaktion, 109–112. 86. Redaktion, 111. 87. Vgl. hierzu bereits o. 17–21. 88. Vgl. hierzu u. 427–428.

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in einer späteren Stufe ihres Entstehungsprozesses beigefügt worden, aufrechterhalten werden soll, dann nötigen diese Fragen zumindest zu der Annahme, dass der Abstand zwischen einer ersten und einer anzunehmenden zweiten Auflage dieser Schrift nur ein sehr geringer gewesen sein kann89. Der Annahme eines solchen sehr geringen zeitlichen Abstandes steht aber der Sachverhalt entgegen, dass die mit dem Begriff πόλεμος zu charakterisierenden Verhältnisse, auf die der apokalyptische Hauptteil Apk 4–22 offensichtlich anspielt, in den Sendschreiben so gar keine Spuren mehr hinterlassen zu haben scheint90. Umgekehrt scheint jedoch die Annahme zwanglos plausibilisierbar zu sein, dass der von der historischen Gestalt des Ἰωάννης zu unterscheidende und für die Endfassung der Apk, so wie sie im Neuen Testament vorliegt, verantwortliche Apokalyptiker die um einen Relecturevorgang erweiterte und bereits vorliegende Grundschrift Apk 1,4–3,22* um den apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 ergänzt und so ein neues Werk geschaffen habe, das auf der Ebene der Rezeption in seiner Gesamtheit dann ebenfalls der Gestalt des Ἰωάννης zugeschrieben wird. Diese zweite bzw. dann dritte Auflage der Grundschrift Apk 1,4–3,22* ließe sich gänzlich ohne Schwierigkeiten als eine von eben dieser Gestalt des Ἰωάννης in seiner Vergangenheit bereits zusammengestellte Sammlung der im Kreise der Rezipienten bereits bekannten, von Ἰωάννης zu verantwortenden und auch mit Ἰωάννης verbundenen Grundschrift Apk 1,4–3,22* und dem für die Rezipienten dann neuen apokalyptischen Hauptteil denken und den Rezipienten in diesem Sinne dann auch ‚unterschieben‘.

Werden diese die Annahme einer im Verhältnis zum apokalyptischen Hauptteil zeitlich signifikant späteren Entstehung der sieben Sendschreiben letzten Endes verunmöglichenden Erwägungen nun mit dem o. hinsichtlich der unterschiedlichen situativen Verortung der Sendschreiben und des 89. In diesem Sinne dann durchaus m.R. A. Satake, Apk, 73: „Dass der V[er]f[asser]. die Sendschreiben und den Visionsteil als ein einheitliches Buch an die Gemeinden schickt, setzt voraus, dass er ihnen diesen bis dato noch nicht als eine selbständige Schrift (oder als einen Teil einer anderen Schrift) ausgehändigt hat; also ist der zeitliche Abstand beider ‚Auflagen‘ wohl nicht sehr groß“ (vgl. hierzu bereits o. 411). Dann aber fragt es sich, warum überhaupt ein zeitlicher Abstand postuliert werden muss und nicht vielmehr angenommen werden kann, dass die Sendschreiben von vornherein als integraler Bestandteil der Apk fungiert haben, eine Annahme, die jedoch aus literarkritischen bzw. redaktionsgeschichtlichen Gründen ausgeschlossen werden muss (vgl. hierzu o. 369–376). Einen weiteren, letzten Endes auch die von D.E. Aune vorgelegte redaktionsgeschichtliche Konzeption betreffenden Kritikpunkt formuliert J. Roloff, Apk, 21: „Auch die These, wonach das Buch in zwei Phasen entstanden sei, in der Weise, daß der Verfasser das zuerst niedergeschriebene Visionsbuch, das etwa von 4,1– 19,10 reichte, später um den Sendschreibenteil (1,4–3,22) sowie um die Schlußabschnitte (19,11–22,21) erweitert habe, kann angesichts der festen Verklammerung des zweiten Hauptteils mit dem ersten nicht überzeugen“; in ähnlichem Sinne auch U. Schnelle, Einleitung, 608f. Inwieweit dieses Argument Roloffs und Schnelles aber zu überzeugen vermag, muss jedoch fraglich bleiben. 90. Vgl. hierzu bereits o. 399–409.

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apokalyptischen Hauptteils Entwickelten in Verbindung gebracht, so ergibt sich im Blick auf die Frage nach dem literarischen Verhältnis des Textabschnittes Apk 2f. zu dem Textblock Apk 4–22 folgende These: Bei den Corpora der sieben Sendschreiben bzw. bei den diesen Corpora jeweils zugrundeliegenden ursprünglichen (Rudimentär-)Sendschreiben handelt es sich um Texte, die eine von dem Apokalyptiker zu unterscheidende Person bereits in der Zeit vor der Abfassung des apokalyptischen Hauptteils und der Apk insgesamt kreiert und womöglich auch schon schriftlich niedergelegt hat. Im Rahmen der Abfassung der neutestamentlichen Apk und der Einarbeitung jener in dieselbe wurden diese dann – nach zwei weiteren zuvor Platz gegriffen habenden Bearbeitungsgängen – letztmalig überarbeitet und um die von ihm im Zuge dieser literarischen Integration hinzugefügten Überwindersprüche ergänzt91; für diese letzte Überarbeitung zeichnete der Apokalyptiker92 verantwortlich. Grundsätzlich denkbar ist natürlich auch die Annahme, der Apokalyptiker habe die Corpora der einzelnen Sendschreiben zum Zeitpunkt der Abfassung bzw. Redaktion der Gesamt-Apk verfasst und dabei in diesen bewusst jegliche Anspielung auf einen πόλεμος der Christen gegen den δράκων/σατανᾶς und das (erste) θηρίον unterlassen, um das von ihm seinem Werk zugrundegelegte Konzept der internen relativen Temporalität93 durchhalten zu können. Dieser Annahme aber widerrät, dass dann kaum erklärbar wäre, warum der Apokalyptiker sowohl die Überwindersprüche als auch die Weckrufe syntaktisch nicht enger mit den entsprechenden Sendschreibencorpora verknüpft hat. Zudem stehen einer solchen Annahme etwa die Ausführungen in Apk 2,10d und 3,10f. entgegen, da die in ihnen zutage tretenden theologischen 91. Bei der hier vorgelegten These handelt es sich somit um eine Weiterentwicklung der insbesondere von J. Wellhausen, Analyse, 5 formulierten Annahme: „Was nun die sieben Briefe selber betrifft …, so sind sie älter als der Apokalyptiker. Er hat sie vorgefunden und mit Zusätzen versehen“ (vgl. hierzu bereits o. 12, A. 33). Im Unterschied zu der etwa von R.H. Charles vertretenen These (vgl. hierzu o. 12–17) wird in der vorliegenden Studie allerdings explizit und konsequent zwischen den Corpora der sieben Sendschreiben und den Überwindersprüchen unterschieden, eine Unterscheidung, die die Position derjenigen Exegeten, die aufgrund der durchaus engen motivischen Verbindungen zwischen den in Apk 2f. formulierten Überwindersprüchen und dem apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 die Annahme einer zeitgleichen Entstehung dieser beiden Textcorpora der Apk vertreten (vgl. hierzu o. 6–11), zu relativieren vermag. Etwas überraschend macht dann aber auch Charles im weiteren Verlauf seines Kommentars deutlich, dass er die Ausführungen in Apk 2,7b.17b.c.d.26–28; 3,5.12.21, somit also sämtliche Überwindersprüche, „probably“ für eine „editorial additon of our author“ (Apk I, 59) hält, ohne die mit dieser These zusammenhängenden redaktionsgeschichtlichen Probleme allerdings näher in den Blick zu nehmen. Mit R. Wonneberger, Redaktion, 93 wäre im vorliegenden Fall grundlegend von einer Adaptionsredaktion zu sprechen; eine Adaptionsredaktion geht nach Wonneberger „in der Regel von einer Vorlage aus. In ihr nimmt sie Erweiterungen und Veränderungen vor, die den Text an eine veränderte Zeit und veränderte Anschauungen anpassen“. 92. Vgl. zu diesem bereits o. 3. 93. Vgl. hierzu u. 418–423.

