Die Religionen Israels / Palastinas in Der Eisenzeit: 12.-6. Jahrhundert V. Chr. (Agypten Und Altes Testament, 94) 3963271183, 9783963271182

Rudiger Schmitt offers an overview of the Iron Age religions of Israel / Palestine, i.e. Cis- and Transjordan, in their

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Die Religionen Israels / Palastinas in Der Eisenzeit: 12.-6. Jahrhundert V. Chr. (Agypten Und Altes Testament, 94)
 3963271183, 9783963271182

Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Abgekürzt zitierte Literatur
Kapitel 1: Einleitung
1.1 Zum räumlich-zeitlichen Rahmen der Darstellung und zur verwendeten Chronologie
1.2 Zum Anliegen der Darstellung
1.3 Zum methodischen Ansatz
1.4 Diagnostische Objekte ritueller Aktivitäten
1.5 Zum Aufbau der Darstellung
Kapitel 2:
Spätkanaanäische Religion
2.1 Einleitung
2.2 Das spätkanaanäische Pantheon und Elemente des religiösen Symbolsystems
2.3 Die Ebene der Familienreligion, des Hauskults und der Totenfürsorge
2.4 Die Ebene der lokalen Religionsausübung
2.5 Die Ebene der offiziellen Religionsausübung
Kapitel 3:
Israelitisch-judäische Religion
3.1 Historischer Überblick
3.2 Götter und Elemente des religiösen Symbolsystems
3.2.1 Einleitung
3.2.2 Männliche Gottheiten in Israel und Juda
3.2.2.1 El
3.2.2.2 Jahwe
3.2.2.3 MLK
3.2.2.4 Baʿal
3.2.2.5 Yariḥ
3.2.2.6 Šamaš
3.2.2.7 Šalim und Šaḥar
3.2.2.8 Mot
3.2.2.9 Rešep
3.2.2.10 Bethel
3.2.3 Weibliche Gottheiten in Israel und Juda
3.2.3.1 Ašerah
3.2.3.2 Anat und Astarte
3.2.4 Ägyptische Götter
3.2.5 Assyrische und aramäische Götter
3.2.6 „Anikonizität“ und „Transzendenz“ der Götter
3.2.7 Dämonen, Vorzeitwesen, Schutzgenien und Götterboten
3.2.7.1 Dämonen
3.2.7.2 Chaosdrachen und Vorzeitwesen
3.2.7.3 Schutzgenien
3.2.7.3.1 Anthropomorphe Genien
3.2.7.3.2 Mischwesen
3.2.8 Elemente des religiösen Symbolsystems in der Eisenzeit I–II A
3.2.8.1 Die israelitisch-judäische Götterwelt in der Eisenzeit
3.2.8.2 Weltbildkonstruktionen und Unterweltstopographien
3.2.8.2.1 Weltbildkonstruktionen
3.2.8.2.2 Unterweltstopographien
3.3 Die Ebene der Familienreligion, des Hauskults und der Totenfürsorge
3.3.1 Das hebräische Onomastikon und seine Signifikanz für die familiäre Religion
3.3.2 Der Hauskult in der Eisenzeit I–III
3.3.2.1 Elemente des Hauskults in der Eisenzeit I, ca. 1200–1000 v. Chr.
3.3.2.2 Elemente des Hauskults in der Eisenzeit II A, ca. 1000–900 v. Chr.
3.3.2.3 Elemente des Hauskults in der Eisenzeit II B, ca. 900–722/700 v. Chr.
3.3.2.4 Elemente des Hauskults in Juda in der ausgehenden Eisenzeit II B–Eisenzeit II C,
ca. 722/700–587 v. Chr.
3.3.2.5 Ausblick: Elemente des Hauskults in der Eisenzeit III, babylonische und frühe Perserzeit,
ca. 587–450 v. Chr.
3.3.2.6 Die Signifikanz der archäologischen Befunde für die familiäre Religionsausübung
3.3.3 Riten im Kontext der familiären Religion
3.3.3.1 Einleitung
3.3.3.2 Riten und Rituale des Lebenskreises
3.3.3.2.1 Riten und Rituale im Kontext der Geburt
3.3.3.2.2 Beschneidung
3.3.3.2.3 Eheschließung
3.3.3.2.3.1 Monogamie und Polygamie
3.3.3.2.3.2 Endogamie und Exogamie
3.3.3.2.3.3 Leviratsehe
3.3.3.2.3.4 Eherituale
3.3.3.2.4 Bestattung und Totenfürsorge
3.3.3.2.4.1 Bestattungen
3.3.3.2.4.2 Totenklage, Totenversorgung und anderen Formen rituellen Totengedenkens
3.3.3.2.4.2.1 Die Ahnen
3.3.3.2.4.2.2 Trauerriten
3.3.3.2.4.2.3 Totenversorgung, Totengedenken und rituelle Kommunikation mit den Toten
3.3.3.2.4.2.4 Mögliche unterirdische Installationen zur Totenfürsorge, Jerusalem Cave I–III,
Jerusalem Locus 6015 und Samaria Locus E 207
3.3.3.3 Kalendarische Riten und Rituale
3.3.3.3.1 Das Passahfest
3.3.3.3.2 Das Fest der ungesäuerten Brote (maṣṣot)
3.3.3.3.3 Erstlingsopfer, Ernte-und-Sammelfest
3.3.3.3.4 Sabbat und Neumond
3.3.3.4 Rituale zu besonderen Anlässen
3.3.3.4.1 Gelübde
3.3.3.4.2 Segen und Fluch
3.3.3.4.2.1 Epigraphische Befunde
3.3.3.4.2.2 Alttestamentliche Befunde
3.3.3.4.3 Häusliche Bitt-, Klage- und Dankrituale
3.3.3.4.4 Häusliche Rituale unter Hinzuziehung von Ritualspezialisten
3.3.3.4.5 Apotropäische Riten
3.4 Arbeits- und gruppenbezogene Religionsausübung
3.4.1 Arbeitsbezogene Religionsausübung
3.4.2 Religiöse Gruppen
3.5 Die Ebene der lokalen und regionalen Religionsausübung
3.6 Die Ebene der offiziellen Religionsausübung
3.6.1 Offizielle, staatlich administrierte Heiligtümer
3.6.1.1 Israel
3.6.1.2 Juda
3.6.1.3 Die Gottheiten der offiziellen Religion in Israel und Juda
3.6.1.3.1 Das Pantheon der offiziellen Religion in Israel
3.6.1.3.2 Das Pantheon der offiziellen Religion in Juda
3.6.2 Kultpersonal und rituelle Praxis
3.6.2.1 Priester und Opferkult
3.6.2.1.1 Priester
3.6.2.1.2 Opfer und andere Rituale
3.6.2.2 Propheten und Mantik
3.6.2.2.1 Propheten, Seher und andere Mantiker
3.6.2.2.2 Mantik im Kontext von Herrschaft
3.6.3 Königstheologie
3.6.3.1 Die israelitisch-judäische Königstheologie in ihrem altvorderasiatischen Kontext
3.6.3.2 Elemente der judäisch-israelitischen Königstheologie
3.6.3.2.1 Die Legitimation durch den Staatsgott und die Gottesbeziehung des Königs
3.6.3.2.2 Die rechte Herrschaft des Königs und die Bewahrung der göttlichen Weltordnung
3.6.3.2.3 Die Sicherung der Prosperität
3.6.3.3 Königsrituale
3.6.4 Die sogenannte „assyrische Krise“ der offiziellen judäischen Religion und die sogenannten
Kultreformen Hiskijas und Josijas
3.6.4.1 Die sogenannte „assyrische Krise“ der judäischen Religion
3.6.4.2 Die sogenannte Kultreform des Hiskija
3.6.4.3 Die sogenannte Kultreform des Josija
Kapitel 4:
Die Religion der Philister
4.1 Einleitung
4.2 In Philistäa belegte Götter und Elemente des religiösen Symbolsystems
4.3 Die Ebene der Familienreligion, des Hauskults und der Totenfürsorge
4.3.1 Das Onomastikon
4.3.2 Der Hauskult
4.3.3 Bestattungskultur und Totenfürsorge
4.4 Arbeitsbezogene Religionsausübung
4.5 Die Ebene der lokalen Religionsausübung
4.6 Die Ebene der offiziellen Religionsausübung
Kapitel 5: Die Religion der Geschuriter, Gileaditer
und der aramäischsprachigen Entitäten
5.1 Einleitung
5.2 Götter und Elemente des religiösen Symbolsystems
5.3 Die Ebene der Familienreligion, des Hauskults und der Totenfürsorge
5.4 Die Ebene der lokalen und regionalen Religionsausübung
5.5 Die Ebene der offiziellen Religionsausübung
Kapitel 6: Die Religion der Ammoniter
6.1 Einleitung
6.2 In Ammon belegte Götter und Elemente des religiösen Symbolsystems
6.3 Die Ebene der Familienreligion, des Hauskults und der Totenfürsorge
6.3.1 Das Onomastikon
6.3.2 Der Hauskult
6.3.3 Bestattungskultur und Totenfürsorge
6.4 Die Ebene der lokalen und regionalen Religionsausübung
6.5 Die Ebene der offiziellen Religionsausübung
Kapitel 7: Die Religion der Moabiter
7.1 Einleitung
7.2 In Moab belegte Götter und Elemente des religiösen Symbolsystems
7.3 Die Ebene der Familienreligion, des Hauskults, der arbeitsbezogenen Religionsausübung und der Totenfürsorge
7.3.1 Das Onomastikon
7.3.2 Der Hauskult und die arbeitsbezogene Religionsausübung
7.3.3 Bestattungskultur und Totenfürsorge
7.4 Die Ebene der lokalen und regionalen Religionsausübung
7.5 Die Ebene der offiziellen Religionsausübung
Kapitel 8: Die Religion der Edomiter
8.1 Einleitung
8.2 In Edom belegte Götter und Elemente des religiösen Symbolsystems
8.3 Die Ebene der Familienreligion, des Hauskults und der Totenfürsorge
8.3.1 Das Onomastikon
8.3.2 Der Hauskult
8.3.3 Bestattungskultur und Totenfürsorge
8.4 Die Ebene der lokalen und regionalen Religionsausübung
8.5 Die Ebene der offiziellen Religionsausübung
Kapitel 9: Strukturen der Religionen Israels/Palästinas
in komparativer Perspektive
9.1 Pantheonstrukturen
9.2 Familiäre Religion
9.2.1 Onomastikon und familiäre Frömmigkeit
9.2.2 Hauskult und Totenfürsorge
9.2.3 Arbeits- bzw. gruppenbezogene Religionsausübung
9.3 Lokale und regionale Religionsausübung
9.4 Offizielle Religion
9.4.1 Königstheologien
9.4.2 Materielle Elemente des offiziellen Kultes in Israel, Juda, Ammon, Moab und Philistäa
9.5 Stratenübergreifende religiöse Praktiken: Mantik und Magie
9.5.1 Mantik
9.5.2 Magie
9.6 Einheit und Vielfalt der religiösen Symbolsysteme Israels/Palästinas in der Eisenzeit
Übersichten der epigraphisch belegten Gottheiten
in theophoren Personennamen
Karten
Indices
Götter
Dämonen, Vorzeitwesen
und Genien
Herrscher
Theophore
Personenenamen
Orte und Landschaften
Sachen
Außerbiblische Quellen
Bibelstellen

Citation preview

Ägypten und altes TestamenT 94 ÄAT 94 Schmitt • Die Religionen Israels/Palästinas in der Eisenzeit

Die Religionen Israels / Palästinas in der Eisenzeit 12.6. Jahrhundert v. Chr.

Rüdiger Schmitt

www.zaphon.de

Zaphon

ÄAT-94-Schmitt-Cover.indd 1

29.06.2020 10:53:16

Die Religionen Israels/Palästinas in der Eisenzeit 12.–6. Jahrhundert v. Chr.

Rüdiger Schmitt

© 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

ÄGYPTEN UND ALTES TESTAMENT Studien zu Geschichte, Kultur und Religion Ägyptens und des Alten Testaments

Band 94

Gegründet von Manfred Görg Herausgegeben von Stefan Jakob Wimmer und Wolfgang Zwickel

© 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Die Religionen Israels/Palästinas in der Eisenzeit 12.–6. Jahrhundert v. Chr. Rüdiger Schmitt

Zaphon Münster 2020 © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Illustration auf dem Einband: G. Loud, The Megiddo Ivories, OIP 52, Chicago 1939, Pl. 4,2 a,b. Courtesy of the Oriental Institute of the University of Chicago.

Ägypten und Altes Testament, Band 94 Rüdiger Schmitt: Die Religionen Israels/Palästinas in der Eisenzeit. 12.–6. Jahrhundert v. Chr.

© 2020 Zaphon, Münster (www.zaphon.de) All rights reserved. No part of this publication may be reproduced, stored in a retrieval system, or transmitted, in any form or by any means, electronic, mechanical, photo-copying, recording, or otherwise, without the prior permission of the publisher. Printed in Germany ISBN 978-3-96327-118-2 ISSN 0720-9061 Printed on acid-free paper

© 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Vorwort Die Idee zu einer synchronen Darstellung der Religionen Israels/Palästinas in der Eisenzeit erwuchs bereits vor gut einem Jahrzehnt während der Arbeit an dem gemeinsam von Rainer Albertz und mir verfassten Band Family and Household Religion in Ancient Israel and the Levant (Winona Lake 2012). Die positiven Reaktionen auf dieses Werk und die fortgesetzte Beschäftigung mit der Materie waren ein Ansporn, dieses Projekt – das unter Ausweitung des Betrachtungsfeldes an die gemeinsame Publikation anschließt – dann auch wirklich in Angriff zu nehmen. Ermöglicht und gefördert wurde die Arbeit durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder (EXC 2060 „Religion und Politik. Dynamiken von Tradition und Innovation“ – 390726036). Mein Dank gilt den Herausgebern, Herrn Prof. Dr. Stefan Jakob Wimmer und Herrn Prof. Dr. Wolfgang Zwickel, für die Aufnahme des Bandes in die Reihe Ägypten und Altes Testament, Herrn Dr. Kai A. Metzler für die stets zuvorkommende verlegerische Betreuung und Frau Dipl. Theol. Marlis Peguero Temprana für das Korrekturlesen des Manuskripts. Bremen im April 2020 Rüdiger Schmitt

© 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

© 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Inhalt v

Vorwort Inhalt

vii

Abgekürzt zitierte Literatur

xiii

Kapitel 1 Einleitung 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5

1 Zum räumlich-zeitlichen Rahmen der Darstellung und zur verwendeten Chronologie Zum Anliegen der Darstellung Zum methodischen Ansatz Diagnostische Objekte ritueller Aktivitäten Zum Aufbau der Darstellung

1 2 3 5 9

Kapitel 2 Spätkanaanäische Religion

11

2.1 2.2 2.3 2.4 2.5

11 12 15 17 19

Einleitung Das spätkanaanäische Pantheon und Elemente des religiösen Symbolsystems Die Ebene der Familienreligion, des Hauskults und der Totenfürsorge Die Ebene der lokalen Religionsausübung Die Ebene der offiziellen Religionsausübung

Kapitel 3 Israelitisch-judäische Religion

23

3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.2.1 3.2.2.2 3.2.2.3 3.2.2.4 3.2.2.5 3.2.2.6 3.2.2.7 3.2.2.8 3.2.2.9 3.2.2.10 3.2.3 3.2.3.1 3.2.3.2 3.2.4

23 25 26 27 27 28 34 35 36 38 40 40 41 42 43 43 46 49

Historischer Überblick Götter und Elemente des religiösen Symbolsystems Einleitung Männliche Gottheiten in Israel und Juda El Jahwe MLK Baʿal Yariḥ Šamaš Šalim und Šaḥar Mot Rešep Bethel Weibliche Gottheiten in Israel und Juda Ašerah Anat und Astarte Ägyptische Götter

© 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

viii

3.2.5 3.2.6 3.2.7 3.2.7.1 3.2.7.2 3.2.7.3 3.2.7.3.1 3.2.7.3.2 3.2.8 3.2.8.1 3.2.8.2 3.2.8.2.1 3.2.8.2.2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.2.1 3.3.2.2 3.3.2.3 3.3.2.4 3.3.2.5 3.3.2.6 3.3.3 3.3.3.1 3.3.3.2 3.3.3.2.1 3.3.3.2.2 3.3.3.2.3 3.3.3.2.3.1 3.3.3.2.3.2 3.3.3.2.3.3 3.3.3.2.3.4 3.3.3.2.4 3.3.3.2.4.1 3.3.3.2.4.2 3.3.3.2.4.2.1 3.3.3.2.4.2.2 3.3.3.2.4.2.3 3.3.3.2.4.2.4 3.3.3.3 3.3.3.3.1 3.3.3.3.2 3.3.3.3.3 3.3.3.3.4 3.3.3.4 3.3.3.4.1 3.3.3.4.2 3.3.3.4.2.1

Inhalt

Assyrische und aramäische Götter „Anikonizität“ und „Transzendenz“ der Götter Dämonen, Vorzeitwesen, Schutzgenien und Götterboten Dämonen Chaosdrachen und Vorzeitwesen Schutzgenien Anthropomorphe Genien Mischwesen Elemente des religiösen Symbolsystems in der Eisenzeit I–II A Die israelitisch-judäische Götterwelt in der Eisenzeit Weltbildkonstruktionen und Unterweltstopographien Weltbildkonstruktionen Unterweltstopographien Die Ebene der Familienreligion, des Hauskults und der Totenfürsorge Das hebräische Onomastikon und seine Signifikanz für die familiäre Religion Der Hauskult in der Eisenzeit I–III Elemente des Hauskults in der Eisenzeit I, ca. 1200–1000 v. Chr. Elemente des Hauskults in der Eisenzeit II A, ca. 1000–900 v. Chr. Elemente des Hauskults in der Eisenzeit II B, ca. 900–722/700 v. Chr. Elemente des Hauskults in Juda in der ausgehenden Eisenzeit II B–Eisenzeit II C, ca. 722/700–587 v. Chr. Ausblick: Elemente des Hauskults in der Eisenzeit III, babylonische und frühe Perserzeit, ca. 587–450 v. Chr. Die Signifikanz der archäologischen Befunde für die familiäre Religionsausübung Riten im Kontext der familiären Religion Einleitung Riten und Rituale des Lebenskreises Riten und Rituale im Kontext der Geburt Beschneidung Eheschließung Monogamie und Polygamie Endogamie und Exogamie Leviratsehe Eherituale Bestattung und Totenfürsorge Bestattungen Totenklage, Totenversorgung und andere Formen rituellen Totengedenkens Die Ahnen Trauerriten Totenversorgung, Totengedenken und rituelle Kommunikation mit den Toten Mögliche unterirdische Installationen zur Totenfürsorge, Jerusalem Cave I–III, Jerusalem Locus 6015 und Samaria Locus E 207 Kalendarische Riten und Rituale Das Passahfest Das Fest der ungesäuerten Brote (maṣṣot) Erstlingsopfer, Ernte-und-Sammelfest Sabbat und Neumond Rituale zu besonderen Anlässen Gelübde Segen und Fluch Epigraphische Befunde © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

50 52 52 53 55 56 57 58 64 64 65 65 68 69 69 71 72 74 76 77 80 80 81 82 83 83 85 86 86 87 88 88 89 89 91 92 93 94 96 98 98 99 99 100 100 100 102 103

Inhalt

3.3.3.4.2.2 3.3.3.4.3 3.3.3.4.4 3.3.3.4.5 3.4 3.4.1 3.4.2 3.5 3.6 3.6.1 3.6.1.1 3.6.1.2 3.6.1.3 3.6.1.3.1 3.6.1.3.2 3.6.2 3.6.2.1 3.6.2.1.1 3.6.2.1.2 3.6.2.2 3.6.2.2.1 3.6.2.2.2 3.6.3 3.6.3.1 3.6.3.2 3.6.3.2.1 3.6.3.2.2 3.6.3.2.3 3.6.3.3 3.6.4 3.6.4.1 3.6.4.2 3.6.4.3

Alttestamentliche Befunde Häusliche Bitt-, Klage- und Dankrituale Häusliche Rituale unter Hinzuziehung von Ritualspezialisten Apotropäische Riten Arbeits- und gruppenbezogene Religionsausübung Arbeitsbezogene Religionsausübung Religiöse Gruppen Die Ebene der lokalen und regionalen Religionsausübung Die Ebene der offiziellen Religionsausübung Offizielle, staatlich administrierte Heiligtümer Israel Juda Die Gottheiten der offiziellen Religion in Israel und Juda Das Pantheon der offiziellen Religion in Israel Das Pantheon der offiziellen Religion in Juda Kultpersonal und rituelle Praxis Priester und Opferkult Priester Opfer und andere Rituale Propheten und Mantik Propheten, Seher und andere Mantiker Mantik im Kontext von Herrschaft Königstheologie Die israelitisch-judäische Königstheologie in ihrem altvorderasiatischen Kontext Elemente der judäisch-israelitischen Königstheologie Die Legitimation durch den Staatsgott und die Gottesbeziehung des Königs Die rechte Herrschaft des Königs und die Bewahrung der göttlichen Weltordnung Die Sicherung der Prosperität Königsrituale Die sogenannte „assyrische Krise“ der offiziellen judäischen Religion und die sogenannten Kultreformen Hiskijas und Josijas Die sogenannte „assyrische Krise“ der judäischen Religion Die sogenannte Kultreform des Hiskija Die sogenannte Kultreform des Josija

ix

104 105 106 107 109 109 110 111 114 114 114 116 119 119 119 120 121 121 121 122 122 124 125 125 126 127 129 131 133 135 135 137 137

Kapitel 4 Die Religion der Philister

139

4.1 4.2 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.4 4.5 4.6

140 140 147 147 147 149 150 150 154

Einleitung In Philistäa belegte Götter und Elemente des religiösen Symbolsystems Die Ebene der Familienreligion, des Hauskults und der Totenfürsorge Das Onomastikon Der Hauskult Bestattungskultur und Totenfürsorge Arbeitsbezogene Religionsausübung Die Ebene der lokalen Religionsausübung Die Ebene der offiziellen Religionsausübung

© 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

x

Inhalt

Kapitel 5 Die Religion der Geschuriter, Gileaditer und der aramäischsprachigen Entitäten

157

5.1 5.2 5.3 5.4 5.5

157 158 159 161 162

Einleitung Götter und Elemente des religiösen Symbolsystems Die Ebene der Familienreligion, des Hauskults und der Totenfürsorge Die Ebene der lokalen und regionalen Religionsausübung Die Ebene der offiziellen Religionsausübung

Kapitel 6 Die Religion der Ammoniter

165

6.1 6.2 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.4 6.5

165 166 169 169 169 172 173 173

Einleitung In Ammon belegte Götter und Elemente des religiösen Symbolsystems Die Ebene der Familienreligion, des Hauskults und der Totenfürsorge Das Onomastikon Der Hauskult Bestattungskultur und Totenfürsorge Die Ebene der lokalen und regionalen Religionsausübung Die Ebene der offiziellen Religionsausübung

Kapitel 7 Die Religion der Moabiter 7.1 7.2 7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.4 7.5

Einleitung In Moab belegte Götter und Elemente des religiösen Symbolsystems Die Ebene der Familienreligion, des Hauskults, der arbeitsbezogenen Religionsausübung und der Totenfürsorge Das Onomastikon Der Hauskult und die arbeitsbezogene Religionsausübung Bestattungskultur und Totenfürsorge Die Ebene der lokalen und regionalen Religionsausübung Die Ebene der offiziellen Religionsausübung

175 176 176 179 179 180 180 183 186

Kapitel 8 Die Religion der Edomiter

189

8.1 8.2 8.3 8.3.1 8.3.2 8.3.3 8.4 8.5

189 190 192 192 193 193 193 196

Einleitung In Edom belegte Götter und Elemente des religiösen Symbolsystems Die Ebene der Familienreligion, des Hauskults und der Totenfürsorge Das Onomastikon Der Hauskult Bestattungskultur und Totenfürsorge Die Ebene der lokalen und regionalen Religionsausübung Die Ebene der offiziellen Religionsausübung

© 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Inhalt

Kapitel 9 Strukturen der Religionen Israels/Palästinas in komparativer Perspektive 9.1 9.2 9.2.1 9.2.2 9.2.3 9.3 9.4 9.4.1 9.4.2 9.5 9.5.1 9.5.2 9.6

Pantheonstrukturen Familiäre Religion Onomastikon und familiäre Frömmigkeit Hauskult und Totenfürsorge Arbeits- bzw. gruppenbezogene Religionsausübung Lokale und regionale Religionsausübung Offizielle Religion Königstheologien Materielle Elemente des offiziellen Kultes in Israel, Juda, Ammon, Moab und Philistäa Stratenübergreifende religiöse Praktiken: Mantik und Magie Mantik Magie Einheit und Vielfalt der religiösen Symbolsysteme Israels/Palästinas in der Eisenzeit

xi

197 197 199 199 200 201 201 204 204 204 206 206 206 207

Übersichten der epigraphisch belegten Gottheiten in theophoren Personennamen und der ikonographisch bezeugten Genien und Mischwesen

209

Karten

215

Indices

Götter Dämonen, Vorzeitwesen und Genien Herrscher Theophore Personennamen Orte und Landschaften Sachen Bibelstellen Außerbiblische Quellen

© 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

219 220 220 220 221 222 224 228

© 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Abgekürzt zitierte Literatur ÄAPI

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© 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Kapitel 1 Einleitung R. Albertz 1992: Religionsgeschichte Israels in Alttestamentlicher Zeit, GAT 8/1–2, Göttingen; R. Albertz und R. Schmitt 2012: Family and Household Religion in Ancient Israel and the Levant, Winona Lake; R. Albertz u.a. (Hrsg.) 2014: Family and Household Religion: Toward a Synthesis of Old Testament Studies, Archaeology, Epigraphy, and Cultural Studie, Winona Lake; B. Alpert Nakhai 2001: Archaeology and the Religions of Canaan and Israel, ASOR Books 7, Boston; A. Berlejung 20104: Geschichte und Religionsgeschichte des antiken Israel, in: J. C. Hertz (Hrsg.), Grundinformationen Altes Testament: Eine Einführung in Literatur, Religion und Geschichte des Alten Testaments, Stuttgart, 59–154; D. I. Block 2013², The Gods of the Nations: A Study in Ancient Near Eastern National Theology, Eugene; J. Bodel und S. M. Olyan (Hrsg.) 2008: Household and Family Religion in Antiquity, Oxford; R. S. Hess 2007: Israelite Religions: An Archaeological and Biblical Survey, Grand Rapids; D. Jericke 2010: Regionaler Kult und lokaler Kult: Studien zur Kult- und Religionsgeschichte Israels und Judas im 9. und 8. Jahrhundert v. Chr., ADPV 39, Wiesbaden; O. Keel 2007: Die Geschichte Jerusalems und die Entstehung des Monotheismus, OLB IV,1, Göttingen; R. Nave-Herz 2002²: Art. Familiensoziologie, in: G. Endruweit and G. Trommsdorf (Hrsg.), Wörterbuch der Soziologie, UTB 2232, Stuttgart, 148–152; H. Niehr, Der höchste Gott: Alttestamentlicher Jhwh-Glaube im Kontext syrischaramäischer Religion des 1. Jahrtausend v. Chr., BZAW 190, Berlin; S. M. Olyan 2018: The Territoriality of YHWH in Biblical Texts, in: M. L. Satlow (Hrsg.), Strenght to Strength: Essays in Appreciation of Shaye J. D. Cohen, Brown Judaic Studies, Providence, 45–52; M. S. Smith 2001: The Origins of Biblical Monotheism: Israel’s Polytheistic Background and the Ugaritic Texts, Oxford/New York; R. Schmitt 2013: Das Monotheismus/Polytheismus-Paradigma in der religionswissenschaftlichen Forschung des 19. und 20. Jahrhunderts und sein Einfluß auf die Theoriebildung der Gegenwart, in: MARG 21, 323–335; F. Stolz 1996: Einführung in den biblischen Monotheismus, Darmstadt; K. van der Toorn 1996: Family Religion in Babylonia, Syria and Israel: Continuity and Change in the Forms of Religious Life, SHCANE 7, Leiden/Boston/Köln; K. van der Toorn 2003: Nine Months among the Peasants in the Palestinian Highlands: An Anthropological Perspective on Local Religion in the Early Iron Age, in: W. G. Dever und S. Gitin (Hrsg.) Symbiosis, Symbolism, and the Power of the Past: Canaan, Ancient Israel, and Their Neighbors: From the Bronze Age through Roman Palaestina, Winona Lake, 393–410; M. Weippert 1997: Jahwe und die anderen Götter: Studien zur Religionsgeschichte des antiken Israel in ihrem syrisch-palästinischen Kontext, FAT 18, Tübingen; Z. Zevit 2001: The Religions of Ancient Israel: A Synthesis of Parallactic Approaches, London/New York.

1.1 Zum räumlich-zeitlichen Rahmen der Darstellung und zur verwendeten Chronologie Der vorliegende Band stellt den Versuch einer Überblicksdarstellung der Religionen Palästinas in der Eisenzeit zwischen dem 12. und dem 6. Jh. v. Chr. dar. Die geographische Größe „Palästina“ umfasst hier – wie es sich in der Palästinaarchäologie etabliert hat – das Gebiet des West- und Ostjordanlandes und die dort ansässigen und quellenmäßig fassbaren kulturellen, ethnischen und politischen Größen (Juda und Israel und die darin aufgegangenen proto-staatlichen Entitäten, Philister, Ammon, Moab, Edom, spät-kanaanäische und aramäische Entitäten). Wenn für die Hauptgötter der genannten Entitäten der Begriff ‚Nationalgott‘ verwendet wird, geschieht dies eingedenk der Tatsache, dass die dem modernen Nationenbegriff inhärenten Homogenitätskonzepte anachronistisch sind. Trotz der genannten Einschränkungen trifft der Begriff Nationalstaat als einer Entität mit gemeinsamer Sprache, Kultur, Identität und dem Bewusstsein einer Verwandschaftsbeziehung für Israel, Juda, Ammon, Edom und Moab durchaus zu und ist gegenüber der definitorisch zu engen Begrifflichkeit des Territorialstaates zu bevorzugen (Block 2013²: 18). Der Terminus ‚Nationalgott‘ erscheint daher in mehrfacher Hinsicht gerechtfertigt: Zum einen galten die so bezeichneten Gottheiten sowohl in der Eigenwie der Fremdwahrnehmung als Götter einer staatlichen Entität (unabhängig seiner Größe), eines Landes bzw. eines Volkes.1 Die enge, reziproke Verbindung zwischen Nationalgott, Volk, Land und dem Königtum ist vor allem für die Religionen Palästinas im 1. Jt. (die Philister ausgenommen) kennzeichnend (Block

1

So u.a. in Dtn 32,8; Num 21,29; Jer 48,46 und der Meša-Stele KAI 181. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Kapitel 1

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2013²: 17ff.; Olyan 2018), wobei die jeweilige Genese dieser Verbindung offenbleiben muss.2 Zum anderen, wie sich insbesondere an den theophoren Namen ablesen lässt, nehmen die Nationalgötter innerhalb unterschiedlicher Straten der Religion (vor allem der Familienreligion und der offiziellen Religion) eine dominante Stellung sein. Der Begriff ‚Staatsgott‘ wäre hier irreführend, da er sich ausschließlich auf die offizielle Religion bezieht. Der zeitliche Ansatz und die Beschränkung der Darstellung auf die Eisenzeit ist nach unten durch das Ende der ägyptischen Dominanz um die Mitte des 12. Jh. v. Chr. und die Entstehung bzw. historische Sichtbarwerdung der genannten politischen bzw. ethnischen Entitäten auf dem Boden Palästinas gerechtfertigt, nach oben durch das Ende dieser Entitäten als selbständige politische Größen in der neubabylonischen und persischen Zeit im 6. Jh. v. Chr. Diese untere Marke impliziert – auch wenn, wie z.B. in Juda, auch archäologisch deutliche Diskontinuitäten zu beobachten sind – keineswegs einen umfassenden Kulturabbruch, es ist vielmehr mit kulturellen Kontinuitäten von der neubabylonischen bis zur hellenistischen Zeit zu rechnen. Dennoch bildet die weitgehende Integration des Ost- und Westjordanlandes in übergreifende imperiale Strukturen seit dem 6. Jh. einen historischen und kulturellen Einschnitt. Die Chronologie folgt aus praktischen Erwägungen der etablierten Standard-Chronologie (conventional chronology – CC) für Palästina (nach NEAEHL: 1529): Zum einen hat diese sich für die Eisenzeit zwar als revisionsbedürftig erwiesen, dennoch ist nach wie vor kein allgemeiner Konsens etabliert und die meisten Referenzwerke beziehen sich auf das hergebrachte chronologische Modell. Zum anderen hält auch die neuere Forschung zur Archäologie Transjordaniens bislang an der Standard-Chronologie fest. Die Benutzung unterschiedlicher Chronologien für das West- und Ostjordanland würde eine nachvollziehbare synchrone Darstellung erschweren und wäre für mit der Chronologiedebatte nicht vertraute Leser nur verwirrend. Der folgende tabellarische Überblick gibt sowohl die Standard-Chronologie als auch ihre Revision (low chronology – LC) durch Finkelstein (2015) wieder: Standard-Chronologie (CC) 1200–1150 EZ I A

Revidierte Chronologie (LC) 1200–1130 SB III

1150–1000 EZ I B

1130–1050 EZ I A

1000–900 EZ II A 1100–1000 EZ I B

1050–frühes 9. Jh. EZ I B

1000–900 EZ II A 900–700 EZ II B 700–586 EZ II C

Rest des 9. Jh.–frühes 8. Jh. EZ II A Rest des 8. Jh.–frühes 7. Jh. EZ II B Rest des 7. Jh.–frühes 6. Jh. EZ II C

586–450 EZ III

babylonische und frühe persische Periode

1.2 Zum Anliegen der Darstellung Die gewählte Form der Darstellung der Religionen Palästinas in der Eisenzeit unterscheidet sich von den klassischen Formen der Religionsgeschichte Israels bzw. Arbeiten zu den Religionen der Umwelt Israels: Die regionalen bzw. „nationalen“ eisenzeitlichen Kulturen Palästinas und ihre religiösen Symbolsysteme sollen im Ganzen in den Blick genommen werden, um mögliche gemeinsame Strukturen, aber auch Spezifika erfassen zu können. Viele der ausschließlich oder primär auf das biblische Israel und seine Religionen zentrierte Darstellungen haben aufgrund ihrer Beschränkung auf die alttestamentlichen und bestenfalls die bekannten epigraphischen Quellen oft zu einer Sichtweise geführt, die dieses als Solitär beschreiben. Dies liegt natürlich in der Genese der Gattung „Religionsgeschichte Israels“ und ihrer fachlichen Abkunft aus der alttestamentlichen Wissenschaft bzw. der Hebrew Bible Studies sowie in ihren spezifischen Forschungsinteressen begründet, deren Legitimität hier nicht bestritten werden soll. Angesichts der Fülle des in nahezu 150 Jahren intensiver archäologischer Forschung angewachsenen Materials, insbesondere des Zu2

So basiert Blocks Annahme einer genetischen Priorität der Volk-Gott-Verbindung für das alte Israel (2013²: 32) auf einem obsoleten Modell der Entstehung Israels. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Einleitung

3

wachses an feldarchäologischen Befunden, epigraphischen und ikonographischen Quellen, erscheint eine derartige Herangehensweise heute wissenschaftlich nicht mehr vertretbar. Dem tragen auch die neueren Arbeiten Rechnung: Als epochemachende Pionierleistung sei hier vor allem Othmar Keels und Christoph Uehlingers 1992 in erster Auflage erschienenes Buch Göttinnen, Götter und Gottessymbole (GGG, in 10. Auflage 2010) hervorgehoben. Seitdem sind zwar weitere Arbeiten erschienen, die sich um eine Integration der alttestamentlichen, feldarchäologischen, ikonographischen und epigraphischen Befunde bemüht haben (u.a. Zevit 2001; Alpert Nakhai 2001; Hess 2007; Keel 2007; Tilly und Zwickel 2011), eine entsprechende übergreifende handbuchartige Darstellung auf der Basis der greifbaren archäologischen und schriftlichen Quellen für Palästina in der Eisenzeit ist aber nach wie vor ein Desiderat. Das vorliegende Werk möchte diese Lücke zu füllen helfen und einen archäologisch fundierten Überblick über die religiösen Symbolsysteme Palästinas in der Eisenzeit liefern.

1.3 Zum methodischen Ansatz Der gewählte methodische Ansatz ist ein religionssoziologisch begründeter: Ausgehend von der Erkenntnis, dass für die Religionen des antiken Vorderen Orients ein religionsinterner Pluralismus innerhalb unterschiedlicher sozialer Kontexte (familiäre, gruppenbezogene, lokale, regionale und offizielle Religion) kennzeichnend ist (s. Albertz 1992: 41ff.; Albertz und Schmitt 2012: 4ff.; Stolz 1996: 110ff.; van der Toorn 1996: 2ff.; Weippert 1997), wird die Darstellung entlang der genannten sozialen Zusammenhänge entfaltet. Dieser Ansatz kombiniert synchrone (sozialwissenschaftliche und sozialanthropologische) und diachrone (historische und archäologische) Methoden der Beschreibung und Analyse und hat sich bei der Untersuchung unterschiedlicher sozialer Kontexte von Religionsausübung bewährt (s. Jericke 2010; Albertz und Schmitt 2012 sowie die Beiträge in Bodel und Olyan 2008; Albertz u.a. 2014). Der Begriff familiäre Religion bezeichnet diejenigen Formen der Religionsausübung, die im Kontext der sozialen Institution der Familie durchgeführt werden. Familie wird hier verstanden als eine soziale Institution, die sowohl durch biologische als auch soziale Faktoren determiniert ist. Hierzu gehören die biologische Reproduktion und Sozialisation, das Zusammenleben unterschiedlicher Generationen, die Strukturierung in spezifische Rollen (Vater, Mutter, Sohn, Tochter etc.) und ihre Reproduktion sowie spezifische Formen von Kooperation und Solidarität (Naveh-Herz 2002). Welche spezifische Form von Familie mit dem hebräischen Begriff bēt ’āb ‚Haus des Vaters‘ angesprochen wird, ist Gegenstand anhaltender Diskussionen in der Forschung (s. Albertz und Schmitt 2012: 21ff.). Das Alte Testament entwirft – insbesondere in den archaisierenden Vätergeschichten, die wohl überwiegend nachexilisch zu datieren sind – das Ideal einer multigenerationellen erweiterten Familie, bestehend aus den Ehefrauen, Söhnen nebst deren Frauen und Kindern sowie den unverheirateten Töchtern unter der Autorität eines Patriarchen (Vaters oder Großvaters) in einem gemeinsamen Haushalt. Der Begriff bēt ’āb kann im Alten Testament jedoch auch andere Formen der Familie bezeichnen, wie die Kernfamilie (Vater, Mutter, Kinder) oder eine erweiterte Kernfamilie (Vater, Mutter, Kinder, unverheiratete oder verwitwete Verwandte sowie Gesinde bzw. Sklaven). Wenn vom Hauskult oder genauer: Haushaltskult (domestic cult) die Rede ist, so umfasst dies daher primär die Kultausübung der Kernfamilie im Haushalt. Hierzu gehört auch die mit der Totenfürsorge verbundene Religionsausübung, im materiellen Befund die Gräber und gegebenenfalls Grabinschriften und andere Formen der Dekoration sowie die im textlichen Befund mit der Bestattung verbundenen Riten. Der Begriff familiärer Religion schließt auch die Aspekte des religiösen Symbolsystems mit ein, die in der multigenerationellen erweiterten Familie bzw. einer größeren Abstammungsgruppe (koresidenzielle Lineage, Sippe, Klan) zum Tragen kommen, insbesondere bei haushaltsübergreifenden Riten (z.B. bei der Bestattung). Der hier vertretene Ansatz geht davon aus, dass zur Rekonstruktion des religiösen Symbolsystems die Untersuchung der epigraphisch bezeugten theophoren Personennamen von besonderer Bedeutung ist. Dies gilt sowohl für die Rekonstruktion von Panthea als auch für die Analyse des Symbolsystems der familiären Religion. Dies setzt die Grundannahme voraus, dass die Namengebung in den Kulturen des alten Vorderen Orients mehr ist als nur eine Frage der Mode, sondern genuiner Ausdruck des mit der Familie verbundenen Symbolsystems (s. Albertz und Schmitt 2012: 245ff.; 482f.). Dabei ist freilich stets zu berücksichtigen, dass die Praxis der Namengebung in der Familienreligion nicht notwendigerweise das gesamte Pantheon abbildet.

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Kapitel 1

Der Begriff der gruppenbezogenen Religionsausübung umfasst Kontexte, die sich z.T. mit denen der Familie (der Kernfamilie, der erweiterten Kernfamilie oder der koresidenziellen Lineage inklusive Sklaven und Klienten) überschneiden können. Dies betrifft insbesondere die arbeitsbezogene Religionsausübung, die z.T. außerhalb des eigentlichen Wohnbereiches in Werkstätten oder ähnlichen Kontexten stattfindet. Zur gruppenbezogenen Religionsausübung gehört auch jene, die in nicht-familiär definierten Gruppen vollzogen wird, wie in „industriellen“ Arbeitskontexten, schulartigen Gruppen (wie Schreiberschulen) aber auch in religiös definierten Gruppen, wie Prophetengruppen und ähnlichen Zusammenschlüssen. Arbeitsbezogene Religionsausübung ist fast ausschließlich im materiellen Befund nachweisbar. Für religiöse Gruppen muss sich die Rekonstruktion auf die alttestamentlichen Befunde stützen, soweit dazu vorexilisch zu datierendes Material oder spätere Belege zum strukturellen Vergleich zur Verfügung stehen. Zwischen familien- bzw. gruppenbezogener Religion und dem offiziellen Kult bildet die lokale und regionale Religion eine mittlere Ebene (Jericke 2010: 181ff.; Albertz und Schmitt 2012: 230ff.). Der Begriff lokaler Kult umfasst die Religionsausübung von örtlichen Gemeinschaften, d.h. der Bewohner einer Ansiedlung, soweit diese materiell in Gestalt von Schreinen, Tempeln oder damit zu verbindenden Strukturen wie kultischen Abfallgruben (Favissae) greifbar ist. Z.T. lässt sich in diesem Kontext – bei in die Wohnbebauung integrierten, aber von der Straße her zugänglichen Strukturen – auch von einem Nachbarschaftskult sprechen. Lokalkult bezeichnet hier nicht primär den Kult einer lokalen Gottheit (die zumeist auch namentlich nicht greifbar ist), sondern beschreibt primär Elemente und Strukturen lokaler Religionsausübung und ihres symbolischen Systems, die z.T. große Schnittmengen mit der familiären Religion aufweisen (van der Toorn 2003: 409; Albertz und Schmitt 2012: 230ff.). Unter regionalem Kult wird die an ein Heiligtum gebundene Religionsausübung innerhalb einer mehr oder weniger fest umrissenen geographischen Region und ihrer Bevölkerung verstanden. Der regionale Kult kann an ein Lokalheiligtum mit ortsübergreifenden Funktionen in einer Ansiedlung oder an ein isoliertes Heiligtum außerhalb einer Ansiedlung gebunden sein und kann unterschiedliche soziale Trägergruppen aufweisen. Lokalheiligtümer können auch überregionale Bedeutung erhalten. Die Übergänge zwischen lokalem und regionalem Kult sowie dem offiziellen Kult und seinen sozialen Trägergruppen – sofern ein lokales Heiligtum staatlich administriert wird – können fließend sein. Die Ebene des offiziellen Kultes beinhaltet nicht ausschließlich einen staatlich administrierten Tempelkult, sondern ist weiter zu fassen: Zum einen im klassischen Sinne der auf staatlicher oder substaatlicher Ebene (durch das Königtum oder eine soziale oder politische Elite) administrierte Kult und seine Einrichtungen, zum anderen das von religiösen, politischen oder sozialen Eliten (Priester, Propheten, Schreiber, Schriftgelehrte) gepflegte, verwaltete und mit einem gewissen Gültigkeitsanspruch versehene und propagierte religiöse Symbolsystem (Albertz und Schmitt 2012: 54f.). Wie bisherige Untersuchungen gezeigt haben (s. Albertz und Schmitt 2012: 240f. u.ö.), bestehen zwischen den hier unterschiedenen Strata von Religion vielfältige Überlappungen und Interdependenzen, im Hinblick auf die materiellen Befunde, die sozialen Trägergruppen und die Kultlokalitäten: Familiäre Religionsausübung kann beispielsweise an unterschiedlichen Kultlokalitäten, Haus-, Nachbarschafts- oder Lokalschreinen sowie an Heiligtümern des offiziellen Kultes vollzogen werden und die Leistungsbezüge des offiziellen Kults beschränken sich nicht nur auf das Königtum und die gesellschaftlichen Funktionseliten. Die Darstellung basiert primär auf den archäologischen, ikonographischen und epigraphischen Quellen und diesen kommt auch im Hinblick auf die Religionen Israels und Judas ein Primat zu. Dieser Primat ist jedoch ein methodischer und kein normativ begründeter: Die von den unterschiedlichen „minimalistischen“ Schulen und anderen dekonstruktivistischen Ansätzen vertretene Unterscheidung und entsprechende Gewichtung von (archäologischen und außerbiblischen) „Primärquellen“ und alttestamentlichen „Sekundärquellen“ ist methodisch hoch problematisch: Keine archäologische Quelle spricht unmittelbar und auch außerbiblische Textquellen, wie z.B. die Meša-Stele, bedürfen der historisch-kritischen Evaluation. Auch wenn das Alte Testament seine entscheidenden Formierungsprozesse erst in der exilisch-nachexilischen Zeit erfährt und der Quellenwert der Texte als Tendenzliteratur höchst unterschiedlich zu bewerten ist, kann es als eine vorhandene Quelle nicht schlichtweg ignoriert werden, zumal diese mythologische Narrative und (vor allem im DtrG) z.T. auch historisch plausible Informationen enthält, die für die palästinischen Nachbarkulturen (bis auf wenige Ausnahmen) fast völlig fehlen. Da die Symbolsysteme der altvorderasiatischen Religionen insbesondere im Kontext der familiären (van der Toorn 1996: 4 u.ö; Albertz und Schmitt 2012) und der offiziellen Religion (insbesondere was die Königsideologie betrifft, s. Salo 2017: 331f.) über © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Einleitung

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lange Zeiträume auch strukturell stabil bleiben und sich überregional ähneln, ist eine Korrelation archäologischer und biblischer Befunde nicht nur möglich, sondern kann auch religionshistorisch ertragreich sein. Methodisch problematisch ist aber der Versuch, die im archäologischen und epigraphischen Befund vorhandenen Lücken, die oftmals keine diachrone Rekonstruktion zulassen, sondern nur Zeitfenster abbilden, mithilfe der alttestamentlichen Traditionen zu füllen: Insbesondere das DtrG ist von dem geschichtstheologischen Narrativ der Durchsetzung der Alleinverehrung Jahwes geprägt, dem außerbiblische Befunde gegenüberstehen, die die Plausibilität dieses Narrativs in Frage stellen. Eine Rekonstruktion einer Religionsgeschichte Israels und Judas allein auf der Basis dieser Narrative ist daher nicht möglich. Dies gemahnt auch zur Vorsicht im Hinblick auf die auch in der neueren Forschungsliteratur noch gängigen religionsgeschichtlichen Narrative, wie die Annahme einer Entwicklung vom Polytheismus hin zum Monotheismus und Variationen dieses Schemas mit unterschiedlich definierten Zwischenstufen (Monolatrie, Henotheismus etc.) oder der Narrativ von der entscheidenden Rolle großer Prophetengestalten in der Herausbildung eines „ethischen Monotheismus“ im Gefolge von Wellhausen. Die ausschließlich aufgrund der biblischen Bezeugung konstruierten entsprechenden forschungsgeschichtlichen Großerzählungen – insbesondere der Rolle der Propheten als „Schienenleger“ eines geistes- bzw. religionsgeschichtlichen Durchbruchs – werden im Rahmen dieser Darstellung daher nicht diskutiert. Auf die ausufernde Diskussion über Monotheismus und Polytheismus wird hier nicht eingegangen (s. dazu Schmitt 2013). Sowohl Niehr (1990: 181ff.) als auch Smith (2001: 10ff.) haben darauf hingewiesen, dass diese Frage letztlich irrelevant und anachronistisch ist und die Terminologie von Monotheismus und Polytheismus für die Zeitgenossen bedeutungslos war. Die Einheit oder Vielheit von Göttern genügt nicht, um Typen von Religionen zu unterscheiden, zumal wenn ihre Symbolsysteme vergleichbar und ihre rituelle Praxis mehr oder weniger identisch sind. Daher wird hier auf die Verwendung der Konzepte Polytheismus und Monotheismus sowie von Brückenkategorien wie Monolatrie oder Henotheismus und ihren Varianten verzichtet. Für die Religionen des antiken Vorderen Orients ist eine solche Kategorisierung ohne jeden heuristischen Wert. Die Frage nach einer etwaigen Entstehung des Monotheismus in vorexilischer Zeit wird hier daher nicht verfolgt, zumal die relevanten zeitgenössischen Quellen keine belastbare Evidenz hierzu liefern. Grundsätzlich folgt die Darstellung der Religionen Palästinas einem diachronen Modell, das Entwicklungen innerhalb der einzelnen Religionen im Blick behalten will. Aufgrund der oft lückenhaften archäologischen und epigraphischen Quellen eröffnen sich innerhalb der Diachronie jedoch oft nur Zeitfenster, die es nicht immer erlauben, Entwicklungslinien zu ziehen. Manches muss daher eine Zustandsbeschreibung bleiben.

1.4 Diagnostische Objekte ritueller Aktivitäten R. Albertz und R. Schmitt 2012: Family and Household Religion in Ancient Israel and the Levant, Winona Lake, 57– 175; B. Alpert Nakhai 2001: Archaeology and the Religions of Canaan and Israel, ASOR Books 7, Boston, 170–176; B. Alpert Nakhai 2008: Household Religion, Family Religion, and Woman’s Religion in Ancient Israel, in: J. Bodel und S. M. Olyan, Household and Family Religion in Antiquity, Oxford u.a., 127–158; B. Alpert Nakhai 2014: The Household as Sacred Space, in: R. Albertz u.a. (Hrsg.), Family and Household Religion: Toward a Synthesis of Old Testament Studies, Archaeology, Epigraphy, and Cultural Studies, Winona Lake, 53–71; D. Ben-Shlomo 2010: Philistine Iconography: A Wealth of Style and Symbolism, OBO 241, Fribourg/Göttingen; J. Bodel und S. M. Olyan (Hrsg.) 2008: Household and Family Religion in Antiquity, Oxford; J. Bretschneider 1991: Architekturmodelle in Vorderasien und der östlichen Ägäis vom Neolithikum bis in das 1. Jahrtausend, AOAT 229, Kevelaer/Neukirchen-Vluyn; A. Chambon 1984: Tell el-Far’ah 1: L’Age du Fer, Recherche sur les Civilisations Memoires 31, Paris; E. D. Darby 2014: Interpreting Judean Pillar Figurines: Gender and Empire in Judean Apotropaic Ritual, FAT 69, Tübingen; P. M. M. Daviau 1993: Houses and their Furnishings in Bronze Age Palestine: Domestic Activity Areas and Artefact Distribution in the Middle and Late Bronze Ages, JSOT and ASOR Monograph Series 8, Sheffield; P. M. M. Daviau 2001: Family Religion: Evidence for the Paraphernalia of the Domestic Cult, in J. W. Wevers und M. Weigl (Hrsg.), The World of the Aramaeans II: Studies in History and Archaeology in Honour of P. E. Dion Vol. II, JSOT.S 325, Sheffield, 199–229; P. M. M. Daviau 2008: Ceramic Architectural Models from Transjordan and their Syrian Tradition, in: R. Kühne u.a. (Hrsg.), Proceedings of the 4th International Congress of the Archaeology of the Ancient Near East, 29 March–3 April 2004, Vol I, Wiesbaden, 293–308; P. M. M. Daviau 2014: Anomalies in the Archaeological Record: Evidence for Domestic and Industrial Cults in Central Jordan, in: R. Albertz u.a. (Hrsg.), Family and Household Religion: Toward a Synthesis of Old Testament Studies, Archaeology, Epigraphy, and Cultural Studies, Winona Lake, 103–127; J. S. Holladay 1987: Religion in Israel and Judah under the Monarchy: An Explicitly Archaeological Ap-

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Kapitel 1

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proach., in: P. D. Miller, P. D. Hanson und S. D. McBride (Hrsg.), Ancient Israelite Religion, FS F. M. Cross, Philadelphia, 249–299; R. Kletter 1996: The Judean Pillar-Figurines and the Archaeology of Asherah, BAR.IS 636, Oxford; R. Kletter 2015a: A Clay Shrine Model, in: R. Kletter, I. Ziffer und W. Zwickel, Yavneh II: The ‘Temple Hill‘ Repository Pit, OBOSA 36, Fribourg/Göttingen, 28–84; R. Kletter 2015b: Zoomorphic Vessels, in ebd., 85–88; R. Kletter und K. Saarelainen 2014: Horses and Riders and Riders and Horses, in: R. Albertz u.a. (Hrsg.), Family and Household Religion: Toward a Synthesis of Old Testament Studies, Archaeology, Epigraphy, and Cultural Studies, Winona Lake, 183–224; P. R. S. Moorey 2003: Idols of the People: Miniature Images of Clay in the Ancient Near East, The Schweich Lectures of the British Academy 2001, Oxford/New York; M. Nissinen und S. Münger 2009: ’Down the River…’ A Shrine Model from Tel Kinrot in its Context’, in: E. Kaptijn und L. P. Petit (Hrsg.), In A Timeless Vale: Archaeological and Re-

lated Essays on the Jordan Valley in Honour of Gerrit van der Kooij on the Occasion of his Sixty-fifth Birthday, Archaeological Studies Leiden University 19, Leiden, 129–144; R. Schmitt 2008: Kultinventare aus Wohnhäusern als materielle Elemente familiärer Religion im alten Israel, in: I. Kottsieper, R. Schmitt, J. Wöhrle (Hrsg.), Berührungspunkte: Studien zur Sozial- und Religionsgeschichte Israels und seiner Umwelt, FS Rainer Albertz, AOAT 350, Münster, 441–477; O. Tufnell 1958: Lachish III–The Iron Age, The Wellcome-Marston Archaeological Research Expedition to the Near East Vol. III, London/New York/Toronto; J. Uziel und Y. Gadot 2010: The ‘Cup-and-Saucer’ Vessel: Function, Chronology, Distribution and Symbolism, in: IEJ 60, 41–57; R. Wenning 1991: Wer war der Paredros der Aschera? Notizen zu Terrakottastatuetten in eisenzeitlichen Gräbern, in: BN 59, 89–97; Z. Zevit 2001: The Religions of Ancient Israel: A Synthesis of Parallactic Approaches, London/New York; W. Zwickel 1990: Räucherkult und Räuchergeräte: Exegetische und archäologische Studien zum Räucheropfer im Alten Testament, OBO 97, Fribourg/Göttingen; W. Zwickel 2015: The World of Cult Stands, in: R. Kletter, I. Ziffer und W. Zwickel, Yavneh II: The ‘Temple Hill‘ Repository Pit, OBOSA 36, Fribourg/Göttingen, 178–193.

Ein zentrales Problem bei der Identifikation ritueller Aktivitäten ist die Frage nach diagnostischen Objekten und ihrer Signifikanz in unterschiedlichen Kontexten (s. Albertz und Schmitt 2012: 57ff. mit ausführlicher Diskussion). Während Tempel, Schreine und andere kultische Strukturen durch ihre architektonischen Elemente und feste Installationen wie Bänke, Plattformen (bamôt), Mazzeben (stehende Steine als Repräsentanz von Gottheiten) und Altäre sowie durch den beweglichen Apparat (keramisches und anderes Kultgerät wie Terrakottaaltäre und Ständer) zumeist relativ eindeutig als Kultstätten identifiziert werden können,3 sind rituelle Aktivitäten im Haushalt nicht so leicht dingfest zu machen (vgl. Daviau 2014). Ältere Arbeiten zur familiären bzw. häuslichen Kultausübung haben sich oft auf einzelne Objektgruppen, hauptsächlich Terrakottafigurinen (Holladay 1987), gelegentlich aber auch auf andere Objekte wie Räuchergerät (Zwickel 1990) konzentriert. Mittlerweile hat sich die Haushaltsarchäologie als Zweig der archäologischen Forschung etabliert und ihre Relevanz für die religionsgeschichtliche Forschung ist Konsens (vgl. Albertz und Schmitt 2012: 57ff., sowie die Beiträge in Bodel und Olyan 2008 und Albertz u.a. 2014). Zur Analyse ritueller Verrichtungen im Haus stehen Ensembles von Ritualgeräten, möglichst aus einen zusammenhängenden Fundkontext bzw. Locus, im Zentrum des Interesses. Im Anschluss an Daviau (1993, 2001, 2014; vgl. Albertz und Schmitt 2012: 60ff.) können unterschiedliche Gruppen diagnostischer Objekte unterschieden werden: Die erste Gruppe diagnostischer Objekte (A) bilden solche, die eine relativ klare Beziehung zur Kultausübung aufweisen und häufig in eindeutig kultischen Kontexten gefunden wurden, wie anthropomorphe und zoomorphe Terrakottafigurinen, Miniaturschreine, Miniaturmöbel, Räuchergeräte wie kleine Altäre, Räucherkisten und Räuchertassen, Siegel- und Objekt-Amulette sowie Kultständer. Als wichtige Indikatoren ritueller Aktivitäten gelten die anthropomorphen Terrakotten, in der Mehrheit Frauendarstellungen. Hierzu gehören in der EZ II modelgeformte Figurinen wie die Frau mit Rahmentrommel (Abb. 1.1)4 und die kontrovers diskutierten Säulenfigurinen von Brüstehalterinnen bzw. judean pillar figurines/JPFs (Abb. 1.25 – dazu Kletter 1996, Darby 2014 und unten 3.2.3.1) sowie verwandte transjordanische Typen. Da eindeutig göttliche Attribute fehlen, sind diese als menschliche Repräsentationen und damit primär als Votivobjekte bzw. Ritualmedien anzusehen. Neben den weiblichen Terrakotten sind in Haushalten und Gräbern der EZ II die männlichen Pferd-und-Reiter-Figurinen (horse and riders) der häufigste Typ (Abb. 1.3).6 Auch die horse and riders, von denen zeitgenössische Varianten in der ganzen Levante und Ägäis bekannt sind, wurden bisweilen als Repräsentation einer Gottheit (u.a. Wenning 1991) oder eines Mittlerwesens gedeutet (u.a. GGG § 199; Keel 2007: § 666; Kletter und Saarelainen 2014: 217; 3

Siehe die Übersichten auf S. 202 und 205. Chambon 1984: Pl. 63,2. 5 Tufnell 1958: Pl. 31,2. 6 Tufnell 1958: Pl. 29,18. 4

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Einleitung

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zur Diskussion zusammenfassend Albertz und Schmitt 2012: 65f.). Da auch bei diesem Typ eindeutige göttliche Attribute fehlen und die Figuren häufig einen konischen Helm sowie auch gelegentlich einen Schild tragen, handelt es sich um menschliche Repräsentationen (Kavalleristen), die als Votive bzw. Ritualmedien anzusprechen sind, die im familiären Symbolsystem primär männliche Bedürfnisse und Werte wie Stärke, aber auch Wohlstand (beides symbolisiert das Pferd) repräsentieren und wohl im weiteren Sinne dem empowerment dienten. Andere Typen männlicher Terrakotten sind selten und häufig fragmentarisch, z.T. handelt es sich um Fragmente von Reiterfigurinen, aber auch typologisch nicht hierzu passende Köpfe und Torsi sind vorhanden und können in einzelnen Ortslagen (Ashdod, Lachish) durchaus signifikante Serien bilden (Albertz und Schmitt 2012: 65f.). Da diese ebenfalls keine göttlichen Attribute aufweisen, handelt es sich um menschliche Repräsentationen und damit am ehesten um Votivobjekte, vielleicht aber auch um Ahnenfigurinen.

Abb. 1.1: Frau mit Rahmentrommel, Tell el-Farʿa Nord

Abb. 1.2: Säufenfigurine / judean pillar figurine, Lachish

Abb. 1.3: Pferd-und-Reiter-Figurine, Lachish

Im Kontext der Wohlfahrt und des Wohlstands der Familie sind auch die sehr häufigen Tierfigurinen von Pferden bzw. Eseln, Rindern, Tauben sowie von anderen, oft schwer zu identifizierenden Spezies (wohl zumeist Capriden) und die Modellmöbel (Stühle, Betten und Tische) zu interpretieren. Während die Tierfigurinen als Ritualmedien die Fruchtbarkeit und den Reichtum an Viehbesitz evozieren, stehen die Modellmöbel wohl für den materiellen Besitz einer Familie und ihr soziales Prestige. Beide Gruppen von Ritualmedien wurden sowohl in Haus- als auch in Grabkontexten gefunden und symbolisieren die Bedürfnisse und Werte der Familie im Leben wie auch im Tod. Zoomorphe Gefäße, mit einem Tierkörper und einem Ausguss in Form eines Tierkopfes sind häufig in Wohnhäusern vertreten, in Philistäa auch häufig in eindeutig kultischen Kontexten (s. Ben-Shlomo 2010: 100ff.; Kletter 2015b). Die zoomorphen Gefäße repräsentieren zumeist Rinder und Capriden und kommunizieren wie die Tierfigurinen symbolisch Aspekte der Fruchtbarkeit. Zoomorphe Gefäße, oft dekoriert und schwer zu produzieren, waren Luxusobjekte und damit auch Marker für das soziale Prestige einer Familie. Aufgrund ihres Wertes erscheinen sie kaum in Gräbern. Da sie meist eher klein sind, waren sie für die Lagerung von Flüssigkeiten nicht gut geeignet und eher für den speziellen Gebrauch bestimmt, wie z.B. für Trankopfer oder als Behälter für Getränke zu besonderen Anlässen. Deutlich keinem praktischen Zweck dienen Kernoi in Form eines runden Tonrohrs mit multiplen Ausgüssen, zumeist in Form von Rinderköpfen. Dieser ursprünglich in der Ägäis verbreitete Gefäßtyp ist jedoch selten. Dies gilt auch für KompositGefäße (Doppelbecher, Doppel-und Dreifachflaschen u.ä.), die zumeist in Tempeln und Schreinen nachgewiesen sind (Tell Qiri, Tel Qasile, Ḥorvat Qitmit; dazu Albertz und Schmitt 2012: 70). Modell- bzw. Miniaturschreine bzw. Naiskoi (dazu Bretschneider 1991; Kletter 2015a) in Form von stilisierten Tempeln in Terrakotta, teils mit an der Front applizierten Figuren und/oder Tierprotomen, treten sowohl in kultischen als auch in häuslichen Kontexten auf, jedoch in Israel und Juda nicht in Gräbern. Schreinmodelle sind in der EZ I–II A schon eine recht seltene Fundgattung (Megiddo, Khirbet Qeiyafa, Tel Reḥov, Tel Rekesh, Tell el-Fārʿa Nord) und scheinen in Juda in der EZ II C (bis auf wenige Ausnahmen, wie in Jerusalem Cave I) nahezu vollständig verschwunden zu sein. Sie sind auch in Ammon und Moab eine seltene Fundgruppe (Daviau 2008). Etwas häufiger sind Naiskoi in Edom, wie die Funde aus Ḥorvat Qitmit zeigen. Häufiger sind sie in Phönizien und Zypern (Kletter 2015a: 36ff.). Als Repräsentationen von © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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Tempeln sind Miniaturschreine klare Indikatoren kultischer Aktivitäten im Haushalt. Modellschreine ohne applizierte Figuren sind wahrscheinlich als Behälter für Terrakotta-Figuren verwendet worden (Bretschneider 1991: 169). Modellschreine sind primär Objekte der häuslichen Devotion, als seltene (und kostspielige) Objekte sind sie zugleich Statusmarker. Ein weiterer Indikator für rituelle Aktivitäten sind Kultständer in Form einer zumeist konisch zulaufenden, oft durchbrochenen Tonröhre, z.T. mit einer Schale fest verbunden oder in quadratischer Form mit altarartiger Ablagefläche und z.T. mit figurativen Appliken versehen (zur Typologie: Zwickel 2015). Bei den röhrenförmigen Ständern wurde eine Schale in die obere Öffnung gestellt. Die Appliken, für bestimmte Gottheiten typische Symboltiere (wie Löwe und Stier), Mischwesen und die z.T. als Götter zu interpretierenden anthropomorphen Darstellungen, sind ein deutlicher Hinweis auf die religiöse Funktion dieser Objektgruppe. Kultständer der genannten Typen sind einzeln oder in Gruppen sowohl in Schreinen und Tempeln (u.a. Megiddo Locus 2081; Lachish Room 49, Tel Qasile, Dan, Arad, Ḥorvat Qitmit, ʿEn Ḥazeva) als auch in Hauskontexten belegt. Die Kultständer wurden lange irrtümlich als Räucherständer bezeichnet, jedoch zeigen nur sehr wenige Exemplare tatsächlich Brandspuren. Zumeist dürften sie der Aufnahme von Trank- und Speiseopfern in den Aufsatzschalen gedient haben. In der Yavneh-Favissa sind allerdings Schalen mit Brandspuren von Fett und Räucherwerk nachgewiesen (Kletter, Ziffer und Zwickel 2015: 102f.; 214ff.), die sehr wahrscheinlich auf Tonständern abgestellt wurden. Ein weiterer deutlicher Indikator ritueller Aktivitäten im Haushalt sind kleine steinerne Altäre bzw. Miniaturaltäre in zylindrischer, konischer oder blockartiger Form, z.T. miniaturisierte Formen (zumeist zwischen ca. 10–25 cm Höhe) von in Schreinen und Tempeln nachgewiesenen größeren Exemplaren, sowie seit der EZ II C die z.T. dekorierten kubischen Räucherkisten (siehe Zwickel 1990: 74ff.). Räucherkisten sind sowohl in Heiligtümern (Ḥorvat Qitmit, ʿEn Ḥazeva, Ḫirbet el-Mudēyine), in kultischen Deposita (Lachish Locus 515 und 534) und in Haushalten gefunden worden. Ebenfalls als Räuchergerät interpretiert werden die sogenannten Räuchertassen mit drei Füßen (tripod cups), die in einer perforierten und einer unperforierten Variante von der Eisenzeit I–II C belegt sind (s. Zwickel 1990). Tripod cups erscheinen sowohl in eindeutig rituellen Kontexten (Dan, Ḥorvat Qitmit ʿEn Ḥazeva) als auch in Wohnhäusern – typische Grabbeigaben sind sie nicht. Da nur bei einigen Exemplaren Brandspuren nachgewiesen worden sind, ist ihre Funktion jedoch nicht ganz klar: Neben Räucherwerk können sie auch zur Präsentation anderer Opfergaben gedient haben oder die Gefäße selbst wurden als Votive benutzt. Unklar in ihrer Verwendung sind die sog. cup and saucer-vessels, die ihren Höhepunkt in der SB II B–EZ I haben und sowohl in eindeutig kultischen Kontexten sowie in Häusern belegt sind. Sie werden z.T. als Lampen, als Räuchergerät oder beides angesehen (Uziel und Gadot 2010), aber auch eine Funktion als Votivobjekt kommt in Frage. Als multifunktional zu definieren sind Siegel und Amulette im Haushalt und im Grab: Bildsiegel und Objekt-Amulette wie Udjat-Augen dürften primär amuletthaften bzw. apotropäischen Zwecken und dem positiven empowerment (als power object und „Glücksbringer“) der Träger bzw. Eigner gedient haben, erscheinen aber auch als Votive im Kontext von Ritualensembles wie in Beersheba Locus 844. Die möglichen Nutzungsprofile von Kategorie A-Objekten lassen sich wie folgt zusammenfassen: weibliche Figurinen männliche Figurinen Pferd und Reiter Tierfiguren zoomorphe Gefäße anthropomorphe Gefäße Miniaturschreine Modellmöbel Kultständer Kernoi Komposit-Gefäße tripod cups (Räuchertassen) Miniaturaltäre, Räucherkisten cup and saucer Amulette und Siegel

primär Votive, empowerment, Götterverehrung generell fraglich Votive, empowerment, evtl. Ahnenverehrung Votive, empowerment, evtl. apotropäische Funktion Votive, empowerment, apotropäische Magie (z.B. bei Hundeterrakotten) Libation Libation Götterverehrung Votive, empowerment, primär Trank- und Speiseopfer, (seltener) Räucheropfer Libation Libation Räucheropfer, Votive (?) Räucheropfer, Votive (?) Lampen (?), Räucheropfer (?), Votive (?) Apotropäische Magie, empowerment/Glücksbringer, Votivobjekte

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Einleitung

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Eine zweite Kategorie (B) bilden Luxuskeramik, importierte Ware, Miniaturgefäße, seltene und kosmetische Gefäße, Spielgerät und Sammlerstücke (seltene oder seltsam geformte Steine, Muscheln etc.), die für sich genommen keinen explizit religiösen Bezug haben, für die jedoch ein spezialisierter Gebrauch angenommen werden darf, sofern sie mit Objekten der Kategorie A zusammen gefunden worden sind. Dies gilt insbesondere für Trinkgefäße wie Kelche (chalices) und Becher (goblets), die sowohl in häuslichen Kontexten als auch in eindeutig sakralen erscheinen. Kelche sind nach Ausweis der Funde aus der Favissa in Yavneh auch zum Räuchern benutzt worden (Kletter, Ziffer und Zwickel 2015: 231ff.). Auch für die Objekte der Gruppe B, die nicht zu den unmittelbaren Ritualobjekten zählen, aber für rituelle Zwecke gebraucht werden können, lassen sich entsprechende Nutzungsprofile annehmen: Sammlerstücke (collectibles) Luxuskeramik Kelche und Becher Miniaturgefäße Lampen Rasseln Kosmetisches Gerät, u.a. Salbschalen Spielsteine, Astragale

profane Funktion persönlicher Wert, Statussymbol

mögliche rituelle Funktion Votive

Nahrungsverzehr, Statussymbol Trinkgefäße, Räuchergerät, Statussymbol Nahrungsverzehr Beleuchtung

rituelle Mähler rituelles Trinken, Libation, Räuchern

Musik, Spielzeug Körperpflege und Kosmetik

Votive, Präsentation von Opfergaben Beleuchtung ritueller Akte (Lichtsymbolik) Rituelle Musik, apotropäischer Lärm Votive, Präsentation von Opfergaben

Spiel

Mantisches Losen

Eine dritte Kategorie (C) bilden dann die übliche Haushaltskeramik, Kochgeräte, Vorratsgefäße etc., ohne unmittelbare oder mittelbare rituelle Signifikanz.

1.5 Zum Aufbau der Darstellung Jedem Kapitel bzw. sachbezogenem Unterabschnitt ist eine bibliographische Übersicht vorgeordnet. Aufgrund der räumlichen und zeitlichen Breite der Darstellung und der Diversität der mit dem Gegenstand befassten wissenschaftlichen Disziplinen (Archäologie, Alte Geschichte, semitische Philologien, alttestamentliche Wissenschaft bzw. Hebrew Bible Studies) ist eine auch nur annähernd vollständige Literaturdokumentation in diesem Rahmen nicht möglich und auch nicht angestrebt. Die jeweils am Beginn der Kapitel oder der Abschnitte angegebene Literatur umfasst die von mir als maßgeblich betrachtete neuere Forschungsliteratur und Überblickswerke, die ältere Forschungsliteratur wird nur soweit berücksichtigt, sofern sie relevant ist oder als Quellenwerk oder sonstige Referenz zitiert wird. Aufgrund des Charakters des vorliegenden Werkes als Überblicksdarstellung muss auf eine eingehende Literaturdiskussion verzichtet werden. Hier ist auf die jeweils angeführte Spezialliteratur zu verweisen. Die Kapitel beginnen jeweils mit einer kurzen geographischen und historischen Einleitung, gefolgt von einer Bestandsaufnahme der Götter und anderer Elemente des religiösen Symbolsystems (Weltbildkonstruktionen, Unterweltsvorstellungen etc.), soweit sie durch archäologische, epigraphische und ikonographische Quellen oder äußere Bezeugung greifbar sind. Daran schließen sich die Darstellungen der familiären Religionsausübung, des Hauskults und der Totenfürsorge an, gegebenenfalls – soweit Zeugnisse hierzu vorliegen – gefolgt von einer Darstellung arbeits- oder gruppenbezogener Religionsausübung. Es folgen die strukturell übergeordneten Ebenen der lokalen, regionalen und offiziellen Religionsausübung. Dass die Religionen Judas und Israels hier den meisten Umfang beanspruchen, ist einerseits durch die Menge der archäologischen und epigraphischen Befunde und andererseits durch das Alten Testament als (freilich nicht unproblematische) Quellensammlung bestimmt, sowie durch die schier unüberschaubare Forschungsliteratur hierzu. Das abschließende Kapitel versucht einen Vergleich der untersuchten Religionen auf den hier unterschiedenen Ebenen und fragt nach den Gemeinsamkeiten und den Differenzen der religiösen Symbolsysteme Palästinas in der Eisenzeit.

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Kapitel 2 Spätkanaanäische Religion R. Albertz und R. Schmitt 2012: Family and Household Religion in Ancient Israel and the Levant, Winona Lake, 141– 155; S. L. Braunstein 2011: The Meaning of Egyptian-Style Objects in the Late Bronze Cemeteries of Tell el-Farʿah (South), in: BASOR 364, 1–36; I. Cornelius 1994: The Iconography of the Canaanite Gods Reshef and Baʿal, OBO 140, Fribourg/Göttingen; I. Cornelius 2004: The Many Faces of the Goddess, OBO 204, Fribourg/Göttingen; I. Finkelstein 2015: The Forgotten Kingdom: The Archaeology and History of Northern Israel, Ancient Near East Monographs 5, Atlanta; I. Finkelstein, D. Ussishkin und B. Halpern (Hrsg.) 2006: Megiddo IV: The 1998–2002 Seasons, Tel Aviv University Monograph Series 24, Tel Aviv; E. Fischer 2011: Tell el-Farʿa (Süd): Ägyptischlevantinische Beziehungen im späten 2. Jt. v. Chr., OBO 247, Fribourg/Göttingen; GGG §§ 38–39; P. L. O. Guy und R. M. Engberg 1938: Megiddo Tombs, OIP 33, Chicago; T. P. Harrison 2004: Megiddo 3: Final Report on the Stratum VI Excavations, OIP 127, Chicago; R. Hestrin 1987: The Lachish Ewer and the Asherah, in: IEJ 37, 212–223; C. R. Higginbotham 2000: Egyptianization and Elite Emulation in Ramesside Palestine: Governance and Accomodation on the Imperial Periphery, SHCANE 2, Leiden/Boston/Köln; M. Hutter 1996: Religionen in der Umwelt des Alten Testaments I: Babylonier, Syrer, Perser, Kohlhammer Studienbücher Theologie 4.1, Stuttgart, 115–182; O. Keel 1990: Früheisenzeitliche Glyptik in Palästina/Israel, in: O. Keel, M. Shuval und C. Uehlinger (Hrsg.), Studien zu den Stempelsiegeln aus Palästina/Israel Bd. 2: Die Frühe Eisenzeit – Ein Workshop, OBO 100, Fribourg/Göttingen, 331– 421; A. Kleiman u.a. 2017: Cult Activity at Megiddo in the Iron Age: New Evidence and Long-Term Perspective, in: ZDPV 133, 25–52; G. Loud 1939: The Megiddo Ivories, OIP 52, Chicago; G. Loud 1948: Megiddo II: Seasons of 1935–39, OIP 62, Chicago; A. M. Maeir, I. Shai und C. McKinny (Hrsg.) 2019: The Late Bronze and Early Iron Ages of Southern Canaan, Archaeology of the Biblical Worlds 2, Berlin/ Boston; H. G. May 1935: Material Remains of the Megiddo Cult, OIP 26, Chicago; A. Mazar 1990: The Archaeology of the Land of the Bible 10.000–586 B.C.E, New York u.a., 355–357; A. Mazar 1993: Art. Beth Shean in: NEAEHL I, 214–223, R. A. Mullins 2012: The Late Bronze and Iron Age Temples at Beth Shean, in: J. Kamlah (Hrsg.), Temple Building and Temple Cult: Architecture and Cultic Paraphernalia of Temples in the Levant (2.–1. Mill. B.C.E), ADPV 41, Wiesbaden, 127–157; N. Panitz Cohen und A. Mazar 2009: Excavations at Beth Shean 1989–1996 Vol. III: The 13–11 Century BCE Strata in Areas N and S, Jerusalem; N. Panitz-Cohen 2013: Beth Shean, Bronze and Iron Age, in: OEBA I, 110–118; R. Pruzsinky 2006: Das Onomastikon der Texte aus Tell Taanach, in: S. Kreuzer (Hrsg.), Taanach/Tell Taannek: 100 Jahre Forschungen zur Archäologie, zur Geschichte, zu den Fundobjekten und zu den Keilschrifttexten, Wiener Altestamentliche Studien 5, Wien/Frankfurt, 99–114; A. Rowe 1940: The Four Canaanite Temples of Beth Shean, Part I: The Temples and Cult Objects, Philadelphia; R. Schmitt 2001: Bildhafte Herrschaftsrepräsentation im eisenzeitlichen Israel, AOAT 283, Münster, 44–57; M. Shuval 1990: A Catalogue of Early Iron Stamp Seals from Israel, in: O. Keel, M. Shuval und C. Uehlinger (Hrsg.), Studien zu den Stempelsiegeln aus Palästina/Israel Bd. 2: Die Frühe Eisenzeit – Ein Workshop, OBO 100, Fribourg/Göttingen, 67–161; O. Tufnell 1958: Lachish IV (Tell ed-Duweir), London u.a.; A. ZarzeckiPeleg (Hrsg.) 2016: Yadin’s Expedition to Megiddo, Final Report of the Archaeological Excavations (1960, 1966, 1967 and 1971/2 Seasons), QEDEM 56, Jerusalem; W. Zwickel 1994: Der Tempelkult in Kanaan und Israel: Studien zur Kultgeschichte Palästinas von der Mittelbronzezeit bis zum Untergang Judas, FAT 10, Tübingen.

2.1 Einleitung Die Übergangsphase von der späten Bronzezeit zur Eisenzeit, auch als Spätbronzezeit III bezeichnet, ist gekennzeichnet durch den sukzessiven Niedergang der ägyptischen Dominanz in Palästina: Innen- und außenpolitische Wirren führen gegen Ende der XX. Dynastie in Ägypten zu einem rapiden Machtverlust der Zentralgewalt und somit auch zum Niedergang der ägyptischen Vorherrschaft in Palästina. Ramses III. war der letzte Herrscher, der die Hegemonie Ägyptens zumindest über Südpalästina noch halbwegs effektiv behaupten konnte. Das militärisch und wirtschaftlich erschöpfte Reich verlor unter seinen Nachfolgern den palästinischen Einflussbereich spätestens in der Zeit Ramses VI. (um 1145–1137), wobei sich zumindestens Beth Shean (Stratum VI) noch in der EZ I als ägyptische Enklave halten konnte. Nach den schweren innenpolitischen Wirren seit Ramses XI. wurde der endgültige Verfall des Zentralstaats durch die Konstituierung des „Gottesstaates des Amun“ in Theben und die Spaltung des Reiches in zwei Teile

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Kapitel 2

besiegelt. Das machtpolitische Vakuum zu Beginn der Eisenzeit begünstigte die Formierung unabhängiger politischer Entitäten in Palästina (Finkelstein 2015: 21ff. u.ö.). Dennoch persistiert in der frühen Eisenzeit die spätbronzezeitliche urbane Stadtkultur im Norden (Megiddo, Beth Shean, Tel Rehov, Tel Keisan, Tel Yokneam, Ebene von Akko) sowie in der philistäischen Küstenebene und im Süden, z.T. in unmittelbarer Kontinuität (Tell el-Fārʿa Süd), die von einigen Forschern als „neokanaanäisch“ charakterisiert wird (Finkelstein 2013: 28). Zutreffender wäre hier jedoch aufgrund der Kontinuitäten von „spätkanaanäischer“ Kultur zu sprechen, da es sich nicht um eine Art kanaanäische „Renaissance“, sondern um lokale bzw. regionale Fortsetzungen der spätbronzezeitlichen Kultur handelt. Im Norden kam die spätkanaanäische Kultur wohl durch den Formierungsprozess der proto- bzw. frühstaatlichen Entitäten zum Erliegen, aus denen das nachmalige Israel hevorging, im Süden amalgierte sie mit der als philistäisch bezeichneten materiellen Kultur.

2.2 Das spätkanaanäische Pantheon und Elemente des religiösen Symbolsystems Für die Periode der frühen Eisenzeit in Palästina liegen keine unmittelbaren Schriftzeugnisse vor. Regional kann aufgrund der Kontinuitäten in der materiellen Kultur mit einer unmittelbaren Fortsetzung der spätbronzezeitlichen Religion gerechnet werden. In den früheisenzeitlichen Strata in Megiddo sind aufgrund der Funde kleinplastischer Götterbilder in Bronze und Terrakotta im Tempel und in der Wohnbebauung die Verehrung eines kriegerischen Gottes vom Typus des smiting god (Rešep-Typ) aus Stratum Vb (Abb. 2.1)1 und eines hoheitsvoll thronenden, bartlosen Gottes, wohl den jugendlichen Baʿal darstellend,2 belegt. Im Nord-Tempel in Beth Shean (lower Stratum V) fand sich eine (wiederverwendete) ägyptische Stele mit der Darstellung der Göttin Antit (Anat), hier apostrophiert als „Herrin des Himmels, Herrin der Götter“ (Abb. 2.2).3 Die Ikonographie der Göttin rekurriert hier nicht auf ihren kriegerischen, sondern auf ihren herrschaftlichen Aspekt. Die Stele ist eines der wenigen Zeugnisse für einen manifesten ägyptisch-kanaanäischen Synkretismus im Kontext der offiziellen Religion in Palästina selbst, in diesem Fall die Rezeption der kanaanäischen Götter und deren Instrumentalisierung durch die Besatzungsmacht vor Ort. Es kann vermutet werden, dass der für die Zeit der ägyptischen Vorherrschaft (Stratum VIII) auf einer ebenfalls ägyptischen Stele belegte Stadtgott Mekal (Abb. 2.3),4 aufgrund seiner Ikonographie (Stierhörnerpaar an der Vorderseite der Götterkappe) eine Baʿal-artige Gestalt (Cornelius 1994: 25f.), aufgrund der lokalen Kontinuitäten weiterverehrt worden ist (so auch Mullins 2012:153). Auch die Tanaach-Texte aus der SB I (15. Jh. v. Chr.) bieten ein Bild der kanaanäischen Religion, dass sich in der frühen Eisenzeit im Norden fortgesetzt haben dürfte: Neben den in den Taanach-Briefen 1 und 2 unmittelbar genannten Göttern Baʿal und Aširat (in Ugarit die Mutter der Götter) bezeugt das Onomastikon der Taanach-Texte (Pruzsinky 2006) für die späte Bronzezeit im Jezreel-Tal (und damit in der unmittelbaren Umgebung von Megiddo) den Wettergott (Baʿal/Addu), die Kriegsgöttin Anat (in Ugarit auch für apotropäische Magie zuständig), den Göttervater El, den Meeresgott Yam, Milku sowie die hurritischen Götter Teššup (Wettergott), seine Gemahlin Ḫepat, die Königin des Himmels (bei den Hethitern mit der Sonnengöttin von Arinna gleichgesetzt), deren Sohn Šarruma (Wettergott und Schutzgott des Königs) sowie Išḫara (die hurritische Variante der mesopotamischen Ištar), eine Gottheit höchst ambivalenten Charakters, die in Kleinasien auch mit den Schadenzauber verbunden ist. Eine Kruginschrift aus dem 13. Jh. aus Lachish (der sog. Lachish ewer) bezeugt den Kult einer ʾlt (ʾElat) als weiblichem Pendant zu El (Hestrin 1987), die sehr wahrscheinlich mit Aširat identifiziert werden kann. Das parallele Vorkommen von semitischen und hurritischen Gottheiten ist ein Phänomen, das in Syrien bereits gegen Ende des 3. Jt. greifbar ist (Hutter 1996: 124ff.). Ob dies auf ein hurritisches Bevölkerungssubstrat schließen lässt oder allgemeiner auf nordsyrische Kultureinflüsse, ist unklar. Der Kultureinfluss aus dem Norden ist in Megiddo – neben etlichen Rollsiegeln im Mitanni-Stil5 – durch eine (wohl aus Kleinasien oder Nordsyrien importierte) Elfenbeinplakette in hethitischem Stil aus dem früheisenzeitlichen Palastbau 2072 repräsentiert (Abb. 2.4).6 Das Objekt gibt eine Art Weltbildkonstruktion wieder: Über der durch Stiere symbolisierten irdischen Welt und über den Berggöttern als Fundament erhebt sich die himmlische Sphäre, die von Mischwesen gestützt und vom Sonnengott des 1

Loud 1948: 239 (Umzeichnung: GGG 139) = Cornelius 1994: 130ff., Cat. No. RB 2. Loud 1948: Pl. 237. 3 IPIAO 3: 881. 4 IPIAO 3: 932. 5 Loud 1948: Pl. 160f. 6 Loud 1939: Pl. 11/44b. 2

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Spätkanaanäische Religion

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Himmels mit geflügelter Sonnenscheibe im oberen Register dominiert wird. Obwohl es sich um einen Import handelt, war das Objekt aufgrund der gemeinsamen Elemente in der Bildsprache der syro-palästinischen und anatolischen Kleinkunst sicher unmittelbar „lesbar“ bzw. interpretierbar. Die Symbolik der Kultständer aus Beth Shean in Form von Architekturmodellen mit applizierten Schlangen (Abb. 2.5a und 2.5b)7 bezieht sich sehr wahrscheinlich auf das Mythologem des Drachenkampfs, insbesondere da die obere männliche Figur auf Abb. 2.5b eine Schlange zu harpunieren scheint. Die zylindrischen Ständer mit den figurativen Appliken von Vögeln und Schlangen (Abb. 2.6)8 werden als Fruchtbarkeitssymbole mit einer Göttin in Zusammenhang gebracht (GGG § 49). Die Schlangen dürften jedoch eher – wie auch sonst in der SBZ und EZ ikonographisch bezeugt (Siegel aus Lachish Abb. 2.7,9 Taanach-Kultständer unten Abb. 3.84 und 3.85) – in den Kontext des Drachenkampfes, der Überwindung der Chaosschlange durch den Wettergott, gehören. In den Bereich der Sicherung der Fruchtbarkeit und Fülle der Natur gehört das Motiv der Capriden vor dem sogenannten „heiligen Baum“ von einem weiteren Kultständerfragment aus dem Tempelareal der EZ I (Level VI/V) in Beth Shean (Abb. 2.8).10 Eine wichtige Quelle zur Rekonstruktion der (vor allem süd-) spätkanaanäischen Religion liefern die in großen Mengen in früheisenzeitlichen Kontexten gefundenen ägyptischen Siegelamulette, zumeist der sogenannten spätramessidischen Massenware zugehörige Skarabäen und andere Typen von Siegelamuletten bzw. ihre lokalen Derivate. Wiewohl nicht vorausgesetzt werden kann, dass die ägyptische Symbolik und damit die Elemente des ägyptischen religiösen Symbolsystems vollständig verstanden werden konnten (im Fall der hieroglyphischen Zeichen ist dies wohl außerhalb einer sehr schmalen Elite zu verneinen), kann doch davon ausgegangen werden, dass die seit der Mittelbronzezeit in die ägyptische Religion eingedrungenen Kanaanismen, wie die Götter Baʿal, Rešep und Anat/Astarte und die Motive aus dem Umkreis des Gedeihens der Tiere und der Vegetation im Re-Import für Kanaanäer ebenso „lesbar“ blieben, wie auch die schon seit der MBZ in Syrien und Palästina häufig belegten ägyptischen Götter. Ein solches Verständnis dürfte auch für die apotropäische Symbolik (Löwen, Sphingen, Uräusschlange etc.) auf zeitgenössischen Siegelamuletten vorausgesetzt werden. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass noch in der Eisenzeit II mit ägyptischen Götternamen (Amun, Horus, Isis, Osiris, Apis, Bastet, Min und Ptah) gebildete theophore Namen in Palästina und Phönizien keine Seltenheit waren.11 Für die frühe Eisenzeit fehlt hier freilich die epigraphische Evidenz. Sowohl im Norden wie im Süden sind früheisenzeitlich zahlreiche Siegel mit Darstellungen von Baʿal in ägyptischer Ikonographie, z.T. mit Flügeln bzw. in der Mischgestalt des Seth-Baʿal (Abb. 2.9)12 und oft auf einem Pferd oder einem Löwen stehend belegt, die auf die besondere Bedeutung dieses Gottes in der persönlichen bzw. familiären Frömmigkeit hinweisen. Nach Keel und Uehlinger (GGG § 66) kann die durch eine ähnliche Ikonographie gekennzeichnete, aber auf einem Horntier stehende, summarisch ausgeführte Figur des „Gottes auf dem Horntier“ (Abb. 2.10a, b)13 mit Rešep, dem Gott der Seuchen und der Heilung, identifiziert werden. Die kriegerische Gestalt des Rešep sollte nicht auf eine rein apotropäische Funktion reduziert werden (Cornelius 1994: 259), da spätere onomastische Belege seine Funktion als zugewandte Gottheit im Kontext der familiären Religion bezeugen.14 Die Zusammenschau der ikonographischen Evidenz lässt auf eine wichtige Rolle der „klassischen“ kanaanäischen Götter schließen, wobei die kriegerischen Baʿal und Rešep-Gestalten klar dominieren. Die kanaanäischen Göttinnen, darunter auch die kriegerischen Schwestern Anat und Astarte, fehlen in der Glyptik dieses Zeitraums dagegen fast völlig.15 Unter den ägyptischen Göttern nimmt Amun bzw. sein Symboltier, der Widdersphinx, eine besonders besonders prominente Rolle in der importierten Glyptik der frühen Eisenzeit ein (Abb. 2.11).16 In Gaza hat

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GGG 104, 105. Nach Rowe 1940, Pl. 40. 9 GGG 87a. 10 Rowe 1940: Pl. 15,3. 11 Siehe Albertz und Schmitt 2012: Table 5.7, 5.12. 12 CSAP III: Tell el Farʿa Süd 238; dazu GGG § 65. 13 CSAP III: Tell el-Farʿa Süd 358, 374; vgl. ebd. 406; CSAP I: Ashdod 54; II: Dor 267. 14 Siehe Albertz und Schmitt 2012: Table 5.12. 15 Die als „Göttinnen“ interpretierten Stücke CSAP III: Tell el-Farʿa Süd 256 und 285 sind kaum als solche identifizierbar und weisen keinerlei Attribute der kriegerischen Göttinnen auf. 16 CSAP II: Der el-Balah 55. 8

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sich nach dem Papyrus Harris 117 ein von Ramses III. gegründeter Tempel des Amun befunden, dessen Kult nach Aussage des Textes von der lokalen Bevölkerung betrieben wurde (Uehlinger 1990; GGG § 62ff.). Wie lange dieser Tempel im Verlauf der frühen Eisenzeit in Betrieb war und wann er aufgegeben wurde, ist jedoch unsicher. Es ist nicht erkennbar, dass Amun mit einer kanaanäischen Gottheit identifiziert wurde; er ist vielmehr (wie schon in der SBZ in KTU 2.23: 21f.) als spezifisch ägyptische Gottheit wahrgenommen worden und war als der auf Siegeln engstens mit dem Pharao assoziierte Reichsgott eine zentrale Symbolisierung der Macht Ägyptens. Darstellungen Amuns auf den Siegelamuletten sind daher auch nicht ohne weiteres als Zeugnisse einer Amun-Verehrung in Palästina zu werten, sondern eher ein besonderes Objekt magischer Kraft (power object). Der Aspekt der magischen Vergegenwärtigung von Macht und Stärke dürfte auch der Grund für die Popularität der Szenen mit dem Pharao im Streitwagen und verwandten Motiven (vgl. GGG § 70ff.) auf den importierten Siegeln sein.

Abb. 2.1: Smiting God, Megiddo Stratum V B

Abb. 2.2: Stele der Anat aus Beth Shean, Stratum V (Nordtempel)

Abb. 2.4: Elfenbeinplakette aus Megiddo

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Abb. 2.3: Stele des Mekal aus Beth Shean (Stratum IX)

Abb. 2.5a: Kultständerfragment aus Beth Shean

Abb. 2.5b: Kultständerfragment aus Beth Shean

HTAT 068. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Spätkanaanäische Religion

Abb. 2.6: Zylindrischer Kultständer aus Beth Shean

Abb. 2.10a: Skarabäus aus Tell el-Fārʿa Süd mit „Gott auf dem Horntier“

Abb. 2.7: Skarabäus mit Drachenkampfszene aus Lachish

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Abb. 2.8: Kultständerfragment aus Beth Shean

Abb. 2.10b: Skarabäus aus Tell el-Fārʿa Süd mit kombinierter Seth-Baʿal und „Gott auf dem Horntier“-Darstellung

Abb. 2.9: Skarabäus aus Tell el-Farʿa Süd mit Seth-Baʿal Darstellung

Abb. 2.11: Skarabäus mit AmunWiddersphinx aus Dēr el-Balaḥ

2.3 Die Ebene der Familienreligion, des Hauskults und der Totenfürsorge Die Wohnbebauung im früheisenzeitlichen Stratum VI in Megiddo lieferte reiche Evidenz für rituelle Aktivitäten im Haushalt (Loud 1948; Harrison 2004; Finkelstein, Ussishkin und Halpern 2006; Albertz und Schmitt 2012: 141ff.; Kleimann u.a. 2017): Die mit Grundflächen um die 200 m² relativ geräumigen und daher als Wohnhäuser der Elite anzusprechenden Wohngebäude vom Typ des Hofhauses in Str. VIA Areal AA (nahe des Palastes 2072 im Norden des Tells) und in Areal CC (im Süden) boten Platz für die Kernfamilie überschreitende Gruppen, d.h. wohl für die erweiterte Kernfamilie mit Gesinde. Das Bild einer relativ prosperierenden Gesellschaft schlägt sich auch in den Funden von Ritualgerät nieder: Häufig fanden sich Ensembles in unterschiedlicher Zusammensetzung aus elaborierten durchbrochenen Tonständern, zoomorphen Gefäßen für Libationen, Schreinmodellen, Votivobjekten wie anthropomorphen und zoomorphen Terrakottafigurinen, Amuletten, Kelchen (die auch zum Räuchern benutzt wurden) und Bechern sowie Luxus- und Gebrauchsware in Teilen des Hauses, die zur Nahrungszubereitung und Konsumption dienten. Ein gut dokumentiertes Beispiel eines solchen Hofhauses ist das Gebäude 00/K/10 (Level K = VIA), das bei den wiederaufgenonnemen Grabungen Ende der 1990er Jahre auf dem Tell freigelegt wurde.18 Abb. 2.1219 zeigt eine Massierung von Ritualobjekten (u.a. ein Kultständer, zwei Kelche und Fragmente von Terrakottafigurinen) in einem Vorratsraum (98/K/77), die offenbar dort verstaut worden sind, wenn sie nicht in Gebrauch waren. Eine weitere Konzentration von Ritualobjekten fand sich in Raum 00/87, einer Küche mit Herd und Tabun. Daneben konnten die beweglichen Ritualobjekte auch in anderen Räumen z.T. paralell genutzt werden oder fanden sich verstaut in Räumen, die zur Vorratshaltung dienten. Das 18 19

Siehe Finkelstein, Ussishin und Halpern 2006: 87–103, 191–298, 583–600. Finkelstein, Ussishkin und Halpern 2006: Fig. 33,5. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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Kapitel 2

Ritualgerät lässt auf häusliche Rituale der Trank- und Speisespende und des Räucherns schließen sowie auf eine Votivpraxis, die die Fruchtbarkeit, Prosperität der Familie und den Schutz des Haushalts vermittels zoomorpher und anthropomorpher Terrakotten und durch Amulette sichern sollte. Die Schreinmodelle dienten der häuslichen Verehrung der Götter. Darüber hinaus ist eine Funktion der Ritualensembles als Statusmarker anzunehmen. Als Statusmarker dienten auch die Skarabäen mit ägyptischen Königsnamen.20 Das Gebäude 00/K/10 und seine Ausstattung sind keinesfalls einzigartig, sondern können durch weit über ein Dutzend weiterer Beispiele mit ähnlichen Befunden ergänzt werden,21 wobei in den meisten Fällen Ritualobjekte mit Strukturen der Nahrungszubereitung bzw. des Nahrungsverzehrs assoziiert waren. Die für die Familienreligion zentralen Themen der Fruchtbarkeit und Prosperität sowie des Schutzes finden sich auch in der Ikonographie der zeitgenössischen Siegelamulette aus Megiddo, die das Dargestellte auf magische Weise evozieren. Hierzu gehören u.a. Darstellungen der säugenden Kuh, säugende Capriden und Capriden am sogenannten „Heiligen Baum“, Capriden und Rind sowie apotropäische Tiere, wie Löwe und Skorpion sowie die Uräusschlange.22 Wie bereits oben (2.2) ausgeführt, erfüllen auch Szenen aus dem Kontext des Krieges und der Jagd auf Siegeln eine Funktion im Hinblick auf das magische empowerment der Träger im Leben wie im Tod.

Abb. 2.12: Gebäude OO/K/10 mit Verteilung der Ritualobjekte

Die früheisenzeitlichen Gräber in Megiddo (Guy und Engberg 1938: 138) schließen an die Tradition der späten Bronzezeit an. Die Toten wurden in Kammer-, Schacht- und Höhlengräbern, seltener in einfachen Erdgräbern auf dem Rücken liegend beigesetzt. Die Grabausstattung der früheisenzeitlichen Gräber, insbesondere von Tomb 39 (Abb. 2.13),23 reflektiert den Wohlstand der spätkanaanäischen Kultur in Megiddo mit seinen reichhaltigen Grabbeigaben. Tomb 39 enthielt ein Ensemble bestehend aus zwei Kelchen, drei Flaschen, zwei Lampen, einer Kochschale, sechs Schalen, zwei Krateren, zwei Kännchen, einer Pyxis, einem ägyptischen Fayencegefäß, Spinnwirtel- und Gewichten, diversem Goldschmuck, drei ägyptischen Amuletten (Ptah-Sokar, Bes und Krokodil) sowie elf Skarabäen bzw. Skaraboiden, davon zwei postume Skarabäen mit dem Thronnamen Thutmoses III., mn-ḫpr-rʿ. Bei den Grabtypen in Tell el-Fārʿa Süd (Braunstein 2011) dominieren in der Übergangsphase von der SB II zur EZ I die einfachen Erdgräber, Kammer- und Schachtgräber mit Mehrfachbestattungen waren mit 15 bzw. 11 % weniger häufig. Wie in Megiddo wurden die Toten ausgestreckt in Rückenlage, jedoch ohne uniforme Orientierung, bestattet. Die Gräber enthielten in der Regel kanaanäische Keramik des täglichen Gebrauchs und ihre Luxusvarianten, enthalten aber auch – nach sozialem Status differenziert – ägyptische Beigaben wie Skarabäen, Amulette

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Loud 1948: Pl. 152, 212, 224. Siehe Albertz und Schmitt 2012: Table 3.6. 22 Shuval 1990: Nr. 65, 72, 74, 59; Loud 1948: Pl. 152, 221, 218, 219. 23 Guy und Engberg 1938: Fig. 143. 21

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und ägyptische Luxuswaren, wie Alabaster-Gefäße. Häufungen ägyptischer Bes- und Pätaken-Amulette fanden sich in Kindergräbern.

Abb. 2.13: Megiddo Tomb 39

Die (bei der Bestattung einmaligen) Beigaben von Gebrauchskeramik (Schalen, Kannen, Kochgerät, Vorratsgefäße, Lampen etc.) lassen darauf schließen, dass die Toten im Grab (zumindest für eine Übergangszeit) der Versorgung mit Nahrung und Getränken sowie des magischen Schutzes durch die Amulette bedurften. Gleichzeitig bringen diese Beigaben die bleibende Verbindung der Hinterbliebenen mit den Toten zum Ausdruck. Dies und die Beigabe von Werkzeugen, Waffen, Geräten zur Textilproduktion, Kosmetikobjekten und Schmuck deuten darauf hin, dass die Verstorbenen im Grab eine Form nachtodlicher Existenz führen, die der der Lebenden ähnelt, wobei insbesondere die verstorbenen Kinder (wohl ebenso wie die lebenden) eines besonderen magischen Schutzes bedurften. Die Verwendung der ägyptischen Siegel- und Objektamulette in der Totenfürsorge in Megiddo und Südpalästina knüpft bruchlos an die Praxis der MB II B–SBZ II an. Nach den Befunden vom Tell el-Fārʿa Süd persistiert die kanaanäische Bestattungskultur in Orten, für die noch eine unmittelbare ägyptische Präsenz angenommen werden kann, ein Einfluss ägyptischer Jenseitsvorstellungen ist jedoch nicht zu konstatieren. In der longue-dureé sind seit der Mittelbronzezeit II Prozesse wirksam, die die wechselseitige Rezeption und Re-Interpretation von Gottheiten beinhaltet. Ägyptiaca in Gräbern sind jedoch primär Statusmarker und die Adaption der ägyptischen Siegel- und Objekt-Amulette ist in erster Linie durch ihre Verfügbarkeit und ihr Prestige zu erklären. Einerseits reflektieren die Bestattungssitten die Beibehaltung einer eigenen Identität, anderseits werden ägyptische Statusobjekte adaptiert. Damit kann zwar – wie schon in der Phase der unmittelbaren ägyptischen Vorherrschaft – von einer partiellen elite emulation ausgegangen werden, keinesfalls aber von einer Tendenz zur kulturellen Mimikry oder zu einem ägypto-kanaanäischen Synkretismus im Hinblick auf die Totenfürsorge.

2.4 Die Ebene der lokalen Religionsausübung Der spätkanaanäische Lokalkult ist archäologisch vor allem in Megiddo und Beth Shean im Norden fassbar: In Megiddo war der bereits in der Mittelbronzezeit in Betrieb befindliche und in der späten Bronzezeit mehrfach umgestaltete Tempel 2048 bis zur völligen Zerstörung der Stadt Megiddo VIA im frühen 10. Jh. (späte Eisen© 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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zeit I in Finkelsteins revidierter Chronologie) in Betrieb. In der späten Bronzezeit war Tempel 2048 wohl der zentrale Kultort der Stadt (Kleiman et. al. 2017: 40f.). Der 21,5 x 16,5 m große Tempel ist ein Migdaltempel, d.h. ein Tempel mit zwei den Eingang flankierenden quadratischen Türmen und besaß in Südorientierung eine über eine Treppe zugängliche Plattform mit Nische, die den Kultfokus bildete (Abb. 2.14).24 Die Bronzefigurine einer sitzenden, vermutlich eine Pflanze haltenden männlichen Gottheit (Stratum VII–VI) und eine kleine Silberfigurine vom Typ der waffentragenden Göttin25 aus der spätbronzezeitlichen Schicht VII könnte darauf hinweisen, dass es sich bei den dort verehrten Gottheiten um den Wettergott (Baʿal) und eine kriegerische Göttin (Anat oder Astarte) gehandelt hat. Zu den Kultpraktiken gehörte in der SBZ aufgrund des Fundes zweier unbeschrifteter Lebermodelle26 die Leberschau (Hepatoskopie). Ob diese Praxis – deren Durchführung die Opferung von Schafen voraussetzt – in der frühen Eisenzeit fortgesetzt worden ist, dürfte eher unwahrscheinlich sein. Im Gegensatz zu den in akkadischer Sprache beschrifteten Lebermodellen der MBZ II B aus Hazor scheint die Kenntnis der akkadischen Sprache und damit der mesopotamischen Vorzeichenwissenschaft schon in der SBZ II B und erst recht in der frühen EZ nicht mehr vorausgesetzt werden zu können. Die unbeschrifteten Lebermodelle der SBZ könnten auf eine mündlich vermittelte Tradition der Vorzeichenkunde hinweisen, die aber in der Eisenzeit I erloschen ist. In Stratum VI A (Level Q-7 der neuen Grabungen) konnte eine Struktur mit drei (als Mazzeben gedeutete) oktogonalen Säulen vor einer Plattform mit darin verbauten Stelen freigelegt werden. Aufgrund seiner Anlage auf dem höchsten Punkt des Tells und den Fund eines Metallhorts scheint eine kultische Deutung möglich (Kleiman et. al. 2017: 26), wiewohl der Grundriss des Gebäudes und damit seine Funktion bisher unklar geblieben sind. Auch in Beth Shean folgte auf die Zerstörung von Stratum VI, die das Ende des ägyptischen Einflusses markiert, ein Wiederaufbau der Stadt nach dem alten Muster (lower Stratum V) – wenn auch in reduziertem Maßstab – und eine Weiternutzung des Tempelareals mit möglicherweise zwei Tempeln (Nord- und Südtempel, Abb. 2.15),27 deren kultische Funktion allerdings in Frage gestellt worden ist (s. Zwickel 1994: 240f.; vgl. Mullins 2012). Mazar (in Panitz-Cohen und Mazar 2006: 35) vermutet eine Erbauung der Tempel in der EZ I B, der er auch die im Tempelareal gefundenen Kult- und Ritualobjekte (die wiederverwendete Stele der Anat/Antit, Abb. 2.2 und die elaborierten Kultständer Abb. 2.5 u. 2.6) zuweist sowie deren Weiternutzung als administrative Strukturen in der EZ II A. Auch wenn die stratigraphische Problematik des „Lower Stratum V“ nicht gelöst ist (Mazar, ebd.), so ist auf jeden Fall eine Kultkontinuität in Beth Shean bis in die EZ I B anzunehmen. Im Hinblick auf die kultische Tradition des Areals seit der SB I, dem Grundriss, der wiederverwendeten älteren Stele der Anat (Abb. 2.2) sowie einer Anzahl von Siegelamuletten aus dem nördlichen Gebäude, die möglicherweise als Votive fungierten,28 ist eine fortgesetzte kultische Nutzung des Nordgebäudes durchaus möglich. Auch wenn der sogenannte Südtempel aufgrund des stark veränderten Grundrisses doch eher als administratives Gebäude zu deuten ist, könnten die Funde von elaborierten Tonständern aus dem Umfeld des sog. Südtempels (s.o. Abb. 2.5 u. 2.6)29 doch auf eine anhaltende rituelle Funktion des Areals hindeuten (Panitz-Cohen 2013: 116f.). Die Tatsache, dass rituelle Aktivitäten in administrativen und anderen „offiziellen“ Kontexten stattfanden, ist für das 1. Jt. v. Chr. auch in Megiddo bezeugt (Albertz und Schmitt 2012: 137f.).

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Loud 1948: Fig. 247. Loud 1948: Pl. 237; 239; 236,16. 26 Loud 1948: Pl. 255,1, 2. 27 Mazar 1993: 221. 28 CSAP II: Beth Shean 6–16. 29 Rowe 1940: Pl. 17; 56–58. 25

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Spätkanaanäische Religion

Abb. 2.14: Die letzte Bauphase des Tempels in Megiddo Stratum VII

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Abb. 2.15: Die sog. Nord- und Süd-Tempel in Beth Shean, lower Stratum V

2.5 Die Ebene der offiziellen Religionsausübung Im späteisenzeitlichen Palastbau 2072 in Megiddo, der sich mit seiner Größe von 30 x 32 m und der Mauerstärke deutlich von den zeitgenössischen Hofhäusern unterscheidet, wurden in unterschiedlichen Bereichen Ritualobjekte wie Kultständer, Kelche (chalices), zoomorphe Libationsgefäße, eine schematisch ausgeführte Kalksteinstatuette und das Fragment (Kopf) einer Terrakottafigurine gefunden,30 deren Kopfbedeckung auf die Darstellung einer Göttin schließen lässt. Die Funde von Ritualgerät im Palast entsprechen denen aus der Wohnbebauung und deuten auf eine Kultausübung im Palast hin, die wohl ebenso auf rituelle Akte im Kontext der Sicherung des Wohlergehens des Haushalts und seiner Bewohner hindeuten und somit keine Besonderheiten „offizieller“ Kultausübung gegenüber der häuslichen zeigt. Es ist vermutet worden, dass die unterirdische sog. „Schatzkammer“ mit einer Flucht aus drei Räumen (Loud 1948: 31ff.) den Stadtkönigen von Megiddo als Grablege gedient hat. Dies würde sich zu Befunden u.a. aus Qatna und Ugarit fügen, wo die Grablege sich im Palastbereich befand und Ort der Totenfürsorge für die königlichen Ahnen war, deren Unterstützung für die regierenden Herrscher erbeten wurde. Ort offizieller religiöser Vollzüge war damit nicht nur der örtliche Tempel, sondern auch der Palast. Das Symbolsystem der offiziellen Religion, insbesondere im Hinblick auf die Rolle des Herrschers, reflektieren die aus dem Palast in Megiddo Str. VII A (EZ I A) stammenden ägyptisierenden Elfenbeinarbeiten mit der Darstellung von Triumph- und Hofszenen. Abb. 2.1631 zeigt in der rechten Bildhälfte den siegreich aus dem Kampf zurückkehrenden Herrscher mit gefangenen Feinden unter der Flügelsonne und in der linken Hälfte die rituelle Siegesfeier des thronenden Königs, der von einer Priesterin oder der königlichen Gemahlin Symbole des Sieges und der Prosperität überreicht bekommt. Die göttliche Unterstützung im Kampf wird hier durch die Flügelsonne symbolisiert, die totale Unterwerfung und Niederlage der Feinde durch ihre Nacktheit. Die Elfenbeinpaneele Abb. 2.17 und 2.1832 zeigen die Heimkehr der Fuß- und Streitwagentruppen mit Gefangegen und den Sieg über die Feinde, die von den Streitwagen niedergetrampelt werden. Ebenfalls aus dem Kontext der Herrschaftsrepräsentation stammen zwei weitere Elfenbeinarbeiten mit Tributbringern vor dem thronenden König im Stadt- oder Palasttor sowie mit der Darstellung eines rituelles Mahls des thronenden Königs (Abb. 2.19 und 2.20).33 Die Megiddo-Elfenbeine belegen zum einen die starke Beeinflussung der Herrschaftsikonographie und -ideologie durch ägyptische Vorbilder, aber zum anderen auch eigenständige Traditionen in Gestalt der dargestellten rituellen Akte, die in dieser Kombination keine unmittelbaren ägyptischen Vorbilder haben. Die Objekte realisieren symbolisch zentrale Elemente der gemein-vorderasiatischen Herrschaftsideologie, wie die Dominanz über die Feinde, 30

Kleiman u.a. 2017: 42. Loud 1939: Pl. 4,2 a,b. 32 Loud 1939: Pl. 33, 161; Pl. 32, 159. 33 Loud 1939: Pl. 32, 160; Pl. 33: 162. 31

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göttliche Legitimation des Herrschers und seine Unterstützung im Kampf durch die Gottheit sowie die Sicherung der Prosperität und haben daher einen magisch-performativen Charakter. Im Bildaufbau ähnlich wie die Szene Abb. 2.16 aus Megiddo, aber stärker an ägyptischen Vorbildern orientiert, sind die vermutlich um 1200 zu datierenden Elfenbeinarbeiten aus Tell el-Fārʿa Süd aus dem Gebäude YR, das entweder einem ägyptischen Amtsträger als Residenz diente, für den die Arbeiten von einem lokalen Handwerker angefertigt wurden (Fischer 2011: 196ff.) oder einem lokalen Würdenträger, der dort residierte und dessen herrschaftliche Repräsentation sich an ägyptischen Vorbildern orientierte. Die Hauptszene (Abb. 2.21)34 zeigt im linken Bildfeld den Würdenträger bzw. Lokalfürsten beim Bankett, der ebenfalls vor einem Diener thronend dargestellt ist und von einer Frau (wohl der Gemahlin) Getränke und Lotus-Blüten erhält. In der rechten Bildszene wird er von einer Tänzerin und einem Aulosspieler unterhalten. Weitere Paneele zeigen die Jagd im Papyrusdickicht und die erfolgreiche Heimkehr mit reicher Beute. Im Gegensatz zur Dominanz militärischer Motive dominiert hier die Evozierung von friedlicher Prosperität und der Fülle der Gaben der Natur, die mit der Figur des Würdenträgers verbunden sind. Aus dem „Governors House“ sind zudem zwei fast identische Siegelabdrücke mit der Darstellung eines wohl mit Baʿal zu identifizierenden Gottes auf einem Vierbeiner mit w3s-Szepter oder Waffe bekannt (Abb. 2.22),35 die sich im Hinblick auf die wichtige Funktion des Gottes in Beziehung zur lokalen Elite deuten lässt.

Abb. 2.16: Elfenbeinarbeit aus Megiddo mit Triumphszene

Abb. 2.17: Elfenbeinarbeit aus Megiddo, Heimkehr der Truppen mit Gefangenen

Abb. 2.18: Elfenbeinarbeit aus Megiddo, Sieg der Truppen über die Feinde

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GGG 68a. CSAP III: Tell el-Farʿa Süd 228, 229. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Spätkanaanäische Religion

Abb. 2.19: Elfenbeinarbeit aus Megiddo mit Tributszene

Abb. 2.20: Elfenbeinarbeit aus Megiddo mit rituellem Mahl

Abb. 2.21: Thronender Würdenträger auf Elfenbeinarbeit aus Tell el-Fārʿa Süd

Abb. 2.22: Baʿal auf Stempelabdruck aus dem „Governor’s House“, Tell el-Fārʿa Süd

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Kapitel 3 Israelitisch-judäische Religion 3.1 Historischer Überblick G. W. Ahlström 1993: The History of Ancient Palestine from the Palaeolithic Period to Alexander’s Qonquest, JSOT.S, Sheffield; P. R. Davies 1992: In Search of “Ancient Israel”: A Study in Biblical Origins, JSOT.S 148, Sheffield; P. R. Davies 2008: Memories of Ancient Israel: An Introduction to Biblical History – Ancient and Modern, Louisville; W. G. Dever 2001: What Did the Biblical Writers Know and When Did They Know it?, Grand Rapids; W. G. Dever 2003: Who Were the Early Israelites and Where Did They Come From?, Grand Rapids; W. G. Dever 2017: Beyond the Texts: An Archaeological Portrait of Ancient Israel and Judah, Atlanta; I. Finkelstein 1988: The Archaeology of the Israelite Settlement, Jerusalem; I. Finkelstein und N. Naʾaman 1994 (Hrsg.): From Nomadism to Monarchy: Archaeological & Historical Aspects of Early Israel, Jerusalem/Washington; I. Finkelstein 1995: Living on the Fringe, MMA 6, Sheffield; I. Finkelstein und N.A. Silberman 2002: Keine Posaunen vor Jericho: Die archäologische Wahrheit über die Bibel, München; I. Finkelstein 2015: The Forgotten Kingdom: The Archaeology and History of Northern Israel, Ancient Near East Monographs 5, Atlanta; C. Frevel 2016: Geschichte Israels, Studienbücher Theologie 2, Stuttgart; V. Fritz 1996: Die Entstehung Israels im 12. und 11. Jahrhundert v. Chr., BE 2, Stuttgart; L. L. Grabbe 2007: Ancient Israel: What Do We Know and How Do We Know It, London; E. A. Knauf und P. Guillaume 2015: A History of Biblical Israel: The Fate of the Tribes and Kingdoms from Merenptah to Bar Kochba, Sheffield; R. G. Kratz 2017:² Historisches und biblisches Israel, Tübingen; N. P. Lemche 1985: Early Israel: Anthropological and Historical Studies on the Israelite Society before the Monarchy, VT.S. Leiden; N. P. Lemche 1996: Die Vorgeschichte Israels: Von den Anfängen bis zum Ausgang des 13. Jahrhunderts v. Chr., BE 1, Stuttgart; O. Lipschits 2005: The Fall and Rise of Jerusalem: Judah under Babylonian Rule, Winona Lake; M. Liverani 2005: Israel’s History and the History of Israel, Bible World, London/Oakville; N. Naʾaman 2006: Ancient Israel’s History and Historiography: The First Temple Period, Winona Lake; J. M. Robker 2012: The Jehu Revolution, BZAW 435, Berlin; B. U. Schipper 2018: Geschichte Israels in der Antike, Beck Wissen 2887, München; R. Schmitt 2008: Palästina, in: Der Große Ploetz: Die Enzyklopädie der Weltgeschichte, 35. Auflage, Göttingen, 113–116; T. L. Thompson 1992: The Early History of the Israelite People, SHCANE 4, Leiden.

Die frühe Eisenzeit ist eine Phase des Umbruchs, zahlreiche urbane Zentren der späten Bronzezeit werden aufgegeben oder zerstört. Die ägyptische Hegemonie über Palästina endet spätestens in der Regierungszeit Ramses VI. (1143–1136). Die in den gebirgigen Randgebieten Palästinas lebende pastoralisierende Bevölkerung besiedelt das judäische und samarische Bergland neu mit kleinen, kreisförmigen Siedlungen (Finkelstein 1988). Ihre materielle Kultur steht zum einen in der Tradition der Spätbronzezeit, weist aber auch Eigentümlichkeiten („Kragenhalsamphoren“ – collared rim jars, Vierraum-Häuser) auf. Diese Protoisraeliten sind wahrscheinlich mit der auf der Merenptah-Stele um 12081 genannten Größe „Israel“ zu identifizieren. Die sogenannte „Landnahme“ durch die nachmaligen Israeliten vollzieht sich aus heutiger Sicht als langsamer Prozess der Wiederbesiedlung des judäischen und zentralen Berglandes durch Hirtennomaden bzw. pastoralisierende Gruppen, die im Rahmen der sozio-ökonomischen Veränderungsprozesse während der Spätbronzezeit aus der kanaanäischen Bevölkerung hervorgegangen sind. Ein Exodus aus Ägypten und eine militärische Eroberung des Landes sind archäologisch nicht nachweisbar. Die biblischen Berichte zu Exodus und Landnahme sind daher ohne historischen Wert. Die Entität, die als frühes Israel bezeichnet wird, ist eine segmentäre Gesellschaft, die im wesentlichen Subsistenzwirtschaft betreibt (lower order society). Das biblisch bezeugte Zwölfstämmesystem ist ein späteres Konstrukt. Ob die Protoisraeliten überhaupt eine Tribalgesellschaft waren, ist historisch nicht verifizierbar und auch die biblischen Erzählungen über die „Richter“ besitzen für die historische Rekonstruktion nur geringen Quellenwert. Der Prozess der Staatwerdung beginnt in der EZ I mit der Herausbildung kleinerer regionaler Entitäten im zentralen Bergland sowie im Süden und setzt sich bis zum Übergang der EZ I B–II A mit der Herausbildung einer noch substaatlichen Entität mit Gibeon/Gibeah als Zentrum fort, die in 1

TUAT I: 544ff.; HTAT 066. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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Kapitel 3

der alttestamentlichen Überlieferung mit Saul verbunden wird und deren Umfang das dicht besiedelte zentrale Bergland von Ephraim und Manasse bis zum Jezreeltal, das Gebiet von Benjamin sowie große Teile des weniger dicht besiedelten judäischen Berglandes umfasst haben dürfte (Finkelstein 1995: 114ff.; 2015: 22ff.). Es ist jedoch anzunehmen, dass in der Frühzeit mit seinen wenig verfestigten politischen Strukturen die politisch-militärische Dominanz fragil war und sich in kurzen Zeiträumen zwischen unterschiedlichen lineage-gestützten Warlords, wie in den Saul- und David-Überlieferungen reflektiert, verschieben konnte. Daneben existieren kleinere, unabhängige substaatliche politische Entitäten wie Ḫirbet Qeiyafa. Die langsame Formierung von Königtümern aus den sub- bzw. protostaatlichen Größen und den nur lose durch eine gemeinsame Sprache, materielle Kultur und Religion verbundenen Gruppen und Entitäten geschieht parallel zu entsprechenden Entwicklungen in den Siedlungsgebieten der Aramäer sowie in Ammon und Moab. Die im Alten Testament geschilderte und mit David und Salomo verbundene Etablierung eines monarchischen Staates mit Jerusalem als Zentrum (das sogenannte Davidisch-Salomonische Großreich) ist weder historisch noch archäologisch verifizierbar und wohl weitgehend eine Fiktion der deuteronomistischen Historiker. Es ist jedoch als Minimalkonsens anzunehmen, dass sich bis zum Ende des 10. Jh. mit Israel im Norden und Juda im Süden zwei politische Entitäten herauszubilden beginnen, wobei das weniger dicht besiedelte und entwickelte Juda wohl als Klientel- bzw. Filialkönigtum vom Norden politisch-militärisch dominiert worden ist. Um 900 haben sich auf dem Boden der frühisraelitischen Siedlungsgebiete dann mit Israel und Juda zwei nominell separate staatliche Entitäten etabliert, wobei das weniger entwickelte Südreich, wie schon in der Formierungsphase, in politischer Abhängigkeit vom wohlhabenderen und bevölkerungsreicheren Norden stand. Aufgrund der Namensgleichheit einiger Könige Israels und Judas (Joram, Ahasja, Joasch) ist erwogen worden, ob hier nicht möglicherweise eine Personalunion vorgelegen hat (Frevel 2016: 203ff.), bzw. der Süden den Charakter eines Vizekönigtums hatte. Unter der Dynastie Omris (885–874) und seines Sohnes Ahab (873–853) erlebt das Nordreich Israel eine kulturelle Blüte, die sich in monumentalen Palastanlagen in Samaria und Jezreel und dem Ausbau befestigter Städte (Megiddo) zeigt. König Ahab nimmt Teil an einer antiassyrischen Koalition gegen den assyrischen König Salmanasser III. in der Schlacht bei Qarqar 853. Obwohl die Assyrer nach eigener Schilderung aus der Schlacht siegreich hervorgehen, kann die Koalition eine assyrische Hegemonie über Syrien und Palästina vorerst verhindern. Das Nordreich führte mehrfach militärische Auseinandersetzungen mit Aram-Damaskus um die nördlichen Grenzregionen und Gilead. Dan und Gilead gerieten dabei zeitweise unter die Kontrolle von Damaskus. Der durch einen Militärputsch an die Macht gekommene General Jehu ben Nimschi (ca. 845–818) schlägt eine assurfreundliche Politik ein und muss Salmanasser III. Tribut zahlen. Entgegen der biblischen Darstellung spielen religiöse Gründe für den Putsch keine Rolle. Eine innenpolitische Krise im Südreich in den 840er Jahren ist die Usurpation der Herrschaft durch die Königinmutter Atalja, einer Tochter Omris oder Ahabs von Israel. Es ist unklar, ob Atalja von Anhängern der Nimschiden oder der lokalen davidischen Dynastie (falls diese noch existiert haben sollte) ermordet wird, auf die der noch unmündige Joasch (840–801) folgt. Unter Jerobeam II. (782–747) erlebt das Nordreich eine wirtschaftliche Blüte. Der assyrische König Tiglatpileser III., dem Menahem von Israel (746–737) 738 Tribut zahlen muss, wird von Ahas von Juda (742–726) gegen einen gemeinsamen Angriff von Aram-Damaskus und Pekach von Israel (734–732) zu Hilfe gerufen, was zu einer Teilannektion Israels durch die Assyrer führte. Der letzte König von Israel, Hosea (732–723), wird wegen seiner Verhandlungen mit Ägypten von Salmanasser V. gefangen gesetzt und Samaria drei Jahre lang belagert. 722 oder 720 wird Samaria schließlich entweder von Salmanasser V. oder Sargon II. (722– 705) erobert. Große Teile der Bevölkerung werden nach Mesopotamien und Medien deportiert, Babylonier und aramäische Gruppen werden auf dem ehemaligen Gebiet des Nordreiches angesiedelt. Es ist anzunehmen, dass auch größere Kontingente der Bevölkerung Israels ins Südreich auswandern. Nach dem Untergang des Nordreichs versucht Hiskija von Juda (728–699), sich in Anlehnung an Ägypten von Assyrien zu lösen, muss jedoch Sanherib (705–681) Tribut zahlen, obwohl diesem (wohl wegen einer Seuche in seinem Heer) 701 die Eroberung Jerusalems misslingt. Die Folgen für Juda sind jedoch erheblich: Das Land ist bis auf Jerusalem und das südliche Bergland verwüstet und Hiskija verliert einen großen Teil seines Territoriums. Die im Alten Testament berichtete umfassende Kultreform des Hiskija gilt heute in wesentlichen Teilen als unhistorisch (s. u. 3.6.4.2). Unter der langen Regierungszeit seines Nachfolgers Manasse (699–643) erlebt Juda eine Zeit der Konsolidierung. Während des Niederganges der assyrischen Großmacht versucht Josija (641–609) seine Herrschaft über Juda hinaus auf Teile des ehemaligen Nordreiches auszudehnen, scheitert aber bei dem Versuch, den den Assyrern zu Hilfe ziehenden Ägyptern © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Israelitisch-judäische Religion

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unter Pharao Necho II. den Weg zu verlegen. Er fällt im Kampf gegen Necho 609 bei Megiddo. Auch die Josija zugeschriebene weitgehende Kultreform wird von der neueren Forschung in Frage gestellt oder relativiert (s. 3.6.4.3). Nach der Eroberung Assurs und Ninives durch Nabopolassar fällt Juda nach 612 in den Machtbereich des neubabylonischen Reiches, das die Erbschaft der Assyrer antritt. Nach einem Aufstandsversuch des Jojakim (608–597) erobert Nebukadnezzar II. 597 Jerusalem und deportiert König Jojachin (in babylonischen Urkunden Jaʾu–kin genannt) nach Babylonien. Der als König eingesetzte Zidkija (Mattanja) erhebt sich 588 erneut. Nach einer Belagerung von (mit Unterbrechung) eineinhalb Jahren erobert Nebukadnezzar Jerusalem 587, zerstört Stadt und Tempel und deportiert große Teile der Bevölkerung (Babylonisches Exil). Damit endet die Eigenstaatlichkeit Judas. Palästina gelangt 539 unter persische Herrschaft, die bis zur griechischen Eroberung unter Alexander III. von Makedonien im Jahre 332 anhält.

