Die Satiren des Persius: Lateinisch und deutsch (Tusculum-Bücherei) [2., neubearb. Aufl] 3776521716, 9783776521719

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Die Satiren des Persius: Lateinisch und deutsch (Tusculum-Bücherei) [2., neubearb. Aufl]
 3776521716, 9783776521719

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Tusculum-Bücherei Herausgeber: Hans Färber und Max Faltner

Die

Satiren Lateinisch

des und

Persius

deutsch

h e r a u s g e g e b e n von Otto Seel

E r n s t

H e i m e

r a η

V e r l a g

M ü n c h e n

Titclvignette: Nach einem etruskischen Wandbild, Mitte 5. Jh.

© Heimeran Verlag 1950 Alle Rechte vorbehalten einschliefllich die der fotomechanischen Wiedergabe. 2. neubearbeitete Auflage 1974 Archiv 168. ISBN 3 7765 2171 6

INHALT Text und

Übersetzung

Vorspruch Erste Satire Zweite Satire Dritte Satire Vierte Satire Fünfte Satire Sechste Satire Vita des Probus

6 8 22 30 42 48 66 74

Anhang Textgeschichte

80

Adnotatio critica Anmerkungen

86 90

Nachwort Nachwort zur Neuauflage Bibliographische Hinweise .

111 . 135 . 154

PROOEMIUM nec fonte labra prolui caballino nec in bicipiti somniasse parnaso memini ut repente sic poeta prodirem heliconidasque pallidamque pirenen illts remitto quorum imagines Iambunt hederae sequaces ipse semipaganus ad sacra vatum carmen adfero nostrum quis expedivit psittaco suum chaere picasque docuit verba nostra conari magister artis ingenique largitor venter negatas artifex sequi voces quod si dolosi spes refulserit nummi corvos poetas et poetridas picas cantare credas pegaseium nectar.

VORSPRUCH Am Gaulsquell dürft' ich niemals mir den Mund schwenken, Noch eines Traumbilds" an Parnassens Zwiegipfel Gedenk ich, daß ich als Poet dürft' auftreten I Musen des Helikon, Peirenens Born bleichend, Gönn willig solchen ich, um deren Bildnisse Fügsamer Efeu leckt. Ich selbst, ein Halbbauer, Bring nur ein Lied zum Sängerhain, das ganz mein ist. Wer löst des Sittichs Zunge zum Grüß-Gott-Sagen? Wer lehrt die Worte radebrechen Spechtschnäbel? Der Meister allen Könnens, des Talents Spender, Der Magen ist's: verwehrter Laute Quacksalber. Drum wenn der list'gen Münze Hoffnungsstrahl glitzert. Dächt' man, daß Dichter-Rab und Dichterin-Elster Den Honigseim des Pegasus im Lied gäben.



7



SATVRA

PRIMA

Ο curas h o m i n u m ο quantum est in rebus inane quis leget haec min tu istud ais n e m o hercule

nemo

vel duo vel n e m o turpe et miserabile quare ne mihi p o l y d a m a s et troiades l a b e o n e m praetulerint n u g a e non si quid turbida r o m a

5

elevet accedas e x a m e n q u e i m p r o b u m in ilia castiges trutina nec te quaesieris extra n a m r o m a e quis non a c si f a s dicere sed f a s tunc c u m ad canitiem et nostrum istud vivere triste aspexi ac nucibus f a c i m u s q u a e c u m q u e relictis



c u m sapimus p a t r u o s tunc tunc ignoscite nolo quid f a c i a m sed sum petulanti splene c a c h i n n o

scribimus inclusi n u m e r o s ille hie pede grande aliquid

liber

quod p u l m o animae p r a e l a r g u s

scilicet haec p o p u l o pexusque togaque recenti

anhelet 15

et natalicia tandem c u m s a r d o n y c h e albus sede leges celsa liquido c u m plasmate guttur mobile conlueris patranti f r a c t u s ocello —

8



I

ERSTE SATIRE »O der Menschen Bemühn! Ο Welt so nichtig und eitel!« „Wer mag's lesen?"

Gilt mir's?

Kein Einziger wahrlich. „Nicht einer?" Sei's drum: zwei oder keins. „Erbärmlich und kläglich". Wieso denn? Soll'n doch den Labeo mir Polydam und die troischen Weiber

Vorziehn! Leeres Getu! Nicht was die wirblige Roma Hochträgt,

zeigt seinen Wert dir am schwanken Zünglein der Waage. Schau nicht hin! Bleib weg! Such draußen niemals dich selber! Denn wer hätte in Rom . . . — und wenn man's s a g t . . . aber darf man's? Doch wenn ich all das Verwelkte und unser grämliches Leben Sehe, und wie wir's treiben, des kindlichen Spiels überhoben, Finsteren Onkeln gemäß, dann freilich —! Verzeiht mir: ich will n i c h t . . . — Was fang ich an nur? — jedoch: mir jücket die Milz, und ich lache. Schreibens sind wir erpicht: im Vers der, jener in Prosa. Aber bedeutsam soll's sein, was röchelnd die Lunge herauskeucht. Hei, und dem Volke sodann, gestrählt und im neuen Gewände, Festlich den Ring von Sardonyx am Finger, in leidender Blässe Liest man's vom hohen Gestühl; Elixiere haben die Kehle Schmeidig gemacht, und brechenden Blicks glänzt lüstern das Äuglein. I

-

9

-

tunc neque more probo videas nec voce serena ingentis trepidare titos cum carmina lumbum

20

intrant et tremulo scalpuntur ubi intima versu tun vetule auriculis alienis colligis escas auriculis quibus et dicas cute perditus ohe quo didicisse nisi hoc fermentuin et quae semel intus innata est rupto iecore exierit caprificus

25

en pallor seniumque ο mores usque adeone scire tuum nihil est nisi te scire hoc sciat alter at pulchrum est digito monstrari et dicier hie est ten cirratorum centum dictata fuisse pro nihilo pendes ecce inter pocula quaerunt

30

romulidae saturi quis dia poemata narret hie aliquis cui circum umeros hyacinthina laena est rancidulum quiddam balba de nare locutus phyllidas hypsipylas vatum et plorabile siquid eliquat ac tenero subplantat verba palato adsensere viri nunc non cinis ille poetae felix non levior cippus nunc inprimit ossa? laudant convivae nunc non e manibus illis nunc non e tumulo fortunataque favilla nascentur violae rides ait et nimis uncis —

10



35

Nicht in Züchten erblickest du da noch heiterer Stimme Girrend erbeben das Titusgemächt, wenn das Lied in die Lenden Fährt und mit bebenden Lauten die innersten Nerven betastet. Tropf! Suchst Futter für andere Ohren? Und ihnen zur Wonne Röchelst im Bersten aus schleißendem Fell noch ein lieblich „Genug jetzt"? „Was hülf' alles Gelernte, trät's nicht als Spaltpilz und Feigbaum Keimend im Innern und dann die Leber zersprengend nach außen?" Drum die fahle Vergreisung? Ο Sitten! so gilt dir dein Wissen Nicht als das Deinige, wenn

kein Anderer

weiß, daß du wissest? „Dennoch ist's schön, mit dem Finger gewiesen »der ist es« zu hören; Oder von hundert krausköpfigen Buben geschrieben zu werden. Hältst du das für ein Nichts?" Gewiß, gesättigt, beim Zechen Wünscht sich das Romulusvolk einen göttlich beschwingten Poeten. Hier gleich ist einer zur Hand im Hyazinthentalare, Rezitierend ein modrig' Ding mit Nuscheln und Näseln, Phyllis, Hypsipyle oder was sonst lamentabel empfindsam, Seiht er die Silb',

stellt Wörten ein Bein in verzärteltem Gaumen. Zollen die Recken Applaus: wie wär nicht glücklich des Dichters Asche? gelinder nicht läg der Grabstein auf den Gebeinen? Loben's nur die Kumpane: nicht kann dem Verewigten fehlen, Daß aus dem Hügel der Gruft und hochbeseligter Asche Veilchen sprießen zu Häuf! „Du spottest", sagt man, „und allzu

naribus indulges an erit qui velle recuset os populi meruisse et cedro digna locutus linquere nec scombros metuentia carmina nec tus quisquis es ο modo quem ex adverse dicere feci non ego cum scribo si forte quid aptius exit quando haec rara avis est si quid tarnen aptius exit laudari metuam neque enim mihi cornea fibra est sed recti finemque extremumque esse recuso euge tuum et belle nam belle hoc excute totum quid non intus habet non hie est ilias atti

Μ

ebria veratro non siqua elegidia crudi dictarunt proceres non quidquid denique lectis scribitur in citreis calidum scis ponere sumen scis comitem horridulum trita donare lacerna et verum inquis amo verum mihi dicite de me qui pote vis dicam nugaris cum tibi calve pinguis aqualiculus propenso sesquipede extet ο iane a tergo quem nulla ciconia pinsit nec manus auriculas imitari mobilis albas nec linguae quantum sitiat canis apula tantum vos ο patricius sanguis quos vivere fas est occipiti caeco posticae occurrite sannae

60

Läßlich rümpfst du die Nas! W e r wollte dagegen sich sträuben, Volkes Stimme zu ernten und balsamwürdige Werke Nachzulassen, getrost vor Hering und Spezereien!" Wer du auch seist, den ich jetzt zum Gegensprecher mir machte: Nicht, wenn ich schreib', und sofern was Tüchtiges dabei herauskommt — Zwar ein seltener Vogel; doch wenn was Tücht'ges herauskommt — Scheue ich, daß man mich lob', und hab kein hürnenes Herze. Doch ich bestreit, des Richtigen Ziel und äußerste Grenze Sei dein „hübsch" und „charmant". Denn klopft man dies „hübsche" nur gründlich, Was nicht birgt es in sich? Nicht Attius' Ilias etwa, Torkelnd zugleich und banal? Nicht elegisch Getändel der Noblen, Zur Verdauung diktiert? Nicht was auf Liegen von Teakholz Lässig herunter sich schreibt? Einen Braten kannst du tranchieren, Kannst mit verschlissenem Mantel den fröstelnden Gauch auch bedenken, Sagst dann: „Das W a h r e nur lieb ich. Sagt W a h r e s nur über mich selbst mir!" Kann's denn sein? Soll ich reden? Treibst Narrenpossen, du Kahlkopf, Da dir der fettige Wanst drei Halbfuß vorne herausragt! Glücklicher Janus,

dich

äfft

kein

spottendes Storchspiel von hinten, Dich keine Hand, die geschwinde dem Eselsöhrlein sich ähnelt, Keiner weist dir die Zunge, wie hechelnd der Hund aus Apulien. Ihr, patrizisch Geblüt: euch ist verstattet, mit blindem Hinterkopfe zu leben: Habt acht vor Grimassen im Rücken! I



13



quis populi sermo est quis enim nisi carmina molli nunc demum numero fluere ut per leve severos effundat iunctura ungues seit tendere versum

65

non secus ac si oculo rubricam derigat uno sive opus in mores in luxum in prandia regum dicere res grandes nostro dat musa poetae ecce modo heroas sensus adferre videmus nugari solitos graece nec ponere lucum

70

artifices nec rus saturum laudare ubi corbes et focus et porci et fumosa palilia faeno unde remus sulcoque terens dentalia quinti cum trepida ante boves dictatorem induit uxor et tua aratra domum lictor tulit euge poeta

75

est nunc brisaei quem venosus liber acci sunt quos pacuviusque et verrucosa moretur antiopa aerumnis cor luctificabile fulta hos pueris monitus patres infundere lippos cum videas quaerisne unde haec sartago loquendi venerit in linguas unde istud dedecus in quo trossulus exultat tibi per subsellia levis nilne pudet capiti non posse pericula cano pellere quin tepidum hoc optes audire decenter

80

„ W a s nun redet das Volk?" Was sonst, als: heute erst gab' es Lieder, die fließen so zart, daß unter kritischem Nagel Glatt

die Fuge

entschlüpft.

Den

Rhythmus weiß er spannen, So als zog' er, einäugig visierend, mit Rötel die Linie.

zu

Komisch, satirisch,

er

tragödisch:

wie immer sein W e r k beginne, Stets gibt Größe und Wucht die Muse unserem Dichter!" Sieh, wie mit Heldengetön sich heute brüsten die Wichte,

Griechisch zu tändeln gewohnt und kaum vermögend, ein Wäldchen Darzustellen und trächtige Felder zu rühmen samt Körben, Herdstatt und Schwein und der Pales vom Heurauch duftende Feier, W o h e r Remus uns kam und du, Cincinnat, mit dem Pfluge, Als bei den Stieren dich bebend dein Weib zum Diktator gekleidet Und dein Gerät der Liktor zum Haus trug. „Bravo, ο Dichterl Den vermag wohl des bacchischen Accius dröhnendes Buch noch, Jenen Pacuv zu erfreun und Antiope samt ihren Warzen, Bettend

ihr

trauerschaffendes Herz

auf

dem Pfühle der Sorgen." Freilich, wenn solche Vermahnung blödsichtige Väter den Söhnen Eingeträufelt, was fragst du, woher der scheppernde Unsinn Auf die Lippen sich drängt und von wannen der Graus uns gekommen, Drob Kavaliere im Richtergestühl verzückt sich gebärden? Ist's keine Schmach, das ergrauende Haupt aus Gefahr nicht zu lösen, Außer man warte bedacht, ein lauliches „reizend" zu hören?

f u r es ait pedio pedius quid crimina rasis

85

librat in antithetis doctus posuisse figuras laudatur bellum hoc hoc bellum an romule ceves men moveat quippe et cantet si naufragus assem protulerim cantas cum f r a c t a te in trabe pictum ex umero portes verum nec nocte paratum

90

plorabit qui me volet incurvasse querella sed numeris decor est et iunctura addita crudis claudere sic versum didicit berecyntius attis et qui caeruleum dirimebat nerea delphin sic costam longo subduximus appennino

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arma virum nonne hoc spumosum et cortice pingui ut ramale vetus vegrandi subere coctum quidnam igitur tenerum et laxa cervice legendum torva mimalloneis implerunt cornua bombis et raptum vitulo caput ablatura superbo



bassaris et lyncem maenas flexura corymbis euhion ingeminat reparabilis adsonat echo haec fierent si testiculi vena ulla paterni viveret in nobis summa delumbe saliva hoc natat in labris et in udo est maenas et attis

105

nec pluteum caedit nec demorsos sapit unguis —

16



I

Pedius gilt als Dieb. Und Pedius? Schlcift Antithesen, Wäget die Klagen darin, und weil er kunstreich geredet, Erntet er Lob: „Wie nett!" Das nett? Ο Romulus, schläfst du? Rühren soll's mich? Gewiß doch, dem bettelnden Seemann, der sänge, Zückte ich gleich einen Groschen! Du singst, und trägst deines Schiffbruchs Bild auf der Schulter? Nein, echt, nicht nächtens klüglich ertüftelt Hätte die Träne zu sein, die mir das Herze wollt' biegen. „Aber der holpernde Takt hat Glätte und Fügung gewonnen, Versschlüss' hat man gelernt wie »Berekyntischer Attis« Und: »Der den bläulichen Nereus zerteilet, der Delphin« So auch: »Wir raubten die Ripp' dem gedehneten Appenninus« »Waffen und Mann«: ist dies nicht Schaum und wuchernde Borke, Wie überaltert Gezweig, an mächtiger Eiche verdorret?" Was nun gilt als geschmeidig, als lesbar lässigen Nackens? „Mit mimallonischem Dröhnen erfüllten sie grollende Horner, Und, die dem lustigen Kälbchen das Haupt vom Rumpfe gerissen, Bassaris, samt der Mänad', den Luchs mit dem Efeu bezähmend, Steigert den Euhion-Ruf, vom Echo hallend erneuet." Dieses geschäh, wenn ein Äderchen nur von des Vatergeschlechtes Zeugkraft lebte in uns? Entnervt schwemmt solches der Speichel Sabbernd über die Lipp', es zerfließt die Mänad' und der Attis, Pocht nicht ans Pult, schmeckt nicht nach grübelnd zerkaueten Nägeln. I



17 —

sed quid opus teneras mordaci radere vero auriculas videsis ne maiorum tibi forte limina frigescant sonat hie de nare canina littera per me equidem sint omnia protinus alba

HO

nil moror euge omnes omnes bene mirae eritis res hoc iuvat hie inquis veto quisquam faxit oletum pinge duos anguis pueri sacer est locus extra meite discedo secuit lucilius urbem te lupe te muci et genuinum fregit in illis omne vafer vitium ridenti flaccus amico tangit et admissus circum praecordia ludit callidus excusso populum suspendere naso me muttire nefas nec clam nec cum scrobe nusquam hie tarnen infodiam vidi vidi ipse libelle

120

auriculas asini quis non habet hoc ego opertum hoc ridere meum tarn nil nulla tibi vendo iliade audaci quicumque adflate cratino iratum eupolidem praegrandi cum sene palles aspice et haec si forte aliquid decoctius audis

125

inde vaporata lector mihi ferveat aure non hie qui in crepidas graiorum ludere gestit sordidus et lusco qui possit dicere lusce seque aliquem credens italo quod honore supinus -

18

-

1

„Aber ist's Not, empfindlichen Ohren mit bissiger Wahrheit Wehe zu tun? Sieh zu, daß nicht der Mächtigen Schwellen Frostig dir werden: da knurrt aus der Nase der hündische Buchstab Hurtig dich an." Von mir aus sei fürder alles im Reinen! Sei's denn! Ein Bravo euch all', jeder trefflich und wunderbar alles! Recht so? „Hier darf keiner", so sagst du, „die Notdurft verrichten". Mal' zwei Schlangen: „Der Ort ist geweiht, ihr Buben, geht draußen Pissen". Gut denn, ich geh. Lucilius hechelte Rom einst, Dich, Lupus, Mucius, dich — und zerbiß sich den Backzahn an ihnen. Reizt doch verschmitzt ein Horaz dem lachenden Freund seine Schwächen, Setzt im Herzen sich fest, treibt dort sein ironisches Neckspiel, Während er witzig die Menge des Volks am Narrenseil fähret. Mir wär's Mucksen verwehrt? nicht geheim? in die Grube nicht? nirgends? Trotzdem: hier scharr' ich's ein: ich sah, sah selber, ο Büchlein, Eselsohren . . . ! wer hätte sie nicht? Und dieses Verdeckte, Dies mein eigenes Lachen, ein Garnichts, es ist mir um keine Ilias feil. Aber du, den der kühne Kratinos beflügelt, Der du vor Eupolis' Zorn und dem alten Riesen erbleichest: Sieh auch dies, ob vielleicht ein geläuterter Klang draus zu hören! Denn wer an jenen das Ohr sich erwärmt, der glühet für mich auch, Nicht, wer selber verwahrlost die Griechensandalen zu höhnen Müde nicht wird und dem Schieler zu sagen vermag, daß er schiele, Und einen Kerl sich bedünkt, weil er stolz im italischen Amtsrang I

-

19



fregerit heminas arreti aedilis iniquas nec qui abaco numeros et secto in pulvere metas seit risisse vafer multum gaudere paratus si cynico barbam petulans nonaria vellat his mane edictum post prandia callirhoen do.



20



Einst als Aedil zu Arezzo die falschen Gemäße zerschlagen, Noch wer gelehrte Berechnung und staubgeritzte Figuren Schlau zu veralbern versteht und helles Vergnügen empfindet, Wenn dem Kyniker frech die Gassenhure den B a r t z u p f t . . . Solchen sei morgens ihr Ämtchen gegönnt und abends ihr Schätzchen!

-

21

-

SATVRA

SECVNDA

Hunc macrine diem numera meliore lapillo qui tibi labentis apponet Candidus annos funde merum genio non tu prece poscis emaci quae nisi seductis nequeas committere divis at bona pars procerum tacita libabit acerra

5

haut cuivis promptum est murmurque humilesque susurros tollere de templis et aperto vivere voto mens bona fama fides haec clare et ut audiat hospes ilia sibi introrsum et sub lingua murmurat ο si ebulliat patruus praeclarum funus et ο si

®

sub rastro crepet argenti mihi seria dextro hercule pupillumve utinam quern proximus heres inpello expungam nam et est scabiosus et acri bile tumet nerio iam tertia conditur uxor haec sancte ut poscas tiberino in gurgite mergis

15

mane caput bis terque et noctem flumine purgas heus age responde minimum est quod scire laboro de iove quid sentis estne ut praeponere cures — 22 —

I!

ZWEITE

SATIRE

Zähle, Macrin, den heutigen Tag mit besserem Steinchen, Der dir freundlich die Zahl der gleitenden J a h r e vermehret. Spende dem Genius Wein! Nicht begehrst du mit feilschendem Beten, W a s geheim und beiseit nur den Göttern du dürftest vertrauen. Aber der Großen ein Gutteil bringt Opfer aus schweigender Schale, Und nicht jedem gerät's, Gemurmel und krummes Geflüster Aus dem Tempel zu bannen und offenen Wunsches zu leben. „Biederkeit, E h r ' und Vertraun" mag laut der Nachbar vernehmen; Doch inwendig nur wispert er unter der Zunge: „Ach, tät der Onkel nur platzen, das gab eine lustige Leiche!" und „Wenn doch Unter dem Karst mir von Herkules' Gnaden ein Krug voller Silber Klang'! Und der Bub, der als vorderster Erbe allein mir im Weg steht, Daß ich nur den könnt streichen! — den Grind hat er doch und die Gelbsucht. Schau nur, dem Nerius wird schon die dritte Frau jetzt begraben!" Das war' ein heilig' Gebet, nur weil du am Morgen im Tiber Zwei- oder dreimal den Kopf eintunkst und die Nacht von dir abschwenkst? Hör mal, gib mir Bescheid, eine Kleinigkeit will ich nur wissen: W a s du von Juppiter denkst. Ist's so, daß du höher ihn schätzest, II

-

23

-

hunc cuinam cuinam vis slaio an scilicet haeres quls potior iudex puerisve quis aptior orbis hoc igitur quo tu iovis aurem inpellere temptas die agedum staio pro iuppiter ο bone clamet iuppiter at sese non clamet iuppiter ipse ignovisse putas quia cum tonat ocius ilex sulpure discutitur sacro quam tuque domusque an quia non fibris ovium ergennaque iubente triste iaces lucis evitandumque bidental idcirco stolidam praebet tibi vellere barbam iuppiter aut quidnam est qua tu mercede deorum emeris auriculas pulmone et lactibus unctis ecce avia aut metuens divum matertera cunis exemit puerum frontemque atque uda labella infami digito et lustralibus ante salivis expiat urentis oculos inhibere perita tunc manibus quatit et spem macram supplice voto nunc licini in campos nunc crassi mittit in aedis hunc optet generum rex et regina puellae hunc rapiant quidquid calcaverit hie rosa fiat ast ego nutrici non mando vota negato iuppiter haec illi quamvis te albata rogarit poscis opem nervis corpusque fidele senectae

Als — „Nun, wen?" Wen? Sagen wir: Staius? oder —: du Wer ist gerechter als Richter, den Waisen ein besserer Vormund? Dies nun, womit du Juppiters Ohr zu treffen probierest, Sag's doch dem Staius einmal! „Beim Juppiter!" rief er, „du guter Juppiter!" Und da sollte nicht Juppiter selber sich rufen? Meinst, er achtet's f ü r nichts, weil beim Gewitter der heiige Schwefel eher die Eiche als dich schlägt samt deinem Hause? Oder weil du noch nicht mit geopfertem Lamm nach Priesters

des

Weisung schauerlich liegest im Hain, ein gemiedenes Blitzmal, Drum schon böt einen albernen Bart dir willig zum Zausen Juppiter? Oder was wär's, mit welcherlei Preis du der Götter Ohren dir hättest erkauft? Mit Lungen und fettem Gekröse? Siehe, die Großmutter holt und in Furcht der Götter die Tante Aus der Wiege das Kind, ihm Stirn und schimmernde Lippen Mit dem mittleren Finger zu feien und sühnendem Speichel, Kundig der Kunst, vorweg die bösen Blicke zu bannen; Wiegt's sodann auf den Händen, und flehend läßt sie die schmächt'ge Hoffnung wandern ins reiche Gefild, in des Crassus Paläste: „Wünschten sich König und Königin ihn zum Eidam! Die Mädchen Mögen sich reißen um ihn! Seine Fußspur blühe von Rosen!" Ich aber hab keine Amme f ü r mich zu beten ermächtigt. Schlag's ihr, Juppiter, ab, wie feierlich sie's auch erflehe! Wünschst deinen Muskeln du Kraft, einen Leib beharrlich im Alter:

esto age sed grandes patinae tuccetaque crassa adnuere his superos vetuere iovemque m o r a n t u r rem struere exoptas caeso bove mercuriumque accersis fibra da fortunare penatis da pecus et gregibus fetum quo pessume pacto tot tibi cum in flammis iunicum omenta liquescant at tarnen hic extis et opimo vincere ferto intendit iam crescit ager iam crescit ovile iam dabitur iam iam donec deceptus et exspes nequiquam f u n d o suspiret n u m m u s in imo si tibi crateras argenti incusaque pingui auro dona feram sudes et pectore laevo excutiat guttas laetari praetrepidum cor hinc illud subiit auro sacras quod ovato perducis facies nam fratres inter aenos somnia pituita qui purgatissima mittunt praecipui sunto sitque illis aurea barba aurum vasa numae saturniaque inpulit aera vestalesque urnas et tuscum fictile mutat ο curvae in terris animae et caelestium inanis quid iuvat hoc templis nostros inmittere mores et bona dis ex hac scelerata ducere pulpa haec sibi corrupto casiam dissolvit olivo

Schön und gut! Doch mächtige Schüsseln und fette Pasteten Hemmen der Götter Gewähr, stehn Juppiter selber im Wege. — Mehren willst du

dein Sach:

schlägst

tot den Pflugstier, durch Opfer Dir Merkur zu gewinnen: „Gib Glück und Segen dem Haussland, Gib mir Vieh und den Herden Gedeihn!" „Du Narr, und woher denn? Da dir in Flammen so oft das Fett deiner Kälber dahinschmilzt?" Dennoch aber: Er meinet, mit Kuchen und Innereien Müßt's ihm gelingen:

„Schon mehrt sich das Feld, schon mehrt sich der Schafpferch! Eben gerät's, gleich, jetzt" •—• bis am End' er enttäuscht und verzweifelt Stöhnt: „Umsonst und vertan der letzte Groschen im Kasten!" Brächt' ich silberne Kannen und fetten Goldes Geschmeide Dir zum Geschenk: du gerietest in Schweiß und links in der Brust das Herz, durch die Freude geängstet, entpreßte statt Glück dir nur Tränen. Daher kam dir der Einfall, die heiligen Bilder zu zieren Mit dem erbeuteten Gold. „Denn unter den erzenen Brüdern Seien die Geber der klarsten und unverschwommenen Träume Immer die wertesten; drum sei ihnen der Bart auch von Golde". Gold hat des Numa Geschirr und saturnische Bronze verdränget, Hat der Vestalinnen Krug und etrurisches Tonzeug verwandelt! Ο ihr Herzen, zur Erde gekrümmt und des Himmels betrogen! Was soll's frommen, wenn unseren Geist in die Tempel wir treiben Und, was für Götter ein Gut, nach des Fleisches Verderbtheit bemessen? Sie versetzet den Zimt mit vergeudetem öle zur Salbe,

haec calabrum coxit vitiato murice vellus

65

haec bacam conchae rasisse et stringere venas ferventis massae crudo de pulvere iussit peccat et haec peccat vitio tarnen utitur at vos dicite pontifices in sancto quid facit aurum nempe hoc quod veneri donatae a virgine pupae

Ό

quin damus id superis de magna quod dare lance non possit magni messalae lippa propago compositum ius fasque animo sanctosque recessus mentis et incoctum generoso pectus honesto haec cedo ut admoveam templis et farre litabo.



28



II

Kocht kalabresische Vließ' mit der Purpurschnecke verkuppelt, Sie gebeut, aus der Muschel die Perle zu schaben und Adern Reinen Metalls in der Glut von spröder Schlacke zu scheiden. Sünde auch dies zwar, Sünde; doch nützet der Fehl. Aber saget, Priester, mir an: was schafft das Gold an geheiligter Stätte? Ebensoviel wie der Venus die Puppen, geweiht von der Jungfrau I Warum schenken den Göttern wir nicht, was bei allem Vermögen Nicht vermag des großen Messalla entarteter Sprößling? Zeit- und ewiges Recht, in der Seele gewahrt, und das heil'ge Obdach des Herzens, dazu einen Sinn voll Adel und Ehre? Aufl Bring ich solches nur mit, dann taugt schon Spelt zur Entsühnung I

II

— 29 —

SATVRA

TERTIA

Nempe haec adsidue iam d a r u m mane fenestras intrat et angustas extendit lumine rimas stertimus indomitum quod despumare falernum sufficiat quinta dum linea tangitur umbra en quid agis siccas insana canicula messes iam dudum coquit et patula pecus omne sub ulmo est unu« ait comitum verumne itan ocius adsit hue aliquis nemon turgescit vitrea bilis findor ut arcadiae pecuaria rudere dicas iam liber et positis bicolor membrana capillis

1

inque manus chartae nodosaque venit harundo tunc querimur crassus calamo quod pendeat umor nigra sed infusa vanescat sepia lympha dilutas querimur geminet quod fistula guttas ο miser inque dies ultra miser hucine rerum venimus aut cur non potius teneroque palumbo et similis regum pueris pappare minutum poscis et iratus mammae lallare recusas

1

DRITTE SATIRE „'s ist doch ewig das Gleiche: Schon kommt durch's Fenster der klare Morgen und dehnt die engen mit Licht, die Ritzen und Spalten. Aber wir schnarchen so lang, bis der ungestüme Falerner Ausschäumt, da doch der Schatten des Zeigers den Elfer schon anrührt! He du, wie steht's? Schon lang dörrt schmachtende Saaten der wüt'ge Hundsstern und unter geräumiger Ulme geschart steht die Herde!" Einer sagt's der Kumpane. — „Nein, wahr und wahrhaftig? Herbei denn Hurtig ein Bursch! Kommt keiner?" Schon schwillt ihm die grünliche Galle: „Bersten könnt ich!" — das klingt als schrieen Arkadiens Esel. Endlich: das Buch, und, enthaart, zwiefarb' und geglättet, die Tierhaut, Und er nimmt den Papyrus zur Hand und das knotige Schilfrohr. Aber schon stöhnt man: zu dick hängt unten am Kiele der Tropfen; Streckt man jedoch mit Wasser die Tinte, ist gleich sie zu blaß schon, Und so jammern wir, weil aus dem Schaft es sudelt und kleckset. Ärmlicher Wicht, und ärmer von Tag zu Tage! So weit schon Sind wir gekommen? Willst lieber du nicht, dem verzärtelten Täubchen Oder dem Prinzlein gleich, nur Brei und Müslein verschlucken? Soll dir den Trotz eine Amme mit Eia popeia beschwichten? III

_

31

-

an tali studeam calamo cui verba quid istas succinis ambages tibi luditur effluis aniens

20

contemnere sonat Vitium percussa maligne respondet viridi non cocta fidelia limo udum et molle lutum es nunc nunc properandus et acri fingendus sine fine rota sed rure paterno est tibi far modicum purum et sine labe salinum

25

quid metuas cultrixque foci secura patella hoc satis an deceat pulmonem rumpere ventis stemmate quod tusco ramum millesime ducis censoremve tuum vel quod trabeate salutas ad populum phaleras ego te intus et in cute novi

30

non pudet ad morem discincti vivere nattae sed stupet hie vitio et fibris increvit opimum pingue caret culpa nescit quid perdat et alto demersus summa rursus non bullit in unda magne pater divum saevos punire tyrannos

35

haut alia ratione velis cum dira libido moverit ingenium ferventi tincta veneno virtutem videant intabescantque relicta anne magis siculi gemuerunt aera iuvenci et magis auratis pendens laquearibus ensis

40

purpureas subter cervices terruit imus —

32



III

„Kann man mit solchem Schreibzeug studieren?" Gerede! Wozu nur Wirst du durch Ausfliicht' dir selbst zum Gespött und verplemperst dich sinnlos? Giltst als ein Taugenichts schier! Schon hört man den Schaden, denn widrig Klinget beim Klopfen der Topf vor dem Brand, wenn der Ton noch zu frisch ist. Bist ein feuchter, geschmeidiger Lehm! Jetzt eilt's, ihn auf scharfer Endlos kreisender Scheibe zu formen. Gewiß, auf dem Erbland Wächst dir dein mäßiges Brot, und rein, ohne Fehl, ist das Salzfaß — 's hat keine Not — und verläßlich am Herde die dienende Schale. Das ist genug? Und ziemt es die Lungen mit Wind zu zersprengen, Weil an etruskischem Stamm du Tausendster ziehest dein Zweiglein, Weil dir der Zensor verwandt, weil verbrämt du als Ritter stolzierest? Die Medaillen dem Volk! Dich erkenn ich drinnen im Felle! Schämst du dich nicht, nach der Art des lottrigen Natta zu leben? Ihn zwar verblödet das Laster, das Fett ist ins Herz ihm gewachsen: Er ist ledig der Schuld, kennt nicht seinen Schaden, und einmal In die Tiefe gesunken, wirft nimmer er Blasen nach oben. Großer Vater der Götter! Du wollest harte Tyrannen Anders nimmer bestrafen, wenn ihnen die schreckliche Willkür Gänzlich den Sinn hat verkehrt, mit gärendem Gifte getränket: Mögen die Tugend sie schaun und vergehn, weil sie ihnen verloren! Hat wohl ärger das Erz des sizilischen Stieres gestöhnet, Ärger vom goldnen Gebälke herab die Klinge den Nacken Drunter im. Purpurgewande geschreckt, als wenn man „Ich treibe, I"

-

33

-

imus praecipites quam si sibi dicat et intus palleat infelix quod proxima nesciat uxor saepe oculos memini tangebam parvus olivo grandia si nollem morituri verba catonis discere non sano multum laudanda magistro quae pater adductis sudans audiret amicis iure etenim id summum quid dexter senio ferret scire erat in voto damnosa canicula quantum räderet angustae collo non fallier orcae neu quis callidior buxum torquere flagello haut tibi inexpertum curvos deprendere mores quaeque docet sapiens bracatis inlita medis porticus insomnis quibus et detonsa iuventus invigilat siliquis et grandi pasta polenta et tibi quae samios diduxit littera ramos surgentem dextro monstravit limite callem stertis adhuc laxumque caput conpage soluta oscitat hesternum dissutis undique malis est aliquid quo tendis et in quod dirigis arcum an passim sequeris corvos testaque lutoque securus quo pes ferat atque ex tempore vivis elleborum frustra cum iam cutis aegra tumebit poscentis videas venienti occurrite morbo

Treibe jählings zum Abgrund!" gestehen sich muß, und im Innern Der Unsel'ge erbleicht, und sein Weib daneben nichts ahnet? Hab, gedenkt mir, als Bub oft ö l ins Aug mir geträufelt, Wenn mir's mißfiel, die schwülstigen Reden des sterbenden Cato, Die mein närrischer Lehrer so pries, zu lernen, damit sie Mein

angstschwitzender

Vater

vernahm'

vor geladenen Freunden. Und das war auch mein Recht, denn das wichtigste war mir, zu wissen, Was mir beim Würfeln der Sechser gewann und der tückische Hundswurf Nahm, und daß ich den Hals des engen Krugs nicht verfehlte, Und daß keiner gewitzter den Kreisel mir trieb mit der Peitsche. Dir aber ist nicht fremd, die krummen Sitten zu merken, Und die Lehren der klugen, mit Hosen-Medern bemalten Halle, worüber schlaflos, geschorenen Hauptes die Jugend Wacht, von grober Polenta und Hülsenfrüchten sich nährend; Kennst auch längst den in samische Äste gegabelten Buchstab, Der zur Rechten dich weist auf den steinigen Bergpfad nach oben. Du aber schnarchst. Dein schlottriger Schädel, noch ganz aus den Fugen, Gähnt vom gestrigen Rausch, und die Kinnlad' geht aus der Naht schier! Spannst auf ein festes Ziel du und richtest du dahin den Bogen Oder jagest du planlos mit Dreck und Scherben nach Raben, Unbekümmert,

lebst aus dem Stegreif? Erst, wenn die Haut schon von Krankheit gedunsen, dann holen Arznei sie; Doch's ist zu spät schon, du siehst's. Der nahenden tretet entgegen! III

wohin dich der Fuß trägt,



35



et quid opus cratero magnos promittere montis discite et ο miseri causas cognoscite rerum quid sumus et quidnam victuri gignimur ordo quis datus aut metae qua mollis flexus et unde quis modus argento quid fas optare quid asper utile nummus habet patriae carisque propinquis quantum elargiri deceat quem te deus esse iussit et humana qua parte locatus es in re disce nec invideas quod multa fidelia putet in locuplete penu defensis pinguibus umbris et piper et pernae marsi monumenta cluentis maenaque quod prima nondum defecerit orca hic aliquis de gente hircosa centurionum dicat quod sapio satis est mihi non ego euro esse quod arcesilas aerumnosique solones obstipo capite et figentes lumine terram murmura cum secum et rabiosa silentia rodunt atque exporrecto trutinantur verba labello aegroti veteris meditantes somnia gigni de nihilo nihilum in nihilum nil posse reverti hoc est quod palles cur quis non prandeat hoc est his populus ridet multumque torosa iuventus ingeminat tremulos naso crispante cachinnos

Brauchst kein golden Gebirg einem Krateros dann zu versprechen! Lernt, Unselige! Forschet nach Grund und Wesen der Dinge: Was wir sind, und wozu wir ins Leben geboren, und welche Ordnung gesetzt, oder wie man das Ziel ohn' Scheitern umfahre; Was des Silbers genug, was zu wünschen erlaubt, und der schnöden Münze gerechter Gebrauch, und wieviel dem Land und den lieben Nächsten zu schenken sich ziem', und wie Gott dich haben hat wollen, Und an welcherlei Stelle im Menschengetriebe dein Platz sei! Lern's, und blicke nicht scheel, wenn in reicher Kammer die Töpfe Schimmeln, gefüllt mit dem Dank der fetten verteidigten Umbrer, Pfeifer und Schinken dazu, Andenken des marsischen Schützlings, Und noch keins von den Fässern gesalzenen Herings geleert ist. Hier mag einer vom Schlag der schweißigen Zenturionen Sagen: „Mir taugt, was ich weiß, vollauf. Ich schere mich nichts drum, Einem Arkesilas gleich und ein Griesgram zu werden wie Solon, Die den Kopf sich verrenkend den Boden mit Blicken durchspießen; Brummend im Selbstgespräch und wütiges Schweigen zernagend, Wägen sie jegliches Wort auf vorgeschobener Lippe Und zergrübeln des fiebernden Alten Gefasel: es werde Nichts aus nichts, und in nichts vermöge nichts zu zergehen. Deshalb bist du so blaß? Und drum verpaßt man sein Frühstück?" Also spottet das Volk, und muskelstrotzender Jugend Kräuselt vor Hohn sich die Nase und bebt vor Gelächter das Zwerchfell. HI



37 —

inspice nescio quid trepidat mihi pectus et aegris faucibus exsuperat gravis halitus inspice sodes qui dicit medico iussus requiescere postquam

90

tertia conpositas vidit nox currere venas de maiore domo modice sitiente lagoena lenia loturo sibi surrentina rogabit heus bone tu palles nihil est videas tamen istud quidquid id est surgit tacite tibi lutea pellis

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at tu deterius palles ne sis mihi tutor iam pridem hunc sepeli tu restas perge tacebo turgidus hie epulis atque albo ventre lavatur gutture sulpureas Iente exhalante mefites sed tremor inter vina subit calidumque trientem

100

excutit e manibus dentes crepuere retecti uncta cadunt laxis tunc pulmentaria labris hinc tuba candelae tandemque beatulus alto conpositus lecto crassisque lutatus amomis in portam rigidas calces extendit at ilium

11s

hesterni capite induto subiere quirites tange miser venas et pone in pectore dextram nil calet hie summosque pedes attinge manusque non frigent visa est si forte pecunia sive Candida vicini subrisit molle puella — 38 —

110

111

„Schau doch, Herzklopfen hab ich, und weiß nicht warum, und aus kranker Kehle ringet nur schwer sich mein Atem. Drum bitt ich dich: schau doch!" So sagt einer zum Arzt. Der verordnet ihm Ruhe. Doch wie er Schon in der dritten Nacht seinen Puls in geregeltem Gang spürt, Läßt er aus reicherem Hause ein Krüglein, nicht eben üppig, Leichten Weins von Sorrent als Trunk zum Bade sich holen. „Freund, was bist du so blaß!" „'s ist nichts." „Aber gib einmal Obacht, Was es auch sei: Deine Haut ist so gelb und so heimlich geschwollen!" „Geh, du selbst bist geschwollen! Brauchst nicht mir den Vormund zu spielen! Den hab ich längst schon begraben. Du fehlst mir noch!" „Gut denn, ich schweige." Aufgebläht von dem Mahl und mit trägem Bauch geht er baden, Während ihm aus dem Schlund ein schweflig' Dünsten herausdampft. Doch überm Zechen befällt ihn ein Zittern, schlägt jäh ihm des Schöppchens Schäumenden Trank aus der Hand, es knirschen die bleckenden Zähne, Und der triefende Bissen entfällt den erschlaffenden Lippen. Totentuba sogleich. Kandelaber! Der selige Wicht liegt Aufgebahrt auf dem Schrägen; mit fettem Amomum bestrichen, Strecket die starren Fersen zur Tür er hin. Und dann tragen Neugebackne Quiriten, den Hut auf dem Kopf, ihn von hinnen. Fühle, Tropf, deinen Puls und leg auf die Brust dir die Rechte. „'s ist keine Hitze darin." Rühr die Kuppen der Zehen und Finger: „Sind nicht kalt." Aber wenn sich dir Geld zeigt, oder es lächelt Zärtlich-verstohlen dir zu das blanke Mägdlein des Nachbars: III



39



cor tibi rite salit positum est algente catino durum holus et populi cribro decussa farina temptemus fauces tenero latet ulcus in ore putre quod haut deceat plebeia rädere beta alges cum excussit membris timor albus aristas nunc face supposita fervescit sanguis et ira scintillant oculi dicisque facisque quod ipse non sani esse hominis non sanus iuret orestes.