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Konzeptionen sich mit dem apokalyptischen Hauptteil und der in ihm propagierten theologischen Grundausrichtung nur schwerlich vereinbaren lassen94. Wie bereits o. vermutet95 beruft sich D.E. Aune für die von ihm verfochtene These, die sieben Sendschreiben Apk 2f. seien einer im Wesentlichen aus Apk 4–22 bestehenden ersten Auflage der Apk erst im Zuge der Erstellung einer ‚second edition‘ hinzugefügt worden, im Wesentlichen auf die Beobachtung, dass sich – ausweislich der entsprechenden Forschungsgeschichte – in Apk 2f. nur wenige Interpolationen oder Spuren späterer Überarbeitung nachweisen ließen96. Daraus ergibt sich für ihn: „On the basis of the principle enunciated above, the general absence of material in Rev 2–3 that lends itself to being considered interpolations suggests that this collection of seven proclamations was one of the last textual units to be added to the composition“97. Dieser Argumentation und der von Aune entsprechend gezogenen Konsequenz widerraten jedoch gleich mehrere Überlegungen: (a) Die von ihm formulierte Einschätzung, dass der Textabschnitt Apk 2f. weitestgehend frei von Interpolationen und redaktionellen Eingriffen sei, beruht weniger auf eigener Analyse als auf einer Durchsicht der bis dato in der exegetischen Literatur vorgelegten entsprechenden Forschungspositionen. Um diese Einschätzung weiter abzusichern, wäre in jedem Falle eine eigenständige Analyse der sieben Sendschreiben erforderlich98. (b) Zumindest eine Minderheit in der Forschung sieht immerhin die Überwindersprüche als nachträglich hinzugefügt an99, eine Einschätzung, die die von Aune postulierte weitgehende Interpolations- und Revisionsfreiheit der Sendschreiben explizit konterkariert. (c) Schließlich lässt sich mit diesem von Aune formulierten argumentum e silentio mit Notwendigkeit nur erweisen, dass derjenige, der für die Erstellung des Textes Apk 2f. verantwortlich zeichnet, eher eigenständig formuliert und weniger auf traditionelles Material zurückgegriffen hat. Redaktionsgeschichtliche Folgerungen lassen sich aus diesem argumentum e silentio hingegen kaum mit Notwendigkeit ableiten100; sehr wohl denkbar bleibt angesichts dessen ein Szenario, innerhalb dessen ein- und dieselbe Person die beiden Textblöcke Apk 2f. und Apk 4–22 zeitgleich kreiert, in Apk 2f. jedoch – weil er hier unmittelbar auf die Situation in den einzelnen Gemeinden zu sprechen kommt – nur sehr rudimentär traditionelle Texte, Motive und Vorstellungen verarbeitet hat. Ergänzend zu – von ihm allerdings nicht näher beschriebenen – Beobachtungen zu Sprachgebrauch und Sprachrhythmus möchte H. Kraft die im Verhältnis zu Apk 4–22 redaktionsgeschichtliche Sekundarität der Sendschreiben insbesondere mit dem Hinweis auf die in diesen erkennbare Zentralstellung Christi, die im apokalyptischen 94. Vgl. hierzu ausführlich u. 418–421 und u. 421–423. 95. Vgl. hierzu o. 17–21, 374–376. 96. Vgl. hierzu Apk I, cxxxii: „One of the striking features of the literary analysis of 2:1–3:22 is that very few scholars have suggested that this highly patterned textual unit exhibits interpolations or that it was revised by a later editor“. 97. Apk I, cxxxii. 98. Im Verlauf der vorliegenden Studie wurde diese Analyse durchgeführt, fokussiert allerdings auf die Frage nach dem literarischen Verhältnis der einzelnen Überwindersprüche zu den ihnen jeweils zugehörigen Corpora der einzelnen Sendschreiben; vgl. hierzu o. 116–312. 99. Vgl. hierzu u. 421, A. 116. 100. Vgl. zu diesem Gesichtspunkt bereits o. 374–376.

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Hauptteil in dieser Form nicht gegeben sei, begründen101. Der Verfasser der Sendschreiben habe „zwischen Vers 1,10 und Vers 1,19 einen ihm vorliegenden Zusammenhang aufgebrochen …, um die Beschreibung Christi in die Berufungsvision einzufügen“102, und damit eine nachgerade narrative Basis für die von ihm dann in Apk 2f. eingefügten Sendschreiben zu konstruieren. Der Argumentation Krafts stehen allerdings folgende Überlegungen entgegen: (a) Dass Christus auch im apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 eine zentrale Rolle zukommt, ist schon aufgrund der Ausführungen in Apk 4f. schlechterdings nicht zu bestreiten. (b) Die von Kraft angeführten Beobachtungen zur jeweiligen Darstellung der Person Christi reichen allerdings nicht zu, um mit Notwendigkeit zu erweisen, dass u.a. der Textblock Apk 2f. sekundär in eine bereits bestehende Apokalypse eingefügt worden ist. Vielmehr lassen sie durchaus Raum für das in dieser Studie favorisierte Modell einer zeitgleichen Entstehung von Apk 2f. und Apk 4–22 als ursprünglichen und integralen Bestandteilen der im Neuen Testament vorliegenden Apk; es bleibt denkbar, dass der Apokalyptiker jene – unter unterschiedlich umfangreichem Rückgriff auf unterschiedliches in der Tradition vorliegendes Material – in einem Zug abgefasst bzw. in der vorliegenden Form zusammengefügt hat. Die etwaigen in Apk 2f. und Apk 4–22 jeweils unterschiedlich akzentuierten Charakterisierungen der Person Christi verdankten sich dann zum einen unterschiedlichen Traditionen, zum anderen aber auch unterschiedlichen Intentionen des Apokalyptikers; in Apk 2f. geht es ihm vor allem darum, Christus als Herrn der Gemeinden und zuverlässigen Garanten der eschatologischen Verheißungen darzustellen, in Apk 4–22 möchte er jenen als die entscheidende Figur im Ablauf des von ihm geschauten endgeschichtlichen Szenarios präsentieren.

Auf die Frage nach den Gründen, die den Apokalyptiker dazu bewogen haben könnten, die Corpora der sieben Sendschreiben – nach einer die Hinzufügung der Überwindersprüche umfassenden redaktionellen Bearbeitung – mit dem apokalyptischen Hauptteil zusammenzufügen und zu einem literarischen Gesamtwerk zu verarbeiten, sind folgende (Teil-)Antworten denkbar: (a) Erzähltheoretisch: Indem der Apokalyptiker die Corpora der sieben Sendschreiben, erweitert um die Überwindersprüche103, mit dem apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 verknüpft, vermag er seiner Apk insgesamt eine temporale Tiefendimension zu verleihen: Mit Hilfe der die beiden Textblöcke im Rahmen der Dimension der Zeit miteinander 101. Vgl. hierzu bereits o. 17–21 und Apk, 50: „Die enge Verwandtschaft der Sendschreiben mit dem Hauptteil des Buches ist nicht zu leugnen; genausowenig läßt es sich aber bestreiten, daß sie sich auch unübersehbar davon unterscheiden, wie im Sprachgebrauch, im Sprachrhythmus und in der Bedeutung der Person Christi, die hier ganz im Mittelpunkt steht, sonst aber sehr zurücktritt. … Da die ersten Verse des Buches und der Buchschluß auf dieselbe Hand zurückgehen, sind auch sie dem Sendschreibenverfasser zuzuweisen; dafür spricht besonders der Umstand, daß auch in diesen Partien Christus klar die Zentralfigur ist“. Vgl. darüber hinaus etwa auch J. Massyngberde Ford, Apk, 55: „Rev 1–3 was added by a later writer who knew more details about Jesus Christ“. 102. Apk, 50. 103. Vgl. hierzu u. 421, A. 116.