3.2 Götter und Elemente des religiösen Symbolsystems S. Ackerman 1992: Under Every Green Tree: Popular Religion in Sixth-Century Judah, HSM 46, Atlanta; S. Ackerman 1998: Warrior, Dancer, Seductress, Queen: Women in Judges and Biblical Israel, Anchor Bible Reference Library 17, Garden City; S. Ackerman 2003: At Home with the Goddess, in: W. G. Dever und S. Gitin (Hrsg.), Symbiosis, Symbolism, and the Power of the Past. Canaan, Ancient Israel, and Their Neighbors: From the Bronze Age through Roman Palaestina, Winona Lake, 455–468; S. Ackerman 2008: Household Religion, Family Religion, and Women’s Religion in Ancient Israel, in: J. Bodel und S. M. Olyan (Hrsg.), Household and Family Religion in Antiquity, The Ancient World: Comparative Histories, Oxford u.a., 127–158; G. W. Ahlström 1984: An Archaeological Picture of Iron Age Religions in Ancient Palestine, in: STOr 55.3, 117–245; R. Albertz 1992: Religionsgeschichte Israels in Alttestamentlicher Zeit, GAT 8/1–2, Göttingen; R. 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Border, Jerusalem; T. N. D. Mettinger 1995: No Graven Image? Israelite Aniconism in its Ancient Near Eastern Context, CBOT 42, Stockholm; P. R. S. Moorey 2003: Idols of the People: Miniature Images of Clay in the Ancient Near East, The Schweich Lectures of the British Academy 2001, Oxford; S. Niditch 1997: Ancient Israelite Religion, Oxford/New York; D. Parayre 1994: Apropos des sceaux ouest-sémitiques: le rôle de lʼiconographie dans lʼattribution dʼun sceau à une aire culturelle ou à un atelier, in: B. Sass und C. Uehlinger (Hrsg.), Studies in the Iconography of Northwest Semitic Inscribed Seals, OBO 125, Fribourg/Göttingen 27–51; H. Rechenmacher 2012: Althebräische Personennamen, LOS II,1, Münster; M. Shuval 1990: A Catalogue of Early Iron Stamp Seals from Israel, in: O. Keel, M. Shuval und C. Uehlinger (Hrsg.), Studien zu den Stempelsiegeln aus Palästina/Israel Bd. 2: Die Frühe Eisenzeit – Ein Workshop, OBO 100, Fribourg/Göttingen, 67–161; B. B. Schmidt 2016: The Materiality of Power: Explorations in the Social History of Ancient Israelite Magic, FAT 105, Tübingen; R. Schmitt 2004: Magie im Alten Testament, AOAT 313, Münster; R. Schmitt 2011: Der „Heilige Krieg“ im Pentateuch und im deuteronomistischen Geschichtswerk: Studien zur Forschungs-, Rezeptions- und Religionsgeschichte von Krieg und Bann im Alten Testament, AOAT 391, Münster; R. Schmitt 2014: Mantik im Alten Testament, AOAT 411, Münster; R. Schmitt 2017: Das Skarabäusmotiv auf Stempelsiegeln aus Palästina, AOAT, Münster; R. Schmitt 2016: Israelite Religion, in: EBR 13, 514–521; C. Schwöbel (Hrsg.) 2013: Gott – Götter – Götzen, VEGTh 38, Leipzig; M. S. Smith 2001: The Origins of Biblical Monotheism: Israel’s Polytheistic Background and the Ugaritic Texts, Oxford/New York; M. S. Smith 2002²: The Early History of God, Grand Rapids; M. S. Smith 2008: God in Translation: Deities in Cross-Cultural Discourse in the Biblical World, FAT 57, Tübingen; F. Stolz 1996: Einführung in den biblischen Monotheismus, Darmstadt; J. H. Tigay 1986: You shall have no other Gods: Israelite Religion in the Light of Hebrew Inscriptions, Harvard Semitic Monographs 31, Atlanta; M. Tilly und W. Zwickel 2011: Religionsgeschichte Israels: Von der Vorzeit bis zu den Anfängen des Christentums, Darmstadt; D. Ussishkin und B. Halpern (Hrsg.) 2006: Megiddo IV: The 1998–2002 Seasons, Tel Aviv University Monograph Series 24, Tel Aviv; C. Uehlinger 1992: Seals, Iconography, and Syro-Palestinian Religions, in: B. Sass und C. Uehlinger (Hrsg.), Studies in the Iconography of Northwest Semitic Inscribed Seals, OBO 125, Fribourg/Göttingen, 257–288; J. van Oorschot und M. Witte (Hrsg.) 2017: The Origins of Yahwism, BZAW 484, Berlin/Boston; K. van der Toorn 2002: Israelite Figurines: A View from the Texts, in: B. M. Gittlen (Hrsg.), Sacred Time, Sacred Place: Archaeology and the Religion of Israel, Winona Lake, 45–62; M.-T. Wacker und E. Zenger (Hrsg.) 1991: Der eine Gott und die Göttin: Gottesvorstellungen des biblischen Israel im Horizont feministischer Theologie, QD 135, Freiburg; A. Wagner (Hrsg.) 2006: Primäre und sekundäre Religion als Kategorie der Religionsgeschichte des Alten Testaments, BZAW 364, Berlin/New York; M. Weippert 1997: Jahwe und die anderen Götter, FAT 18, Tübingen; J. Wellhausen 1897³: Israelitische und judäische Geschichte, Berlin; Z. Zevit 2001: The Religions of Ancient Israel: A Synthesis of Parallactic Approaches, London/New York.

3.2.1 Einleitung Die Rekonstruktion der Götterwelt bzw. eines Pantheons der frühen Israeliten gestaltet sich als schwierig, da für diese Periode so gut wie keine aussagekräftigen epigraphischen Zeugnisse vorliegen. Seit der EZ II B und zunehmend dann in der EZ II C liegen eine Fülle epigraphischer Quellen sowohl mit theophoren Namen als auch explizite Nennungen von Gottheiten vor. Wie in den Nachbarstaaten Israels und Judas ist aber davon auszugehen, dass die theophoren Namen das Pantheon keinesfalls vollständig abbilden, da in der Praxis der Namensgebung der Nationalgott Jahwe – analog zu El in Ammon, Kamoš in Moab und Qaus in Edom – bevorzugt wird. Die Rekonstruktion eines vorexilischen Pantheons (sofern es dies in einer fest umrissenen Form überhaupt gab) und von Pantheonstrukturen bzw. Relationen von Gottheiten gestaltet sich ebenso problematisch, da keine außerbiblischen Quellen mythologischen Inhalts existieren und da insbesondere die deuteronomistische und priesterliche Traditionsliteratur sowie die prophetische Fortschreibungsliteratur ein teils idealisiertes, teils polemisches Bild der vorexilischen religiösen Symbolsysteme liefern. Ein weiteres Problem der Darstellung bietet die Differenzierung zwischen Nord- und Südreich: Auch wenn es nie ein politisch einheitliches „Israel“ unter David und Salomo gegeben hat, sind die beiden staatlichen Entitäten Israel und Juda – wie oben dargestellt – Ergebnis eines Sedentarisationsprozesses von Gruppen mit einer gemeinsamen materiellen Kultur, Sprache und einem auf engste verwandtem religiösem Symbolsystem. Eine prononcierte Dissoziation der beiden Entitäten und ihrer Religionen erscheint daher grundsätzlich nicht angeraten (gegen Niehr 1998: 239) und ist m. E. nur im Kontext der offiziellen Religion sinnvoll (s. u. 3.6). Beide staatliche Entitäten, Israel und Juda, „teilen“ sich sowohl ihren Patronats- bzw. Nationalgott Jahwe, als auch die Verehrung weiterer Götter aus der kanaanäischen Tradition, namentlich der Ašerah als Paredra Jahwes, El, Baʿal und anderer mehr. Da historisch davon ausgegangen werden muss, dass Juda bis zum Untergang des Nordreichs ein Filial- bzw. Klientelkönigtum des Nordreichs gewesen ist und dass in der Zeit der Omriden und Nimschiden möglicherweise eine Personalunion bestand, erscheint es methodisch daher gerechtfertigt, die in Israel und Juda verehrten Gottheiten gemeinsam abzuhandeln. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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3.2.2 Männliche Gottheiten in Israel und Juda 3.2.2.1 El W. Herrmann 1999: Art. El, in: DDD², 275–280; I. Kottsieper 1997: „El – ferner oder naher Gott? Zur Bedeutung einer semitischen Gottheit in verschiedenen sozialen Kontexten im 1. Jtsd. v. Chr., in: R. Albertz und S. Otto (Hrsg.), Religion und Gesellschaft: Studien zu ihrer Wechselbeziehung in den Kulturen des Antiken Vorderen Orients, AOAT 248, Münster, 25–74; I. Kottsieper 2013: Art. El, in: Das Wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (www.wibilex. de); P. M. Kurtz 2013: Art. El I, in: EBR 7, 560–563; M. Pope 1965: Art. El, in: WdM I, 279–283.

Unmittelbare epigraphische Zeugnisse für El existieren für die Eisenzeit I–II A nicht – Bezüge auf El in den Rekonstruktionen des Ḫirbet-Qeiyafa-Ostrakons sind tentativ. Es ist aber bereits in der Vergangenheit wiederholt festgestellt worden, dass in den biblischen Traditionen über die vorstaatliche Zeit und die frühe Königszeit die El-Namen mit über 50 % bei weitem dominieren,2 was wohl kaum als Zufall zu betrachten ist. Zu nennen sind hier u.a. Namen wie Samuel (1 Sam 20 versteht den Namen als ‚El hat erhört‘, die Verbalwurzel ist aber unklar) und Otniel (auch hier ist die Verbalwurzel ʾtn nicht klärbar). Im Gesamtcorpus des hebräischen Onomastikons der EZ II enthalten insgesamt etwa 13 Prozent der Einzelnahmen und etwa elf Prozent aller Nennungen (220 Belege) der theophoren Namen das Element El (s. Übersicht 1).3 El rangiert damit in der Häufigkeit hinter Jahwe an zweiter Stelle. In der größten Einzelgruppe judäischer Ostraka des 8. Jh., denen aus Arad, ergibt sich ein Verhältnis von 78 % Jahwe-Namen gegenüber 21 % El-Namen. Im Nordreich differiert das Verhältnis in der EZ II B etwas: In den Samaria-Ostraka folgt El mit einer Häufigkeit von 12 % erst hinter Baʿal (25 %) und Jahwe mit 51 %. Im Corpus der Ostraka des späten 7. und beginnenden 6. Jh. aus Arad persistieren die El-Namen in signifikanter Anzahl mit 12 % hinter 64 % Jahwe-Namen und 24 % anderen Namen.4 Für die Lachish-Briefe desselben Zeitraums ist das Ergebnis mit 9 % El-Namen, 71 % Jahwe-Namen, und 20 % Anderen vergleichbar. Insgesamt korrespondieren diese Befunde mit den moabitischen und edomitischen theophoren Namen, wo El (mit 13,5 % bzw. 22,7 %) an zweiter Stelle hinter den Nationalgöttern Kamoš und Qaus bzw. in Phönizien hinter Baʿal firmiert.5 In Ammon ist er die Hauptgottheit (s. Kap. 6.2). Die einzige längere epigraphische Quelle für El (parallel mit Baʿal genannt) ist eine Putzinschrift der EZ II B (um 800) aus Kuntillet ʿAǧrūd (KA 4.2) mit einer Dankformel aus Anlass der Errettung aus Kriegsnot.6 In den spätbronzezeitlichen Texten aus Ugarit ist El bzw. Ilu die höchste Gottheit, der Patriarch und Vater der Götter und Menschen und deren Schöpfer (KTU 1.14 I 37: ab adam – Vater der Menschen; KTU 1.3 V 9 u.ö: qny – Schöpfer; KTU 1.4 II 11: bny bnwt – Schöpfer der Geschöpfe). KTU 1.2 I: 33.36 apostrophiert ihn als Stier (ṯr) – sowohl Manifestation seiner Macht und Stärke als auch göttliches Attributtier. Als auf dem Götterberg residierend wird er in KTU 1.108: 12 als il šdy ‚Ilu des Berges‘ bezeichnet. Als El Šadday ist er auch 7-mal im AT belegt (Gen 17,1; 28,3; 35,11; 43,14; 48,3; Ex 6,3; Ez 10,5), das Hypokoristikon Šadday sogar 48-mal. Die mythologischen Texte aus Ugarit konzeptualisieren ihn als alt und weise. Ein Katalog der Manifestationen Els (KTU 1.65; TUAT 3: 318) nennt Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit als Eigenschaften der Gottheit, Aspekte, die auch die eisenzeitlichen westsemitischen Personennamen reflektieren. El ist der „große Kümmerer“, der Hilfe, Schutz und Nachkommenschaft schenkt. Die oben zitierte Inschrift aus Kuntillet ʿAǧrūd belegt auch die Funktion Els als Retter im Krieg, eine Funktion, die man ansonsten mit dem Nationalgott assoziieren würde – sich aber zur universalen Zuständigkeit der einzelnen Götter in der persönlichen Frömmigkeit fügt. Anders als oft behauptet, ist El damit alles andere als ein deus absconditus (so Pope 1965: 282), sondern geradezu omnipräsent und für alle Wechselfälle des Lebens ein wichtiger Adressat (vgl. Kottsieper 1997, 2013). El kann auch nicht religionsphänomenologisch als eine bloße Art Konzept von Göttlichkeit, als Gattungsbegriff (Stolz 1996: 39f.) oder „mythische Substanz“ (Koch 1991: 31ff.) bezeichnet werden, sondern ist, wie die westsemitischen Inschriften des 1. Jt. zeigen – wenn nicht deutlich als Appellativum gebraucht – immer eine göttliche Person. Wie in den religiösen Symbolsystemen der Anrainer ist El daher auch in Israel und Juda als selbständige Gottheit aufzufassen und nicht als Appellativum Jahwes. 2

Albertz 1978: 71; 1992: 148; Fowler 1988: 190ff. Albertz und Schmitt 2012: 340 und Table 5.7. 4 Die Gesamtzahl der Nennungen muss hier unberücksichtigt bleiben, da das Gros der Texte ʾElyašib, den Kommandanten von Arad, zum Adressaten hat. 5 Siehe Albertz und Schmitt 2012: Table 5.7–12 und die Übersichten 1–5. 6 Meshel 2012: 110, KA 4.2 (vgl. HAE KAgr[9]:7). 3

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Sicher identifizierbare Darstellungen Els sind aus dem früheisenzeitlichen Palästina nicht bekannt. Typologisch könnte jedoch die Bronzefigur einer thronenden Gottheit mit Segensgestus aus einem Gründungsdepot des Eisen-I-B-zeitlichen Lokalheiligtums aus Hazor7 mit El identifiziert werden. Das in der Merenptah-Stele um 1208 genannte Gentizilium „Israel“ (jsirʾ3rʿ mit Determinativ ‚Menschen‘ bzw. ‚Leute‘) ist nicht nur der früheste Beleg für diese Entität, sondern die Bezeichnung Israel (yiśrāʾel, wohl mit ‚El herrscht‘ wiederzugeben, s. Albertz 1992: 117) verbindet das Ethnikon mit der Gottheit El. Auch die biblische Tradition, die El mit dem Gentizilium verbindet, wie in Gen 33,20, wo von „El, dem Gott Israels“ (ʾel ʾĕlōhē yiśrāʾel) gesprochen wird, dürfte daher wohl diese ursprüngliche Verbindung reflektieren. Es gibt daher eine starke Strömung in der Forschung, die in El die Hauptgottheit des frühen Israel sieht, die aber schon in einer frühen Phase mit Jahwe amalgamierte (so u.a. Albertz 1992: 118; Smith 1990: 7ff.; 2001: 142ff.) oder gar mit einer ursprünglichen Identität von El und Jahwe rechnet (De Moor 1990: 259ff.). Gegen die Amalgamationsthese ist jedoch einzuwenden, dass El als theophores Element (und nicht als Appellativum) in epigraphisch bezeugten Personennamen bis in die Eisenzeit II C prominent bezeugt ist. Gleichsetzungsnamen wie Yauʾel (‚Jahwe ist El‘) sind epigraphisch nur in zwei Fällen bezeugt (Albertz und Schmitt 2012: 580). Zudem sprechen sowohl Dtn 32,8 wie auch Ps 89,7f. von zwei separaten göttlichen Personen. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass El vorexilisch zwar gelegentlich mit Jahwe gleichgesetzt werden konnte, aber nicht generell mit Jahwe amalgamierte, sondern neben ihm verehrt wurde. Erst in der nachexilischen offiziellen Religion bzw. in der priesterlichen und deuteronomistischen Eliten-Literatur okkupiert Jahwe Funktionen Els, wie die des Schöpfergottes und wird explizit (so in Ex 6,2f.; Jos 22,22) oder implizit (wie in Gen 14,18–20) mit El identifiziert. Es ist daher davon auszugehen, dass Jahwe primär die Funktion eines Wetter- und Kriegsgottes einnahm, wobei er dem älteren kanaanäischen Wettergott Baʿal-Hadad den Rang ablief, ihn aber nicht völlig verdrängte, El aber in Kontinuität zur spätbronzezeitlichen Pantheon-Struktur in der EZ nach wie vor das Haupt der Götter darstellte: Diese alte Struktur reflektiert noch Dtn 32,8f., wo El Eljon (ʿĕlyôn – der ‚höchste‘) bei der Verteilung des Besitzes der Völker bzw. Nationen (gôyīm) Jahwe zum Gott seines Volkes (ʿam), Jakob, bestimmt. El ist hier deutlich Jahwe vorgeordnet, daher liegt der Rückschluss, dass El hier als Jahwes Vater porträtiert wird, nahe (so Schmidt 2016: 182f.), dies gilt ebenso für Ps 89,7f. Die in 4Q37 gebotene Lesart von Dtn 32, dass die Länder nach der Zahl der Söhne Els (bny ʾlykm) verteilt werden, könnte daher die Vorstellung von der Vaterschaft Els bewahrt haben. In den späten Texten wie Gen 14,18ff. und Ps 78,35 ist El Eljon jedoch nicht mehr auf den alten Hochgott, sondern auf Jahwe übertragen worden. Das Nebeneinander von El mit einer Wettergottgestalt ist in der EZ II B (mit Nachordnung des Ersteren) in der Umwelt Israels und Judas in den Inschriften des Königs Panammuwa vom Samʿal (KAI 214, 215) bekannt. Darüber hinaus firmiert eine lokale Erscheinungsform von El in Samʿal (Rakib-El) als Dynastiegott neben den Hauptgöttern. Die selbständige Rolle Els in lokalen Panthea der Eisenzeit II belegen ferner die Evidenz aus Ammon, wo El als wichtigste Gottheit fungierte, aus Moab und Edom, wo El in den theophoren Namen hinter Kamoš bzw. Qaus firmiert, sowie die Sfire-Inschrift KAI 222 a:11 mit der Erwähnung der Gottheiten El und Eljon. Der Ortsname Beth-El ist Indikator der Tradition einer Kultstätte des El-Beth-El im Bergland von Ephraim, deren Tradition über die Zeit Jerobeam II. (Am 7,10ff.) in der ersten Hälfte des 8. Jh. zurückreichen dürfte, auch wenn ihre Gründung durch Jerobeam I. deuteronomistische Fiktion ist und der Bezug zu den Vätern in Gen 28 vollständig legendarischen Charakters ist (Koenen 2003; Köhlmoos 2006). Eine weitere, historisch mögliche lokale Manifestation Els ist der El Berit in Shechem (Ri 9,46). Die Erwähnung des El Eljon von Salem/Jerusalem in Gen 14,18–20 dient der impliziten Gleichsetzung Jahwes als des Gottes Abrahams mit El durch eine deuteronomistische Redaktion und ist daher nicht als Zeugnis einer ursprünglichen El-Verehrung in Jerusalem zu werten. Das Erscheinen des El-Roi (‚El des Sehens‘) in Gen 16,13 am Brunnen von Beer-Lachai-Roi ist wohl nicht mehr als eine literarisch konstruierte Ortsätiologie und kaum eine ‚echte‘ Erscheinungsform der Gottheit El. 3.2.2.2 Jahwe M. Arneth 2000: „Sonne der Gerechtigkeit“: Studien zur Solarisierung der Jahwe-Religion im Lichte von Psalm 72, BZAR 1, Wiesbaden; A. Berlejung 2017: The Origins and Beginnings of the Worship of YHWH: The Iconographic Evidence, in: J. van Ooorschot und M. Witte (Hrsg.), The Origins of Yahwism, BZAW 484, Berlin/Boston, 67–92; B. 7

Negbi 1976: No. 1454. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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Becking 2006: Art. Jahwe/JHWH, in: Das Wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (www.wibilex.de); B. Janowski 1995: JHWH und der Sonnengott: Aspekte der Solarisierung JHWHs in vorexilischer Zeit, in: J. Mehlhausen (Hrsg.), Pluralismus und Identität, VWGTh 8, Gütersloh 214–241 (= B. Janowski 1999: Die rettende Gerechtigkeit: Beiträge zur Theologie des Alten Testaments 2, Neukirchen-Vluyn, 192–219); O. Keel und C. Uehlinger 1994: Jahwe und die Sonnengottheit von Jerusalem, in: W. Dietrich und M. A. Klopfenstein (Hrsg.), Ein Gott allein? JHWH-Verehrung und biblischer Monotheismus im Kontext der israelitischen und altorientalischen Religionsgeschichte, OBO 139, Fribourg/Göttingen, 269–306; B. Lang 2002: Jahwe: Der biblische Gott. Ein Portrait, Darmstadt; M. Leuenberger 2010: Jhwhs Herkunft aus dem Süden: Archäologische Befunde – biblische Überlieferungen – historische Korrelationen, in: ZAW 122, 1–19. M. Leuenberger 2017: YHWH’s Provenance from the South, in: van Ooorschot und Witte (Hrsg.), The Origins of Yahwism, 157–179; J. M. LeMon 2010: Yahweh’s Winged Form in the Psalms: Exploring Congruent Iconography and Texts, OBO 242, Fribourg/Göttingen; J. M. LeMon und B. A. Strawn 2013: Once More, YHWH and Company at Kuntillet ʿAjrud, in: MAARAV 20/1, 83–114; R. Müller 2008: Jahwe als Wettergott: Studien zur althebräischen Kultlyrik anhand ausgewählter Psalmen, BZAW 387, Berlin/New York; R. Müller 2017: The Origins of YHWH in Light of the Earliest Psalms, in: van Ooorschot und Witte (Hrsg.), The Origins of Yahwism, 207–238; H. Niehr 1900: Der höchste Gott: Alttestamentlicher Jhwh-Glaube im Kontext syrisch-aramäischer Religion des 1. Jahrtausend v. Chr., BZAW 190, Berlin; T. Ornan 2005: A Complex System of Religious Symbols: The Case of the Winged Disc in Near Eastern Imagery of the First millenium BCE, in: C. E. Suter und C. Uehlinger (Hrsg.), Crafts and Images in Contact: Studies on Eastern Mediterranean Art of the First Millenium BCE, OBO 210, Fribourg/Göttingen, 207–241; H. Pfeiffer 2005: Jahwes Kommen von Süden: Jdc 5; Hab 3; Dtn 33 und Ps 68 in ihrem literar- und theologiegeschichtlichem Umfeld, FRLANT 211, Göttingen; J. Tropper 2017: The Divine Name *Yahwa, in: van Oorschot und Witte (Hrsg.), The Origins of Yahwism, 1–21.

Unmittelbare epigraphische Zeugnisse für Jahwe existieren außerhalb von Personennamen aus der EZ I A– II A nicht. Der sogenannte Gezer-Kalender, eine Schülerübung vom Ende des 10. Jh., enthält die theophoren Namen Penyahu (pnyh) ‚Jahwe hat sein Angesicht [mir] zugewandt‘ und (rekonstruiert) ʾAbiya[hu] (ʾby[h]) ‚Mein [göttlicher] Vater ist Jahwe‘.8 Ein Ostrakon aus Arad aus der Mitte des 9. Jh. nennt den Namen [Yeho]aʾḥ ([yhw]ʾḥ) ‚[Jahwe] ist [göttlicher] Bruder‘.9 Unmittelbare epigraphische Belege für Jahwe außerhalb von Personennamen setzen erst mit der Inschrift des Meša von Moab um 835 v. Chr.10 und den Inschriften aus Kuntillet ʿAǧrūd um 800 v. Chr. ein. Im epigraphisch belegten Onomastikon der Eisenzeit II B–C ist Jahwe die bei weitem häufigste Gottheit mit 1337 Belegen, die sich auf 240 theophore Namen verteilen.11 Damit sind nahezu 68 % aller hebräischen theophoren Namen in diesem Zeitraum Jahwe-haltig, was die dominante Stellung der Gottheit unterstreicht. Die für die späte Königszeit im Corpus der Ostraka aus Arad und Lachish zu ermittelnden Zahlen (64 % bzw. 71 %) bestätigen das Gesamtbild. Eine lokale Differenzierung lässt sich noch für das Zeitfenster des 8. Jh. durch die Samaria-Ostraka mit rund 51 % Jahwe-haltigen Name mit der Endung -yw wahrscheinlich machen. Die kaum eine Handvoll aus dem Norden bekannten Schriftsiegel aus regulären Grabungen haben auch alle das theophore Element -yw für Jahwe. Jahwe-haltige theophore Namen aus den mit der Frühzeit Israels verbundenen biblischen Traditionen sind selten, nur Josua (Yĕhôšuaʾ ‚Jahwe ist Rettung‘) und Jonatan (Yĕhônatan ‚Jahwe hat gegeben‘) tragen einen Jahwe-haltigen Namen, wobei Josua ein unhistorischer, konstruierter Programmname (vgl. Rechenmacher 2012: § 25f.) sein könnte, der auch epigraphisch nicht nachweisbar ist. Sowohl nach Ausweis der Meša-Stele, die Jahwe explizit als Gott des Nordstaats Israel erwähnt und den Texten aus Kuntillet ʿAǧrūd, die den Jahwe von Samaria nennen12, ist dieser – auch in der Außenwahrnehmung – der Nationalgott Israels in der Eisenzeit II. Dies ist auch für Juda aufgrund der dichten Bezeugung in den theophoren Personennamen, in den epigraphischen sowie in den biblischen Quellen vorauszusetzen. Die Frage nach dem Aufstieg Jahwes, nach dem Zeitpunkt, nach seiner Herkunft und seinem Charakter ist in der Forschung nach wie vor umstritten und Teil einer anhaltenden Debatte. Insbesondere die Etymologie des Gottesnamens Jahwe (yhwh, in Kurzform yhw, yhh, yh oder yw) wird nach wie vor kontrovers diskutiert: Die theologische Forschung hat auf der Basis von Ex 3,14 zumeist eine Ableitung von der Wurzel hyy ‚sein/werden‘ vorgezogen – was philologisch möglich ist. Wahrscheinlicher ist jedoch die schon von Wellhausen (1897: 25) vorgeschlagene Ableitung von hwy ‚wehen‘, die sich besser zu Jahwes Charak8

HAE Gez(10):1. Der Name ist (in Varianten) auch später mehrfach bezeugt; siehe Albertz und Schmitt 2012: 576. HAE Arad(9):79. 10 KAI 181: 18; HTAT 105. 11 Siehe Albertz und Schmitt 2012: Table 5.7. 12 Meshel 2012: KA 3.1 (HAE [KAgr9]:8). 9

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teristika als kriegerischer Wettergott und zu seiner möglichen südlichen Herkunft fügen würde (Knauf 1988: 43ff.) Nach wie vor dominieren in der aktuellen Diskussion zur Herkunft Jahwes zwei Grundhypothesen: einmal die einer Herkunft aus dem Süden (zumeist verbunden mit der Auffassung, dass sich seine Spur bis in die späte Bronzezeit bzw. in die Periode des ägyptischen Neuen Reiches zurückführen lässt) und eine Nordhypothese, die mit einer nördlichen bzw. lokal-kanaanäischen Herkunft Jahwes rechnet und in diesem zumeist einen kriegerischen Wettergott des Hadad/Baʿal-Typs sieht. Für die Südhypothese13 können sowohl biblische wie außerbiblische epigraphische Quellen geltend gemacht werden: Die wichtigste außerbiblischen Quellen sind hierbei die Inschriften der EZ II B (um 800) aus Kuntillet ʿAǧrūd, die Jahwe von Teman erwähnen (lyhwh htmn).14 Teman als „Heimat“ der Gottheit findet auch in der (allerdings späten) Theophanieschilderung in Hab 3,3 Erwähnung, wo es heißt: „Gott kommt von Teman her und der Heilige vom Gebirge Paran“ (ʾĕlôah mittêmān yābôʾ wĕqādôš mĕhar-pāʾrān). Neben der Mose/Exodustradition, die den Horeb in Midian (Ex 3,1) und den Sinai (Ex 19 u.ö.) als Gottesberg nennt, verweisen zahlreiche weitere biblische Belege auf eine Herkunft aus den südlichen Rand- und Wüstengebieten, Seir (Ri 4,5, Dtn 33,2), Paran (Dtn 33,2), Gebirge Edoms (Ri 4,5) und Sinai (Ps 68,8f.). In Ps 68,9 wird Jahwe sogar explizit als der „Gott vom Sinai“ (ʾĕlôhīm zeh sinay) bezeichnet. Vertreter der Nordhypothese haben zwar richtig darauf hingewiesen, dass der Großteil der genannten Belege relativ jung bzw. von der Exodus-Tradition abhängig sei und argumentieren im Hinblick auf die Inschrift auf Pithos 1 aus Kuntillet ʿAǧrūd, die Jahwe von Samaria (lyhwh šmrn) nennt,15 dass die Toponyme Samaria und Teman keine Herkunftsbezeichnungen darstellen, sondern als je lokale Manifestationen Jahwes zu betrachten seien. Auf der Gegenseite ist das Argument des vermeintlich „solitären“ Charakters Jahwes als Argument für die Südhypothese (Leuenberger 2010: 168) schwerlich tragfähig. Die im Kontext der Südhypothese oft geäußerte Theorie, dass eine „Exodusgruppe“ Jahwe aus dem südlichen Bergland „importiert“ habe (so z.B. Albertz 1992: 76ff.), ist kaum zu verifizieren und ist nicht mehr als der Versuch, ein letztes Stück Historizität der Exodustradition zu retten. Südliche Einflüsse (Midian, Edom) in der Vermittlung sind möglich (Knauf 1988), müssen aber auch weiterhin als hypothetisch gelten, da sie extrabiblisch nicht verifizierbar sind. Die Nordhypothese16 argumentiert im Wesentlichen mit dem Profil Jahwes als kriegerischer Wettergott, dem Konzept des göttlichen Königtums und der phänotypischen Verwandtschaft mit dem kanaanäischen Baʿal. Auch die Identifikation des Zion als nördlicher Götterberg analog zum Zaphon in Ps 48,3 wird als Evidenz für eine nördliche, d.h. lokal-kanaanäische Herkunft geltend gemacht (Müller 2017: 229). Die Nordhypothese arbeitet jedoch weitgehend mit einem argumentum ex silentio, wonach zwar eindeutige epigraphische Zeugnisse aus dem Norden fehlten, aber die als spät oder anderweitig nicht als tragfähig beurteilten Belege für die Südhypothese in Kombination mit der phänotypischen Ähnlichkeit zu Baʿal für die Nordhypothese sprächen. Problematisch an den Argumenten der Vertreter der Nordhypothese ist – ebenso wie bei der Südhypothese – das biblische Quellenproblem, insbesondere die Datierung der Texte, wobei nicht immer nachvollziehbare (z.T. auch willkürliche) literarkritische Operationen vorgenommen werden, um das Alter bestimmter Texte nachzuweisen. Letztlich sind jedoch auch die von den Vertretern der Nordhypothese angeführten Psalmen bzw. ihre Bearbeitungen „späte“ Quellen – was jedoch andererseits auch nicht automatisch heißt, dass sie keine vorexilischen Elemente enthalten. Zwar ist die Ausbreitung des Kultes einer ursprünglich im südlichen Bergland beheimateten Gottheit der Wüstengebirge – wenn man nicht eine Migration der Trägergruppen dieser Gottheit ins zentrale Bergland annehmen will, was bei gegenwärtigem Kenntnisstand über die Ethnogenese Israels unwahrscheinlich ist – nach wie vor nicht schlüssig klärbar. Die Annahme einer südlichen Herkunft hat aber aufgrund der starken biblischen Bezeugung und deren Konvergenz in Bezug auf Teman mit dem epigraphischen Befund aus Kuntillet ʿAǧrūd nach wie vor die größte Wahrscheinlichkeit für sich. Grundsätzlich widerspricht die Charakterisierung Jahwes als kriegerischer Wettergott in Hab 3 und Ps 68,8–10 auch nicht seiner südlichen Herkunft, gerade in regenarmen Regionen kann eine Wettergottheit von hervorragender Bedeutung sein. Die altarabischen Religionen kennen hier zahlreiche Beispiele, vor allem die Verehrung des Baʿalšamin

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U.a. Knauf 1988: 43ff.; Albertz 1992: 80ff.; Stolz 1996: 88ff.; Smith 2001: 144; Lang 2002: 218ff.; Keel 2007: 199ff.; Hartenstein 2007: 306; Leuenberger 2010; Tilly und Zwickel 2011: 75f.; Berlejung 2010: 126f.; 2017: 90f. 14 KA 3.6: 5–6 (HAE KAgr[9]:10,2); 3.9: 1; 4.1.1. 15 Meshel 2012: KA 3.1: 2 (= HAE KAgr[9]:9,2). 16 U.a. Zevit 2001: 687; Pfeiffer 2005; Loretz 2015: 131ff.; Müller 2017. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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bzw. Baʿalsamay und des Quzaḥ bei den nordarabischen Gruppen, in Südarabien des ʾAlmaqah und des ʿAmm (letztere Mondgötter mit Wettergottaspekten). Dass Wann und Wie der Adaption Jahwes durch die Bevölkerung Israels und Judas ist letztlich aufgrund der disparaten Quellenlage nicht zu rekonstruieren. Die ursprüngliche Patronatsgottheit der ProtoIsraeliten dürfte, wie oben dargestellt, El und nicht Jahwe gewesen sein, aber auch hier liegen die Prozesse weitgehend im Dunkeln. Wie oben unter 3.2.1.1 dargestellt, ist eine frühe Amalgation Jahwes mit El unwahrscheinlich, da El-Namen bis in die Eisenzeit II C in signifikanter Anzahl persistieren, wie die judäischen Ostraka aus Arad und Lachish aus der zweiten Hälfte des 7. und des beginnenden 6. Jh. zeigen und auch biblische Texte wie Dtn 32,8 zwischen beiden Gottheiten deutlich unterscheiden. Der Prozess des Aufstiegs Jahwes zur Nationalgottheit dürfte – wie und wann auch immer vermittelt – in der EZ II A, vielleicht verbunden mit der protostaatlichen Entität von Gibeon mit Jahwe als Patronatsgottheit seiner Herrscherfamilie, begonnen haben. Diese Entwicklung dürfte in der EZ II B mit der Verfestigung nationalstaatlicher Strukturen zuerst im Norden manifest geworden sein, wobei die Etablierung Jahwes als Nationalgott Israels nach Ausweis der Meša-Stele spätestens vor der Mitte des 9. Jh. v. Chr. erfolgt sein muss. Diese Entwicklung scheint parallel auch bei den stammesverwandten Gruppen im Süden mitvollzogen worden zu sein, wobei die Dominanz des bevölkerungsreicheren und wirtschaftlich wie militärisch stärkeren Nordens über das südliche Klientelkönigtum ein Faktor gewesen sein dürfte. Das Ergebnis ist auf jeden Fall, dass Jahwe im Verlauf dieses Prozesses der gemeinsame Nationalgott Israels und Judas geworden ist, ohne dass die historische Rekonstruktion dabei auf die Annahme eines ursprünglich vereinten „Großreichs“ angewiesen wäre. Ebenfalls Gegenstand kontroverser Diskussion ist die Frage nach der anikonischen Verehrung Jahwes in der Eisenzeit: In der bisherigen Diskussion war die Frage nach der bildlosen Verehrung Jahwes bzw. nach der möglichen Verehrung eines anthropomorphen Kultbildes im Tempel ein zentraler Gegenstand (vgl. dazu Loretz 2015: 84ff.). Der Begriff der „Anikonizität“ selbst ist extrem problematisch und durch den theologischen bias vorbelastet, zumal er ein neuzeitliches Konzept von der Transzendenz der Gottheit voraussetzt (s.u. 3.2.6). Die Dichotomie von „ikonisch“ und „anikonisch“ ist jedoch nichts anderes als ein Konstrukt der Forschung und daher ohne heuristischen Wert (vgl. Berlejung 2017: 84). Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass Gottheiten im antiken Vorderen Orient stets materiell, d.h. durch ein Kultobjekt repräsentiert werden, sei es durch eine „anikonische“ Mazzebe (eine bearbeitete oder unbearbeitete Steinstele) oder um eine reliefierte Stele (wobei die Übergänge zwischen diesen Objekten fließend sein können), durch ein anthropomorphes Kultbild, ein Symbolobjekt, ein Göttersymbol oder durch ein Symboltier, im Falle Jahwes den Stier. Eine Identifikation Jahwes mit aus der eisenzeitlichen Ikonographie bekannten anthropomorphen Darstellungen oder bestimmten Symbolen ist nach wie vor ein kontroverses Unterfangen: Ein autochthones palästinisches Motiv der EZ II A ist der sogenannte „Herr der Strauße“, eine zumeist sehr summarisch ausgeführte anthropomorphe Figur, die durch das Packen unterschiedlicher wilder Tiere (Strauße, Capriden, Skorpione) ausgewiesen ist (Abb. 3.1–3).17 Ob man den „Herrn der Strauße“ allerdings für eine Gottheit, gar für eine frühe bildhafte Manifestation Jahwes halten kann, wie Keel und Uehlinger vermuten (GGG § 85), ist nicht evident zu machen (vgl. Berlejung 2017: 88ff.). Es handelt sich eher um eine Szenerie des magischen empowerment über die gefährlichen Bewohner der Steppe und die dort lauernden Gefahren, im weiteren Sinn also um ein apotropäisches Motiv. Als Repräsentationen Jahwes können die in 1 Kön 12,28f. genannten und angeblich durch Jerobeam I. in Dan und Beth-El aufgestellten Stierbilder gelten. Wahrscheinlich reflektieren die Berichte über die dortige Kulteinrichtung jedoch Verhältnisse der EZ II B (s. Koenen 2003; Köhlmoos 2006). Eine kleine bronzene Repräsentation eines Jungstieres (Abb. 3.4),18 die zumeist in die EZ I B datiert wird, stammt aus der Umgebung der sogenannten „Bull Site“ (Daḥret eṭ-Ṭawīle), einer vermuteten „Höhen“-Kultstätte in der Nähe von Dothan. Die Figurine darf als Postamenttier und damit als Repräsentation eines Wettergottes gelten, ob Baʿal oder Jahwe, muss freilich offen bleiben. Eine mögliche Repräsentation Jahwes aus dem Nordreich (EZ II B) liegt mit einer Votivplakette aus Bronze vom Tel Dan (Abb. 3.5)19 vor. Die Plakette

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CSAP IV: Geser 453; CSAP II: Bet Mirsim 45; Bet Schemesch 42. Vgl. CSAP II: Dan 6–11; CSAP IV: Geser 35, 83, 129, 186, Tell el Hammah 1. 18 GGG 142. 19 Keel 2007: Abb. 266. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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Kapitel 3

zeigt links einen Beter vor einer geflügelten Gottheit auf einem Stier; der Kopf ist nicht mehr erhalten, jedoch ist mittig nahe der Abbruchkante noch der Bart sichtbar. Der von der Gottheit gehaltene Gegenstand ist nicht identifizierbar. Aus Hazor stammt eine auf einem Sphingenthron sitzende männliche Gestalt mit Segensgestus (Abb. 3.6).20 Da göttliche Attribute fehlen, handelt es sich hier jedoch um einen König und nicht um eine Gottheit (so auch Keel, CSAP IV: 626). Als weitere mögliche anthropomorphe Repräsentation Jahwes aus Juda wird der Abdruck eines Namenssiegels mit dem Jahwe-haltigen theophoren Namen y[X]hw š[l]m (Abb. 3.7)21 aus dem Kunsthandel diskutiert (GGG § 197; Uehlinger 1992: 275f.): Die in assyrisierendem Stil gestaltete Bildfläche zeigt eine zweiflüglige männliche Gottheit mit Hörnerkrone auf einem aladlammû bzw. Lamassu (Mischwesen mit dem Körper eines Stiers und menschlichem Kopf) und eine vierflügelige Göttin in einer der assyrischen Ištar ähnlichen Darstellung über einem Volutenpaar. Ausführung und Kombination der Bildelemente sind so in der neuassyrischen Glyptik nicht belegt und das Siegel, mit dem der Abdruck gemacht wurde, stammt daher sicherlich nicht aus einer assyrischen Werkstatt. Insbesondere der aladlammû fungiert in Assyrien nie als Postamenttier eines Gottes. Ob das Siegel in Juda selbst hergestellt wurde, ist jedoch aufgrund der Qualität der Gravur zweifelhaft – es dürfte sich stilistisch um ein assyrisch beeinflusstes Produkt aus Syrien handeln – zudem wurde die hebräische Inschrift deutlich einem Bildsiegel sekundär hinzugefügt. Auch wenn es sich nicht um eine genuine Darstellung von Jahwe und seiner Paredra handelt, bleibt eine Interpretation als Götterpaar in einem judäischen Kontext möglich – freilich aber auch eine Assoziierung mit den auch sonst häufigen geflügelten Schutzmächten. Völlig abwegig ist die Deutung, dass die beiden Bes-Gestalten auf Pithos 1 aus Kuntillet ʿAǧrūd (Abb. 3.30) als die auf dem Gefäß inschriftlich belegten „Jahwe und seine Ašerah“ verstanden worden sein könnten (so LeMon und Strawn 2013: 111ff.; Schmidt 2016: 89f.; vgl. GGG § 131), dazu war die Bes-Gestalt als unabhängige Gottheit in Palästina viel zu bekannt (s.u. 3.2.4 mit Abb. 3.29). Als symbolische Repräsentationen Jahwes in seiner Funktion als Nationalgott können die Flügelsonnenund Skarabäen-Symbole auf den Typ II lmlk-(Königs-) Stempeln des späten 8.–7. Jh. v. Chr. und den Hiskija-Siegelabdrücken aus Juda interpretiert werden (s. u. Abb. 3.13–14), auch wenn es sich bei diesen nicht um ausschließliche Jahwe-Symbole handelt und der Bezug zum Staatsgott Jahwe erst implizit durch den offiziellen Charakter der Siegel und die Inschrift lmlk hergestellt werden kann (Schmitt 2017: 160ff.). Das multivalente Flügelsonnen-Motiv kann sowohl in Mesopotamien wie im westsemitischen Kontext unterschiedliche Hochgottheiten repräsentieren (Ornan 2005) und seine Adaption auf offiziellen Siegeln in Juda ist damit kein unmittelbarer Hinweis auf eine Solarisierung Jahwes oder eine Amalgation Jahwes mit dem Sonnengott.22 Die für diese These bemühten alttestamentlichen Texte23 sind in ihrer Datierung ungewiss oder stellen späte nachexilische bis hellenistische theologische Reflexionen dar und tragen daher für die vorexilische Zeit nichts aus. Es ist daher davon auszugehen, dass Jahwe und Šamaš in der vorexilischen Zeit stets distinktive Gottheiten gewesen sind. Göttersymbole wie die Flügelsonne und die möglichen Darstellungen Jahwes auf Siegelamuletten und Votivobjekten, insbesondere der Plakette aus Dan, die das oder ein Kultbild im dortigen Tempel wiedergeben könnte, machen die Annahme einer rein ‚anikonischen‘ Verehrung Jahwes in der Eisenzeit daher unwahrscheinlich. Die Repräsentation Jahwes durch ein Kultobjekt in der offiziellen Religion ist für Juda in der EZ II C durch die Mazzeben im Tempel von Arad gesichert. Für den Jerusalemer Tempel ist daher wohl eine analoge Repräsentation anzunehmen. Dass sich anthropomorphe Darstellungen Jahwes in der Glyptik und anderen Bildträgern der EZ II nur schwer ausmachen lassen, liegt nicht in einem Bilderverbot begründet: Grundsätzlich sind Darstellungen der großen Götter der ersten und zweiten Ebenen der westsemitischen Panthea in der Glyptik dieser Zeit im Gegensatz zur mesopotamischen Siegelkunst und ihrer aramäischen Derivate äußerst selten: Weder auf ammonitischen, moabitischen oder edomitischen Siegeln finden sich identifizierbare Darstellungen der Hochgötter und auch in Phönizien ist ihre Darstellung eher die Ausnahme als die Regel. In der Großplastik sind sie in Palästina bis auf wenige Ausnahmen24 kaum vertreten und auch die Anzahl kleinplastischer Repräsentationen (primär aus Ammon) ist äußerst überschaubar. Dies dürfte vor allem damit zusammen20

CSAP IV: Hazor 97. WSS 173 (= Sass 1993: Fig. 143 = GGG 331b). 22 So u.a. Niehr 1990: 225; Arneth 2000: 201ff.; Ornan 2005: 235; Keel 2007: §§ 227; 323ff.; 481f.; Keel 2011: 56ff.; LeMon 2010: 193; Berlejung 2010: 136, 140). 23 Dtn 33,2; Ps 46; 72 (dazu Arneth 2000); Hab 3,3ff.; Zef 3,5, Mal 3,20. 24 Shihan-Stele (Abb. 7.1), Baluʿa-Stele (Abb. 7.2), Amman-Statuette III (Abb. 6.1). 21

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hängen, dass die westsemitischen Götter, zumal die Nationalgötter, im 1. Jt. einem fortschreitenden Prozess der Universalisierung unterliegen, nicht mehr auf bestimmte Zuständigkeitsbereiche fixiert sind und vor allem im Kontext der familiären Religion, deren Symbolsystem auch in die übergeordneten Sphären stark hineinwirkt, keiner materiellen Repräsentation bedürfen. Ein deutliches Profil Jahwes ist aus den epigraphischen Texten allein nicht zu rekonstruieren. Die rekonstruierte Lesung [y]hw[h] in der Inschrift 4.2 aus Kuntillet ʿAǧrūd, die auf eine Theophanie im Erdbeben hindeuten würde, ist unsicher. Die übrigen Inschriften rekurrieren sehr allgemein auf Schutz und Beistand, wie in Texten der persönlichen bzw. familiären Frömmigkeit nicht anders zu erwarten. Auch die theophoren Personennamen decken ein sehr breites Spektrum göttlichen Beistands ab, charakterisieren Jahwe (wie auch El) als „großen Kümmerer“ und lassen weder auf spezifische Aspekte noch auf Elemente „offizieller“ Theologie schließen (auch die Namen des Lobpreises nicht). Als Helfer (ʿzr) und Abwehrer (Schmidt 2016: ‚Exorzist‘) des (dämonischen oder schadenzauberischen) Bösen (hgʿr b [r]ʿ) wird er auf den Amuletten aus Ketef Hinnom tituliert.25 Namen, die als Hinweis auf Jahwes Funktion als Wettergott gedeutet werden, sind in der Lesung unsicher und wären in der Umwelt ohne Parallele.26 Die entsprechenden biblischen Texte, insbesondere die Psalmen, sind in ihrem vorexilischen Bestand zwar umstritten, es herrscht aber ein breiter Konsens in der Forschung, dass diese Überlieferungen traditionsgeschichtlich auf eine kriegerische Wettergottgestalt schließen lassen, die wesentliche Aspekte mit Baʿal teilt. Die Charakterisierung Jahwes als Kriegsgott, der alleine und ohne menschliches Zutun den Sieg schenkt, wie sie vor allem im DtrG, seinen Fortschreibungen und anderen davon abhängigen Texten sowie in der priesterlichen Traditionslinie und ihren Fortschreibungstraditionen zu finden ist, ist primär einer kontrafaktischen Geschichtsdeutung geschuldet, die exilisch-postexilisch die Erfahrung militärischer Ohnmacht theologisch zu kompensieren sucht und im Dienst der Gesetzesparänese steht (Schmitt 2011: 209ff). Auch die (singuläre) Bezeichnung Jahwes als Kriegsmann (ʾîš milḥāmmā) im sogenannten Schilfmeerlied Ex 15,3 gehört in diesen (post-dtr) Kontext. Traditionsgeschichtlich ist die Funktion Jahwes als Kriegsgott in seiner Funktion als Nationalgott und der damit verbundenen Herrschaftsideologie verwurzelt (siehe unten Kap. 3.6.3).

Abb. 3.1: „Herr der Strauße“, Gezer

Abb. 3.2: „Herr der Strauße“, Tell Beit Mirsim

Abb. 3.4: Bronzefigurine eines Jungstieres, Umgebung von Daḥret eṭ-Ṭawīle, EZ I B

Abb. 3.3: „Herr der Strauße“, Beth Shemesh

Abb. 3.5: Bronzeplakette vom Tel Dan

25

HAE Jer(x) 35: 3–4; vgl. Jer(x) 34: 10. Dazu Schmidt 2016: 132ff. HAE 15.19, 15.20, 21.7 und Arad(7):31,4 liest sʿryhw ‚Jahwe hat gestürmt‘, wahrscheinlicher ist jedoch die Lesung sʿdyhw ‚Jahwe hat gestützt‘ (Albertz in Albertz und Schmitt 2012: 254). 26

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Kapitel 3

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Abb. 3.6: Siegel aus Hazor

Abb. 3.7: Geflügelte Gottheiten auf judäischem Siegelabdruck

3.2.2.3 MLK M. Bauks 2010: Jephtas Tochter: Traditions-, religions- und rezeptionsgeschichtliche Studien zu Richter 11,29–40, FAT 71, Tübingen; J. Day 1989: Molech: A God of Human Sacrifice in the Old Testament, UCOP 41, Cambridge; O. Eißfeldt 1935: Molk als Opferbegriff im Punischen und Hebräischen und das Ende des Gottes Moloch, Halle; G. Heider 1985: The Cult of Molek: A Reassessment JSOT.S. 43, Sheffield; G. Heider 1992: Art. Molech, in: ABD 4, 895– 898; G. Heider 1999: Art. MLK, in: DDD, 581–585; C. Levin 2003: Das Kinderopfer im Jeramiabuch, in: ders., Fortschreibungen: Gesammelte Studien zum Alten Testament, BZAW 316, Berlin, 227–241; A. Michel 2003: Gewalt gegen Kinder im Alten Testament, FAT 37, Tübingen 2003; W. Röllig 1965: Art. Moloch, in: RdM I, 299–300; F. Stavrakopoulou 2004: King Manasseh and Child Sacrifice: Biblical Distortions of Historic Realities, BZAW 338, Berlin/New York.

Die Gottheit MLK (‚König‘) ist (in unterschiedlichen Vokalisationen) seit dem 3. Jt. in Mesopotamien und Syrien belegt. In der Spätbronzezeit erscheint er in Ugarit u.a. in Beschwörungen (KTU 1.100, 1.107), wobei ʿAštarot (ʿttrth – Tell ʿAštara in Baschan, östlich des Sees Genezareth) als „Heimatort“ des Gottes angesprochen wird, sowie in Personennamen in der Amarna-Korrespondenz (Milkili/Ilimilku, Milkayu, Milkuru).27 Die Deutung von MLK als eine eponyme Gottheit der verstorbenen, deifizierten Könige bzw. eine Identifikation mit den in syllabischen ugaritischen Texten (RS 92.2004; 26.142) genannten vergöttlichten Herrschern ([dma-l]ikmeš; so Heider 1985: 93ff.; del Olmo Lete 2014: 137) ist aufgrund des problematischen Hypostasenkonzepts unwahrscheinlich. Damit fällt auch die Charakterisierung von MLK als chthonische Gottheit in Ugarit. Im 1. Jt. ist MLK in den westsemitischen Religionen als theophores Element räumlich zwar breit, aber ungleichmäßig verteilt: Das hebräische Onomastikon enthält mit ca. 78 Belegen die meisten MLK-Namen (nach Jahwe und El das dritthäufigste theophore Element mit 4%), gefolgt vom phönizischen mit ca. 63 Belegen. Im aramäischen Onomastikon sind neun Belege nachgewiesen, im ammonitischen drei und im moabitischen nur zwei.28 Der Anteil von Gleichsetzungsnamen mit MLK ist im hebräischen Onomastikon mit 69 von 78 Belegen (im phönizischen 16 von 62) recht hoch und es ist nicht immer klar, wann und ob MLK als Epitheton für eine der großen Gottheiten als ‚König‘ benutzt wurde. Im hebräischen Onomastikon sind dies immerhin 32 Belege allein für den Namen Malkiyahu ‚Mein König ist Jahwe‘, aber andererseits 33 Belege für den Namen ʾAḥimelek ‚Mein [göttlicher] Bruder ist König/MLK. Mit Geburtsnamen wie Netanmalk (‚MLK hat gegeben‘) oder Bekenntnisnamen wie Malkiner (‚MLK ist mein Licht‘) sind allerdings Formen theophorer Namen belegt, die eine Interpretation von MLK als eigenständiger Gottheit für rund die Hälfte aller Belege nahelegen. Im Alten Testament wurden Lev 18,21; 20,2–5; 2 Kön 23,10 und Jer 32,35 als Belege für eine Gottheit MLK (LXX 2 Kön 23,10; Jer 39,35: Μολοχ – in MT vokalisiert analog zu bōšet ‚Schande‘) im Kontext von Kinderopfern gewertet. Während einige Forscher (so Heider 1985; 1999; Day 1989) an der Deutung von MLK im AT als unterweltliche Gottheit festhalten, so hat sich in der neueren Forschung im Gefolge von Eißfeldt (1935) ein Konsens im Hinblick auf die Deutung von mlk als ursprünglichen Opferbegriff (‚darbringen‘, ‚darreichen‘) und nicht als der Name einer Gottheit etabliert, wobei sich das traditionsgeschichtlich ursprüngliche Verständnis (wie in Jer 32,35, wo von mlk-Opfern für Baʿal die Rede ist) in der nachexilischen bis hellenistischen Zeit hin zum polemischen Topos des Opfers an einen Gott Moloch hin verschoben und verdichtet hat (u.a.: Levin 2003; Michel 2003; Stavrakopoulou 2004; Bauks 2010). Es ist daher notwendig, den epigraphisch bezeugten Götternamen bzw. das Epitheton MLK vom Verbalnomen 27 28

Milkayu: EA 77; Milkilu: EA 249, 250, 254, 267, 268, 269, 273, 278, 289, 290, 369, Milkuru: EA 83–85. Siehe Albertz und Schmitt 2012: Table 5.7–12. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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mlk ‚Darbringung‘ zu trennen. Eine Identifikation von MLK als unterweltliche Gottheit basiert im Wesentlichen auf der im AT vorgegebenen Deutung und der sekundären Verbindung von mlk/MLK mit Kinderopfern und wird durch keine weitere Evidenz aus dem westsemitischen Kulturraum für das 1. Jt. v. Chr. gedeckt. Die Bedeutung v.a. männlicher Nachkommenschaft für den Fortbestand der Familie in den westsemitischen familiären Symbolsystemen lässt eine solche Praxis als äußerst unwahrscheinlich erscheinen. Der Kult des Moloch mit Kinderopfern gehört damit zur Gattung der deuteronomistischen Chimären. Auch die theophoren Personennamen lassen keinen entsprechenden Bezug zu, da Namen wie ʿAḥimelek, (‚Mein [göttlicher] Bruder ist MLK), Netanmalk (‚MLK hat gegeben‘) oder Malkiner (‚MLK ist mein Licht‘) eine enge familiäre Bindung an die Gottheit bezeugen, nicht aber einen Ahnenkult (van der Toorn 1996: 206ff.; vgl. Albertz und Schmitt 2012: 350ff.). Festzuhalten bleibt, das MLK aufgrund seiner Bezeugung in Israel und Juda (aber auch in Phönizien) eine besonders mit der Familie verbundene Gottheit war, mit deren Wirken Segen für die Familie verbunden wurde, was in diametralem Gegensatz zu Kinderopfern steht. Es kann vermutet werden, dass die Rolle, die MLK in der familiären Religion neben Jahwe offenbar spielte, einen Anknüpfungspunkt für die nachexilische Moloch-Polemik gegeben hat, um die Gottheit nachhaltig zu diffamieren. 3.2.2.4 Baʿal I. Cornelius 1994: The Iconography of the Canaanite Gods Reshef and Baʿal, OBO 140, Friboug/Göttingen; S. Grätz 2006: Art. Baal, in: Das Wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (www.wibilex.de); W. Herrmann 1999: Art. Baal, in: DDD, 132–139; M. Pope, Art. Baal-Hadad, in: RdM I, 253–264; B. B. Schmidt, Art Baal (Deity) I, in: EBR 3, 198–200; D. Schwemer 2001: Die Wettergottgestalten Mesopotamiens und Nordsyriens im Zeitalter der Keilschriftkulturen: Materialien und Studien nach den schriftlichen Quellen, Wiesbaden, 502–548; D. Schwemer 2011: Art. Wettergott(heiten), § 7, in: RA 15, 87–90.

Der Wettergott Baʿal (‚Herr‘, der Eigenname ist Hadad) ist im gesamten westsemitischen Kulturraum der SBZ und EZ neben El die bedeutendste männliche Gottheit. Seine Charakteristika und Mythologie sind insbesondere durch die mythologischen und rituellen Texte aus dem spätbronzezeitlichen Ugarit bekannt. Er ist der Bringer von Regen und Fruchtbarkeit und daher wesentlich für das Gedeihen der Feldfrucht verantwortlich. Als Wetter- und Sturmgott eignen ihm kriegerische Aspekte und er wird zumeist in Schrittstellung mit Blitzbündel und erhobener Waffe (Keule oder Axt) dargestellt. Er ist der Bezwinger der Mächte des Chaos, des Meeresgottes Yammu und der Chaosdrachen Lotan und Tanannu und hat (ungeachtet der Rolle Els) die Funktion des Königs der Götter inne. Die von einigen Forschern (Niehr 1990) angenommene Transformation des westsemitischen Wettergottes zum Himmelsgott bzw. höchsten Gott (Baʿalšamin ‚Baʿal/Herr des Himmels‘) ist problematisch, da nach Ausweis des epigraphischen Materials der alte Hochgott El keinesfalls verdrängt worden ist und die Etablierung der Königsherrschaft Baʿals bereits in der ugaritischen Mythologie thematisiert wird. Modern gesprochen, fungiert El als Präsident der Götterschaft, Baʿal als „Regierungschef“. Die in Ugarit bezeugte Pantheonstruktur im 2. Jt. scheint sich damit grundsätzlich im 1. Jt. (und nach Philo Byblios bis in die römische Zeit) fortzusetzen, auch wenn im Zuge der Herausbildung von „Nationalreligionen“ lokale bzw. Stammes-Gottheiten zumeist kriegerischen Charakters in die (nun stark konzentrierten) Panthea einrücken können und die Funktion des Königsgottes einnehmen, wie Jahwe in Israel und Juda, Kamoš in Moab und Qaus in Edom. Archäologisch ist Baʿal, primär in der ägyptischen Mischform des geflügelten Seth-Baʿal, auf Siegelamuletten der frühen Eisenzeit gut repräsentiert: So auf seinem Symboltier stehend aus Jericho (Abb. 3.8)29, Tell el-Fārʿa Süd (Abb. 2.22), aus Megiddo (Abb. 2.19)30 und als Überwinder der Chaosschlange aus Lachish (Abb. 2.7).31 Zwei Belege für Seth-Baʿal aus der EZ I B–II A liegen auch aus Jerusalem vor (Abb. 3.9 a und b).32 Für die Verehrung des Wettergottes Baʿal im Siedlungsgebiet der frühen Israeliten liegen einige wenige epigraphische Quellen aus der frühen Eisenzeit vor: Eine Krugritzung aus Ḫirbet Qeyiafa aus der Eisen II A–Zeit (nach der klassischen Chronologie) nennt den Personennamen Išbaʿal ben Bedaʿ (Garfinkel u.a. 2015). Denselben Namen trägt im AT Sauls Sohn (‚Baʿal hat gegeben‘ – abgeleitet von ʾwš ‚geben‘, daher nicht ‚Mann des Baʿal‘: Albertz und Schmitt 2012: 287). Eine weitere fragmentarische In-

29

CSAP V: Jericho 60 (Umzeichnung des Verfassers). Cornelius 1994: BM 48, 49, 58. 31 Cornelius 1994: BM 77. 32 CSAP V: Jerusalem 159, 355 (Umzeichnungen des Verfassers). 30

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Kapitel 3

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schrift aus Beth Shemesh enthält ebenfalls das Element bʿl (McCarter, Bunimovitz und Lederman 2011), wobei allerdings nicht klar ist, ob es sich um den Gottesnamen oder um das theophore Element eines Personennamens handelt. Baʿal als theophores Element ist weiter bezeugt in den mit der Frühzeit Israels verbundenen Traditionen: Der Richter Gideon führt auch den Baʿal-haltigen Namen Jerubbaʿal ‚Baʿal möge sich als groß erweisen‘ (Ri 6,32; 7,1), der in der EZ II auch epigraphisch belegt ist.33 Neben Sauls Sohn trägt auch der Sohn Jonatans einen Baʿal-haltigen Namen (Meribaʿal ‚Baʿal hat gesegnet/Stärke gegeben‘). In den Samaria-Ostraka der EZ II B rangieren die Baʿal-Namen mit 25 % gleich hinter den Jahwe-Namen mit 51 % und noch vor den El-Namen mit 12 %. Baʿal scheint damit im Nordreich in der EZ II B eine wichtige Rolle in der persönlichen Frömmigkeit gespielt zu haben. Dies unterstreicht auch die Dankesformel an Baʿal für die Errettung aus Kriegsnot aus der sehr wahrscheinlich vom Nordreich unterhaltenen Wegstation Kuntillet ʿAǧrūd34 sowie eine weitere, allerdings nur sehr fragmentarisch erhaltene Inschrift.35 Die onomastischen Befunde aus dem Nordreich fügen sich zu der Notiz über die Einrichtung eines Tempels des Baʿal in Samaria durch Ahab in 1 Kön 16,32. Baal ist nach Ausweis der archäologischen und epigraphischen Befunde keine aus Phönizien importierte Gottheit, deren Kult im Kontext eines „offiziellen Synkretismus“ eingeführt worden ist (so u.a. Albertz 1992: 226ff.), sondern sowohl im Nord- wie auch im Südreich indigen. Nach Ausweis der datierbaren onomastischen Befunde und seiner Abwesenheit in der zeitgenössischen Glyptik spielt Baʿal in Juda in der EZ II C im Kontext des familiären Symbolsystems keine Rolle. Wie auch für andere Gottheiten – nicht nur in Israel und Juda, sondern auch bei den transjordanischen Nachbarn – zu beobachten, bildet das Onomastikon keinesfalls immer das gesamte Pantheon ab und auch die archäologischen Befunde helfen oft nicht weiter, da insbesondere das Motivrepertoire der Siegel – aber auch der Kleinplastik – ihrem je eigenen Kanon folgen, der mit dem Onomastikon kontrastiert. Dieser Befund steht quer zu den zahlreichen Polemiken in der deuteronomistischen Literatur (DtrG und JerD) gegen Baʿal, insbesondere gegen seine Verehrung sowohl in Samaria (1 Kön 16,32) sowie in Jerusalem (2 Kön 23,4.5 und Jer 32,29.35).36 Archetypisch ist der Baʿal/Jahwe-Antagonismus in der post-dtr eingefügten Erzählung vom „Gotteswettstreit auf dem Karmel“ in 1 Kön 18 beschrieben, die in all ihren Übertreibungen und der letztendlichen Ausrottung des Baʿal-Kultes ein reines Phantasiestück ist. Die deuteronomistischen Polemiken betreffen sowohl offizielle Kulteinrichtungen, wie Ahabs Tempel des Baʿal in Samaria, Manasses Altäre in 2 Kön 21,3 und die für Baʿal angefertigten kultischen Paraphernalia im Jerusalemer Tempel in 2 Kön 23,4, als auch gegen im Haushalt geübte Ritualpraktiken, wie die Rauchopfer für Baʿal in Jer 32,29. Es ist m.E. schwer glaubhaft zu machen, dass der geradezu obsessive „Anti-Baʿalismus“ in der deuteronomistischen Literatur eine bloße Chimäre ist. Aufgrund der starken biblischen Bezeugung für eine Verehrung des Baʿal im spätkönigszeitlichen Jerusalem ist damit wohl (wie im Nordreich bis zu dessen Untergang) mit einer Kultkontinuität des Baʿal primär im Kontext der offiziellen Religion in Juda in der EZ II C zu rechnen.

Abb. 3.8 Wettergott auf Stier, Jericho

Abb. 3.9a: Seth-Baʿal auf Siegel aus Jerusalem

Abb. 3.9b: Seth-Baʿal auf Siegel aus Jerusalem

3.2.2.5 Yariḥ M. Bernett und O. Keel 1998: Mond, Stier und Kult am Stadttor: Die Stele von Betsaida (et-Tell), OBO 161, Fribourg/Göttingen; T. Ornan, S. Weksler-Bdolah und B. Sass B 2019: A “Governor of the City” Seal Impression from 33

WSS 1077: yrbʿl. Meshel 2012: KA 4.2: 5 (= HAE: KAgr[9]:7,2). 35 Meshel 2012: KA 4.4.1: bʿl bkl – ‚Baʿal is voice‘ ? 36 Siehe auch Ri 2,13; 6,25ff.; 8,32; 9,4; 1 Kön 16,31f.; 18; 19,18; 22,54; 2 Kön 3,2; 10; 17,16; 21,3; Jer 2,8; 3,24; 7,9; 11,13.17; 12,16; 19,5; 32,29.35. 34

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the Western Wall Plaza Excavations in Jerusalem, in: H. Geva (Hrsg.), Ancient Jerusalem Revealed: Archaeological Discoveries, 1998–2018, Jerusalem, 67–72; M. Pope 1965: Art. Nikkal-Gedicht, in: RdM I, 303; G. Theuer 2000: Der Mondgott in den Religionen Syrien-Palästinas, OBO 173, Fribourg/Göttingen; G. Theuer 2010: Art. Mond, in: Das Wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (www.wibilex.de).

Der westsemitische Mondgott Yariḥ ist in Syrien im 2. Jt. gut bezeugt, insbesondere in Ugarit: Die Götterlisten KTU 1.118 und 1.47 führen Yariḫ an 13. bzw. 14. Stelle noch vor der Sonnengöttin Šapaš. Seine Bedeutung belegen auch die Opferlisten KTU 1.41 und KTU 1.87, die ihn als wichtigen Empfänger von Opfergaben ausweisen, der Menge der Opfer nach an 5. Stelle, wiederum vor der Sonnengöttin (vgl. del Olmo Lete 2014: 53). KTU 1.24, das sog. Nikkal-Gedicht, eine Geburtsbeschwörung mit mythologischer Einleitung, thematisiert die Hochzeit des Mondgottes mit der Mondgöttin Nikkal und den Segen glücklicher Ehe und Nachkommenschaft (Theuer 2000: 125f.; 248f.). Die Sicherung der Nachkommenschaft scheint – wie beim aramäischen Mondgott Šagar37 und dem mesopotamischen Sin – ein wichtiger Zuständigkeitsbereich des westsemitischen Mondgottes zu sein. Wie die Bileam-Inschrift vom Tell Deir Alla (KAI 312) zeigt, eignet dem Mondgott Šagar auch eine unheilvolle Seite, wenn er die Weltordnung verkehrt. Dies könnte mit ungewöhnlichen und als schlechtes Omen gewerteten Himmelserscheinungen wie Blutmond und Mondfinsternissen zusammenhängen. Yariḥ ist im hebräischen Onomastikon nur einmal epigraphisch belegt (Albertz und Schmitt 2012: Table 5.7). Das AT belegt zwar in den genealogischen Listen Gen 10,26, 1 Chr 1,20 und 5,14 von Yariḥ abgeleitete Eigennamen, diese Listen sind jedoch spätnachexilische Konstrukte und verraten nichts über die tatsächliche Praxis der Namensgebung in der EZ. Ortsnamen wie Jericho (yĕrîḥô) und Bet Yeraḥ (Ḫirbet Kerak) am südwestlichen Ufer des Sees Genezareth, s. NEAEHL I: 255) verweisen auf mögliche Kultstätten des Mondgottes bzw. haben die Erinnerung an solche konserviert. Archäologisch sind Kultstätten des Mondgottes in Israel und Juda nicht nachgewiesen. Ikonographisch ist das Mondsymbol in der als lokal anzusprechenden Glyptik der frühen Eisenzeit nahezu abwesend, auch auf Siegeln ägyptischer Herkunft ist der Mondgott Thot, zumeist in Gestalt eines Pavians, in dieser Periode (im Gegensatz zur SB II B) kaum bezeugt. Etwas häufiger, aber auch nicht in signifikanten Mengen, ist der Pavian (mit ca. 15 Belegen) als Amulett im Süden und Norden in der Eisenzeit I–EZ II A vertreten.38 Ägyptische Mondamulette sind sehr selten und in der SB II B/SB III–EZ I außerhalb des Siedlungsgebiets der nachmaligen Israeliten nur in Megiddo, Beth Shean und Tell el-Fārʿa Süd belegt.39 Dieser Befund steht in deutlichem Kontrast zur Präsenz des Mondsymbols auf als hebräisch klassifizierten Namenssiegeln der EZ II B–C und auf anepigraphischen Siegeln dieser Zeitspanne.40 Siegel und Abdrücke, die einem Beter vor dem Sichelmond (Abb. 3.10 aus Akko, Abb. 3.11 aus Jerusalem) 41 bzw. dem kombinierten Voll- und Sichelmond zeigen (Abb. 3.12a und b aus Jerusalem, letztere mit zwei Adoranten),42 sind aufgrund assyrischer Parallelen43 als Importe anzusprechen, erlauben aber eine Identifikation mit der lokalen Manifestation des Mondgottes durch ihre Besitzer. Auch als Schmuck-Amulett ist die Gottheit in Gestalt von Lunula-Anhängern in der EZ II gut belegt (Golani 2013: 157ff. mit Fig. 22). Die deuteronomistische Literatur erwähnt den Mond(gott) nur in polemischer Abgrenzung und z.T. in Gesellschaft mit Šamaš, den Sternen (kôkābîm), Konstellationen (mazzālôt) und dem „Heer des Himmels“ (Dtn 4,19; 17,3; 2 Kön 3,5; Jer 8,2). Die Bedeutung des Mondgottes bildet sich zwar nicht im Onomastikon ab, wird aber umso deutlicher, wenn man einem Blick auf die mit dem Lauf des Mondes – dem Interlunium und dem Neumond (ḥōdeš) – verbundenen im AT bezeugten familiären Riten wirft (Albertz und Schmitt 2012: 457ff.).

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Der Name der Gottheit kann von der Wurzel šgr ‚werfen‘, ‚gebären‘ abgeleitet werden (HAL IV: 1315). ÄAP IV: 464ff. 39 ÄAP IV: 464ff. 40 U.a. WSS 34, 72, 97, 122; GGG 185b, 292, 317, 319; mit anderen Astralsymbolen: GGG 314–316; CSAP V: Jerusalem 1, 124b, 382 (Siegel mit der Mondsichelstandarte des Mondgottes von Harran hier ausgenommen, siehe unten 3.2.5 mit Belegen). 41 CSAP I: Akko (= GGG 312a); CSAP V: Jerusalem 351. Ein weiterer deutlicher assyrischer Import ist CSAP IV: Gezer 8. 42 CSAP V: Jerusalem, 131; Ornan, Weksler-Bdolah und Sass 2019. 43 Siehe Herbordt 1992: T. 14. 38

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Abb. 3.10: Siegel mit Beter unter Sichelmond und Stern, Akko

Kapitel 3

Abb. 3.11: Siegel mit Beter vor kombiniertem Sichel- und Vollmond, Jerusalem

Abb. 3.12a: Siegel mit Adoranten vor Sichelmond, Jerusalem

Abb. 3.12b: Abdruck mit Adoranten vor Sichelmond, Jerusalem

3.2.2.6 Šamaš M. Boyce 2001: Art. Fravaši, in: Encyclopedia Iranica X, London, 195–199; F. Hartenstein 2007: Sonnengott und Wettergott in Jerusalem? Religionsgeschichtliche Beobachtungen zum Tempelweihspruch Salomos im masoretischen Text und in der LXX (1 Kön 8,12f. /3 Reg 8,53), in: J. Männchen (Hrsg.), Mein Haus wird ein Bethaus für alle Völker genannt werden (Jes 56,7). Judentum seit der Zeit des Zweiten Tempels in Geschichte, Literatur und Kult, FS Thomas Willi, Neukirchen-Vluyn, 53–69; O. Keel 2007: Die Geschichte Jerusalems und die Entstehung des Monotheismus, OLB IV,1, Göttingen, §§ 332–343; E. Lipiński 1999: Art. Shemesh, in: DDD, 764–768; R. Mayer-Opificius 1984: Die geflügelte Sonne: Himmels- und Regendarstellungen im Alten Vorderasien, in: UF 16, 189–236; T. Ornan 2005: A Complex System of Religious Symbols: The Case of the Winged Disc in Near Eastern Imagery of the First millenium BCE, in: C. E. Suter und C. Uehlinger (Hrsg.), Crafts and Images in Contact: Studies on Eastern Mediterranean Art of the First Millenium BCE, OBO 210, Fribourg/Göttingen, 207–241; D. Parayre 1993: A propos des sceaux nord-oust sémitiques inscrits, in: B. Sass und C. Uehlinger, Studies in the Iconography of Northwest Semitic Inscribed Seals, OBO 125, Fribourg/Göttingen, 27–51.

Wie der Mondgott, spielt auch der Sonnengott Šamaš in der Namensgebung mit nur einem Beleg in den theophoren Namen keine Rolle (Albertz und Schmitt 2012: Table 5.7), was wohl kaum die tatsächliche Bedeutung dieser Gottheit widerspiegelt. Das DtrG setzt einen Kult des Šamaš in Jerusalem zumindest in der späten Königszeit voraus, wenn Josija in 2 Kön 23,11 die der Sonne geweihten Pferde und Wagen im Jerusalemer Tempel entfernt und auch 2 Kön 23,5 und Dtn 4,19 sprechen vom Kult der Sonne und des Mondes neben dem des Baʿal im spätkönigszeitlichen offiziellem Kult. Fast omnipräsent ist die solare Symbolik in der Glyptik, teils als einfaches Sonnensymbol, teils in Gestalt der Flügelsonne, die in unterschiedlichen Varianten (ägyptisch, ägyptisierend-phönizisch, assyrisch bzw. assyrisch-nordsyrisch) erscheint (Parayre 1993). Die geflügelte Sonnenscheibe in einer summarisch ausgeführten assyrisierend-nordsyrischen Form ist vor allem von offiziellen judäischen Siegelungen bekannt, besonders prominent auf den etwa 660 lmlk-Stempelabdrücken mit Flügelsonnenmotiv (Abb. 3.13)44 aus regulären Grabungen, die in das späte 8. (Typ IIa) und das frühe 7. Jh. (Typen IIb, c und XII) datieren (Lipschits, Sergi und Koch 2010). Als primäres Motiv ist die Flügelsonne (in phönizischer Ausführung) auf einer königlichen Bulle aus einer Abfallgrube im Areal A der Ophel-Grabungen mit der Legende lḥz[q]yhw.ʾ[h]z.mlk.yhd[h] ‚dem His[k]ija (Sohn des) A[ha]z König (von) Juda‘ belegt (Abb. 3.14).45 Der assyrisierende Typ der Flügelsonne ist – neben den lmlk-Stempeln – auch auf einigen anepigraphischen Siegelungen belegt: Drei Bullen aus Jerusalem (Abb. 3.15 a–d)46 der (späten) EZ II B–EZ II C bilden Varianten des assyrisierenden Typs der Flügelsonne. Eine assyrisch-aramäische Mischform (so Keel, CSAP IV: 290) ist aus Gezer belegt (Abb. 3.16).47 Aus En-Gedi stammt ein weiterer, in die EZ II C datierter Siegelabdruck mit Flügelsonne (Abb. 3.17).48 Ein Siegelabdruck aus Jerusalem (Abb. 3.18)49 zeigt nach Keel (2007: 302) den leeren Thron des Sonnengottes mit einer darauf stehenden Standarte mit Flügelsonnensymbol, eine zweite Flügelsonne50 bildet den oberen Bildabschluss. Keel wertet diese Darstellung als mög44

Welten 1969: 40 (S II A 1). CSAP V: Jerusalem 495a. 46 CSAP V: Jerusalem 283–285; 389 (Umzeichnungen des Verfassers). 47 CSAP IV: Geser 281 (Umzeichnung des Verfassers). 48 CSAP II: En Gedi 2 (Abb.: GGG 383). 49 CSAP V: Jerusalem 286 (Umzeichnung des Verfassers). 50 Vgl. CSAP V: Jerusalem 283. 45

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lichen Beleg für die Verehrung eines Kultsymbols im Jerusalemer Tempel. Es ist freilich nicht ganz deutlich, ob es sich bei dem „Thron“ vielleicht nicht doch eher um den Bug einer Barke handelt, zudem weist der Abdruck stilistisch nach Assyrien (vgl. Herbordt 1992: T. 10,23), so dass die Aussagekraft des Abdrucks für den Kult im Jerusalemer Tempel zu hinterfragen ist. Die Identifizierung der geflügelten Sonnenscheibe mit dem Sonnengott ist nicht so selbstverständlich, wie es auf den ersten Blick scheint: Für die assyrische Ikonographie des 1. Jt. ist es umstritten, ob der „Mann in der Flügelsonne“ als Repräsentation des Reichsgottes Assur oder des Šamaš anzusehen ist (Mayer-Opificius 1984) und auch die persische Adaption des „Mannes in der Flügelsonne“ wird sowohl als Darstellung des Ahura Mazda als auch des fravaši (Schutzgeistes) oder als xvrarənah (‚Ruhmesglanz‘) des Großkönigs verstanden (Boyce 2001). Assoziationen mit unterschiedlichen Gottheiten schließen sich freilich nicht aus: Die Flügelsonne ist in der altvorderasiatischen Ikonographie des 1. Jt. zu einem allgemeinen Göttersymbol geworden, so dass sie neben dem Sonnengott selbst auch andere Götter, vor allem die Spitzen des Pantheons, u.a. den Wettergott, aber auch den Mondgott, repräsentieren kann (Ornan 2005). Die Ambiguität des Symbols hat auch seine Adaption durch die assyrischen Christen möglich gemacht. Die Darstellung der Flügelsonne auf den judäischen Siegelabdrücken kann daher sowohl mit Jahwe als dem Nationalgott als auch mit dem Sonnengott verbunden werden, ohne sich gegenseitig auszuschließen. Obwohl von Keel (GGG § 200) als El identifiziert, dürften zwei Darstellungen einer Gottheit im Strahlennimbus und unmittelbar mit der Flügelsonne assoziiert auf zwei Tridacna-Muschen aus Arad und Bethlehem (Abb. 3.19 und 3.20)51 am ehesten als Repräsentationen des Šamas anzusprechen sein. Trotz ihrer (vermutlichen) phönizischen Herkunft ist die solare Ikonographie beider Stücke innerhalb der westsemitischen Koiné jedoch ohne weiteres verständlich. Funktional dürften beide Objekte als wertvolle Votive zu betrachten sein.

Abb. 3.13: lmlk-Stempel mit Flügelsonne

Abb. 3.14: Hiskija-Bulle aus Jerusalem

Abb. 3.15: a–d: Bullen mit Flügelsonnenmotiv aus Jerusalem

Abb. 3.16: Siegel mit Flügelsonne aus Gezer

51

Abb. 3.17: Siegelabdruck aus En-Gedi mit Flügelsonne

Abb. 3.18: Bulle aus Jerusalem mit Flügelsonnenstandarte in einer Barke

GGG 337a (= IPIAO IV: 1884), 337b. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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Abb. 3.19: Tridacna-Muschel aus Arad

Abb. 3.20: Tridacna-Muschel aus Bethlehem

3.2.2.7 Šalim und Šaḥar H. B. Huffmon 1999: Art. Shalem, in: DDD, 755–757; S. B. Parker 1999: Art. Shahar, in: DDD, 754– 755; M. Pope 1965: Art. Šaḥr und Šalim, in: RdM I, 306–307.

Šalim und Šaḥar erscheinen in den ugaritischen Texten (KTU 1.100:52; 1.107:43; 1.123:11) als Paar šḥr w šlm ‚Abend- und Morgen[stern]‘. Šalim ist in der EZ II epigraphisch 8-mal als theophores Element hebräischer Personennamen belegt.52 Auch für die Namen der Söhne Davids Absalom und Salomo wurde das Element šlm als theophores Element diskutiert (s. Huffmon 1999), jedoch ist für das Element šlm, wie der Vergleich mit phönizischen und aramäischen Personennamen nahelegt, eher die Bedeutung ‚Ersatz‘ anzunehmen, also ‚[mein göttlicher] Vater hat ersetzt‘ für Absalom und ‚Sein Ersatz‘ für Salomo (vgl. Albertz und Schmitt 2012: 295f., 600).53 Deutlich ist die Verbindung der Gottheit mit Jerusalem: Šalim ist diejenige Gottheit, die Jerusalem ihren Namen verdankt (‚Gründung Šalims‘, von jrw ‚Fundament legen‘, im Akkadischen urusalimu ‚Stadt Šalims‘, s. Keel 2007 § 44f.). Für eine Kultkontinuität des Šalim in Jerusalem gibt es keinen unmittelbaren Beleg, wiewohl die Assoziation der Stadt mit der Gottheit in der Eisenzeit wohl vorausgesetzt werden kann. Epigraphisch ist das Element šḥr in hebräischen Personennamen der EZ II primär als Hypokoristikon mit insgesamt 12 Belegen bezeugt. Das AT erwähnt (allerdings nur in späten Texten) einige vollständige theophore Namen, wie Šaḥarya[hu] ‚Jahwe ist meine Morgenröte‘ in 1 Chr 8,26 und ʾAḥišaḥar (1 Chr 7,10). Letzterer wird zumeist als ‚Mein [göttlicher] Bruder ist die Morgenröte‘ erklärt (Albertz und Schmitt 2012: 311). Wahrscheinlicher ist jedoch im Hinblick auf die mit Šalim gebildeten Personennamen und vergleichbare Gleichsetzungsnamen (vgl. Albertz und Schmitt 2012: 578) ‚Mein [göttlicher] Bruder ist [der Gott] Šaḥar‘. Auch das Hypokoristikon šḥr – ähnlich wie in Namen wie Baʿal oder Mare – dürfte somit für die Gottheit selbst stehen. Šalim und Šaḥar als theophore Elemente sind im Vergleich zu anderen Gottheiten relativ gut belegt und ihre Bekanntheit und Verehrung, vor allem in Kontext der familiären Religion, kann für die Eisenzeit II somit vorausgesetzt werden. Es ist denkbar, dass die mit Šalim und Šaḥar gebildeten Namen mit dem Zeitpunkt der Geburt zusammenhängen. Im Kontext der deuteronomistischen Polemiken gegen das ‚Heer des Himmels‘, insbesondere dort, wo diese Gruppe neben Sonne und Mond genannt wird (Dtn 17,3; 2 Kg 23,5; Jer 8,2), ist wohl auch an die Gestirngötter Šalim und Šaḥar zu denken. 3.2.2.8 Mot J. F. Healey 1999: Art. Mot, in: DDD, 598–603; T. J. Lewis 1992: Art. Mot, in: ABD 4, 923–924; M. Pope 1965, Art. Mot, in: RdM I, 300–302.

Mot, der westsemitische Gott des Todes und der Unterwelt, der in den mythologischen Texten aus Ugarit als der gefährlichste Gegner Baʿals erscheint, ist insgesamt 5-mal in epigraphisch belegten theophoren hebräischen Personennamen der EZ II belegt und einmal in Ammon,54 wobei es sich bei den bezeugten Namen wie Yerimaut ‚Mot hat gefunden‘ oder Meremaut ‚Mot hat gesegnet“ überwiegend um Geburtsnamen handelt, die dem Gott des Todes für die Geburt eines Kindes danken und die sich in Form und Funkti-

52

Albertz und Schmitt 2012: Table 5.7. Auch ein moabitischer König Sālamānu ist bekannt: RINAP 1: Q004360 (Tiglath-pileser III 047) r 10. 54 Albertz und Schmitt 2012: Table 5.7; 5.10. 53

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on nicht von entsprechenden Jahwe-Namen unterscheiden, wiewohl bei der Wahl dieser Gottheit wohl an eine schwierige Geburt oder den Tod der Mutter während der Geburt gedacht werden muss, bei der Mot das Kind eben nicht holte, sondern trotz gefährlicher Umstände brachte. Auch das Alte Testament erwähnt mit ʾAḥimot ‚Mein [göttlicher] Bruder ist Mot‘ in 1 Chr 6,10 und ʿAzmawet ‚Mot ist stark‘ in 2 Sam 23,31 Mot-haltige Personennamen. Dieser Befund ist überraschend, da Mot im ugaritischen Onomastikon nicht erscheint, auch auf den Götterlisten fehlt und als personhaftes Wesen ausschließlich in den mythologischen Texten erscheint, mithin eine Gottheit, die nicht nur keine kultische Verehrung genoss, sondern deren Nennung offenbar geradezu gemieden wurde. Auch im aramäischen und phönizischen Onomastikon des 1. Jt. fehlt Mot. In der Göttergenealogie des Sanchunjaton (bei Eusebius, Praeparatio Evangelica 1.10.34) freilich gehört er, identifiziert mit Pluto, als Sohn des El/Kronos und der Rhea zur herrschenden Göttergeneration, der auch Baʿal (Adodos) angehört. In der Kombination II der Deir-Alla-Texte raubt Mot den Müttern die Kinder im Mutterleib.55 Auch im Alten Testament wird Mot als personhaftes Numen wahrgenommen: In Ps 49,15 ist er der Hirte der Verstorbenen in der Unterwelt. In Hld 8,6 wird er als stark und unbarmherzig beschrieben. Jes 28,15.18 führt den Untergang Samarias darauf zurück, dass das Nordreich einen Bund mit Mot und nicht mit Jahwe geschlossen hat. Eine mythologische Auseinandersetzung zwischen Mot und Jahwe – analog zu Baʿal und Mot in Ugarit – könnte Hab 3,13 (LXX)56 nahelegen. Aufgrund der epigraphischen Belege gehört Mot als Gottheit auf jeden Fall zum Symbolsystem der familiären Religion und ist daher als Mitglied der Götterwelt wahrgenommen worden. 3.2.2.9 Rešep I. Cornelius 1994: The Iconography of the Canaanite Golds Reshef and Baʿal, OBO 140, Fribourg/Göttingen; M. Münnich 2013: The God Reshep in the Ancient Near East, ORA 11, Tübingen; M. Pope und W. Röllig 1965: Art. Rešep, in: RdM I, 305–306; P. Xella 1999: Art. Reshep in: DDD, 700–703.

Im kanaanäischen Pantheon von Ugarit ist Rešep (‚Pest‘) der Gott der Seuchen und der Heilung. Während der späten Bronzezeit erlangt die Gottheit, wie auch andere kriegerische kanaanäische Götter wie Baʿal, Anat und Astarte, in Ägypten eine große Popularität (Cornelius 1994; Münnich 2013: 80ff.). Ikonographische Repräsentationen von Rešep sind sowohl in der Glyptik als auch in der Kleinplastik aus der EZ I–II A bekannt. Rešep könnte durch die Gestalt einer Statuette aus dem Tempelbezirk in Megiddo Stratum V B (EZ II A, Abb. 2.1)57 repräsentiert sein: Die Bronzestatuette gehört zum Typ des sogenannten „smiting god“, eine kämpferische Gottheit, die je nach ihren Attributen mit Baʿal oder dem Seuchengott Rešep (letzterer zumeist mit einen Gazellenkopf an der Krone, Speer, Schlagwaffe und Schild) identifiziert wird. Cornelius (1994) identifiziert die Megiddo-Bronze aufgrund des Schildes mit Rešep. Die wahrscheinlich mit Rešep zu identifizierende schematische Figur auf dem Horntier in der Glyptik der frühen Eisenzeit ist u.a. aus Beth Shean58 und Gezer belegt (Abb. 3.21).59 Dieser Darstellungstyp verliert aber in der späteren Eisenzeit II A an Bedeutung, was von Keel und Uehlinger (GGG § 64) als Entkoppelung von ägyptischen religiösen Vorstellungen im Kontext der Herausbildung von Nationalreligionen gewertet wird. Dies kann zwar für diesen Darstellungstyp gelten, dass die Präsenz des Gottes aber an eine egyptian connection gekoppelt war, darf allerdings bezweifelt werden, da er im westsemitischen Onomastikon (primär in als phönizisch bezeichneten Namen) der Eisenzeit II recht gut belegt ist.60 Das Alte Testament erwähnt Rešep in Dtn 32,24; Hab 3,5; Ps 78,48 und Hi 5,7. In diesen späten Texten ist der Gott jedoch, wie die Bezeichnung „Engel des Übels“ in Ps 78,48–50 zeigt, zu einer Botengottheit Jahwes herabgestuft worden, bleibt aber ein personhaftes Numen. Ob Rešep in der Eisenzeit II eine „aktive“ und wichtige Gottheit gewesen ist, kann aufgrund der Beleglücke zwischen den früheisenzeitlichen Siegeln und den allesamt späten alttestamentlichen Belegen nicht zweifelsfrei ausgesagt werden. Münnich (2013: 215ff.) argumentiert aufgrund einer Frühdatierung der biblischen Belege61 für eine Kontinuität. Auch wenn man diese Frühdatierung zurückweisen muss, spricht die weite Verbreitung der Gottheit im 1. Jt. für eine Kontinuität seiner Verehrung. 55

KAI 312 (= ARI [DA 9]: II: 13); vgl. TUAT II: 147. MT wäre hier von mbyt analog zu LXX (θάνατον) zu mwt zu korrigieren. 57 Negbi 1975: No. 1361; Cornelius 1994: RB 2. 58 CSAP II: Bet Schean 45; EZ I–IIA. 59 CSAP IV: Geser 249, EZ IB–IIA; evtl. auch Geser 179; CSAP II: Bet Schean 45, EZ I–IIA. 60 Siehe Albertz und Schmitt 2012: Table 5.12. 61 So wird Hab 3,5 zwischen dem 10. und 8. Jh. (!) datiert, Dtn 32,24 vorexilisch. 56

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Abb. 3.21: Sog. „Gott auf dem Horntier“ aus Gezer

3.2.2.10 Bethel H. Pfeiffer 2011: Art. Bethel, in: EBR 3, 965–966; E. A. Knauf 1998: Art. Bethel, in: RGG4, 1375–1376; K. Koenen 2003: Bethel: Geschichte, Kult und Theologie, OBO 192, Fribourg/Göttingen; K. Koenen 2006: Art. Bethel [Gott], in: Das Wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (www.wibilex.de); W. Röllig 1965: Art. Bethel, in: RdM I, 274; W. Röllig 1999: Art. Bethel, in: DDD, 173–176; K. van der Toorn 1992: Anat-Yahu, Some Other Deities, and the Jews of Elephantine, in: Numen 39/1, 80–101.

Die Gottheit Bethel, deren Name entweder als eine Hypostase der Präsenz Els in einem unbestimmten Tempel oder seiner Präsenz in einer Mazzebe gedeutet wird, ist zuerst um 675 im Vertrag Asarhaddons mit Baʿal von Tyrus als dBa-a-a-ti-Dingirmeš unter den Schwurgöttern belegt62 und wohl mit dem Baitylos in der phönizischen Göttergenealogie des Sanchunjaton (nach Philo Byblios bei Eusebius, Praeparatio Evangelica 1.9.16) zu identifizieren. Jedoch wird zumeist keine phönizische, sondern eine aramäische Herkunft angenommen (Röllig 1999: 174; Niehr 2010: 248). Mit der Ortslage Beth-El hat er nichts zu tun (Koenen 2003: 85f.). Im aramäischen Onomastikon (die keilschriftlichen Quellen ausgenommen) ist die Gottheit zwar mit drei Belegen kaum prominenter vertreten als in Phönizien mit einem Beleg,63 da jedoch alle aramäischen Belege für Bethel-Namen (vermutlich) aus Sfīre stammen64 und der Papyrus Amherst 63 Hamath als „Heimatort“ des Gottes nennt,65 darf eine aramäische Herkunft als wahrscheinlich gelten. Im eisenzeitlichen Onomastikon Israels und Judas sowie der transjordanischen Staaten fehlt er völlig. Auf eine im Nordreich verehrte Gottheit könnte jedoch Jer 48,13 bezogen werden, da Bethel hier parallel zum moabitischen Kamoš genannt wird: „Und Moab wird zuschanden werden an Kamoš, wie das Haus Israel zuschanden geworden ist an Bethel, seiner Zuversicht.“ Der Text ist im Hinblick auf seine frühestens exilische Entstehungszeit und damit auf vorexilische Kulttraditionen jedoch nur bedingt aussagekräftig. Nachexilisch erscheint Bethel häufiger in den Texten aus der jüdischen Militärkolonie in Elephantine: In dem Eid TAD B7,2: 6–8 wird ḥrm-bytʾl als Vertragsgottheit angerufen, wobei das Element ḥrm sich hier (mit van der Toorn 1992) auf das der Gottheit geweihte Eigentum des Gottes Bethel bezieht und selbst nicht als Designation eines Numens zu verstehen ist. Die Opferliste TAD C3:15: 126–128 erwähnt neben Gaben für Yahu auch solche für Eshembethel und Anatbethel, wobei jeweils unterschiedliche Paredroi Bethels angesprochen werden. Die Gottheit Eshem ist etwas enigmatisch und selbst ihr Geschlecht ist unklar. Eshem bzw. Eshima erscheint nur einmal im phönizischen Onomastikon, aber nicht im aramäischen.66 Nach 2 Kön 17,30 ist Eshem eine Gottheit, die nach dem Untergang des Nordreichs von den Siedlern aus Hamath in Samaria verehrt worden ist. Ähnlich wie Anatyahu scheinen Eshembethel und Anatbethel auf eine Paarung von Göttinnen mit dem Gott Bethel hinzuweisen. Anatbethel erscheint auch im Vertrag Asarhaddons mit Baʿal von Tyros.67 Im Hinblick auf den Bezug auf einen vorexilischen Kult Bethels im Nordreich in Jer 48,13 ist es zwar möglich, dass der Kult der Gottheit bis in die späte vorexilische Zeit zurückreichen könnte und nicht erst unter aramäischem Einfluss in Ägypten adaptiert worden ist, entscheiden lässt sich diese Frage aber auf dem Hintergrund der spärlichen Quellen nicht. Es ist jedoch denkbar, dass die im Jeremiabuch erwähnte Verehrung des Bethel ein von aramäischen Immigranten nach dem Fall des Nordreiches importierter und möglicherweise dort lokal adaptierter Kult war (van der Toorn 1992: 90ff.). Die vorlie62

SAA 2: 5 iv: 6‘; TUAT I, 159. Vgl. Albertz und Schmitt 2012: Table 5.11–12. 64 KAI 227. 65 COS 1.99: 315. 66 Albertz und Schmitt 2012: Table 5.11–12. 67 TUAT I, 159; Kol. IV, 6. 63

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genden Zeugnisse zu Bethel verraten nichts über den Charakter der Gottheit oder bestimmte Zuständigkeiten – dass Bethel in der genannten Eidesformel aus Elephantine auftaucht, heißt nicht, dass es sich um eine spezialisierte Funktion als Vertragsgott handelt. 3.2.3 Weibliche Gottheiten in Israel und Juda 3.2.3.1 Ašerah S. Ackerman 1987: And the Women Knead Dough: The Worship of the Queen of Heaven in Sixth-Century Judah, in: P. L. Day (Hrsg.), Gender and Difference in Ancient Israel, Minneapolis, 109–124; J. Day 1992: Art. Asherah, in ABD I, 483–487; M. Dietrich und O. Loretz 1992: „Jahwe und seine Aschera”: Anthropomorphes Kultbild in Mesopotamien, Ugarit und Israel, UBL 9, Münster; W. G. Dever 2005: Did God have a Wife? Archaeology and Folk Religion in Ancient Israel, Grand Rapids; C. Frevel 1995: Aschera und der Ausschließlichkeitsanspruch YHWHs: Beiträge zu literarischen, religionsgeschichtlichen und ikonographischen Aspekten der Ascheradiskussion, BBB 94,1–2, Weinheim; C. Houtmann 1999: Art. Queen of Heaven, in: DDD, 678–680; P. Merlo 2009: Art. Asherah, in: EBR 2, 975– 980; S. M. Olyan 1988: Asherah and the Cult of Yahwe in Israel, SBL Monograph Series 34, Atlanta; M. Pope, Art. Atirat, in WdM I, 246–249; J. Tropper 2017: The Divine Name *Yahwa, in: van Oorschot und Witte (Hrsg.), The Origins of Yahwism, 1–21; R. Wenning 1991: Wer war der Paredros der Aschera? Notizen zu Terrakottastatuetten in eisenzeitlichen Gräbern, in: BN 59, 89–97; U. Winter 1987²: Frau und Göttin: Exegetische und ikonographische Studien zum weiblichen Gottesbild im Alten Israel und seiner Umwelt, OBO 53, Fribourg/Göttingen; N. Wyatt 1999: Art. Ashera, in: DDD, 99–105.

Epigraphisch ist die aus Ugarit in der Form atrt (ʿAthiratu) und im AT als Ašerah bekannte Göttin in Juda in mehreren Inschriften der EZ II B aus Kuntillet ʿAǧrūd/Ḥorvat Teman (KA 3.1; 6; 9; 4.1.1)68 und Ḫirbet el-Qōm,69 nicht jedoch in theophoren Personennamen belegt – was auch schon für Ugarit galt (vgl. del Olmo Lete 2014: 283f.). Allerdings wird der Name des Herrschers von Amurru, ʿAbdi-Aširta, etliche Male in den Amarna-Briefen genannt.70 In Ammon, Moab und Edom scheint Ašerah unbekannt zu sein. In Inschrift KA 3.1 aus Kuntillet ʿAǧrūd erscheint Ašerah parallel zu Jahwe von Samaria, in den Inschriften KA 3.6, 3.9 und 4.1.1 mit Jahwe von Teman. Nur in der Ḫirbet-el-Qōm-Inschrift, die auch Jahwe erwähnt, wird sie dreimal als Subjekt rettenden Handels erwähnt. Der Gattung nach handelt es sich bei den Texten aus Kuntillet ʿAǧrūd um Segenswünsche und die Grabinschrift von Ḫirbet el-Qōm ist als Dank-Votivinschrift für erwiesene Hilfe zu verstehen. Inschrift KA 3.1 auf Pithos A71 1

ʾmr : ʾ[..]m[..]k : ʾmr : lyhly : wlywʿśh : w[..] brkt : ʾtkm lyhwh : šmrn : wlʾšrth

2 1

Gesagt hat [...]: Sprich zu Yaheli und zu Yauʿaśa und zu […]: Ich segne euch gegenüber Jahwe von Samaria und seiner Ašerah

2

Inschrift 3.6 auf Pithos B72 1

ʾmrjw ʾ mr l : ʾdny 3 hšlm : ʾ[t] 4 brktk ly 5 hw[h...] 6 ulʾšrth : yb 7 rk : wyšmrk 8 wyhy : ʿm : ʾd[n] 9 y 10 k […] 11–14 (…) 2

ʾAmaryau: Sprich zu meinem Herrn: Geht es di[r] gut? Ich segne Dich gegenüber Ja hw[e…] [von Samaria/Teman?] Und durch seine Ašerah. Er seg ne dich und behüte dich und sei mit meinem He[rr] n […]

68

Meshel 2012: 87, KA 3.1 (= HAE KAgr[9]:8); 95, KA 3.6 (= HAE KAgr[9]:9); 98, KA 3.9 (= HAE KAgr[9]:10). HAE Kom[8]:3. 70 EA 58, 60, 61, 71, 74–76, 78, 79, 81–85, 88, 90, 92–95, 97, 101–105, 107, 118, 121, 123–127, 129, 132, 133, 137, 138, 362. 71 Meshel 2012: 87, KA 3.1 (= HAE KAgr[9]:8). 72 Meshel 2012: 95, KA 3.6 (= HAE KAgr[9]:9). 69

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Kapitel 3

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Inschrift KA 3.9 auf Pithos B73 1

[…] lyhwh : htmn wlʾšrth : […] kl ʾšr : yšʾl mʾš : ḥnn hʾ : wʾm : pth : wntn lh yhw 3 klbbh 2

[…] zu Jahwe von Teman und zu seiner Ašerah: […] was immer er von einem Mann fordert, wird dieser wohlgefällig geben. Und wenn er begehrt, Jahu wird ihm geben nach seinem Herzen

Inschrift KA 4.1.1. auf Wandverputz74 1

[…y]ʾrk : ymm : wyšbʿw […] ytnw : l[y]hwh [.] tymn : wlʾšrth […] […] . hyṭb yhwh : hty[mn...]y : hyṭb : ym[m …

2 1

[… Möge] er ihre Tage verlängern und mögen sie gesättigt sein […] mögen sie preisen zu [J]ahwe von Teman und seiner Ašerah […] 2 […] Jahwe von Te[man] hat [ihnen?] wohl getan, hat wohl getan ihren Tag[en …

Grabinschrift aus Ḫirbet el-Qōm75 1

ʾryhw : hʿśr : ktbh brk : ʾryhw : lyhwh 3 wwmmṣṣrrryyhh77 lʾšrth : hwšʿ lh 2

4

lʾnyhw lʾšrth 6 [..] wlʾ[š]rth 5

ʾUriyahu, der Kommandant76 hat es schreiben lassen. Gesegnet war ʾUriyahu vor Jahwe. Uunndvvoorrsseeiinnenn FFeeiinnddeenn hat er ihn durch seine Ašerah erretet. Durch ʾOniyahu und durch seine Ašerah. [..] und durch seine A[š]erah

Ein wesentliches Problem der Diskussion ist, dass in den Inschriften von Kuntillet ʿAǧrūd Jahwe das primäre Subjekt des Segenshandelns zu sein scheint und dass Ašerah als ʾšrth mit Suffix der 3. Sg. m als ‚seine ʾAšerah‘ apostrophiert wird. ʾAšerah wird daher vielfach nicht als selbständige göttliche Größe aufgefasst, sondern als Mediatorin, weibliche Seite Jahwes, seine Repräsentation oder als Hypostase (u.a. HAE III: 91; Schmidt 2016: 220 – „less divine and more daimonic“). Wie Tropper (2017: 18f.) überzeugend dargelegt hat, steht ʾšrth für ʾašir(a)tā als archaische Langform des Namens mit dem Kasus-Marker -a. Die Formel lyhwh (…) wlʾšrth sollte daher als ‚in Bezug auf Jahwe (…) und in Bezug auf Ašerah (ʾašir(a)tā) wiedergegeben werden, zumal lʾšrth in Ḫirbet el-Qōm nicht unmittelbar auf Jahwe bezogen ist und die Form auch in dem theophoren Namen ʿAbdi-ʾAširta in den Amarna-Briefen belegt ist. Es besteht daher kein Grund, Jahwe und Ašerah als etwas anders zu verstehen als distinktive Gottheiten (so auch u.a. Weippert 1990: 156f.; Zwickel in Tilly und Zwickel 2011: 96). Den genannten Argumenten im Hinblick auf eine Hypostase oder ähnliches eignet – abgesehen von dem problematischen religionswissenschaftlichen Konzept der „Hypostase“ oder „Wirkmacht“ – eine implizite Apologie, die Einzigartigkeit und den Charakter Jahwes als primäre Gottheit Israels zu verteidigen. Konzepte von „Hypostasen“, „Mediatorinnen“ und ähnlichem sind nicht vielmehr als Versuche, Ašerah als gleichrangige Paredra Jahwes wegzudiskutieren. Auf die Beziehung Ašerahs zu Teman und gleichzeitig auf ihren Charakter als selbständige Gottheit weist auch die (allerdings perserzeitliche Inschrift) Inschrift KAI 228:3.16 hin, wo sie explizit als eine der Gottheiten von Teman benannt wird ([wʾš]yrh ʾlhy tymn). Im Alten Testament ist Ašerah (ʾăšērah, mit Artikel hāʾăšērah, im Plural ʾăšērîm oder ʾăšērôt) über 40mal belegt.78 Im Alten Testament erscheint Ašerah eher selten explizit als Göttin, so in Ri 3,7 (hier zu Astarten zu korrigieren), 1 Kg 18,19 (die Propheten der Ašerah), und 2 Chr 19,3; 33,3 (zusammen mit den Baʿalim). Zumeist bezieht sich hāʾăšērah auf ein Objekt, das angefertigt (ʿśh), gepflanzt (nṭʿ), umgeschlagen (krt), oder verbrannt (śrp) werden kann.79 Es herrscht ein relativ breiter Konsens in der Forschung, dass 73

Meshel 2012: 98, KA 3.9 (= HAE KAgr[9]:10). Meshel 2012: 105, KA 4.1.1. 75 HAE Kom[8]:3. 76 Zur Lesung vgl. HAE I: 207. 77 Die Buchstaben wurden zur magischen Verstärkung doppelt geschrieben (vgl. Schmidt 2016: 158ff.). In spätantiken jüdischen magischen Texten ist die Buchstaben- oder Wortverdoppelung eine gängige Technik der magischen Verstärkung. 78 Vgl. HAL I: 96. 79 Dtn 12,3; 16,21; Ri 6,25.26.28; 1 Kön 15,13; 16,33; 2 Kön 13,6; 17,16; 18,4; 21,3.7; 23,7.15; 2 Chr 14,2; 15,16; 24,1; 31,1; 33,19; Jes 17,8; 27,9; Jer 17,2; Mi 5,13. 74

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es sich bei dem als ʾăšērah bezeichneten Objekt um einen Pfahl oder Baum gehandelt haben muss, der als Repräsentation der Göttin im Jerusalemer Tempel anzusehen ist (Frevel 1995: 923; Keel 2007: §§572 u.ö) und ein primäres „Hassobjekt“ der deuteronomistischen Traditionslinie und davon abhängiger Traditionen geworden ist. Es ist vorgeschlagen worden, dass Darstellungen von Adoranten vor einem Baum mit dem Kult der Ašerah in Verbindung zu bringen sind (GGG §§95, 266; Keel 2007: § 573). Hierzu gehören ein im Verhältnis zu den Funden aus Kuntillet ʿAǧrūd und Ḫirbet el-Qōm etwas früherer (EZ II A) oder zeitgenössischer Konoidstempel aus Jerusalem (Abb. 3.22),80 ein singuläres Siegel aus Lachish (EZ II C) mit einem Verehrer vor einer nackten Brüstehalterin und einem Baum (Abb. 3.23)81 sowie eine Verehrungsszene mit einem Adoranten vor einem Baum und einer Göttin auf einem Siegel phönizischer Herkunft aus Akko (Abb. 3.24).82 Die Gleichsetzung des Baumes bzw. der mit dem Baum assoziierten weiblichen Figur mit Ašerah bleibt hypothetisch, zumal ihre Zuständigkeit für den Bereich der Fruchtbarkeit keinesfalls klar ist. Eine Identifikation der Ašerah mit dem Motiv des von Capriden flankierten Baumes oder gar mit der säugenden Kuh auf Pithos A aus Kuntillet ʿAǧrūd (Abb. 3.25–26),83 wie von Keel (2007: 573) vorgeschlagen, kann kaum glaubhaft gemacht werden. Nach wie vor hat daher Frevels Feststellung von 1994 (838 u.ö.) zu gelten, dass eine überzeugende Identifikation der Ašerah, ob in anthropomorpher Form oder als Objekt, bislang nicht gelungen ist. Über den Charakter und die Zuständigkeitsbereiche Ašerahs geben die epigraphischen Texte der Eisenzeit – wie im Falle Jahwes – nichts Spezifisches außer ihrem segensreichen und rettenden Eingreifen preis (vgl. Frevel 1995: 580ff.). Die vorhandenen Quellen aus dem 1. Jt. v. Chr. deuten nicht auf eine Beziehung zu Fruchtbarkeit und Sexualität hin. Im ugaritischen Pantheon ist sie die Mutter bzw. Schöpferin der Götter (KTU 1.4 I 23: qnyt ilm), die Götter gelten als ihre Söhne (KTU 1.3 IV 47: bn atrt; 1.2 I 21: bn qdš ‚Söhne Qudšus‘) und sie wird adressiert als ‚Herrin der See‘ (KTU 1.4 I 13f.: rbt atrt ym). Sie darf als die Gattin Ilus gelten, obwohl dies in den ugaritischen Texten nicht explizit ausgesagt wird. Die epigraphischen Zeugnisse aus Kuntillet ʿAǧrūd und Ḫirbet el-Qōm legen nahe, dass Ašerah in der EZ II die Paredra des Jahwe von Samaria bzw. des Jahwe von Teman war. Als weibliches Haupt des israelitisch-judäischen Pantheons ist sie sehr wahrscheinlich mit der Himmelskönigin, der malkat haššamayim (Jer 44,17.18.19.25) zu identifizieren (vgl. GGG § 197). Da die unmittelbaren assyrischen Kulteinflüsse in Juda als gering einzuschätzen sind, dürfte nicht die akkadisch entsprechend apostrophierte Ištar (šarrat šamāni) gemeint sein (wie u.a. Olyan 1988; Keel 2007: § 582 und Berlejung 2010: 143f. meinen), für die ein Kult im Jerusalemer Tempel unwahrscheinlich ist. Einen eigenen Strang der Diskussion bildet die Frage nach der Identifikation der Göttin Ašerah mit den typischen Eisen-II-B–C-zeitlichen Säulenfigurinen einer Brüstehalterin (judean pillar figurines – JPFs, Abb. 1.2): Eine Vielzahl von Autoren nimmt eine solche unmittelbare Identifikation mit Ašerah an (Engle 1979: 52; Ahlström 1984: 136; Hestrin 1987: 221; GGG §195; Wenning 1991; Kletter 1996: 81; van der Toorn 2002; Dever 2005; Berlejung 2010: 149; Frevel 2016: 232; Farber 2018: 436), oder eine mittelbare mit der „Großen Göttin“ (Winter 1987: 93, 127; Hübner 1989), die als häusliches Kultobjekt gedient habe. Dagegen ist einzuwenden, dass die Figurinen keinerlei göttliche Emblematik aufweisen und daher wohl eher als Repräsentationen von Menschen anzusehen sind und damit als multifunktionale Ritualobjekte, die in mehr allgemeinerem Sinne Fruchtbarkeit, Wohlstand, Fülle und andere für das Wohlergehen der Familie positive Aspekte medial zum Ausdruck bringen und durch ihre rituelle Nutzung im Haushalt, im Grab und an Heiligtümern (wie in Arad belegt) evozieren sollten (Meyers 1988: 161ff.; Bloch-Smith 1992: 99f.; Schmitt 1999: 51, 2004: 187ff.; Moorey 2003: 58ff.; Albertz und Schmitt 2012: 62ff.; Darby 2014: 404f.; De Hulster 2017: 116f.). Akzeptiert man die These einer Nichtidentität der JPFs mit Ašerah bzw. der Himmelskönigin, so fällt auch das wichtigste Argument für ihre Bedeutung in der familiären Religion bzw. der popular religion, da der Name der Gottheit als theophores Element nicht belegt ist, was eine solche Funktion untermauern würde. Als gesichert kann aufgrund der biblischen und außerbiblischen Befunde gelten, dass Ašerah spätestens gegen Ende des 9. Jh. v. Chr. in Juda als Paredra Jahwes galt, die auch im Jerusalemer Tempel in Gestalt eines Kultpfahls verehrt worden ist. Der Kult des Götterpaares Jahwe und Ašerah scheint nach den alttes-

80

CSAP V: Jerusalem 378. GGG 323. 82 CSAP I: Akko 19: Die thronende Figur wird von Keel (ebd.) als männliche Gottheit gedeutet. 83 Nach Meshel 2012: Fig. 6.5. 81

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tamentlichen Befunden vor allem im Zentrum der offiziellen judäischen Religion gestanden zu haben (ähnlich schon Olyan 1988: 74). Im Norden ist sie mit dem Jahwe von Samaria als Nationalgott Israels verbunden und gehört damit wohl ebenfalls primär in den Kontext des staatlichen Kultes. Anders als vielfach in der Forschung angenommen (u.a. Ackerman 1987, 1992, 1998, 2003, 2008; Dever 1991, 2005), spielt Ašerah keine Rolle in der familiären Frömmigkeit oder in der sogenannten popular religion und erst recht nicht in einem genderspezifischen, primär von Frauen ausgeübten Kult der Gottheit. Wo sie in Zeugnissen persönlicher Frömmigkeit (in Kuntillet ʿAǧrūd) bzw. im Kontext familiärer Religion erscheint (Ḫirbet elQōm), sollten die jeweiligen Kontexte stärker beachtet werden: Kuntillet ʿAǧrūd ist eine vom Nordreich unterhaltene Festung (und kein Heiligtum, wie oft behauptet)84 und das ʾUriyahu-Grab in Ḫirbet el-Qōm ist eine Elite-Grablege. In beiden Fällen liegen zwar Äußerungen der persönlichen Beziehung der Dedikanten der Inschriften zu Jahwe und Ašerah vor, jedoch im Kontext einer militärischen bzw. gesellschaftlichen Elite, die eine größere Nähe zum „offiziellen“ Kult gehabt haben dürfte. Die Belege im DtrG und in JerD deuten allesamt auf eine Funktion der Göttin im Jerusalemer Tempel hin und die Texte aus Kuntillet ʿAǧrūd und Ḫirbet el-Qōm bezeugen eher eine Überschneidung von (elitärer) persönlicher und offizieller Frömmigkeit und es muss daher mit einer Verehrung der Gottheit primär im offiziellen Kult und durch die damit besonders verbundenen gesellschaftlichen bzw. militärischen Eliten gerechnet werden. Auf die wichtige Rolle des Jerusalemer Tempels im Kult der Ašerah verweist auch 2 Kön 23,7 mit der Bemerkung, dass Frauen dort mit dem Weben von Schleiern für die Göttin beschäftigt waren. Auch dies sollte jedoch nicht als gender-spezifischer Kult bzw. im Hinblick auf eine besondere Beziehung von Frauen zu der Göttin interpretiert werden (so u.a. Ackerman 1987), da das Weben grundsätzlich eine weibliche Tätigkeit war.

Abb. 3.22: Verehrer vor Baum, Jerusalem

Abb. 3.23: Verehrer vor Göttin und Baum, Lachish

Abb. 3.25: Capriden vor Baum von Pithos A, Kuntillet ʿAǧrūd

Abb. 3.24: Siegel aus Akko mit Verehrer vor Baum und Göttin

Abb. 3.26: Säugende Kuh von Pithos A, Kuntillet ʿAǧrūd

3.2.3.2 Anat und Astarte I. Cornelius 2008²a: The Many Faces of the Goddess, OBO 204, Fribourg/Göttingen; I. Cornelius 2008b: Art. Anat, in: Das Wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (www.wibilex.de); P. L. Day 1999: Art. Anat, in: DDD, 36–43; W. A. Maier 1992: Art. Anath, in: ABD I, 225–227; P. Merlo 1009: Art. Astarte, Astoreth, in: EBR 2, 1099–1101; M. Pope 1965a: Art. Anat, in: RdM I, 235–241; M. Pope 1965b: Art. ʿAttart,ʿAštart, Astarte, in: RdM I, 250–252; R. Schmitt 2007: Art. Astarte, in: Das Wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (www.wibilex.de); R. Schmitt 2013: Astarte, 84

So Meshel 2012: 65ff.; dazu unten S. 113. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Israelitisch-judäische Religion

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Mistress of Horses, Lady of the Chariot: The Warrior Aspect of Astarte, in: M. A. Christian und R. Schmitt (Hrsg.), Permutations of Astarte, WdO 43/2 (2013), 213–225; R. Schmitt 2014: Astarte in Ugarit, Kanaan und Ägypten, in: UF 45, 509–524; S. Schroer und P. Wyssmann 2012: Eine Göttin auf dem Löwen aus Hirbet Qeyafa, in: ZDPV 128, 158– 169; M. S. Smith: 2014: ‛Athtart in Late Bronze Age Syria, in: D. T. Sugimoto (Hrsg.), Transformation of a Goddess: Ishtar – Astarte – Aphrodite, OBO 263, Fribourg/ Göttingen, 33–85; K. van der Toorn 1992: Anat-Yahu, Some Other Deities, and the Jews of Elephantine, in: Numen 39/1, 80–101; N. E. Walls 2009: Art. Anath (Deity), in: EBR 1, 1093– 1096; N. Wyatt 1999: Art Astarte, in: DDD, 109–114.

Die Schwestern Anat und Astarte, letztere das Pendant zur mesopotamischen Ištar, werden in den spätbronzezeitlichen Texten aus Ugarit als kämpferische, jungfräuliche Göttinnen dargestellt, deren Zuständigkeitsbereich der Krieg, die Jagd, das Pferdewesen und die apotropäische Magie sind. Zu ihren Attributen zählen Schild, Schlagwaffe oder Speer, ihre Symboltiere sind das Pferd und der Löwe. Sexuelle Aspekte oder eine Funktion in der Sicherung der Fruchtbarkeit kommen ihnen – anders als vielfach behauptet – nicht zu (Schmitt 2013, 2014). Anat ist von volatilem Charakter und kann sowohl für Menschen als auch für Götter gefährlich werden, ihrem Vater El droht sie sogar Schläge an. Während in den ugaritischen Ritualtexten (u.a. KTU 1.100 und 1.107) die Schwestern zumeist zusammen auftreten, spielt Anat in der ugaritischen Mythologie und Epik eine zentrale Rolle als Helferin und Retterin ihres Bruders Baʿal, während Astarte nur unterstützend auftritt. In Ugarit tritt Astarte zwar oft hinter ihrer prominenteren Schwester zurück (auch im ugaritischen Onomastikon fehlt sie), im 1. Jt. ist sie dann die prominenteste Göttin in Phönizien, die insbesondere mit dem Königtum assoziiert ist. Spätestens im ägyptischen Neuen Reich werden die Schwestern als Kriegsgöttinnen (Astarte als „Meisterin der Pferde und Herrin der Streitwagen“) in das ägyptische Pantheon integriert und ihr Kult ist am Nil bis in die römische Zeit belegt. Im hebräischen Onomastikon sind Anat-haltige Namen nur einmal epigraphisch (HAE 20.4: bnʿnt) und alttestamentlich im Namen des Richters Schamgar ben Anat (Ri 3,31; 5,6) belegt. Während der epigraphisch bezeugte Name Benʿanat wohl vom Verb bnh ‚bauen, erschaffen‘ abzuleiten ist (‚Anat hat erschaffen‘), handelt es sich bei der Filiation bn-ʿnt vielleicht um einen programmatischen Namen, der auf den kriegerischen Charakter der Gottheit hinweist. Eine angeblich in El Ḫadr bei Bethlehem gefundene und in die EZ I datierte beschriftete Pfeilspitze (KAI 21) weist die Legende ḥṣ ʿbdlbʾt ‚Pfeilspitze des Abdlabit‘ (‚Diener der Löwin‘) auf, wobei der Verweis auf die Löwin auf das Symboltier der Astarte rekurriert. Da die epigraphischen Belege mehr als spärlich sind, spielen die alten kanaanäischen Kriegsgöttinnen in der Eisenzeit offenbar keine wichtige Rolle in der Namensgebung und damit im Symbolsystem der familiären Religion – auch bei den Nachbarn Ammon, Moab und Edom sind sie in der EZ nicht als theophores Element in Personennamen belegt. Nur im phönizischen Onomastikon ist Astarte häufiger vertreten, was durch ihre Funktion als Stadtgöttin von Sidon begründet ist. Unmittelbare archäologische Belege für Anat und Astarte sind im Bereich des frühisraelitischen Siedlungsgebietes spärlich: Ein früheisenzeitliches Siegel aus Gibeon (Abb. 3.27)85 bildet wahrscheinlich eine reitende Göttin des Anat/Astarte-Typus ab, wie er aus der ägyptischen Ikonographie der Göttinnen als Kriegerinnen in Waffen bekannt ist. Eine weitere Darstellung einer reitenden Göttin (Abb. 3.28)86 wurde in Akko gefunden. Ein früheisenzeitliches ägyptisches Anat-Amulett ist aus Beth Shean bekannt, ein späteres aus Beth Shemesh.87 Die Aussagekraft dieser beiden Objekte ist jedoch als gering einzustufen. Die häufig als „Astarte-Plaketten“ bezeichneten Terrakottafigurinen einer nackten Frau en face, häufig mit Hathorlocken und mit Pflanzen oder Schlangen in Händen, stellen nicht Astarte dar, die in den ikonographischen Konventionen immer bekleidet und mit Waffen erscheint, sondern einen anderen Typus, der mit hoher Wahrscheinlichkeit die Göttin Qudšu/Qedeshet repräsentiert (Cornelius 2008: 91). In den frühisraelitischen Kleinsiedlungen im Bergland sind die Plaketten der nackten Frau mit Hathorlocke in der Pose der Brüstehalterin bislang nicht nachgewiesen (s. GGG §§ 57–59). Das Fehlen dieser Objekte hängt wohl mit dem insgesamt sehr bescheidenen Lebensstandard dieser Siedlungen zusammen, die auch nur ein limitiertes Repertoire an Gebrauchskeramik aufweisen. In den alttestamentlichen Texten über die Frühzeit Israels wird in 1 Sam 31,10 einmal ein Tempel der Astarte in Beth Shean für die Zeit Sauls erwähnt. Gen 14,5 erwähnt einen Ort namens Aštarot Karnajim als Ort der sagenhaften Auseinandersetzung des Königs Kedor-Laomer mit den Refaitern. Hierauf beziehen sich auch Jos 9,10; 11,15; 13,12 und 13,31 wo Aštarot als Wohnort des sagenhaften Königs Og von 85

CSAP IV: Gibeon 4. CSAP I: Akko 4 (= GGG 163a). 87 ÄAPI IV 464, 471. 86

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Kapitel 3

Baschan erscheint. In Jos 21,27 ist die Rede von einem Ort Beëštara, der den Leviten als Wohnort zugewiesen wird. In 1 Chr 6,56 wird die levitische Ansiedlung Aštarot genannt. Das biblische Aštarot ist sehr wahrscheinlich mit dem Tell ʿAštera, ca. 30 km östlich des Sees Genezareth, zu identifizieren. Diese Ortslage ist wahrscheinlich auch mit dem in der 2. Hälfte des 2. Jt. v. Chr. in der Ortsliste Thutmoses III. und den Amarnabriefen88 genannten Aštartu zu identifizieren. Tiglatpileser III. berichtet die Einnahme des Ortes (URU.as-tar/tara-tu) während seines Feldzuges 733 v. Chr.,89 was sich mit dem in 2 Kön 15,29 von diesem Herrscher berichteten Kriegszug in Verbindung bringen lässt. Anat-haltige Ortsnamen sind Anatot (Rās el-Ḫarūbe, nördlich von Jerusalem, Jos 21,18), Beth Anat (Ṣafed el-Baṭṭiḫ, nördlich von Kadesch, Ri 1,31) und Beth Anoth in Juda (Jos 15,59). Die Astarte- und Anat-haltigen Ortsnamen verweisen zwar auf Traditionen lokaler Kultstätten bzw. haben solche konserviert, sind aber keine unmittelbare Evidenz für die dortige Verehrung der Göttinnen in der Eisenzeit. Während Anat als Göttin im AT überhaupt keine Erwähnung findet, erscheint Astarte mehrfach in polemischen Kontexten im deuteronomistischen Geschichtswerk: Astarte (ʿaštōret), zumeist im Plural ʿaštārôt ‚Astarten‘, wird gemeinsam mit ‚dem Baʿal‘ oder ‚den Baʿalen‘ in pauschalen Verurteilungen des Fremdgötterdienstes in Ri 2,13, Ri 10,6, 1 Sam 7,4 und 1 Sam 12,10 erwähnt. Die alleinige Nennung der Astarte in 1 Sam 7,3 ist wahrscheinlich sekundär, wohingegen in Ri 3,7 möglicherweise ursprünglich von den Baʿalen und den Astarten die Rede war (der masoretische Text spricht hier von ‚Ascheren‘). Astarte im Singular wird in 1 Sam 31,10; 1 Kön 11,5; 11,33 und 2 Kön 23,13 erwähnt. Die Nennung eines Tempels der Astarte in Beth Shean in 1 Sam 31,10 und die Deponierung von Sauls Rüstung ebenda könnte eine alte Kulttradition reflektieren. 1 Kön 11,5 und 1 Kön 11,33 erwähnen die Astarte der Sidonier als eine der Gottheiten, zu deren Verehrung Salomo von seinen Frauen verführt worden ist. Auf die Astarte der Sidonier rekurriert auch die Nachricht in 2 Kön 23,13 über die Zerstörung der von Salomo eingerichteten Fremdkulte durch König Josija. Die polemischen alttestamentlichen Belege sehen Astarte primär als fremde Gottheit, deren Kult aus Phönizien importiert worden ist. Ihre Verehrung wird daher in der Forschung zumeist als Ergebnis eines offiziellen Synkretismus gewertet (vgl. Albertz 1992: 229ff.). Insgesamt bleibt es unklar, ob sich die Polemiken gegen eine tatsächliche kultische Verehrung der Astarte von Sidon im Kontext der offiziellen Religion richten, gegen die Kulttradition einer lokalen Astarte, die als „fremd“ stigmatisiert wird oder ob es sich – wie im Falle der Kinderopfer für Moloch – nur um eine deuteronomistische Chimäre handelt. Nach Ausweis eines als ammonitisch klassifizierten Siegels mit einer Votivinschrift an die Astarte von Sidon90 ist hier vielleicht auch mit der Ausstrahlungskraft eines überregionalen Kultes bis nach Palästina zu rechnen. Eine belastbare Evidenz für einen tatsächlichen phönizischen Kultimport nach Juda liefern die Texte jedoch nicht. Festzustellen bleibt, dass DtrH und seine Fortschreibungen eine Vertrautheit mit der Göttin bei ihrer Audienz voraussetzen, die ihnen als Stadtgöttin von Sidon mit überregionaler Bedeutung bekannt gewesen sein dürfte. Eine Lösung des Problems einer Kultkontinuität für Anat gestaltet sich ebenfalls schwierig: Für die judäische Militärkolonie in Elephantine lässt sich für die Perserzeit vermuten, dass aufgrund der Erwähnung der Anat-Jahu (TAD B7.3.3:ʿntyhw) und der Anat-Bethel (TAD 3.15: 128:ʿntbytʿl) Astartes Schwester nach wie vor eine wichtige Funktion als spezialisierte Gottheit des Krieges zukam, wobei jedoch unklar ist, ob ihr Kult von den judäischen Soldaten in Ägypten aufgrund der dortigen Persistenz der Anat re-adaptiert wurde oder ob diese aus der Heimat mitgebracht worden ist. Letzteres ist m.E. aufgrund der Namen AnatJahu und Anat-Bethel jedoch wahrscheinlicher, zumal die zeitgenössische ägyptisierte Astarte nicht in den Zeugnissen der judäischen Militärkolonie erwähnt wird. Auch wenn die Evidenz lückenhaft ist, so ist doch zu mindestens für Anat eine Kultkontinuität in der EZ bis zur Perserzeit möglich. Im Kult von Elephantine scheint es sogar wahrscheinlich, dass im sozioreligiösen Kontext einer Militärkolonie die kriegerische Anat als Anat-Jahu die Rolle der Paredra Jahwes angenommen hat.