40



III

Hüpft nicht über Gebühr dir das Herz? Auf erkalteter Platte Bringt man dir holzigen Kohl und grobgeschrotetes Kornbrot: Prüfen den Schlund wir: „Mir schwäret geheim eine Pustel im zarten Mund, die darf man durchaus mit gewöhnlichem Mangold nicht scheuern!" Fröstelst, wenn dir das bleiche Entsetzen die Grannen gesträubet; Dann wieder kocht wie mit Fackeln geschürt dir das Blut, und im Zorne Funkelt dein Blick, und du redest und tust, was einem Orestes, Der doch selber ein Narr, als die schiere Narrheit erschiene!

III



41



S ΑΤ VR Α QUARTA Rem populi tractas barbatum haec crede magistrum dicere sorbitio tollit quem dira cicutae quo fretus die hoc magni pupille pericli scilicet ingenium et rerum prudentia velor ante pilos venit dicenda tacendave Calles

5

ergo ubi commota fervet plebecula bile fert animus calidae fecisse silentia turbae maiestate manus quid deinde loquere quirites hoc puta non iustum est illud male rectius illud scis etenim iustum gemina suspendere lance

10

ancipitis librae rectum discernis ubi inter curva subit vel cum fallit pede regula varo et potis es nigrum vitio praefigere theta quin tu igitur summa nequiquam pelle decorus ante diem blando caudam iactare popello desinis anticyras melior sorbere meracas quae tibi summa boni est uncta vixisse patella semper et adsiduo curata cuticula sole

15

VIERTE SATIRE „Volkes Sache betreibst du", — nimm an,

dies sage der bärt'ge Meister, welchen der grausige Trank des Schierlings hinwegnahm: „Worauf bauend?" Sag du's, du des großen Perikles Zögling! Sicherlich sproßt dir Verstand und kluge Kunde der Dinge Hurtiger noch als der Bart, bist gewitzt im Reden und Schweigen. Drum, sobald sich dem Völklein die Galle erregt, daß es aufkocht, Drängt dich dein Herz, Stillschweigen dem hitzigen Schwarme zu bieten Mit erhabner Gebärde der Hand. Und was sagst du? „Quiriten, Dies ist, glaub mir's, nicht recht; das übel; richtiger jenes". Wägst ja als Kenner das Rechte, selbst wenn die Schalen der Waage Schwanken, vermagst das Grade herauszufinden, auch wo's mit Krummem vermengt und des Richtscheits Kante verbogen und falsch ist, Und bist trefflich im Stand auf das Laster den Makel zu brennen! Drum weshalb, nichtsnutziger Tropf im glänzenden Felle, Schlägst du dein Rad wie ein Pfau schon am Morgen vor gleißendem Völkchen, Da dir ein antikyräischer Trank doch gedeihlicher wäre? Was ist dein höchstes Gut? An fetter Schüssel zu leben Stets und in wärmender Sonne beständig die Haut dir zu pflegen? IV



43 —

expecta haut aliud respondeat haec anus i nunc dinomaches ego sum suffla sum Candidus esto dum ne deterius sapiat pannucea baucis cum bene discincto cantaverit ocima vernae ut nemo in sese temptat descendere nemo sed praecedenti spectatur mantica tergo quaesieris nostin vettidi praedia cuius dives arat curibus quantum non miluus errat hunc ais hunc dis iratis genioque sinistro qui quandoque iugum pertusa ad compita figit seriolae veterem metuens deradere limum ingemit hoc bene sit tunicatum cum sale mordens caepe et farratam pueris plaudentibus ollam pannosam faecem morientis sorbet aceti at si unctus cesses et Agas in cute solem est prope te ignotus cubito qui tangat et acre despuat hi mores penemque arcanaque lumbi runcantem populo marcentis pandere vulvas tunc cum maxillis balanatum gausape pectas inguinibus quare detonsus gurgulio extat quinque palaestritae licet haec plantaria vellant elixasque nates labefactent forcipe adunca non tarnen ista filix ullo mansuescit aratro

Warte nur: solcherlei Antwort gab hier auch die Alte. So geh mir! „Bin der Dinomache Sohn", so bläh dich, „im Glänze der Jugend!" Sei's drum. Doch an Verstand kommt gleich dir die Baucis in Lumpen, Wenn sie dem redlich verlotterten Hausknecht ihr Kräutlein berühmet. Wie doch Keiner versucht in sich selber zu steigen, nicht Einer! Doch auf des Vordermanns Rücken, da freilich sieht man die Hucke! Fragst du: „Ist dir bekannt das Gut des Vettidius?" „Welches?" „Ei, des Reichen: er pflüget zu Cures so weit als kein Weih fliegt." „Meinest du den, der von Göttern und guten Geistern verlassen, Der, sobald er das Joch an zertrampeltem Kreuzweg gehängt hat, Angst hat, vom winzigen Logel das alte Spundpech zu kratzen, Dann überm »Prost mir« stöhnt und gesalzene Zwiebel samt Schale Frißt, und während die Burschen den Napf voll Sterzbrei bejubeln, Selber die flockigen Kahme vom sterbenden Essig herabschlürft?" Doch wenn gesalbt du dich räkelst und nagelst die Sonne aufs Fell dir, Steht schon ein Fremder zur Seit', mit dem Eilbog schubsend, und giftig Geifert er los: „Dies Benehmen! Das Glied und alles Geheimnis Blankzujäten der Scham und dem Volke die Lefzen zu bieten! Da du dir doch an der Wang den pomadigen Woilach frisierest, Warum steht aus den Leisten dir kahl der geschorene Wurm vor? Mögen gleich fünf Athleten an diesem Dickicht auch rupfen und den gebrühten Steiß mit krummen Zangen verzerren: Dennoch vermöchte kein Pflug dies wuchernde Farnkraut zu zähmen!" IV



45



caedimus inque vicem praebemus crura sagittis vivitur hoc pacto sic novimus ilia subter caecum vulnus habes sed lato balteus auro praetegit ut mavis da verba et decipe nervos si potes egregium cum me vicinia dicat non credam viso si palles inprobe nummo si facis in penem quidquid tibi venit amarum si puteal multa cautus vibice flagellas nequiquam populo bibulas donaveris aures respue quod non es tollat sua munera cerdo tecum habita noris quam sit tibi curta supellex.



46



IV

Ja, wir treffen, und bieten im Wechsel die Schenkel den Pfeilen! Dieser Manier wird gelebt, so kennen wir's. Unter den Weichen Trägst du blind deine Wunde, doch breit der Gürtel von Golde Deckt sie. So, wie du willst, mach Worte und täusche die Nerven, Wenn du's vermagst. „Wenn wacker die Nachbarn mich heißen, wie sollt ichV Da nicht glauben?" Doch bleichst du, Schurke, wenn Groschen sich zeigen, Tust du, was immer dir grad in den Schwanz kommt, und schwingst du an herber Börse mit kaltem Bedacht die striemige Peitsche des Wuchers: Nichts dann hilft's dir, dem Volk das durstige Ohr zu verschenken ·—! Spei drauf, was du nicht bist! Behalt sein Geschenk der Banause! Lebe mit dir: du merkst's, wie arg dir dein Hausrat gestutzt ist!

IV



47



S ΑΤ V R Α QUINTA Vatibus hie mos est centum sibi poscere voces centum ora et linguas optare in carmina centum fabula seu maesto ponatur hianda tragoedo vulnera seu parthi ducentis ab inguine ferrum quorsum haec aul quantas robusti carminis off as

5

ingeris ut par sit centeno gutture niti grande locuturi nebulas helicone legunto si quibus aut procnes aut si quibus olla thyestae fervebit saepe insulso cenanda glyconi tu neque anhelanti coquitur dum massa Camino

10

folle premis ventos nec clauso murmure raucus nescio quid tecum grave cornicaris inepte nec scloppo tumidas intendis rumpere buccas verba togae sequeris iunctura callidus acri ore teres modico pallentis rädere mores doctus et ingenuo culpam defigere ludo hinc trahe quae dicis mensasque relinque mycenis cum capite et pedibus plebeiaque prandia noris

15

FÜNFTE SATIRE Dichtern ist es im Schwange,

sich

hundert Stimmen zu fordern, Hundert Münder und Zungen zu wünschen zu hundert Gedichten, Sei's für des düstern Tragöden maulsperrig-gewaltige Handlung, Seien's die Wunden des Parthers, der trotzig den Dolch aus dem Leib zieht. „Halt nur, wohin? Welch riesige Brocken von grobem Gesänge Stopfst in den Mund du! Da braucht's allerdings ein Hundert der Gurgeln! Wer des Bombastes begehrt, geh Nebel am Helikon sammeln, Mag ihm der Kessel der Prokne, mag der des Thyestes ihm sieden, Sprudelnd, zum ständigen Fraß für den albernen Glykon bereitet. Du aber quetschest ja nicht, bis das Schmelzgut kocht in der Esse, Wind aus stöhnendem Balg oder brummst bei geschlossenem Mund und Schnarrst vor dich hin wie ein Rabe und pickst erhabenen Blödsinn, Schlägst dir auch nicht auf die Wangen, daß knallend die Luft draus entfahre. Brauchst nur alltägliche Worte, geschickt in gestraffter Verknüpfung, Mäßigen Munds elegant die siechenden Sitten zu kratzen, Klug auch, mit schicklichem Scherz vom Unrecht den Schleier zu lüpfen. Hieraus nimm deinen Stoff; das Königsmahl, Kopf samt den Füßen, Laß in Mykene und lern des Volkes Speise zu teilen!"

non equidem hoc studeo pullatis ut mihi nugis pagina turgescat dare pondus idonea f u m o secrete loquimur tibi nunc hortante camena excutienda damus praecordia quantaque nostrae pars tua sit cornute animae tibi dulcis amice ostendisse iuvat pulsa dinoscere cautus quid solidum crepet et pictae tectoria linguae hie ego centenas ausim deposcere voces ut quantum mihi te sinuoso in pectore fixi voce t r a h a m pura totumque hoc verba resignent quod latet arcana non enarrabile fibra cum primum pavido custos mihi p u r p u r a cessit bullaque subcinctis laribus donata pependit cum blandi comites totaque inpune subura permisit sparsisse oculos iam Candidus umbo cumque iter ambiguum est et vitae nescius error diducit trepidas ramosa in compita mentes me tibi supposui teneros tu suscipis annos socratico cornute sinu tunc fallere sellers adposita intortos extendit regula mores et premitur ratione animus vincique laborat artificemque tuo ducit sub pollice vultum tecum etenim longos memini consumere soles

Nicht ist dies mein Begehr, mit Trödel im Trauerkostüme Aufzublähen

mein

Blatt

und

Gewicht

zu

verleihen dem Dunste. Wir sind ganz unter uns. Drum biet nach Geheiß der Kamöne Heut ich zur Probe mein Herz, und, welcher Teil meiner Seele Dir, Cornutus, zu eigen gehört, das, Freund, dir zu zeigen Macht mich so froh. Poch an denn, denn kundig bist du, zu scheiden Guten, gediegenen Klang von der Tünche buntschillernder Rede! Hier möcht' ich wohl mich getraun mir hundert Stimmen zu wünschen, Daß, wie tief du mir haftest im innersten Winkel des Herzens, Reinen Klanges ich sag', und ganz mein Wort offenbare, W a s im Geheimnis der Brust an Unsagbarem geborgen. Als,

ein

schüchterner

Knabe,

dem

hütenden Purpur entwachsen, Mein Amulett ich gehängt, den gegürteten Laren zur Gabe, Als nachsichtig die Freund', und der weiße Gewandbausch erlaubte Frei durch die ganze Subura die Augen flanieren zu lassen, W o man am Scheideweg steht und weltunkundiger

Irrtum

Locket den zagenden Sinn auf vielverästelte Pfade, Hab ich mich

dir unterstellt. Du nahmst

die

gefährdeten Jahre Unter sokratischen Fittich, Cornut. Und mit sorglicher Täuschung Rückte dein Richtscheit verbogene Sitten zurecht und gerade,

Wurde der Sinn von Vernunft übermannt und — er wollt' unterliegen! — Ließ sich von dir mit dem Daumen zum kunstreichen Bildnis gestalten. Denkt mir's doch gern, wie so oft ganze Tage mit dir mir vergingen, V

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51

-

et tecum primas epulis decerpere noctes unum opus et requiem pariter disponimus ambo atque verecunda laxamus seria mensa non equidem hoc dubites amborum foedere certo consentire dies et ab uno sidere duci nostra vel aequali suspendit tempora libra parca tenax veri seu nata iidelibus hora dividit in geminos concordia fata duorum saturnumque gravem nostro iove frangimus uua

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nescio quod certe est quod me tibi temperet astrum mille hominum species et rerum discolor usus velle suum cuique est nec voto vivitur uno dissimilis cunctis vox vultus vita voluntas

538

mercibus hie italis mutat sub sole recenti rugosum piper et pallentis grana cumini

15

hie satur inriguo mavult turgescere somno hie campo indulget hunc alea decoquit ille in venerem putris sed cum lapidosa cheragra fecerit articulos veteris ramalia fagi tunc crassos transisse dies lucemque palustrem et sibi iam seri vitam ingemuere relictam at te nocturnis iuvat inpallescere chartis cultor enim iuvenum purgatas inseris aures



Wie ich mit dir noch der Nacht einen Teil abzwackte beim Mahle. Gleich war uns Arbeit wie Ruhe, uns beiden gemeinsam verteilet, Und der Ernst wird uns beiden gelöst am bescheidenen Tische. Zweifle mir nicht, daß uns beiden im festen Bunde die Tage Gleichen Gesetzes bestimmt und von Einem Sterne gelenkt sind, Sei es, daß schwebend verharre die Waage, dran beiden die Parze Abgewogen die Zeit ohne Wank, oder daß den Getreuen Schon von Geburt in Eintracht ein Zwillingsgeschenk war beschieden, Sei's, daß das Dräuen Saturns mit Juppiters Hilfe wir brechen: Irgendein Stern ist's gewiß, der mich mit dir hat verflochten. Menschlicher Arten sind tausend, buntscheckig der Dinge Benützung; Jeder hat eigenen Wunsch, nicht lebt man nach einerlei Willen. Allen verschieden ist Stimme und Miene und Leben und Neigung: Dieser tauscht f ü r italische War' unter rüstiger Sonne Runzligen Pfeffer sich ein und die Körner des bleichenden Kümmels, Der läßt sich lieber, gesättigt, ein rieselndes Schläfchen gedeihen; Der ist erpicht auf den Sport, den laugen die Würfel aus: jener Schmachtet am Lieben sich welk. Doch wenn die steinichte Handgicht Ihnen die Finger verkrüppelt zu dürrem Buchengezweige, Dann, daß im Fett ihre Tag' und im Sumpfe das Licht sei vergangen, Seufzen sie, wehe, zu spät, daß ihr Leben vertan und versäumet. Du aber freust dich daran, an nächtigen Büchern zu bleichen, Denn als Wahrer der Jugend säst in gereinigte Ohren

fruge cleanthea petite hinc puerique senesque finem animo certum miserisque viatica canis eras hoc fiet idem eras flet quid quasi magnum nempe diem donas sed cum lux altera venit iam eras hesternum consumpsimus ecce aliud eras egerit hoc annos et semper pauhim erit ultra nam quamvis prope te quamvis temone sub uno vertentem sese frustra sectabere canthum cum rota posterior curras et in axe secundo libertate opus est non hac ut quisque velina publius emeruit scabiosum tesserula far possidet heu steriles veri quibus una quiritem vertigo facit hie dama est non tresis agaso vappa lippus et in tenui farragine mendax verterit hunc dominus momento turbinis exit marcus dama papae marco spondente recusas credere tu nummos marco sub iudice palles marcus dixit ita est adsigna marce tabellas haec mera libertas hoc nobis pillea donant an quisquam est alius liber nisi ducere vitam cui licet ut libuit licet ut volo vivere non sum liberior bruto mendose colligis inquit stoicus hie aurem mordaci lotus aceto

Du die kleanthische Saat. Hier suchet, so Jugend wie Greise, Stetiges Ziel für das Herz und dem traurigen Alter ein Zehrgeld. „Morgen geht's!" Und so geht's auch morgen! „So großes Getue Um einen einzigen Tag?" Doch sobald's das nächstemal hell wird, Schon ist das gestrige „morgen" verbraucht, und siehe, so jagt das Andere „morgen" die Jahre davon und bleibet im Vorsprung; Denn, obgleich

dir

so nah,

obgleich

an

der nämlichen Langwid, Haschst du doch ewig umsonst nach der vor dir kreisenden Felge, Wenn du als hinteres Rad und an zweiter Achse mußt laufen. Freiheit ist not. Nicht die eines Publius aus der Velina,

Der, aus Knechtschaft gelöst, mit dem Gutschein stickiges Korn holt! Weh euch, der Wahrheit verdorrt, denen Bürgerfreiheit die bloße Wendung erzeugt! Hier Dama, der Stallknecht, Dreigroschenhalunke, Triefaug vom Saufen, Halunk', der den Gaul ums Häcksel begaunert: Dreht ihn sein Herr nur herum, gleich fällt aus der Mühle heraus ein Marcus Dama. „Verdammt, der Marcus bürgt und du sträubst dich Geld mir zu borgen? — Der Marcus ist Richter: was brauchst du zu zagen? — Marcus sagt's und da stimmt's! — Hier, Marcus, zeichne das Schreiben!" Reinste Freiheit ist das! Damit bedenkt uns die Kappe! „Aber wer sonst wäre frei, als wer nach Wunsche sein Leben Zubringen darf? Nun darf, wie ich will, ich leben. Wie sollt ich Freier als Brutus nicht sein?" „Einen Trugschluß begehst du", versetzt der Stoiker da, dessen Ohr mit beißendem Essig gespült ist:

haec reliqua accipio licet illud et ut volo tolle vindicta postquam meus a praetore recessi cur mihi non liceat iussit quodcumque voluntas excepto siquid masuri rubrica vetavit

90

disce sed ira cadat naso rugosaque sanna dum veteres avias tibi de pulmone revello non praetoris erat stultis dare tenvia rerum officia atque usum rapidae permittere vitae sambucam citius caloni aptaveris alto

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stat contra ratio et secretam garrit in aurem ne liceat facere id quod quis vitiabit agendo publica lex hominum naturaque continet hoc fas ut teneat vetitos inscitia debilis actus diluis elleborum certo conpescere puncto



nescius examen vetat hoc natura medendi navem si poscat sibi peronatus arator luciferi rudis exclamet melicerta perisse frontem de rebus tibi recto vivere talo ars dedit et veris speciem dinoscere Calles nequa subaerato mendosum tinniat auro quaeque sequenda forent quaeque evitanda vicissim illa prius creta mox haec carbone notasti es modicus voti presso lare dulcis amicis — 56 —

V

„Nehm ich das Andre auch an: das ,ich darf' und .nach Wunsch' mußt du streichen!" „Seit nach des Prätors Schlag als mein eigener Herr ich hinwegging, Warum dürfte ich nicht, was immer mein Wunsch mich auch heiße, Außer es wär' beim Masur durch Rechtsparagraphen verboten." Lern' — doch entschlag dich des Zorns und der Faltengrimass' um die Nase, Während ich dir aus der Brust den Altweibersommer herausfeg! —· Prätors Sache ist nicht, daß er Toren zu zarter Verpflichtung Leit' und zu rechtem Gebrauch des eilenden Lebens sie weise; Eher magst du den klobigen Troßknecht zur Harfe bequemen! Einspruch erhebt die Vernunft und

flüstert

heimlich ins Ohr dir, Keinem sei etwas erlaubt, was er doch, wenn er's tat, nur verdürbe. Offenes Menschengesetz und Natur schließt dieses Gebot ein: Daß der Schwäche und mangelnden Kenntnis das Wirken verwehrt sei. Mischst du den Heiltrank und weißt nicht den rechten Strich am Gemäße Einzuhalten genau, so verbeut dir's das Wesen der Heilkunst. Wenn ein gestiefelter Bauer ein Schiff wollt' führen und wüßte Nichts vom Morgengestirn: wie schrie Melikerta, die Dinge Hätten ihr Antlitz verloren! Doch dir: hat Kunst dir's verliehen Aufrechten Fußes zu leben? Trennst sicher vom Wahren den Schein du, Daß dir kein falscher Klang von Talmi-Gold unterlaufe? Was erstreben man soll und was hingegen vermeiden: Hast du das Erste mit Kreide, dann dies mit Kohle vermerket? Bist du mäßig im Wünschen, lebst karg, doch gefällig den Freunden?

iam nunc adstringas iam nunc granaria laxes inque luto fixum possis transcendere nummum nec glutto sorbere salivam mercurialem haec mea sunt teneo cum vere dixeris esto liberque ac sapiens praetoribus ac iove dextro sin tu cum fueris nostrae paulo ante farinae pelliculam veterem retines et fronte politus astutam vapido servas in pectore volpem quae dederam supra relego funemque reduco nil tibi concessit ratio digitum exere peccas et quid tam parvum est sed nullo ture litabis haereat in stultis brevis ut semuncia recti haec miscere nefas nec cum sis cetera fossor tris tantum ad numeros satyrum moveare bathylli liber ego unde datum hoc sentis tot subdite rebus an dominum ignoras nisi quem vindicta relaxat i puer et strigiles crispini ad balnea defer si increpuit cessas nugator servitium acre te nihil inpellit nec quicquam extrinsecus intrat quod nervös agitet sed si intus et in iecore aegro nascuntur domini qui tu inpunitior exis atque hie quem ad strigiles scutica et metus egit erilis mane piger stertis surge inquit avaritia heia

Kannst du jetzt versperren und dann wieder öffnen den Speicher? Kannst du gelassen vorbeigehn am Groschen, wenn er im Kot steckt, Ohne daß nach dem Funde das Maul vom Speichel dir triefet? „Dieses ist mein, und das halt ich": sagst dies du ehrlich, dann sei mir Frei und weise geheißen in Prätors und Juppiters Namen! Wenn du jedoch, noch jüngst von unserem Mehle gebacken, Haftest im früheren Balg und hegst hinter gleißender Stirne Immer noch

einen

verschlagenen Fuchs

im

verdorbenen Herzen: Dann widerruf ich, was eben ich zugab, und ziehe den Strick fest: Nichts ist's mit deiner Vernunft! Streck den Finger nur aus und schon fehlst du; Und was ist so gering? Doch bringt's kein Weihrauch zu wege, Daß an den Dummen auch nur eine Unze Gerechtigkeit klebe I Beides verbindet sich nie, und wenn du in allem ein Rülp bist, Glücken dir keine drei Takte vom Satyrtanz des Bathyllus. „Ich bin frei." Wie kommst du darauf, du Knecht von so vielem? Oder verkennst du den Herrn, den kein Stab des Prätors dir löset? Schilt man dich: „Los, Bursch, trage die Schaber zum Bad des Crispinus! Was, du zögerst, du Nichtsnutz?", so trifft solch ätzende Knechtung Gar nicht dein eigentlich Ich; nichts Äußeres tritt in dich ein und Setzt dort die Kräfte in Gang. Doch wenn innen in krankender Leber Dir die Gebieter entstehn: kämst leichteren Kaufs du davon als Der, den Peitsche und Furcht vor dem Herrn zum Schaber getrieben? Morgens liegst trag du und schnarchst. „Steh auf", ruft die Habsucht, und „Heda, v

-

59

-

surge negas instat surge inquit non queo surge et quid agam rogas en saperdas advehe ponio casloreum stuppas hebenum tus lubrica coa

135

tolle recens primus piper ex sitiente camelo verte aliquid iura sed iuppiter audiet eheu baro regustatum digito terebrare salinum contentus perages si vivere cum iove tendis iam pueris pellem succinctus et oenophorum aptas

l4"

ocius ad navem nihil obstat quin trabe vasta aegaeum rapias ni sollers luxuria ante seductum moneat quo deinde insane ruis quo quid tibi vis calido sub pectore mascula bilis intumuit quam non extinxerit urna cicutae

145

tu mare transilias tibi torta cannabe fulto cena sit in transtro veientanumque rubellum exhalet vapida laesum pice sessilis obba quid petis ut nummi quos hie quincunce modesto nutrieras peragant avidos sudore deunces

150

indulge genio carpamus dulcia nostrum est quod vivis cinis et manes et fabula fies vive memor leti fugit hora hoc quod loquor inde est en quid agis duplici in diversum scinderis hämo huncine an hunc sequeris subeas alternus oportet -

60

-

I55 V

Auf!" Du sagst nein. Sie drängt. „Auf!" sagt sie. „Ich kann nicht." „Steh auf schon!" „Aber wozu denn?" — „Du fragst? Sardinen holen am Pontes, Bibergeil, Ebenholz, Werg, Weihrauch und koische Kleider; Lade als Erster von durst'gem Kamele den heurigen Pfeffer, Dreh nur ein Ding, einen E i d . ." „Aber Juppiter hört es!" „Du Tölpel! Daß deiner Lebtag du stippst das letzte Krümel vom Salzfaß, Mach dich gefaßt, willst du wirklich dein Leben nach Juppiter richten!" Reichst schon, im Reisegewand, deinen Burschen Rucksack und Flasche: Hurtig zum Schiff! Nichts steht dir im Weg, daß mit tüchtigem Schoner Du die Ägäis durchstürmst — wenn nicht listig vorher die Wollust Seitwärts dich warnt': „Wohin nur, du Rasender, treibt's dich? Wohin nur? Sag, was fällt dir nur ein? Schwillt heiß dir die kräftige Galle Unter dem Herzen so sehr, daß kein Eimer voll Schierling sie löschte? Willst über See? um an Deck, auf Tauen hockend, zu tafeln, Während der bauchige Krug mit schlechtem

vejentischem Rotwein Stinkend nach ranzigem Teer dir zur Seite stehet und dünstet?

Was nur willst du? Das Geld, das mit fünf Prozent du bescheiden Hier kannst füttern, soll schwitzen und gierig dir elfe erschachern? Freu dich des Lebens und Iaß uns das Liebliche pflücken, denn uns ist Nur, was man lebt! und wie bald bist Asche du, Schatten und Schall nur! Lebe und denk an den Tod! Es entfliehet die Zeit, da ich rede!" Nun, wie hältst du's? Ein zwiefacher Haken zerrt hier- dich und dorthin: Folgest du dem oder dem? Unterstell dich im Zwiespalt gehorsam

ancipiti obsequio dominos alternus oberres nec tu cum obstiteris semel instantique negaris parere imperio rupi iam vincula dicas nam et luctata canis nodum abripit at tarnen illi cum fugit a collo trahitur pars longa catenae

16°

dave cito hoc credas iubeo finire dolores praeteritos meditor crudum chaerestratus unguem adrodens ait haec an siccis dedecus obstem cognatis an rem palriam rumore sinistra limen ad obscaenum frangam dum chrysidis udas ebrius ante fores extincta cum face canto euge puer sapias dis depellentibus agnam percute sed censen plorabit dave relicta nugaris solea puer obiurgabere rubra ne trepidare veils atque artos rodere casses

I 70

nunc ferus et violens at si vocet haut mora dicas quidnam igitur faciam nec nunc cum arcessat et ultro supplicet accedam si totus et integer illinc exieras ne nunc hie hie quod quaerimus hie est non in festuca lictor quam iactat ineptus

175

ius habet ille sui palpo quem ducit hiantem cretata ambitio vigila et cicer ingere large rixanti populo nostra ut floralia possint —

62 —

V

Wechselnd den beiden Gebietern, so wirst du sie wechselnd versäumen! Aber wenn du auch einmal dich sträubst und der eben ergang'nen Weisung erwehrst, sag nicht: „Jetzt hab ich die Fessel zerbrochen!" Zerret doch wohl auch ein Hund seinen Haftring heraus, aber dennoch Schleift ihm noch überm Entlaufen am Halse ein Stück seiner Kette. „Davus, geschwind, magst's glauben, gedenk ich das alte Lamento Abzustellen", so spricht Chairestratos, während die Nägel Er sich zernagt: „Oder sollt ich den nüchternen Vettern als Schandfleck Dastehn? mein väterlich Gut heillos mit Schimpf und mit Schande An der verrufenen Schwelle vertun, indes vor der feuchten Türe der Chrysis, bezecht, mit erloschener Fackel, ich sänge?" „Bravo, mein Junge, gescheit! Den unheilwehrenden Göttern Schlachte ein Lamm!" „Aber meinst du, Davus, sie weint, wenn ich ausbleib?" „Kinkerlitzchen, mein Jung'. Sie droht mit dem roten Pantoffel! Wolltest du nur nicht zimperlich sein und das Fanggarn benagen! Jetzt bist du wild und beherzt; doch r u f t sie, sagst gleich du »Ich komm schon«". „Was aber soll ich n u r machen? Selbst wenn sie mich ruft und von sich aus Bettelt, soll ich nicht gehn?" „Hast ehrlich und ganz du gebrochen, Dann selbst jetzt nicht!" Und darauf kommt einzig es an hier, nur darauf, Nicht auf den Stecken des Freispruchs, den albern ein Liktor geschwungen. Lebet nach eigenem Recht, wen klaffenden Maules die weiße Ehrsucht am Narrenseil schleppt? „Halt wach dich und streue die Erbsen Reichlich dem zänkischen Volk, daß einst, sich sonnend, der Greis noch

aprici meminisse senes quid pulchrius at cum herodis venere dies unctaque fenestra

180

dispositae pinguem nebulam vomuere lucernae portantes violas rubrumque amplexa catinum cauda natat thynni tumet alba fidelia vino Iabra moves tacitus recutitaque sabbata palles turn nigri lemures ovoque pericula rupto

185

tum grandes galli et cum sistro lusca sacerdos incussere deos inflantis corpora si non praedictum ter mane caput gustaveris ali dixeris haec inter varicosos centuriones continue crassum ridet pulfenius ingens

190

et centum graecos curto centusse licetur.

— 64



V

Unsrer Floralien denkt I" Was Schöneres gab' es! Doch wenn den Tag des Herodes man feiert und am beschlagenen Fenster öligen Qualm ausspeien die aufgestellten Laternchen Veilchenbekränzt,

und geringelt

zum Kreis

auf rötlicher Schüssel Schwimmet des Thunfischs Schweif, und von Wein schäumt hell die Karaffe, Stumm die Lippen du rührst und erbleichst vor beschnittenem Sabbat: — Dann: Die schwarzen Lemuren, Gefahr zersprungener Eier, Dickwanst-Gallen dazu und der schielenden Priesterin Klapper Hämmern dir Götter ins Herz, die den Körper blähen, sofern du Nicht nach Gebot schon am Morgen drei Knoblauchköpfe gekaut hast. Redest du solches im Kreis krampfadriger Zenturionen, Lacht gleich sein fettiges Lachen der ungeschlachte Pulfen und Gröhlt: „Was gilt schon ein Grieche? 'nen Kreuzer — gehn zwölfe aufs Dutzend!"