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verbindenden Ausführungen in Apk 1,19b.c.d104 nämlich gelingt es ihm, das in den Corpora der sieben Sendschreiben Ausgeführte als relative, ihrerseits Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft umfassende Gegenwart zu deklarieren und somit den apokalyptischen Hauptteil als relative, ihrerseits Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft umfassende Zukunft erscheinen zu lassen. Auf der Grundlage dieser temporalen Tiefendimension ist es ihm zugleich möglich, die inhaltliche Glaubwürdigkeit und die argumentative Überzeugungskraft seines Werkes wenn nicht überhaupt erst zu begründen, so doch deutlich zu steigern. Die sieben Episteln stellen auf der Basis des in der vorliegenden Studie vertretenen redaktionsgeschichtlichen Modells doch – und dies ergibt sich, wenn angenommen wird, dass die Gestalt des Ἰωάννης als eine Figur aus einer früheren Zeit zu verstehen ist, in deren Namen der Apokalyptiker als ein in einer späteren, die Ereignisse des apokalyptischen Hauptteils Apk 4–22 reflektierenden Zeit lebender Autor schreibt, wenn die Apk also als eine pseudonym verfasste und in Hinsicht auf ihre Entstehung in eine fiktive Vorzeitigkeit verlegte Schrift gefasst wird105 – vom Zeitpunkt der tatsächlichen Abfassung der Apk aus betrachtet eine zeitlich frühere, bereits vergangene Phase der Geschichte der sieben in der Apk angeschriebenen Gemeinden dar, während der apokalyptische Hauptteil Apk 4–22 zumindest in wesentlichen Teilen auf die zur Zeit der Abfassung der Apk gegenwärtige Situation der angeschriebenen Gemeinden rekurriert106. In den Augen der in der Gegenwart des apokalyptischen Hauptteils lebenden Rezipienten der Apk erscheint jene aufgrund von Pseudonymität und fiktiver Vorzeitigkeit jedoch als ein in der Vergangenheit verfasstes Werk, das in Apk 2f. ihre eigene, mittlerweile vergangene Gegenwart und in Apk 4–22 ihre eigene, mittlerweile gegenwärtige Zukunft thematisiert107. Diese auf den Kategorien der Pseudonymität und der fiktiven 104. Vgl. hierzu o. 365–368. 105. Vgl. hierzu die Ausführungen zu Apk 17,8.10f. in T. Witulski, Johannesoffenbarung, 326–338; zur Pseudonymität als Stilmittel apokalyptischer Literatur vgl. auch P. Vielhauer, Geschichte, 488: „Der Apokalyptiker schreibt nicht unter seinem eigenen Namen, sondern unter dem Namen eines Großen der Vergangenheit …, weil er nicht selbst genügend Autorität hat. Mit der Pseudonymität ist die fiktive Vorzeitigkeit als Stilelement gegeben“. M. Tilly, Apokalyptik, 49, spricht in diesem Zusammenhang von der Pseudepigraphie, „d.h. … der literarische[n] Inanspruchnahme der idealen Autorität des großen Namens ihres angeblichen Verfassers“ als einer literarischen Eigenart apokalyptischer Literatur. 106. Zu Apk 13 als vaticinium ex eventu vgl. bereits o. 412–414; vgl. hierzu auch die Erwägungen zur internen relativen Temporalität innerhalb der Apk bei T. Witulski, Tempus, passim. 107. Diese erzähltheoretische Konstruktion übersieht etwa J.-W. Taeger, Gesiegt, 101, wenn er formuliert: „Die Sendschreiben sprechen die Situation in den Gemeinden zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Buches an“. Diese Erwägungen zu einer internen relativen Temporalität der Apk vermögen auch einen Ansatz für die immer wieder formulierte Beobachtung, „daß die

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Vorzeitigkeit basierende Konstruktion versetzt nun die Rezipienten in die Lage, die Glaubwürdigkeit der Ausführungen der Apk anhand ihrer eigenen, nun vergangenen Vergangenheit und ihrer eigenen, nun gegenwärtigen Gegenwart zu überprüfen. Am Ende dieser Überprüfung muss dann zwangsläufig die Einsicht stehen, dass die Apk ein außerordentlich glaubwürdiges – und demzufolge auch in hohem Maße beachtenswertes und v.a. in seinen ethischen Implikationen zu beachtendes – Werk darstellt, da in ihr der eigenen Erfahrung gänzlich entsprechende Verhältnisse und Entwicklungen thematisiert werden. Diese letzte Überlegung erlaubt nicht nur zwanglos, sondern fordert nachgerade sogar eine zeitliche, d.h. futurische Interpretation der Formel μετὰ ταῦτα Apk 1,19d; 4,1108 und eine temporale Interpretation der Ausführungen in Apk 1,19 insgesamt. Mit dem in Apk 1,19b.c.d Gesagten implementiert der Apokalyptiker seiner Apk insgesamt eine grundsätzliche, als ein zeitliches Nacheinander zu verstehende temporale Ordnung, wobei sich jedoch für die Rezipienten gegenüber ihm selbst die Perspektiven verschieben: Ihre eigene Gegenwart wird zu einer relativen Zukunft, ihre eigene Vergangenheit zu einer relativen Gegenwart. Diese hier vorgestellte Konzeption der internen relativen Temporalität der Apk grenzt sich von solchen Konzeptionen ab, die das in den sieben Sendschreiben Ausgeführte und das etwa in Apk 13 Dargestellte als in ein- und derselben zeitlichen Dimension, nämlich der Gegenwart der Rezipienten der Apk, sich vollziehendes Geschehen zu interpretieren suchen. So deutet etwa H. Ulland das in Apk 12f. Geschilderte als „Radikalisierung der Gegenwart“109, die der Apokalyptiker wiederum in den sieben Sendschreiben thematisiere; jener habe unter Verwendung des darstellerischen Mittels der „Unklarheit der zeitlichen Verortung der visionären Schilderung“110 u.a. in Apk 12f. Ereignisse aus der Geschichte des frühen Christentums „im Rahmen eines kosmischen Dramas als Fiktion geschildert“111 und „bestimmte Ereignisse und Strukturen aus seiner Gegenwart aufgegriffen und diese in bildhafte und radikalisierte Form gebracht“112, um damit „die Analysen, Wertungen und Aufforderungen der Sendschreiben“113 rechtfertigen zu können. bildhafte Darstellung des großen Visionsteils an vielen Punkten Phänomene der Vergangenheit bzw. der Gegenwart symbolisiert, die nur schwer ausschließlich zukünftig interpretierbar sind“ (H. Ulland, Vision, 16), zu bieten: Wenn der Apokalyptiker in Apk 4–22 zumindest in Teilen eine relativ zukünftige Gegenwart beschreibt, dann sind Ausführungen wie etwa diejenigen in Apk 13,9f.18 (vgl. zu Apk 13,18 bereits o. 412–414) als ethisch bzw. paränetisch motivierte rhetorische Durchbrechungen dieser internen relativen Temporalität der Apk vorstellbar. 108. Vgl. hierzu bereits o. 365–368. 109. Vision, 18. 110. Vision, 324. 111. Vision, 324. 112. Vision, 18. 113. Vision, 324.

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Der von Ulland vorgeschlagenen Konzeption widerraten jedoch, von einzelnen exegetischen Problemen einmal abgesehen114, die o. bereits diskutierten Ausführungen des Apokalyptikers in Apk 1,19; 4,1115, die die Annahme nahelegen, dass der Apokalyptiker in Apk 2f. einer- und Apk 4–22 andererseits zwei voneinander zu unterscheidende Zeiträume in den Blick nimmt.

(b) Argumentationslogisch: Werden die um die Überwindersprüche ergänzten Sendschreiben als mittlerweile vergangene Gegenwart dem apokalyptischen Hauptteil als der mittlerweile gegenwärtigen Zukunft vorangestellt, so gewinnen die Ausführungen in Apk 2f. im Blick auf diejenigen in Apk 4–22 einen präparativen Charakter. In ihnen bereitet der Apokalyptiker die Rezipienten seines Werkes auf die unmittelbar bevorstehende und letzten Endes als Zeit des πόλεμος der Figur des δράκων/σατανᾶς gegen die christlichen Gemeinden zu interpretierende Zeit der Intensivierung der kultisch-religiösen Verehrung des amtierenden römischen Regenten vor, indem er im Vorhinein bereits ausschließlich der – von ihm dieser Herausforderung gegenüber ethisch geforderten – Verweigerung der Partizipation an derselben eine soteriologische Perspektive zuweist116. Insofern verlagert sich 114. So versucht Ulland etwa, um seine These durchzuhalten, den Nachweis, dass sich die Darstellung in Apk 2f. durch eine auffällige „Offenheit der Formulierungen“ (Vision, 157) auszeichne, was es dem Apokalyptiker ermögliche, diese dann im apokalyptischen Hauptteil in seinem Sinne und auf der Basis der Schilderung eines fiktiven Geschehens zu interpretieren (vgl. hierzu Vision, 157: „Die in den Sendschreiben noch offenen Formulierungen werden vom Verfasser im Visionsteil der Apk 4–22 in seinem Sinne interpretiert“). Inwieweit das in Apk 2f. Ausgeführte aber tatsächlich mit dem Etikett einer zu weiterer Explikation nötigenden inhaltlichen Offenheit versehen werden kann, muss im Einzelfall jedoch mehr als fraglich bleiben. 115. Diese Stelle scheint von Ulland nur sehr rudimentär diskutiert worden zu sein; vgl. hierzu Vision, 16. 116. Vgl. hierzu grundsätzlich, wenn auch schon aufgrund einer anderen redaktionsgeschichtlichen Grundlegung letzten Endes dann doch anders akzentuiert, W. Popkes, Funktion, 105f.: „Welche Stellung und Funktion haben die Sendschreiben in diesem Buch? Als Arbeitsthese formulierten wir, daß eine hermeneutisch-präparatorische Funktion vorliege. Die These hat sich durch verschiedene Beobachtungen substantiiert und präzisiert. Die Sendschreiben wollen den Leser darauf vorbereiten, die folgenden Darlegungen richtig erfassen zu können; denn diese sind nicht ohne besondere Vorbereitung verständlich und zugänglich“. Die grundsätzliche Frage ist, ob die sieben Sendschreiben in ihrer Gesamtheit diese ihnen von Popkes zugeschriebene, v.a. an der Analyse der Verwendung des Weckrufes in Gleichnistexten gewonnene (vgl. hierzu 93f.) hermeneutisch-präparatorische Funktion im Blick auf den apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 inhaltlich überhaupt zu leisten in der Lage sind (vgl. hierzu die Kritik von A.-M. Enroth, Hearing Formula, 602); schließlich spielt in ihnen die als πόλεμος zu klassifizierende Auseinandersetzung zwischen dem δράκων/σατανᾶς und dem (ersten) θηρίον auf der einen und der christlichen Gemeinde auf der anderen Seite in ihnen doch kaum eine Rolle (vgl. hierzu ausführlich o. 400–409) – was also sollen sie zu einem tieferen Verstehen des apokalyptischen Hauptteils beitragen? Die in der vorliegenden Studie explizierte erzähltheoretische Funktion der sieben Sendschreiben in ihrer Gesamtheit in Kombination mit der Annahme eines präparativen Charakters vornehmlich – aber nicht nur – der