88

EA 197: 10, 256: 21. RINAP I: Q003469 (Tiglath-pilerser III 56). 90 WSS 876: […] ʾbndb š ndr lʾšt bṣdn tbrkh – „[PN, Sohn des ?] Abinadab, der gelobt hat der ʾšt (Astarte) in Sidon. Möge sie ihn segnen.“ 89

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Israelitisch-judäische Religion

Abb. 3.27: Siegel mit reitender Göttin aus Gibeon

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Abb. 3.28: Siegel mit reitender Göttin aus Akko

3.2.4 Ägyptische Götter Nach dem graduellen Niedergang der ägyptischen Oberherrschaft über Palästina in der SBZ III/EZ I ist eine kultische Verehrung von ägyptischen Göttern, die sehr wahrscheinlich auch nur von residenten Ägyptern betrieben worden ist, in der Eisenzeit II nicht mehr nachweisbar. Wirtschaftliche, politische und kulturelle Kontakte mit dem Nachbarn überdauerten jedoch die Zeit der ägyptischen Suprematie. Es kann daher nicht verwundern, dass auch in der EZ II Namen mit ägyptischen theophoren Elementen im hebräischen Onomastikon präsent sind. Ihre Anzahl erscheint auf dem ersten Blick mit insgesamt 1,2 % relativ gering, ist aber im Hinblick auf die genannten Götter durchaus signifikant: Am häufigsten ist der ägyptische Königsgott Horus (Ḥor) mit 14 Belegen vertreten, gefolgt von Isis (ʾIs) mit 6 Belegen und Bes, der Beschützer der Schwangeren und Gebärenden, ist 5-mal bezeugt.91 Der aus Samaria belegte Name Qadbes ‚Bes hat geformt‘92 macht es wahrscheinlich, das Bes nicht einfach nur als apotropäisches Wesen wahrgenommen worden ist, sondern dass man sich in Palästina seines spezifischen Charakters als Geburtshelfer durchaus bewusst war. Auch Isis hat in ihrer Funktion als Muttergottheit eine spezifische Konnotation zur Geburt und zum Schutz von Mutter und Kind und erscheint in dieser Form (Muttergöttin mit Kind) auch unter den Amuletten ägyptischen Typs in Juda und Israel, wenn auch nicht in signifikanten Mengen.93 Bei den Horusnamen dürften eher spezifisch männliche Aspekte der Macht und Herrschaft im Vordergrund gestanden haben. Bes erscheint gelegentlich auf Siegeln (Abb. 3.29),94 ist aber weitaus häufiger in israelitisch/judäischen Ortslagen der EZ I–III mit über 60 Stück in Form der ägyptischen Bes-Amulette vertreten (s. Abb. 3.104a–c).95 Die primäre Verwendung der Amulette als Grabbeigabe weist jedoch über den unmittelbaren Kontext des Schutzes der Schwangeren und Kinder hinaus. Zudem zeigen die Bes-Darstellungen auf Pythos A aus Kuntillet Ağrūd (Abb. 3.30),96 dass die ägyptische Gottheit auch außerhalb eines geburtsbezogenen Kontexts eine genderübergreifende Schutzmacht darstellte. Anzumerken ist hier, dass die rechte BesGestalt im Gegensatz zur ursprünglich publizierten Rekonstruktion kein männliches Geschlechtsteil mehr aufweist, also eine weibliche Beset darstellt. Sowohl der Horusknabe (Abb. 3.31)97 als auch der Horusfalke sind auf eisenzeitlichen Siegelamuletten und Abdrücken (Abb. 3.32 aus Jerusalem, EZ IIA–IIB)98 zahlreich vertreten. Das Motiv des Horusknaben findet sich auch im Corpus der Elfenbeine aus Samaria (Abb. 3.33).99 Horusknabe und Horusfalke werden von Keel und Uehlinger im Kontext der Sonnensymbolik gedeutet (GGG § 148; vgl. Uehlinger 1993: 277). In der westsemitischen Rezeption scheint der Falke, insbesondere die Ausführung mit gespreizten Schwingen, jedoch eher eine protektive Funktion analog den geflügelten Genien gehabt zu haben, während eine interpretatio semitica des Horuskindes unklar bleiben muss, da innerhalb des westsemitischen Bereichs keine Kenntnisse der komplexen ägyptischen Mythologie, die mit dem Horuskind verbunden war, vorausgesetzt werden können. Am ehesten wird man hier auch an eine protektive Funktion im Generellen zu denken haben.

91

Siehe Albertz und Schmitt 2012: Table 5.7. HAE Sam(8).1.1.5. 93 Vgl. ÄAAP IV: 308ff. (unter 20). Auch Thoeris-Amulette sind nicht in signifikanter Anzahl vertreten (ebd., 464ff.). 94 CSAP II: Beersheba 5 (= GGG 226b), ähnlich CSAP II: Tel Eton 1 (= GGG 226c). Vgl. GGG 226a, 227, 228; CSAJ Amman 62; WSS 769, 786, 829. 95 ÄAPI IV: 464ff. Von der SB II bis zur hellenistischen Zeit sind es 247 Stück (ebd. 451). 96 Meshel 2012: Fig. 6.5. 97 CSAP I: Achsib 60. Vgl. GGG 241a, b, c; WSS 4, 126, 316. 98 CSAP V: Jerusalem 216 (Abb.); 215, 217; WSS 108, 243, 267; CASJ: Umm Qeis 3. 99 Crowfoot und Crowfoot 1938: Pl. 1,2–3 (= GGG 240). 92

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Kapitel 3

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Abb. 3.29: Bes auf einem Siegel aus Beersheba

Abb. 3.31: Horusknabe, Achsib

Abb. 3.30: Bes und Beset-Darstellung auf Pithos A aus Kuntillet Ağrūd

Abb. 3.32: Horusfalke auf Bulle aus Jerusalem

Abb. 3.33: Horusknabe auf Elfenbeinarbeit aus Samaria

3.2.5 Assyrische und aramäische Götter Theophore Personennamen mit mesopotamischen Göttern sind in der Eisenzeit II nahezu abwesend.100 Präsenter sind mesopotamische Götter jedoch auf Siegeln, insbesondere Ištar (Abb. 3.34a–d)101 und Sin bzw. der Mondgott von Harran, letzterer zumeist in Gestalt seines typischen Symbols, der Mondstandarte mit Troddeln. Dieses Motiv ist etwa 15-mal auf Siegeln aus regulären Grabungen aus Israel und Juda (und 4-mal aus Transjordanien) belegt.102 Drei Abdrücke mit dem Symbol des Mondgottes von Harran aus Jerusalem zeigt Abb. 3.35a–c.103 Weitere, von Keel und Uehlinger als Mondgott von Harran identifizierte Darstellungen (GGG § 178, Figs. 306a–c; Keel 1994: 182ff.) zeigen jedoch eine nicht eindeutig identifizierbare Gottheit im Boot ohne explizite lunare Symbolik, die wohl eher als Sonnengott anzusprechen ist. Häufig sind ferner Astralsymbole, die einfache Mondsichel, der Stern, das Symbol der Ištar (Abb. 3.36),104 Rosetten,105 die Plejaden (Šibitti).106 Etliche Siegel zeigen einen Rhombus als Sternbildsymbol, zumeist in Kom-

100

Albertz und Schmitt 2012: Table 5.8. GGG 286, 287, 288b, 288c. 102 CSAP I: Achsib 11; CSAP II: Bet Zur 7; CSAP III: Tell el-Farʿa Süd 193; CSAP IV: Tell Gamma 49; Geser 3, 394; Halif 24; Hazor 23; CSAP V: Jerusalem 100 (= GGG 297a), 387, 388; GGG 298b (Tell Keisan) 301b, 302c (Shiqmona); McCown 1947: Pl. 54,51 (Tell en-Naṣbeh). In Transjordanien CSAJ: Nebo 1; Tell el-Mazar 23; Tawilan 2. Vgl. WSS 80, 97; GGG 304, 305b. 103 CSAP V: Jerusalem 100, 387, 388. 104 CSAP V: Jerusalem 395 (Abb.); WSS 94, 112, GGG 280b, 282a, 282b, 282c, 284a, 285a, 285b, 286, 287; 289, 290, 301b, 302c. 105 WSS 113, 199, 239. 106 GGG 282c, 315b, 316. 101

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Israelitisch-judäische Religion

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bination mit einem Stern oder der Mondsichel.107 Drei Beispiele mit astraler Symbolik vom Tell el-ʿAǧūl, vom Tel Terumot und aus dem Handel zeigen Abb. 3.37a–c.108 Es ist davon auszugehen, dass die durch die Expansion des neuassyrischen Reiches eröffneten Handelsmöglichkeiten vermehrt zum Import assyrischer Siegel beigetragen haben. Dem Angebot auf dem Markt entsprach offenbar auch eine entsprechende Nachfrage. Die Sichtbarkeit der Astralgötter und ihre Plausibilität scheint – einhergehend mit dem offenkundigen militärischen Erfolg der Assyrer – zu einer Rezeption der assyrischen Astralgötter beigetragen zu haben. Der Besitz von Siegeln mit assyrischen Gottheiten dürfte auch dem Loyalitätserweis gedient haben und war ebenso ein Marker sozialen Prestiges. Dieser eher allgemeine kulturelle Einfluss ist primär im Bereich der persönlichen bzw. familiären Frömmigkeit greifbar und konkurriert hier offenbar in keiner Weise mit Jahwe als Gott der Familie, zumal bei den Personennamen keinesfalls eine Zunahme von Astralgöttern beobachtet werden kann. Die importierten Siegel sind daher nicht als Zeugnisse einer aktiven assyrische Religionspolitik oder gar einer religiösen Propaganda zu werten, zumal entsprechende Funde aus der Hauptstadt Jerusalem eher selten sind109 (zur Rezeption mesopotamischer Götter in der offiziellen Religion siehe Kap. 3.6.4.1).

Abb. 3.34a–d: Importierte assyrische Siegel mit der Darstellung der Ištar

Abb. 3.35a–c: Siegelabdrücke mit dem Symbol des Mondgottes von Harran aus Jerusalem

Abb. 3.36: Bulle mit Sternsymbolen aus Jerusalem

Abb. 3.37a–c: Importierte assyrische Siegel mit Astralsymbolen

107

WSS 86, 152, 338; GGG 284a, 300, 302c, 308, 315a, 315b, 317a. GGG 315 a, b, 316. 109 CSAP V: 100, 382–384, 386, 387, 388 (ausschließlich Abdrücke). 108

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Kapitel 3

3.2.6 „Anikonizität“ und „Transzendenz“ der Götter Das besprochene Material zeigt, dass anthropomorphe Darstellungen großer Gottheiten – mit Ausnahme der astralen Gottheiten assyrischer oder syrischer Herkunft auf importierten Siegeln – keine wichtige Rolle als Motiv in den Gattungen der Kleinkunst der EZ II spielten und sogar auf persönlichen Siegeln sowohl aus Israel und Juda als auch von ihren westsemitischen Nachbarn weitgehend vermieden worden zu sein scheinen. Es existieren weder eindeutig identifizierbare Siegeldarstellungen von Jahwe, Kamoš, El oder Qaus (was gleichzeitig nicht heißen soll, dass es keine anthropomorphen Darstellungen in anderen Medien, wie der Klein- und Großplastik gegeben hat, wie sie in Ammon, Moab und Edom – wenn auch nicht zahlreich – belegt sind). Dies sollte jedoch nicht im Hinblick auf eine „Anikonizität“ der Götter hin interpretiert werden (Mettinger 1995; Keel 2007: § 362), zumal es sich forschungsgeschichtlich um ein Konstrukt handelt, das einem theologischen bias geschuldet ist. Dasselbe gilt für den Transzendenzbegriff, auf den man völlig verzichten sollte. Im antiken Vorderen Orient sind die Götter immer zugleich sowohl „immanent“ als auch „transzendent“. Derartige Kategorien sind daher ohne jeden heuristischen Wert. Für das weitgehende Fehlen von Darstellungen der Hochgötter bieten sich vor allem zwei Erklärungen an, die miteinander konvergieren: Da die meisten Siegel der EZ II entweder phönizische oder assyrische Importe sind, die lokal beschriftet wurden, existieren schlichtweg keine lokalen glyptischen Traditionen hinsichtlich der Darstellung der großen Gottheiten und falls solche auf importierten (vor allem assyrischen) Siegeln dargestellt worden sind, war man sich wohl deren Fremdheit bewusst, was eine Identifizierung mit den lokalen Göttern erschwerte bzw. geradezu verhinderte. Ein weiterer Grund dürfte die Tendenz zur Universalisierung der Hauptgötter, insbesondere der Nationalgötter innerhalb der westsemitischen Religionen des 1. Jahrtausends, gewesen sein. Diese (nicht als Zunahme von „Transzendenz“ misszuverstehende) Entwicklung führte dazu, dass die großen Gottheiten – da allgegenwärtig – nicht notwendigerweise einer bildlichen oder materiellen Repräsentation bedurften bzw. nahezu ausschließlich in Gestalt von Mazzeben (in Kultstätten) oder durch Göttersymbole repräsentiert worden sind. Dies konvergiert mit dem Symbolsystem der familiären Religion, wo die Gottheit als Verwandter keiner ständigen Repräsentation bedurfte. 3.2.7 Dämonen, Vorzeitwesen, Schutzgenien und Götterboten R. Albertz und R. Schmitt 2012: Family and Household Religion in Ancient Israel and the Levant, Winona Lake, 379– 368; G. Ahn und M. Dietrich (Hrsg.) 1996: Engel und Dämonen, FARG 29, Münster; A. Berlejung 2010: There is Nothing Better than More! Texts and Images on Amulet 1 from Arslan Tash, in: JNSL 36/1, 1–42; M. Cogan 1999: A Lamashtu Plaque from the Judean Shephala, in: IEJ 45 (1999), 155–161; J. W. Crowfoot und G. M. Crowfoot 1938: Early Ivories from Samaria, Samaria-Sebaste II, London; J. W. Crowfoot, G. M. Crowfoot und K. M. Kenyon 1957: The Objects from Samaria, Samaria-Sebaste III, London; J. Day 1985: God’s Conflict with the Dragon, Cambridge; J. C. de Moor 1971: The Seasonal Pattern in the Ugaritic Myth of Baʿlu, AOAT 16, Neukirchen-Vluyn; R. Ficker 1978: Art. malʾāk, in: THAT I, 900–908; H. Frey-Anthes 2007: Unheilsmächte und Schutzgenien, Antiwesen und Grenzgänger, OBO 227; Fribourg/Göttingen; M. Görg 1999: Art. Engel, in: RGG4 II, 1279–1280; F. Hartenstein 2007: Cherubim and Seraphim in the Bible and in the Light of Ancient Near Eastern Sources, in: F. V. Reiterer und K. Schöpflin (Hrsg.), Angels: The Concept of Celestial Beings – Origin, Development and Reception, Berlin/New York, 155–188; G. C. Heider 1999: Art Tannin, in: DDD, 834–836; J. W. van Henten 1999: Art. Angel, in: DDD, 45–53; B. Janowski und G. Wilhelm 1993: Der Bock, der die Sünden hinausträgt: Zur Religionsgeschichte des Asasel-Ritus Lev 16,10.21f., in: B. Janowski, G. Wilhelm und K. Koch (Hrsg.), Religionsgeschichtliche Beziehungen zwischen Kleinasien, Nordsyrien und dem Alten Testament. Internationales Symposium Hamburg, 17.-21. März 1990, OBO 129, Fribourg/Göttingen, 109–169; A. Lange, H. Lichtenberger, K. F. D. Römheld (Hrsg.) 2003: Die Dämonen: Die Dämonologie der israelitisch-jüdischen und frühchristlichen Literatur im Kontext ihrer Umwelt, Tübingen; O. Keel 1977: Jahwe-Visionen und Siegelkunst: Eine neue Deutung der Majästätsschilderungen in Jes 6, Ez 1 und 10 und Sach 4, SBS 84/85, Stuttgart; O. Keel 2017: Engelwelten, Fribourg; S. A. Meier 1999: Art. Angel of Jahwe, in: DDD, 53–59; M. Münnich 2006: What did the Biblical Goat-Demons Look Like?, in: UF 38, 523–533; C. Nihan 2017: Les habitants des ruines dans la Bible Hébraïque, in: Th. Römer (Hrsg.), Entre dieux et hommes: anges, démons et autres figures intermédiaires: Actes du colloque organisé par le Collège de France, Paris, les 19 et 20 mai 2014, OBO 286, Fribourg/Schweiz, 88–115; T. Podella 1993: Der „Chaoskampfmythos“ im Alten Testament: Eine Problemanzeige, in: M. Dietrich, M. und O. Loretz, O. (Hrsg.), Mesopotamia – Ugaritica – Biblica, FS Kurt Bergerhof, AOAT 232, Neukirchen-Vluyn/Kevelaer, 283–329; E. Renan 1858: Histoire générale et système comparé des langues sémitiques, Paris; B. Sass 1993: The pre-exilic Hebrew Seals: Iconism vs. Aniconism, in: B. Sass und C. Uehlinger (Hrsg.), Studies in the Iconography of Northwest Inscribed Seals, OBO 125, Fribourg/Göttingen, 194–256; B. Sass 2000: The Small Finds, in: I. Finkelstein, D. Ussishkin und B. Halpern, Megiddo III: The 1992–1996 Seasons, Tel Aviv Institute of Archaeology Series 18, Jerusalem 349–423; B. B. Schmidt 2017: Was there an Early Israelite Pandemonium?, in: T.

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Israelitisch-judäische Religion

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Römer u.a. (Hrsg.), Entre dieux et hommes: anges, démons et autres figures intermédiaires: Actes du colloque organisé par le Collège de France, Paris, les 19 et 20 mai 2014, OBO 286, Göttingen und Fribourg, 172–203; R. Schmitt 2004: Magie im Alten Testament, AOAT 313, Münster; R. Schmitt 2013: Art. Demons II: Hebrew Bible, in: EBR 6, 536– 539; R. Schmitt 2017: Das Skarabäusmotiv auf Stempelsiegeln aus Palästina, AOAT 444, Münster; K. Spronk 1999: Art. Rahab, in: DDD, 684–686; D. Tsamura 2005: Creation and Destruction: A Reappraisal of the Chaoskampf Theory in the Old Testament, Winona Lake; J. van Dijk 1992: The Authenticity of the Arslan Tash Amulets, in: Iraq 54, 65– 68; G. von Rad 19879: Theologie des Alten Testaments, München; P. Volz 1924: Das Dämonische in Jahwe, SGV 110, Tübingen.

3.2.7.1 Dämonen Im Alten Vorderen Orient sah man in Dämonen übernatürliche Wesen bzw. semi-göttliche Numina von zumeist bösartigem Charakter. Sie galten als die Quelle von körperlichen und seelischen Krankheiten, Kindstod und von anderem Leid. In Mesopotamien sah man sie als Nachkommen der Tiamat und daher kosmologisch mit der Vorstellung einer ungeordneten Vorwelt verbunden. Das hellenistische Judentum und der persische Zoroastrismus begreifen Dämonen als widergöttliche Mächte bzw. deren Agenten. Trotz ihres böswilligen Charakters können Dämonen aber auch als apotropäische Numina angesehen werden, indem ihre negativen Aspekte gegen Ihresgleichen gewendet werden. Die Übergänge zwischen Dämonen und anderen potentiell gefährlichen, aber auch hilfreichen Numina, wie den biblischen Seraphim in Dtn 11,8–15 und Jesaja 6, können fließend sein. Auch können funktionale Konvergenzen zwischen Göttern und Dämonen beobachtet werden (Schmidt 2017). In der vorderasiatischen Ikonographie werden Dämonen zumeist als menschlich-tierische oder zoomorphe Kompositwesen mit Körperteilen von Raubtieren wie Löwen, wilden Caniden, Raubvögeln oder von anderen gefährlichen Tieren wie Stieren, Schlangen, Skorpionen etc. konzeptualisiert. Ihr anderweltlicher Charakter wird oftmals durch Flügel angezeigt, ein Charakteristikum, das auch Göttern und Schutzgenien zu eigen ist. Namentlich identifizierbare schädliche Dämonen sind in der lokalen Ikonographie Palästinas der Eisenzeit kaum greifbar, zumal die Übergänge zu apotropäischen Wesenheiten fließend sind und entsprechende Narrative fehlen. Für den westsemitischen Raum bezeugt die Ikonographie des Arslan-Taş-Amuletts (KAI 27, Abb. 3.38)110 die Tier- und Mischgestalt von Dämonen: Die obere Hälfte bildet einen liegenden menschenköpfigen Sphinx mit Horn und einen gehörnten canidenartigen Dämon mit Skorpionschwanz ab, letzterer einen Menschen verschlingend (vgl. Berlejung 2010). Eine Identifikation der beiden Dämonen mit den im Text genannten (die ‚Fliegenden und die ‚Würgerin des Lammes‘) ist jedoch nicht möglich. Es sind zwar auch Fragmente von Amuletten mit der Darstellung der mesopotamischen Lamaštu bekannt, u.a. ein Plakettenfragment aus Naḥal Guvrin (Abb. 3.39),111 diese Objekte dürften jedoch von Assyrern mitgebracht worden sein. Dasselbe gilt für die aus Transjordanien bekannten Darstellungen des löwenköpfigen ugalluDämons.112 Das Alte Testament sowie die jüdisch-hellenistische und später die frühe christliche Literatur teilen den Glauben an schädliche Dämonen mit ihrer (weiteren) Umwelt. Auch wenn die verhältnismäßig jungen mythologischen Texte des Alten Testaments – anders als z.B. im Enuma Elisch – den Ursprung von Dämonen nicht thematisieren und keine explizite Dämonologie entwickeln, so werden die Dämonen in einigen biblischen Traditionen mit der chaotischen Vorwelt in Verbindung gebracht und können durch Hexerei evoziert werden, wie in Hiob 3,8, wo die ‚Verflucher der Tage‘ den Leviatan heraufbeschwören, damit er den Tag von Hiobs Geburt verschlinge. Es ist denkbar, dass die biblische Erzählung über die Gottessöhne in Gen 6 und ihre Elaborierung im äthiopischen Henoch 6–11 traditionsgeschichtlich auf eine ältere Ätiologie vom Ursprung der Dämonen zurückgreifen. Zwar kennt das alttestamentliche Hebräisch keinen Überbegriff für Dämonen, wie in den griechischen Schriften des AT mit δαίμων (Tob 3,8), nichtsdestotrotz erwähnen die Texte eine ganze Anzahl dämonischer Wesen: Mit der lebensfeindlichen Wüste assoziiert sind die śĕʿîrîm (die ‚Haarigen‘) in Lev 17,7; 2 Kön 23,8; Jes 13,21 und 34,14, oft als ‚Bocksdämonen‘ bezeichnet, wiewohl über ihre Gestalt explizit nichts ausgesagt wird. Der Kult der śĕʿîrîm in 2 Chr 11,15 ist nicht viel mehr als eine Polemik, da Dämonen nirgendwo im Alten Orient kultisch verehrt wurden. Dies gilt ebenso für den vermeintlichen Kult der šedîm in Dtn 32,17 und Ps 106,37, die mit den mesopotamischen Schutzgottheiten Šedu bzw. Lamassu 110

WABAT 97a. Cogan 1999: Fig. 2. 112 CSAJ Amman 5; WSS 858; vgl. 758, 802, 845. 111

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Kapitel 3

identifiziert werden können, nicht jedoch mit den šdyn-Göttern aus der Kombination I der Tell-Deir-AllaInschriften, wie von Schmidt (2016: 172ff.) vorgeschlagen. Mit Orten der Verwüstung wird auch der Dämon Lilith in Jes 34,14 zusammen mit den śĕʿîrîm erwähnt. Lilith wird aufgrund der vermuteten Etymologie von laylâ ‚Nacht‘ oftmals als ‚Nachtgespenst‘ angesprochen, ist aber wohl eher eine Adaption der mesopotamischen Lilitu bzw. ardat lilî. Um einen tatsächlichen Nachtdämon dürfte es sich bei dem in Ps 91,5 erwähnten paḥad laylâ, dem ‚Schrecken der Nacht‘ handeln. Jes 13,21; 34,14 und Jer 50,39 erwähnen das Paar ʾiyyîm (‚Wüstling‘) und ṣîyyim (‚Heuler‘), die in Ruinen hausen, sowie die ʾoḥîm (ebenfalls ‚Heuler‘). Für diese liegt eine Interpretation als Dämonen in Gestalt wilder Caniden nahe. Deutlich ist in den (zumeist exilisch-nachexilischen) biblischen Traditionen die Assoziation der genannten Wesenheiten mit Ruinen und der Wüste als Symbolisierungen des Chaos (Schmitt 2013; Nihan 2017). Die Figur des Azazel in Lev 16,8.10.26 wird in der biblischen und post-biblischen Tradition als dämonisches Wesen der Wüste aufgefasst, zu dem der Sündenbock hinaus gesandt wird. Ursprünglich dürfte der Terminus azāʾzēl sich auf ein Eliminationsritual nordsyrisch-anatolischen Ursprungs bezogen haben, dessen Bedeutung den priesterschriftlichen Autoren nicht mehr geläufig war und folglich als Dämon aufgefasst wurde, der sich des Bockes bemächtigte (Janowski und Wilhelm 1993). Einige Dämonen werden von Jahwe selbst zum Vollzug seines Strafhandelns geschickt, wie der maḥšît ‚Zerstörer‘ (Luther: ‚Würgeengel‘) in Ex 12,21b–23, wohl ein Kindstod verursachender Dämon wie die mesopotamische Lamaštu. Mit Krankheiten verbunden sind qeteb und deber, ‚Verzehrung‘ und ‚Seuche‘ (Dtn 32,24; Hab 3,5; Ps 78,50; 91,5; Hi 5,7), wobei letzterer vielleicht mit der westsemitischen Gottheit Qatiba (vgl. KTU 1.5 II 24) zu identifizieren ist. Krankheiten werden aber auch auf Rešep, den alten westsemitischen Gott der Krankheit und der Heilung zurückgeführt (Dtn 32,24; Hab 3,5; Ps 78,48 and Hi 5,7, s. oben 3.2.2.9). Wie Rešep wird auch Deber in Ps 78,48ff. als ‚Engel des Bösen’ tituliert und beide fungieren als Agenten des strafenden Handelns Jahwes. Die wirkungsgeschichtlich prominenteste „dämonische“ Figur ist der Satan (heb. śāṭān ‚Ankläger‘), der in den hebräischen Texten des Alten Testaments freilich noch kein Dämon ist, sondern ein Funktionär Jahwes im himmlischen Hofstaat: So wird in Num 22,22.32 ein Engel, der malʾāk (‚Bote‘) Jahwes als śāṭān bezeichnet und in der Rahmenerzählung des Hiobbuches ist er einer der Gottessöhne, der im himmlischen Rat Jahwes die Funktion eines Chef-Anklägers hat (hier: haśśāṭān ‚der Ankläger‘). Sach 3,1 freilich unterscheidet ihn bereits vom malʾāk. In 1 Chr 21,1 provoziert ein śāṭān David zur Durchführung der Volkszählung, was vielleicht den Beginn einer rein negativen Bewertung dieses Numens markiert. Die Figur des Satans unterstreicht damit die häufig fließenden Übergänge und Ambivalenzen dieser den Göttern der ersten und zweiten Ebene untergeordneten Hilfsgöttern. Forschungsgeschichtlich hat die evolutionistische Theoriebildung des ausgehenden 19. Jh. und beginnenden 20. Jh. den Ursprung der großen Götter in Geistern und Dämonen sehen wollen. Im Anschluss an Renan (1858) hat Volz (1924) auch den Ursprung Jahwes aufgrund seines grausamen und hinterlistigen Charakters in einem bösen Wüstendämon sehen wollen, der, zum Hochgott aufgestiegen, alles Dämonische in sich aufsaugte, so dass Dämonen in der israelitischen Religion funktionslos wurden und keinen Platz mehr neben Jahwe hatten. Für von Rad (19879: 291) hat in der Religion Israels neben Jahwe aufgrund dessen Universalitätsanpruches kein Dämon mehr Raum. Die Volzsche Akkumulations-These und von Rads Jahwe-Universalismus werden, wiewohl gerade letzterer deutlich apologetischen Interessen verpflichtet ist, nach wie vor vertreten, so u.a. von Frey-Anthes (2007: 305), die ausführt, dass die theologische Ursache für das Fehlen eigenständiger Unheilsmächte im AT darin begründet sei, dass Jahwe sowohl über positive als auch negative Aspekte verfüge und in sozio-religiöser Hinsicht daher ein institutionalisiertes Beschwörungswesen in der Königszeit gefehlt habe. Die alttestamentliche Wissenschaft sieht in Dämonen nach wie vor häufig entweder ein Randphänomen, ein kanaanäisches survival oder den Dämonenglauben als mesopotamischen Import, aber nicht als integralen Bestandteil der Jahwe-Religion. Es ist zwar richtig, dass die Texte des Alten Testaments keine Dämonologie entfalten, aber sie setzen die Existenz und den Glauben an Dämonen voraus und kennen eigenständige Unheilsmächte. Die Bildtraditionen der in der EZ bezeugten Mischwesen reichen z.T. bis in die MBZ II B zurück und belegen die Kontinuität von dämonischen Wesen im Symbolsystem. Zudem muss festgestellt werden, dass die zahlreichen Mittlergestalten, Genien und apotropäischen Wesen – gerade aufgrund ihrer Ambivalenz – das Vorhandensein ihrer negativen Folie voraussetzen. Im Kontext der vorderorientalischen Religionen und ihrer Strukturen erscheint eine Welt ohne Dämonen kaum denkbar.

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Israelitisch-judäische Religion

Abb. 3.38: Dämonen auf dem Arslan-Taş-Amulett

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Abb. 3.39: Fragment einer Lamaštu-Plakette aus Naḥal Guvrin

3.2.7.2 Chaosdrachen und Vorzeitwesen Eine Gattung numinoser Wesen für sich bilden die Vorzeitwesen, die in der Forschung auch als „Chaosdrachen“ bezeichnet werden und in den Mythologien des antiken Vorderen Orients in der Regel als Gegner des Hauptes der Götter erscheinen. Die Kontexte des Drachenkampfes können hierbei unterschiedlich sein, wie die Etablierung der Herrschaft eines Gottes (Baʿal und Anat vs. Jammu; Marduk vs. Tiamat), seine Verteidigung, Erhaltung oder Wiedererlangung (Illujanka vs. Teššup; Baʿal vs. Mot in Ugarit), die Abwendung einer für Götter und Welt existenzbedrohenden Gefahr (Illujanka vs. Teššup, Ḫedammu vs. Ištar, Re/Seth vs. Apophis) sowie die Begründung der Weltordnung oder Erschaffung der Jetzt-Welt (Marduk vs. Tiamat). Darüber hinaus lassen sich einmalige primordale (Marduk vs. Tiamat) und zyklische Drachenkämpfe (Baʿal vs. Jammu, Lotanu und Tanannu, Re/Seth vs. Apophis), unterscheiden – wobei der zyklische Charakter nicht immer deutlich ist, wie im Falle des ugaritischen Baʿal-Mythos. Die vorexilische Religion Israels und Judas teilt grundlegende mythologische Muster mit den Religionen der benachbarten Völker, insbesondere aus dem westsemitischen Bereich. Eines dieser Grundmuster ist der Kampf der männlichen Hauptgottheit des Pantheons mit schlangenartigen Drachen. Ikonographisch ist das Motiv des Drachenkampfs schon in der SBZ II/III gut bezeugt (GGG § 45). In der EZ II A findet es sich in Palästina auf der rechten Seite des Taanach-Kultständers Nr. 2, mit der Darstellung einer männlichen Figur, die ein Schlangenwesen gepackt hat (Abb. 3.40).113 Präsent ist das Motiv des Drachenkampfs auch auf einem importierten assyrischen Rollsiegel aus Gezer (Abb. 3.41),114 das sehr wahrscheinlich den Kampf Marduks mit Tiamat wiedergibt, aber natürlich auch im lokalen religiösen Symbolsystem lesbar war. In den alttestamentlichen Traditionen erscheinen die aus der ugaritischen Mythologie bekannten Drachen Leviatan und Tannin sowie Rahab115 als Repräsentanten der chaotischen Kräfte, die dem Prinzip der göttlichen Weltordnung bzw. der Königsherrschaft Jahwes entgegenstehen (Schmitt 2004: 67ff.). Wie in Mesopotamien kann Jahwes Schöpfung und Königtum mit einem urzeitlichen Kampf mit den chaotischen Kräften in Verbindung gebracht werden, die durch die Drachen Tannin und Leviatan repräsentiert werden, wie in Ps 74,12–17. Psalm 74 sieht den Kampf Jahwes mit den Drachen als makrokosmisches Ereignis vor der Etablierung der Weltordnung: Die Drachen als Vertreter des Chaos wurden von Jahwe getötet und nach dem Kampf wird die räumliche und zeitliche Ordnung der Welt konstituiert. Die Frage, ob der Kampf mit dem Drachen in Ps 74 und verwandten Texten als ein einmaliger primordaler oder als zyklischer Kampf gelesen werden muss – wie oft für den ugaritischen Baʿal-Mythos angenommen (de Moor 1971) – ist Ge113

GGG 182c. GGG 284b (= IPIAO IV: 1865). Ein importierter assyrischer Konoidstempel vom Tell Ǧemme (CSAP IV: Tel Gamma 48) zeigt ebenfalls eine gehörnte Schlange. Da die Basis aber zum Teil weggebrochen ist, bleibt es unklar, ob es sich um eine Drachenkampfszene handelt. 115 Leviatan (liwyātan): Jes 27,1; Ps 74,14; 104,26; Hi 3,8; 40,25; Tannin (tannîn): Gen 1,21; Jes 27,1; 51,9; Ps 74,13; Hi 7,12 Rahab (rāhab): Jes 51,9; Ps 40,5; 89,11; Hi 9,13; 26,12; Sir 43,25. 114

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Kapitel 3

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genstand der Diskussion (vgl. Podella 1993; Tsamura 2005). Das Motiv des Drachenkampfs ist zwar grundsätzlich ein Ereignis der Vorwelt, die Gefährdung durch die Mächte des Chaos kann aber auch als gegenwärtiges oder zukünftiges Ereignis konzeptualisiert werden, wie in Jesaja 27,1: An jenem Tag wird Jahwe mit seinem harten und großen und starken Schwert den Leviatan bestrafen, die flüchtige Schlange, den Leviatan, die sich windende Schlange. Den Tanannu im Meer wird er töten.

In Hi 3,7f. wird davon ausgegangen, dass die chaotischen Kräfte von Magiern evoziert werden können, um den Tag der Geburt Hiobs zu verfluchen und damit die Ordnung der Welt auf mikrokosmischer Ebene zu verdrehen (Schmitt 2004: 95f.): 7

Siehe, diese Nacht sei unfruchtbar, es komme kein Jubel aus ihr! Verfluchen sollen sie die Tageverflucher, die kundig sind, den Leviatan zu evozieren.

8

Der vorzeitliche mythologische Kampf zwischen Jahwe und dem Drachen als Verkörperung der ungeordneten Vorwelt bzw. der Bewältigung eines präsentisch drohenden Chaos muss jedoch kein Widerspruch sein. Argumente hinsichtlich einer „Demythologisierung“ der Chaoswesen (Heider 1998) oder eines rein metaphorischen Gebrauchs im Alten Testament (Tsamura 2005: 95) sind als Apologie zu betrachten. Ein Problem für sich ist die Deutung von tehôm in Gen 1,2: Hier wird diskutiert, ob es sich entweder um die depersonalisierte Form eines aus der altkanaanäischen Tradition stammenden Vorzeitwesens (in Ugarit: thm[t]) oder um eine späte Entlehnung aus dem Enuma Elisch (Tiamat – wie schon von Gunkel vorgeschlagen) handelt oder tehôm wird als eine gemein- (proto-) semitische Wurzel mit der Bedeutung ‚Ozean‘ wegdiskutiert. tehôm sei demnach kein mythischer Gegner Jahwes und sein Gebrauch in Genesis habe keinerlei Bezug zum Chaoskampf (Tsamura 2005: 56f.; 196). In der priesterschriftlichen Konzeptualisierung der Schöpfung ist die Eliminierung der Personhaftigheit Tehoms zwar greifbar, der traditionsgeschichtliche Hintergrund eines personhaften Gegners der weltordnenden Gottheit schimmert aber noch deutlich durch. Trotz der überwiegend späten biblischen Traditionen zum Kampf des Wetter- bzw. Königsgottes mit dem Drachen konvergieren diese mit den lokalen ikonographischen Belegen und den mythologischen Überlieferungen aus Ugarit und partizipieren am raum-zeitlichen Kontinuum dieses Mythologems. Von einer späten „Rache des Mythos“ (Niehr 1990: 206f.) kann somit nicht die Rede sein.

Abb. 3.40: Drachenkampfszene vom Taanach-Kultständer 2

Abb. 3.41: Rollsiegel aus Gezer mit Drachenkampfszene

3.2.7.3 Schutzgenien Wie oben dargestellt, kennzeichnet die Religionen Palästinas ein allgemeiner Trend zur Vermeidung der anthropomorphen Darstellung der großen Götter (für Phönizien gilt dies nur eingeschränkt),116 der einhergeht mit einer Universalisierung und Entspezialisierung. Wiewohl die Götter der ersten und zweiten Ebene damit keinesfalls „ferne“ Gestalten sind, dominieren auf den Siegeln geflügelte Schutzmächte, entweder in anthropomorpher Gestalt, als Mischwesen mit menschlichen und tierischen Elementen wie der Sphinx, Tiermischwesen wie der Greif oder andere apotropäische Wesenheiten, wie die Uräusschlange. Geflügelte anthropomorphe Numina und Mischwesen sind durch ihre Charakteristika als ander- bzw. zwischenweltli116

So z.B WSS 736 mit einer thronenden Gottheit auf einem Sphinx. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Israelitisch-judäische Religion

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che Erscheinungen gekennzeichnet oder gelten, wie der Greif und die geflügelte Uräusschlange (v.a. in der ägyptischen Bildtradition), als Bewohner gefährlicher Randgebiete der menschlichen Existenz, der Wüste, aber auch der Unterwelt. Ihnen kommt gerade aufgrund ihrer Ambivalenz eine apotropäische Funktion zu. Numinose Mittlergestalten werden im AT als malʾāk ‚Bote‘ bzw. zur Unterscheidung von menschlichen Boten als malʾāk (hā)ʾĕlōhīm (11-mal) oder malʾāk yhwh (58-mal) bezeichnet (Ficker 1978: 901). Der Großteil der Belege stammt jedoch aus dem DtrG oder anderen Stücken der D-Traditionslinie oder davon abhängigen Texten. Auch die in der späteren Tradition als ‚Engel‘ (LXX: ἄγγελος) aufgefassten Figuren der ‚Gottes‘- oder ‚Göttersöhne‘ (bĕnê ʿĕlyôn: Ps 82,6; bĕnê ʾēlîm: Ps 29,1; 89,7; bĕnê (hā)ʾĕlōhîm: Gen 6,2.4; Hi 1,6; 2,1, 38,7; bar ʾĕlāhîn: Dan 3,25) sind in als vorexilisch zu datierenden Traditionen nicht fassbar. In der vorexilischen textlichen Tradition sind nur unheimliche Wächterwesen wie die Seraphim (śārāp ‚Versenger‘ in Jes 6,2ff., 14,29; 30,6) und Kerubim (1 Sam 4,4; 2 Sam 6,2; Jes 37,16; dazu unten 3.2.7.3.2) bezeugt. Zur Evaluierung des vorexilischen „Bestandes“ an Zwischenwesen und Mittlergestalten müssen daher primär die ikonographischen Befunde herangezogen werden. Die vor allem in der Glyptik, aber auch in anderen Medien der Kleinkunst wie den Elfenbeinarbeiten, belegten Motive von Mischwesen oder Genien sind stilistisch entweder ägyptisierend-phönizisch (levantinischer Koiné-Stil) oder (seltener) assyrisch. Es scheint auch im Hinblick auf die herkunftliche Klassifikation der überwiegend aus dem Kunsthandel stammenden Siegel keine wirklich überprüfbaren nationalen Stile zu geben (die Stücke eindeutig assyrischer Herkunft hier ausgenommen). Es ist daher zu vermuten, dass der Großteil der Siegel aus phönizischen, syrischen und mesopotamischen Werkstätten stammt und dann lokal beschriftet worden ist, zumal es für viele Motive der vermeintlich „assyrisierenden“ Siegel direkte Parallelen aus der neuassyrischen Stempelsiegelglyptik gibt. 3.2.7.3.1 Anthropomorphe Genien Die deutliche Vermeidung von Darstellungen großer Gottheiten auf westsemitischen Siegelamuletten kontrastiert zu der relativ großen Anzahl von Basisgravuren, die anthropomorphe Schutzgenien darstellen. Sowohl in Israel wie in Juda finden sich zumeist zwei- oder vierflügelige Genien in phönizischägyptisierender Ikonographie, z.T. mit ägyptischer Doppelkrone und Lotusblumen tragend (Abb. 3.42, aus der Umgebung von Dan),117 mit weißer Krone und mit Uräus und Gefäß (Abb. 3.43 aus Dor – ein deutlicher phönizischer Import),118 oder ohne weitere göttliche Emblematik (außer den Flügeln), wie auf einem Siegel mit zwei antithetischen Genien aus Jerusalem (Abb. 3.44).119 Summarisch gefertigte Varianten zeigen ein Konoid aus Beth Šemeš, hier eine sechsflügelige Variante mit Flügeln auch an den Füßen (Abb. 3.45)120 und ein Skarabäus aus Gezer (Abb. 3.46).121 Geflügelte männliche Genien finden sich auch auf ammonitischen, moabitischen, phönizischen und aramäischen Siegeln sowie auf anderen Stücken undefinierter Zuordnung.122 Das Motiv wurde auch auf einem Knochengriff aus Hazor (Abb. 3.47)123 sowie auf den Samaria-Elfenbeinen (Abb. 3.48)124 gefunden. Die vierflügelige Figur wurde von Keel und Uehlinger (GGG: § 121) als der jugendliche Baʿal oder als ein numinoses Wesen aus seinem Umfeld identifiziert. Keines dieser Siegel zeigt jedoch göttliche Embleme, die typischerweise mit Baʿal in Verbindung gebracht werden, wie z.B. Blitze oder Stiere, die für die Ikonographie des Wettergottes im ersten Jahrtausend typisch waren. Eine plausiblere Interpretation der geflügelten Figuren ist daher, dass es sich um Schutzgenien handelt, wie sie auch aus der assyrischen Ikonographie (Apkallus) bekannt sind.125 Eine Adaption des Adlerkopf-Apkallus in phönizischer Ikonographie findet sich auf einem unbeschrifteten Siegel aus Tell el-Fārʿa Süd (Abb. 3.49),126 jedoch mit einem eher falkenartigen Kopf mit Sonnenscheibe, wohl inspiriert von Ho-

117

CSAP II: Dan 1; vgl. CSAP II: Dan 24; GGG 211c (= WSS 185), GGG 211a, 211b (= WSS 1149, wahrscheinlich moabitisch); 212 a, b; WSS 1165. 118 CSAP II: Dor 41. 119 CSAP V: Jerusalem 110. 120 CSAP II: Bet-Schemesch 188 (hier als Seth-Baʿal gedeutet). 121 CSAP IV: Geser 426. 122 Aus Ammon: CSAJ Safut 4; Moab: WSS 1020, 1030; Phönizien: WSS 715, 729 (?) und 730; aramäisch: WSS 844; undefiniert: WSS 1087, 1092, 1114, 1119, 1134, 1147, 1149, 1154, 1155. Siehe Übersicht 6. 123 Yadin 1958: Pl. 151. 124 Z.B. Crowfoot und Crowfoot 1938: Pl. IV 3a; XIV, 2. 125 Vgl. CSNAE 341, 347–350, 866, 874, 879 u.ö. 126 CSAP II: Tell el-Farʿa Süd 878(= GGG 213); vgl. WSS 320; CSAJ: Mazar 23. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Kapitel 3

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rus-Darstellungen. Einen zweiten Beleg für einen vogelköpfigen Genius könnte ein Siegel vom Tel Halif (Abb. 3.50)127 bieten, der Kopf ist hier freilich etwas undeutlich.

Abb. 3.42: Vierflügeliger Genius, Oberflächenfund aus der Nähe von Tel Dan

Abb. 3.46: Vierflügeliger Genius, Gezer

Abb. 3.43: Vierflügeliger Genius, Dor

Abb. 3.44: Siegel mit Flügelgenien aus Jerusalem

Abb. 3.47: Vierflügeliger Genius, Beingriff aus Hazor

Abb. 3.49: Adlerkopf-Genius, Tell el-Fārʿa Süd

Abb. 3.45: Sechsflügeliger Genius, Beth Šemeš

Abb. 3.48: Geflügelte Genien, Elfenbeinarbeiten aus Samaria

Abb. 3.50: Vogelkopf(?)-Genius, Tel Halif

3.2.7.3.2 Mischwesen Zwei- und vierflügelige Formen der Uräusschlange als Hauptmotiv sind auf anepigraphischen und epigraphischen Siegeln des 8. bis 7. Jahrhunderts v. Chr. (EZ II B–C) aus Israel und Juda sowie auf einigen wenigen transjordanischen Siegeln,128 einem aramäischen Siegel und zwei Siegeln unbestimmten Ursprungs belegt.129 Nur wenige Stücke stammen aus regulären Grabungen, das Gros aus dem Kunsthandel.130 Im Nordreich ist nur die zweiflügelige Variante belegt: Aus Beth Shean (EZ II B) stammt ein Skaraboid der im mittleren Register zwei antithetische Uräen, ein Hieroglyphenzeichen (Opfermatte) flankierend, zeigt (Abb. 3.51).131 Ein weiteres Siegel aus Megiddo zeigt ebenfalls zwei antithetische geflügelte Uräen (mit deutli-

127

CSAP IV: Tel Halif 4. CSAJ Amman 70; ʿUmeirei 50. 129 WSS 796, 1091, 1124. Vgl. Albertz und Schmitt 2012: Table 5.16. 130 WSS 11, 29, 46, 104, 127, 194, 206, 284, 349, 370, 381, 385, 475. Vgl. Albertz und Schmitt 2012: Table 5.16. 131 CSAP II: Bet Schean 37. 128

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chen Hörnern) über einem Sphinx (Abb. 3.52).132 Hörner trägt auch ein zweiflügeliger Uräus auf einem Siegelabdruck vom Tel Halif (Abb. 3.53).133 Weitere Belege für die zweiflügelige Variante finden sich im Corpus der Samaria-Elfenbeine (Abb. 3.54).134 Die zweiflügelige Variante ist weiter auf einem Siegel aus dem Kunsthandel belegt, das nach Ausweis der Legende einem Priester aus Dor ([…]kry khn dʾr) gehörte (Abb. 3.55).135 Aus Juda sind auf anepigraphischen Siegeln sowohl die „klassische“, schon seit der SBZ in Palästina belegte, ägyptische Form mit zwei Flügeln (Abb. 3.56 und 3.57 aus Jerusalem),136 als auch die unägyptische westsemitische Variante mit vier Flügeln belegt (Abb. 3.58 aus Jerusalem).137 Die vierflügelige Variante erscheint auch auf Abdrücken eines Namenssiegels auf Krughenkeln aus Jerusalem und Lachish (Abb. 3.59).138 Aufgrund der zahlreichen Belege des Motivs hat Keel (1977: 70ff.; vgl. GGG § 161) vorgeschlagen, die vierflügelige Variante mit den biblischen Seraphim aus Jes 6,2.6 zu identifizieren, da hebräisch śārāp ‚Versenger‘ sowohl die zoologische Spezies der giftigen Speikobra als auch das mythologische Wesen bezeichne (vgl. Num 21,6–9; Dtn 8,15; Jes 14,29; 30,6) und im späten 8. und 7. Jahrhundert als apotropäischer Schutzgenius im Umfeld Jahwes wahrgenommen worden sei. So überzeugend diese Interpretation auf den ersten Blick auch sein mag, scheint der Uräus aber auch wie in Abb. 3.52 und 2.53 an den Hörnern zu erkennen, mit der Hornviper identifiziert worden zu sein, was den ambivalenten Charakter der Mischwesen als gefährliche Ungeheuer der Randgebiete menschlicher Existenz widerspiegelt. Ob man der (möglichen) Identifikation mit den Seraphim folgen mag oder nicht, gehört der geflügelte Uräus auf jeden Fall zu den in der EZ II B–C auf Privatsiegeln beliebten apotropäischen Wesen.

Abb. 3.51: Skaraboid aus Beth Shean mit zweiflügeligen Uräen

Abb. 3.55: Siegel des […]kryw khn dʾr mit zweiflügeligem Uräus

Abb. 3.52: Siegel aus Megiddo mit gehörntem Uräus

Abb. 3.56: Siegel mit zweiflügeligem Uräus, Jerusalem

Abb. 3.53: Siegelabdruck mit gehörntem Uräus, Tel Halif

Abb. 3.57: Siegel mit zweiflügeligem Uräus unter Vogelkopfphinx, Jerusalem

132

WSS 1124 (= GGG 246). CSAP IV: Tel Halif 19. 134 Crowfoot und Crowfoot 1938: Pl. 13,4–5 (Umzeichnung: GGG 245). 135 WSS 29 (= GGG 247b). 136 CSAP V: Jerusalem 126, 123. 137 CSAP V: Jerusalem 344. 138 CSAP V: Jerusalem 105; vgl. WSS 689 A–C (Lachish). 133

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Abb. 3.54: Elfenbeinarbeit aus Samaria mit zweiflügeligem Uräus

Abb. 3.58: Siegel mit vierflügeligem Uräus, Jerusalem

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Kapitel 3

Abb. 3.59: Siegelabdruck mit vierflügeligem Uräus, Jerusalem und Lachish

Das Motiv des geflügelten Skarabäus ist in Palästina seit der SBZ I auf ägyptischen Siegelamuletten belegt (Schmitt 2017). Im ägyptischen Symbolsystem ist der Skarabäus-gestaltige Gott Chepri die morgendliche Erscheinung des trimodalen Sonnengottes (Chepri/Re/Atum). Die geflügelte Form entstand in Ägypten wahrscheinlich aus dem Bedürfnis, das Aufsteigen des Sonnengottes aus der Unterwelt in möglichst plastischer Weise zu veranschaulichen. Ursprünglich war das Motiv in den Jenseitsbüchern und ihren Repräsentationen in Grabkammern beheimatet, wurde jedoch auch auf andere Bildträger wie die Siegelamulette übertragen und erfüllt durch die ausgebreiteten Schwingen auch eine Schutzfunktion. In die westsemitische Glyptik fand das Motiv, vermittelt durch Phönizien, wohl seit dem 9. Jh. Einzug, wie einige Stücke der Tyros/Achsib-Gruppe (Abb. 3.60 und 3.61)139 zeigen. Auf Siegeln der EZ II ist das Motiv in Transjordanien, Aram und Phönizien weit verbreitet.140 Die zweiflügelige Variante ist auf ca. 29 derzeit bekannten Siegelamuletten und Abdrücken der EZ II B–C belegt, aus regulären Grabungen 5-mal in Israel und 7-mal in Juda.141 Ein Exemplar aus Samaria und eines aus Jerusalem zeigen Abb. 3.62 und 3.63.142 Die vierflügelige Variante ist mit über 40 Belegen auf Privatsiegeln bzw. Abdrücken und den über 600 lmlk-Stempeln des Typs I und seiner Varianten (davon über 500 aus regulären Grabungen)143 ungleich häufiger. Aus regulären Grabungen ist die vierflügelige Variante zweimal aus Samaria (Abb. 3.64 und 3.65),144 zweimal aus Gezer (Abb. 3.66 und 3.67),145 einmal aus Lachish (Abb. 3.68)146 und dreimal aus Jerusalem (Abb. 3.69 und 3.70)147 belegt. Der geflügelte Skarabäus wird zumeist aufgrund des ägyptischen Hintergrundes im Kontext solarer Symbolik bzw. als Repräsentation des Sonnengottes selbst gedeutet oder aufgrund seines Vorkommens auf den lmlk-Stempeln analog zur Flügelsonne als spezifisch königliches Symbol interpretiert (zur Diskussion Schmitt 2017: 165ff.). Keel (2007: § 482) hat dies zu der These zugespitzt, dass die solare Motivik der offiziellen Stempel die Verbindung Jahwes mit dem Sonnengott von Jerusalem reflektiere. Demgegenüber ist jedoch festzustellen, dass das Motiv zum einem in der westsemitischen Glyptik auf anepigraphischen und epigraphischen Siegeln weit verbreitet ist und daher keine spezielle offizielle oder königliche Assoziation gehabt haben dürfte, und zum anderen, dass die Ikonographie des geflügelten Skarabäus im Kontext der geflügelten Schutzmächte in der westsemitischen Glyptik der EZ II B–C gedeutet werden muss: Analog zu den geflügelten anthropomorphen Genien und den geflügelten Uräen ist daher auch der Skarabäus mit zwei oder vier Flügeln als Schutzmacht bzw. als apotropäisches Wesen zu deuten.

139

CSAP I: Achsib 133, 138. Siehe Übersicht 6. 141 Siehe die Zusammenstellung des Materials in Schmitt 2017: 132f. 142 Abb. Keel 2007: Abb. 290 (= Crowfoot, Crowfoot und Kenyon 1957: Pl. XV, 14); CSAP V: Jerusalem 260. 143 Siehe Lipschits, Sergi und Koch 2011: Table 2. 144 Crowfoot, Crowfoot und Kenyon 1957: Pl. XV, 29 a, b (Umzeichnung des Verfassers). 145 CSAP IV: Geser 445, 459 (459 Umzeichnung des Verfassers). 146 WSS 59. 147 CSAP V: Jerusalem 288, 390 (Umzeichnungen des Verfassers), 289. 140

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Abb. 3.60: Siegel mit zweiflügeligem Skarabäus, Achsib

Abb. 3.61: Siegel mit zweiflügeligem Skarabäus, Achsib

Abb. 3.62: Siegel mit zweiflügeligem Skarabäus, Samaria

Abb. 3.63: Zweiflügeliger Skarabäus, Jerusalem

Abb. 3.64: Vierflügeliger Skarabäus, Samaria

Abb. 3.65: Vierflügeliger Skarabäus, Samaria

Abb. 3.66: Vierflügeliger Skarabäus, Gezer

Abb. 3.67: Vierflügeliger Skarabäus, Gezer

Abb. 3.68: Vierflügeliger Skarabäus, Lachish

Abb. 3.69: Vierflügeliger Skarabäus, Jerusalem

Abb. 3.70: Vierflügeliger Skarabäus, Jerusalem

Der geflügelte Greif in unterschiedlichen Positionen (stehend, laufend, liegend, hockend, grasend) ist ein häufiges Motiv sowohl auf anepigraphischen Siegeln aus Israel und Juda als auch auf hebräischen Namenssiegeln der EZ II B–C148 sowie auf zahlreichen (überwiegend aus dem Handel stammenden) zeitgenössischen ammonitischen, moabitischen, edomitischen, phönizischen und aramäischen Siegeln.149 Aus regulären Grabungen ist das Motiv u.a. auf drei Bullen aus Megiddo (Abb. 3.71),150 aus Jerusalem (Abb. 3.72 und 3.73),151 Gezer (Abb. 3.74),152 Hazor (Abb. 3.75)153 und aus Akko (Abb. 3.76)154 belegt. Abb.

148

WSS 44, 85, 116, 135, 143, 160, 168, 182, 190, 193, 325, 345, 711; GGG 250a, 251, 254a, b. Ammonitisch: CSAJ: Amman 54, Mazar 24; WSS 893, 901, 959; moabitisch: WSS 1023; edomitisch: WSS 1055, 1056; phönizisch: WSS 747; aramäisch WSS 780, 819; unklar oder unklassifiziert: WSS 1123 (= CSAP V: Jericho 1), 1128, 1137, 1146, 1147, 1151, 1172, 1174, 1190, 1192. 150 Sass 2000: Fig. 12.44.1. 151 CSAP V: Jerusalem 35, 226. Vgl. ebd. Jerusalem 123 (als Greif rekonstruiert). 152 CSAP IV: Geser 553a (= WSS 351). 153 CSAP IV: Hazor 92. Vgl. Hazor 103–106: Greif mit Flügelsonne (?) auf Krughenkelabdrücken. 154 CSAP I: Akko 107. Vgl. CSAP II: Bet-Schemesch 55 (hockender Greif mit Roter Krone). 149

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3.77155 zeigt einen neuassyrischen Import aus Gezer mit Beter vor Greif unter Flügelsonnne und Mondemblem. Der Greif ist auch im Corpus der Elfenbeinarbeiten aus Samaria vertreten.156 Das Motiv stammt ursprünglich aus Ägypten, wo es u.a. auf den sog. Zaubermessern des Mittleren Reiches mit weiteren apotropäischen Tieren und Mischwesen belegt ist. In Syrien ist es seit dem 2. Jt. bekannt (vgl. Keel, CSAP Einleitung: § 551) und in Palästina auf ägyptischen Siegelamuletten seit der MBZ II B präsent.157 In Ägypten ist der Greif ein Bewohner der Steppen und damit einer unheimlichen Übergangswelt, wo potentiell gefährliche Monstren und Dämonen hausen. Die Darstellung solcher Ungeheuer hat eine primär apotropäische Funktion in der Abwehr von Übel menschlicher oder dämonischer Ursache. Dies veranschaulicht ein Siegel aus dem Kunsthandel (Abb. 3.78),158 das einen Greifen bzw. einen Vogelkopfsphinx beim Niederwerfen eines Gegners abbildet.

Abb. 3.71: Bulle aus Megiddo mit Greif

Abb. 3.72: Siegel mit Greif, Jerusalem

Abb. 3.73: Siegelabdruck mit Greif, Jerusalem

Abb. 3.75: Siegel mit Greif, Hazor

Abb. 3.76: Siegel mit Greif, Akko

Abb. 3.77: Neuassyrisches Siegel mit Greif, Gezer

Abb. 3.74: Siegel mit Greif, Gezer

Abb. 3.78: Siegel mit Greif einen Gegner niederwerfend, Kunsthandel

Sphingen sind sowohl auf anepigraphischen Siegeln der EZ I–III, wie auch auf als hebräisch klassifizierten Namenssiegeln des EZ II zu finden (vgl. GGG § 150; Sass 1993: 226) und sind ein häufiges Motiv im westsemitischen glyptischen Repertoire der EZ II.159 In der SB II B/III–EZ I ist der Sphinx, sowohl in der Form mit Menschen- und Vogelkopf, wie auch in Gestalt des Amun-Widdersphinx in der ramessidischen Massenware vor allem im Süden vertreten.160 In der Glyptik der EZ II sind Varianten des stehenden menschenköpfigen Sphinx (Abb. 3.79 aus der Region von Lachish),161 des liegenden Sphinx (Abb. 3.57 oben aus Jerusalem) und des vogelköpfigen Sphinx (Abb. 3.80, Tell el-Fārʿa Süd),162 sowie die bärtige 155

CSAP IV: Geser 8. Crowfoot und Crowfoot 1938: Pl. XIII, 4; XIV, 3,4. 157 SSS II: Pl. XLI. 158 WSS 1128 (Umzeichnung Gubel 1993: Fig. 16). Auch dieses Stück ist deutlich nachträglich beschriftet worden. 159 So u.a. Ammonitisch: CSAJ Amman 70; Umm Qeis 2; WSS 893, 901, 959. Moabitisch: WSS 1023. Edomitisch: WSS 1055, 1056. Phönizisch: WSS 747. Aramäisch: WSS 780, 819. Unklarer Herkunft: WSS 1123, 1128, 1137, 1146, 1147, 1151, 1172, 1174, 1190, 1192. Siehe Übersicht 6. 160 So z.B. CSAP III: Tell el-Farʿa Süd: 260, 331, 368, 370, 400, 492, 492, 494, 495, 571, 760, 811 (mit Menschenkopf); 167 (Vogelkopf); 208, 467, 471, 493, 573–577, 653, 654, 758, 875 (Amun-Widdersphinx). 161 Sass 2000: Fig. 12.44.1. 162 GGG 246 (= WSS 369). 156

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assyrische Version (Abb. 3.81 aus Jerusalem)163 belegt. Auch ägyptische Importe der EZ II B–C mit diesem Motiv sind bekannt.164 Sphingen sind ebenfalls auf anderen Bildträgern gut bezeugt: Im Corpus der (aus wohl Phönizien importierten) Elfenbeine aus Samaria und Megiddo sind Sphingen auf zahlreichen Stücken präsent,165 darunter schreitender Sphinx im Papyrusdickicht (Abb. 3.82),166 Sphinx bei der Erbeutung von Wildtieren (Abb. 3.83),167 und (allerdings nur fragmentarisch) Widdersphingen168 sowie Sphinx den Feind niederwerfend.169 Aus dem Nordreich ist ferner das Fragment einer Elfenbeinpyxis mit der Darstellung eines Sphinx aus Hazor bekannt.170 Seltener ist der Sphinx auf ägyptischen Amuletten belegt.171 Bislang ohne unmittelbare Parallele in Juda ist ein kleinplastischer Sphinx aus einem Wohnhaus in Beerscheba (s.u. Abb. 3.108). Eine etwas größere edomitische Sphingenplastik wurde im Heiligtum von Ḥorvat Qitmit gefunden (s.u. Abb. 8.6). Das Motiv war schon in der Mittelbronzezeit auf Skarabäen aus Palästina172 sowie im altsyrischen glyptischen Repertoire bekannt.173 Die Sphingendarstellungen aus Palästina stehen damit (wie auch der Greif) in einer langen lokalen Bildtradition. Wie viele entlehnte Motive aus dem ägyptischen Symbolsystem erfuhr der Sphinx in seiner westsemitischen Adaption eine Transformation, hier von der ursprünglichen ägyptischen Tradition einer Hypostasierung der numinosen Qualitäten des Königs bzw. der Erscheinung des Amun in Gestalt des Widdersphinx, hin zu einem apotropäischen Wesen. Die Ambivalenz des Sphinx als gleichzeitig schützendes und bedrohliches Wesen der Randgebiete menschlicher Existenz verdeutlicht Abb. 3.83 mit der Darstellung eines menschenköpfigen Sphinx, der Capriden reißt. Wie Keel (1977: 15ff.) überzeugend argumentiert hat, kann der Sphinx mit den biblischen Kerubim (ähnlich dem akkadischen kāribu ‚Genius‘, ‚Schutzgeist‘)174 assoziiert werden, zumal auch die assyrische Form in der EZ II C belegt ist. Die alttestamentlichen Traditionen reflektieren eine besondere Beziehung zwischen den Kerubim und Jahwe, der nach den Traditionen über das Heiligtum in Shilo (1 Sam 4,4; 2 Sam 6,2) und den Jerusalemer Tempel (Jes 37,16) als auf einem Keruben-Thron sitzend beschrieben wurde. Die Keruben als Wächterfiguren waren daher wohl Bestandteil des symbolischen Systems der offiziellen judäischen Religion. Im Kontext des Palastes dürfte die apotropäische Funktion der Mischwesen im Vordergrund gestanden haben und ihre Anbringung auf Gegenständen (wohl primär als Einlagen auf Möbeln, aber auch luxuriösen Behältnissen wie Kisten) den magischen Schutz des Königs und der Funktionsträger im Palast gewährleisten.

Abb. 3.79: Stehender Sphinx, Umgebung von Lachish

Abb. 3.80: Vogelköpfiger Sphinx, Tell el-Fārʿa Süd

Abb. 3.81: Bärtiger assyrischer Sphinx, Jerusalem

163

CSAP V: Jerusalem 382. Z.B. CSAP IV: Geser 422. 165 Z.B. Crowfoot und Crowfoot 1938: Pl. V–VII; XIV, 5–7; Loud 1939: Pl. 2, 5, 7; siehe auch Schmitt 2001: 129f. 166 Crowfoot und Crowfoot 1938: Pl. V, 3a. 167 Loud 1939: Pl. 5b. 168 Crowfoot und Crowfoot 1938: Pl. VI, 2. 169 Crowfoot und Crowfoot 1938: Pl. XIV, 7. 170 Barnett 1982: Pl. 45e. 171 ÄAPI I: Nr. 277, 278; II: Nr. 40. 172 SSS II: Pl. XLI. 173 CSANE: 206; 213. 174 Vgl. AHw I: 449; CAD 8: 216. 164

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Abb. 3.82: Schreitender Sphinx, Samaria

Abb. 3.83: Sphinx, einen Capriden reißend, Megiddo

Neben den anthropomorphen Genien, geflügelten Uräen und Skarabäen, Greifen und Sphingen, die z.T. mit aus dem AT bekannten mythologischen Wesen identifiziert werden können, sind in der Glyptik noch eine Anzahl weiterer Mischwesen bekannt (Lamassu/aladlammu, s.o. Abb. 3.7, Skorpionmann,175 geflügelter Löwe,176 geflügeltes Pferd,177 in Transjordanien auch der ugallu-Dämon).178 Hierbei handelt es sich jedoch um Einzelbelege (zumeist aus dem Kunsthandel) oder um importierte mesopotamische Siegel, die keine signifikanten Serien bilden und sehr wahrscheinlich keinen unmittelbaren Bezug zum lokalen religiösen Symbolsystem haben. Assyrische Genien und Mischwesen sind zwar z.T. namentlich identifizierbar, die mit ihnen verbundene Mythologie dürfte in Palästina aber kaum bekannt gewesen sein. Aufgrund der verwandten religiösen Symbolsysteme und ihrer Bildsprache dürfte die apotropäische Funktion dieser Mischwesen jedoch unmittelbar verständlich gewesen sein. 3.2.8 Elemente des religiösen Symbolsystems in der Eisenzeit I–II A 3.2.8.1 Die israelitisch-judäische Götterwelt in der Eisenzeit Die oben genannten epigraphischen und ikonographischen Belege machen in der Zusammenschau – auch wenn die Evidenz lückenhaft und zufällig ist – wahrscheinlich, dass das Pantheon der frühen bzw. ProtoIsraeliten in der Tradition der kanaanäischen Religion der SBZ steht, mit El an der Spitze, Baʿal als Wettergott, Anat als Kriegsgöttin sowie Rešep in der Rolle einer kriegerischen Gottheit und weiterer, nicht namentlich identifizierbarer weiblicher Gottheiten mit Zuständigkeiten in der Reproduktion und des allgemeinen Wohlergehens. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass die textlichen und ikonographischen Belege das früheisenzeitliche Pantheon möglicherweise nicht vollständig abbilden. Nach der Herausbildung von Territorialstaaten in Israel und Juda seit der EZ II A wird Jahwe spätestens im 9. Jh. als Nationalgott des Nord- und Südreichs zur wichtigsten Gottheit sowohl im familiären wie im offiziellen Symbolsystem, ohne freilich El zu ersetzen oder mit ihm zu amalgamieren, vielmehr wird er diesem als Sohn untergeordnet, was auch die Inschrift KA 4.2: 4 nahelegt, wo dem Kontext nach El als ‚der Heilige über die Götter‘ (k{š}dš : ʿly : ʾlm) apostrophiert wird. In Israel und in Juda sind in der Eisenzeit II B–C eine Vielzahl von Göttern belegt. Es kann festgestellt werden, dass die Götterwelt im Nordreich (EZ II B) und im Südreich (EZ II B– C) nach Ausweis der datierbaren epigraphischen Belege aus regulären Grabungen mit den Hauptgöttern El, Jahwe, Baʿal, MLK und Ašerah als Paredra Jahwes deckungsgleich ist (vgl. Tilly und Zwickel 2011: 97). Für das Nordreich ist feststellen, dass aufgrund der onomastischen Belege Baʿal – neben seiner Rolle in der offiziellen Religion – auf jeden Fall eine wichtige Rolle in der familiären Frömmigkeit spielte. Wie die Inschrift 4.2 aus Kuntillet ʿAǧrūd zeigt, hat Baʿal auch seine Funktion als kriegerische Gottheit gegen Ende der EZ II B nicht eingebüßt. 175

WSS 159, in nicht-assyrischer Ikonographie. CSAP V: Jerusalem 225; vgl. WSS 1159. 177 WSS 1113. 178 CSAJ Amman 5; vgl. WSS 758, 802, 845. Siehe Übersicht 6. 176

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Eine Rekonstruktion von Pantheonstrukturen, insbesondere von Filiationen und anderen Verwandtschaftsverhältnisse unter den Göttern ist aufgrund der Quellenlage nur schwer oder bestenfalls unvollständig möglich, dies gilt auch für die Hierarchisierung der Götterwelt. Es ist jedoch zu vermuten, dass El in der EZ I–II nach wie vor das nominelle Haupt im israelitisch-judäischen Pantheon bildete. Dies legen sowohl KA 4.2: 4 und auch der Wortlaut von Dtn 32,8–9 nahe, wo El Eljon (mit 4Q37 seinem Sohn) Jahwe die Rolle des Nationalgottes zuweist. Jahwe nahm als kriegerischer Nationalgott die Funktion des göttlichen „Regierungschefs“ ein und stand gemeinsam mit seiner Paredra Ašerah im Zentrum des offiziellen Kultes. An der Spitze des Pantheons stand damit wohl eine Trias El – Jahwe – Ašerah. Die deuteronomistischen Belege scheinen darüber hinaus darauf hinzudeuten, dass Baʿal im Kontext des lokalen und regionalen Kults keineswegs vom Nationalgott Jahwe vollkommen verdrängt worden ist. Auch wenn Pantheonstrukturen im Wesentlichen im Dunkeln bleiben, so kennen die alttestamentlichen Traditionen doch die Vorstellung einer göttlichen Ratsversammlung, auf die auch Dtn 32,8–9 rekurriert und wohl auch KA 4.2: 4 anspielt. Die biblischen Belege für eine solche Ratsversammlung sind allesamt recht jung.179 Im Hinblick auf die ugaritischen Traditionen einer ‚Versammlung der Gottessöhne‘ (pḫr bn ilm) in KTU 1.4 III 14, der ‚Versammlung der Sterne‘ (pḫr kkbm) in KTU 1.10 I 4 und dem ‚Kreis der Himmlischen‘ (dr dt šmm) in KTU 1.10 I 5 und der Konvergenz mit KA 4.2 kann hier jedoch mit Smith (2001: 41ff.) eine ältere kanaanäische Matrix angenommen werden, die (mindestens) bis in die EZ II persistiert. Das von Smith (2001: 60) vertretene Konzept der Modellierung des Pantheons nach dem Modell des patriarchalen königlichen Haushalts beschreibt die Struktur jedoch nicht hinreichend, da Els Rolle als Göttervater über dem Staatsgott Jahwe keine soziale Entsprechung hat. Trotz der Schwierigkeiten, Hierarchien und Verwandschaftsbeziehungen oder weitere Konstellationen zu etablieren, lassen sich mit Smith (2001: 54ff.) grundsätzlich mehrere Ebenen (tiers) innerhalb des israelitisch-judäischen Pantheons unterscheiden. Im Anschluss an Smith (2001: 164) werden hier drei Ebenen mit dem Nationalgott und den anderen Hochgöttern in der ersten, den übrigen großen Göttern in der mittleren und den Schutzgenien in der unteren Ebene unterschieden. Obere Ebene Trias El (Göttervater) – Jahwe (Nationalgott) – Ašerah Mittlere Ebene Baʿal, MLK, Šalim, Šaḥar, Yariḥ, Šamaš, Mot, Anat, Rešep (?), (Versammlung der Götter) Untere Ebene Genien und apotropäische Mischwesen Chaos-und Vorzeitwesen: Leviatan, Tanannu, Rahab, Tehom (?)

3.2.8.2 Weltbildkonstruktionen und Unterweltstopographien 3.2.8.2.1 Weltbildkonstruktionen F. Hartenstein 1997: Die Unzugänglichkeit Gottes im Heiligtum: Jesaja 6 und der Wohnort JHWHs in der Jerusalemer Kulttradition, WMANT 75, Neukirchen-Vluyn; F. Hartenstein 2001: Wolkendunkel und Himmelsfeste. Zur Genese und Kosmologie der Vorstellung des himmlischen Heiligtums JHWHs, in: B. Janowski und B. Ego (Hrsg.), Das biblische Weltbild und seine altorientalischen Kontexte, FAT 32, Tübingen, 125–179; F. Hartenstein 2007: Die Welt als Bild und als Erzählung. Zur Intermedialität altorientalischer und biblischer Weltkonzeptionen, in: S. Lubs u.a. (Hrsg.), Behutsames Lesen. Alttestamentliche Exegese im interdisziplinären Methodendiskurs: Festschrift für Christoph Hardmeier zum 65. Geburtstag, ABzG 28, Leipzig, 63–88; B. Janowski 2005: Art. Weltbild III: Alter Orient und Altes Testament, in: RGG V, 1057–1058; O. Keel 1985: Das sogenannte altorientalische Weltbild, in: BiKi 40, 157–161; K. Koch u.a. (Hrsg.) 20006: Reclams Bibellexikon, Stuttgart; B. Lang 2001: Art. Weltbild, in: NBL III, 1098–1105; C. Markschies und J. Zachhuber 2008: Die Welt als Bild: Interdisziplinäre Beiträge zur Visualität von Weltbildern, Berlin/New York; M. Oehming 2007: Art. Weltbild IV/2: Altes Testament, in: TRE XXXV, 569–581.

Ein wesentliches Element religiöser Symbolsysteme bilden die Vorstellungen über die Ordnung des Kosmos. Bisherige visuelle Weltbildrekonstruktionen haben sich im Wesentlichen auf die textlichen Befunde, insbesondere auf den priesterlichen Schöpfungsbericht Gen 1,1–2,4a, gestützt. In diesen visuellen Rekonstruktionen erscheint die Erde als eine auf der Urflut ruhende Scheibe, über der sich der bzw. die Himmel 179 In den Psalmen: bĕnê ʿĕlyôn (82,6), bĕnê ʿēlîm (29,1; 89,7) bĕnê (hā) ʿĕlōhîm (Gen 6,2.4; Hi 1,6; 2,1; 38,7); aram. bar ʾĕlāhîn (Dan 3,25).

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aufwölben. Problematisch ist bei diesen Rekonstruktionen im Besonderen, dass Gott bzw. die Götter in ihnen überhaupt nicht vorkommen und implizit von einem Außer-der-Welt-Sein Gottes bzw. der Götter ausgehen. Problematisch erscheint ferner, dass solche Visualisierungen das priesterschriftliche Weltbild zum alttestamentlichen Weltbild überhaupt verabsolutieren. Andere visuelle Weltbildkonstruktionen wie die von Keel (1985), Koch (2000) und Lang (2001) kombinieren aus unterschiedlichen Texten erhobene Vorstellungen, nämlich den priesterlichen Schöpfungsbericht, den Schöpfungspsalm 104, den Chaoskampf, die Jahwe-Vision in Jes 6,1ff. und die Jerusalemer Tempeltheologie miteinander und illustrieren sie mit Motiven aus der Ikonographie Ägyptens und Palästinas. Derart „zusammengebastelte“ Weltbildkonstruktionen sind aufgrund ihres eklektischen Charakters heuristisch wertlos und sind nichts weiter als Gedankenspiele. Da sich Literazität in Israel und Juda erst in der EZ II B durchsetzt und Elitenliteratur mythologischen Inhalts noch späteren Datums ist, ist die religionsgeschichtliche Rekonstruktion hier vollständig auf archäologische bzw. ikonographische Quellen angewiesen. Die hierfür auswertbaren ikonographischen Quellen sind allerdings mehr als spärlich und erlauben aufgrund der Zufälligkeit der Funde nur Einblicke in Zeitfenster und tentative Rekonstruktionen. Die ältesten Weltbildkonstruktionen aus dem Alten Israel sind in Gestalt zweier, z.T. nur fragmentarisch erhaltener, Kultständer der EZ II A aus Taanach belegt (Abb. 3.84 und 3.85).180 Das elaboriertere Exemplar Abb. 3.84 ist in vier Register oder Stockwerke gegliedert. Jedes Stockwerk wird abwechselnd von Löwen und Keruben flankiert. Das untere Register zeigt zwischen zwei Löwen eine nackte Frau, das zweite (von unten) zwei Sphingen, das dritte einen von Capriden flankierten Palmettenbaum und das obere eine Flügelsonne auf einem vierfüßigen Tier zwischen Voluten. Alle genannten Motive sind aus der syropalästinischen Ikonographie gut bekannt: Die nackte Frau könnte – sofern die sie flankierenden Löwen als Attributtiere aufzufassen sind – mit einer weiblichen Göttin vom Qudšu-Typ zu identifizieren sein, deren Nacktheit nicht vorschnell als Fruchtbarkeitsaspekt verstanden werden sollte (Cornelius 2008: 98). Der von Capriden flankierte Palmettenbaum wird daher oft als Symbol dieser weiblichen Gottheit interpretiert, könnte aber auch als die Himmel und Erde verbindenden Weltenachse verstanden werden. Schließlich findet sich über allem der durch die Flügelsonne repräsentierte Himmelsgott auf seinem Symboltier. Dass es sich hierbei nicht etwa um eine willkürliche Zusammenstellung göttlicher Symbole, sondern um eine Darstellung der kosmischen Ordnung handelt, zeigen weitere ikonographische Zeugnisse aus Israel und seiner Umwelt. Verwiesen sei hier nur auf eine (importierte) Elfenbeinplakette in hethitischer Ikonographie aus dem Megiddo des 13./12. Jh. (Abb. 2.4), wo sich über der durch Stiere repräsentierten irdischen Welt und über den Berggöttern als Fundament die himmlische Sphäre erhebt, die von Mischwesen gestützt und vom Himmelsgott im oberen Register dominiert wird. In ähnlicher Weise kann der Kultständer Nr. 1 aus Taanach als Bild der kosmischen Ordnung verstanden werden, wobei die Göttin – hier vielleicht als „Herrin der Tiere“ aufzufassen – und der Himmelsgott die beiden Pole, Himmel und Erde bilden, die durch die Mischwesen gestützt werden und durch den sakralen Baum als Weltenachse verbunden sind. Eine identische Ordnung der Welt verrät der – allerdings nur teilweise rekonstruierbare – Ständer Nr. 2 (Abb. 3.85). Hier erscheint der Weltenbaum im unteren Register. Im oberen Register wäre auch hier eine Repräsentation des Himmelsgottes zu erwarten, die allerdings verloren ist. Auf der rechten Seite von Ständer Nr. 2 findet sich die Darstellung einer männlichen Figur, die eine Schlange würgt (Abb. 3.40). Diese Szene ist mit dem in der altvorderasiatischen Ikonographie weit verbreitetem Ikonem des Kampfes des die Welt ordnenden Gottes, im westsemitischen Raum der Wettergott Baʿal/Hadad, in Israel und Juda Jahwe, mit dem Chaosdrachen zu identifizieren. Ständer Nr. 2 bringt somit ikonographisch die Ordnung der Welt mit dem Chaoskampf in Verbindung. Die auf diesen beiden Stücken repräsentierte vertikale Ordnung der Welt ist auch auf späteren ikonographischen Zeugnissen belegt: So z.B. auf einem Siegelabdruck der EZ II–III aus Akko (Abb. 3.86),181 der unter der Flügelsonne zwei Capriden am sakralen Baum (der Himmelsachse), der einem wohl mit der Lebenswelt zu identifizierenden Berg erwächst, zeigt. Den ikonographischen Befunden nach dominiert in den palästinischen Weltbildkonzeptionen daher eine vertikale Kosmographie, die konkretanschaulich in der Ordnung numinoser Erscheinungen (Götter, Gottessymbole, Mischwesen, Baum als Weltachse) zum Ausdruck gebracht werden. Die vertikale Kosmographie, soweit sie ikonographisch bezeugt ist, unterscheidet den Himmel, zumeist symbolisiert in der Flügelsonne oder anderen astralen Symbolen, als göttliche Sphäre, die von den Mischwesen gestützt wird, und die irdische Sphäre, die ihrerseits 180 181

GGG 182a; 184. CSAP I: Akko 144 (= GGG 362). © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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durch den Baum als Weltachse mit der himmlischen verbunden ist. Die Unterwelt spielt in den bildhaften Konstruktionen des Kosmos hingegen keine Rolle, ebenso wenig der Mensch selbst. Innerhalb dieser vertikalen Kosmographie existieren unterschiedliche Ikoneme bzw. Konstellationen, die unabhängig voneinander, aber auch in Kombination miteinander dargestellt werden können. Zu diesen Ikonemen und Konstellationen gehören a.) der Chaoskampf, b.) der sakrale Baum als Himmelsachse in mehreren Subkonstellationen, c.) der Himmelsgott und seine Repräsentationen, d.) eine Göttin und ihre Repräsentationen und e.) Mischwesen als Elemente der kosmischen Architektur. Der dominante Aspekt aller genannten Konstellationen auf den Bildwerken vom 10. Jh. bis in die nachexilische Zeit ist jedoch die vertikale kosmische Ordnung, in der die konkret-anschaulichen ikonographischen „Bausteine“ ihren festen Platz haben. Die ikonographischen Befunde kontrastieren u.a. mit Hartensteins (1997: 216ff.) Rekonstruktion der kosmologischen Konzeption der Jerusalemer Tempeltheologie, wonach es vorexilisch noch keine explizite Verortung des Wohnortes Jahwes im Himmel gegeben habe, sondern die Vorstellung einer „hintergründigen Präsenz“ Gottes im Tempel auf dem Zion. Erst in exilisch-nachexilischer Zeit habe sich unter mesopotamischem Einfluss die vertikale Konzeption einer kosmischen Achse und der himmlischen Wohnstatt Gottes mit der am Zentrum Zion orientierten horizontalen Konstruktion des Kosmos verbunden. Die oben genannten ikonographischen Belege zeigen indes, dass die Konzeption eines vertikal gegliederten Weltgebäudes mit der in der himmlischen Sphäre angesiedelten Gottheit keinesfalls eine exilisch-nachexilische Entwicklung darstellt, sondern in Israel spätestens seit dem 10. Jh. bekannt war und – der ikonographischen Bezeugung nach – die dominante Vorstellung von der Ordnung des Kosmos war. Eine tempelzentrierte Kosmologie ist vorexilisch nicht greifbar.

Abb. 3.84: TaanachKultständer Nr. 1

Abb. 3.85: Taanach-Kultständer Nr. 2

Abb. 3.86: Siegelabdruck, Akko

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3.2.8.2.2 Unterweltstopographien R. Albertz und R. Schmitt 2012: Family and Household Religion in Ancient Israel and the Levant, Winona Lake, 431– 433; A. A. Fischer 2005: Tod und Jenseits im Alten Orient und Alten Testament, Neukirchen-Vluyn; B. Janowski 2001: Art. Jenseitsvorstellungen II/2 in: RGG4, 406–407; B. Janowski 2003: Konfliktgespräche mit Gott: Eine Anthropologie der Psalmen, Neukirchen-Vluyn; B. Janowski 2009: JHWH und die Toten: Zur Geschichte des Todes im Alten Israel, in: A. Berlejung und B. Janowski (Hrsg.), Tod und Jenseits im alten Israel und in seiner Umwelt, FAT 64, Tübingen, 447–477; T. Podella 1988: Grundzüge alttestamentlicher Jenseitsvorstellungen, in: BN 43, 70–89; T. Podella 2002: Totenrituale und Jenseitsbeschreibungen – Zur anamnetischen Struktur der Religionsgeschichte Israels, in: J. Assmann and R. Trauzettel (Hrsg.), Tod, Jenseits und Identität: Perspektiven einer kulturwissenschaftlichen Thanatologie, VIHA 79, Freiburg/München, 530–561; R. Schmitt 2009b: Totenversorgung, Totengedenken und Nekromantie, in: A. Berlejung und B. Janowski, Tod und Jenseits im Alten Testament und in seiner Umwelt, FAT 64, Tübingen, 501–524.

Im Gegensatz zu Ägypten sind Vorstellungen von der postmortalen Existenz im westsemitischen Kulturraum und in Mesopotamien fast durchaus negativ besetzt. Auch zu diesem Vorstellungskomplex ist die Mehrzahl der Belege exilisch oder postexilisch, jedoch ist im Kontext der Jenseitsvorstellungen mit weitgehenden Kontinuitäten zu rechnen. Die Toten (metīm; in P und H auch nepeš: Lev 19,28; 21,1; Num 5,2; 6,11; 9,10) existieren als Schatten in der Unterwelt (šĕʾōl, in späten Texten wie Hi 26,6; Prov 15,11 und 27,20 auch ’ăbbadōn). Wie in Ugarit kann auch der Begriff ʾereṣ ‚Erde‘ die Unterwelt bezeichnen (Hi 26,7). Synonym können die Begriffe qeber ‚Grab‘ (Ps 88,5), šaḥṭat ‚Grube‘, ‚Grab‘ (Ps 30,19; Jes 51,14; Hi 38,22) sowie bōr ‚Grube‘ verwendet werden. Die šĕʾōl ist unterhalb des Lebensbereiches der Lebenden angesiedelt, man muss hinuntersteigen (yrd), um dorthin zu gelangen und die Toten zu treffen (Gen 37,35). Die šĕʾōl kann aber auch, wie in Ps 88,18 und Hi 26,5; 38,16, unterhalb des Wassers vorgestellt werden. Geographisch gibt es unterschiedliche Lokalisierungen der šĕʾōl: Nach Hi 26,7 liegt sie im Norden, nach 1 Henoch 22–25 jedoch im Westen. Auch die Wüste bzw. deren Ränder als Bereiche der Ödnis und Behausung wilder Tiere sind Bereiche des Todes (vgl. Jes 13,22; Jes 34,10ff.; 43,20; Jer 9,10; Ps 63,10f.). Die konzeptuelle Topographie oder mental map der Totenwelt bietet insgesamt vier Bereiche, wo die šĕʾōl zu lokalisieren ist, die sich jedoch gegenseitig keinesfalls ausschließen: a) Die šĕʾōl als Teil der sichtbaren Welt weit im Norden oder Westen. b) Im empirischen Bereich des Todes, dem Grab oder der Nekropole. c) Einen liminalen Bereich mit unklaren Grenzen, Gruben (’ōbōt), Höhlen, die Nekropole, aber auch die Wüste und die See. d) Einen mythologischen Bereich unterhalb der Erde oder unterhalb der Wasser. Die biblische Jenseitstopographie nimmt daher zum einen eine Trennung der Welt der Lebenden und der Toten vor, indem sie die šĕʾōl in Bereichen lokalisiert, die von den Lebenden nicht betreten werden können, zum anderen gibt es Bereiche, in der beide Welten sich berühren, zumeist Bereiche des Chaos und der Gefahr, wie See und Wüste, aber auch empirische Berührungsbereiche wie Nekropolen, wo die Gräber einen Zugang zur Unterwelt bilden sowie Gruben (’ōbōt) und Höhlen und andere subterrane Bereiche, zu denen auch Jerusalem Cave I–III, die Felskammer Locus 6015 und Samaria Locus E 207 gehören, die als unterirdische Stätten der Totenfürsorge anzusprechen sind (ausführlich unten unter 3.3.3.2.4.2.4). In der hellenistischen Zeit wird, wie u.a. 1 Henoch 22 zeigt, eine sehr viel detailliertere Jenseitstopographie einer Totenwelt im Westen entworfen: Gegliedert in vier Täler, von denen drei dunkel sind und eines hell ist, mit einem Brunnen lebendigen Wassers für die Gerechten. Analog zu der wachsenden Schar der Heere des Himmels, wird die Unterwelt in der hellenistischen Zeit massiv mythologisch aufgeladen. In der neutestamentlichen Zeit ist die Nekropole ein höchst gefährlicher Übergang zwischen der Welt der Lebenden und der der Toten, wo Dämonen und die von ihnen Besessenen hausen, wie in der Geschichte des besessenen Geraseners in Mk 5,1–20. Die Todesschilderungen im Alten Testament sind, wie eingangs bereits bemerkt, überwiegend negativ gefärbt: Nach Ez 32,17–32 liegen die Toten in ihren Gräbern in der šĕʾōl, wie in der sichtbaren Welt, wobei den gefallenen Kriegern eine Ehrenstellung zukommt: Sie lagern bedeckt mit ihrem Schild und mit ihrem Schwert als Kopfstütze (Ez 32,27). Die Unbeschnittenen liegen an einem speziellen Ort, der ihre Schande offenbar macht (Ez 32,30). Nach Jes 16,9 liegen die Toten in Stille und Schlaf bzw. nach Koh 9,4–6 in einem Stadium der Bewusstlosigkeit. Die Toten sind in der šĕʾōl von Gott getrennt (Jes 38,18; Ps 6,6; 88,11ff) und kraftlos (Jes 14,10; Ps 88,5), ja sogar die Könige verlieren all ihre Macht (Ez 32,17–32). © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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Soziale Bindungen scheinen gerissen und verkehrt: Nach Hi 17,13 sind Maden und Würmer des Toten Mutter und Geschwister. Die Forschung hat zwar vielfach eine im kanaanäischen Erbe wurzelnde Vorstellung des Todes als „endgültiges Aus“ (vgl. Janowski 2009: 471f.) konstatiert. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, ist das Band zwischen Lebenden und Toten jedoch keinesfalls zerrissen und eine Kommunikation zwischen Lebenden und Toten vor- und nachexilisch stets möglich.

3.3 Die Ebene der Familienreligion, des Hauskults und der Totenfürsorge 3.3.1 Das hebräische Onomastikon und seine Signifikanz für die familiäre Religion R. Albertz 1978: Persönliche Frömmigkeit und offizielle Religion: Religionsinterner Pluralismus in Israel und Babylon, Stuttgart (Nachdruck Atlanta 2005); R. Albertz 2004: Religious Practices of the Individual and Family: Israel, in: S. I. Johnston (Hrsg.), Religions of the Ancient World: A Guide, Cambridge, MA/London, 429–430; R. Albertz 2008: Family Religion in Ancient Israel and its Surroundings, in: J. Bodel und S. M. Olyan, Household and Family Religion in Antiquity, Oxford u.a., 89–111; R. Albertz 2012: The Relevance of Hebrew Name Seals for Reconstructing Judahite and Israelite Family Religion, in: ders. u.a. (Hrsg.), Family and Household Religion: Toward a Synthesis of Old Testament Studies, Archaeology, Epigraphy, and Cultural Studies, Winona Lake, 33–52; R. Albertz und R. Schmitt 2012: Family and Household Religion in Ancient Israel and the Levant, Winona Lake, 245–367, 482–489, 505–609; J. D. Fowler 1988: Theophoric Personal Names: A Comparative Study, JSOT S. 49, Sheffield; H. Rechenmacher 1997: Personennamen als theologische Aussagen: Die syntaktischen und semantischen Strukturen der satzhaften theophoren Personennnamen in der Bibel, ATSAT 50, St. Ottilien; H. Rechenmacher 2012: Althebräische Personennamen, LOS II.1, Münster; J. H. Tigay 1987: Israelite Religion: The Onomastic Evidence, in P. D. Miller u.a. (Hrsg.), Ancient Israelite Religion: Essays in Honor of Frank Moore Cross, Philadelphia, 157–159.

Eine wesentliche Quelle für die familiäre Religion und ihr Symbolsystem sind – wie insbesondere Albertz (in Albertz und Schmitt 2012; Albertz 1978; 2008) gezeigt hat – die theophoren Personennamen, insbesondere die Prädikationen, mit denen die Götter belegt werden. Das epigraphisch greifbare hebräische Onomastikon der EZ II B–C (und nur für diesen Zeitausschnitt können belastbare Aussagen gemacht werden) wird von männlichen Gottheit dominiert (s. Übersicht 1), wobei Jahwe mit rund 67% aller Belege deutlich heraussticht, gefolgt von El (mit ca. 12 %) und MLK (mit ca. 2% ohne die mit dem Element yhwh gebildeten Gleichsetzungsnamen), im Norden auch Baʿal in signifikanter Häufung (25 % in den Samaria-Ostraka gleich hinter Jahwe mit 51% und El mit 12%). Weitere männliche Gottheiten (Šalim, Mot und der ägyptische Horus) liegen mit 5–20 Einzelbelegen bei unter 1%. Die Vielzahl der Gottheiten zeigt, wie irrelevant die Frage nach Mono- oder Polytheismus gerade im Kontext der familiären Religion ist. Im Hinblick auf die Typologie der Namen (s. Übersicht 2) bilden Danknamen (z.B. Šemayahu ‚Jahwe hat erhört‘182, Baʿalšamaʿ ‚Baʿal hat erhört‘)183 mit 34% und die damit eng verbundene Gruppe der Bekenntnisnamen mit 14,9% (wie Ḥizqiyahu ‚Meine Stärke ist Jahwe‘184 oder Yauʿezer ‚Jahwe ist Hilfe‘185) zusammengenommen die größte Gruppe mit rund der Hälfte (48,9 %) aller Namen. Die Danknamen beziehen sich auf die Rolle der Gottheit als Hilfe in allen möglichen Situationen, als Erhörender, Retter und Schützer des Einzelnen und der Familie. Die nächst größere Einzelgruppe bilden Geburtsnamen (wie Yauʿaśah ‚Jahwe hat gemacht‘186 oder ʾElʿaśa ‚El hat gemacht‘187) mit nahezu 30%. Kleinere Gruppen bilden mit 8% die Gleichsetzungsnamen (wie ʾAḥimelek ‚Mein [göttlicher] Bruder ist MLK‘188 oder ʾAbiyahu ‚Mein [göttlicher] Vater ist Jahwe189) und die Namen des Lobpreises, die vor allem die Größe der Gottheit, ihr aktives Eingreifen und ihre Freundlichkeit gegenüber der Familie hervorheben (wie Śerayahu ‚Yahwe herrscht‘,190 Ṭobyahu ‚Jahwe ist

U.a. HAE 1.82; 1.127; 1.149; 2.29; 5.18; 8.47; 10.62; 21.65–67; 70–73; Mur(8)7,2.4; Arad(7)31,5; Arad (6)27:2. HAE 16.37; 21.74, 75; Arad(6)18:4. 184 HAE 8.19; 10.26; 16.49; 48.1; BMir(8)5:1; Jer(7)5:1. 185 HAE 8.48; Mur(7)2:4. 186 HAE 10.54; KAgr(9)8:1. 187 HAE 10.102, 103; 21.26. 188 U.a. HAE 1.28, 54, 55, 56, 57, 58, 69; Sam(8)1.22:2f.; 23.2; 14,1; Arad(8)72.2 (insgesamt 33 Belege: Albertz und Schmitt 2012: 578). 189 HAE 1.7, 8, 45; Arad(6)27:6. 190 HAE 2.22; 13.58; 16.3; 21.96, 10.103. 182 183

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gut‘,191 Ṭobʾel ‚El ist gut‘192 oder Yoram/Yehoram ‚Jahwe ist erhaben‘)193 mit 4,6 %. Säkulare Namen (ohne theophores Element) sind mit 8,6% vertreten. Die besondere Nähe der Gottheit zur Familie wird durch die – zur Gruppe der Gleichsetzungsnamen gehörigen – vergöttlichten Verwandtschaftsnamen reflektiert, die die Gottheit als Vater (ʾāb) und Bruder (ʾāḥ) oder (seltener) als Mutter (ʾēm), Onkel (ʿam) oder Schwiegervater (ḥam) ansprechen. Nicht selten fehlt hier das theophore Element, jedoch können unterschiedliche, namentlich genannte Gottheiten als Vater (u.a. Jahwe in ʾAbiyahu,194 Baʿal in ʾAbibaʿal195), Bruder (Jahwe in ʾAḥiyahu, El in ʾAḥiʾel, MLK in ʾAḥimelek) oder Onkel (Šalim in ʿAmmišalim) angesprochen werden. Auch männliche Gottheiten werden im Kontext der familiären Religion als ‚Mutter‘ tituliert (wie in ʾAḥiʾem ‚Mein [göttlicher] Bruder ist Mutter‘). Die so bezeichneten Gottheiten sind als Familiengötter anzusprechen, denen sich die familiäre Gruppe besonders verbunden fühlt. Da primär die Nationalgottheit oder eine andere Gottheit der ersten und zweiten Linie des Pantheons als Familiengott gewählt wird, kann hier nicht von einem Ahnenkult gesprochen werden (so van der Toorn 1996: 206ff.). Die Verehrung eines eponymen vergöttlichten Stammvaters ist in der Namengebung nicht greifbar. Auch wenn in der familiären Religion der Nationalgott als Familiengott bevorzugt wird, so fehlt die Prädikation der Gottheit als Verwandter in Zeugnissen der offiziellen Religion, außer in Texten, die den König als Sohn der Gottheit apostrophieren (s.u. Kap. 3.6.3). Im Hinblick auf die familiäre Religion sind insbesondere die Prädikationen in den Geburtsnamen instruktiv: Auf den Danknamen Meremaut, bei dem der Totengott für die sichere Geburt eines Kindes gedankt wird, wurde bereits hingewiesen. Die Erwähnung von Mot ist sicherlich nicht ganz zufällig, denn die Geburtsnamen reflektieren auf vielfältige Weise die mit Schwangerschaft und Geburt verbundenen Risiken für Frauen, die oft mit dem Tod von Mutter und Kind endeten. Die zahlreichen Aspekte innerhalb des familiären Symbolsystems, die die Geburtsnamen reflektieren, können hier nicht im Einzelnen dargestellt werden (s. Albertz und Schmitt 2012: 269ff.; 482ff.). Nach dem hohen Anteil der Geburtsnamen (nahezu 30 % aller Belege) spielte die Geburt eines Kindes eine zentrale Rolle im familiären Symbolsystem. Geburtsnamen enthalten nicht weniger als 74 verschiedene Verbalwurzeln, die die Vielfalt der mit der Schwangerschaft und der Geburt verbundenen religiösen Vorstellungen zum Ausdruck bringen. Dazu gehören die Notlage der Unfruchtbarkeit (vor allem für Frauen in einer patriarchalen Gesellschaft), die Empfängnis, die Schwangerschaft und die Entbindung mit ihren zahlreichen Gefährdungen von Mutter und Kind, die göttliche Begleitung des Neugeborenen in der besonders heiklen Phase nach der Geburt, die hohe Säuglingssterblichkeit und die Integration des Kindes in den Familienverband. Jeder dieser mit der Schwangerschaft und der Geburt verbundenen Umstände hat seine spezifischen religiösen und/oder mythologischen Dimensionen. Geburtsnamen bringen zum Ausdruck, dass die Gottheit interveniert, um die Unfruchtbarkeit der Frauen zu überwinden, ihre Gebete und Gelübde annimmt, ihnen wohlwollende und tröstende Orakel schenkt und ihre Empfängnis, Schwangerschaft und Geburt unter ihren Schutz stellt. Ein zentraler Vorstellungskomplex ist hierbei, dass die Gottheit das Kind im Mutterleib erschafft (Yauʿaśah ‚Jahwe hat gemacht‘, ʾElʿaśa ‚El hat gemacht‘, Qadbeś ‚Bes hat geformt‘). Die Schöpfung des Kindes durch die Gottheit war damit eine zentrale Glaubensüberzeugung innerhalb des familiären Symbolsystems. Die hohe Säuglingssterblichkeitsrate spiegelt sich in der großen Anzahl und Vielfalt der mit der Wurzel šlm ‚Ersatz‘ gebildeten Ersatznamen (u.a. Šallum, Mešullam und der Name des Königs Salomo) wider.196 Während in Israel und Juda ganz deutlich die männlichen Götter innerhalb des Onomastikons dominieren, sind Göttinnen fast völlig abwesend. Belegt sind jeweils einmal Anat, ʾAddat ‚Herrin‘ und Malkah ‚Königin‘.197 Die im Kontext der offiziellen Religion bzw. innerhalb von epigraphischen Zeugnissen der Eliten gut belegte Ašerah fehlt völlig und war in der familiären Religion offenbar bedeutungslos. Die Universalität und Multifunktionalität einiger weniger männlicher Gottheiten dürfte durch die geringe soziale Differenzierung und Spezialisierung und dem damit verbundenen eher bäuerlich-pastoralistischen Wertekanon mit einer weitgehenden Marginalisierung von Frauen in der Öffentlichkeit zusammenhängen. Unter diesen Bedingungen scheint männlichen Gottheiten ein höheres Prestige und wohl auch funktional eine 191

HAE 1.62; 7,3; 9,3-5; Lak(6)1.3:19; 5:9. HAE 9.2. 193 HTAT 116: 7; 1 Kön 22,51; 2 Kön 3,1; 8,16,21 194 HAE 1.7, 8, 45; Arad(6)27:6. 195 HAE Sam(8)1.2:4. 196 Albertz und Schmitt 2012: 600f. 197 Siehe Übersicht 1 (= Albertz und Schmitt 2012: Table 5.7). 192

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höhere Macht und Wirksamkeit zugesprochen worden zu sein. Auch in Ugarit mit seinem ausdifferenzierten Pantheon ist es Baʿal, der bei geschlechtsspezifischen Problematiken, wie z.B. bei Menstruationsbeschwerden, angerufen wird (KTU 1.82: 1f.), nicht aber eine Göttin. Die am häufigste bezeugte Göttin ist Isis (mit 6 Belegen), was vielleicht mit ihrer Rolle als göttlicher Mutter zu verbinden ist, in welcher sie auch auf den ägyptischen Amuletten in Palästina fast omnipräsent (und damit kein ‚exotischer‘ Charakter) war, sowie mit ihrer Funktion als mit dem Königtum verbundene Gottheit und Herrin des Zaubers. Die wenigen mit Göttinnen gebildeten Personennamen sind zudem ausnahmslos männlich, entsprechende Frauennamen fehlen, was mit der männlichen Dominanz im öffentlichen und wirtschaftlichen Leben in einer patriarchalen Gesellschaft zusammenhängt: Im Hinblick auf die Siegel als Quelle theophorer Namen ist deutlich, dass fast nur Männer (und nur sehr wenige Frauen der sozialen Elite) Siegeleigner waren und auch nur Männer als Akteure in wirtschaftlichen Dokumenten (Ostraka) erscheinen. Damit sind genderspezifische Praktiken der Namengebung im Hinblick auf Frauen epigraphisch nur sehr schwer greifbar. Die wenigen bekannten eisenzeitlichen Frauennamen enthalten jedoch überwiegend das theophore Element -yahu, aber auch El ist belegt.198 Eine besondere, genderspezifische Beziehung von Frauen zu einer Göttin reflektieren die Personennamen daher nicht. Deutlich ist im Hinblick auf das durch die theophoren Namen belegte Symbolsystem der Familie, dass deren Erhalt, die Sicherung der Nachkommenschaft und deren Bewahrung angesichts der zahlreichen Unwägbarkeiten von Schwangerschaft und Geburt, deren allgemeine Wohlfahrt und das positive Verhältnis zu den Gottheiten im Vordergrund stehen. Wie unter 3.3.2 zu zeigen sein wird, konvergieren die in den theophoren Namen ausgedrückten Bedürfnisse und Werte der Familie mit den Erkenntnissen über das vom Hauskult repräsentierte Symbolsystem. 3.3.2 Der Hauskult in der Eisenzeit I–III R. Albertz u.a. (Hrsg.) 2014: Family and Household Religion: Towards a Synthesis of Old Testament Studies, Archaeology, Epigraphy, and Cultural Studies, Winona Lake; R. Albertz und R. Schmitt 2012: Family and Household Religion in Ancient Israel and the Levant, Winona Lake, 57–175; B. Alpert Nakhai 2001: Archaeology and the Religions of Canaan and Israel, ASOR Books Vol. 7, Boston, 170–176; B. 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Daviau 1993: Houses and their Furnishings in Bronze Age Palestine: Domestic Activity Areas and Artefact Distribution in the Middle and Late Bronze Ages, JSOT and ASOR Monograph Series 8, Sheffield; P. M. M. Daviau 2001: Family Religion: Evidence for the Paraphernalia of the Domestic Cult, in: J. W. Wevers und M. Weigl (Hrsg.), The World of the Aramaeans II: Studies in History and Archaeology in Honour of P. E. Dion Vol. II, JSOT.S 325, Sheffield, 199–229; P. M. M. Daviau 2008: Ceramic Architectural Models from Transjordan and their Syrian Tradition, in: R. Kühne u.a. (Hrsg.), Proceedings of the 4th International Congress of the Archaeology of the Ancient Near East, 29 March – 3 April 2004 Vol I, Wiesbaden, 293–308; I. J. De Hulster 2017: Figurines in Achaemenid Period Yehud: Jerusalem’s History of Religion and Coroplastics in the Monotheism Debate, ORA 26, Tübingen; I. Finkelstein (Hrsg.) 1993a: Shiloh: The Archaeology of a Biblical Site, Tel Aviv University Monograph Series, Jerusalem; I. Finkelstein 1993b: Art. Shiloh: Renewed Excavations, in: NEAEHL IV, 1366–1370; V. Fritz und A. Kempinski 1983: Ergebnisse der Ausgrabungen auf der Ḫirbet el-Mšāš (Tēl Māśōś), ADPV, Wiesbaden; Y. Garfinkel, S. Ganor und M. G. Hasel 2014: Khirbet Qeiyafa Vol. 2. Excavation Report 2009–2013: Stratigraphy and Architecture (Areas B, C, D, E), Jerusalem; Y. Garfinkel 2017: Khirbet Qeiyafa in the Shephelah: Data and Interpretations, in: S. Schroer und S. Münger (Hrsg.), Khirbet Qeiyafa in the Shephelah: Papers Presented at a Colloquium of the Swiss Society for Ancient Near Eastern Studies Held at the University of Bern, September 6, 2014, OBO 282, Fribourg/Göttingen, 5–59; R. Kletter 2015a: A Clay Shrine Model, in: R. Kletter, I. Ziffer und W. Zwickel, Yavneh II: The ‚Temple Hill‘ Repository Pit, OBOSA 36, Fribourg/Göttingen, 28–84; R. Kletter 2015b: Zoomorphic Vessels, in: ebd., 85–88; R. Kletter und K. Saarelainen 2014: Horses and Riders and Riders and Horses, in: R. Albertz u.a. (Hrsg.), Family and Household Religion: Towards a Synthesis of Old Testament Studies, Archaeology, Epigraphy, and Cultural Studie, Winona Lake, 183–224; S. Kreuzer 2006: Taanach/Tell Taʿannek: 100 Jahre Forschungen zur Archäologie, zur Geschichte, zu den Fundobjekten und zu den Keilschrifttexten, Wiener Alttestamentliche Studien 5, Frankfurt am Main u.a.; G. Loud 198

WSS 33, 38, 40, 41, 42. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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1948: Megiddo II: Seasons of 1935–39, OIP LXII, Chicago; N. Na’aman 2017: Was Khirbet Qeiyafa a Judahite City? The Case against it, in: JHS 17, Article 7, DOI:10.5508/jhs.2017.v17.a7; M. Nissinen und S. Münger 2009: ‘Down the River…’ A Shrine Model from Tel Kinrot in its Context, in: E. Kaptijn und L. P. Petit (Hrsg.), In A Timeless Vale: Archaeological and Related Essays on the Jordan Valley in Honour of Gerrit van der Kooij on the Occasion of his Sixty-fifth Birthday, Archaeological Studies Leiden University 19, Leiden, 129–144; R. Schmitt 2008: Kultinventare aus Wohnhäusern als materielle Elemente familiärer Religion im alten Israel, in: I. Kottsieper, R. Schmitt, J. Wöhrle (Hrsg.), Berührungspunkte: Studien zur Sozial- und Religionsgeschichte Israels und seiner Umwelt, FS Rainer Albertz, AOAT 350, Münster, 441–477; R. Schmitt 2013: Household Religion: Bronze and Iron Ages, in: D. M. Master (Hrsg.), The Oxford Encyclopedia of the Bible and Archaeology Vol 1, Oxford, 519–526; S. Schroer und S. Münger (Hrsg.) 2017: Khirbet Qeiyafa in the Shephelah: Papers Presented at a Colloquium of the Swiss Society for Ancient Near Eastern Studies Held at the University of Bern, September 6, 2014, OBO 282, Fribourg/Göttingen; E. A. R. Willet 1999: Women and Household Shrines in Ancient Israel, Ph.D. Dissertation, Tucson; Y. Yadin 1958: Hazor I: An Account of the First Season of Excavations, 1955, Jerusalem; Y. Yadin 1960: An Account of the Second Season of Excavations, 1956, Jerusalem; Z. Zevit 2001: The Religions of Ancient Israel: A Synthesis of Parallactic Approaches, London und New York; Z. Zevit 2014: The Textual and Sociological Embededness of Israelite Family Religion: Who were the Players, in: R. Albertz u.a. (Hrsg.) 2014: Family and Household Religion: Toward a Synthesis of Old Testament Studies, Archaeology, Epigraphy, and Cultural Studies, Winona Lake, 287–314; I. Ziffer 2016: It is the Land of Honey: Discoveries from Tel Reḥov, The Early Days of the Israelite Monarchy, Tel Aviv; U. Zwingenberger 2001: Dorfkultur der frühen Eisenzeit in Mittelpalästina, OBO 180, Fribourg/Göttingen; W. Zwickel 2015: The World of Cult Stands, in: R. Kletter, I. Ziffer und W. Zwickel, Yavneh II: The ‚Temple Hill‘ Repository Pit, OBOSA 36, Fribourg/Göttingen, 178–193.

3.3.2.1 Elemente des Hauskults in der Eisenzeit I, ca. 1200–1000 v. Chr. Im Gegensatz zu den reichhaltigen Funden von Ritualobjekten im spätkanaanäischen Megiddo sind die Befunde für die früh- bzw. proto-israelitischen Siedlungen der EZ I für die häusliche Kultausübung nur wenig ergiebig, was wohl dadurch zu erklären ist, dass die eher armseligen Siedlungen nur ein beschränktes keramisches Repertoire aufweisen (Zwingenberger 2001: 372). Eine Ausnahme bilden die reichhaltigen Funde aus einem großen Gebäude (Haus 314) vom Tel Masos (Abb. 3.87a–d),199 wobei diese Ortslage möglicherweise Zentrum einer eigenen früheisenzeitlichen Entität gewesen sein könnte. Ein kleiner Seitenraum enthielt neben Gebrauchskeramik eine Reihe von „Sammlerstücken“ (bearbeitete und unbearbeitete Steinobjekte, Knollensteine sowie eine grob bearbeite Löwenfigurine) und ein weiterer Raum einen Kultständer mit separater Schale. Möglicherweise hat es sich bei dem ungewöhnlich großen Haus um das Anwesen eines lokalen Häuptlings oder Clanchefs gehandelt, das auch zeitweise rituellen Verrichtungen diente. Ähnliche Befunde liegen aus Ḫirbet Raddana (Callaway und Cooley 1971; Callaway 1993) und Shiloh (Finkelstein 1993a, b) vor, wo u.a. ebenfalls Kultständer sowie Gefäße mit zoomorphen Appliken in Hauskontexten bzw. in mit Hauskontexten assoziiertem Schutt gefunden wurden. Ein weiteres Gefäß mit zoomorphen Appliken wurde zusammen mit einem Miniaturschrein in einem Haus der EZ I B (Locus 3594) in Kinneret gefunden (Abb. 3.88).200 Die Befunde der EZ I deuten sowohl auf häusliche Votivpraxis und Devotion (Modellschrein) sowie die Darbringung von Speisen und/oder Getränken im Haushalt hin.

199

Montage des Verfassers nach Fritz und Kempinski 1983: Plan 14; Pl. 38a; 150–52; 149; 170.1; 106A–D; 171.7–8 (= Albertz und Schmitt 2012: Fig. 3.45–48). 200 Montage des Verfassers nach Nissinen und Münger 2009: Fig. 3,4. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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Abb. 3.87a: Tel Masos, Area G, Stratum II, Plan von Gebäude 314

Abb. 3.87b: Tel Masos, Gebäude 314, Keramikensemble aus Raum 343

Abb. 3.87c: Tel Masos, Gebäude 314, Keramik und Objekte aus Raum 307

Abb. 3.87d: Tel Masos, Gebäude 314, Keramikensemble aus Raum 331.

Abb. 3.88: Kinneret, Miniaturschrein und Gefäß mit zoomorphen Appliken aus Locus 3594

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3.3.2.2 Elemente des Hauskults in der Eisenzeit II A, ca. 1000–900 v. Chr. Ein etwas deutlicheres Bild häuslicher Kultausübung liefern die Funde aus der Eisenzeit II A, u.a. aus Tel ʿAmal, Beth Shean, Tell el-Fārʿa Nord, Megiddo, Tel Reḥov und Taanach (s. Albertz und Schmitt 2012: 173f. und Table 3.7). Häusliche Ritualensembles, bestehend aus fenestrierten Kultständern, Modellschreinen, zoomorphen Libationsgefäßen, weiblichen Terrakotten und Tierfigurinen wurden in unterschiedlichen Raumzusammenhängen, aber oft im Kontext von Kücheninstallationen gefunden. Zwei Beispiele aus Tel ʿAmal (5 km westlich von Beth Shean) und Tell el-Fārʿah Nord (ca. 11 km nordöstlich von Shechem) mögen hier genügen: Tel ʿAmal Locus 12 (Stratum III) ist Teil eines größeren Wohngebäudes mit gepflasterten Hof, dessen Trümmer durch die Zerstörung versiegelt wurden. Unter den Objekten der Kategorie A fanden sich ein elaborierter dreibeiniger Tonständer, der in der halbkreisförmigen Feuerstelle liegend aufgefunden wurde, sowie das Fragment eines zoomorphen Gefäßes. Darüber hinaus fanden sich eine Lampe (Kategorie B) eine große Schale, sechs Schalen und vier Krüglein (Abb. 3.89).201 Das Inventar sowie die Kücheninstallation deuten auch hier auf rituelle Begehungen im Kontext der Nahrungszubereitung und des Nahrungsverzehrs hin. Auf dem Tell el-Fārʿa Nord fand sich in dem pillared room 439 des Hauses 440 (Stratum VIIb, späte EZ II A) östlich des Eingangs ein Miniaturschrein. Allerdings enthielt der Raum keine weiteren Objekte außer einem Mühlstein. Der Hof des Hauses (Locus 440) enthielt den Torso der Terrakotte einer schwangeren Frau, das Fragment eine Pferdefigurine (Kategorie A), Perlen, einen Anhänger und einen Spielstein (Kategorie B), eine kleine Schale (Kategorie B oder C) sowie einen Krug, ein Krüglein und zwei Schalen. Eine weitere weibliche Figurine wurde nördlich des Hofes in Raum 460 gefunden. Die Funde aus Haus 440 illustriert Abb. 3.90.202 Der unmittelbar links neben dem Eingang gelegene Ofen lässt auch hier eine Assoziation des Materials mit der Nahrungsmittelzubereitung zu. Bei der oft als Kultinstallation bezeichneten Struktur SW 2-7 in Taanach, aus der die beiden oben beschriebenen Kultständer, eine Räuchertasse, Astragale (Gelenkknochen von Schaf oder Ziege als Los- oder Spielsteine) sowie größere Mengen an Haushaltskeramik stammen, handelt es sich wohl um eine „industrielle“ Installation (wahrscheinlich um eine Ölpresse), in der Geräte entweder abgestellt oder gelegentlich (auch) rituell genutzt worden sind (zur Diskussion s. Kreuzer 2006; Albertz und Schmitt 2012: 169ff.). Einen Sonderfall stellt der vieldiskutierte Locus 2081 in Megiddo dar (Loud 1948: 161f., zur Diskussion Albertz und Schmitt 2012: 134ff.): Obwohl das Gesamtlayout des zu Locus 2081 gehörenden Gebäudes nach wie vor unklar ist, scheint es sich um eine in ein großes Wohnhaus integrierte Kultstruktur zu handeln: Die Kultkammer ist ein schmaler Raum von 1,25 x 2,5 m mit indirektem Zugang (siehe Abb. 3.91).203 Das Inventar von Locus 2081 umfasste insgesamt zwei Kalksteinaltäre, drei Ständer, ein singulärer, perforierter Krug (wohl zum Räuchern), zwei Kelche, fünfundzwanzig Schalen, achtundzwanzig Krüge (davon einige zypro-phönizische), sieben Vorratskrüge, eine Lampe, zwei Basaltgefäße und eine größere Menge von Kleinfunden (Astragale in einer Schale, sechs Spielsteine, sechs Stempelsiegel, zwei Amulette, mehrere Anhänger und Perlen sowie Metallobjekte). Vor dem größeren Altar befand sich ein Haufen Asche von verbranntem Getreide. Der Fokus der rituellen Handlungen ist durch die Altäre und den Räucherkrug markiert. Im Zentrum des Kultus standen offenbar Brandopfer von Getreide und Räucheropfer. Wie die Ständer zeigen, dürften auch Libationen und andere Opfergaben wie Brot dargebracht worden sein. Das keramische Inventar, insbesondere die zahlreichen Schalen und Krüge deuten auf den Verzehr von Speisen und Getränken durch die Kultteilnehmer hin. Die Astragale können sowohl zum Spiel als auch – in kultischem Kontext wahrscheinlicher – zur Orakeleinholung durch Losen benutzt worden sein. Wahrscheinlich handelt es sich hier um die Kultstätte einer der lokalen Elite zugehörigen Familie mit einer die Familie selbst übersteigenden sozialen Reichweite. Vergleichbar sind die Funde aus Khirbet Qeiyafa in der Shephela, Stratum VI (Garfinkel 2014; 2017), wo auch eine permanente häusliche Ritualinstallation in einem Eliten-Wohnhaus vorzuliegen scheint: Raum G in Building C10 weist Installationen wie eine Bank und ein Podest auf. Zu den Funden zählen ein Modellschrein aus Kalkstein und einer aus Terrakotta. Raum G in Building C3 enthielt u.a. einen kleinen Basaltaltar und ein Komposit-Libationsgefäß. Weniger deutlich ist der kultische Charakter von Raum J in 201

Montage des Verfassers nach Levy und Edelstein 1972: Pl. XIX; figs. 13,10, 16, 19; 14,1, 5; 15, 1–6; 16, 12 (= Albertz und Schmitt 2012: Fig. 3.2). 202 Montage des Verfassers nach Chambon 1984: Pl. 11; 48.10; 51.15; 56.15; 57.37; 63.4; 65.3; 67.16; 68.5; 69.11; 73.9, 74.7 (= Albertz und Schmitt 2012: Fig. 3.17). 203 Loud 1948: Fig. 101. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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Building D 1. Ob Khirbet Qeiyafa als judäische Siedlung anzusehen ist, wird kontrovers diskutiert (siehe u.a. die Beiträge in Schroer und Münger 2017). Wahrscheinlicher handelt es sich um eine eigene Entität mit starker spätkanaanäischer Tradition (Na’aman 2017). Im Hinblick auf die Zusammensetzung der häuslichen Kultensembles zeigt sich in der EZ II A eine starke Kontinuität zu entsprechen Ensembles aus der SBZ II B/III–EZ I bzw. eine Ähnlichkeit zu den Befunden aus dem spätkanaanäischen Megiddo. Zur häuslichen Kultausübung der Familie in der EZ II A können die häusliche Verehrung der Götter in Miniaturschreinen, Votivpraktiken mit Figurinen und anderen Objekten (Amuletten), Speise- und Trankopfer sowie das Verbrennen von Räucherwerk gezählt werden. Grundsätzlich können die rituellen Akte in unterschiedlichen Räumen vollzogen werden, oft sind die Ritualgeräte jedoch mit Kücheninstallationen oder Keramik zur Speisezubereitung und zum Verzehr assoziiert.

Abb. 3.89: Tel ʿAmal, Locus 12

Abb. 3.90: Tell el-Fārʿa h Nord, Haus 440 mit Ritualobjekten und Keramik

Abb. 3.91: Megiddo Locus 2081

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3.3.2.3 Elemente des Hauskults in der Eisenzeit II B, ca. 900–722/700 v. Chr. Typische Ritualobjekte in Häusern der EZ II B sind Kultständer unterschiedlicher Typen, tripod cups, zoomorphe Libationsgefäße und weibliche Terrakottafigurinen (zumeist Plaketten mit nackter Frau/Brüstehalterin oder Frau mit Rahmentrommel). Auch in der EZ II B erscheint ein gewisses Muster der Konzentration von Ritualobjekten (oft Ständern) in den Bereichen der Nahrungsmittelzubereitung, wobei die zumeist leicht transportierbaren Ritualobjekte auch in anderen Räumen benutzt oder verstaut worden sind, wenn sie nicht in Benutzung waren. Entsprechende Evidenz liefern Wohneinheiten u.a. aus Beth Shean, ʿEin Gev, Tell el-Fārʿa Nord, Hazor, Kinneret, Megiddo und Tell en-Naṣbeh (s. Albertz und Schmitt 2012: Table 3.8.). Einige wenige Beispiele aus Megiddo, Tell Reḥov, Tell el-Fārʿa Nord und Hazor mögen hier genügen. Megiddo Locus 94 H 8 enthielt ein reiches Inventar von Keramik und Objekten, das durch die bei der Zerstörung herabgefallenen Mauern und das Material des Obergeschosses versiegelt wurde (Finkelstein, Ussishkin und Halpern 2000: 310f.). Das Ensemble enthielt einen Kultständer, eine Räuchertasse und das Fragment eines zoomorphen Gefäßes (Kategorie A) sowie zwei Bassin-förmige Gefäße, vierundzwanzig Vorratskrüge, vierundzwanzig Schalen, fünf Kratere, zwölf Kochtöpfe, einen beer jug, fünfzehn Krüge, sechs Krüglein, zwei Kannen, zwei Lampen, eine assyrische Flasche und diverse Geräte zur Nahrungsverarbeitung, wie einen Kalksteinmörser, Stößel und Mühlsteine (Abb. 3.92).204 Der Charakter des Ensembles ist der eines typischen Haushaltsinventars mit Gefäßen und Geräten zur Vorratshaltung, Nahrungszubereitung und Nahrungskonsum. Die hohe Anzahl von Vorratskeramik deutet auf einen Lagerraum hin. Das Ritualensemble gehörte nicht zu einer permanenten Kultinstallation, sondern wurde gemeinsam mit der Gebrauchskeramik verstaut und zur Benutzung hervorgeholt. Das Vorhandensein eines Ständers, der Räuchertasse und des zoomorphen Gefäßes lässt auf Räucher- und Libationsopfer schließen. Die gemeinsame Aufbewahrung von Gebrauchs- und Ritualgerät könnte auf eine Nutzung beider Gruppen, z.B. beim Mahl, hindeuten. Ähnlich zu den Befunden aus Megiddo sind die Funde vom Tel Reḥov Str. IV, wo in zwei Wohneinheiten (CP und CF) aus Stratum IV (2. Hälfte 9. Jh.) quadratische Terrakotta-Hörneraltäre, das Fragment eines durchbrochenen Ständers mit figurativen Appliken, ein zylindrischer Kultständer, ein Modellschrein und ein Model zur Herstellung von Plakettenfigurinen und eine Räuchertasse mit Deckel gefunden wurden (Ziffer 2016: 46ff.). In beiden Gebäuden waren ebenfalls Ritualobjekte mit den Kücheninstallationen assoziiert oder in den Hinterräumen verstaut. In Tell el-Fārʿa Nord ist die EZ II B durch Stratum VII C repräsentiert (Finkelstein 2015: 69). Bei Locus 429a handelt es sich um den hinteren Breitraum eines Drei- bzw. Vierraumhauses. Dieser enthielt eine für diese Zeit typische perforierte Räuchertasse zusammen mit einem Kochtopf und einer Schale (Abb. 3.93).205 Hier scheint, wie u.a. in Tell Halif G 8005, das Ritualgerät im Hinterraum verstaut worden zu sein, wenn es nicht in Nutzung war. Der Hinterraum (Locus 48) eines Vier-Raum-Hauses in Hazor, bestehend aus den Räumen 63, 47a und 35a, enthielt den Ausguss eines zoomorphen Libationsgefäßes (Kategorie A), drei Krüge, darunter einen dekorierten zypro-phönizischen Krug (Kategorie B), eine Schale, einen Kochtopf und einen steinernen Mörser. Locus 47a enthielt einen Elfenbeingriff mit der Darstellung eines geflügelten Schutzgenius (ein Sammlerstück mit apotropäischer Symbolik) sowie ein Ensemble typischer Haushaltskeramik, bestehend aus zwei Schalen, zwei Kochtöpfen, einem Krater und zwei Krüglein. Eine Zusammenstellung der Funde zeigt Abb. 3.94.206 Auffällig an dem Befund ist wiederum, dass Ritualobjekte, wie das fragmentarische Libationsgefäß aus Raum 48 und andere Objekte mit religiöser Symbolik, wie der Elfenbeingriff, im Kontext von typischer Keramik zur Nahrungsmittelzubereitung und Konsum gefunden wurden. Ein weiteres Beispiel aus Hazor (Area A, Stratum V) ist ein Wohnhaus von schmalem Grundriss und insgesamt 4 Räumen (Loci 13–16,44). Der hintere Raum 44 enthielt einen dekorierten fenestrierten Kultständer und das Fragment eines anthropomorphen Objekts, einer Maske oder größeren Figurine (Kategorie A), einen Krug und einen Vorratskrug. (Abb. 3.95).207 Während das Vorhandensein eines dekorierten Ständers in einem Wohnhaus nicht ungewöhnlich ist, ist der Fund der Maske bzw. des Fragments einer großformatigen Ter204

Finkelstein, Usshishkin und Halpern 2000: Fig. 11.43–11.51; III/2, Fig. 12.38:5 (Montage des Verfassers). Montage des Verfassers nach Chambon 1984: Pl. 18; 54,12; 53,9; 57,32 (= Albertz und Schmitt 2012: Fig. 3.19). 206 Montage des Verfassers nach Yadin 1958: Pl. LXV, 6–12; CLI. 207 Montage nach Yadin 1958: Pl. LVII, 22, 6; LX, 10; LVI, 9; Yadin 1960: II, Pl. CCII. 205

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rakottafigurine bislang singulär und könnte ein Hinweis auf die häusliche Verehrung anthropomorpher Kultbilder sein.