ν



65 —

SATVRA S E X T A Admovit iam bruma foco te basse sabino iamne lyra et tetrico vivunt tibi pectine chordae mire opifex numeris veterum primordia vocum atque marem strepitum fldis intendisse latinae mox iuvenes agitare iocos et pollice honesto egregius lusisse senex mihi nunc ligus ora intepet hibernatque meum mare qua latus ingens dant scopuli et multa litus se valle receptat lunai portum est operae cognoscite cives cor iubet hoc enni postquam destertuit esse maeonides quintus pavone ex pythagoreo hie ego securus volgi et quid praeparet auster infelix pecori securus et angulus ille vicini nostro quia pinguior et si adeo omnes ditescant orti peioribus usque recusem curvus ob id minui senio aut cenare sine uncto et signum in vapida naso tetigisse lagoena discrepet his alius geminos horoscope varo

SECHSTE SATIRE Hat dich, Bassus, der Frost schon gelockt zum sabinischen Herde? Lebt dir die Leier bereits und vom würdigen Plektron die Saiten? Zaubrer, der Worte urtümliche Kraft im Verse zu wecken Und den lateinischen Psalter zu mannhaftem Klange zu stimmen, Oder zu jugendlich-tändelndem Spiele mit ehrbarem Daumen Trefflich, ein Greis zwar, geschickt? Mir liegt die ligurische Küste Lau jetzt, es wintert mein Meer, und die Klippe beut ihre breite Flanke dem Blick und das Ufer springt reich an Buchten nach rückwärts. „Schauet — es lohnt sich der Müh' — den Hafen von Luna, ihr Bürger!"; So mahnt Ennius' Herz, er, Quintus, sei beim Erwachen Jäh aus Pythagoras' Pfau ein neuer Homerus geworden. Hier also bin ich, des Pöbels getrost und was braue der Südwind, Der dem Vieh nicht gedeiht, auch getrost, weil dort meinem Nachbarn Fetter sein Acker gerät als der meinige; mögen sich alle, Krethi und Plethi, bereichern: ich lehne es ab, mich im Ärger Alt und bucklig zu grämen und Ungeschmälztes zu essen Oder am Spund nur des säuernden Krugs mit der Nase zu schnüffeln. Andre denken wohl anders. Auch Zwillinge bringst du, Geburtsstern, VI



67 —

producis genio solis natalibus est qui tinguat holus siccum muria vafer in calice empta

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ipse sacrum inrorans patinae piper hie bona dente grandia magnanimus peragit puer utar ego utar nec rhombos ideo libertis ponere lautus nec tenuis sollers turdarum nosse salivas messe tenus propria vive et granaria fas est

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emole quid metuis ocoa et seges altera in herba est ast vocat officium trabe rupta bruttia saxa prendit amicus inops remque omnem surdaque vota condidit ionio iacet ipse in litore et una ingentes de puppe dei iamque obvia mergis

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costa ratis lacerae nunc et de caespite vivo frange aliquid largire inopi ne pictus oberret caerulea in tabula sed cenam funeris heres negleget iratus quod rem curtaveris urnae ossa inhonora dabit seu spirent cinnama surdum

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seu ceraso peccent casiae nescire paratus tune bona incolumis minuas et bestius urguet doctores graios ita fit postquam sapere urbi cum pipere et palmis venit nostrum hoc maris expers faenisecae crasso vitiarunt unguine pultes

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haec cinere ulterior metuas at tu meus heres — 98 —

VI

Ungleichen Sinnes hervor: der Eine netzt einmal im Jahr nur Trockenen Kohl mit der Soß', die er knausernd im Näpfchen gekauft hat, Selber mit heiligem Pfeffer die Platte betauend. Der Andre Bringt bei flottem Gelage sein Gut durch! Ich will das Meine Nutzen für mich, statt mit Steinbutt als Großhans Schmarotzer zu atzen, Noch raffiniert am Geschmack die Drosselarten erkennen. Lebe nach eigener Ernte, mahl ruhig die Kammer — du darfst's ja — Leer. Was fürchtest du? Pflüg'! und die neue Saat steht im Halme. Doch dich ruft eine Pflicht: Vom zerschellten Mäste greift hilfslos Bruttiens Riffe der Freund, und Habe und taube Gelübde Sanken ins jonische Meer ihm; selbst liegt er am Strand und die mächt'gen Götter des Decks dazu; schon bieten die Spanten der lecken Barke den Möwen sich dar: Jetzt brich vom lebendigen Rasen Ab dir ein Stück, dem Verarmten zur Gabe, auf daß er nicht wandle, Abgeschildert auf bläulichem Bild! Dein Erbe im Zorn zwar Kargt dir am Totenschmaus wohl, weil sein Gut du verkürzt; ohne Ehre Gibt er der Urne die Knochen; ob stumpf der Zimmet auch schmecke, Kirschholz den Zeiland verpfusch', wird eifrig er übersehen. „Glaubst du denn schadlos dein Gut zu vermindern? Und Bestius schmält die Griechenmagister: »So gehts: seit hier mit Pfeffer und Datteln Auch das Weisesein Mode, ist alles verdummt uns und albern! Kränkt doch bereits der Schnitter den Sterz sich durch Ölmayonnaise!« Dies nun fürchte noch jenseits des Grabs!" — Du aber, mein Erbe, VI



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quisquis eris paulum a turba seductior audi ο bone num ignoras missa est a caesare laurus insignem ob cladem germanae pubis et aris frigidus excutitur cinis ac iam postibus arma iam chlamydes regum iam lutea gausapa captis essedaque ingentesque locat caesonia rhenos dis igitur genioque ducis centum paria ob res egregie gestas induco quis vetat aude vae nisi conives oleum artocreasque popello largior an prohibes die clare non adeo inquis exossatus ager iuxta est age si mihi nulla iam reliqua ex amitis patruelis nulla proneptis nulla manet patrui sterilis matertera vixit deque avia nihilum superest accedo bovillas clivumque ad virbi praesto est mihi manius heres progenies terrae quaere ex me quis mihi quartus sit pater haut prompte dicam tarnen adde etiam unum unum etiam terrae est iam filius et mihi ritu manius hie generis prope maior avunculus exit qui prior es cur me in decursu lampada poscis sum tibi mercurius venio deus hue ego ut ille pingitur an renuis vin tu gaudere relictis dest aliquid summae minui mihi sed tibi totum est

Wer du auch seist, komm ein biBchen bei Seit* von der Menge und hör mich: Guter, weißt du's denn nicht? Gesandt ist vom Caesar der Lorbeer Wegen der glänzenden Schlappe Germaniens; von den Altären Fegt man erkaltete Asche; jetzt Waffen den Tempeln und KönigsMäntel und gelbliche Schöpf' für Gefangene, gallische Kutschen, Riesige Rheine dazu gibt Caesonia eilends in Auftrag. Göttern weih' ich darum und des Feldherrn Genius hundert Fechterpaare für treffliche Tat. Wer wehrt's mir? So wag's nur! Bist du verstockt, dann ο weh: ö l spend ich dem Volk und Pastetchen Obendrein. Kannst du's verhüten? Sprich laut! „Ich verzichte" so sagst du, „Ausgebeint liegt das Feld nebenan"? Gut, wenn mir denn keine Tante mehr übrig, kein Bäschen mehr ist, nicht einmal des Onkels Urenkelin mir verbleibt, unfruchtbar die Muhme gelebt hat Und von der Großmutter nichts mehr vorhanden: zieh i c h nach Bovillae Oder Aricia: dort find ich Hinz schon und Kunz mir als Erben! „Ein aus der Erde Gebor'ner?" Frag m i c h einmal, wer mir der vierte Vater sei: nicht zwar auf Anhieb, doch weiß ich's; heische noch einen, Und einen sechsten: schon ist's ein Kind nur der Erde; so könnt' mir Hinz oder Kunz nach der Abkunft zum Urgroßonkel schier werden I Vordermann, willst mir schon mitten im Laufe die Fackel entreißen? Dir bin Merkur ich; ich komme als Glücksgott daher, wie man jenen Malet. Paßt es dir nicht? Willst froh sein mit dem, was verbleibet? „'s fehlt was der Summe!" Gemindert ist m i r sie; dir bleibt sie ein Ganzes,

quidquid id est ubi sit fuge quaerere quod mihi quondam 65 legarat tadius neu dicta pone paterna faenoris accedat merces hinc exime sumptus quid reliquum est reliquum nunc nunc inpensius ungue ungue puer caules mihi festa luce coquetur urtica et flssa fumosum sinciput aure

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ut tuus iste nepos olim salur anseris extis cum morosa vago singultiet inguine vena patriciae inmeiat vulvae mihi trama figurae sit reliqua ast illi tremat omento popa venter vende animam lucro mercare atque excute sellers

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omne latus mundi nec sit praestantior alter cappadocas rigida pinguis plausisse catasta rem duplica feci iam triplex iam mihi quarto iam decies redit in rugam depunge ubi sistam inventus chrysippe tui finitor acervi.



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VI

Wie sie auch sei. Verkneif's dir, nach dem zu forschen, was vormals Tadius mir hinterließ, kommandier nicht: „Lasse mir heil nur Das Kapital deines Vaters und leb vom Ertrage der Zinsen I" „ W a s aber bleibt dann übrig?" W a s übrig bleibt? Los jetzt, jetzt schmälz mir, Schmälz mir, Bursche, den Kohl! Soll m i r am Feiertag sieden Brennesselkraut und geschlitzten Ohres ein rauchiger Saukopf, Daß dein Söhnchen dereinst, mit Gänseleber gesättigt, Wenn ihm die wählige Brunst im unstät schweifenden Glied zuckt, Seich' in patrizische Scheide? Ich soll als Schatten und Spinnweb Dastehn, ihm aber schwabbelt vom Schmer der Bauch wie 'nem Metzger? Beut um Gewinn deine Seelel Treib Handel! Stülpe die Welt rings Um nur und um, und laß dich von keinem Trick überbieten, Kappadozische Riesen auf hartem Gestell zu betätscheln. Dopple dein Sach! „Das geschah;

schon dreifach, viermal sogar schon, Zehnmal hat sichs gefältelt. Nun setz mir den Punkt, wo ich Halt mach'!" Der deinen Haufenschluß endet, Chrysipp, er ist endlich gefunden!

VI

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Vita Aulis Persi

Flacci

de commentario Probi Valerii sublata 1

Aules Persius Flaccus natus est pridie nonas Decembres Fabio Persico L. Vitellio coss., decessit VIII kalendas Decembres P. Mario Aflnio Gallo coss.

5

2

natus in Etruria Volterris, eques Romanus, sanguine et affinitate primi ordinis viris coniunctus, decessit ad octavum miliarium via Appia in praediis suis.

3

pater eum Flaccus pupillum reliquit moriens annorum fere sex. < m a t e r > Fulvia Sisennia nupsit postea Fusio 10 equiti Romano et eum quoque extulit intra paucos annos.

*

studuit Flaccus usque ad annum XII aetatis suae Volterris, inde Romae apud grammaticum Remmium Palaemonem et apud rhetorem Verginium Flavum. cum esset annorum XVI, amicitia coepit uti Annaei Cornuti, ita ut nus- IS quam ab eo discederet, < e t > i n d u c t u s aliquatenus in philosophiam est.

5

amicos habuit a prima adulescentia Caesium Bassum poetam et Calpurnium Staturam, qui vivo eo iuvenis decessit. coluit ut patrem Servilium Nonianum. cognovit per Cornutum etiam Annaeum Lucanum aequaevum, auditorem Cornuti. Lucanus mirabatur adeo scripta Flacci ut vix se



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L e b e n d e s A. P e r s i u s aus dem Kommentar des Probus Valerius Aules Persius Flaccus ist geboren am 4. Dezember unter dem Konsulate des Fabius Persicus und des Lucius Vitellius ( = 34 n. Chr.); er ist gestorben am 24. November unter dem Konsulate des Publius Marius und des Afinius Gallus ( = 62 n. Chr.). Geboren wurde er in Etrurien, und zwar in Volterra, als römischer Ritter, und war mit Männern höchsten Ranges durch Blutsverwandtschaft und Verschwägerung eng verbunden. Er verstarb auf seinem Gut an der Via Appia, acht Meilen vor Rom. Sein Vater Flaccus hinterließ ihn bei seinem Tode als Knaben von etwa sechs Jahren. Seine Mutter Fulvia Sisennia heiratete später einen römischen Ritter namens Fusius, mußte aber auch ihn innerhalb weniger Jahre begraben. Seine geistige Ausbildung erhielt Flaccus bis zu seinem zwölften Lebensjahre zu Volterra, dann zu Rom bei dem Grammatiker Remmius Palaemon und bei dem Rhetor Verginius Flavus. Als er sechzehn J a h r e alt war, trat er in freundschaftliche Beziehungen zu Annaeus Cornutus, dergestalt, daö er nirgends von seiner Seite wich, und von ihm wurde er auch bis zu einem gewissen Grade in die Philosophie eingeführt. Als Freunde hatte er von frühester Jugend an den Dichter Caesius Bassus und den Calpurnius Statura, welcher noch zu seinen Lebzeiten als Jüngling starb. Wie einen Vater verehrte er den Servilius Nonianus. Durch Cornutus wurde er auch mit seinem Altersgenossen Annaeus Lucanus bekannt, der ebenfalls ein Schüler des Cornutus war. Lucan bewunderte so —

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retineret recitante eo clamare, quae ille faceret esse vera poemata, sua ludos. sero cognovit et Senecam, sed non ut caperetur eius ingenio. usus est apud Cornutum duorum 25 convictu doctissimorum et sanctissimorum virorum acriter tunc philosophantium, Claudi Agathurni medici Lacedaemonii et Petroni Aristocratis Magnetis, quos unice miratus est et aemulatus, cum aequales essent Cornuti, minor ipse, idem decern fere annis summe dilectus a Paeto Thrasea est, i t a 3 0 ut peregrinaretur quoque eum eo aliquando, cognatam eius Arriam uxorem habente.

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fuit morum lenissimorum, verecundiae virginalis, formae pulchrae, pietatis erga matrem et sororem et amitam 85 exemplo sufßcientis. 7 reliquit circa sestertium vicies matri et sorori, scriptis tantum ad matrem codicillis. Cornuto rogavit ut daret sestertia, ut quidam, centum, ut alii volunt < L > et argenti facti pondo viginti et libros circa septingentos Chrysippi sive bibliothecam suam omnem. verum Cornutus sublatis 4 9 libris pecuniam sororibus, quas heredes frater fecerat, reliquit.

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scriptitavit et raro et tarde. hunc ipsum librum imperfectum reliquit. versus aliqui dempti sunt ultimo libro, ut quasi finitus esset, leviter correxit Cornutus et Caesio Basso, 4 5 petenti ut ipse ederet, tradidit edendum. scripserat in pueritia Flaccus etiam praetextam f uescio et opericon t librum unum et paucos in socrum Thraseae Arriam matrem



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sehr die Schriften des Flaccus, daß er sich, als dieser daraus vortrug, kaum des Ausrufs enthalten konnte: was jener mache, seien wirkliche Gedichte, das Seine seien nur Kindereien. Spät lernte er auch Seneca kennen, jedoch ohne von dessen Wesen angetan zu sein. Bei Cornutus lebte er auch in enger Gemeinschaft mit zwei höchst gelehrten Männern von lauterstem Charakter, welche damals sich mit Nachdruck der Philosophie widmeten: es waren dies der lazedämonische Arzt Claudius Agathurnus und Petronius Aristokrates aus Magnesia; diese bewunderte er sehr und strebte ihnen nach; sie waren gleichaltrig mit Cornutus, er selbst aber war jünger. Zehn Jahre hindurch wurde er auch von Pactus Thrasea innig geliebt, so daß er ihn auch einmal auf einer Reise begleitete; übrigens hatte Thrasea eine Verwandte des Flaccus, Arria, zur Frau. E r war von sanftestem Wesen, von jungfräulicher Schamhaftigkeit, schöner Gestalt und einer beispielhaften kindlichen Anhänglichkeit an seine Mutter, Schwester und Tante. E r hinterließ zwei Millionen Sesterze seiner Mutter und Schwester, wobei sein Testament nur an seine Mutter gerichtet war. Darin bat er diese, sie möge dem Cornutus hunderttausend Sesterze geben; so wenigstens sagen die Einen; andere: es seien 50 000 Sesterze und zwanzig Pfund getriebenen Silbers gewesen und an die siebenhundert Bände von Chrysipp oder seine gesamte Bibliothek. Cornutus jedoch habe zwar die Bücher angenommen, das Geld aber den von ihrem Bruder als Erbinnen eingesetzten Schwestern überlassen. E r schrieb sowohl selten als auch langsam. Auch das vorliegende Buch hat er unvollendet hinterlassen. Am Ende des Buches sind einige Verse weggenommen worden, damit es aussehe, als wäre es fertig. Cornutus nahm einige leichte Verbesserungen daran vor und, nachdem Caesius Bassus ihn a n geregt hatte, daß er es herausgebe, übergab er es seinerseits dem Bassus zur Herausgabe. In seiner Knabenzeit hatte Flaccus auch eine Praetexta und noch ein anderes (??) Buch geschrieben und einige wenige Verse auf die Mutter Arria, die —

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versus, quae se ante virum occiderat. omnia ea auctor fuit Cornutus matri eius ut aboleret. editum librum continuo mirari homines et diripere coeperunt. 9 10

decessit autem vitio stomachi anno aetatis XXX. [sed mox ut a schola magistrisque devertit, lecto Luciii libro decimo vehementer saturas componere instituit. cuius libri principium imitatus est, sibi primo, mox omni- 55 bus detrectaturus cum tanta recentium poetarum et oratorum insectatione, ut etiam Neronem principem illius temporis inculpaverit. cuius versus in Neronem cum ita se haberet: «auriculas asini Mida rex habet», in eum modum a Cornuto, ipse tantummodo, est emendatus: «auriculas 60 asini quis non habet?», ne hoc in se Nero dictum arbitraretur].



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Schwiegermutter des Thrasea, welche sich vor ihrem Gatten getötet hatte. Cornutus jedoch veranlaßte seine Mutter, all dies zu vernichten. Das herausgegebene Buch aber wurde sofort allgemein bewundert, ja man riß sich geradezu darum. Er verstarb an einem Magenleiden im 28. Lebensjahr. [Bald nachdem er Schule und Lehrer hinter sich gebracht hatte, las er das zehnte Buch des Lucilius und fing daraufhin mit Nachdruck an Satiren zu verfassen, wobei er den Anfang jenes Buches (Lucil. X) nachahmte und zuerst sich selber, dann aber alle Anderen durchhechelte und dabei die modernen Dichter und Schriftsteller so scharf hernahm, daß er sogar den damaligen Kaiser Nero angriff. Ein Vers gegen Nero lautete: „Eselsöhrlein hat der König Midas", aber Cornutus änderte diesen Vers — und zwar ausschließlich diesen — in folgender Weise: „Wer hat nicht die Ohren des Eselchens?", damit Nero nicht auf den Gedanken käme, daß dies gegen ihn gesagt sei.]



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ANHANG Textgeschichte Das Satirenbuch des Persius gilt als eines der am unverfälschtesten überlieferten Werke der römischen Literatur 1 ). Das ist kein Zufall, denn der eigenwillige, an kühnen Metaphern, literarisch erstmaligen Wörtern und Vulgarismen überreiche Stil2) erregte sofort das lebhafte Interesse der Grammatiker und Philologen, unter deren hütender Aufsicht das Buch von Anfang an gestanden hat und dem also Zeiten der Vernachlässigung und Verwilderung erspart geblieben sind*). Über die postume Herausgabe durch Cornutus und Caesius Bassus gibt die Vita Aufschluß. Ganz kurz darnach ist die erste Rezension nachweisbar, wenn wirklich — wogegen nichts spricht — der in diesem Zusammenhang genannte Probus identisch ist mit dem bedeutenden Herausgeber des Vergil, Horaz und Lucrez, dem aus Beirut stammenden M. Valerius Probus, der selber ein Zeitgenosse des Persius war. Aus diesem Zusammenhange stammt auch die Persius-Vita. Eine zweite, die sogenannte Sabinus-Rezension, gehört in die Zeit des Prudentius und Augustin und läßt den Stand des Textes um die Wende des 4. zum 5. Jahrhundert erkennen. Faßbar ist sie in der Überlieferungsklasse α, über die deshalb gleich zu reden ist: Von den fast zahllosen erhaltenen Persiushandschriften schließen sich zwei besonders eng zusammen, ohne daß die eine direkt aus der anderen abgeschrieben wäre. Es sind dies 1. eine Handschrift in Montpellier, codex Montepessulanus nr. 212, in karolingischen Minuskeln auf Pergament aus1) Vergl. z. B. S. G. Owen in der praefatio seiner Oxforder Ausgabe 1949: „cum Persio alteram scriptorem Latinum sincerius traditum vix reperias, cuius textus membranarum fide totus innitatur, coniectoris arte nusquam egeat." 2) lacobus van Wageningen bringt in den Prolegomena seiner Ausgabe (Groningen 1911) allein an „vulgären" "Wörtern, ungerechnet die — ebenfalls dazugehörigen — Deminutiva und Komposita, 76 zusammen! 3) Vgl. Ulrich Knoche, Handschriftliche Grundlagen des Iuvenaltextes, Leipzig 1940 S. 35 und ders., Gnomon 10, 1934, S. 591. —

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gangs des 9. J a h r h u n d e r t s geschrieben, mit Α bezeichnet, und 2. eine Vatikan-Handschrift, tabularii basilicae Vaticanae Η 36, etwa im 9. J a h r h u n d e r t auf Pergament geschrieben, mit Β bezeichnet. Beide Codices weisen erstens im Text weitgehende Übereinstimmung auf, bieten zweitens die 14 Choliamben des „Prologs" nach der letzten Satire und haben drittens am Ende folgenden übereinstimmenden Zusatz: Flauius lulius Tryfonianus Sabinus υ. c. (— vir clarissimus) protector domesticus temptavi emendate sine antigrapho meum et adnotavi Barcellone consulibus dominis nostris Arcadio et Honorio V. (— quintum)". Durch diese subscriptio datiert sich also die den beiden Handschriften zugrundeliegende Rezension des genannten Sabinus ins J a h r 402. Unabhängig davon ist ein anderer Überlieferungszweig, in dem die Choliamben vor der ersten Satire stehen und der d u r c h zahlreiche Übereinstimmungen (und zwar: fehlerhafte, denn nur sie beweisen Zusammengehörigkeit!) sich zu einer, hier als β bezeichneten, Klasse zusammenschließt. Die ältesten, besten und f ü r die Textherstellung ausreichenden V e r treter dieser Klasse sind folgende beiden Handschriften: 1. Codex Montepessulanus, einst Pithoeanus (nach einem ehemaligen Eigentümer, Pierre Pithou, 1539—1596, so genannt), Bibliothecae Medicae Η 125, im 9. (allenfalls 10.) J a h r h u n d e r t auf Pergament geschrieben; die berühmte Handschrift enthält hinter dem Persius den Iuvenaltext, stammt aus dem Kloster Lorsch und befindet sich jetzt in Montpellier; sie wird mit Ρ bezeichnet; 2. Codex Laurentianus 37, 19 aus dem 11. J a h r h u n d e r t ; diese Florentiner Handschrift wurde zuerst durch eine Publikation von Ramorino 1904 (in den Studi Italiani) zugänglich gemacht, dann von Friedrich Leo 1910 f ü r die Textgestaltung herangezogen; sie wird mit L bezeichnet. Als selbständiger und weitaus ältester Zeuge, wenn freilich auch nur f ü r ein halbes Hundert Verse (1,53—104) ist ein Palimpsest zu nennen, das sogenannte fragmentum Bobiense, jetzt unter nr. 5750 im Vatikan, das im 4., spätestens 5. Jahrhundert geschrieben (also möglicherweise älter als die Urschrift der Sabinusrezension) ist und zu dem kostbaren D u t zend ältester original-antiker Kapital- und Unzialhandschriften gehört. Obgleich das Fragment f ü r die Iuvenalüberlieferung mehr ausgibt als f ü r Persius, sollte es doch auch hier —

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nicht übergangen sein. Es wird, nach Leos Vorgang, mit Ε bezeichnet. Mit ω bezeichnen wir die Übereinstimmung aller g e n a n n ten vier bzw. fünf Handschriften. Die fast unübersehbare Masse jüngerer Handschriften hat f ü r die Textherstellung kaum einen Wert; kaum, denn daß sie wirklich samt und sonders nur Abschriften ohne eigenen Uberlieferungswert wären, ist eine zwar beruhigende, aber kaum zulänglich bewiesene communis opinio; nur ist zu bezweifeln, ob angesichts des fragwürdigen und auch im g ü n stigsten Falle schwerlich erheblichen Gewinnes sich jemand die Mühe der Überprüfung machen wird. W o an einer Textstelle die E r w ä h n u n g späterer Lesarten sachdienlich schien, geschieht dies unter dem f ü r jüngere und (ein durch Pasqualis berühmtes Kapitel „recentiores non deteriores" sehr problematisch gewordenes „und"!) schlechteren Handschriften üblichen Zeichen Nicht nur f ü r die antike und mittelalterliche Erklärung, sondern auch f ü r die Textüberlieferung wichtig sind die P e r sius-Scholien (hier durch sch gekennzeichnet); dabei handelt es sich um eine Masse teils vortrefflicher, teils höchst verfehlter und alberner Sacherklärungen verschiedener Zeit, deren Grundstock wohl etwa im 9. J a h r h u n d e r t aus R a n d und Interlinearnoten zusammengestellt, darnach m e h r f a c h verändert und bereichert worden ist. In der Neuzeit wurde Persius sehr oft gedruckt. Die Zweibrückener Ausgabe (editio Bipontina) von 1785 zählt zwischen 1469 und 1782 über 250 Drucke des Persius und Iuvenal, dazu 56 Übersetzungen — 25 französische, 10 italienische, 8 deutsche, 6 englische, 3 spanische, 2 vlämische und je eine dänische und griechische — auf. Hier seien nur zwei dieser Ausgaben genannt, nämlich die von N. Frischlin (Basel 1582) und die von I. Causaubonus (erstmalig Paris 1605, zuletzt mit vielen Ergänzungen von F. Dübner Leipzig 1833). Zu einer modernen kritischen Rezension hat Otto J a h n 1843 in seiner auch heute noch bedeutenden kommentierten Ausgabe den Grund gelegt; 1844 gab J a h n die sehr anregenden PersiusErklärungen von C. F. Heinrich heraus, 1851 erschien seine erste, 1869 zusammen mit Iuvenal seine zweite und letzte Textausgabe; diese wurde von Franz Buecheler zweimal n e u bearbeitet (2 1886, " 1893) und fand dann in Friedrich Leo einen dritten ausgezeichneten Überarbeiter ( 4 1910; ein Neudruck, 5, 1932). Von neueren Ausgaben, die gelegentlich noch anderes handschriftliche Material (etwa eine aus Handschriften in C a m —

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bridge, Τ, und Oxford, Ο, konstituierte dritte Überlieferungsklasse γ), aber ohne überzeugenden Nutzen heranziehen, die aber ζ. T. durch wertvolle Sacherklärungen Bedeutung haben, seien folgende genannt: Conington-Nettleship Oxford 2 1874, 8 1893, Nimethy Budapest 1903, van Wageningen Groningen 1911, Villeneuve Paris 1918, Ramorino Torino 1920, S. G. Owen Oxford ( 2 1908, Neudruck 1949). Dem Text hat man im allgemeinen vorwiegend die Handschrift Ρ zugrunde gelegt, das heißt, man hat die P-Lesarten, sofern keine schwerwiegenden Gründe dagegen sprachen, auch gegen das einhellige Zeugnis von α und L in den Text genommen. Ob mit Recht, erscheint mindestens an einer Reihe von Stellen zweifelhaft; zunächst drängt sich gelegentlich der Verdacht einer harmonisierenden Glättung persianischer Eigenwilligkeiten in Ρ auf; wichtiger noch wäre, wenn der Nachweis, zu dem der handschriftliche Befund mehrfach nachdrücklichst aufmuntert, gelänge: daß nämlich Ρ an mehreren Stellen unter Zuhilfenahme der Scholien durchkorrigiert scheint, wobei die Scholien natürlich mit vollem Recht paraphrasieren und ändern dürfen oder sogar müssen — weshalb deren Zeugnis in jedem Falle nur mit großer Vorsicht zu verwenden ist! —, eine Übereinstimmung von Ρ und sch aber gerade deshalb für die Überlieferung nichts bewiese. (Nur als Andeutung gelte der Hinweis auf die folgende adnotatio critica zu 5, 61 und 69 und zu 6,9)). Viel eher bedeutet Übereinstimmung von α und sch ein schwerwiegendes Praejudiz für echte Überlieferung. Aber zu einem Einzelnachweis ist hier nicht der Ort, es muß genügen anzudeuten, daß sich vielleicht doch an etlichen und gar nicht so gänzlich belanglosen Stellen über den Leo'schen Text hinauskommen ließe. So groß die Zahl grammatikalischer, lexicographischer, metrischer und erklärender Bemühungen um Persius auch ist: von der in der Vita bezeugten Begeisterung für den Dichter, die bis ins 18. Jahrhundert hinein lebendig blieb, hat sich nur blutwenig übers 19. hinausgerettet: viel mehr als eine Art flauer Langeweile ist kaum mehr für Persius tätig gewesen; Mommsens Urteil (in der Rom. Geschichte), wonach Persius „das rechte Ideal eines hoffärtigen und mattherzigen, der Poesie beflissenen Jungen" sei, sagt nur unverblümt, was andere mit einer etwas lahmen Apologetik bemänteln; es darf daher als symptomatisch gelten und hat bis in die letzte Auflage der Schanz-Hosius'schen Literaturgeschichte hinein den etwas gereizten und sehr gönnerhaften Ton bestimmt. Zwei Ausnahmen (was nicht sagen soll, daß es die einzigen —

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wären) seien erwähnt, nämlich der voluminöse „Essai sur Perse" von Francois Villeneufe (Paris 1918, nicht identisch mit der Edition von V.!), der auf 540 Seiten con amore neben mancherlei peripherer Gelehrsamkeit doch auch viele wertvolle Ansätze echten Verständnisses bietet, und zuletzt eine Berliner Dissertation von Wolfgang Kugler, „Des Persius Wille zu sprachlicher Gestaltung in seiner Wirkung auf Ausdruck und Komposition" (Würzburg 1940), der (trotz des etwas verwunderlichen Titels) echtes Verständnis f ü r dichterische Form zeigt und vielleicht als der Erste gelten darf, der sich an eine echte Interpretation des Persius gewagt hat. Daß im Einzelnen und Ganzen noch vieles über Kugler hinaus, zuweilen auch gegen Kugler, zu sagen bleibt, mindert den beträchtlichen W e r t dieser Arbeit nicht, die mit Ehren neben andere neue Versuche um ein echtes und würdiges Verständnis des vielverkannten Klassizismus des 1. nachchristlichen J a h r h u n d e r t s — etwa um Ovid, Lucan, den Tragiker Seneca, Valerius Flaccus — tritt und der sich der vorliegende Versuch f ü r manche Anregung im Einzelnen verpflichtet, mehr aber noch im Willen zur Überwindung einer allzu stoffgebundenen, oberflächlich originalitätssüchtigen Geringschätzigkeit und interpretatorischen Stumpfheit verbunden weiß. Denn bei aller Verschiedenheit, ja Gegensätzlichkeit der genannten Dichter des 1. J a h r h u n d e r t s im Einzelnen — wo eben gerade Persius seine eigenen Wege geht! — vollzieht sich in dieser Periode eine Sicherung, Konsolidierung und Aufweitung des dichterischen Ausdrucksvermögens, eine wahrh a f t imperiale Souveränität der Wirklichkeitserfassung und -gestaltung, die alle bloße epigonal-klassizistische Routine hinter sich läßt und von unabsehbarer geschichtlicher Bedeutsamkeit f ü r die Ausformung der romanischen Komponente abendländichen Wesens und zugleich — was schwerer wiegt •—· von jener zeitlosen künstlerischen Echtheit und Genötigtheit ist, die sie allem mäkelnden Vergleichen entzieht und zu einer eigenständigen — wenn auch gewiß nicht abgeklärt „klassischen", sondern nun eben „nach-klassischen" — Weise menschlicher Selbstverwirklichung von eigenem Wert und Rang erhebt, durch deren Vernachlässigung und Verkennung auch das vermeintlich Gültige — die ,hohe Klassik', also hier etwa Vergil und Horaz — aus seinem lebendigen und kontinuierlichen Zusammenhang und Zusammenhalt in eine luftverdünnte Isolierung geriete und die geistesgeschichtliche Landschaft in einem ungeahnten Ausmaße verdüstert und verarmt würde. —

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An der lateinischen F o r m der adnotatio critica durfte, als an der international eingebürgerten und zugleich kürzesten und präzisesten, auch hier um so mehr festgehalten werden, als sie ohnedies demjenigen, der nur die Übersetzung zu lesen gedenkt, kaum etwas zu sagen vermöchte. Die adnotatio verzichtet zwar auf etliche Minutien, will aber doch so viel bieten, daß nicht nur die allenfalls erwägenswerten Varianten sichtbar werden und die Kontrolle des hier gebotenen, von dem Leo'schen mehrfach abweichenden Textes ermöglicht, sondern auch ein einigermaßen zulänglicher Eindruck von Wert und Eigenart der Handschriften und Klassen ermöglicht wird, zu welchem Zwecke auch auf evident F a l sches nicht zu verzichten war. — Kontroversen hinsichtlich der Interpunktion, der Verteilung der Dialoge und ähnliches kamen selbstverständlich nicht in Betracht. Der zunächst vielleicht auffällige, ja anstößige Verzicht auf alle Interpunktionszeichen innerhalb des Urtextes ist im siebenten Abschnitt des Nachwortes begründet. Wie der Herausgeber etwa interpungiert hätte, wenn er es überhaupt hätte tun wollen oder sollen, ist ohne weiteres aus der Übersetzung ersichtlich — jedoch möge sich der Leser auch dadurch nicht bevormundet und der eigenen Mitverantwortung ledig glauben. K o r r e k t u r n o t i z : Nachträglich sei noch hingewiesen auf die soeben (1949) im Artemisverlag Zürich erschienene Sammlung „Römische Satiren (Ennius, Lucilius, Varro, Horaz, Persius, Juvenal, Seneca, Petronius)", eingeleitet und großenteils neu übertragen von Otto Weinreich; von Persius enthält der Band den Prolog und sat. II in Weinreichs Übersetzung (im Versmaß des Originals), dazu sat I, III und V in der sehr freien, in gereimten fünffüßigen Jamben gefaßten Nachdichtung von Hugo Blümner („Satura" 1897), von Weinreich als „die lesbarste" gewählt in der Überzeugung, bei Persius und Juvenal könne „keine der deutschen Gesamtübersetzungen zugleich den Anforderungen an philologische Sicherheit und stilistische Angemessenheit genügen", jedoch freilich mit der gewichtigen Einschränkung: „So wohlgelungen vieles darin (sc.: bei Blümner) ist, fürchte ich doch, sein Persius ist zu g l a t t . . . geworden". Weinreichs eigene Übersetzungsprobe beabsichtigt, als Korrektiv, „ein annäherndes Bild von der Gedrängtheit und auch der Härte der persianischen Diktion zu geben". Übrigens gibt W.s Nachwort ein zutreffendes Bild der eminenten, manchmal unlösbaren Schwierigkeiten, vor die sich der Übersetzer kaiserzeitlicher Satire gestellt sieht. Die einleitende Würdigung des Persius (bes. S. LVI f.) hält sich von Mommsens Geringschätzung (vgl. o. S. 83) fern (schla—

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gend der Einwand: „Solche Jüngelchen" — wie Persius nach Mommsen eines gewesen wäre — „leben keine zweitausend Jahre, und an solche pflegt die antike Philologie ihre gediegene Scholiastenarbeit nicht zu verschwenden") und bekennt sich mit sympathischer Offenheit zu dem Widerspruch zwischen tiefer Wirkung und anscheinender abstruser Manieriertheit (vgl. zu sat. V92I), ohne selbst einen rechten Weg zur Lösung der Aporie zu zeigen; ob der hier versuchte gangbar ist, wird der Leser zu prüfen haben. Adnotatio

Critica

Sigla: Montepessulanus 212 Vaticanus tab. bas. Vat. Η 36 Montepessulanus 125 olim Pithoeanus Laurentianus 37, 19 fragmentum Bobiense, Vat. 5750 scholia ς = codices recentiores ad prologum: litulo choliambi in omnibus mss. carent (codex Oxoniensis t&irtum bibl. Bodleianae Auel. F /, 15, membr. saec. X in editione Oxoniensi S. G. Oweni littera Ο signatus praehet: persii flacci satirarumincipitprohemium);anfepriinajn sat.collocant ß, post sextam a. 1 parnaso Α β parnasso Β 3 post memini add. me to, sed cf. 5, 41 4 pyrenen Ρ Sirenen a pirenem L 5 remitto a Ρ relinquo L lambunt {sup. scr. i ambiunt vel coronant L) β ambiunt a 8 chere L χαίρε sch kere Ρ cere supine (i. e. χαίρε αίι πίνβ sive varia lectio: suum pine) α 9 picamque a picasque ß A2 verba nostra Ρ nostra verba ah 12 refulserit P 1 refulgeat a LP 2 (refulserit: et refulgeat sch) 14 nectar a melos ß (pegaseium melos: in aliis nectar sch). sat. I: persii flacci satyra inci(pit) a perssi flacci satyrarum liber primus L Thebaidorum Persi satura Ρ 8 Romae ς Romae est ß Romaest a 17 leges j legens co (recepit Owen) 31 quid . . . narrent ß quis . . . narret « 36 nunc non A1 Β ß —

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I

n u n c nunc A2 j ille β illi a 44 feci P 1 L 2 fas est ο Ρ 8 L 1 46 haec a L hoc Ρ 53 citreis β Ε cereis a 57 propenso β A 2 protenso « Ε prolento Priscian. G L Κ II 25/ 58 pinsit (pinxit P- pincsit α) ω (ambiguum 'pisat' an 'pisit' legendum sit Diomed. GL Κ I 373) 59 imitari Ε Ρ 1 imitata est a P ' L 66 derigat a P 1 dirigat Ε P 2 L 69 doccmus Ε Ρ 1 videmus a P 2 L 74 cum P 1 quem ο Ρ 2 L 86 doctas ω doctus cj. Scaliger 87 laudatur (ex laudatu corr. Ρ) β laudatis a laudatus Ε bellum hoc hoc bellum (secundum hoc om. a L; est add. L s) ω 88 moveat β moneat a mobeat Ε 92 crudis β cruris a Ε 95 sic Ε si α β 96 cortice β Ε A2 vertice ο 97 vegrandi ex Porphyr. Hor. sat. 12, 129, Serv. Aen. 11, 553 praegrandi ω, c f . v. 124 107 vero a verbo β 108 videsis (is in ras Ρ) β vide a 109 canina β camoena a 111 omncs omnes j omnes a Ρ omnes etenim L j Μ19 me L a P ' L men P 2 s 123 adflate Ρ L 2 afflante α L 1 129 seque Ρ sese α L 131 abaco Ρ ababati L in abato (in ablato A1) a sat. II: ad m a c r i n u m de vitae honestate α L ad plotium macrinum tie bona mente Ρ 2 apponet Ρ apponit a L (Leo) 5 at . . . libabit α L ad . . . libauit Ρ 6 h a u t β aut α 10 ebulliat Ρ 1 L 2 ebullit a P 2 L 1 p a t r u u s ς -ui ο L - u u m P 1 -uo P 2 11 crepet β crepat α 13 expungam Ρ expungas ο L nam et est « L nam est P 1 n a m q u e est P 2 15 sq sancte A L scancte Ρ scanctae Β poscas . . . mergis . . . purgas β -at . . . -it . . . - a t α 18 estne β est ut a L·1 19 alterum cuinam om. a P 1 21 quo Ρ quod α L 37 optet a L (Jahn) optent Ρ (Leo, Owen et alii) 40 rogarit Ρ sch rogabit a L (fort, recte) 41 poscis Ρ poscit a L (dubitare possis, c f . 1,55 ait) 42 pin2 gues L A pingens A 1 Β grandes Ρ (edd.) 43 m o r a n t u r a L P2 miranlur P1 47 f l a m m a s ο L flammis Ρ (Leo) 48 at a L et Ρ 56 perducis β -cit a 58 sitque β sit a 59 a u r u m 2 1 Α β auri A Β 61 terris ω terras Lact. inst. d. II 2, 18 63 ex β om. a 65 haec a L et Ρ (edd.) 66 conchae rasisse ω (concha erasisse Hauthal) sat. I l l : satyrarum III loquitur ad desidi a satira tercia ad desidiosos L increpalio desidiae h u m a n a e Ρ 7 idan a itane L ita nec P 1 ita nunc P 2 9 dicas α L {cf. Serv. Verg. georg. Ill 328.374, Aen. VIII 245, Auson. epigr. 5, 3) oridas Ρ credas ς sch (Leo c f . Eutych. GLK V p. 471, schol Stat. Theb. IV 45) III



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12 querimur ς querimus ο queritur (quaeritur Ρ 2 ) β cf. ad v. 14 13 vanescit Ρ vanescat α L (fort, recte) 14 querimur β querimus a 16 palumbo a L 1 columbo Ρ L 2 sch (edd.) 23 es L sch est α Ρ 26 patella a patella est β 29 -ve Ρ (Serv. Aen. Ill 382, Prise. I I p. 208 et 211) -que a L 37 moverit β -rat a 46 discere a L dicere Ρ non sano Ρ et insano a L l i n d e a versu 52 novam sat. incipit titulo ad eosdem Ρ 56 diduxit s deduxit ω 57 callem A 2 P 2 L (cf. sch, Anth. L. 632,3) collem a P1 60 quod Ρ quo α L dirigis (-gas Ρ 1 ) ω derigis A 2 s (Leo) 66 — 72 affert Augustin. c. d. II 6 66 et ο miseri s ο miseri et ω Aug. 71 elargiri Ρ largiri a L Aug. 75 totum versum praebent β (cf. sch et Prise. I p. 205) om. a 78 sapio 2 satis est Ρ satis est sapio a L 93 sibi A Ρ L tibi Β L 1 rogavit (Ρ 1 ?) ς rogabit P 2 rogabis a L 115 alges Ρ alget a L 118 esse L 2 est α L 1 sat. I V : de his qui ambiunt honores a L (P quartam sat. iam incipit inde a versu I I I 52) 3 hoc ω ο s 9 puta Α 1 Β Ρ 1 (Prise. I I I p. 65) puto A 2 P 2 L 13 es L A 2 sch est Α 1 Β Ρ 19 i nunc Β inhunc P 1 A L 1 i hunc P 2 L 2 21 pannijcea a L pannucia Ρ 25 quaesieris (-ri Ρ 1 ) β -rit α 26 errat Ρ erat a oberrat L 29 veterem Ρ veteris a L (fort, recte) 31 farratam (fariratam « ) . . . ollam a L (Jahn) farrata . . . olla Ρ (Leo) 33 figas P 1 L 2 fricas P 2 L 1 frigas α 40 foreipe Ρ forpice L f o r f i c e a 41 filix α Ρ 2 L 2 felix P 1 L 1 48 amarum ω amorum Joh. Sarisb. 51 es L est α Ρ 52 noris Ρ 1 ut noris α P 2 L sat. V : ad magistrum equitum Cornutum Ρ (L ?) sine titulo a (sine intervallo Β ) 8 proenes a prognes L (Leo) progenes Ρ 13 scloppo (stlopo L ) ω stloppo s sch 15 teres Ρ 1 teris Ρ 2 L terens α rädere α Ρ 2 L rodere P 1 18 ß, om. α (Α 1 Β 1 ) plebeiaque L plebique Ρ 19 pullatis α Ρ L 1 bullatis L 2 (pullatas nugas . . . legitur et bullatis id est ornatis sch) 21 secrete Α 1 Β Ρ -ti A 2 L 26 hie a his (hue L 2 ) β voces a L sch fauces Ρ (Leo) 30 cum β cui a 35 diducit L dea Ρ tra- Serv. Aen. VI 136 36 supposui L 2 sch seposui a Ρ L 1 41 post memini add. me Ρ sed cf. prol. 3 45 hoc a Ρ hec L 53a om. ω restituit ex Anth. Lat. 1 2 nr. 950,8 Kugler, cf. „Anmerkungen" 58 putris set a putriset P 1 L putritset P 8 (. . . legitur et 'in venerem putrit' sch) putret sed ς 59 fecerit a fregerit β (digitos frangit sch) 61 vitam . . .