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der im Zuge der Überarbeitung der sieben Sendschreiben und ihrer Einfügung in die Gesamt-Apk der argumentationslogische Schwerpunkt derselben von den einzelnen, individuell ausgerichteten Corpora weg und – nicht nur, aber auch117 – hin zu den die Episteln jeweils beschließenden einzelnen Überwindersprüchen. Letzten Endes bilden somit die Überwindersprüche in Apk 2f. und derjenige in Apk 21,7 eine die Perspektive der in der Apk angeschriebenen christlichen Gemeinden in den Blick nehmende ethische bzw. soteriologische inclusio der gesamten Apk118. Dass der Apokalyptiker die zeitlich vor der Abfassung der Apk kreierten Corpora der sieben Sendschreiben verwendet hat und auch verwenden konnte, um sie in dieser hier skizzierten präparatorischen Absicht zu überarbeiten und in die Apk zu integrieren, hängt insbesondere mit dem Sachverhalt zusammen, dass sich die in Apk 4–22 problematisierte aktuelle Herausforderung einer intensivierten kultischreligiösen Kaiserverehrung gänzlich zwanglos als aktuell-theologische Zuspitzung der in den Sendschreiben Apk 2f. auf verschiedene Weise thematisierten und für die in der Apk angeschriebenen Christen grundsätzlich bestehenden Herausforderung der paganen Gottesverehrung im Allgemeinen begreifen lässt. D.h.: Die thematischen Schwerpunkte der Corpora der sieben Sendschreiben in ihrer ursprünglichen Gestalt eigneten sich gut für eine aktualisierende Bearbeitung in einer zwar neuen, im Grundsatz aber durchaus vergleichbaren Situation. Die Herausforderung der paganen Gottesverehrung wird in Apk 2f. insbesondere thematisiert durch die Begriffe φαγεῖν εἰδωλόθυτα und πορνεῦσαι (Apk 2,14.20)119 und auch μολύνειν τὰ ἱμάτια (Apk 3,4)120, an die gleichsam als Vehikel fungierenden Corpora derselben angehängten Überwindersprüche wird der o. aufgewiesenen exegetischen Differenz zwischen Apk 2f. und Apk 4–22 demgegenüber weitaus besser gerecht; zu dem mit den einzelnen Überwindersprüchen jeweils verbundenen Weckruf vgl. o. 149–174. 117. Als weitere Träger des – nun neuen – argumentationslogischen Schwerpunktes der Sendschreiben sind diejenigen Elemente auszumachen, die diesen im Zuge der Integration derselben in die Gesamt-Apk in gleicher Weise wie die Überwindersprüche hinzugegeben worden sind. 118. Vgl. hierzu J. Roloff, Apk, 50, der den Begriff νικάω als einen „zentrale[n] Leitbegriff der Apk“ definiert; ähnlich auch R. Leivestad, Christ, 212. Deutlicher hier noch M. Wilson, Victor Sayings, 174 in Aufnahme einer Formulierung von H.B. Swete: „A final victor saying resembling the victor sayings in Revelation 2 – 3 is found in … [Apk 21,6f.]. Swete calls this ‚an eighth promise that completes and in effect embraces the rest‘“. 119. Vgl. zu diesen Termini bereits ausführlich o. und darüber hinaus auch U.B. Müller, Apk, 97: „Was ist mit der Verführung zu Götzenopferfleisch-Essen und Unzucht konkret gemeint? Für den Verfasser bedeutet beides die Befleckung mit heidnischem Götzendienst. Götzenopferfleisch ist entweder das Fleisch, das bei heidnischen Kultmahlzeiten verzehrt wurde bzw. das Fleisch von Tieren, die den Göttern geopfert wurden, und deren übrigbleibende Teile danach zum Verkauf gelangten. Unzucht meint freizügigen Geschlechtsverkehr. Nach jüdischem Verständnis gilt sie als Folge oder Begleiterscheinung heidnischen Götzendienstes“. 120. Vgl. hierzu etwa G.K. Beale, Apk, 276: „Whereas the majority of the people in the church at Sardis had compromised by not bearing witness to their faith, there were still a few who had been faithful in the task. The fact that they had ‚not stained their garments,‘ as had

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in gleicher Weise auch durch die Bezeichnungen Νικολαΐτης (Apk 2,6.15), Βαλαάμ und Ἰεζάβελ als Benennungen für Vertreter einer durch diese beiden bzw. diese drei Begriffe geprägten, im Blick auf die Frage nach dem Verhältnis zur paganen Mehrheitsgesellschaft eher als integrativ zu charakterisierenden Ausrichtung der christlichen Theologie. M. Stowasser definiert neuestens als „textpragmatisches Ziel“ der sieben Sendschreiben, dass „die geplagten Leserinnen und Leser [realisieren] sollen …, dass ihre gegenwärtige Drangsal bereits von jener Zukunft umgriffen und erfasst ist, die der errungene Sieg des Lammes garantiert. Die literarische Dynamik des Schwenks in den Verknüpfungen der Botenformel hin zur positiven Zukunftsvision am Ende des Buches soll die Angeschriebenen existentiell erfassen, mitreißen und (weiter oder neu) motivieren“121. Aufgrund der in der vorliegenden Studie erarbeiteten Ergebnisse müsste demgegenüber genau andersherum formuliert werden: ‚Die Leserinnen und Leser sollen realisieren, dass ihre zukünftige Drangsal bereits von jener Gegenwart umgriffen und erfasst ist, die der errungene Sieg des Lammes garantiert‘122. Dieser gegenüber der Position Stowassers hier formulierten Akzentverschiebung entspricht, dass der Apokalyptiker im Rahmen seiner Gesamt-Apk in Apk 1,5f.123 eine explizit heilsindikativisch konnotierte und das Momentum des Präsentischen transportierende Konzeption von Eschatologie entwickelt hat. the rest, reveals that the manner in which most of the Sardian Christians were suppressing their witness was by assuming a low profile in idolatrous contexts of the pagan culture in which they had daily interaction. That a context of idolatry is in mind is apparent from the use of μολύνω …, which is used elsewhere of the threat of being ‚stained‘ with the pollution of idolatry: cf. 14:4 with 14:6–9, where ‚those not stained with women‘ is a metaphor of abstinence from sexual immorality, which most likely refers to believers’ separation from idolatrous involvement“; anders hier U.B. Müller, Apk 126: „Auf keinen Fall stellt die Nichtbefleckung der Kleider, die Johannes bei wenigen rühmt, nur einen symbolischen Ausdruck für die bewährte Glaubenstreue der Gemeinde dar“. H. Lichtenberger, Apk, 106, hält beide Interpretationsansätze für möglich. 121. Sendschreiben, 64. 122. Vgl. hierzu J.-W. Taeger, Gesiegt, 99f.: „Die skizzierte breitgefächerte Verwendung des Siegesmotivs in der Apk fußt also auf zwei Grundüberzeugungen: Christus hat in seinem Tode gesiegt, und der Glaubende, der sich auf dieses Heilsgeschehen einläßt, gewinnt Anteil an diesem Sieg, ist selbst zum Sieger geworden“. 123. Hier führt der Apokalyptiker aus: [Ἰησοῦς Χριστός] ὁ μάρτυς, ὁ πιστός, ὁ πρωτότοκος τῶν νεκρῶν καὶ ὁ ἄρχων τῶν βασιλέων τῆς γῆς. Τῷ ἀγαπῶντι ἡμᾶς καὶ λύσαντι ἡμᾶς ἐκ τῶν ἁμαρτιῶν ἡμῶν ἐν τῷ αἵματι αὐτοῦ, (6) καὶ ἐποίησεν ἡμᾶς βασιλείαν, ἱερεῖς τῷ θεῷ καὶ πατρὶ αὐτοῦ, αὐτῷ ἡ δόξα καὶ τὸ κράτος εἰς τοὺς αἰῶνας [τῶν αἰώνων]· ἀμήν, und schreibt damit einen sich in der Gegenwart bereits realisierenden Heilsindikativ fest: „Der Verfasser preist Christus wegen der durch ihn für die Gemeinde gewirkten Rettung. Alles Interesse liegt also darin, die Leser zu Beginn des Buches im Indikativ des schon erlangten Heiles festzumachen. Grundlegend ist die Liebe Christi, die auch in der Gegenwart der Gemeinde fortdauert (Präsens). Sie hat sich im Tod Christi gezeigt …, dessen Heilsbedeutung sich durch die Taufe in der geschehenen Vergebung der Sünden auswirkt. Die Rettung, die zu einem neuen Sein der Gläubigen führt, äußert sich weiter in der Einsetzung der von den Sünden Befreiten in neue Würden und Funktionen. Durch die Taufe hat Christus sie ‚zur Herrschaft bestellt, zu Priestern für seinen Gott und Vater‘“ (U.B. Müller, Apk, 75); vgl. hierzu etwa auch H. Giesen, Apk, 82: „Der Heilsindikativ, der zum Handeln befähigt, wird … gleich zu Beginn kräftig herausgestellt“.