Abb. 3.92: Objekte und Keramik aus Megiddo Locus 94 H 8

Abb. 3.94: Hazor, Area A, Objekte und Keramik aus Locus 48 und 47a

Abb. 3.93: Tell el Farʿa Nord Locus 429a, Räuchertasse und Keramik

Abb. 3.95: Keramik, Ständerfragment und anthropomorphes Fragment aus Hazor, Locus 44

3.3.2.4 Elemente des Hauskults in Juda in der ausgehenden Eisenzeit II B–Eisenzeit II C, ca. 722/700–587 v. Chr. Befunde für den Hauskult in der späten Eisenzeit II B bis zur Eisenzeit II C sind in Juda archäologisch besonders gut dokumentiert (u.a. Beersheba, Tell Beit Mirsim, Tel Halif, Lachish, Tell en-Naṣbeh) und bieten ein reichhaltiges Material für die Rekonstruktion der im Haus ausgeübten Riten (siehe Albertz und Schmitt 2012: Table 3.9). Haushalte der späten EZ II B–EZ II C enthalten häufig JPFs, horse and riders, zoomorphe Figurinen und Modellmöbel sowie zoomorphe Gefäße. Es wurden mehr Kalksteinaltäre gefunden als tönerne Kultständer und erstere erscheinen gelegentlich in Paaren oder noch größerer Anzahl (Beersheba Locus 442, Tel Halif G 8005 und F 6, Jerusalem Locus 967). Der auffälligste Wandel in der

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Kapitel 3

Zusammensetzung häuslicher Ritualensembles ist die Dominanz von Votivobjekten: Zoomorphe Figuren, Modellmöbel und anthropomorphe Figuren wie JPFs und horse and riders wurden seriell in größeren Mengen produziert und waren wohl leicht erschwinglich. Entsprechend häufig sind sie in Haus- und Grabkontexten. Beersheba ist eine der ertragreichsten Grabungen für die Frage nach kultischen Vollzügen im Haushalt (s. Albertz und Schmitt 2012: 80ff.). Ein besonders reichhaltiges Inventar lieferte ein Haus aus Stratum III, das aus den Loci 48, 46, 25 and 22 besteht (Abb. 3.96).208 Locus 25 (der rechte pillared room) enthielt an Objekten der Kategorie A eine JPF und einen Miniaturstuhl, aus der Kategorie B eine Miniaturlampe auf scheibengedrehter Basis sowie ein Ensemble aus Gebrauchskeramik bestehend aus vier Kochtöpfen, zwei Schalen, zwei Krüglein und einer Kanne. Ein weiteres Figurinenfragment wurde in Locus 48 gefunden. Auch dieses überwiegend aus Votivobjekten bestehende Ritualensemble weist aufgrund der aus demselben Locus stammenden Gebrauchskeramik auf einen Zusammenhang mit der Herstellung und dem Verzehr von Nahrung. An vergleichbaren Befunden aus Beersheba sind zu nennen der Fund eines zoomorphen Gefäßes zusammen mit einem weiteren Stuhlmodell und einem Krüglein aus einem Vierraumhaus (Locus 808) an der peripheren Straße (Abb. 3.97).209 In der unmittelbaren Umgebung des Hauses wurde ein kleiner Räucheraltar gefunden, der ebenfalls zum Inventar des Hauses gehört haben dürfte. Nennenswert ist – obwohl kein zusammenhängendes Ensemble – der Befund eines weiteren Hauses (Loci 430, 443 und 442 – Abb. 3.98) 210 mit einer JPF und einem Modellstuhl aus Raum 443, zwei Räucherkisten aus dem pillared room 442 und einer Ausgusskanne aus der zentralen Halle Locus 430. Eher untypisch sind zwei Horte von Votivobjekten und collectibles, z.T. aus Bronze, aus Locus 844 und 859, die sehr wahrscheinlich ursprünglich im Obergeschoss des Hauses aufbewahrt worden sind.211 Distinktive Befunde zum Hauskult am Übergang vom 8. zum 7. Jh. liefert das sogenannten „lower house“ (Area S, Level III) in Lachish (Tell ed-Duwēr).212 Das Gebäude besteht aus zwei Flügeln mit insgesamt 10 Räumen, von denen etliche auch Ritualobjekte aufwiesen (Abb. 3.99a–d).213 Raum 3569 enthielt einen durchbrochenen Ständer (Kategorie A), 19 bearbeitete oder abgenutzte Astragale (Kategorie B) und ein Ensemble aus Gebrauchskeramik, bestehend aus drei Schalen, einem Krater, vier Kochtöpfen, einem Krüglein, einem Amphoriskos, einer Flasche und zwei Vorratskrügen. Der nordöstlich davon gelegene Raum 3573 enthielt das Fragment einer zoomorphen Figurine, einen Miniaturaltar (Kategorie A), 29 Astragale in einer Schale und eine Lampe (Kategorie B). Das Inventar der Gebrauchskeramik bestand aus zwei Schalen, zwei Kochtöpfen, einem Krüglein, einem Krug, vier Vorratskrügen, einem holemouth jar sowie einer Basaltschale und mehreren Mühlsteinen. Raum 3582 enthielt zwei Fragmente zoomorpher Figurinen, eine Schale, einen Krater, vier Kochtöpfe, ein schwarzes Krüglein, einen holemouth jar, sieben Vorratskrüge, eine Basaltschale und mehrere Arbeitssteine. Eine Anzahl weiterer Astragale wurde in Raum 3529 gefunden, zusammen mit einem Ensemble von Gebrauchskeramik zur Nahrungszubereitung und Nahrungsverzehr sowie einigen Metallwerkzeugen. Der kleine Raum 3533 im Süden des Hauses enthielt einen Ofen und bildete zusammen mit Raum 3609, der ebenfalls einen Ofen enthielt, den Kochbereich. Raum 3533 enthielt das Fragment einer zoomorphen Figurine zusammen mit einer Schale, einem Krater, einem Kochtopf und einem Krug. Die Inventare von Objekten und Keramik aus den Räumen 3569, 3573, 3582 und 3533 des „lower house“ zeigen wiederum die Verbindung von Ritualgerät und Ritualobjekten mit der Herstellung und dem Konsum von Nahrung. Dem Fundzusammenhang der Geräte und Objekte zufolge verteilten sich unterschiedliche Praktiken (Libation bzw. Nahrungsmittelopfer; Räucherkult, Votivpraxis, evtl. auch eine Orakelpraxis mit den Astragalen) auf unterschiedliche Räume, ohne dass eine klare Spezialisierung oder eine Konzentration ritueller Aktivitäten auf einen bestimmten Raum sichtbar würde.

208

Montage des Verfassers nach Aharoni 1973: Pl. 71, 1–6; 70, 16–21; Plan: Pl. 94 (= Albertz und Schmitt 2012: Fig. 3.6). 209 Nach Aharoni 1973: Pl. 28, 2; 6; 45,4; Plan: Pl. 84. 210 Nach Aharoni 1973: Pl. 52, 1–2; 27,6; 28,5; 75,5; Plan: Pl. 83. 211 Aharoni 1973: Pl. 22–26; 84. 212 Siehe Usshishkin 2004: 478ff. 213 Montage des Verfassers nach Usshiskin 2004: Fig. 26.35: 1–4; Fig. 26.37: 9–12, 26.38; 39: 6–17; 28.40:4; Fig. 28.21:1. 28.39:3. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Israelitisch-judäische Religion

Abb. 3.96: Beersheba, Stratum III; JPF, Modellmöbelfragment und Keramik aus Locus 25

Abb. 3.97: Beersheba, Stratum III, Objekte aus Locus 808

Abb. 3.98: Beersheba, Stratum III, Räucherkisten aus Haus 430

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Abb. 3.99a: Plan Lachish lower house

Abb. 3.99b: Ständerfragment und Keramik aus lower house Locus 3569

Abb. 3.99c: Miniaturaltar, Figurinenfragment und Keramik aus lower house Locus 3573

Abb. 3.99d: Figurinenfragment und Keramik aus lower house Locus 3533

3.3.2.5 Ausblick: Elemente des Hauskults in der Eisenzeit III, babylonische und frühe Perserzeit, ca. 587–450 v. Chr. Im Kontrast zur EZ II C sind die Befunde zum Hauskult in der EZ III und frühen Perserzeit eher spärlich. Dies hängt zum einen mit dem dramatischen Bevölkerungsrückgang nach der Eroberung durch die Neubabylonier, andererseits mit der Zerstörung entsprechender Strukturen in der hellenistisch-römischen Zeit zusammen, auch das lange Zeit anhaltende wissenschaftliche Desinteresse an dieser Periode ist ein Faktor. Wie jedoch anhand von Tell en-Naṣbeh, der bisher einzigen großflächigen Grabung für diesen Zeitraum gezeigt werden konnte, steht der Hauskult in unmittelbarer Kontinuität zur EZ II C (Balcells Gallaretta 2017): Ritualgeräte wie Räucherkisten, Ständer, zoomorphe und anthropomorphe Terrakotten und Libationsgefäße konnten in unterschiedlichen Räumen genutzt werden, jedoch gibt es auch in der neubabylonisch-frühpersischen Periode signifikante Konzentrationen ritueller Paraphernalia im Kontext mit Keramik zur Speisezubereitung und zum Verzehr sowie in Kücheninstallationen. Wiewohl außerhalb ihres ursprünglichen Kontexts, ist die Kontinuität in der Benutzung von zoomorphen und anthropomorphen Terrakotten (JPFs) auch für Jerusalem bezeugt (De Hulster 2017). Die wiederholt von Stern (u.a. 2001: 479) geltend gemachte These einer „Reinigung“ des postexilischen Kults von „paganen“ bzw. „heterodoxen“ Praktiken – insbesondere die rituelle Verwendung von Terrakottafigurinen – darf damit als widerlegt gelten. 3.3.2.6 Die Signifikanz der archäologischen Befunde für die familiäre Religionsausübung Die archäologischen Befunde liefern ein facettenreiches Bild häuslicher Kultausübung von der Eisenzeit I bis zur Eisenzeit III mit einem differenzierten Apparat ritueller Geräte und Einrichtungen. Der auffallendste Befund ist jedoch zugleich ein negativer: Es gibt – anders als gelegentlich angenommen (Willet 1999) – kein standardisiertes Muster häuslicher Kultausübung im Sinne einer in jedem Haus zu findenden Kultnische oder „heiligen Ecke“ mit einem festgelegten Inventar von Objekten und Keramik. Hausschreine sind ein seltenes Phänomen, das auf einige wenige Eliten-Wohnhäuser der EZ II A beschränkt ist. Ritualgeräte können mit Gebrauchskeramik zur Nahrungszubereitung und zum Nahrungsverzehr sowie mit Kücheninstallationen verbunden sein, wurden aber regelmäßig auch in anderen Räumen des Hauses benutzt oder

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verstaut. Wie die Präsenz von Kultständern, Altären, sog. Räuchertassen etc. zeigt, sind Schütt- und Speiseopfer, Räucheropfer und Votivbrauchtum oft mit der Zubereitung von Speisen und mit dem gemeinsamen Mahl der Familie verbunden. Die Funde aus dem unmittelbaren Bereich der Nahrungsmittelzubereitung weisen auf die wichtige Funktion von Frauen bei den rituellen Vollzügen innerhalb der Familien hin. Generell steht der Symbolismus insbesondere der Ritualobjekte aus Ton (JPFs, Pferd-und-Reiter-Figurinen, Tierfiguren von Vierbeinern und Vögeln, Modellmöbel etc.) mit der Fruchtbarkeit und der generellen Wohlfahrt der Familie und dem positiven empowerment in Zusammenhang und bringt ihre Bedürfnisse und Werte zum Ausdruck. Das aus den archäologischen Befunden rekonstruierte symbolische System reflektiert damit im Großen und Ganzen dasjenige der theophoren Personennamen. 3.3.3 Riten im Kontext der familiären Religion R. Achenbach 1991: Israel zwischen Verheißung und Gebot: Literarkritische Untersuchungen zu Deuteronomium 5– 11, EHS Reihe XIII: Theologie, Bd. 422, Frankfurt am Main u.a.; S. Ackerman 1987: “And the Women Knead Dough”: The Worship of the Queen of Heaven in Sixth-Century Judah, in: P. L. Day (Hrsg.), Gender and Difference in Ancient Israel, Minneapolis, 109–124; S. Ackerman 1992: Under Every Green Tree: Popular Religion in SixthCentury Judah, HSM 46, Atlanta; S. Ackerman 1998: Warrior, Dancer, Seductress, Queen: Women in Judges and Biblical Israel, Anchor Bible Reference Library 17, Garden City; S. Ackerman 2003: At Home with the Goddess, in: G. W. Dever und S. Gitin (Hrsg.), Symbiosis, Symbolism, and the Power of the Past: Canaan, Ancient Israel, and Their Neighbors: From the Bronze Age through Roman Palaestina, Winona Lake, 455–468; S. Ackerman 2008: Household Religion, Family Religion, and Women’s Religion in Ancient Israel, in: J. Bodel und S. M. Olyan (Hrsg.), Household and Family Religion in Antiquity, The Ancient World: Comparative Histories, Oxford u.a., 127–158; S. Ackerman 2014: Women’s Rites of Passage in Ancient Israel: Three Case Studies (Birth, Coming of Age, and Death, in: R. Albertz u.a. (Hrsg.), Family and Household Religion: Toward a Synthesis of Old Testament Studies, Archaeology, Epigraphy, and Cultural Studies, Winona Lake, 1–32; R. Albertz 2004: Religious Practices of the Individual and Family: Israel, in: S. I. Johnston (Hrsg.), Religions of the Ancient World: A Guide, Cambridge/London, 429–430; R. Albertz 2008: Family Religion in Ancient Israel and its Surroundings, in: J. Bodel und S. M. Olyan, Household and Familily Religion in Antiquity, Oxford u.a., 89–111; R. Albertz 2012: Exodus, ZBK 2.1, Zürich; R. Albertz 2015: Exodus Band I: 18–40, ZBK 2.2, Zürich; R. Albertz und R. Schmitt 2012: Family and Household Religion in Ancient Israel and the Levant, Winona Lake, 387–473; J. Berlinerblau 1991: The Israelite Vow: Distress or Daily Life?, in: Biblica 72, 548–555; J. Berlinerblau 1996: The Vow and the ‘Popular Religious Groups’ of Ancient Israel: A Philological and Sociological Inquiry, JSOT.S 210, Sheffield; M. Bauks 2010: Jephtas Tochter: Traditions-, religions- und rezeptionsgeschichtliche Studien zu Richter 11,29–40, FAT 71, Tübingen; A. Bertholet 1926: Das Dynamistische im Alten Testament, Sammlung gemeinverständlicher Vorträge und Schriften aus dem Gebiet der Theologie und Religionsgeschichte 121, Tübingen; E. Blum 1998: Art. Beschneidung II. Bibel, in: RGG4 Bd. 1, 1355–1356; T. G. Crawford 1992: Blessing and Curse in Syro-Palestinian Inscriptions of the Iron Age, AmUSt.TR VII 120, New York u.a.; T. M. Cartledge 1992: Vows in the Hebrew Bible and the Ancient Near East, JSOT.S 147, Sheffield; F. Crüsemann 1978: „… er aber soll dein Herr sein“ (Gen 3,16): Die Frau in der patriarchalischen Welt des Alten Testaments, in: F. Crüsemann und H. Thyen (Hrsg.), Als Mann und Frau geschaffen: Exegetische Studien zur Rolle der Frau, Kennzeichen Bd. 2, Gelnhausen, 13–106; U. Dahm 2003: Opferkult und Priestertum in Alt-Israel: Ein Kultur- und religionswissenschaftlicher Beitrag, BZAW 327, Berlin/New York; M. Douglas 1999: Leviticus as Literature, Oxford; M. Douglas 2004: Jacob’s Tears: The Priestly Work of Reconcilation, Oxford; C. Friedl 2000: Polygynie in Mesopotamien und Israel: Sozialgeschichtliche Analyse polygamer Beziehungen anhand rechtlicher Texte aus dem 2. und 1. Jahrtausend v. Chr., AOAT 277, Münster; E. S. Gerstenberger 1980: Der bittende Mensch: Bittritual und Klagelied des Einzelnen im Alten Testament, WMANT 51, Neukirchen-Vluyn; E. S. Gerstenberger 1988: Psalms. Part I with an Introduction to Cultic Poetry, FOTL 14, Grand Rapids; E. S. Gerstenberger 1996: Welche Öffentlichkeit meinen das Klage- und das Danklied?, in: JBTh 11, 69–89; E. S. 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Kapitel 3

Culture of Israelite Women, Minneapolis; C. Meyers 2011: Archaeology – A Window to the Lives of Israelite Women, in: I. Fischer u.a. (Hrsg.), The Bible and Women: An Encyclopedia of Exegesis and Cultural History, Atlanta/Leiden, 61–180; C. Meyers 2014: Feast Days and Food Ways: Religious Dimensions of Household Life, in: R. Albertz u.a. (Hrsg.), Family and Household Religion: Toward a Synthesis of Old Testament Studies, Archaeology, Epigraphy, and Cultural Studies, Winona Lake, 225–245; C. W. Mitchell 1983: The Meaning of brk ‚To Bless‘ in the Old Testament, SBL Dissertation Series 95, Atlanta; S. Mowinckel 1924: Segen und Fluch in Israels Kult und Psalmdichtung, Psalmenstudien V, Nachdruck Amsterdam 1966; J. Naveh 2001: Hebrew Graffiti from the First Temple Period, in: IEJ 51, 194–207; S. M. Olyan 2008: Family Religion in Israel and the Wider Levant of the First Millenium BCE, in: J. Bodel und S. M. Olyan (Hrsg.), Household and Family Religion in Antiquity, The Ancient World: Comparatives Histories, Oxford u.a., 113–126; E. Otto 1983: Art. Feste und Feiertage II: AT, in: TRE XI, 96–106; J. Pedersen 1914: Der Eid bei den Semiten, Strassburg; S. Otto 2001: Jehu, Elia und Elisa: Die Erzählung von der Jehu-Revolution und die Komposition der Elia-Elisa-Erzählungen, BWANT 152, Stuttgart u.a.; C. Pressler 1993: The View of Woman Found in the Deuteronomic Family Laws, BZAW 216, Berlin/New York; T. Prosic 2004: The Development and Symbolism of Passover until 70 CE., JSOT.S 414, London/New York; R. K. Ritner 2008: Household Religion in Ancient Egypt in: J. Bodel und S. M. Olyan (Hrsg.), Household and Family Religion in Antiquity, The Ancient World: Comparatives Histories, Oxford u.a., 171–196; G. Robinson 1988: The Origins and Development of the Old Testament Sabbath: A Comprehensive Exegetical Approach, Beiträge zur Biblischen Exegese und Theologie 21, Frankfurt am Main u.a.; R. Sauerwein 2014: Elischa: Eine redaktions- und religionsgeschichtliche Studie, BZAW 465, Berlin/Boston; C. Schlund 2005: „Kein Knochen soll gebrochen werden“, WMANT 107, Neukirchen-Vluyn; B. B. Schmidt 2013: Kuntillet ʿAjrud’s Pithoi Inscriptions and Drawings: Grafitti or Scribal-Artisan Drafts, in: MAARAV 20/1, 53–82; B. B. Schmidt 2016: The Materiality of Power: Explorations in the Social History of Early Israelite Magic, FAT 105, Tübingen; R. Schmitt 2004: Magie im Alten Testament, AOAT 313, Münster, 123–138; M. Stol 2000: Birth in Babylonia and the Bible: Its Mediterranean Setting, Cuneiform Monographs 14, Groningen; T. Sundermeier 1992: The Meaning of Tribal Religions for the History of Religion: Primary Religious Experience, in: Scriptura 10, 1– 9; T. Sundermeier 1999: Was ist Religion?: Religionswissenschaft im theologischen Kontext: Ein Studienbuch, ThB 96, Gütersloh; S. J. Tambiah 1968: The Magical Power of Words, in: Man n.s. 3/2, 175–208; S. J. Tambiah 1990: Magic, Science, Religion, and the Scope of Rationality, The Lewis Henry Morgan Lectures 1984, Cambridge; A. C. Thiselton 1974: The Supposed Power of Words in the Biblical Writings, in: JThS 25, 283–99; H. Tita 2001: Gelübde als Bekenntnis: Eine Studie zu den Gelübden im Alten Testament, OBO 181, Fribourg/Göttingen; K. van der Toorn 1994: From her Cradle to her Grave: The Role of Religion in the Life of the Israelite and the Babylonian Woman, The Biblical Seminar 23, Sheffield; K. van der Toorn 1996: Family Religion in Babylonia, Syria and Israel: Continuity and Change in the Forms of Religious Life, SHCANE 7, Leiden; K. van der Toorn 2003: Nine Months among the Peasants in the Palestinian Highlands: An Anthropological Perspective on Local Religion in the Early Iron Age, in: W. G. Dever und S. Gitin (Hrsg.), Symbiosis, Symbolism, and the Power of the Past: Canaan, Ancient Israel, and Their Neighbors: From the Bronze Age through Roman Palaestina, Winona Lake, 393–410; A. Wagner 1997: Sprechakte und Sprechaktanalyse im Alten Testament: Untersuchungen im biblischen Hebräisch an der Nahtstelle zwischen Handlungsebene und Grammatik, BZAW 253, Berlin/New York; P. Weimar 1980: Die Berufung des Mose: Literaturwissenschaftliche Analyse von Exodus 2,23–5,5, OBO 32, Fribourg; P. Weimar 2007: „Und er nannte seinen Namen Perez“ (Gen 28,29): Erwägungen zu Komposition und literarischer Gestalt von Gen 38 (Teil 1), BZ 51, 193–215; J. Wellhausen 1887: Reste arabischen Heidentums, Berlin; J. Wellhausen 19276: Prolegomena zur Geschichte Israels, Berlin; K. W. Weyde 2004: The Appointed Festivals of YHWH: The Festival Calendar in Leviticus 23 and the sukkôt Festival in Other Biblical Texts, FAT II,4, Tübingen; C. Westermann 1978: Blessing in the Bible and the Life of the Church, Philadelphia.

3.3.3.1 Einleitung Die archäologischen Befunde zum Hauskult und zur Totenfürsorge verweisen auf die Bedeutung der rituellen Praxis im Kontext der Familie im Haus und am Grab. Die materielle Hinterlassenschaft bezeugt den Vollzug von Riten innerhalb des Haushalts, zu denen die Votivpraxis (sowohl Bitt- als auch Dankvotive), Gaben und Opfer für die Gottheit (Speiseopfer, Trank- und Räucheropfer), apotropäische Praktiken und rituelle Mahlzeiten bzw. rituelle Elemente bei den alltäglichen Mahlzeiten der Familie zählen. Mehr als solche allgemeinen Beobachtungen sind aufgrund der materiellen Evidenz und ohne Kenntnis der mit der familiären Religionsausübung verbundenen Narrative kaum möglich. Dieses lückenhafte Bild kann jedoch durch eine kritische Evaluierung der einschlägigen Befunde und Überlieferungen des Alten Testaments ergänzt werden: Die hier verhandelten Überlieferungen reflektieren Verhältnisse ihrer Verschriftlichungszeit im 1. Jahrtausend vor Christus und decken innerhalb dieses Zeitrahmens primär diejenige Phase ab, in der mit der Herausbildung literarischer Produktion gerechnet werden kann, d.h. frühestens seit dem 8. Jh. v. Chr., wobei die biblische Traditionsbildung in den Zeitraum von der späten Königszeit (EZ II C) bis in die

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persische und die frühhellenistische Zeit anzusetzen ist. Die wichtigste Formierungsphase aber war die Perserzeit. Zwischen den Befunden der materiellen Kultur der Eisenzeit und einem großen Teil der textlichen Überlieferung, vor allem der die familiäre Religion betreffenden, liegt damit ein zeitlicher Hiatus, der gleichzeitig auch ein kultureller und religiöser ist. Das sich formierende Frühjudentum der nachexilischen Zeit ist eine andere gesellschaftliche und religiöse Entität, deren religiöse Eliten im Gros der alttestamentlichen Überlieferungen ein Bild der vorexilischen Zeit zeichnen, das sowohl tendenziös als auch historisch nicht immer korrekt ist. Trotz des Quellenproblems im Hinblick auf die familiäre Religionsausübung ist auch die Nutzung nachexilischer Quellen für die Rekonstruktion nicht ohne Relevanz: Es gibt einen relativ breiten Konsens darüber, dass innerhalb des Symbolsystems familiärer Religion im antiken Vorderen Orient eine große Stabilität über längere Zeiträume zu konstatieren ist (van der Toorn 1996: 4; Olyan 2008: 121; Albertz und Schmitt 2012: 495; Zevit 2014: 287) und die Datierungsfrage der einschlägigen alttestamentlichen Zeugnisse daher nur eine untergeordnete Rolle spielt. Die Kontinuitäten in der familiären religiösen Praxis und ihrem Symbolsystem erlauben daher eine Rekonstruktion möglicher familiärer Praktiken unter kritischer Evaluation der alttestamentlichen Befunde. Eine weitgehende Kontinuität ist auch für die kalendarischen Rituale im Kontext von Landwirtschaft und Viehhaltung anzunehmen. Das Alte Testament bezeugt zahlreiche familiäre Riten von der Wiege bis zur Bahre (van der Toorn 1994). Der Komplex aus Glaubensvorstellungen, Ritualen und Observanzen innerhalb der Familienreligion reflektiert die Werte und religiösen Bedürfnisse der Familie und ihre Tradierung durch die Primärgruppe sorgt für die Verinnerlichung der sogenannten primären religiösen Erfahrung (Sundermeier 1992; 1999). Sowohl der Zyklus des Jahreslaufes als auch die verschiedenen Phasen des menschlichen Lebens wurden von einer Vielzahl von Riten und Ritualen mit ebenso vielfältigen Funktionen für das Individuum und die Familie begleitet. Kalendarisch orientierte Rituale waren der Sabbat, der Neumond, die Erstlingsgaben, das Passahfest und das Mazzotfest. Daneben bezeugt das Alte Testament Riten des Lebenskreises, insbesondere Rites de Passage, wie Beschneidung und die komplexen Riten für die Toten, kasuelle Riten zur Bewältigung von Notsituationen wie Unfruchtbarkeit sowie Bitt- und Dankrituale, Segensriten, Eides- und Fluchrituale. Von besonderer Bedeutung waren ferner apotropäische Rituale zur Abwehr von Krankheit, dämonischer Bedrückung und Schadenszauber, wie sie auch aus der Umwelt Israels gut belegt sind. Die Bedeutung dieser Praktiken wird auch durch die archäologischen Befunde, wie Funde von Amuletten und anderen Ritualobjekten in Haus- und Grabkontexten gestützt. Bei bestimmten apotropäischen Ritualen und bei Heilungsritualen und der Vorhersage der Zukunft (Mantik bzw. Divination) wurde in der Regel ein Ritualspezialist (Priester bzw. Beschwörer, ‚Gottesmann‘ oder Prophet) oder eine Spezialistin (Prophetin bzw. ‚Hexe‘) hinzugezogen. Diese ‚magischen‘ Praktiken sind nicht – wie noch in der jüngeren Forschung teilweise behauptet – als periphere, heterodoxe oder ‚abergläubische‘ Praktiken zu verstehen, sondern sind im alten Israel wie in seiner Umwelt integraler Bestandteil von Religion (Schmitt 2004; Schmidt 2016; Schmidt und Schmitt 2019). 3.3.3.2 Riten und Rituale des Lebenskreises 3.3.3.2.1 Riten und Rituale im Kontext der Geburt Die Untersuchung epigraphisch (d.h. vor allem auf Siegellegenden und Ostraka) überlieferter hebräischer und anderer westsemitischer Personennamen der Eisenzeit II hat deutlich gemacht, dass der Geburtsprozess von verschiedenen Ritualaktivitäten begleitet wurde (Albertz und Schmitt 2012: 245ff.). Obwohl im Gegensatz zu Mesopotamien, Anatolien und Ägypten keine direkten Quellen für Geburtsrituale mit Ritualanweisungen für Israel und Juda in der EZ belegt sind, ermöglichen die biblischen und onomastischen Befunde doch eine grobe Rekonstruktion wichtiger Elemente der mit dem Geburtsprozess verbundenen Rituale. In der antiken Welt war Kinderlosigkeit eine wirtschaftliche Bedrohung für Familien und gleichzeitig ein gesellschaftliches Stigma für eine unfruchtbare Frau. Klage- und Bittrituale um Nachkommenschaft wurden von Frauen entweder im Haus (Gen 30,1f.) oder an einem lokalen Heiligtum (1 Sam 1,4–8) durchgeführt. Das Leid von kinderlosen Frauen fand ihren Ausdruck in Gebeten an die Gottheit um Nachwuchs, in einer patriarchalen Gesellschaft wie im alten Israel natürlich primär für einen Sohn (1 Sam 1,10f.), oft begleitet von einem Dankgelübde (Prov 31,2: ‚Sohn meines Gelübdes‘). Die Gebete von unfruchtbaren Frauen konnten auch von ritueller Fürsprache ihrer Ehemänner unterstützt werden (Gen 25,21). Die Einbeziehung von Tieropfern bei Gelübden an lokalen und regionalen Heiligtümern weist auf die engen Überlappungen der Sphären von familiärer Religion und lokalem Kult hin. Entweder spontan oder in © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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Reaktion auf die Klagen, konnten in kultischen Settings Geburtsorakel erfolgen (Gen 17; Ri 13,3.5; 1 Sam 1,17; 2 Kön 4,16), insbesondere in Situationen, in denen das Leben der Schwangeren gefährdet war (Gen 16,11; 25,23). In kritischen Situationen konnte nach Gen 25,22 eine Schwangere selbst eine Orakelanfrage anstellen oder einen religiösen Spezialisten (in 1 Sam 1,17 einen Priester, in 2 Kön 4,16 einen sogenannten ‚Gottesmann‘) konsultieren. Die genannten Geburtsorakel gehören primär zur intuitiven Mantik. Einige epigraphisch bezeugte Personennamen wie z.B. ʾAḥlakad (‚[mein göttlicher] Bruder hat mich [durch Los) bestimmt‘) und Baʿalnaḥaš (‚Baʿal hat [durch gutes Omen] geweissagt‘) deuten darauf hin, dass in diesem Kontext auch instrumentelle Mantik, insbesondere das Losorakel, angewandt wurde (Albertz und Schmitt 2012: 274f.). Im Alten Testament werden zwar nur Priester als Verwalter der Orakelinstrumente erwähnt (1 Sam 14,41; 23,2.6), doch deutet die Präsenz von Orakelgerät im Hauskult der EZ I–II (die auch als Spielsteine benutzten Astragale) darauf hin, dass derartige rituelle Anfragen auch in Hauskontexten von Familienmitgliedern angestellt worden sein können. Die Geburtsorakel scheinen nach Gen 35,17 eine von Frauen geübte religiöse Praxis gewesen zu sein, die nicht vollkommen abhängig von männlicher bzw. priesterlicher Kontrolle war. Da der Vorgang der Empfängnis als Folge göttlicher Intervention aufgefasst worden ist (Ruth 4,13), insbesondere wenn diese einer scheinbaren Unfruchtbarkeit folgte (Gen 20,17f.; 21,1f.; 29,31f. 30,17.22; 1 Sam 1,19f.), ist es wahrscheinlich, dass die Bewältigung entsprechender Notsituationen von Ritualen innerhalb des Hauskultes begleitet wurde. Die innerhalb von Wohnhäusern gefundenen Ritualobjekte deuten darauf hin, dass Riten wie Trank-, Speise- und Weihrauchopfer mit den oben beschriebenen Ritualobjekten durchgeführt worden sind. Für die EZ II C erscheint es denkbar, dass Pfeiler- (JPFs) und Plakettenfigurinen mit ihren markanten Brüsten und der ihnen inhärenten Symbolik in solchen Ritualen Verwendung fanden (vgl. Darby 2014: 404f.). Da diese Objekttypen keine offensichtliche göttliche Emblematik aufweisen, sind diese wohl als Votive bzw. rituelle Medien anzusprechen, die dem Gebetswunsch nach Fruchtbarkeit (und dem nach allgemeinen Gedeihen der Familie) an die Gottheit symbolischen Ausdruck verleihen und vermitteln. Der Zeitraum der Schwangerschaft, der nach alttestamentlichem Verständnis mit der Erschaffung des Kindes durch die Gottheit im Mutterleib beginnt (Jer 1,5; Ps 139,13; Hi 10,8–11; 31,15), konnte von Riten begleitet werden, um den Unwägbarkeiten einer Schwangerschaft zu begegnen. Während der Geburt selbst war die schwangere Frau von ihrer Familie getrennt (Jer 20,15) und nur Frauen hatten Zutritt (Ruth 4,14– 17). Die Geburt fand wohl in einem separierten Raum des Hauses statt (Hld 3,4); die ebenfalls im AT (Hld 8,5) bezeugte Geburt außerhalb der Ansiedlung erscheint wenig praktikabel und war wohl eher eine zufällige und zusätzliche Komplikation (Gen 35,16–19). Die Geburt konnte von einer Hebamme (mĕyalledet) begleitet werden (Gen 35,17; 38,28; Ex 1,15), die möglicherweise auch für den Vollzug ritueller Handlungen zuständig waren: So impliziert Gen 35,17 ein von der Hebamme geäußertes Rettungsorakel für den Sohn der sterbenden Rebekka. Geburten waren unter den damaligen Bedingungen ein lebensbedrohlicher Vorgang, der rituelle Unterstützung erforderte. Zwar sind aus dem AT keine entsprechenden Ritualtexte überliefert, aber aus Mesopotamien sind zahlreiche Geburtsbeschwörungen bekannt (Stol 2000). Da das AT nicht auf entsprechende Texte Bezug nimmt, waren Geburtsrituale damit wohl nicht Teil des beruflichen Wissens männlicher Ritualspezialisten. Auch das in Ez 16,4 erwähnte Einreiben des Kindes mit Salz, war sehr wahrscheinlich ein apotropäischer Ritus. In Ägypten waren die Geburt und ihre rituelle Unterstützung vor allem mit der Gottheit Bes verbunden (Ritner 2008: 179ff.). Die in israelitisch/judäischen Ortslagen der EZ I–III zahlreich belegten ägyptischen Amulette mit der Darstellung von Bes (Abb. 3.104a–c), Isis und (seltener) Thoeris214 als Beschützer der Schwangeren könnten hier Verwendung gefunden haben. Die Funktion des Bes als Schutzgottheit reflektieren auch die Beshaltigen theophoren Namen.215 Nach den Reinheitsvorschriften für die Wöchnerin in Lev 12,1–8 galt diese für die Dauer von sieben Tagen nach der Geburt eines Sohnes und 14 Tagen nach der Geburt einer Tochter als unrein und durfte während der Reinigungsblutung 33 bzw. 66 Tage weder das Haus verlassen noch den Tempel betreten. Dies entspricht der priesterlichen Reinheitssystematik und reflektiert daher nicht unmittelbar die vorexilische Praxis, wiewohl auch hier mit bestimmten Observanzen im Hinblick auf die Unreinheit zu rechnen ist. Am 8. oder 15. Tag nach der Entbindung wurde das Fest der Namensgebung begangen. Hierzu 214 215

ÄAPI IV: 464ff. Siehe Albertz und Schmitt 2012: Table 5.7. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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gehörte wahrscheinlich auch die öffentliche Annahme des Kindes durch den Vater, die aber auch verweigert werden konnte. Für Jungen wurde die Begehung der Namengebung am achten Tag vom Beschneidungsfest (Gen 17,12; 21,4) überlagert, als dieser apotropäische Ritus – wohl ursprünglich verbunden mit einem späteren Übergangsritus im Lebenszyklus (Geschlechtsreife) – in den Zeitraum nach der Geburt übertragen wurde (s.u. 3.3.3.2.2). Das Überleben von Neugeborenen war unter den medizinischen und hygienischen Bedingungen der Antike nicht sicher. Die Sterblichkeitsrate von Säuglingen war hoch und – obwohl genaue Zahlen schwer zu ermitteln sind – kann nach Willet (2008: 2) in den cis- und transjordanischen Gesellschaften der Eisenzeit damit gerechnet werden, dass etwa 35 Prozent aller Kinder das fünfte Lebensjahr nicht erreichten. Die Stillzeit war nach Ausweis der alttestamentlichen Texte relativ lang und endete nach 2 Makk 7,28 erst nach zwei bis drei Jahren. Gen 21,8 erwähnt ein Festbankett, um die Entwöhnung und damit die Überwindung der kritischsten Phase der frühen Kindesentwicklung zu feiern. 3.3.3.2.2 Beschneidung Eines der wichtigsten familiären Rituale sowohl im Altertum als auch im modernen Judentum ist der Ritus der Beschneidung. Die Beschneidung wurde gemäß Gen 17,12; 21,4 und Lev 12,3 am achten Tag nach der Geburt eines männlichen Kindes durchgeführt. Nach Jer 9,24 war die Beschneidung in der vorexilischen Zeit eine gemeinsame Praxis der Judäer, Ägypter, Ammoniter, Edomiter und Moabiter, und nach Hes 28,10 wurden auch die Phönizier beschnitten. Im Gegensatz zu ihren Nachbarn ist die Beschneidung unter den Philistern nicht bezeugt.216 Nach der epigraphischen Bezeugung des Personennamens Malyahu217 war die Beschneidung von Säuglingen, wie sie in der priesterschriftlichen Tradition von Ex 17,12; 21,4 und 12,3 vorausgesetzt wird, schon in der EZ II C gängig, ihre ursprüngliche Bedeutung und ihr Kontext im Lebenszyklus sind aber nach wie vor Gegenstand der Diskussion: Lange herrschte ein gewisser Konsens darüber, dass die Erzählung über den „Blutbräutigam“ (ḥaṭṭan dāmîm) in Ex 4,24–26 den ursprünglich apotropäischen Charakter des Ritus bezeuge und dass es sich bei dem numinosen Angreifer ursprünglich um einen Dämon gehandelt habe. Die traditionsgeschichtlich rekonstruierte apotropäische Bedeutung und die Funktion der Erzählung als Ätiologie für die Beschneidung ist – ganz zu schweigen von der allgemeinen Plausibilität einer solchen Rekonstruktion – jedoch vielfach in Frage gestellt worden. Es hat sich weitgehend die Auffassung durchgesetzt, dass die Erzählung über den „Blutbräutigam“ erst für den vorliegenden Kontext komponiert worden ist, um Mose auf die kommenden Prüfungen vorzubereiten (Weimar 1980: 284ff.; Albertz 2012: 96) und dass sie als intertextueller Verweis auf die Beschneidung zu Beginn der Eroberungsgeschichte in Jos 5,2f. fungiert. Trotz der Probleme bei der Rekonstruktion einer älteren Tradition und den manchmal phantasievollen Interpretationen (ius primae noctis, Sühneopfer etc.) bleiben dennoch mehrere Elemente, die die Ansicht unterstützen, dass die Erzählung eine ursprünglich apotropäische Bedeutung des Ritus widerspiegelt: Erstens findet der Angriff in der Wildnis und in der Nacht statt; zweitens wurde der Angriff nicht provoziert und gefährdet das Leben von Mose und drittens wurde der Angriff durch einen Ritus abgewehrt, der die Anwendung von Blut und der abgetrennten Vorhaut umfasste. Auch ohne eine ältere Tradition voraussetzen zu müssen oder mit der Substitution eines ursprünglich dämonischen Wesens durch Jahwe zu rechnen, enthält der Text in seiner endgültigen Form noch immer apotropäische Aspekte, wie die Manipulationen mit dem Blut und der Vorhaut, die als rituelle Medien zur Abwehr des Angriffs dienen (Blum 1998: 1355; Gerstenberger 2001: 35; Albertz 2012: 96f.). Auch Douglas (1999: 181) konstatiert, dass der Ritus – trotz aller bleibenden Unklarheiten – einen prophylaktischen Zweck erfüllt. Dies wird dadurch gestützt, dass Ex 4,24f. in der späteren biblischen Tradition ebenfalls als Angriff eines numinosen Wesens und damit als apotropäischer Ritus gelesen worden ist: Wiewohl die Septuaginta Jahwe durch einen Engel ersetzt hat, der Mose angreift (weil eine solche Begegnung dogmatisch problematisch geworden war), bleibt doch die Abwehr eines Angriffs übernatürlicher Mächte bestehen. Im Jubiläenbuch (48:2) wurde die Begegnung mit Jahwe dann durch einen Angriff des Fürsten der Dämonen, Mastema, ersetzt. Insbesondere diese Tradition zeigt, dass der Beschneidungsritus in der hellenistischen Zeit – neben der Bedeutung als Zeichen des Bundes und der Zugehörigkeit zum Volk Gottes – nach wie vor apotropäisch verstanden worden ist. Eine apotropäische Lesung wird auch vom Targum Pseudo-Jonatan zu Ex 4,26 bezeugt, in dem Zippora sagt, 216 217

Ri 14,3; 15,18; 1 Sam 14,6; 17,26.36; 18,25.27; 31,4; 2 Sam 1,20; 3,14. Siehe Albertz und Schmitt 2012: 292f. und Appendix B5.6. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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dass es das Blut der Beschneidung war, das Mose vor der Hand des Todesengels gerettet hat. Einige biblische Texte stützen die Vermutung, dass die Beschneidung ursprünglich entweder als rite de passage anlässlich der Geschlechtsreife oder als Vorbereitungsritus auf die Ehe praktiziert wurde. Trotz der oben genannten Schwierigkeiten deutet der Begriff des „Blutbräutigams“ in Ex 4,25 zusammen mit der Erzählung über die Beschneidung der Sichemiter vor der Heirat in Gen 34 auch auf eine ursprüngliche Verbindung zur Eheschließung hin. Die Beschneidung des dreizehnjährigen Ismael (Gen 17,25) und die Beschneidung der Generation, die in der Wüste aufgewachsen war (Jos 5,2–9), könnte auf einen Übergangsritus anspielen, der an der Schwelle zwischen Kindheit und Erwachsensein durchgeführt wurde. Auch in Ägypten ist die Beschneidung im zweiten Lebensjahrzehnt und damit im selben Zeitraum innerhalb des Lebenskreises belegt (Ritner 2008: 178). Eine analoge Praxis ist auch für den arabischen Kulturraum bekannt. Es hat den Anschein, dass in der vorexilischen Zeit die Praxis der Säuglingsbeschneidung und die Beschneidung als Passageritus am Übergang zum Erwachsenenleben nebeneinander bestanden haben. Die unterschiedlichen Ätiologisierungen innerhalb des Diskurses um die Beschneidung in der exilischnachexilischen Literatur machen es wahrscheinlich, dass die Praxis der Beschneidung männlicher Säuglinge – die den epigraphisch bezeugten Personennamen nach bereits in der späten Königszeit bekannt war – sich endgültig erst während der Zeit des Exils durchzusetzen begann und zu einem Zeichen für die religiöse und nationale Identität der Exilgemeinschaft geworden ist (Grünwaldt 1992: 222ff.; Albertz 2003: 107). Da die Beschneidung in Mesopotamien nicht üblich war, wurde sie zu einem ethnisch-religiösem Marker der babylonischen Golah, mit dem das Oberhaupt jeder Familie seine Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Vertriebenen und seine Treue zur angestammten Religion bezeugen konnte. Obwohl die Beschneidung seit dem Exil zu einem Zeichen der nationalen und religiösen Identität geworden war, blieb sie durchweg ein Ritus im Kontext der familiären Religionsausübung. 3.3.3.2.3 Eheschließung Überraschenderweise enthalten weder die alttestamentlichen Überlieferungen noch spätere Textzeugnisse wie die Texte aus Elephantine Hinweise über spezifische Hochzeitsrituale. Eheverträge, wie sie aus Elephantine überliefert sind, haben – wie in Mesopotamien218 – rein rechtlichen Charakter und erwähnen auch keine rituellen Handlungen oder Elemente von solchen. Darüber hinaus sind die biblischen Regeln für die Leviratsehe in Dtn 25,5–10 im Wesentlichen profan, obwohl sie in einer Sammlung religiöser Gesetze integriert sind. Das bedeutete natürlich nicht, dass die Ehe eine völlig profane Institution war. Obwohl das Wesen der Ehe als Rechtsakt gekennzeichnet war, wurde sie (vor allem im Kontext der Herausbildung einer postexilischen „Orthodoxie“) mit religiös motivierten Observanzen und Handlungsweisen in Verbindung gebracht. 3.3.3.2.3.1 Monogamie und Polygamie Nach King und Stager (2001: 38, im Gefolge von Crüsemann 1978) war die Institution der Ehe gekennzeichnet als endogam, patrilinear, patrilokal und polygam bzw. polygyn. Es ist oft behauptet worden, dass Polygamie die allgemeine oder zumindest eine gängige Form der Ehe im alten Israel gewesen sei. Andererseits wurde argumentiert, dass Polygynie eine Ausnahme sei, die sowohl in Israel als auch in Mesopotamien nur dann praktiziert werde, wenn sich eine erste Frau als unfruchtbar erwiesen habe (zur Diskussion: Friedl 2000). Königliche Polygynie war ein Sonderfall, dessen Hauptaufgabe darin bestand, politische Allianzen herzustellen und zu gewährleisten. Die Argumentation, dass sich die israelitische Gesellschaft von einer halbnomadischen, pastoralistischen Gesellschaft, die gemeinhin die Polygynie praktizierte, zu einer sesshaften Agrargesellschaft entwickelte, die monogame Ehen bevorzugte, basiert auf obsoleten evolutionistischen Fortschrittsnarrativen im Gefolge von E. B. Tylor und J. G. Frazer (siehe z.B. Kronholm 1982). Die Vätererzählungen in Gen 11–36 scheinen zunächst die Vorstellung der Polygynie als Regelform der Ehe zu stützen: Lamech war mit Adah und Zilla verheiratet (Gen 4,23); Abraham mit Sarah sowie mit Hagar und Keturah (Gen 16; 25,1–6); Jakob hatte Leah und Rachel (Gen 29) als Hauptfrauen und die Mägde Bilha und Silpa als Nebenfrauen (Gen 30,1–13); Esau war in Gen 26,34 mit den hethitischen Frauen Judith und Basemath sowie mit Mahalath, der Tochter Ismaels in Gen 28,9, und nach Gen 36,1–5 mit der Hethiterin Adah, Oholibama, der Tochter des Hiviters Ana und mit Ismaels Tochter Basemath verheiratet. 218

Vgl. TUAT I: 197. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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Die Patriarchenerzählungen sind jedoch durchdrungen von einer archaisierenden Imagination von pastoralisierenden nomadischen Gruppen, die in Zelten lebten und entsprechenden Praktiken folgten, die vielleicht unter den nomadisierenden arabischen Stämmen im Süden in der 2. Hälfte des 1. Jt. v. Chr. praktiziert worden sind. Es ist bemerkenswert, dass das deuteronomistische Geschichtswerk außer den beiden Ehefrauen von Elkana in 1 Sam 1,2 und der Polygynie Gideons (Ri 8,30), Davids (1 Sam 18,17–30; 25,38–43; 2 Sam 3,2–5) und Salomos (in 1 Kön 3,1; 11,3) die Mehrehe nicht erwähnt. Die Deuteronomisten sahen in der königlichen Polygynie den Grund für Salomons Verehrung fremder Götter (1 Kön 11,11ff.) und 2 Chr 11,21 führt sie im Zusammenhang mit den Missetaten Rehabeams auf. Das Interesse der deuteronomistischen und chronistischen Literatur liegt deutlich nicht auf der Polygynie selbst, sondern auf einer Problematisierung der Exogamie im Hinblick auf die Heirat mit Nicht-Judäerinnen. Monogamie als dominante Form der Ehe belegt explizit die Erzählung über Bathseba, der Frau Urias, des Hethiters, in 2 Sam 11 und über das schunamitischen Paar in 2 Kön 4,8–37. Andere vor- und nachexilische biblische Quellen zeigen, dass die Monogamie im Allgemeinen überwog, wie im Fall von Jesajas Frau, der ‚Prophetin‘ in Jes 8,3 und Hoseas Frau Gomer in Hos 1,2f., wobei weitere Frauen keine Erwähnung finden. Auch in der alttestamentlichen Weisheitsliteratur, insbesondere in Prov 31,10–31 und Sir 26, scheinen Berichte über Frauen und ihre ehelichen Beziehungen die monogame Ehe vorauszusetzen (mit der möglichen Ausnahme von Sir 25:14, dessen Bedeutung unklar bleibt). Obwohl die alttestamentlichen Rechtskorpora die Polygynie nicht explizit thematisieren, ist es doch insbesondere aus Deut 21,15–17 (der Regelung der Rechte des Erstgeborenen) deutlich, dass sie zwar generell legal war, die übliche Praxis aber die der monogamen Ehe war. Es wurde vermutet, dass die Polygynie vor allem in den oberen Klassen gängige Praxis war, obwohl es keine epigraphischen Beweise für eine solche Behauptung gibt: Eine Grabinschrift aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. aus Silwan219 erwähnt eine ʾmh ‚Sklavin‘/‚Magd‘ oder ‚Zweitfrau‘, was lediglich darauf hinweist, dass die Frau – und nur eine Frau wird als Mitinsassin der Grablege erwähnt – einen (vielleicht sehr viel) niedrigeren sozialen Status als ihr Ehemann hatte. Ein Ehevertrag aus Elephantine verbietet einem (sozial wohl inferiorem) männlichen Partner die Heirat mit einer zweiten Frau, damit im Fall einer Scheidung die Mitgift nicht verloren geht oder die unmittelbaren Erben der Frau ausgeschlossen werden.220 Polygynie konnte damit – zu mindestens in Fällen sozialen Gefälles von der Frau zum Mann – vertraglich ausgeschlossen werden. Es hat daher den Anschein, dass Monogamie (spätestens) in der persischen Periode die Regel gewesen zu sein scheint, und auch die übrige Evidenz deutet darauf hin, dass vorexilisch monogame Ehen die gängige Praxis waren. Polygynie war eine Ausnahme, die in der Regel nur in Fällen praktiziert wurde, in denen eine Frau unfruchtbar war oder nur Mädchen geboren hatte. Sowohl neutestamentliche als auch talmudische Quellen stellen überwiegend die monogame Ehe als Regel dar. Die soziale Präferenz zur Monogamie in der Periode des 2. Tempels und wohl auch vorexilisch mag die Auffassung widerspiegeln, dass polygyne Ehen als dysfunktional galten und zu erheblichen Spannungen zwischen den Frauen einer Familie führen konnten (ein Musterbeispiel liefert Gen 30,1–24; siehe Friedl 2000: 275ff.; Marsman 2003: 141) und auch ernsthafte rechtliche Probleme aufgeworfen haben (Friedl 2000: 284; vgl. Dtn 21,15–17). 3.3.3.2.3.2 Endogamie und Exogamie Während Polygamie und Monogamie die Schriftgelehrten überwiegend vor legale Probleme gestellt haben, so war die Endogamie mit religiös motivierten Verdikten verbunden: Die Patriarchenerzählungen und das Buch Tobit liefern klare Hinweise für die Präferenz endogamer Ehen innerhalb der Familie oder des Klans (Tob 4,12; vgl. Num 36). Ehen zwischen Cousins scheinen üblich gewesen zu sein (siehe z.B. Gen 24,15; 29,9; Tob 6,11–12; vgl. Gerstenberger 2001: 32; Marsman 2003: 61). Da entsprechende vorexilische Quellen fehlen, die sich mit den religiösen Implikationen von Endogamie und Exogamie befassen, kann davon ausgegangen werden, dass ursprünglich der Familienbesitz der zentrale Faktor war, der endogame Ehen förderte. Endogamie und Exogamie wurden erst in der exilischen und nachexilischen Literatur zu wichtigen Themen: Die Vätererzählungen spiegeln höchstwahrscheinlich Erfahrungen aus dem Exil wider und enthalten strikte Richtlinien gegen exogame Ehen, wobei die Ehen zwischen Esau und seinen hethitischen Frauen als Negativbeispiele gewertet werden (Gen 26,34f.; 2,46; 28,6–9). Vorexilische Traditionsstücke lassen 219 220

HAE Jer(7):2,3. TAD B 2.6: 32ff. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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keinen Zusammenhang zwischen religiösen Überzeugungen und Exogamie erkennen. Postexilische Rechtsquellen wie Dtn 7,2–4 (siehe Achenbach 1991: 287ff.) verbieten dann ausdrücklich die Heirat mit Angehörigen der sieben Nationen der „Hethiter, Girgaschiter, Amoriter, Kanaaniter, Perizziter, Heviter und Jebusiter“. Diese – zur Abfassungszeit längst fiktiv gewordenen oder überhaupt fiktiven – „Nationen“ bilden eine Liste mit fremden Völkern ab, mit denen eine Heirat zwar in grauer Vorzeit möglich war, unter den Bedingungen der exilisch-nachexilischen Zeit aber als gefährliche Kontaminierungen der ethnisch– religiösen Reinheit wahrgenommen wurden, zumal solche Ehen mit dem Import fremder Götter in Verbindung gebracht wurden. Die exilisch-nachexilische Literatur stellte damit eine Verbindung zwischen Exogamie und den Kulten fremder Götter her. Die Endogamie und die Bewahrung (bzw. die Forderung nach) der Alleinverehrung Jahwes scheinen damit von größter Bedeutung für die Aufrechterhaltung der religiösen und nationalen Identität während der Zeit des Exils und danach gewesen zu sein. So propagiert die nachexilische Literatur strenge Verdikte gegen die Exogamie (Esra 9–10; Neh 13,23–30). In der tatsächlichen Praxis konnten sich derartige Verfügungen wohl nie ganz durchsetzen und das Buch Ruth propagiert eine andere Position, indem es betont, dass sogar Moabiterinnen israelitischen Männern treue Frauen sein konnten (Fischer 2001: 86ff.). Darüber hinaus wurde Moses Ehe mit einer Midianiterin in Ex 2,15–22 und 18,1–7 nicht kritisiert, obwohl Israeliten, die mit Moabitern oder Midianitern vermählt waren, nach den späteren priesterlichen Vorschriften von Num 25,1–10 gepfählt werden sollten. Die Texte aus Elephantine zeigen freilich ein ganz anderes Bild, wonach Ehen zwischen jüdischen Frauen und Ägyptern weit verbreitet waren (TAD 2.6), und dies wohl nicht nur innerhalb der ägyptischen Diaspora des späten 5. Jahrhunderts. 3.3.3.2.3.3 Leviratsehe Das Gesetz über die Leviratsehe (Schwagerehe; heb. yābām; dazu Marsman 2003: 212ff.) in Ex 25,5–10 erklärt, dass der ‚Löser‘ (gōʾēl) verpflichtet ist, die Witwe (yĕbāmāh) seines Bruders zu heiraten, wenn sie keine Nachkommen hat, um sicherzustellen, „dass der Name seines Bruders in Israel nicht ausgelöscht wird“ (Dtn 25,6). Die Praxis der Leviratsehe bzw. die Sicherstellung der Versorgung einer Witwe durch die Heirat mit dem Schwiegervater oder – wie im Falle einer Zweitfrau – mit dem Sohn der Erstfrau ist auch in Mesopotamien bekannt221 und es ist davon auszugehen, dass die Leviratsehe in unterschiedlichen Formen im antiken Vorderen Orient üblich war. Die alttestamentliche Legislation ist in erster Linie auf den Fortbestand der männlichen Blutlinie ausgerichtet, während die Gewährleistung des sozialen und wirtschaftlichen Schutzes der Witwe wohl nicht der Hauptzweck war (Pressler 1993: 73f.). Die in Dtn 25 mit der Leviratsehe verbundenen Praktiken haben einen rein legalen Charakter und sind völlig frei von religiösen Konnotationen, wobei die Erniedrigung im Falle der Verweigerung der Leviratsehe noch nicht einmal von einem Fluch begleitet wird. In Ruth 4,11f. folgt auf den Rechtsakt zwar ein Segen der Zeugen, der aber nicht integraler Bestandteil des Rechtsaktes ist. Der von Ruth geleistete Eid „Dein Volk soll mein Volk und dein Gott mein Gott sein“ (Ruth 1,15–16), ist wohl keine für die Leviratsehe bestimmte reale Eidesformel (so van der Toorn 1994: 69 und Marsman 2003: 113), sondern fungiert hier erzählerisch als eine Art Konversionsformel. Die Leviratsehe im Buch Ruth richtet sich deutlich gegen die Exogamieverbote und gehört in den breiteren Kontext postexilischer Diskurse zur Exogamie (siehe Fischer 2001: 86ff.). Während das Exogamieverbot in den sogenannten „Reformen“ Esras auf explizit religiöse Argumentationen rekurriert, argumentiert das Buch Ruth primär ethisch und rechtlich. Man kann das Buch Ruth auch geradezu als Apologie der Exogamie lesen, wie sie vorexilisch wohl gängige Praxis war. 3.3.3.2.3.4 Eherituale Wie bereits erwähnt, gibt es innerhalb des AT kaum Informationen über Riten, Zeremonien oder Eheschließungsrituale, wobei alles, was bekannt ist, den Charakter von Rechtsakten aufweist. Die Vorstellung von der Ehe als göttliche Institution in Gen 2,24 scheint nur eine späte und sekundäre Heiligung einer ansonsten völlig profanen Institution zu sein, wobei sich diese sakrale Aufwertung nicht in anderen biblischen Texten oder außerbiblischen Quellen widerspiegelt, die sich mit der Ehe befassen (gegen van der Toorn 1994: 60ff. und Marsman 2003: 121). Obwohl die Eheschließung primär ein Rechtsakt gewesen ist, gibt es doch gelegentlich Hinweise darauf, dass rituelle Elemente im Rahmen von Trauungszeremonien durchgeführt worden sind: Nach Tob 7,13–14 besteht eine Trauung aus einer formalen Präsentation der Braut durch 221

MAG §§ 33, 46 (TUAT I: 87). Dazu Friedl 2000: 247f. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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den Brautvater und einer Proklamation, dass sie nun „nach Gesetz und Dekret im Buch des Mose“ (Tob 7,13) ihrem Mann angehöre, einer Vereinbarung über den Ehevertrag (kĕttubah im postbiblischen Hebräisch) und einer Segnung (Tob 7,13: εὐλογέω) durch den Brautvater sowie einem festlichen Essen. Ein Brautgeld (mohar) musste von der Familie des Bräutigams entrichtet werden (Gen 34,11f.; Ex 22,15f., vgl. Dtn 22,29) im Austausch für die elterliche Mitgift (šillûḥîm) der Tochter. Dazu gehörten Geschenke (Gen 24,53), aber z.B. auch eine Dienstmagd (šipḥā; Gen 29,24.29). Auch der Abschied von der Braut konnte von einem Segen ihrer Angehörigen wie in Gen 24,60 durch Rebekkas Brüder begleitet werden oder im Fall der Leviratsehe durch Zeugen (Ruth 4,11f). Die Hochzeit wurde mit einem Festmahl begangen (Gen 29,22; Ri 14,10). Die in Tob 6 erwähnten apotropäischen und exorzistischen Rituale haben lediglich eine narrative Funktion in der Erzählung aufgrund der Gefährdung Saras durch den Dämon Asmodai (gegen van der Toorn 1994: 70ff.; vgl. Gerstenberger 2001: 43) – es gibt keine weiteren Hinweise in den biblischen und postbiblischen Quellen auf entsprechende Ritualhandlungen zu diesem Anlass. Segnungen durch die Familienmitglieder, nicht aber durch religiöse Funktionäre, scheinen daher die einzigen Ritualakte gewesen zu sein, die im Kontext der Eheschließung vorgenommen worden sind. 3.3.3.2.4 Bestattung und Totenfürsorge 3.3.3.2.4.1 Bestattungen R. Albertz und R. Schmitt 2012: Family and Household Religion in Ancient Israel and the Levant, Winona Lake, 438– 444; E. Bloch-Smith 1992a: Judahite Burial Practices and Beliefs about the Dead, JSOT.S 123, Sheffield; E. BlochSmith 1992b. Burials: Judahite, in: ABD I, 785–789; E. Bloch-Smith 2012: Death and Burial, Bronze and Iron Age, in: D. M. Master (Hrsg.), The Oxford Encyclopedia of the Bible and Archaeology Vol. I, Oxford/New York, 254–262; W. G. Dever 1969/70: Iron Age Epigraphic Material from the Area of Khirbet el-Kôm, in: HUCA 40/41, 139–204; J. Naveh 1963: Old Hebrew Inscriptions in a Burial Cave, in: IEJ 13, 74–92; J. Kamlah 2009: Grab und Begräbnis in Israel/Juda: Materielle Befunde, Jenseitsvorstellungen und die Frage des Totenkults, in A. Berlejung and B. Janowski (Hrsg.), Tod und Jenseits im Alten Israel und in seiner Umwelt, FAT 64, Tübingen, 257–297; K. Stern 2018: Writing on the Wall: Graffiti and the Forgotten Jews of Antiquity, Oxford/Princeton; R. Wenning 1991: Art. Grab, in: NBL I, 942–946; R. Wenning 1997: Bestattungen im königszeitlichen Juda in: ThQ 177, 82–93; R. Wenning 1998: Art. Bestattung II., in: RGG4 I, 1363–1364; R. Wenning 2005: „Medien“ in der Bestattungskultur im eisenzeitlichen Juda, in: C. Frevel (Hrsg.), Medien im antiken Palästina: Materielle Kommunikation und Medialität als Thema der Palästinaarchäologie, FAT 2. Reihe 11, Tübingen, 109–150; R. Wenning und E. Zenger 1990: Tod und Bestattung im biblischen Israel: Eine archäologische und religionsgeschichtliche Skizze, in: L. Hagemann and E. Pulsfort (Hrsg.) Ihr alle aber seid Brüder, FS Adel Theodor Khoury, RWS 14, Würzburg/Altenberge, 285–303.

Die Bestattungssitten sind ein wichtiger Bestandteil der Familien- und Haushaltsreligion und quasi ihre unmittelbare Verlängerung außerhalb des Haushalts selbst. Die Fülle der archäologischen Befunde bietet eine wichtige Quelle zur Rekonstruktion der mit der familiären Religion verbundenen Bestattungssitten und lässt Rückschlüsse auf die Vorstellungen von der nachtodlichen Existenz in der Eisenzeit zu. Generell lassen sich in der Eisenzeit nach Bloch Smith (1992a: 25ff.; vgl. Kamlah 2009: 264) in Palästina acht unterschiedliche Grabformen nachweisen: 1.) Das einfache Erdgrab mit einer Einzelbeisetzung. Dieser Typ der Beisetzungen findet sich mit weit über 200 Belegen in der EZ I vor allem an der südlichen Küste. 2.) Das Kistengrab, ebenfalls eine Form der Einzelbestattung, jedoch eingefasst von Steinen oder Ziegeln (Kamlah 2009: 264 fasst 1 und 2 unter Grubengräbern zusammen). Auch dieser Typ ist mit über 100 Belegen in der EZ I überwiegend an der südlichen Küste und im Jordantal vertreten. 3.) Die Einzelbeisetzung in Vorratsgefäßen (jar burial), zumeist von Kindern. Hier konzentrieren sich die Funde (ebenfalls über 100 Bestattungen) an der südlichen und nördlichen Küste sowie wiederum im Jordantal. 4.) Die Bestattung in anthropoiden Sarkophagen ägyptischen Typs. Dieser Typ ist fast ausschließlich in der SB III/EZ I an der südlichen Küste, vor allem in der Nekropole von Deir el-Balaḥ belegt (Dothan 1970). Bei dieser Art der Bestattung dürfte es sich ganz überwiegend um die Gräber ägyptischer oder ägyptisierter Offizieller handeln (Kamlah 2009: 289). 5.) Nur einmal belegt für die Spanne der EZ II A–B ist eine Bestattung in einem badewannenartigen Terrakottasarg. 6.) Das Höhlen-, Kammer- oder Schachtgrab für multiple Bestattungen, wobei die Leichen direkt auf dem Boden gelegt wurden. Mehr als 20 früheisenzeitliche Gräber dieses Typs sind aus dem zentralen Bergland, der Shephela und vom transjordanischen Plateau bekannt. 7.) Das Arkosol- oder Bankgrab für multiple Bestattungen, typologisch dem Höhlen- bzw. Kammergrab zugehörig, aber künstlich angelegt und mit Bänken oder in den Fels gehauenen Nischen (Arkosolia) zum Niederlegen der Toten und der Grabbeigaben ausgestattet. Dieser Bestattungstyp ist in der Eisenzeit I vor allem an der Küste zu finden, in der Eisenzeit II A aber auch im Bergland und der Shephela. 8.) Die Kremation, ist archäologisch in der frühen Eisenzeit von geringer Bedeutung. Die biblische Tradition über die © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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Kapitel 3

(ehrenvolle) Kremation der Körper von Saul und Jonatan und die anschließende Bestattung der Knochen in 1 Sam 31,12–13 ist mit dem archäologischen Befund allerdings nicht zusammenzubringen und dürfte daher wohl fiktional sein. In seiner Typologie ergänzt Kamlah (2009) noch Prunk- und Königsgräber sowie Sonderformen mit Inschriften und Dekorationen, die jedoch typologisch den Höhlen- und Bankgräbern zuzurechnen sind. Gräber der EZ I–II sind zumeist in Gruppen oder Nekropolen zusammengefasst, die sich im Allgemeinen gut erreichbar nahe der Ansiedlung und oft in Sichtweite befanden. Die insbesondere in den (exilischnachexilischen) Vätererzählungen (Gen 23,1–20; 49,29–31) mit dem Erbbesitz (naḥalāh) verbundene Tradition der Bestattung in einem multigenerationell genutzten Familiengrab auf dem Familienbesitz dient – auch wenn ein Grab Besitz einer Familie war – ideologisch der Legitimation des Anspruchs auf das versprochene Land und basiert nicht auf einer real geübten Praxis. Die Bestattungsformen der Eisenzeit I–II A in den Siedlungsgebieten der frühen Israeliten gehören zumeist zu den Typen 6 und 7 (Kammergräber für multiple Bestattungen über mehrere Generationen). Dass Einzelbestattungen hier unterrepräsentiert sind, hängt wohl damit zusammen, dass diese zum einen schwer zu finden und zum anderen auch leichter durch Erosion, Feldbau und andere Erdarbeiten zerstört worden sind. Die Beisetzung in Kammergräbern steht in unmittelbarer Tradition der spätbronzezeitlichen Bestattungssitten und oft wurden ältere Gräber wiederbelegt. Die Gräber in Höhlen oder künstlich angelegten Kammern konnten oft über 50 Individuen unterschiedlicher Generationen einer Familie enthalten, aber es existieren auch zahlreiche Beispiele für Bestattungen von ein bis zwei Generationen mit einer entsprechend geringeren Anzahl von Individuen. Typische Grabbeigaben sind Gebrauchskeramik (Gefäße zur Zubereitung und Konsum von Speisen, Flaschen, Lampen, Kelche – große Vorratsgefäße sind eher die Ausnahme), Luxusgefäße aus Keramik und Alabaster, Spindeln, Schmuck- und Kosmetikgegenstände aus Metall und Bein, Waffen (Pfeil- und Speerspitzen), Messer und Flintgeräte sowie Siegelamulette (zumeist Skarabäen) und Objektamulette ägyptischen Typs. Die Anzahl der Grabbeigaben für ein Individuum war mit durchschnittlich 5–7 Gefäßen und 1–3 Objekten aus dem persönlichen Besitz (Werkzeuge, Waffen, Schmuck, Amulette) eher knapp bemessen (Wenning 2005). Man gab den Toten damit keine vollständige Ausstattung, die er oder sie für das tägliche Leben benötigte, mit, sondern einige wenige persönliche Besitztümer und Vorräte. In der Eisenzeit II B–C war der dominante Bestattungstyp der Bank- oder Diwantyp, aber auch frühere Grabhöhlen wurden wiederverwendet. (Bloch-Smith 1992a: Tabelle 4; Wenning 2005: 126). Die in Gräbern gefundene Keramik bestand aus typischen alltäglichen Haushaltsgegenständen wie Lampen, Schalen, Krateren, Kelchen, Pilgerflaschen, Krügen und Krüglein, Kochtöpfen und (in geringerem Umfang) Vorratsgefäßen. Es dominieren Lampen und Gefäße für die Aufbewahrung von Flüssigkeiten sowie Schalen für den Verzehr von Lebensmitteln. Nur sehr wenige spezialisierte Ritualgefäße wie Ständer, Räuchertassen und Libationsgefäße wurden in Gräbern gefunden. Figurative Ritualobjekte, die häufig in häuslichen Ensembles der späten EZ II B und EZ II C gefunden wurden, wie JPFs, Reiterfiguren, Modellmöbel und Tierfiguren, sind auch in den Gräbern vertreten. Das Repertoire der Grabbeigaben ist deutlich eine Verlängerung häuslicher Keramikensembels, unterscheidet sich aber dahingehend, dass spezialisierte Ritualgefäße i.d.R. fehlen. Ein spezialisiertes Objekt, das für Gräber der EZ II B–C typisch zu sein scheint, ist die Rassel. Wie Wenning (2005: 130ff.) gezeigt hat, gab es keine typischen „Standard“-Ensembles, aber starke lokale Traditionen, die meist der frühesten Bestattung auf einem Friedhof folgten. Die Einzelbestattungen scheinen jedoch einem gewissen Muster gefolgt zu sein, indem ca. fünf bis sieben Gefäße und ein bis drei Schmuckstücke oder Objekte des persönlichen Besitzes den Toten mitgegeben worden sind (Wenning 2005: 128). Die Seltenheit von spezialisierten Gefäßen für Trank- und Räucheropfer in Gräbern lässt darauf schließen, dass weder den Toten selbst entsprechende Opfer dargebracht worden sind, noch dass eine Vorstellung existierte, dass die Verstorbenen selbst Opfer (symbolisch) dargebracht hätten. Die Präsenz anderer Ritualobjekte, wie anthropomorphe und zoomorphe Terrakottafiguren und Amulette, deuten auf ein gesteigertes Schutzbedürfnis hin. Insbesondere Bestattungen von Kindern in jar burials in Südpalästina weisen eine große Anzahl von Amuletten auf. Auch die Rasseln dürften eine apotropäische Funktion gehabt haben. Die relativ geringe Anzahl von Gefäßen, die die individuellen Bestattungen begleiteten, deutet darauf hin, dass sie nicht für eine Versorgung für die Ewigkeit dienten, sondern für eine Übergangsphase, in denen der Verstorbene noch als persönlich anwesend gedacht wurde oder für die Zeit bis zur Dekomposition (Wenning 2005: 129f.). © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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Die Bestattungssitten waren (abgesehen von ausgesprochen Elite-Gräbern) relativ egalitär und lassen kaum eine soziale Differenzierung zu, auch geschlechtsspezifische Unterschiede lassen sich – sieht man von „typischen“ Werkzeugen für Frauentätigkeiten wie Spindeln und Kriegswaffen für Männer einmal ab – nur schwer greifen. Durch die persönlichen Objekte blieben die Toten nach der Verwesung noch identifizierbar, bis die Knochen (bei den multigenerationellen Bestattungen) aus Platzgründen beiseite geräumt oder in einer Nische platziert wurden, ohne dass dabei auf eine weitere Identifizierbarkeit geachtet wurde. Es gibt keine archäologischen Belege für eine Weiterversorgung der Toten nach der Erstbestattung im Grab und auch nicht für Riten der permanenten Totenfürsorge am Grab. Seit der EZ II B sind insbesondere in Elitengräbern Grabinschriften belegt, die unterschiedliche Funktionen erfüllen: A.) Sie markieren den Besitzer des Grabes und vermitteln – in weiterem Sinn – „biographische“ Informationen, z.B. die Dienststellung eines Würdenträgers. B.) Inschriften sichern das dauerhafte Angedenken an den Toten. C.) Sie drücken Wünsche für die postmortale Wohlfahrt des Toten aus. D.) Sie haben eine apotropäische Funktion, entweder die Abwehr von Grabräubern durch Verfluchung oder dienen der Abwehr anderer schädlicher Einflüsse, wie durch Dämonen und Hexerei. Inschriften als Markierung des Grabes auf der Außenseite sind jedoch relativ selten. Belegt sind sie in der Silwan-Nekropole in Jerusalem und in En-Gedi.222 Zumeist befinden sich Grabinschriften jedoch im Inneren der Gräber, zumeist in einer Vorkammer oder an den Durchgängen wie bei Grab 1 und 2 in Ḫirbet el-Kom und dem Kammergrab in Ḫirbet Bet Layy.223 Diese waren nur für diejenigen lesbar, die das Grab für weitere Bestattungen betraten, also wohl für Familienmitglieder, denen die Inschriften (Schriftkenntnis vorausgesetzt) zur Erinnerung an ihre Verstorbenen dienten. Segensinschriften wie in Ḫirbet Bet Layy224 richten sich hingegen an die Toten selbst und dienen der Sicherung der postmortalen Wohlfahrt. Ikonographische Elemente der Grabausstattung sind eher die Ausnahme: So enthält das Grab 2 in Ḫirbet el-Kom die Darstellung einer umgekehrten Hand,225 wohl mit apotropäischer Funktion, und das Kammergrab in Ḫirbet Bet Layy die Darstellung von Bogenschützen und Schiffen sowie die Darstellung von Betern.226 Die Darstellung von Bogenschützen und Schiffen könnte „biographischer“ Natur sein oder dem Schutz bzw. einer sicheren Passage der Toten in die Unterwelt dienen (Stern 2018: 121ff.). Die Darstellung der Beter wiederum dürfte wiederum der allgemeinen Wohlfahrt der Toten durch fortgesetzte Fürbitte dienen. Die Segenswünsche für die nachtodliche Wohlfahrt der Toten im Namen Jahwes und Ašerahs widersprechen massiv der in Anschluss an Janowski (2003, 2009) immer wiederholten Behauptung, Jahwe sei vorexilisch ein Gott der Lebenden gewesen und besäße keinen Bezug zur nachtodlichen Existenz und zum Schicksal der Toten. Die wichtigsten sozialen Funktionen der Bestattungspraktiken waren die Schaffung, Aufrechterhaltung und Fortsetzung von Identität sowohl auf lokaler als auch auf familiärer Ebene. Die Grabbeigaben mit ihren regionalen und manchmal individuellen Differenzierungen und die Inschriften an und in Elite-Grablegen sind Marker familiärer und lokaler Identität. Auch in Neh 2,1–5 gilt das Familiengrab als ein Symbol für die lokale und familiäre Identität. Die Bestattungen vermittelten auch die kulturellen und symbolischen Systeme durch die Begräbnisriten, die Grabbeigaben und die Behandlung der Leichen. Wenn ein Grab für weitere Bestattungen wieder geöffnet wurde, waren die Toten an ihren persönlichen Wertgegenständen leicht zu erkennen. Selbst wenn die Knochen nach der Zersetzung in eine Nische umgelagert wurden, blieben die persönlichen Gegenstände Merkmale einer anhaltenden Erinnerung. 3.3.3.2.4.2 Totenklage, Totenversorgung und anderen Formen rituellen Totengedenkens R. Albertz und R. Schmitt 2012: Family and Household Religion in Ancient Israel and the Levant, Winona Lake, 429– 473; E. Bloch-Smith 1992: Judahite Burial Practices and Beliefs about the Dead, JSOT.S 123, Sheffield; J. W. Crowfoot, K. M. Kenyon und E. L. Sukenik 1942: Samaria-Sebaste I: The Buildings of Samaria, London; J. W. Crowfoot, G. M. Crowfoot und K. M. Kenyon 1957: The Objects from Samaria, London; I. Eshel und K. Prag (Hrsg.) 1995: Excavations by K. M. Kenyon in Jerusalem 1961–1967, Vol. IV: The Iron Age Cave Deposits on the South-East Hill and Isolated Burials Elsewhere, BAMA 6, Oxford; D. Edelman 2017: Living with Ancestral Spirits in Judah in the Iron Age and Persian Period, in: T. Römer u.a. (Hrsg.), Entre dieux et hommes: anges, démons et autres figures intermédiaires: Actes du colloque organisé par le Collège de France, Paris, les 19 et 20 mai 2014, OBO 286, Fri222

HAE Jer(8):6; Jer(7):1–2; Jer(7):4; EGed(8):2. HAE Kom(8):1–3; BLay(7):1–7. 224 HAE BLay(7):1–3. 225 Dever 1969/70: Pl. VI B. 226 Naveh 1963: Fig. 4–7. 223

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Kapitel 3

bourg/Göttingen, 135–171; A. Fischer 2005: Tod und Jenseits im Alten Orient und im Alten Testament, NeukirchenVluyn; M. Fortes 1965: Some Reflections on Ancestor Worship in Africa, in: M. Fortes und G. Dieterlen (Hrsg.), African Systems of Thought, Oxford, 122–142; H. J. Franken und M. L. Steiner 1990: Excavations in Jerusalem 1961– 1967 Vol. II: The Iron Age Extramural Quarter on the South-East Hill, British Academy Monographs in Archaeology No. 2, Oxford; T. A. Holland 1977: A Study of Palestinian Iron Age Baked Clay Figurines, with Special Reference to Jerusalem Cave 1, in: LEVANT 9, 121–155; B. Janowski 2009: Jahwe und die Toten: Zur Geschichte des Todes im Alten Israel, in: A. Berlejung und B. Janowski 2009: Tod und Jenseits im alten Testament und in seiner Umwelt, FAT 64, Tübingen, 447–477; K. M. Kenyon 1974: Digging up Jerusalem, London; N. Laneri 2007: Performing Death: Social Analysis of Funery Traditions in the Ancient Near East and Meditteranean, Oriental Institute Seminars 3, Chicago; T. J. Lewis 1989: Cults of the Dead in Ancient Israel and Ugarit, HSM 39, Atlanta; O. Loretz 1978: Vom kanaanäischen Totenkult zur judäischen Patriarchen- und Elternehrung, in: JARG 3, 149–204; O. Loretz 1992: Die Teraphim als „Ahnen-Götter-Figur(in)en“ im Lichte der Texte aus Nuzi, Emar und Ugarit, in: UF 24, 133–78; B. Mazar und E. Mazar 1989: Excavations in the South of the Temple Mount: The Ophel of Biblical Jerusalem, QEDEM 29, Jerusalem; H. Nier 2003: The Changed Status of the Dead in Yehud, in: R. Albertz und B. Becking (Hrsg), Yahwism after the Exile: Perspectives on Israelite Religion in the Persian Era, STAR 5, Assen, 136–155; S. M. Olyan 2004: Biblical Mourning: Ritual and Social Dimensions, Oxford; D. Pardee 2009: A New Aramaic Inscription from Zincirli – Ancient Samʿal, in: BASOR 356, 51–71; B. B. Schmidt 1994: Israel’s Beneficent Dead: Ancestor Cult and Necromancy in Ancient Israelite Religion and Tradition, FAT 11, Tübingen; B. B. Schmidt 2016: The Materiality of Power: Explorations in the Social History of Early Israelite Magic, FAT 105, Tübingen; K. Spronk 1986: Beatific Afterlife in Ancient Israel and the Ancient Near East, AOAT 219, Neukirchen-Vluyn; R. Schmitt 2009a: „And Jacob Set up a Pillar at her Grave…: Material Memorials and Landmarks in the Old Testament, in: J. van Ruiten und J. C. de Vos (Hrsg.), The Land of Israel in Bible, History, and Theology: Studies in Honour of Ed Noort, SVT 134, Leiden, 389– 403; R. Schmitt 2009b: Totenversorgung, Totengedenken und Nekromantie, in: A. Berlejung und B. Janowski (Hrsg.), Tod und Jenseits im alten Testament und in seiner Umwelt, FAT 64, Tübingen, 501–524; W. R. Smith, Die Religion der Semiten, Tübingen 1899; J. F. Thiel 1984: Religionsethnologie: Grundbegriffe der Religionen schriftloser Völker, Berlin; K. van der Toorn 1996a: Ancestors and Anthroponyms: Kinship Terms as Theophoric Elements in Hebrew Names, in: ZAW 108, 1–11; K. van der Toorn 1996b: Family Religion in Babylonia, Syria and Israel: Continuity and Change in the Forms of Religious Life, SHCANE 7, Leiden u.a.; K. van der Toorn 1997: Ein verborgenes Erbe: Totenkult im frühen Israel, in: ThQ 177, 105–120; I. Ziffer 2016: It is the Land of Honey: Discoveries from Tel Reḥov, the Early Days of the Israelite Monarchy, Tel Aviv.

3.3.3.2.4.2.1 Die Ahnen In der Forschung wurden die Begriffe „Totenkult“ und „Ahnenkult“ oft undifferenziert im Sinne einer Verehrung der Toten als quasi-göttliche Wesen und einer kultischen Verehrung der Vorfahren verwendet. Die Begriffe des „Toten“- bzw. „Ahnenkults“ sind jedoch irreführend: Riten, die an Vorfahren gerichtet sind, mögen auf einer rein deskriptiven Ebene wie kultische Riten aussehen, die an eine Gottheit adressiert sind, sie unterscheiden sich aber wesentlich darin, dass sie eine unmittelbare soziale Beziehung reflektieren, nämlich die Verwandtschaft und die reziproke familiäre Solidarität. Der phänomenologische Ansatz, der Götter mit Vorfahren gleichsetzt, vermischt die unterschiedlichen Funktionen der Adressaten von Riten. Die Ahnen spielen in Fällen familiärer Not wie Krankheit, Tod oder Unfruchtbarkeit sowie in Fällen wichtiger familiärer Angelegenheiten eine wichtige Rolle, nicht aber z.B. bei Fragen nationalen Interesses (Thiel 1984: 143f.). Mit Fortes (1965: 124) kann der Begriff des Ahnen als benannter toter Vorfahre mit lebenden Nachkommen und von anhaltender struktureller Relevanz definiert werden. Was einen toten Verwandten zu einem Ahnen macht, ist damit nicht als eine Art Apotheose zu verstehen, sondern als eine fortwährende soziale Beziehung zwischen dem Ahnen und seinen lebenden Verwandten. Ein Ahne wird also durch seine soziale Funktion und seinen Status als Verwandter definiert und nicht durch seine numinosen Qualitäten, die sekundär und kulturell je unterschiedlich ausgeprägt sein können. Um den missverständlichen und theologisch oft negativ besetzten Begriff des „Totenkults“ zu vermeiden, wird hier daher der neutrale Begriff „Totenpflege“ im Sinne von „Ahnenpflege“ verwendet. Im Hinblick auf die Identifikation der Ahnen herrscht Konsens, dass diese Gruppe mit den patrilinearen Vorfahren (’ābôt) zu identifizieren ist, wie auch die Bezeichnung bēt ’āb für ‚Haus‘, ‚Familie‘ nahelegt (zur Diskussion Albertz und Schmitt 2012: 21ff.). Die patrilinearen Vorfahren, die ‚Väter‘ (’ābôt) bilden ein Kollektiv, zu dem die Verstorbenen ‚versammelt‘ (’sp Ri 2,10, 2 Kön 22,20 etc.) werden oder ‚sich legen‘ (škb – Gen 47,30; Dtn 31,16 etc.). Biblische Belege für Totenversorgung wie Dtn 26,14 und Sir 7,33 benutzen den generellen Terminus ‚die Toten‘ (MT: metîm; LXX: νεκροί), was darauf hindeutet, dass Rituale der Totenversorgung generell an alle verstorbenen Mitglieder der Familie gerichtet sind, auch wenn die

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Israelitisch-judäische Religion

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’ābôt den Fokus familiärer Identität bilden. Das Alte Testament erwähnt die rĕpā’îm (‚Geschwächte‘/‚Kraftlose‘, oft unzutreffend mit ‚Heiler‘ übersetzt; dazu: Schmidt 1994: 267ff.) als Einwohner der Unterwelt (Jes 14,9; 26,14.19; Ps 88,11; Hi 26,5; Prov 2,18; 9,18; 21; 16), die in der Forschung als Ahnen mit göttlichem oder semi-göttlichem Status bezeichnet werden. In Jes 14,9 bezeichnet rĕpā’îm – analog zu den vergöttlichten ugaritischen dynastischen Ahnen, den rpum – die verstorbenen Könige, die in ihrer postmortalen Existenz ‚schwach‘ geworden sind. Sowohl in poetischen (Jes 26,14; Ps 88,11), wie auch in Weisheitstexten (Prov 2,18) wird rĕpā’îm parallel zu metîm – und damit als generelle Bezeichnung für die Toten – gebraucht. Der Charakter der rĕpā’îm als ‚Geschwächte‘ zeigt klar, dass es sich nicht um göttliche oder halb-göttliche Ahnen handelt, sondern um die Einwohner der Unterwelt in toto. Im Anschluss an W. R. Smith (1899) wurde die These aufgestellt, dass die theophoren Namenselemente ’āb, ’āḥ und ‘am in theophoren Namen auf vergöttlichte Ahnen zu beziehen seien (van der Toorn 1996: 206ff.). Tatsächlich können die Totengeister zwar wie in 1 Sam 28,13 und Jes 8,19f. als ’elōhîm bezeichnet werden, das Konzept einer Deifizierung der Ahnen bleibt jedoch problematisch: a.) Westsemitische Verwandtschaftsnamen beziehen sich auf Götter, nicht aber auf Ahnen. b.) Die Ahnen sind nach den alttestamentlichen Befunden zu ehren, von einer regelrechten kultischen Verehrung verlautet jedoch nichts, andernfalls hätte man harsche Polemiken und Verbote in den deuteronomistischen, priesterlichen und prophetischen Textkorpora erwarten dürfen, was jedoch nicht der Fall ist. 3.) Es gibt keinerlei Hinweis im Alten Testament darauf, dass die Ahnen durch rituelle Unterstützung der Lebenden oder durch göttliche Intervention eine Transformation zu göttlichen Wesen durchmachen. Dies wirft natürlich die Frage auf, wie man den Begriff ’elōhîm in 1 Sam 28,13 und Jes 8,19–20 zu verstehen hat. In dem ugaritischen Text KTU 1.6 VI: 45–48 stehen die Begriffe rpim, ilnym, ilm and mtm synonym für die Bewohner der Unterwelt; dementsprechend rekurriert auch die ugaritische Königsliste KTU 1.113 auf die Toten als il, desgleichen bezeichnet eine phönizische Inschrift aus Pyrgi (KAI 277: 8–9) die Toten als ’ilm. Die ugaritischen und phönizischen Belege zeigen daher deutlich, dass die Begriffe mtm and ilm synonym als Bezeichnung für die Toten gebraucht werden können, ebenso wie nepeš (aram: nbš) auf der Kuttamuwa-Stele (Z.11).227 Der Gebrauch von ’elōhîm in 1 Sam 28,13 und Jes 8,19–20 kann daher als Kennzeichnung der Toten bzw. der Totengeister als „übernatürliche“ Wesen (Lewis 1989: 115: preternatural beings) verstanden werden, deren Status jedoch keinesfalls ‚göttlich‘ ist, die aber Fähigkeiten aufweisen, die sie von den Lebenden unterscheiden, insbesondere die Kenntnis des Zukünftigen (Edelman 2017: 171). Dies entspricht auch der mesopotamischen Vorstellung über den Totengeist (eṭemmu). Die Wahrnehmung der Ahnen als „übernatürliche“ Wesen kann daher nicht als eine Vergöttlichung verstanden werden, wie sie im evolutionistisch-animistischen Paradigma vertreten wurde. Das Alte Testament kennt keine Hinweise auf einen regelrechten „Ahnenkult“ der familiären oder der königlichen Ahnen. Dies heißt freilich nicht, dass Vorstellungen über die Ahnen und an sie gerichtete rituelle Praktiken insbesondere der Totenfürsorge ohne Bedeutung sind. Wie auch die Befunde zur Totenfürsorge aus Mesopotamien zeigen, bleiben die Toten Teil der Familie und sind rituell ansprechbar. Die biblischen Belege zur Totenpflege, insbesondere die regelmäßige Speisung der Toten (Dtn 26,14; Sir 7,33; Tobit 4,17), Toten- und Trauermähler (u.a. das in Jes 65,3–5 geschilderte nächtliche Verweilen zum Mahl im Grab bzw. einer Höhle, bei dem die Lebenden temporär den Status der Toten annehmen) zeigen, dass das familiäre Band zwischen den Lebenden und Toten keinesfalls zerrissen ist. Dieses Band aber ist die Voraussetzung für jede Form der Kommunikation mit den Toten. Dies gilt bis in die hellenistisch-römische Zeit (siehe Stern 2018). 3.3.3.2.4.2.2 Trauerriten Wie andere familiäre Riten weisen die Trauerriten im antiken Vorderen Orient und der Levante raum- und zeitübergreifend eine starke Kontinuität auf und die im Alten Testament belegten Riten unterscheiden sich nicht wesentlich von den Praktiken in Syrien, Mesopotamien und im ägäischen Raum im 2. und 1. Jt. v. Chr. (siehe die Beiträge in Laneri 2007). Der Komplex von Trauer- und Klageriten (heb. ʾābal/sāpad) ist vor allem von Alterierungen der Verhaltensweisen und der äußeren Erscheinung der Trauernden sowie durch expressive Körperriten gekennzeichnet. Hierzu gehören das Zerreißen der Kleidung (Gen 37,34; Lev 10,6; 21,10; 2 Sam 1,11; 3,31; Hi 1,20), das Anziehen eines besonderen Trauergewandes, des śaq (Gen 37,34; 2 Sam 3,31; Ez 27,31; Jdt 8,5), das Ablegen von Kopfbedeckung und Sandalen (Ez 24,17; Jdt 10,3– 4) sowie von Schmuck (Jdt 10,4). Die Haare wurden gelöst und ungekämmt gelassen (Lev 10,6; 21,10; Jdt 227

Pardee 2009. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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10,3), abgeschnitten (Lev 21,5; Hi 1,20; Jer 16,6; Ez 7,18) oder die Stirn rasiert (Lev 19,27; Dtn 14,1). Weiter wurde der Bart verborgen (Ez 24,17) oder das Gesicht verhüllt (2 Sam 19,5). Auch das Waschen und Salben wurde eingestellt (2 Sam 14,2; Jdt 10,3). Stattdessen streute man Staub und Asche auf den Kopf (Jos 7,6; 1 Sam 4,12) oder rollte sich im Dreck (Jer 6,26). Verhaltensänderungen umfassten das Fasten (1 Sam 31,13; 2 Sam 1,12) und das Sitzen in Staub und Asche, die zu der typischen Antistruktur (Turner 1969) bzw. Inversion von Trauerriten gehörten. Riten mit Staub symbolisierten zudem, dass die Trauernden sich den Toten äußerlich angleichen. Alterationen des Körpers durch Selbstlazeration mit Messern und Scherben gehören zu den ekstatischen Trauerriten (Lev 19,28; Dtn 14,1; Jer 16,6 und 41,5), ebenso das Schlagen auf die Brust in Jes 32,12 oder die Genitalregion in Jer 31,19. Die Induzierung von Schmerz unterstützt dabei insbesondere das ekstatische Wehklagen. Die Trauernden suspendieren so temporal ihren sozialen Status und existieren in einer Art liminalen Zustand zwischen Tod und Leben. Derartige ekstatische Körperriten sind in Ugarit, Mesopotamien und in der Ägäis vom 2. Jt. bis in die Gegenwart belegt. Die Durchführung der Trauerriten war in erster Linie die Pflicht entweder der Kernfamilie, vertreten durch den pater familias wie in Gen 23,2, oder des weiteren Familienverbands, wie in Gen 25,9 und 35,29. Die Durchführung von Trauerriten war jedoch nicht nur auf die Mitglieder einer Familie beschränkt, sondern konnte auch Freunde und Nachbarn oder die Ortsgemeinschaft mit einbeziehen. Derartige Riten boten darüber hinaus die Möglichkeit, die sozialen Rollen der Hinterbliebenen neu zu verhandeln oder zu bestätigen (Olyan 2004). Für die öffentliche Klage wurden Klagefrauen (wohl aus der Verwandtschaft oder der Nachbarschaft) rekrutiert, die das Trauerlied (qīnāh) sangen und expressive Körperriten durchführten. Archäologisch sind kleinplastische Repräsentationen von Klagefrauen vor allem aus der Küstenebene bekannt (Abb. 4.2 und 4.3). Vom Tel Reḥov (Tell eṣ-Ṣārem), stammt eine Eisen-II-A-zeitliche Terrakottafigurine einer knieenden Frau, die sehr wahrscheinlich ebenfalls eine Klagefrau darstellt und Einritzungen auf der Brust aufweist (Abb. 3.100).228

Abb. 3.100: Klagefrau vom Tel Reḥov

3.3.3.2.4.2.3 Totenversorgung, Totengedenken und rituelle Kommunikation mit den Toten Die alttestamentlichen Belege für andere Formen rituellen Umgangs mit den Toten außerhalb des Kontexts der Bestattung, insbesondere ihre Versorgung, sind spärlich. Ein Institut der Totenpflege analog dem mesopotamischen kispum ist für das alte Israel zwar nicht unmittelbar belegt, doch geben die Texte einige Hinweise auf Riten der Totenpflege: In den Kontext der familiären Religion gehört das jährlich an einem Interlunium (ḥodeš) vollzogene Opferfest für den ganzen Klan (zebaḥ hayyāmîm lĕkol-hammišpāḥâ) in 1 Sam 20,6, wobei das lĕkol-hammišpāḥâ sich auf die auch über den Tod hinaus bestehende Solidarität des ganzen Klans bezieht. Wie aus 1 Sam 20,26 zu erheben ist, gehört die rituelle Reinheit zu den Voraussetzungen dieser Feierlichkeit. Nach 1 Sam 10,2–3 gehören auch Besuche der Ahnengräber (hier das Grab der Rachel und der wohl mit dem Grab der Deborah identischen Tabor-Eiche) zu den rituellen Begehungen am Interlunium (vgl. van der Toorn 1996: 214ff.). Eine regelmäßige Speisung der Toten impliziert Dtn 26,14: Der Text gehört zum sog. „liturgischen Anhang“ der Bestimmungen des Zehntjahres, der eine Schwurformel des Zehntpflichtigen enthält, in dem er vor Jahwe versichert, nichts vom dem „Heiligen“ für Zwecke benutzt zu haben, dies es entweihen könnten. Hierzu gehören sowohl das Essen vom Zehnten in der Zeit 228

Ziffer 2016: Kat. Nr. 62 (Umzeichnung des Verfassers). © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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der Trauer, anderen Phasen der Unreinheit, als auch das Abzweigen von Gaben für einen Toten (v. 14a). Speisegaben an Tote waren noch in der hellenistischen Zeit üblich: So gilt bei Jesus Sirach 7,33 die Gabe an die Toten als heilige Pflicht und in Tobit 4,17 gehört die Pflicht der Brotspende auf das Grab der Gerechten zu den Belehrungen, die Tobit seinem Sohn Tobias mit auf den Weg gibt. Etwas ausführlichere Schilderungen des rituellen Umgangs mit den Toten finden sich in Jer 16,5–8 und Jes 65,4–5. Jer 16 ist als Zeugnis der im familiären Kontext vollzogenen Handlungen und Jes 65 als Beleg für kommemorative Ritualmähler im Kontext des Grabes anzusprechen. Von zentraler Bedeutung ist nach Jer 16,5–8 insbesondere das rituelle Toten- bzw. Trauermahl im Kontext des auch in Ugarit belegten marzeaḥ (KTU 1.21; 1.114; 3.9; 4.642). Wie zahlreiche Arbeiten zur Thematik dargelegt haben (u.a. Spronk 1986: 196ff.; Lewis 1989: 80ff.; Schmidt 1994: 246ff.) und auch Amos 6,7 nahelegt, bezeichnet marzeaḥ wohl keinen terminus technicus für das Totenmahl, sondern eher eine Institution nach Art eines Vereins oder eine Örtlichkeit ohne feste Assoziation zum Totenkult. Der Text macht jedoch deutlich, dass ritualisierte Formen des Mahles wie das Brechen von Brot und das Verabreichen des Trostbechers (kôs tanḥûmîm) neben den Riten des Klagens, des Sich-Kahlscherens und der Selbstlazeration Bestandteil von Trauerritualen waren, die im Rahmen eines marzeaḥ von seinen Mitgliedern und Gästen durchgeführt worden sind. Eine religiöse Komponente wird man dem marzeaḥ daher nicht absprechen können. Die ausführlichste Schilderung von Praktiken an bzw. in Begräbnisstätten selbst findet sich in Jes 65,4–5: 4

Sie sitzen in den Grabkammern und verbringen die Nächte in Höhlen; sie essen das Fleisch von Schweinen und haben Brühe von unqualifiziertem Opferfleisch (piggûl) in ihren Töpfen. 5Sie sagen: Bleib, wo du bist! Komm mir nicht nahe, sonst bist du geweiht (qedaštîkā)!

Die tritojesajanische Polemik richtet sich offenbar gegen den Brauch von Totenmählern, die den Verzehr von Fleisch miteinschließen, wobei der Verzehr des als unrein geltenden Schweines als spezielle Totenversorgungsmahlzeit verstanden werden kann: Die Ritualteilnehmer verzehren die den Toten homologe unreine Mahlzeit, um diesen gleich zu werden. Dass der Verzehr von Schweinen nicht eine polemische Verzerrung ist, sondern tatsächlichem Brauch entsprechen könnte, zeigt der Fund von Schweineknochen in zwei eisenzeitlichen Gräbern des 7. Jh. aus Lachish.229 Bei dem ‚unqualifiziertem Opferfleisch’ (piggûl), handelt es sich um Opferfleisch, das nach Lev 7,18 und 19,7 innerhalb von zwei Tagen verzehrt werden muss, am dritten aber untauglich wird und verbrannt werden muss. Die Partizipanten eines solchen Rituals befinden sich durch die Nähe zu den Toten in einem Zustand von besonderer Heiligkeit (qdš aber nicht – wie im Falle der Totenberührung nach Num 19,11 zu erwarten – ṭm’), der Unbeteiligte kontaminieren könnte. Auch nekromantische Praktiken im weiteren Sinne können mit solchen Totenmahlzeiten verbunden gewesen sein, auch wenn direkte Belege hierzu für die EZ nicht vorliegen: Die Septuaginta-Fassung von Jes 65 ergänzt in V. 4a: δι ἐύπνια, was auf Traumorakel hindeutet, die man an diesem Ort erwartete. Ob die Septuaginta hier aus zeitgenössischer hellenistischer Praxis ergänzt oder tatsächlich einen ursprünglichen Hinweis erhalten hat, ist letztendlich nicht mehr zu entscheiden. Von Bedeutung ist jedoch der Hinweis auf im Grab selbst vorgenommene Mahlzeiten, die die dauerhafte Verbindung der Lebenden mit den verstorbenen Familienmitgliedern zum Ausdruck bringen, wobei die Teilnehmer sich temporär durch den Aufenthalt im Grab und durch den Verzehr des unreinen Fleisches dem Status der Toten angleichen. Wie unten (3.3.3.2.4.2.4) noch darzulegen ist, können Jerusalem Cave I–III, Locus 6015 und Samaria E 207 als mögliche Einrichtung für derartige kommemorative Mähler gedeutet werden. Rituelles Gedenken an die Toten hatte nach den alttestamentlichen Traditionen seinen Ort nicht nur im Haus oder bei Gedächtnismählern im Kreise der Angehörigen und Freunde, sondern das Alte Testament berichtet auch von materialen Memoria für die Toten, die als yād (2 Sam 18,18; Jes 56,5), ṣîyyûn (Grab des Gottesmannes in 2 Kön 23,17) oder maṣṣebā (Rahelgrab in Gen 35,20; Absalom-Monument in 2 Sam 18,18) bezeichnet werden. Das Errichten einer solchen Memoria ist nach Gen 35,20 und Jes 56,6 primär Bestandteil familiärer Pietät. Die Bezeichnung der Memoria als maṣṣebā lässt auf eine bearbeitete oder auch unbearbeitete Stele schließen, deren Funktion über eine bloße Markierung des Grabes hinausgeht dürfte: Die explizite Benennung der maṣṣebā Absaloms in 2 Sam 18,18 „nach seinem Namen“ als „Mal (yād) Absaloms“ könnte nicht nur in Hinblick auf ein Grabdenkmal, sondern auch in Richtung einer Art Repräsentation des Toten – die nicht mit einer Identifizierung im animistischen Sinne missverstanden werden sollte – analog den späteren nabatäischen npš-Pfeilern verstanden werden. In ähnlicher Weise ist wohl auch das yād wāšēm in Jes 56,5 zu verstehen, das dem Namen der Verstorbenen Dauer verleihen soll, hier 229

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aber deutlich außerhalb des Grabkontextes, nämlich im Tempel selbst. Archäologisch konnten für das Israel und Juda der Königszeit indes bisher keine solchen Memoriae nachgewiesen werden. Für die hellenistische Zeit bezeugt Josephus (Ant 13.211) monumentale Stelen als Memoriae für die Makkabäer. Entsprechende oberirdische Memoriae sind in der hellenistisch-römischen Zeit u.a. durch das sogenannte Absalom-Grab und das Zacharias-Grab in Jerusalem bezeugt. Im Hinblick auf den rituellen Umgang mit den Toten sind die alttestamentlichen Quellen entweder schweigsam oder polemisieren gegen bestimmte Formen ritueller Kommunikation mit den Toten, insbesondere gegen die Nekromantie. So untersagt das Prophetengesetz in Dtn 18,10–11 ausdrücklich die Befragung (šā’al/dāraš) von ’ōb (‚Beschwörungsgrube‘, auch: ‚Totengeist‘), yiddeōnîm (den ‚Wissenden‘) und mētîm (den Toten). Den Umgang mit ’ōbōt und yiddeōnîm verbieten auch Lev 19,31 und 20,6, die jedoch beide von Dtn 18 abhängig sind. Auch nachexilische prophetische Polemiken wie Jesaja 8,19–20 – zumeist von Dtn 18,11 abhängig – wenden sich gegen die Befragung der Totengeister (s. Schmitt 2014: 61ff.) Als zentraler Text zur Nekromantie gilt 1 Sam 28,3–25: Einigkeit im Hinblick auf den vor-dtr Bestand der Erzählung besteht nicht. Da die Erzählung im Ganzen stark deuteronomistisch geprägt ist und das Prophetengesetz Dtn 18 klar voraussetzt, dürfte 1 Sam 28 im Kontext der Erzählung von Sauls Verwerfung in 1 Sam 15,1–13 als spät- oder post-dtr einzuordnen sein (s. Schmitt 2014: 65f.). Als späte Bildung im Rahmen der deuteronomistischen Traditionslinie reflektiert 1 Sam 28 daher wohl primär Vorstellungen der nachexilischen Zeit. Auffallend ist, dass die Evozierung des als ’elōhîm bezeichneten Totengeistes nur in nachexilischen Texten erscheint, nämlich in 1 Sam 28,13 und Jes 8,19–20. Dies korrespondiert mit den Belegen zur rituellen Kommunikation mit den Toten in Jes 65,3–5, Sir 7,33 und Tobit 4,17. Neben der Befragung des Totengeistes Samuels durch Saul richten sich die Polemiken im DtrG ausschließlich gegen die von Königen geübte Praxis, wie die in 2 Kön 21,6 dem König Manasse vorgeworfene Praxis der Befragung von ’ōb und yiddeōnîm. Folgerichtig beseitigt Josija in 2 Kön 23,24 die ’ōbōt, yiddeōnîm und tĕrapîm. Die Konsultation der rĕpā’īm durch Asa in 2 Chr 16,12 hat dessen Tod zur Folge. Ob sich 2 Kön 21,6 und 23,24 sowie 2 Chr 16,12 auf tatsächlich geübte Praktiken beziehen, ist aufgrund des stereotypen Charakters der Vorwürfe unwahrscheinlich. Eine assyrisch beeinflusste Praxis, wie u.a. von Schmidt (1994: 286) angenommen, ist Nekromantie kaum, da es keinerlei textliche Bezeugung für die Praxis der Totenbefragung in Mesopotamien im 1. Jt. gibt. Auch aus dem westsemitischen Kulturraum der EZ gibt es keine Belege für Nekromantie. Insgesamt enthalten die biblischen Texte kein Material, das über eine vorexilische Praxis der Nekromantie Auskunft geben könnte, und es hat den Anschein, als handele es sich mehr um einen polemischen Topos als um eine reale Praxis. 3.3.3.2.4.2.4 Mögliche unterirdische Installationen zur Totenfürsorge, Jerusalem Cave I–III, Jerusalem Locus 6015 und Samaria Locus E 207 Mehrere Höhlen (Cave I–III) am Osthang des südöstlichen Hügels in Jerusalem (Kenyon 1974; Holland 1977; Franken und Steiner 1990; Eshel und Prag 1995) und eine Felskammer (Locus 6015) am Osthang des Ophel (Mazar und Mazar 1989: 50ff.) ohne Spuren von Bestattungen und daher wahrscheinlich nie als Gräber benutzt, enthielten große Mengen an Gebrauchskeramik sowie Ritualgegenstände. Bei Cave I (Abb. 3.101)230 handelt es sich um eine in den Fels gehauene künstliche Höhle von etwa 8 m Länge, 1,65 m Höhe und mit einer maximalen Breite von 4,2 m. Zu den gefundenen Ritualobjekten gehören 16 JPFs und andere Arten von Frauenfiguren, 21 Pferd-und-Reiter-Figuren, 7 Vogelfiguren, 38 verschiedene zoomorphe Figuren, zwei anthropoide Gefäße, drei Miniaturmöbel, eine Rassel, ein Modellschrein, zwei Miniaturaltäre, ein intakter, fenestrierter Kultständer und Fragmente von zwei weiteren Exemplaren. Die Keramik besteht überwiegend aus Gefäßen für den Verzehr von Lebensmitteln (511 Schalen und 168 Kochtöpfe), 379 Vorratsgefäßen unterschiedlicher Typen sowie 105 Lampen. Ein Ofen und Tierknochen deuten auf die Zubereitung und den Verzehr von Speisen in der Höhle hin. Unter der Keramik befanden sich auch eine Reihe von Gefäßen und Scherben, die mit Namen versehen waren231 und auf Votive für Rituale hinweisen. Der Befund aus der Felskammer Locus 6015 ähnelt dem von Cave I, wenn auch in kleinerem Maßstab. Ähnliche Ensembles fanden sich in Cave II und III, allerdings mit weitaus weniger oder gar keinen Ritualobjekten. Anzuschließen ist die ältere Anlage Locus E 207 aus der EZ II B in Samaria:232 Die ca. 700 m östlich 230

Montage des Verfassers nach Holland 1977: Abb. 7–9. HAE Jer[7]:12–28. 232 Crowfoot, Kenyon und Sukenik 1942: 23f.; Crowfoot, Crowfoot und Kenyon 1957: 76ff., 137ff. 231

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des israelitischen Königspalastes gelegene Anlage bildet einen trapezförmigen Graben von ca. 26 mal 30 Meter im Umfang, 4 m Breite und einer Tiefe von 4 m (Abb. 3.102).233 In die Außenwand des Grabens wurden (sekundär) mehrere Schächte und Gräber geschlagen. Locus E 207 enthielt eine große Anzahl von Ritualobjekten (23 weibliche, 2 männliche und 120 zoomorphe Figuren, Räuchergefäße und Rasseln) und Gebrauchskeramik (über 400 Schalen und nahezu 200 Vorratsgefäße) sowie Tierknochen Auch hier gab es mit Namen beschriftete Objekte.234 Die Deutung der Jerusalemer Höhlen und von Samaria Locus E 207 ist nach wie vor kontrovers, doch scheint ihr kultischer Charakter deutlich. Dass rituelle Handlungen in Höhlen oder anderen unterirdischen Lokationen vollzogen worden sind, ist als deutlicher Hinweis auf eine gewünschte Nähe zur Unterwelt hin zu interpretieren, wobei die Höhle hierbei als eine Art Zwischenbereich zwischen der Sphäre der Lebenden und der der Toten aufgefasst werden kann. Da es sich nicht um Grabstätten handelt, entgehen die Partizipanten eines solchen Rituals auch der Gefahr der Kontamination durch unmittelbaren Kontakt mit den Toten. Im Hinblick auf das Ritualgerät sprechen vor allem die Rasseln für einen Zusammenhang mit der Totenfürsorge, da diese fast ausschließlich in Grabkontexten gefunden worden sind. Die genannten Fundkomplexe, insbesondere aber Jerusalem Cave I, Locus 6015 und Samaria E 207 können daher mit Totengedächtnismählern, wie sie in Jes 65,4–5 geschildert werden, in Verbindung gebracht werden. Aufgrund der Größe von Cave I und Locus 6015 dürften diese primär der Kernfamilie oder der erweiterten Kernfamilie gedient haben, wobei sich die große Anzahl von Gefäßen allmählich ansammelte, da die Höhlen über einen längeren Zeitraum genutzt wurden. Die erheblich größere Struktur Samaria E 207 könnte auch für größere Gruppen genutzt worden sein und hatte wohl eher einen öffentlichen Charakter.

Abb. 3.101: Jerusalem Cave I mit Auswahl von Ritualobjekten 233 234

Montage des Verfassers nach Crowfoot, Crowfoot und Kenyon 1957: Fig. B, Fig. 12–33. HAE Sam[8]:3–7, 9–11, 13. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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Abb. 3.102: Samaria Locus E 207, Plan und Auswahl von Ritualobjekten

3.3.3.3 Kalendarische Riten und Rituale 3.3.3.3.1 Das Passahfest Abgesehen von der Beschneidung stellt in der alttestamentlichen Überlieferung das Passahfest das wichtigste familiäre Ritual dar. Die anhaltende Diskussion über die Genese und die Transformationen des Passahfestes spiegelt seine zentrale Bedeutung wider (zur Diskussion: Dahm 2003; Prosic 2004; Schlund 2005). Ältere evolutionistisch gefärbte Hypothesen, wonach das Passahfest aus nomadischen Traditionen bzw. aus dem nicht-sedentären Hirtenleben stamme (so auch Berlejung 2010: 79), während das Fest des ungesäuerten Brotes sedentäre Verhältnisse reflektiere (Wellhausen 1887: 80ff.), sind ebenso obsolet wie phänomenologische Ansätze, die ein ursprünglich gemeinsemitisches Neujahrsfests postuliert haben. Es besteht ein weitgehender Konsens darüber, dass Ex 12,21–23* den ältesten vorexilischen Kern des PassahRituals darstellt, der exilisch-nachexilisch von der P-Traditionslinie in Ex 12,1–13 übernommen und historisiert wurde (Grünwaldt 1992: 222ff.; Dahm 2003: 162ff.; Albertz 2012: 21f.). Im Kontext dieser Transformation wurde das Fest zu einem kommemorativen Ritus, der gleichzeitig die religiöse Identität zum Ausdruck brachte (Dahm 2003:165f.) und im Vollzug die communitas der nachexilischen religiösen Gemeinschaft performativ re-realisierte. Obwohl die priesterliche Passah-Tradition bereits ein fortgeschrittenes Rezeptionsstadium darstellt, lassen die traditionsgeschichtlich älteren Elemente, wie sie Ex 12,1–3*.8– 11 und 21–23* reflektieren, auf ein ursprüngliches Setting im Kontext familiärer Religion schließen. Dieses ursprünglich familiäre Passahritual, kalendarisch vielleicht mit der Erstgeburt des Viehs (Wellhausen 19276: 84ff.) oder mit dem Frühjahrsäquinoktium verbunden, beinhaltete das Schlachten eines Lammes durch den pater familias und das Auftragen von Blut auf Türpfosten und Türsturz, um den masḥīt-Dämon abzuwehren, der die tierische und menschliche Erstgeburt gefährdet. Die in Ex 12,1–3*.8–11 und 21–23* beschriebenen rituellen Handlungen wurden von Laien im familiären Umfeld durchgeführt und nicht von Priestern oder Leviten. Im Gegensatz zum ursprünglichen familiären Setting des Ritus im Haushalt reflektiert Dtn 16,1–8 ein Passahfest, bei dem das Schlachten und Verzehr der Passahtiere (hier einschließlich Rindern) im Tempel vollzogen werden musste, was den Charakter der Schlachtung zu einem zebaḥ-Opfer transformiert hat.

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3.3.3.3.2 Das Fest der ungesäuerten Brote (maṣṣot) Auch das mit dem Passah fusionierte und in der D-Tradition entsprechend historisierte Fest der ungesäuerten Brote (maṣṣot; im ursprünglichen Bestand Ex 23,15a*b; 34,18–20), war ein unabhängiger Ritus im Kontext des agrarischen Jahres, mit dem die Getreideernte begangen wurde (vgl. Albertz 2012: 126). Das ursprüngliche kalendarische Setting ist der Erntebeginn im ersten Monat (Abib=März/April) gewesen, wobei das exakte Datum – je nach Einsatz der Ernte – variabel war (Berlejung 2010: 79). Die Dauer des Festes wird mit 7 Tagen angegeben. Wie die meisten Feste im Kontext der familiären Religion steht auch hier der gemeinsame Verzehr einer bestimmten Speise im Mittelpunkt. Die Verwendung des aus dem frisch geernteten Getreide hergestellten ungesäuerten Brotes markiert einen Neubeginn, da kein Anstellgut aus der vorherigen Ernte zur Zubereitung benutzt wird. Zudem diente das Verbot, Sauerteig im Brot zu verwenden, höchstwahrscheinlich dazu, dieses besondere Brot vom alltäglichen Grundnahrungsmittel zu unterscheiden. Die Formulierung in 15b, dass man nicht mit leeren Händen erscheinen solle, dürfte zum ursprünglichen Bestand gehört haben, da bei einem Erntefest Dankgaben an die Gottheit, insbesondere an Jahwe als Wettergott, der für eine reiche Ernte verantwortlich ist, vorauszusetzen sind. 3.3.3.3.3 Erstlingsopfer, Ernte-und-Sammelfest Die wirtschaftliche Grundlage der Familie in der Eisenzeit war die landwirtschaftliche Produktion, einschließlich der Viehzucht, primär als Subsistenzwirtschaft. Im Kontext der oft prekären Bedingungen der Subsistenzwirtschaft haben Rituale im Kontext von Ernte und Viehhaltung eine besondere Bedeutung, wie schon anhand der Erörterungen zum maṣṣot-Fest deutlich geworden ist. Sie dienen der rituellen Sicherung der Ernte und des reichen Nachwuchses der Herden als Lebensgrundlage der Familie. Das Alte Testament beschreibt zwei Typen des Erstlingsopfers: Zum einen das Opfer der ersten Ernte des Obstes und Gemüses (heb. bikkûrîm/reʾšīt) in Ex 23,19a; 34,26 und Dtn 26,1–11 und zum anderen das der erstgeborenen Tiere (peṭer [reḥem] bĕkōr – ‚was [zuerst] durch die Gebärmutter bricht‘) in Ex 22,28f.; 34,19f. und Dtn 15,19–23. Die Opfergabe der ersten Früchte und Gemüsesorten erfolgte nach Ex 34,22 an zwei Festen des Landwirtschaftsjahres, dem der Weizenernte (bikkûrîm) und dem Sammelfest (ḥag hāsīp), das den Jahreswechsel markierte (zu den vorexilischen Festkalendern siehe Körting 1999). Die Regelung für die Darbringung der Erstgeburt in Dtn 26 gibt nicht ausdrücklich ein Datum an und war daher ursprünglich nicht an kalendarische Festzyklen gebunden, sondern eine an das Ereignis der Geburt gebundene Kasualie. Nach Ex 22,29 wurden Tiere am achten Tag nach der Geburt dargebracht. In Dtn 15,19–23 wurde die Darbringung der Erstgeburt in den jährlichen offiziellen Festzyklus integriert. Trotz der Tatsache, dass dieses Fest nachexilisch der Zentralisierung und damit der priesterlichen Kontrolle unterworfen worden ist, verlor es nicht seinen Charakter als Familienfest, da die deuteronomistischen Legislatoren einen gemeinsamen Verzehr durch die Familien vorsahen, der aber im Heiligtum vollzogen werden sollte. Auch das siebentägige Fest der ungesäuerten Brote, war ursprünglich ebenfalls unabhängig vom Passahfest und war ein Fest des landwirtschaftlichen Kreises, das den Beginn der Getreideernte im Monat Abib (März/April) markierte (s.o. 3.3.3.3.2). Vor dem Exil wurden die mit diesen Gaben verbundenen Rituale, auch wenn sie an lokalen oder regionalen Heiligtümern vollzogen worden sind, von jeder Familie im Wesentlichen unabhängig voneinander durchgeführt. Auch diese Riten und Rituale der Familienreligion wurden nachexilisch in den offiziellen Kult integriert: Die Vorschriften in Dtn 26,1–11 sahen eine feste Liturgie für dieses Ritual vor und machten es zwingend erforderlich, die Erstlinge im Zentralheiligtum darzubringen. Zudem wird ein Bekenntnisritual mit historisierender Komponente eingeführt, das vom Familienoberhaupt durchgeführt werden sollte, um Jahwe als den anzuerkennen, der das Volk aus Ägypten befreit und ihm das Land gegeben hatte (siehe Albertz 1992: 103). Der Anspruch Jahwes auf die menschliche Erstgeburt (bĕkōr; siehe Ex 22,28; 34,20 sowie Num 8,17 und 18,15) war keine Forderung eines tatsächlichen Menschenopfers, sondern – wie bereits von Smith (1899: 189) vermutet – brachte eine besondere sakrale Würde der menschlichen Erstgeborenen zum Ausdruck (Douglas 2004: 170). Vorexilisch ist der Ritus der Auslösung durch die zahlreichen mit pdh gebildeten Danknamen wie Pedayahu (‚Jahwe hat ausgelöst‘), Pedayah, Padaʾel, Padamalk etc.235 bezeugt. Der Anspruch Jahwes auf den Erstgeborenen in Ex 13,11–16 wurde erst nachexilisch durch die D235

Siehe Albertz und Schmitt 2012: 543f. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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Traditionslinie aus Erzählungen über die Tötung des Erstgeborenen in Ägypten abgeleitet und historisiert. Der göttliche Anspruch auf die menschliche Erstgeburt musste ausgelöst (Ex 34,20 pdh) und gemäß Num 3,50 durch eine vorgeschriebene Menge an Silber abgelöst werden. Auch vorexilisch muss mit einer materiellen Auslösung gerechnet werden. Völlig obsolet ist die Theorie einer Verdrängung alter Formen von Menschenopfern durch Opfergaben von Tieren oder anderen Ersatzgaben (so z.B noch Bauks 2010: 166). Die Forderung nach einer Auslösung der Erstgeburt ist daher als Dank an die Götter für die Geburt des ersten Kindes und dafür, dass Mutter und Kind die prekäre Geburt überlebt haben, anzusehen. 3.3.3.3.4 Sabbat und Neumond Auch die Ursprünge und möglichen altorientalischen Parallelen zum biblischen Sabbat sowie seine Etymologie sind Gegenstand intensiver Diskussion. Der Begriff šabbāt wird zumeist abgeleitet von der Verbalwurzel šbt (qal ‚aufhören‘, ‚ruhen‘) oder mit dem akkadischen šappatu (15. Monatstag, Vollmond) in Verbindung gebracht. Eine umfassende Diskussion über dieses kontroverse Thema kann an dieser Stelle nicht geleistet werden (dazu Robinson 1988; Hasel 1992; Albertz 1992: 408ff.; 2003: 108f.). Nach den als vorexilisch einzuordnenden Quellen war der Sabbat ursprünglich keine primär religiös motivierte Observanz im Kontext der familiären Religionsausübung in der EZ (Grund 2011: 305), außer dass der Tag des Sabbats als günstig zur Einholung von Omina gesehen wurde (2 Kön 4,23). Nach 2 Kön 4,23; Jes 1,13; Hos 2,13 und Amos 8,5 scheint der Sabbat als präexilischer Ruhetag an Vollmondtagen abgehalten worden zu sein und war mit dem Neumond (ḥōdeš) als seiner kalendarischen Opposition verbunden. Der Sabbat als Tag religiöser Riten scheint vorexilisch in den Kontext der offiziellen Religion am Tempel gehört zu haben (Jes 1,13; Hos 2,13; 2 Kön 16,17f.; Klgl 2,6). Als vorexilisch einzuschätzende Traditionen erwähnen den Sabbat als mit einer Folge von Neumonden verbunden, ähnlich der babylonischen Folge von Neumond (arḥum) bis Vollmond (šapattu; s. Robinson 1988). Neben den Tempelritualen am Sabbat sah die familiäre Tradition an jedem siebten Tag eine Unterbrechung der landwirtschaftlichen Arbeit vor (Ex 23,12; 34,21), obwohl diese Praxis keine direkten kultischen Konnotationen hatte. Solche Unterbrechungen des wöchentlichen Arbeitsrhythmus können Observanzen widerspiegeln, die die Erschöpfung von Mensch und Tier im Kontext der landwirtschaftlichen Arbeit verhindern sollten. Erst in der Zeit des Exils oder danach wurde der ursprünglich nicht-kultische, siebte Ruhetag mit der Begehung des Vollmondfestes verbunden. So wurde der Sabbat aus dem Mondkreis herausgelöst und zum Tag des Sabbats (yōm haššabāt). Das ehemalige Tempelfest wurde somit in den familiären Rahmen verlagert, das dann in der gesamten Diaspora gefeiert werden konnte, wobei die ursprünglich nicht religiös konnotierte Arbeitspause eine sakrale Dignität erhielt (Dtn 5,12–15; Ex 20,8–11). Während des Exils wurde der Sabbat zusammen mit anderen Observanzen zu einem ethnisch-religiösen Identitätsmarker und diente damit der Erhaltung der prekär gewordenen religiösen Traditionen (vgl. Grünwaldt 1992: 222f.). Anders als bei den genannten kalendarischen Riten und Observanzen fehlen Hinweise, ob das im Bundesbuch Ex 23,10f. und im Heiligkeitsgesetz Lev 25,1–7 vorgeschriebene Sabbatjahr und seine Übertragung in den finanziellen Sektor in Lev 25,8–55 vorexilische Observanzen und Regelungen aus dem landwirtschaftliche Leben aufgenommen hat. Nach Josephus (Ant 13.8:1; 14.10:6; 14.16:2) und Mk 6,49.53 entsprach dies zwar der Praxis in der Zeit des zweiten Tempels, die genannten legislativen Texte sprechen jedoch eher für eine nachexilische Ausbildung dieser Observanzen. 3.3.3.4 Rituale zu besonderen Anlässen 3.3.3.4.1 Gelübde Die außerbiblischen Quellen zur Praxis des Gelübdes aus dem westsemitischen Kulturraum von der späten Bronzezeit bis zur hellenistischen Zeit zeigen – wie bei vielen Praktiken im Kontext der familiären Religionsausübung – eine erstaunliche Ähnlichkeit und Kontinuität in der longue durée. Im Keret-Epos (KTU 1.14 IV 31–43) legt König Keret, der sieben Frauen nacheinander durch Geburt, Krankheit oder dämonische Einwirkung verloren hatte, gegenüber der Göttin Atirat ein Gelübde (ydr) mit dem Versprechen reicher Gaben an Silber und Gold für den Erhalt eines männlichen Nachkommen ab. In KTU 1.22 II 15–20 gelobt (ydr) Danil den vergöttlichten Vorfahren seines Königshauses, den rapiuma, ein Festmahl dafür, dass sein Sohn dereinst auf seinem Thron sitzen werde. Obwohl die Gelübde von Keret und Danil dadurch motiviert waren, den Fortbestand ihrer Dynastie zu gewährleisten, scheint es im westsemitischen Raum

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sowohl eine vom pater familias als auch von prospektiven Müttern verantworte Praxis von Gelöbnissen zur Sicherung der Nachkommenschaft gegeben zu haben. Erstere wird z.B. durch eine punische Votivstele (KAI 84) bezeugt, die für die Einlösung eines Gelöbnisses ([n]dr) errichtet wurde, entweder einen Sohn zu erhalten oder diesen zu bewahren. Die meisten privaten Inschriften erwähnen häufig nicht die genauen Umstände oder Anlässe der Gelübde oder bitten eher generell um Segen, wie in der bislang einzigartigen Votivinschrift auf einem als ammonitisch klassifizierten und ins 7. Jh. v. Chr. datiertem Votivsiegel (WSS 876): 1

[…] 2ʾbndb š nd 3r lʾšt bṣdn 4tbrkh [PN Sohn von?] 2ʾAbinadab, der gelob3te der Astarte in Sidon. 4Möge sie ihn segnen. 1

Im Onomastikon der EZ II weisen zahlreiche Geburtsnamen (obwohl die Wurzel ndr hier nicht erscheint), auf eine mit Empfängnis und Geburt verbundene Gelübdepraxis hin (Albertz und Schmitt 2012: 271ff. und Appendix B 5.2). Die Errichtung von Stelen zur Erfüllung von Gelübden wird auch in Gen 28,20–22 beschrieben, wiewohl es bislang noch keinen archäologischen Nachweis für derartige Stelen oder andere Votivinschriften aus Israel oder Juda in der Eisenzeit gibt. In der hellenistischen Zeit sind solche Weihinschriften mit Wunsch- bzw. Dankesformeln vor allem für das familiäre Wohlergehen (ldkrn ṭw ‚zum guten Angedenken‘) jedoch aus dem samaritanischen Tempel auf dem Garizim sehr gut bezeugt (Magen, Misgav und Tsfania 2004; dazu Albertz und Schmitt 2012: 406ff.). Als Stifter erscheint in der Regel der pater familias, gelegentlich gemeinsam mit seiner Ehefrau. In zwei Inschriften sind Frauen als alleinige Stifterinnen belegt,236 möglicherweise Witwen, die in diesem Kontext die Rolle des Familienvorstandes wahrnahmen. Die außerbiblische Evidenz, insbesondere die ca. 400 Inschriften vom Garizim und die phönizischen und punischen Inschriften, zeigen im Hinblick auf die Gelöbnispraxis eine starke Überschneidung von familiärer und offizieller Religion, zumal die Garizim-Inschriften stark stereotypisiert und standardisiert sind und wohl bei der Tempelverwaltung in Auftrag gegeben wurden und von spezialisierten Handwerkern ausgeführt worden sind. Im Alten Testament werden Gelübde (nēder) zumeist als Reaktion auf Fälle von extremer Not, Krise oder Gefahr geleistet. Gelübde werden z.B. von Führungspersönlichkeiten in Kriegssituationen (Num 21,2; Ri 11,30f.) oder in Situationen von entscheidender politischer Bedeutung (2 Sam 15,7–8) abgelegt. Gelübde wurden nicht nur gegenüber Jahwe abgelegt, sondern selbstverständlich, wie in Jer 44,15–19.25 erwähnt, auch gegenüber anderen Gottheiten, wie der wohl mit Ašerah zu identifizierenden Himmelskönigin (malkat haššamayim). In familiären Kontexten erscheint die Praxis des Gelöbnisses in Situationen, die den Fortbestand einer Familie bedrohen, wie z.B. Unfruchtbarkeit: In 1 Sam 1,11 legt Hannah ein Gelübde für ein männliches Kind ab, das im Falle der Erfüllung der Bitte Jahwe als Nasiräer geweiht werden soll. Der Ort von Hannahs Gelübde in 1 Sam 1 ist das örtliche Heiligtum in Shiloh. Das Ablegen von Gelübden ist weitgehend eine private bzw. familiäre Angelegenheit und erfordert nicht zwingend das Beisein einer rituellen Öffentlichkeit oder eines Priesters (vgl. Berlinerblau 1996: 66ff.). Die Praxis von Gelübden, die von Frauen für einen Kinderwunsch (von vor allem männlichen) Kindern geleistet wurden, reflektiert die Lehre der Mutter Lemuels in Prov 31,2, in der dieser als ‚Sohn meines Gelübdes‘ (bar-nĕdāray) bezeichnet wird. Gelübde, die in Situationen persönlicher Not, Krankheit und Anfeindung abgelegt wurden, finden in Dankpsalmen des Einzelnen (Ps 22,26; 56,13; 66,13–15 und 116,18f.), der individuellen Klage Ps 61,6–9 sowie in Jona 2,10 Erwähnung. Gelübde werden auch geleistet, um göttlichen Schutz und das allgemeine wirtschaftliche Wohlergehen von Einzelpersonen oder der Familie zu gewährleisten (Gen 28,20ff.). Das allgemeine Wohlergehen, die Fülle von Nahrung und die Abwesenheit von Unglück sind Gegenstand der für die malkat haššamayim in Jer 44,17f. gelobten Opfergaben. Gelübde wurden offenbar nicht als do-ut-des-Automatismus wahrgenommen und konnten unter bestimmten Bedingungen auch widerrufen werden: So regelt Num 30, dass Gelübde von Frauen vom Vater oder Ehemann aufgrund wirtschaftlicher Erwägungen aufgehoben werden konnten. Typische Opfergaben für Gelübde waren Kälber, Kühe, Widder und Lämmer (Num 15,1–11), die von erheblichem Wert waren und deren Weihung im Kontext der Subsistenzwirtschaft eine schmerzhafte Einbuße gewesen wären. Einige biblische Texte empfehlen sogar die Ausübung von Zurückhaltung in Bezug auf Gelübde, so Num 30,3; Dtn 23,22–24; Qoh 5,3–6 und Prov 20,25. Die nachexilische Legislation hat nach Dtn 12,5–7 und 12,11f. 236

Magen, Misgav und Tsfania 2004: Nos. 17, 45. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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die Gelübdepraxis zwar zentralisiert, die Auslösung des Gelübdes blieb jedoch ein von der Familie gemeinsam begangenes Ritual (Dtn 12,7.12). Die öffentliche Erfüllung der Gelübde im Tempel reflektieren auch Ps 22,26; 66,13 und 116,14–18. Die übliche Art des Opfers war nach Ps 116,17 und 107,22 das Dankopfer (zebaḥ tōdāh), während in den priesterlichen Opfervorschriften von Lev 7,11–17 ein zebaḥ šĕlāmîm verlangt wird. Diese Regulierungen sind freilich der priesterlichen Opfersystematik verpflichtet und spiegeln nicht die vorexilische Praxis wieder, die sehr wahrscheinlich weitaus variabler war: Nach Jer 44,17 waren die für die Himmelskönigin gelobten Opfergaben Trankopfer, Kuchen und Weihrauch, die sowohl im Haus, an lokalen Heiligtümern (vgl. 2 Kön 23,10; Jer 7,31f.; 19,6.11–4) oder wie in Jer 44,17.21 „auf den Straßen“, d.h. wohl an entsprechenden öffentlichen Ritualinstallationen, wie sie z.B durch die Reihen kleiner Mazzeben im Tor von Tel Dan belegt sind,237 dargebracht werden konnten. In der jüngeren Forschung ist diskutiert worden, ob die Gelübdepraxis eher in den Kontext der familiären Religion bzw. der sogenannten „Volksreligion“ (popular religion) gehört (Berlinerblau 1991; 1996; Cartledge 1992) oder – vorausgesetzt, Gelübde wurden öffentlich proklamiert und an einem Heiligtum eingelöst – in den Bereich der offiziellen Kultausübung (Tita 2001). Eine mittlere Position vertritt Albertz (1992: 154ff.; vgl. Albertz und Schmitt 2012: 409ff.), wonach die Gelübdepraxis eine Schnittmenge zwischen familiärer und offizieller Religion darstellt und im breiteren Kontext des internen religiösen Pluralismus interpretiert werden muss. Vor dem Exil sind Gelübde sowohl privat als auch öffentlich abgelegt und die Riten nach der Erfüllung an einem lokalen Heiligtum durchgeführt worden, während nachexilisch die Erfüllungsriten am offiziellen Heiligtum erfolgten. Ein Widerspruch zwischen einem privaten Gelöbnis und der öffentlichen Durchführung von Erfüllungsritualen, wie von Berlinerblau (1996: 111) angenommen, existiert demnach nicht. Die samaritanischen Inschriften vom Garizim verdeutlichen die Koexistenz von privaten und öffentlichen Ritualhandlungen und den Vollzug familiärer Riten im Kontext der offiziellen Religion. Obwohl Erfüllungsriten in der Regel öffentlich an einem Heiligtum oder auch an einer öffentlichen Ritualinstallation durchgeführt worden sein können, gibt es keinen Hinweis darauf, dass entsprechende Riten einen Bekenntnischarakter gehabt hätten (so Tita 2001: 226f.), zumal Bekenntnisformeln in den Garizim-Inschriften völlig fehlen. Gelübde und die damit verbundenen Erfüllungsriten sind essentiell Rituale der familiären Religion, auch wenn bestimmte Aspekte im Kontext der offiziellen Religion oder durch die rituelle Tradition reguliert waren, wie z.B die Standardisierung der Widmungsformeln sowohl im samaritanischen Tempel sowie in der phönizisch-punischen Tradition zeigt. 3.3.3.4.2 Segen und Fluch Im Kontext der familiären Religion sind Segenshandlungen (heb. bārūk), aber auch Verfluchungen (heb. zumeist ʾārar, qilēl, ʾālā, manchmal auch qābab/nāqab oder zāʿam) von wichtiger Funktion. Segen und Fluch sind zwei Seiten einer Medaille, wenn positive Dinge, die im Kontext der Familie als wünschenswert erachtet wurden (Nachkommenschaft, wirtschaftliche Prosperität, Gesundheit), evoziert oder Autorität übertragen bzw. etabliert werden sollte. Die Rückseite umfasst negative Wünsche bis hin zum Tod (vgl. Crawford 1992: 231). Vorauszusetzen ist ferner, dass Verträge zwischen Einzelpersonen bzw. Familien durch Fluchandrohung gesichert worden sind. Die Bedeutung von Segnung und Fluch ist – wie überall im Kontext von ‚magischen‘ Handlungen – auch in der alttestamentlichen Wissenschaft lange unter den Prämissen des vor allem von J. G. Frazer vertretenen dynamistischen Paradigmas diskutiert worden, wonach ‚magische‘ Handlungen aufgrund einer unsichtbaren, wie ein Fluidum wirkenden Macht ex opere operato wirken (Pedersen 1914; Mowinckel 1924; Bertholet 1926; Westermann 1978; Leuenberger 2008: 453ff.; zur Diskussion Schmitt 2004: 124ff.). Diese Position gilt heute als obsolet und Segen und Fluch werden gegenwärtig zumeist im Kontext der Sprechakttheorie und ihrer sozialanthropologischen Applikation als illokutionäre Sprechakte beschrieben, die aufgrund sozialer oder im religiösen Symbolsystem vorgegebener Konventionen wirken (Thiselton 1974; Mitchell 1983; Crawford 1992; Wagner 1997; Schmitt 2004; Schmidt 2016; Schmidt und Schmitt 2019; vgl. Tambiah 1968; 1990: 73f.). Zudem gibt es weder in den westsemitischen Sprachen noch im Akkadischen einen emischen Begriff für eine solche ‚magische‘ Dynamis. Ein weiterer wichtiger Faktor zum Verständnis von Segen und Fluch ist, dass ihre Effektivität dadurch bestimmt wird, dass sie in einer bestimmten Situation von der je situativ „richtigen“ Person ausgesprochen werden, wobei letztere nicht immer unbedingt die sozial stärkere sein muss. 237

Siehe Abschnitt 3.5. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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3.3.3.4.2.1 Epigraphische Befunde Die epigraphischen Befunde zu Segen und Fluch in der EZ sind nicht besonders zahlreich, aber durchaus aussagekräftig. Die meisten epigraphisch bezeugten Segnungen richten sich zumeist an eine einzelne Person und nicht an ein Kollektiv, während Flüche an potenzielle Übeltäter gerichtet sind. Dennoch gibt es auch im epigraphischen Material einige Hinweise für eine Interpretation im weiteren Kontext der familiären bzw. gruppenbezogenen Frömmigkeit: So enthalten die Inschriften KA 3.9 vom Pithos B aus Kuntillet ʿAǧrud und die Wandinschrift KA 4.1.1 durch die Verwendung der 3. Person Sg. (KA 3.9) oder Pl. (KA 4.1.1) deutlich allgemeine Wünsche des Wohlergehens, der Prosperität und des langen Lebens (das Verb brk wird in den Inschriften KA 3.9 und 4.1.1 nicht verwendet) an eine unbestimmte bzw. breite Gruppe von Adressaten. Zudem fungiert Inschrift KA 3.9 (wenn auch nicht von gleicher Hand) als „Überschrift“ über einer Gruppe stilisierter Beter (Abb. 3.103) und adressiert damit ein Kollektiv.