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IV

reliclam a L vita . . . -ta Ρ (Leo nisns sch., 3, 38 et 4, 31, sed 3, 38 differt, 4, 31 eodem modo acc. pro abl. restituimus, sch ad rem diiudicandam haud satis proficiunt) 63 post enim add. es [ex est) Ρ seil, es supra lineam L 69 hos a L (P 2 ) hoc P 1 (hoc eras quod ais annos eliquat . . . sch) 70 te Ρ se a L 71 sese o L s e P 78 turbinis P 1 L 2 temporis a P 2 L 1 82 hoc β hec a donant a L donat Ρ 84 libuit a P 2 L voluit P 1 87 haec reliqua a L hoc reliquum Ρ (Leo) 92 avias P 2 L aulas P 1 se abias a scabies g 93 erat β erit a tenuia a L tenua Ρ 97 id om. a L 1 vitiavit a Ρ L 1 vitiabit L 2 (edd., sch, sed testimonium sch hoc loco ambiguum est) 102 peronatus L A2 (schol. Hor. epist.II 1, 114) perornatus Ρ perocintus A1, item eiperocinais vel perocincus B 2 105 veris Ρ veri a L Prise. I p. 433 speciem Ρ Prise, specimen a L 108 notasti Ρ (schol. Hor. sat. II 3, 246) notasse α L 109 es a L et Ρ 112 glutto a L (sed intell. abl., non nom. ut voluerunt quidam edd.) gluttu Ρ (Leo) 116 politus Ρ -tas a -ta L 123 satyrum a L satyri Ρ sch (schol. Hor. epist. II 2, 125) 124 sentis α L l (cf. Hor. sat. II 2, 31 unde datum sentis) sumis Ρ L 2 (Leo) 129 iecore α L 1 pectore Ρ L 2 (sch: . . . pectus animumque tot dominationes obsederunt) 130 qui s quid a L quin Ρ 134 rogas ω respondet 'rogat' sch 138 baro α Ρ 1 varo A2 P 2 ,L 141 quin Ρ qui in α quin in L 145 quam Ρ 1 L 2 quod a P 2 L 1 146 tu α Ρ tune L 1 tun L 2 157 tu cum Ρ tuum α cum tu L 159 adripit a (L1) arrumpit P 1 L 2 arripit P 2 161 hoc a Ρ L 2 ut L 1 167 depellentibus Ρ L 2 pellentibus a L 1 172 arcessat Ρ accessor a accersor L 174 ne β nunc (bis) a nec ς quod a Ρ quem L 175 quam Ρ quem a L 176 ducit a L (Leo) tollit Ρ (Buecheler) 186 tum a L hinc Ρ 190 pulfenius Ρ fulfenius a uuelfennius L pulfennius g 191 curto β cureo a uno Prise. Ill p. 410 licetur L ligetur a Ρ sat. VI: — A ode quinta Β ad cestum bassum lycurium poetam Ρ cesium bassum lyricum persius alloquitur L 2 iamne β nec a 6 lusisse Ρ L 2 iussisse a L 1 9 portum a P 2 L praetiumP cognoscite a L cognoscere Ρ (ο cives, operae pretium est portum . , . cognoscere sch) 12 vulgi a P 2 L volgi P 1 15 orti L horti Ρ 19 genio a L ingenio Ρ 23 rhombos Ρ scombros a L (ut 1,43) 24 turdarum P l (turdarum abusive posuit cum turdorum dicere debuerit seh, Sergius et Pompeius IV p. 494, V p. 161 K) turdorum a P 2 L 26 metuis α L metuas Ρ (Leo) 27 ast a P 2 L a ( t aut d eras.) Ρ at Leo VI



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(cf. 2,39. 6,74) 35 i n h o n o r a α i n o d o r a ( i n h o d o r a Α 2 ) β (aut i n o d o r a . . . aut i n h o n o r a SCÄ) cinnaraa « P L * b a l s a m a L 1 37 et a P 1 L sed P 2 40 crasso L crassa α Ρ (fort. fem. tolerandum; iam Leo affert carm. epigr. 447,4 a c e r b a e terminis) 41 haec c i n e r e β h i c m e r i d e ( - d i Β) ο 44 c l a d e m a L c a u d e m P 1 l a u d e m P 2 46 claraides a L Prise. I p. 333 et 350 c l a m i das Ρ captis P 1 Prisc.(bis) v i c t i s a L P 2 51 l a r g i o r β Prise. I p. 479 l a r g i a r ο a d e o α a u d e o β (non te a u d e o p r o h i b e r e seh) 60 e x i t α Ρ 2 exstat β 63 v i n a L {ct. Hör. sat. 19,70) vis Ρ 69 c o q u e t u r α L P 2 c o q u a t u r P 1 71 tuus iste L tusista Ρ tuus h i c ο 76 n e c a L n e Ρ 77 plausisse Ρ seh pauisse α L 80 inventus L P 2 iuventus β Ρ 1 explieuit (corr. in explicit) persius thebaidorum satura f e l i citer utere semper f e l i x Ρ persi flacci satyrarum explicit feliciter vita eiusdem α (subiungunt choliambos) finit persii liber flacci. explicit intortus per totum persius horcus L . Vita Für die Vita darf auf die Beigabe eines kritischen A p p a rates verzichtet werden, zumal der textus reeeptus im w e s e n t lichen als gesichert gelten kann. I n § 6 hat Friedrich L e o (Griech.-röm. Biographie, 1901 S. 18) das ( o f f e n b a r einhellig überlieferte) formae durch famae ersetzt, weil ihm die E r wähnung einer äußeren Qualität zwischen verecundia und pietas dispositionell untragbar schien; aber damit w ä r e die einzige Bemerkung über die leibliche Beschaffenheit des P e r sius hinwegkonjiziert, und das heißt: ein kleines L o c h ausgefüllt dadurch, daß man ein großes aufreißt. W i r sind also (wie übrigens schon van W a g e n i n g e n , Owen u. a.) bei formae geblieben. Daß in § 7 nach volunt eine Zahl ausgefallen sei, hat man schon f r ü h e r bemerkt; Buecheler ersetzt das volunt durch L ( = 5 0 ) , hier wurde die Zahl eingefügt — an sich ist die Sache kaum von Belang. Ob man in § 9 bei der Zahl XXX (statt X X I 1 X ) Irrtum des Biographen oder handschriftliche Verderbnis annehmen soll, bleibe unentschieden; sicher ist jedenfalls, daß die Zahl XXllX das sachlich Z u t r e f f e n d e gibt. Anmerkungen Die folgenden Anmerkungen geben nur das zum e l e m e n taren Sachverständnis E r f o r d e r l i c h e : das dichterische V e r ständnis wollen sie weder gängeln noch ersetzen. Auch ist nicht beabsichtigt, bei mythologischen und literarischen A n spielungen die ganzen Zusammenhänge, V o r l a g e n und Diver—

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genzen heranzutragen, sondern höchstens einmal den Durchblick auf solche Beziehungen freizugeben. Noch weniger konnte, obgleich das vielleicht triftiger gewesen wäre, auf sprachliche Besonderheiten und Eigenwilligkeiten eingegangen werden: eine Stilanalyse eine Oikologie von Wörtern, Satzbau und Denkform, ihre Abhebung gegen Vorhergegangenes, Danebenliegendes und Nachfolgendes würde eine w e der geforderte noch angängige Ausführlichkeit bedingt und einen wissenschaftlichen Anspruch vorausgesetzt haben, der über den hier erhobenen hinausginge; es sei denn, man wollte das Bemühen, in der Übersetzung von der sperrigen, das nach Wuchsboden und Höhenlage des Tons höchst Disparate hart zusammenbindenden Manier dieses Stiles etwas einzufangen, als einen behelfsmäßigen Versuch in dieser Richtung gelten lassen. Zum Vorspruch: Ob es sich bei diesen 14 Versen wirklich um einen echten „Prolog" zu den sechs Satiren oder nicht vielmehr um ein selbständiges versprengtes Werkstück eigenen Anspruchs, um eine eigene ,Satire' oder nur um ein Praeludium zur ersten Satire, oder gar — wie man auch gemeint hat — um ein gar nicht dem Persius gehörendes verirrtes Fragment unbekannter Herkunft handelt, soll hier unerörtert bleiben. An der Echtheit des Stückchens freilich scheint uns nach Thema und Durchführung, nach Inhalt und Stil ein Zweifel nicht angezeigt. Die F o r m : zwei siebenzeilige Gruppen, unvermittelt aneinandergeschoben und doch innerlich zusammengehörig, im Versmaße des sogenannten Hink-Iambus, eines sechsfüßigen Iambus, dessen letzter F u ß zum Trochaeus umknickt — ein boshaft satirischer Überraschungseffekt, der sich freilich aus antiker, quantitierender Prosodie nicht ohne etliches k o n struierte Klappern und Holpern dem modernen akzentuierenden Versbau fügt — wie ja übrigens von allen Versuchen von Formkünstlern wie Friedrich Rückert, antike Maße deutscher Dichtung nutzbar zu machen, kaum einem so wenig Erfolg und Nachfolge beschieden war. 1: „Gaulsquell": parodisch-triviale Übersetzung der Dichterquelle Hippokrene (vgl. auch unten zu sat. 3,53), die zusammen mit Parnaß, Helikon und Peirene zum Apparat poetischer Begnadung, Erwähltheit und enthusiastischer Entrückung gehört. Das lateinische Ur- und Vorbild solcher charismatischen Prätention ist Ennius. Dieser hatte sich einer Traumerscheinung Homers be— 91 —

riihmt, welcher ihm am P a r n a ß enthüllt habe, seine Seele sei auf ihrem pythagoräischen Seelenwanderweg erst in einen Pfau, dann in den Leib des Ennius eingegangen; dazu vgl. 6, 10 f.; hier richtet sich die Polemik des Persius mehr gegen die als zahllos vorauszusetzenden E n nius-Epigonen als gegen Ennius selber, oder gegen diesen nur, insofern er den Schwulst solcher Selbstapotheosen mitverursacht hatte; denn dergleichen war längst typisch und topisch geworden (ζ. B. Properz 3, 3, 1—6), und je ärmlicher die Substanz, umso üppiger die Drapierung . . . 7: carmen nostrum: gewiß liegt es nahe, in dem ganzen Abschnitt eine Abgrenzung der Satire gegen die höheren Gattungen, wie Epos und Lyrik, zu sehen, zumal horazische Anklänge (sat. 1, 4, 39 ff.) oder die Formel Quintilians (inst. X 1, 93) satura quidem tota nostra est dazu ermutigen. Trotzdem erschöpft sich der Sinn der Aussage durchaus nicht in der Ausgrenzung eines literarischen Genos gegen ein anderes oder gar im Anspruch nationalrömischer Originalität gegenüber den griechischen Vorbildern; die Polemik greift zugleich — in einer f ü r Persius typischen Doppelung — viel tiefer ins Individuelle und hat durchaus den Rang eines ganz persönlichen Bekenntnisses. sat. I:

1: Ein Vers des Lucilius, des Begründers der literarischen Gattung (gestorben 102 v. Chr.), wodurch zugleich auch hier das Genos der Satire gekennzeichnet ist. 4: Im 22. Gesang der Ilias (Vers 99 ff.) scheut Hektor den Tadel des Pulydamas und der troischen Männer und Frauen (wovon bei Persius anzüglicherweise nur die Weiber übergeblieben sind!). Labeo scheint identisch zu sein mit dem v. 50 genannten Attius, Verfasser einer von den Scholien als albern bezeichneten lateinischen Ilias. 8: Die Aposiopese wird, wenn überhaupt, dann erst in v. 121 wieder aufgenommen. 20: titos: zunächst Plural des Namens Titus und geht dann offenbar auf den sabinischen König Titus Tatius, den Mitregenten des Romulus, altrömische Mannhaftigkeit und moderne weibische Dicadence in gewollter Härte nebeneinanderstellend. Aber das Scholion scheint nicht ohne Grund auf einen obszönen Nebensinn anzuspielen ( ... aut certe a membri virilis magnitudine dicti titi): —

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titus ist der ursprünglichen Bedeutung nach ein Vogelname; der Übergang von hier zu sexueller Obszönität ist volkstümlich und auch aus dem Deutschen zu belegen, und gerade bei Persius ist mit der Ausnützung eines Wortfeldes bis an seine entlegensten Ränder zu rechnen. 20: Anklang in W o r t und Sache an Horaz sat. 2, 5, 95 ff. 34: Phyllis und Hypsipyle: Frauengestalten des tröianischen und argonautischen Sagenkreises, deren rührende Schicksale dem sentimentalischen Geschmack der f r ü h e n Kaiserzeit besonders entgegenkamen; etwa bei Ovid (Heroid.), in Hygins Fabeln und schon bei Properz. 43: Wertvolle Bücher wurden mit Zedernöl gegen Mottenf r a ß und Schimmelbildung präpariert, wertlose dagegen als Makulatur zum Einwickeln von Krämerware verwendet; vgl. auch Horaz epist. 2, 1 am Ende. 50: Attius: vgl. oben zu v. 4. 58 ff.: Bezeichnung einzelner Spottgrimassen, der echt italischen sanna, einer ausdrucksvollen höhnenden Gebärdensprache, an der das südländische Volksleben auch heute noch reich ist. 67: Aus den thematischen Anspielungen des Urtextes (in mores, in luxum, in prandia regum) vernahm der antike Leser gleich den Hinweis auf verschiedene poetische Gattungen; die Übersetzung bietet gleich die Auflösung. 72: Palilien, ein Frühlingsfest, am 21. April, dem Gründungstage Roms, zu Ehren der ländlichen Göttin Pales begangen, an dem Hirten und Bauern über brennende Heuhaufen hinwegsprangen: Reinigungsritus und Belustigung in Einem. 73: L. Quinctius Cincinnatus, berühmtes altrömisches E x e m pel; er wurde von den Abgesandten des Senates vom Pfluge weg zur Diktatorwürde geholt — ein balladesker Stoff ähnlich dem des Herrn Heinrich vom Vogelherd. 76 f.: Pacuvius (etwa 220—132 v. Chr.) und Accius (etwa 170—86), die bekanntesten römischen Tragiker (aus deren Werken nur Bruchstücke erhalten sind); Brisaeus ist ein Beiname des Gottes Liber oder Bacchus, dem, als einem Äquivalent des Dionysos, die Tragödie zugehört. Die Bedeutung der Epitheta ist umso schwerer zu fixieren, als sie zugleich tadelnd — im Sinne des fingierten Sprechers — und lobend — im Sinne des Persius — gemeint sind; offenbar liegt sie zwischen dem GroßartigAltertümlichen und dem Derb-Veralteten. Von der Antiope des Pacuv sind Fragmente erhalten; der Stoff gehört zum thebanischen Sagenkreis und liegt auch bei I

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Properz 3, 15 vor; „Warzen" meint wohl Auswüchse des Stückes. Vers 78 gibt ein Beispiel f ü r die Mischung von Ungelenkheit und Größe dieses Stiles, w o f ü r besonders die etwas monströse unnachahmliche Wortbildung luctificabilis zeugt: zweifellos ein Pacuvius-Zitat. 87: „schläfst d u " umschreibt viel zu matt die wüste Obszönität des ceves, das auf päderastische Weibischkeit geht; wieder die Zueinanderordnung des Urbildes altrömischer Männertugend, Romulus, mit ekelerregender Entartung wie oben v. 20. 88 f.: Schiffbrüchige Seeleute zogen bettelnd durchs Land, wobei sie ein gemaltes Bild ihres Unglücks, mit Wrack, Meer und Himmel (daher caerulea tabula 6,33), an einer Stange mit sich trugen, antike Vorläufer der weiland Moritatensänger. Ob Persius hier im Ernst oder ironisch redet, das heißt, ob er dem singenden Bettelmann etwas oder nichts gibt, ist umstritten; die Übersetzung glaubt, im Gegensatz zu früheren, das Ihre getan zu haben, indem sie die Ambiguität zu bewahren sucht statt sie zu vereindeutigen, denn sie scheint uns in Wahrheit auf Persius selber, nicht auf Unverstand der einen oder anderen Interpreten-Partei zurückzugehen. (Über die Bedeutung des Doppelsinnes bei Persius vgl. das Nachwort) ; soweit eine fixe Antwort überhaupt statthaft ist, darf nicht unbeachtet bleiben, daß die gemalte Tafel selber unter der Forderung des verum nec rtocte paratum nicht weniger versagt als das gesungene Lied . . . 93 ff.: Einer Einzelerklärung der Belege f ü r „moderne" Verstechnik bedarf es nicht; es kommt auf die üppig-prikkelnde, perverse Melodik und Rhythmik an, die auch in der Übersetzung synkopisch anklingen sollte (eigentümlich, wie gleichartig die Mittel der Decadence über Zeiten und Sprachen hinweg bleiben: schon Aristophanes polemisiert ganz ähnlich gegen Euripides, und eine n e u zeitliche Kritik an Ravel oder Gershwin könnte sich der gleichen Formeln bedienen). „Waffen und Mann": arma virumque beginnt bekanntlich Vergils Aeneis: vom Zwischenredner wird also dem gerühmten haut goüt der Moderne die reinste Klassik als obsolet und verstaubt entgegengesetzt, womit der sakrilegische Irrsinn dieser ä-la-mode-Ästhetik, drastisch gekennzeichnet ist. 99 ff.: Beispiel der schwülen, überhitzten Pseudo-Bacchantik der Zeit; dafür, daß es Verse Neros wären, die hier eine Moderichtung vertreten, spricht schlechterdings nichts als der horror vacui f r ü h e r e r Kommentatoren. — 94 —

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109: Als Hundsbuchstabe wird das R bezeichnet: hirrire heißt das Hundeknurren; der Sinn: ,man empfängt dich knurrig und brummig'. 113: Schlangen, Drachen, Lindwürmer als unheilwehrende Genien, als Hüter von Gräbern und Schätzen oder auch nur zur Abwehr profaner Befleckung sind, ganz wie in unseren Sagen und Märchen, der Antike geläufig (man denke ans Goldene Vließ oder an das Grab des Anchises); J a h n verweist auf eine Inschrift an einer Mauer des Goldenen Hauses Neros: „Möge sich den Zorn der zwölf Götter und der Diana und des Juppiter Optimus Maximus zuziehen, quisquis lue mixerit aut cacarit", dabei zwei Schlangen gemalt: auf dergleichen, das allbekannt war, spielt Persius an. 115: Lupus, Beiname des C. Cornelius Lentulus, und Mucius: Publius Mucius Scaevola, beides einflußreiche Männer lucilischer Zeit, politische Gegner des Scipio Aemilianus und deshalb von Scipios Freund Lucilius angegriffen. 116—118: glanzvoll-prägnante Charakterisierung der noblen, verhalten-diskreten und den oberflächlichen Blick ironisch betrügenden Sermonendichtung Horazens, mit Anspielung auf Horaz sat. I 6, 5 und I 4, 8. 119—121: Zu Grunde liegt die Erzählung von dem Lyderkönig Midas (vgl. Ovid, Met. XI 96—193; Goethe, Rom. Elegie 20), der einen Musikwettkampf zwischen Apoll und P a n zu gunsten des letzteren entschied und d a f ü r von Apoll mit Eselsohren bestraft wurde, die er sorgsam unter einer phrygischen Mütze verbarg; sein Barbier entdeckte sie aber, und da er das Geheimnis weder ausplaudern d u r f t e noch bei sich zu behalten vermochte, hob er, um es los zu werden, eine Grube aus, sagte seine Entdeckung hinein und bedeckte sie wieder mit Erde; hier eine entzückende Parallele zwischen Grube und Buch (das ja doch keiner liest! vgl. v. 2). Die Fortsetzung der Geschichte: daß aus der Grube Schilf wuchs, das, im Winde säuselnd, das Geheimnis dennoch ausplauderte, bleibt bei Persius im Hintergrund. Die in der Vita und ähnlich in den Scholien zu v. 121 erzählte Geschichte, Persius habe geschrieben: „Eselsohren hat der König Midas", aber Cornutus habe die Stelle geändert, damit Nero sich nicht getroffen fühle, ist doch wohl nichts als eine aus einer Glosse herausgesponnene Fabel: wenn wirklich das quis non habet die Aposiopese quis non von Vers 8 (s. d.) wieder aufnimmt, dann muß es schon deshalb u r sprünglich sein; zudem ist das nur Andeutende und den I

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Zusammenhang als bekannt Voraussetzende der Art des Persius weit gemäßer als die pedantische Nennung des Midas. Über angebliche anti-neronische Tendenzen des Persius, die man allenthalben gewittert hat (vgl. etwa R. C. Kukula, „Persius und Nero", Graz 1923) ist über das oben zu v. 99 Bemerkte hinaus nichts zu sagen. 123f.: Kratinos, Eupolis und der ,.alte Riese", nämlich Aristophanes: die drei großen attischen Komiker des 5. vorchristlichen Jahrhunderts, als Vorläufer der Satire schon bei Horaz sat. 1, 4, 1: Eupolis atque Cratinus Aristophanesque poetae... (6) hinc omnis pendet Lucilius. 130: Arretium, heute Arezzo, etwa 40 km südostwärts Florenz und 80 km ostwärts von Persius' Heimatstadt Volterra, wie dieses eine alte Etruskerstadt (gigantisch gefügte Stadtmauer etruskischer Herkunft in Resten erhalten); ihr berühmtester Sohn, der gerissen-geniale Satiriker Pietro Arretino, den Jacob Burckhardt „einen der Urväter der Journalistik" nannte, zeigt manchen Zug echten Etruskertums, das überhaupt bis in die heutige toskanische Bevölkerung hinein eine staunenswerte Beharrungskraft zeigt und die überlagernden Schichten durchschlägt wie ein alter Blutfleck alle neue Tünche. In der Stelle klingt ein beachtlicher Unterton, nämlich etwas von der allen tiefen Verachtung des kulturell Überlegenen, politisch Unterlegenen gegenüber dem erfolgsatten und organisationstüchtigen Parvenü, der Rom f ü r den echten Alt-Etrusker immer war: jenes resigniert-geringschätzige hors de concours gegenüber den politischen honores, das auch an Mäzen spürbar ist. sat. II: 1: Macrinus: das Scholion nennt ihn Plotius Macrinus, der ein gebildeter Mann, Schüler des (in der Persius-Vita genannten) Servilius und dem Persius in väterlicher Liebe zugetan gewesen sei; sonst unbekannt. — Mit dem .besseren Steinchen' wird angespielt auf eine aus Thrakien stammende Sitte, f ü r jeden guten und schlechten Tag ein weißes oder schwarzes Steinchen in eine Urne zu werfen und daran am Ende den Wert des Jahres zu b e messen. 26: ,Der Priester': Persius sagt Ergenna: ein etruskischer Eigenname; Priesterfunktionen, kultisches Wissen, b e sonders das Blitzritual lag in Rom fast ganz in etruskischer Hand; ein vom Blitz Erschlagener wurde mit einem — 96 —

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S c h a f o p f e r an der Stelle des Unglücks begraben, der Ort blieb als Blitzmal, bidental, unzugänglich. 33: Mittelfinger: digitus infamis, weil mit i h m eine obszöne, beleidigende u n d zugleich u n h e i l a b w e h r e n d e Gebärde gem a c h t w u r d e (die „Feige", n o c h heute in Italien). Eine d e r m a n c h e r l e i Stellen, a u s d e n e n sich die enge V e r b u n d e n h e i t des P e r s i u s mit d e m alten religiösen B r a u c h t u m des Volkes u n d ü b e r h a u p t sein Interesse f ü r gewachsen e n Glauben u n d Aberglauben e r s e h e n läßt. 36: Licini... Crassi: ein Licinus wird als Sklave Caesars u n d Freigelassener des Augustus g e n a n n t ; er w u r d e u n ermeßlich reich u n d so z u m T y p u s des E m p o r k ö m m lings; Crassus, d e r P a r t n e r Caesars u n d P o m p e i u s ' im T r i u m v i r a t , f ü r den die Bezeichnung „ d e r Reiche" z u m N a m e n s b e s t a n d t e i l w u r d e . I m m e r h i n ist doch nicht ganz belanglos, d a ß a u c h z u m vollen N a m e n des Crassus d e r Gentilname Licinius gehört, w a s zweifellos die — a u c h bei Seneca epist. 199, 9, allerdings in u m g e k e h r t e r , d. h. chronologisch richtiger u n d d a h e r völlig unverwechselb a r e r Reihenfolge, vorliegende — Kopulierung d e r beiden N a b o b s begünstigt h a b e n d ü r f t e : E i n h e i t des p e r sonell Getrennten g e h ö r t ebenso zu dieser exemplarischen Signen-Bildung wie u m g e k e h r t a n d e r w ä r t s die D i f f e r e n z i e r u n g des personell Einheitlichen ( w o f ü r etwa auf u n s e r e v o l k s t ü m l i c h e F o r m e l „von P o n t i u s zu Pilat u s " verwiesen sei); a u c h hier darf m a n nicht zu r a t i o n a l u n d präzise sagen, so sei es u n d so sei es nicht! Genaue Ü b e r n a h m e der beiden N a m e n in die Uebersetzung h ä t t e n u r a n t i q u a r i s c h e n Ballast bedeutet, o h n e d a ß die im Urtext v o r h a n d e n e Einheit der V o r stellung e r r e i c h b a r w ä r e . 72: Messalla Corvinus, Konsul 31 v. Chr., ein h o c h g e a c h t e ter R ö m e r seiner Zeit, b e d e u t e n d e r R e d n e r u n d G ö n n e r des E l e g i k e r - K r e i s e s u m Tibull; sein S o h n M. A u r e lius Cotta Maximus Messalinus, n a c h T a c i t u s a n n . 4, 20 haud minus Claris maioribus, sed animo diversus, hier n u r typisch zur K e n n z e i c h n u n g f r ü h e r e r Tüchtigkeit u n d s p ä t e r e r E n t a r t u n g wie 1 , 2 0 u n d 1,87; polemische Absicht gegen eine bestimmte, z u m a l gegen eine n o c h lebende P e r s o n ist in solchen N e n n u n g e n nicht zu suchen, w i d e r s p r ä c h e sogar geradezu d e r satirischen H a l t u n g des Persius, die — a n d e r s als die des l u v e n a l — die p e r s ö n liche Invektive i m m e r h i n t e r die Kritik des S y m p t o m a t i schen u n d Allgemeinen z u r ü c k d r ä n g t .

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sat. III: 4: umbra: der Schattenzeiger der Sonnenuhr; die „fünfte" Stunde entspricht etwa elf Uhr. 5: canicula: der .Hundsstern' Sirius, der die Hundstage bezeichnet. 10: Pergament. 17 f.: pappare — lallare gehören zum zeitlosen Vokabular eines uralten Kinder-Esperanto. 28: Beachtenswert die autobiographischen Züge, mit denen der Etrusker Persius den gescholtenen Tor ausstattet, vgl. auch oben zu 1, 130 und unten zu 6, 55. 39: Der eherne Stier des Phalaris, in dem Menschen verbrannt wurden; anschließend: das Damokles-Schwert. 4 4 : . . . natürlich um eine Augenkrankheit vorzutäuschen. 49: ,Hundswurf': der Einser am Würfel; dann: Zielwurf mit Nüssen oder Kieseln nach einem enghalsigen Krug; dazu das Kreiseltreiben: alles so alt wie neu. 53: die ,weise, mit hosentragenden Medern bemalte Säulenhalle' ist die bunte Halle (στοά ποικίλη) in Athen, an deren Wänden unter anderem die Perserschlacht von Marathon (490) dargestellt war; nach ihr heißt die stoische Philosophenschule; bezeichnend, wie Persius den abgenützten und abstrakt gewordenen Begriff „Stoa" in Anschauung umzusetzen sucht und zu seinem Ursprung zurückzwingt (anders im Ton, aber grundsätzlich doch ähnlich wie oben Vorspruch v. 1. „Gaulsquell"). 56: gemeint ist der Buchstabe Y, in dem die Schule des auf Samos geborenen Pythagoras ein Symbol des Lebens sah von ähnlicher Bedeutung wie die Erzählung von Herakles am Scheideweg; nach einer Strecke der Gemeinsamkeit gabeln sich die Wege: der schmale und steile rechte führt zur Tugend und Weisheit, der breitere links zu Laster und Torheit; vgl. auch 5,34. 65: Krateros, schon bei Horaz als Arzt genannt (sat. 2, 3, 161).