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Aus alledem ergibt sich: Die These, dass die die Corpora der sieben Sendschreiben umfassenden Passagen aus Apk 2f. zeitlich signifikant vor der Abfassung der Apk, so wie sie heute im Neuen Testament vorliegt, von einer vom Apokalyptiker zu unterscheidenden Person – offensichtlich als eigenständige sprachliche Einheiten – geschaffen und womöglich auch schon verschriftlicht worden und im Zuge der Abfassung der Gesamt-Apk dann überarbeitet und in diese integriert worden sind, vermag eine Reihe von bis dato problematisch erscheinenden Textbeobachtungen und Textauffälligkeiten zwanglos zu erklären. Darüber hinaus lässt sie sich ebenso zwang- und problemlos historisch und literarisch plausibilisieren. Letzten Endes wird damit im Blick auf das Problem des Weges der Einbettung der sieben Sendschreiben in die neutestamentliche Apk ein Modell propagiert, das – in Hinsicht auf die literarische Technik der Konstruktion und Kreation von Text – durchaus strukturelle Ähnlichkeiten mit dem neuestens von F. Tóth entwickelten Konzept aufweist124. Während Tóth dem Apokalyptiker bescheinigt, bei der Erstellung von Apk 4–22 durchaus umfangreich auf traditionelles und geprägtes Material zurückgegriffen zu haben, die sieben Sendschreiben Apk 2f. jedoch als von jenem weitestgehend eigenständig formuliert definieren möchte – bzw. sich zu dieser Frage eigentlich nur sehr unbestimmt äußert –, wird in der vorliegenden Studie im Ergebnis die These vertreten, dass der Apokalyptiker in beiden Textblöcken, sowohl in Apk 2f. als auch in Apk 4–22, in erheblichem Maße traditionelles Material verarbeitet habe, wird die von Tóth lediglich für den apokalyptischen Hauptteil in den Blick genommene literarische Technik der Textkonstruktion und -genese somit zugleich auch für die Sendschreiben in Anschlag gebracht125. Das in dieser Studie 124. Vgl. hierzu o. 17–21. 125. Das in dieser Studie – natürlich nur im Blick auf die sieben Sendschreiben – entwickelte redaktionsgeschichtliche Modell nimmt darüber hinaus der bereits von W. Bousset formulierten Kritik an einer Konzeption, innerhalb derer die Sendschreiben zu den jüngsten Stücken der Apk gerechnet werden, die Spitze: „Die meisten Kritiker sehen … in diesen Briefen den spätesten Bestandteil der Apk. Dieser Ansicht haftet nun eine unlösliche Schwierigkeit an. Gewöhnlich nämlich identifiziert man dann den Schreiber der ersten Kapitel mit dem letzten Redaktor oder Überarbeiter, dessen Arbeit man sich sonst möglichst mechanisch und nichtssagend vorzustellen pflegt. Und dann bleibt eben die Frage offen: Wie kommt es, daß der geistesmächtige Schriftsteller, der Kap[itel]. 1–3 schreiben konnte, sich nachher damit begnügte, Quellen zu kompilieren …, oder in eine schon vorhandene Apk dürftige Zusätze einzuarbeiten …“ (Apk, 242)? Auch wenn diejenigen Forscher, die in der Gegenwart im Blick auf die redaktionsgeschichtliche Verortung der sieben Sendschreiben ein an die Vorschläge von D.E. Aune oder F. Tóth angelehntes Modell vertreten, die Arbeit des Verfassers von Apk 4–22 keinesfalls mehr als „möglichst mechanisch und nichtssagend“ charakterisieren (vgl. hierzu o. 17–21), so bleibt von der von W. Bousset formulierten Kritik doch die Frage übrig, warum der Apokalyptiker in Apk 4–22 eine so deutlich andere schriftstellerische Technik verwendet haben soll als in Apk 2f. Mit dem in der vorliegenden Studie vertretenen redaktionsgeschichtlichen Modell lässt sich diese Frage zwanglos beantworten: Letzten Endes hat der Apokalyptiker bei der Erschaffung der beiden Textblöcke auf eine weitestgehend ähnliche schriftstellerische Technik zurückgegriffen; beide Textblöcke beinhalten in erheblichem

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vertretene – allerdings nur im Blick auf die Sendschreiben entwickelte – redaktionsgeschichtliche Modell zur Entstehung der Apk vermag somit die Annahme einer weitgehend einheitlichen und kohärenten literarischen Arbeitstechnik des Apokalyptikers zu begründen und zu untermauern.

Maße Traditionsmaterial, das vom Apokalyptiker zusammengestellt und im Rahmen dieser Zusammenstellung einer umfassenden redaktionellen, sowohl literarischen als auch theologischen Bearbeitung unterzogen worden ist.

V. ERGEBNISSE

Die Ergebnisse der hier vorliegenden Studie lassen sich an dieser Stelle recht knapp zusammenfassen, da sie an unterschiedlichen Stellen bereits ausführlich diskutiert und auch zusammengefasst worden sind: (a) Bei den sieben Sendschreiben in ihrer ursprünglichen Fassung handelt es sich um sieben (oder sechs) womöglich auf eine historische Person mit dem Namen Ἰωάννης zurückgehende Inspektions- oder Visionsberichte, innerhalb derer das Verhalten des jeweils angeschriebenen ἄγγελος τῆς ἐκκλησίας und die in seinem Verantwortungsbereich Platz greifenden Ereignisse und Verhältnisse sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht analysiert und mit kritisch-konstruktiven Anmerkungen und Aufforderungen zur Änderung des jeweils kritisierten Verhaltens versehen werden. Im Falle der Weigerung, das kritisierte Verhalten zu ändern, wird als Sanktion das Kommen des in diesen Sendschreiben redenden Christus angekündigt1. (b) Diese sieben (Rudimentär-)Sendschreiben sind – nach zwei dazwischenliegenden Bearbeitungs- bzw. Relecturevorgängen – schließlich vom Apokalyptiker, einer Person, die von der historischen Gestalt des Ἰωάννης zu unterscheiden ist2, jeweils mit einem Weckruf und einem Überwinderspruch versehen und im Zuge dessen mit dem apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 verschmolzen worden3. (c) Die sieben (Rudimentär-)Sendschreiben sind somit zeitlich älter als der apokalyptische Hauptteil und diesem literarisch und damit zugleich auch geschichtlich vorzuordnen und stellen eben nicht eine nachträgliche Ergänzung einer bereits veröffentlichten und im Wesentlichen die Kapitel 4–22 umfassenden Apokalypse dar. Diese Annahme wird untermauert durch einen Vergleich derjenigen historisch-realen Situation, die die sieben Sendschreiben widerspiegeln, mit derjenigen, die im apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 verarbeitet zu sein scheinen4. Damit aber muss die neutestamentliche Apk als eine Schrift angesehen werden, die, wird die Geschichte ihrer Entstehung dekonstruiert, Einblicke in die Entwicklung des in der römischen Provinz Asia Platz greifenden Christentums in der ersten Hälfte des zweiten 1. Vgl. hierzu die Abschnitte III.1.–III.11. o. 126–396. 2. Vgl. zu dieser Person bereits o. 3. 3. Vgl. hierzu in Sonderheit den Abschnitt III.10. o. 369–385. 4. Vgl. hierzu den Abschnitt IV. o. 397–425.