Abb. 3.103: Verehrergruppe auf Pithos B, Kuntillet ʿAǧrud

Die übrigen Inschriften aus Kuntillet ʿAǧrud sind an Individuen adressierte Segensformeln (ähnlich wie in einem Briefformular), verdeutlichen aber gleichzeitig die emische Perzeption der Segenswirkung: Diese erfolgt nicht etwa ex opera operato, sondern wird von den Göttern (hier Jahwe und Ašerah bzw. Jahwe durch Ašerah) bewirkt (s. Schmitt 2004: 132ff.). Die Inschriften KA 3.1 und 3.6 unterscheiden zwischen einem individuellen Sender des Segens in der Form brkt ʾtkm lGN bzw. brktk lGN ‚Ich segne dich/euch vor GN‘ und der Gottheit als Spender des Segens mit der Formel ‚Er segne dich (ybrk)‘ in KA 3.1:6f. Eine Steinschale (KA 1.2), offenbar ein Votivobjekt, bietet die Formel brk hʾ lyhw ‚gesegnet sei er vor Yahu‘. Auch in der Ḫirbet-el-Kōm-Inschrift238 ist Jahwe deutlich der Urheber des Segens: ‚Gesegnet (brk, qal Pt. pass) war ʾUriyahu vor Jahwe‘. Die (wahrscheinlich in die EZ III bis in die persische Zeit zu datierenden) silbernen Amulett-Streifen aus Grab 25 in der Jerusalemer Ketef Hinnom-Nekropole enthalten ebenfalls Segensformeln (in Varianten des priesterlichen Segens in Num 6,24–26), die nicht nur den Segen durch Jahwe erbeten (ybrk yhwh), sondern die Gottheit auch um Hilfe und Schutz vor dämonischer oder schadenszauberischer Gefährdung anrufen.239 Ob die Amulette von Priestern bzw. religiösen Spezialisten für die Verwendung im Grab angefertigt worden sind (so Schmidt 2016: 142), ist m.E. unwahrscheinlich, da die entsprechenden Segenswünsche sich eher auf das diesseitige Leben zu beziehen scheinen. Sie zeigen aber dennoch, dass die Toten schutzbedürftig waren. Fluchformeln finden sich zumeist an Gräbern, um diese vor Grabräubern oder anderen (ungewollten) Arten der Störung der Totenruhe zu schützen. Entsprechende Formeln können sehr kurz gehalten sein, wie die Inschrift eines Grabes aus Ḫirbet Beit Layy:240 1

ʾrr 2ʾšr ymḥ verflucht (ist) 2wer (dies) auslöscht

1

238

HAE Kom(8):3. HAE Jer(x):34 und 35. Dazu Schmidt 2016: 135ff. 240 HAE BLay(7):4. 239

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Daneben können Fluchinschriften auch ausführlicher sein, wobei der eigentliche Fluch der Nennung des Grabinhabers folgt, wie bei der Silwan-Inschrift 1B:241 1

zʾt [kbrt..]yhw ʾšr ʿl hbyt : ʾyn [p]h ksp : wzhb 2[ky] ʾm [ʿṣmtw] wʿṣmt ʾmth ʾth : ʾrwr hʾdm ʾšr 3yptḥ ʾt zʾt 1

Dies ist das [Grab des XY]yahu, der über dem Haus ist. [Hi]er ist kein Silber oder Gold, 2[au]ßer [seinen Gebeinen] und den Gebeinen seiner Magd/Nebenfrau mit ihm. Verflucht sei der Mensch, der 3dies öffnet

Neben Flüchen zur Bewahrung des Grabes konnten auch Grabinschriften einen Segen aussprechen, der vielleicht das Wohlergehen der Verstorbenen in der Unterwelt gewährleisten sollte, wie die En-GediGrabinschrift:242 1

ʾrr : ʾšr : ymḥh 2[..]n h[..] 3[..]yh[..] 4brk : yhw[…] 5.[…]wb[..] 6brk : bgy[…] mlk 7brk : ʾdn[.]jw[.] 8[…] ʾ [..] 1 Verflucht ist, wer (dies) löscht 2[...] 3[…] 4gesegnet ist Yeho[...] 5[...] 6gesegnet ist BGY[...] MLK 7 gesegnet ist Adon[i]ya 8[…] 9[…] 9

Die genannten Fluch- bzw. Segensformeln aus Grabkontexten enthalten nur eine allgemeine Adressierung, ohne explizit den Bewirker des Fluches zu nennen. Zwei ins 6. Jh. v. Chr. datierte Graffiti im Besitz des Bible Lands Museums aus dem Kunsthandel enthalten jedoch explizite Fluchformeln nach dem Muster ʾrr PN lGN:243 Nr. 1 ʾrr ḥgb bn ḥgb lyhwh ṣbʾt Verflucht sei Ḥagab, Sohn des Ḥagab durch Jahwe Zebaot Nr. 2 ʾrr ʿpy bn : ntn[yhw] lyhwh Verflucht sei ʿOfay : Sohn des Natan[yahu] durch Jahwe

Wie die beiden Fluchinschriften zeigen, die in den Kontext der schadenzauberischen Verfluchung gehören, ist hier deutlich Jahwe der Bewirker. Wichtige Aspekte sind hier die Materialität und Sichtbarkeit des Fluches, die zu den Voraussetzungen seiner Wirksamkeit gehören. 3.3.3.4.2.2 Alttestamentliche Befunde Auch im Hinblick auf Segenshandlungen datieren die meisten biblischen Quellen, vor allem die Vätererzählungen, frühestens in exilische Zeit und reflektieren deutlich ein gesteigertes Bedürfnis nach der Bewahrung der familiären Kontinuität und Identität, wie in der Geschichte von Isaaks Segen für Jakob in Gen 27,1–40. Grundsätzlich dürfte aber vorexilisch auch die Übertragung der Autorität des pater familias auf den erstgeborenen männlichen Nachkommen durch eine Segenshandlung vor der Familie üblich gewesen sein, auch wenn sie hier – wie auch in Gen 48,14 – fälschlicherweise dem Zweitgeborenen zuteil geworden ist. Der Segen benötigt zudem den göttlichen Zeugen und Garanten (Gen 27,7: waʾabārekkā lipnê yhwh ‚damit ich dich vor Jahwe segne‘) und ist nicht als animistische Kraftübertragung zu verstehen (so Leuenberger 2008: 237ff.). Fehlte der pater familias, konnten Segenshandlungen nach Ri 17,2 (auch wenn es hier nicht um Autoritätsübertragung geht), auch von einer Witwe durchgeführt werden, wie es im Fall der Einlösung von Gelübden auch in hellenistischer Zeit epigraphisch in den Garizim-Inschriften bezeugt ist. Vorexilisches Textmaterial zum Fluch aus dem Alten Testament ist kaum sicher greifbar. Die nachexilische Legislation (Ex 21,17; Lev 20,9; Dtn 27,16) verbietet ausdrücklich die schadenszauberische Verfluchung der Eltern (siehe Schmitt 2004: 347). Das Bundesbuch erwähnt in Ex 21,17 die Verfluchung der Eltern zusammen mit anderen Verbrechen, die die Todesstrafe verdienen, weil innerfamiliärer Schadenszauber gegen das Gebot zur Ehrung der Eltern verstößt und sowohl den essentiellen familiären und gesellschaftlichen Zusammenhalt als auch die göttliche Ordnung stört. Die Regelung des Heiligkeitsgesetzes in Lev 20,9 wurden aus Ex 21,17 übernommen und als Verletzung von Gottes Anspruch auf Heiligkeit für 241

HAE Jer(7):2. HAE EGed(8):2 243 Naveh 2001. 242

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sein Volk neu interpretiert. Obwohl Deut 27,16 (der so genannte Fluch-Dekalog) keine juristischen Konsequenzen androht, wird die Verfluchung der Eltern dennoch als Verletzung des Bundes mit Jahwe angesehen, und die Formel droht Gesetzesübertretern mit (allerdings unbestimmter) göttlicher Sanktion. Ob es bereits vorexilisch entsprechende Verdikte und evtl. Sanktionen gegen innerfamiliäre Verfluchungen und schadenzauberische Machenschaften gegen Familienmitglieder gab, ist aus den vorliegenden Quellen nicht zu erheben, aber im Hinblick auf entsprechende Ritual- und Rechtsüberlieferungen aus der Umwelt Israels gegen familienzersetzende Hexerei wahrscheinlich (siehe Schmitt 2004: 78f., 89f.). 3.3.3.4.3 Häusliche Bitt-, Klage- und Dankrituale Sowohl narrative Überlieferungen als auch Rechtstexte im Alten Testament erwähnen entsprechende Rituale nicht, da vor allem die nachexilische legislative Literatur sowohl in der deuteronomistischen wie der priesterlichen Traditionslinie häusliche Rituale entweder zentraler Kontrolle zu unterwerfen oder zu unterbinden suchte (mit welchem Erfolg, ist jedoch sowohl für die perserzeitliche als auch für die frühe bis mittlere hellenistische Zeit fraglich). Das Buch der Psalmen enthält jedoch eine Vielzahl entsprechender Gebete bzw. Beschwörungen, die – auch wenn ihre Komposition überwiegend in der Zeit des 2. Tempels geschah – Entsprechungen aus dem Repertoire mesopotamischer Ritualliteratur haben. Auf jeden Fall wird man davon ausgehen müssen, dass entsprechende Gebetsformulare auch vorexilisch existierten. Sowohl Albertz (1978a: 23ff.; 1992: 153f.; 2008: 102f.) als auch Gerstenberger (1980: 132ff.; 1988: 30f; 1996; 2001: 40f.) betonen, dass die individuellen Klage- und Dankpsalmen zwar ihren „Sitz im Leben“ im offiziellen Kult gehabt haben, von religiösen Spezialisten verfasst worden sind und in ihrer Letztgestalt tiefgreifende redaktionelle Eingriffe und Fortschreibungen erfahren haben, aber dennoch – trotz ihres formularischen Charakters – Aspekte des familiären Symbolsystems widerspiegeln. Insbesondere den Klagen des Einzelnen fehlen Elemente, die zu erwarten wären, wenn sie nur die Traditionen der offiziellen Religion widerspiegeln würden; vielmehr thematisieren sie die intime Beziehung zwischen dem Einzelnen und seinem Gott. So wird die Gottheit in den Klagen des Einzelnen in 29 Fällen als „mein Gott“244und in 19 weiteren Fällen in verwandten Genres angesprochen.245 Diese persönliche Nähe zum Göttlichen spiegelt sich auch in der Verwendung von Phrasen wie „meine Hilfe“, „mein Schutz“, „mein Vertrauen“ und „meine Hoffnung“ wider. Damit liegt eine substanzielle Übereinstimmung zwischen den semantischen Strukturen der Klageund Dankpsalmen mit dem in der Eisenzeit belegten Onomastikon vor und macht deutlich, dass die entsprechenden Psalmengattungen stark in der primären religiösen Erfahrung verwurzelt sind. Sowohl das Onomastikon als auch die Klagen des Einzelnen thematisieren ähnliche Wünsche nach Wohlfahrt, Stabilität und Harmonie, die das familiäre Symbolsystem bestimmen, aber bringen auch ganz konkret, wie in Ps 22,9f. und 71,5f., den Wunsch nach göttlichem Schutz während der Schwangerschaft zum Ausdruck. Obwohl die Individualklagen hochstilisierte Formeln für eine Vielzahl von Notfällen darstellen, geben sie doch einen Einblick in die Art von Situationen, in denen sie als rituelle Gebete verwendet wurden. Dazu gehörten allgemeine Erfahrungen der göttlichen Abwesenheit,246 Gotteszorn,247 Krankheit,248 die Angst vor dem Tod,249 Erfahrungen sozialer Konflikte,250 Feindseligkeit des sozialen Umfelds (inklusive Hexerei) und dämonische Bedrohungen.251 Die in den Klagepsalmen dargestellten Situationen spiegeln existenzielle Erfahrungen wider, die für Individuen in ihrem unmittelbaren sozialen Kontext typisch sind. Es scheint daher wahrscheinlich, dass dieses Genre der Psalmen seinen Ursprung in Ritualen hatte, die innerhalb und zum Wohle der häuslichen Umgebung durchgeführt wurden. Gerstenbergers (1996: 75ff.; 2001: 40) Rekonstruktion solcher häuslichen Zeremonien bleibt freilich spekulativ. Entsprechende häusliche Rituale dürften in der Regel vom pater familias durchgeführt worden sein, wie auch die meisten häuslichen rituellen Aktivitäten innerhalb der Familie, ohne dass Priester oder andere 244 ʾēlī: Ps 22,2.11; 63,2; 102,25; 140,7. ʾĕlōhay: Ps 3,8; 5,3; 7,2.4; 13,4; 22,3; 25,2; 31,15; 35,23f.; 38,16.22; 40,18; 42,7.12; 43,4f.; 59,2; 69,4; 71,4.12.22; 86,2.12; 109,26; 143,10. 245 Z. B. Ps 18,3; 30,13; 91,2. 246 Ps 13,2; 22,2f.; 42. 247 Ps 6,2; 38,2f.; 39,11ff. 248 Ps 6,3; 22,15f.; 38; 41,4f.; 88; 102. 249 Ps 9,14; 22,15f.; 88; 141,7f. 250 Ps 3; 6,6.11; 7; 9,14; 10,7 (Verfluchung); 13,2; 17; 25,19; 27,2; 31,12ff.; 35,19 (‚böser Blick’); 43; 54; 55; 56; 57; 59; 64; 69; 70; 71; 86,14; 109; 140,12 (‚Böse Zunge‘); 142; 143. 251 Ps 22,17; 91,5f.

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Kapitel 3

Ritualspezialisten involviert waren. Die in zahlreichen Wohngebäuden der EZ belegten rituellen Paraphernalia wie Opferständer, Libationsgefäße, Räuchergerät, Miniaturaltäre und Votivfiguren, die als rituelle Medien verwendet wurden, können in häuslichen Bitt- und Dankritualen Verwendung gefunden haben. Die Präsenz von Schalen, Räuchergerät und Libationsgefäßen, die auch an rituellen Installationen an Toren und lokalen Heiligtümern zu finden sind, deuten darauf hin, dass diese Art von Ritualen auch öffentlich durchgeführt worden ist. Verbrannte Tierknochen in Nachbarschaftsschreinen und lokalen Heiligtümern deuten darauf hin, dass Opfertiere zum Dank von Einzelpersonen oder Familien dargebracht worden sind. Für die vorexilische Zeit ist freilich nicht zu ermitteln, ob die Durchführung von Dankopfern (zebaḥ hattōdāh) in lokalen Heiligtümern die Unterstützung eines Priesters erforderte, wie in 1 Sam 1,21 und 2,13 beschrieben. 3.3.3.4.4 Häusliche Rituale unter Hinzuziehung von Ritualspezialisten Zeugnisse für die Hinzuziehung von Ritualspezialisten im Kontext familiärer Religion bieten die Elia-und Elischa-Erzählungen. Das Gros dieser Überlieferungen gehört zu den post-deuteronomistische Ergänzungen im DtrG; ihre Wachstumsstufen sind Gegenstand anhaltender Diskussion: Ob die Überlieferungskomplexe aus dem Nordreich bis in die Omriden- und Nimschidenzeit zurückreichen (Otto 2001; Sauerwein 2014) ist möglich, aber letztlich nicht zu erweisen. Zumindestens ist ihre Herkunft aus dem Nordreich vor dessen Untergang plausibel. Die Gattung der Wundergeschichten reflektiert nicht unmittelbar die rituellen Praktiken der Gottesmänner (ʾīš hāʾĕlōhîm, einem Typ des Ritualspezialisten, der in den judäischen Überlieferungen der späten Königszeit nicht mehr belegt ist), sondern die mit diesen Figuren sekundär verbundenen Überzeugungen (Schmitt 2004: 209ff.). Dennoch lassen die Wundergeschichten religionsgeschichtlich einige allgemeine Rückschlüsse auf die Tätigkeit von derartigen Ritualspezialisten im Kontext familiärer Religion zu. Die Intervention von Ritualspezialisten war in solchen Fällen notwendig, wenn Rituale erforderlich waren, die außerhalb des üblichen familiären Repertoires und der Kompetenz des pater familias lagen. Zentrales Betätigungsfeld des ʾīš hāʾĕlōhîm war die Intervention in individueller, aber auch kollektiver Not. So interveniert Elischa in 2 Kön 4,8–17 zugunsten einer unfruchtbaren Frau. Nach 1 Kön 17 und 2 Kön 4,8–17 wurden Gottesmänner gelegentlich von Familien aufgenommen und zahlten für ihre Versorgung mit rituellen Diensten. Nach 2 Kön 4,23 fanden gelegentlich regelmäßige Konsultationen von Gottesmännern jenseits der häuslichen Umgebung bei Neumonden und Sabbaten statt. Offenbar war der Gottesmann und eine mit ihm verbundene Gruppe von Prophetenschülern (bĕnê hanĕbî’îm) mit Kultstätten oder Heiligtümern verbunden, wie Elischa und seine Gemeinschaft mit dem Karmel und dem Heiligtum in Gilgal (2 Kön 4,25; 4,38) und vielleicht auch Elia mit dem Karmel. Das ritualsymbolische Handeln der Propheten und Gottesmänner beruht zum einen auf der geglaubten Autorität des Gottesmannes als Mittler, setzt aber gleichzeitig auch voraus, dass Jahwe sich an Wort und Handlung des Propheten gebunden hat und eintreten lässt, was dieser rituell antizipiert. Magie funktioniert im alten Israel ebenso wie in Mesopotamien nur durch die Intervention der Gottheit, der Gottesmann ist lediglich der Mittler zwischen Ritualmandant und Jahwe. Die noch heute vertretene Theorie, die Gottesmänner seien ursprünglich eine Art Schamanen gewesen, die aufgrund eigener Dynamis handelten und ihre Tätigkeit sei erst nachträglich theologisiert worden (so zuletzt Sauerwein 2010), ist ohne jeden Anhalt in den biblischen Texten und einem obsoleten religionsgeschichtlichen Paradigma geschuldet. Der ʾīš hāʾĕlōhîm der Nordreichstraditionen erfüllte ein breites Spektrum religiöser Funktionen: Er ist magischer Nothelfer in existentiellen Krisen des Individuums (2 Kön 5,1–27), der Familie (1 Kön 17,8–24; 2 Kön 4,1–7; 4,8–37), sozialer Gruppen (der Prophetenschüler: 4,38–41; 4,42–44), größerer sozialer Einheiten, wie der Bevölkerung von Jericho (2 Kön 2,19–25), und ist (trotz der anti-omridischen Stilisierung der Texte) als Mantiker, Ritualspezialist und Ratgeber für den König tätig (1 Kön 18,41–46; 2 Kön 6,8–23; 13,14–21). Die Gottesmänner operierten somit auf den Schnittstellen individueller, familiärer, örtlicher und offizieller Religiosität. In der familiären Religion spielen Konsultationen von Ritualspezialisten zur Erlangung eines Orakels primär in Fällen familiärer, existenzieller Notsituationen, wie Kinderlosigkeit, Kindstod und Krankheit (u.a. 1 Sam 1,1–20; 2 Kön 4; Ez 13,17ff.) eine Rolle (dazu Schmitt 2014: 85ff.). Polemisch nimmt Mi 3,5–8 gegen geldschneiderische Praktiken der Orakelspezialisten Stellung. Die patriarchal geprägte Selektion und die Unterdrückung „heterodoxer“ Traditionen in der exilischnachexilischen Literatur, insbesondere der intensive Diskurs um rituelle Autorität (s. Schmitt 2004: 379ff.; 2014: 121ff.) lässt nur wenige Rückschlüsse im Hinblick auf weibliche Ritualspezialistinnen zu: Die Pole-

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mik in Ez 13,17–21 gegen Prophetinnen richtet sich gegen Freelance-Heilerinnen und -Ritualspezialistinnen, die – so die Darstellung der Autoren des Ezechielbuches – den Namen Jahwes durch die Ausführung von Schadenszauber, wie dem Knüpfen von Knoten, missbraucht hätten, nicht autorisierte Heilungsrituale durchgeführt oder tödliche Hexerei betrieben hätten (Schmitt 2004: 283ff. 360ff.) Die Bemerkung über die Entweihung des Namens Jahwes in Ez 13,19 zeigt deutlich, dass die Ritualspezialistinnen in Jahwes Namen handelten und dass es sich nur in den Augen der biblischen Autoren um Hexerei (obwohl der Begriff kašap ‚hexen‘ hier vermieden wird) gehandelt hat, um Ritualspezialistinnen als Hexen zu diffamieren. Therapeutisches Handeln und wohl auch Schadenszauber durch mehr oder weniger professionelle Ritualfrauen gegen Entgelt scheint demnach zur alltäglichen magischen Praxis Israels in exilischer Zeit gehört zu haben und es steht zu vermuten, dass entsprechende Spezialistinnen, wie die Nekromantin in EnDor in 1 Sam 28,3–25, auch vorexilisch zum Kreis der Ritualspezialisten außerhalb des offiziellen Tempelkultes zu zählen sind. Die priesterlichen Ritualtexte können – dies muss an dieser Stelle noch einmal explizit vorausgeschickt werden – nicht als unmittelbare Zeugnisse vorexilischer ritueller Praxis gelten und promulgieren eine religiöse Programmatik, die alle rituellen Handlungen auf die Priesterschaft und den Tempel zentriert, sowie eine Heiligkeits- und Reinheitstheologie, deren primäres Interesse die religiöse Identitätssicherung ist. Die in der Forschung verbreitete Praxis, vermeintlich vorexilische Bestände mit Hilfe literar- und redaktionskritischer Operationen bis auf die Ebene einzelner Worte zu isolieren, ist oft zirkelschlüssig und übersieht die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Methode. Unbestritten ist jedoch, dass auch diese Texte traditionsgeschichtliche Vorläufer gehabt haben müssen. Obwohl die priesterlichen Ritualtexte die offiziellen religiösen Konzepte des post-exilischen Israel zum Ausdruck bringen, zeigen einige der Rituale jedoch auch Einflüsse, die die familiären religiösen Bedürfnisse auf den offiziellen Kult ausgeübt haben. Ein besonders gutes Beispiel hierfür ist das Ritual zur Hausreinigung nach dem Erscheinen eines bösen Omenanzeigers in Form von Pilzbefall (ṣāraʿat ‚Aussatz‘) in Lev 14,33–53 (Schmitt 2004: 307ff.). Sowohl hethitische Rituale zur Reinigung eines Hauses von Blutschuld (COS 1.68) und mesopotamische Namburbi-Rituale (Maul 1994: 354ff.) gegen den Hausschwamm zeigen, dass Vorzeichen wie Pilze oder Ausblühungen am Mauerwerk als Hinweis auf eine Verschuldung des Hausherrn, anderer Bewohner oder Besucher interpretiert wurden, was eine rituelle Reinigung der betroffenen Häuser erforderte. Zudem ist ein gewisser sozialer Druck auf die Familie vorauszusetzen, Anzeiger böser Omina, Behexung oder Verunreinigungen rituell beseitigen zu lassen, da diese potentiell auch das soziale Umfeld der Familie, vor allem Nachbarn und Verwandte, affizieren konnten. Da eine derartige Entsühnung (heb. kippēr) gegenüber Gott und die Notwendigkeit, ein Eliminationsritual durchführen zu lassen, die Kompetenzen eines pater familias klar überschritten, musste hier ein offizieller Ritualspezialist, in diesem Fall ein Reinigungspriester (in Lev 14,11 als hakkōhēn hammĕṭaher bezeichnet) hinzugezogen werden. Aus vorexilischer Zeit existieren zwar keine Ritualtexte für eine solche häusliche Problematik, dennoch ist auch für diese Periode von häuslichen Interventionen des Tempelpersonals auszugehen und damit von einer Überlappung der Sphären der familiären und der offiziellen Religionsausübung im Sinne einer rituellen Interaktion zwischen Familie und Tempelpersonal. 3.3.3.4.5 Apotropäische Riten Unter der Bezeichnung apotropäische Riten können alle rituellen und symbolischen Handlungen zusammengefasst werden, die der Prävention eines zukünftigen oder der Abwendung eines bereits eingetretenen Übels zumeist transzendenter Ursache dienen. Apotropäische Handlungen sind religionsphänomenologisch ein Teilbereich dessen, was zumeist als „Magie“ bezeichnet wird. Als Medien für apotropäische Handlungen können unterschiedliche Ritualobjekte, wie z.B. Figürchen, Amulette, Inschriften, Graffiti oder ähnliches, aber auch spezielle rituelle Installationen zur Anwendung gebracht werden. Aus Palästina sind weit über dreitausend Amulette ägyptischen Typs von der Spätbronze- bis zur hellenistischen Zeit bekannt. Unter den anthropomorphen Darstellungen erscheint häufig der zwergenhafte ägyptische Gott Bes mit 247 Exemplaren, der in Ägypten besonders für den Schutz der Schwangeren zuständig ist (Abb. 3.104a–c),252 die typologisch ähnlichen zwergenhaften Patäken mit über 220 Exemplaren (Abb. 3.105a–c)253 und das Udjat-Auge (Abb. 3.106a–c),254 mit über 670 Exemplaren der häufigste Amu252 253

ÄAPI I: Kat. Nr. 393, 401, 403. ÄAPI I: Kat. Nr. 589, 591, 613. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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lett-Typ.255 Der Patäke wird z.T. mit Messern oder Schlangen oder Krokodile abwehrend dargestellt, was seinen apotropäischen Charakter deutlich macht. Das Auge sollte vermutlich vor dem ‚bösen Blick‘ schützen, aber auch jede andere Form von Übel abwehren. In der Eisenzeit sind (wenn auch selten) apotropäische Figürchen von Hunden (Molossern) belegt (Abb. 3.107),256 die das Unheil von einem Haus fernhalten sollten. Bisher singulär ist eine Sphinx-Figurine aus einem Wohnhaus der EZ II C aus Beersheba (Abb. 3.108),257 die sehr wahrscheinlich apotropäischen Zwecken diente. Eine apotropäische Funktion kommt auch den Siegelamuletten zu, die Schutzgenien und andere apotropäische Wesen darstellen (s. o. Kap. 3.2.7.3). Wie Schmidt (2016: 135ff.) überzeugend dargelegt hat, dienten die Silberamulette 1 und 2 aus Ketef Hinnom (späte EZ II C oder eher EZ III) dem Schutz der Toten vor dämonischem Übel (rʿ) durch die Anrufung Jahwes als ‚Exorzist‘ unter den Göttern.

Abb. 3.104a–c: Bes-Amulette der EZ II aus Lachish und Tell Ǧemme

Abb. 3.105:a–c: Patäken-Amulette der EZ II aus Lachish, Megiddo und Gezer

Abb. 3.106a–c: Udjat-Amulette der EZ II aus Megiddo, Gezer und Beth Shemesh

Abb. 3.107: Hundeterrakotte, Reuben and Edith Hecht Museum, Haifa

Abb. 3.108: Sphinxfigurine, Beersheba

254

ÄAPI I: Kat. Nr. 1182, 1186, 1188. ÄAPI IV: Kat. Nr. 451. 256 Schmitt 2004: Abb. 47 sowie eine stehende (zumeist als Löwe gedeutete) Hundefigurine (Hecht Museum, Reg. Nr. H171). Ägyptische Hundeamulette aus Juda und Israel sind für die EZ nicht belegt (vgl. ÄAPI IV: 380). 257 Kletter und Herzog 2003: 40. 255

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Die biblischen Texte erwähnen in ihren vorexilischen Bestandteilen keine expliziten Exorzismen, nur die Erzählung über den „Blutbräutigam“ (ḥaṭṭan dāmîm) in Ex 4,24–26 und das oben bereits behandelte Passahfest haben Elemente apotropäischer Riten gegen dämonische Gefährdungen der Familie bewahrt: Ein Bestandteil des Passahrituals ist die in Ex 12,7.13.21–24 berichtete Blutapplikation auf die Türpfosten. Wie die Grundbedeutung der hebräischen Wurzel psḥ ‚abprallen‘/‚zurückstoßen‘ deutlich macht, handelt es sich um einen apotropäischen Ritus. Die Blutapplikation wird als ein Erkennungszeichen erklärt, das dem von Jahwe ausgesandten mašḥît- (‚Verderber’-) Dämon bedeutet, am Haus vorüberzugehen und die Erstgeburt seines Volkes zu verschonen. Die Blutapplikation ist als Schwellenritual zu verstehen, das die Grenze zwischen dämonisch bedrohter Außenwelt und dem von Jahwe bewahrten Bereich der Familie markiert und im rituellen Vollzug alljährlich die Schutzzusage Jahwes realisiert.

3.4 Arbeits- und gruppenbezogene Religionsausübung R. Albertz und R. Schmitt 2012: Family and Household Religion in Ancient Israel and the Levant, Winona Lake, 169–172; 228–229; S. Chepey 2005: Nazirites in Late Second Temple Judaism: A Survey of Ancient Jewish Writings, the New Testament, Archaeological Evidence, and other Writings from Late Antiquity, AJEC 60, Leiden/Boston; S. Kreuzer (Hrsg.) 2006: Taanach/Tell Ta’annek: 100 Jahre Forschungen zur Archäologie, Wiener Alttestamentliche Studien 5, Wien/Frankfurt; R. Schmitt 2014: Mantik im Alten Testament, AOAT 411, 38–40; R. Schmitt 2016: Ekstase und Selbstlazeration im Kontext von Mantik, in: M. Jung, M. Bauks und A. Ackermann (Hrsg.), Dem Körper eingeschrieben: Verkörperung zwischen Leiberleben und kulturellem Sinn, Studien zur Interdisziplinären Anthropologie, Wiesbaden, 189–201; E. Sellin 1904: Tell Ta’annek: Bericht über eine mit Unterstützung der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften und des k.k. Ministeriums für Kultus und Unterricht unternommene Ausgrabung in Palästina, Abhandlungen der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften Denkschrift 50/I, Wien; J. Stökl 2012: Prophecy in the Ancient Near East: A Philological and Sociological Comparison, SHCANE 56, Leiden und Boston.

Einen die familiäre Religionsausübung überschreitenden Kreis religiöser Praxis bilden arbeits- und gruppenbezogene Kulte. Während erstere vor allem archäologisch zu fassen sind und – je nach Maßstab – starke, auch personelle Überschneidungen zur familiären Religion aufweisen und eine fest umrissene Funktion im Kontext der Sicherung des Arbeitsprozesses haben, sind religiöse Gruppen nur im textlichen Material in Gestalt der Gruppenprophetie greifbar, die sich den alttestamentlichen Quellen nach z.T. als Lebensgemeinschaft, z.T. als eine Art religiöser Konventikel darstellt. 3.4.1 Arbeitsbezogene Religionsausübung Eine trennscharfe Unterscheidung von Hauskulten und arbeitsbezogener Kultausübung ist nicht immer möglich, da letztere zumeist eine Verlängerung des Hauskults darstellt und zahlreiche handwerkliche Tätigkeiten im Haushalt selbst verrichtet worden sind (wie das Weben) bzw. Werkstätten sich in Wohnhäusern befanden. Einfacher ist diese Unterscheidung in „industriellen“ Kontexten, d.h. im Falle deutlich spezialisierter Einrichtungen, wie den Olivenölpressen in Ekron sowie den vermutlich rituell genutzten Räumen in den Töpferarealen von Ekron und Ashdod.258 Ein deutlich „industrieller“ Kult liegt in Israel mit der in großem Maßstab betriebenen Imkerei auf dem Tel Reḥov (Stratum V, späte EZ II A/frühe EZ II B) vor. Innerhalb des Areals der Imkerei fand sich ein bemalter Kultständer sowie ein Hörneraltar aus Terrakotta mit applizierten Figurinen der Nackten, den sogenannten heiligen Baum flankierend.259 Gegenstand langanhaltender Diskussionen ist die sogenannte „Cultic Structure“ SW 2-7 in Taanach aus der EZ II A (siehe Kreuzer 2006): Das ca. 5,1 x 7,3 m messende Gebäude mit einem eingetieften Bassin enthielt neben größeren Mengen von Vorratsgefäßen, Kochtöpfen und Schalen, die beiden berühmten dekorierten Kultständer (Abb. 3.84 und 3.85) sowie einen weiteren durchbrochenen Ständer, Kelche, eine Räuchertasse, eine Form zur Herstellung von Plakettenfigurinen und 140 Astragale. Aufgrund der Ritualgeräte wurde das Gebäude zumeist als Kultbau interpretiert. Da typische Installationen für einen Schrein wie Podien und Bänke fehlen, zog schon der Ausgräber eine Deutung als Olivenpresse vor (Sellin 1905: 76). Auch in der Eisenzeit II B und C sind Ritualensembles oder einzelne Ritualobjekte aus arbeitsbezogen Kontexten bekannt, wie aus einem großen Raum mit Vorratsgefäßen und einem Hörneraltar vom Tel Kedesh, der Olivenölpresse in Tell Beit Mirsim Locus NW 31-11, der Weinpresse in Beth Shemesh Locus 321, der Werkstatt 373/375 und der Textilproduktions- und Verarbeitungswerkstätte Locus 305 ebenda (s. Albertz und Schmitt 2012: Table 3.7-3.9). Die arbeitsbezogenen Struktu258 259

Siehe Abschnitt 4.5. Ziffer 2016: 28e, Fig. 21, 22. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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ren enthielten Ensembles von Objekten der Kategorien A und B, die denen von Wohneinheiten ähnlich waren, einschließlich JPFs, zoomorphen Figuren und Gefäßen, Kelchen und Lampen und stellen somit eine Verlängerung häuslicher Kultpraxis in den Bereich ausdifferenzierter handwerklicher Tätigkeit dar. Die rituellen Handlungen in arbeitsbezogenen Kontexten, im Wesentlichen Weihrauch- und Speiseopfer sowie Libationen, dienten sehr wahrscheinlich dazu, das Gelingen von Produktionsprozessen rituell zu sichern und den Zusammenhalt der am Arbeitsprozess beteiligten durch gemeinsam vollzogene Riten zu fördern. Im Falle kleinerer Werkstätten oder der Imkerei vom Tel Reḥov ist mit der erweiterten Kernfamilie als Trägerin des arbeitsbezogenen Kultes zu rechnen, bei größeren „industriellen“ Anlagen wie im philistäischen Ekron oder hoch spezialisierten „Industrien“ wie den Töpferwerkstätten in Ashdod und Ekron dürfte eine den Familienverband überschreitende Arbeiterschaft Träger des Kultes sein. 3.4.2 Religiöse Gruppen Eine besondere Form von gruppenbezogener Religion stellen nicht oder nur lose an ein Heiligtum gebundene Gruppen von Propheten dar (1 Sam 10,5.10: ḥebel nĕbî’îm; 1 Sam 19,20: lahāqat hanĕbî’îm; 1 Kön 20,35; 2 Kön 2,3.5.7.15; 4,1.38; 5,22; 6,1; 9,1: bĕnê hanĕbî’îm). Der älteren Forschung galten die Gruppenpropheten als besonders urtümlicher religiöser Phänotypus, für den zumeist ein kanaanäisches Herkommen geltend gemacht wurde und der vor allem mit der Praxis ekstatischer Riten verbunden worden ist. Die bĕnê hanĕbî’îm der Elija-Elischa-Tradition gelten darüber hinaus als typisch für das Nordreich. Da die entsprechenden Traditionen des Elia-Elischa-Zyklus größtenteils postdeuteronomistische Einfügungen sind, ist das tatsächliche Alter dieser Traditionen jedoch ungewiss. Stökl (2012: 173f.) sieht in dem Phänomen der Gruppenprophetie, wie sie insbesondere im Kontext des Elija-Elischa-Zyklus erscheint, daher eine spätere Rückprojektion. Da die Überlieferungen über die bĕnê hanĕbî’îm jedoch fest mit der ElischaÜberlieferung und der Omriden-und Nimschidenzeit verbunden sind, ist es nach wie vor plausibel, eine alte Nordreichstradition anzunehmen. Die Tradition derartiger prophetischer Gruppen setzt sich nach Sach 13,6 noch in frühhellenistischer Zeit in Jehud fort. Trotz der Überlieferungslücken im Hinblick auf die Gruppenprophetie kann hier eine Kontinuität prophetischer Gruppen und Konventikel von der EZ II B bis zur hellenistischen Zeit vermutet werden. Die in der Nordreichstradition mit Elischa verbundenen bĕnê hanĕbî’îm werden als in einer Gemeinschaft mit dem ’îš hā’ĕlōhîm (2 Kön 4,38–41; 6,1–7) als ‚Vater‘ (2 Kön 2,12; vgl. 13,14) lebend geschildert und sind zur Versorgung auf Spenden angewiesen (2 Kön 4,42–44) bzw. auf Entlohnung für rituelle Dienstleistungen (2 Kön 5). Die Entstehung derartiger Prophetengenossenschaften im Nordreich kann mit der wachsenden Stratifizierung und Differenzierung der Gesellschaft in Verbindung gebracht werden, wobei insbesondere wirtschaftlich marginalisierte Gruppen und Personen (2 Kön 4,1ff.) sich den bĕnê hanĕbî’îm als ‚alternativer‘ Lebensform angeschlossen haben (Albertz 1992: 234f.). Nach 1 Sam 10,5; 1 Kön 2,15; 2 Kön 4,25.38 und Am 7,14 können die Prophetengruppen an gewisse heilige Orte (Karmel, Gilgal) oder lokale Heiligtümer gebunden sein. Die entsprechenden Überlieferungen sprechen auch von einer gemeinsamen Wohnstätte der Prophetenschüler (1 Sam 19,18.22.23; 2 Kön 6,1). Auch die nachexilische Tradition setzt in Sach 16,3 ein Haus (bêt mĕʼahābay ‚Haus meiner Freunde‘) für die Zusammenkünfte einer Prophetengruppe voraus. Inwieweit diese späten Prophetengruppen analog den bĕnê hanĕbî’îm der Nordreichstradition hierarchisch strukturiert sind oder ob es sich um eher lockere (Laien-) Konventikel handelt, ist allerdings nicht mehr zu entscheiden. Zur religiösen Praxis der Prophetengruppen gehören ekstatische Riten, darunter die Selbst- und Fremdmutilation zur Erzeugung von Trancezuständen und der Visionssuche (1 Kön 20,35ff.; Sach 13,6). Noch in römischer Zeit berichtet Philo (De vita contemplativa 12) über ekstatische Praktiken im Kontext der Visionssuche bei der im Umkreis von Alexandria ansässigen asketischen jüdischen Sekte der Therapeuten. Ekstase und Trance dienen jedoch sehr wahrscheinlich nicht nur der Visionssuche, sondern auch dem Gemeinschaftserlebnis bzw. der Etablierung und Erhaltung von communitas, der mystischen Versenkung sowie der Kommunikation der devotio der Adepten nach außen. Die Institution der Nasiräer (nazīrîm), der durch ein fremdes oder eigenes Gelübde ‚Ausgesonderten‘, ist erst in späten nachexilischen Quellen, dem Nasiräergesetz in Num 6,1–21 greifbar. Die auf die vorstaatliche Zeit (Ri 13,7.13f.; 16,17; implizit, ohne den Begriff nāzîr zu gebrauchen, auch 1 Sam 1,11) und auf das Nordreich (Am 2,11f.) bezogenen Belege sind deuteronomistisch bis spät- bzw. postdeuteronomistisch. Es handelt sich damit nicht, wie in der älteren Forschung im Gefolge von Smith (1899: 254ff.) häufig an-

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genommen, um eine besonders archaische Institution, sondern um ein Phänomen der Zeit des Zweiten Tempels (vgl. Chepey 2005).

3.5 Die Ebene der lokalen und regionalen Religionsausübung M. Aharoni 1993: Arad: The Israelite Citadels, in: NEAEHL I, 82–87; Y. Aharoni 1975: Investigations at Lachish: The Sanctuary and the Residency (Lachish V), Publications of the Institute of Archaeology 4, Tel Aviv; R. Albertz und R. Schmitt 2012: Family and Household Religion in Ancient Israel and the Levant, Winona Lake, 438–444; M. Bernett und O. Keel 1998: Mond, Stier und Kult am Stadttor: Die Stele von Betsaida (et-Tell), OBO 161, Fribourg/Göttingen; D. Ben-Ami 2006: Early Iron Age Cult Places: New Evidence from Tel Hazor, in: TA 33, 121–133; A. Ben-Tor und Y. Portugali 1987: Tell Qiri: A Village in the Jezreel Valley, QEDEM 24, Jerusalem; A. Biran 1994: Biblical Dan, Jerusalem; A. Biran 1998: Sacred Spaces of Standing Stones, High Places and Cult Objects at Tel Dan, in: BAR 24: 38–45, 70; T. H. Blomquist 1999: Gates and Gods: Cults in the City Gates of Iron Age Palestine, ConBOT 46, Stockholm; A. Chambon 1984: Tell el-Far’ah 1: L`Age du Fer, Recherche sur les Civilisations Memoires 31, Paris; V. Fritz 1993: Open Cult Places in Israel in the Light of Parallels from Prehistoric Europe and Pre-Classical Greece, in: A. Biran and J. Aviram (Hrsg.), Biblical Archaeology Today 1990: Proceedings of the Second International Congress on Biblical Archaeology Jerusalem. June-July 1990, Jerusalem, 182–187; S. Ganor und I. Kreimerman 2018: Tel Lakhish (Tel Lachish), Priminary Report, in ESI 136, http://www.hadashot-esi.org.il/report_detail_eng. aspx?id=25415&mag_id=126; Z. Greenhut und A. de Groot 2009: Salvage Excavations at Tel Moza: The Bronze and Iron Age Settlements and later Occupations, IAA Reports, Jerusalem; D. Jericke 2010: Regionaler Kult und lokaler Kult: Studien zur Kult- und Religionsgeschichte Israels und Judas im 9. und 8. Jahrhundert v. Chr., ADPV 39, Wiesbaden; S. Kisilevitz u.a. 2014: Tel Moza, Preliminary Report, in: ESI 126, http://www.hadashot-esi.org.il/report _detail_eng.aspx?id=10582&mag_id=121; J. Marquet-Krause 1949: Les Fouilles de ʿAi (et-Tell) 1933–1935, Bibliothèque Archéologique et Historique 45, Paris; A. Mazar 1982: The ‘Bull Site’: an Iron I Open Cult Place, in: BASOR 247, 27–42; A. Mazar 1993: Art. “Bull” Site, in: NEAEHL I, 266–267; A. Mazar 1999: The 1997–1998 Excavations at Tel Reḥov: Preliminary Report, in: IEJ 49, 1–42; Z. Zevit 2001: The Religions of Ancient Israel: A Synthesis of Parallactic Approaches, London/New York; I. Ziffer 2016: It is the Land of Honey: Discoveries from Tel Reḥov, The Early Days of the Israelite Monarchy, Tel Aviv; W. Zwickel 1994: Der Tempelkult in Kanaan und Israel: Ein Beitrag zur Kulturgeschichte Palästinas von der Mittelbronzezeit bis zum Untergang Judas, FAT 10, Tübingen, 212–215.

Das Alte Testament berichtet in den mit der vorstaatlichen Zeit verbundenen Traditionen wiederholt von lokalen Heiligtümern, so von dem Heiligtum Michas in Ri 7,1–13, dessen Kultinventar in Ri 18 von den Daniten gestohlen wird und in einem neugegründeten Heiligtum in Dan aufgestellt wird, vom Heiligtum in Schilo, dem Aufbewahrungsort der Lade des Bundes (Ri 21,19; 1 Sam 1; 4), von dem Tempel des Baʿal Berit in Sichem (Ri 9,4) und (implizit) von einem in Mizpa (Ri 11,11). Der religionsgeschichtliche Wert dieser Aussagen ist jedoch als gering zu veranschlagen, so hat die Erzählung in Ri 18 im Rahmen eines nachexilischen Diskurses um die Legitimität vorexilischer Kultstätten die deutliche Intention, das offizielle Heiligtum des Nordreiches in Dan zu delegitimieren und das Alter der anderen im Rahmen des DtrG überlieferten Traditionen ist nur schwer einzuschätzen. Auch zur Klärung dieser Frage ist daher primär der archäologische Befund von Aussagekraft. Die Ebene der lokalen Religion in der frühen Eisenzeit ist aufgrund einiger sowohl architektonisch als auch durch die Ausstattung mit Ritualgerät als kleine Heiligtümer bzw. Schreine identifizierbare Strukturen gut zu fassen (Albertz und Schmitt 2012: 229ff.). Hierbei lassen sich grundsätzlich zwei Typen zumeist kleiner Heiligtümer unterscheiden: Einmal die Nachbarschaftsschreine, die baulich in die Wohnbebauung integriert sind und die über keinen heiligen Bezirk wie z.B. einen Hof verfügen, und lokale Schreine als selbständige architektonische Einheiten, z.T. mit Hof und weiteren Installationen. Beispiele für integrierte Strukturen in der EZ I sind der etwa 8 x 3 m große Schrein Locus 69 in Ai (Abb. 3.109)260 und der Schrein in Areal D auf dem Tel Qiri, Stratum 8 (Ben-Tor und Portugali 1987), mit einer Größe von 6,7 x 7 m und einer Unterteilung in zwei Räume. Ob auch der oben (3.3.3.2) besprochene Schrein Locus 2008 in Megiddo diesem Typus zuzurechnen ist, kann aufgrund seiner unklaren Integration in das Gebäude zwar erwogen werden, wahrscheinlicher bleibt aber die Deutung eines Hausschreins in einem Wohnhaus lokaler Eliten. Nachbarschaftsschreine enthalten permanente, bauliche Installationen wie Podien und Bänke, die den Kultfokus markieren. Das Kultinventar besteht in der Regel aus Kultständern und Libationsgefäßen sowie Keramik zur Zubereitung und zum Verzehr von Speisen. Die geringe Größe dieser Schreine erlaubt in der Regel nur einer kleinen Anzahl von Personen die Teilnahme an rituellen Handlungen. Als Trägergruppen 260

Montage des Verfassers nach Marquet-Krause 1949: Pl. 97–99, 40.2. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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kommen Nachbarschaften und koresidenzielle Lineages, vielleicht auch größere Gruppen wie Ortsgemeinschaften in Frage. Nachbarschaftsschreine des beschriebenen Typs sind bislang nur in der EZ I im Norden (Tel Qiri, Megiddo [?]) und auf dem Gebiet der Gibeah/Gibeon-Entität (Ai) nachgewiesen. Obwohl von zumeist ähnlicher Größe wie Nachbarschaftsschreine waren Lokalschreine eigenständige oder freistehende Bauwerke z.T. mit vorgelagerten Hof oder anderen angelagerten Strukturen. In der EZ I B ist dieser Typ im Norden mit Hazor Locus 3283 in Stratum IX (Ben-Ami 2006) vertreten, in der EZ II A im Süden mit Lachish Room 49 (Aharoni 1975: 26ff.) und Tel Moza, Stratum VI, Building 500 (Kisilevitz u.a. 2014) sowie an der Küste mit Tel Michal Building 300 (Herzog u.a. 1988: 69ff.). Während Hazor Locus 3283, Tel Moza Building 500 und Tel Michal Building 300 Langraumbauten darstellen, handelt es sich bei Lachish Room 49 um einen Breitraumtyp. Gemeinsam ist allen Anlagen das Vorhandensein von Bänken und anderen Installationen innerhalb des Gebäudes. Eine Mazzebe als Kultfokus im Hauptraum selbst ist nur in Hazor belegt, in Lachish markiert ein erhöhtes Podium bzw. eine Bank den Kultfokus, um den herum sich auch die Kultgeräte und die Gebrauchskeramik gruppieren (Abb. 3.110).261 Das Heiligtum auf dem Tel Moza verfügt außer den internen Installationen über einen dem Eingang vorgelagerten gemauerten Altar im Hof. Knochenfunde deuten auf Tieropfer und Opfermahlzeiten hin. Die Ensembles ritueller Paraphernalia aus diesen Anlagen bestehen zumeist aus Kultständern und Altären aus Stein oder Terrakotta, Kelchen und Libationsgefäßen sowie einer Anzahl von Gebrauchskeramik zur Zubereitung und zum Verzehr von Speisen und können als erweitertes häusliches Repertoire betrachtet werden. Der Tempel von Tel Moza enthielt auch Fragmente von Terrakottafigurinen, darunter eine ungewöhnlich große (fragmentarische) Pferd-und-Reiter-Figurine, die wohl als Votiv zu betrachten ist. Freistehende, intramural angelegte Freiluft-Heiligtümer sind im Norden in Tell Reḥov, Hazor, an der Küste in Tel Michal und im Süden in Lachish vertreten. Das in dieser Form bislang unparallelisierte openair-Heiligtum der EZ II A vom Tel Reḥov (Mazar 1999; Ziffer 2016: 37ff.) besteht aus einer ca. 230 m² großen, umfriedeten Freifläche mit Bänken, Annexbauten und einem Podest mit drei Mazzeben, das den Kultfokus (mit Südwest-Ausrichtung) markiert. Zu den beweglichen Ritualobjekten gehören ein durchbrochener Terrakottaaltar, der auch Brandspuren aufwies. Die Freifläche weist zahlreiche Back- und Kochinstallationen auf. Dies und die Knochen von Rindern, Schafen bzw. Ziegen und Rotwild deuten auf rituelle Mahlzeiten hin, die auch für das Freiluftheiligtum in Tel Michal belegt sind (Avigad 1993: 933). Bei Hazor Locus 80019 aus der EZ I (Ben-Ami 2006) und einer vermutlich mit Room 49 zu assoziierenden Installation der EZ II A in Lachish (Aharoni 1975: 26ff.) handelt es sich offene Strukturen mit einer Mazzebe. Die als bamāh gedeutete Anlage in Arad Stratum XII (Aharoni 1993: 82) ist in ihrer kultischen Funktion umstritten (Zwickel 1994: 243f.), aufgrund der Kultkontinuität mit dem Festungstempel, dessen Altar sich an derselben Stelle befand, bleibt eine solche Deutung jedoch plausibel. Zu den Paraphernalia, die in Freiluft-Heiligtümern verwendet wurden, gehörten Kultständer, Altäre, anthropomorphe und zoomorphe Votivfiguren, Libationsgefäße und Kelche sowie Gefäße für die Zubereitung und den Konsum von Speisen und Getränken. Dieser Typ von offenen Kultplätzen ist bislang nur in der EZ I–II A nachgewiesen. Als Trägergruppe für diese Heiligtümer kann die lokale Ortsgemeinschaft angesehen werden. Ritualinstallationen im Tor (dazu Bernett und Keel 1998; Blomquist 1999; Albertz und Schmitt 2012: 232f.) sind in der EZ II A–B sowohl im Nordreich (Dan, Tell el-Fārʿah Nord) als auch im Südreich (Lachish) belegt. Der stehende Stein in der süd-westlichen Kammer des Area-C-Tors von Ḫirbet Qeiyafa (Garfinkel 2017: Fig. 17) ist in seiner Funktion als Mazzebe fraglich. In Tel Dan (Biran 1994: 245; 1998) wurden mehrere Ritualinstallationen im Torbereich entdeckt, darunter eine Reihe von fünf kleinen Mazzeben mit einer an die Stadtmauer angrenzenden Bank (Locus 5122b), die mit einem Ritualensemble von zwei tripod cups, zwei Lampen (davon eine mit Ständer), drei Schalen und einer ‚Servier‘-Platte assoziiert war.262 Es ist unklar, ob Tierknochen, die in der Nähe gefunden wurden, mit der Installation in Verbindung gebracht werden können. Eine ähnliche Installation mit fünf weiteren kleinen Mazzeben wurde in Locus 5180 entdeckt, die wiederum an eine Wand angrenzt. Beide Installationen wurden in die EZ II B datiert. Eine dritte Struktur besteht aus vier zwischen 50 und 117 cm hohen Mazzeben und einer 2,5 x 3 m messenden Umfriedung (Locus 5188). Alle drei Installationen waren nach Norden ausgerichtet. Eine nach Nordwesten ausgerichtete Installation mit Opfertrog wurde im Bereich des inneren Tores von Tell el-Fārʿa 261 262

Aharoni 1975: Fig. 6. Biran 1994: Fig. 205. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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(Nord), Schicht VII b–e (10.–9. Jahrhundert v. Chr.) ausgegraben (Chambon 1984: Plan IV–VI). Die Torheiligtümer im Norden zeigen damit eine Reihe gemeinsamer Charakteristika mit Mazzeben als Kultfokus und Installationen für Opfergaben, höchstwahrscheinlich für Trankopfer. Die keramischen Funde deuten auf Speisegaben, Räuchern oder die Stiftung von Gefäßen als Votive hin. Auch in Lachish wurde das Tor rituell genutzt: In Stratum III (8. Jh.) bestand eine Ritualinstallation mit verputzten Bänken in der östlichen Kammer, in der auch zwei steinerne Hörneraltäre gefunden wurden (Ganor und Kreimerman 2018). Eine den Kultfokus markierende Mazzebe konnte hier nicht nachgewiesen werden. Der zumeist als Kultraum gedeutete Torraum mit Bänken Locus 6 in Kuntillet ʿAǧrūd (Meshel 2012: 26ff.) enthielt außer Pithos A nur über einen längeren Zeitraum akkumulierte Gebrauchskeramik, jedoch keine eindeutigen Ritualinstallationen und auch keine der hier als Gruppe A klassifizierten diagnostischen Objekte, sodass eine rituelle Nutzung wohl ausgeschlossen werden kann. Aufgrund der oben genannten Argumente, insbesondere dem Fehlen von entsprechenden Installationen und dem für Heiligtümer sonst typischem Ritualgerät, handelt es sich bei Kuntillet ʿAǧrūd nicht um ein regionales Heiligtum (so Meshel 2012: XXII u.ö.), sondern entweder um eine Karawanserei (Jericke 2012: 139) oder – aufgrund der Architektur und des inschriftlich belegten Amtes des Kommandanten (lśrʿr)263 wahrscheinlicher – um eine militärische Anlage. Ritualinstallationen im Tor dürften primär Einzelnen oder kleinen Gruppen für en-passant-Rituale gedient haben, für ihre Errichtung ist aber wohl die lokale Gemeinschaft oder die lokale Administration verantwortlich. Ein deutliches Nord-Süd-Gefälle in der räumlichen Verteilung der Kultstätten (so Jericke 2010: 179f.) ist nicht zu erkennen und der Fundzufall bietet bislang sowohl regional als auch diachron kein konsistentes Bild. Den oben besprochenen kleinen, intramuralen Heiligtümern kam aufgrund ihrer Größe wohl keine Bedeutung über die lokale Ebene hinaus zu. Aufgrund der biblischen Erwähnung von extramuralen Kulthöhen (bāmōt) wurde verschiedentlich versucht, auf Anhöhen befindliche Strukturen als solche zu deuten. Bis heute ist es nicht gelungen, eine solche bamāh zweifelsfrei zu identifizieren. Der wahrscheinlichste Kandidat für eine früheisenzeitliche bamāh ist die von A. Mazar zwischen 1978 und 1982 (Mazar 1982; 1993) untersuchte und seither vieldiskutierte „bull site“ (Daḥret eṭ-Ṭawīle), aus deren Umgebung auch eine bronzene Figurine eines Stieres bzw. Stierkalbs (Abb. 3.4) stammt. Die vermutete Kultstätte befindet sich auf einem Hügel und besteht aus einer mit Feldsteinen eingefassten Umfriedung von ca. 20 m Durchmesser mit einem Eingang im Osten. Ein Podest könnte als Fundament einer Mazzebe gedient haben. Unter den Keramikfunden befanden sich auch Fragmente, die möglichweise zu einem quadratischen Kultständer gehört haben. Die Befunde von Daḥret eṭ-Ṭawīle sind jedoch zu ambivalent, um sicher auf eine Kultstätte schließen zu können. Insgesamt sind Kultstätten von regionaler Bedeutung außerhalb der offiziellen Kulteinrichtungen weder in Israel noch in Juda in der EZ II sicher greifbar.

Abb. 3.109: Schrein Ai Room 69 mit Auswahl von Ritualobjekten

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Meshel 2012: KA 2.46. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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Abb. 3.110: Schrein Lachish Room 49, Ritualobjekte in situ

3.6 Die Ebene der offiziellen Religionsausübung 3.6.1 Offizielle, staatlich administrierte Heiligtümer R. Albertz 1992: Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit, GAT 1,1, Göttingen, 159–290, 304–360; R. Albertz und R. Schmitt 2012: Family and Household Religion in Ancient Israel and the Levant, Winona Lake 2012, 137–141; 236–239; E. Arie 2008: Reconstructing the Iron Age II Strata at Tel Dan: Archaeological and Historical Implications, in: Tel Aviv 36, 6–64; A. Berlejung 2009: Twisting Traditions: Programmatic Absence-Theology for the Northern Kingdom in 1 Kgs 12: 26–33* (The „Sins of Jeroboam“), in: JNSL 35, 1–42; A. Biran 1994: Biblical Dan, Jerusalem; A. Biran 1996: Dan I: A Chronicle of the Excavations, the Pottery Neolithic, the Early Bronze Age and the Middle Bronze Age Tombs, Jerusalem; I. Finkelstein 2000: Omride Architecture, in: ZDPV 116, 114–138; I. Finkelstein 2015: The Forgotten Kingdom: The Archaeology and History of Northern Israel, Ancient Near East Monographs 5, Atlanta; D. Gilbert-Peretz 1996: Ceramic Figurines, in: D. T. Ariel und A. de Groot (Hrsg.), Excavations at the City of David 1978–1985 Vol. IV: Various Reports, QEDEM 35, Jerusalem, 29–134; J. S. Greer 2013: Dinner at Dan: Biblical and Archaeological Evidence for Sacred Feasts at Iron Age II Tel Dan, SHCANE 66, Leiden; D. Jericke 2010: Regionaler Kult und lokaler Kult: Studien zur Kult- und Religionsgeschichte Israels und Judas im 9. und 8. Jahrhundert v. Chr., ADPV 39, Wiesbaden, 37–47; Z. Herzog 1993: Art. Beersheba, in: NEAEHL I, 167–173; Z. Herzog 2013: Art. Arad, in: OEBA I, 36–42; K. Koenen 2003: Bethel: Geschichte, Kult und Theologie, OBO 192, Fribourg/Göttingen; M. Köhlmoos 2006: Beth-El: Erinnerungen an eine Stadt: Perspektiven der alttestamentlichen BetEl-Überlieferung, FAT 49, Tübingen; G. Lehmann 2013: Art. Beersheba, in: OEBA I, 90–98; A. Nunn 2000: Der figürliche Motivschatz Phöniziens, Syriens und Transjordaniens vom 6. bis zum 4. Jahrhundert v. Chr., OBOSA 18, Fribourg/Göttingen; W. Zwickel 1999: Der salomonische Tempel von seiner Gründung bis zur Zerstörung durch die Babylonier, Kulturgeschichte der Antiken Welt 83, Mainz; D. Ussishkin 1988: The Date of the Judean Shrine at Arad, in: IEJ 38, 142–158.

3.6.1.1 Israel Archäologisch ist ein größeres offizielles Heiligtum im Norden nur auf dem Tel Dan nachgewiesen (Biran 1994; 1996), das neueren Untersuchungen zufolge aber nur in der Eisenzeit II B (Stratum IV–II) bis zur assyrischen Eroberung 732 in Betrieb war (Arie 2008). Fraglich ist, ab wann Dan unter israelitische Herrschaft kam und als israelitisches Heiligtum fungierte: Vielfach wird im Hinblick auf die Tel-DanInschrift,264 die wahrscheinlich die Könige Joram von Israel und Ahasja vom Haus David (Juda) erwähnt, als terminus post quem ein Zeitraum von der Mitte des 9. Jh. bis zum Beginn des 8. Jh. angenommen, wobei das späte Datum bevorzugt wird (Arie 2008: 34ff.; Finkelstein 2015: 74; Frevel 2016: 155). Vorausgesetzt, dass die Tel-Dan-Stele einen Besitzwechsel der Ortslage markiert, bleibt eine israelitische Kontrolle in der Omridenzeit jedoch durchaus plausibel. Zudem weist das Tel-Dan-Heiligtum eine Reihe von Elementen auf, die für die monumentale Architektur des Nordreichs in der Omridenzeit typisch sind (dazu Finkelstein 2000; 2015: 103ff.). Hierzu gehören die Verwendung von Quadermauerwerk (ashlar masonry) und ein rechteckiger Grundriss für den heiligen Bezirk (45 x 60 m). Der Baukörper des eigentlichen Tempels bestand aus Plattform A in Stratum IV (9 x 18,5 m), in Stratum III–II erweitert zu Plattform B (18 x 18,5 m)

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TUAT E 176ff.; HTAT 116. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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mit Nordwestorientierung (Abb. 3.111a–d).265 Die Raumaufteilung des vermutlichen Breitraumtempels auf der Plattform ist unklar. Dem Tempel vorgelagert war ein großer Altar, zudem verfügte der heilige Bezirk über eine Reihe von Annexgebäuden. Zu den Ritualgegenständen aus dem frühen Stratum IV gehören zwei mit Schlangen verzierte Pithoi, ein Tonständer, Schalen, Krüge und andere Gefäße aus einem der Lagerräume nördlich des Zentralkomplexes. Auf einem gepflasterten Boden in der Nähe des Altars wurden eine mit Tierknochen gefüllte Schale und zwei hohe zylindrische Ständer gefunden. Das Vorhandensein von großformatigen ägyptischen Fayence-Figuren266 deutet auf offizielle Votivpraktiken hin. Ein mit einem Ständer verbundenes steinernes Becken und eine 65 x 82 x 141 cm große Terrakottawanne und weitere Einrichtung mit einem versenkten Becken wurden als Installation für Reinigungsrituale interpretiert, wobei es sich bei letzterem aber um eine Olivenölpresse handeln dürfte, die Öl für den Bedarf des Tempels lieferte. Ein gemauerter Altar befand sich in einem der Annexräume (Room 2844), zusammen mit zwei Eisenschaufeln und einem Vorratsgefäß, das Asche und verbrannte Tierknochen enthielt. Dort fanden sich auch zwei Miniaturaltäre und eine Bronzeschale. Die im Tempel durchgeführten Opferrituale umfassten aufgrund der Analyse der Tierknochen und der Keramik (Greer 2013) die Opferung und den Verzehr primär von Schafen und Ziegen sowie von Rindern. Daneben wurden aber auch Fische, Vögel, Esel, Bären, Rotwild, Gazellen und gelegentlich wohl auch Schweine dargebracht. Die hohe Anzahl von Schalen und Kochtöpfen (wobei es sich überwiegend um übliche Gebrauchskeramik handelte, die auch in Haushalten Verwendung fand) im Hof um den Altar zeugen von kommunalen Festmählern. Luxuskeramik in den westlichen Annexbauten deutet auf sozial differenzierte Rituale hin, die einer Elite oder der Priesterschaft vorbehalten waren. Neben den Tieropfern gehörten zu den im Tempel durchgeführten Ritualen die Darbringung und der Verzehr von vegetabiler Nahrung, Weihrauchopfer und Libationen sowie – aufgrund des Fundes eines Würfels – sehr wahrscheinlich divinatorische Praktiken. Nach der biblischen Bezeugung in 1 Kön 12,26–33 sowie in 2 Kön 10,29 befanden sich in Dan und Beth-El zwei von Jerobeam I. gegründete Reichsheiligtümer. Die Erzählungen über Jerobeams Kultgründung enthalten jedoch keine glaubhaften historischen Informationen über die Zeit nach der Reichsteilung im späten 10. Jh. v. Chr., sondern beziehen sich sehr wahrscheinlich auf die Situation unter Jerobeam II. (ca. 782–747 v. Chr.). Obwohl es sich bei der Anlage vom Tel Dan aufgrund seiner Größe und der architektonischen Merkmale ohne Zweifel um ein offizielles Heiligtum gehandelt hat, muss sein Charakter als eines der Zentralheiligtümer des Nordreichs aufgrund seiner kurzen Nutzungsdauer in Frage gestellt werden. Zudem weisen weder Dan noch Beth-El nennenswerte Besiedlungsspuren für die EZ II A auf, sodass eine auf Jerobeam I. zurückgehende Kultgründung unwahrscheinlich ist (Arie 2008: 33; Finkelstein 2015: 74). Die deuteronomistische Tradition hat in 1 Kön 12,26–33 sowie in 2 Kön 10,29 zum einen ein peripheres Heiligtum aufgewertet und zum anderen mit den beiden geographischen Exponenten Dan und Beth-El das Nordreich quasi zu einem Mnemotop des Bösen und des Abfalls stilisiert (vgl. Koehnen 2003; Köhlmoos 2006; Berlejung 2009). Die Verbindung von Beth-El und Dan im Rahmen dieses polemischen Topos setzt auch die den ganzen Kult des Nordreichs delegitimierende (post-dtr) Erzählung in Ri 17 über Michas Heiligtum und den Raub der kultischen Paraphernalia und deren Verbringung nach Dan voraus. Damit stellt auch das südliche Heiligtum in Beth-El nur mehr einen geographischen Exponenten in der deuteronomistischen Polemik dar und lässt seine historische Bedeutung als Reichsheiligtum fraglich erscheinen. Die Notiz über die Zerstörung des Heiligtums in Beth-El in 2 Kön 23,15 hat wahrscheinlich nur eine programmatische Funktion im Kontext der vom DtrG geschilderten Kultreform des Josija. Das Heiligtum – egal, welche Bedeutung man ihm zumessen möchte – dürfte bereits im Zuge der assyrischen Eroberung des Nordreichs zum Erliegen gekommen sein (anders Koenen 2003: 48ff.). Neben dem Tempel in Tel Dan mit seiner ungewissen Affiliation ist bislang nur eine weitere möglicherweise als kultisch zu interpretierende Anlage offiziellen Charakters aus dem Nordreich bekannt: Nämlich der innerhalb des Palastes 338 in Megiddo gelegene Raum 340 aus Stratum IVA der EZ II B, dessen Funktion jedoch umstritten ist (siehe Albertz und Schmitt 2012: 137ff.). Bei dem vermuteten Kultraum handelt es sich um eine 9,15 x 4 m große Einheit innerhalb eines Gebäudes vom bit-hilani-Typ (eine Variante des Hofhauses mit zumeist zentralem Eingang und den Hof umschließendem Baukörper). Neben zwei (gelegentlich als Mazzeben interpretierten) Säulen weist der Raum weitere Installationen wie eine zwischen den Säulen verlaufende Bank mit einem gemauerten Podium bzw. Altar und einem davor befindlichen Trog 265 266

Biran 1996: Fig. 1.34–37. Biran 1994: Fig. 139, 141, 142. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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auf, vor dem sich Aschereste befanden. Auf der Bank befindliche Krüglein und das Fragment eines Modellschreins legen eine rituelle Interpretation nahe. Weiteres Ritualgerät scheint in einem angrenzenden Raum verstaut worden zu sein. Es liegt daher nahe, den Raum als eine Art Palastschrein zu interpretieren, der von den Offiziellen im Palast für rituelle Handlungen benutzt worden ist. Insgesamt ist der archäologische Befund für den offiziellen Kult im Nordreich ebenso mager wie unsicher und eignet sich nur mit Vorsicht zur Rekonstruktion eines Profils der offiziellen, staatlich administrierten Kultausübung. Vor allem bleibt aufgrund des Fehlens von Texten unklar, welche Gottheiten in Dan und im Palastheiligtum von Megiddo verehrt worden sind. Da Dan wohl nicht als Hauptheiligtum zu betrachten ist, muss ein solches wohl eher in der Hauptstadt Samaria gesucht werden, zumal die Texte aus Kuntillet ʿAǧrūd die Verehrung des Jahwe von Samaria als Nationalgott Israels bezeugen.

Abb. 3.111a–d: Tempelanlage auf dem Tel Dan in Stratum IV–II

3.6.1.2 Juda Für die archäologische Rekonstruktion des offiziellen Kults der Eisenzeit in Juda steht ausschließlich der Festungstempel von Arad zur Verfügung, der (entgegen der landläufigen Meinung)267 erst in Stratum VII/VI der EZ II C (Parallel zu Lachish Stratum II, 7. bis frühes 6. Jh.) errichtet und bis zum Ende der judäischen Monarchie in Betrieb gewesen ist (Ussishkin 1988). Vermutungen, dass der Tempel im Zuge der sog. Hiskijanischen Kultreformen aufgegeben worden sei (u.a. Herzog 2013: 40) sind damit hinfällig. Zudem basiert die frühe Datierung der Aufgabe des Tempels auf der Annahme der Historizität einer weitreichenden „Kultreinigung“ durch Hiskija. Arad liegt zentral an der Straße zur Araba und dominierte die Ebene des östlichen Negev, was darauf hindeutet, dass der Tempel nicht nur als örtliches, sondern als regionales Heiligtum fungierte. Der Tempel 267

Zur Diskussion siehe Jericke 2012: 57ff. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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befindet sich innerhalb der Festung und war damit durch diese geschützt und ist daher als offizielles, staatlich administriertes Heiligtum anzusprechen, das dem Militär- und Verwaltungspersonal der Festung, den Bewohnern der Region Negev und vielleicht auch den Händlern, die die Straße bereisten, diente. Möglicherweise ist das Heiligtum mit dem im Arad-Ostrakon 18268 erwähnten byt yhwh ‚Haus Jahwes‘ zu identifizieren. Das Heiligtum besteht aus einem ca. 10,5 x 2,7–3,1 m großen Breitraumtempel mit Bänken und zentraler Kultnische in Westorientierung sowie einem ca. 12 x 7,5 m großen vorgelagertem Hof, mit einer 2,2 x 2,4 m großen, als Altar gedeuteten Plattform (Abb. 3.112).269 Die Kulteinrichtungen im Breitraum bestanden aus zwei Mazzeben (zuletzt einer) in der Nische, die den Kultfokus markierten und zwei Kalksteinaltären unmittelbar davor. Im Tempel wurden u.a. fünf JPF-Fragmente und eine Pferd-und-Reiter-Figurine gefunden270 sowie eine bronzene Löwenfigur neben dem Podium in Str. IX,271 die als Votivobjekte anzusehen sind. Zu den Ritualobjekten gehörten ein kleiner Ständer mit einer separat gefertigten Schale aus Stratum X, der sich im Raum neben dem Podest bzw. Altar befand, sowie zwei mit q+k markierte Schalen,272 was als Abkürzung von qob-kab (für qōdeš kōhanîm ‚heilig den Priestern‘) zu verstehen ist, wohl ebenfalls aus Stratum X. Die Gebrauchskeramik von Stratum X–VII bestand aus Schalen, Kochtöpfen, Krügen, Krüglein, Vorratsgefäßen und Lampen. Es ist – auch wenn die Lesung der beiden oben genannten Schalen nicht korrekt sein sollte – aufgrund der Größe und baulichen Integration des Tempels in die Festung wahrscheinlich, dass der Tempel von offiziellen Kultfunktionären betrieben worden ist. Als archäologisch gesichert können aufgrund der Kalksteinaltäre und des keramischen Repertoires Räucher- und Speiseopfer, evtl. auch Libationen zu den dort vollzogenen Opfern gehört haben, sowie möglicherweise rituelle Mahlzeiten. Da das als Altar gedeutete Podest keine Brandspuren aufwies (siehe Zwickel 1994: 271; Jericke 2012: 65) ist unklar, ob dieses für Brand- und Schlachtopfer gedient hat oder zur Präsentation von Schauopfern und Votivgaben. Die Präsenz von Votivobjekten deutet auf eine am Tempel vollzogene Votivpraxis hin, wie sie zeitgenössisch auch im Hauskult bezeugt ist. Die Weihung von Votivobjekten im Tempel stellt eine Überschneidung von offizieller Religion und der im Haushalt belegten Votivpraxis dar. Ein großformatiger, gemauerter Hörneraltar von 1,6 x 1,6 m wurde – demontiert und als Spolien im Komplex der Stratum-II-Vorratsgebäude verbaut – in Beersheba nachgewiesen, der zu einem größeren Tempel in Stratum III gehört haben muss, von dem sich jedoch keine Reste mehr erhalten haben (Herzog 1993: 171f.). Da Beersheba aufgrund seiner Randlage wie Arad eine primär militärisch genutzte Ansiedlung gewesen ist (Lehmann 2013: 94f.), scheint es wahrscheinlich, dass der Altar zu den Kulteinrichtungen eines lokalen, offiziell administrierten Tempelgebäudes wie in Arad gehört hat. Brandspuren auf dem Altar weisen darauf hin, dass im Kontext der Kulthandlungen des angenommen Tempels Brandopfer durchgeführt worden sind. Das wichtigste überregionale eisenzeitliche Heiligtum in Juda war der Tempel in Jerusalem, der als Haupttempel des staatlich administrierten Kultes in Juda gelten kann. Archäologische Evidenz für diesen Tempel aus der Eisenzeit liegt nur in Gestalt einiger weniger (und zudem umstrittener) Bauelemente vor, wie protoäolische Kapitelle, die freilich auch aus den (vermutlich) anliegenden Palaststrukturen stammen könnten. Es existiert keine belastbare archäologische Evidenz für die Rekonstruktion von Architektur und Kulteinrichtungen am Jerusalemer Tempel – die entsprechenden alttestamentlichen Texte, die sich auf den Ersten Tempel beziehen, sind nahezu ausschließlich literarische Rückprojektionen. Diese textuellen Repräsentationen des Ersten Tempels im AT sind für die Religionsgeschichte der vorexilischen Zeit daher kaum aussagekräftig. Es herrscht jedoch ein Konsens in der Forschung, dass sich das Tempelgebäude an der Stelle des heutigen Felsendoms befunden haben muss. Zumeist wird aufgrund der biblischen Beschreibungen in 1 Kön 5–7 ein Langhaustempel bzw. ein Antentempel mit vorgelagerten Säulen aus Bronze rekonstruiert, wobei die einzelnen Rekonstruktionsversuche z.T. weit voneinander abweichen (s. Zwickel 1999; Jericke 2012: 40ff.). Es kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass es sich analog zu dem Tempel in Arad (und wohl auch in Dan) und dem Schrein 49 in Lachish um ein Gebäude des Breitraumtyps gehandelt haben könnte. Die angenommene Westausrichtung des Kultfokus entspricht der in Arad, Lachish und in 268

HAE Arad(6):18. Abb. nach Keel und Küchler 1982: Abb. 181. 270 Kletter 1996: Abb. 35. 271 Herzog u.a. 1984: Abb. 20. 272 HAE Arad(8):102, 103. Die Lesung q-k ist umstritten, m.E. aber die wahrscheinlichste. 269

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Dan (hier mit nord-westlicher Ausrichtung). Die Beschreibungen der monumentalen Ausführung des salomonischen Tempels und seiner Ausstattung sind als fiktiv einzuschätzen, da ein nur wenig entwickelter Kleinstaat von der Größe Judas in der EZ II A kaum die Ressourcen hierfür aufbringen konnte und auch das Vorhandensein der hierfür nötigen technischen Infrastruktur, insbesondere im Hinblick auf die Metallbearbeitung für große Objekte aus Gussmetall, wie das „eherne Meer“ in 1 Kön 7,23–26, unwahrscheinlich ist – von den notwendigen Mengen an Bronze ganz abgesehen. Die Schilderung der Innenausstattung des Tempels in 1 Kön 6 wird aufgrund der dort genannten syro-phönizischen Elemente (Keruben, Palmenmotive/sog. „Heiliger Baum“), die ikonographisch in der EZ gut belegt sind, zumeist als historisch oder plausibel gewertet (u.a. Zwickel 1999: 83ff. u.ö.; Keel 2007: §§353ff. u.ö.; Jericke 2010: 40ff.; Tilly und Zwickel 2011: 86ff.), wenn z.T. auch erst für die späte Königszeit (Jericke 2010: 45). Auch hier muss eingewendet werden, dass sowohl die Größe der Keruben als auch die anderen Details das Machbare im Juda der EZ II C übersteigen. Zudem sind die Dekorationselemente auch aus der phönizischen Kunst des 6.–4. Jahrhunderts (s. Nunn 2000) ableitbar, die die Autoren des DtrG und seiner Fortschreibungen vielleicht vor Augen hatten. Ob der Tempel ein Kultbild – in welcher Form auch immer – enthielt, ist notorisch umstritten (s. oben unter 3.2.2.2). Es kann jedoch vermutet werden, dass der Tempel in Jerusalem analog zum Festungstempel in Arad über eine oder mehrere Mazzeben im Allerheiligsten verfügte. Das enigmatische, als ʾărôn ‚Lade‘ bezeichnete Kultobjekt, das in 1 Kön 8,1–13 von Salomo in den Tempel verbracht wird, spielt überraschenderweise in der Folge überhaupt keine Rolle mehr und dieses gehört nach 2 Kön 25,13ff. auch nicht zu dem Beutegut, dass von den Babyloniern 587 v. Chr. geraubt wurde. Hätte das Objekt vorexilisch tatsächlich irgendeine kultische Rolle gespielt, hätte man eine Erwähnung erwarten dürfen. Die Lade war wahrscheinlich schon für die Autoren des DtrG ein legendarisches Objekt wie König Artus’ Schwert. Damit erledigen sich auch alle Spekulationen über eine mit der Lade verbundene vorexilische Jerusalemer „Tempeltheologie“. Nach 2 Kön 21,7 befand sich im Tempel ein von Manasse aufgestelltes Kultbild (pesel) der Ašerah, bzw. eine auf seine Veranlassung hin gefertigte ʾăšērah. Wie oben unter 3.2.3 dargestellt, herrscht ein breiter Konsens in der Forschung, dass es bei dem als ʾăšērah bezeichneten Objekt im Jerusalemer Tempel um einen Pfahl oder Baum gehandelt hat, der als Repräsentation der Ašerah anzusehen ist (Frevel 1995: 923; Keel 2007: §§572 u.ö). Für das Vorhandensein eines anthropomorphen Kultbilds der Ašerah im Jerusalemer Tempel (so Keel 2007: §§ 575f. zu 2 Kön 21,7) gibt es keine belastbare Evidenz.

Abb. 3.112: Der Festungstempel in Arad

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3.6.1.3 Die Gottheiten der offiziellen Religion in Israel und Juda Für die Eisenzeit II ist sowohl für das Nord- als auch für das Südreich eine relativ überschaubare, beiden Entitäten gemeinsame Gruppe der vor allem epigraphisch bzw. im Onomastikon bezeugten großen Gottheiten El, Jahwe, Baʿal, MLK und Ašerah belegt. Nicht alle der Genannten spielen eine gleich wichtige Rolle in der offiziellen Religion, jedoch ist das unscharfe Bild zum einen wesentlich vom Fundzufall bestimmt und zum anderen von der fragwürdigen Historizität der alttestamentlichen Quellen, hier insbesondere dem deuteronomistischen Geschichtswerk. Eine Rekonstruktion der offiziellen „Panthea“ des Nord- und Südreiches bleibt daher mit Unsicherheiten behaftet. 3.6.1.3.1 Das Pantheon der offiziellen Religion in Israel Wie oben unter 3.2.2.2. dargelegt, ist Jahwe sowohl nach der Meša-Stele, die Jahwe als Gott des Nordstaats Israel nennt und den Texten aus dem militärischen Außenposten des Nordreichs in Kuntillet ʿAǧrūd, die den Jahwe von Samaria und den Jahwe von Teman bezeugen, der Nationalgott Israels in der Eisenzeit II, was auch die einschlägigen Texte im DtrG unterstützen. Inwieweit es sich bei dem Jahwe von Samaria und Jahwe von Teman um distinktive lokale Erscheinungsformen (eine nördliche und eine südliche Hypostase) handelt, ist aufgrund des Mangels an weiteren Quellen nicht klärbar. Aufgrund der Belege aus Kuntillet ʿAǧrūd steht Ašerah im Pantheon des Nordreichs als Paredra neben Jahwe. Inwieweit den Nachrichten über einen Tempel des Baʿal in Samaria Glauben zu schenken ist, bleibt aufgrund der deuteronomistischen Polemiken gegen die Omridische Dynastie unklar. Da Baʿal in Personennamen aus dem Nordreich sowie in Kuntillet ʿAǧrud (KA 4.2) bezeugt ist, ist eine gemeinsame Verehrung neben dem Jahwe von Samaria und seiner Paredra Ašerah jedoch gesichert. Da Baʿal eine alte lokal-kanaanäische Gottheit und damit indigen ist, sollte hier nicht von einem „offiziellen Synkretismus“ oder „Dyotheismus“ (u.a. Albertz 1992: 232) gesprochen werden. Der von den biblischen Quellen, vor allem der Erzählung vom „Gottesurteil auf dem Karmel“ in 1 Kön 18, geschilderte Antagonismus zwischen den Kulten des Baʿal und Jahwes und seine Entscheidung zugunsten Jahwes ist eine späte Rückprojektion, die sich gegen jede Form von Fremdkult wendet. Die erwähnte Persistenz von Baʿal-Namen im 8. Jh. und seine Erwähnung in KA 4.2 spricht auf jeden Fall gegen eine Eliminierung der Verehrung Baʿals im Nordreich. Die Nennung von El im Kontext der Errettung aus Kriegsnot in KA 4.2 und das Epitheton „Der Heilige über die Götter“ lässt darauf schließen, dass auch dieser im offiziellen Pantheon des Nordreiches an der Spitze stand. Ob dem alten kanaanäischen Hochgott El in Israel eine Rolle als Göttervater, vor allem als Vater Jahwes (wie es die judäische Tradition in Dtn 32,8 und Ps 89,7 nahelegt), zukam, muss offen bleiben, ist aber aufgrund der weitgehenden Parallelen im Pantheon anzunehmen. Außer der Paarung von Jahwe und Ašerah lässt sich jedoch über die Beziehungen der Gottheiten des israelitischen Pantheons untereinander weiter nichts Sicheres aussagen. Zudem bilden die Quellen aufgrund ihrer Lückenhaftigkeit und Zufälligkeit möglicherweise nicht alle Gottheiten ab, denen eine Funktion im offiziellen Kult zukam. Wie in Ammon, Moab und Edom scheint das Pantheon der offiziellen Religion aber sehr überschaubar gewesen zu sein und fokussierte sich mit Jahwe, Ašerah, Baʿal und El auf einige wenige Götter aus der ersten und zweiten Ebene. Im Kontext der familiären Frömmigkeit treten noch MLK und Mot hinzu. Wie die Darstellung in Kapitel 3.2.8.1 gezeigt zeigt, hat sich das von Smith (2001: 45ff.) vorgeschlagene Mehr-Ebenen-Modell des Pantheons (tiers) mit Modifikationen als heuristisch tragfähig erwiesen, wiewohl gerade im Hinblick auf die offizielle Religion des Nordreichs gewisse Unsicherheiten in der Hierarchisierung unter der von der El – Jahwe – AšerahTrias gebildeten oberen Ebene bleiben. Dies gilt für den Norden vor allem für Baʿal. Neben den großen Gottheiten der ersten und zweiten Ebene gehören – dies zeigen insbesondere die Mischwesen (Sphinx/Kerub, Greif) und anthropomorphen geflügelten Genien auf den Samaria-Elfenbeinen – auf der unteren Ebene des Pantheons apotropäische Wesenheiten in den Kontext des offiziellen Symbolsystems. Hier steht primär der göttliche Schutz für den König und den Palast im Vordergrund. Das offizielle Symbolsystem zeigt hier starke Verbindungen zum Symbolsystem der familiären Religion und der persönlichen Frömmigkeit, wo Mischwesen der genannten Typen häufig auf Privatsiegeln belegt sind. 3.6.1.3.2 Das Pantheon der offiziellen Religion in Juda Für die Eisenzeit II B–C zeigen vor allem die epigraphischen Befunde aus offiziellem (administrativmilitärischem) Kontext wie die Ostraka aus Arad und Lachish mit ihren standardisierten Segens- und

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Wunschformeln,273 sowie die überwiegend Jahwe-haltigen Königsnamen, dass Jahwe die dominierende Gottheit im Kontext der offiziellen Religion gewesen ist, was mit den biblischen Befunden konvergiert. Entsprechend seiner Rolle im offiziellen Kult als Staats-, Dynastie- und Kriegsgott wird Jahwe als melek ‚König‘ apostrophiert, ein Epitheton, das auch der assyrische Staatsgott Assur führt. Die in Ps 89,7 und Dtn 32,8 sowie in den epigraphischen Zeugnissen greifbare judäische Tradition impliziert, dass El im offiziellen Jerusalemer Kult als Jahwes Vater galt. Als Staatsgott wird Jahwe auf königlichen Siegelungen der EZ II B–C (lmlk-Stempel Typ II und Hiskija-Siegel) durch die geflügelte Sonnenscheibe repräsentiert (s. oben Kap. 3.2.2.2. und Abb. 3.13 und 3.14). Sehr wahrscheinlich können daher auch die vierflügeligen Skarabäen auf den Typ-I-Stempeln in diesem Kontext mit Jahwe assoziiert werden. Genauso wie in der offiziellen Religion Israels fungierte Ašerah als Paredra Jahwes in Juda, wie zum einen die Erwähnung der Göttin in dem Elitengrab des Kommandanten ʾUriyahu in Ḫirbet el-Kom zeigt und zum anderen die entsprechenden Referenzen für den Kult der Ašerah im Jerusalemer Tempel, u.a. in 2 Kön 21,3–7 und 2 Kön 23,3f. Die recht konkrete Erwähnung der Pferde des Sonnengottes und ihrer Platzierung im Jerusalemer Tempel in 2 Kön 23,11 setzt (ungeachtet der Frage nach der Historizität einer „Kultreform“, dazu unten 3.6.4.3) die Verehrung des Šamaš dort voraus. Auch die Nachricht über die Verehrung des Baʿal im Jerusalemer Tempel in 2 Kön 23,4 und damit seine Zugehörigkeit zum offiziellen Pantheon erscheint im Hinblick auf seine Bezeugung im Nordreich plausibel, ebenso wie der offiziell betriebene Kult des Mondgottes Yariḥ und weiterer nicht spezifizierter Gestirngottheiten, dem „Heer des Himmels“ (ṣĕbāʾ haššamāyim, zu dem auch die in Personennamen bezeugten Götter des Morgen- und Abendsterns, Šalim und Šaḥar gerechnet werden können) sowie der Konstellationen (mazzalôt) in 2 Kön 23,5 (deren Kult allerdings hier nicht im Tempel angesiedelt wird). Das Symbol des Mondgottes mit zwei Adoranten erscheint einmal auf einer offiziellen Siegelung eines Stadtkommandanten (śr ʿr) aus Jerusalem (Abb. 3.12b).274 Wie im Nordreich sind Botengötter und Schutzgenien (Sphinx/Kerub, geflügelter Uräus/Saraph, geflügelter Skarabäus) im Südreich sowohl in der offiziellen Glyptik, wie auch in textlichen Repräsentationen der offiziellen Religion präsent. Nach Jes 6,1–13 gehören die Saraph-Genien zum unmittelbaren Umfeld des Staatsgottes und erfüllen Botenfunktionen. Für den offiziellen, staatlich administrierten Kult im Jerusalemer Tempel belegt sind demnach Jahwe und Ašerah als das dominierende Götterpaar und El als Vater Jahwes, die mit großer Wahrscheinlichkeit eine göttliche Trias an der Spitze des staatlichen Kultes bildeten, gefolgt von der zweiten Ebene mit Baʿal, Šamaš, Yariḥ und weiteren Gestirngottheiten, wobei das Verhältnis der Gottheiten der zweiten Linie untereinander, etwa Filiationen und eine differenziertere Hierarchisierung unklar bleiben. Das Mehr-Ebenen Modell bietet hier zwar ein sinnvolles heuristisches Werkzeug, wie Beziehungen und Übergänge zwischen der ersten und zweiten Ebene tatsächlich emisch konstruiert worden sind, entzieht sich jedoch weitgehend unserer Kenntnis. Deutlicher abgrenzbar ist die untere Ebene der Botengötter und Schutzgenien. 3.6.2 Kultpersonal und rituelle Praxis R. Albertz 1992: Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit, GAT 8,1–2, Göttingen, 190–226; A. G. Auld 1984: Prophets and Prophecy in Jeremiah and Kings, in: ZAW 96, 66–82; E. Ben Zvi 2004: Observations on Prophetic Characters, Prophetic Texts, Priests of Old, Persian Period Priests and Prophets, in: L. L. Grabbe und A. O. Bellis (Hrsg.), The Priests and the Prophets: The Portrayal of Priestes, Prophets and other Religious Specialists in the Latter Prophets, London/New York, 19–30; F. H. Cryer 1994: Divination in Ancient Israel and its Near Eastern Environment: A Socio-Historical Investigation, JSOT. S 142, Sheffield; U. Dahm 2003: Opferkult und Priestertum in Alt-Israel: Ein kultur- und religionswissenschaftlicher Beitrag, BZAW 327, Berlin/New York; I. Fischer 2002: Gotteskünderinnen: Zu einer geschlechtsfairen Deutung des Phänomens der Prophetie und der Prophetinnen in der Hebräischen Bibel, Stuttgart; A. Jeffers 1996: Magic and Divination in Ancient Palestine and Syria, SHCANE 8, Leiden/New York/Köln; H. B. Huffmon 2000: A Company of Prophets: Mari, Assyria, Israel, in: Nissinen (Hrsg.), Prophecy in its Ancient Near Eastern Context: Mesopotamian, Biblical and Arabian Perspectives, SBL Symposium Series 13, Atlanta, 47–70; R. G. Kratz 2003: Die Propheten Israels, München; A. Marx 2000: Opferlogik im alten Israel, in: B. Janowski und M. Welker (Hrsg.), Opfer: Theologische und kulturelle Kontexte, stw 1454, Frankfurt am Main, 129–149; M. Nissinen (Hrsg.) 2000: Prophecy in its Ancient Near Eastern Context: Mesopotamian, Biblical and Arabian Perspectives, SBL Symposium Series 13, Atlanta; M. Nissinen (Hrsg.) 2003: Prophets and Propecy in the Ancient Near East. With Contributions by C. L. Seow and R. K. Ritner, Writings of the Ancient World 12, Atlanta; S. M. Olyan 2000: Rites and Rank: Hierarchy in Biblical Representations of Cult, Princeton; E. Otto 2003: Art. Priestertum I.1 Alter Orient und Altes Testament, in: RGG Bd. 6, 1646–1650; J. Schaper 2000: Priester und Leviten im achämenidischen

273 274

Vgl. u.a. HAE Arad(8):40; (6):21; Lak(6):1.2 u.ö. Ornan, Weksler-Bdloh und Sass 2019. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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Juda: Studien zur Kult- und Sozialgeschichte Israels in persischer Zeit, FAT 31, Tübingen; R. Schmitt 2014: Mantik im Alten Testament, AOAT 411, Münster; J. Stökl 2010: Female Prophets in the Ancient Near East, in: J. Day (Hrsg.), Prophecy and the Prophets in Ancient Israel: Proceedings of the Oxford Old Testament Seminar, LHB/OTS 531, New York/London, 47– 61; J. Stökl 2012: Prophecy in the Ancient Near East: A Philological and Sociological Comparison, SHCANE 56, Leiden/Boston; M. Weber 19715: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie III, Tübingen; M. Weippert 1988: Aspekte israelitischer Prophetie im Lichte verwandter Erscheinungen im Alten Orient, in: G. Mauer und U. Magen (Hrsg.), Ad bene et fideliter seminandum, FS K. Deller, AOAT 220, Kevelaer/Neukirchen Vluyn, 287–319; I. Willi-Plein 1993: Opfer und Kult im alttestamentlichen Israel: Textbefragungen und Zwischenergebnisse, SBS 153, Stuttgart.

3.6.2.1 Priester und Opferkult 3.6.2.1.1 Priester Die Quellenlage für das vorexilische Priestertum an staatlich administrierten Heiligtümern im Nord- und Südreich ist schmal und bietet ein nur äußerst lückenhaftes Bild. Eine Rückprojektion der nur literarisch bezeugten Verhältnisse des Zweiten Tempels auf die vorexilische Zeit ist nicht möglich und es existieren keine gesicherten vorexilischen Belege für das aaronidische Priestertum (Otto 2003: 1648). Dasselbe gilt für die (von der D-Traditionslinie bevorzugten) Leviten, die in den Samuel- und Königsbüchern nur im Kontext mit der Lade genannt werden.275 Die Historizität einer Tätigkeit der Leviten (wie in Ri 17f.) in der vor- bzw. frühstaatlichen Zeit an Lokalheiligtümern ist unwahrscheinlich, da den Verfassern des DtrG kaum soweit zurückführende Quellen zur Verfügung standen. Das vorexilische epigraphische Material vom 8.–6. Jh. v. Chr. lässt auf eine Differenzierung der Ämter des Priesters (kōhēn)276 und des Propheten (nābî’)277 schließen. Dennoch scheint es sich hier um eine eher funktionale Differenzierung innerhalb des Priesteramtes zu handeln: Der Prophet Jeremia ist Priestersohn und daher wohl selbst Priester und daher zum nābî’ berufen. Auch Ezechiel wird in Ez 1,3 explizit als Priester (hakkōhēn) bezeichnet. Für die späte Königszeit und die frühe nachexilische Zeit ist daher mit einer funktionalen Überschneidung von Priester- und Prophetenamt zu rechnen (Cryer 1994: 248ff.; Ben Zvi 2004: 27; Schmitt 2014: 36). Das DtrG setzt für die späte Königszeit eine differenzierte hierarchisch geordnete Priesterschaft voraus: So erwähnen 2 Kön 22,4.8 und 23,4 das Amt des Hohepriesters (hakkōhēn haggādôl), 2 Kön 23,4 die Priester zweiten Ranges und 2 Kön 19,2 (= Jes 37,2; post-dtr) erwähnt die ‚Ältesten der Priester‘ (ziqnê hakkōhănîm), was – sofern es sich nicht um eine Rückprojektion handelt – auf die Existenz eines priesterlichen Leitungsgremiums hindeutet. Für die späte Königszeit erscheint eine nach Rang und Funktionen differenzierte Priesterschaft jedoch plausibel. Ebenso plausibel erscheint, dass sich die Priesterschaft, wie in 2 Sam 8,18 erwähnt, auch aus dem Königshaus rekrutierte (Albertz 1992: 193; Niemann 1993: 10). 2 Kön 23,5, Hos 10,5 und Zef 1,4 erwähnen die mit den Höhenheiligtümern und dem Kult in Beth-El assoziierten kĕmārîm (ein in vielen semitischen Sprachen gängiger Begriff für ‚Priester‘,278 zumeist pejorativ mit ‚Götzenpriester‘ wiedergegeben). Da diese nur in späten und polemischen – von 2 Kön 23,5 abhängigen – Kontexten erscheinen, handelt es sich nicht um eine ‚echte‘ eigene Priestergruppe, Priester der Gestirngötter, astrologische Spezialisten oder fremde bzw. mit den Assyrern kooperierende Priester (so u.a. Spieckermann 1982: 85f.; Albertz 1992: 308), sondern um eine pejorative Belegung vermeintlich vorexilischer Kultexperten vermittels eines aramäisch oder assyrisch vermittelten Lehnwortes. Die kĕmārîm sind damit nichts anderes als eine weitere deuteronomistische Chimäre. 3.6.2.1.2 Opfer und andere Rituale Die wesentliche Aufgabe der Priesterschaft war der Vollzug der täglichen Opfer und anderer Rituale. Auch hier verbietet sich eine Rückprojektion der elaborierten Ritual- und Opfersystematik der Priesterschrift und ihrer Fortschreibungen oder die hochgradig spekulativen literar- und redaktionskritischen „Rekonstruktionen“ vermeintlich vorexilischer Grundbestände von Ritualen. Es muss zwischen der im Alten Testament, insbesondere in P, bezeugten Opfervorstellung und der historischen Opferpraxis unterschieden werden (Marx: 2000: 147). Gegen die häufig apologetisch motivierte Leugnung des Ernährungsgedankens und des do-ut-des Mechanismus des Opfers (inklusive des Dankes für erwiesene Hilfe oder der „Bestechung“) ist 275

1 Sam 6,15; 2 Sam 15,24; 1 Kön 8,4. Vgl. Jos 3,3 und 8,33. HAE Jer(8):33 (die Authentizität der Inschrift ist allerdings umstritten); HAE Arad(8):102, 103. 277 HAE Lak[6]:1.3, Z. 20) und 16 (HAE Lak[6]: 1.16, Z. 5. 278 Siehe GOS I: 309. 276

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grundsätzlich die sozio-religiöse Multidimensionalität und Multifunktionalität des Opfers (vgl. Drexler 1993) anzuführen, zu denen aber grundsätzlich diese beiden basalen Mechanismen gehören, wie sie auch von anderen Traditionen innerhalb des AT bezeugt werden (Gen 8,20f.; 1 Sam 26,19). Neben den archäologisch erschließbaren Opfern von Groß- und Kleinvieh (Rindern, Schafen, Ziegen und Wild), Vögeln und Fischen sowie den Speise-, Libations- und Räucheropfern erwähnt das DtrG in 2 Kön 16,13.16 für den vorexilischen Jerusalemer Opferkult das Brandopfer am Morgen (ʿōlāh-habbōqer), das Speiseopfer am Abend (minḥāh hāʿereb) als reguläre Versorgungsopfer, das Brand-, Speise und Trankopfer des Volkes des Landes (ʿōlāh kol-ʿam hāʾareṣ, minḥāh, nesek) sowie das Brand- und Speiseopfer des Königs (ʿōlāh-hammelek, minḥāh). 2 Kön 16,13 erwähnt als vom König dargebrachte Opfer das Brandopfer, das Heilsopfer (šelāmīm),279 das Speiseopfer und das Trankopfer sowie das Besprengen des Altars mit dem Blut der Heilsopfer. Neben den Opfern im Kontext der offiziellen Religion ist – auch wenn die priesterliche Opfersystematik im Buch Leviticus nicht einfach auf die vorexilische Zeit rückprojiziert werden kann – generell mit dem Vollzug von Schuld- und Sündopfern (ʾāšām, ḥaṭṭāʾt) für Einzelne oder die Familie (vgl. 2 Kön 12,17) und damit mit Überschneidungen der familiären Praxis mit der offiziellen Religion zu rechnen. 3.6.2.2 Propheten und Mantik 3.6.2.2.1 Propheten, Seher und andere Mantiker Im alten Vorderen Orient wurden keine Haupt- und Staatsaktionen ohne die vorherige Konsultation der Götter durch mantische Praktiken durchgeführt. Mantik bzw. der synonym gebrauchte Begriff der Divination umfasst Formen ritualsymbolischen Handelns, die durch Nutzung bestimmter Medien (Symbol, Wort und Handlung) und kosmischen Wissens von einer Gottheit oder einem anderen numinosen Wesen Einsicht und Belehrung über Vergangenes oder Zukünftiges zum Zwecke der Orientierung eigenen Handelns zu erhalten suchen (Schmitt 2014: 4). Zu den Formen deduktiver bzw. instrumenteller Mantik gehören Leberschau, Sterndeutung (Astrologie), Losorakel und die Deutung von Naturerscheinungen wie Wolken, Vogelflug, Fehlgeburten oder anderer vor allem irregulärer natürlicher Erscheinungen, wie Sonnen- und Mondfinsternisse, die als Quellen göttlicher Willensäußerung aufgefasst werden. Formen intuitiver Mantik sind Träume, Visionen oder Auditionen, die oftmals mit bestimmten mentalen Praktiken wie Askese, Trance und Ekstase verbunden sind, die durch Musik, Tanz, Selbstmutilation, Alkohol oder Drogen induziert werden können. Methoden, Formen und Erscheinungen von Mantik sind jeweils determiniert durch das jeweilige religiöse und kulturelle Symbolsystem (Cryer 1994: 242; Jeffers 1996: 251; Stökl 2014: 7f.; Schmitt 2014: 4ff.). Die westsemitischen Religionen im 1. Jt. zeigen insgesamt eine Präferenz für die intuitive Mantik. Instrumentelle Mantik scheint sich hingegen auf einfache Formen wie Losorakel beschränkt zu haben, während für komplexere Formen wie Eingeweideschau der notwendige Wissenspool (Kenntnis des Sumerischen und Akkadischen sowie das hochspezialisierte Ausbildungssystem der mesopotamischen Vorzeichenwissenschaft, der bārûtu) im westsemitischen Kulturkreis im 1. Jt. v. Chr. fehlte. Ein unvoreingenommener religionsgeschichtlicher Blick auf die Mantik und die ausführenden Ritualspezialisten ist lange durch die Auffassung von der Besonderheit der biblischen Propheten als „Erfinder“ des „ethischen Monotheismus“ (Wellhausen), ihrer Charakterisierung als missionarische Träger eines besonderen Charismas (Weber 19715: 111ff. u.ö.) und der massiven Überbetonung des historischen Einflusses der biblischen Propheten auf die religiöse Entwicklung Israels, insbesondere ihrer Rolle bei der Entstehung des Monotheismus (so zuletzt Pietsch 2012), verdeckt worden. Religionsgeschichtlich inadäquate Unterscheidungen zwischen Mantik bzw. Divination und Prophetie persistieren daher auch noch in der neueren Forschung. Das biblische Hebräisch kennt unterschiedliche Bezeichnungen für Personen, die divinatorische Praktiken ausüben (s. Stökl 2012: 127ff.; Schmitt 2014: 29ff.): Die gängige hebräische Bezeichnung für den Propheten ist nābî’ (im Plural nĕbî’îm, feminin nĕbî’āh), in der Septuaginta mit προφήτης wiedergegeben. Der Begriff nābî’ ist im Anschluss an akk. nabīum als passives Verbaladjektiv mit der Bedeutung ‚Berufener‘ zu verstehen.280 Epigraphisch ist der nābî’ auf den Lachish-Ostraka 3 und 16 belegt,281 möglicherweise

279

Vgl. 1 Kön 9,25. AHw 669f.; CAD XI, 31ff.; HAL 625. 281 HAE Lak(6):1.3: 20; Lak(6): 1.16: 5. 280

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auch auf dem Ostrakon 6.282 Neben dem nābî’ erscheint im AT der ḥōzeh ‚Seher‘. Obwohl im Alten Testament primär in späten Texten erwähnt,283 ist die Bezeichnung ḥōzeh als Mantiker auch außerbiblisch auf der Stele des Zakur284 und in der Tell-Deir-Alla-Inschrift (KAI 312 I,1:ʼš. ḥ[z]h. ʼlhn ‚Götterseher‘) für Bileam belegt. Selten ist der Begriff rōʿeh ‚Seher‘ im DtrG und der Chronik und wird im DtrG nur für Samuel gebraucht (1 Sam 9,9.11.18.19). Die Vermutung, dass es sich bei dem rōʿeh um einen dem nābî’ religionsgeschichtlich vorgängigen „urtümlichen“ Typ des Sehers gehandelt hat, ist einem evolutionistischen Modell verhaftet und obsolet. Der Gebrauch des seltenen, aber keinesfalls „urtümlichen“ rōʿeh ist im DtrG und in der Chronik eher eine bewusste Archaisierung, wie die Glosse in 1 Sam 9,9, deutlich macht, die erklärt, dass man „früher“ einen nābî’ als rōʿeh bezeichnet habe. Die Rekonstruktion der historischen Funktion des nābî’ in der vorexilischen offiziellen Religion wird dadurch erschwert, dass alle Belege im DtrG vom Prophetengesetz in Dtn 18 mit seiner Stilisierung des idealen Propheten als legitimer Verkünder des Wortes Jahwes abhängig sind und die entsprechen Erzählungen über rituelle Handlungen und Orakeleinholungen von diesem Prophetie-Konzept abhängig sind. Es ist daher postuliert worden, dass die entsprechenden Belege zur historischen Rekonstruktion nicht auswertbar sind (Auld 1984; vgl. dazu Stökl 2010: 210ff.; Schmitt 2014: 30ff.). Demgegenüber muss jedoch festgestellt werden, dass die Erwähnung des nābî’ in den Lachish-Briefen 3 und 16 Konsultationen eines so bezeichneten Kultfunktionärs voraussetzen. Auch wenn die entsprechen Erzählungen im DtrG, die einen nābî’ involvieren, primär die theologischen Positionen der Verfasser reflektieren, so ist doch grundsätzlich an der Historizität des Amtes des nābî’ in vorexilischer Zeit festzuhalten. Das Amt des nābî’ dürfte aber vorexilisch – wie oben dargestellt – eine funktionelle Differenzierung des Priesteramtes gewesen sein. Auch die post-dtr Jesaja-Erzählung in 2 Kön 20,2, die Jesaja als nābî’ bezeichnet, überliefert das Bild eines priesterlichen Kultfunktionärs mit Zugang zu Tempel und Palast, der auch für magisch-therapeutische Rituale zuständig ist (Schmitt 2004: 236; 2014: 34). Inwieweit Orakelpraktiken durch Lose (‘ūrīm und tummīm)285 vorexilisch in den Zuständigkeitsbereich der Priester fielen, ist nicht mehr sicher zu erheben. Da die Belege zu dem Paar ‘ūrīm und tummīm jedoch überwiegend aus priesterschriftlichen und deuteronomistischen Kontexten stammen, sagen diese Texte nichts über die vorexilische Orakelpraxis aus. Es kann vermutet werden, dass das ‘ūrīm-und-tummīmOrakel in dieser Form erst in der priesterschriftlichen Literatur eingeführt wird, um die Verfügungsgewalt über das Orakelwesen zu monopolisieren. Durch diese Monopolisierung des Losorakels und seine Beschränkung auf den Hohepriester als alleinigen Orakelgeber ist das Losorakel in der priesterschriftlichen Konzeption ein theokratisches Herrschaftsinstrument geworden (Schmitt 2014: 94). Wie Dtn 33,8 – wo das Losorakel den Leviten übergeben wird – zeigt, ist diese Monopolisierung jedoch nicht unwidersprochen geblieben. Die biblischen Texte über die Verfügungshoheit über das Losorakel reflektieren einen Diskurs über priesterliche Autorität, in dem sich die Priester über die Leviten als die höhere Statusgruppe haben durchsetzen können (vgl. Olyan 2000: 117). Dass Losorakel in offiziellen Heiligtümern durchgeführt worden sind, kann aufgrund des Fundes eines Würfels im Tempel von Dan286 als sicher gelten. Für die späte Königszeit setzt das DtrG unpolemisch die Existenz des Amtes der Prophetin (nĕbîʾāh) voraus. Die Tradition einer Prophetin und Richterin für die Frühzeit wie Deborah in Ri 4 ist historisch nicht zu verifizieren und ist wohl nicht viel mehr als eine Rückprojektion der Figur der Hulda in 2 Kön 22,14. Bei der Prophetin Hulda in 2 Kön 22,14ff. ist eine offizielle Konsultation durch die Priester und Hofbeamten im Auftrag des Königs vorauszusetzen, zudem wird Hulda als die Gattin eines Hof- oder Tempelbeamten, Schallum ben Tikwa, vorgestellt. Auch wenn die Hulda-Erzählung deuteronomistisch geprägt ist und diese ganz als Prophetin im Sinne von Dtn 18 gestaltet ist, um die „Reform“ Josijas zu legitimieren, spricht nichts gegen die Historizität einer Hof- oder Tempelprophetin in der späten Königszeit. Historisch erscheint neben Hulda auch die Erwähnung von Jesajas Frau mit der Berufsbezeichnung nĕbîʾāh in Jes 8,3 plausibel, zumal im Hebräischen die Ehefrauen nicht mit der Funktionsbezeichnung ihrer Gatten benannt werden (Fischer 2002: 196). Es ist damit zwar deutlich, dass auch Prophetinnen vorexilisch bei wichtigen 282

HAE Lak(6):1.6: 5. 2 Sam 24,11; 2 Kön 17,13; Jes 28,15; 19,10; 30,10; Amos 8,12; Micha 3,7; Jes 30,10; 1 Chr 21,9; 25,5; 29,29; 2 Chr 9,29; 12,15; 19,2; 29,25; 29,30; 33,18; 35,15. Vgl. HAL I, 289. 284 KAI 202 A: 12. 285 Ex 28,30; Lev 8,8; Dtn 33,8; Esra 2,63; Neh 7,65; ʿūrīm allein: Num 27,21; 1 Sam 28,6; tummīm allein: 1 Sam 14,41. 286 Biran 1994: 99, Fig. 157. 283

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Staatsaktionen konsultiert worden sind, dennoch lassen die entsprechenden Texte nicht erkennen (oder besser: wollen nicht erkennen lassen), ob und in welcher Weise die Prophetinnen mit dem Tempel assoziiert waren. Analog zu ihren männlichen Kollegen dürfte hier jedoch auch mit einem offiziellen Amt am Tempel gerechnet werden. Ein offizieller Kontext ist auch nachexilisch für die Prophetin Noadiah vorauszusetzen, die zusammen mit dem „Rest der Propheten“ (Neh 6,14) erwähnt wird. Die Tätigkeit von Prophetinnen war daher – trotz ihrer verhältnismäßig seltenen Nennung und trotz polemischer Abgrenzungen wie in Ez 13 – Bestandteil der sozialen und religiösen Realität Judas in der Eisen- und Perserzeit, ein Phänomen, dass zeitgenössisch insbesondere auch für Assyrien belegt ist (s. Stökl 2010). 3.6.2.2.2 Mantik im Kontext von Herrschaft Im Kontext der offiziellen Religion der Königszeit kommt der Mantik primär eine herrschaftslegitimierende Funktion zu und sie ist gleichzeitig ein Instrument politischer Steuerung (Schmitt 2014: 77ff.; 160). Die Involvierung von Propheten in offizielle Orakelanfragen ist im AT vielfach bezeugt, aber auch hier ist zu berücksichtigen, dass die wesentlichen Quellen in diesem Kontext, das DtrG und seine Fortschreibungen (inklusive der post-dtr Jesaja-Hiskija Erzählung in 2 Kön 18–20 = Jes 36–39), keine unmittelbar zeitgenössischen Texte über rituelle Orakeleinholungen sind. Beschreibungen von Ritualen sind selbst keine Rituale, sondern (insbesondere im DtrG) Texte mit einer eigenen Agenda bzw. literarische Rituale. Auch wenn mantische Rituale im DtrG und in den Prophetenbüchern primär literarische Konzeptualisierungen darstellen, so ist doch davon auszugehen, dass sie Formen ritueller Praxis reflektieren, die ihrer Audienz bekannt waren, zumal Praktiken induktiver und instrumenteller Mantik bis in hellenistisch-römische Zeit persistieren (s. Schmitt 2014: 171ff.). Außerbiblisch belegen die Lachish-Briefe (insbesondere Nr. 3) die Involvierung von Propheten in militärische Angelegenheiten und auch die neuassyrische prophetische Praxis kann herangezogen werden, um bestimmte rituelle Praktiken, ihre Akteure und Kontexte, plausibel zu machen (vgl. u.a. die Beiträge in Nissinen 2000; 2003; Gordon und Barstad 2013). Die Zeugnisse über offizielle Orakeleinholungen und verwandter Rituale im DtrG und in den Prophetenbüchern können demnach zwar nicht einfach historisiert bzw. als jeweils historische Einzelgeschehnisse gewertet werden, reflektieren religionsgeschichtlich aber plausibel Formen gängiger ritueller Praxis. Propheten wie Jesaja und Jeremia sind primär Kult- bzw. Hoffunktionäre und auch andere Mantiker zählen nach Jes 3,2 und Mi 3,11 zu den offiziellen Eliten des Staates. Insbesondere von Jesaja und Jeremia werden offizielle Konsultationen berichtet: Im Fall der Belagerung Jerusalems durch Sanherib schickt Hiskija in 2 Kön 19,1–7 (= Jes 37,1–7) Beamte und Priester zu Jesaja, um eine Lageeinschätzung zu erhalten. Analog dazu schickt König Zidkija in Jer 21,1ff. und Jer 37,1–10 einen Beamten und einen Priester zu Jeremia, um eine Lageeinschätzung durch eine Befragung Jahwes zu erhalten. Nach der Auffindung des Gesetzbuches in 2 Kön 22,8ff. lässt Josija durch eine priesterliche Abordnung Jahwe durch die Prophetin Hulda befragen, was es mit diesem Buch auf sich habe. Dies dürfte jedoch eine Erfindung der deuteronomistischen Autoren sein, um das Gesetzbuch als authentisch zu legitimieren. In 2 Kön 19,20–34 gibt Jesaja ohne unmittelbare Anfrage eine prophetische Expertise, die er dem König (durch Boten) mitteilen lässt. Einen ähnlichen Fall schildert Jer 36, wo Jeremia seinem Schreiber Baruch die prophetische Expertise auf eine Schriftrolle diktiert, die dieser dann den Beamten vorlegt. Schriftgestützte Divinatorik und die primäre Textualisierung von Mantik im Kontext der Herrschaftsausübung belegen auch die Lachish-Ostraka 3 und 16. Mantik umfasst nicht nur die Einholung des Gotteswillens in legitimierender und steuernder Funktion durch die Konsultation von Propheten, sondern auch Feindvernichtungsrituale, die divinatorische Elemente beinhalten (s. Schmitt 2011: 137ff.; 2014: 77ff.): Hierzu gehört das von Elischa berichtete Feindvernichtungsritual in 2 Kön 13,14–19, das Schießen von und Schlagen mit Pfeilen durch den Gottesmann beinhaltet und das von dem Propheten Zidkija ben Kenaana in Gegenwart der Könige Israels und Judas durchgeführte Ritual in 1 Kön 22,1–38, das die symbolische Niederwerfung der Feinde mit eisernen Hörnern mit einem begleitenden Vernichtungsorakel verbindet, um rituelle communitas zwischen König, Truppen und der Bevölkerung zu erzeugen. Eine besondere Bedeutung gewinnt Mantik in Situationen, in denen Herrschaft prekär wird, wie beim Thronwechsel (Davids irreguläre Thronfolge auf Saul in 1 Sam 16,1–33; Salomo setzt sich in 1 Kön 1,38–53 mit der Unterstützung des Priesters Zadok und des Propheten Natan gegen den Thronprätendenten Adonija durch) und bei Usurpationen (Jerobeam in 1 Kön 11,26–40; Jehu in 2 Kön 9,1–10). Die mantischen Kriegsrituale in 1 Kön 22,1–38 und 2 Kön 13,14–19 bezeugen die z.T. fließenden Übergänge zwischen Mantik und magisch-antizipierenden ritualsymbolischen Akten. Dasselbe gilt © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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für die sogenannten prophetischen Symbolhandlungen, wie das Zerschlagen der Töpfe in Jer 19,1.2a.10–14 und Ezechiels „Kriegsspiel im Sandkasten“ in Ez 4,1–3. Mantik ist Herrschaftswissen, da der Herrscher letztlich direkt (1 Kön 13,4; 22,26; Jer 37,11–21; Jer 26,20) oder über die Priesterschaft mittelbar (Jer 20,1ff; 29,25–26; Am 7,10–17) Kontrolle über mantische Spezialisten ausübte und missliebige Expertisen damit auch erfolgreich unterdrücken konnte. Dennoch sind institutionelle Propheten und Prophetinnen keinesfalls nur bezahlte Ja-Sager gewesen, sondern konnten gerade aufgrund ihrer institutionellen Bindung ein kritisches Potential entfalten, wie z.B. an Jeremia und Jesaja und den vermutlich alten Beständen des Amos- und Hoseabuches mit ihrer Kritik an sozialen Missständen deutlich wird (auch wenn diese nachträglich zu Außenseitern mit religiöser Botschaft stilisiert worden sind). Als Verwalter von Herrschaftswissen waren Propheten aber auch keine „Berufsoppositionellen“, wie von der älteren Forschung gerne betont, sondern sie handelten im Rahmen ihrer institutionellen Anbindung. 3.6.3 Königstheologie Z. Bahrani 2008: Rituals of War: The Body and Violence in Mesopotamia, New York; A. Berlejung 2017: Dimensionen der Herrschaftslegitimität: Ikonographische Aspekte königlicher Selbstdarstellung in den Kulturen der südlichen Levante der Eisenzeit anhand der Bildwerke von Baluʿa, Yarih-ʿezer und Askalon, in: C. Levin und R. Müller (Hrsg.) 2017: Herrschaftslegitimation in vorderorientalischen Reichen der Eisenzeit, ORA 21, Tübingen, 147–187; J. W. Crowfoot und G. M. Crowfoot 1938: Early Ivories from Samaria, Samaria-Sebaste II, London; M. W. Hamilton 2005: The Body Royal: The Social Poetics of Kingship in Ancient Israel, Bis 78, Leiden; M. W. Hamilton 2017: Art. King, Kingship II: Hebrew Bible/Old Testament, in: EBR 15, 222–224; M. W. Hamilton 2018: A Kingdom for a Stage: Political and Theological Reflection in the Hebrew Bible, FAT 116, Tübingen; D. Kühn 2018: Die „Zwei Körper des Königs“ in den westsemitischen Kulturen: Ugarit, aramäische Königreiche, Phönizien, Ammon, Moab, Israel und Juda, Kasion 4, Münster; Chr. Levin 2017: Das Königsritual in Israel und Juda, in: C. Levin und R. Müller (Hrsg.), Herrschaftslegitmation in vorderorientalischen Reichen der Eisenzeit, ORA 21, Tübingen, 231–260; O. Lipschits 2011: The Origin and Date of the Volute Capitals from the Levant, in: I. Finkelstein und N. Naʾaman (Hrsg.), The Fire Signals of Lachish: Studies in the Archaeology and History of Israel in the Late Bronze Age, Iron Age, and Persian Period in Honor of David Usshishkin, Winona Lake, 203–225; G. Karner 2006: „Ein Siegespfeil von Jahwe“: Eine neuassyrische Parallele zu 2 Kön 13,14–20, in: WZKM 96, 159–165; R. Müller 2004: Königtum und Gottesherrschaft: Untersuchungen zur alttestamentlichen Monarchiekritik, FAT II/3, Tübingen; R. Müller 2017: Herrschaftslegitimation in den Königtümern Israel und Juda: Eine Spurensuche im Alten Testament, in: C. Levin und R. Müller (Hrsg.): Herrschaftslegitmation in vorderorientalischen Reichen der Eisenzeit, ORA 21 Tübingen, 189–230; H. M. Niemann 1993: Herrschaft, Königtum und Staat: Skizzen zur soziokulturellen Entwicklung im monarchischen Israel, FAT 6, Tübingen; S. Parpola 1999: Sons of God: A Theology of Kingship, in: Odissey November/December, 16–27; L. Ristvet 2015: Ritual, Performance, and Politics in the Ancient Near East, Cambridge; R. S. Salo 2017: Die Judäische Königsideologie im Kontext der Nachbarkulturen, ORA 25, Tübingen; R. Schmitt 2000: Der König sitzt im Tor: Überlegungen zum Stadttor als Ort herrschaftlicher Repräsentation im Alten Testament, in: UF 32, 475–485; R. Schmitt 2001: Bildhafte Herrschaftsrepräsentation im eisenzeitlichen Israel, AOAT 283, Münster; R. Schmitt 2004a: Heer und Herrschaft: Die Rolle des Militärs bei den Usurpationen in Israel in der Eisenzeit II B (926–722 v. Chr.), in: C. Sigrist, Königtum und Herrschaft, Veröffentlichungen des AZERKAVO/SFB 493 Bd. 5, AOAT 316, Münster, 115–134; R. Schmitt 2004b: „Er Ströme herab wie Regen auf die Felder…“: Psalm 72 und die Vegetationssymbolik in der Herrschaftsikonographie Israels und Judas im 1. Jt. v. Chr., in: W. Hübner und K. Stähler (Hrsg.), Ikonographie und Ikonologie: Interdisziplinäres Kolloquium 2001, EIKON 8, Münster, 35–49; R. Schmitt 2009: The Iconography of Power: Israelite and Judean Royal Architecture as Icons of Power, in: R. Schmitt und I. de Hulster (Hrsg.), Iconography and Biblical Studies, AOAT 361, Münster, 2009, 75–96; R. Schmitt 2015: Establishing Communitas: Royal Rites of Military Loyalty and their Social Function, in: S. M. Olyan (Hrsg.), Ritual Violence, Society of Biblical Literature Resources for Biblical Study, Atlanta, 137–145; Y. Shiloh 1979: The Proto-Aeolic Capital and Israelite Ashlar Masonry, QEDEM 11, Jerusalem; M. Tilly und W. Zwickel 2011: Religionsgeschichte Israels: Von der Vorzeit bis zu den Anfängen des Christentums, Darmstadt, 83–85.