68: Bild des Wagenrennens, dessen Schwierigkeit und Gefahr vor allem im möglichst knappen Umfahren der das Ende bezeichnenden Zielsäulen (metae) lag. 74: der U m b r e r . . . der Marser: italische Klienten, die ihrem römischen Anwalt für seine Verteidigung das Honorar in Naturalien brachten. 79: Arcesilas: Arkesilaos aus Ätolien, der Begründer der mittleren Akademie (Schulhaupt 268—241 v. Chr.). —

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III

..mut. orientalische Gewürzstaude, aus der ein kostbarer Balsam bereitet wurde. 106: Sklaven des Verstorbenen, testamentarisch freigesprochen, daher „Quiriten von gestern", mit der Filzkappe (pileus), die sie zum erstenmal als Freie kennzeichnet, tragen, als letzten Dienst, ihren gewesenen Herrn zu Grabe. sat. IV: I f f . : Der „Meister" ist Sokrates, des „Perikles Zögling" Alkibiades. 13: wörtlich: „und bist im Stande dem Laster das schwarze Theta anzuheften": die athenischen Richter signierten das Urteilstäfelchen mit einem wenn sie auf Todesstrafe (θάνατος) erkannten. 16: wörtlich: „da es dir besser wäre, reine Antikyren zu schlürfen": Es gab zwei Städte namens Antikyra, die eine am korinthischen, die andre am malischen Golf; beide lieferten Nießwurz (helleborus), die als Heilmittel gegen Narrheit genommen wurde; wer aber konzentrierten Helleborus von beiden Antikyras (Plural) braucht, m u ß schon ein ausnehmend hartnäckiger Fall von N a r r heit sein. 20: Die Mutter des Alkibiades, Deinomache, gehörte dem edlen Geschlechte der Alkmaioniden an. Es ist zu b e achten, wie, nachdem die Person des Alkibiades fast schon hinter dem durch ihn repräsentierten Typus verschwunden war, plötzlich wieder ein ganz persönlicher, einmaliger Zug auftritt; so springt das Individuelle ins Generelle und das Generelle ins Individuelle zurück, was dem Gespräch in jedem Augenblick sowohl Gedanklichkeit wie Anschaulichkeit sichert. 28: Das ländliche Compitalienfest wurde im Herbst und F r ü h j a h r den Laren zu Ehren an Kreuzwegen gefeiert; ein Pflugjoch wurde zum Zeichen der Arbeitsruhe an einem Kapellchen aufgehängt und die Sklaven, erst recht die Herren, durften sich gütlich tun. Hier sind die Sklaven so schlecht gehalten, daß ein Topf Brei ihnen als Festmahl gilt — der Herr selber gönnt sich noch weniger. 35: Geht auf die schon griechische Gewohnheit, die Schamhaare zu entfernen; der Sinn: wer es tut, wird verlästert; wer es nicht tut (von v. 39 ab), erst recht: „Der Landmann warf seinen Hut auf die Erde und rief: »Wer ihn IV



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aufhebt, kriegt Hiebe; wer ihn liegen läßt, auch!«", sagt Wilhelm Busch in Eduards Traum. 43: Bild aus der Welt der Gladiatoren; die Metapher des Lebens als einer Fechterschule, wo jeder jeden bekämpft, auch bei Horaz und Seneca. 49: Börse: am Puteal in Rom waren die Wechslertische aufgestellt und spielte sich das Kreditgeschäft ab. sat. V: 4: Nach der Tragödie (v. 3) ist das Epos im hohen Stile gemeint, bezeichnet in Anlehnung an Horaz sat. 2, 1, 14 f.; wobei man freilich über der Freude, ein Vorbild gefunden zu haben, die nüancierende Umprägung bei Persius zu übersehen pflegt: bei Horaz sind die Gallier und Parther bloße Opfer, bei Persius werden sie aktiv gesehen und rücken damit von der Peripherie des Blickfeldes ins Zentrum, gewinnen persönliches Relief und wachsen in das Pathos des „sterbenden Galliers" hinein: das Epos, das hier mit sechs Worten vergegenwärtigt wird, ist pathetisch im Sinne des Lucan, nicht ethisch und gleich gar nicht national im Sinne der Augusteer — wie überhaupt das Nationale und Patriotische bei Persius in einer sehr bezeichnenden Weise ausfällt. 8: Prokne (der andere Uberlieferungszweig schreibt Progne, was als Nebenform möglich wäre) wurde von Tereus um ihrer Schwester Philomele willen aufs schwerste gekränkt und setzte ihm deshalb ihren gemeinsamen Sohn Itys zum Mahle vor; die beiden Schwestern wurden der Verfolgung durch Tereus entrückt, indem die eine in eine Schwalbe, die andere in eine Nachtigall verwandelt wurde. Ähnlich grausig die mykenische (vgl. v. 18!) Geschichte von Atreus, der seinem Bruder Thyestes die eigenen Söhne zur Speise vorsetzt; daher f ü r beide Fabeln das Bild des „siedenden Topfes" angemessen ist. Glyko ein Schauspieler, der als solcher das Greuel-Gericht wieder- und wiederkäuen muß. 23: Über Persius' Verhältnis zu dem Stoiker Cornutus berichtet die Vita. 30: Beim Übergang zum Jünglingsalter, mit 16 Jahren, legten die römischen Knaben die purpurverbrämte toga praetexta ab, zogen die weiße toga virilis an (v. 33!); die bulla, eine goldene, auf der Brust getragene Amulett-Kapsel, wurde in dem Hauskapellchen der bisher schützenden Laren aufgehängt, und die Beschränkungen —

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häuslicher Zucht wurden gelockert: das freiere Leben des jungen Mannes begann (v. 33). Die Subura war die belebteste Straße Roms, der Corso, auf dem Welt und Halbwelt flanierten. 34: Zur Vorstellung des Scheideweges vgl. zu 3,56. 47: Gemeint sind die Sternbilder der Waage und der Zwillinge, beide wieder funktional gesehen und in Anschauung umgesetzt. 52—53a: Mit menschlicher „Art" ist hier zunächst einmal die äußere, leibliche Gestalt gemeint, wobei eine physiognomisch beeinflußte Typologie, eine Korrelation vom Innen zum Außen (statt, wie bei der reinen Physiognomik, umgekehrt) hereinspielt. Das meint auch das Scholion zu 5 2 : . . . ut vultus esse dissimiles, ita actus diversos esse demonstrat; dieses Scholion bildet auch den — nicht zwar einzigen, aber tragfähigsten — Brückenpfeiler zu dem Vers 53 a, der in keiner Persius-Handschrift (und bisher auch in keiner Ausgabe) steht und dessen Echtheit doch mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden darf: Überliefert ist er am Rande einer Petersburger Handschrift des Venantius Fortunatus aus dem 8.19. Jahrhundert als dritter und letzter Vers eines Sinnspruches mit der Überschrift: de diver so usu hominum tres versus; Friedrich Leo hat ihn dort gefunden und in seiner Venantius-Ausgabe 1881 geboten und berichtigt (die überlieferte Wortfolge voluntas vita war umzukehren) ; aber daß die beiden vorhergehenden Verse mit Persius 5,52 f. identisch sind (nur das rerum v. 52 ist durch ein metrisch unmögliches zweites mille ersetzt), ist Leo entgangen (was wundernimmt, da Leo selbst die Jahn-Buecheler'sche Persius-Ausgabe neubearbeitet hat) und wurde erst 1940 von Wolfgang Kugler in seiner verdienstlichen Dissertation entdeckt; daraufhin hat Kugler dann auch den Vers 53 a auf Grund einer umsichtigen Einordnung in das Gedankengut der stoischen PopularDiatribe über die βίοι, besonders unter Heranziehung der vierten Rede des Dio Chrysostomus, mit großer Wahrscheinlichkeit dem Persius vindiziert. (Versausfall findet sich in der Klasse α auch 3, 75 und 5, 18, auch hier durch Testimonium und Scholion, außerdem aber auch durch die Klasse ß, gesichert). 54—65: Reihung von Lebensweisen (Priamel der βίοι) wie bei Horaz carm. 1,1: ein Vergleich vermöchte den Unterschied von klassischer Gelassenheit und nachklassischer Expressivität deutlich zu machen. V

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54: die „rüstige", das heißt noch neue, unermüdete Sonne: der Orient. 55: der Kümmel heißt bleichend, weil er bei starkem GenuB angeblich blaß macht. 64: „kleanthische Saat": Kleanthes (331—233 v. Chr.), Schüler des Zenon und nächst diesem und dem jüngeren Chrysipp (über ihn vgl. die Vita) bedeutendster Vertreter der alten Stoa; bekannt sein Zeushymnos. 73 ff.: will den Unterschied äußerer, amtlich verliehener und wahrer, sittlich gegründeter Freiheit verdeutlichen; dazu wird mehrfach auf die Freilassungszeremonien angespielt: Umdrehen des bisherigen Sklaven, Schlaa mit dem Freilassungsstabe, Filzkappe (vgl. zu 3,106), Annahme eines römischen Namens . 73: Velina: römische Tribus (Stadtbezirk), vgl. Horaz epist. 1, 6, 52. 90: Masurius Sabinus, berühmter Jurist tiberianischer Zeit, schrieb drei Bücher über römisches Recht, worin wie üblich die Titel mit Mennig (rubro minio) hervorgehoben waren; rubrica die Rotschrift, daher die .Rubrik'. 92: Ein als gesucht, verkrampft und übersteigert vielgeschmähter Vers (vgl. noch O. Weinreich, Rom. Satiren, Zürich 1949 S. LVII: „Diese manirierten Kurzschlüsse zwischen zwei Polen des sprachlichen Ausdrucks sind Fehlleistungen . . . " ) ; der Gedanke „Einen von veralteten Vorurteilen befreien" erhält die Form: „während ich dir die alten Großmütter aus der Lunge herausraufe"; das klingt so in der Tat bis zur Abgeschmacktheit gespreizt. Aber das Bild ändert sich doch erheblich, wenn man nicht wie üblich übersieht, daß avia nicht nur ,die Großmutter', sondern auch ein vermutlich zur Gattung des Kreuzkrautes (senecio) gehöriges offizinelles Unkraut heißt, etwa unser Jakobs- oder eher noch Johanniskraut. (Wahrscheinlich handelt es sich gar nicht um zwei verschiedene Wörter, sondern um das gleiche Wort: die Pflanze heißt wohl einfach „Großmutter", ebenso wie bei uns das Pensie, viola tricolor, „Stiefmütterchen" heißt.) Es liegt also ein durchaus sinnreiches Wortspiel vor, zu dem das „ausraufen" ausgezeichnet paßt. Der in der Übersetzung dafür eingefügte „Altweibersommer", der bekanntlich eine fliegende Spinnwebe bezeichnet, dürfte ungefähr den gleichen Doppelsinn haben und daher annähernd aequivalent sein. 103: Lucifer, der Morgenstern, stellvertretend für Gestirnkenntnis überhaupt als Voraussetzung der Navigation. —

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Melicerta (auch Melikertes): mythische Figur, Sohn der Ino, mit dem griechischen Palaimon und dem römischen Portunus identifiziert: ein Meergott. 123: Bathyllus: ein Pantomimentänzer augusteischer Zeit. 126: „Los B u r s c h . . . " : irgendein beliebiger Befehl ohne spezielle Bedeutung, wiederaufgenommen in v. 131. 161—174: Szene aus der Komödie „Eunuchus", welche Terenz in Anlehnung an Menander geschrieben hatte; die gleiche Szene liegt bei Horaz sat. II 3, 259—271 zu Grunde. Man hat darauf hingewiesen, daß Persius anstelle der von Terenz gebotenen Namen die ursprünglichen des Menander einfügt. Aber direkte Benützung Menanders ist damit nicht verläßlich zu beweisen, denn das kann er auch in Marginalien zu der angeführten Horazstelle oder auch zu Terenz gefunden haben. Hier kommt darauf nichts an. 179: die Floralien sind ein Frühlingsfest, bei welchem Spiele und Spenden gegeben wurden, mit deren Hilfe E h r geizige sich bei der Masse beliebt machen konnten. 180—188: Herodesfest: jüdischer Feiertag; anschließend: der Isis und der Kybele-Dienst als Beispiele des immer mehr um sich greifenden synkretistischen Aberglaubens. 185: Lemuren: nachtwandelnde Totengeister, aus dem f ü n f ten Akt von Goethes Faust II bekannt. — Überm Sieden zersprungene Eier als Unheilskünder. 186: Gallen: Eunuchen-Priester der Kybele; die Klapper: Kultgerät der Isis. 190: Pulfenius: einer dieser alten Feldwebel (krampfadrig: vom vielen Marschieren); der Name kommt auch auf Inschriften vor; früher hielt man ihn für germanisch („Wulfen"), aber Wilhelm Schulze hat ihn als etruskisch erwiesen. 191: wörtlich: „bietet hundert Griechen um schäbige hundert As feil"; die Übersetzung hofft Sinn und Ton einigermaßen richtig zu trefTen. sat. VI: 1: Der Lyriker und Metriker Caesius Bassus, von dem auch die Vita berichtet. Nach einer Inschrift (CIL XIV 3471) hatte er ein Gut in Sublaqueum, dem heutigen Subiaco (wo der Heilige Benedikt seinen Orden gründete), etwa 50 km nordostwärts von Rom. Nach den Scholien ist Bassus beim Vesuvausbruch 79 ums Leben gekommen. VI

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7: „mein Meer": das ligurgisch-tyrrhenische: Persius fühlt sich hier daheim, das heißt: er i s t nicht nur, sondern bekennt sich auch als etruskischer Abkunft. 9: Luna, Küstenstadt etwa 40 km nordwestlich von Pisa, jenseits der Nordgrenze von Etrurien in Ligurien. Über Persius' Beziehungen nach Ligurien vgl. unten zur Vita 11. 10 f: Zum T r a u m des Ennius vgl. zum Vorspruch v . l . 32 f.: vgl. zu 1,88 f. 33 f.: der Sinn: dein Erbe wird dich im Tode seinen Ärger über die Schmälerung des Nachlasses entgelten lassen, indem er an den Beisetzungszermonien knausert. 37: Bestius erscheint auch bei Horaz epist. I 15,36; vermutlich eine Figur aus Lucilius, ein altrömischer Eiferer gegen Sittenverderbnis und Intellektualisierung. Übrigens pflegt man den Erben als Subjekt, Bestius als Apposition dazu ( = ut Bestius) zu erklären. Aber genügt nicht, daß beide Möglichkeiten im Lateinischen schlechterdings nicht zu unterscheiden sind? Daß Bestius sich hier stellvertretend und verdrängend vor den Erben schiebt, bleibt in jedem Falle gültig. 39: maris expers: die Stelle hat mancherlei kluge und unkluge Erklärung gefunden. Ich fasse es — das allerdings in Anlehnung an Horaz sat. II 8, 14 gesagt ist, wo es etwa „unvermischt" heißt — als „salzlos", nehme nostrum absolut — wozu man entweder ein substantiviertes esse oder auch ein zweites sapere, im Gegensatz zum importierten, hinzuhören mag — und verstehe also wie übersetzt; Leo trennt übrigens ebenfalls nostrum durch vorgesetztes Komma vom Vorhergehenden, scheint also ähnlich zu verstehen; nur würde ich nach expers einen Doppelpunkt denken und das Folgende also als Beleg f ü r die eingerissene Verderbnis nehmen. Man kann aber auch verstehen: „seitdem die unverdünnte, konzentrierte Weisheit importiert wurde, schmälzt sich der Schnitter den Kohl. (Ein vergleichbares Wortspiel auch bei Plaut. Bud. 517—589.) Eine gewisse Unklarheit wurde jedenfalls bisher noch nicht behoben. 43—51: Als weiteres Beispiel f ü r außergewöhnliche Ausgaben wird ein Triumph eingeführt, und zwar wieder konkret eine bestimmte, bekannte und in sich selber .satirische' Situation: der Kaiser Caligula hatte (39 n. Chr.) einen großartigen Kriegszug gegen Germanen und Britannier —

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vorbereitet, der jedoch völlig im Sande verlief und durch ein von seiner eigenen germanischen Leibwache fingiertes Scheingefecht ersetzt wurde. Auf Grund dieses platten Schwindels inszenierte er einen Triumph, f ü r den die vorgeblichen Beutestücke erst in Rom angefertigt, das heißt, wie Persius sagt: von Caligulas Gattin Caesonia wenigstbietend vergeben werden mußten — bis herunter zu den blonden Perücken f ü r die Pseudogefangenen; vgl. Tacitus Germania 37 ingentes Gai Caesaris minae in ludibrium versae. Selbstverständlich gewinnt diese Farce über den Zusammenhang, dem sie mit viel zu großem Aufwand einen viel zu geringen Dienst erwiese, hinaus eigenes Leben und selbständiges satirisches Gewicht. 49: Fechter: das heißt, er veranstaltet Gladiatorenspiele. 51 f.: vielleicht das vertrackteste Rätselspiel, f ü r das jeder Interpret eine andere Lösung vorschlägt ohne die Gegenargumente zu widerlegen oder sich durch sie widerlegen zu lassen. Zunächst: das adeo v. 51 kann an sich Adverb sein, und η on adeo hieße dann etwa „dies eben nicht" (so J a h n u. a.); es kann ebenso gut 1. Pers. Singular von adire sein, wozu dann hereditatem zu ergänzen wäre: „ich trete das Erbe nicht an" (so van Wageningen 1911 u. a.). Sodann ist das exossatus durchaus zweideutig: wörtlich heißt es „ausgebeint", was die Einen im Sinne von „ausgemergelt", „erschöpft", die Anderen dagegen im Sinne von „entsteint", „von Steinen befreit" und d e s halb also „besonders gut zu bestellen" verstehen, also das genaue Gegenteil. Drittens weiß m a n auch mit dem iuxta nichts Rechtes anzufangen: „neben"? Woneben? Man versteht es als „nahebei", aber ist das nicht eine Verflauung, die nicht nur nichts besagt, sondern eigentlich auch gar nichts besagen darf? Jenachdem schwankt dann auch die Zuteilung des Anfangs von v. 52 an den Dichter (so auch Leo) oder an den Erben. Aber u n s scheint das anschließende age einen Einschnitt und f ü h l baren Neueinsatz zu bezeichnen, so daß man doch um den Personenwechsel unmittelbar davor kaum herumkommt. Vom Folgenden aus ist als einigermaßen g e sichert anzunehmen, daß der präsumptive Erbe irgendwie eliminiert ist, denn Persius sucht ja einen neuen Erben. Also bedeutet non adeo doch wohl ,ich verzichte'; und wenn vor age Personenwechsel ist, dann müssen die vorhergehenden Worte auch noch dem Erben gehören, müssen also den Verzicht begründen und folglich b e sagen, daß das Erbe nichts tauge, umso mehr, als auch VI



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bei der folgenden Erben-Suche vorausgesetzt ist: ,ich finde schon noch Einen, dem es trotzdem noch gut genug ist'. Dann wäre das, auch in der Übersetzung bewußt zweideutig gelassene, exossatus doch als „ausgemergelt" zu verstehen; denn, worauf man auch noch verfallen könnte: mit dem dubiosen iuxta etwas Präziseres anzufangen etwa in der Richtung: ,der Acker daneben ist entsteint, also wird der deinige wohl doppelt steinig " sein', würde doch wohl der Kombination etwas gar zu viel aufbürden. Die Stelle wird wohl ziemlich verschwommen bleiben, und daß Persius hier seinen Ruf als poeta obscurus in etwas fataler Weise bestätigt, sei nicht beschönigt. Freilich: ob das exossatus nicht ein vulgärer und somit den Zeitgenossen unmittelbar verständlicher Ausdruck ist, mit dem nur wir mangels zulänglicher literarischer Vergleichsstellen so wenig zu Rande kommen wie etwa ein Ausländer mit einem ihm isoliert begegnenden „ausgemergelt", bleibt immer noch offen. Nebenbei mag man bemerken, daß volkstümliche Wörter, die mit „aus-" (und ebenso mit ex-) zusammengesetzt sind, weit häufiger negative als positive Bedeudeutung haben: der Mensch neigt nun einmal mehr dazu, an die Perfektion des Schlimmen als an die des Guten zu glauben . . . 52—55: Sinn: ,wenn ich keine leiblichen Verwandten mehr habe'; daß die drollig-unsystematische Aufzählung von Verwandten verschiedenster Grade nur das weibliche Geschlecht in Betracht zieht, ist nicht einfach als komischer Effekt abzutun, sondern man darf dabei sehr wohl daran denken, daß der früh vaterlose Persius bis zu seinem Tode besonders seinen weiblichen Blutsverwandten, Mutter Tante Schwester, zugetan blieb, und darüber hinaus, daß beides der unrömischen Hochschätzung der Frau bei den Etruskern entspricht. Daß Bachofens „Mutterrechts"Konzeption den etruskischen Verhältnissen nicht durchaus gerecht wird, ist oft gesagt, aber die zu Grunde liegenden Beobachtungen haben trotzdem etwas sehr Signifikantes dem breiteren Bewußtsein nahegebracht. Vgl. Franz Altheim, „Die Stellung der Frau bei den Etruskern", in: Epochen der römischen Geschichte 1934/5. 55f.:Bovillae, an der Via Appia elf Meilen südlich Roms; dazu nehme man die Angabe der Vita, Persius habe drei Meilen vorher ein Gut gehabt, auf dem er starb; der Ort galt als Bettelnest; nahe dabei, am Fuß des Albanerberges, liegt Aricia, wo sich der im Urtext genannte —

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61:

66: 77: 80:

Hügel des mythischen Heros Virbius befindet — auch dies als Treffpunkt für allerlei Bettelvolk von Martial und Iuvenal bezeugt. Manius ist ein Dutzendname für einen Dutzendmenschen — es gab sogar ein Sprichwort multi Mani Ariciae —, dessen Klang mit .Hinz und Kunz' ziemlich genau getroffen sein mag. Zur folgenden Entwertung des Ahnenstolzes durch Persius, der wohl Anlaß gehabt hätte darin befangen zu sein, vgl. oben zu 3, 28; der Gedanke: auch der älteste Adel kommt über ein paar Generationen hinweg doch auch an den Punkt, wo er in die Anonymität des Volkes eingeht und zum bloßen „Erdengezücht" wird. „Vordermann"; also: qui prior es, cur...; Leo interpungiert: qui prior es? Cur..., faßt also qui ablativisch wie 5,130 ( = quomodo), und hat damit Zustimmung gefunden. Aber daß der Erbe die Fackel am Ende der Bahn des derzeitigen Trägers übernehmen darf und soll und wird — freilich: erst am Ende und nicht schon auf halber Bahn und mitten unterm Laufen —, daß er also dann, und folglich überhaupt, der „Vormann" ist, der schließlich die Fackel weiter- und vorwärtstragen wird, gilt im vollen Ernste und kann also nicht durch eine negative Suggestivfrage bestritten sein. Tadius: irgendein, vielleicht fingierter, Erblasser. das heißt: am Sklavenhandel reich zu werden. so wie der Haufenschluß, der Sorites — bei dem es um das Konvergieren einer arithmetischen Reihe nach Null oder nach Unendlich geht —, so läßt sich auch das Streben nach Reichtum an keiner Stelle unterbrechen, sondern ist seiner Natur nach unbegrenzt: wer ihm ein Ziel zu setzen vermöchte, hätte das notorisch Unlösbare gelöst. (Daß es gegen den Sorites logische Einwände gibt, die bereits Karneades geltend gemacht hat, bleibt hier natürlich außer Betracht). Über Chrysipp vgl. oben zu 5, 64 und die Vita. Daß nach Vers 80 noch Etliches gefolgt ist, die Satire als Ganzes unvollendet hinterlassen wurde, und daß die Herausgeber durch Wegnahme einiger Verse bis zu einem kompositionellen Einschnitt wenigstens den Anschein eines gewissen Abschlusses herbeiführten, berichtet glaubhaft die Vita; dafür, daß die Gesamtanlage noch eine Fortsetzung bedinge, lassen sich auch aus der Satire selber gewichtige Gründe anführen.

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Vita: Im Titel und als erstes Wort des Textes bietet die Vita die Namensform Aules statt des lateinischen Aulas. Man hat das früher für eine einfache Überlieferungskorruptel gehalten und geändert, und so geht der Dichter auch heute noch fast durchwegs unter dem Namen Aulus. Erst Wilhelm Schulze (Zur Geschichte lateinischer Eigennamen 1904 S. 134, 6) hat gemerkt, daß damit der Name eine etruskische Form hat, und die von ihm aufgeworfene Frage, „ob man gut daran thut, dies halbetruskische Aules in das reinlateinische Aulus zu ändern", ist offenbar zu verneinen (so richtig auch Weinreich 1949 S. LIVf..; Owens Ausg. [1949 p. XIV] hat Aulus). 6: Volterrae oder Volaterrae, heute Volterra in der Toscana, 50 km südwestlich Florenz, alte Etruskerstadt, in der noch heute die etruskische Porta all'Arco (mit technisch beachtlicher Verkeilung des Bogens) und über 600 kistenförmige Aschenurnen aus Alabaster von hoher materieller Kultur zeugen; in den Reliefs ist trotz engen stofflichen Berührungen an die Stelle griechischer Heiterkeit, stiller Gelassenheit und erhabener Würde etwas Gebundenes, Düsteres und Dumpfes, ein Zug von gequälter Schwermut und stofflicher Befangenheit getreten. Man spürt, wie sehr Persius ein Sohn seines Volkes und Landes ist. 10: Sisennia ist ein rein etruskischer Name. 11: Ergänzend berichten die Scholien zu sat. 6.6 ff. (s.d.): „Persius selbst erzählt, er sei seiner Mutter Fulvia Sisennia zuliebe in das Gebiet von Ligurien verzogen, da diese nach dem Tode ihres ersten Mannes sich dorthin verheiratet hatte". 13: Remmius Palaemon war ein moralisch einigermaßen zweifelhafter, aber technisch erfolgreicher und bedeutender Grammatiker; seine Bedeutung für die literarische Entwicklung liegt unter anderem darin, daß er an Stelle der altrömischen kanonischen Schulautoren, wie Livius Andronicus und Ennius, die Augusteer, besonders Vergil und Horaz zur Grundlage des Unterrichts machte und damit die bildungsmäßigen Voraussetzungen für den anschließenden Klassizismus schuf. Er vor allem ist die Ursache, daß die Augusteer als das, was sie wesentlich sind, auch von da an wirksam wurden und blieben: als „Klassiker". Der enge Anschluß des Persius an Horaz — eng, wenngleich darüber das Schöpferische und Ei—

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genständige seiner Dichtung nicht verkannt werden darf — geht zweifellos auf diese Lehrzeit bei Remmius zurück. 14: Verginius Flavus, als berühmter Lehrer von Nero im Jahre 65 verbannt (Tacitus ann. 15,71). Persius' Verhältnis zu dem Stoiker Cornutus ist von ihm selbst mit innigen Worten bezeugt: sat. 5,19 fT.; auch Cornutus wurde, bald nach Persius' Tode, von Nero verbannt. 18: Uber Caesius Bassus vgl. sat. 6, 1 fT. 20: Servilius Nonianus war Historiker; über sein Verhältnis zu Macrinus vgl. oben zu sat. 2, 1. Die ganzen personellen Verflechtungen zeigen, daß Persius in Rom gleich in einem geschlossenen Stoiker-Zirkel Aufnahme fand, in dem die Fäden von Einem zum Anderen liefen, der aber dafür auch als zahlenmäßig klein und als ziemlich exklusiv zu denken ist und keinesfalls als repräsentativ für eine auch nur beträchtlichere Minderheit römischer Bevölkerung gelten kann. 21: Lucanus, der Neffe Senecas, (39—65 n. Chr.), der Dichter der als „Pharsalia" bekannten de bello civili libri X, eines Muster- und Meisterwerkes des „hohen Stiles" (Übersetzungsfragment von Hölderlin!). Sein bescheidener Vergleich mit Persius bezieht sich übrigens nicht auf dieses erst später und kaum vor Persius' Tode begonnene (und unvollendet gebliebene) Werk, sondern auf seine mancherlei verlorenen, aber mit Titeln bezeugten Jugendwerke. Er starb wie sein Onkel Seneca durch erzwungene Selbsttötung im Zusammenhang mit der Pisonischen Verschwörung gegen Nero, unter Umständen, die die schwere moralische Belastung einer autokratischen Diktatur erkennen lassen, der sich eine so reizbare Natur nicht völlig gewachsen erwies. 24: Die Reserve des Persius gegenüber Seneca zeugt von der Sicherheit seines Urteils über das ihm Gemäße und Ungemäße: der pathetische Idealismus Senecas bildet in der Tat den Gegenpol zu seiner desillusionierend-scharfen Sachbezogenheit. Darüber wird im Nachwort noch Einiges zu bemerken sein. 30 ff.: Publius Thrasea Paetus, von Tacitus als virtus ipsa bezeichnet, Stoiker wie Cornutus und Bewunderer Catos, wurde von Nero 66 zum Tode verurteilt. Seine mit Persius verwandte Gattin Arria war die Tochter der berühmteren älteren Arria, deren Gatte ebenfalls Paetus, und zwar Caecina Paetus hieß; als dieser im Jahre 42 (unter Kaiser Claudius) zum Selbstmord gezwungen VI



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wurde, erstach sich Arria vor ihm, zog den Dolch aus ihrer Brust und gab ihn ihrem Manne mit den Worten: Paete non dolet, „Paetus, es tut nicht weh" (Plinius epist. 3, 16, 6): darauf bezieht sich das im Folgenden, Zeile 48 f., Berichtete. 43: vgl. zu sat. 6,80. 47: praetexta: Tragödie mit nationalrömischem Stoff. Für die anschließenden korrupten Worte hat man mancherlei Heilungsversuche vorgeschlagen, jedoch sind sie zu ungewiß und widersprechend, um hier erörtert zu werden; das meist angenommene όδγιπορικών, das eine Reisebeschreibung nach Art der köstlichen „Reise nach Brindisi" des Horaz bezeichnen soll, bleibt auch nur vage Vermutung; übrigens käme auch beim schönsten Finderglück doch nicht mehr heraus als ein Titel, der als solcher wenig ausgäbe. 52: Die Vita gibt die Zahl XXX, was offensichtlich falsch und in XXIIX zu berichtigen ist. 53 ff.: Ein Nachtrag, anscheinend aus einem Kommentar zu Satire I, kaum sehr verläßlich (vgl. für die Midas-Fabel oben zu sat. 1,119); immerhin braucht die Bemerkung, daß er durch das Lesen von Lucilius zehntem Buch zur Satirendichtung gekommen sei, nicht aus den Satiren selber herausgesponnen zu sein, sondern mag selbständigen Zeugniswert haben. Das Folgende, Zeile 55 ff., trifft im strengen Wortsinne nur auf den Vorspruch und die erste Satire zu.



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NACHWORT 1. Es gibt Wege zu Persius — und mindestens hat man sie dafür gehalten —, auf denen man gehen kann ohne ihm, will sagen: ohne dem Dichter Persius als solchem, überhaupt zu begegnen. Denn dies ist vielleicht das Erste, was über ihn zu sagen wäre: daß er sich vom Rande her nicht nehmen läßt, sondern daß er von seiner eigensten Mitte aus erobert werden will; alles Einordnen in literarhistorische oder geistesgeschichtliche Zusammenhänge, so, als ließe sich auf diese Weise gleichsam sein Raum abstecken und bestimmen, bleibt merkwürdig leer, beiläufig und unerheblich und macht ihn zu dem, wofür er gemeinhin gilt (soweit er überhaupt gilt): zu einem jener ehrenwerten „Kleineren", deren pflichtschuldig-pflegliche Betreuung Aufgabe des „Faches" wäre, ohne daß darüber ein Anlaß oder Anreiz spürbar würde, mit ihm um seiner selbst willen, also mit ihm als Dichter eine echte Begegnung zu suchen. Gewiß, zunächst ist er Satiriker. Er selber stellt sich hinein in eine Tradition, die für ihn ebenso wie für Horaz mit der altgriechischen Komödie beginnt und die sich in der Satire eine genuin lateinische Gestalt gegeben hatte; er bekennt sich als Fortsetzer dieser literarischen Gattung, die nach tastenden und etwas unbestimmten Vorstufen und Vorformen in Lucilius, im zweiten vorchristlichen Jahrhundert also, erstmalig ihres eigenen inneren Gesetzes und Gefälles bewußt geworden war: nicht mehr bloß als eine Art „bunter Platte" von formal wie inhaltlich inhomogenen Stücken — einer Art poetisch-prosaischen Quodlibets, das in der Sonderform der menippeischen Satire erhalten blieb, von der uns in Senecas Apokolokyntosis ein glanzvolles Beispiel aufbewahrt ist —, sondern zu innerer Einheit gestrattt durch die —

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besondere Art beschauender, kritischer, belehrend-erziehlicher und wesentlich polemischer Wirklichkeitsbelrachtung von schlichtestem, aber darum durchaus nicht leicht zu treffendem Ton; diese im eigentlichen Sinne ,satirische' Gattung, bei Lucilius noch formal ungelenkt und ganz dem Hier und Jetzt politischer und geselliger Zufälligkeiten hingegeben, war von Horaz der Form nach zu einer dem Lateinischen zuvor versagten verhaltenen Noblesse, dem Gehalt nach zu höchst bedeutsamer humaner Diskretion verfeinert und geadelt worden; bei ihm blieb das Anläßliche nur insoweit erhalten, als es überdies die Kraft des Wesentlichen und Exemplarischen in sich trug, worüber zugleich das aggressive Element gebändigt und mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt wurde, um am Ende, in den späteren Episteln, fast ganz zu verschwinden zu gunsten einer gelassen-besinnlichen Erfüllung eigener Erlebnisräume ohne allzuviele didaktische Illusionen. Nimmt man dann, über Persius hinausgreifend, den vierten der großen römischen Satiriker, Iuvenal, hinzu, in dem nun das zeitkritisch-polemische Element wieder, j a mehr als j e zuvor und mit unerhörter Schärfe in Erscheinung tritt, so scheint damit so etwas wie ein geometrischer Ort bestimmt zu sein, auf den Persius zu liegen käme und von dem her er genetisch verständlich und deutbar werden sollte. Das hieße also, daß man Persius aus dem Zusammenhang einer literarischen Gattungsgeschichte heraus zu verstehen suchte. 2.

Ein anderer Ansatzpunkt des Verständnisses kann sich mit gleichem Rechte auf Persius selber berufen: In dem kontemplativen, erziehlichen und kritischen Grundanliegen aller Satire liegt von vornherein die Möglichkeit eines nahtlosen Überganges zur erbaulichen popularphilosophischen Laienpredigt, zur Diatribe, so wie sie die Schulphilosophie in Verbindung mit der Schulberedsamkeit im griechisch-hellenistischen Bereich entwickelt und als wesentlichen Bestandteil der Jugenderziehung auch in Rom eingebürgert hatte. Diese ebenso rationalistische wie idealistische Erbauungsliteratur sollte erstaunlicher Weise gerade in Rom den Rahmen des —

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bloß SchuImäBigen sprengen: sie begann mit dem vollen und legitimen Anspruch ernsthaftester Erhöhung und Adelung des menschlichen Daseins überhaupt aufzutreten. Das Konventikelhafte, Sektiererische, peripher Abstruse wurde durchbrochen und das ,Philosophieren' zu einem Anliegen von ungeahnter Triftigkeit und höchstem Rang gerade für die w e n i gen erlesenen Geister. Diesen spannungsreichen und, genau bedacht, einigermaßen erstaunlichen P r o z e ß einer Zusammenführung von Aktion und Reflexion, bei der dem Denken eine W ü r d e und ein Lebensernst zuwuchs, w i e er ihm seit Sokrates' Zeiten kaum mehr eigen gewesen war, sollte man nie berühren ohne mit aufrichtiger Ehrfurcht des vielverkannten Cicero zu gedenken, der hier als erster die entscheidende Bresche in das wechselseitige Sich-Sperren und SichSträuben von besinnlich-spiritueller und politisch-tätiger Lebensform gelegt hat — wie überhaupt kaum eine Linie der nach-ciceronischen Geistesentwicklung zu denken ist, die nicht von ihm die wirkungskräftigsten Impulse empfangen hätte, ja durch ihn erst eigentlich ermöglicht worden wäre. Diese hellenistische popularphilosophische Erbauungsliteratur also konvergierte mit einer gewissen Naturnotwendigkeit zu jener F o r m der ,Satire' oder des ,Sermo", wie sie durch Horaz klassisch geworden war, ja ließ mannigfaltige Varianten der Verfeinerung oder Vergröberung zu, bis herab zu Abraham a Santa Clara. W e n n aber bei Horaz durch sein souveränes Hinausgehobensein über alle Schul- und Glaubensdogmatik, durch seinen so weisen w i e diskreten Eklektizismus und durch jenes ironische Sich-Verhalten vor dem allzu Direkten, Allzu-Formulierten und Zupackenden die Unmittelbarkeit des vieldeutigen, beziehungsreichen und nicht zu doktrinärer Konfession einzuengenden Lebens immer g e wahrt bleibt, so war doch die von ihm gesicherte Sermonenf o r m in hohem Maße geeignet, zum Gefäß solcher Dogmatik zu werden. Und dies also ist der zweite Einsatzpunkt der Persius-Erklärung: mit noch größerer Bestimmtheit denn als Satiriker ist er als Stoiker ansprechbar, und zwar als Stoiker von einer bedingungslosen Unbeirrbarkeit, einer fast religiösen Treue und Glaubensüberzeugung. Als ,Denker' also ist Persius Stoiker und nichts als dies. Die Vita zeigt, wie er spätestens — 113

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im Alter von sechzehn Jahren in jenen Kreis römischer Stoiker hineingeriet, deren Hauptvertreter Cornutus war; und er selbst berichtet, wie er sich diesem Lehrer in die Hand gab, sich ihm gläubig und mit Inbrunst verschrieb, und wir wissen, daß sich dieses Verhältnis bis über seinen frühen Tod hinaus bestätigt und bewährt hat: hier tritt .Philosophie' ganz aus dem Bereich rationaler Wahrheitsermittlung heraus, wird zur Religion, nimmt jene Bezirke gläubigen V e r trauens und Sich-Bergens ein, die auszufüllen die im reinen Kult erstarrte offizielle Religion immer weniger fähig war; bezeichnend dafür, daß sich diese philosophische Gläubigkeit durchaus freihält von einer polemischen Gegenstellung gegen die offizielle Staatsreligion: hier werden gar keine Reibungsflächen spürbar; wohl aber tritt eine Art feindseliger Gereiztheit und apologetischer Rivalität gegenüber den mehr und mehr um sich greifenden östlichen Erlösungsreligionen — bei Persius vertreten durch Judentum, Kybelekult und Isisdienst — in Erscheinung, worin sich das zutreffende Empfinden ausdrückt, daß hier eine tatsächliche funktionale Gemeinsamkeit vorliege, ein gleichsam rivalisierender Anspruch, der mit Notwendigkeit in einem eifervollen Gegeneinander seinen Ausdruck finden mußte. Was dabei an Persius besonders auffällt und immer schon beobachtet wurde, ist die Tatsache, daß dieser stoische Glaube durchaus frei erscheint von dem, was man die B e währung in der Anfechtung nennen könnte. Von Natur ehrfürchtig, anlehnungsbedürftig, dankbaren Herzens und ohne himmelstürmende Anmaßung des Revolutionärs, scheint er nie versucht gewesen zu sein gegen den Stachel zu löken; er fand in dem, was ihm der verehrte Lehrer und Freund bot, die schlechthin verbindliche und zulängliche Lösung. Das Leben hatte ihm so viel äußere Daseinsgarantien wirtschaftlicher und geselliger Art mit auf den Weg gegeben, daß er, so scheint es, nie in eine jener grenzhaften Situationen geriet, in denen alle rationalen Lösungen problematisch werden . . . So scheint es, wenn man Persius als gläubigen Adepten der Stoa faßt. W a s zu tun man also — es sei noch einmal gesagt — durch ihn selber durchaus und zulänglich legitimiert ist. —

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Beide Aspekte haben, wird man empfinden, wenig Ermutigendes; als Satiriker bietet er weder das Interesse eines neuen Anfanges noch das eines bedeutenden Abschlusses, sondern er steht irgendwo in der Mitte der Entwicklung: im Schatten des Horaz einerseits, im Schatten des um so vieles robusteren Iuvenal andererseits, ein Stückchen Literarhistorie f ü r Spezialisten. Als Philosoph bedeutet er noch weniger, erscheint er rein reproduktiv, epigonenhaft, ohne die Selbständigkeit eines im Feuerbrand leiderfahrenen Lebens geglühten Herzens: schülerhaft, beinahe so etwas wie der Klassenprimus einer Stoikerschule —. Und dazu kommt dann noch jenes eigentümlich Verquere, Verquälte und Konstruierte seiner Diktion, die von horazischer Anmut und anspruchsloser Eleganz ebenso wie von der flammenden Stoßkraft Iuvenals so weit entfernt s c h e i n t . . . Quis leget haec? 3.