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nachchristlichen Jahrhunderts zu vermitteln und eine weitergehende Rekonstruktion derselben zu ermöglichen vermag5. Fazit: Die in der vorliegenden Studie entwickelte These zur zeitlichen Relation und zum literarischen Verhältnis der Sendschreiben Apk 2f. zum apokalyptischen Hauptteil entspricht zumindest im Kern derjenigen, die J. Wellhausen schon vor hundertzehn Jahren formuliert hat: „Was nun die sieben Briefe selber betrifft …, so sind sie älter als der Apokalyptiker. Er hat sie vorgefunden und mit Zusätzen versehen“6 und dann mit dem apokalyptischen Hauptteil zur im Neuen Testament vorliegenden Gesamt-Apk verknüpft. Aus diesen Ergebnissen folgt im Blick auf die entsprechende in der Einleitung formulierte Vermutung bzw. Frage7, dass die Apk als ein Buch begriffen zu werden, das Einblicke in die Geschichte der Entwicklung des Christentums in der römischen Provinz Asia und in die Geschichte der Entwicklung des paganen Umfelds desselben zu vermitteln vermag. Die sieben (Rudimentär-)Sendschreiben beleuchten eine Situation, die von der Beschäftigung mit innerchristlichen Fragen und der Bewältigung von innerchristlichen Problemen geprägt ist; konkret geht es hier um die Frage, wie weit die Integration der christlichen Gemeinden in eine nichtchristliche Umwelt reichen darf, präziser: ob solche Integrationsbemühungen überhaupt statthaft sind und nicht vielmehr die eigene christliche Identität in Frage stellen. Diese Frage gewinnt im weiteren Verlauf der Geschichte dann eine neue Akutalität und auch eine neue Brisanz durch Entwicklungen in der paganen Mehrheitsgesellschaft, die eo ipso nicht unmittelbar auf die christlichen Gemeinden bezogen gewesen sind. Die Inszenierung des amtierenden römischen Kaisers als Heilsbringer und somit als unmittelbaren Konkurrenten zum κύριος Χριστός8 verschärft eben die Frage nach der Möglichkeit oder Unmöglichkeit christlicher Integration in die pagane Mehrheitsgesellschaft, auf die der Apokalyptiker in seinem Werk eine eindeutig ablehnende Antwort gibt. S.E. stellt nämlich eben die in seiner Gegenwart beobachtbare soteriologische Inszenierung des amtierenden römischen Regenten eine letzte Bedrohung für die Christen dar, der es sich bis zum unmittelbar bevorstehenden Kommen des endgültigen Heils standhaft zu verweigern gilt. Diese der Apk offensichtlich inhärente grundsätzliche historische Perspektive wird in weiteren Studien sowohl in geschichtlicher Hinsicht weiterentwickelt und ausgebaut als aber auch in hermeneutischer Hinsicht neu und näher begründet werden müssen. 5. Vgl. zur Datierung der Apk ausführlich o. 37–38. 6. Analyse, 5. 7. Vgl. hierzu o. 1–3. 8. Vgl. hierzu T. Witulski, Johannesoffenbarung, 112–133.

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ders.: Hell oder dunkel? Zur neueren Debatte um die Auslegung des ersten apokalyptischen Reiters, in: Bienert, D.C./Koch, D.-A. (Hg.): Johanneische Perspektiven. Aufsätze zur Johannesapokalypse und zum johanneischen Kreis 1984 – 2003, FRLANT 2015, Göttingen 2006, 139–156. ders.: Johannesapokalypse und Johanneischer Kreis, BZNW 51, Berlin/New York 1989. Thyen, H.: Das Johannesevangelium HNT 6, 22015. Tilly, M.: Apokalyptik, UTB 3651, Tübingen 2012. Tóth, F.: Der himmlische Kult. Wirklichkeitskonstruktion und Sinnbildung in der Johannesoffenbarung, AbiG 22, Leipzig 2006. ders.: Von der Vision zur Redaktion: Untersuchungen zur Komposition, Redaktion und Intention der Johannesapokalypse, in: Frey, J./Kelhoffer, J.A./Tóth, F. (Hg.): Die Johannesapokalypse. Kontexte – Konzepte – Rezeption. WUNT 287, Tübingen 2012, 319–411. Trebilco, P.: The Early Christians in Ephesus from Paul to Ignatius, WUNT 166, Tübingen 2004. Tripaldi, D.: Der Geist und das Gedächtnis. Die Johannesoffenbarung als prophetische Erinnerung an Jesusworte, in: Alkier, S./Hieke, T./Nicklas, T. (Hg.): Poetik und Intertextualität der Johannesapokalypse, WUNT 346, Tübingen 2015, 367–393. Ulland, H.: Die Vision als Radikalisierung der Wirklichkeit in der Apokalypse des Johannes. Das Verhältnis der sieben Sendschreiben zu Apokalypse 12–13, TANZ 21, Tübingen/Basel 1997. Ulrichsen, J.H.: Die sieben Häupter und die zehn Hörner. Zur Datierung der Offenbarung des Johannes, StTh 39, 1985, S. 1–20. Vielhauer, P.: Geschichte der urchristlichen Literatur. Einleitung in das Neue Testament, die Apokryphen und die Apostolischen Väter, GLB, vierter Druck der 1. Aufl. 1975, Berlin/New York 1985. Völter, D.: Die Entstehung der Apokalypse, Freiburg 21885. Weiß, B.: Die Johannes-Apokalypse. Textkritische Untersuchungen und Textherstellung, TU 7.1, Leipzig 1891. Weiß, J.: Die Offenbarung des Johannes. Ein Beitrag zur Literatur- und Religionsgeschichte, FRLANT 3, Göttingen 1904. Weiser, A.: Die Apostelgeschichte. Kapitel 1–12, ÖTK 5,1, Gütersloh/Würzburg 1981. Wellhausen, J.: Analyse der Offenbarung Johannis, AGWG.PH 9,4, Berlin 1907. Wilson, M.: The Victor Sayings in the Book of Revelation, Eugene (OR) 1997. Wischmeyer, O.: Offenbarung 2,13f. Der Thron des Satans und Metaphern des Bösen im Neuen Testament, in: Khidesheli, T./Kavvadas, N. (Hg.): Bau und Schrift. Studien zur Archäologie und Literatur des antiken Christentums, FS R. Seeliger, JAC.E Kleine Reihe 12, Münster 2015, 97–110. Witulski, T.: Die Johannesoffenbarung und Kaiser Hadrian. Studien zur Datierung der neutestamentlichen Apokalypse, FRLANT 221, Göttingen 2007. ders.: Die vier ‚apokalyptischen Reiter‘ Apk 6,1-8. Ein Versuch ihrer zeitgeschichtlichen (Neu-)Interpretation, BThSt 154, Neukirchen-Vluyn 2015.

438

DIE SIEBEN SENDSCHREIBEN APK 2–3

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STELLENREGISTER ALTES TESTAMENT Gen 2,9 45,9

159 140

Ex 5,1 5,10 9,1 16,4–36 16,32–34 19 19,6 19,18 19,19 19,19–21 20 34,6 40,4

140 140 140 209 209 356 326 356 356 356 69 272 85 87

Num 14,18 16,1 25,1–3 31,16

272 140 201 201

Dtn 33,6

187–188

Jos 23,2b–4(5).9–10 23,2b–16 23,6–8.11.14 23,12–13.15–16

46 57–58 46 46

1Sam 9,2 12,7 12,16

192 234 234

1Kön 21,29

45

2Kön 10,30

45

2Chr 13,4–12 13,5 13,6–11 13,12b 13,12c 15,7a 15,2b(.7b) 15,2c 15,3 15,3–6 21,12–15 30,6–9 30,(7a.)7b 30,9

46 58 46 46 46 46 46 46 46 272 46 65–66 46 46 46

Hi 15,21

138 139

Ps 2,2 2,8f. 69,1 88 108,17a 109,17a 111,2 139,14

325 234 86 325 138–139 138–139 125 125

Koh 5,5

101

Hl 5,2

305–306

440

STELLENREGISTER

Jes 6,3 22,22 54,4 65,16 65,17

271 271–272 45 56 272 291–292 291–292

Jer 7,3–4.12 7,3–15 7,5–7 7,8–11 7,13–15 17,10 17,19ff. 17,21f. 17,23 17,24–26 17,27 22,3.4.5 29 29,1–23 30,10.11 30,11f. 35,18f. 36,1–23

46 58 46 46 46 216 46 46 46 46 46 46 362 66–67 45 56 56 45 66–67

Ez 11,1 11,5 16 23 25,3–5 32,11 43,4

344 344 202 202 220 138 139 247

Dan 1,12–15 2,20–23

179 227

2,28 2,29 2,45 7,13 7,27 8,10 8,11 8,24 10,16 10,20f. 11,33f. 12,1 12,3

366–367 366–367 366 328–329 106–107 106–107 106–107 106–107 98 93 98 105 93 104 106 85–86 104–107

Hos 1–3 12,9

202 299

Am 1–2 1,3–2,16 2,9–12

43 140 370 140 370

Hab 2,3

139

Hag 1,13

100

Sach 4,1–10 4,2 4,3 4,10 12,10

78 85–86 86 324 328–329

Mal 2,7

100–101

QUMRANSCHRIFTEN 1QH III 19–23 XI 3–14 1QM VII 4–6

109 109

109

1QS XI 18–20

227

1QSa II 3 II 8–11

109 109

441

STELLENREGISTER

FRÜHJÜDISCHE LITERATUR Sap 1,1 1,15 1Esdr 8,86

78,2 78–87

120 (LXX) 120 (LXX)

67 66–67

EpJer 66–67 272

ApkAbr 9,1 9,2

352 352

1Hen 14 43,1–44,1 91,3–17.18f. 103,4 104,2–6

347 108 46 58–59 61 56 107–109

2Hen 66,7

107

4Esr 7,67 7,92 7,123 7,127f. 7,95f.