3.6.3.1 Die israelitisch-judäische Königstheologie in ihrem altvorderasiatischen Kontext Die israelitisch-judäische Königsideologie (besser sollte man hier aufgrund der starken religiösen Konnotationen von Königstheologie sprechen) und ihre konstitutiven Elemente sind nur im breiteren Kontext der altvorderasiatischen offiziellen Symbolsysteme, primär der westsemitischen des 1. Jt. v. Chr., und der Positionierung des Königs darin zu verstehen. Anders als in Phönizien, Nordsyrien, Ammon und Moab sind jedoch weder in Israel noch in Juda monumentale Königsinschriften nachgewiesen, die unmittelbar das mit

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dem Königtum verbundene Symbolsystem reflektieren. An archäologischen Zeugnissen liegen jedoch eine beträchtliche Anzahl offizieller Siegelungen (lmlk-Stempel und verwandtes Material) sowie einige wenige Königsdarstellungen vor. Die einschlägigen biblischen Texte, vor allem die Königspsalmen (Ps 2; 18; 20; 21; 45; 72), die als primäre Zeugnisse der judäischen Königsideologie gelten, haben einen Redaktions- und Fortschreibungsprozess mit tiefgreifenden theologischen Umformungen durchlaufen. Es besteht jedoch Konsens in der Forschung, dass die altvorderasiatischen Königstheologien – ungeachtet regionaler Spezifika – zeit-, sprach- und kulturübergreifend zahlreiche konstitutive Elemente miteinander gemein haben, die in diesem Textkorpus reflektiert werden (s. Salo 2017: 331ff.). Vor diesem Hintergrund sind auch die im DtrG und seinen Fortschreibungen enthaltenen Traditionen über das Königtum religionsgeschichtlich grundsätzlich aussagekräftig, auch wenn diese teils programmatisch-idealisierte (2 Sam 23,2–7 – post-dtr), teils negative Bilder vom Königtum in der Retrospektive zeichnen (s. Müller 2004). In der Forschung sind im Gefolge der Darstellung des DtrG bzw. seiner Quellen unterschiedliche Theorien über die Genese des Königtums in Israel und Juda entworfen worden (vgl. dazu Frevel 2016: 93ff.), die einerseits die israelitische Königstheologie – ausgehend von der Herrschaft Sauls – als eine (im Anschluss an Max Weber) primär charismatisch legitimierte (und daher instabile, durch häufige Dynastiewechsel geprägte) Herrschaft rekonstruieren, wohingegen die judäische Königstheologie durch Davids Übernahme von Jerusalem und seiner kanaanäischen Tradition weit stärker dynastisch legitimiert sei. Auch wenn man an der Annahme der Herrschaft von Warlords oder chiefs für die Frühzeit Israels festhalten möchte, die sich auf die eigene Lineage und einen kleinen Erzwingungsstab stützen konnten, erscheint die Unterscheidung zwischen charismatisch und dynastisch legitimierter Herrschaft doch im Wesentlichen auf einem modernen theologischen bias zu basieren, der sich einerseits die antimonarchischen, „volkssouveränen“ Tendenzen im DtrG und andererseits den dort zugespitzten Erwählungsgedanken (der durchaus ein Motiv des symbolischen Systems von Herrschaft im Alten Orient – insbesondere bei irregulärer Thronfolge – war) zu eigen gemacht hat. Herrschaft im Alten Vorderen Orient gründet jedoch grundsätzlich und unabhängig davon, ob es sich um einen lokalen Kleinkönig oder chief, der über kaum mehr als eine Kleinstadt herrscht oder um den assyrischen Großkönig handelt, primär auf einem dynastischen Legitimitätsprinzip. Folglich sind die Übergänge zwischen Lineage-basiertem chiefdom und Königtum fließend (Lemche 1996: 107f.). Ein „Charisma“ im Weberschen Sinne ist für diese Herrschaftsform nicht konstitutiv. Zudem ist auch für das Südreich (wie in 3.1 dargelegt) die dynastische Folge der Davididen keinesfalls ungebrochen (und vielleicht überhaupt ein Konstrukt des DtrG). Für das Nordreich ist zu beobachten, dass es die Intention der dtr Historiker ist, das Königtum als ein instabiles hinzustellen und es dergestalt zu delegitimieren, dass es mit der Usurpation Jerobeams begann und daher nicht unter Jahwes Segen stehen konnte. Historisch erfolgte die Mehrzahl der Usurpationen aus dem Militär, weil dieses über die entsprechenden Machtressourcen (die, wie man sowohl aus assyrischen Quellen wie der Tel-Dan-Inschrift erfährt, durchaus erheblich waren)287 verfügte, die einen Putsch erst möglich gemacht haben. Aber auch die Herrschaft der Usurpatoren Omri und Jehu ist prinzipiell dynastisch angelegt (Schmitt 2004). Sehr wahrscheinlich konnte das Königtum im Norden sogar an die spätkanaanäische Tradition anknüpfen bzw. diese fortführen. Es gibt daher keine hinreichende Evidenz, unterschiedliche legitimatorische Herrschaftskonzepte für das Nord- und Südreich anzunehmen, diese entsprechen vielmehr grundsätzlich dem in der Umwelt geltenden dynastischem Legitimationsprinzip, das freilich im Falle von Usurpationen durch die Legitimationsstrategie der besonderen Erwählung durchbrochen werden konnte, sofern ein Herrscher – wie auch immer – „versagte“ und seinen Aufgaben gegenüber den Göttern und dem Land nicht mehr gerecht wurde oder durch andere Gründe seine Legitimität verlor. 3.6.3.2 Elemente der judäisch-israelitischen Königstheologie Wie in den unmittelbaren Nachbarkulturen in Syrien und Transjordanien sowie in Mesopotamien lassen sich – das dynastische Legitimationsprinzip vorausgesetzt – drei interdependente Aspekte der Königstheologie in Israel und Juda beschreiben: a.) Die Legitimation des Königs durch die Götter und seine besondere Beziehung zu diesen, insbesondere aber zum Nationalgott. b.) Die rechte Herrschaft des Königs, die ihren Ausdruck findet in der Funktion des Königs als Krieger und seiner Dominanz über die Feinde und die 287

So spricht die Monolith-Inschrift Salmanasser III. (RIMA 3: A.0 102.2: ii 89bff., vgl. TUAT I, 360ff.) von 2000 Streitwagen Ahabs und die Tel-Dan-Stele (HTAT 116) nennt offenbar eine ähnlich hohe Zahl. Beides dürfte übertrieben sein, unterstreicht im Kontext jedoch die militärische Potenz des Nordreichs in der 2. Hälfte des 9. Jh. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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chaotischen Mächte und damit verbunden die Etablierung bzw. Inkrafthaltung der göttlichen Weltordnung, wozu auch die Schaffung von Recht und Gerechtigkeit und die Sorge um die Aufrechterhaltung und die rechte Durchführung des Kultes zählt. c.) Die Sicherung der natürlichen und wirtschaftlichen Prosperität des Landes und seiner Untertanen, zu der auch die öffentliche Bautätigkeit des Königs zu rechnen ist. Für einzelne Elemente der judäischen Königsideologie wurden wiederholt aramäische und assyrische Einflüsse, vor allem im Hinblick auf eine Astralisierung und Solarisierung geltend gemacht (so zuletzt Salo 2017). Wie die ikonographischen Befunde der Typ-II-lmlk-Stempel mit Flügelsonne zeigen (Abb. 3.13; dazu Schmitt 2017: 160ff.), hat die königliche Administration im späten 8. Jh. v. Chr. hier eine assyrische Darstellungskonvention aufgenommen, die lokal wohl mit dem Staatsgott Jahwe zu identifizieren ist. Auch die judäische Herrschaftsrepräsentation bediente sich im Hinblick auf Darstellungen des Königs selbst der assyrischen Formensprache (s. Schmitt 2001: 95ff.). Hier handelt es sich jedoch primär um kulturelle Einflüsse bzw. die Anpassung an die Darstellungskonventionen der Oberherren im Rahmen dessen, was die postkoloniale Theoriebildung als Eliten-Emulation und Mimikry beschrieben hat, und weniger um eine unmittelbare Beeinflussung des offiziellen religiösen Symbolsystems. 3.6.3.2.1 Die Legitimation durch den Staatsgott und die Gottesbeziehung des Königs Die enge Beziehung des (judäischen) Königs zum Staatsgott wird im archäologischen Befund vor allem durch die lmlk-Stempel (Abb. 3.13) und die Hiskija-Bullen (Abb. 3.14) zum Ausdruck gebracht. Die Kombination der Flügelsonne und des geflügelten Skarabäus als Götter- und Schutzsymbol mit der Legende lmlk bzw. dem Namen des Herrschers kommuniziert (neben der Funktion als Anzeiger des Besitzverhältnisses) diese Beziehung zwischen König und Gott und die Schutzfunktion der Gottheit an eine weite Audienz. Der König gilt in den narrativen und poetischen Texten zur judäischen Königstheologie als Sohn des Staatsgottes (Ps 2,7; 89,27f.; 2 Sam 7,14) und von diesem selbst gezeugt (Ps 2,7; 110,3). Nach diesen Zeugnissen gilt der König – ähnlich wie in Mesopotamien – als ein „Sondergeschöpf“ unter den Menschen. Andere Textzeugnisse bestimmen die Gottessohnschaft des Königs als Adoptionsverhältnis, das am Tag der Inthronisation seine performative Etablierung durch rituelle Handlungen wie die Salbung erfährt (1 Sam 10,1; 2 Sam 16,12, 1 Kön 1,39), wobei der Herrscher als Erwählter der Gottheit gilt (Ps 89,21; 1 Sam 10,24; 16,1–13). Beide Konzeptionen können als komplementär betrachtet werden. Im Falle von irregulärer Thronfolge oder bei Usurpationen kann und muss diese Erwählung besonders betont werden, wie in 1 Kön 16,2 („Ich habe dich aus dem Staub gehoben…“ über Bascha von Israel), um die Legitimität des Königs zu begründen, die entweder durch die reguläre Thronfolge oder dynastisch nicht gegeben ist. Mit der Krönung durch Jahwe tritt der Herrscher durch das Insignium der Krone sichtbar in seine Rolle als Heilsmittler ein (Ps 21,7). Dies dürfte entsprechend für das Nordreich gelten (vgl. 2 Kön 9,3ff.). Während der Aspekt der Erwählung in den westsemitischen Königsinschriften des 1. Jt. v. Chr. gut bezeugt ist288 und insbesondere im Falle irregulärer Thronfolgen besonders betont wird, ist die Konzeption der Gottessohnschaft in Phönizien und Syrien nicht greifbar (was an der Zufälligkeit der Quellen liegen mag); in Assyrien ist der Kindschaftstopos in der Königstheologie zwar bekannt, wird aber zumeist metaphorisch gebraucht (vgl. Salo 2017: 319f.). Für die Gottessohnschaft in Juda wird daher zumeist ägyptischer Einfluss geltend gemacht (so zuletzt Müller 2017: 200), was aufgrund der geographischen Nähe auch plausibel ist. Aufgrund der Quellenlage, insbesondere aufgrund der überwiegend negativen Wertung der Könige des Nordreiches im DtrG (vgl. Müller 2004), deren Legitimität generell in Frage gestellt wird, gibt es keine unmittelbare Bezeugung, ob der König des Nordreiches als Sohn Gottes galt. In Analogie zu Juda dürfte aber ein ähnliches Verständnis vorauszusetzen sein. In Ps 45,7 wird der König nicht nur als Gottessohn, sondern selbst als ʾĕlōhîm apostrophiert. Dies ist nicht im Kontext der religionswissenschaftlich obsoleten divine kingship pattern im Gefolge von J. G. Frazer zu verstehen (Schmitt 2001: 2ff.), sondern unterstreicht die Unterscheidung zwischen dem göttlichen, kosmologisch begründeten Amt des Königtums und dem sterblichen Inhaber und damit des politischen bzw. mythologischen Körpers des Königs und seiner natürlichen, sterblichen Existenz (vgl. Hamilton 2005; Kühn 2018). Zum politisch-mythologischen Körper des Königs ist auch die von Gott verliehene ‚Ehre‘, bzw. ‚Herrlichkeit‘ (kābōd), zu rechnen, ein Aspekt der vor allem in den narrativen Texten Jahwe (analog dem akkadischen melammu ‚Schreckensglanz‘) eignet. Der politisch-mythologische Körper des Königs ist darüber hinaus durch physische Schönheit (1 Sam 16,12; Ps 45,2) und körperliche 288

Vgl. KAI 10: 2ff. (Jehawmilk von Byblos); KAI 202. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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Stärke (Ps 18,37ff.) gekennzeichnet. Körperliche Defekte schlossen von der Thronfolge aus (vgl. 2 Sam 9,13). Den politisch-mythologischen Körper des Königs reflektieren auch einige wenige Königsdarstellungen aus dem Nord- und Südreich: Das Fragment einer Wandmalerei aus dem Eingangsbereich von Kuntillet ʿAǧrūd, Building A (Abb. 3.113)289 stellt mit großer Wahrscheinlichkeit den thronenden israelitischen König mit enganliegender, runder Kappe dar, wie er ähnlich auf den älteren Megiddo-Elfenbeinen (vgl. Abb. 2.16) präsentiert wird. Eine mit der linken Hand zur Nase geführte Lotusblüte kann ergänzt werden. Die Darstellung folgt hier deutlich phönizischen Konventionen. Ebenfalls in phönizischem Stil gehalten ist eine in etwa zeitgenössische (8. Jh.) Elfenbeinarbeit aus dem Palast von Samaria (Abb. 3.114):290 Das Fragment bildet eine thronende Figur mit Strähnenfrisur hinter einer Lotusstaude ab. Dahinter befindet sich eine zweite Figur mit enganliegender Kappe, die wohl entsprechend der ersten Figur als thronend zu rekonstruieren ist. Die Szene lässt sich als thronendes Königspaar – möglicherweise bei einem Bankett – interpretieren. Eine stilistisch ähnliche rundplastische Elfenbeinfigurine eines Thronenden ist vom Tel Reḥov belegt.291 Die Darstellungen aus Samaria, Tel Reḥov und aus Kuntillet ʿAǧrūd (das dem Nordreich zuzurechnen ist), realisieren zwei Aspekte des Königtums: Zum einen die hoheitliche Erscheinung des Königs in einem reich verzierten Gewand und zum anderen den Aspekt der Fruchtbarkeit und Fülle, symbolisiert durch die vegetabilen Motive. Aus Ramat Raḥel (EZ II C, wohl um 600) ist die Darstellung eines bärtigen, thronenden Königs bekannt, dessen Armstellung analog zu assyrischen Königsdarstellungen vermuten lässt, dass er einen langen Stab als Herrschaftsinsignium hält (Abb. 3.115).292 Hier steht der hoheitsvolle Aspekt des Königs mit seinen Insignien, Thron und Stab, im Vordergrund. Die judäische Darstellung orientiert sich hier deutlich an entsprechenden assyrischen Darstellungen. Die Imitation der assyrischen Ikonographie impliziert zusätzlich eine Partizipation an der Macht des Oberherrn. Den bildlichen Darstellungen des thronenden Königs in den unterschiedlichen Medien kommt eine performative Funktion zu: Sie realisieren, visualisieren und verstärken Herrschaftsanspruch und Legitimität (Schmitt 2001: 49 u.ö; Berlejung 2017: 151). Aufgrund der Fundkontexte der Elfenbeinarbeiten in Samaria und der Malerei aus Ramat Raḥel kommunizieren diese Objekte Legitimität vor allem am Hofe selbst und gegenüber seinen Besuchern, d.h. primär gegenüber einer Funktionärselite. Die Königsdarstellung aus Kuntillet ʿAǧrud hingegen realisiert diese Aspekte aufgrund ihrer prominenten Platzierung in einem Durchgangsbereich auch gegenüber einem weiteren Publikum, dem dort anwesenden Militärpersonal (das seine eigene Legitimität vom König bezog) und den durchziehenden Reisenden. Die Darstellung markiert den Besitz- und Herrschaftsanspruch des (sehr wahrscheinlich) israelitischen Königs über die Festung und die von ihr kontrollierte Region mit ihren Verkehrswegen. Eine Funktion des Königs als Priester, die seine besondere Gottesnähe noch unterstreichen würde, ist historisch – wie gelegentlich (u.a. Albertz 1992: 183) aufgrund von 2 Sam 8,18; 2 Sam 24,25; 1 Kön 8; 12,33; Ps 110,4 und 2 Chr 22,16 behauptet – für Israel und Juda nicht evident zu machen: Wenn davon die Rede ist, der König habe Opfer dargebracht, so impliziert dies nicht unmittelbar ein priesterliches Amt, zumal die Darbringung von Schlachtopfern nicht durch diesen selbst, sondern in seinem Namen vollzogen worden sein dürfte. Zudem war die Darbringung von Speise- und Trankopfern auch im Hauskult durch den pater familias üblich. Wenn der König selbst als Opferherr agiert haben sollte, dann wohl in einer dem pater familias analogen Rolle als pater patriae. Dies scheint auch für die nordwestsemitische Königstheologie zu gelten, auch wenn das Priestertum in Einzelfällen ein (wohl eher nomineller) Aspekt des königlichen Amtes gewesen sein konnte.293

289

Meshel 2012: Fig. 6.39. Crowfoot und Crowfoot 1938: Pl. XI,1 (Umzeichnung GGG 239). 291 Ziffer 2016: 65. 292 Aharoni 1962: Fig. 30,1. 293 KAI 13: 1–2 (Tabnit von Sidon); KAI 11 (Inschrift der Königinmutter Batnoʿam von Sidon, ca. 350 v. Chr.). 290

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Abb. 3.113: Rekonstruktion einer Wandmalerei aus Kuntillet ʿAǧrūd mit Königsdarstellung

Abb. 3.114: Elfenbeinarbeit aus Samaria mit Darstellung eines Königspaares

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Abb. 3.115: Königsdarstellung auf Gefäßfragment aus Ramat Raḥel

3.6.3.2.2 Die rechte Herrschaft des Königs und die Bewahrung der göttlichen Weltordnung Die rechte und gerechte Herrschaft des Königs ist gleichzeitig Voraussetzung, Ausfluss und Manifestation seiner göttlichen Legitimation. Das Richteramt wird dem König in Ps 72,1 unmittelbar von Jahwe übertragen. In Ps 45,8 sind die Liebe des Königs zu Recht (mišpāṭ) und Gerechtigkeit (ṣĕdāqā) und sein Hass auf Freveltaten die Voraussetzung seiner Salbung durch Jahwe. Das Üben gerechter Herrschaft, die Schaffung des Rechts für die Rechtlosen und die Vernichtung der Ruchlosen werrden wiederholt in den Königspsalmen angesprochen (Ps 18,21ff.; 45,8; 72,1ff.) und dieser Topos findet ebenfalls zahlreiche Parallelen in den westsemitischen Königsinschriften.294 Paradigmatisch für den König als gerechten Richter steht die Erzählung über das sprichwörtliche salomonische Urteil in 1 Kön 3,16–28. Ein wesentlicher Aspekt der rechten Herrschaft des Königs ist die Sicherung der kosmischen Ordnung durch die Unterwerfung der Feinde, die territoriale Sicherung und Erweiterung des Landes und der militärische Schutz der Bevölkerung im Auftrag des Nationalgottes. Klassischen Ausdruck findet diese Aufgabe des Herrschers, die militärische mit kosmischen Aspekten verbindet, wiederum in Ps 2,9, wenn Jahwe dem König zuspricht, dass er die Feinde mit eiserner Keule zerschlagen, wie Töpfe aus Ton zertrümmern und ihr sinnloses Toben (2,1) beenden wird. Das Schlagen der Feinde mit der Keule und das Zerbrechen der Töpfe bezieht sich sehr wahrscheinlich ganz konkret auf vom König vollzogene Feindvernichtungsrituale, wie sie mit dem swd dšrwt Ritual (dem ‚Zerschlagen der roten Töpfe‘) aus Ägypten bekannt sind. Als Metapher für die Sieghaftigkeit des Königs ist das Motiv auch in Assyrien belegt (Müller 2017: 305f.). Das rituelle Schießen des Königs im Kontext eines Feindvernichtungsrituals schildert 2 Kön 13,14–19 und ähnliche Rituale wurden auch vom assyrischen König vollzogen (Karner 2006). Auf die militärische Stärke und die Geschicklichkeit des Königs in der Kriegskunst rekurriert insbesondere Ps 18,33–39, wo der König in der 1. Sg. seine von Gott gegebene Kraft, Schnelligkeit und den Umgang mit dem Bogen preist. Jahwe erscheint hier als Lehrer des Königs in der Kriegskunst. Nach Ps 72,9f. müssen sich die Feinde vor der Macht des Herrschers beugen, Staub fressen und von weit her ihm mit Tributen und Geschenken huldigen. Der hier formulierte Herrschaftsanspruch orientiert sich (auch wenn er deutlich unrealistisch ist) an den Herrschertheologien Ägyptens und Mesopotamiens. Der König als Krieger und Sieger ist ein wesentliches Element der Herrschertheologie sowohl im Nordreich als auch im Südreich. So zeigen die ägyptisierenden Elfenbeinarbeiten aus Samaria das in der ägyptischen Großplastik und in der Kleinkunst häufige Motiv des Königs beim Niederschlagen der Feinde (Abb. 3.116),295 das die Sieghaftigkeit des Königs performativ und durativ realisiert. Das Motiv des Königs, der den besiegten Feind vor sich hertreibt, ist auf zwei (vermutlich judäischen) Bullen aus dem Kunsthandel

294 295

Vgl. KAI 4:6f (Jehawmilk von Byblos); KAI 26: 8ff. (Azitawadda von Karatepe). Crowfoot und Crowfooot 1938: Pl. XIV,1. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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Kapitel 3

belegt (Abb. 3.117a, b).296 Die Legende der ersten Bulle ist sehr wahrscheinlich mit lmlk, ‚Dem König [gehörig]‘, zu lesen, während die zweite die Inschrift lśr, ‚Dem Gouverneur/Kommandanten‘, trägt. Bei dem Dargestellten dürfte es sich aber um den König selbst handeln. Das Ideal des Königs als Krieger findet seinen Niederschlag vor allem in den narrativen Texten in der Gestalt des Dynastiegründers David: Die entsprechenden Traditionen reflektieren zwar vordergründig eine deuteronomistische Kriegstheologie, die das Moment des Gehorsams gegenüber Jahwe und dem Gesetz unterstreicht, diese fußt jedoch auf bekannten Elementen der altvorderasiatischen Herrschertheologien (Schmitt 2011: 146f.): In 1 Sam 23,1–14, 2 Sam 5,17–22 und deren Fortschreibungen in 1 Sam 30 unternimmt der König keinen militärischen Schritt, ohne sich vorher der Unterstützung Jahwes zu versichern, der (wie auch Kamoš auf der Meša-Stele)297 persönlich den Befehl zum Kampf gibt. Auch die Ladeerzählung in Sam 4–6 und 2 Sam 6 reflektiert die enge Verbindung des Staats- und Dynastiegottes zum König und basiert auf den im Alten Vorderen Orient gängigen Strategien zur göttlichen Kriegslegitimation durch die göttliche Präsenz und die Wirkmächtigkeit von Repräsentationen der Götter (wie z.B. Standarten mit Götterbildern- oder Symbolen) im Kampf. Nach 1 Sam 18,17 und 25,28 ist es der König, der als vicarius dei die Kriege Jahwes und die Waffen für ihn führt (vgl. Ps 2,5ff.). Der Topos des Königs als Tempelbauer bzw. Renovator und Garant der kultischen Ordnung wird vielfach im DtrG reflektiert, wobei hier wiederum Salomo der paradigmatische Herrscher ist, der den rechten Kult einrichtet und unterhält (1 Kön 5,15–38; 6; 7,13–51; 8) sowie Hiskija und Josija. Wie die AltarbauPerikope des Ahas in 2 Kön 16,10–18 und die Berichte über die Maßnahmen Hiskijas und Josijas zur ReEtablierung des (im deuteronomistischen Sinne) rechten Kultes zeigen, gehören hierzu auch bauliche Maßnahmen und solche, die andere kultische Paraphernalia betreffen. Dieser Topos ist sowohl im westsemitischen Raum u.a. in der Meša-Inschrift298 und besonders gut in den neuassyrischen und neubabylonischen Königsinschriften bezeugt.299 Auch der Bau prächtiger Paläste, die die Macht des Herrschers zum Ausdruck bringen, gehört zum Topos des Königs als Bauherr sowie die konkrete Sicherung des Landes durch Bautätigkeiten zum militärischen Schutz.300 Königlichen Bauten, insbesondere den Palästen, kommt – ähnlich den Darstellungen des Königs – eine herrschaftslegitimierende und den Herrschaftsanspruch monumental vergegenwärtigende Funktion zu. Elemente sowohl der omridischen Herrschaftsarchitektur (vor allem in Samaria, Jezreel und Megiddo, dazu: Finkelstein 2000; 2013: 83ff.), als auch der judäischen (vor allem der Palast in Lachish und die Residenz in Ramat Raḥel) sind die monumentale Bauweise mit Ashlar-Blöcken, die Anlage von Bauten auf natürlichen Anhöhen (wie in Samaria, Jezreel und Ramat Raḥel) oder auf Substruktionen und Podesten, die eine vertikale Abstandsbetonung kreieren sowie die Umwallung der Palastanlagen innerhalb der Stadt, die eine horizontale Abstandsbetonung herstellt und unkontrollierten Zugang zum Bereich der Elite verhindert (Samaria, Megiddo Palast 1723, Palast-Fort in Lachish). Die geometrisch sorgfältig kalkulierte Konstruktion administrativer Anlagen mit einem Seitenverhältnis von 1:1 (Megiddo Palast 1723) oder 1:2 (Palastareal in Samaria, Jezreel, Lachish Palast-Fort) kann als Symbol der vom König repräsentierten Ordnung gedeutet werden (Schmitt 2009).

296

WSS 400 (Umzeichnung des Verfassers), 401 (Umzeichnung Sass 1993: 145). Vgl. KAI 181: 14. 298 KAI 181: 3; 10: 6ff. (Jehawmilk von Byblos); 14: 15ff. (ʾEšmunʿazar von Sidon); 15 (Bodʿaštart von Sidon). 299 U.a. RIMA 2: A.0.101.52; 56; 57 (Assurnasirpal II.); RIMA 3: A.0.102.41–59 (Salmanasser III.), A.0.104. 14 (Adad-Nerari III.); RINAP 5/1: Q0031704, Q00705 (Ashurbanipal 005/6); Schaudig 2001: 375ff. (Nabonid); SAHG B 26 (Nabopolassar); B 27 (Nebukadnezzar). 300 U.a. 2 Sam 5,9; 1 Kön 7,1–12; 9,15ff.; 11,27; 15,17.21; 2 Kön 14,22; 20,20. KAI 26: I 13ff. (Azitawadda von Karatepe); 181: 21ff. (Meša von Moab). 297

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Abb. 3.116: Elfenbeinarbeit aus Samaria mit König, den Feind schlagend

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Abb. 3.117a–b: Bullen aus dem Kunsthandel mit dem Motiv des Königs, den Feind vor sich hertreibend

3.6.3.2.3 Die Sicherung der Prosperität Die Sicherung der natürlichen Prosperität wird insbesondere in 2 Sam 23,3–4 und Psalm 72 thematisiert (Schmitt 2004b; Hamilton 2018: 181ff.; Salo 2019: 205ff.). Hier – wie beim Motiv des Königs als Sieger – greifen kosmische und lebensweltliche Aspekte, wie der wirtschaftliche Wohlstand, ineinander. Das relativ junge, post-dtr „Abschiedslied“ Davids in 2 Sam 23,2–7 verbindet in den Versen 3–4 die gerechte Herrschaft des Königs mit der natürlichen Prosperität des Landes, ein Aspekt, der auch in den westsemitischen Königsinschriften des 1. Jt. erscheint.301 Ps 72,6–7 verbindet die gerechte Herrschaft auf der kosmischen Ebene mit der „Fülle des Heils“ (šālōm) und gleicht das Walten des Königs mit der segensspendenden Kraft des Regens (V. 6: „Er ströme herab wie Regen auf die Felder …“), der die wirtschaftliche Prosperität des Landes sichert (V. 16: „Im Land wird Fülle an Korn sein“). Auf die segensreiche Heilsmittlerschaft des Königs rekurriert auch Ps 21,7. Entsprechend benutzen neuassyrische Texte hier die Metaphorik des reichen Ertrag bringenden Quellwassers für den König.302 Auch narrative Texte wie 1 Kön 4,20 rekurrieren auf die Prosperität des Landes – hier im Kontext der Stilisierung Salomos als paradigmatischem Herrscher. Der Aspekt der Fülle der Natur findet in der EZ II ikonographisch Ausdruck im Motiv der Palme, der Palmette und des Volutenkapitells als Symbole der Fruchtbarkeit. Das aus der Palmen- und Palmettensymbolik abgeleitete Volutenkapitell bzw. proto-äolisches Kapitell (Abb. 3.118),303 wie es zuerst in der Herrschaftsarchitektur des Nordreichs der EZ II B u.a. aus Samaria, Megiddo, Hazor und Dan bekannt ist (Lipschits 2011; vgl. Shiloh 1979), ist Bestandteil der israelitischen, judäischen, ammonitischen und moabitischen Herrschaftsarchitektur und kann als Repräsentation der vom König garantierten Fruchtbarkeit gedeutet werden (s. Schmitt 2001: 78ff.; 117ff.). Kapitelle dieses Typs (durchweg nicht in situ gefunden) sind architektonisch sehr wahrscheinlich primär in den Toren, Durchgängen und in der Dekoration von Pilastern zur Wandgliederung sowie in Balustraden von Palastbauten verbaut worden und kommunizieren den Prosperität garantierenden Aspekt der Herrschaft vor allem nach außen, d.h. an die Bevölkerung. Aus dem Palast in Samaria entstammt eine Elfenbeinarbeit der EZ II B aus Samaria mit einem Volutenkapitell von ca. 18 cm Höhe (Abb. 3.119)304 sowie Elfenbeineinlagen mit Palmetten und Palmettenbäumen in unterschiedlichen Stilisierungen (Abb. 3.120).305 Die Miniaturisierungen der monumentalen Kapitelle und das verwandte Motiv der Palmette auf Möbeln und Gebrauchsgegenständen kommunizieren den monumental realisierten Herrschaftsanspruch und das Königtum als Quelle von Fruchtbarkeit und Fülle somit auch im inneren Bereich des Palastes en miniature. Das Volutenkapitell erscheint auch auf zwei Siegeln von Königssöhnen aus dem Kunsthandel (Abb. 3.121a–b),306 was eine Entlehnung des Motivs aus der Palastarchitektur als Repräsentation der lebensfördernden Kräfte des Königs nahelegt. Obwohl das Motiv auch auf einigen Privatsiegeln aus dem Handel 301

KAI 26 I: 3ff. (Azitawadda von Karatepe); 215: 9–10 (Barrakib von Samaʿal über die Herrschaft seines Vaters Panammu). 302 So z.B. SAHG B 24 über Sargon II. 303 Abb. nach Shiloh 1979: Fig. 13. 304 Crowfoot und Crowfoot 1938: Pl. XXII 1,1a. 305 Crowfoot und Crowfoot 1938: Fig. 9. 306 WSS 17 (nryhw bn hmlk), 19 (pdyhw bn hmlk); Umzeichnungen: Schmitt 2001: 98, 99. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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belegt ist,307 legt die auffällige Häufung des Motivs auf unbeschrifteten Bullen aus Jerusalem308 doch einen offiziellen Kontext nahe. Ob das Volutenkapitell in Juda – und damit auch auf den Siegeln – ein assyrischer Re-Import ist (Lipschits 2011), ist unwahrscheinlich; eher ist hier aufgrund des relativ geringen zeitlichen Hiatus der Belege aus dem Nord- und Südreich mit einer Kontinuität zu rechnen, zumal das Motiv in der neuassyrischen Glyptik so nicht bekannt ist.

Abb. 3.118: Typen proto-äolischer Kapitelle aus Israel und Juda

Abb. 3.119: Elfenbeinarbeit mit Volutenkapitell aus Samaria

Abb. 3.120: Varianten des Palmettenmotivs aus Samaria

307 308

WSS 24 (Volutenkapitell), 576, 589 (Volutenkapitell auf Säule). CSAP V: 272, 278 sowie in der Variante mit nach innen gerollter Volute 273–277. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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Abb. 3.121a–b: Offizielle Siegelungen mit Volutenkapitell, Kunsthandel

3.6.3.3 Königsrituale Königsrituale umfassen rituelle Handlungen, die die Legitimierung des Königs zum einen etablieren, wie die Krönungsrituale, regulär vom König vollzogene Rituale, die Legitimität erhalten und erneuern, spezielle Rituale im Kontext des Krieges und Rituale in Kontexten, in denen die Autorität des Königs prekär geworden ist und einer Bestätigung bzw. Re-Etablierung bedurfte. Die entsprechenden Überlieferungen im DtrG sind selbst keine Ritualtexte oder historische Protokolle von Ritualen, sondern literarische Konzeptualisierungen mit einer je eigenen Agenda. Zumindest für den Jehu-Putsch liegt eine verhältnismäßig zeitnahe Quelle aus dem Nordreich vor, deren deuteronomistische Bestandteile gering und leicht abzuheben sind (Robker 2012), wohingegen die David-Überlieferungen mehrere Stadien umfangreicher prä- bis postdeuteronomistischer Bearbeitungen unterworfen war. Die literarischen Konzeptualisierungen von Ritualen im DtrG und seinen Quellen sind jedoch aufgrund vergleichbarer Schilderungen von Ritualen in der neuassyrischen Historiographie und Ritualüberlieferung (s. Karner 2006; Bahrani 2008; Ristvet 2015) grundsätzlich plausibel und können als prototypisch in ihren jeweiligen politischen Kontexten gelten. Das wichtigste Ritual im Kontext der Legitimierung des Herrschers ist das der Krönung, seiner Struktur nach ein statusverändernder rite de passage: Aus den verstreuten Belegen insbesondere in den Samuel- und Königsbüchern sowie in den Königspalmen lassen sich wesentliche Bestandteile des judäischen Krönungsrituals rekonstruieren (vgl. Levin 2017), auch wenn die Abfolge einzelner Elemente nicht immer klar ist. Unabhängig davon, auf welche Weise die Designation eines Königs erfolgte (dynastisch durch den Vorgänger oder andere Vertreter des Königshauses oder mit diesem verbundene Interessengruppen oder durch andere Machtzentren, wie dem Militär im Falle von Usurpationen), waren unterschiedliche Legitimationsstrategien erforderlich: Bei der dynastischen Thronfolge ist eine vorherige Designation durch den regierenden König vorauszusetzen,309 bei irregulärer Thronfolge oder einer Usurpation, wie im Falle Jehus in 2 Kön 9, eine Legitimierung durch einen Propheten. Die Designation und die damit verbundene Statusveränderung kann durch performative Akte, wie das Reiten auf dem königlichen Reittier, kommuniziert werden.310 Das zentrale, die Herrschaft konstituierende performative Element scheint hierbei die Salbung gewesen zu sein, die in der Regel durch einen religiösen Funktionär, einen Priester bzw. Propheten, vorgenommen worden ist.311 Es folgte ein „Königslärm“ (Hornsignal oder Händeklatschen)312 sowie der Proklamationsruf (yĕhi hammelek „Es lebe der König!“ oder mālak NN „NN ist König geworden!“).313 Weitere Elemente, die nicht sicher im Ablauf verortet werden können, ist die Übergabe der Herrschaftsinsignien, wie dem Diadem, als sichtbare Kennzeichen sowohl der Statusveränderung als auch des Herrschaftsanspruches314 und das Niedersetzen auf dem Thron.315 Die Bestätigung der Designation durch Orakel in 1 Sam 10,17ff. und die Übergabe eines Königsgesetzes wie in 2 Kön 11,12 scheint deuteronomistische Zutat zu sein.316 Neben den Krönungsritualen sind periodisch, wohl zu Beginn des Jahreszyklus zu verortende, Bestätigungsrituale anzunehmen, wie sie die Grundbestände von Ps 18 und 21 reflektieren (Salo 2017: 333). 309

1 Kön 1,28–37. 1 Kön 1,33.38.44. 311 1 Sam 10,1; 6,12; 1 Kön 1,39f.; 2 Kön 9,12; 11,12. In 2 Sam 5,3 durch die Ältesten, was fiktiv sein dürfte. 312 1 Kön 1,39; 2 Kön 11,12; 2 Kön 9,12. 313 1 Sam 10,24;1 Kön 1,34; 2 Kön 9,13; 11,12. 314 2 Kön 11,12; Ps 21,4 (vgl. 2 Sam 12,30). 315 1 Kön 1,46; 2 Kön 11,19. 316 Vgl. 1 Sam 10,25. 310

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Der König partizipiert – wie in Ägypten und Mesopotamien in Schrift- und Bildquellen breit belegt – entweder als Auftraggeber oder als Ritualaktant in mantischen Ritualen und Feindvernichtungsritualen, wie bei den bereits genannten Ritualen in 1 Kön 22,10–12 und 2 Kön 13,14–19. Während das rituelle Setting des Rituals in 2 Kön 13 unklar bleibt, wird dieses in 1 Kön 22 recht detailliert beschrieben: Die Könige Israels und Juda haben in Waffen auf Thronen auf der Tenne vor dem Eingang des Tores von Samaria Platz genommen. Die Inszenierung am Tor stellt somit Öffentlichkeit her und vermittelt das Anliegen als Angelegenheit der communitas aus König, Armee und Bevölkerung. Die Könige selbst kommunizieren militärische Potenz durch ihre Präsentation in Waffen. Der Prophet Zidkija vollzieht mit den eisernen Hörnern einen performativen Akt, der durch das prophetische Wort den Sieg zusichert und die Vernichtung des Feindes durch den Analogiezauber der eisernen Hörner symbolisch realisiert. Der König als Ritualaktant erscheint ferner bei Ritualen bzw. deren literarischen Repräsentationen im Kontext der Beilegung von innen- und außenpolitischen Konflikten (Schmitt 2000; 2015): In 1 Kön 20,30b–34 unterwirft sich Benhadad nach verlorener Schlacht mit einer rituellen Selbsterniedrigung dem Ahab, der nach der rituellen Bestätigung des Ranges Benhadads mit diesem einen Vertrag schließt. In der Auseinandersetzung um die Thronfolge vollzieht David in 2 Sam 3,33–38 das Trauerritual für Abner, distanziert sich damit von seinen Mördern und erfährt die Zustimmung der Israeliten. Im Zusammenhang von Absaloms Usurpationsversuch werden in 2 Sam 18,1–5 und 2 Sam 19,6–9 Konflikte zwischen David und seinen Heerführern geschildert, welche jeweils durch öffentlich vollzogene rituelle Akte der Amtsdelegation und des gegenseitigen Loyalitätserweises aufgehoben werden, wodurch die Gemeinschaft (Turner 1969: communitas) zwischen Oberbefehlshaber und Truppen bestätigt und bekräftigt wird. Die rituelle Amtsdelegation reflektiert eine Bulle in assyrisierendem Stil mit der Legende śr hyr (‚Stadtkommandant‘): Die Darstellung (Abb. 3.122)317 zeigt den König beim Überreichen von Pfeil und Bogen als Machtsymbol an den in der Legende genannten Würdenträger. In der Erzählung über den Jehu-Putsch in 2 Kön 9,30–37 verlangt der Usurpator Jehu die Tötung der Königinmutter Isebel als Loyalitätsbeweis. Nach der Tötung Isebels hält Jehu ein rituelles Mahl (wohl im Tor der Residenz als Ort der Öffentlichkeit schlechthin), das seinen Herrschaftsanspruch bestätigen soll, während die Königinmutter tot im Graben liegt und – wie in 9,10 prophezeit – von den Hunden gefressen wird. Ebenfalls im Kontext des Jehu-Putsches berichtet 2 Kön 10,1–11 einen Auftritt des Usurpators im Tor vor dem Volk unter Präsentation der abgeschlagenen Köpfe der siebzig Söhne des Königs, wobei Jehu das Volk von der entstandenen Blutschuld für den Tod Jorams, Isebels und der Söhne Jorams freispricht und auf sich nimmt und auf die Prophezeiung vom Ende des Hauses Ahab und den göttlichen Befehl zur Ausrottung der Dynastie verweist (10,10). Im Hinblick auf die Erfüllung von Omina und die Präsentation der abgeschlagenen Köpfe hat die Schilderung des Jehu-Putsches eine nahe Parallele im Niniveh Prisma B Assurbanipals,318 wo der Kopf des Elamerkönigs Teumman im Tor von Niniveh (im Relief-Zyklus über die Schlacht am Ulai in Arbela) ausgestellt und der Sieg der Assyrer als Erfüllung von vorher ergangenen Prophezeiungen dargestellt wird (siehe Bahrani 2008: 23ff.). Eine ikonographische Entsprechung zu Jehus Festmahl bietet das bekannte Relief mit dem Festmahl Assurbanipals unter dem in einem Baum hängenden Kopf Teummans.319 Auch die Erzählung vom Sturz der Königinmutter Atalja und der Einsetzung des judäischen Königs Joasch in 1 Kön 11,1–20 enthält eine Reihe ritueller Akte zum gegenseitigen Loyalitätserweis (und – sekundär in 11,17–20 – mit dem Bundesschluss einen Loyalitätserweis gegenüber Jahwe). Anzuschließen ist auch die Erzählung von der Aussöhnung mit den Gibeonitern in 2 Sam 21,1–14, wo David den Einwohnern Gibeons durch die Auslieferung der Nachkommen Sauls die Begleichung der Blutschuld ermöglicht. Die in den narrativen Texten geschilderten Rituale der Amtsdelegation, des Loyalitätserweises, der Orakeleinholung und der Demonstration herrschaftlicher Hoheit und Statusveränderung stehen jeweils im Kontext von Kriegszügen und Gefährdungen der königlichen Herrschaft. Die rituelle Inszenierung von Herrschaft scheint den Textbefunden nach insbesondere in solchen Situationen durchgeführt worden zu sein, die als besonders prekär für den Erhalt oder die Etablierung von Herrschaft (vor allen Dingen in Fällen der Neuverhandlung von Herrschaftsverhältnissen) bzw. von existentieller Bedeutung für den Staat

317

WSS 402 aus dem Kunsthandel (Umzeichnung GGG 346). Eine ähnliche, fragmentarische Bulle wurde in Jerusalem gefunden (CSAJ V: Jerusalem 385). 318 RINAP 5/1: Q003702 (Ashurbanipal 003), vi 57. 319 ANEP 451 (BM 124920). © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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waren. Auch wenn es sich bei den genannten Texten nicht um historische Einzelereignisse handelt, reflektieren die literarischen Konzeptualisierungen von rituellen Inszenierungen die Notwendigkeiten der göttlichen Legitimation des Herrschers in der Öffentlichkeit und der Herstellung von communitas zwischen dem König, dem Heer und der Bevölkerung in krisenhaften Situationen. Königsrituale in Israel und Juda sind nicht nur in ihrer literarischen Stilisierung, sondern – wie vor allem die entsprechenden neuassyrischen Überlieferungen zeigen – auch in ihrem realen Vollzug nicht nur Mittel von Politik, sondern selbst Politik (Ristvet 2015: 2).

Abb. 3.122: Siegelabdruck mit Darstellung der Amtsdelegation

3.6.4 Die sogenannte „assyrische Krise“ der offiziellen judäischen Religion und die sogenannten Kultreformen Hiskijas und Josijas R. Albertz 1992: Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit, GAT 8,1–2, Göttingen, 292–297; E. BlochSmith 2014: Questions about Monotheism in Ancient Israel: Between Archaeology and Text, in: JISMOR 9, 20–28; M. Cogan 1993: Judah under Assyrian Hegemony: A Re-Examination of Imperialism and Religion, in: JBL 112, 403– 414; H. Donner 1987: Geschichte des Volkes Israel und seiner Nachbarn in Grundzügen 2, GAT 4,2, Göttingen; C. Frevel 2016: Geschichte Israels, Studienbücher Theologie 2, Stuttgart, 240–241; A. Faust 2019: The Southern Levant under the Neo-Assyrian Empire: A Comparative Perspective, in: C. W. Tyson und V. R. Herrmann (Hrsg.), Imperial Peripheries in the Neo-Assyrian Period, Louisville, 97–127; L. E. Fried 2002: The High Places (Bāmōt) and the Reforms of Hezekiah and Josiah: An Archaeological Investigation, in: JAOS 122, 437–465; S. Herbordt 1992: Neuassyrische Glyptik des 8.–7. Jh. v. Chr., SAA 1, Helsinki; O. Keel 1994: Studien zu den Stempelsiegeln aus Palästina/Israel Band IV, OBO 134, Fribourg/Göttingen; N. Na’aman 2002: The Abandonment of Cult Places in the Kingdoms of Israel and Judah as Acts of Cult Reform, in: UF 34, 585–602; H. Niehr 1995: Die Reform des Joschija: Methodische, historische und religionsgeschichtliche Aspekte, in: W. Gross (Hrsg.), Jeremia und die „deuteronomistische Bewegung“, BBB 98, Weinheim, 33–55; T. Ornan 1992: The Mesopotamian Influence on West Semitic Inscribed Seals: A Preference for the Depiction of Mortals, in: B. Sass und C. Uehlinger (Hrsg.), Studies in the Iconography of Northwest Semitic Inscribed Seals, OBO 125, Fribourg/Göttingen, 52–73; M. Pietsch 2013: Die Kultreform Josias: Studien zur Religionsgeschichte Israels in der späten Königszeit, FAT 86, Tübingen; H. P. Schaudig, Die Inschriften Nabonids von Babylon und Kyros‘ des Großen samt den in ihrem Umfeld entstandenen Tendenzschriften: Textausgabe und Grammatik, AOAT 256, Münster; H. Spieckermann 1982: Juda unter Assur in der Sargonidenzeit, FRLANT 129, Göttingen; G. Theuer 2000: Der Mondgott in den Religionen Syrien-Palästinas: Unter besonderer Berücksichtigung von KTU 1.24, OBO 173, Fribourg/Göttingen, 429–540; C. Uehlinger 2005: Was there a Cult Reform under King Josiah? The Case for a Well-Grounded Minimum, in: L. L. Grabbe (Hrsg.), Good Kings/Bad Kings: The Kingdom of Judah in the Seventh Century, European Seminar in Historical Methodology, Library of Hebrew Bible/Old Testament Studies 393; London/New York, 269–370.

3.6.4.1 Die sogenannte „assyrische Krise“ der judäischen Religion Einen Einfluss Assyriens insbesondere auf die judäische Religion hat die Forschung sowohl aufgrund der Nachrichten über vermeintlich „fremde“ Kultobjekte und Götter im DtrG als auch aufgrund von polemischen Aussagen in der prophetischen Literatur konstatiert: In 2 Kön 16,10–18 lässt König Ahas einen Altar nach einem Modell errichten, das er in Damaskus gesehen hat. 2 Kön 23,5 und Dtn 4,19 erwähnen neben Baʿal (dieser nur in 2 Kön), dem Sonnengott Šamaš und dem Mondgott Yariḥ, das „Heer des Himmels“ (ṣĕbāʾ haššamāyim), die Konstellationen (mazzalôt) bzw. die Sterne (kôkābîm – Dtn 4). Jer 7,18 und 44,17–19.25 nennen die Königin des Himmels (malkat haššamāyim) und 2 Kön 23,11 spricht von den Pferden des Sonnengottes im Jerusalemer Tempel. Zahlreiche Forscher haben daher eine „assyrische Krise“ der judäischen Religion in der späten EZ II B und der EZ II C konstatiert. Nach Spieckermann (1982: 371ff.) gab es zwar einen gewissen assyrischen Druck zur Übernahme von Elementen des assyrischen

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Kapitel 3

Staatskults in der offiziellen Religion Judas, der wesentliche Einfluss aber bestehe aus einem religionspolitischen Kompromiss innerhalb der offiziellen judäischen Religion, der einerseits den Ansprüchen des Oberherrn und andererseits den Ansprüchen der Jahwe-Monolatrie genügen sollte. Einen über die Ebene der offiziellen Religion hinausgehenden assyrischen Einfluss sehen u.a. Albertz (1992: 188f.), Stolz (1995: 138f.) und Faust (2019: 117ff.), wobei der religionspolitische Druck der Assyrer nicht nur zu einem offiziellen Synkretismus führte, sondern auch zu einer Adaption assyrischer ritueller Praxis, insbesondere der Divination und der Verehrung von Astralgottheiten, innerhalb der familiären Religion. Die These eines direkten assyrischen Drucks bzw. einer aktiven Religionspolitik der Assyrer wird in der neueren Diskussion jedoch zumeist skeptisch beurteilt: Nach Cogan (1993) war Juda als assyrischer Vasallenstaat nie einem unmittelbaren religiösen Druck ausgeliefert – eher handele es sich hier um Assimilationsprozesse innerhalb einer kosmopolitischen Atmosphäre. Aramäischen Einfluss haben Keel und Uehlinger (GGG §§ 168ff.; Keel 2007: §§ 569ff.) sowohl in der Erzählung über den Altarbau des Ahas nach damaszener Vorbild in 2 Kön 16,10–18 sowie aufgrund einiger Siegel mit der Darstellung des Mondgottes von Harran (Abb. 3.35a–c) geltend gemacht. Als Vermittlungsinstanz werden die nach dem Fall von Samaria 722/720 im ehemaligen Territorium des Nordstaates angesiedelten aramäischen Gruppen geltend gemacht. Theuer (2000: 328) vermutet eine Verbreitung des Kults des Mondgottes von Harran durch die Assyrer bzw. durch aramäische Kontingente in der assyrischen Armee. Die aus Palästina bekannten Siegel mit der anthropomorphen Darstellung von Astralgöttern (insbesondere der Ištar) sowie mit Astralsymbolen, insbesondere diejenigen mit dem Symbol des Sin von Harran, der einfachen Mondsichel, dem Ištar-Stern oder mit Konstellationen (Abb. 3.34–3.36) sind für das assyrische Kernland typisch (vgl. Herbordt 1992: T. 10–12, 14 u.ö.) und daher wohl sämtlich als Importe anzusprechen. Es ist davon auszugehen, dass die durch die Expansion des neuassyrischen Reiches eröffneten Handelsmöglichkeiten vermehrt zum Import assyrischer Siegel beigetragen haben. Dem Angebot auf dem Markt entsprach offenbar auch eine entsprechende Nachfrage. Die Sichtbarkeit der Astralgötter und ihre Plausibilität scheint – einhergehend mit dem offenkundigen militärischen Erfolg der Assyrer – zu einer Rezeption der assyrischen Astralgötter beigetragen zu haben. Dieser eher allgemeine kulturelle Einfluss ist primär im Bereich der persönlichen bzw. familiären Frömmigkeit greifbar und konkurriert hier offenbar in keiner Weise mit Jahwe als Gott der Familie, zumal bei den Personennamen keinesfalls eine Zunahme von Astralgöttern beobachtet werden kann. Die importierten Siegel reflektieren aber keinesfalls eine aktive assyrische Religionspolitik oder gar eine religiöse Propaganda, zumal entsprechende Funde aus der Hauptstadt Jerusalem eher selten sind.320 Im Bereich der offiziellen Religion ist ein assyrischer Einfluss archäologisch nur schwer greifbar: Zwar gibt es im offiziellen Symbolsystem eine Anpassung an assyrische Darstellungskonventionen, u.a. die Adaption des Flügelsonnensymbols in einer assyrisierenden Form (s. Schmitt 2017: 165ff.), aber eine Adaption assyrischer Kultelemente ist in der materiellen Kultur nicht greifbar. Die biblischen Zeugnisse zur „assyrischen Krise“ (2 Kön 16,10–18; 23,5; Dtn 4,19; Jer 7,18; 44,17–19.25 und 2 Kön 23) sind zudem ambivalent: Die Texte erwähnen keine eindeutig assyrische Gottheit, die Liste in 2 Kön 23,5 nennt vielmehr den Wettergott Baʿal, Yariḥ als die lokale Erscheinungsform des Mondgottes und den Sonnengott Šamaš, in dieser Reihung wohl auch die lokale Manifestation und nicht sein assyrisches Pendant. Die Nennung des Himmelsheeres dürfte sich auf Jahwes Hofstaat beziehen und die malkat haššamāyim auf Ašerah als Paredra Jahwes und nicht auf Ištar. Damit bleiben nur noch die Konstellationen in 2 Kön 23,5 bzw. die Sterne in Dtn 4,19 als mögliches assyrisches Kultelement, wobei die deuteronomistische Literatur aus der Rückschau berichtet und die Liste der unerwünschten Kulte um die Sternbilder bzw. Sterne komplettiert haben könnte. Diese dürften aber auch bereits vor-assyrisch kultisch verehrt worden sein, da sich vor allem Sternsymbole schon in der lokalen Glyptik der frühen Eisenzeit finden und die Verehrung von lokalen Gestirngottheiten, vor allem von Šaḥar und Šalim, aufgrund des Befundes der theophoren Namen gut belegt ist. Zudem ist Šalim der alte Stadtgott von Jerusalem, dessen Verehrung bis in die EZ II persistiert haben dürfte.321 Da vor allem die wichtigen Götter der offiziellen assyrischen Religion, Assur, Ištar, Marduk/Bel, Nabu, Sin etc. fehlen, kann aufgrund der biblischen Textbefunde kaum von einer Assyrisierung des offiziellen judäischen Kults gesprochen werden. Es gibt auch weder textlich noch archäologisch einen evident zu machenden Einfluss assyrischer Divinationspraktiken. Die assyrische Vorzeichenwissen320 321

CSAP V: 100, 382–384, 386, 387, 388 (ausschließlich Abdrücke). Siehe oben unter 3.2.2.7. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Israelitisch-judäische Religion

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schaft, insbesondere die Leberschau, setzt einen Wissenspool voraus, der in Juda nicht verfügbar war. Methodisch ist die Rede von einer assyrischen (oder aramäischen) „Krise“ zudem problematisch, da sie eine negative Wertung von „Synkretismus“ voraussetzt, die einem theologischen Vorurteil geschuldet ist, dass sich die deuteronomistischen Polemiken zu eigen macht. 3.6.4.2 Die sogenannte Kultreform des Hiskija Die in 2 Kön 18,3–6 (und 18,22) geschilderte „Kultreform“ des Hiskija, die über die Abschaffung der Kulthöhen (bāmôt), die Zerstörung von Mazzeben und die Entfernung des Ascherah-Kultpfahles sowie des auf Mose zurückgeführten, nĕḥuštan genannten Kultobjekts („eherne Schlange“) berichtet, wird in der neueren Forschung überwiegend als historisch zweifelhaft betrachtet (u.a. Grabbe 2007: 195ff.), zumal diese als Erfüllung von spätdeuteronomistischen Verdikten (Dtn 7,5; 12,2f.) erscheint. Lediglich die konkret wirkende Entfernung des Schlangenbildes wird zum historischen Kern einer solchen „Reform“ gerechnet (Schmitt 2004: 195; Keel 2007: § 494; Frevel 2016: 253), wobei die Motivation für diese Aktion letztlich im Dunkeln bleibt, zumal aufgrund dessen „mosaischen“ Ursprungs. Während Na’aman (2002) nur die religiöse Motivation einer solchen Reform bestreitet und politisch-administrative Gründe zur Zentralisierung königlicher Machtausübung geltend macht, sehen andere eine Angleichung Hiskijas an Josija und bestreiten vor allem aufgrund des Fehlens bzw. der Ambiguität archäologischer Hinweise auf eine solche „Kultreinigung“ jegliche historische Grundlage einer „Hiskijanischen Reform“ (Fried 2002). Sehr wahrscheinlich hat die positive Einschätzung Hiskijas durch das DtrG aufgrund seiner antiassyrischen Politik zum Aufbau des Königs als eine Art „Vorreformator“ im Hinblick auf Josija geführt. Möglicherweise haben auch Maßnahmen des Königs zur Reparatur und Instandhaltung des Tempels, zu denen auch die Entfernung – aus welchen Gründen auch immer – obsolet gewordener kultischer Paraphernalia gehören konnte, zu einer Neuinterpretation in deuteronomistischem Sinne geführt. In den Inschriften der neuassyrischen Könige ist die Renovierung von Tempeln (oft als Neuaufbau stilisiert) ein wichtiger Topos.322 Daher kann in diesem Fall ebenso an eine Übernahme eines solchen königstheologischen Topos gedacht werden, der den Verfassern des DtrG in ihren Quellen vorgelegen hat und von diesen neu interpretiert worden ist. 3.6.4.3 Die sogenannte Kultreform des Josija Nach dem Zeugnis von 2 Kön 23 hat König Josija als Reaktion auf die wunderbare Auffindung eines alten Gesetzesbuches im Tempel, das entweder mit dem „Urdeuteronomium“ oder dem Bundesbuch identifiziert wird, ein Bündel von tiefgreifenden religionspolitischen Maßnahmen in Gang gesetzt, die auf die Reinigung des Jerusalemer Kultes von der Verehrung anderer Gottheiten (indigener und fremder) zur alleinigen Verehrung Jahwes und auf die Zentralisation des staatlichen Kultes auf das Hauptheiligtum in Jerusalem hinzielten. Die im DtrG geschilderten Maßnahmen umfassen in Jerusalem selbst die Entfernung von Kultsymbolen und Kultobjekten von Jahwes Paredra Ašerah, des Baʿal und des Sonnengottes Šamaš aus dem Tempel, die Zerstörung des von Ahas errichteten Altars sowie die Beseitigung von Kultstätten und Kultinstallationen des Mondgottes Yariḥ und der Gestirngottheiten außerhalb des Tempels sowie des als Tophet benannten Heiligtums des Moloch. Die ebenfalls erwähnte Zerstörung des Tempels in Beth-El dürfte – wie oben dargelegt – nicht historisch sein, da dieser sehr wahrscheinlich schon seit rund 100 Jahren nicht mehr existiert haben dürfte. Die Historizität und der tatsächliche Umfang dieser Maßnahmen sind in der neueren Forschung nach wie vor umstritten: Eine nach wie vor große (dabei sehr heterogene Gruppe) hält an einer weitgehenden „Kultreinigung“ durch Josija fest und sieht in den Maßnahmen entweder die Eliminierung assyrischer Kulteinflüsse im Rahmen einer Opposition gegen eine imperiale Leitkultur (u.a. Spieckermann 1982; Lowry 1991; Grabbe 2007: 212; Keel 2007: § 689; Bloch-Smith 2014) oder das Ergebnis einer längerfristigen Selbstdifferenzierung der Jahwereligion durch die Ausscheidung von theologisch als problematisch empfunden Elementen der kultischen Repräsentation Jahwes, z.B. in Gestalt von Kultpfählen (Ascheren) und Mazzeben (Pietsch 2013 unter starker Betonung des prophetischen Einflusses) oder beides in Verbindung mit einer sozialen, nationalen und religiösen Erneuerungsbewegung (Albertz 1992: 307ff.). Zahlreiche neuere Arbeiten gehen von der Annahme eines „begründeten Minimums“ aus (u.a. Uehlinger 2007; Berlejung 2010; Frevel 2016: 267ff.), die die Kultzentralisation, einen bildlosen Kult und die Durchsetzung einer monolatrischen Jahwe-Verehrung umfasst habe. In der Minderzahl sind Forscher, die die Historizität 322

Siehe Anm. 299 in diesem Kapitel. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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Kapitel 3

einer religiösen „Reform“ durch Josija generell bestreiten und historisch auf administrative Maßnahmen reduzieren (Niehr 1995). Problematisch bleibt selbst an der Theorie des „begründeten Minimums“, dass a.) der offizielle Tempel in Arad mit einer Mazzebe als Repräsentation Jahwes sehr wahrscheinlich bis zum Ende der Königszeit in Betrieb war, b.) eine unzweideutige archäologische Evidenz für eine Zerstörung „nichtjahwistischer“ Kultobjekte nicht glaubhaft gemacht werden kann (Fried 2002), da z.B. die typischen JPFs und andere Terrakottentypen noch in der EZ III bzw. in der frühen persischen Zeit in Jerusalem in Gebrauch waren (de Hulster 2017). Die oft vorgenommene Verbindung des Phänomens der Zunahme reiner Schriftsiegel in der späten Königszeit mit der Durchsetzung eines anikonischen Kultes ist aufgrund der Persistenz von Bildsiegeln wenig wahrscheinlich und zudem auch in Ammon, Moab und Edom zu beobachten. Eher ist die Zunahme reiner Schriftsiegel durch die Zunahme von Literazität zu erklären. Damit ist der Schluss naheliegend, dass die Josijanische Kultreform nicht viel mehr als ein deuteronomistisches Konstrukt der nachexilischen Zeit ist, das eine nachexilische Gestalt des Kultes zu legitimieren sucht und gleichzeitig den Faden einer Kontinuität bis in die späte Königszeit knüpft. Wenn es einen historischen Anknüpfungspunkt für die Autoren des DtrG gibt, dann waren dies wohl – wie auch im Falle der Hiskijanischen „Reform“ zu vermuten – Maßnahmen des Königs im Kontext der Kultrenovierung, wie sie auch aus zahlreichen neuassyrischen und neubabylonischen Texten, insbesondere denen Nabonids, bekannt sind, inklusive der Auffindung „alter“ Schriften, die bestimmte Maßnahmen legitimieren sollten.323 Da auch in diesen Texten von der Restauration einer „rechten“ Kultordnung die Rede ist, könnte eine solche Restaurationsrhetorik den postexilischen Autoren als Vorbild gedient haben. Die Annahme, es habe innerhalb der vorexilischen offiziellen Religion religionspolitische Programme oder Diskurse mit dem Ziel, eine Alleinverehrung Jahwes durchzusetzen gegeben, die in irgendeiner Form eine „Reinigung“ des Kultus beinhaltet hätten, ist aus religionsgeschichtlicher Perspektive wenig wahrscheinlich. Es ist offensichtlich, dass sich die Forschung hier die deuteronomistische Ideologie zu Eigen gemacht hat.

323

So z.B. im En-nigaldi-Nanna-Zylinder Nabonids: Schaudig 2001: 375ff. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Kapitel 4 Die Religion der Philister R. Albertz und R. Schmitt 2012: Family and Household Religion in Ancient Israel and the Levant, Winona Lake, 193– 207; D. Ben-Shlomo 2010: Philistine Iconography: A Wealth of Style and Symbolism, OBO 241, Fribourg/Göttingen; D. Ben-Shlomo 2019: Philistine Cult and Religion According to Archaeological Evidence, in: Religions 10, 74, doi:10.3390/rel10020074, www.mdpi.com/journal/religions; A. Berlejung 2017: Dimensionen der Herrschaftslegitimität: Ikonographische Aspekte königlicher Selbstdarstellung in den Kulturen der südlichen Levante der Eisenzeit anhand der Bildwerke von Baluʿa, Yarih-ʿezer und Askalon, in: C. Levin und R. Müller (Hrsg.), Herrschaftslegitimation in vorderorientalischen Reichen der Eisenzeit, ORA 21, Tübingen, 147–187; J. F. Brug, 1985: A Literary and Archaeological Study of the Philistines, BAR International Series 265, Oxford; A. Dagan, M. Enuikhina und A. Maeir 2018: Excavations in Area D of the Lower City: Philistine Cultic Remains and other Finds, in: NEA 81, 28–33; M. Dothan, 1971: Ashdod II/III: The Second and Third Season of Excavations, ‘ATIQOT IX/X, Jerusalem; M. Dothan 1993: Art. Ashdod, in: NEAEHL I, 93–102; M. Dothan und D. Ben-Shlomo 2005: Ashdod VI: The Excavations of Areas H and K (1968–1969), IAA Reports 24, Jerusalem; M. Dothan und T. Dothan 1992: People of the Sea: The Search for the Philistines, New York; M. Dothan und D. N. Freedman 1967: Ashdod I: The First Season of Excavations, ‘ATIQOT VII, Jerusalem; M. Dothan und D. N. Freedman 1982: Ashdod IV: The Fourth Season of Excavations, ‘ATIQOT XV, Jerusalem; M. Dothan und D. N. Freedman 1993: Ashdod V: The Fourth–Sixth Seasons of Excavations 1968–1970,‘ATIQOT XIII, Jerusalem; T. Dothan 1979: Excavation at the Cemetery of Deir el-Balah, QEDEM 10, Jerusalem; T. Dothan 1982: The Philistines and their Material Culture, New Haven; T. Dothan 1990: Ekron of the Philistines Part I, in: BAR 16/1, 26–36; T. Dothan 2003: The Aegean and the Orient: Cultic Interactions, in: W. G. Dever and S. Gitin (Hrsg.), Symbiosis, Symbolism, and the Power of the Past: Canaan, Ancient Israel, and their Neighbours, Winona Lake, 189–211; T. Dothan und S. Gitin 1993: Art. Tel Miqne (Ekron), in: NEAEHL III, 1051– 1059; T. Dothan und B. Brandl 2010: Der el-Balaḥ: Excavations in 1977–1982 in the Cemetery and Settlement, Volume II: The Finds, QEDEM 50, Jerusalem; T. Dothan, Y. Garfinkel, S. Gitin 2016: Tel Miqne-Ekron Excavations, 1985–1988, 1990, 1992–1995: Field IV Lower: The Elite Zone, Part 1: The Iron Age I Early Philistine City, Winona Lake; C. S. Ehrlich 1996: The Philistines in Transition: A History from ca. 1000–730 BCE, SHCANE 10, Leiden/New York/Köln; C. S. Ehrlich 2006/2007: Philistine Religion: Text and Archaeology, in: T. P. Harrison (Hrsg.), Special Issue: Cyprus, the Sea Peoples and the Eastern Mediterranean: Regional Perspectives of Continuity and Change, Scripta Mediterranea 27–28, 33–52; D. Elkowicz 2012: Tempel und Kultplätze der Philister und der Völker des Ostjordanlandes: Eine Untersuchung zur Bau- und Kultgeschichte während der Eisenzeit I–II, AOAT 378, Münster; A. Faust 2019: The Inhabitants of Philistia: On the Identity of the Iron I Settlers in the Periphery of the Philistine Heartland, in: PEQ 151, 105–133; M. Feldmann u.a. 2019: Ancient DNA sheds light on the genetic origins of early Iron Age Philistines, in: Science Advances 03 Jul 2019: Vol. 5/7, DOI:10.1126/sciadv.aax0061; S. Gitin 2003: Israelite and Philistine Cult and the Archaeological Record in Iron Age II: The ‘Smoking Gun’ Phenomenon, in: S. Gitin und W. D. Dever (Hrsg.), Symbiosis, Symbolism and Power of the Past, Winona Lake, 279–295; S. Gitin und M. D. Cogan 1999: A New Type of Dedicatory Inscription from Ekron, in: IEJ 49, 193–202; J. F. Healey 1999: Art. ILIB, in: DDD, 447– 450; G. F. Hill 1914: Catalogue of Greek Coins of Palestine (Galilee, Samaria, and Judea), Rom; O. Keel 1994: Philistine “Anchor” Seals, in: IEJ 44, 21–35; R. Killebrew und G. Lehmann (Hrsg.) 2013: The Philistines and Other “Sea Peoples” in Text and Archaeology, SBL Archaeology and Biblical Studies Vol. 15, Atlanta; R. Kletter, I. Ziffer und W. Zwickel 2010: Yavneh I: The Excavation of the ‘Temple Hill’ Repository Pit and the Cult Stands, OBOSA 30, Fribourg/Göttingen; R. Kletter, I. Ziffer und W. Zwickel 2015: Yavneh II: The ‘Temple Hill’ Repository Pit, OBOSA 36, Fribourg/Göttingen; I. Koch 2018: Late Iron Age I Southwestern Canaanite Multi-Facet Stamp-Amulets: Innovative Imagery and Interpreted Egyptian Heritage, in: I. Shay u.a. (Hrsg.), Tell it in Gath: Studies in the History and Archaeology of Israel, Essays in Honor of Aren M. 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Ziffer 2009: Caphtor, the throne of his dwelling, Memphis, the land of his inheritance: The Pattern book of a Philistine offering stand from a shrine at Nahal Patish, in: UF 41, 544–580; E. Noort 1994: Die Seevölker in Palästina, Palaestina Antiqua 8, Kampen; E. D. Oren (Hrsg.), The Sea Peoples and their World, University Monograph Series 108, Philadelphia; E. D. Oren 1994: Art. Ruqeish, in: NEAHL IV, 1293–1294; M. D. Press 2012: Ashkelon IV: The Iron Age Figurines from Ashkelon and Philistia, Winona Lake; A. Raban 2008: An Egypto-Phoenician Stone Statue from the Sea, in: L. E. Stager, © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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Kapitel 4

J. D. Schloen und D. M. Master (Hrsg.), Ashkelon 1, Winona Lake, 581–586; B. U. Schipper 2005: Die Erzählung des Wen-Amun, OBO 209, Fribourg/Göttingen; R. Schmitt 1999: Philistäische Terrakottafigurinen, in: UF 31, 577–676; L. E. Stager 1991: Why were Hundreds of Dogs buried at Ashkelon?, in: BAR XVII/3, 26–42; L. E. Stager, J. D. Schloen und D. M. Master (Hrsg.) 2008: Ashkelon 1, Introduction and Overview (1985–2006), Winona Lake, 3–10; E. Stern: 1982: The Material Culture of Palestine in the Persian Period, Warminster/Jerusalem; E. Stern 2001: Archaeology of the Land of the Bible Vol. II, New Haven/London, 102–129, 407–421; C. Uehlinger 1990: Der Amun-Tempel Ramses III. in p3-knʿn, seine südpalästinischen Tempelgüter und der Übergang von der Ägypter- zur Philisterherrschaft: Ein Hinweis auf einige wenig beachtete Skarabäen, in: O. Keel, M. Shuval und C. Uehlinger (Hrsg.), Studien zu den Stempelsiegeln aus Palästina/Israel Bd. 2: Die Frühe Eisenzeit – Ein Workshop, OBO 100, Fribourg/Göttingen, 3–26; A. Yasur-Landau 2003: The Many Faces of Colonization: 12th Century Aegean Settlements in Cyprus and the Levant, in: Mediterranean Archaeology and Archaeometry 3/1, 45–54; D. Vieweger 2012: Die Kultausstattung „philistäischer“ Heiligtümer in Palästina, in: J. Kamlah (Hrsg.) Temple Building and Temple Cult: Architecture and Cultic Paraphernalia of Temples in the Levant (2.–1. Mill. B.C.E.), ADPV 41, Wiesbaden, 459–481.

4.1 Einleitung Die Philister, in den ägyptischen Quellen als Gentizilium pršt/plšt, im AT pĕlištîm, sind im Umbruchprozess der ausgehenden Spätbronze- und beginnenden Eisenzeit in Palästina ansässig geworden, wobei hier (im Kontrast zu dem in den Texten Ramses III. vermittelten Bild eines „Seevölkersturms“) aufgrund der archäologischen Befunde mit einem graduellen und im wesentlichen friedlichen Migrationsprozess zu rechnen ist, der – auch wenn der Vorgang der Ansiedlung ägäisch-stämmiger Söldnergruppen durch die späten Ramessiden seit Ramses III. forciert worden sein mag – stärker durch Interaktion mit der lokalen Kultur als durch Segregation gekennzeichnet ist (Yasur-Landau 2003; Ben-Shlomo 2010). Das ägäische Bevölkerungssubstrat dürfte hier in der EZ I zuerst eine sozio-politische Elite gebildet haben, die in einem relativ kurzen Zeitraum mit der lokal-kanaanäischen Kultur amalgamierte (vgl. Feldmann u.a. 2019), auf diese „aufsattelte“ und in vielen Elementen, vor allem, was die Religion betrifft, die spätbronzezeitliche Kultur weiterführte. Die materielle Kultur der Philister ist zwar durch gewisse Elemente gekennzeichnet, die in den westlichen Mittelmeerraum weisen, wie die bichrome Philisterware, die eine Weiterentwicklung einer bereits prä-philistäisch lokal produzierten mykenischen 3C-1b-Ware darstellt, ist aber in ihren Spezifika das Ergebnis einer lokalen Entwicklung. „Philistäische“ Textzeugnisse liegen nur im lokalen westsemitischen Idiom vor, dass sich vom Hebräischen kaum unterscheidet. Wenn im Folgenden von Philistern bzw. Philistäa die Rede ist, so bezeichnet dies daher nicht primär ein fest umgrenztes Ethnikon, sondern geographisch den südlichen Küstenstreifen von Gaza bis Tel Qasile und politisch-kulturell das von Ashdod, Askalon, Ekron, Gaza und Gath (mit wie auch immer zusammengesetzter Bevölkerung) dominierte Gebiet westlich des judäischen Berglandes und seiner Ausläufer. Wie Israel und Juda geraten die Philisterstädte im Zuge der assyrischen Westexpansion in Vasallität. Die Feldzüge der Neubabylonier, insbesondere Nebukadnezzars Feldzug von 603, bedeuten auch für Philistäa einen wesentlichen Einschnitt, da Hauptorte wie Gath und Ekron zerstört und nicht wieder besiedelt worden sind. Die materielle Kultur der Küstenebene in der Perserzeit ist wesentlich phönizisch geprägt (Stern 2001: 407ff.) und auch das Pantheon wird von phönizischen Kulten überlagert.

4.2 In Philistäa belegte Götter und Elemente des religiösen Symbolsystems Für die frühe Phase der philistäischen Präsenz in Palästina in der EZ I–IIA ist die religionsgeschichtliche Rekonstruktion fast ausschließlich auf die Analyse der materiellen Kultur und auf Hinweise aus ägyptischen Quellen angewiesen. Ein distinktives Element der philistäischen materiellen Kultur sind die zahlreich insbesondere in Ashdod, aber auch andernorts (Tel Miqne/Ekron, Tel Qasile, Tell eṣ-Ṣāfī/Gath, Askalon) gefundenen anthropomorphen Terrakottafigurinen (Schmitt 1999; Ben-Shlomo 2010: 30ff.; Press 2012). Die philistäische Koroplastik ist jedoch nicht unmittelbar von mykenischen Vorbildern abhängig, sondern ist eine lokale Entwicklung innerhalb der fortgeschrittenen Produktion bichromer Keramik in Palästina und hat seine engsten chronologischen und typologischen Parallelen in der zeitgenössischen zypriotischen Kleinplastik. Die Präsenz der Figurinen ist daher kein unmittelbares Indiz für die Ansiedlung der Philister und ihre vermutete ägäische Herkunft, sondern für enge kulturelle Kontakte in der östlichen Levante der frühen Eisenzeit (Schmitt 1999). Der häufigste Typ ist eine stark stilisierte Figur einer Sitzenden, die von den Ausgräbern nach dem Fundort mit dem Spitznamen „Ashdoda“ versehen wurde und deren Produktion sich in der Eisenzeit II B–C fortsetzt. Die einzige vollständige „Ashdoda“ aus Ashdod (Areal H, Stratum XI – späte Eisenzeit I B) ist 17

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Die Religion der Philister

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cm hoch, 7 cm breit, die Sitzfläche des Hockers ist 10 cm tief (Abb. 4.1).1 Die „Ashdoda“ besitzt einen vogelartigen Kalathos- („Obstkorb“-) Kopf mit applizierter Nase, Augen und Ohren sowie einem langen Hals ähnlich dem der mykenischen Psi-Figurinen. Der Hals geht im Schulterbereich in einen flachen, vierfüßigen Stuhl über, auf dessen „Lehne“ runde Brüste aufgesetzt sind. Die Dekoration des Objekts ist – analog zur philistäischen Keramik – in Schwarz und Rot auf weißem Überzug ausgeführt. Die ikonographischen Charakteristika, Kalathos-Kopf und Thronsymbolik, deuten prima vista auf eine Götterfigurine hin. Neben den „Ashdodas“ kennt das philistäische Repertoire weitere Typen, für die ägäische Herkunft geltend gemacht worden ist, wie die nach ihrer Form sogenannten Psi(Ψ)-Figurinen mit ähnlicher Kopfgestaltung wie die Sitzfigurinen, deren Haltung wohl als Segensgestus oder Adorationsgestus zu deuten ist (Abb. 4.2 aus Tel Miqne)2 und kleinplastische Repräsentation von Klagefrauen, z.T. aus Grabkontexten (Abb. 4.3a– c),3 für die eine Deutung als Gottheit ausgeschlossen werden kann. Auch die zahlreichen Fragmente männlicher Figurinen sind wohl eher als menschliche Repräsentationen (Votive oder vielleicht Ahnenfiguren) zu deuten. „Ashdodas“ und Psi-Figurinen, für die aufgrund ihrer Emblematik (eingedenk der grundsätzlichen Multifunktionalität von Figurinen) eine Deutung als Göttin angenommen werden kann, finden sich primär in Hauskontexten, eventuell auch in mit dem Töpferhandwerk verbundenen rituellen Kontexten, aber (mit einer Ausnahme aus Tel Qasile) nicht in Tempeln (Schmitt 1999: 591ff.; 2008; Ben-Shlomo 2010: 183ff.; Press 2012: 219f.). Anthropomorphe Kultobjekte aus frühen philistäischen Tempeln sind nur in einem Fall aus Tel Qasile belegt: Ein Terrakotta-Naos aus Tempel 131 (EZ I B–II A) zeigt zwei (nur fragmentarisch erhaltene) Göttinnen des Qudšu-Typs im lokal-kanaanäischen ägyptisierenden Stil (Abb. 4.4).4 Für die frühe Eisenzeit lässt sich damit auf die Verehrung unterschiedlicher weiblicher Numina schließen, einmal einer hoheitsvoll-thronenden oder segnenden Göttin wohl ägäischer Herkunft und von lokalen Göttinnen aus der kanaanäischen Tradition, wobei sich für beide Fälle aufgrund der Quellenlage namentliche Identifikationen verbieten. Dasselbe gilt für die figurativen Appliken in Form der Brüstehalterin, die prominent auf den Votivobjekten der Eisenzeit II B aus der Favissa von Yavneh belegt sind (Kletter, Ziffer und Zwickel 2010: 86ff.). Eine Terrakottafigurine phönizischen Typs mit entblößten Brüsten aus dem Tempel 605 in Ekron (Abb. 4.5)5 ist aufgrund der fehlenden göttlichen Attribute als Votivobjekt in Gestalt einer menschlichen Repräsentation anzusehen. Aus der frühen Eisenzeit ist die Darstellung einer reitenden Kriegsgöttin des Anat/Astarte-Typs u.a. von einem Stempelsiegel aus Akko (Abb. 3.28) bekannt. Für die EZ II C ist eine thronende weibliche Gottheit in ägyptisierender phönizischer Ikonographie auf Siegeln sowohl in Akko wie in Ashdod (Abb. 4.6 und 4.7)6 belegt. Die Darstellungskonventionen entsprechen denen der phönizischen Astarte als Herrscherin und es kann vermutet werden, dass die lokalen Äquivalente einer Astarte-artigen Göttin mit den Siegeldarstellungen identifiziert werden können. Bei dem von Herodot (Historien I, 105) erwähnten Tempel der Aphrodite Ourania in Askalon dürfte es sich um eine Kultstätte der Astarte handeln. Stager (1991) vermutet, dass der in Askalon gefundene (allerdings perserzeitliche) Hundefriedhof in Askalon mit einem mit der Astarte verbundenen Heilkult (Hundespeichel galt in der Antike als heilsam) in Zusammenhang stehen könnte. Dies ist denkbar, da auch in Ugarit der Astarte Aspekte einer Heilgöttin eigneten und das Halten von Hunden und die Versorgung ihrer Welpen (letztere fälschlich oft mit männlichen Prostituierten identifiziert) im Tempel auch für den Kult der Astarte in Kition nachgewiesen ist.7 Argumente für einen ägyptisch-philistäischen Synkretismus in der frühen Eisenzeit sind unsicher: Ägyptischen Quellen (Papyrus Harris I)8 zufolge hat sich in Gaza ein von Ramses III. gegründeter AmunTempel befunden (Uehlinger 1990; GGG § 62f.). Dementsprechend wird ein Siegel aus Tell el-Fārʿa-Süd mit der Darstellung einer männlichen Figur mit einer Polos-artigen Kopfbedeckung, die an die Federkronenhelme der plšt in Medinet Habu erinnert, der von Amun (mit der typischen Doppelfederkrone) ein ʿnḫZeichen überreicht wird (Abb. 4.8),9 als philistäischer Fürst und als Zeugnis für die Verehrung des Amun durch die Philister gedeutet. Da die Kopfbedeckung durch die Einfassung des Ringes nicht vollständig 1

M. Dothan 1971: Fig. 91,1 (= Schmitt 1999: Kat. Nr. 19). Gitin und T. Dothan 1987, 202 ( = Schmitt 1999: Kat. Nr. 4). 3 Petrie 1928: Pl. XXXVII, 2; T. Dothan 1982: Fig. 10 A, B (= Schmitt 1999: Kat. Nr. 8 und 16). 4 Mazar 1980: Fig. 20 (= Schmitt 1999: Kat. Nr. 112). 5 Gitin 2003: Fig. 4. 6 CSAP I: Akko 75; Ashdod 44. 7 KAI 37:16. 8 ARE IV: §219. 9 CSAP III: Tell el-Farʿa Süd 675 (= GGG 129). 2

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Kapitel 4

sichtbar ist und zudem eine Uräusschlange zu zeigen scheint, handelt es sich hier wohl eher um die häufige Szene des Pharao (mit roter oder blauer Krone) vor Amun und nicht um einen Philisterfürsten. Ob die zahlreichen importierten Siegel mit Amun-Darstellungen und z.T. kryptographischen Schreibungen des Gottesnamens in der früheisenzeitlichen Küstenebene eine Verehrung des Amun durch die Philister unterstützen (so GGG § 63), bleibt jedoch fraglich: In Ashdod sind entsprechende Stücke eher selten und die Massierung entsprechender Funde in der südlichen Küstenebene hängt eher mit der Nähe zu Ägypten und der Funktion von Tell el-Fārʿa Süd als Drehscheibe des Skarabäenimports und der lokalen Produktion von Derivaten zusammen. Außer Frage steht jedoch, dass die Bevölkerung Südpalästinas seit der SBZ mit der Gottheit vertraut war und dieser als Reichsgott der ägyptischen Oberherren auch nach dem Ende der ägyptischen Kontrolle ein gewisses Prestige zukam, was seine andauernde Präsenz auf Siegelamuletten erklärt, die aber kaum mit einer kultischen Verehrung gleichzusetzen ist. In einer wohl in die Zeit Ramses III. zu datierenden Inschrift auf einer Elfenbeineinlage aus Megiddo bezeichnet sich Kerker, der Fürst von Askalon, als „Sänger des Ptah“.10 Ob sich hieraus jedoch auf einen Tempel Ptahs schließen lässt, ist m.E. nicht evident zu machen: Zum einen dürfte es sich um einen Ehrentitel handeln, zum anderen erscheint Ptah primär auf importierten ägyptischen Siegeln. Die Aussagekraft der importierten Glyptik der spätramessidischen Massenware und ihrer lokalen, südpalästinischen Derivate ist gerade bei einem recht weit verbreiteten Motiv wie Ptah nicht hinreichend, eine unter den Philistern verbreitete Ptah-Verehrung bis in die EZ II hinein zu konstatieren. Vielmehr handelt es sich um eine in die SBZ zurückreichende Bildtradition, die – wie bei Amun – nicht automatisch auf einen „Kult“ schließen lässt. Auch die primär (aber nicht ausschließlich) in der Küstenebene gefundenen sogenannten philistäischen „Anker“- und Pyramidenstumpfsiegel (Keel 1994; 1995: §§ 240–245) mit ägyptischer Motivik und z.T. den Namen Amuns tragend, stehen in der Tradition der ramessidischen Massenware und dürften Importe bzw. im Falle der noch gröber gearbeiteten Dekorationen der Ankersiegel lokale Imitationen dieses Stils darstellen (Koch 2018). Sie sind daher für die Rekonstruktion der früheisenzeitlichen philistäischen Religion nicht aussagekräftig. Die Annahme eines ägypto-philistäischen Synkretismus in der EZ I bleibt insgesamt spekulativ: Ein Kult ägyptischer Götter kann nicht vorausgesetzt werden, deren Prominenz auf früheisenzeitlichen Siegelamuletten ist ein spätbronzezeitliches Rudiment in der spätkanaanäischen und philistäischen materiellen Kultur. In der ersten Hälfte des 11. Jh. v. Chr. erwähnt der Reisebericht des Wen-Amun die Anwesenheit der Seevölkergruppe der Tjeker in Byblos, deren König den Namen Tjeker-Baʿal führt (Schipper 2005: 56f.), was darauf hindeutet, dass sich die von Seevölkergruppen gebildete Führungsschicht bereits zu einem frühen Zeitpunkt (zumindest auf der Ebene der offiziellen Religion) religiös assimiliert hat. Die Namensgebung des Königs unterstreicht auf jeden Fall die Bedeutung des lokalen Wettergottes für die Einwanderer. Für die Eisenzeit II B–C stehen einige wenige epigraphische Quellen, zumeist theophore Namen, aber auch Votivinschriften mit der expliziten Nennung von Göttinnen und Göttern zu Verfügung: Die alte westsemitische Gottheit El erscheint in mehreren theophoren Namen: Ein Siegel vom Tell Ǧemme nennt einen ʾlykm ‚El hat [mich] aufgerichtet‘.11 Ein Namenssiegel gehörte einem ʿbdʾljʾb bn šbʿt (‚Diener von Ilib, Sohn des šbʿt‘), einem Beamten des Königs Mitti(n)ti (II.) ben Ṣidqa von Askalon.12 Aufgrund paläographischer Parallelen zu einem Ostrakon vom Tell Ǧemme wertet Naveh (1985: 21) den Namen ʾlyrb (‚El ist groß‘) von einem Ostrakon aus Lachish als philistäisch. Über die Position Els in den philistäischen Lokalpanthea lässt sich aufgrund der spärlichen Belege nichts aussagen. In Zeugnissen der offiziellen Religion erscheint er nicht. Neben El erscheint der Wettergott Baʿal in epigraphischen Quellen, so zweimal als Namensbestandteil auf einem Ostrakon vom Tell Ǧemme (bʿlšmʾ (‚Baal hat erhört‘) und bʿlʾ).13 Weitere epigraphische Quellen für Baʿal sind die Votivinschrift des Königs Padi von Ekron aus Tempel 650 in Tel Miqne/Ekron (Gitin und Cogan 1999) und der Adon-Papyrus, ein Brief des gleichnamigen Königs an Pharao Necho II. mit der Bitte um Hilfe gegen Nebukadnezzar, der Baʿalšamin an zweiter Stelle erwähnt,14 in der frühen Eisenzeit wohl nur eine Baʿal-Gestalt neben anderen. Die Transformation des Baʿalšamin zu 10

Loud 1939: 12. CSAP I: Tel Gamma (= WSS 1068). 12 WSS 1066. Der Name ist sonst nicht in der EZ II belegt. In KTU 1.118:1; 1.47:2 steht ilib an der Spitze des Pantheons noch vor El, syllabisch DINGIR a-bi ‚Gott des Vaters‘. Wird daher zumeist als Bezeichnung des „Gottes der Väter“ als vergöttlichter Ahne oder als ‚El der Väter‘ verstanden. Wahrscheinlicher ist aufgrund der Parallelen für vergöttlichte Verwandtschaftsbeziehungen (s. Tabelle 1–5) ‚El ist mein Vater‘ (vgl. Healey 1999). 13 HAE Gem(7):3. 14 KAI 266:2. 11

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einer dem Zeus Hypsistos ähnlichen Figur ist eine spätere Entwicklung der hellenistischen Zeit (Bonnet und Niehr 2010: 66). Bei den im Adon-Papyrus angesprochenen „[Göttern] des Himmels und der Erde“ ([…] šmyʾ wʾrkʾ) handelt es sich aufgrund der Position im Text wohl um das Kollektiv der Götter, nicht aber um die aus Ugarit bekannte Größe arṣ w šmm.15 Der in assyrischen Texten genannte König Ṣilbêl von Gaza16 trägt wohl keinen wirklich akkadischen Namen, der die Loyalität des Königs zu den Assyrern zum Ausdruck bringt, sondern ist eher als die akkadische Wiedergabe des westsemitischen Namens ṣlbʿl ‚Mein Schatten/Schutz ist Baʿal‘ (und nicht akkad. ‚Den Weg macht Bêl) aufzufassen. Nur einmal belegt ist der Sonnengott Šamaš in dem theophoren Namen rkh [Sohn des] šmʾš vom Tell Ǧemme.17 Der aus Ugarit bekannte Meeresgott Yam ist einmal als Namensbestandteil des in der kleinen Prunkinschrift Sargon II. genannten Königs von Ashdod, Yamani (‚Yam hat geantwortet‘), belegt.18 mlk als Gottheit (nicht als Epitheton) erscheint auf einem Krugfragment vom Tell Ǧemme19 sowie als theophores Element des Namens des Königs von Ashdod, Aḥimilki ‚Mein (göttlicher) Bruder ist Milk20 – ein Name der auch sonst im hebräischen, phönizischen und aramäischen Onomastikon belegt ist21 und daher nicht, wie gelegentlich vermutet, für ein Epitheton des mesopotamischen Adad steht. Epigraphisch belegt ist ferner die Göttin Aširat auf einer Weihinschrift (qdš lʾšrt) auf einer Amphore und auf einem Gefäßfragment aus dem EZ-II-Czeitlichen Tempel 650 in Ekron.22 Eine sonst in Palästina nicht belegte Göttin nennt eine Weihinschrift des Königs Ikausu aus demselben Tempel:23 1

Der Tempel erbaut von Ikausu, Sohn des Padi, Sohn des

2

Ysd, Sohn des Ada, Sohn des Yaʿir, Herrscher von Ek-

bt.bn.ʾkyš.bn.pdy.bn. ysd.bn.ʾdʾ.bn.yʿr.šr ʿq

3

ron, für Pt[g]yh, seine Herrin, möge sie ihn segnen und

4

schüt[ze]n und lang machen seine Tage und beschützen

5

sein [L]and

rn.lpt[g]yh.ʾdth.tbrkh.wt šm[r]h.wtʾrk.ymh.wtbrk. [ʾ]r(ṣ)h

Wiewohl eine Identifikation des enigmatischen Namens mit der aus Ugarit bekannten Pidray vorgeschlagen wurde, ist entweder ptgyh, evtl. als Kontraktion von potnia gaia oder (wahrscheinlicher) einfach ptnyh = potnia (gr. ‚Herrin‘, bereits in den spätbronzezeitlichen Linear-B-Texten belegt), zu lesen. Wie auch immer der Name abgeleitet wird, ist in diesem Fall die Verehrung einer nicht-semitischen, ägäischen Gottheit in der ersten Reihe des Pantheons belegt, die von den Philistern nach Palästina importiert wurde. Darstellungen der assyrischen Ištar sind von einem goldenen Votivobjekt aus dem Tempel 650 in Ekron und von einem Siegel aus Ashdod bekannt,24 diese sind aber deutlich Importe aus Assyrien und stehen nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den lokalen religiösen Traditionen. Das Bild einer im Wesentlichen westsemitisch geprägten Götterwelt bestätigen die Texte des Alten Testaments: Als Hauptgott der Philister erscheint in Ri 16,23 und 1 Sam 5,2 Dagon, der allerdings im philistäischen Onomastikon fehlt und auch sonst nicht epigraphisch bezeugt ist. Er ist, ähnlich dem Baʿal/ Hadad als Vegetations- und Wettergott zu betrachten: Im Ugaritischen, Phönizischen und Hebräischen bedeutet das Substantiv dgn ‚Getreide‘, im Arabischen benennt es den wolkigen Himmel. Tempel des Dagon befanden sich nach den alttestamentlichen Texten in Ashdod und Gaza. Nach 1 Makk 11,4 wurde der Dagon-Tempel in Ashdod durch Jonathan zerstört. Sein Kult ist in Ashdod somit mindestens bis in die hellenistische Epoche vorauszusetzen. Der Ortsname Beth Dagon findet sich in den Itinerarien Jos 15,41 und 19,27. Nach den Amarnabriefen 317 und 318 mit dem Absender Dagantakala reicht die Verehrung Dagons bis in die Spätbronzezeit II A zurück. Dagon ist eine feste Größe im westsemitischen Pantheon: In der ugaritischen Götterliste KTU 1.47,4 erscheint er an 4. Stelle noch vor dem Baʿal Ṣapon. Die Gottheit ist im gesamten alten Orient seit der sumerischen Zeit gut belegt. Ikonographische Belege für die Darstellung 15

Vgl. KTU 1.47: 12; 1.118: 11; 1.148: 5. Die Lücke im Text des Papyrus wurde auch ergänzt zu „Astarte, Herrin des Himmels und der Erde“, vgl. KAI II, 312. 16 S. u.a. RINAP 5/1: Q003230 (Esarhaddon 001), v 55. 17 HAE Gem(7):3. 18 TUAT I, 385. 19 HAE Gem(8):2. 20 RINAP 5/1: Q003230 (Esarhaddon 001), v 60. 21 Albertz und Schmitt 2012: 578. 22 HAE Muq (7):1. 23 Gitin und Cogan 1999. 24 GGG 398; CSAP I: Aschdod 29. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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Dagons fehlen in der Eisenzeit, jedoch berichtet 1 Sam 5,1ff. von der Existenz eines Standbildes des Dagon. Ob die Darstellung eines Wettergottes mit Axt und Blitzbündel auf einem Relief Tiglatpileser III. aus Nimrud mit der Darstellung der Wegführung von Götterstatuen vermutlich aus Gaza (Abb. 4.9)25 mit Dagon identifiziert werden kann, muss unsicher bleiben, da die assyrischen Steinmetze wohl kaum die originalen Götterbilder vor Augen hatten. Antike Münzen zeigen Zeus Kretagenes bzw. Jupiter als Gott von Gaza.26 Vermutlich ist hier Dagon – und nicht Baʿal – als Stadtgott von Gaza mit dem hellenistischen Zeus identifiziert worden. Der auf Münzen aus Gaza häufig belegte Marnas (aram. mrʾ ‚Herr‘)27 ist wahrscheinlich ebenso mit Dagon gleichzusetzen. In Ekron befand sich nach 2 Kön 1 das Heiligtum des Baʿal Zebul (im Text verballhornt zu Baʿal Zebub ‚Herr der Fliegen‘), dass aufgrund der Padi-Inschrift mit der Widmung an Baʿal wohl mit dem Tempel 650 in Ekron zu identifizieren ist. Hierbei handelt es sich um eine lokale Erscheinung des u.a. aus den ugaritischen Texten bekannten Wettergottes Baʿal/Hadad, der in Ugarit als Sohn Dagons gilt. Das Epitheton zbl (Fürst) ist auch in ugaritischen Texten belegt.28 Kleinplastische Darstellungen des Baʿal sind in der philistäischen Küstenebene der EZ nicht belegt. Aus Askalon stammt die Figurine eines Jungstieres in einem Schrein aus der ausgehenden MBZ II B,29 der als Postamenttier des Wettergottes betrachtet werden darf und auf eine längere Tradition dieser Gottheit zurückweist. Zahlreiche der in der Favissa von Yavneh gefundenen Votive in Form von Architekturmodellen (stark stilisierte Tempel oder Schreine) zeigen applizierte Stiere, teils Köpfe oder Protome, teils vollständige Tiere,30 die eventuell als Repräsentationen des Wettergottes im Tempel zu deuten sind. Der Stier ist auf den Votivobjekten jedoch auch mit einer weiblichen Figur assoziiert.31 Ob eine von einem Stierkopf flankierte männliche Figur mit erigiertem Glied (Abb. 4.10)32 mit dem Wettergott zu identifizieren ist, erscheint unwahrscheinlich, da in der vorderasiatischen Ikonographie der Wettergott (wie andere männliche Götter überhaupt) niemals nackt dargestellt wird. Eher hängt das Votiv mit der Evozierung männlicher Fruchtbarkeit und dem empowerment im Generellen zusammen. Mit welcher Gottheit die auf drei der Votivobjekte abgebildete Flügelsonne identifiziert werden kann, bleibt unklar, da diese im 1. Jt. als allgemeines Göttersymbol gelten kann und nicht ausschließlich für den Sonnengott steht. Nur auf antiken Münzen belegt sind die Verehrung des wohl mit dem phönizischen Melqart gleichzusetzenden Herakles und des Adonis in Gaza,33 wobei letzterer eine später zugewanderte, hellenisierte Form einer ursprünglich wohl Baʿal-ähnlichen Gestalt sein dürfte. Auch die perserzeitliche EšmunʿazarInschrift34 legt den Import von phönizischen Kulten in den Süden, genannt werden Dor und Jaffa, nahe. Keel und Uehlinger (vgl. GGG § 66) identifizieren als weitere männliche Gottheit den kanaanäischen Heilgott Rešep in der Form des „Gottes auf dem Horntier“ auf Siegeln der EZ I bis frühen EZ II A. Das Motiv ist in Ashdod (Abb. 4.11),35 Tel Qasile, Tel Miqne, Tell el-Fārʿa Süd und Tell Keisan belegt36 und z.T. mit dem verwandten Motiv des geflügelten Gottes auf einem Vierbeiner assoziiert.37 Aufgrund der extrem summarischen Ausführung ohne die typischen Embleme des Gottes (Schild und Axt bzw. Speer) ist diese Deutung in Zweifel gezogen worden: Koch (2018: 644f.) schlägt daher eine alternative Deutung des „Gottes auf dem Horntier“ mit einer kriegerischen Göttin des Anat/Astarte-Typs vor, was jedoch im Hinblick auf die identifizierbaren Darstellungen der Kriegsgöttin (Abb. 3.28 aus Akko) nicht überzeugt. Eine Deutung der extrem schematisierten Figur als Rešep ist – da das Horntier bzw. die Gazelle als Symboltier nur für diesen Gott belegt ist (Cornelius 1994: 262) – nach wie vor plausibel. Die grob gearbeiteten lokalen Derivate spätramessidischer Massenware mit der Darstellung kanaanäischer Gottheiten bleiben wohl im Kontext der spätkanaanäischen Tradition weiterhin „lesbar“. Josephus (Ant 13.13,3) spricht von einem 25

GGG 396. M. Dothan 1971: Pl. XCIX, 9; Hill 1914: Gaza Nr. 22, 105, 119. 27 Hill 1915: Gaza Nr. 14–21. 28 So in KTU 1.6 III: 5; 20 u. ö.: zbl bʿl ars. 29 GGG 384 (= IPIAO 2, 472). 30 Siehe Kletter, Ziffer und Zwickel 2010: 65ff. 31 Kletter, Ziffer und Zwickel 2010: Pl. 129, Cat 95. 32 Kletter, Ziffer und Zwickel 2010: Pl. 131.3, Cat 96 (Umzeichnung des Verfassers), vgl. auch ebd., Pl. 130, Cat 95. 33 Hill 1915: U.a. Gaza Nr. 45, 79, 89, 93–95. 34 KAI 14: 15ff. 35 CSAP I: Aschdod 54. 36 Siehe die Zusammenstellung bei Koch 2018: Fig. 17. 37 CSAP I: Aschdod 54; II: Dor 267; III: Tell el-Farʿa Süd 373, 406. 26

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Tempel des Apollo in Gaza, der wohl mit Rešep gleichzusetzen ist, doch ist auch hier nicht klar, ob es sich um einen von den Phöniziern etablierten Kult handelt. Den Kult einer weiteren westsemitischen Heilgottheit, Horon, könnte das Tel-Qasile Ostrakon 2 belegen,38 sofern lbjt hrn sich auf einen Tempel und nicht auf eine Ortslage bezieht. Das Pantheon der Philister ist somit insgesamt westsemitisch geprägt, wiewohl mit der pt[g]yh von Ekron und wohl auch mit der von den Ashdoda-Figurinen repräsentierten Gottheit Rudimente ägäischer Kulte bis in die Eisenzeit II C persistieren. Der Befund lässt keine auch nur annähernd vollständige Rekonstruktion der philistäischen Götterwelt zu, da die genannten Belege kaum die gesamte Götterwelt abbilden. Ebenso schwierig sind Rückschlüsse auf Pantheonstrukturen oder – sieht man vom gemeinsamen Kult der pt[g]yh, des Baal und der Aširat im Tempel 650 in Ekron ab – auf Spezifika möglicher lokaler Panthea in den philistäischen Hauptorten. Die Erwähnung der „[Götter] des Himmels und der Erde“ im Adon-Papyrus KAI 266:2 lässt zu mindestens den Schluss zu, dass man die Götter als Kollektiv begriff. Die Verehrung eines göttlichen Paares in Yavneh (vgl. Kletter, Ziffer und Zwickel 2010: 86ff.) ist wenig wahrscheinlich, da die geschlechtlich unterschiedenen anthropomorphen Darstellungen auf den Votivobjekten keinerlei Götterattribute tragen und mit für westsemitische Götter nicht belegten Attributen wie dem erigierten Glied dargestellt werden (dies ist nur in Ägypten u.a. für die mumienförmigen Götter Osiris und Min belegt). Die philistäische Ikonographie enthält keinerlei narrative Elemente oder Darstellungen von Götterkonstellationen, die Rückschlüsse auf die mit den Göttern verbundene Mythologie zulassen. Die Quellenlage erlaubt insgesamt keine sicheren Rückschlüsse auf ein einheitliches „panphilistäisches“ Pantheon. Es ist vielmehr mit der Präsenz des El als Hochgott, unterschiedlichen, überwiegend von den Philistern adaptierten Lokalkulten, wie dem des Dagon in Gaza und Ashdod und dem des Baʿal in Ekron zu rechnen sowie mit vereinzelten lokalen ägäischen Survivals.

Abb. 4.1: Ashdoda-Figurine aus Ashdod

Abb. 4.3b: Klagefrau aus Tell ʿĒṭūn 38

Abb. 4.2: Psi-Figurine aus Ekron

Abb. 4.3a: Klagefrau vom Tell Ǧemme

Abb. 4.3c: Klagefrau aus Tell ʿĒṭūn

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Abb. 4.4: Schrein aus Tel Qasile, Tempel 131

Abb.4.6: Sitzende Göttin aus Akko

Abb. 4.5: Terrakotte phönizischen Typs aus Tempel 605 in Ekron

Abb. 4.7: Sitzende Göttin aus Ashdod

Abb. 4.8: Siegel aus Tell-el Fārʿa Süd, Pharao vor Amun

Abb. 4.9: Relief Tiglatpileser III. aus Nimrud mit der Darstellung der Wegführung von Götterstatuen

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Abb. 4.10: Figurenapplike eines Votivobjekts aus Yavneh

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Abb. 4.11: „Gott auf dem Horntier“ auf einem Siegel aus Ashdod

4.3 Die Ebene der Familienreligion, des Hauskults und der Totenfürsorge 4.3.1 Das Onomastikon Die unter 4.2 erwähnten für Philistäa belegten theophoren Namen lassen – trotz ihrer geringen Anzahl – auf ein Symbolsystem familiärer Religion schließen, das sich von den anderen westsemitischen Religionen nicht unterscheidet: Das Onomastikon kennt Danknamen, die die Zuwendung, Rettung oder den Schutz durch die Gottheit zum Ausdruck bringen, wie bʿlšmʾ (‚Baʿal hat erhört‘), ṣlbʿl (‚Mein Schatten/Schutz ist Baʿal‘),ʾlykm ‚El hat [mich] aufgerichtet‘ und Yamani (‚Jam hat geantwortet‘), Namen, die das Vertrauen in die Gottheit zum Ausdruck bringen wie ʿbdʾljʾab (‚Diener von Ilib‘), Namen des Lobpreises der Gottheit, wie ʾeljrb („El ist groß“) sowie Namen, die die Verwandtschaft – und damit die enge persönliche Beziehung zu einer Gottheit – formulieren (Gleichsetzungsnamen), wie Aḥimilki ‚Mein (göttlicher) Bruder ist Milk‘. Wie auch in anderen westsemitischen Religionen sind es in Philistäa primär die männlichen Hochgötter, hier Baʿal und El, die im Zentrum des Symbolsystems familiärer Religion stehen und die wichtigen Funktionen des Schutzes des Einzelnen und der Familie zum Ausdruck bringen, wohingegen die insbesondere durch Weihinschriften aus dem Kontext des offiziellen Kults bekannten Göttinnen nicht im bisher bekannten Onomastikon vertreten sind. 4.3.2 Der Hauskult Im Hinblick auf den Hauskult in Philistäa wurde eine frühe Phase mit ägäischen – oder besser: auf den ersten Blick ägäisch wirkenden – Charakteristika in der frühen Eisenzeit und eine stärker von lokalen, westsemitischen Kultelementen geprägten Phase in der späteren Eisenzeit II A bis zur Eisenzeit II C beobachtet. Für die Eisenzeit I wurde aufgrund der Funde von Häusern des Typs des sog. ägäischen Herdhauses mit einer zentralen, durch ein Podest gebildeten Feuerstelle und badewannenartigen Bassins, eine spezifische Form ägäischer Religiosität postuliert (Dothan 2003; Dothan und Ben-Shlomo 2005). Zwar enthielten diese Gebäude durchaus Ritualobjekte, diese verteilen sich aber über das gesamte Haus, wie in dem Wohngebäude 5337 in Ashdod Area H, Stratum XIII/XII (Abb. 4.12 mit Verteilung der Objekte).39 Die Herd- und Wannen-Installationen dienten wohl eher profanen, häuslichen Aktivitäten, wie Kochen und Backen und der Aufbewahrung von Wasser nahe der Herdstelle. Typische Funde von Ritualobjekten in Häusern in Ashdod und Askalon sind die Figurinen des Ashdoda und Psi-Typs, männliche Figurinen, Plakettenfigurinen einer nackten Brüstehalterin (in geringerer Anzahl) und Tierfiguren, tönerne Kultständer, spezialisierte Keramik (Libationsgefäße und Kernoi) sowie Luxuskeramik (die bichrome Philisterkeramik und ihre Nachfolger als Luxusware). In Ashdod Area G, Stratum XI (EZ II A) konnte ein mit Figuren von Aulos-, Leier-, Cymbel- und Handpaukenspielern dekorierter Kultständer und das Fragment eines Votivschreins unmittelbar mit den Kücheninstallationen (nicht jedoch mit den frühen Herd- und Wannen-Installationen) in Verbindung gebracht werden (Locus 5361, Abb. 4.13).40 Ansonsten können die leicht beweglichen Ritualobjekte in allen Räumen entweder benutzt oder gelagert worden sein (s. Albertz und Schmitt 2012: 195ff.). Spezifische „Kultecken“ lassen sich in keinem Fall sicher nachweisen (gegen Ben-Shlomo 2019: 9). In der 39

Dothan und Ben-Shlomo 2005: Plan 2.7. Montage des Verfassers nach Dothan und Ben-Shlomo 2005: Plan 2.12: Figs. 3.69.4; 3.71.5; 372.4; 3.75; 3.76. (= Albertz und Schmitt 2012: Fig. 3.95). 40

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Eisenzeit II C fanden sich in Wohneinheiten gehäuft kleinere Kalksteinaltäre, die für Speise- und Trankopfer, evtl. auch zum Räuchern benutzt worden sind. Zu den häuslichen rituellen Verrichtungen gehörten demnach Opfer von Speisen und Getränken, die mit den Figurinen geübte Votivpraxis sowie die Verehrung der Hausgötter oder der – primär durch die männlichen Terrakotten repräsentierten – Ahnen. Wie auch bei den anderen westsemitischen Religionen bleibt die Relation der Figurinen zu dem im Onomastikon belegten religiösen Symbolsystem unklar: Die im Hauskult belegten und (wahrscheinlich aufgrund ihrer Emblematik) als Göttinnen anzusprechenden Ashdoda- und Psi-Figurinen haben keine eindeutig identifizierbaren Entsprechungen im Pantheon und die in Philistäa zahlreich belegten Fragmente männlicher Terrakotten sind aufgrund der fehlenden Göttersymbole wohl nicht als Repräsentationen von Göttern anzusprechen. Diese könnten Darstellungen der männlichen Ahnen sein oder als Votive für den Stifter stehen. Es steht zu vermuten, dass der materielle Hauskult noch eine andere Ebene familiärer Religion anspricht, die nicht im (eher traditionellen) Onomastikon zum Ausdruck kommt, nämlich der Schutz des Haushalts durch eine durch die Psi- und Ashdoda-Figurinen repräsentierten Göttin. Ob hier genderspezifische Aspekte des Hauskults, wie die Verehrung der Göttin oder eine Votivpraxis durch die für den Haushalt zuständigen Frauen zum Tragen kommen, ist möglich, aber letztlich nicht zu erweisen. Primär dürfte wohl der magische Schutz des Haushalts eine wesentliche Funktion dieser Ritualobjekte gewesen sein. Die in philistäischen Haushalten gefundenen Plakettentypen (Brüste oder Kind haltend) können mit der rituellen Sicherung – entweder als Dank- und/oder Bittvotiv bzw. Ritualobjekt zur magischen Evokation des Dargestellten – der für die Familie zentralen Aspekte der Fruchtbarkeit und Fortpflanzung in Verbindung gebracht werden (vgl. Press 2012: 177). Dasselbe lässt sich für den Gebrauch entsprechender Typen in der gesamten Levante beobachten. Weniger häufig sind Pferd-und-Reiter-Figurinen, die möglicherweise genderspezifische, männliche Bedürfnisse (Macht und Stärke, allgemeines empowerment) in einer stark patriarchalisch geprägten Gesellschaft reflektieren oder eine apotropäische Funktion hatten. Kein philistäisches Spezifikum ist das zahlreiche Vorhandensein von Tierfigurinen (Pferde, Rinder, Vögel, s. Press 2012: 183ff.). Tierfiguren und andere zoomorphe Ritualobjekte dienten wohl primär als rituelle Medien bzw. Votive zur magischen Sicherung des Wohlstands und der allgemeinen Wohlfahrt des Haushalts. Bei den von Press (2012: 187) als Löwenfiguren angesprochenen Tierfiguren handelt es sich wohl eher um Hunde, die eine apotropäische Funktion für den Haushalt erfüllten (Schmitt 2004: 190ff.). Auch wenn sich die Typologie philistäischer Terrakotten z.T. von den übrigen in Palästina präsenten Objekten unterscheidet, so reflektieren sie doch den gemein-levantinischen Gebrauch anthropomorpher und zoomorpher Ritualobjekte zur Sicherung des Schutzes und des Wohlstands des Haushalts sowie der Nachkommenschaft.

Abb. 4.12: Gebäude 5337 in Ashdod, Area H, Stratum XIII/XII (EZ I A) mit Verteilung der Objekte

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Abb. 4.13: Locus 5361 in Ashdod, Area H, Stratum X (EZ II A) mit Ritualobjekten aus dem Küchenbereich

4.3.3 Bestattungskultur und Totenfürsorge Strukturen der Totenfürsorge und Bestattungssitten sind in Philistäa nur schwer zu greifen: Bislang konnte in den philistäischen Hauptorten nur in Askalon eine größere Nekropole nachgewiesen werden (Master und Aja 2017) und das Bild der Bestattungskultur anderer Ortslagen in der Küstenebene, insbesondere in der frühen Eisenzeit, ist alles andere als einheitlich und mahnt zur Vorsicht im Hinblick auf ethnische Zuweisungen und Rückschlüsse auf die mögliche ägäische Herkunft der dort Bestatteten und ihrer Glaubensvorstellungen, wiewohl im Falle von Askalon mithilfe von DNA-Untersuchungen eine europäische Herkunft einiger Individuen nachgewiesen werden konnte (Feldmann u.a. 2019). Die früher oft mit den Philistern in Beziehung gebrachten Bestattungen in anthropoiden Sarkophagen in Deir el Balaḥ, Tell el-Farʿa Süd und Lachish (vgl. Dothan 1979: 98ff.; Brug 1985: 149ff.; Mazar 1990: 327) sind (ebenso wie jene in BethShean) als Bestattungen ägyptischer Offizieller zu betrachten, die gelegentlich in solchen Bestattungen in geringem Prozentsatz gefundene bichrome Ware ist insignifikant. Die Grabformen, die bichrome Keramik enthielten und daher mit den Philistern in Verbindung gebracht worden sind, sind nicht uniform, es fanden sich Bestattungen in Kammergräbern, Höhlen, Kastengräbern (sowohl Einzelgräber als auch Gruppengräber mit Steineinfassung), in zusammengesetzten Amphoren, einfachen Erdgräbern sowie gelegentlich (in Tell el-Fārʿa Süd, Tell el-ʿAǧūl und Azor) Kremationen. Kremationen der späten Eisenzeit II C und Eisenzeit III in Ruqeish südlich von Gaza sind als phönizisch anzusprechen (Oren 1995). In Askalon sind zudem Begräbnisse von Kindern unter Fußböden belegt. Die Gräber der EZ I–II A in Azor umfassen alle genannten Typen (M. Dothan 1993: 127ff.) und lassen daher keine klaren Rückschlüsse auf „philistäische“ Spezifika in der Totenfürsorge und den damit verbundenen Glaubensvorstellungen zu. Das Vorhandensein von Terrakotten von Klagefrauen in Azor und Tell ʿĒṭūn (Abb. 4.3b, c)41 lässt auf öffentliche Klagerituale schließen, die allerdings überall in der Levante der Eisenzeit vorauszusetzen sind. Die Beigabe von Klagefrauen-Terrakotten bei der Grablege könnte ferner dazu gedient haben, die Trauer, die einen Bestandteil der 41

Die Figurinen (Schmitt 1999: Kat. Nr. 9, 16 und 17) stammen zwar überwiegend aus dem Kunsthandel, ihre Herkunft aus Grablegen aus Tell ʿĒṭūn und Azor konnte aber wahrscheinlich gemacht werden (Dothan und Dothan 1992: 108, 200). © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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Totenfürsorge darstellt, über den Moment der Bestattung im Grabe hinaus, auf magisch-analogem Wege fortzuführen. Die Figurinen scheinen somit u. a. stellvertretend für das Mit-Sein der Familie über den Tod hinaus gestanden zu haben und sollten dem Toten vermutlich das Andenken der Anverwandten im Grab zusichern. Mindestens eine der vermutlich aus einem Grab vom Tell ʿĒṭūn stammenden Klagefrauen (Abb. 4.3b) weist deutliche eingeritzte Linien auf der linken Wange auf, die mit dem auch sonst in der Levante bekannten Trauerbrauch der Selbstmutilation durch Ritzung in Verbindung zu bringen sind.

4.4 Arbeitsbezogene Religionsausübung Der arbeitsbezogene Kult ähnelt von der materiellen Basis her stark dem Hauskult, insofern Werkstätten wohl häufig von Familien betrieben wurden, also dieselbe Trägergruppe haben und ist archäologisch oft nur schwer von Hauskulten zu unterscheiden (vgl. Albertz und Schmitt 2012: 228f.). Mit den Ritualinstallationen im Komplex der Olivenölindustrie in Tel Miqne/Ekron in der EZ II C liegt für Philistäa ein eindeutiges Beispiel für einen industriellen Kult vor, als dessen Trägergruppe wahrscheinlich nicht die erweiterte Familie, sondern die Gemeinschaft der Betreiber und Arbeiter dieses Betriebs anzusehen ist, also eine Art von Gilden-Kult. Im Kontext der Olivenölpressen und ihrer Nebengebäude konnten zahlreiche Hörneraltäre von bis zu 65 cm Höhe, Tonständer und andere Ritualobjekte, wie die häufig zum Räuchern benutzten Kelche (chalices), gefunden werden (MacKay 1995; dazu Albertz und Schmitt 2012: 205f.). Es steht zu vermuten, dass die vollzogenen Rituale Speise-, Trank- und Räucheropfer umfassten, unter den Opfergaben wohl auch das dort produzierte Öl. Diese Rituale können mit der Sicherung der Ernte, der Ölproduktion und ihres Erlöses sowie mit der Erzeugung bzw. Erhaltung der Solidarität innerhalb der dort tätigen Personengruppen in Verbindung gebracht werden. Nicht ganz eindeutig sind die Hinweise auf Ritualinstallationen in den Töpferarealen von Ashdod und Tel Miqne: Angrenzend an das Töpferareal in Ashdod, Area D, Stratum VIII (EZ II B) wurde ein baulicher Komplex als kleiner, mit der Töpferwerkstatt in Verbindung stehender Schrein gedeutet (Dothan und Freedman 1967; dazu Schmitt 1999: 582f.; 2008: 163ff.; Albertz und Schmitt 2012: 203ff.; Press 2012: 217f.; Ben-Shlomo 2019: 10). Die als kultisch gedeuteten Strukturen bestehen aus einer kleinen Plattform von ca. 1,35 x 1,15 m Größe mit einer Bank und drei unmittelbar angrenzenden Räumen, die Fragmente von Ashdoda-Figurinen und anderen Terrakotten, Krügen, Bechern, ein kleines Terrakottabassin sowie einen durchbrochenen Kultständer enthielten. Da keine Figurine oder anders Ritualobjekt unmittelbar mit der als Kultfokus gedeuteten Plattform assoziiert waren, bleibt die Evidenz ambivalent, zumal auch in anderen Teilen des Gebäudes Figurinen und andere Ritualobjekte, u.a. Fragmente von Kernos-Ringen und zoomorphen Gefäßen, gefunden wurden und diese auch in den nahe gelegenen Brennöfen gebrannt worden sind. Eine spezialisierte kultische Nutzung der Struktur ist daher wenig wahrscheinlich, eher kann hier – wie auch bei den Hausbefunden – eine gelegentliche rituelle Nutzung mehrerer Räume gleichzeitig erwogen werden, die vielleicht mit der Sicherung des Brennvorgangs in Verbindung zu bringen ist. Auch wenn es sich um Lagerräume der angrenzenden Töpferei handeln sollte, schließt dies eine gelegentliche kultische Nutzung freilich nicht aus. Der Befund aus Ashdod scheint sich mit dem aus der Töpferwerkstatt in Ekron/Tel Miqne Field I NE (Stratum VI–IV, EZ I–IIA) zu decken, wo ebenfalls ein kleiner Raum mit Podium entdeckt wurde. Terrakottafigurinen (Ashdodas und Psi-Figurinen) und andere typische philistäische Ritualobjekte wurden in einer Abfallgrube in der unmittelbaren Umgebung des Gebäudes gefunden (s. Elkowicz 2012: 43f.). Aber auch hier bleibt zu fragen, ob die Präsenz von Ritualobjekten nicht einfacher dadurch zu erklären ist, dass diese sich gehäuft in und im Umfeld ihrer Produktionsstätte fanden.

4.5 Die Ebene der lokalen Religionsausübung Strukturen lokaler Kultausübung lassen sich im Detail vor allem anhand der Tempel bzw. Schreine vom Tel Qasile, aus Naḥal Paṭṭīš und Tell eṣ-Ṣāfī/Gath, als deren Trägergruppe die lokale Bevölkerung gelten kann, untersuchen. Möglicherweise sind auch Building 300 und der offene Kultplatz auf dem Tel Michal (Makmiš)42 als philistäisch bzw. zeitweilig als unter philistäischer Kontrolle stehend zu betrachten (Jericke 2010: 91); die Affiliation ist jedoch unklar. Hinweise auf eine „offizielle“ Trägergruppe wie das Vorhandensein eines nahen oder verbundenen Palastes (wie bei der späteren Anlage 650 in Tel Miqne) lassen sich im Kontext einer „kleinstädtischen“ Siedlung wie Tel Qasile nicht beobachten. Die in einen Tempelbezirk mit 42

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Hof und Funktionsgebäuden integrierten Tempel 319 (Stratum XII), 200 (Stratum XI) und sein Nachfolgebau 131 (Stratum XI) sowie der auf der Westseite von Tempel 200/131 angebaute wesentlich kleinere Schrein 300 (Stratum XI–X) mit separatem Eingang (Mazar 1980: 13ff.) haben einen irregulären Grundriss, z.T. die Integration in eine geschlossene Bebauung sowie die Orientierung des Allerheiligsten nach Westen gemein (Mazar 1980: Fig. 13 u. 14). Hierin sollte man aber keine spezifische Symbolik sehen, da der Großteil der Tempel in der EZ (allerdings mit signifikanten statistischen Ausreißern) Kultfoki zwischen dem äußersten Südwesten und dem Nordwesten aufweist. In Stratum XII liegt der Eingang des größeren Tempels im Zentrum der Ostmauer, in Stratum XI im nördlichen Teil der Ostmauer und in Stratum X an der Nordseite in einer Vorkammer. Der eigentliche Kultfokus der Tempel scheint aber durch die den Cellae vorgelagerten Bänke bzw. Podien gebildet worden zu sein, auf denen Votivgaben und Ritualgerät abgestellt worden sind. Eine isometrische Rekonstruktion des Tempelbezirks in Tel Qasile Stratum X zeigt Abb. 4.14.43 Die Ausstattung mit Ritualgeräten der aufeinanderfolgenden Kultgebäude ist ähnlich und besteht fast durchweg aus Erweiterungen zeitgenössischer Ritualensembles aus Hauskontexten und umfasst zylindrische Tonständer (teils mit figurativer Dekoration), anthropomorphe und zoomorphe Libationsgefäße sowie andere Typen von sogenannten „trick vases“ und Kernoi, die deutlich keinen haushaltlichen Zwecken dienen, chalices (Kelchen, die auch als Räuchergerät Verwendung gefunden haben) und goblets (Bechern), Miniaturgefäßen sowie Gebrauchskeramik (zumeist Luxusware wie die bichrome Philisterkeramik) zur Nahrungskomsumption und Zubereitung, wie Kochtöpfe etc. (Albertz und Schmitt 2012: 231, Table 4.1). Kultaktivitäten in den Schreinen selbst bestanden wohl primär in Räucheropfern, Darbringung von Speisen und Getränken sowie deren Verzehr bei Kultmählern. Tieropfer scheinen aufgrund des Vorhandenseins einer Basis eines großen Altars (ca. 1,3 x 1,5 m) nur im Hof des Tempels 131 in Stratum X dargebracht worden zu sein, der aufgrund der Funde im Vorgängerstratum X primär für rituelle Mähler der Kultgemeinde genutzt worden ist. Tempel 131 ist auch die einzige Struktur, für die mit dem bereits erwähnten Miniaturschrein mit der Darstellung zweier Göttinnen des Qudšu-Typs ein Kultbild nachgewiesen werden konnte (Abb. 4.4).44 Die in Hauskontexten häufig gefundenen „Ashdodas“, Psi-Figurinen, männliche Repräsentationen sowie Tierfigurinen fehlen auffälligerweise in den Schreinen bzw. Tempeln. Der in Tel Qasile betriebene lokale Gemeinschaftskult unterscheidet sich trotz der Ähnlichkeiten beim keramischen Gerät demnach vom Hauskult und seinen unmittelbar auf die Familie bezogenen Bedürfnissen und scheint sich auf Gottheiten bezogen zu haben, die in der familiären Religion keine primäre Rolle zu spielen scheinen. Der kleinere Schrein 300 ist aufgrund seiner Größe eher für die Devotion kleiner Gruppen oder Einzelner geeignet und die Keramikfunde deuten auf Libationen und Speisegaben hin. Die nächste Parallele zu Tel Qasile ist der in Naḥal Paṭṭīš ausgegrabene Schrein (Abb. 4.15),45 der ebenfalls einen asymmetrischen Grundriss (hier jedoch L-förmig) aufweist (Nahshoni 2009; 2010; Vieweger 2012) und aufgrund der Funde von Keramik und Kultgerät (darunter zwei fenestrierte Kultständer) im Kultraum von der Ausgräberin als „hybrid Canaanite-Philistine“ eingestuft worden ist. Wie in Tel Qasile war der Kultfokus der Cella nach Nordwesten orientiert und der vorgelagerte Hof enthielt einen Altar. Zu den Funden zählt u.a. ein eigentümliches, als Kultständer gedeutetes Votivobjekt mit figurativen Appliken (Nahshoni und Ziffer 2009), das stilistisch (aber nicht typologisch) eine Verwandtschaft mit den Votivobjekten aus Yavneh (s.u.) zeigt. Die aufeinanderfolgenden früheisenzeitlichen Schreine in Tell eṣ-Ṣāfī/Gath, für die nur eine sehr vorläufige Publikation vorliegt (Dagan, Enuikhina und Maeir 2018), zeigen ebenfalls keine „standardisierten“ Elemente kultischer Architektur in Philistäa: Die Strukturen D3 (EZ II A) und D4 (EZ I B) scheinen architektonisch dem Typ des Vier-Raum-Hauses zu folgen (Abb. 4.16),46 wobei in Schrein D3 der Kultfokus im Norden durch einen Zwei-Horn Altar gebildet wurde. Zu den Funden aus dem D4-Schrein zählen 17 Votivgefäße und Schrein D3 enthielt ca. 200 Astragale, die auf Orakelpraxis hindeuten. Die Votivpraxis scheint aufgrund der Befunde aus einer Favissa (einer kultischen „Abfallgrube“) eines bislang nicht lokalisierten Tempels in Yavneh (Kletter, Ziffer und Zwickel 2010; 2015) dort eine große Rolle gespielt zu haben: Die Favissa enthielt eine große Anzahl von Votivgegenständen (Kletter in: Kletter, Ziffer und Zwickel 2010:184ff.) in Gestalt von (manchmal fälschlich als „Kultständer“ bezeichneten) Terrakottaobjekten, zumeist in rechteckiger, durchbrochener Form und mit anthropomorphen und zoomorphen Appliken (Löwen, Sphingen, Stiere) sowie mit Säulen und dem Motiv des sakralen Baumes verziert (Abb. 4.17a–d).47 43

Mazar 1980: Fig. 12. Mazar 1980: Fig. 20 (= Schmitt 1999: Kat. Nr. 112). 45 Nashoni 2009. 46 Dagan, Enuikhina und Maeir 2018: Fig. 2. 47 Kletter, Ziffer und Zwickel 2010: Kat. Nos. 79, 51, 37 und 53 (Umzeichnung IPIAO 4: 1201, 1202, 104,1205). 44

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Darüber hinaus fanden sich zahlreiche Kelche, Schalen (die z.T. zum Räuchern benutzt worden sind) und Weihrauchschaufeln. Es ist schwer zu entscheiden, ob die (insgesamt recht uniformen und wohl größtenteils aus einer Werkstatt stammenden) Ritualobjekte „offizielle“ Votive darstellen, die von Offiziellen in Auftrag gegeben und dargebracht worden sind, oder ob sie Votive von Privatpersonen darstellen, die zu diesem Zweck (wohl am Tempel selbst, der eine Werkstätte unterhalten haben muss) erworben worden sind. In diesem Fall wären sie ein Zeugnis für die Überschneidungen zwischen familiärer Religion und offiziellem Kult. Dies könnte dadurch bestätigt werden, dass ein Fragment eines den Votivobjekten in Yavneh ähnlichen Ritualgegenstands auch in einer Wohneinheit in Ashdod gefunden worden ist (s.o. Abb. 4.13). Was die Ikonographie der Ständer betrifft, so bilden diese m.E. nicht in jedem Fall Gottheiten ab (vgl. Ziffer in Kletter, Ziffer und Zwickel 2010: 86ff.), sondern evozieren durch die Darstellung von Stieren, heiligen Bäumen, Brüstehalterinnen und Männern mit erigiertem Glied (s.o. Abb. 4.10) eher die Bedürfnisse der Familie nach Wohlstand, weiblicher Fruchtbarkeit und männlicher Potenz.