Und doch wird, wer dieses schmale Werkchen nur wirklich und wachen Sinnes, gleichsam ohne zu wissen oder zu fragen, von wem und wann es geschrieben ist, liest, sich des Eindruckes kaum erwehren, hier einem echten Dichter begegnet zu sein. Mehr: er wird, jenseits aller formulierbaren Doktrin oder literarhistorischen Systematik und gleichsam hinter dem durch Referat und Paraphrase faßbaren Vordergrund, einer eigentümlich erregenden, ja beunruhigenden und bedrängenden Direktheit des Angesprochenseins bewußt werden. Er wird vielleicht ein schmerzhaftes Zusammenprallen mit einem Realismus verspüren, der so real ist, daß er schon wieder am Gespenstischen teilhat. Und vielleicht wäre dies die eigentliche Aufgabe einer Persius-Interpretation: diese da und dort und, wenn man erst einmal darauf aufmerksam geworden ist: immer unter der Oberfläche bebende Unruhe, dieses Hohle, Trügende, Fragwürdige einer scheinbar so harmlos beschaulichen und naiv wortereichen Fassade ins Bewußtsein zu heben. Übrigens befände sich, wer davon ausginge, in einem ermutigenden Einverständnis mit den spärlichen und, wie immer, höchst diskreten und lakonischen antiken Urteilen. Zunächst spricht sich darin ein — in vollem Umfang zu teilendes —

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— Erstaunen über das Mißverhältnis von äußerem Umfang und innerem Gewicht dieses Werkes aus: Quintilian bemerkt mit spürbarer Verwunderung, „ein reiches Maß wahrhaftigen Ruhmes habe sich Persius, wenngleich nur mit einem einzigen Buche erworben" 1 ). Deutlicher noch spitzt Martial die quantitative Disproportion von Werk und Wirkung zu'). Tatsächlich, man muß es schon aussprechen, um sich dieses eigentümlichen Sachverhaltes, dieser Energie auf kleinstem Räume, zulänglich zu vergewissern: das ganze Opus umfaßt 664 Verse, das ist weniger als zum Beispiel der Durchschnitt eines der 15 ovidischen Metamorphosenbücher und nicht einmal ein Sechstel der horazischen Sermonen — die Oden ungerechnet, und wer der sparsamen, feilenden und konzisen Manier Horazens gedenkt, wird ermessen, was das besagt, zumal wenn man hinzunimmt, mit welcher Ausschließlichkeit sich Persius selber zu diesem Büchlein bekennt, nicht als ob es ein beiläufiges Nebenwerk wäre, sondern als zur wahren Mitte und Summe seiner Existenz und in scharfer Abgrenzung gegen jene fahrlässigen Dilettanten, denen das Versemachen nichts ist als ein verspielter Zeitvertreib. „Er schrieb selten und zögernd": hinter dieser Bemerkung seines Biographen steckt ein unverächtliches Stück Einsicht in die verantwortungsvolle Gründlichkeit seines dienenden Ringens um das genaueste, treffendste, betreffendste Wort. Und damit ist bereits ein zweiter gemeinsamer Zug zeitgenössischer Beurteilung bedeutend geworden: das Empfinden für die eigentümliche Sachgerechtigkeit, die Evidenz des unbedingt Lauteren und Echten, die Verbindlichkeit einer nicht philosophischen oder moralischen, sondern dichterischen und künstlerischen, meinetwegen handwerklichen, Wahrhaftigkeit, eines hohen, allem tändelnden und klingenden Gepränge abholden Ernstes: zu Quintilians Hervorhebung eines wahren und echten Ruhmes im Gegensatz zu reklamehafter Tagesund Massenzelebrität tritt hier bestätigend das eindrucksvolle Zeugnis der Vita von dem spontanen Ausruf des Lucan — „quello grande poeta Lucano", sagt Dante im Conoivio 1) libro 2) levis

Quintilian Inst. or. X 1, 94: multum et verae gloriae quamvis uno Persius meruit. Martial IV 29, 7: Saepius in libro numeratur Persius uno quam in tota Marsus Amazonide. —

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(IV 28)! —: das von Persius Vorgetragene seien wahre Gedichte, woneben das, was er selber schreibe, n u r als Kinderei erscheine. Die Neuzeit, nein: das neunzehnte J a h r h u n d e r t hat es hier wie so o f t — wie auch bei Lucan — besser zu wissen vermeint und dadurch zuwege gebracht, d a ß eine so reine, so bewegend grenzhafte, so sehr gegenwärtige Dichtergestalt f a s t völlig aus dem Bildungsbewußtsein herausgefallen ist. Freilich hat auch das sein Gutes: jene Karenzzeit, das stille Ablagern u n d Heraustreten aus einem kontinuierlichen und zugleich abnützenden Bildungsinteresse, das dem Persius im Altertum erspart blieb — weshalb die Überlieferung des Textes von seltener Sauberkeit und Verläßlichkeit ist —, ist ihm spät zwar, aber einschneidend zuteil geworden, so d a ß er heute — und aus guten Gründen vielleicht gerade heute — wieder zu finden, zu entdecken und wie eine ungeahnte Kostbarkeit aus, dem Schutt- und Scherbenhaufen literaturhistoristischer Vielwisserei ins Licht einer einmaligen Erscheinung herauszuheben ist. 4. Freilich, .populär' wird Persius nie werden, denn er ist es nie gewesen. „Zwei oder keiner": dies ist das von ihm selbst, dem Aristokraten, erwartete Auditorium. Die Bemerkung der Vita f ü h r t hier ebenso in die Irre wie die Unzahl von H a n d schriften, Drucken und Kommentaren bis ins 18. J a h r h u n d e r t . W e n n wir hören, „die Menschen" hätten das Buch gleich nach seinem Erscheinen „anzustaunen und sich d a r u m zu reißen" begonnen, so heißt „die Menschen" hier gewiß nicht „die Leute" im Sinne einer breiteren Masse, sondern offenb a r sind damit n u r zahlenmäßig kleine Kreise gemeint: einmal jene Schicht literarisch Interessierter, die den eigenartigen esoterischen Literaturbetrieb des unter Nero beginnenden, unter Hadrian auf den Höhepunkt k o m m e n d e n kaiserzeitlichen Klassizismus trugen: eine Zeit, in der das gesellige Leben sich von aller lebendig tätigen Bezogenheit auf Politik und Staat, Geschäft und Gemeinschaft zunehmend abspaltete, in der ein echtes l'art pour fart an Boden gewann, die Bälle der Anspielungen, beziehungsreichen Pikanterien und Subtilitäten hin u n d her flogen und m a n unendlich geschult war, den Hintersinn des Hintersinnes und alle erdenklichen Doppe—

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lungen der Doppeldeutigkeiten kennerisch auszukosten; eine Schicht von Müßiggang, Langerweile und geschmäcklerischer Überreiztheit, deren snobistisches Sensationsbedürfnis sich auf literarische Neuerscheinungen angewiesen sah, da das Leben der Tat seit Tiberius' Tagen ihren Händen mehr und mehr entglitt und feindselig und lebensbedrohend wurde. Und, damit sich überschneidend, der Kreis philologischer, grammatikalischer, semasiologisch-antiquarischer und metrischer Spezialisten, die ihre Aufgabe darin sahen, daß das jeweils Erschienene sachgerecht kommentiert, registriert und katalogisiert, das Neue am Alten gemessen und, je nach Schule und Richtung, gerühmt oder gescholten wurde, ganz im Sinne einer querelle des andern et des modernes ... Als Drittes kommen die philosophischen und weltanschaulichen Schulen hinzu, hie Platoniker hie Epikuräer hie Sextier hie Stoiker, dazu religiöse Zirkel, Kultverbände, Initiationskonventikel, die sich in ihren Rivalitäten eifrig nach literarischer Hilfestellung umtaten —: unter jedem denkbaren Sehwinkel war das Werkchen des Persius von hohem aktuellem Interesse: die Fülle von Zitaten, Paraphrasen und Parodien alten und neuen Schrifttums machte es zum Leckerbissen der Kommentierfreudigen, der eigenwillige und waghalsige Rückgriff auf obsolete und vulgäre Wörter reizte die Glossatoren, die Metriker waren ins Brot gesetzt, der getreue Jünger der Stoa war von den Philosophen im Für und Wider zu beachten — — aber: ein echtes Verständnis ist mit alledem noch nicht gegeben: Vel duo vel nemo; man denkt dabei — und darf aus guten Gründen denken — an Stendhals to the happy few. Freilich steht, wie immer in solchen Zeiten nachklassischer Überspitzungen, artistischer Finessen und spezialistischer Exklusivitäten neben dem Dünnen das wahrhaft Sublime, neben snobistischer Mache die echte Aufweitung von Empfindung und Erlebnis, neben dem Abgegriffenen und Stumpfen das Neugeprägte und hautlos Empfindsame: wo Persius möglich war, da war auch derjenige möglich, der ihn begriff. Und man wird gut tun anzunehmen, daß das bohrend Schreckhafte seiner Bilder die Herzen etwelcher Zeitgenossen nicht weniger traf, als es noch heute zu betreffen vermag: etwa der Kurztypus des Opferers, der das Glück zwingen will (2,45): —

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eine Balzac-Figur mit der Dämonie des echten Spielers; oder der an seelischer Verfettung moralisch erstorbene und unter alle Zurechenbarkeit abgesunkene Natta (3,30); oder gleich darauf (3, 38) das unvergeßliche danteske Bild des Tyrannen, der die innere Unvermeidbarkeit seines Niederbruches vorausweiß, der die Katastrophe auf sich zukommen sieht, am Heimweh nach dem Guten leidet und vor Grauen bebt „und sein Weib daneben nichts ahnet"; oder, nur eine Kleinigkeit: wie das Morgenlicht die Ritzen des Fensterladens ausweitet (3,1); oder, vielleicht das stärkste Bild: der brutal gesehene Schlaganfall, die bleckenden Zähne, der dem Mund entgleitende eingespeichelte Bissen — bis hin zu der makabren Komik: Fersen zur Türe gestreckt, und mit verdächtiger Eile, mehr hastig als traurig, nehmen die neubackenen Quiriten den starren Leichnam auf den Buckel: weg und aus, tableau! Ist das noch durch einen literarhistorischen Ort zu umschreiben? Ist es stoisch? Und ist mit der Feststellung, daß es dies ist, nur irgend etwas zur Sache gesagt? Ganz vereinzelt und abseits von fachlicher Bemühung findet sich wohl einmal etwas von jener kreatürlichen Bestürzung formuliert, die dieser Dichtung angemessen ist. Eine sehr merkwürdige Bemerkung, fast zusammenhanglos und nicht leicht zu verifizieren, findet sich im „Merkur" II 1948 S. 99; Gerhard F. Hering beginnt dort einen Aufsatz über Kafkas Tagebücher: „Johann, Herzog Floressas des Esseintes, seine Bücher musternd, stößt, im dritten Kapitel von Huysmans »A Rebours«, unter den Lateinern auch auf den Persius, der ihn, »trotz seiner geheimnisvollen Einflüsterungen«, kalt läßt. Persius, Zeitgenosse Neros im sinkenden Rom, hat sich mit sechs Satiren bleibend gemacht, wenngleich er schon den Alten, wie weiterhin den frommen Vätern des Mittelalters, die über einige seiner Sentenzen predigten, endlich den Humanisten und den ihn verbuchenden Vielwissern des Barock als das Inbild schlechthin des dunkeln Dichters, des Poeta Obscurus, galt.1) Der moderne Persius ist Franz Kafka . . . " Der Name Kafkas ist, wie man weiß, drauf und dran so etwas wie eine Sigle neuester existentialistischer Selbstver1) Die unüberbietbare Dunkelheit des Persius ist bereits bei Johannes Lydus (Byzanz, Anfang des 6. Jhds.) hervorgehoben: de mag. I 41:

Πέροιος ... το Λνκόψρονος παρήλ-ttev άμαυρόν. —

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standigung zu werden; schon ist auch die berechtigte Skepsis zu Worte gekommen, daß nachgerade nichts Dunklem, Abstrusem und Verschnörkeltem mehr der Vergleich mit Kafka erspart bleibe. Recht oder Unrecht solcher Vergleiche beruhe auf sich, und ob es genügt, daß beide krank und von frühem, gewußtem Tode bedroht, daß beide im Eigensten von einer nie ganz verwundenen Fremdheit des Blutes bedrängt waren — der lateinisch schreibende Etrusker und der deutsch schreibende Jude —, ob die Gemeinschaft besonderer Inklination und Genialität für Religion Kult Prophetie in Verbindung mit äußerster Sensibilität, analytischer Schärfe, künstlerischer Aneignungs- und Anlehnungsfähigkeit eine tragfähige Wesensverbindung zwischen dieser und jener Art herzustellen vermöchte: das alles bleibe ungefragt, sondern nur ein Maß möglichen Ernstnehmens soll damit bezeichnet sein. 5. Die humane, dialogische Mitteilsamkeit Horazens, unter dessen vielen Qualitäten die, Freund sein zu können, nicht die geringste ist und der zwar die Menge verachtet aber den Einzelnen sucht, erscheint bei Persius ganz ins Monologische umgeschlagen. Gewiß, er ruft den Freund — Macrinus, Bassus, Cornutus — mit dem Anruf eines innigen und suchenden Herzens, aber es ist ein Anruf aus Ferne und Einsamkeit. Das Zwiegespräch wirkt bei ihm immer als bloßer Schein, dessen wahres Gegenüber eher ein erschreckendes Kollektiv des Fremden und Anderen ist, undifferenziert, unbegriffen und von einer Unmenschlichkeit, deren Abwehr selber aus dem Humanen herausführt. Der alte W. S. Teuffei, bei dem überhaupt das Empfundenste über den Dichter zu lesen ist, hat etwas davon gespürt, wenn er (in seiner Übersetzung, 1857, S. 18) sagt: „In schwindelnder Höhe hat sich Persius seine Kanzel errichtet, so hoch, daß ihm die Menschen unter ihm als ein großer dunkler Fleck erscheinen, an dem er keine einzelnen Personen zu unterscheiden vermag, und daß seine Declamationen unvernommen über die Häupter der Menschen hingrollen..."; aber irgendwie trifft die Metapher nicht den Kern, denn es ist nicht besserwissende, uneinsichtige Überlegenheit, was zwischen ihm und den Menschen liegt, kein —

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Oben und Unten, sondern ein befremdetes Nebeneinander, eine gläserne Wand, hinter der die Bewegungen der Anderen merkwürdig unsinnig, seelenlos und mechanisiert erscheinen; nicht naseweise Unerfahrenheit, die je, bei längerem Leben, überwindbar hätte sein können, sondern eine physiognomisch qualifizierte Grundbefindlichkeit, die mit irgendwelcher Weltläufigkeit überhaupt nicht in eine Quantitätsrelation zu bringen ist. Hier gewinnt die Bemerkung der Vita, daß Persius zu Seneca in einer negativen Beziehung abweisender Zurückhaltung gestanden habe, Bedeutung. Senecas im Grunde doch immer optimistischer Idealismus, seine schöne humane Betulichkeit hat etwas unendlich Eindeutiges, Zutrauliches im Vergleich zu dieser profunden Erschrecktheit, zur Eiseskälte solcher mehr verstörten als sarkastischen Observation jenseits aller Opti- oder Pessimismen; denn selbst der taciteische Pessimismus — was man so nennt — hat vergleichsweise immer noch teil an dem Aroma der Humanität, als welche bei ihm mindestens noch als Postulat hinter der Erfahrungswirklichkeit steckt, wenn auch die Wand, die ihn vom Basiliskenblick eines radikal inhumanen und zermalmend unidealen Realismus scheidet, hie und da rissig und durchscheinend wird. Bei Persius springt die tödliche Fragwürdigkeit des Wirklichen tierhaft gegen alle ideale Beschönigung an, das nackte Sein erweist sich als dichterisch stärker denn alle — gleichviel ob erlesene oder banale, richtige oder falsche — Ideen: der wimpernlose Blick, hart und leidensfähig, empfindlich und seelenlos, dem das Ernstnehmen des Einzelnen verlorengeht über dem nivellierenden, übermächtigen Ernst des Ganzen. Vielleicht wird man dieses eigentümlich direkten Bezuges zum Leben zuerst an kleinen Zügen inne, die fast genrehaft gemütlich wirken: etwa an der lebensvollen Echtheit der Erinnerung an die Knabenzeit (3,44), da er bei den Hausaufgaben ein bißchen Kranksein simuliert und lieber würfelt, Zielwurf macht und Kreisel treibt; aber gleich ist auch hier das Beunruhigende leise daruntergemengt, die Fragwürdigkeit des Lebens in doppelter Gestalt: „Und das war auch mein Recht": wieviel Problematik liegt in dieser Relativierung der Standpunkte und Ansprüche — doppelt auffällig, weil die An—

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tike sonst wenig geneigt ist das Kind anders denn als unvollkommene Vorform des Erwachsenen zu sehen —, welch e r stauntes Sich-Begegnen im Vergangenen, spielend zwischen Identität und Fremdheit; und dann der „angstschwitzende" Vater: welches Talent drückt sich darin aus, das komisch Erbärmliche einer höchst ehrenwerten Situation wahrzunehmen, wieviel gefährliche Altklugheit und hintersinnige Überlegenheit des Kindes deutet sich darin an — Persius war sechs J a h r e alt, als sein Vater starb! —. Oder ein anderes Genre-Bildchen (2, 3 1 ) : Großmutler und Tante u m ständlich besorgt um den kleinen Erdenbürger; wieviel V o r sicht, wieviel illusionäre Erwartung, wie voll Stimmung, Innigkeit und Poesie. „Seine Fußspur blühe von Rosen"! Und doch: wie mager, dürftig und kläglich ist beides, Kind wie Hoffnung I Und wie schmerzhaft, j a roh wird alles Gefühlige zerrissen: „ . . . schlag's ihr, Iuppiter, a b l " . . . 6. Die Dichtung des Persius erfüllt sich, wie letzthin alle Dichtung, in der Umsetzung von Gedanken in Bilder. So scheint es. Aber Vergleich, Metapher, Allegorie sind hier nicht ornamentale Zugabe, nicht Transposition von Abstraktem, das sich auch anders wissen und sagen ließe; das naive Zutrauen der Interpreten, diese vermeintliche Umsetzung und Verkleidung eines .Gedankens', eines .Dogmas* rückgängig machen und in eine abstrakte Summe zusammenfassen zu dürfen, ist eigentlich schuld an der Verkennung; denn dann bleibt in der Tat nicht viel mehr übrig als ein epigonalschülerhafter Aufguß stoischer Allerweltsweisheiten. Vielmehr ist Bild und Vorstellung das Primäre, nicht Auflösbare. Darin und nur darin liegt das, wovon diese Dichtung lebt. Die Phantastik der Imagination — etwa: der Dichter, der die pathetischen Stoffe maulsperrig in klumpigen Brocken in sich hineinfrißt, um sie dann wie ein unverdauliches Gewölle wieder auszuspeien (5, 5 f.)! — : dergleichen besagt nicht nur, daß der blasse Gedanke in Anschauung bloß „eingebettet" wäre; das wäre Sprachroutine und Darstellungsabsicht und sonst nichts. Eher ließe es sich ansprechen als ein drangvolles Sich-Beeifern, möglichst viel vordergründige Wirklichkeit in —

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die gähnenden Lücken der Idealität zu stopfen, sich vor der Transparenz des Daseins durch den Vorbau einer möglichst opaken, massigen Anschaubarkeit zu retten. J e näher der Oberfläche, um so bedeutsamer und beziehungsvoller wird das Spiel, und an der obersten Schicht haftet der eigentliche Sinn, als Doppel- und Hintersinn. Das Ornamentale gerät hart an die Grenze des Metaphysischen. Die ,Szene', das Mimische, flüchtig und intensiv, beiläufig und energisch zugleich, verrät eine staunenswerte Hautlosigkeit gegenüber dem Gestalthaften, dem traumartig Sprunghaften aller Wirklichkeitserfahrung. Von hier aus vollzieht sich so etwas wie eine Verhexung der Sprache ins fürchterlich Vieldeutige und Beziehungsreiche. Das kaum auflösbare Sich-Verschlingen, Sich-Uberlagern und Stilisieren, die Verknappung des Individuellen zum Typischen und gleich wieder das Ansprechen des Typischen im völlig Einmaligen, Zufälligen und Anläßlichen gemahnt einerseits an theophrastische Charaktere — von denen in der Tat über die hellenistische und römische Komödie gewisse Fäden zu Persius laufen (die menandrische Chairestratos-Szene 5,161 ist nur ein äußerer Beleg dafür) —, andererseits doch auch fast an nordische Ornamentik; schärfste südliche Klarheit und Prägnanz der Konturen, verbunden mit gewollter Verdunklung, Verschlingung der Linien zu gespenstisch-vieldeutiger Vexiertechnik. Cicero — der sich auch sonst, etwa de orat. 3,155, über Voraussetzungen und Wirkungen der Metapher feinsinnig ausgesprochen hat — sagt einmal zum Ruhme eines Redners (Calidius, im Brutus 274 ff.), bei ihm sitze „jedes Wort fest an seiner Stelle, gleichsam in die Spannungen eines Mosaiks verfügt...", auch fänden sich „keine eigentlichen Benennungen der Dinge, sondern meistens übertragene, so jedoch, daß man sagen möchte, sie seien damit nicht in fremdes Gehege eingebrochen, sondern in ihr wahres Eigentum eingetreten". Von Persius gilt das Gegenteil: bei ihm schwebt und gleitet alles und die übertragenen Worte verstoßen mehr die eigentlichen aus ihrer angestammten Heimat, als daß sie selber auf festen Grund zu ruhen kämen. Eine Zone des Unheimlichen und Vibrierenden lagert sich um die vertraute alltägliche Welt, die Finsternis wird im Lichte, als dessen Hinter- und Untergrund, ahnbar, der Tod hockt im Lebendigsten drinnen, dün-



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stet faulig aus dem Inneren und kann in jedem Augenblicke als makabrer Pulcinell heraushüpfen. Persius kratzt die Patina des Geläufigen von den Phrasen, füllt sie mit Intensität und läßt die Dinge ihren Platz vertauschen, so daß sie befremdlich werden und spüren lassen, „daß wir nicht sehr verläßlich zu Haus sind in der gedeuteten Welt" (R. M. Rilke, Erste Duineser Elegie). Dieser durchgängigen Ambiguität des Weltbildes bei Persius entspricht eine ebenso durchgängige Zwie- und Vielsichtigkeit seines Stiles, dessen echtes Verständnis durch allzu präzise, allzu eindeutige Alternativfragen und -Antworten tiefer geschädigt wurde, als es durch ein Verweigern der Auskunft geschehen könnte: nicht nur, daß die Wörterbücher in begreiflicher Kompetenzüberschreitung die persianischen Metaphern vielfach geradezu auflösen und dem Bildwort das Abstrakte, dessen Stelle es mit einer für überflüssig gehaltenen ornamentalen Pretiosilät zu ,vertreten' scheint, als legitime ,Bedeutung' unterschieben (wodurch dann Übersetzung und Auslegung sowohl verharmlost als auch vereindeutigt werden) ; verhängnisvoller wirkt sich dieser allzu derbe Zugriff in der Fixierung syntaktischer Bezogenheiten und in der Feststellung kompositioneller Zusammengehörigkeiten und Getrenntheiten aus; denn das Schwebende, Irisierende, proteushaft Vieldeutige und je nach der Blickrichtung Changierende, das zu den Grundgegebenheiten dieser Dichtung gehört, geht durch dieses schroffe sie et non notwendig verloren. 7.

An dieser Stelle ist ein Wort der Erklärung und Rechtfertigung zu sagen über eine ,Neuerung' innerhalb des hier gebotenen lateinischen Textes, die zunächst als Rückschritt, ja als bloße Marotte des Herausgebers erscheinen mag: über den Verzicht auf jegliche Interpunktion ebenso wie auf die Unterscheidung von Klein- und Großschreibung auch bei den Eigennamen. Aber vielleicht ist es zunächst doch einmal ganz heilsam, wenn dem modernen Leser die vielfach vergessene oder nie gewußte Tatsache zum Bewußtsein gebracht wird, daß von allen in unseren Texten stehenden Satzzeichen nichts, aber —

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auch rein gar nichts als überliefert gelten kann; von Anführungszeichen, durch welche Personenwechsel der mimischdialogischen Stellen kenntlich gemacht würde, ganz zu schweigen. Die Mehrzahl der erhaltenen Maiuskel- und Kapitalhandschriften hat nicht nur eine ganz unvollkommene Satzinterpunktion — und auch sie ist meist sekundär und ohne alle Konsequenz —, sondern nicht einmal Worttrennung, und selbstverständlich kann, wo alle Buchstaben ,groB* sind, zwischen Groß- und Kleinschreibung nicht unterschieden werden. Dabei ist es keineswegs so, als wäre ein originales Interpunktionssystem bloß nicht mitüberliefert und dürfte daher nach bestem Wissen .ergänzt' werden, sondern ein solches System war einfach nicht vorhanden. Und nun ein einfacher, aber vielleicht nicht ganz unzutreffender Vergleich: jeder Musizierende wird ernsthafte Bedenken gegen allzu weitgehende .Bearbeitungen' etwa einer Partitur von J. S. Bach haben. Hier weiß er, daß fast alle dynamischen und Tempobezeichnungen, alle Phrasierungen und Zäsuren nicht nur der authentischen Legitimation entbehren und höchst subjektiv, wandelbar und unverbindlich bleiben; so interessant es auch von Fall zu Fall sein mag die .Auffassungen' von Reger oder Straube, von Bülow oder Busoni zur Kenntnis zu nehmen, aber am Ende wird er doch bestrebt sein sich von aller Bevormundung zu emanzipieren —: vor allem wird ihm immer gegenwärtig sein, daß jedes System von Vortragsbezeichnungen den Charakter des schieren Notbehelfs und höchstens den Wert einer recht rohen und unvollkommenen Hindeutung auf einen descriptiv nie völlig zu fassenden, sehr organischen und nüancenreichen Wachstumsprozeß hat. Unsere antiken Texte aber lesen wir samt und sonders in solchen .Bearbeitungen', und es fehlt nicht viel zu der Anmaßung, erst wir hätten den Alten gezeigt, wie sie hätten schreiben müssen, wenn sie sich nur aufs Schreiben so trefflich verstanden hätten wie wir. Freilich, man wird glauben, man sei mit diesem System bislang nicht eben schlecht gefahren. Und es sei ferne, die wesentliche Verständnishilfe üblicher Zeichensetzung zu verkennen. Aber es gibt Texte, deren feine und tänzerische Bewegtheit, dynamisches Schweben und gleitende Übergänge durch unser doch vergleichs—

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weise grobes Interpunktionssystem unverantwortbar festgenagelt und brutalisiert wird. Phrasierungen binden nicht nur, sie trennen auch; sie zerschneiden sogar, schneiden mit dem Messer der Logik und Grammatik ins lebendige Fleisch der Rhythmen, Klänge, Verknüpfungen und Assoziationen, sie setzen das Mechanische an die Stelle des Organischen. Das gilt schon für moderne Texte — darüber hat R. G. Binding einmal sehr Kluges gesagt —, es gilt erst recht für die Antike; man darf bis zum Beweis des Gegenteils für wahr halten, daß jede Kunst über die Ausdrucksmittel verfügt, deren sie bedarf und die ihr gemäß sind, und daß jede nachmalige Zutat nicht nur Gewinn, sondern auch Verlust bedeutet. Nietzsche hat in einem bedeutenden Wort über Horaz davon gesprochen, daß in gewissen Sprachen „das, was hier erreicht ist, nicht einmal zu wollen" sei: „Dies Mosaik von Worten, wo jedes Wort als Klang, als Ort, als Begriff nach rechts und links und über das Ganze hin seine Kraft ausströmt, dies Minimum in Umfang und Zahl der Zeichen, das damit erreichte Maximum in der Energie der Zeichen..." das gleiche artistische Prinzip, bis zur Uberladenheit zugespitzt und gesteigert, gilt für Persius, und gerade es wird durch unsere Interpunktion oft völlig zerstört. Darüber wäre viel zu sagen. Aber man versuche es nur, den Vers ohne dieses Gehege und Gepflöcke von Kommata, Punkten, Strichen zu lesen, und man wird vielleicht einigermaßen überrascht gewahren, wie das durch die allzu logische Interpunktion Gestaute, Gebrochene, Zerhackte und Verkünstelte an Zusammenhalt und Fluß gewinnt, wie das zuvor Intermittierende zur Linie wird. Das gilt schon' im Kleinen: welcher Unterschied etwa, ob ich (6,58) lese: haut prompte, dicam tarnen oder: haut prompte dicam tarnen! Denn nun erst springt das eigentümlich από κοινοϋ stehende dicam heraus, wird die Doppelung, die Rückläufigkeit, der Wellengang hin und her spürbar. Es gilt mehr noch fürs Große, wo es freilich schneller zu empfinden als mit drei Worten zu sagen wäre. Vor allem aber hängt hieran eine Grundgegebenheit dieser Dichtung, als welche uns — es kann kaum zu nachdrücklich gesagt sein! — der Doppelsinn erscheint, die feine und unmerkliche Drehung des Gedankens, das Spiel zwischen Wört—

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lichkeit und Allegorik — ζ. Β. schreibt man titus 1, 20 groß, dann ist es um die obszöne Nebenbedeutung getan; schreibt man lar 5, 31 groß, warum dann 5,109 klein? Schreibt man avaritia und luxuria 5, 132 und 142 groß, dann wird die Allegorie unleidlich vergröbert, schreibt man es klein — und rechnet mit der Möglichkeit der Großschreibung! —, dann geht sie ebenso eindeutig verloren . . . Der Doppelsinn ist überhaupt und von Anfang an ein fundamentaler Sachverhalt des satirischen, polemischen, komischen Stils, als welcher nie sich mit eindeutigen SchwarzWeiß-Dualismen begnügt; sondern die Werte werden gleichsam kardanisch aufgehängt: was soeben dunkler Vordergrund schien, erweist sich beim nächsten Schritt im Umspringen der Beleuchtung als ·— relativ — helle Folie für einen anderen dunklen Vordergrund, und zwar durchaus nicht im Sinne einer nachrechenbaren Systematik der Depravation, sondern in einem Schweben aller Werte und Unwerte, so wie ein doppelt gefalteter Türflügel selber schwingend seine eigenen Angeln zum Schwingen bringt; im Grunde herrscht diese Vernarrung der Welt schon bei Aristophanes — man denke an den „Demos" der „Ritter" oder an das vielerörterte Verhältnis des Paphlagoniers zum Wursthändler —, nur hier noch ganz aus der fröhlich-hintergründigen Naivität einer Geborgenheit im Volkhaften, das sich nicht festlegen und klügelnd beim Worte nehmen läßt. Bei Horaz wird das Spiel unendlich subtiler, hinterhältiger, voll bewußter Kunst und Regie; bei Persius vollends verliert es sich ins Gestrüpp einer höchst künstlichen, konstruierten Rebus- und Scharadentechnik und erreicht in der Tat manchmal — besonders in 6 — einen Grad, bei dem nur noch das Krause, Verwirrende und Unauflöslich-Dunkle übrig bleibt: jenes Jenseits eines utrierten Kunstwillens, an dessen Ende etwa Balzacs „Unbekanntes Meisterwerk" stünde. Es braucht kaum gebeten zu werden, uns nicht die Absicht zu unterstellen, nun aus allen antiken Texten alle Satzzeichen herauszuwerfen: selbstverständlich hat jeder Herausgeber das Recht und vielleicht sogar die Pflicht, dem Leser damit zu helfen und zugleich sich selber auszuweisen, wie er den Text zu verstehen gedenkt oder wo er ihn nicht zu verstehen bekennt; hier, wo diese Rechenschaft in der beigegebenen Über—

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Setzung zulänglich abgelegt sein dürfte, war das Experiment vielleicht als ein einmaliges und durch die Besonderheit des Objektes gerechtfertigtes zu wagen. Vergleicht man die seitherigen Persiusausgaben, dann differieren sie zumeist in nichts als in diesen interpunktionellen Hinzubringungen, mit denen vielfach sogar die textkritischen Apparate belastet werden; wobei des Streitens deswegen nie ein Ende sein wird, weil das ,Entweder-Oder' vielfach tatsächlich einem ,Sowohl-Als auch' zu weichen hätte. Daß unsere Übersetzung selbstverständlich an dieser fragwürdigen Vereindeutigung teil hat und teilhaben muß, versteht sich von selber, aber das Übersetzen eines Dichters ist ja ohnehin ein Unternehmen, bei dem noch viel gewichtigere Verluste allemale in Kauf genommen werden müssen. (Nebenbei gestehe ich, daß ich es an sich fast als einen Grundsatz betrachten möchte, ein Dichter solle nur von einem Dichter übersetzt werden; damit sei der höchst bescheidene Anspruch der vorliegenden Übersetzung kurz gekennzeichnet!) Jedenfalls sei der Leser ausdrücklich davor gewarnt, sich dadurch bevormunden und beschwichtigen zu lassen: je öfter er am lateinischen Text inne wird, daß es a u c h anders geht, umso größer wird seine Anwartschaft auf echtes Verständnis sein. Nebenbei sei bemerkt, daß in Kuglers mindestens im ersten Ansatz fruchtbaren — wenn auch noch sehr ausbaufähigen — Interpretationsversuchen kein technischer Terminus häufiger ist als der der „Umnüancierung", der genau dem entspricht, was hier gemeint ist. — Übrigens: wer sich radikal auf das Überlieferte zurückziehen wollte, müßte eigentlich sogar die Worttrennung preisgeben; doch erschiene das wohl als ein Rigorismus, der sachlich nichts austrägt, wenngleich ζ. B. eine Divergenz wie die zwischen conchae rasisse und concha erasisse (vgl. adn. crit. zu 2, 66) nicht als „Überlieferungsvariante" gelten darf.

8.

Da es sich hier weder um einen Panegyrikus noch um eine Mohrenwäsche handelt, ist nicht beabsichtigt, das in jedem Sinne Grenzhafte dieser Dichtung zu verhehlen. In Wahrheit wird oft genug empfindlich, daß Persius an einem Punkt steht, an dem die Kunst umzukippen droht ins problematisch —

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Aufgelöste; wo Reife und Fäulnis aneinandergrenzen, wo die Sonden des Empfindens und Erlebens so fein werden, d a ß sie brechen, und das Äußerste des Sagen-Wollens, die höchste Expression ins Stammeln, ins Unsägliche und Unverständliche sich verliert. Die gelassene Fülle eines nach allen Seiten offenen, in sich ruhenden und wohltätig gebundenen Daseins, wie sie uns in den Augusteern entgegentritt, ist verloren und die Stelle wird spürbar, wo Dicadence und Barbarei sich zu berühren beginnen. Persius selbst hat dieses Stigma seiner Zeit mit Schmerz und Leidenschaft gefühlt, und sein Kampf gegen weibischen Schwulst und leeren Effekt, gegen das Geblähte und Verschwommene ebenso wie seine nicht ganz glückliche Liebe zum Urigen, Mannhaften und Kernigen bezeugt das Widerstreben gegen diesen Prozeß der Barbarisierung, dem er doch selber gerade in der Heftigkeit seiner Abwendung seinen Tribut zahlt; denn in ihm kommt nur auf andere Weise, verhaltener und doch vielleicht noch b e d r o h licher, etwas von den Ursachen der von ihm bekämpften E r scheinungen zum Ausbruch: die Überreizung und Abstumpfung der Nerven, jene Mischung von Sensitivität und Abgebrühtheit, die der Nüance bedarf und zugleich der grellsten Schlaglichter, diese wunderliche Verflechtung von Geilheit und Impotenz des Wortes, von K r a f t und Zersetzung der Sprache, die das Älteste im Jüngsten atavistisch wiederholt: ewige Senilität und ewige Puerilität in Einem. Es ist begreiflich, wenn man angesichts dieser a u f r e i ß e n den Brüchigkeit zwischen kruder Massivität des Gegenständlichen und h a u c h d ü n n e r Subtilität eine Sehnsucht nach der maßvoll-geläuterten Reinlichkeit des Klassischen empfindet. Trotzdem: es ist ein fragwürdiges Beginnen, etwa in der Elektra Hugo von H o f m a n n s t h a l s die schlichte Großheit und beglückende Heiterkeit des Sophokles zu vermissen, vor Rodin nach Phidias zu verlangen, Mozart bei Hindemith zu suchen und Braque an Tizian zu messen . . . Ein W o r t Grillparzers, man könne „die Berühmten nicht verstehen, wenn man die Obskuren nicht durchgefühlt" habe, dient oft dazu, die Beschäftigung mit den sogenannten „Kleineren", mit der zweiten und dritten Garnitur der L i t e r a r historie zu legitimieren. Aber d a r u m geht es durchaus nicht. Sondern f r u c h t b a r und mehr als die pflichtschuldige Funk—

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tion eines Museumswärters wird das erst, wenn die Stelle erreichbar wird, wo sich das Späte und Voraussetzungsreiche als gleichen inneren Ranges, gleicher Würde, Nötigung, Echtheit und Gültigkeit erweist wie die klassischste Klassik, ja seinerseits erst dazu hilft, die innere Differenziertheit, die leidvolle Teilhabe an menschlicher Problematik kenntlich und nachvollziehbar zu machen, an der gerade auch das Klassische auf seine leise, verhaltene und noble Art einen Anteil hat, über dessen Ausmaß sich bequeme Beschaulichkeit und Erbaulichkeit in verniedlichendem Mißverstand nur zu willig und billig hinwegtäuscht. Gewisse Bereiche des Daseins sind erst hier entdeckt, gewisse Bezüge angeschlagen, die die Welt wenn nicht schöner, so doch reicher, tiefer und wahrer machen. Was einen Persius so beträchtlich über den vielgeschäftigen Betrieb einer schreibseligen Literatenzeit hinauszuheben scheint — über Phaedrus und Calpurnius Siculus und tutti quanti, mit denen uns eine doch nicht ganz sinnlose Auslese und Ausmerze der Jahrhunderte verschont hat, aber selbst über Lucan, vielleicht und in gewissem Betracht sogar über Seneca —, ist die unerbittliche Echtheit des Herzens, mit der er sich unter seine gegebene Wirklichkeit gestellt, ihren Willen und ihre Möglichkeiten ohne Illusion und Mache vollzogen und damit gerade sein eigenstes So und Jetzt durch künstlerische Formgebung wesentlich und gültig gemacht hat, so dafi aller vorschnelle Tadel des Persius umschlägt zu einem sehr unweisen Tadel an einer Wirklichkeit, die einfach in ihrem Gewesensein ihre unzweifelhafte Legitimation hat: daß so zu sein und solches zu leben eben a u c h zu den Möglichkeiten menschlichen Existierens gehört, daß auch dies sich ansprechen, aussagen und gestalten läßt, so und nicht anders von diesem Menschen, ist Teil eines bewegenden document humain, freilich durchzogen von der Melancholie des Vergänglichen, aber tröstlicher, als es ein jähes Abbrechen und Verstummen nach der einmaligen Sternenzeit echter Klassik wäre. Solange das Bewerten im Bereich individueller Zurechnung stecken bleibt, ist es im Grunde uninteressant und vermag allenfalls zu zeigen, daß das Bewertete uninteressant ist. Denn hier gelten keine halben oder viertelsen Werte. Brennend wird das Vergleichen und In-Beziehung-Setzen erst, wenn es — 130 —

sich zur Einsicht in einen notwendigen Niederschlag echter Situation vertieft, der ihren getreuen, sachgerechten und wahrhaften Ausdruck verliehen zu haben das Beste bleiben mag, was sich über einen Künstler sagen läßt, der ja immer sowohl die Summe seiner Zeit als auch das darin geoffenbarte menschlich Gültige und Beharrende jenseits aller Zeit zu geben hat. Aristophanes, Horaz und Persius sind so wenig in eine quantitative Relation zu bringen wie der Parthenon, der Bamberger Dom und der Dresdener Zwinger. Sondern es handelt sich um nichts als um die Einsicht in das Wunder, daß die Welt nicht längst in der ertötenden Monotonie chinesischer Variantenspielerei erstorben ist — ein Wunder, zu dem in einem geistesgeschichtlich unendlich schwierigen und fast verzweifelten Augenblick Persius einen unverächtlichen Beitrag geleistet hat. „ W e r nicht mehr dichtet, der wird auch nicht mehr handeln. — Denn da, wo der Überfluß aufhört, bleibt nicht das Notwendige zurück, sondern der Mangel", hat R. A. Schröder einmal gesagt. Wer die Geschichte der römischen Kaiserzeit und ihres Überganges zum christlichen Mittelalter bedenkt, wird immer Anlaß haben zu erstaunen, wie mächtig, kontinuierlich und lebenskräftig die geistigen Impulse waren, die dieses scheinbar so entgeistete, starre Gebilde aus Macht, Organisation und Herrschaftsroutine zu bewahren und zu verströmen über ein halbes Jahrtausend hinweg fähig blieb. Persius ist ein Stück der Antwort auf die damit gestellte Frage; beileibe nicht die ganze Antwort. Aber er gehört, auf seine stille und menschlich berührende Art, hinzu, und man tut i h m Unrecht und sich selber durchaus keinen Gefallen, wenn man ihn über den Anderen, von Seneca und Tacitus bis zu Augustin und Prudentius, vergißt. 9.