163 163 163 163 107

AscJes 3,15 3,16

95 99 99

2Bar 29,8 51 51,5 51,10 77,17–19

206 108 108–109 108–109 66

ParJer 6,13–14 6,17–23 7,23–29

66–67 66–67 66–67

LibAnt 10,7 20,3b–4 22,5f. 33,5

209 46 60 46 62 107

Jub 7,20–29 7,30–39 36,3–11

46 61–62 62 46 59–60

3Makk 2,11

272

4Makk 1,11 6,10 7,4 9,30 11,13–16 11,20 13,13–15 16,14 17,5 17,14 17,15 17,24

166–167 166–167 166–167 166–167 167 166–167 56 166–167 107 167 166–167 166–167

RABBINISCHE LITERATUR LevR 30,2

85–86

PRK 27(28),2

85–86

PesR 51,4

85–86

TPsJ zu Ex 40,4

85 87

442

STELLENREGISTER

Sifre Dtn 10

85–86

TargJer 10,11

66

TestLev 2,6f.

351

NEUES TESTAMENT Mt 3,7–10 18,10 24,12–14 24,42

45 63–64 93 98 130 245

Mk 6,14 13,26f. 13,35 14,62

245 330 245 330

Lk 3,7–9 12,32 12,35–38 20,35f. 22,29f.

45 63–64 45 56 305–306 109 304

Joh 16,11 16,33 20,30f. 21,17

169 15 169 170 31 117

Apg 6,15 8,30–35 11,22–24 12,14 12,15 15,28f. 19,23–40 20,29f. 20,31 26,3 Röm 8,3

109–110 136 380 98 93 96–98 112 228 198 256 255–256 77

77

11,36 16,27

336 336

1Kor 1,27 2,10 9,24f. 16,13

247 226 403 255–256

2Kor 1–9 1,1–2 1,8–11 1,13 2,14–7,4 5,19 6,10 10–13 12,2

32 32 198 32 32 334 177 32 348

Gal 1,5

336

Eph 5,14

249

Kol 1,18 4,16 4,2

293 362 255–256

1Thess 1,3 5,2–4

118 124 258

1Tim 2,6 3,16

77 101

STELLENREGISTER

1Joh 2,13f. 4,1–4 4,4 5,4f. 5,19

15 169 169 15 15 169 169

3Joh 7 10

114 113–114

1Petr 4,7–11 4,11 5,8

336 336 255–256

Hebr 10,37

139

Jak 1,12 2,5 4,7

189 177 149

Apk 4,1 4,2 4,4 4,5 4,8 5,5 5,6 5,9 5,10 5,13 6 6,1–8 6,2(bis) 6,7 6,9–12 6,10 6,11 6,12–17 6,16 6,17 7

158 343–354 359 365– 367 343–351 301 239–243 324 271, 321–322 163–164 168–169 269– 271 239–243 309 324–325 327 330–331 333 327 330–333 309 12 281 163–164 168–169 357 190–191 269–271 156 301 281 281 281 285

7,1–8 7,2 7,3f. 7,9 7,9–17 7,10 7,13 7,14 7,15 7,17 8,1 8,2 8,7–9,21 8,9 8,11 9,4 9,6 9,13f. 9,20 10,21f. 11,7 11,13 11,15 11,17 12 12ff. 12,1–5 12,3 12,4 12,5 12,7 12,8 12,9 12,10 12,10–12 12,11 12,12 12,13 12,16 12,17 12–15 12–22 13–19 13 13,1–3

443 279 281 281 281 156 301 12 309 301 301 309 309 12 322 281 247 247 281 247 356 125 246 18 168 246 170 321 321–322 183 403 407–408 413 420 399 367–368 398 398 8 231 237–238 168 398 168 19 168 170 183 398 403 407 321 19 168 15 163 168 170–172 409 398 19 398 398 246 399 403 399 202 171 156 158 172 281 404 407–408 412–413 420 92

444 13,1–8 13,1–10 13,2 13,3 13,4 13,7 13,8 13,9 13,10 13,11–17 13,11–18 13,12 13,14 13,15–17 13,17 13,18 14,1 14,4 14,6–9 14,12 14,13 15,1ff. 15,2 15,3 16,3 16,5 16,7 16,11 16,13 16,14 16,15 17 17,3 17,4 17,8 17,9ff. 17,10f. 17,14 18,6 18,16 19 19–22 19,6–22,9 19,6 19,8 19,9 19,9 19,10

STELLENREGISTER

92 400 413 398 407 413 398–399 168 183 399 403 407 170 268 157–158 402 128 182–183 196 413 406 413 92 413 43 92 413 413 92 289 400 412–413 420 156 288 261 423 423 128 196 43 125 128 247 301 143 163 168 171–172 125 322 247 321–322 322 125 125 398 322 259 413 343 347–348 301 170 268 419 413 419 15 168 409 125 301 366 175 399 155–156 322 301 8 12 12

19,11 19,11–22,21 19,12 19,14 19,15 19,20 19,21 20ff. 20,1 20,1–6 20,2 20,4 20,5 20,6 20,6–14 20,7–10 20,10 20,11–15 20,12 20,14 20,15 21f. 21,1 21,2 21,5–8 21,6 21,7 21,8 21,9–22,5 21,10 21,16 21,18 21,21 21,27 22,2 22,3 22,4 22,5 22,5–21 22,6 22,6–20 22,6–21 22,7 22,8 22,8–21 22,12 22,13

290–292 415 8 206 211 301 8 205 231 237 322 128 246 190 269–270 189 183 398 403 8 185 191 321 331 185 246 185–187 190 321 327 331 333 8 189 128 348 398 185 189 268 185–187 189 191 189 268 282 288 291–292 288 410 328 291 163 168 170–172 399 8 185–187 191 18 288 343 347 8 301 301 268 165 174–175 309 331 8 331 331 172 366 38–39 42 352 8 358 12 131 291

445

STELLENREGISTER

22,14 22,16

165 174–175 8 231 237–238

22,19 22,21

165 171 174–175 38–39 48 321–322

FRÜHCHRISTLICHE LITERATUR 1Clem 40,1

227

MartPol 2,1 2,3

111 110

ActThom 108–113

65

OdSal 23,5–10

65

AUTORENREGISTER

Allo, E.-B. 356 Alkier, S. 25 27 30 32 Anderson, F.I. 107 Aune, D.E. 7 17–19 36 38–41 68 70–71 73 74–80 89–93 95–96 100 102–104 111 114 116–119 124 127 129 131 135 140 142–143 146–148 151 158–159 168 170–172 176–182 185 187–188 195– 197 199 201 209 211–212 215–216 223 225–226 231 239–241 245–246 249– 250 252 254 261–262 273 279–281 287 290–291 300–301 303 305–306 320– 322 325–326 328 332–333 335–336 338 342–344 347 348 350–353 358–359 364–365 374–375 385 400 402–405 410–412 414–415 417 424 Backhaus, K. 100 Barclay, J.M.G. 22 Bauer, T.J. 185–186 Beale, G.K. 6 77 82 85 93–95 98 104–111 116–117 124 130–132 139 141 171 179 190–191 201 223 243 245–246 274– 275 277 279 283 285 304–306 327 332 342–343 352 355 361 364–367 422 Becker, E.-M. 26 29–31 33 Becker, J. 163 347 Beckwith, I.T. 81–82 89–90 102 118 121 123 125 127 143 151 163 176 201 246 248 250 254 261–262 265 277 294 304 327 344–345 347 364 400 404 Berger, K. 33 41 56 59–60 62 65–66 385 Berthet, J.-F. 383–384 Birley, A.R. 381–382 384 Black, M./Denis, A.-M. 56 Böcher, O. 413 Boring, M.E. 366 Bousset, W. 6–10 12–16 18 32 89 91 118– 119 142–143 147 171 185 187–189 193