Abb. 4.14: Isometrische Rekonstruktion des Tempelbezirks in Tel Qasile, Stratum X

Abb. 4.15: Schrein in Naḥal Paṭṭīš, Grundriss mit Position der Kultständer in L211

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Abb. 4.16: Schreine D4 und D3 in Tell eṣ-Ṣāfī/Gath

Abb. 4.17a–d: Votivobjekte aus der Favissa in Yavneh

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4.6 Die Ebene der offiziellen Religionsausübung Evidenz für den offiziellen Kult in einem der philistäischen Hauptorte lässt sich anhand der Tempelanlagen in Tel Miqne/Ekron (Gitin und Dothan 1987: 204f.; Dothan 1990: 29ff.; Dothan und Dothan 1992: 245ff.; Dothan und Gitin 1993: 1054ff.; Gitin 2012) erheben. Das erste Tempelgebäude in Stratum VIA (Tempel 351, EZ I) ist noch ein kleiner Lokalschrein aus Lehmziegeln mit zwei zu einem Hof hin geöffneten Räumen und einer sowohl zum Hof als auch zur Straße hin offenen Herdinstallation, für dessen Anlage ägäische Vorbilder geltend gemacht werden. Der Nachfolgebau in Stratum V mit einer Grundfläche von 15 x 21 m stellt bereits eine monumentale Struktur dar (Abb. 4.18 mit Verteilung von Ritualobjekten).48 Das Gebäude verfügt über eine von zwei Säulen getragene Eingangshalle, die in eine weitere Säulenhalle mit Bänken und einer Herdinstallation mündet, der drei nach Osten orientierte Cellae angelagert sind. Die zentrale Cella verfügt über ein Podium als Kultfokus mit Bänken, die südliche über eine Bank und die nördliche über eine Vertiefung. Alle drei Cellae enthielten Ritualobjekte, darunter das Rad eines kleinen fahrbaren Bronzeständers, Kelche (chalices), Miniaturgefäße, Kernosfragmente, Votivobjekte aus Fayence, Spielsteine (wohl als Lose), bichrome Ware, den Kiefer eines Wildschweins sowie einen offenbar als Votiv dort platzierten Eisenbarren. Ein Gründungsdepositum, bestehend aus einer Öllampe in zwei Schalen, fand sich in der südöstlichen Ecke der Haupthalle unterhalb des Bodens. Die Halle enthielt darüber hinaus Aschereste, Holzkohle und Fischgräten. Ein Annex zum Tempel weist eine steinerne Wanne auf, entweder zu Waschungen oder als Wasserreservoir. Zu den rituellen Praktiken gehörten demnach Tier-, Speise- und Trankopfer, rituelle Mähler und wohl auch divinatorische Praktiken. Die Anlage der Kulträume mit drei Cellae ist nicht singulär, sondern ähnelt dem moabitischen Tempel von Ḫirbet ʿAtarūs. Tempel 650 (Stratum I B/C, EZ II C), bestehend aus einer Halle mit zwei Säulenreihen in Westorientierung, mehreren Annexbauten und einer nach Süden orientierten bamah und einem monumentalen Hof übertraf Tempel 351 mit einer Fläche von 43 x 57 m bei weitem (Abb. 4.19).49 Durch die Votivinschrift des Königs Ikausu an die Göttin pt[g]yh und eine weitere des Königs Padi für Baʿal ist Tempel 650 als offizielles Heiligtum des staatlichen Kults ausgewiesen. Es ist daher zu vermuten, Tempel 650 mit dem in 2 Kön 1,2–4 genannten Tempel des Baʿal Zebul zu identifizieren, dem nach Ausweis der biblischen Erzählung eine überregionale Bedeutung zukam, da auch der König von Israel den Baʿal von Ekron konsultiert haben soll. Auch die oben genannten Weihungen an Aširat gehören zu diesem Tempel, der demnach dem Kult mindestens dieser drei Gottheiten diente. Über die Beziehung dieser drei Götter zueinander kann freilich nichts ausgesagt werden. Die Weihinschriften des Ikausu an „pt[g]yh, seine Herrin“ und des Padi für Baʿal zeigen jedoch die besondere Beziehung des Königs bzw. seiner Dynastie zu diesen beiden Göttern, ähnlich wie in den Inschriften der Könige von Byblos.50 Tempel 650 enthielt ein reichhaltiges Inventar, darunter einen Silberschatz, Bronze- und Elfenbeinobjekte sowie ein großes Ensemble an keramischem Ritualgerät und Gebrauchskeramik, dessen vollständige Publikation noch aussteht. Zu den Installationen im Tempel zählten zwei große Behälter im Eingangsbereich, möglicherweise für rituelle Waschungen, sowie eine Ölpresse zur Versorgung des Tempels mit Olivenöl. Im Kontext mit den der Aširat geweihten Amphoren wurde auch das bereits oben erwähnte Silbermedaillon mit der Darstellung eines Beters vor der Göttin Ištar gefunden.51 Da es sich um einen assyrischen Import handelt, ist die Aussagekraft dieses Objekts für die dort verehrten Götter gering, verweist jedoch auf eine Praxis, Preziosen an den Tempel als Votive zu geben. Gesicherte Darstellungen philistäischer Herrscher sind nicht bekannt. Das oben diskutierte Siegel aus Tell el-Fārʿa Süd (Abb. 4.8), das oftmals als Darstellung eines Philisterfürsten interpretiert wird, ist sehr wahrscheinlich ägyptischer Herkunft und stellt den Pharao vor Amun dar. Aus Askalon ist eine aus dem Meer geborgene, lebensgroße Statue bekannt, die – trotz des fehlenden Kopfes – sehr wahrscheinlich einen Herrscher in stark ägyptisierender Form darstellt. Über ihren ursprünglichen Kontext ist allerdings nichts mehr zu erheben, zudem weist die Statue keine Inschrift auf (Raban 2008; Berlejung 2017: 174ff.). Aufgrund einer Parallele aus Byblos handelt es sich um einen phönizischen Import, der eventuell akquiriert wurde, um einen lokalen Herrscher zu repräsentieren, es könnte sich jedoch auch um eine Repräsentation eines phönizischen Fürsten handeln, die vielleicht an den lokalen Astarte-Tempel gestiftet worden sein 48

Dothan und Dothan 1992: Pl. 27. Gitin 2012: Fig. 12. 50 Vgl. KAI 4–7, 10. 51 GGG 398. 49

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könnte. Das Objekt als stark typologisierte und idealisierte Repräsentation des Herrschers ist – ähnlich den ammonitischen Herrscherstatuen – als typisches Beispiel für die body politics (Kühn 2017) der palästinischen Könige zu werten. Divinatorische Praxis im Kontext offizieller Religion ist – abgesehen von den materiellen Befunden (Lossteine aus Tempel 605) – nur durch Fremdquellen belegt: Für die frühe Eisenzeit berichtet die ägyptische Wen-Amun-Erzählung über ein spontanes Orakel im Kontext eines durch König Tjeker-Baʿal durchgeführten Opferrituals (Schipper 2005: 56ff.; 105, Z. 1.38–1.42): Als er [Tjekerbaal, der König von Byblos] nun einmal seinen Götter[n] opferte, [d]a ergriff der Gott einen seiner Ekstatiker und versetzte ihn in Raserei, und er sagte zu ihm „Bring [den] Gott herauf, und bring den Boten, der ihn bei sich hat! Amun ist es, der ihn gesandt hat, er ist es, der ihn hat kommen lassen.“ Nun war der Ekstatiker gerade in der Nacht in Ekstase, in der ich ein Schiff mit der Bestimmung nach Ägypten gefunden und meine ganze Habe hineingeladen hatte und (nun) die Zeit verbrachte bis zur Dunkelheit mit den Worten: „Kommt sie herab, so werde ich (auch) den Gott verladen, damit kein anderes Auge ihn sieht.

In der Wen-Amun-Erzählung ergeht eine Orakelerteilung im Rahmen eines königlichen Opferrituals scheinbar spontan durch einen Orakelspezialisten (ägypt. ʿddʿ3, aram. ʿddn, heb. ʿôdēd ‚Seher‘/‚Prophet‘). Auch die Erzählung in 2 Kön 1 über den Unfall des Ahasja, des Königs von Israel und seine Anfrage an das Orakel des Baʿal Zebul von Ekron impliziert eine entsprechende Praxis intuitiver Mantik durch Propheten. Die philistäische Mantik im Kontext der offiziellen Religion fügt sich in das Bild der Dominanz intuitiver mantischer Praktiken im gesamten westsemitischen Raum im 1. Jt. ein. Daneben ist aber auch aufgrund von Funden von Spiel- bzw. Lossteinen im Tempel von Ekron mit Formen instrumenteller Mantik (Losorakel) zu rechnen, die auch für Juda und Israel vorauszusetzen sind. Wie in den anderen zeitgenössischen westsemitischen Religionen existieren keine Belege für eine von den Philistern nach mesopotamischem Muster betriebene Eingeweideschau. Sieht man von einigen wenigen importierten Votivobjekten ab, sind assyrische Einflüsse auf der Ebene der offiziellen Religion in Philistäa archäologisch nicht greifbar.

Abb. 4.18: Isometrische Rekonstruktion des Tempels in Tel Miqne, Field IV, Stratum V (EZ II A)

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Kapitel 4

Abb. 4.19: Rekonstruktion von Tempel 650 in Tel Miqne, Field IV, Stratum I B/C (EZ II C)

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Kapitel 5 Die Religion der Geschuriter, Gileaditer und der aramäischsprachigen Entitäten M. Bernett und O. Keel 1989: Mond, Stier und Kult am Stadttor: Die Stele von Betsaida (et-Tell), OBO 161, Fribourg/Göttingen; A. Biran 1994: Biblical Dan, Jerusalem; A. Biran 1998: Sacred Spaces of Standing Stones, High Places and Cult Objects at Tel Dan, in: BAR 24, 38–45, 70; E. Blum 2008: Die Kombination I der Wandinschrift vom Tell Deir ʿAlla, in: I. Kottsieper, R. Schmitt und J. Wöhrle (Hrsg.), Berührungspunkte: Studien zur Sozial- und Religionsgeschichte Israels und seiner Umwelt, FS Rainer Albertz, AOAT 350, Münster, 573–601; C. Bonnet und H. Niehr, Religionen in der Umwelt des Alten Testaments II: Phönizier, Punier und Aramäer, Studienbücher Theologie 4.2, Stuttgart, 304–308 (Niehr); S. J. Bourke 2004: Cult and Archaeology at Pella in Jordan: Excavating the Bronze and Iron Age Temple Precinct (1994–2001), in: Journal & Proceedings of the Royal Society of New South Wales 137, 1–31; I. Finkelstein 2013: The Forgotten Kingdom: The Archaeology and History of Northern Israel, Ancient Near Eastern Monographs 5, Atlanta, 119–128; P. M. Fischer 1994: Tell Abu Al-Kharaz: The Swedish Jordan Expedition 1992. Third Season Preliminary Report, in: ADAJ 38, 127–145; P. M. Fischer 2001: The Iron Age at Tall Abū al-Kharaz, Jordan Valley: The Third Major Period of Occupation, in: SAHJ VII, 305–317; C. Frevel 2016: Geschichte Israels, Studienbücher Theologie, Stuttgart, 188–191; L. Herr und M. Najjar 2008: The Iron Age, in: R. B. Adams (Hrsg.), Jordan: An Archaeological Reader, London and Oakville, 311–334; I. Kottsieper 1997: El – ferner oder naher Gott? Zur Bedeutung einer semitischen Gottheit in verschiedenen sozialen Kontexten im 1. Jtsd. v. Chr., in: R. Albertz und S. Otto (Hrsg.), Religion und Gesellschaft: Studien zu ihrer Wechselbeziehung in den Kulturen des Antiken Vorderen Orients, AOAT 248, Münster, 25–74; N. Na’aman 2012: The Kingdom of Geshur in History and Memory, in: SJOT 26, 88–101; M. Ottoson 2001: In Quest of the Arameans in Northern Jordan, in: SHAJ VII, 331–342; J. Pakkala 2010: What do we know about Geshur?, in: SJOT 24, 155–173; G. Theuer 2000: Der Mondgott in den Religionen SyrienPalästinas: Unter besonderer Berücksichtigung von KTU 1.24, OBO 173, Fribourg/Göttingen, 419–426; W. Zwickel 2016: Zwei Aramäerstaaten in der Beqaʿ-Ebene: Bet-Rehob und Aram-Zoba, in: UF 47, 431–448.

5.1 Einleitung Die Region von Geschur liegt am östlichen Ufer des Sees Genezareth zwischen dem Oberlauf des Jordan und dem Yarmuk im Südosten und war etwa seit der Mitte des 10. Jh. ein aramäisches Kleinkönigtum mit Betsaida (et-Tell) als Hauptort. Die Ausdehnung dieser Entität ist nicht genau zu ermitteln, Kinneret (Tell el-ʿOrēme) am Westufer des Sees dürfte nicht dazu gehört haben, wohl aber Tel Hadar (Šēḫ Hidr), Tel Dover und Tel ʿEn Gev am Ostufer. Das Kleinkönigtum Geschur ähnelt strukturell den spätbronzezeitlichen Stadtstaaten mit einem Hauptort und einigen Satellitensiedlungen. Geschur dürfte im 9. Jh. von AramDamaskus, wohl unter Hasael (ca. 843–803 v. Chr.), einverleibt worden sein. Betsaida wurde wahrscheinlich im Zuge der assyrischen Westexpansion um 732 zerstört. Noch weiter nördlich in Galiläa westlich des Jordanlaufs existierte eine weitere kleinere aramäische Entität, Maacha mit dem Hauptort Abel-BethMaacha (Tell Ābil el-Qamḥ), über die aber kaum etwas Sicheres zu erheben ist. Dan gehörte in der EZ II zeitweilig zum aramäischen Königtum von Bet-Rehob (vgl. Ri 18,28) und nach der Tel-Dan-Stele (KAI 310) während der EZ II B kurzzeitig zu Aram-Damaskus. Die Region von Gilead, östlich des Jordans, im Süden an Ammon grenzend und im Norden am Lauf des Yarmuk an Geschur, gilt im AT als Siedlungsgebiet der Stämme Manasse und Gad, stand aber historisch in der EZ II B ebenfalls zeitweise unter Kontrolle von Aram-Damaskus. Dass hier aramäische Traditionsliteratur gepflegt wurde, weist auf ein aramäisches Bevölkerungssubstrat hin. Der Tell Mazar hingegen scheint sich zeitweise unter ammonitischer Kontrolle befunden zu haben, wie theophoren Namen auf einem Ostrakon (CAI 147) nahelegen. Ethnische, kulturelle und politische Zuweisungen sind in dieser von Diversität geprägten Region jedoch schwierig. Die epigraphische und feldarchäologische Quellenlage bietet bestenfalls ein nur ausschnitthaftes Bild: Die wichtigste epigraphische Quelle, die Tell-Deir-Alla-Inschriften aus der Zeit um 800 v. Chr. sind im Hinblick auf ihre Lesung, Interpretation und Funktion in vielen Punkten umstritten. Für Geschur bietet der Befund des Torheiligtums von Betsaida zwar einen Einblick in den lokalen Kult aramäischer Prägung, für die Ortslagen im Gebiet von Gilead ist es oftmals nicht zu entscheiden, wie weit, in welchem Zeitraum und

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Kapitel 5

in welchem Umfang aramäischer Kultureinfluss beobachtet werden kann und welche religiösen Straten davon beeinflusst waren.

5.2 Götter und Elemente des religiösen Symbolsystems Die Stele vom Torheiligtum in Betsaida (Abb. 5.1)1 mit der stark stilisierten Darstellung einer stierköpfigen Gottheit stellt aufgrund seiner Attribute (Stierkopf und Schwert) prima vista eine Repräsentation des Wettergottes Hadad dar. Der Stierkopf mit den prominent ausgeführten Hörnern und das an der Hüfte geführte Schwert verweisen auf den kriegerischen Aspekt der Gottheit. Bernett und Keel (1998: 92) ziehen aufgrund der von ihnen als lunare Elemente der Ikonographie der Stele gedeuteten mondförmigen Hörner und der vier Kugeln (als Neumondsymbol) eine Interpretation eines als Wettergott interpretierten Mondgottes bzw. eines lunarisierten Wettergottes vor. M.E. ist die Deutung als Wettergott jedoch ikonographisch naheliegender als eine nur hypothetische Mischgestalt, deren Existenz mit den vorhandenen westsemitischen Textüberlieferungen des 1. Jt. nicht in Einklang zu bringen ist. Dass der Wettergott eine besonders prominente Rolle sowohl in der offiziellen wie der familiären Frömmigkeit im aramäischen Kulturraum einnimmt, zeigen sowohl die aramäischen Königsinschriften wie auch die aramäischen theophoren Namen, in denen Hadad bzw. Baʿal an Häufigkeit gleich hinter El firmiert (Albertz und Schmitt 2012: Table 5.11). Epigraphisch bezeugen die aramäischen Inschriften vom Tell Deir Alla2 die Gottheiten El, Šagar, Aštar, (rekonstruiert) Šamaš,3 die Gruppe die Šadday-Götter sowie (in Kombination II: 13) den Totengott Mot. El, der alte westsemitische Hoch- und Schöpfergott ist auch in den anderen aramäischen Staaten im 1. Jt. v. Chr. nach Ausweis der theophoren Namen die bei weitem prominenteste Gottheit, gefolgt vom Wettergott Baʿal/Hadad (Albertz und Schmitt 2012: Table 5.7). Die oftmals in der Literatur zu findende Behauptung, El sei ein deus absconditus gewesen, ist völlig haltlos (Kottsieper 1997; 2013). In der Kombination I der Tell-Deir-Alla-Inschrift kommen und reden die Götter auf Geheiß Els zu dem Seher Bileam. Šagar ist eine schon in Ugarit bekannte Mondgottheit und ist der aramäische Name des Mondgottes von Harran, in den akkadischen Quellen als Sin von Harran angesprochen, der aber über eine eigene, typische Ikonographie und Charakteristik verfügt.4 Neben seiner positiven Rolle in der Sicherung von Fruchtbarkeit und Nachkommenschaft eignet Šagar nach der Kombination I der Tell-Deir-Alla-Inschrift auch eine unheilvolle Seite, indem er eine der Gottheiten zu sein scheint, die Unglück über die Welt bringen. Dies könnte mit ungewöhnlichen Himmelserscheinungen wie Blutmond und Mondfinsternissen zusammenhängen, die als böses Omen galten. Zudem zeigen Störungen im Zyklus des wichtigen Zeitmessers eine potentielle Bedrohung der kosmischen Ordnung an. Ein Siegel der EZ II C aus Deir Alla zeigt einen sitzenden Beter vor dem Symbol des Mondgottes (Abb. 5.2).5 Aštar (Attar), der Gott des Morgensterns, ist ebenfalls in Ugarit belegt und ist das männliche Pendant zu Ištar, mit der er auch den kriegerischen Aspekt teilt. In Moab wird der Nationalgott Kamoš mit Aštar gleichgesetzt. Die Gottheit findet sich zwar als Bestandteil von theophoren Namen im aramäischen Sprachraum, ihr kommt aber aufgrund der wenig zahlreichen Belege keine prominente Funktion im familiären Symbolsystem zu. Der Sonnengott Šamaš ist durch seine häufige Erwähnung in aramäischen Königsinschriften und anderen epigraphischen Zeugnissen6 als wichtige überregionale aramäische Gottheit ausgewiesen. Die Gruppe der Šadday-Gottheiten (die ‚Bergbewohner‘) steht – da parallel mit ‚den Göttern‘ (ʾlhn) – genannt, für die Versammlung der Götter im Allgemeinen und meint keine besonders hervorgehobene Gruppe innerhalb des Pantheons. Ob der Befund der Texte vom Tell Deir Alla ein spezifisches lokales Pantheon reflektiert, ist eher unwahrscheinlich – die Nennung der Gottheiten hängt eher mit ihrer Funktion im Text selbst zusammen und dürfte daher kaum das gesamte Pantheon abbilden. Die Inschriften vom Tell Deir Alla sind nicht nur bedeutsam, weil sie den aus Num 22–24 bekannten (hier moabitischen) Seher Bileam ben Beor erwähnen, sondern auch im Hinblick auf die Mantik, die Herausbildung ‚prophetischer‘ Traditionsliteratur im aramäischen Sprachraum und auf das religiöse Symbolsystem im allgemeineren Sinne. In der Kombination I der Texte ist deutlich, dass es sich um ein Buch bzw. 1

GGG 394. KAI 312 (= ARI: DA[9]); vgl. TUAT II, 138ff.; Blum 2008 und ders., in: TUAT NF 8, 459ff. 3 Von Blum 2008 als weiblich verstanden. Im 1. Jt. dominiert im westsemitischen Kulturraum jedoch der männliche Sonnengott, s. unten Anm. 6. 4 Die häufige Identifikation von Šagar mit einer Göttin ist angesichts der Belege irrig (s. Theuer 2000: 422f.). 5 CSAJ Tall Deir ʿAlla 28. 6 U.a. KAI 202 B: 24; 214; 215; 222, 225. 2

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eine Sammlung der Gesichte bzw. Lehren des ‚Göttersehers‘ (ʼš. ḥ[z]h. ʼlhn) Bileam handelt. Die Kombination I der Tell-Deir-Alla-Inschrift beschreibt ein Szenario göttlicher Heimsuchung, das durch die Götter herbeigeführt und wohl (in I: 7f.) durch Šamaš (nach alternativen Ergänzungen durch Šagar)7 ausgeführt wird, der ja auch die wichtigste die Zeit strukturierende Gottheit ist. Die Beteiligung von Šagar und Aštar (in I: 15) am unheilvollen Tun der Götter hängt wohl ebenfalls mit deren Funktion in der Strukturierung der Zeit zusammen. Das Szenario dieser Heimsuchung ähnelt der späteren apokalyptischen Literatur, in der als Folge göttlichen Zorns die Welt vollkommen verkehrt wird. Es ist unklar, ob der Text eventuell auf existierende Mythologeme zurückgreift. Die Kombination II ist am ehesten als weisheitliche Diskursliteratur in der Tradition der skeptischen Weisheit und des Schreiberlobs zu verorten. Die Inschriften können als Traditionsliteratur bezeichnet werden, die ältere literarische Vorlagen gesammelt und verarbeitet hat. Die TellDeir-Alla-Texte bezeugen damit die Herausbildung von prophetischer und weisheitlicher Traditions- und Fortschreibungsliteratur im aramäischen Sprachraum, die an ältere Prophetenüberlieferungen anknüpft. Der „Sitz im Leben“ der Texte dürfte der Schulbetrieb gewesen sein und nicht unmittelbar die Mantik, obwohl auch prophetische Gruppen als Träger in Frage kommen. Was die Mantik selbst betrifft, so charakterisiert die Bileam-Überlieferung diesen als einen intuitiven Mantiker, der wie im AT als ḥōzeh ‚Seher‘ bezeichnet wird. Die Vision ergeht an den Seher ohne eine Induzierung durch Trance oder ähnliches durch eine nächtliche Erscheinung der Götter (wohl im Traum), die zu ihm sprechen. Die lokale aramäische Religion teilt damit die im westsemitischen Raum im 1. Jt. v. Chr. generell zu beobachtende Bevorzugung der intuitiven Mantik gegenüber komplexen Formen der instrumentellen Divination, insbesondere der Leberschau, deren Wissenspool im 1. Jt. verloren gegangen ist (Schmitt 2014: 163).

Abb. 5.1: Betsaida-Stele

Abb. 5.2: Siegel vom Tell Deir Alla

5.3 Die Ebene der Familienreligion, des Hauskults und der Totenfürsorge Auswertbare Grabungsbefunde aus Geschur für den Hauskult liegen bislang nicht vor, jedoch sind Strukturen des Hauskults in Gilead in der Periode der EZ II A–B durch die Grabungen in Pella/Tabaqāt Faḥl (Potts, Colledge und Edwards 1985), Tell es-Saʾīdīyeh (Pritchard 1985; Pritchard und Tubb 1993) und Tall Abū al-Ḫaraz rekonstruierbar. In Pella wurde eine (allerdings schlecht erhaltene) früheisenzeitliche Wohnstruktur (Plot IVE) freigelegt, die zwischen zwei Schichten aus Asche ein Keramikensemble, bestehend aus zwei turmartigen Kultständern (Abb. 5.3a–b),8 einem Fragment eines Kultständers mit Aufsatzschale sowie Gebrauchskeramik wie Kochtöpfe, Schalen, Krüge und Vorratsgefäße enthielt. Der besser erhaltene Kultständer Abb. 5.3a ist mit dem Motiv des „Heiligen Baumes“ dekoriert, der schlechter erhaltene Abb. 5.3b mit zwei applizierten Plakettenfiguren mit Hathorlocken und Löwenköpfen, die auf die häusliche Verehrung einer Göttin des Qudšu-Typs verweisen. Die Kultständer und der Fundzusammenhang ähneln stark den Befunden aus 7

Hoftijzer (TUAT II: 141) rekonstruiert hier Šagar und nicht Šamaš. Albertz und Schmitt 2012: Fig. 9.83 (Umzeichnung des Verfassers nach Potts, Colledge und Edwards 1985: Pl. 41, 42). 8

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Taanach (s. Albertz und Schmitt 2012: 169f.). Hier wie dort handelt es sich nicht um primär kultische Strukturen, sondern um wohn- bzw. arbeitsbezogene Einrichtungen mit einem erweiterten häuslichen Ritualensemble. Tell es-Saʾīdīyeh Haus 64 (Stratum VII), vom Ausgräber in die Eisenzeit II B zwischen 825 und 790 v. Chr. datiert, enthielt eine bislang einmalige Installation zur häuslichen Kultausübung (Abb. 5.4):9 Eine perforierte Räuchertasse bzw. tripod cup befand sich in situ in einem in eine verputzte Lehmziegelplattform eingelassenen Becken, umgeben von Holzkohle und Asche. Zwei weitere Räuchertassen wurden in der Umgebung der Plattform auf dem Fußboden gefunden. Der Raum enthielt darüber hinaus vier Lampen, einen Krug und zwei Krüglein sowie einen Reibstein. Zu den weiteren Funden zählen eine Sammlung von neun Muscheln und zwei Perlen. Das Arrangement mit den Räuchertassen auf der Plattform ist wohl nicht üblichen Haushaltsaktivitäten zuzurechnen, sondern diente, wie die Asche um die Räuchertasse zeigt, dem Rauchopfer. „Sammlerstücke“ wie Muscheln deuten auf ein damit verbundenes Votivbrauchtum hin. Ein vergleichbares Ensemble fand sich in einem Hof-Haus der Eisenzeit II C auf dem Tall Abū al-Ḫaraz (Abb. 5.5).10 Hier wurden zwei Räuchertassen (allerdings nicht im selben Locus) im Kontext mit Keramik zur Speisezubereitung bzw. zum Verzehr sowie mit einem Vorratsgefäß mit Astragalen (Lossteinen) und zahlreichen Pfeilspitzen gefunden. Die Astragale und die Pfeilspitzen könnten auf mantische Praktiken (Losorakel und Belomantie) hindeuten. Weitere Funde aus Hauskontexten beinhalten ein Ensemble aus einer Räuchertasse und einem zoomorphen Libationsgefäß zusammen mit Keramik zur Nahrungszubereitung bzw. zum Konsum von Speisen. Besondere Funde stellen das Fragment einer anthropomorphen Statuette bzw. eines anthropomorphen Kultständers in Gestalt eines bärtigen Mannes, wie sie zeitgenössisch aus Moab und Edom bekannt sind11 und die (evtl. wiederverwendete) Bronzefigur eines Wettergottes in einer (kultischen?) Abfallgrube der Eisenzeit II B in einem Wohnareal vom Tall Abū al-Ḫaraz12 dar. Die Bestattung des wertvollen Objekts ist wohl im Kontext einer Votivpraxis der örtlichen Elite zu werten. Die präsentierten Beispiele aus Hauskontexten deuten auf eine häusliche rituelle Praxis von Speise-, Trank- und Räucheropfern sowie von Ritualen häuslicher Devotion vor einem Götterbild hin. Der früheisenzeitliche Kultständer mit den Figurenappliken bezeugt die Verehrung einer weiblichen Gottheit im Haushalt, die Figur des Wettergottes der EZ II zeigt dessen Verehrung in Gestalt eines Kultbildes im Haus und dessen Verwendung als wertvolles Votiv. Die Hausbefunde aus Gilead entsprechen im Hinblick auf die materielle Kultur im Wesentlichen den zeitgenössischen Cisjordanischen.

Abb. 5.3a–b: Kultständer aus Pella (EZ I B–EZ II A)

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Montage des Verfassers nach Pritchard 1985: Fig. 5; 177. Abbildung: Montage des Verfassers nach Fischer 1995: Fig. 5 und 7.1–5. Siehe dazu Albertz und Schmitt 2012: 176f. 11 Fischer 1994: Fig. 6.1. 12 Fischer 2001: 312, Fig. 8. 10

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Abb. 5.4: Tell es-Saʾīdīyeh Haus 64 (EZ II B)

Abb. 5.5: Tall Abū al-Ḫaraz, Haus in Area 7 (EZ II C)

5.4 Die Ebene der lokalen und regionalen Religionsausübung Strukturen des lokalen Kults in der Eisenzeit II B sind in Betsaida (et-Tell) und Tel Dan (dessen Zugehörigkeit in der EZ II B unklar ist, aber wohl zeitweilig zu Bet-Rehob gehörte) in Gestalt von Torheiligtümern gut dokumentiert (Biran 1994; 1998; Bernett und Keel 1998; zusammenfassend Albertz und Schmitt 2012: 232f.). In Betsaida wurde eine dem rechten Torturm vorgebaute, ca. 1m hohe Plattform (bamah) mit Treppe und Opfertrog freigelegt, auf der eine 1,15 m hohe Stele aufgestellt war, die mit der stark stilisierten Darstellung einer Gottheit mit Stierkopf und Schwert dekoriert ist (Abb. 5.1). Der Opfertrog enthielt zwei zerbrochene Räuchertassen. Unmittelbar links vom Podium befand sich eine anikonische Mazzebe. Die ursprüngliche Position von zwei weiteren Mazzeben ist nicht mehr exakt zu bestimmen. Die Attribute der © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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stilisierten Figur auf der dekorierten Stele weisen auf den Wettergott Hadad (s.o. 5.2). Im Torbereich von Tel Dan wurden gleich mehrere Installationen mit (allerdings weitaus kleineren) Mazzeben freigelegt sowie ein flaches Podium, das wahrscheinlich ebenso der Aufstellung einer Mazzebe diente. Im Kontext einer der Installationen mit fünf kleinen Mazzeben und einer Bank (Locus 5122b) wurde ein Ritualensemble bestehend aus zwei Räuchertassen, zwei Lampen, drei Schalen und einer Platte entdeckt. Vergleichbare Anlagen sind aus Tell el-Farʿah Nord und Ḫirbet el-Mudēyine belegt, sind also kein Proprium aramäischer Religion. Die Torschreine dienten wohl nicht großen, öffentlichen Ritualen, sondern sind (dem Umfang der Ensembles von Ritualgerätschaften nach) eher als Ort für en passant-Rituale Einzelner oder kleinerer Gruppen der lokalen Bevölkerung anzusprechen, u.a. zur rituellen Sicherung des Ein- und Ausgangs bzw. der Reise durch die Gabe von Räucher- und Speiseopfern oder der Niederlegung von Votivgaben (zu denen auch die Räuchertassen gerechnet werden können). Für den lokalen bzw. Stadtkult bietet der Tempel III der EZ II B in Pella ein instruktives Beispiel (Bourke 2004): Das Gebäude wurde auf den Überresten des mit 32 x 24 m relativ großen spätbronzezeitlichen Antentempels errichtet, wobei nur noch der Bereich des ehemaligen Allerheiligsten genutzt wurde. Der ca. 12 x 16 m große Langraumtempel mit indirektem Zugang und mit einem Allerheiligsten mit Bänken in Nordorientierung (Abb. 5.6)13 besaß einen vorgelagerten Altar für Schlachtopfer, deren Überreste (junge Ziegen und Schafe) sich in mehreren pits im Tempelareal fanden. In der (um 800 datierten) Zerstörungsschicht des Tempelgebäudes fanden sich eine Reihe von Ritualobjekten: Ein als Modellschrein gedeutetes Objekt mit Stierkopfappliken (Abb. 5.7),14 das seine nächsten Parallelen in den Votivobjekten aus der Yavneh-Favissa hat (s. Abb. 4.17a–d) sowie ein Kelch (chalice) und drei perforierte und unperforierte Räuchertassen bzw. tripod cups (Abb. 5.8).15 Zu den im Tempel vollzogenen Ritualen gehörten demnach Schlachtopfer (vielleicht auch zum kommunalen Verzehr), Libations- und Räucheropfer und Votivpraktiken. Die (bis auf das ungewöhnliche Votivobjekt) auch in Hauskontexten üblichen Ritualobjekte lassen auf Überschneidungen zwischen der familiären und der lokalen Religionsausübung schließen.

5.5 Die Ebene der offiziellen Religionsausübung Über die Ebene der offiziellen Religion in Geschur kann nicht viel mehr gesagt werden, als dass die Einrichtung des Torheiligtums im Hauptort Betsaida wahrscheinlich auf „offizielle“ Initiative hin geschah, zumal die Akquirierung einer dekorierten Stele einigen finanziellen Aufwand erforderte und ihre Positionierung im Torbereich nur auf Anweisung lokaler Autoritäten denkbar ist. Auch der Fundkontext der DeirAlla-Texte deutet auf eine (mehr oder weniger) „offizielle“ bzw. administrative Initiative hin, wenn es sich bei dem Gebäude (was naheliegend ist) um eine Schreiberschule oder um eine vergleichbare Einrichtung religiösen Charakters (Propheten-Schule) handeln sollte. Die Pflege von Unterricht und Literatur und deren Unterhalt sind auf jeden Fall im Umkreis von Tempel und Palast zu suchen. Ob der Tempel der EZ II in Pella in den Kontext eines staatlich bzw. von einem Stadtkönigtum administrierten Kultes gehörte, ist eher unwahrscheinlich, da dieser im Vergleich zu seinem erheblich größeren Vorgängerbau der SBZ eher den Charakter eines lokalen Schreins hat.

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Bourke 2004: Fig. 3. Bourke 2004: Fig. 17. 15 Bourke 2004: Fig. 18. 14

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Die Religion der Geschuriter, Gileaditer und der aramäischsprachigen Entitäten

Abb. 5.6: Pella Tempel III, EZ II B

Abb. 5.7: Votivobjekt aus Pella Tempel III

Abb. 5.8: Ritualobjekte aus Pella Tempel III

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Kapitel 6 Die Religion der Ammoniter A. Abou-Assaf 1980: Untersuchungen zur ammonitischen Rundbildkunst, in: UF 12, 7–102; R. Albertz und R. Schmitt 2012: Family and Household Religion in Ancient Israel and the Levant, Winona Lake; 236–237; A. J. ʿAmr 1990: Four Ammonite Sculptures from Jordan, in: ZDPV 106, 114–118; W. E. Aufrecht 1999a: The Religion of the Ammonites, in: B. Macdonald und R. W. Younker (Hrsg.), Ancient Ammon, SHCANE 17, Leiden/Boston/Köln, 152–161; W. E. Aufrecht 1999b: Ammonite Texts and Language, in: ebd., 163–188; A. Berlejung 2017: Dimensionen der Herrschaftslegitimität: Ikonographische Aspekte königlicher Selbstdarstellung in den Kulturen der südlichen Levante der Eisenzeit anhand der Bildwerke von Baluʿa, Yarih-ʿezer und Askalon, in: C. Levin und R. Müller (Hrsg.), Herrschaftslegitimation in vorderorientalischen Reichen der Eisenzeit, ORA 21, Tübingen, 147–187; P. Bienkowski (Hrsg.) 1992: Early Edom and Moab, Sheffield Archaeological Monographs 7, Sheffield; J. S. Burnett 2016: Ammon, Moab and Edom: Gods and Kingdoms East of the Jordan, in: BAR November/December, 26–40, 66–67; D. R. Clark u.a. 2014: The Madaba Plains Project: Forty Years of Archaeological Research into Jordan‘s Past, London/New York; C. Cornell 2015: A Moratorium on God Mergers? The Case of El and Milkom in the Ammonite Onomaticon, in: UF 46, 49–99; P. M. M. Daviau 2003: Excavations at Tell Jawa, Jordan Vol. 1&2, SHCANE 11, 1,2, Leiden/Boston; P. M. M. Daviau 2014: Anomalies in the Archaeological Record: Evidence for Domestic and Industrial Cults in Central Jordan, in: R. Albertz u.a. (Hrsg.) Family and Household Religion: Toward a Synthesis of Old Testament Studies, Archaeology, Epigraphy, and Cultural Studies, Winona Lake, 103–127; R. H. Dornemann 1983: The Archaeology of Transjordan in the Bronze and Iron Ages, Milwaukee; D. Elkowicz 2012: Tempel und Kultplätze der Philister und der Völker des Ostjordanlandes: Eine Untersuchung zur Bau- und Kultgeschichte während der Eisenzeit I–II, AOAT 378, Münster; D. Elkowicz 2014: Der ammonitische Mondtempel von Ruǧm el-Kursi und die Tempel des syrischen Tempeltypus, in: BN 160, 51–57; L. Herr und M. Najjar 2008: The Iron Age, in: R. B. Adams (Hrsg.), Jordan: An Archaeological Reader, London/Oakville, 311–334; U. Hübner 1992: Die Ammoniter: Untersuchungen zur Geschichte, Kultur und Religion eines Transjordanischen Volkes im 1. Jahrtausend v. Chr., ADPV 16, Wiesbaden; U. Hübner 1993: Das ikonographische Repertoire der ammonitischen Siegel und seine Entwicklung, in: B. Sass und C. Uehlinger (Hrsg.), Studies in the Iconography of Northwest Semitic Inscribed Seals, OBO 125, Fribourg/Göttingen, 130–160; U. Hübner 2009: Der Mondtempel auf Ruǧm el-Kursī in der Ammonitis, in: M. Pietsch und F. Hartenstein (Hrsg.), Israel zwischen den Mächten, FS Stefan Timm, AOAT 364, Münster, 145–153; U. Hübner 2015: Noch einmal zum ammonitischen Mondtempel auf Ruǧm al-Kursī, in: WdO 45,2, 193–199; Ø. S. LaBianca und R. W. Younker 1995: The Kingdoms of Ammon, Moab, and Edom: The Archaeology of Society in Late Bronze/Iron Age Transjordan (ca. 1400–500 BCE), in: T. E. Levy (Hrsg.), The Archaeology of Society in the Holy Land, London, 399–415; H. Niehr 1998: Religionen in Israels Umwelt, Die Neue Echter Bibel Ergänzungsband 5, Würzburg, 211–213; B. MacDonald und R. W. Younker (Hrsg.) 1999: Ancient Ammon, SHCANE 17, Leiden/Boston/Köln; E. Stern 2001: Archaeology of the Land of the Bible Vol. II, New Haven/London, 236–258; G. Theuer 2000: Der Mondgott in den Religionen SyrienPalästinas, OBO 173, Fribourg/Göttingen, 413–415; C. W. Tyson 2014: The Ammonites: Elites, Empires, and Sociopolitical Change (1000–1500 BCE), London/New York; K. Yassine 1988: Archaeology of Jordan: Essays and Reports, Amman; K. Yassine 1999: Burial Customs and Practices in Ancient Ammon, in: B. Macdonald und R. W. Younker (Hrsg.), Ancient Ammon, SHCANE 17, Leiden/Boston/Köln, 137–151.

6.1 Einleitung Ammon ist in der Eisenzeit sowohl Eigen- als auch Fremdbezeichnung (ammonitisch ʿmn, als Gentizilium bn ʿmn; hebr. ʿammon, als Gentizilium ʿammonī; akkad. bīt ammana) für einen Territorialstaat im westlichen Bereich des transjordanischen Hochplateaus. Nach Hübner (1992: 131ff.) war Ammon ein Zwergstaat mit einer Ausdehnung von ca. 40–50 km in Nord-Süd-Richtung und einer West-Ost-Ausdehnung von ca. 25–35 km. Im Süden grenzte Ammon auf der Linie Nebo – Heschbon an Moab, im Westen an Israel auf der Linie Buqēʿa – Tell Ṣāfūṭ – Ḫirbet el-Ḥaǧǧār und im Norden wiederum etwa auf der Höhe des Wadi azZarqa an Israel. Die Ostgrenze bildet der Übergang zur jordanischen Wüste. Einzelne Forscher (Herr 1999) nehmen jedoch eine diese Grenzen übergreifende ammonitische materielle Kultur an. Nach Ausweis ammonitischer Namen auf einem Ostrakon vom Tell Mazar (CAI 147) dürfte dieser zumindest zeitweise unter ammonitischer Kontrolle gestanden haben. Die Hauptstadt in der Eisenzeit war Rabbat-Ammon, das helle© 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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nistische Philadelphia. Die Zeit der Herausbildung eines monarchischen Territorialstaates in Ammon ist umstritten: Maximallösungen (Younker 1999) gehen von der Etablierung einer staatlichen Entität bereits in der EZ I aus, Minimallösungen tendieren zu einer Entstehung im 9. Jh. (EZ II B) mit dem Aufkommen einer eigenen Schriftkultur. Siedlungsarchäologisch ist eher mit einem Prozess der Staatwerdung zu rechnen, der – wie auch in Israel und Juda – in der frühen Eisenzeit beginnt und in der EZ II B als etabliert gelten kann. Ammon gerät in der Regierungszeit Tiglatpilesers III. (745–727) wie seine Nachbarn in assyrische Vasallität, wurde aber wohl nicht in das assyrische Provinzsystem integriert. Nach Josephus (Ant 10.9.7) wurde Ammon im fünften Jahr nach dem Fall Jerusalems von Nebukadnezzar II. annektiert, was das Ende der eigenstaatlichen Existenz markiert. Die epigraphischen Zeugnisse sind im Corpus of Ammonite Inscriptions (CAI²) gut erschlossen, ebenso die ammonitischen Siegelamulette (WSS; CSAJ). Das Ammonitische steht dem Hebräischen und den anderen transjordanischen Formen des Kanaanäischen nahe. Der Umfang des ammonitischen Textmaterials erlaubt aber keine weiteren Schlüsse im Hinblick darauf, ob es sich um einen Dialekt oder um eine eigene Sprache handelt (Aufrecht 1999b: 71). Neben den Textbefunden können Befunde der Feldarchäologie zu Haus- und Grabkontexten, (mit Einschränkungen) die Siegelbilder sowie einige Objekte der Großplastik zur Rekonstruktion der ammonitischen Religion herangezogen werden.

6.2 In Ammon belegte Götter und Elemente des religiösen Symbolsystems Nach Ausweis der Personennamen und der anderen epigraphischen Quellen ist die ammonitische Götterwelt ähnlich überschaubar wie die der anderen transjordanischen Völker (siehe Übersicht 3):1 Am häufigsten in theophoren Namen genannt ist der kanaanäische Hochgott El mit ca. 171 Belegen, was rund 81% aller Namen ausmacht, alle anderen Götter sind dagegen mit 1–7 Nennungen eher dünn belegt, so Milkom, MLK, der Wettergott Baʿal/Adad, der Mondgott Yariḥ (im Namen des Königs Yariḥʿezer, s.u.), der Totengott Mot, und der israelitisch/judäische Jahwe (s. Albertz und Schmitt 2012: 510; Aufrecht 1999a: 156). Welche Gottheiten mit den Epitheta ʾadōn bzw. māreʾ ‚Herr‘ (insgesamt 6-mal belegt) angesprochen werden, ist nicht ganz deutlich, hier ist wahrscheinlich an El zu denken. Unklar ist ebenso, welche Göttin mit ʾaḥat ‚Schwester‘ bezeichnet wurde. Milkom gilt aufgrund der Zitadelleninschrift aus Amman (CAI 59; erhalten ist allerdings nur die Buchstabenfolge [.]lkm) und nach den alttestamentlichen Quellen als Haupt- bzw. Nationalgott der Ammoniter (1 Kön 11,5.7.33 und 2 Kön 23,13 sprechen von Milkom bzw. mlk als dem Gott bzw. Gräuel der Ammoniter; beides jedoch in polemischer Absicht mit Bezug auf dessen Kult bzw. auf den Molech-Kult in Juda). Der für die römische Zeit als Gott von Philadelphia bezeugte Herakles (Meshorer 1985: 96; Nr. 263, 264), wird (analog dem tyrischen Melqart) als interpraetatio graeca bzw. romana des Milkom angesehen. Die Funktion Milkoms als primäre Gottheit Ammons muss aufgrund der geringen Anzahl der ammonitischen Belege (maximal 7)2 jedoch hinterfragt werden. Auch die auffällige Diskrepanz zwischen der Fremd- und Eigenbezeugung für Milkom sollte hier zur Vorsicht raten. Die Theaterinschrift aus Amman (CAI 58) erwähnt Baʿal und keiner der bekannten Herrscher von Ammon trägt einen Milkom-haltigen Namen. Da auch mehrere Könige (Padaʾil I./II., Haṣṣilʾil und Būdi-il3) einen El-haltigen Namen tragen, ist eher anzunehmen, dass es sich aufgrund der deutlichen Massierung der Belege für El bei diesem um die Nationalgottheit handelt, der in den Feldern der offiziellen und der familiären Religion dominiert (so auch Aufrecht 1999a: 159). Auch die aramäische Bileam-Inschrift vom Tell Deir Alla legt einen Primat Els nahe. Dass es sich bei El und Baʿal um Appellativa für Milkom handelt (so u.a. GGG 239), ist aufgrund der übrigen westsemitischen Bezeugung dieser Götter (so z.B. die Pannamuwa-Inschrift KAI 214 und die Barrakib-Inschrift KAI 215, die Hadad und El an erster bzw. zweiter Stelle führen) auszuschließen (vgl. Cornell 2015). Aufgrund der Kulttradition des Milkom/Herakles in Rabbat Ammon/Philadelphia ist es wahrscheinlich, dass dieser der Stadtgott der Hauptstadt war. Die Zitadelleninschrift CAI 59 mit der Formulierung, dass Milkom den Sieg schenken wird, lässt im Weiteren nicht zwangsläufig darauf schließen, dass der Sieg im Krieg ausschließlich in den Zuständigkeitsbereich Milkoms fällt, da auch auf der Ebene der offiziellen Religion unterschiedliche Gottheiten ähnliche Funktionen haben können, wie insbesondere die Inschrift 4.2 aus Kuntil1

Nach Albertz und Schmitt 2012: Table 5.10. Neben der Inschrift CAI 59, dem Ostrakon CAI 147 und dem Siegel CAI 129 (= CSAJ: Tall al Umeiri 4, siehe unten Abb. 6.15), stammen alle weiteren Belege (CAI 1, 2, 55, 61, 127, 136) aus dem Kunsthandel. 3 Letzterer nur assyrischen Zeugnissen (RINAP 4: Q003230 [Esarhaddon 001] v 54.) 2

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let ʿAǧrūd belegt. Die theophoren Personennamen tragen nichts zur Unterscheidung der Funktionsbereiche von El und Milkom bzw. anderer Gottheiten aus, da in diesem Kontext funktionale Differenzierungen der Gottheiten keine Rolle spielen (gegen Cornell 2015). Aus Amman und Umgebung sind eine Anzahl von Großplastiken bzw. Fragmenten von solchen der EZ II B–C bekannt (Abou Assaf 1980), die aufgrund ihrer ikonographischen Charakteristika als Götterbilder anzusprechen sind: Die besterhaltene Statuette III aus Amman (Zitadelle) ist ca. 81 cm hoch und zeigt einen auf einem Sockel stehenden bärtigen Mann mit Atef-Krone, die Rechte am Körper anliegend und die Linke vor der Brust haltend. Bekleidet ist er mit einem langen Gewand und einem um die Hüfte gewickelten und über die Schultern gewickeltem Schal (Abb. 6.1).4 Haltung und Atef-Krone weisen die Figur deutlich als Gottheit aus. Aufgrund der Größe dürfte es sich um ein Kultbild handeln, dass in einem Tempel auf der Akropolis gestanden haben dürfte. Die Figur wird in der Regel als Darstellung des Milkom angesprochen (Abou Assaf 1980: 78f.), da dieser jedoch, wie bereits erläutert, keine besonders prominente Gottheit darstellt, ist hier – wie bei den übrigen Statuetten und Fragmenten ähnlicher Ikonographie – eher an eine Repräsentation des El zu denken. Eine sichere Identifikation ist allerdings nicht möglich. Der Mondgott Yariḥ ist nur einmal durch den Namen des Königs Yariḥʿezer auf einer Statuette aus Amman vertreten,5 was auf eine enge Verbindung des Mondgottes mit dem Herrscherhaus hindeuten könnte (Theuer 2000: 415). Ikonographisch ist der Mondgott in der Großplastik und der Glyptik gut belegt, z.T. mit dem kombinierten Symbol von Voll- und Sichelmond: Zwei identische Reliefs aus dem Eingangsbereich des EZ-II-C-zeitlichen Tempels von Ruǧm el-Kursī (Abb. 6.2),6 der damit als Tempel des Mondgottes ausgewiesen ist, zeigen das kombinierte Sichel- und Vollmondsymbol auf einem Sockel, möglicherweise als Abbild eines entsprechenden Kultbildes im Tempelinneren. Sehr häufig findet sich das Mondsymbol auf den – wohl zumeist importierten – Siegeln in unterschiedlichen Motivkonstellationen (Abb. 6.3 und 6.4).7 Eine Anzahl von Siegeln aus regulären Grabungen (Abb. 6.4 vom Tall al-ʿUmērī, 6,3, 6.5 und 6.6 aus Amman)8 sowie zahlreiche als ammonitisch klassifizierte Siegel aus dem Kunsthandel zeigen den Stier, das Symboltier des Wettergottes Baʿal sowie des El, zumeist galoppierend oder schreitend.9 Für Ammon liegt es nahe, den Stier primär als Repräsentation Els zu sehen. Dem Motiv des machtvollen Stieres, zudem wenn er im Galopp abgebildet wird, kommt auch eine apotropäische Funktion zu und evoziert das empowerment des Trägers. Römische Münzen aus Philadelphia bezeugen eine Göttin Asteria (Meshorer 1985: 96, Nr. 262), die wohl mit Astarte gleichzusetzen ist, sowie Demeter (ebd.). Ob deren lokale Kulte in Philadelphia/Rabbat Ammon bis in die Eisenzeit zurückreichen, ist möglich, aber freilich aufgrund des Fehlens zeitgenössischer Quellen nicht zu erweisen. Ikonographisch erscheint eine nackte Frau vom Typ der Brüstehalterin en face auf als ammonitisch eingeordneten Siegeln aus dem Kunsthandel (Abb. 6.7).10 Dieser Typ der Darstellung wird als eine für den Bereich der Fruchtbarkeit zuständige Gottheit gedeutet (Sass 1993: 37). Die Figuren zeigen jedoch – ähnlich den zeitgenössischen Terrakotten – keine weiteren Attribute, die eine solche Identifikation stützen würden.11 Aufgrund der Quellenlage ist es auch für Ammon nicht möglich, definitive Aussagen über die Struktur und Größe des Pantheons zu machen. Deutlich ist aber die dominierende Stellung des Gottes El im Kontext der offiziellen und familiären Religion. Wie im zeitgenössischen Juda sind in Ammon apotropäische Wesen wie die geflügelte Uräus-Schlange (Abb. 6.8 und 6.9)12 und der vierflügelige Skarabäus (siehe unten Abb. 6.15 und 6.16) recht häufig auf Siegeln zu finden (siehe Übersicht 6). Da entsprechende Narrative fehlen, ist es kaum möglich, Aussagen 4

Umzeichnung des Verfassers nach Abou Assaf 1980: T. III. Abou Assaf 1980: Kat. Nr. IX. 6 Hübner 2009; Umzeichnung des Verfassers nach Hübner 2015: Abb. 7. 7 CSAJ Amman 4; Tall al-ʿUmeiri 11. Zumeist aus dem Kunsthandel und als ammonitisch klassifiziert: WSS 858, 903, 917, 920, 931, 937, 951, 962, 967, 968, 970, 983, 993. 8 CSAJ: Amman 9, 51. Für die mit Kugelbohrer bearbeiteten Siegel Abb. 6.4 und 6.5 ist assyrische Herkunft anzunehmen. 9 WSS 857, 868, 881, 896, 928, 935, 937, 942, 943, 952, 971, 979, 985, 991, 1117. 10 WSS 921 (Umzeichnung Hübner 1993: Abb. 11), sehr ähnlich 861 und 976. 11 Eine weitere, allerdings bekleidete, weibliche Figur en face mit erhobenen Armen (und nicht mit Zweigen) zeigt ein als ammonitisch klassifiziertes Siegel aus dem Kunsthandel (WSS 950). 12 CSAJ ʾAin al Bascha 1; Amman 70; Tall al-ʿUmeiri 50. 5

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über die Rolle dieser Mischwesen im lokalen religiösen Symbolsystem zu machen. Damit verbunden ist die Frage, ob die Siegel in phönizischer Ikonographie lokal hergestellt oder doch eher importiert und nachträglich beschriftet worden sind, was nach wie vor unklar ist (vgl. Hübner 1993: 134). M.E. ist für die Mehrzahl eher mit einem Import zu rechnen. Ob lokal gefertigt oder importiert, reflektieren die apotropäischen Wesen aber doch das Bedürfnis nach Schutz und Hilfe vor allem gegen dämonische Angriffe. Dasselbe gilt für die zahlreichen Siegel eindeutig assyrischer Herkunft mit Darstellungen von apotropäischen Wesen, die u.a. einen geflügelten Stier (Abb. 6.3)13 und den Löwendämon (ugallu) abbilden.14 Die assyrische Oberhoheit sowie den allgemeinen kulturellen Einfluss vor allem in der EZ II C reflektieren Siegel mit der Darstellung mesopotamischer Gottheiten wie Gula, Sin, Beter vor Göttersymbolen sowie der oben genannten Mischwesen.15 Da es sich um Importe handelt, wird man nicht von einer allgemeinen Assyrisierung der ammonitischen Religion sprechen können und schon gar nicht sollte man versuchen, die Siegeldarstellungen mit ammonitischen Göttern in Verbindung zu bringen (so Cornell 2016: 71ff.). In jeweils einem Fall sind zwar ein Bel- und ein Ninurta-Name epigraphisch belegt, diese bezeichnen aber wohl Assyrer.

Abb. 6.1: Statuette III aus Amman

Abb. 6.3: Siegel aus Amman

Abb. 6.4: Siegel vom Tall al-ʿUmērī

Abb. 6.2: Relief aus dem Eingangsbereich des Tempels von Ruǧm el-Kursī

Abb. 6.5: Siegel mit Stierdarstellung aus Amman

Abb. 6.6: Siegel mit Stierdarstellung aus Amman

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CSAJ Amman 4; Tall al-ʿUmeiri 55, 77. CSAJ Amman 5; WSS 858. 15 U.a. WSS 858, 885, 910, 956; CSAJ Amman 3, 4, 5, 6; Tall al-ʿUmeiri 44, 55, 77. 14

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Abb. 6.7: Siegel mit sog. nackter Göttin, Kunsthandel

Abb. 6.8: Siegel mit geflügeltem Uräus, Amman

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Abb. 6.9: Siegel mit geflügeltem Uräus, Amman

6.3 Die Ebene der Familienreligion, des Hauskults und der Totenfürsorge 6.3.1 Das Onomastikon Das ammonitische Onomastikon ist im Hinblick auf die theophoren Elemente wie das moabitische und edomitische relativ überschaubar, mit über 90 belegten Einzelnamen mit ca. 211 Erwähnungen (mit den säkularen Namen und anderen hier nicht erfassten sind es insgesamt 148 Namen mit 307 Belegen)16 aber breiter bezeugt. Die typologische Verteilung der für Ammon belegten theophoren Personennamen zeigt die Übersicht 3.17 Mit 81 % sind die El-haltigen theophoren Namen deutlich in der Mehrheit. El ist damit der wichtigste, ja der dominierende Gott in der familiären Frömmigkeit, der Schutz und Nachkommenschaft garantiert, wie Geburtsnamen wie Banaʾil (‚El hat [das Kind] geschaffen‘), ʿAdaʾil (‚El hat geschmückt‘), ʾIlnadab (‚El hat [das Kind] geschenkt‘) oder Haṣṣilʾil (‚El hat [das Kind] gebracht‘) zeigen. El als den „große Kümmerer“ bezeugen weiter Danknamen wie ʾIlyašu (‚El hat gerettet‘), ʾIlšama (‚El hat [mich] gehört)‚ ʾIlḥanan (‚El war gnädig‘) ʾIlśiggeb (‚El hat geschützt‘), Namen des Lobpreises wie ʾIlram (‚El ist erhaben‘) und Bekenntnisnamen wie ʾIlʾur (‚El ist [mein] Licht‘) und ʾIlʿuz (‚El ist mein Schutz‘). Eines der wenigen Zeugnisse für persönliche Devotion ist das Siegel eines [Sohnes des?] Abinadab, das der Astarte in Sidon geweiht worden ist, damit diese ihn segne.18 Gleichzeitig ist dieses Stück (wenn es sich tatsächlich um ein ammonitisches Siegel handelt) ein Beleg für die überregionale Verehrung von bestimmten Göttern, deren Ausstrahlungskraft über die lokale Verehrung hinausgeht. Insgesamt reflektieren die Zeugnisse der familiären Frömmigkeit ähnliche Strukturen wie im zeitgenössischen Juda, Moab und Edom: El dominiert – wie dort Jahwe, Kamoš oder Qaus – alle Belange der familiären Wohlfahrt und der Fruchtbarkeit, wohingegen alle anderen bezeugten Gottheiten (darunter auch Milkom) nur eine ephemere Rolle spielen. Eine Spezialisierung von Gottheiten im Symbolsystem der familiären Religion ist auch in Ammon nicht zu erkennen, es dominiert mit El ein alles überragender „Kümmerer“ und „Generalist“ unter den Göttern, aber auch die anderen Götter erfüllen im familiären Symbolsystem die Funktion der Erhaltung der Familie und ihres Wohlergehens. 6.3.2 Der Hauskult Strukturen der häuslichen Kultausübung sind in Ammon durch Befunde aus eisenzeitlichen Siedlungen recht gut dokumentiert (zusammenfassend: Albertz und Schmitt 2012: 176ff.), für die frühe EZ II insbesondere in Tall al-ʿUmērī (Herr 2000a; 2006; Herr und Clark 2001; Clark u.a. 2014), für die spätere Phase in Tell Jawa (Daviau 2001; Daviau u.a. 2003; Daviau 2014) sowie Tell Mazar (Yassine 1988). Das Wohnhaus A (EZ II A) vom Tall al-ʿUmērī (Abb. 6.10)19 enthielt nach Meinung der Ausgräber eine Installation mit einer Mazzebe in einem Alkoven-artigen Raum, jedoch ist die Funktion des stehenden Steines nicht eindeutig, zumal Mazzeben nicht zu den typischen Installationen in einem Wohnhaus gehören. Haus B, ein typisches Vier-Raum-Haus, enthielt die Fragmente einer bronzenen Götterfigurine, was auf einen häuslichen Götterkult schließen lässt. Funde von Terrakottafigurinen, die durch die Weiße bzw. 16

Vgl. Albertz und Schmitt 2012: Table 5.3. Nach Albertz und Schmitt 2012: Table 5.10. 18 WSS 876. 19 Herr 2006: Fig. 1. 17

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Atef-Krone als Götter ausgewiesen sind und Miniaturisierungen der Kalksteinstatuetten darzustellen scheinen, sind auch in Kontexten der Eisenzeit II vom Tell Jawa, etwa 11 km südlich von Amman, entdeckt worden sowie im Eisen-II-C-zeitlichen Haus 300 auf dem Tell Mazar. Die Wohnbebauung vom Tell Jawa bietet die bisher reichste Dokumentation des häuslichen Kults im transjordanischen Palästina (Daviau 2003; 2014). Die Siedlung der EZ II A–B (Stratum IX) war bereits eine befestigte Stadt. Stratum VIII B–A (EZ II B bis zur zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts) repräsentiert eine Blüte der ammonitischen materiellen Kultur, während Stratum VII B–A nach Daviau eher durch assyrische Einflüsse gekennzeichnet ist. Bislang gibt es keine Hinweise auf eine Besiedlung in der EZ III. Installationen wie Bänke und Funde von Terrakottafiguren, Fragmente von Miniaturschreinen, verschiedene Arten von Miniaturgefäßen, Luxusgefäßen sowie Libationsgefäße und anderes spezialisiertes keramisches Gerät liefern ein recht deutliches Bild häuslicher Kultausübung. In mehreren Fällen konnte nachgewiesen werden, dass Material aus den Obergeschossen stammt (Daviau 2001: 199ff.). Raum 110 im Gebäude 102 (Stratum VIII) enthielt ein Ensemble von Keramik und anderen Artefakten, die auf rituelle Aktivitäten hinweisen (Abb. 6.11):20 Unter der Gebrauchskeramik und anderen Haushaltsgegenständen wurden fünf Fragmente eines Miniaturschreins gefunden. Fragmente eines weiteren Schreinmodells, dessen Vorderseite wahrscheinlich Säulen mit proto-äolischen Kapitellen aufwies, der Torso einer Steinfigur, der Kopf einer männlichen Gottheit mit einer Atef-Krone sowie ein Fragment einer weiteren Götterfigurine (Götterkappe) wurden in den benachbarten Räumen 105, 217 und 204 ergraben. Eine mutmaßliche kleine Mazzebe aus Raum 110 war jedoch höchstwahrscheinlich ein Arbeitsstein. Das Vorhandensein einer großen Anzahl von Küchengeräten wie Reib- und Mühlsteinen, Stößel und Mörser zeigt, dass der Raum für die Verarbeitung von Lebensmitteln genutzt wurde. Der Fundkomplex aus Gebäude 102 wies darüber hinaus ein Figurenfragment auf, das wahrscheinlich aus dem Obergeschoss von Raum 214 stammt. Eines der umfangreichsten Ensembles stammt aus Building 300 (Stratum VIIA, Raum 303) bestehend aus zahlreichen Stücken von Gebrauchskeramik sowie dem Fragment einer weiblichen Figur und einer unperforierten Räuchertasse (tripod cup). Ein Miniaturbecher, der in diesem Raum gefunden wurde, stammt wahrscheinlich aus dem zweiten Stock. Ein weitere Konzentration von Objekten fand sich im selben Gebäude, im Erdgeschoss von Raum 302 (A): Dazu gehören die Basis einer Figurine, eine sog. Räuchertasse, Miniatur-Basaltwerkzeuge, eine Siebschale und verschiedene andere Gefäßfragmente, die auf einer Bank lagen (Locus E 54:25 – Abb. 6.12).21 Die Anwesenheit von Asche, eines Reibsteins und Scherben von Kochtöpfen deuten darauf hin, dass der Raum als Küche diente. Im Gebäude 800 befanden sich zwei Loci, die Material enthielten, das auf rituelle Aktivitäten im Haus hindeuteten könnte: Raum 807, Locus A 83: 9-12 enthielt Material, das aus dem Obergeschoss heruntergefallen war, darunter eine Ausgusskanne, eine Lampe, eine Muschelschale und eine Kalksteinplatte, die als Trankopfer-Tisch interpretiert wurde, aber wohl doch eher profanen haushaltlichen Zwecken diente. Die zentrale Halle 804 (Loci A83:32; C27:66) enthielt sowohl Luxus- als auch Gebrauchskeramik, wie Schalen, eine bemalte Flasche, einen bemalten Kelch (chalice) und eine Räuchertasse (tripod cup). Ein fragmentarisches Gefäß in Form eines Stieres wurde im Gebäude 113, Raum 107 von Stratum VIII gefunden. Da dieses Haus auch Werkzeuge und Rohstoffe für die Schmuckherstellung enthielt, wurde die Struktur als Werkstatt interpretiert (Daviau 2003 I: 159; II: 749). Zu den häuslichen Ritualverrichtungen gehörten demnach die Verehrung der Götter in Gestalt anthropomorpher Figurinen bzw. repräsentiert durch einen Modellschrein (in dem Figurinen abgestellt werden können), Räucher-, Trank- und Speiseopfer (wohl im Kontext des familiären Mahles) und ein Votivbrauchtum (anthropomorphe und zoomorphe Terrakotten und „Sammlerstücke“ als Dank- und Bittvotive bzw. als Ritualmedien) zur Evozierung von allgemeiner Wohlfahrt, Prosperität und Fruchtbarkeit. Insgesamt ähnelt der Befund stark dem aus dem zeitgenössischen Juda und Israel, freilich mit dem Unterschied der eindeutig als Götter zu interpretierenden männlichen Terrakotten als Element der häuslichen Devotion.

20 21

Albertz und Schmitt 2012: Fig. 3.85 nach Daviau u.a. 2003: Tell Jawa Artefact Database. Vgl. Daviau 2014: 109. Albertz und Schmitt 2012: Fig. 3.86 nach Daviau u.a. 2003: Tell Jawa Artefact Database. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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Abb. 6.10: Wohnhaus A (EZ II A) vom Tall al-ʿUmērī

Abb. 6.11: Tell Jawa, Gebäude 102 mit Auswahl der Ritualobjekte

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Abb. 6.12: Tell Jawa, Gebäude 300

6.3.3 Bestattungskultur und Totenfürsorge Elemente der Totenfürsorge und der Bestattungskultur in der Eisenzeit I–II in Ammon unterscheiden sich nur wenig von den Cisjordanischen (Yassine 1999): Bekannt sind multigenerationelle Beisetzungen in Kammergräbern (Höhlen-, Schacht- und Zisternengräbern), z.T. mit Bänken. Wie in Moab sind auch in Ammon Begräbnisse in Vorratsgefäßen (jar burials) bekannt (Saḥāb Area C Tomb) sowie Bestattungen in anthropoiden Sarkophagen (Ragdam Royal Palace bei Amman, Saḥāb Tomb A), die vermutlich für herausgehobene Persönlichkeiten aus der Oberschicht reserviert waren. Es handelt sich hier deutlich um eine lokale Tradition und nicht um eine fremde (ägyptische) Beeinflussung, wie hier und da behauptet. Einige der jar burials enthielten verstorbene Kinder, was wohl die besondere Schutzbedürftigkeit unterstreicht. Daneben gab es einfache Erdgräber und Kastengräber. Ein einfaches Erdgrab (Tell el-Mazar Grave 1) enthielt die Bestattung eines Kriegers mit Lanzen- und Pfeilspitzen, Schmuck und mehreren Siegelamuletten. Der hohe Status des Bestatteten steht hier im Kontrast zu der verhältnismäßig simplen Bestattungsform, was den Schluss zulässt, dass die Größe und Ausführung eines Grabes nicht unbedingt als primärer Statusmarker angesehen wurden. Im Hinblick auf die Grabbeigaben reflektieren die ammontischen Gräber typische Elemente der eisenzeitlichen palästinischen Bestattungsbräuche: Die Grabbeigaben bestanden aus persönlichem Schmuck und Siegelamuletten (zumeist am Körper der Verstorbenen), Keramik zur Konsumption von Speisen, u.a. Schalen (bowls), Kochtöpfe, Krüge und Krüglein, Kelche, Vorratsgefäße und Lampen sowie Ritualobjekte aus Terrakotta, wie die dreibeinigen sogenannten Räuchertassen (perforiert und unperforiert), Terrakottafigurinen (Frau mit Rahmentrommel, horse and rider, Tierfiguren), zoomorphe Libationsgefäße (in Israel und Juda nur selten in Grabkontexten ) und in einem Fall ein Modellschrein (Amman, Tomb AE). Die Ensembles aus den Gräbern sind damit auch in Ammon als Verlängerungen des Hauskults zu bezeichnen. Hier, wie auch sonst in Palästina, ist mit einer Jenseitsvorstellung zu rechnen, die mit einer nachtodlichen Existenz rechnet, für die die Toten bei der Beisetzung mit Gegenständen des täglichen und rituellen Gebrauchs sowie mit Amuletten zu deren Schutz versorgt werden müssen. Obwohl einige wenige Gräber (Sahab Tomb A und B) kaminartige Schächte aufweisen, ist es nicht deutlich, dass eine permanente Versorgung der Toten nach der Erstbestattung Bestandteil der Totenfürsorge war. Ob die Öffnungen zur rituellen Kommunikation mit den Toten dienten, ist denkbar, muss aber ebenso Spekulation bleiben. Auch in Ammon deuten die Grabbeigaben darauf hin, dass diese eher für eine Transitionsphase gedacht waren als für eine ewige Existenz in der Unterwelt und dass die individuellen Toten Teil eines Kollektivs der Ahnen wurden.

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6.4 Die Ebene der lokalen und regionalen Religionsausübung Außerhalb, aber nahe der Hauptstadt Rabbat Ammon, existierte in Ruǧm el-Kursī ein mit 18,7 x 16,6 m relativ großer Tempel (Hübner 2009; 2015; vgl. Elkowicz 2012: 90; 2014). Der nach Westen orientierte Langhaustempel verfügt über einen genischten Eingang mit Vorhalle, die in den nicht weiter architektonisch differenzierten Hauptkultraum führt (Abb. 6.13).22 An der Frontseite des Eingangs waren die bereits oben erwähnten zwei Reliefs mit dem Symbol des Mondgottes auf einem Postament angebracht (Abb. 6.2). Aufgrund seiner Lage außerhalb der Hauptstadt handelt es sich zwar um ein lokales Heiligtum, die Größe und Ausstattung mit Reliefs lässt jedoch auf eine offizielle, königliche Trägerschaft schließen. Tempel dieser Größenordnung dürften in ihrer Reichweite von lokaler und auch von regionaler Bedeutung gewesen sein und über eine Priesterschaft verfügt haben. Eine Torkultstätte ist im Ammon der EZ II C auf dem Tall al-ʿUmērī, bestehend aus einer Mazzebe und einem Bassin, nachgewiesen, wie sie u.a. aus Betsaida, Tel Dan und Ḫirbet el-Mudēyine bekannt sind (Herr und Najjar 2008: 326). Die Torkultstätte diente der lokalen Bevölkerung wohl zu Ritualen des Ein- und Ausgangs an diesem liminalen Ort, aber eignet sich auch für kasuelle Rituale kleinerer und größerer Gruppen. Das Bassin deutet hier primär auf Libationen hin. Die Funde von Statuetten (einer Götterstatue ähnlich Abb. 6.1 und einer Beter-Statuette) in einer Favissa aus Ḫirbat al-Ḥaǧǧār, ca. 7 km südwestlich von Amman (Abou Assaf 1980: 20), machen es wahrscheinlich, dass es weitere regionale Kultstätten mit ähnlicher Ausstattung wie in der Hauptstatt Rabbat Ammon gegeben haben muss.

Abb. 6.13: Der Mondtempel von Ruǧm el-Kursī

6.5 Die Ebene der offiziellen Religionsausübung Die Existenz einer zentralen Kultstätte in Rabbat Ammon darf aufgrund der Funde von Götter- und Beterstatuetten aus der Zitadelle sowie aus dem späteren römischen Tempel des Herakles ebenda vorausgesetzt werden. Die Zitadelleninschrift CAI 59 und die Statuette des Königs Yariḥezer (s.u.) lassen ferner den Schluss zu, dass es sich um ein offizielles Heiligtum mit dem König und seiner Administration als Trägergruppe gehandelt haben muss. Die nur fragmentarisch erhaltene Inschrift CAI 59 von der Zitadelle in Amman lässt, vorausgesetzt, dass der Gott [Mi]lkom selber spricht, erkennen, dass ein unbenannter König auf Geheiß der Gottheit Befestigungen errichten soll und diese den Sieg schenken wird. Aus dem Kontext lässt sich weiter erschließen, dass – durch das Handeln des Herrschers – der Gerechte in Frieden bzw. im Wohlstand wohnen wird. Die Sorge des Königs um die Prosperität und Fruchtbarkeit des Landes reflektiert auch die Votivinschrift des Königs ʿAmminadab II., Sohn des Haṣṣilʾil, vom Ende des 7. Jh auf einer Flasche (CAI 78) mit der Bitte um Reichtum der Weingärten und Plantagen sowie um Fülle der Kanäle und Zisternen. Die Thematisierung von Prosperität und Fruchtbarkeit des Landes sowie der Sieghaftigkeit des Königs sind wichtige Topoi der westsemitischen Königstheologie, wie sie auch aus Phönizien, Syrien, Israel und Juda bekannt sind: Der König ist durch seine hervorgehobene Beziehung zur Gottheit der Garant für das Wohlergehen des Staates und seiner Bevölkerung. Wie oben bereits bemerkt, könnte die Zitadelleninschrift mit der Erwähnung des Milkom darauf hindeuten, dass dieser als das numen loci anzusehen ist, während El in den Königsnamen (Padaʾil I., Padaʾil II., Haṣṣilʾil und Būdi-il) die dominierende Gottheit darstellt. Zur 22

Hübner 2015: Abb. 3. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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Sphäre des vom Königtum unterhaltenen Kultes gehörte aufgrund seiner Größe und Ausstattung wohl auch der Tempel des Mondgottes in Ruǧm el-Kursi (s.o.). Im Gegensatz zu Juda und Israel existieren eine Anzahl großplastischer Herrscherdarstellungen der Eisenzeit II aus Ammon. Der größte Anteil der Plastiken stammt von der Zitadelle in Amman und aus der Umgebung der Stadt. Der überwiegende Teil der Plastiken stellt jedoch, wie aufgrund der Attribute gezeigt werden konnte, Götter und nicht Herrscher dar. Eine Statuette von 46 cm Höhe von der Zitadelle in Amman (Abb. 6.14)23 weist mit einer Inschrift den Dargestellten als den König Yariḥʿezer, den Sohn des Zakir, Sohn des Šanibu aus. Da Šanibu als König von Ammon durch Tiglatpileser III. erwähnt wird, kann eine Datierung in das letzte Drittel bis letzte Viertel des 8. Jh. vorgenommen werden. Die Statuette zeigt einen Mann mit kurzem Vollbart, gekleidet in ein plissiertes, fußlanges Hemd und einem über die Schulter geführten Schal in Schrittstellung. Der rechte Arm liegt an und die linke Hand hält eine Lotusblume. Die mittellange Frisur fällt auf den Rücken herab und wird von einem Diadem zusammengehalten. Weitere drei Fragmente sehr ähnlicher Statuetten sind bekannt, ebenso die Rundplastik einer Frau, die möglicherweise als Königsgattin zu interpretieren ist. Die Attribute, Lotusblume und Diadem sowie die auch in der assyrischen Plastik bekannte Schrittstellung lassen eine relativ sichere Interpretation als Herrscherbildnis zu. Die Statuetten sind funktional wohl als Votive zu bestimmen, die die Präsenz des Königs bei einem Gebetsanliegen gegenüber der Gottheit repräsentieren oder als Dankvotiv. Auch die dauerhafte Präsenz des Königs vor der Gottheit ist ein denkbarer Aspekt, aber da die Statue in einem sekundären Kontext gefunden wurde, ist es nicht klar, wo sie ursprünglich aufgestellt worden ist. Neben dem Tempel kommen hier auch andere repräsentative Orte, wie z. B. Toranlagen, in Betracht. Es gibt daher keine Evidenz, dass die Statuetten als Objekte eines königlichen Ahnenkults gedient hätten (so Niehr 1998: 213). Ähnlich den judäischen Königsstempeln, so erscheint auch in Ammon das Motiv des vierflügeligen Skarabäus auf „offiziellen“ Stempelsiegeln. Es handelt sich hier zwar nicht um Königssiegel, aber um Siegel bzw. Siegelabdrücke von Beamten: Abb. 6.15 zeigt den Abdruck des Siegels des „Milkomʾur, Diener des (Königs) Baʿalyaša“ (lmlkmʾwr ʿbd bʿlyš)24 und Abb. 6.1625 das Siegel des „Standartenträgers“ šwḥr hnss aus dem Kunsthandel. Hier wie dort rekurrieren die offiziellen Siegel bzw. Siegel von Offiziellen auf die Vorstellung von geflügelten Schutzmächten. Eine spezifisch königliche Konnotation des Motivs ist jedoch – wie für die judäischen Königs(lmlk)-Stempel – auszuschließen, da das Motiv auch auf zahlreichen Privatsiegeln präsent ist (Schmitt 2017: 165ff.).

Abb. 6.14: Statuette des Königs Yariḥezer aus Amman

Abb. 6.15: Siegel des Milkomʿur, Diener des Baʿalyaša

23

Umzeichnung des Verfassers aus Schmitt 2001: Abb. 10 (= Abou Assaf Kat. Nr. I). CSAJ: Tall al-Umeiri 4. 25 WSS 865; Umzeichnung nach Hübner 1993: 23. 24

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Abb. 6.16: Siegel des Standartenträgers šwḥr

Kapitel 7 Die Religion der Moabiter R. Albertz und R. Schmitt 2012: Family and Household Religion in Ancient Israel and the Levant, Winona Lake, 236– 237; M. Bauks 2010: Jephtas Tochter: Traditions-, religions- und rezeptionsgeschichtliche Studien zu Richter 11,29– 40, FAT 71, Tübingen; A. Berlejung 2017: Dimensionen der Herrschaftslegitimität: Ikonographische Aspekte königlicher Selbstdarstellung in den Kulturen der südlichen Levante der Eisenzeit anhand der Bildwerke von Baluʿa, Yarihʿezer und Askalon, in: C. Levin und R. Müller (Hrsg.), Herrschaftslegitimation in vorderorientalischen Reichen der Eisenzeit, ORA 21, Tübingen, 147–187; P. Bienkowski (Hrsg.) 1992: Early Edom and Moab, Sheffield Archaeological Monographs 7, Sheffield; P. Bienkowski 2008: The Persian Period, in: R. B. Adams (Hrsg.), Jordan: An Archaeological Reader, London/Oakville, 335–352; J. S. Burnett 2016: Ammon, Moab and Edom: Gods and Kingdoms East of the Jordan, in: BAR November/December, 26–40, 66–67; G. W. V. 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Reed 1964: The Excavations at Dibon (Dhībân) in Moab: The First Campaign, 1950–51, and the Second Campaign, 1952, AASOR 36/37, New Haven; E. Warmenbol 1983: La stele de Ruğm el-ʿAbd (Louvre AO 5055): Un image de divinité Moabite du IXème–VIIIème siècle av. N.E., in: Levant 15, 65–75; U. Worschech 1990: Die Beziehungen Moabs zu Israel und Ägypten in der Eisenzeit: Siedlungsarchäologische und siedlungshistorische Untersuchungen im Kernland Moabs, ÄAT 18, Wiesbaden;

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Kapitel 7

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U. Worschech 1992: Der Gott Kemosch, in: UF 24, 393–401; U. Worschech 1997: Art. Balua, in: E. M. Meyers, The Oxford Encyclopedia of Archaeology in the Near East I, New York, 269–270.

7.1 Einleitung Der Name Moab bezeichnet die Landschaft des ostjordanischen Hochplateaus, die östlich vom Jordangraben und südlich vom Wādi el-Ḥesā begrenzt ist. Nach Norden gibt es keine natürliche Grenze gegen Ammon hin – der Arnon als nördliche Grenze ist nur biblisch bezeugt und daher wohl ideologisch begründet. Der eisenzeitliche Territorialstaat reichte im Norden in etwa bis zur Linie Nebo – Heschbon, die Grenzen sind jedoch als fließend zu betrachten. Als Toponym ist Moab (M[w]-j-b[w]) bereits in Texten Ramses II. belegt (Timm 1989: 15) Die Herausbildung eines monarchischen Territorialstaates aus einer segmentär strukturierten Gesellschaft dürfte aber wohl parallel zu den Entwicklungen in Israel (und Juda) in der EZ II A–B verlaufen sein. In der zweiten Hälfte des 9. Jh. v. Chr. erscheint Moab nach dem Zeugnis der MešaStele auf jeden Fall als ein Territorialstaat mit einem erblichen Königtum an der Spitze. Das Vorhandensein eines frühen Staatsgebildes im Süden von Moab (Finkelstein und Lipschits 2011) ist nicht wahrscheinlich zu machen. Wie die anderen Staaten Palästinas gerät auch Moab nach 732 in assyrische Vasallität, kann sich aber die Eigenstaatlichkeit bis zur Annektion durch Nebukadnezzar II. 582 bewahren. Die babylonische Eroberung hat jedoch nicht – wie früher zumeist angenommen – zu einer Siedlungslücke geführt, die von nomadischen arabischen Stämmen gefüllt worden sei, sondern es ist mit einer Kontinuität in der materiellen Kultur in der neubabylonischen und persischen Zeit zu rechnen (Bienkowski 2008: 335ff.). Quellen für die moabitische Religion liefern insbesondere feldarchäologische Befunde sowie epigraphische Quellen, darunter mehrere Monumentalinschriften, von denen die berühmte Meša-Stele1 aus Dibon nahezu vollständig erhalten ist. Das archäologische Fundmaterial stammt jedoch ganz überwiegend aus der EZ II und bietet daher nur einen blitzlichthaften Ausschnitt. Eine diachrone Darstellung ist nach derzeitigem Forschungstand noch nicht möglich. Die alttestamentlichen Quellen zur moabitischen Religion sind zumeist polemisch und können nur mit Vorsicht zur Rekonstruktion herangezogen werden. Die Sprache der moabitischen Inschriften ist eine dem Hebräischen eng nahestehende Variante des Kanaanäischen.

7.2 In Moab belegte Götter und Elemente des religiösen Symbolsystems Sowohl nach dem auf Siegeln und Ostraka bezeugten moabitischen Onomastikon als auch nach der MešaStele und weiteren Fragmenten von offiziellen Inschriften sowie nach den alttestamentlichen Zeugnissen ist Kamoš die wichtigste Gottheit. 40,5 % aller belegten Namen im moabitischen Onomastikon enthalten das theophore Element Kamoš (Übersicht 4).2 Eine Gottheit mit Namen Kamoš erscheint bereits in den EblaTexten als Kamiš und wird in Ugarit u.a. in KTU 1.100: 36 und 107: 41, beides Beschwörungen gegen Schlangen, in der Doppelung ẓẓ w kmt mit dem Kultort Ḫaryet bei Qadeš genannt. Auch die Stadt Karkemisch ist als ‚Handelsplatz des Kamoš‘ (kar-kamiš) nach der Gottheit benannt. Kamoš ist damit eine alte syrisch-kanaanäische Gottheit. Der Name lässt sich vielleicht vom Akkadischen kanāšu/kamāšu ‚unterwerfen‘3 herleiten. Der Charakter der Gottheit bleibt jedoch in den Zeugnissen der späten Bronzezeit unklar, neuassyrisch wird er mit Nergal gleichgesetzt, weswegen er bisweilen als Unterweltsgottheit angesprochen wird. Gegen einen unterweltlichen Charakter spricht seine Gleichsetzung mit ʿAštar (dem männlichen Pendant zu Ištar) auf der Meša-Inschrift, was eher für einen Himmels- bzw. Astralgott mit kriegerischem Aspekt spricht. Die assyrische Gleichsetzung mit Nergal wäre aber mit dem kriegerischen Aspekt des Gottes erklärbar. Diesen Aspekt reflektieren auch die römischen Münzen aus Rabbat Moab (Areopolis), die den griechischen Kriegsgott Ares abbilden,4 wohl die interpretatio romana für Kamoš als Kriegsgott. Eine Identität des moabitischen Kamoš mit der bronzezeitlichen syrischen Gottheit darf zwar als sehr wahrscheinlich gelten, jedoch ist seine Entwicklung auf dem Boden Palästinas zum moabitischen Hauptgott in der Eisenzeit nicht rekonstruierbar. Aufgrund der Bezeugung der Gottheit in den offiziellen Textzeugnissen kommt Kamoš die Rolle des Nationalgottes analog dem israelitisch/judäischen Jahwe, dem El in Ammon und dem edomitischen Qaus zu. Im AT werden die Moabiter als „Volk des Kamoš“ bezeichnet (Num 21,29 und Jer 48,46) und auch Z. 18 der Meša-Stele impliziert mit der parallelen Nennung von Jahwe und Kamoš 1

KAI 181; TUAT I, 640ff. Albertz und Schmitt 2012: Table 5.9. 3 Vgl. CAD 8, 144ff.; GOS I, 310. 4 Meshorer 1985: Nr. 271–272. 2

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Die Religion der Moabiter

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die Eigenwahrnehmung der Gottheit als d e r Gottheit Moabs und seiner Einwohner. Bei dem – auch als Shihan-Stele bekannten und wohl in die EZ II B zu datierenden – Fragment aus Ruğm el-ʿAbd mit der ägyptisierenden Darstellung einer kriegerischen Gottheit mit Lanze in Kampfstellung (Abb. 7.1)5 könnte es sich sowohl um eine Darstellung des Baʿal oder des Kamoš handeln. Die Darstellungskonventionen entsprechen dem Typus des kriegerischen Wettergottes im Kampf mit den Mächten des Chaos, insofern man die Szene analog zu einer ägyptischen Stele der SB II B,6 Siegelbildern mit der Darstellung des kämpfenden Wettergottes7 oder zu späthethitischen Reliefs aus Tell Ashara und Malatya8 ergänzen kann. Auch wenn explizite mythologische Texte fehlen, dürfte das Mythologem des Drachen- bzw. Chaoskampfes damit auch in Moab bekannt gewesen sein. Dasselbe Problem hinsichtlich einer Identifizierung wirft die Darstellung einer stehenden männlichen Gottheit mit Doppelkrone, w3s-Zepter und Anch-Schlaufe auf der (m.E. in die EZ II zu datierenden)9 Stele von Baluʿa (Abb. 7.2)10 auf. Die Darstellungskonvention mit dem allgemeinen ägyptischen Götterzepter ist vor allem in Ägypten in der SBZ sowohl für Baʿal wie für Rešep belegt,11 bietet aber keine hinreichende Evidenz für eine Identifikation. In Frage kommen aber auch hier am ehesten Baʿal oder Kamoš, wobei der Option für Kamoš aufgrund der besseren Bezeugung Priorität zukommt. Neben Kamoš erscheint im moabitischen Onomastikon noch eine Anzahl weiterer westsemitischer Gottheiten (s. Übersicht 4), nämlich der alte kanaanäische Hochgott El (mit 5 Belegen nach Kamoš am häufigsten), MLK mit 2 Belegen, der Wettergott Adad bzw. Baal mit je einem Beleg sowie der Magie- und Heilgott Horon und die südarabische Sonnengöttin Raḥban (= dt rḥbn ‚die der Weite/Fülle‘) mit je einem Beleg. Eine aramäische Inschrift des 4. Jh. v. Chr. aus Kerak nennt neben Kamoš die Göttin Sarʿa,12 möglicherweise seine Paredra. Nur ikonographisch belegt ist eine Göttin des Anat/Astarte-Typs in ägyptisierender Ikonographie auf der Baluʿa-Stele Abb. 7.2. Bei dem von der Göttin gehaltenen Gegenstand könnte es sich um einen Bogen handeln. Die Stele zeigt auch das Symbol des Mondgottes in Form der Mondsichel und des Vollmondes über der mittleren Figur auf der Stele, dem zwischen den Göttern stehenden König. Für die von Theuer (2000: 418) aufgrund der Mondemblematik auf der Baluʿa-Stele angenommene Lunarisierung des Kamoš gibt es allerdings aufgrund der Schwierigkeiten einer Identifikation keine belastbare Evidenz. Zudem folgt die Anordnung der Mondembleme dem Prinzip des horror vacui und ist nicht zwangsläufig den dargestellten Gottheiten zuzuweisen, sondern steht als symbolische Repräsentation des Mondgottes für sich. Auf als moabitisch klassifizierten Siegeln der Eisenzeit (die ganz überwiegend aus dem Kunsthandel stammen) erscheinen prominent die Mondsichel (z.T. mit einer vertikalen Linie darunter) und ein Sternsymbol, oft zusammen mit einem manchmal an einen Kultständer gemahnenden unklaren Symbol bzw. zwei vertikalen Strichen.13 Nur wenige Stücke stammen aus regulären Grabungen wie Abb. 7.3.14 Wiewohl diese Motivik als spezifisch moabitisch angesprochen wird (Timm 1993; Theuer 2000: 416f.), handelt es sich wohl zum großen Teil um importierte (und lokal beschriftete) Siegel, wie Parallelen von Stempelsiegeln mit Astralsymbolen aus dem assyrischen Kernland zeigen.15 Ähnliche Stücke sind zudem aus Ammon und Edom bekannt,16 so dass man kaum von moabitischen Spezifika sprechen kann. Die Symbole dürften daher für Sin, Ištar und Nabu (Schreibgriffel als vertikale Striche) oder Marduk (Spaten) stehen. Importiert ist auch ein Rollsiegel aus Nebo mit Leier- und Aulosspielern vor dem Symbol des Sin von Harran (Abb.

5

Umzeichnung des Verfassers nach Hunziker-Rodewald und Deutsch 2014: Pl. VI und VIII. Zur Datierung: Warmenbol 1983; Hunziker-Rodewald und Deutsch 2014: 67. 6 Cornelius 1994: 161ff., Kat. Nr. BR 17. 7 Vgl. GGG 87a–c. 8 Vgl. Orthmann 1971: T.5 a (Ashara 1, T. 40, 3 (Malatya A/8). 9 So auch Hunziker-Rodewald und Deutsch 2014: 67. Die Stele wird zumeist in die Spätbronzezeit (Timm 1987: 92f.) oder in die frühe Eisenzeit datiert (Worschech 1997: 270), gehört aber aufgrund ikonographischer Gesichtspunkte, insbesondere ihrer Nähe zur Eisen-II-zeitlichen Glyptik Phöniziens, in die Eisenzeit II. 10 Umzeichnung: WABAT 416. 11 Cornelius 1994: 142ff. mit Cat. Nr. BR 5–16. 12 ARI Kerak(4). 13 WSS 1011, 1013, 1014–1016, 1018, 1021, 1024, 1027–1029, 1031, 1033, 1035, 1037, 1039, 1042–1045. WSS 1006 dürfte eher judäisch sein. 14 CSAJ Karak 2 (= WSS 1021); vgl. Karak 6 (= WSS 1016). 15 Siehe Herbordt 1992: T. 10–14 u.ö. 16 Z.B. CSAJ Buseira 17; Umm Udeina 1. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Kapitel 7

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7.4).17 Eine von den Assyrern forcierte oder vom Königshaus aus Loyalitätsgründen betriebene Übernahme assyrischer Kulte ist aufgrund der größtenteils importierten Glyptik nicht wahrscheinlich zu machen, eher ist – wie auch im zeitgenössischen Juda – mit einem eher allgemeinen kulturellen Einfluss aus Mesopotamien zu rechnen. Das moabitische Pantheon, soweit es epigraphisch und ikonographisch zu greifen ist, besteht damit im Wesentlichen aus den alten kanaanäischen Göttern, zu denen in der späteren Eisenzeit arabische Gottheiten wie die arabische Sonnengöttin Raḥban hinzugetreten sind. Da die lokalen Gottheiten in den Quellen nur isoliert erscheinen und mythologische Texte fehlen, ist es nicht möglich, Aussagen über die Strukturen eines moabitischen Pantheons zu machen. Auch wenn Kamoš als Nationalgott die wichtigste moabitische Gottheit ist, lässt die Quellenlage nicht den Schluss zu, dass die Religion der Moabiter eine Monolatrie (so u.a. Gass 2009: 101) gewesen sei, zumal es sich hierbei um ein problematisches Konzept handelt. Auch für Moab gilt, dass die wenigen epigraphischen Befunde kaum das gesamte Pantheon abbilden dürften. Wie in den Nachbarkulturen, Israel, Juda und Ammon, finden sich geflügelte Schutzmächte in der epigraphisch (Kamoš-Namen) oder paläographisch als moabitisch klassifizierten Glyptik.18 Siegel aus regulären Grabungen aus dem eisenzeitlichen Moab mit dieser Motivik sind bislang nicht bekannt, das einschlägige Material stammt aus dem Kunsthandel oder nicht aus Moab selbst.19 Im Hinblick auf die ungesicherte Herkunft der Objekte sind religionsgeschichtliche Rückschlüsse daher nur mit Vorbehalt möglich, die Stücke lassen sich aber in den generellen Trend der Nutzung geflügelter Schutzmächte mit apotropäischer Funktion auf Siegeln wohl aus phönizischem Import in der Levante einordnen. Ein paläographisch als moabitisch klassifiziertes Siegel mit dem Namen Baʿalnatan mit vierflügeligem Genius in phönizischer Ikonographie (mit ägyptischer Doppelkrone und Pflanzen haltend) ist aus Tello (Girsu) in Mesopotamien bekannt (Abb. 7.5).20 Dasselbe Motiv findet sich auf dem Siegel des Kamošṣadaq aus dem Kunsthandel (Abb. 7.6).21 Zwei antithetische Sphingen im oberen Register und die Flügelsonne im unteren zeigt das Siegel des Kamošdan Abb. 7.7,22 ebenfalls ohne gesicherte Herkunft.

Abb. 7.1: Stele von Ruğm el-ʿAbd

Abb. 7.2: Baluʿa-Stele

17

CSAJ Nebo 1 (= GGG 300); dazu ebd. § 176. Greife: WSS 1019 (= Timm 1993: Abb. 8), 1023 (= Timm 1993: Abb. 9), 1038 (= Timm 1993: Abb. 10); Sphingen: WSS 1030 (= Timm 1993: Abb. 4 (= CSAJ: Karak 4), 1012; Vierflügelgenius: WSS 1020 (= Timm 1993: Abb. 13), 1038; 1147 (= Timm 1993: Abb. 11) 1165, undefined (= Timm 1993: Abb. 12, hier als moabitisch klassifiziert). Vgl. Übersicht 6. 19 WSS 1020, 1030. Siehe Übersicht 6. 20 WSS 1020; Umzeichnung: Timm 1993: Abb. 13. 21 WSS 1036; Umzeichnung: Timm 1993: Abb. 3. 22 WSS 1030; Umzeichnung: Timm 1993: Abb. 4. 18

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Die Religion der Moabiter

Abb. 7.3: Siegel mit Astralsymbolen im oberen Register, Kerak

Abb. 7.4: Rollsiegel mit Kultmusik vor dem Symbol des Mondgottes von Harran, Nebo

Abb. 7.6: Siegel des Kamošṣadaq, Kunsthandel

179

Abb. 7.5: Siegel des Baʿalnatan aus Girsu

Abb. 7.7: Siegel des Kamošdan, Kunsthandel

7.3 Die Ebene der Familienreligion, des Hauskults, der arbeitsbezogenen Religionsausübung und der Totenfürsorge 7.3.1 Das Onomastikon Mit insgesamt ca. 42 belegten theophoren Namen (siehe Übersicht 4) ist das moabitische Onomastikon nicht besonders umfangreich und zwingt daher zur Zurückhaltung im Hinblick auf seine statistische Auswertbarkeit. Signifikant ist aber die besondere Rolle des Nationalgottes Kamoš, mit 40,5 % die häufigste Gottheit in den theophoren Namen. Danknamen wie Kamošyašu ‚Kamoš hat gerettet‘ und Kamošṣadaq ‚Kamoš hat recht geschaffen‘, Bekenntnisnamen wie Kamoššuaʿ ‚Kamoš ist meine Rettung‘ und Kamošʿoz ‚Kamoš ist [mein] Schutz‘ sowie Geburtsnamen wie Kamošnaton bzw. Kamošyat[on] ‚Kamoš hat [das Kind] gegeben oder Kamošyeḥi ‚[Oh] Kamoš, möge es [das Kind] leben‘ bringen die Funktion der Gottheit als Beschützer der Familie und Garant des Nachwuchses zum Ausdruck. Insbesondere bei den Geburtsnamen dominiert der Nationalgott mit 57% deutlich und unterstreicht damit seine herausragende Position. Auch bei den mit 28,6 % relativ häufigen Verwandtschaftsnamen, die eine Gottheit als Vater, Mutter, Bruder oder Onkel bezeichnen, dominiert Kamoš (Kamošʿam ‚Mein [göttlicher] Onkel ist Kamoš),23 wiewohl nicht alle Verwandschaftsnamen automatisch auf den Nationalgott zu beziehen sind, wie der Name ʾAḥʾad24 ‚Mein [göttlicher] Bruder ist Adad‘ zeigt. Dieselben Funktionen im Kontext des familiären Wohlergehens können jedoch auch alle anderen in Moab bezeugten Gottheiten übernehmen, wie Namen wie Yeraḥmeʿl ‚El hat Gnade gezeigt‘ und Padamalk ‚Malk hat erlöst‘ bezeugen. Die Praxis der Namensgebung und die damit verbundenen Vorstellungen im familiären Symbolsystem entsprechen damit dem auch sonst im westsemitischen Kulturraum des 1. Jt. greifbaren Befund einer bevorzugten Stellung des Nationalgottes in der familiären Religion, dessen Funktion als Familiengott jedoch in einigen Fällen von einer der anderen Gottheiten aus der zweiten Ebene des Pantheons wahrgenommen werden kann, wobei gleichzeitig zu beobachten ist, dass jede Gottheit jede Funktion (Schutz, Rettung, Unterstützung bei Empfängnis und Geburt)

23 24

WSS 1010; 1035; Heltzer 1999: 268. WSS 1015. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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haben kann und dass diese Funktionen nicht „Spezialisten“ oder „Spezialistinnen“ im Pantheon zugeschrieben werden. 7.3.2 Der Hauskult und die arbeitsbezogene Religionsausübung Ein wichtiges Element der familiären Religion und der persönlichen Devotion war die rituelle Verwendung von Terrakottafigurinen sowohl im Haushalt, als auch deren Stiftung an Heiligtümer (s.u.): Die auch in Moab zahlreich gefundenen weiblichen und männlichen Terrakottafigurinen entsprechen im Wesentlichen den judäischen Typen: Belegt sind Plakettenfigurinen, die einen runden Gegenstand (wohl ein Brot) vor dem Bauch halten (Abb. 7.8 und 7.9),25 Säulenfigurinen mit dem Gestus des Brüstehaltens, ähnlich den judäischen JPFs (Abb. 7.10),26 Säulenfigurinen mit Rahmentrommel (Abb. 7.11)27 sowie Pferd-und-ReiterFigurinen. Die Terrakotten sind nicht als göttliche Repräsentationen anzusprechen, da sie keine göttliche Emblematik aufweisen, es handelt sich hier vielmehr um Votivobjekte (so auch Daviau 2001: 324), die die Stifter vor der Gottheit darstellen. Die Rekonstruktion der häuslichen Kultausübung im Eisen-II-zeitlichen Moab kann exemplarisch anhand der Funde aus Ḫirbet el-Mudēyine (Daviau u.a. 2006; Daviau 2014) dargestellt werden: An typischen Ritualobjekten fanden sich in Wohnhäusern wie Building B400–B404 (Abb. 7.12)28 kleine Räucherkisten und zylindrische Miniaturaltäre, Säulenfigürchen und Tierfigurinen, letztere in größerer Häufigkeit. Eine Besonderheit in Ḫirbet el-Mudēyine (aber nicht für alle Ensembles typisch) bildet eine Gruppe von 4–5 cm großen, stark stilisierten männlichen Figurinen und eine kleine männliche Büste, wobei letztere möglicherweise eine Ahnenfigur darstellen könnte. Ähnliche Objekte sind zeitgenössisch auch in Syrien belegt.29 Eine Auswahl der Ritualobjekte aus dem Komplex B400–B404 zeigt Abb. 7.13.30 Entsprechende Funde von zylindrischen Altären und Figurinen fanden sich auch im Wohnareal B300–B309 (Abb. 7.14 und 7.15).31 Wie im zeitgenössischen Juda und Ammon fanden sich die Ritualobjekte gehäuft in Bereichen der Nahrungsmittelzubereitung und in Kombination mit Haushaltskeramik. Rituale scheinen demnach eng mit der Zubereitung und dem Verzehr von Mahlzeiten assoziiert gewesen zu sein (Daviau 2014: 123). Riten familiärer Religion fanden wohl auch am lokalen Heiligtum statt, wie die Stiftung eines großen Kandelaberaltars und anderer Votivobjekte für den Schrein in Ḫirbet el-Mudēyine (s.u.) durch Mitglieder der lokalen Elite zeigen. Eine „Verlängerung“ des häuslichen Kultes sind die Zeugnisse von Kultausübung im Arbeitskontext: In einem Cluster von drei miteinander verbundenen Gebäuden (B200–B210) fanden sich Hinweise auf eine Nutzung als Weberei sowie damit assoziierte Miniaturaltäre aus Kalkstein, in geringen Mengen auch anthropomorphe und zoomorphe Figurinen, wie z.B. eine Pferdefigurine (Abb. 7.16).32 Opfer- (vor allem Räucheropfer) und Votivpraktiken haben hier – wie auch in Cisjordanien zu beobachten – die Arbeitsprozesse begleitet und dienten wohl zur Absicherung ihres Gelingens und der Stiftung von communitas unter den Handwerkern. 7.3.3 Bestattungskultur und Totenfürsorge Die moabitische Totenfürsorge in der EZ zeigt strukturell kaum Unterschiede zu Juda und Israel: Es dominieren Kammer- bzw. Bankgräber mit multigenerationeller Nutzung. Die Grabbeigaben umfassen vor allem Gefäße zum Konsum von Nahrungsmitteln (Schalen, Krüglein) und Vorratsgefäße, aber auch Schmuck, jeweils in beschränkter Anzahl für je eine Person im Rahmen der Beisetzung. Eine Besonderheit bieten die u.a. in Dibon gefundenen Fragmente anthropoider Sarkophage und jar burials. Da diese nicht die Regel darstellen, kann vermutet werden, dass es sich hierbei um die Bestattung besonders herausgehobener Personen handelt. Eine weitere Besonderheit ist die hohe Anzahl von Lampen (in einem Grab – Tomb J 6 – in Dibon waren es allein 139 Stück), was eine lokale oder familiäre Besonderheit darstellt.33 Generell dürfte 25

Daviau 2001: Fig. 1 und 2. Daviau 2001: Fig. 3. 27 Daviau 2001: Fig 4. 28 Daviau 2014: Fig. 7. 29 Siehe Albertz und Schmitt 2012: 216f. 30 Daviau 2014: Fig. 8. 31 Daviau 2014: Fig. 8. 32 Daviau 2014: Fig.12. 33 Dies ist gelegentlich auch für Juda zu beobachten, s. Albertz und Schmitt 2012: 454. 26

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die oftmals hohe Anzahl von Lampen nicht praktischen Zwecken gedient haben, sondern kann im Rahmen von Lichtsymbolik gedeutet werden, um den Toten die dunkle Unterwelt symbolisch zu erleuchten. Wie auch sonst in Palästina zu beobachten, deuten die doch recht beschränkten Speisegaben auf eine Versorgung der Toten nur während der Erstbestattung für eine Transitionsphase hin und nicht auf eine wiederholte oder permanente Versorgung im Grab. Archäologische Zeugnisse für eine Totenfürsorge außerhalb des Grabes liegen nicht vor. Es steht zu vermuten, dass die individuellen Toten in den Kreis der Ahnen (die vielleicht von den schematischen Steinstatuetten repräsentiert wurden) in der Unterwelt eingingen, deren kollektive Fürsorge wohl primär im Rahmen des Hauskults vollzogen wurde. Da der oftmals als moabitisch angesprochene sogenannte marzeaḥ-Papyrus (Bordreuil und Pardee 2001) im Hinblick auf Herkunft und Sprache (und seiner Echtheit) zweifelhaft ist, sollte er nicht für die Existenz der marzeaḥ-Institution (die rituelle Mähler für die Ahnen beinhalten konnte) herangezogen werden. Die archäologisch zu erhebenden Elemente der moabitischen Familienreligion zeigen strukturell und materiell insgesamt starke Gemeinsamkeiten mit den übrigen Befunden aus dem westsemitischen Kulturbereich.

Abb. 7.8: Plakettenfigurine aus Ḫirbet el-Mudēyine

Abb. 7.9: Plakettenfigurine (Applike) aus Wadi ath-Thamad Site 13

Abb. 7.10: Säulenfigurine aus Wadi ath-Thamad Site 13

Abb. 7.11: Frau mit Rahmentrommel aus Wadi ath-Thamad Site 13

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Kapitel 7

Abb. 7.12: Ḫirbet el-Mudēyine, Building B400–B404

Abb. 7.13: Ḫirbet el-Mudēyine, Ritualobjekte aus Building B400–404

Abb. 7.14: Ḫirbet el-Mudēyine, Building B300–B309

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Abb. 7.15: Ḫirbet el-Mudēyine, Ritualobjekte aus Building B300–B309

Abb. 7.16: Ḫirbet el-Mudēyine, Ritualobjekte aus Building B200–B210

7.4 Die Ebene der lokalen und regionalen Religionsausübung Der lokale Kult im Eisen-II-zeitlichen Moab ist durch den Tempel 149 in Ḫirbet el-Mudēyine und ein Torheiligtum ebenda belegt. Der Eisen-II-zeitliche „Tempel“ in Ḫirbet el-Mudēyine (Daviau und Steiner 2000) ist mit seinem Innenraum von ca. 5,5 x 5,5 m Größe typologisch eher ein Schrein und befand sich unmittelbar hinter dem Stadttor (Abb. 7.17).34 In der nordwestlichen und südöstlichen Ecke sowie zwischen den beiden Säulenbasen, die das Dach trugen, fanden sich Bänke. Zugänge befanden sich im Südwesten und Nordosten. Zwei 50– 80 cm hohe Kalksteinaltäre, einer davon bemalt, und ein Räucheraltar in Form eines Kandelabers (Abb. 7.18)35 befanden sich wohl ursprünglich nahe dem Eingang im Westen. Der schmale, sorgfältig bearbeitete Kandela34 35

Daviau und Steiner 2000: Fig. 2. Daviau 2012: Fig. 6. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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beraltar von 92 cm Höhe trägt die Votivinschrift mqṭr ʾš ʿś ʿlšmʿ / lysp bt ʾwt „Der Räucheraltar, den Elishama gemacht hat / für YSP, Tochter des ’WT.“36 Es handelt sich damit um ein Votivobjekt, das von Mitgliedern der lokalen Elite für ein ungenanntes Anliegen, das die Belange der genannten Frau YSP betrifft, gestiftet worden ist. Das Objekt reflektiert gleichzeitig die Überschneidung von familiärer und lokaler Religion, da ein Anliegen (oder ein Akt des Dankes) ein materielles Zeugnis im lokalen Heiligtum erhält. Neben der Gebrauchskeramik (Kelche, Krüge, Kanne, Lampen) enthielt der Schrein ein Ensemble von Ritualobjekten (Abb. 7.19),37 bestehend aus zwei Kalksteinobjekten unbekannter Funktion, einem Libationsgefäß, Fragmenten von weiblichen Figurinen, einem ägyptischen Objektamulett (Udjat-Auge), Schmuck sowie den Gehäusen von Murex-Schnecken. Ein Annex enthielt u.a. ein Spielbrett. Die Kulthandlungen umfassten demnach Libations- und Räucheropfer auf den Altären, die Niederlegung von Votivgaben sowie möglicherweise mit dem Spielbrett durchgeführte Orakelpraktiken. Außerhalb des Tores befand sich an dessen Nordseite eine Installation mit zwei Mazzeben (Daviau 2006). Installationen wie diese sind Eisen-IIzeitlich in Tel Dan, Tell el-Farʿah Nord und Betsaida bekannt. Nach den Befunden vom Tel Dan und Betsaida wurden auch an diesen extramuralen Kultinstallationen Räucher- und Trank- bzw. Speiseopfer vollzogen. Als Trägergruppe des Schreins und des Torheiligtums kann die lokale Bevölkerung von Ḫirbet elMudēyine gelten. Der regionale Kult in Moab ist insbesondere durch das Wegheiligtum Wadi ath-Thamad Site 13 (WT-13), ca. 3 km westlich von Ḫirbet el-Mudēyine repräsentiert (Daviau und Steiner 2017). Der umfriedete ältere Kultplatz in Stratum III maß etwa 4,4 x 8,5 m. Die Funde zahlreicher Tierknochen, von Ascheresten, Feuerstellen und Keramikfragmenten lässt auf Tieropfer und deren Verzehr schließen. Das Heiligtum Stratum in II aus der EZ II C besteht aus einer niedrigen Umfassungsmauer von 13,8 x 7 m, in deren Inneren eine Fülle von Votivobjekten gefunden wurden. Dazu gehören große und innen hohle anthropomorphe Figurinen, ähnlich denen aus Ḥorvat Qitmit (Abb. 7.20),38 Terrakottafigurinen unterschiedlicher Typen (s.o. Abb. 7.8–11), Amulette, ein Möbelmodell, Fragmente von Schreinmodellen, Lampen und zahlreiche Muscheln (collectibles). Eine wesentliche Praxis scheint somit das Deponieren von Votiven gewesen zu sein. Neben dem Votivbrauchtum deuten die Funde von Räuchertassen und Kochtöpfen auf Räucheropfer und Kultmahlzeiten hin. WT-13 hat, sowohl was die Architektur als auch die Funde betrifft, seine nächsten Parallelen in Ḥorvat Qitmit und ʿEn Ḥazeva in Edom und es kann vermutet werden, dass die Trägergruppe des Heiligtums primär die pastoralisierende lokale Bevölkerung war. Ein direkter Bezug zum nahen Schrein in Ḫirbet el-Mudēyine kann aufgrund der materiellen Befunde nicht hergestellt werden. Das Vorhandensein wertvoller oder aufwendig herzustellender Votivobjekte an beiden Kultplätzen deutet jedoch auf eine besondere Rolle der jeweiligen lokalen Eliten in der Kultausübung hin.

Abb. 7.17: Tempel 149 in Ḫirbet el-Mudēyine 36

Dion und Daviau 2000. Daviau und Steiner 2000: Fig. 11. 38 Daviau 2012: Fig. 4.1. 37

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Abb. 7.18: Altäre aus Tempel 149

Abb. 7.19: Ritualobjekte aus Tempel 149

Abb. 7.20: Votivfigur aus Wadi ath-Thamad Site 13

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7.5 Die Ebene der offiziellen Religionsausübung Durch die Stele des Meša aus der zweiten Hälfte des 9. Jh. (KAI 181, HTAT 105) ist die Ebene der offiziellen bzw. königlichen Religion im eisenzeitlichen Moab relativ gut bezeugt. Eine zweite Steleninschrift aus Kerak (KAI 306) ist nur fragmentarisch erhalten. Aus der Meša-Inschrift geht hervor, dass der König ein Heiligtum für den Nationalgott Kamoš als Dank für die Rettung vor seinen Gegnern und für die „Wendung zum Heil“ errichtet hat. Der Zusammenhang vom rechten Handeln des Königs und vom Gott geschenkten Erfolg wird ebenso deutlich. Der König zieht auf Geheiß der Gottheit in den Krieg, die auch den Sieg schenkt, ja sogar selbst herbeiführt (Z. 14; 18). Dass Kamoš dem König den Auftrag zum Feldzug erteilt, setzt – wie auch sonst im vorderen Orient – die Einholung eines Orakels voraus. Meša bemüht darüber hinaus den Topos des Versagens seines Vorgängers (seines Vaters Kamošyat), in dessen Tagen Kamoš seinem Volk zürnte und Teile Moabs von Israel beherrscht worden sind. Ein weiterer Topos der Königstheologie wird durch die Selbststilisierung des Herrschers als großer Bauherr (Z. 26ff.) realisiert. Ein von der Gottheit geschenkter Sieg und den Ruhm des Königs durch Bauten zum Gemeinwohl reflektiert auch die ammonitische Inschrift von der Zitadelle in Amman CAI 59. Der Text der Meša-Stele lässt auf eine sehr enge Verbindung von König und Nationalgott schließen, wie sie auch für die anderen westsemitischen Religionen gut bezeugt ist. Dies bestätigen sowohl der in Z. 1 genannte Name von Mešas Vater, Kamošyat (‚Kamoš hat gegeben‘), als auch die in assyrischen Texten genannten moabitischen Königsnamen, Kammūsu-nadbi (Kamošnadab ‚Kamoš hat gespendet‘),39 und Kamāš-ḫalta40 (Kamošḥalaṣ ‚Kamoš hat herausgezogen/geliefert‘ oder ‚Kamoš hat gerettet‘). Diese enge Verbindung zwischen den Göttern und dem König, insbesondere der Schutz und Segen durch die Götter, bezeugt bildhaft die Baluʿa-Stele (Abb. 7.2): Das Monument zeigt den König in Anbetungsgestus vor einer männlichen Gottheit mit Doppelkrone und w3s-Zepter diesen segnend und rechts flankiert von einer weiblichen Gottheit mit Atef-Krone vom Anat/Astarte-Typus, die ein Anch-Zeichen hält. Der Kopf des Königs wird wiederum flankiert von den Symbolen des Sonnen- und Mondgottes. Ein wesentlicher Zweck derartiger Bildwerke ist der der Herrschaftslegitimation: Der König erscheint als frommer Diener der Götter und als Person, die in unmittelbarer Kommunikation mit den Göttern steht und von diesen seinen Herrschaftsanspruch erhält. Die Präsenz der Kriegsgöttin unterstreicht den Aspekt der militärischen Potenz und die göttliche Unterstützung des Königs im Kampf. Gegenstand intensiver Diskussion war und ist der Vollzug des Vernichtungsbanns (ḥērem) an den Einwohnern von Nebo durch Meša (s. Schmitt 2011: 56ff.): Die Verwendung von ḥrm (hiph, 1. pers. sg. perf.) in der Meša-Inschrift scheint darauf hinzudeuten, dass der Vernichtung des Banngutes eine Art formales Bann-Gelübde vor der Schlacht wie in Num 21,2 vorausgegangen sein könnte. Es muss hier aber betont werden, dass die Meša-Inschrift eine Deutung der Ereignisse post festum ist und der Rechenschaft Mešas vor Kamoš diente. Die Inschrift bezeugt somit zwar die Existenz einer ḥērem-Ideologie in Moab, nicht jedoch den unmittelbaren Vollzug eines Vernichtungsbannes. Die Weihung von Beutegut an die Gottheit ist auch in neuassyrischen Texten gut belegt und eine in der Antike selbstverständliche Praxis des Dankes an die Götter für die erwiesene Unterstützung. Auch Einzelelemente des ḥērem wie das Niederbrennen eroberter Städte und die Tötung aller männlichen und weiblichen Kinder durch Verbrennen finden sich in der assyrischen Historiographie. Die Meša-Inschrift ist nach wie vor der einzige echte außerbiblische Beleg zum ḥērem, rechtfertigt aber keinesfalls die Annahme einer gemeinvorderorientalischen Ideologie eines „Bannkrieges“ oder „heiligen Krieges“, zumal die biblischen Belege sämtlich deuteronomistisch oder postdeuteronomistisch sind. Insgesamt entsprechen die in den Bild- und Textquellen greifbaren Elemente der moabitischen Herrschaftsrepräsentation der gemein-westsemitischen Königstheologie. Ebenfalls Gegenstand intensiver Diskussion ist das Menschenopfer durch den moabitischen König in 2 Kön 3,27 (die Glosse in 3,4 identifiziert ihn als Meša), der seinen Sohn auf der Mauer von Kir-Heres (Kerak) als Brandopfer in einer militärisch aussichtslosen Situation darbringt (s. Bauks 2010: 44ff.). Wiewohl dieser Akt zumeist als Ausnahmeopfer und als reale rituelle Praxis gesehen wird, dürfte dies – wie die Sprüche gegen Moab in den Prophetenbüchern (u.a. Jes 15 und 16; Ez 25,8ff.) – doch eher als Polemik gegen einen „Erzfeind“ anzusehen sein. Der in Ḫirbet ʿAtarūs ausgegrabene Tempel (Ji 2012) stellt die bislang einzige monumentale Tempelanlage im eisenzeitlichen Moab dar. Der Tempel in Phase I (von den Ausgräbern in das späte 10. bzw. frühe 39 40

U.a. in RINAP 3: Q003478 (Esarhaddon 1) 4,37. RINAP 5/1: Q003702 (Ashurbanipal 003) viii 32. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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9. Jh. datiert) ist ein Langraumtempel von ca. 9,6 x 13 m, dessen Kultfokus durch eine mittig platzierte Nische in der rückwärtigen Schmalseite von 1,5 x 1,5 m mit Podest und Mazzebe gebildet wird. Das Gebäude ist nord-westlich ausgerichtet. Zum Heiligtum gehörte in Phase I ein großer gemauerter Altar im Süden und eine über Stufen zugängliche Plattform (bamah) im Westen. In Phase II (Mitte 9. Jh., Abb. 7.21)41 wurde das Heiligtum durch Anbauten im Westen und Norden zu einer Breitraum-Anlage mit drei Haupträumen (wie beim Tempel 605 in Tel Miqne/Ekron Abb. 4.19), einer Torkammer mit vorgelagertem Podest mit Mazzebe, einem Hof mit drei großen gemauerten Altären (wohl für Brandopfer) und weiteren Annexbauten, darunter eine zweite bamah im Westen, ausgebaut. Der Hauptraum wurde unterteilt, die Nische mit Mazzebe blieb jedoch in Funktion. Zum Inventar des Hauptraums gehörten u.a. ein Räucheraltar aus Terrakotta, das Fragment eines Kultständers, Teile eines Schreinmodells mit applizierten männlichen Figuren, Löwen- und Stierappliken, Räuchertassen, Kernoi, Kelche und Lampen, darunter auch solche aus Eisen. Die unterschiedlichen Kultinstallationen, Herde und Altäre, sowie andere kultische Paraphernalia lassen auf diversifizierte Kulthandlungen, Tieropfer, Räucheropfer, Libationen und Votivpraktiken schließen. Metall- und andere Luxusobjekte bezeugen die Teilnahme der Eliten am Kult. Der Fund einer ungewöhnlich großen Terrakottastatuette eines Stieres lässt auf den Kult eines Wettergottes schließen. Ob es sich hierbei um Kamoš handelt, ist letztlich nicht zu erweisen. Größe und Ausstattung des Tempels lassen den Schluss zu, dass es sich um ein Heiligtum in offizieller Trägerschaft handelt, mit dem König, seiner Administration und den gesellschaftlichen Eliten als Trägergruppe, das von einer spezialisierten Priesterschaft verwaltet wurde. Typologisch sind die Tempel 605 in Tel Miqne/Ekron und das Heiligtum in Dan die nächsten Parallelen zum Tempel von Ḫirbet ʿAtarūs.

Abb. 7.21: Tempel in Ḫirbet ʿAtarūs, Phase 2

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Ji 2012: Fig. II. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

© 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Kapitel 8 Die Religion der Edomiter R. Albertz und R. Schmitt 2012: Family and Household Religion in Ancient Israel and the Levant, Winona Lake, 236– 237; J. R. Bartlett 1989: Edom and the Edomites, JSOT.S 77, Sheffield; I. Beit-Arieh und B. Cresson 1985: An Edomite Ostracon from Ḥorvat ʿUza, in: TA 12, 96–101; I. Beit-Arieh 1995: Ḥorvat Qitmit: An Edomite Shrine in the Negev, Monograph Series of the Institute of Archaeology, Tel Aviv University 11 Tel Aviv; C. M. Bennet und P. Bienkowski 1995: Excavations at Tawilan in Southern Jordan, Oxford; M. Bernett und O. Keel 1998: Mond, Stier und Kult am Stadttor: Die Stele von Betsaida (et-Tell), OBO 161, Fribourg/Göttingen; P. Bienkowski (Hrsg.) 1992: Early Edom and Moab, Sheffield Archaeological Monographs 7, Sheffield; P. Bienkowski 2008: The Persian Period, in: R. B. Adams (Hrsg.), Jordan: An Archaeological Reader, London, 335–352; J. S. Burnett 2016: Ammon, Moab and Edom: Gods and Kingdoms East of the Jordan, in: BAR November/December, 26–40, 66–67; R. Cohen und Y. Yisrael 1995: Iron Age Fortresses at ‘En Ḥazeva, in: BA 58, 223–235; R. Cohen und Y. Yisrael 1996: ‘En Ḥazeva – 1990–1994, in: ESI 15, 110–116; J. A. Dearman 1995: Edomite Religion: A Survey and an Examination of Some Recent Contributions, in: D. Edelman (Hrsg.), You shall not Abhore an Edomite for he is Your Brother, ABL Archaeology and Biblical Studies 3, Atlanta, 119–136; R. H. Dornemann 1983: The Archaeology of Transjordan in the Bronze and Iron Ages, Milwaukee; D. Elkowicz 2012: Tempel und Kultplätze der Philister und der Völker des Ostjordanlandes: Eine Untersuchung zur Bau- und Kultgeschichte während der Eisenzeit I–II, AOAT 378, Münster; I. Finkelstein 1995: Living on the Fringe: The Archaeology and History of the Negev, Sinai and Neighbouring Regions in the Bronze and Iron Ages, MMA 6, Sheffield; L. Herr und M. Najjar 2008: The Iron Age, in: R. B. Adams (Hrsg.), Jordan: An Archaeological Reader, London/Oakville, 311–334; E. A. Knauf 1989: Ismael: Untersuchungen zur Geschichte Palästinas und Nordarabiens im 1. Jt. v. Chr., ADPV 7, Wiesbaden; E. A. Knauf, 1999: Art. Qos, in: DDD, 674–677; Ø. S. LaBianca und R. W. Younker 1995: The Kingdoms of Ammon, Moab, and Edom: The Archaeology of Society in Late Bronze/Iron Age Transjordan (ca. 1400–500 BCE), in: T. E. Levy (Hrsg.), The Archaeology of Society in the Holy Land, London 1995, 399–415; T. E. Levy, R. B. Adams und R. Shafiq 1999: The Jabal Hamrat Fidan Project: Excavations at the Wadi Fidan 40 Cemetery, Jordan (1997), in: Levant 31, 293–308; T. E. Levy u.a. 2005: Iron Age Burial in the Lowlands of Edom: The 2004 Excavations at Wādī Fīdān 40, Jordan, in: ADAJ 49, 443–487; A. Mazar 1990: The Archaeology of the Land of the Bible 10.000–586 B.C.E, New York u.a., 300–328; R. Reich 1993: Art. Bozrah, in: NEAEHL I, 264–266; E. Stern 2001: Archaeology of the Land of the Bible Vol. II, New Haven und London, 268–294; D. Vanderhooft 1995: The Edomite Dialect and Script: A Review of the Evidence, in: D. Edelman (Hrsg.), You shall not Abhore an Edomite for he is Your Brother, ABL Archaeology and Biblical Studies 3, Atlanta, 137–157; M. Weippert 1971: Edom: Studien und Materialien zur Geschichte der Edomiter auf Grund schriftlicher und archäologischer Quellen, Diss. masch., Tübingen.

8.1 Einleitung Edom (nach der vorherrschenden Farbe von Gestein und Boden ‚das Rote‘), im Alten Testament synonym mit Seïr (Ri 5,4) gebraucht, bezeichnet die bergige transjordanische Landschaft südlich des Wadi el-Ḥesā und östlich des Wadi Araba und wird als geographische Größe bereits in ägyptischen Texten des 12. Jh. erwähnt (die š3sw von jdwm).1 Im Alten Testament ist ʾedōm sowohl geographische Bezeichnung als auch Gentizilium und in der Eisenzeit gleichzeitig Eigen- und Fremdbezeichnung eines Territorialkönigtums (LaBianca und Younker 1995). Die Entstehung des edomitischen Staates ist Ergebnis eines bereits in der EZ I einsetzenden Sedentarisationsprozesses, der bedingt durch die Konkurrenz zu den frühen Israeliten bzw. Judäern zu einer sekundären Staatenbildung führte (Finkelstein 1995: 135ff.). Sehr wahrscheinlich ist diese Entwicklung jedoch später als in Ammon und Moab anzusetzen und hat wohl erst seit der EZ II B entsprechende administrative Strukturen ausgebildet. In der Periode neuassyrischer Dominanz in der EZ II C gelang es der edomitischen Entität – mit assyrischer Unterstützung – in die südliche Araba-Senke und in den Süden Judas zu expandieren. Edom wurde vermutlich – wie Moab und Ammon – von Nebukadnezzar II. annektiert. Ob Edom in der persischen Periode Teil der Satrapie Abar Naharim ‚Jenseits des Flusses‘ 1

Papyrus Anastasi VI: 51–61: COS 3.5. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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war oder zu späterer Zeit eine persische Sub-Provinz bildete, ist aufgrund des Quellenmangels unklar (Bienkowski 2008: 335f.). Schriftliche Quellen für die edomitische Religion sind vor allem theophore Personennamen. Die als edomitisch bezeichneten Sprachzeugnisse auf Ostraka und Siegeln bilden keinen selbständigen Dialekt, sondern stehen dem cisjordanischen Hebräisch nahe (Vanderhooft 1995). Materielle Evidenz für die edomitische Religion stammt vor allem aus den Heiligtümern von Ḥorvat Qitmit und ʿEn Ḥazeva sowie aus Bozra (Busēra), dem edomitischen Hauptort im Osten der Araba sowie aus Tawīlān. Von den edomitischen Siedlungen der EZ II C kann nur Buseira als urban angesprochen werden, die übrigen Ortslagen waren unbefestigt und von dörflichem Charakter.