Ein letztes Anliegen unserer Betrachtung sei nur angedeutet. Die Personen des Persius erscheinen auf ein Minimum an Menschlichkeit reduziert. Sie sind so sehr ohne alle Physiognomie, daß sich über die Vettidius und Pedius, Tadius, Staius oder Manius nicht einmal eine Anmerkung lohnt; Natta, Bestius und Krateros stammen aus Horaz, Davus ist —

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ein Sklave, Chrysis eine Hure, Bathyllus ein Pantomime — sonst nichts. Jacob Burckhardt hat einmal im Hinblick auf die .mittlere' Komödie, in der ein wegen seiner Magerkeit bekannter Philippides gleich dreimal begegnet, von „ e r b a r mungswürdiger Dürftigkeit" gesprochen: dort mit Recht, denn es handelt sich dabei in der Tat nur um die von Persius angeprangerte zweifelhafte Kunst, „zum Schieler Schieler zu sagen" (1, 128). Aber schon hier liegt daneben etwas a n deres vor, nämlich: daß das Individuelle anfängt zur Formel zu gerinnen. Bei Persius erreicht dieser Prozeß der Stilisierung zur Sigle einen Endpunkt — gleichsam den reinen Gegenpol zum homerischen Vergleich. Und gleichzeitig tritt das Allgemeinste immer in der Gestalt des äußerst Speziellen, das Typische in der F o r m des völlig Charakteristischen auf; w o mit das ursprünglich Entgegengesetzte im Ausdruck z u s a m menfällt, nicht aus Ärmlichkeit der Invention, sondern aus einer eigentümlich nivellierenden Sachlichkeit der Observation und Description heraus, die sich in Richtung zu einem völligen Verzicht auf innere Anteilnahme bewegt. Die Menschen des Persius haben etwas von Marionetten. Nicht daß sie an der Wirklichkeit minderen Anteil hätten als die Menschen; sie haben nur einen ganz anderen Anteil daran, mehr im Sinne einer Überwirklichkeit als des Unwirklichen: bar aller individuellen Schwere tun sie das ad hoc Erforderliche gleichsam mit vollendeter Zweckmäßigkeit, dies und sonst gar nichts, mit einer gespenstischen Sparsamkeit der Geste. Persius findet mit erregender Treffsicherheit den inneren Schwerpunkt, aus dem heraus sich die Bewegungen seiner Figuren bestimmen im Sinne einer unendlich gelösten, reibungslosen Korrelation zwischen Absicht und Leistung. Es herrscht bei ihm eine staunenswerte Ordnung, aber es ist eine im Kerne anorganische Ordnung, die den Mechanismus des Daseins bloßlegt mit dem Ziel, den „letzten Bruch von Geist aus den Marionetten zu entfernen, daß der Tanz gänzlich ins Reich mechanischer Kräfte hinübergespielt" werden könne: es ist eine Formulierung aus einem der beziehungsvollsten Aufsätze, die vielleicht je zum Wesen des Künstlerischen geschrieben wurden, nämlich aus Kleists Betrachtung „Über das Marionettentheater". Der Vorteil einer solchen Vollkommenheit der Entseelung läge nach Kleist darin, daß eine —

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solche Figur „sich niemals zierte"; in Wahrheit ist nichts aller Ziererei so fern wie eine Person des Persius — nichts umgekehrt ihr so nahe, wie eine senecanische Gestalt! — Man hat eine Eigentümlichkeit etruskischen Wesens in einem besonders dichten und direkten Verhältnis zur Materie erkannt. Davon hat Persius etwas mitbekommen. Aber bei ihm handelt es sich um jene äußerste Materialisierung der Wirklichkeit, wo — wieder nach Kleist — „nur ein Gott sich mit der Materie messen" kann, an dem unsäglichen „Punkt, wo die beiden Enden der ringförmigen Welt ineinandergreifen". Das Humane bestimmt sich als Abgrenzung des spezifisch menschlichen Bereiches nach zwei Richtungen: nach oben gegen das Göttliche, nach unten gegen das Tierische. In der Welt der Marionette fällt das Humane aus und der Zusammenprall von Gott und Tier schafft den Bereich des Dämonischen. Und dies ist der eigentliche Bereich des Persius: der stabilisierenden Mitte des Humanen beraubt, ist er ganz der Gefahr des Lebens preisgegeben, in dem das Höchste und das Niedrigste zu unendlicher, zerstörender Spannung, bis hin zum Kurzschluß, sich naherücken. Er gehört zu jenen Frühgereiften und Frühverstorbenen, deren Tod in einem tieferen Sinne nicht vorzeitig, sondern notwendige Konsequenz eines diesem dunklen Ziele zudrängenden Lebens ist. Von hier aus läßt sich vielleicht auch' das Verhältnis des Persius zum Stoi zismus neu begreifen. Es handelt sich tatsächlich nicht um eine abgeklärte, gedanklich erarbeitete, am erfahrenen Leben erhärtete philosophische Überzeugung. Dazu fehlt es von beiden Seiten her: vonseiten der philosophischen Einsicht ebenso wie von der Seite der praktischen Bewährung. Offenbar ist die zurückhaltende Formulierung der Vita, er sei aliquatenus, „bis zu einem gewissen Grade", in die Philosophie eingeführt worden, mit gutem Bedacht gewählt. Vielmehr handelt es sich um ein .Bekenntnis' im eigentlichen Sinne, von mehr religiöser als erkenntnismäßiger Qualität. Es ist nun eine vielfältig zu belegende Erfahrung, daß gerade Menschen solcher Struktur und Situation — deren verbindend Gemeinsames vielleicht auch ohne den Versuch einer Definition evident sein möchte — die Fähigkeit gläubigen Anschlusses an eine übergreifende Ordnung zu haben pflegen: ringend im — 133 —

Inneren, werbend nach außen, und immer bezogen auf Gefährdung und Beglücktheit eigener Existenz; daß es im Falle des Persius die Stoa war, woran er sich anlehnte und in der er vor der bedrängenden Intensität eines tödlichen Lebens sich zu bergen hoffte, ist weniger wichtig als, daß es überhaupt etwas war: bei Stendhal war es Napoleon, bei Kleist das .Vaterland' — ein Glaube, der im Zusammenbruch ihn zerbrach —; das Reinste: bei Pascal ist es Gott; und nach ihm bei Kierkegard; bei Trakl ist es nicht mehr zu benennen; und bei Kafka ist es vielleicht die Verzweiflung... Die starke Wirkung des Persius auf die .Kirchenväter' ist anders kaum zu verstehen. Keinesfalls genügt dazu der philosophische Denkinhalt seiner Aussagen, die sich ja kaum über das Niveau irgendeiner paganen Kapuzinerpredigt erheben. Sondern das Spürbarwerden einer zutiefst religiösen Valenz spielt hier herein, einer Valenz, die sich fast blindlings an irgendein Objekt, und so an die Stoa, bindet, die aber jedem stärkeren Objekt mit gleicher Inbrunst hätte zufallen können. Es ist in ihm der Habitus des Bekehrten und Erlösten noch vor aller echten Bekehrung und Erlösung: ein Offenstehen, ein Bereitsein mehr als erreichte Erfüllung und Beschwichtigung. Denn das Werk selber straft ja die Miene dessen, der das wahre und stillende Gut schon in Händen hielte, sozusagen in jedem Wort Lügen. Aber gerade weil in ihm die Frage um so viel stärker und herznäher ist als die Antwort, der Hunger glaubhafter als die Sättigung, die Unruhe zwingender als die Geborgenheit, liegt jenseits von aller zeitlichen Unzulänglichkeit und allem Ungenügen möglicher Lösungen etwas unendlich Gültiges in dieser Verstörtheit, in diesem mühsamen, manchmal quälenden Aug' in Auge mit der Realität: der Mensch, nackt und bloß, sehr einsam und bedürftig, gejagt vom Schrecken des gewußten Todes . . . Kleist sagt im angeführten Zusammenhang:,,.... Doch das Paradies ist verriegelt und der Cherub hinter uns; wir müssen die Reise um die Welt machen und sehen, ob es vielleicht von hinten irgendwo wieder offen ist" . . .



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ZUR

NEUAUFLAGE

Der Wunsch, der längst vergriffene Tusculum-Persius von 1950 möchte endlich wieder im Buchhandel auftauchen, ist oft geäußert worden. Hier ist er, zwar nicht ganz genau, aber in allem Wesentlichen der alte. Das verstand sich für mich lange Zeit durchaus nicht von selbst. Denn zu dem Nutzen, den die Erstauflage allenfalls gebracht haben mag, darf vielleicht unter anderem auch dies zählen, daß —• gewiß auch im Zuge einer allgemeineren damals wachsenden Neubewertung der römischen Nachklassik — das fast eingeschlafene Interesse an diesem feinen und vibrierenden Autor in jenen Jahren auf einmal mit unerwarteter Lebhaftigkeit wiedererwachte und eine Fülle neuer einschlägiger Arbeiten auf den Plan trat. E s sah in der Tat so aus, als habe Friedrich Klingner recht gehabt, als er damals schrieb: „Der Staub ist weggeblasen" — darauf wird gleich zurückzukommen sein —, und nun präsentiere sich der schon fast unter die Horizontlinie der Aufmerksamkeit abgesunkene, um seiner verquälten Dunkelheiten willen recht von oben herab abgekanzelte Epigone und Manierist in erstaunlich gegenwärtiger Modernität. Das attraktive Stichwort vom Vorläufer Kafkas (o. S. 119) verfehlte seine Wirkung nicht; wozu freilich vermerkt sei, daß es von mir selbst weder erfunden noch beifällig rezipiert, sondern nur nachdenklich zitiert worden war, denn solche Gleichsetzungen schaffen meist mehr Verwirrung als Klarheit. Sicher ist, daß die Persius-Bibliographie überraschend anwuchs, und sie tat dies keineswegs nur an Quantität. Verhältnis

zur

Erstauflage

Bei dieser Situation lag es nahe, ihr bei der Vorbereitung einer Neuauflage die gebührende kritische Beachtung, mit J a und Nein, nicht schuldig zu bleiben. Das freilich wäre ein ganz neues Werk von beträchtlich vermehrtem Umfang und — 135 —

Arbeitsaufwand geworden, den zu leisten der Herausgeber sich zuerst wegen anderer ihm vordringlicher Vorhaben, später unversehens wegen geminderter Leistungsfähigkeit endgültig nicht mehr zutrauen durfte, und er resignierte um so williger, als Udo Scholz eine genaue Überprüfung des gesamten handschriftlichen Materials zu einer revidierten Textkonstitution sich vornahm und noch plant. Andererseits war und bin ich allerdings der Meinung, daß ein solcher Neubeginn ab ovo zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit recht interessante Einsichten in die Text- und Überlieferungsgeschichte dieses gerade auch in diesem Betrachte beispielhaft aufschlußreichen kleinen Buches ermöglichen werde. In dieser Richtung also würde ich die besonderen Chancen eines solchen Revisionsunternehmens vermuten. Für die eigentliche Konstitution des textus recipiendus, also für die ernstlich zur Wahl stehenden Lesarten und für die Entscheidung zwischen den sich als überhaupt diskutabel anbietenden variae lectiones würde ich kaum zu hoffen wagen, daß ein nennenswert zu Buche schlagender Gewinn dabei anfiele *), was dann selbstverständlich ebenso für die Übersetzung gelten würde. Trifft dies zu, dann wäre es wohl nicht sehr rationell, um solcher vagen Erwartungen willen einen Neudruck meiner anspruchslosen Ausgabe und vor allem ihrer beigegebenen Übersetzung weiter hintanzuhalten und damit endgültig aufzugeben, zumal die Resonanz gerade auf die deutsche Version so über Erwarten freundlich ausgefallen war; Hildebrecht Hommel zitiert im Bedarfsfall daraus 2 ), Franz Dirlmeier sagt, die Übersetzung dringe „zu einer Plastik vor, die jedem kommenden Übersetzer die Konkurrenz schwer, wenn nicht aussichtslos machen wird" '), Klingner (s. o.) bezeugt, Persius, „im .Bildersturm' des 19. Jahrhunderts gestürzt und seitdem verachtet", werde hier „nun gerade als Dichter neu entdeckt. Ein erregendes Beginnen, zumal w e n n . . . außer dem erfor1) In diese Richtung ging meine Skepsis gegenüber W. V. Clausens Persiusausgabe, Oxford 1956, in: Gnomon 32, 1960, 119—128: dafl der praktikable Ertrag seiner minutiösen Bestandsaufnahme den Lohn der darangewandten Mühe fraglich erscheinen lasse. DaO die Textausgabe als solche gut ist, ist unbestritten! 2) H. Hommel, Die Frühwerke des Persius, Philologus 99, 1955, 271: „Ich lasse die ausgezeichnete Übersetzung von O. S. folgen". 3) Franz Dirlmeier, in „Welt und Wort", Januar 1951 — 136 —

derlichen gelehrten Rüstzeug Feinfühligkeit, Kennerschaft und Sprachmittel letzter Modernität aufgeboten sind . . . Mag immerhin des Guten etwas viel getan sein. Was schadet es? Der Staub ist weggeblasen. Darunter fängt es erregend zu funkeln an. Und erst wenn es so weit ist, lohnt sich alles Weitere" 4 ). Die Misere, ja eigentlich die Unmöglichkeit allen Übersetzens, mindestens von Dichtung, ist jedem, der sich darauf einläßt, leidvoll bekannt, und dem Persiusübersetzer mehr noch als irgendeinem 5 ). Drum ist's ihm kaum zu verargen, wenn er sich, freilich ohne sich Illusionen über sein Unterfangen zu machen, über so viel Nachsicht in so gewichtigen Stimmen ein wenig gefreut hat. Aber freilich: Scheint es nicht, als habe gerade ein forciertes Bemühen um augenblickliche Modernität die mifiliche Folge, nur um so rascher neuerdings ein bißchen Staub anzusetzen? Wir wandern weiter, das Blickfeld der Nähe wechselt und bleibt zurück, nur die Fixsterne wandern mit uns, eben deshalb, weil sie stehen bleiben: Dieses Paradoxon wird, scheint mir, auch im Verhältnis des ersten zu diesem zweiten Nachwort deutlich. Und das ist gut so. Immerhin und mit allem Vorbehalt wird man doch vielleicht am ehesten der Übersetzung eine gewisse Wertbeständigkeit und wenigstens relative Augenblicksunabhängigkeit, vielleicht noch für ein paar weitere Jahrzehnte, prognostizieren dürfen. Videant lectores.

4) Friedrich Klingner, „Deutsche Univ.-Zeitung", Göttingen, Februar 1952. 5) Am schärfsten stellt der Abb£ Galliani (in seinen Horazstudien, vgl. Fritz Schalk, Die iranzös. Moralisten, Neue Folge, Sammlung Dieterich 45, 1940, 81) die Möglichkeit des Übersetzens in Frage: „Wer sich an die Übersetzung . . . w a g t . . ., der hat entweder kein Schamgefühl oder keinen Herzenstakt, oder er versteht seinen Autor nicht. Verbindet man . . . mit der vollkommenen Kenntnis der Originalsprache das klare Verständnis der Kraft und Anmut jedes Ausdrucks in solchen Werken, so entdeckt man in ihnen Schönheiten, daß beim Versuch der Übersetzung... einem plötzlich der Mut sinkt und die Feder aus der Hand fällt; Zorn und Groll bemächtigt sich des Geistes, der keine gleichwertigen Sätze finden kann, denn es scheint immer, als ob man einen herrlichen, unnachahmlichen, vollkommenen Ausdruck verdürbe und herabwürdigte". Freilich ist der Abbi in der Praxis nicht ganz so rigoros, wie er in der Theorie zu sein vorgibt! — 137 —

Änderungen

und

Neuerungen

T r o t z d e m ist nicht gar nichts an der Erstausgabe geschehen. W a s ist an Menschenwerk so gut, daß es nicht noch viel besser zu machen w ä r e ? Relative Annäherungen — weiter ist nicht zu kommen. Hier also: Abgeändert und, hoffentlich, verbessert wurden v o m Urtext achtzehn, v o n der Übersetzung z w e i u n d f ü n f z i g Stellen. Das geschah zum T e i l auf Anraten von Rezensenten, Mitforschern, Freunden, zum T e i l als Ergebnis neuerlicher Überlegung. Selten steht es ja bei Alternativlösungen bei hundert zu null Prozent Wahrscheinlichkeit. Man w i r d nun keine Einzelbesprechung der zusammen siebzig M o d i f i k a t i o n e n erwarten. Zu sagen ist jedoch, daß zumindest die Textänderungen eigentlich die F o l g e hätten haben müssen, daß sich auch die adnotatio critica (S. 86 bis 90) folgerichtig hätte ändern müssen. Das hätte völligen — schwierigen! — Neusatz erfordert, und so schien es uns zumutbar, dem Leser die geringe Mühe des Nachdenkens aufzuerlegen: Er w i r d also an einigen Stellen die i m T e x t gebotene Lesart nicht an erster, sondern erst an zweiter oder dritter Stelle der adnotatio vorfinden. Das läßt sich leicht umdenken. Der Liebhaber zumal w i r d sich dadurch kaum inkommodiert f ü h l e n ; wer hingegen Persius mit peinlicher philologischer A k r i b i e nacharbeiten will, greift ohnehin nach einer textkritischen editio maior. W e r sich also hinsichtlich der Reihenf o l g e der Lesarten im Apparat ein wenig flexibel hält, w i r d insgesamt feststellen können, worauf der T e x t beruht und w o g e g e n er sich entscheidet. Das genügt im ganzen. A n Stellen, die bei diesem V e r f a h r e n undurchsichtig bleiben, finden sich nur f ü n f , und die seien hier kurz verzeichnet: Z w e i dav o n sind bloße Druckfehlerberichtigung, deren Korrektur jetzt also die einhellige Überlieferung bietet, nämlich sat. 1,57 statt aqualicus jetzt aqualiculus und sat. 5,69 statt es jetzt et. Die verbleibenden drei Stellen beruhen auf damals noch nicht vorliegenden, erst v o n W . V. Clausen vorgelegten Handschriftenlesarten, nämlich: 1. sat. 1, 60 tantae, w o f ü r drei erst später berücksichtigte Codices (W d r, "less good, but f a r f r o m worthless: so Clausen, der jedoch selbst an dem alten, konventionellen tantae festhält) tantum bieten, was mir mehr einleuchtet. — 138 —

sat. 3,94: hier bieten die meisten Codices istud, jedoch der cod. Ρ (Montepessulanus 125 Pithoeanus) istuc, das in diesem Falle auch Clausen in seinen Text nimmt. 3. sat. 5,68: statt hos jetzt hoc, das nach Clausen nur zwei Codices (P b) bieten und das mir, anders als Clausen, plausibler scheint. Das ist alles. Bemerkt sei noch, daß der von mir f r ü h e r gebotenen Lesa r t sat. 2, 47 in flammas von Dietrich Henss (siehe Bibliographie Nr. 19, S. 280) der Catull-Vers 90, 6 omentum in flamma pingue liquefaciens entgegengehalten wurde, dem — bei unzweifelhaft bewußter Anlehnung I — bei Persius die Ablativ-Lesart flammis (Plural statt Singular I) näher steht und besser entspricht als flammas; überliefert ist, wie man sieht, auch bei Persius beides, Henss, wie vor ihm schon andere Herausgeber, haben also richtig gewählt, mir war die Catullvorlage (ebenso wie Horaz sat. 1, 5, 99 f.) entgangen. Die Ubersetzung ebenso wie auch deren Änderungen müssen sich selber verteidigen. Nur eine Bagatelle sei herausgehoben, weil sie dem Verständnis eine — freilich dürfte man beinahe sagen: f ü r Persius selbst charakteristische — Schwierigkeit bieten könnte. In dem Vers sat. 5, 70 hatte ich, nach vielen Vorgängern, das temone sub uno mit „an der nämlichen Deichsel" übersetzt. Die Gleichung temo = „Deichsel" ist durch die Lexica gedeckt, aber wenn man die Metapher überlegt, merkt man, daß sie sachlich, technisch falsch ist: Das Vorder- und das auf der gleichen Wagenseite hinterdreinlaufende Hinterrad laufen ja nicht an der „Deichsel", sondern hier ist das gut deutsche, wenngleich heute fast außer Gebrauch gekommene Wort „Langwid" gefordert: ich habe es als Bub in meinen Ferien auf dem Bauernhof gelernt, und genau so — oder auch als „Langbaum" — steht es richtig auch im Sprachbrockhaus. Der Austausch ist nicht nur sachlich zutreffender, sondern er gibt auch ein Äquivalent f ü r zahllose andere, nicht imitierbare obsolete Vokabeln bei Persius. Das einzusetzen hat mir Vergnügen gemacht. Bibliographischer

Hinweis

Auf die Unmöglichkeit, an dieser Stelle einen wissenschaftlichen Forschungsbericht bis zum gegenwärtigen Stand zu — 139 —

bieten, wurde bereits hingewiesen. Nicht zwar als volles Äquivalent, aber doch als behelfsmäßige Hilfestellung für den anspruchsvolleren Benützer möchte der hier neu eingeführte knappe Hinweis auf die neue und — soweit mir bekannt und zugänglich — neueste Spezialliteratur hingenommen werden. Er hat durchaus nicht den Ehrgeiz, auch die letzte Miszelle in der entlegensten Zeitschrift aufzustöbern. Wohl aber kann der Interessierte durch das hier versuchte Kurzverfahren unschwer das für ihn allenfalls Ergiebige rasch ermitteln, ohne daß ihm dabei Wesentliches entginge. Anders als 1950 fehlt es heute nicht mehr an kenntnisreichen Hinführungen zu dem Gesamtkomplex der römischen Satire, deren interpretatorische Möglichkeiten mir noch lange nicht voll ausgenützt zu sein scheinen. Ich benütze die Gelegenheit, besonders an dieser Stelle meinen jungen Kollegen und Schülern Udo Scholz und Hans Jürgen Tschiedel für Hilfe bei der Ermittlung, Auswahl und Gliederung der Titel sowie für manch andere, mir wertvolle freundschaftliche Handreichung zu danken. Daß Bibliographien immer das Schicksal haben, überholt zu werden, ist bekannt. Das Datum des hier gebotenen Standes ist Frühjahr 1973. Es wird also wohl schon bald Nachträge geben, und es könnte sein, daß ich selbst nicht ganz unbeteiligt daran wäre. Aber das vorliegende kleine Buch weiterhin „auf dem Laufenden zu halten" liegt durchaus jenseits meiner Absicht und Möglichkeit. Zum

Problem

der

Interpunktion

Vermissen werden manche, vielleicht die Mehrzahl, gegenüber der Erstauflage eine Änderung, die mir wiederholt nahegelegt worden war, nämlich die, auch den Urtext mit der heutzutage üblichen Interpunktion zu versehen und damit das Verständnis eines ohnehin schon vertrackt schwierigen Autors zu erleichtern. Am schärfsten hat das Friedrich Pfister ausgedrückt e ): er könne diesen Verzicht „nicht für glücklich hal6) Friedrich PQster, in: Würzburger Jahrbücher 4, 1949/50 Helt 2, S. 394 1.; im Gnomon 23, 1951, 226—228 hat Hans Wieland, wenngleich in weit glimpflicherer Formulierung, dasselbe Bedenken geäußert, ähnlich Karl Büchner, „Gymnasium" 62, 1955, S. 224 f., in einer Rezension, welche, bei einigen nicht unberechtigten Vorbehalten — sie wurden ernstlich erwogen und ihnen, soweit möglich und angängig, Rechnung getragen —, insgesamt durchaus wohlwollend ist. Das gleiche Bild ergab die persönliche Resonanz; das Gegenbild, nämlich das positive, ja fast überschwenglich zustimmende Echo, wird gleich zu Worte kommenl — 140 —

ten", und hinzugefügt: „Demnächst wird ein schrulliger Kauz eine griechische Textausgabe vorlegen, die weder Akzente noch Spiritus noch Satzzeichen enthält und den Text in Majuskeln, womöglich in scriptio continua gibt". Fraktur miteinander zu reden gehört zwischen zwei Pfälzern durchaus zu den legitimen Spielregeln, und so hat die Grobheit einer langjährigen Freundschaft durchaus keinen Abbruch getan. Die von Pfister ·— der das mehr scherzhaft als bitterböse geschrieben hatte — allerdings ernst gemeinte Anregung, bei ehester Gelegenheit dem Ärgernis abzuhelfen, habe ich durchaus nicht leichtfertig in den Wind geschlagen, vielmehr erschien sie mir selbst Jahre hindurch naheliegend und durchaus nicht unbillig. Weshalb ihr trotzdem jetzt nicht stattgegeben wurde, dafür gibt es zwei Gründe, einen äußerlichtechnischen, der, als unüberwindlich, für sich allein schon entscheidend wäre, und einen, der etwas tiefer sitzt und zumindest mich, vielleicht auch andere, mit dem ersten wieder versöhnt. Bei der — sich über Jahre hinziehenden und wesentlich durch mich selbst verschuldeten ·— verzögerten Absprache dieser Neuauflage war ich selbst dem Verlag gegenüber von der Voraussetzung ausgegangen, daß dieses Mal auch der Urtext seine Interpunktion erhalten solle. Aber das hätte völligen Neusatz zur Folge gehabt. So ergab sich die dürre Alternative: entweder so, oder gar nicht. In solchem Falle erschien jenes doch noch als das Bessere, zumal es demjenigen, der anderer Meinung ist, freisteht, in seinem eigenen Exemplar die im deutschen Text ja gebotenen Satzzeichen sinngemäß in den Urtext zu übertragen, oder aber auf das Buch einfach zu verzichten, den anderen aber ihren Spaß an dem, was ist wie es ist, nicht zu mißgönnen. Aber hinzu kommt, wie gesagt, ein tieferer Grund. Es wäre nämlich nicht ganz aufrichtig, wollte ich midi, so wie ich die Dinge nach manchem hin und her selbst sehe, hinter die Sachzwänge der Herstellungskosten zurückziehen; denn keineswegs ist es so, als wären die damaligen Gründe zu dem freilich brüskierenden Verfahren (o. S. 124 ff.) inzwischen für mich entkräftet und mit Stumpf und Stiel ausgerottet. Im Gegenteil haben sie mir nach Jahren des Selbstzweifels wieder — 141 —

in zunehmendem Maße Gewicht gewonnen. Wer ehedem den Unmut Felix Jacobys über den Unsinn und Unfug unseres starren Interpunktionssystems miterlebt hat — Gräfin Platen hatte Anweisung, an jedes seiner Manuskripte am Ende ein paar Zeilen Punkte und Kommata hinzuhauen zu beliebiger Verwendung f ü r den Setzer, und das gescheite Faltblatt R. G. Bindings, auf das o. S. 126 angespielt wurde, hat er oft zitiert und seinen Schülern sozusagen zur Pflichtlektüre gemacht I—, wird nicht verkennen, daß hier wirklich ein Problem vorliegt. In der Tat ergäbe es ein ganz falsches Bild, als habe mein Versuch nur Ablehnung erfahren oder sei allenfalls läßlicher Duldsamkeit begegnet. Nur weil ein Autor stets gut daran tut, dem Tadel größere Aufmerksamkeit zu schenken als den seiner Selbstgefälligkeit schmeichelnden Freundlichkeiten, habe ich die Einsprüche so ernst genommen; daß sie kamen, war ja bei dem Anschein der Provokation vorauszusehen — Ernst Heimeran hat mich und sich damals zu der sonst günstigen Aufnahme beglückwünscht, und dazu nicht ohne heitere Verschmitztheit bemerkt, lediglich dieses Wagnis verbiete, von einem Unisono des Lobes zu sprechen I —, aber auch an gewichtigen Stimmen des Einverständnisses hat es schon damals nicht gefehlt, und vor allem war ich selbst höchlichst überrascht, auf wie viel W a r n u n g und Bedauern, Enttäuschung und Widerspruch ich neuerdings gestoßen war, als ich im persönlichen Umkreis, mündlich und brieflich, von meiner Absicht sprach, n u n m e h r den f r ü h e r e n Tadlern Rechnung zu tragen. Und zwar nicht o b w o h l , sondern gerade w e i l Persius ein so eminent schwieriger Autor, nämlich in solch eminentem Sinne ein .Dichter', der Dichter einer antiken poesie pure s e i . . . : Also nicht darin sah man den Vorteil, daß das antike optische Bild von Geschriebenem überhaupt damit restituiert würde — in welchem Falle Pfister mit seiner Erinnerung a n die scriptio continua nur folgerichtig weitergedacht hätte! —, sondern weil damit einem modernen Mißbehagen an der Beibehaltung unseres eigenen modernen Rationalverfahrens bei der schriftlichen Fixierung von Gesprochenem bei einem lateinischen Autor, dessen Poetik sich d a f ü r a m allerwenigsten eignet, auf eine durchaus nicht inadäquate Weise Rechnung getragen sei. Nicht um Repristination geht es also, sondern um Angemessenheit zu optimalem Schriftlich-

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w e r d e n v o n Dichtung. Durch die neuerliche E i n f ü h r u n g üblicher Satzzeichen w ä r e also möglicherweise eine Mehrheit versöhnt und zufriedengestellt, d a f ü r aber eine qualitativ nicht gering zu achtende Minderheit verärgert w o r d e n . Da es n u n also aus technischen Gründen so bleiben soll, w i e es z u v o r w a r , bin ich's selbst bei n ä h e r e m Überlegen g a n z zufrieden, und f r e u e mich, d a ß es auch andere gibt, die ebenso denken. Damit soll klargestellt sein, d a ß hier keine närrische Archaisierung ins Spiel gebracht w e r d e n soll. D a ß f ü r die graphische F i x i e r u n g v o n Gesprochenem an sich eine v e r n ü n f t i g e Anw e n d u n g v o n „Satzzeichen" einen echten Fortschritt bedeutet, sei unbestritten, d a ß zugleich Denkträgheit, rationale Einsträngigkeit und v a l e n z e n a r m e V e r h ä r t u n g e n mit die F o l g e sein k ö n n e n , und d a ß gerade Dichtung darunter Schaden nehm e n k a n n , w i r d nur leugnen, w e m Dichtung nichts ist als genausogut ins Prosaische u m s e t z b a r e P r o s a . Und gerade f ü r Dichtung ließe sich ein sinnreiches Goethewort ins Gegenteil umstülpen: W i r sind euch zu m o d e r n gewesen, N u n wollen w i r ' s antiker lesen. Z u m a l , in eigentümlicher U m k e h r u n g , gerade dieses A n t i k e z u m A l l e r m o d e r n s t e n g e w o r d e n ist, w o m i t sich der Ring schließt. Nur ist jetzt zu sagen, d a ß die Kritik P f i s t e r s unter diesem Aspekt an A u s s a g e w e r t beträchtlich verliert. W e s h a l b , wird sofort deutlich, w e n n m a n das bei P f i s t e r auf das vorige Zitat F o l g e n d e hinzunimmt. Da heißt es nämlich: daran, d a ß P e r s i u s nicht leicht zu verstehen ist, „trägt die Schuld b e w u ß t der Dichter selbst, der ein Neuerer u m j e d e n Preis sein wollte und keine wirkliche S c h ö p f e r k r a f t b e s a ß " . Und die — i m übrigen auch w i e d e r ü b e r a u s positive — Besprechung endet mit einem S t o ß s e u f z e r der Erleichterung: „ M a n freut sich fast, aus der L a b o r a t o r i u m s l u f t , die das Persiusbuch umlagert, in die freie Natur eintreten zu k ö n n e n " . D a s heißt nicht m e h r und nicht weniger, als d a ß der Rezensent zu dem Dichter, u m den es geht, einen echten Z u g a n g h a b e n w e d e r wollte noch konnte, und also auch in d e m Detailproblem der Interp u n k t i o n an der Sache v o r b e i r e d e n mußte. Non omnia possumus omnes. Ich w a r mit Friedrich P f i s t e r vierzig J a h r e lang herzlich b e f r e u n d e t und w e i ß die wissen— 143 —

schaftlichen, humanistischen und liebenswert menschlichen Verdienste des w a h r h a f t gelehrten Mannes in ehrendem Andenken zu würdigen: Volkskunde, Religionsgeschichte, Alexanderroman, Herakleides-Geographie und was sonst alles sichern seinem Namen Dauer. Für spezifisch Poetisches aber hatte er, auf eine einschichtig-nüchterne Rationalität festgelegt, ein n u r schwach entwickeltes Organ, und Persius lag ihm nach Art und Struktur so fern wie nur denkbar. Hier hülfe weder Diskussion noch gar Polemik, hier genügt schlicht hinnehmende Abgrenzung im Sachlichen, die nichts Menschliches zu trennen braucht. Der Reiz, ja die innere Nötigung zu weitgehendem Verzicht auf Interpunktion ist gerade der neuesten Lyrik durchaus nicht unbekannt. Das ist sogar eines der am meisten kennzeichnenden Merkmale der poetischen Moderne: das Zerbrechen der Vordergründe, das Aufreißen der Kontinuitäten und Kohäsionen, umgekehrt das fugenlose Aneinanderreihen des syntaktisch zu Trennenden; man braucht d a f ü r nicht die schrillen Klänge von Dadaismus und Expressionismus, nicht Pound und Eliot, nicht August Stramm und Kurt Schwitters, auch nicht die Gruppe 47 aufzubieten. Ein kurzes Beispiel mag genügen, ein solches zwar, das von der Person her gewiß völlig unverdächtig ist. Es gibt eine Festschrift f ü r Schadwaldt vom J a h r e 1970 7 ), die mit fünf Gedichten von Marie Luise Kaschnitz beginnt. Keines davon hat mehr Satzeichen als einen einzigen Punkt, und der hat nicht eigentlich syntaktische, sondern eher nur zäsurbildende Funktion; wohl auch nicht einmal diesen, so etwa das Gedicht „Danach"; es heißt: Jubel die fremde Vokabel Zugehörig den Kindern Oder den gemalten Engeln Nachgeahmt hier und dort In sehnsüchtiger Anstrengung Etwa der Ostkirche Träume von Auferstehung Stimmen sich übersteigend Metallenes Dröhnen 7) „ D a s Altertum und jedes neue Gute", herausgegeben von Gaiser, Stuttgart 1970. — 144 —

Konrad

Diese geschlagene Stunde Und die Stille danach Der Sog In die Tiefe danach. Und wieder: Gewarnt sei vor glatter Gleichsetzung, auch nur der Intention! Nur dies soll deutlich werden: Ausdruck, der scheinbar im Verzicht auf Ausdruck besteht. Liegt in diesem Verzichten nicht ein Reiz, so etwas wie evozierende Kraft, die Herausforderung des Auf-sich-selbst-Angewiesen-seins? Merkmal einer bestimmten Nobilitierung, abstandschaffend von der vernutzten Trivialisierung papierener Redseligkeiten und epigonalen Verschleißes? Eben dies aber erscheint als das Stigma und T r a u m a neronischer Zeitsprache, mit ihrem Nebeneinander von petronischer Rüpelei und Zartheit; von Senecas Gewissensnoblesse und dem Unflat seiner Apokolokyntosis; dazu Lukans grelles Pathos, wovon die intime, schier geräuschlose Gebärde des Persius, seine genrehafte Metaphorik nur der Revers ist! Man schmecke nur einmal Passagen wie jene über das immanente Elend des Tyrannen (sat. 3, 35—43, ο. S. 34 f.) oder die vom Ende des Schlemmers (sat. 3,96—106): diese gespenstische Todnähe, oder jene schneidende Demaskierung menschlicher Illusionen des Hoffens wie beim Neugeborenen (sat. 2, 31—40): in all diesem und anderem: welche Energie der Imagination, welche Erschrecktheit im bloßen F a k t u m der Existenz! Man lese solche Teile lateinisch und man lese sie laut, dann wird m a n etwas davon begreifen, daß gerade hier, in diesem Prestissimo konkretisierender Allegorik begrifflich trennende Interpunktion eben nicht n u r Gewinn bedeutet: die hypersensible Oberflächenhaut solcher w a h r h a f t epigonalen, aber gerade darin echten Dichtung ist gegen schroffe Alternativen des sie et non sehr empfindlich und so leicht verletzbar wie d e r Flaum eines Pfirsichs oder wie ein Schmetterlingsflügel. Freude

oder

Bangigkeit?