196 204 208 225–226 232 243 245 249–250 253–254 275–276 280 323 326 332 344 353 357 400 408–410 424 Brandt, R. 341 Braude, W.G. 86–87 Brent, A. 401 403 405 Brox, N. 337 Brütsch, C. 81 95 283 Bultmann, R. 32 113 Buschmann, G. 110 Caird, G.B. 68 132 164 202 285 343 Cerfaux, L./Cambier, J. 403 Charles, R.H. 6–7 12 16–17 77 90 95 118 126–127 139–141 189 197 200 207 223 225 248 257–259 262 274–275 277 285 320 324 343 345 349 351–352 375 400 416 Clarke, E.G. 87 Clementz, H. 73 Cremer, O. 77–78 80 95 100 102 105 111 133–134 145 176 179–180 182 184 189 193–195 204 217 239–240 242 244 290–293 323 de Beaugrande, R.-A./Dressler, W.U. 28–29 31 Deissmann, A. 41 65 de Jonge, M. 163 347 DeSilva, D.A. 116 129–130 132 246 249 252 255 263 294–295 Dietzfelbinger, C. 60–62 107 Eckey, W. 109 Enroth, E.-M. 14 101 150 155 157 421 Fee, G.D. 6 133 135 Feldman, L.H. 71 73 Finkelstein, L. 86

448

AUTORENREGISTER

Finnern, S./Rüggemeier, J. 26–27 34 Frey, J. 6 Friedmann, M./Güdemann, M. 86 Friesen, S. 116 171–172 401 404 412 Fritz, G. 26 Fritz, V. 370–371 Giesen, H. 6 15 38 93–94 97 118 125–128 130–131 133 136 144 147 150 158 160 165 168 171 173 177 179 182 189 193 196 200 202 215–217 230 238 245 248–250 252 254 256 259–261 271 272 276 280–281 285 287 Giesen, H. (Fortsetzung) 294 299 304 306– 307 310 321 325–327 329 343 345 347 350 354 365 Gigon, O. 296 Gleßmer, U. 187–188 Gohlke, P. 296 Goppelt, L. 256 Gräßer, E. 33 Grenfell, B.F./Hunt, A.S. 99 Günther, H.W. 101 111 113 Guttenberger, G. 212 214 231 235 Hadorn, W. 80 89 91 94 100 102–104 110 130 140 196 201 223 250 254 258 267 283 359 414 Haenchen, E. 109 Hahn, F. 6 39 41–43 46–47 116 140 146 150–151 154 168 170 234 370 385 399 Hankinson, R.J. 295 Hartman, L. 1 245 329 336 Hemer, C.J. 116 176 179 184 207 209 Holtz, T. 17 136 151 163 166 169 171 271–272 321 325 327–328 340 Huber, K. 6 78 82 92 100–101 135 180 234 320 329 330 342–343 347 352 357 359–365 Hubert, M. 149 Isaac, E. 56 Jeremias, J. 140 Kaiser, O. 136 370 Karrer, M. 6 38 40–42 49 70–71 75 78 89 95–96 99 100 102–103 110–112

Kepper, M. 120 Kilburn, K. 72 Kirby, J.T. 40 148 161 Kittel, G. 86 Klauck, H.-J. 47–48 113–114 196 207 320 328 Klein, M.L. 188 Klijn, A.F.J. 108 206 Koester, C.R. 6 15 40 93 116 118–119 126 129–131 134 136 145 148 151 153–154 158–159 161 166–167 171 176–177 182 188 190 196–197 201–202 223 230–231 241 254 271–272 276 280 287 296 298–299 302 304 327 345 348 354 361 399 402 404–406 408 413 Kraft, H. 18 83 88 99 112 200 202 2040 207 215 218 243 247–248 252 262 306 321–322 334 338 357–358 361 404 410–411 417–418 Krüger, T. 101 Kühn, K.G. 295 297 Lähnemann, J. 158 Landmann, G.P. 72 Lattke, M. 65 Lauha, A. 101 Lausberg, H. 120 148 339 Le Bohec, Y. 381 Leivestad, R. 166 422 Lewandowski, T. 26–29 35 137 173 284 Lichtenberger, H. 39 68 95 109 111 116 119 128 131 144 168 179 182 231 234 240 243 250 261 277 348 354 405 414 423 Lindemann, A./Paulsen, H. 99 109–110 Lohmeyer, E. 14 42 82 84 90 95 118 126 144 179 199–200 235 257 259 306 326–327 332 344 Lohse, E. 93 109 113 227 256 336 362 Lülsdorff, R. 101 Mandelbaum, B. 86 Marcus, R. 71 Margulies, M. 86 Martin, J. 120 Massyngberde Ford, J. 18 418 Mayer, G. 85 McNamara, M. 87 Meiggs, R./Lewis, D. 74

AUTORENREGISTER

Mucha, R. 37 Mucha, R./Witetschek, S. 116 128 154 Müller, A. 381–383 Müller, C.D.G. 95 99 Müller, U.B. 6–7 9 11 15 36–66 77–79 92 95–97 100 102 104 116–121 126–134 143 145–146 150 152 154 157 160 163 165 168 171 177 185 188–191 196–197 200–201 203–204 206–209 212–217 219 224 226–228 232–236 238 243 248 253 257 259 261 263 267 272 276–277 279–281 283 287 289 300 305–308 310 312 319 322 325–328 330–331 343 345 348 351 363 365 368 380 385 398–399 401 404–408 412 422–423 Mußner, F. 336 Mussies, G. 375 Noetzel, J. 100–101 Paulsen, T. 339–340 Pesch, R. 96 98 Peters, O.K. 5 8 Pezzoli-Olgiati, D. 342 355 Philonenko-Sayar, B./Philonenko, M. 352 Pilhofer, P./Witulski, T. 1 Prigent, P. 17 20 77 84 92 98 117 119 125 127 144 189 245 248–249 254 260 276–277 331 403 Pokorný, P. / Heckel, U. 38–39 Popkes, W. 149–150 155 421 Rahn, H. 120 339 Ramsay, W.M. 116 176 Robert, L. 74 Roloff, J. 7 39 81 93 99–100 118–119 124 126 130–131 145 147 155 159 168 171–172 179 189–190 201 240 242 245 261 272 284 287 306 327–328 334 344 348 353 365 415 422 Roose, H. 170 Rothschild, C.K. 273 293–299 Satake, A. 17–19 39 55 78–80 93–96 102– 103 118–119 123 127 129–131 138 141 147 157 163 169–170 176–177 179– 180 182–183 185 191 196 200–202 207 212–227 229 231–232 234 236 239

449

241–243 245–247 251 253 254–255 257–264 267–268 271–272 274–275 279–280 283 286–288 292–295 299– 301 303 306 308 311–312 324–326 329–331 334–335 337 345 353–354 399–404 411 415 Schille, G. 256 Schnackenburg, R. 169 Schnelle, U. 5 32 37 39 114 169 346 351 372 415 Schreiber, S. 5 Schreiner, J. 107 163 216 Schüssler Fiorenza, E. 6 283 327 Schweizer, H. 25–28 30 33–36 78 83 89 133 150 161 166 168 173 178 180 183 190 349 Singer, P.N. 297 Shea, W.H. 41 67–70 Slater, T.B. 101 Smallwood, E.M. 71 Speidel, M.P. 381–384 Spitta, F. 7–16 77 81 83 88 99 161 185 190 213 232 262 328 335–338 409 Stemberger, G. 85 87 Stowasser, M. 11 116–117 154 159–161 188 206 208 212 231–232 239–243 262–263 269–272 286 290–291 293 323 399 423 Strack, H./Billerbeck, P. 100–101 113 Strecker, G. 113 Stübe, R. 65 Swete, H.B. 77 89 118 128 248 255 257 306 332–333 344 356 422 Taeger, J.-W. 7 17 114 145 163 168–169 171–172 216 289 311 372 399–400 419 423 Thyen, H. 31–32 Tilly, M. 2 411 419 Tóth, F. 6 17 19–21 38–39 157–158 185 192 343 347 350–352 364 401 411 414 424 Trebilco, P. 2 6 92 114 116–117 127 148 Tripaldi, D. 189 Uhlig, S. 58–59 108 348 Ulland, H. 118 122 125–128 146–148 150 156–157 177 180 183–184 189 191

450

AUTORENREGISTER

196–198 200 202 217–219 221 226 229 273–275 279 282–284 303–304 401– 402 412–413 420–421 Ulrichsen, J.H. 92 Vielhauer, P. 419 Völter, D. 17–18 100 335 Weiser, A. 380 Weiß, B. 103 250 Weiß, J. 12–13 15 81 283 338 344 401 Weißenberger, M. 72 Wellhausen, J. 12 88–89 138 181 239 268 279 402–403 410 416 428 Wilson, M. 41 68–71 73 75–76 92 149 155–157 159 161 163 165–166 169– 170 173–174 187 190 235 264 267 422

Wischmeyer, O. 197–198 Witulski, T. 92 129 160 169 197–198 201– 202 208 226 282 368 412–413 419 428 Wolff, C. 382 Wolter, M. 109 Wonneberger, R. 119 137–139 144 175 192 205 233–234 264 278 284 414 416 Wünsche, A. 86 Yarbro Collins, A. 38 402 Zahn, T. 81 90–91 96 100–104 110 147 208 234 248 352 Zeller, D. 226–227 257 Zenger, E. 140 370 Zimmermann, H. 39 405 Zumstein, J. 35