Ein

Beispiel

Persius verwendet also selbst alle Mühe darauf, dem Leser Mühe zu machen, ihn aus dem läßlichen Schlendrian der äla-mode-Poeterei — die er selbst höchst sarkastisch beschreibt, sat. 1, 13—23 — herauszuholen und durch die jähe Drastik — 145 —

der Wirklichkeit zu erschrecken, aufzuscheuchen, ihn gnadenlos zu konfrontieren mit der endemischen Fragwürdigkeit des Lebens. Hier gibt es enge Beziehungen, offene Brücken zu Senecas Lehre des Sterben-Lernens, und eben dies ist spezifischer Zeitausdruck. Die zuweilen bis ins Utrierte vorgetriebenen, aber künstlerisch völlig legitimen Mittel sind von jeder nur erdenklichen Art: lexikalische, syntaktische, metaphorische, siglenhafte Verkürzungen, anakoluthische Aufrauhungen der glatten Satzoberfläche, Überraschungseffekte, Inkonzinnitäten, Bilderkontaminationen: dies wären die offensichtlichsten Stilmerkmale. Jeder Persiusinterpret weiß, welchen Ausmaßes willentlicher — und oft gar nicht schwierig vermeidbarer I — Verdunkelungen sich der Persiusleser zu versehen und wie viel Tiefund Hintersinnigkeiten oft in die nur zu leicht als simpel mißverstehbaren Banalitäten stoischer Allerweltsphilosophie hineingeheimnißt sind. Deshalb durchläuft auch der Weg der Auslegung so oft alle Zwischenstufen vom Ärgerlichen zum artistisch-aesthetischen Entzücken, von vagem, wenig sagendem Halbverstehen zu verblüffter Betroffenheit, vom lässigen Desinteressement zum jäh aufschreckenden mea res agitur. Das sind dann jene „geheimnisvollen Einflüsterungen", von denen Joris Karl Huysmans (o. S. 119) gesprochen hat. Ein besonders instruktiver Fall dieser Feinstruktur des Persius-Stiles stehe als Beispiel für sehr viele mögliche. Gewählt wurde er hier nicht zuletzt deswegen, weil ich selbst die fragliche Stelle früher genauso falsch übersetzt hatte wie das runde Dutzend anderer mir bekannter deutscher und anderssprachiger Übersetzungen, und weil die Aufdeckung des Schadens nicht mein Verdienst ist. Die ganze Stelle ist hochgradig neuralgisch, sie läßt sich am engsten eingrenzen mit den Versen sat. 2, 52—54, aber natürlich muß man das Vorausgehende und Anschließende hinzunehmen, wenn man hinter den gemeinten Sinn kommen will. Der alte, durchaus beachtenswerte Kommentar von Ferdinand Hauthal (Leipzig 1837) bemerkt zu Vers 53 f. zuerst: „An dieser noch nicht ganz sicheren Stelle hat jedes Wort seine Schwierigkeit", womit er recht hat. Aber dann fügt er frohgemut hinzu: „aber sie scheint mir doch leichter zu sein, als man bei der Menge von Lesund Erklärungsarten glauben könnte". Tatsächlich braucht er — 146 —

zur Auslegung neun Druckseiten, um dann dort zu landen, wohin schon die Kette seiner Vorgänger geraten waren, nämlich im zweifellos Falschen. Wir lassen hier vieles auf sich beruhen und greifen nur die drei Worte heraus, an denen die Weichen des Verständnisses gestellt werden: die Worte laetari praetrepidum cor. Was ist ein „zum Freuen im Voraus bebendes Herz"? Hauthals Paraphrase des Zusammenhanges: „Weil die Menschen, wenn man ihnen Silberwerk und goldenes Geschmeide zum Geschenk macht, so aufgeregt und entzückt werden, daß sie vor Freude schwitzen und Thränen vergießen und durch Bewegungen und Geberden ihres Körpers den angenehmen Eindruck lebhaft zu erkennen geben, so meinen sie, daß auch die Götter an dergleichen Gaben einen großen Gefallen finden, und sich den Menschen, welche dieselben dargeboten haben, d a f ü r freundlich und gütig bezeigen. Daß dieses eine thörichte Meinung sei, das will der Dichter darthun, darstellen, und bedient sich dazu der beliebten Form der Anrede." Das ist brav, bieder und bemüht gesagt, aber wenn das ,Persius' wäre, dann würde f ü r ihn selbst der volle Unmut gelten, den er seinerseits gegenüber seiner zeitgenössischen Moraldiatribe empfindet: quis leget haec? (sat. 1, 2): Wer, um Gottes willen, wird so etwas f ü r lesenswert halten? Nun also: Was bisher bei mir zu lesen war, wahrt zwar ein wenig von der F o r m des Originals, auf die alles ankommt und die nicht wohlmeinend durch Einschübe verwässert und eingeebnet werden kann, aber: der Sache nach ist es ziemlich genau das, was schon Hauthal, und anscheinend alle vor und nach ihm gemeint haben (o. S. 27): das „freudig erbebende Herz entränge dir perlende Zähren." Spürbar bleibt zwar noch, als Form, die starke metaphorische Strahlung, die energische Umsetzung von abstrakt Konzipiertem in Bild, Metapher und symbolisierende Veranschaulichung ins konkret Anläßliche. Darin liegt Persius' eigentümliche, unverwechselbare Magie zerbrochener, sprunghaft gereihter Vordergründe und mehr nur zu ahnender unterschwelliger geheimer Ligaturen und Phrasierungsbögen auch dort, wo m a n zuerst n u r Willkür, Manier und Manie zu erkennen meint. Aber das alles wäre dann doch Leerlauf; es wäre nur Mache, wenn es sich •ebensogut ins Simple umschreiben ließe, und wenn dabei — 147 —

nicht mehr herauskäme als eben das, was oben darüber gesagt wurde. Dann nämlich würde die künstlerische Notwendigkeit, die poetische Legitimität zu verneinen sein, was bliebe, wäre Flitter und Tüftelei. Das gilt genauso für die Kommentierungen von Cartault (Ί951) — "un έηιοί joyeux ferait jaillir les gouttes" —, von Scivoletto (s1961) — "si agita per 1' eccessiva gioia", von Conington-Nettleship (31893) — "laetari, constructed with 'praetrepidum', 'overhasty to rejoice'": genug der Beispiele I Behaglich ist dabei wohl keinem zumute. Aber erst Udo Scholz hat mich mit der Frage überrascht, ob und wieso denn wirklich „freudige Erregung" und nicht vielmehr deren genaues Gegenteil gemeint sei: ,Ein Herz, das Angst davor hat, das davor bange ist sich im voraus zu freuen'. Dabei waren bei ihm gar keine tief- und hintergründigen Spekulationen im Spiel, vielmehr meinte er, die unvoreingenommene Ubersetzung dessen, was dasteht, gebe zuerst einmal dies und nichts anderes her. Mehr sei mit seiner Frage nicht gemeint gewesen, auch habe er nicht die Absicht, selbst den Faden weiterzuspinnen; wenn ich es tun wolle, dann werde er sich drüber freuen. So kam ich dazu. Vorhin war von einer Stelle die Bede, an der die Nichtbeachtung einer Catullparallele mich zu einer textlichen Fehlentscheidung verleitet hatte (o. S. 139 zu sat. 2, 47). Hier ist es genau umgekehrt die Überbewertung eines Catull-Modells, was das Verständnis verhindert hat, und zwar von langer Hand her: Der Catull-Vers wird übrigens viel häufiger in der älteren als in der neuen Persiusliteratur zitiert — umgekehrt findet sich die Persiusanlehnung in den Catulltexten erstaunlich selten erwähnt 8 ) —: aber wem fiele nicht bei Persius' praetrepidum cor gleich Catulls entzückendes iam mens praetrepidans avet vagari (c. 46, 7) ein, und das meint ja nun wirklich die fröhlich in den Beinen kribbelnde Reiselust im Frühling. Die Beziehungen zwischen Persius und Catull sind eng, so eng, wie so oft Bezugnahmen der Nachklassik auf die Vorklassiker. Man darf dabei durchaus an bewußte Anspie8) Bei W. Kroll und anderwärts habe ich vergeblich danach gesucht; ich fand sie — da sie mir ohnehin im Gedächtnis lag — im Index verborum der Teubneriana von Mauritius Schuster, (1904/1949; SchusterEisenhut 1958). — 148 —

lung denken. Aber trotzdem, oder viel eher: gerade deshalb und um so mehr m u ß dabei stets mit einer Umnuancierung gerechnet werden — ganz im Sinne einer Umkehrung von Tristan Bernards Satz, das Publikum wolle immer „überrascht werden, aber nur durch das, was es schon kennt" —: das schon Gekannte wird willentlich verfremdet, ins Gegenteil umgestülpt und hier auf diese Weise zu seinem eigentlichen Ursprung zurückverwandelt: trepidus heißt, nach Walde-Hofmann ·), „hastig, unruhig, ängstlich, besorgt, beunruhigend, verwirrend", der alte Forcellini bietet unter praetrepidus zwar als erstes die Bedeutung exsultans, gibt dazu als einzigen Beleg unsere Persiusstelle, dann aber: „2. item valde tremens, timidus. Suet. Tib. 63 ('ansioso, inquieto'. Et Nero 41 . . . pien di p a u r a ' ) " ; diese Stelle sei zitiert: sed urgentibus aliis super alios nuntiis Romam praetrepidus rediit, in der Krönerausgabe (R. Till, 1936) übersetzt: „Doch als eine Hiobsbotschaft über die andere auf ihn einstürmte, kehrte er in großer Angst nach Rom zurück", wozu noch hinzuzufügen ist, daß das Präfix prae- f ü r den Römer genauso zweideutig war wie f ü r uns: entweder „sehr" (praegrandis, praevalidus) oder „vorweg" (praecanus bei Horaz epist. 1, 20, 24; praematurus). Jedenfalls: die Valenz des Schreckenden, Bangen steht deutlich im Vordergrund, und auch Catull will diese Nähe konträrer Empfindungen verspüren lassen, eben im Sinne eines geradezu zappligen Reisefiebers. Davon kann aber bei Persius ja kaum die Rede sein! Bei ihm handelt es sich um eine tiefe Unruhe und Ungestilltheit des Gemütes gerade im Augenblick einer kurzfristig erwartbaren Wunscherfüllung, deren eigentliche Wertlosigkeit sich bereits vor dem Moment der Erfüllung enthüllt. Die Frommheit des Barock hat f ü r solche Schattierungen ein feines Ohr gehabt, einerseits in der Streuweite des Begriffs „Vergnügen" 10 ), andererseits in der Entwertung irdischer Ziele in dem pietistischen Choral des J o h a n n Heinrich Schröder von 1697: 9) Lat. etym. W ö r t e r b u c h II» 1954 s. v. trepidus S. 701. Georges II 1869 s. v. praetrepidus bietet: I. eig.: cor, klopfend, Pers. 2, 52. — II. übtr. — sehr ängstlich, v. P e r s . " dazu die beiden Suetonnachweise, dazu senatus, Capitol. Maxim, et Balb. 1 § 1. 10) Dazu die E r l a n g e r R e k t o r r a t s r e d e von Heinz Otto Burger, 1959: „Die Geschichte d e r unvergnügten Seele", in: Burger, ,,Dasein heißt eine Rolle spielen, Studien zur deutschen Lit.-Gesch.", Mfinchen 1963, Kap. VI, S. 120—143. — 149 —

Eins ist not! Ach Herr dies Eine Lehre mich erkennen doch! Alles andre, wie's auch scheine, Ist ja nur ein schweres Joch, Darunter das Herze sich naget und plaget, Und dennoch kein wahres Vergnügen e r j a g e t . . . Natürlich wirkt darin zuerst einmal alte christliche Tradition nach, und zwar erkennt man speziell das cor inquietum Augustins wieder. Aber auf diesem Felde schließt das eine Ja kein Nein zum anderen ein. Es gibt zu denken, daß zwei antike Autoren, die m a n ihrer eigenen geistig-stilistischen Position nach eigentlich unter den entschiedenen Persiustadlern vermuten sollte, gerade umgekehrt unter seinen warmherzigsten Fürsprechern zu finden sind: der eine ist Heide, Quintilian, der andere Christ, Augustin. Quintilian, man bedenke, der unnachsichtige W a r n e r vor Seneca, dessen effektvoll gebrochener Stil ihm geradezu verderblich insbesondere f ü r seine jugendlich faszinierten Schwärmer zu sein schien (Quint. 10, 1, 125), bezeichnet den wahren Ruhm des schmalen Persiusbüchleins als wohlverdient (o. S. 116), und vielleicht wird sich anderwärts noch einmal zeigen lassen, mit wie genau treffendem Qualitätsurteil eben dieser Quintilian seine immerhin fünf Persius-Zitate zwar scheinbar aus rein formalen Gründen, aber aus gleichwohl mit Geschmack und aus Freude an der erlesenen Gesamtformulierung ausgewählt, oder besser wohl: im Gedächtnis parat gehabt hat. Es wäre der Mühe wert, diesen Sachverhalt einmal näher zu beleuchten: Das Resultat vermöchte beiden Beteiligten ein gutes Zeugnis auszustellen. Der andere antike Benützer des Persius, den als solchen zu finden man nicht ohne weiteres erwarten würde, ist, wie gesagt, der Heilige Augustinus: Dieser zitiert aus Persius volle zehn Stellen, und auch diese, zum Teil von immerhin nennenswertem Umfang — wie etwa Persius sat. 3, 66—72 bei Augustin civitas dei II 6 (56, 26)! — zeigen ein überraschend hohes Maß von sachlicher Würdigung und echter Wertschätzung u ) : auch dies völlig unverständlich, wenn Persius 11) Das Material ist bereitgestellt und h e r v o r r a g e n d aufbereitet bei Harald Hagendahl, Augustine and the Latin Classics, Studia Graeca et Latina Gothoburgensia XX: 1, vol. I Testimonia, 1967, S. 215—218, Testim. — 150 —

•wirklich nicht mehr wäre als der subaltern brave, beflissene, unreife Verseschmied, der stoische Bücherweisheit in exaltierte Verse preßt, so wie ihn Mommsen (o. S. 83) noch sah: Es ist eben gerade nicht so, als habe Persius „ein Neuerer um jeden Preis" sein wollen; im Gegenteil ist er unendlich willig im Aufstöbern und Übernehmen, im Bewahren und Umnuancieren; Vorgefundenes läßt er mit besonderer Lust vom Bekannten ins verblüffend Überraschende umschlagen, Vertrautes wird befremdlich, bieder Gewohntes paradox, aus einer betulichen, langweiligen und verkitschten Alltagserfahrung geht unversehens ein geisterhaftes Irisieren und Oszillieren hervor, der geborgene Mensch findet sich jählings ins Gespenstische und Bedrohliche entlassen: In diesem Sinne geht es nicht um Neues, sondern um zugleich Altbekanntes und Unerhörtes, wo das Sichere zum gänzlich Ungesicherten umkippt: Das ist Persius! Aber zurück zu der sperrigen, paradoxen Prägung des laetari praetrepidum cor. Gibt es eine solche Situation, in der das Erwünschte zum Gefürchteten wird, in der das SichFreuen zum Schrecknis entartet, in der jeder Schritt zum Ziel unversehens sich als Schritt ins Verderben enthüllt und der Mensch spürt, wie all sein Begehren ihn nur immer tiefer in seine eigenen Fesseln verstrickt? Die Frage bedarf keiner tiefenpsychologischen Erörterung. Es gibt nämlich eine Parallele, die um so überzeugender sein dürfte, je weniger dabei an irgendwelche direkte Abhängigkeit auch nur von ferne zu denken ist. Goethe hat Persius gekannt: Passow erzählt in einem Brief an Voß vom März 1810, wie er Goethe seinen Persius gebracht habe, „von dem ich ihm schon am Mittwoch allerlei hatte sagen und erzählen müssen" 12 ). Das sagt nicht viel. Um so mehr wiegt eine Passage aus Goethes Besprechung von Knebels Lukrezübersetzung l s ), wo es heißt: „In der FolgeNr. 493—502, wo alle in B e t r a c h t kommenden Persius- und Augustinstellen konfrontiert sind. Die S a c h v e r h a l t e , für Quintilian ebenso wie für Augustin, im Hinblick auf Persius sind natürlich bekannt. Nur hat man versäumt, sich über das Erstaunliche daran, in beiden Fällen, hinlänglich zu wundern! 12) Zitiert ist nach der Artemis-Gedenkausgabe 1949, 22 S . 587 f. 13) Ebenda Band 14 S . 663 f. ( = „Über Kunst und Altertum. Dritten Bandes drittes H e f t " , 1822). — 151 —

zeit" — gemeint ist die augusteische Zeit! — »war an eine Vermittlung nicht mehr zu denken; Tyrannei trieb den Redner von dem Markt in die Schule, den Poeten in sich selbst zurück; daher ich denn gar gern, diesem Verlauf in Gedanken folgend, wenn ich mit Lucrez angefangen, mit Persius endige, der, in sibyllinische Sprüche bittersten Unmut verhüllend, seine Verzweiflung in düstern Hexametern ausspricht". Hier hat ein Dichter vom Geist eines Dichters w a h r h a f t einen Hauch verspürt. Das bedeutet jedoch gewiß nicht, Goethe habe die drei hier zur Debatte stehenden Worte — laetari praetrepidum cor — in dem eben dargelegten Sinne, in ihrer paradoxen Ambiguität, verstehen können. Das war nicht seines Amtes und dazu fehlten ihm alle interpretatorischen Voraussetzungen. Umso schwerer wiegt, daß sich der hier ermittelte Gedanke, diese eigentümlich bängliche, zwieschichtige Seelenlage, in ganz anderem Zusammenhang und aus ganz eigener, einmalig bestimmter Seelenlage heraus bei Goethe findet, so gleichartig, daß es bewegend ist und daß der Tiefgang der Persiusstelle erst von hieraus einigermaßen vollziehbar wird, und zwar ohne übersteigernde Willkür. Die sehr bekenntnishafte Aussage findet sich in den „Tag- und Jahresheften" zum J a h r e 1809 14 ); sie sei im Zusammenhang zitiert: „Um von poetischen Arbeiten nunmehr zu sprechen, so hatte ich von Ende Mais an die Wahlverwandtschaften, deren Konzeption mich schon längst beschäftigte, nicht wieder aus dem Sinn gelassen". Und nun die hier bedeutsame Hinzufügung: „Niemand verkennt an diesem Roman eine tiefe leidenschaftliche Wunde, d i e im Heilen sich zu schließen s c h e u t , e i n H e r z , d a s zu g e n e s e n f ü r c h t e t " . Gewiß, die autobiographische Situation ist durchaus individuell und atypisch, nämlich spezifisch diejenige Goethes, wobei die Person von Mina Herzlieb kaum mehr als katalysatorische Bedeutung zu haben braucht. Gemeinsam aber ist, und dies ganz zweifelsfrei, die schizoide Zwiesichtigkeit des Wünschbaren und des zu Fürchtenden, wo die Qualifikationen von ,gut' und .schlimm' austauschbar werden und das Wort in sein eigenes Gegenteil umschlägt. Das ist es, worum es geht: bei Goethe und bei Persius. 14) Ebenda Band 11 S. 833 (Die Hervorhebung ist in diesem Falle natürlich von mir). — 152 —

Darin aber liegt, wiederum hier wie dort, Adel und Noblesse, Stil und Esoterik, hoher Anspruch und rückhaltlose Eröffnetheit ohne Verletzung diskreter Intimität. Es zu solcher Zucht und Disziplin gebracht zu haben, ist f ü r den dreiundsiebzigjährigen Goethe eines von vielen Zeugnissen höchster Reife und Lebenseinsicht; ähnliches aus dem Munde des höchstens achtundzwanzigjährigen — denn älter ist er ja nicht geworden! —, in keinem Tagesgeschäft bewährten jungen Mannes etruskischer Deszendenz zu vernehmen, ist schlechthin erstaunlich, begreiflich wohl nur aus dem ungeheueren psychischen Druck der neronischen Zeit, in dessen Folge menschliche und dichterische Qualitäten nicht leicht, nur sparsam, aber dann bei gutem Glück auch rein und makellos ausgefällt werden können und auch der f r ü h e Tod durchaus zum Wesensbild gehört. Aber es sei noch einmal gesagt: Dies Letzte war nur ein Beispiel. Vielleicht ein besonders vielsagendes, aber es darf ruhig als f ü r Persius charakteristisch begriffen werden.

Buckenhof bei Erlangen, im Juni 1973

O. S.

BIBLIOGRAPHISCHE H I N W E I S E Der Nutzen der folgenden Hinweise liegt wohl in ihrer Beschränkung, in ihren Verzichten, gar in ihrer Mangelhaftigkeit. Wem hülfe hier eine komplette Bibliographie (samt Rezensionen) von vielen Seiten? W e r diese sucht, müßte sich an die jährlich erscheinenden Bände der „annee philologique" (Marouzeau) oder an die Nachträge bei Knoche-Ehlers (vgl. unten Nr. 41) wenden. Die Auswahl ist bewußt subjektiv, also auch willkürlich; das eklektische ,Prinzip' ist beinahe der Zufall, j e nachdem, was mir selbst förderlich war oder dem Liebhaber dienlich werden zu können schien. Selbständige Bücher wurden bevorzugt; nur in wohlbedachten Ausnahmefällen wurden unter Inkaufnahme bewußter Inkonsequenz Zeitschriftenaufsätze benannt, wobei wiederum rein persönliche Bezüge nicht ganz ohne Einfluß waren. Trotzdem oder auch gerade dadurch könnte vielleicht ein Zugang zur Persiusforschung gewiesen sein, der anlockt ohne zu entmutigen und ohne in Resignation zu führen. A. zu

Persius

I.Texte,

Übersetzungen,

Kommentare

1. A. Persi Flacci Saturarum liber, praecedit vita, edidit, praefatus est, adparatu critico, interpretatione et verborum indice instruxit D. Bo, (Corpus scriptorum Latinorum Paravianum), Torino 1969 (vgl. dazu J . II. Brouwers, in: Mnemosyne ser. IV vol. XXV, 1972, S. 449—451) 2. Perse, Satires, texte etabli et traduit par A. Cartault, troisiöme edition revue et corrigie, Paris (Les Belies Lettres) 1951 3. A. Persi Flacci Saturarum liber, accedit vita, edidit W. V. Clausen, Oxford (Clarendon Press) 1956 4. A. Persi Flacci et D. Iuni Iuvenalis Saturae edidit brevique adnotatione critica instruxit W. V. Clausen, Oxford (University Press) 1959 5. Auli Persii Flacci Satirarum liber. Cum scholiis antiquis edidit O. Jahn, Ilildesheim (Olms) 1967 (Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1843) — 154 —

6. A. Persio Flacco, Le satire, introduzione, traduzione e note di A. Mancini, (Nuova collana di autori greci e lat. trad, in ital. con teste a fronte), Firenze (Sansoni) 1950 7. Juvenal and Persius with an English translation by G. G. Ramsay. (Loeb Classical Library), revised and reprinted London 1961 8. Auli Persi Flacci Saturae, testo critico e commento a cura di N. Scivoletto, (Biblioteca di studi superiori XXXVI), Firenze (La Nuova Italia) 1956, 21961 9. Römische Satiren, Ennius — Lucilius — Varro — Horaz — Persius — Iuvenal — Seneca — Petronius, eingeleitet und übertragen von Ο. Weinreich, Zürich und Stuttgart (Artemis) 1949. »1962

II. I n d i c e s 10. Berkowitz, L. u. Brunner Th. F., Index verborum quae in saturis Auli Persi Flacci reperiuntur, (Alpha-Omega VII), Hildesheim (Olms) 1967 11. Bo, D„ Persii Lexicon, (Alpha-Omega VIII), Hildesheim (Olms) 1967

III.

Sekundärliteratur zu Person und Werk

12. Ballotto, F., Cronologia ed evoluzione spirituale nelle satire di Persio, Messina (D'Anna) 1964 13. Beikircher, H„ Kommentar zur VI. Satire des A. Persius Flaccus, (Wiener Studien, Beiheft 1) Wien-Köln-Graz 1969 14. Ciresola, T., La formazione del linguaggio poetico di Persio, Rovereto 1953 15. Dessen, C. S., The Satires of Persius. A poetic study., Diss. Johns Hopkins University Baltimore 1964 16. Dessen C. S., Iunctura callidus acri. Α study of Persius' Satires., (Illinois Studies in Language and Literature LIX) Urbana University of Illinois Press 1968 17. Erdte, H., Persius. Augusteische Vorlage und neronische Überlieferung, Diss. München 1968 18. Faranda, G., Caratteristiche dello stile e del linguaggio poetico di Persio, in: Rendiconti dell' Istituto Lombarde. Classe di Lettere, Scienze morali e storiche 88 (1955), S. 512—538 19. Henss, D., Studien zur Imitationstechnik des Persius, Diss, (masch.) Marburg 1951. Auszug in: Philologus 99 (1955), S. 277—294 und in: Die römische Satire (vgl. hier Nr. 35 S. 365—383) 20. Hommel, H., Die Frühwerke des Persius, in: Philologus 99 (1955), S. 266—276 21. Korzeniewski, D., Die erste Satire des Persius, in: Die römische Satire (vgl. hier Nr. 35 S. 384—438) 22. Kugler, W„ Des Persius Wille zur sprachlichen Gestaltung in seiner Wirkung auf Ausdruck und Komposition, Diss. Berlin 1940 (vgl. oben S. 84). 23. Marmorale, Ε. V., Persio, (Biblioteca di cultura 18), 2a edizione rifatta, Firenze (La Nuova Italia) 1956 24. Paratore, E., Persio e Lucano, (Quaderni della Rivista di Cultura Classica e Medioevale 6), Roma 1963 25. Paratore, E., La poetica di Persio, Roma (Ateneo) 1964 26. Paratore, E., Biografia e poetica di Persio, Firenze (Le Monnier) 1968 27. Reckford, K. J., Studies in Persius, in: Hermes 90 (1962), S. 476—504 — 155 —

28. Richter W., Varia Persiana. Beobachtungen zu den Satiren 4 und 6., in: Wiener Studien 78 (1965), S. 139—175 29. Scholz, U. W., Rem populi tractas? Zu Persius' 4. Satire, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Rostock (vgl. hier Nr. 34 S. 525—531) zum Nachleben 30. Hering, G. F., Persius. Geschichte seines Nachlebens und seiner Übersetzungen in der deutschen Literatur, Berlin 1935 30a Seel, 0., Zum Persius-Titel des Codex Pithoeanus, in: Hermes 88, 1960, S. 82—98. 31. Ogner, G., Hamann und Persius. Eine literarische Verwandtschaft., Diss. Graz 1968 32. Pasoli, E., Attualitä di Persio, erscheint in: Festschrift Josef Vogt — Aufstieg und Niedergang der römischen Welt, Band II (enthält noch weitere bibliographische Angaben) B. zur römischen I.

Satire

Sammelwerke

33. Critical essays on Roman literature, ed. by. J. P. Sullivan, II: Satire, London 1963 34. Römische Satire, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Rostock, 15. Jahrgang 1966, Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe, Heft 4/5, S. 407—584 35. Die römische Satire, hg. von D. Korzenieuiski, (Wege der Forschung 238), Darmstadt (Wiss. Buchges.) 1970 II.

Einzelschriften

36. Cibe, J. P., La caricature et la parodie dans le monde remain antique des origines ä Juvenal, (Bibl. des £coles franc. d'Athines et de Rome 206), Paris 1966 37. Duff, J. W., Roman Satire. Its outlook on social life., Hamdon 1936, 21964 38. Elliot R. C„ The Power of Satire. Magic, ritual, art. Princeton 1960. Kürzer darüber: Satire und Magie, in: Antaios 4 (1962), S. 313—326 39. Highet, G„ The anatomy of Satire, Princeton 1962 40. Hodgart, Μ., Satire, (World University Library), London 1969 41. Knoche, U., Die römische Satire, (Studienhefte zur Altertumswissenschaft 5), 3., veränderte Aullage mit bibliographischen Nachträgen für die Jahre 1956—1968/69 zusammengestellt von IV. W. Ehlers, Göttingen 1971 (»1949, 21957) 42. Opelt, /., Die lateinischen Schimpfwörter und verwandte sprachliche Erscheinungen. Eine Typologie., Heidelberg 1965 43. Opell 1., Vom Spott der Römer, (zweisprachige Anthologie), München (Heimeran) 1969 44. Puelma Piwonka, M., Lucilius und Kallimachos. Zur Geschichte einer Gattung der hellennistisch-römischen Poesie. Frankfurt/Main 1949 45. Rooy, C. A. van, Studies in classical satire and related literary theory, Leiden 1966 46. Scherbantin, A„ Satura Menippea. Die Geschichte eines Genos. Diss. Graz 1951 47. Schoenheim, U., A study of the major themes of Roman satire, Diss. Cornell University 1958 48. Witke Ch., Latin satire. The structure of persuasion. Leiden 1970 — 156 —

C. Bibliographien

und

Forschungsberichte

49. Agostino, V., d', Nuova bibliografia su Persio (1946—1957), in: Rivista di studi classici VI (1958), S. 63—72 50. Agostino, V., d', Gli studi su Persio dal 1957 al 1962. Nota bibliograflca., in: Rivista di studi classici XI (1963), S. 54—64 51. Anderson, W. S., Recent work in Roman satire (1937—1955), in: The Classical World L (1956), S. 33-40 52. Anderson, W. S., Recent work in Roman satire (1955—1962), in: The Classical World LVII (1964), S. 293—301 und 343—348 53. Anderson, W. S„ Recent work in Roman satire (1962—1968), in: The Classical World LXIII (1970), S. 181—194, 199, 217—222 54. Büchner, K„ Fachbericht zur römischen Satire, in: Gymnasium LXII (1955), S. 220—225 55. Burck £., Bibliographische Nachträge, in: Horaz Satiren, erklärt von Kiessling/Heinze, Berlin 81961, S. 367 fl. 56. Ehlers, W. W„ Bibliographische Nachträge für die Jahre 1956—1968/69 bei Knoche (vgl. hier Nr. 41 S. 123—136) 57. Korzeniewski, D„ Forschungsbericht mit bibliographischen Angaben in: Die römische Satire (vgl. hier Nr. 35 S. VII—XVI) 58. Maggiulli, G„ Bibliographische Angaben in der Rezension der italienischen Übersetzung von U. Knoche, Die römische Satire, in: Maia 23 (1971), S. 81—85 D. Instruktiv zur Einführung frühen Kaiserzeit:

in Geist und Literatur

der

römischen

59. Burck, E., Vom römischen Manierismus, (Reihe „Libelli" Bd. CCCXXVII), Darmstadt (Wiss. Buchges.) 1971 60. Ergänzend darf auf mein Buch „Weltdichtung Roms". Berlin 1965, verwiesen werden, darin besonders der Abschnitt „Pathos, Ethos und Ironie (Neronische Zeit)", a. O. S. 415—437 61. Bramble, J. C., Persius and the programmatic satire. A study in form and imagery. London 1973 (192 S., bes. zu sat. 1).

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TUSCULUM-BÜCHEREI Zweisprachige Ausgaben poetischer, philosophischer, historischer Texte der Antike Stand F r ü h j a h r 1974 AISCHYLOS: Tragödien und Fragmente ed. Oskar Werner. DM 34.— ALKAIOS: Lieder ed. Max Treu. DM 14.— Anthologia Graeca ed. Hermann Beckby. 4 Bände zusammen DM 200.— APULEIUS: Der Goldene Esel edd. E. Brandt und W. Ehlers. DM 28.— ARATOS: Phainomena ed. Manfred Erren. DM 25 — ARCHILOCHOS: Sämtliche Fragmente ed. Max Treu. DM 18.— AUGUSTINUS: Selbstgespräche ed. Peter Remark. DM 16.— AUGUSTUS: Meine Taten ed. Ekkehard Weber. DM 14.— BAKCHYLIDES — SIMONIDES: Chorlyrik ed. Oskar Werner. DM 26 — CAESAR: Bürgerkrieg ed. Georg Dorminger. DM 20.— CAESAR: Gallischer Krieg ed. Georg Dorminger. DM 28.— CATULL: Carmina ed. Werner Eisenhut. DM 16.— CICERO: Brutus ed. Bernhard Kytzler. DM 28 — CICERO: Cato Maior — De Senectute ed. Max Faltner. DM 14.— CICERO: De Fato ed. Karl Bayer. DM 14.— CICERO: Gespräche in Tusculum ed. Olof Gigon. DM 36 — CICERO: Laelius ed. Max Faltner. DM 14.— EURIPIDES: Sämtliche Tragödien und Fragmente ed. Gustav Adolf Seeck Band 1: Alkestis, Medea, Hippolytos DM 29.— Band 2: Herakliden, Hekabe, Andromache DM 27.— GRIECHISCHE INSCHRIFTEN ed. Gerhard Pfohl. DM 24.— HERODOT: Historien ed. Josef Feix. 2 Bände zusammen DM 68.— Homerische Hymnen ed. Anton Weiher. DM 14.— HORAZ: Sämtliche Werke edd. Burger-Färber-Schöne. DM 26.— JULIAN: Briefe ed. Bertold Weis. DM 28.— LUKAN: Bürgerkrieg ed. Wilhelm Ehlers. DM 48.— MENANDER: Dyskolos ed. Max. Treu. DM 14.— MUSAIOS: Hero und Leander ed. Hans Färber. DM 12.— OVID: Amores edd. Walter Marg und Richard Harder. DM 16.— OVID: Liebeskunst ed. Franz Burger. DM 11.— OVID: Metamorphosen ed. Erich Rösch. DM 28.— PETRON: Satyrica edd. Konrad Müller-Bern und Wilhelm Ehlers. DM 34 — PHILOGELOS: (Der Lachfreund) ed. Andreas Thierfelder. DM 28.— PHILOSTRATOS: Die Bilder ed. Otto Schönberger. DM 38 — — 159 —

PINDAR: Siegesgesänge und Fragmente ed. Oskar Werner. DM 45.— PLATON: Briefe edd. W. Neumann und J. Kerschensteiner. DM 18.— PLATON: Ion ed Hellmut Flashar. DM 10.— PLATON: Phaidros ed. Wolfgang Buchwald. DM 18.— PLATON: Symposion edd. Franz Boll und Wolfgang Buchwald. DM 14.— PROKOP: Werke ed. Otto Veh Band 1: Anekdota. DM 24 — Band 2: Gotenkriege. DM 68,— Band 3: Perserkriege. DM 48,— Band 4: Vandalenkriege. DM 48.— PUBLILIUS SYRUS: Sprüche ed. Hermann Beckby. DM 10.— REUTERN: Hellas. Ein Griechenlandführer. DM 14.— RÖMISCHE GRABINSCHRIFTEN edd. H. Geist und Gerhard Pfohl. DM 20 — RÜDIGER HORST: Griechische Gedichte. DM 28.— RÜDIGER HORST: Lateinische Gedichte. DM 26.— SALLUST: Werke und Schriften edd. W. Schöne und W. Eisenhut. DM 22.— SAPPHO: Lieder ed. Max Treu. DM 16.— SNELL, BRUNO: Leben und Meinungen der sieben Weisen. DM 20.— SOPHOKLES: Tragödien und Fragmente edd. Willige-Bayer. DM 56.— TACITUS: Dialogue ed. Hans Volkmer. DM 16.— TACITUS: Historien edd. Josef und Helmut Borst und H. Hross. DM 28.— THEOKRIT: Gedichte ed. F. P. Fritz. DM 34.— TIBULL und sein Kreis ed. Wilhelm Willige. DM 14.— VERGIL: Aeneis ed. Johannes und Maria Gölte. DM 38.— VERGIL: Landleben und Vergil-Viten edd. Joh. und Maria Götte und Karl Bayer. DM 48.— XENOPHON: Erinnerungen an Sokrates ed. Gerhard Jaerisch. DM 28 — XENOPHON: Hellenika ed. Gisela Strasburger. DM 48.— DAS ZWÖLFTAFELGESETZ ed. Rudolf Düll. DM 12.—

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