8.2 In Edom belegte Götter und Elemente des religiösen Symbolsystems Die epigraphische Evidenz für die in Edom belegten Götter ist etwas unklar, da bei den zumeist aus dem Kunsthandel stammenden Siegeln eine klare Unterscheidung zwischen einer edomitischen oder moabitischen Zuweisung schwierig ist. Als Unterscheidungsmerkmal gilt der Name des edomitischen Hauptgottes Qaus/Qos (bei Josephus, Ant 15.7.9 gräzisiert Koze) als theophores Element (siehe Übersicht 5), wobei jedoch fraglich ist, ob der Gott Qaus ausschließlich in edomitischen Namen verwendet worden ist: So belegt das Alte Testament den Namen Barqos ‚Qos hat erschaffen‘ unter den judäischen Rückkehrern aus Babylon (Esra 2,53, Neh 7,55). Aus regulären Grabungen stammen zwei Siegel mit dem Namen des Qausgabri ‚Qaus ist mächtig/stark‘, des Königs von Edom, eines aus Petra2 und eines aus Babylon,3 das Siegel des Qausa aus Aroer im Negev,4 das Bronzesiegel des Šubnaqaus (‚Qaus wende dich um‘) aus Ḥorvat Qitmit,5 sowie 22 Abdrücke des Siegels des qwsʿnl/Qausʿanal (‚Qaus hat geantwortet‘) ʿbd hmlk.6 Assyrische Texte erwähnen die Könige Qausmalaka (‚Qaus ist König‘) in einer Inschrift Tiglatpileser III.7 und den genannten Qausgabri in der Zeit Asarhaddons.8 Eine Segensformel („Ich segne Dich bei Qaus“) enthält ein Ostrakon aus Ḥorvat ʿUza.9 Weitere Qaus-haltige Personennamen finden sich auf dem Ostrakon 6043 vom Tell el-Kheleifeh:10 brq[ws] ‚Qaus hat erschaffen‘, qwsb[nh] ‚Qaus hat gebildet/erschaffen‘, ṣydqw[s] ‚Qaus ist meine Wegzehrung (?)‘ und ḥdq[ws] ‚Qaus ist meine Freude‘. Insgesamt machen die mit Qaus gebildeten Belege 72 % des Onomastikons (50% bei den einzelnen Namen) aus, was die primäre Rolle der Gottheit bestätigt. Der Name des Gottes Qaus ist vermutlich von arab. ‚Bogen‘ herzuleiten und die Gottheit ist daher dem Typus des kriegerischen Wettergottes zugehörig und ähnelt dem israelitisch/judäischen Jahwe (Knauf 1999: 676f.). Qaus ist mit der Darstellung einer thronenden männlichen Gottheit auf einem Vierbeiner auf dem Siegel eines gewissen qswʾdny (?) ‚Qaus ist mein Herr‘ identifiziert worden.11 Da es sich bei dem Vierbeiner auf diesem importierten assyrischen Siegel jedoch um einen Schlangendrachen handelt, ist hier eher an Marduk oder Nabu zu denken, zumal Darstellung und Siegellegende auf westsemitischen Siegeln selten in Zusammenhang zu bringen sind. Der Name ʿAdiʾel ‚El hat geschmückt‘ ist auf dem Ostrakon 6043 vom Tell el-Khelīfē belegt sowie auf einem vermutlich edomitischen Siegel aus dem Kunsthandel.12 Das bereits genannte Ostrakon aus Ḥorvat ʿUza enthält neben den genannten Qaus-haltigen Namen einmal einen mlk-haltigen Namen (lmlk) und einen El-haltigen (ʿzʾl/ʿUziʾel ‚El ist mein Schutz‘),13 der auch im ammonitischen und aramäischen Onomastikon belegt ist,14 sowie den Namen šlm (Šalim, der Gott des Abendsterns). Der Gott MLK ist weiter in einem theophoren Namen eines Beamten (lmlklbʿ ʿbd hmlk) auf

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CSAJ Umm el-Biyyara 1 (= WSS 1048). Siehe unten Abb. 8.7. WSS 1049. 4 CSAP I: Aroër 1 (= WSS 1055). 5 Beit-Arieh 1995: 264ff. 6 WSS 1051. 7 RINAP 1: Q004360 (Tiglath-Pileser III 47) r 11´. 8 RINAP 5/1: Q003230 (Esarhaddon 001) v 55. 9 Beit-Arieh und Cresson 1985. 10 Vanderhooft 1995: 144. 11 WSS 1057; Ornan 1993: Fig. 28. 12 Vanderhooft 1995: 144; WSS 1062. 13 Beit-Arieh und Cresson 1985. 14 Siehe Albertz und Schmitt 2012: 560. 3

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einer Bulle aus Bozra belegt.15 Als einzige weibliche Vertreterin findet sich die Sonnengöttin Raḥban mit einem Beleg im Onomastikon. Der relativ schmale Bestand an theophoren Namen, fast ausschließlich aus der EZ II C, lässt keine weitreichenden Rückschlüsse auf das Pantheon und seine Struktur zu. Es ist zumindest so viel deutlich, dass Qaus der Nationalgott und damit – wie Jahwe im zeitgenössischen Juda, Kamoš in Moab und El in Ammon – die dominierende und nach Ausweis der theophoren Namen die zentrale Gottheit in der persönlichen bzw. familiären Frömmigkeit (s.u. 8.3) sowie in der offiziellen Religion war. Die Struktur der edomitischen Personennamen, zumeist Dank-, Bekenntnis- oder Geburtsnamen, entspricht dem Befund in den anderen westsemitischen Onomastika und bringt den Schutz und den Dank für erwiesene Hilfeleistung und Nachkommenschaft zum Ausdruck. Ein im edomitischen Corpus bisher unparallelisiertes Siegel der EZ II C stellt einen Rinderkopf dar (Abb. 8.1),16 der als Symbol eines Wettergottes gedeutet werden kann, aber auch als eine Stärke und Wehrhaftigkeit evozierende Segensikone oder – wie die Votivfigurinen von Rindern aus Ḥorvat Qitmit nahelegen – könnte die Wohlfahrt in Gestalt von Rinderbesitz evozieren. Die Verehrung eines Mondgottes bezeugen ein Siegel mit der Darstellung zweier Verehrer vor dem Mondsymbol (Abb. 8.2)17 und eine mit einem Sichelmond dekorierte Stele aus dem Heiligtum von ʿEn Ḥazeva (s.u.), die darauf hindeutet, dass es sich (u.a.) um ein dem Mondgott geweihtes Heiligtum handelt. Während Göttinnen epigraphisch nicht in signifikanter Anzahl belegt sind, zeigen zeitgenössische eisenzeitliche und spätere (perserzeitliche–hellenistische) Terrakotten, insbesondere die Statuette einer Göttin mit Hörnerkrone aus Ḥorvat Qitmit, die wohl zu einer Anat/Astarte-ähnlichen Kriegsgöttin gehört haben dürfte (Abb. 8.3)18 und die Figurine einer nackten Frau auf einem Postamenttier (vermutlich einem Löwen, Abb. 8.4),19 dass es einen weiblichen Aspekt im religiösen Symbolsystem gab, der im Onomastikon nicht reflektiert wird. Es ist jedoch aufgrund der Figurinenfunde nicht zu erweisen, dass es sich bei den in Ḥorvat Qitmit verehrten Göttern um ein Götterpaar, Qaus und seine Gefährtin, gehandelt hat (so Stern 2001: 287f.). Auch ein solitäres Siegel der EZ II C aus Bozra mit der Darstellung einer die Brüste haltenden Frau mit Skorpionen kann als eine Symbolisierung von Fruchtbarkeit verstanden werden (Abb. 8.5).20 Da weitere Attribute fehlen, muss hier eine Deutung als Göttin jedoch unsicher bleiben. Neben eigentlichen Göttern sind für Edom auch apotropäische Mischwesen wie der Sphinx belegt, sowohl in kleinplastischer Form im lokalem Stil aus Ḥorvat Qitmit (Abb. 8.6),21 als auch in assyrisierendem Stil auf Siegeln, wie dem des edomitischen Königs Qausgabri (Abb. 8.7),22 sowie der Greif.23 Siegel mit Astralsymbolik24 sind mesopotamische Importe und reflektieren einen allgemeinen kulturellen Einfluss aus Mesopotamien und eine Nachfrage nach entsprechenden Motiven auf dem lokalen Markt. Hier partizipiert Edom an einem generellen Trend im westsemitischen Kulturraum der Eisenzeit II C. Auch wenn die Evidenz für Edom insgesamt sehr lücken- und ausschnitthaft ist, so zeigt doch das wenige Vorhandene ein Bild, wie es sich ähnlich auch in Israel, Juda, Moab und Ammon darbietet: Eine große männliche Göttergestalt, oftmals der kriegerische Wettergott (in Edom Qaus), dominiert als wichtigste Gottheit sowohl das Symbolsystem der familiären Frömmigkeit wie der offiziellen Religion. Neben ihm finden nur eine überschaubare Anzahl weiterer männlicher Gottheiten Verehrung (El und Baʿal sowie der nur ikonographisch bezeugte Mondgott) sowie eine kriegerische Göttin und eine mit dem Löwen assoziierte nackte Göttin. Strukturen des Pantheons, Paarungen, Filiationen und andere Konstellationen bleiben im Dunkeln. Auch für Edom ist davon auszugehen, dass das wenige vorhandene Material das Pantheon sehr wahrscheinlich nicht vollständig abbildet.

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CSAJ Buseira 7 (= WSS 1050). Das zweite Element des Namens ist unklar. Sass (WSS ebd.) vermutet mlkblʿ = mlkbʿl ‚MLK ist Baʿal‘. Als Gleichsetzungsname sonst nur feminin (mlktbʿl) im phönizischen Onomastikon belegt (Albertz und Schmitt 2012: 581). 16 CSAJ Buseira 5. Vgl. WSS 132 und CSAP IV: Tel Gamma 87. 17 CSAP II: En Hazewa 2. 18 Beit-Arieh 1995: Fig. 3.53, No. 68. 19 Beit-Arieh 1995: Fig. 3.70, No. 110 20 CSAJ Buseira 13. 21 Beit-Arieh 1995: No. 181. 22 CSAJ Umm al-Bayyara 1 (= WSS 1049; vgl. WSS 1056). 23 WSS 1055. 24 CSAJ Buseira 17; Tawilan 2 (Mondgott von Harran); Beith-Arie 1995: No. 220; WSS 1053. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Kapitel 8

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Abb. 8.1: Siegel mit Stier- Abb. 8.2. Siegel mit Verehrern Abb. 8.3: Kopf einer Göttin kopf aus Bozra vor dem Symbol des Mondgottes aus Ḥorvat Qitmit aus ʿEn Ḥazeva

Abb. 8.5: Siegel aus Bozra mit Brüstehalterin

Abb. 8.6: Sphinx aus Ḥorvat Qitmit

Abb. 8.4: Göttin auf Postamenttier aus Ḥorvat Qitmit

Abb. 8.7: Siegel des Königs Qausgabri mit Sphinx aus Umm al-Bayyara

8.3 Die Ebene der Familienreligion, des Hauskults und der Totenfürsorge 8.3.1 Das Onomastikon Das epigraphisch belegte eisenzeitliche edomitische Onomastikon ist bislang sehr übersichtlich und nur der geringste Teil der Belege ist aus regulären Grabungen nachgewiesen (siehe Übersicht 5). Wie bereits oben angesprochen, ist der Name des edomitischen Nationalgottes Qaus mit 71 % aller Belege das dominante Element in den theophoren Personennamen: Wie Jahwe in Israel und Juda, El in Ammon und Kamoš in Moab, ist er die primäre Gottheit im Kontext der familiären Wohlfahrt. Bis auf die Bekenntnisnamen ist die prozentuale Verteilung der Namen bzw. Belege für Qaus recht gleichmäßig über die Namenstypen verteilt. In einem Fall eines Gleichsetzungsnamens (Qausʾimmi)25 wird Qaus sogar mit der göttlichen Mutter gleichgesetzt, was deutlich macht, dass die Hauptgottheit als Familiengott in allen wichtigen Sektoren dominiert und keine göttlichen „Spezialisten“ bestimmte Bereiche besetzen. Neben Qaus spielen nur noch El (7 Belege) und Baʿal (4 Belege) in der Namensgebung eine nennenswerte Rolle. Die Belege für Qaus und El verteilen sich über alle Typen von Namen, wobei Dank- und Bekenntnisnamen häufiger vorzukommen scheinen, Gleichsetzungsnamen aber bis auf eine Ausnahme (mlklbʿ/mlk bʿl ‚MLK ist Baʿal/Herr‘) fehlen. Aufgrund der begrenzten und zufälligen Belege können daraus keine weiteren Schlüsse gezogen werden. Auch sind die Zahlen für MLK und Šalim insignifikant. Die einzige im eisen25

WSS 1056. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

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zeitlichen Onomastikon vertretene Göttin, die Sonnengöttin Raḥban, ist ebenfalls nur mit einem Beleg vertreten. 8.3.2 Der Hauskult Elemente des Hauskults sind insbesondere aus Tawīlān, ca. 8 km nordöstlich von Petra, für die Eisenzeit II C und die persische Zeit belegt (Bennet und Bienkowski 1995; Albertz und Schmitt 2012: 189f.): Bei der Siedlung in Tawīlān handelt es sich nach den Befunden der Architektur und der übrigen materiellen Kultur – es fanden sich weder spezialisierte Keramik oder Luxusware – um eine bäuerliche Siedlung bescheidenen Charakters. In einem Vierraum-Haus, wie es auch für die EZ II in Cis- und Transjordanien typisch ist, und in einem weiteren Wohnhaus wurden zwei kleine quadratische Räucheraltäre gefunden. Ein weiteres Gebäude, bestehend aus einfach konstruierten Räumen, enthielt neben Kochinstallationen eine Anzahl von Ritualobjekten, darunter eine Plakettenfigurine, eine weibliche Säulenfigur, eine Form zur Produktion von Köpfen für Säulenfigurinen und Fragmente von Tierfigurinen. Die Befunde für den Hauskult in Tawilan bezeugen das Räuchern, eine häusliche Votivpraxis mit Figurinen, die Fruchtbarkeit und reichen Bestand von Vieh evozieren sollen, sowie die häusliche Produktion von Terrakottafigurinen. Trotz der eher bescheidenen Befunde entsprechen die Praktiken des Hauskults in Edom strukturell denen der unmittelbaren Nachbarn mit der Präsenz von Ritualobjekten in Bereichen, die zur Produktion und Konsumption von Nahrung dienten. Die Ritualobjekte repräsentieren ein Symbolsystem, das die zentralen familiären Bedürfnisse einer ruralen Gemeinschaft, wie Fruchtbarkeit und Wohlstand, zum Ausdruck bringt. 8.3.3 Bestattungskultur und Totenfürsorge Mit den edomitischen Siedlungen der EZ II C zeitgenössische Nekropolen sind bislang nicht bekannt. Evidenz für Bestattungsbräuche und Jenseitsvorstellungen liegt lediglich mit den Gräbern der Nekropole in Wādī Fīdān (WD 40) aus der EZ I–II A (Levy, Adams und Shafiq 1999; Levy u.a. 2005) vor. Der große Friedhof barg insgesamt 235 Individuen in 172 Beisetzungen. Die Nekropole weist hinsichtlich der Bestattungssitten sonst nicht aus Palästina bekannte Spezifika auf: Bei den Gräbern handelt es sich um bis zu einem Meter tiefe Kistengräber (steinverkleidete Erdgräber), in denen die Verstorbenen z.T. in Leder eingewickelt bestattet worden sind. Zu den Grabbeigaben gehören ägyptische Siegelamulette sowie Granatäpfel. Eine Besonderheit bilden die überirdischen Steinsetzungen, bestehend aus 1–1,8 m großen Kreisen aus Feldsteinen, konzentrischen Kreisen oder Pflasterungen mit Steinen sowie einer oft zentralen Mazzebe mit z.T. anthropomorphen Merkmalen wie Nasen und Ohren. Die überirdischen Strukturen und die Aufstellung der anthropomorphen Mazzeben machen die Gräber identifizierbar. Die Durchführung von Kulthandlungen für die Verstorbenen am Grab und eine ausgeprägte Ahnenfürsorge bzw. Verehrung nach der Erstbestattung sind hier wahrscheinlich. Eine soziale Differenzierung lassen die Gräber nicht erkennen. Dies und die Tatsache, dass sich im weiteren Umkreis keine Ansiedlung befindet, lassen auf eine nomadische oder seminomadische Gesellschaft als Trägergruppe schließen. Ob diese Teil der ethnischen Größe „Edomiter“ war, ist nicht zu erweisen.

8.4 Die Ebene der lokalen und regionalen Religionsausübung Die Ebene lokaler Kultausübung in der Eisenzeit II C ist für Edom vor allem durch die Funde aus Ḥorvat Qitmit und ʿEn Ḥazeva gut dokumentiert, die einige edomitische Spezifika aufweisen. Das Heiligtum in Ḥorvat Qitmit (Beit-Arieh 1995: 303ff.), das nicht mit einer Siedlung assoziiert ist, besteht aus zwei Strukturen: Bei Heiligtum A handelt es sich um einen aus drei Räumen mit Bänken bestehenden Schrein in NordostOrientierung, jedoch ohne erkennbaren Kultfokus und einen Freiluftbereich mit bamah (Plattform) und einem steinernen Bassin in Südwest-Orientierung, dem eine zum Schrein hin offene U-förmige Struktur angelagert ist (Rekonstruktion in Abb. 8.8).26 Aus diesem Bereich stammt ein reichhaltiges Ensemble aus Ritualobjekten, zu dem der oben besprochene Kopf einer Göttinnenstatuette gehört, sowie zahlreiche zumeist als anthropomorphe Kultständer bezeichnete Objekte (Abb. 8.9).27 Zur Ausstattung gehörten ferner zylindrische Kultständer, Räucheraltäre, tripod cups, Kelche, Kompositgefäße für Libationszwecke bzw. als Votive, Votivwaffen aus Terrakotta, anthropomorphe und zoomorphe Terrakotten, „Sammlerstücke“ wie Schneckengehäuse sowie größere 26 27

Beit-Arieh 1995: Fig. 9.1. Beit-Arieh 1995: Fig. 3.19. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Kapitel 8

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Mengen von Keramik zur Zubereitung und Konsumption von Speisen. Bei den eigentümlichen anthropomorphen Kultständern handelt es sich eigentlich um scheibengedrehte, hohle Statuetten mit Applikationen und technisch um Konversionen von Gefäßen. Diese sind – ebenso wie die anthropomorphen und zoomorphen Terrakotten – als Votive anzusprechen und repräsentieren wohl die Stifter. Die ausschließlich männlichen, großformatigen Votivfigurinen und die Deponierung von Modellwaffen deuten auf ein Symbolsystem hin, in dem männliche, kriegerische Aspekte wie Stärke und Wehrhaftigkeit eine zentrale Rolle spielten. Die mit Krieg und Jagd verbundene Symbolik findet auch ihren Ausdruck in der Weihung von Hundeterrakotten (Abb. 8.10).28 Daneben fanden sich aber auch die in Transjordanien omnipräsenten Votivplaketten der nackten Brüstehalterin.29 Die unterschiedlichen Votivtypen deuten auf genderspezifische Votivpraktiken hin. Andere zoomorphe Terrakotten, wie die Figurinen von Rindern (liegend wie in Abb. 8.1130 oder stehend), evozieren die Fruchtbarkeit der Herden und damit die wirtschaftliche Prosperität der Familie. Der Heiligtumskomplex B besteht aus einem L-förmigen Gebäude mit mehreren Räumen mit Hof und einer Mazzebe vor dem Gebäude. Auch für eine zwischen den beiden Komplexen gelegene und mit Feldsteinen abgegrenzte Struktur wird eine kultische Nutzung (Plattform/bamah mit Mazzebe?) vermutet. Die an den Heiligtümern vollzogenen rituellen Praktiken beinhalteten die Darbringung von Tieropfern und rituelle Mähler, Libationen, das Verbrennen von Räucherwerk sowie die Gabe von Votiven an das Heiligtum. Die dort verehrten Götter sind durch die Mazzeben und wohl zumindest auch durch eine Statuette einer kriegerischen Göttin repräsentiert, wozu die Votivwaffen und die z.T. Waffen tragenden anthropomorphen Terrakotten passen. Das epigraphische Material weist darauf hin, dass der edomitische Hauptgott Qaus in Ḥorvat Qitmit verehrt worden ist (Beit-Arieh 1995: 258ff.). Sehr wahrscheinlich handelt es sich um ein Heiligtum, das – zwischen zwei antiken Handelswegen gelegen – als zentraler Kultort lokaler tribaler Gruppen diente, die als Trägergruppen anzusprechen sind. Möglicherweise besteht aber auch eine Verbindung zum etwa 5 km entfernten Tel Malḥata, wo ein Einfluss edomitischer materieller Kultur zu beobachten ist. Ob Ḥorvat Qitmit von einer Priesterschaft verwaltet wurde, ist möglich, muss aber Spekulation bleiben. Das Heiligtum von ʿEn Ḥazeva (Cohen und Yisrael 1995; 1996; 1997) ist, anders als Ḥorvat Qitmit, nicht isoliert gelegen, sondern einer edomitischen Festungsanlage vorgelagert. Das Heiligtum besteht aus einer Uförmigen Struktur mit Bänken, einem Altar und einem Herd. Zwei Mazzeben (eine davon mit einer Mondsichel dekoriert, Abb. 8.12)31 im Südosten der Struktur markieren den Kultfokus (Rekonstruktion Abb. 8.13).32 Aufgrund der Mazzebe mit Mondsichel dürfte es sich damit um ein Heiligtum des Mondgottes und (mindestens) einer weiteren, nicht zu identifizierenden Gottheit handeln. Auch hier fand sich (in einer favissa) ein reichhaltiges Ritualensemble aus anthropomorphen Kultständern ähnlichen Typs wie in Ḥorvat Qitmit (Abb. 8.14, hier eine männliche und zwei weibliche Figuren),33 durchbrochenen Ständern, 7 Räucherkisten und 2 Räucherschaufeln. Die Lage des Heiligtums außerhalb der Festung deutet auf ein Wegheiligtum hin, dessen Trägergruppe sowohl die Besatzung der Festung als auch die regionale Einwohnerschaft sowie durchziehende Händler gewesen sein dürften. Die dort geübten Praktiken entsprechen aufgrund der Funde denen in Ḥorvat Qitmit, insbesondere die Deponierung von Votiven und Räucheropfer. Weitere vermutete edomitische kultische Strukturen in Ḥorvat Radum and Ḥorvat ʿUza halten einer Prüfung jedoch nicht stand – es fanden sich hier weder eindeutige Ritualinstallationen noch Ritualgerät.

28

Beit-Arieh 1995: Fig. 3.78, No. 126. Beit-Arieh 1995: Fig. 3.75. 30 Beit-Arieh 1995: Fig. 3.68, No. 125. 31 Cohen und Yisrael 1995: 28 (= GGG 406). 32 Cohen und Yisrael 1995: 25. 33 Abb. GGG 405 a–c. 29

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Abb. 8.8: Heiligtum A in Ḥorvat Qitmit mit Position der Objekte

Abb. 8.9: Anthropomorpher Kultständer aus Ḥorvat Qitmit

Abb. 8.10: Hundeterrakotte aus Ḥorvat Qitmit

Abb. 8.11: Figurine eines liegenden Rindes aus Ḥorvat Qitmit

Abb. 8.12: Stele mit Mondemblem aus dem Heiligtum von ʿEn Ḥazeva

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Kapitel 8

Abb. 8.13: Rekonstruktion des Heiligtums von ʿEn Ḥazeva

Abb. 8.14: Votivstatuetten aus dem Heiligtum ʿEn Ḥazeva

8.5 Die Ebene der offiziellen Religionsausübung Die Qaus-haltigen theophoren Namen der edomitischen Könige verdeutlichen die enge Beziehung des Königs zum Landes- bzw. Staatsgott. Sowohl Qausgabri ‚Qaus ist mächtig/stark‘) als auch Qausmalaka (‚Qaus ist König‘) könnten daher programmatische Thronnamen sein, die dieses enge Verhältnis mit Attributen der Stärke und der Herrschaft in Verbindungen bringen. In Bozra, möglicherweise der Hauptstadt von Edom, konnten auf der Akropolis eine Reihe von palastartigen administrativen Strukturen der späten EZ II B–II C freigelegt werden, die assyrischen Einfluss erkennen lassen. Ein Raum im lower building des 8.–7. Jh. v. Chr. wurde aufgrund seines Grundrisses und weiterer architektonischer Charakteristika (Steinsockel, möglicherweise für den Eingang flankierende Plastiken, eine breite Zugangstreppe und drei Cellaartige Räume) als Tempel gedeutet (Reich 1993: 265). Sollte diese Deutung korrekt sein, würde dies auf eine unmittelbare Verbindung zwischen Tempel und Palast im edomitischen Hauptort sprechen. Gegen eine kultische Deutung spricht freilich das Fehlen eindeutig kultischer Installationen und von Ritualgerät. Die Assoziation des Heiligtums von ʿEn Ḥazeva mit der Festung kann jedoch im Hinblick auf Überschneidungen des offiziellen und des regionalen Kults gedeutet werden.

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Kapitel 9 Strukturen der Religionen Israels/Palästinas in komparativer Perspektive R. Albertz und R. Schmitt 2012: Family and Household Religion in Ancient Israel and the Levant, Winona Lake, 176– 244; 480–495, A. Berlejung 2017: Dimensionen der Herrschaftslegitimität: Ikonographische Aspekte königlicher Selbstdarstellung in den Kulturen der südlichen Levante der Eisenzeit anhand der Bildwerke von Baluʿa, Yarih-ʿezer und Askalon, in: C. Levin und R. Müller (Hrsg.), Herrschaftslegitimation in vorderorientalischen Reichen der Eisenzeit, ORA 21, Tübingen, 147–187; D. I. Block 2013², The Gods of the Nations: A Study in Ancient Near Eastern National Theology, Eugene; D. Kühn 2018: Die „Zwei Körper des Königs“ in den westsemitischen Kulturen: Ugarit, aramäische Königreiche, Phönizien, Ammon, Moab, Israel und Juda, Kasion 4, Münster; R. Schmitt 2001: Bildhafte Herrschaftsrepräsentation im eisenzeitlichen Israel, AOAT 283, Münster; R. Schmitt 2004: Magie im Alten Testament, AOAT 313, Münster; B. B. Schmidt 2017: The Materiality of Power: Explorations in the Social History of Early Israelite Magic, FAT 105, Tübingen; B. B. Schmidt und R. Schmitt 2019:, Art. Magic (Hebrew Bible), in: EBR 17, 431– 437; R. Schmitt, Mantik im Alten Testament, AOAT 411, Münster; R. S. Salo 2017: Die judäische Königsideologie im Kontext der Nachbarkulturen, ORA 25, Tübingen; M. S. Smith 2001: The Origins of Biblical Monotheism: Israel’s Polytheistic Background and the Ugaritic Texts, Oxford/New York; M. S. Smith 2008: God in Translation: Deities in Cross-Cultural Discourse in the Biblical World, FAT 57, Tübingen.

9.1 Pantheonstrukturen Die Götter der jeweiligen Panthea sind in der älteren Forschung vor allem unter dem Aspekt ihrer Zuständigkeiten bzw. Spezialisierungen betrachtet worden (Fruchtbarkeit, Regen, Krieg etc.). Die nationalen eisenzeitlichen Onomastika bezeugen eine Dominanz der Nationalgottheiten, deren breiter Zuständigkeitsbereich sich am deutlichsten im Bereich der familiären Frömmigkeit zeigt (s.u. 9.2). Eine potentielle Multifunktionalität kommt jedoch allen belegten Gottheiten zu. Die Zeugnisse der offiziellen Religion Israels, Judas, Moabs, Ammons und Edoms sowohl in der Eigen- wie auch der Außenwahrnehmung (inklusive des Alten Testaments) verbinden die Nationalgötter mit Staat, Volk und Herrschaftsgebiet. Der Gebrauch des Begriffes ‚Nationalgott‘ (Block 2013²: 21ff.) erscheint daher berechtigt. Die theophoren Namen im hebräischen Onomastikon enthalten 28 verschiedene göttliche Elemente mit einer starken Dominanz des israelitischen und judäischen Nationalgottes Jahwe mit 67,6 % im Korpus der 1978 epigraphisch belegten Namen. Eine noch höhere Frequenz findet sich für den edomitischen Qaus mit 71% unter nur 7 weiteren belegten Gottheiten. El als Nationalgott der Ammoniter ist mit 81,8 % innerhalb eines ebenfalls noch übersichtlichen Pantheons von 15 Göttern besonders prominent vertreten. Neben dem Nationalgott El sind in Ammon zwar auch Baʿal/Hadad, MLK, Milkom, Mot und Jahwe (aufgrund paläographischer Argumente) vertreten, bilden zusammengenommen aber nur eine Gruppe von unter 1%. Die häufig belegten Elemente ʾAdon und Mareʾ (mit 8 Belegen) dürften Epitheta für El sein. Das recht schmale moabitische Onomastikon enthält 11 verschiedene Gottheiten, wobei Kamoš mit 40,5 % dominiert. Die einzig weiteren zahlenmäßig relevanten Gottheiten sind El mit fast 12% und der Wettergott Baʿal/Hadad mit 9,5 %. Alle weiteren Gottheiten (auch die wenigen weiblichen) sind mit 1–2 Nennungen als marginal zu betrachten. Die palästinischen Onomastika enthalten einen ähnlichen Anteil an vergöttlichten Verwandtschaftsbegriffen, in Israel und Juda 12,1 %, in Moab 28,6 %, in Ammon 9 % und in Edom 1,8 % (was der schlechten Quellenlage des eisenzeitlichen epigraphischen Materials geschuldet sein dürfte). Die enge Verbindung der Familie mit dem Nationalgott ist damit ein gemeinsames Kennzeichen der Religionen Israels, Judas, Ammons, Moabs und Edoms. Für Philistäa liegen kaum aussagekräftige quantifizierbare Befunde aus dem Onomastikon vor, zudem deuten die wenigen offiziellen Inschriften aufgrund der stadtstaatlichen Struktur auf die Dominanz unterschiedlicher Stadtgötter: Baʿal bzw. Baʿal Zebul und Aširat sowie pt[g]yh für Ekron, Dagon für Ashdod und Gaza (nur biblische Belege) und Astarte für Askalon. Das Bild für die philistäischen Stadtstaaten in der

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Kapitel 9

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Eisenzeit ist zu lückenhaft um zu erheben, welche Gottheiten neben den Stadtgöttern in ihren jeweiligen politischen Kontexten verehrt worden sind. Auffällig ist jedoch die im Vergleich zu Ammon, Edom und Moab prominentere Rolle der Göttinnen, die nach bisheriger Quellenkenntnis nur mit der Ašerah in Israel und Juda korrespondiert bzw. mit der phönizischen Astarte. Für Israel, Juda, Ammon, Moab und Edom ist deutlich, dass die jeweiligen Nationalgottheiten (Jahwe, El, Kamoš und Qaus) die zentrale Stellung in den religiösen Symbolsystemen einnehmen, gefolgt von El (in Israel und Juda als „Göttervater“, in Moab und Edom bleibt seine Rolle unklar), Baʿal und MLK. Dies betrifft sowohl den offiziellen Kult als auch die Familienreligion, wo sich die Wahl der persönlichen bzw. der Familiengötter am offiziellen Kult orientierte. Für Ammon kann vermutet werden, dass Milkom vielleicht als Sohn dem weitaus wichtigeren El untergeordnet war oder aber nur als Stadtgott von Rabbat Ammon fungierte. Die aramäischen Inschriften vom Tell Deir Alla erwähnen El (wohl als Spitze des Pantheons), den Mondgott Šagar und Aštar als Gott des Morgensterns (der in Moab mit Kamoš identifiziert wird) und (rekonstruiert) wohl auch Šamaš, die Gruppe der Šadday-Götter als Götterversammlung, die der mittleren Ebene des Pantheons zuzuordnen sind, sowie (in Kombination II) den Totengott Mot. Als mythologisch-prophetischer Text mit einem Fokus auf bestimmte göttliche Akteure bildet die Kombination I der Tell-Deir-Alla-Inschriften jedoch sicherlich nicht das gesamte Pantheon ab. Für die aramäische Entität von Betsaida kann nicht viel mehr ausgesagt werden, als dass hier wohl der Wettergott eine zentrale Rolle einnimmt, was jedoch auch dem Fundzufall geschuldet sein könnte. Generell fügen sich die palästinischen Panthea im 1. Jt. aber in den allgemeinen Trend der westsemitischen Religionen zu kleinen und übersichtlichen Panthea ein, auch wenn aufgrund der Quellenlage der tatsächliche Umfang der lokalen Panthea und die Frage nach der Bedeutung einzelner Gottheiten darin offen bleiben muss. Die in der Forschung oftmals behauptete Astralisierung der Götter der ersten und zweiten Ebene lässt sich hingegen nicht verifizieren. Deutlich sind aber die lokalen Anpassungen an assyrisierende Repräsentationen der Gottheiten wie im Falle der judäischen lmlk-Stempel. Überhaupt ist festzustellen, dass mesopotamischer Einfluss sich ausschließlich auf Darstellungskonventionen beschränkt. Ein zentrales Ergebnis der hier vorgelegten Analysen der palästinischen Panthea und der religiösen Symbolsysteme, in die sie eingebettet sind, ist, dass – anders als oftmals behauptet – diese so gut wie gar nicht assyrischen oder später babylonischen Kulteinflüssen unterliegen. Assyrisches bleibt an der Oberfläche und tangiert Elemente der Ikonographie, nicht jedoch die religiösen Symbolsysteme. Grundsätzlich lässt sich im Anschluss an Smith (2001) für alle palästinischen Religionen der Eisenzeit (die Philister ausgenommen) ein Drei-Ebenen-Modell rekonstruieren:

Israel und Juda Ammon Moab Edom

Obere Ebene: Nationalgötter Israel und Juda Jahwe (bzw. El-Jahwe-Ašerah-Trias) Ammon El Moab Kamoš (bzw. Aštar-Kamoš) Edom Qaus Mittlere Ebene (El, Ašerah) Baʿal, MLK, Šalim, Šaḥar, Šamaš, Mot, Yariḥ, Anat, Rešep (?) Baʿal/Adad, MLK, Milkom, Mot, Yariḥ El, Baʿal/Adad, MLK, Horon, Raḥban, Anat/Astarte (?) El, Baʿal, MLK, Šalim, Horon, Raḥban Untere Ebene Genien und apotropäische Mischwesen Chaos-und Vorzeitwesen (Juda und Moab[?])

Für die aramäische Entität von Tell Deir Alla lässt sich zumindest fragmentarisch und tentativ eine Hierarchie etablieren: Obere Ebene El Mittlere Ebene Šadday-Götter, Šagar, Aštar, Mot, Šamaš (?)

Die eisenzeitlichen palästinischen Panthea (die Philister mit ihren Stadtgöttern bzw. Stadtpanthea hier ausgenommen) weisen auf der oberen und mittleren Ebene eine Gruppe von ca. 6 bis maximal 12 in signifi© 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Strukturen der Religionen Israels/Palästinas in komparativer Perspektive

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kanter Prozentzahl bezeugten Gottheiten mit z.T. starken Überschneidungen auf der mittleren Ebene auf (überall vertreten: Baʿal, MLK; teilweise Überschneidungen: Yariḥ, Šalim, Mot, Anat). El ist in allen lokalen Panthea prominent vertreten. Die von Smith (2008) geäußerte These einer weitgehenden horizontalen „Übersetzbarkeit“ der Gottheiten in den Symbolsystemen der EZ II kann damit bestätigt werden. Auffallend ist, dass die männlichen Gottheiten deutlich dominieren und Göttinnen fast bedeutungslos sind.

9.2 Familiäre Religion 9.2.1 Onomastikon und familiäre Frömmigkeit Auffallend innerhalb der familiären Frömmigkeit ist die deutliche Dominanz der Nationalgottheiten und zumeist einiger weniger weiterer männliche Gottheiten sowie das fast völlige Fehlen von Göttinnen im vom Onomastikon reflektierten religiösen Symbolsystem. Die theophoren Elemente von Personennamen innerhalb der levantinischen Onomastika unterscheiden sich primär im Hinblick auf die Nationalgottheiten, die die dominierende Rolle in der Namengebung spielen und in der Anzahl der weiteren belegten Gottheiten aus der zweiten Linie, wobei, wie oben festgestellt, die Varianz relativ gering ist und El, Baʿal und MLK in allen Panthea (Israel, Juda, Ammon, Moab, Edom) vertreten sind. Unabhängig von der Anzahl der Götter im Pantheon teilen sich alle Gottheiten Prädikationen und Wirkungsbereiche in der familiären Religion. Individuelle Eigenschaften der Gottheiten sind in der familiären Religion bedeutungslos und sie agieren als Universalisten, deren Funktionen (Aufmerksamkeit, Erlösung, Schutz, Unterstützung, Sicherung allgemeiner Wohlfahrt und der Fruchtbarkeit), den typischen Bedürfnissen der Familie entsprechen. Die Dominanz der männlichen Götter innerhalb des Onomastikons und ihre Universalität und Multifunktionalität kann mit der im Vergleich zu Mesopotamien und Phönizien relativ geringen sozialen Differenzierung und mit dem damit verbundenen bäuerlich-pastoralistischen Wertekanon mit einer weitgehenden Marginalisierung von Frauen in der Öffentlichkeit zusammenhängen. Unter diesen Bedingungen scheint männlichen Gottheiten ein höheres Prestige und wohl auch funktional eine höhere Macht und Wirksamkeit zugesprochen worden zu sein. Anders sieht dies in Phönizien und Mesopotamien aus, wo Göttinnen, wie die alte kanaanäische Kriegsgöttin Astarte (in universalisierter, ‚royaler‘ Form) entweder als Nationalgottheiten (Sidon) fungierten oder wie Ištar – als waffenstarrende Kriegsgöttin – geradezu eine Verkörperung ‚männlicher‘ Rollenmuster darstellte, die in ihrer Bedeutung (auf allen Ebenen) kaum hinter Marduk oder Assur zurückstand. In den stärker urbanisierten und differenzierteren Gesellschaften Mesopotamiens und Phöniziens, die zwar grundsätzlich patriarchal dominiert waren, hatten Frauen vor allem im religiösen Feld als Priesterinnen und Prophetinnen deutlich mehr soziales Prestige. Dies scheint sich auch in der Praxis der Namensgebung niedergeschlagen zu haben (Albertz und Schmitt 2012: 366). Der Vergleich der prädikativen Elemente der theophoren Personennamen aus Israel, Juda, Ammon, Moab und Edom zeigt, dass es nur geringe Unterschiede in der Verteilung religiöser Aussagen und nur eine geringe Variation der Prädikationen gibt. Die Prädikationen innerhalb der hebräischen Namen sind aufgrund der breiteren Quellenbasis reichhaltiger als bei den transjordanischen Nachbarn, jedoch gibt es keine einzige Untergruppe innerhalb der Gebetsnamen, die nicht auch bei Judas und Israels Nachbarn vertreten sind. Für alle Religionen Palästinas gilt, dass das Onomastikon nicht zwangsläufig das gesamte Pantheon abbildet. Auch die archäologischen Befunde helfen hier oft nicht weiter, da insbesondere das Motivrepertoire der Siegel aber auch der Kleinplastik ihrem je eigenen Kanon folgen, der mit dem Onomastikon kontrastiert: So dominieren in allen eisenzeitlichen Religionen Palästinas im Hauskult die weiblichen Figurinen, von denen freilich nur eine Minderzahl aufgrund ikonographischer Kriterien eine Identifikation als Göttin erlaubt, wie die edomitische Göttin mit der Hörnerkrone (Abb. 8.3) und die nackte Göttin auf einem Postamenttier aus Horvat Qitmit (Abb. 8.4). Trotz bestimmter Divergenzen, die primär durch Eigengesetzlichkeiten und Traditionen innerhalb der Gattungen der materiellen Kultur, insbesondere der Terrakotten und der Siegel, bestimmt sind, konvergieren bei allen Religionen Palästinas die aus den archäologischen Befunden rekonstruierten symbolischem Systeme mit dem der theophoren Personennamen und bringen die zentralen Werte und Bedürfnisse der Familie zum Ausdruck: Schutz durch die Gottheit vor allem Übel, die Sicherung der allgemeinen Wohlfahrt und des materiellen Wohlstands, Fruchtbarkeit und empowerment.

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Kapitel 9

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9.2.2 Hauskult und Totenfürsorge Für die häusliche Kultausübung in Israel, Juda, Ammon und Moab (für Edom liegen bislang nur wenige Befunde vor) ist vor allem für die Eisenzeit II A–II C, für die hinreichende Daten für solche Rückschlüsse zur Verfügung stehen, im Hinblick auf die rituellen Paraphernalia und deren Lokalisierung eine sehr weitgehende Übereinstimmung festzustellen, auch wenn einige lokale Besonderheiten zu beobachten sind. Kultische Paraphernalia fanden sich vermehrt in Kontexten der Nahrungszubereitung und des Nahrungsverzehrs, wurden jedoch auch in anderen Räumlichkeiten (zum Teil im Obergeschoss) genutzt und wurden, wenn nicht in Gebrauch, in zur Vorratshaltung genutzten Räumen bzw. Lagerräumen verstaut. Nach den in häuslichen Strukturen gefundenen Ritualobjekten bzw. Ritualgeräten zu schließen, kann davon ausgegangen werden, dass die vorherrschenden rituellen Handlungen Trankopfer (mit zoomorphen Gefäßen), Speise- und Räucheropfer sowie Votivpraktiken und andere rituelle Verrichtungen mit anthropomorphen und zoomorphen Terrakotten und anderen Tonobjekten waren. Die rituellen Paraphernalia in Haushalten deuten darauf hin, dass tägliche Opfergaben den Gottheiten und eventuell auch den Ahnen dargebracht worden sind, die durch menschliche Figuren dargestellt worden sein könnten. Figurinen mit eindeutig göttlichen Attributen fehlen in Israel und Juda der EZ II in Haushalten, sind aber in einigen Fällen aus Transjordanien (Tell Jawa), aber auch aus Philistäa, wo sie sehr viel häufiger vorkommen, belegt. Die häusliche Verwendung von Tierfiguren als Votive ist im palästinischen Hauskult der EZ II überregional weit verbreitet. Frauenfigurinen und Tierterrakotten sind die dominierenden Ritualobjekte sowohl in Juda, Moab und Ammon und fungierten zur Evozierung von Wohlstand und Fruchtbarkeit sowie als Dank- und Bittvotive. Da Götterfigurinen eher die Ausnahme sind, ist zu vermuten, dass die Gottheit jeweils im Ritual evoziert und als anwesend betrachtet wurde, ohne dass notwendigerweise eine materielle Repräsentation vorhanden gewesen sein muss. Durch die häuslichen rituellen Handlungen, wie Votiv- und magische Praktiken mit den Figurinen, Trankopfer, Speiseopfer und die Verbrennung von Aromata, waren sowohl die Gottheiten wie auch sehr wahrscheinlich die Ahnen in das tägliche Leben der Familien quasi als Verwandte einbezogen. Die häuslichen Opfer an die Götter und die „virtuelle“ Teilnahme der Ahnen am familiären Mahl diente der Sicherung des Fortbestands der Familie und ihrer allgemeinen Wohlfahrt. Da Ritualobjekte häufig – aber nicht ausschließlich – mit den der Nahrungszubereitung und dem Verzehr verbundenen Arealen des Hauses assoziiert waren, dürfte den für den Küchen- und Haushaltsbereich verantwortlichen Mitgliedern der Familie, also primär den Frauen, eine wichtige Rolle als Ritualaktanten zugekommen sein, auch wenn in den stark patriarchal geprägten Gesellschaften Palästinas der pater familias der primäre Ritualaktant gewesen sein dürfte. Sowohl zeitlich wie räumlich ist aufgrund der materiellen Befunde für die Vollzüge häuslicher Rituale in den Gesellschaften Palästinas im 1. Jt. ein hohes Maß an Kontinuität und eine weitgehende Identität der rituellen Praktiken zu konstatieren. Die zum Hauskult gemachten Beobachtungen lassen sich (für Israel, Juda, Moab und Ammon, für Edom fehlen distinktive Befunde) auch auf die Totenfürsorge übertragen, die als Verlängerung des Hauskults zu betrachten ist: Es dominieren multigenerationelle Beisetzungen in Höhlen-, Schacht- und Kammerbzw. Bankgräbern. Im Hinblick auf die Grabbeigaben sind die Befunde überregional ähnlich: Den Toten wurde eine beschränkte Anzahl von Objekten (Figurinen, Siegel, Amulette, Schmuck, Werkzeuge und Waffen sowie Gebrauchskeramik) beigegeben. Auch fehlen Hinweise auf Riten der Totenfürsorge am oder im Grab nach der Erstbestattung, ebenso für überirdische Grabmonumente (den Friedhof Wadi Fidan 40 mit seinen Steinsetzungen ausgenommen). Eine auf die lokalen Eliten in Ammon und Moab beschränkte Besonderheit ist die Beisetzung in anthropoiden Sarkophagen. Im Hinblick auf die Jenseitsvorstellungen lässt dies den Schluss zu, dass man cis- wie transjordanisch den Glauben teilte, dass die Toten nach der Dekomposition in das Kollektiv der Ahnen übergehen. Die zahlreichen Siegel und Amulette als Grabbeigaben zeigen, dass die Toten im Grab schutzbedürftig waren und der Schutz der Toten (auch durch Fluchinschriften) eine wichtige Aufgabe der Hinterbliebenen war. Besondere Stätten zur mehr oder weniger regelmäßigen Totenfürsorge durch die Familie können bisher nur für Israel (Samaria E 207) und Juda (Jerusalem Cave I–III, Locus 6016) mit einiger Wahrscheinlichkeit angenommen werden.

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Strukturen der Religionen Israels/Palästinas in komparativer Perspektive

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9.2.3 Arbeits- bzw. gruppenbezogene Religionsausübung Werkstätten und größere Manufakturen in Israel, Juda, Philistäa, Ammon und Moab in der Eisenzeit weisen oft rituelle Paraphernalia auf, wie sie auch aus Hauskontexten bekannt sind. Kleinere Werkstätten sind oft in die Wohnbebauung integriert und daher nicht immer leicht zu identifizieren. Daher ist auch die Assoziierung von Ritualobjekten mit Arbeitsprozessen in solchen Werkstätten nicht immer eindeutig, wie im Falle einer vermuteten Schmuckwerkstatt in Building 113 auf dem Tel Jawa in Ammon oder einer Textilwerkstatt in Beth Shemesh (Locus 305), es sei denn, der Werkstattcharakter ist eindeutig, wie bei der Weinpresse Locus 321 in Beth Shemesh oder der Olivenölpresse Locus NW-32-12 auf dem Tell Beth Mirsim. Größere Produktionsstätten weisen oft permanente oder semi-permanente rituelle Installationen auf, wie die Bänke mit Ritualobjekten in den Töpfereien in Ashdod und Ekron oder die eingebauten Altäre in den Bauten der Olivenölpressen in Ekron. Die Kultinventare aus Werkstätten und kleinindustriellen Anlagen entsprechen der Typologie der Objekte nach in der Regel häuslichen Kultinventaren bzw. sind Erweiterungen derselben. Mit Ausnahme der Altäre aus der Olivenölindustrie aus Ekron und den verhältnismäßig großen Altären aus Taanach, aus der Imkerei vom Tel Reḥov und den Altären in Ḫirbet el-Mudeyine waren die Kultgegenstände, die in Verbindung mit Arbeitsprozessen verwendet wurden, typischerweise klein und leicht zu transportieren und bei Nichtgebrauch einfach zu verstauen. Die Ähnlichkeit der Ritualensembles in Werkstätten und in häuslichen Kontexten deutet darauf hin, dass die sozialen Trägergruppen wahrscheinlich identisch waren, nämlich die Kernfamilie oder die erweiterte Kernfamilie. Ritualinstallationen, die mit größeren Produktionsstätten verbunden sind, dürften eine breitere Trägergruppe aufweisen, die weitere Verwandtschaft, Lohnarbeiter und Sklaven umfasst haben dürfte. Rituelle Handlungen innerhalb von Produktionsstätten, insbesondere Gaben an die Götter, dienten sehr wahrscheinlich der Sicherung und dem Gelingen des Produktionsprozesses, insbesondere bei komplexen Arbeitsverrichtungen wie der Töpferei. Im Kontext sowohl von familiär betriebenen Anlagen aber auch bei größeren Betrieben ist auch an die rituelle Etablierung und Erhaltung von Gemeinschaft und des sozialen Zusammenhalts der Handwerker zu denken, was eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen von Arbeitsprozessen ist. Zur gruppenbezogenen Religion gehören in Israel und Juda die Gruppenprophetie, wobei (zu mindestens im Israel der EZ II B) Laienpropheten sich um eine charismatische Prophetenfigur (Elischa, wohl auch Elia) als „Guru“ scharen und Lebensgemeinschaften bilden. Das Alte Testament bezeugt hier (allerdings in oft polemischer Weise) Praktiken der Ekstase und der Selbstlazeration. Das Phänomen Gruppenprophetie existierte in Juda noch in der nachexilischen Zeit und persistierte in Gestalt der bei Philo (de vita contemplativa 12) erwähnten Therapeuten bis in die hellenistisch-römische Zeit. Für die aramäischsprachige Gemeinschaft in Deir Alla kann aufgrund des Charakters der Texte ebenfalls das Vorhandensein einer Schreiber- oder Prophetenschule angenommen werden.

9.3 Lokale und regionale Religionsausübung Was die Tempel- bzw. Schreingebäude betrifft, existieren keine standardisierten „nationalen“ oder regionalen Bautypen: Breitraumtempel (Dan, Arad, Megiddo Palast-Schrein, Lachish Room 49) existieren neben Langraumtempeln (u.a. Tel Moza, Ruǧm el-Kursi, Pella, evtl. Jerusalem), Tempeln mit irregulären Grundrissen (Tel Qiri, Tel Qasile, Naḥal Paṭṭīš, Gath) und mehreren Cellae (Ekron Tempel 351, 600, Ḫirbet Atarus) sowie Freiluftheiligtümern unterschiedlichen Zuschnitts (Tel Reḥov, ʿEn Ḥazeva, Tel Michal, Wadi ath-Thamad 13). Die Ausrichtung der Kultfoki der Tempel ist ähnlich divers: Es dominiert zwar grob eine westliche Ausrichtung, aber mit z.T. erheblichen Abweichungen nach Nord/West oder Süd/West, daneben sind Ausrichtungen nach Norden (Pella, Ḥorvat Qitmit, ʿEn Ḫazeva), Nord/Ost (Tell Reḥov, Ḫirbet elMudēyine) und Süden (Hazor 3283) belegt. Zudem weisen viele Tempel durch Bänke, Plattformen, Altäre etc. markierte multiple Kultfoki mit unterschiedlichen Orientierungen auf. Die symbolische Bedeutung der Ausrichtung der Heiligtümer sollte daher generell nicht überbewertet werden. Im Falle des Mondtempels von Ruǧm al-Kursi liegt jedoch eine eindeutig absichtsvolle Orientierung in Richtung des Aufgangs des Vollmonds im Westen vor.

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Kapitel 9

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Die unterschiedlichen Typen lokaler Kultstätten sind im cis- und- und transjordanischen Palästina sowohl im Hinblick auf ihre Ausstattung und die rituellen Paraphernalia von großer Parallelität geprägt, wie die Übersicht1 zeigt: Kulttyp

Trägergruppe

Nachbarschaftsschrein Ai Locus 69, T. Qiri, Area D, Megiddo 2081 (?)

Architektur

Permanente Ritualobjekte Multifunktio- GebrauchsInstallationen nale Objekte keramik

Rituelle Aktivitäten

Erweiterte In Bebauung Familie, integriert koresidenzielle Lineage, Nachbarschaft

Bänke, Plattformen

Kultständer, Altäre, Libationsgefäße, Votivfigurinen, Astragale

Kelche, Becher, Lampen, Miniaturgefäße

Nahrungszubereitung und Konsumption

Speise-, Räucher- und Trankopfer, Votivpraxis, rituelle Mähler

Ortsschrein/ Tempel Lachish Room 49; T. Moza B. 500, T. Michal B. 300, Hazor Room 3283, T. Qasile Tempel, Ekron Tempel 351, Gath Schrein D3/4, Pella Tempel, Ḫirbet el-Mudēyine Temple 149, Ruǧm al-Kursi Tempel

Koresidenzielle Lineage, Ortsgemeinschaft, z.T. Verwaltung durch Priesterschaft

Bänke, Plattformen, gemauerte Altäre

Kultständer, Altäre, Libationgefäße, Modellschreine, Votivfigurinen

Kelche, Becher, Lampen, Miniaturgefäße, Luxusobjekte

Nahrungszubereitung und Konsumption

Tier-, Speise-, Räucher- und Trankopfer, Votivpraxis, rituelle Mähler

Innerstädtische Freilufttempel/Schreine Lachish Locus 81, Hazor Locus 80019, Arad Str. XII, T. Michal open air cult place, T. Reḥov

Koresidenziel- Freistehend le Lineage, Ortsgemeinschaft, z.T. Verwaltung durch Priesterschaft

Plattformen, gemauerte Altäre, Mazzeben, Herde

Kultständer, MiniaturLibationsgefä- schalen, ße, Kelche Altäre, Votivfigurinen

Nahrungszubereitung und Konsumption

Tier-, Speise-, Räucher- und Trankopfer, Votivpraxis, rituelle Mähler

Torschreine und Installationen im Tor Bethsaida, Dan, Ḫirbet el-Mudēyine, Lachish, T. el-Fārʿa N, T. al ʿUmēīri, [Ḫirbet Qeiyafa und Kuntillet ʿAǧrūd ?]

Ortsgemeinschaft

Installationen im und nahe dem Tor

Plattformen, Bänke, Mazzeben, Tröge

tripod cups

Miniaturschalen

Nahrungskonsumption

Speise-, Räucher- und Trankopfer

Regionaler Freilufttempel/ Schrein Bull Site, Ḥorvat Qitmit, ʿEn Ḥazeva, Wadi ath-Thamad 13, Timnah Heiligtümer

Bewohner umliegender Ortschaften, regionale tribale und pastoralisierende Gruppen, Händler

Nicht mit Ansiedlung assoziiert, Umfriedungen

Plattformen, Bänke, Altäre, Mazzeben, Herde

Götterfigurinen, Votivfiguren, Kultständer, LibationsGefäße, tripod cups

Luxusgefäße, Kelche, Lampen, Sammlerstücke

Nahrungszubereitung und Konsumption

Tier-, Speise-, Räucher- und Trankopfer, Votivpraxis, rituelle Mähler

(Zumeist) freihstehend, Hof, Annexbauten

Übersicht eisenzeitlicher Heiligtümer, Charakteristika und Fundgruppe

Der lokale und regionale Kult unterscheidet sich von der häuslichen Kultausübung durch die notwendige Anstrengung einer Gemeinschaft oder einer sozialen oder administrativen Elite einen permanenten Ort für 1

Vgl. Albertz und Schmitt 2012: 242f., Table 4.2. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Strukturen der Religionen Israels/Palästinas in komparativer Perspektive

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die reguläre, aber auch die außerordentliche Kommunikation mit den Gottheiten zu schaffen. In der frühen Eisenzeit sind dies in den noch sub-staatlichen Entitäten zumeist kleine Nachbarschafts- oder Lokalschreine, seit der EZ II B auch vermehrt Tempel z.T. respektabler Größe und Torheiligtümer mit Mazzeben und weiteren Installationen (vgl. Karte 2 und 3). Die Errichtung derartiger Tempel oder Ritualinstallationen am oder im Tor auf der lokalen Ebene durch die Gemeinschaft oder die sozialen und politischen Eliten ist zwar in gewisser Hinsicht „offiziell“, aber eben auf sub-staatlicher Ebene. Wie u.a. die Meša-Stele mit der Notiz über die Errichtung einer lokalen Kultstätte zeigt,2 können die Übergänge zur offiziellen, staatlich administrierten Religionsausübung fließend sein. Mit dem Prozess der gesellschaftlichen Ausdifferenzierung und Festigung staatlicher Strukturen in Israel, Juda, Moab und Ammon in der EZ II B geht die Anzahl kleinerer Ortsschreine zurück und in den (derzeitigen Befunden nach wenigen) Zentralorten werden größere Tempel errichtet, für die eine offizielle Trägerschaft anzunehmen ist. Im Falle der weniger elaborierten, teilweise auch simpel angelegten und isolierten Freiluftheiligtümer wie Wadi ath-Thamat Site 13 und Ḥorvat Qitmit sind pastoralisierende Gruppen bzw. Stämme als deren Trägergruppen anzusehen. Die isolierten Kultstätten dienten zu mehr oder weniger regelmäßigen rituellen Verrichtungen mit Votivpraktiken, Opfern und Gemeinschaftsmählern zur Sicherung der communitas. Auch diese Kulteinrichtungen (inklusive das einer Festung vorgelagerte Heiligtum von ʿEn Ḥazeva) weisen feste Installationen zur Markierung der Präsenz der Gottheit in Form von Mazzeben auf. Wie die Übersicht zeigt, weisen die lokalen Tempel diversifizierte Installationen für Tier-, Speise-, Trank- und Räucheropfer auf. Der reguläre Opferkult von Tier-, Speise- und Trankopfern diente zum einen der Versorgung der Gottheit und damit der Sicherung des Wohlgefallens der Götter für die lokalen Gemeinschaften, aber auch (dies zeigen die zahlreichen Belege für Keramik zur Nahrungszubereitung und zur Konsumption sowie Herdinstallationen innerhalb der Heiligtümer) der Pflege der rituellen Mahlgemeinschaft mit den Gottheiten und unter den Kultteilnehmern. Derartige Rituale waren eine zentrale Ressource zur Erzeugung und Erhaltung der für die lokalen Gemeinschaften lebenswichtigen communitas. Ein weiteres gemeinsames Merkmal ritueller Aktivitäten in lokalen und regionalen Heiligtümern in Israel, Juda und seinen cis- und transjordanischen Nachbarn ist die Votivpraxis mit anthropomorphen und zoomorphen Figurinen. Seltener belegt ist die Praxis von Weihungen spezieller, aufwendig produzierter Votivobjekte (Yavneh Favissa, Nahal Paṭṭiš-Schrein und Pella Tempel III). Votivobjekte von größerem materiellem Wert, wie aus Fayence oder Metall (Tel Dan, Arad, Ekron, Ḫirbet ʿAtarūs), scheinen auf offizielle Heiligtümer regionaler oder überregionaler Bedeutung beschränkt gewesen zu sein. Die Votivobjekte können hier sowohl als Dank- als auch als Bittvotive verstanden werden, die als Ritualmedien im Heiligtum die Wünsche der Kultteilnehmer an die Gottheit kommunizieren. Die Verwendung von anthropomorphen und zoomorphen Votivfigurinen ist Ausdruck derselben Bedürfnisse wie die Votivpraxis im Haushalt, nämlich die Sicherung familiärer Wohlfahrt und der Fruchtbarkeit der Familienmitglieder sowie der Herden. JPFs und andere Terrakotta-Votivobjekte wurden z.B. in Juda in der Eisenzeit II C sowohl im häuslichen Bereich als auch in offiziellen Kultstrukturen (wie dem Tempel der Festung Arad) verwendet. Ensembles von Ritualobjekten, multifunktionalen Objekten und von Gebrauchskeramik, wie sie auf den Ebenen des häuslichen, lokalen und regionalen Kultes verwendet worden sind, deuten auf eine weitgehende Interdependenz und Interaktion zwischen diesen Ebenen der Religionsausübung hin, wobei familiäre Riten im Haus, an lokalen oder offiziellen Kultstätten vollzogen werden konnten. Diese Interdependenz ist durchweg für den gesamten Untersuchungszeitraum von der EZ I–II C, zum Teil auch in der EZ III, zu beobachten. Die Verwendung der sogenannten Räuchertassen (tripod cups) und später der Räucherkisten dürfte primär – da sie nur selten tatsächlich Brandspuren aufweisen – die eines Votivs gewesen sein und diese dienten nur gelegentlich der Verbrennung von Aromata. Funde von Astragalen in lokalen Heiligtümern deuten auf Praktiken instrumenteller Mantik hin. Ein wesentlicher Unterschied zwischen häuslichen und öffentlichen Kultaktivitäten scheint darin zu bestehen, dass die Evozierung der Gottheiten im Haushalt ad hoc vermittels der leicht beweglichen Ritualobjekte durch rituelle Performances vollzogen wurde, während die Präsenz einer Gottheit in Strukturen auf der Ebene von Nachbarschaftsschreinen, lokalen Schreinen und Tempeln durch permanente Installationen, wie Mazzeben, gemauerte oder fest installierte Altäre und architektonisch hervorgehobene kultische Foki, wie Plattformen (bamôt), Bänke und andere feste Merkmale, symbolisiert wurde. Die Interdependenz und 2

KAI 181:4f. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Kapitel 9

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Koexistenz dieser verschiedenen Schichten und Bereiche kultischer Aktivitäten ist am überzeugendsten mit dem Modell des internen religiösen Pluralismus mit multiplen Überschneidungen zwischen den Sphären der häuslichen, lokalen und offiziellen Religionsausübung zu erklären.

9.4 Offizielle Religion 9.4.1 Königstheologien Auf die dominierende Rolle der Nationalgötter Jahwe, El, Kamoš und Qaus ist bereits hingewiesen worden. Sind in der familiären Religion die Nationalgottheiten bzw. Gottheiten der ersten Ebene (trotz ihrer numerischen Dominanz) und der zweiten Ebene in ihren Funktionen für die familiäre Wohlfahrt austauschbar, so gilt dies nicht uneingeschränkt für die offizielle Religion: Hier dominieren klar die Nationalgötter, die im Fokus des offiziell administrierten Kultes stehen. Auch verschieben sich die Aspekte der Gottheiten stärker in den kriegerischen und kosmischen Bereich, wobei die Sicherung der allgemeinen Wohlfahrt analog zur Wohlfahrt der Familie freilich ein wichtiger Faktor bleibt, der aber in der Regel an den König delegiert erscheint. Innerhalb der Sphäre der offiziellen Religion ist vor allem der enge Bezug des Königs zum jeweiligen Nationalgott kennzeichnend, wobei Königtum, Nationalgott und die Größen Volk und Territorium in einem stark reziproken Verhältnis stehen (Block 2013²), was sowohl im Selbstverständnis der Herrscher und sozialen Eliten aber auch in der gegenseitigen Außenwahrnehmung zum Ausdruck kommt. Wie die Weihinschriften des Ikausu von Ekron an „pt[g]yh, seine Herrin“ und des Padi für Baʿal zeigen, ist diese besondere Beziehung des Königs zu den Stadtgöttern in Philistäa analog zu den Nationalgottheiten Israels, Judas und seiner transjordanischen Nachbarn vorauszusetzen. Dies gilt auch für die Außenwahrnehmung, wenn etwa in 2 Kön 1,2f. Baʿal Zebul als der Gott von Ekron gilt. Soweit die vorhandenen Bild- und Textzeugnisse allgemeine Rückschlüsse zulassen, eignen den Königstheologien Israels, Judas, Moabs und Ammons (für Edom liegen keine entsprechenden Zeugnisse vor) eine Vielzahl gemeinsamer Topoi, die weitere Entsprechungen vor allem in der westsemitischen Königstheologie des 1. Jt. haben, wie sie epigraphisch und ikonographisch aus Phönizien, Samʿal, Karatepe, Karkemisch etc. bekannt sind (s. Schmitt 2001: 15ff.; Berlejung 2017). Diese sind wiederum eingebunden in ein zeit-, sprach- und kulturübergreifendes Kontinuum der altvorderasiatischen Königstheologien (Salo 2017: 331). Neben der bereits genannten besonderen Gottesbeziehung im Rahmen des Beziehungsdreiecks Staatsgott – König – Land/Volk sind die Erwählung bzw. Schöpfung durch den Nationalgott und die Funktion des Königs als vicarius dei gemeinsame Topoi der Königstheologien. Hierzu gehört insbesondere die Einrichtung und Erhaltung des Kultes, der Bau und die Renovierung von Tempeln und ihre Ausstattung mit Ritualgerät sowie die Bestallung des Kultpersonals. Weitere gemeinsame Topoi sind der König als Bewahrer der göttlichen Weltordnung in kosmischer, militärischer und juridischer Sicht, als fürsorglicher Hirte seines Volkes, der dem Unterdrückten Recht verschafft, die Bösen vernichtet und die Feinde im Auftrag des Staatsgottes im Zaum hält und unter seine Füße zwingt. Im Kontext der Sicherung der Wohlfahrt eignen dem König sowohl kosmische Funktionen, wie die Sicherung der Fruchtbarkeit, als auch die praktische Aufgabe der Fürsorge durch öffentliche Bautätigkeit. Gemeinsame Elemente der body politics beinhalten die Schönheit, Erhabenheit und körperliche und militärische Stärke des Königs an sich (Kühn 2018), wie sie in den spätkanaanäischen Bildzeugnissen aus Megiddo (Abb. 2.16–2.20), den Repräsentationen israelitischer Könige (Abb. 3.113, 3.114, 3.116), den judäischen Königsdarstellungen (Abb. 3.115 und 3.122), den ammonitischen Königsplastiken (Abb. 6.14) und der moabitischen Baluʿa-Stele (Abb. 7.2) greifbar sind. Es gibt jedoch auch augenfällige Differenzen zum phönizischen und nordsyrischen königlichen Symbolsystem: Die palästinischen Königstheologien scheinen – soweit sie in den Quellen greifbar sind – weder ein Priesteramt des Königs zu kennen, noch erfahren die Könige eine hervorgehobene postmortale Verehrung, die über die für normal Sterbliche übliche Totenfürsorge hinausgeht. 9.4.2 Materielle Elemente des offiziellen Kultes in Israel, Juda, Ammon, Moab und Philistäa Die Materialbasis für eine vergleichende Analyse des offiziellen Kultes ist deutlich schmaler als bei kleineren Schreinen und Ortstempeln: Nur wenige Kultstätten, für die eine staatliche Einrichtung und Verwaltung wahrscheinlich ist und denen auch mehr als nur eine lokale oder regionale Bedeutung zukommt, sind bekannt: Das israelitische Heiligtum in Tel Dan, der Palastschrein Megiddo Locus 340 (dessen kultische Funk© 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Strukturen der Religionen Israels/Palästinas in komparativer Perspektive

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tion umstritten ist), der judäische Festungstempel in Arad, der philistäische Tempel 650 in Tel Miqne/ Ekron und der Tempel von Ḫirbet ʿAtarūs in Moab. Für alle diese Heiligtümer ist aufgrund ihrer Größe, der Vielfalt der Installationen und kultischen Paraphernalia vorauszusetzen, dass diese von einer Priesterschaft verwaltet worden sind. Die regionale oder überregionale Bedeutung dieser offiziellen Heiligtümer differiert und ist auch nicht immer deutlich: So muss der Charakter des abgelegenen Tempels in Dan als Hauptheiligtum des Nordreichs trotz seines zweifelsohne offiziellen Charakters in Frage gestellt werden. Der Palastschrein in Megiddo diente wohl kaum einem größeren Kreis als der lokalen militärisch-politischen Elite und der Festungstempel in Arad ist ein Heiligtum, dessen Reichweite kaum über die von der Festung kontrollierte Umgebung hinausgereicht haben dürfte und primär von der lokalen Administration und vom Militärpersonal genutzt worden ist, während Tempel 650 in Ekron als Haupttempel eines Stadtkönigtums zu betrachten ist. Die architektonischen Elemente und die rituellen Paraphernalia aus diesen Heiligtümern zeigt die folgende Übersicht:3 Architektur Tel Dan Breitraumtempel auf Plattform, Treppe, Temenos, Hof, Annexbauten Arad

Permanente Installationen Gemauerter Altar, Bänke, Bassins/Tröge, Steinplatten, Olivenölpresse

Integriert in Festung, Breitraumtempel auf Plattform, Treppe, Temenos, Hof, Annexbauten Megiddo Integriert in Palast/ Room Festung 338, 340 Breitraumtempel Ekron Langraumtempel, 650 multiple Cellae und Kultfoki, Temenos, Hof, Annexbauten

Gemauerter Altar, Bänke, Mazzeben

Ḫirbet Breitraumtempel, ʿAtarūs multiple Cellae und Kultfoki, Treppe, Temenos, Hof Annexbauten

bamah, Mazzeben, gemauerte Altäre, Herde

Plattform, Bänke, Trog bamah, Bänke, Olivenölpresse, Bad, Herde,

Ritualobjekte Ritualgeräte und Werkzeuge aus Metall (Feuerschaufeln), Altäre, Kultständer, Votivfigurinen, Kernosfragment, Würfel Kalksteinaltäre, Kultständer, Votivschalen, Votivobjekt aus Metall, JPFs, horse and riders Kultständer, Altäre, Modellschrein Kalksteinaltäre, Ritualgeräte und Werkzeuge aus Metall, Kernoi, Libations- und Votivgefäße, Votivfigurinen Kultständer, Altäre, Schreinmodelle, Libations- und Votivgefäße, tripod cups, Kernoi, Kultbild?

Multifunktionale Gebrauchs-keramik Rituelle Objekte Aktivitäten Kelche und Luxuske- Schalen, Tier-, Räucher-, ramik, Metallschale Kochtöpfe, Trank- und SpeiseKrüge, opfer, Votivkult, Vorratsgefäße rituelle Mähler, Reinigungsriten, Divination Schalen, Tier-, Räucher-, Kochtöpfe, Trank- und SpeiseKrüge, opfer, Votivkult, Vorratsgefäße, rituelle Mähler Lampen Schalen, Kochtöpfe, Räucher-, TrankKrüge, Lampen und Speiseopfer, rituelle Mähler Kelche, Vorratsgefä- Schalen, Tier-, Räucher-, ße mit Weihinschrif- Kochtöpfe, Trank- und Speiseten, Luxuskeramik, Krüge, opfer, Votivkult, Luxusgegenstände, Vorratsgefäße rituelle Mähler, Gold-, Silber- und Reinigungsriten Elfenbeinschatz Metall- und Luxusob- Schalen, Tier-, Räucher-, jekte, u. a. eiserne Kochtöpfe, Trank- und SpeiseLampen, Vorratsge- Krüge, opfer, Votivkult, fäß mit StierkopfVorratsgefäße, rituelle Mähler applikationen Lampen

Übersicht eisenzeitlicher offizieller Heiligtümer, Charakteristika und Fundgruppen

Gegenüber den lokalen Schreinen und Tempeln sind insbesondere der Tel Dan-Tempel, Ekron Tempel 650 und der Tempel in Ḫirbet ʿAtarūs durch monumentale Bauweise gekennzeichnet. Diese weisen eine differenzierte Architektur mit dem eigentlichen Tempelgebäude, weiteren Kultbauten, Höfen und Annexbauten sowie multiple kultische Foki, markiert durch bamôt und Altäre auf. Abgesehen von Ekron scheint bei den offiziellen Heiligtümern der Eisenzeit II in Palästina der Breitraumtyp (Dan, Arad, Megiddo 338, Ḫirbet ʿAtarūs) zu dominieren. Gemeinsam ist allen diesen Strukturen ein stark vergrößerter ritueller Apparat mit einer großen Anzahl spezialisierten Geräts, auch aus Metall, die hohe Anzahl von Luxusobjekten, großen Votivobjekten und das Vorhandensein von Objekten aus Edelmetallen (wohl primär auch als Votive). Für Arad als lokales offizielles Heiligtum, das von seiner Größe eher einen Schrein darstellt, gilt dies nur in kleinerem Maßstab und Megiddo 338 enthielt ein erweitertes Ensemble von Gerät, wie es auch im Hauskult Verwendung fand. Für die Heiligtümer in Dan, Arad, Ekron und Ḫirbet ʿAtarūs ist aufgrund der archäologischen Befunde eine Vielzahl ritueller Handlungen nachweisbar: Tier- (Schlacht- und Brandopfer), Speise-, Trank- und Räucheropfer, rituelle Mahlzeiten, Reinigungsrituale und Praktiken der Divination (Dan). Es ist zu vermu3

Vgl. Albertz und Schmitt 2012: 244, Table 4.2. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

206

Kapitel 9

ten, dass in den offiziellen Tempeln nicht nur die täglichen Rituale im Kontext des staatlichen Kultes vollzogen worden sind, sondern auch Riten der örtlichen Gemeinschaft, der Familie und von Einzelnen, wie die Votivobjekte unterschiedlichen Wertes zeigen. Die offiziellen Tempel dienten somit nicht nur der offiziellen Religionsausübung, sondern stellen einen Schnittpunkt zwischen offizieller, lokaler und familiärer Religion dar.

9.5 Stratenübergreifende religiöse Praktiken: Mantik und Magie 9.5.1 Mantik Wie die neuere Forschung vielfach beobachtet hat, sind Mantik und Magie nicht – wie vor allem für letzteres vielfach im Gefolge älterer religionswissenschaftlicher Paradigma angenommen – mehr oder weniger religiöse Randphänomene, heterodoxe Praktiken oder „Aberglauben“, sondern zentrale Ausdrucksformen religiöser Praxis und fest verankert im religiösen Symbolsystem (Schmitt 2004, 2014; Schmidt 2016). Aufgrund der Quellenlage ist das Bild mantischer Praktiken und literarisierter Prophetie in Palästina primär von den alttestamentlichen Traditionen und ihrer besonderen Wertschätzung der prophetischen Literaturgattungen bestimmt und die Quellenlage für die unmittelbaren Nachbarkulturen ist überaus dünn und nur anhand einiger weniger Textzeugnisse und archäologischer Befunde zu rekonstruieren. Mantische bzw. divinatorische Praktiken sind nicht nur auf den Bereich der offiziellen Religion als Herrschaftswissen und als Legitimationsmittel im Kontext der Herrschaftsausübung beschränkt, sondern erfüllen wichtige Funktionen der Lebens- und Zukunftsbewältigung auf unterschiedlichen religiösen Ebenen. Dass mantische Praktiken generell auf den Ebenen der familiären Religionsausübung bzw. des Hauskults, des lokalen und des offiziellen Kultes bedeutsam waren, zeigt insbesondere die Präsenz von Objekten (Astragalen, Spielsteinen) in diesen Kontexten, für die eine Verwendung in instrumentellen Orakelpraktiken, vor allem für Losorakel, wahrscheinlich ist. Auf der häuslichen Ebene sind Losorakel wohl ohne Mitwirkung von religiösen Spezialisten vollzogen worden; für entsprechende Praktiken in Heiligtümern der lokalen und offiziellen Ebene ist deren Vollzug (wie auch im AT bezeugt) durch Ritualspezialisten vorauszusetzen und damit eine Überschneidung zwischen den Sphären der familiären, lokalen und offiziellen Religion. Komplexe induktive bzw. instrumentelle divinatorische Praktiken wie die Leberschau sind im Palästina des 1. Jt. unbekannt. Eine Adaption der mesopotamischen Eingeweideschau (die im Palästina der MBZ und SBZ durchaus bekannt war) fand aufgrund des fehlenden Wissenspools nicht statt. Im ganzen westsemitischen Kulturraum gibt es (auch im offiziellen Kult) neben einfachen induktiven Losverfahren eine deutliche Präferenz für intuitive Formen der Mantik (Prophetie und Traumorakel). Wie die Bileam-Traditionen aus Deir Alla und die frühen biblischen Prophetentraditionen zeigen, setzte in Palästina um 800 v. Chr. (EZ II B) einhergehend mit der verstärkten Ausbildung von Literazität die Herausbildung und Pflege literarisierter Prophetie bzw. mantologischer Weisheit unter schreibkundigen Eliten wohl in Verbindung zu Tempel und Palast ein. 9.5.2 Magie In definitorischer Hinsicht hat sich der klassische Magie-Begriff, der scharf zwischen Magie und Religion unterscheidet, in vielfacher Hinsicht als problematisch erwiesen (Schmitt 2004; Schmidt 2016; Schmidt und Schmitt 2019), da er auf der Quellenebene ein Mittel der religiösen und gesellschaftlichen Stigmatisierung darstellt und als religionswissenschaftlicher Terminus ebenso negativ konnotiert ist sowie aufgrund seines (oft apologetischen) Gebrauchs im Kontext forschungsgeschichtlich obsoleter evolutionistischer Entwicklungsmodelle. „Magie“ wird hier daher im Rahmen der Performanztheorie als ritualsymbolische Handlung in einem theistischen Deutungskontext aufgefasst. „Magische” Gebrauchstexte aus dem eisenzeitlichen Palästina wie Beschwörungen, Schrift-Amulette etc. – in Mesopotamien in großer Fülle bezeugt – sind nur in wenigen Einzelfällen und mehrheitlich aus Juda überkommen, wie einige Grabinschriften aus Khirbet Beit Layy und Jerusalem (Silwan) sowie einige wenige andere Graffiti mit Fluch- und Segensformeln, wie die (trotz ihres Auffindungsortes sehr wahrscheinlich israelitischen) Texte aus Kuntillet ʾAǧrūd. Das erreichbare Wissen über von Ritualspezialisten durchgeführte apotropäische oder therapeutische Rituale kann sich nur auf die alttestamentlichen Aussagen stützen und erlaubt aufgrund des häufig tendenziellen Charakters der Texte keine Verallgemeinerungen im Hinblick auf die Nachbarkulturen. Für komparatistische Zwecke bieten sich daher nur die archäologischen bzw. ikonographischen Befunde © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Strukturen der Religionen Israels/Palästinas in komparativer Perspektive

207

an. Hier sind zuerst die Siegelamulette und die ägyptischen figurativen bzw. Objekt-Amulette als magische Medien zu nennen: Die palästinische Glyptik der Eisenzeit bezeugt ein weitgehend gemeinsames Repertoire von Schutzgenien und apotropäischen Wesenheiten (siehe Übersicht 6), die den Individuen im Leben wie im Tode Schutz vor dämonischer Heimsuchung und Hexerei bieten, Glück evozieren und allgemein dem empowerment dienen. Dasselbe gilt für die weit verbreiteten ägyptischen Amulette, wobei für einige Typen (Bes, Patäke und Mischformen, Isis mit Horuskind) über den allgemeinen Schutzaspekt hinaus ein spezieller Gebrauch im Hinblick auf den Schutz von Schwangeren und Kindern angenommen werden kann. Die primär in häuslichen, aber auch in kultischen Kontexten omnipräsenten Votivfigurinen wie die Judean Pillar Figurines (JPFs) und verwandte transjordanische Figurinen und Plaketten von Frauen mit betonten Geschlechtsmerkmalen (und einige wenige männliche Figurinen mit erigierten Glied) dienten als Ritualmedien der Evozierung von Fruchtbarkeit und repräsentieren, da göttliche Emblematik zumeist fehlt, den menschlichen Bittsteller bzw. sind als Repräsentationen des Gewünschten zu verstehen. Dass weibliche Figurinen eine Rolle in Heilungsritualen spielten (Darby 2014), muss spekulativ bleiben, da – anders als in Mesopotamien – für einen solchen Gebrauch keine Textquellen vorliegen. Als Symbole von Stärke und Kraft (auch militärischer Natur) evozieren die Pferd-und-Reiter-Figurinen genderspezifisch Werte und Wünsche männlicher Stifter. Auch eine apotropäische Funktion kann hier erwogen werden. Als rituelle Medien zur Evozierung des allgemeinen Wohlstandes des Haushalts und des Reichtums an Vieh dienten die Modellmöbel und die unterschiedlichen Typen von Tierfigurinen. Die Parallelität von Typen und Fundkontexten von Ritualmedien in Cis- und Transjordanien ist ein weiterer Beleg für ein allgemein geteiltes symbolisches System vor allem im Kontext der familiären Religion.

9.6 Einheit und Vielfalt der religiösen Symbolsysteme Israels/Palästinas in der Eisenzeit Die Kulturen Cis- und Transjordaniens in der Eisenzeit sind durch vielfältige historische, kulturelle und religiöse Aspekte miteinander verbunden. Dies betrifft die nur durch geringe dialektale Unterschiede geprägte gemeinsame Sprache, die strukturell und im Hinblick auf ihre Panthea eng verwandten religiösen Symbolsysteme und ihre familiären, lokalen, regionalen und offiziellen Subsysteme sowie die stark patriarchalen, durch bäuerliche und pastoralisierende Wirtschaftsweisen geprägten Sozial- und Wertesysteme, die sich insbesondere in der absoluten Dominanz männlicher Gottheiten, insbesondere des jeweiligen Nationalgottes, in der familiären Religion manifestieren. Ein weiterer wichtiger Faktor ist hier die mehr oder weniger parallele Herausbildung von National- bzw. Territorialstaaten aus lokalen segmentären Gesellschaften in Randgebieten (inklusive der sukzessive assimilierten kleineren aramäischen Bevölkerungsgruppen und Entitäten) im Zeitraum von der EZ I bis zum 9. Jh. – mit Edom als Nachzügler. Zudem begriff die biblische Tradition Ammon, Moab und Edom – trotz aller Auseinandersetzungen, Abgrenzungen und Polemiken – als Verwandte.4 Man war sich also der Gemeinsamkeiten bewusst, aber auch – vor allem in Hinblick auf die Philister – der Differenz. Auch wenn die jeweiligen religiösen Symbolsysteme lokale oder nationale Spezifika aufweisen, handelt es sich bei den Religionen Palästinas – soweit sie sich archäologisch und epigraphisch erschließen lassen – materiell und strukturell um eine Einheit in Vielfalt, wie gerade die Pantheonstrukturen mit ihren weitgehenden personellen Überschneidungen unterhalb der Ebene der Nationalgötter zeigen. Man kann daher berechtigterweise für die Eisenzeit von einer Koiné der religiösen Symbolsysteme Palästinas sprechen.

4

Siehe u.a. Gen 10,37.38; Dtn 2,19; 23,7. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

© 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Übersichten der epigraphisch belegten Gottheiten in theophoren Personennamen und der ikonographisch bezeugten Genien und Mischwesen1 Übersicht 1: Gottheiten in theophoren hebräischen Personennamen Gottheiten 28 theophore Elemente ʾb

göttlicher Vater

ʾm

göttliche Mutter

ʾḥ

göttlicher Bruder

ʿm ḥm

Danknamen

Bekenntnisnamen

Namen des Lobpreises

Gleichsetzungs- Geburtsnamen namen

Gesamt

Namen Belege Namen Belege Namen Belege Namen Belege Namen Belege Namen Belege 4

5

10

60

3

8

1

1

17

71

3

8

1

2

2

20

130

1

1

27

155

Göttlicher Onkel

1

1

1

1

1

1

1

1

4

4

Göttlicher Schwiegervater

2

2

2

2

53

240

ʾEl

21

2

1

Vergöttlichte Verwandtschaftsbeziehungen

3

5

3

21

8

9

5

8

3.1%

3.1%

9.5%

2.8%

14.7%

8.0%

16

116

10

16

6

12

16.3% 17.2% 11.9% Yahwe

72

520

51

5.0% 265

34

43.5% 47.2% 9

17.6% 12.0% 11.5% 18

64

199

19

3

3

2.8%

0.7%

12

55

21 5.0%

13.1% 12.1% 53

220

11.0% 12.0% 13.1% 11.1%

104

80

384

240

1337

72.3% 77.0% 60.7% 82.6% 53.0% 64.0% 24.4% 24.6% 73.4% 83.5% 59.4% 67.6% Baʿal

ʾdn

Herr

ʾdt

Herrin

2

3

1

1

1

4

2

7

5

5

11

20

2.1%

0.4%

1.2%

0.3%

2.9%

4.0%

2.6%

1.7%

4.6%

1.1%

2.8%

1.0%

1

1

1

2

5

18

7

21

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

13

78

1

1

ʿAnat

1

ʾAšer

1

Yariḥ MLK

MLK/König

1

1

1

1

4

4

1

1

2

Malkah Königin Mot

1

5

69

1

1

1

Qos Šaḥar

1

1

Šalim

1

1

1

7

1

1

Nach Albertz und Schmitt 2012: Table 5,5–10, 16. © 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

2

2

2

4

3

5

1

1

1

1

1

1

2

8

Übersichten

210 Gottheiten

Danknamen

Bekenntnisnamen

Šamaš Andere westsemitische Gottheiten

1

1

Namen des Lobpreises

1

1

9

9

4

1.1%

0.2%

10.7%

2.8%

Gleichsetzungs- Geburtsnamen namen

12

13

90

11.8% 12.0% 16.7% 21.3%

Gesamt 1

1

6

8

33

120

5.5%

1.7%

8.2%

6.1%

Namen Belege Namen Belege Namen Belege Namen Belege Namen Belege Namen Belege Ḥor

Horus

2

10

1

1

ʾs

Isis

1

6

Bes

1

4

Ägyptische Götter

4

20

1

4.8%

6.2%

1.3%

1

2

4

14

1

6

1

1

2

5

1

2

3

7

24

0.2%

1.8%

0.6%

1.7%

1.2%

šem

Name

1

1

1

1

ʿezrī

Meine Hilfe

2

8

2

8

ʾūr

Licht

2

5

2

5

ḥayil

Stärke

1

1

ʿalay

Erhaben

1

Göttliche Charakteristika Gesamt

1 1

2

1

2

5

14

1

1

1

2

7

17

5.1%

2.1%

1.2%

0.3%

0.9%

0.4%

1.7%

0.9%

99

675

84

321

109

460

404

1978

34

100

78

422

Übersicht 2: Typologische Verteilung der hebräischen Personennamen Danknamen

Bekenntnisnamen

Namen des Lobpreises

Gleichsetzungs- Geburtsnamen Sekulare Namen namen

Gesamt

Namen Belege Namen Belege Namen Belege Namen Belege Namen Belege Namen Belege Namen Belege 164

993

119

434

48

135

47

234

192

875

105

251

24.3%

34.0%

17.6%

14.9%

7.1%

4.6%

7.0%

8.0%

28.4%

29.9%

15.6%

8.6%

41.9%

48.9% 49.0%

53.5%

Dank & Bekenntnis:

Alle Gebetsnamen

© 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

675

2922

Übersichten

211

Übersicht 3: Gottheiten in theophoren ammonitischen Personennamen Gottheiten

Danknamen

Bekenntnisnamen

Namen des Lobpreises

Gleichsetzungsnamen

Geburtsnamen

Gesamt

Namen Belege Namen Belege Namen Belege Namen Belege Namen Belege Namen Belege ʾb

Göttlicher Vater

ʾḥ

Göttlicher Bruder

ʾḥt

Göttliche Schwester

ʿm

Göttlicher Onkel

ḥm

Göttlicher Schwiegervater

1

1

Vergöttlichte Verwandtschaftsbeziehungen

2

2

1

1

3

3

5

9

7.4%

2.6%

4.5%

2.6%

30.0%

13.6%

45.4%

39.1%

24

74

16

32

5

17

3

8

84.3%

50.0%

77.3%

27.3%

ʾEl, ʾEli

1

1

1

3

3

1

3

5

1

2

8

11

1

3

1

1

2

4

1

1

2

2

1

2

1

1

14

20

1

88.9% 96.1% 72.8% Adad

1

Mlk

1

ʾdn

Herr

mrʾ

Herr

13

61

171

1

1

1

1

1

1

1

1

1

2

2

4.5%

2.6%

5.0%

2.0%

2.3%

0.9%

1

1

3

3

2

2

1 2

2

2

2

1

1

1

1

1

3

3

1

4

2

5

1

1

1

1

1

1

13

16

1

Maut

1

Yahwe Andere westsemitische Gottheiten

40

1

1

Yariḥ

15% 10.2% 15.2% 9.5%

1

1

Milkom

5

34.8% 65.0% 81.7% 63.3% 81,1%

Baʿal Wettergötter

3

2

1

1

1

1

5

5

2

2

3

3.7%

1.3%

21,7%

13,1%

20.0%

9.1%

27.3%

6

2

1

2

26.1% 10.0% 4.1% 14.1% 7.6%

Bel

1

1

1

1

Ninurta

1

1

1

1

5.0%

2.0%

2,2%

0.9%

20

50

92

211

Mesopotamische Götter Gesamt

27

77

23

39

10

22

11

23

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Übersichten

212

Übersicht 4: Gottheiten in theophoren moabitischen Personennamen Gottheiten

Danknamen

Bekenntnisnamen

Namen des Lobpreises

Gleichsetzungs- Geburtsnamen namen

Gesamt

Namen Belege Namen Belege Namen Belege Namen Belege Namen Belege Namen Belege ʾb

Göttlicher Vater

ʾm

Göttliche Mutter

ʾh

Göttlicher Bruder

ʿm

Göttlicher Onkel

Vergöttlichte Verwandtschaftsbeziehungen

1

2

1

2

1

1

1

1

2

2

1

1

1

1

3

3

6

6

1

3

1

3

2

2

1

1

2

2

5

7

10

12

22.2%

22.2%

12.5%

11.1%

66.7%

66.7%

50.0%

50.0%

27.0%

28.6%

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

5

5

11.1%

11.1%

12.5%

11.1%

33.3%

33.3%

10.0%

7.1%

14.3%

14.3%

13.5%

11.9%

4

4

4

5

2

4

4

4

14

17

44.5%

44.5%

50.0%

55.6%

20.0%

23.5%

57.2%

57.2%

37.9%

40.5%

Baʿal

1

1

2

2

3

3

Adad

1

1

1

1

Wettergötter

2

2

2

2

4

4

20.0%

14.3%

28.5%

28.5%

10.8%

9.5%

2

2

ʾEl

Kamoš

MLK

2

2

Horon

1

1

1

1

Raḥban

1

1

1

1

Gesamt

2

2

2

2

4

4

22.2%

22.2%

25.0%

22.2%

10.8%

9.5%

9

9

8

9

37

42

3

3

10

14

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7

7

Übersichten

213

Übersicht 5: Gottheiten in theophoren edomitischen Personennamen Gottheiten

Danknamen

Bekenntnisnamen

Namen des Lobpreises

Gleichsetzungs- Geburtsnamen namen

Gesamt

Namen Belege Namen Belege Namen Belege Namen Belege Namen Belege Namen Belege ʾm

Göttliche Mutter

1

Vergöttlichte Verwandtschaftsbeziehungen

100.0% 100%

ʾEl

Qaus

2

2

2

2

1

1

1

1

1

1

25%

25%

25%

25%

12,5%

12,5%

12,5%

12,5%

12,5%

12,5%

4

25

1

1

1

3

4

4

5

6

6,7%

2,7%

6,7%

9,75%

33,3%

26,7% 64,10% Baʿal

MLK

7,7% 26,74

1

1

3,2%

1,8%

7

7

22,6% 12,7,% 15

39

15,4% 48,4 %

71%

1

1

1

1

2

2

4

4

25%

25%

25%

25%

50%

50%

12,9

7,2%

1

1

Horon

1

1

Raḥban

1

1

Šalim

1

1 (nicht kategorisierbar)

Andere westsemitische Gottheiten Gesamt

1

1

2

2

4

4

33,3

33,3

66,6

66,6

12,9%

7,2%

8

29

5

5

31

55

2

4

7

7

8

9

Übersicht 6: Genien und Mischwesen in der westsemitischen Glyptik (CSAP, CSAJ, GGG, WSS) Genientyp

Israel und Juda

Philister

Ammon

Edom

Moab WSS 1020; 1030

Phönizien

Aram

Geflügelt, anthropomorph, männlich

WSS 173; 185; GGG 211a,b, c; 212 a, b; 213

WSS 973; CSAJ: Safut 4

WSS 715; WSS 844 729 (?); 730

Geflügelt, anthropomorph, weiblich

WSS 112; 173

CSAJ: Salt 4

WSS 712

WSS 791

Anthropomorph ohne Flügel, männlich

WSS 115; 198 (lahmu)

CSAJ: Amman 5 (il bīti)

WSS 741

WSS 763 (lahmu); 802; 845 (il bīti)

Anthropomorph ohne Flügel, weiblich

WSS 226

WSS 861; 921; (950)

Anthropomorph mit Falkenkopf

WSS 320; GGG 213

CSAJ: Mazar 23

WSS 728, 735

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Handel WSS 1087; 1092; 1114; 1119; 1134; 1147; 1149; 1154; 1155

Übersichten

214 Genientyp

Israel und Juda

Philister

Ammon

Edom

Moab

Phönizien

Aram

Handel

Geflügelter Skarabäus

ca. 70 Siegel bzw. Abdrücke und über 600 lmlkStempel

CSAJ: Ammon 7 (=WSS 940); ‘Umeiri 4 (=WSS 860); WSS 860; 865; 891; 981

WSS 775; 785; 832; 839

WSS 1085; 1094; 1127; 1128; 1136; 1150; 1151; 1152; 1159; 1171; 1175

Geflügelter Uräus

WSS 11; 29, 46; 104; 127; 194; 206; 284; 349; 370; 381; 385; 475; 689 GGG 259b

CSAJ: Amman 70; CSAJ: ‘Umeiri 50

WSS 796

WSS 1091; 1124

Sphinx

WSS 369; (1124 = GGG 246); 249

WSS 940; WSS 965 CSAJ: 1049 Umm Qeis 2

WSS 1012; WSS 713; 1017; 1019; 740; 745 1030; 1038

Greif

WSS 44; 85; WSS 116; 135; 1067 143; 160; 168; 182; 190; 193; 325; 345; 711; GGG 250a; 251; 254 a, b

WSS 893; 901; 959; CSAJ: Amman 54; Mazar 24

WSS 1023

Lamassu

WSS 173

WSS 925 ; CSAJ : ʿUmeiri 55

WSS 1055; 1056

WSS 747

Stiermensch Sonnenscheibe haltend WSS 858 CSAJ: Amman 5 WSS 159

WSS 1123; 1128; 1137; 1146; 1147; 1151; 1172; 1174; 1190; 1192

WSS 759

WSS 758; 802; 845 WSS 758

Löwendrache Geflügelter Stier

WSS 780; 819

WSS 783

Löwendämon (Ugallu) Skorpionmann

WSS 1077; 1095; 1124; 1129; 1132; 1163; 1184

WSS 772 WSS 844; 973 CSAJ: Amman 4 CSAJ: ‘Umeiri 77

WSS 759

WSS 1113; 1159

Geflügeltes Pferd

WSS 113

Geflügelter Löwe

WSS 1159

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Karten

Karte 1: Palästina/Israel mit den wichtigsten Ortslagen (Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von W. Zwickel und des Calwer Verlags; aus: W. Zwickel 2000: Calwer Bibelatlas, Stuttgart, 42.)

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216

Karten

Karte 2: Kultstätten der Eisenzeit I–II A

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Karten

Karte 3: Kultstätten der Eisenzeit II B–C

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Indices Götter Adad/Addu: 12, 143, 166, 177, 179, 189, 211, 212, s. a. Baʿal Adonis: 144 ʾAlmaqah: 31 ʿAmm: 31 Amun: 11, 13, 14, 15, 62, 63, 141, 142, 146, 154, 155 Anat: 12ff., 18, 41, 46ff., 55, 64, 65, 70, 141, 144, 177, 198 Anat-Bethel: 48 Anat-Jahu: 48 Anat/Astarte-Typ: 141, 144, 177, 186, 191 Antit: 12 s. a. Anat Aphrodite Ourania: 141 Apis: 13 Apollo: 145 Ares: 176 Ašerah: 26, 32, 43ff., 64, 65, 70, 91, 101, 103, 118, 119, 120, 136, 137, 198 Aštar/Attar: 158, 176, 198 Aštar-Kamoš: 176 Astarte: 13, 18, 41, 46ff., 141, 143, 154, 167, 169, 198, 199 Asteria: 167 Aššur: 39, 120, 136, 199 Atirat/Aširat, s. Ašera Atum: 60 Baʿal: 12ff., 20, 21, 26, 27, 30ff., 35f., 38, 40, 41, 42, 47, 48, 55, 57, 64ff., 71, 84, 111, 119, 120, 135ff., 136, 137, 142ff., 147, 154, 155, 158, 166, 167, 177, 191, 192, 197, 198, 199, 204, 209, 291, 212 Baʿalšamin/Baʿalšamay: 30f., 35, 142 Baʿal Zebul: 144, 154,155, 197, 204 Bastet: 13 Bel, s. Marduk Bes: 16, 17, 32, 49, 50, 70, 84, 107, 108, 207, 210 Beset: 49f. Bethel: 42f., 48

Chepri: 60 Dagon: 143f., 145, 197 El/ʾEl: 12, 26, 27f., 31, 33, 34, 35, 36, 39, 47, 52, 64, 65, 69, 70, 119, 120, 142, 147, 158, 166f., 169, 176, 177, 179, 190, 191, 192, 197ff., 211, 212, 213 El Beth-El: 28 El Eljon: 28, 65 El-Kronos: 41 ʾElat: 12 Gott auf dem Horntier: 15, 41, 42, 147 Hadad, s. Baʿal Ḫepat: 12 Herakles: 144, 166, 173 Himmelskönigin/Königin des Himmels: 45, 101; s. a. malkat haššamāyim Horon: 145, 177, 198, 212, 213 Horus: 13, 49, 69, 210 Išḫara: 12 Isis: 13, 49, 71, 84, 207, 210 Jahwe/Yahwe: 26, 27, 28ff., 34ff., 40ff., 51ff., 64ff., 69ff., 85, 91, 94, 99, 101, 103ff., 109, 116, 124, 127, 129, 130, 134, 136, 137, 166, 169, 176, 190, 192, 197f., 204, 209, 211 Jahwe von Teman: 30, 43, 44, 45, 119 Jahwe von Samaria: 29f., 43, 45, 46, 116, 119 Jam/Jammu, s. Yam/Yammu Jupiter: 144 Kamoš: 26, 27, 27, 35, 42, 52, 130, 158, 169, 167ff., 179, 186, 187, 191, 192, 197f., 204, 212 Königin des Himmels, s. malkat haššamāyim Kronos: 41 malkat haššamāyim: 45, 101, 135 Marduk: 55, 136, 177, 190, 199 Marnas: 144 Melqart: 144, 166

Mekal: 12, 14 MLK/Milku: 12, 34f., 38, 64, 66, 69, 70, 119, 143, 147, 166, 177, 190, 192, 197f., 199, 209, 211, 212, 213 Milkom: 166f., 169, 173, 197f., 211 Min: 13, 145 Mondgott: 37ff., 50, 135, 166, 167, 191 Mondgott von Harran: 50, 191 Mot: 40f., 55, 65, 69f., 119, 158, 166, 197f., 199, 209 Nabu: 136, 177, 190 Nergal: 176 Osiris: 13, 145 Ptah: 16, 142 pt[g]yh: 143, 145, 154, 197, 204 Qaus/Qos: 26ff., 35, 52, 169, 176, 190f., 192, 194, 196, 197, 198, 204, 213 Qudšu: 45, 47, 66, 141, 151, 159 Quzaḥ: 31 Raḥban: 177, 178, 191, 193, 198, 212, 213 Rešep: 12f., 41f., 54, 64, 65, 144, 145, 177, 198 Šadday-Götter: 148, 198 Šalim: 40, 65, 69, 70, 120, 136, 190, 192, 198, 199, 209, 213 Šagar: 37, 158f., 198, s. a. Mondgott von Harran Šaḥar: 40, 65, 120, 136, 198, 209 Šamaš: 32, 37ff., 65, 120, 135, 136, 137, 143, 158, 159, 198, 209 Šapaš: 37 Sarʿa: 177 Šarruma: 12 Seth: 55 Seth-Baʿal: 13, 15, 35, 36 Šibitti: 50 Sonnengott: 13, 32, 38, 39, 50, 60, 135, 136, 137, 143, 158, 159, 198, 209

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Indices

220

Sonnengöttin von Arinna, s. Ḫepat Teššup: 12, 55 Yahwe, s. Jahwe Yam/Yammu: 12, 35, 143, 147 Yariḥ: 36f., 65, 120, 135, 136, 137, 166, 167, 198, 199, 209, 211 Zeus Hypsistos: 143 Dämonen, Vorzeitwesen und Genien Apkallu: 57 aladlammu: 32, 61 ardad lilî: 54 azaʾzēl: 54 deber: 54 Greif: 56f., 61ff. 214 Ḫedammu: 55 ʾiyyîm: 54 Illujanka: 55 kāribu, s. Keruben Keruben/Kerubim: 60, 63, 66, 118, s. a. Sphinx Lamassu: 31, 53, 64, 214 Lamaštu: 53, 54, 55 Leviatan: 55f., 65 Lilith/Lilitu: 54 maḥšît: 54 malʾāk: 54, 57 ʾoḥîm: 50 qeteb: 54f. Rahab: 55, 65 śārāp, s. Seraphim śāṭān: 54 šedîm: 53 śĕʿîrîm: 54 Seraphim: 54, 56 ṣîyyim: 54 Sphinx: 53, 56, 59, 62ff., 108, 119, 120, 191, 192, 214 Tanannu/Tannin: 35, 55f., 65 Tehom/tehôm: 56, 65 Tiamat: 56 Ugallu-Dämon: 53, 64, 168, 214 Würgerin des Lammes: 53 Herrscher Adadnerari III.: 130 Ahab: 24, 36, 134 Ahas: 24, 130, 135f., 137 Ahasja: 24, 114, 155 Aḥimilki: 143 Alexander III.: 25 Assurbanipal: 134 Assurnasirpal: 134 Atalja: 24, 134

Azitawadda: 129, 130, 131 Barrakib: 131, 166 Benhadad: 134 Bodʿaštart: 130 Bodel/Būdi-il: 166 David: 24, 26, 54, 114, 130, 133, 134f. ʾEšmunʿazar/Eschmunezer: 130, 144 Haṣṣilʾil: 166 Hiskija: 24, 32, 39, 116, 120, 124, 127, 130, 137 Hosea: 24 Ikausu: 143, 154, 204 Jehawmilk: 127, 131 Jehu: 24, 124, 126, 133, 134 Jerobeam I.: 28, 31, 115, 124 Jerobeam II.: 24, 28, 115 Joasch: 24, 134 Jojachin: 25 Jojakim: 25 Jonatan ben Mattatias: 29 Joram: 24, 114 Josija: 24f., 38, 48, 96, 115, 124, 130, 137ff. Kamošyat: 186 Kamošḥalaṣ (Kamāš-ḫalta): 186 Kamošnadab (Kammūsunadbi): 186 Manasse: 24, 96, 118 Merenptah: 24, 28 Meša: 1, 4, 29, 31, 119, 130, 176, 186, 203 Milkilu/Ilimilku: 34 Mitti(n)ti II.: 134 Nabonid: 130, 138 Nabopolassar: 25, 130 Nebukadnezzar II.: 25, 130, 142,166, 176, 189 Necho II.: 25, 142 Omri: 24, 126 Padi: 142, 143, 144, 154, 204 Padaʾil I./II.: 166 Panammuwa: 28 Pekach: 24 Qausmalaka: 190, 196 Qausgabri: 190, 191, 192, 196 Ramses II.: 176 Ramses III.: 11, 14, 140, 141, 142 Ramses VI.: 11, 23 Ramses XI.: 11 Salomo: 24, 26, 40, 48, 70, 118, 124, 130 Sālamānu v. Moab: 40 Salmanasser III.: 24, 126, 130 Salmanasser V.: 24 Sanherib: 24, 124

Sargon II.: 24, 131, 143 Saul: 24, 26, 35, 36, 48, 90, 96, 124 Tabnit: 128 Teumman: 134 Tiglatpileser III.: 24, 48, 144, 146, 174, 194 Thutmoses III.: 16, 48 Tjeker-Baʿal: 134, 155 Yariḥʿezer: 173, 174 Zidkija: 25, 124, 134 Theophore Personenenamen ʿbdʾljʾab: 147 ʿAbdi-ʾAširta: 44 ʿbdlbʾt: 44 ʾAbiya[hu]: 29 ʿAdaʾil: 169 ʿAdiʾel: 190 ʾAḥʾad: 179 ʾAḥem: 70 ʾAḥiʾel: 70 ʾAḥimilki: 143, 147 ʾAḥimelek: 34, 69, 70 ʾAḥimot: 41 ʾAḥišaḥar: 40, 70 ʾAḥiyahu: 70 ʾAmaryau: 43 ʿAmmišalim: 70 ʿAzmawet: 41 bʿl: 142 bʿlʾ/Baʾalaʾ: 142 bʿl bkl: 37 Baʿalnatan: 178, 179 Baʿalšamaʾ/bʿlšmʾ: 69 Baʿalyaša: 174 Banaʾil: 169 Benʿanat/bnʿnt: 47 Barqos/Barqaus: 190 ʾElyašib: 27 Haṣṣilʾil: 166, 169, 173 ḥdq[ws]: 190 ʾIlḥanan: 169 ʾIlram: 169 ʾIlšama: 169 ʾIlśiggeb: 169 ʾIlʾur: 169 ʾIlʿuz: 169 ʾlykm: 142 ʾlyrb: 142 ʾIlyašu: 169 Išbaʿal: 35 Jerubbaʿal: 36 Kamošʿam: 179 Kamošdan: 179 Kamošnaton: 179 Kamošʿoz: 179 Kamošṣadaq: 179

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Indices

Kamoššuaʿ: 179 Kamošyašu: 179 Kamošyat/Kamošyat[on]: 179 Malkiner: 34 Malkiyahu: 34 Meribaʿal: 36 Meremaut: 40 Milkayu: 34 mlklbʿ/ mlkbʿl: 192 Milkilu: 34 Milkomʿur: 174 Milkuru: 34 nryhw: 131 Netanmalk: 34, 35 ʾOniyahu: 42, 44 Padaʾil: 166, 173 Padamalk: 179 pdyhw: 131 Penyahu: 29 Qadbes: 49, 70 Qausa: 190 Qausʾadoni/qwsʾdny: 190 Qausʿanal: 190 Qausgabri: 190 Qausʾimmi: 192 Qausmalaka: 190, 196 Šaḥarya[hu]: 40 sʿdyhw: 33 ṣlbʿl: 145, 147 šlm: 40, 70, 190 sʿryhw: 33 Šubnaqaus: 190 ʾUriyahu: 44, 46, 103, 120 ʿUziʾel: 190 Yaheli: 43 Yamani: 143, 147 Yariḥezer: 160, 168f., 173 Yauʾel: 28 Yehoaʾḥ: 29 Yĕhônatan: 29 Yĕhôšuaʾ: 29 Yeraḥmeʿl: 179 Yerimaut: 40 Yauʿaśa: 44, 69, 70 Orte und Landschaften Abel-Beth-Maacha (Ābil elQamḥ): 157 Achsib (ez-Zīb): 50, 60, 61 Ai (et-Tell): 111, 112, 113, 202 Akko (Tell el-Fuḫḫār): 12, 37, 38, 45, 46, 47, 49, 61, 62, 66, 67, 141, 155, 146 Amman/Rabbat Ammon (ʿAmmān): 166, 167, 168, 169, 170, 172, 173, 186 Ammon: 165ff., 197ff. Anatot (Rās el-Ḫarūbe): 48

Arad (Tell ʿArād): 8, 12, 27, 29, 31, 32, 39, 40, 45, 116ff., 119, 138, 201, 202, 203, 205 Arbela: 134 Arslan Taş: 53, 55 Ashdod (Ēsdūd/Tell er-Rās): 7, 109, 110, 140, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 149, 150, 152, 197, 201 Askalon (ʿAskalān): 140, 141, 142, 144, 147, 149, 154, 198 ʿAštarot (Tell ʿAštara): 34, 48 Azor (Yāzūr): 149 Baluʿa (Bālūʿa): 177, 204 Baschan: 34, 48 Beersheba (Bīr es-Sebaʿ): 8, 50, 77, 78, 79, 108, 117 Beth Anat (Ṣafed el-Baṭṭiḫ): 48 Beth Dagon: 143 Beth-El (Bētīn): 28, 31, 42, 115, 121, 137 Betlehem (Bēt Laḥm): 39, 40, 47 Betsaida (et-Tell): 157, 158, 159, 161, 162, 173, 184, 198 Beth Shean (Tell elḤöṣn/Bēsān): 11, 12, 13, 14, 15, 17, 18, 19, 37, 41, 47, 48, 58, 74, 76, 149 Beth Shemesh (ʿĒn Šemš): 33, 36, 47, 108, 109, 201 Bet Yeraḥ (Ḫirbet Kerak): 33 Bull Site, s. Daḥret eṭ-Ṭawīle Buqēʿa: 165 Daḥret eṭ-Ṭawīle („Bull Site“): 31, 113, 202 Dan (Tell el-Qāḍī): 8, 24, 31, 33, 57, 58, 102, 111, 112, 114, 115, 116, 117, 118, 123, 126, 131, 158, 161, 162, 173, 184, 187 Deir Alla (Tell Dēr ʿAllā): 37, 41, 54, 123, 157, 158, 159, 162, 166, 198, 201, 206 Dēr el-Balaḥ: 15, 89, 149 Dibon (Ḏībān): 176, 180 Edom: 1, 7, 26, 28, 30, 35, 43, 47, 52, 119, 138, 160, 169, 177, 184, 189ff. 197, 198, 213 El Ḫadr: 47 Elephantine: 42, 43, 48, 86, 87, 88

221

Ekron (Tel Miqne/Ḫirbet elMuqannaʿ): 109, 110, 140, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 150, 154, 155, 187, 197, 201, 202, 203, 203, 204, 205 En-Gedi (Tell el-Ǧurn): 38, 39, 91 ʿEn Gēv: 157 ʿEn Ḥazeva: 8, 184, 190, 191, 192, 193ff., 196, 201, 202, 203 Garizim (Ǧebel eṭ-Ṭōr): 101, 102, 104 Gath (Tell eṣ-Ṣāfī): 140, 150, 151, 153, 201, 202 Gaza (Ġazze): 13, 140, 141, 143, 144, 145, 149, 198 Geschur: 157f., 159, 162 Gezer (Tell Ǧazarī): 29, 33, 39, 55, 56, 57, 58, 60, 61, 62, 108 Gibeon (el Ǧīb): 23, 31, 47, 49, 112 Gilead: 24, 157, 160 Ḫaryet: 176 Hazor (Tell el-Qedaḥ): 18, 28, 32, 34, 57, 58, 61, 62, 63, 72, 76, 77, 112, 131, 201, 202 Ḫirbet ʿAtarūs: 154, 186, 187, 203, 205 Ḫirbet el-Ḥaǧǧār: 165 Ḫirbet el-Mudēyine: 8, 162, 173, 180, 181, 182, 183f., 201, 202 Ḫirbet Qeiyafa: 7, 24, 25, 27, 71, 74f., 112, 202 Ḫirbet el-Qōm: 43, 44, 45, 46 Ḫirbet Raddana: 72 Horeb: 30 Ḥorvat Qitmit: 7, 8, 63, 184, 190, 191, 192, 193ff., 199, 201, 202, 203 Ḥorvat Radum: 194 Ḥorvat Teman, s. Kuntillet ʿAǧrūd Ḥorvat ʿUza: 190 Israel (Nordreich): 1, 7, 24f., 27, 30, 43, 65f., 110, 113, 114ff., 119, 125ff., 197ff. Jerusalem: 7, 24, 28, 35ff., 37, 38, 39, 40, 45, 46, 48, 49, 50, 51, 57, 59, 60, 61, 62, 63, 68, 77, 80, 91, 95, 96ff., 117, 118, 120, 126, 132, 136, 137, 138, 200, 2001, 206

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Indices

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Jericho (Tell es-Sulṭān): 35, 36, 37, 106 Jezreel (Ḫirbet Zerʿīn): 12, 24, 130 Juda (Südreich): 1, 3, 4, 24f., 26, 59f., 61f., 64f., 66, 70, 77ff., 96, 116ff., 119f., 125ff., 135ff., 198ff. Karatepe: 204 Karmel: 34, 106, 110 Kerak (el Kerak): 37, 177, 179, 186 Kinneret (Tell el-ʿŌrēme): 72, 73, 76, 157 Kir-Heres, s. Kerak Kuntillet ʿAǧrūd: 27, 29, 30, 32, 33, 36, 43, 44ff., 64, 103, 113, 116, 119, 128, 129, 202 Lachish (Tell ed-Duwēr): 7, 8, 12, 13, 15, 27, 29, 31, 32, 45, 46, 59, 60, 61, 62, 63, 77, 80, 95, 108, 112, 113f., 116, 117, 119, 122, 123, 124, 130, 142, 149, 201, 202 Malatya: 177 Megiddo (Tell el-Mutesellim): 7, 8, 12, 14, 15, 16, 17, 18, 19ff., 24, 35, 37, 41, 58, 61, 62, 63, 64, 66, 72, 74ff., 76, 77, 108, 111, 112, 116, 128, 130, 131, 142, 202, 204, 205 Midian: 30 Moab: 175ff., 197ff. Naḥal Guvrin: 53, 55 Naḥal Paṭṭīš: 150, 151, 152, 201, 202 Nebo (Ḫirbet al-Muḫayyat): 165, 176, 177, 179, 186 Nimrud: 144, 146 Niniveh: 134 Paran: 30 Pella (Ṭabaqāt Faḥl): 159, 160, 162, 163, 201, 202, 203 Philadelphia, s. Amman Qadeš: 176 Rabbat Ammon, s. Amman: Rabbat Moab (Areopolis): 176 Ramat Raḥel: 128, 129, 130 Ruǧm el-ʿAbd: 177, 178 Ruǧm el-Kursī: 167, 168, 173, 174, 201 Ruqeish (Tell ar-Ruqēš): 149 Saḥāb: 172

Samaria (Sebasṭiye): 24, 27, 29, 30, 36, 42, 49, 50, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 68, 69, 95, 96ff., 116, 119, 128, 129, 130, 132, 134, 136, 200, 204 Shilo (Ḫirbet Sēlūn): 72, 101 Sidon: 47, 48, 49, 101, 169, 199 Sinai: 30 Taanach (Tell Taʿannek): 12, 13, 55, 56, 66, 67, 74, 109, 160, 201 Tall Abū al-Ḫaraz: 159, 160f. Tall al-ʿUmērī: 167, 168, 169, 171 Tawīlān: 180, 193 Tel ʿAmal: 74f. Tel Hadar (Šēḫ Hidr): 157 Tel Halif (Tell Ḥuwēlifa): 58, 59, 76, 77 Tel Masos (Ḫirbet el-Mešāš): 72f. Tel Michal (Tell Makmiš): 112, 150, 201, 202 Tel Qasile (Tell Qasīle): 7, 8, 140, 141, 144, 145, 146, 150ff., 201, 202 Tel Qiri: 7, 111, 112, 201, 202 Tel Reḥov: 7, 12, 74, 76, 94, 109, 110, 112, 128, 201 Tel Terumot: 51 Tell el-ʾAǧūl: 51, 149 Tell ʿAštara: 34 Tell Beit Mirsim (Tell Bēt Mirsim): 33, 77, 109, 201 Tell ʿĒṭūn: 145, 149, 150 Tell el-Fārʿa Nord 7: 74, 75, 76, 112, 162, 184 Tell el-Fārʿa Süd: 12, 15, 16, 17, 20, 21, 35, 37, 57, 58, 62, 63, 141, 142, 144, 149, 154 Tell Ǧemme (Tell Ǧammā): 108, 142, 143, 145 Tell Jawa (Tall Ǧāwā): 169, 170ff., 200 Tell Keisan (Tell Kēsān): 144 Tell el-Khelīfē: 190 Tell Mazar (Tell el-Mazār): 157, 169, 170, 172 Tell en-Naṣbeh: 76, 77, 80 Tell Ṣāfūṭ: 165 Tell es-Saʾīdīyeh: 159, 160f. Tello (Girsu): 178 Teman (Taymaʾ): 30, 44, 119 Ugarit (Tell Ras aš-Šamra): 12, 19, 27, 34, 35, 37, 40,

41, 43, 47, 55, 56, 68, 71, 94, 95, 141, 143, 144, 158, 176 Umm al-Bayyara: 192 Wādī Fīdān: 193, 200 Wādī el-Ḥesā: 176, 189 Wadi ath-Thamad Site 13/WT 13 (Wādī t-Tamad): 181, 184, 185, 201, 202 Yavneh: 8, 9, 141, 144, 145, 147, 151, 152, 153, 162 Zion: 30, 67 Sachen Ahnen: 19, 92ff., 148, 172, 181, 200, 201 Altar/Altäre: 6, 9, 36, 74, 76, 77, 81, 96, 106, 112, 113, 115, 117, 135, 148, 150, 151, 162, 180, 183, 185, 187, 193, 194, 201, 202 Amulette: 6, 8, 16, 17, 49, 74, 84, 90, 103, 107f., 184, 200, 206, 207 apotropäische Riten: 9, 82ff., 85ff., 107ff., 206f. arbeitsbezogene Religionsausübung: 4, 109f., 150f., 180, 201 ʾāšām: 122 Astragale: 9, 74, 78, 84, 109, 151, 160, 202 Ashdoda-Figurinen: 140ff. 147, 148, 150 bamah: 6, 112, 113, 135, 137, 154, 161, 187, 194, 205, 135, 137, 203 Becher, s. goblets bĕnê hanĕbî’îm: 106, 110 Beschneidung: 83, 85f., 98 Bestattung: 3, 17, 89ff., 96, 149f., 172, 180f. Blutbräutigam: 85, 109 Brandopfer: 74, 117, 122, 186, 205 chalices: 9, 15, 19, 74, 90, 109, 112, 150, 151, 152, 154, 162, 170, 172, 187, 193, 202, 205 Chronologie: 2 collectibles: 9, 78, 160, 170, 184, 193, 202 cup and saucer: 8 diagnostische Objekte 5ff.: Divination, s. Mantik: Ehe: 86ff. Eherituale: 88 Endogamie: 87f. Ernte-und-Sammelfest: 99

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Indices

Erstlingsopfer: 99 Exogamie: 87f. Exorzismus: 109 Exorzist: 33, 108 familiäre Religionsausübung/Familienreligion: 2f., 15ff., 80ff., 147ff., 169ff., 179ff., 192ff., 199ff. Favissa/Favissae: 4, 141, 144, 151, 153, 162, 173, 194, 203 Fluch: 88, 91, 102ff, 206 Geburtsrituale: 83.ff. Gelübde: 70, 100ff., 186 goblets: 9, 15, 150, 151, 202 Gottesmann, s. ʾīš haĕlōhîm Grabbbeigaben: 8, 16, 89ff., 172, 180, 193, 200 Grab/Gräber: 3, 8, 16, 17, 45, 46, 68, 80, 82, 90ff., 96f., 104, 149, 150, 172, 180, 181, 193, 200 Graffiti: 104, 107, 206 Gruppenbezogene Religionsausübung: 4, 109f., 150, 180, 201 Gruppenprophetie: 109, 110f., 201 ḥaṭṭāʾt: 122 Hauskult: 3, 71ff., 147ff., 189ff., 193ff., 200 Heilerinnen: 10 Heiligtümer - offizielle: 114f., 154, 173, 204ff. - lokale: 4, 7, 17ff., 111ff., 150ff., 183ff., 193ff., 201ff. - regionale: 4, 111ff., 201ff. - im Tor/Torheiligtümer: 102, 112f., 158, 183, 184, 201f., 203 Henotheismus: 5 Hepathoskopie, s. Leberschau: Hexen/Hexerei: 53, 91, 105, 107, 207, s. a. Schadenszauber Hiskijanische Reform: 137 horse and riders, s. Pferdund-Reiter-Figurinen ḥōzeh, s. Seher industrielle Kulte, s. arbeitsbezogene Religionsausübung ʾīš haĕlōhîm: 83, 84, 106, 107, 124

Jenseitsvorstellungen: 17, 68f., 193, 200 Jenseitstopographien: 68 Josianische Reform: 123, 137f. Judean Pillar Figurines (JPF): 6,7, 45, 77, 78, 79, 80, 81, 84, 90, 96, 110, 138, 180, 205, 207 Kelche, s. chalices kĕmārîm: 121 Klagefrauen: 94, 141, 149, 150, 145 Klageriten: 83, 105f., 94f., 149 kōhēn, s. Priester Königstheologie: 125ff., 173, 186, 204 Königsstempel, s. lmlkStempel Leberschau: 18, 122, 137, 159, 206 Leviratsehe: 86, 88 Leviten: 48, 98, 121, 123 Libation: 7, 8, 9, 15, 74, 78, 110, 115, 117, 151, 173, 187, 194 lmlk-Stempel: 32, 38, 39, 60, 120, 126, 127, 130, 174, 198, 214 lokale Religionsausübung/lokaler Kult: 4, 7, 17ff., 111ff., 150ff., 183ff., 193ff., 201ff. Losorakel: 9, 74, 84, 122f. 155, 160, 206 Magie: 8, 12, 47, 106ff., 177, 206 Mantik: 83f., 122ff., 155, 158ff., 203, 206 Maṣṣotfest: 98f. Mazzebe: 6, 18, 32, 52, 102, 112, 113, 115, 117, 118, 137, 161, 162, 189, 184, 193, 194, 202, 203, 205 Menschenopfer: 99f., 186 minḥāh: 122 Miniaturschreine, s. Modellschreine Modellmöbel: 7, 8, 78, 81, 90, 207 Modellschreine: 6, 8, 72, 73, 74, 76, 96, 151, 162, 170, 172, 202 Monogamie: 86ff. Monolatrie: 5, 136, 178 Monotheismus: 5, 122 nābîʾ, s. Prophet

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Nachbarschaftschreine: 11f., 106, 203 Nekromantie: 68, 96 Neumond: 37, 83, 100 offizielle Religion: 2, 3, 19ff., 114ff., 154ff., 173f., 196, 204ff. ʿōlāh: 122 Omina, s. Mantik Opferrituale: 82, 90, 98, 99, 121f., 128, 148, 180, 200, 202f., 205 Passah-Fest: 98f. Pferd-und-Reiter-Figurinen: 6, 7, 8, 77, 81, 94, 112, 117, 207, 148, 172, 180, 205 Polygamie/Polygynie: 86ff. Polytheismus: 5, 69 Priester: 4, 19, 59, 83, 84, 98, 101, 103, 105ff., 115, 117, 121ff., 128, 133, 121ff. 173, 187, 194, 199, 202, 205 Propheten: 4, 5, 44, 106, 110, 121, 122ff., 133, 155, 162 Prophetenschüler, s. bĕnê hanĕbî’îm Prophetinnen: 83, 87, 123ff., 107, 199 Prophetie: 121ff., 206, s. a. Mantik Psi-Figurinen: 141, 145, 147, 148, 150, 151 Räucheraltäre: 78, 183f., 197, 193 Räucherkisten: 6, 8, 78, 79, 80, 203 Räucheropfer: 6, 8, 74, 81, 82, 90, 122, 150, 151, 160, 162, 180, 184, 187, 194, 200, 202, 203, 205 Räucherschaufeln: 194 Räuchertassen: 6, 8, 74, 76, 77, 81, 90, 109, 160, 161, 162, 170, 172, 172, 184, 187, 193, 202, 203, 205 Regionale Religionsausübung/regionaler Kult: 3, 4, 11ff., 173, 193ff., 202 Rites de passage: 83, 86, 133 Rituale - apotropäische Rituale: 85ff., 107ff. - Bestattungsrituale: 89ff. - Bittrituale: 105 - Dankrituale: 105

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Indices

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- Feindvernichtungsrituale: 124, 129 - Heilungsrituale: 83, 107, 207 - Klagerituale: 83, 94f., 105f. - Kriegsrituale: 124f. - Krönungsrituale: 127, 133 - Reinigungsrituale: 107, 205 - des Totengedenkens: 94ff. Ritualspezialisten: 84, 106ff., 206 rōʿeh, s. Seher Sabbath: 83, 100 Sammlerstücke, s. collectibles Schadenszauber: 83, 103, 104, 107, s. a. Hexerei Schreine - lokale: 4, 150f., 183f., 193, 202, 203, 204 - Nachbarschafts-: 11f, 106, 203 - regionale: 4, 184, 201, 202, 205 Segen: 28, 32, 35, 37, 43, 44, 45, 83, 88, 89, 91, 101, 102ff., 131, 141, 186, 190, 191, 206 Seher: 122ff., 155, 158, 159 Selbstlazeration: 94f. 109, 201 šēʾōl: 68 Terrakottafigurinen - antropomorphe: 6, 78, 80, 90, 141, 151, 170, 180, 184, 193 - zoomorphe: 6, 77, 78, 80, 90, 96, 97, 112, 148, 170, 180, 193, 194, 202 Tieropfer: 112, 121f., 151, 184, 187, 202, 205 Totenfürsorge: 3, 9, 17, 19, 68, 82, 89ff., 94ff., 149f., 172, 180, 193, 200 Totengeist: 93, 96 Trankopfer, s. Libationen Trauerriten: 83, 93ff., 105f., 149 tripod cups, s. Räuchertassen Unterwelt, s. šēʾōl: Unterweltstopographien: 68f. Volutenkapitelle: 131ff. Weltbild: 65ff.

Bibelstellen Gen 1,2: 56 1,1–2,4a: 65 1,21: 55 2,24: 88 2,46: 87 4,23: 86 6,2.4: 57,65 8,20: 122 10,26: 37 10,37.38: 207 11–36: 86 14,5: 48 14,18–20: 28 16: 86 16,11: 84 16,13: 28 17,1: 27 17: 84 17,12: 85 17,25: 86 20,17f.: 84 21,1f.: 84 21,4: 85 21,8: 85 23,1–20: 90 23,2: 94 24,15: 87 24,53: 89 24,60: 89 25,1–6: 86 5,9: 94 25,21: 83 25,22: 84 25,23: 84 26,34: 86f. 27,7: 104 27,1–40: 104 28: 28 28,3: 27 28,6–9: 87 28,9: 86 28,20–22: 101 29: 86 29,24.29: 89 29,9: 87 29,31f.: 84 30,1f.: 83 30,1–13: 86 30,1–24: 87 30,17.22: 84 33,20: 28 34: 86 34,11f.: 89 35,11: 27 35,16–19: 84 35,17: 84 35,20: 95

35,29: 94 36,1–5: 86 37,34: 93 37,35: 68 38,28: 84 43,14: 27 47,30: 92 48,3: 27 48,14: 104 49,29–31: 90 Ex 1,15: 84 2,15–22: 88 3,1: 30 3,14: 29 4,24–26: 85, 109 4,25: 86 6,2: 28 6,3: 27 12,1–13: 98 12,1–3*.8–11.21–23*: 98 12,3: 85 12,7.13.21: 109 12,21b–23: 54, 98 13,11–16: 99 15,3: 33 17,12: 85 18,1–7: 88 19: 30 20,8–11: 100 21,4: 85 21,17: 104 22,15f.: 89 22,28: 99 22,29: 99 23,10: 100 23,12: 100 23,15a*b: 99 23,19a: 99 25,5–10: 88 28,30: 124 33,22: 99 34,18–20: 99 34,20: 99, 100 34,21: 100 34,26: 99 Lev 7,11–17: 102 7,18: 95 8,8: 123 10,6: 93 12,1–8: 84 12,3: 85 14,11: 107 14,33–53: 107 16,8.10.26: 54 17,7: 53

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Indices

18,21: 34 19,7: 95 19,27: 94 19,28: 68, 94 19,31: 96 20,2–5: 34 20,6: 96 20,9: 104 21,1: 68 21,5: 94 21,10: 93 25,1–7: 100 25,8–55: 100 Num 3,50: 100 5,2: 68 6,1–21: 110 6,11: 68 6,24–26: 103 8,17: 99 9,10: 68 15,1–11: 110 18,15: 99 19,11: 95 21,2: 101, 186 21,2f.: 1 21,6–9: 59 21,29: 176 22–24: 158 22,22.33: 54 25,1–10: 88 27,21: 124 30: 101 30,3: 101 36: 87 Dtn 2,19: 207 4: 135 4,19: 37, 38, 135, 136 5,12–15: 100 7,2–4: 88 7,5: 137 8,15: 59 11,8–15: 53 12,3: 45 12,5–7: 101 12,7.12: 102 12,11f.: 101 14,1: 94 15,19–23: 99 16,1–8: 98 16,21: 45 17,3: 40 18: 96, 123 18,10–11: 96 21,15–17: 87 22,29: 89

23,22–24: 101 25,5–10: 86 25,6: 88 26: 99 26,1–11: 99 26,14: 92, 94 27, 16: 104 31,16: 92 32,8: 1, 28, 31, 119, 120 32,8–9: 65 32,17: 53 32,24: 41, 54 33,2: 30, 32 33,8: 123 Jos 3,3: 121 5,2f.: 85 5,2–9: 86 7,6: 94 8,33: 122 9,10: 47 11,15: 47 13,12: 47 13,31: 47 15,41: 143 15,59: 48 21,10: 48 21,27: 48 22,22: 28 Ri 1,31: 48 2,10: 92 2,13: 36, 48 3,7: 44, 48 3,31: 47 4: 123 4,5: 30 5,4: 189 5,6: 47 6,25ff.: 36, 46 6,32: 36 7,1: 36 7,1–13: 111 8,30: 87 8,32: 36 9,4: 36, 111 10,6: 48 11,11: 111 11,30f.: 101 13,3.5: 84 13,7.13f.: 110 14,3: 85 14,10: 89 15,18: 85 16,17: 110 16,23: 143 17: 115

225

17f.: 121 17,2: 104 18: 111 18,28: 157 21,19: 111 Ruth 1,15–16: 88 4,13: 84 4,11f.: 88f. 4,14–17: 84 1 Sam 1: 4 1,1: 101 1,1–20: 106 1,2: 87 1,4–8: 83 1,10f.: 83, 84 1,11: 101, 110 1,17: 84 1,21: 106 2,13: 106 4: 111 4,4: 57, 63 4,12: 94 5,1ff.: 144 5,2: 143 6,15: 121 7,3: 48 7,4: 48 9,9.11.18.19: 123 10,1: 127, 133 10,2–3: 94 10,5: 110 10,17ff.: 133 10,24: 133 10,25: 133 12,10: 48 14,6: 85 14,14: 123 14,41: 84 15,1–13: 96 16,1–13: 127 16,1–33: 124 16,12: 127 17,26.36: 85 18,17: 130 18,17–30: 87 18.25.27: 85 19,18.22.23: 110 19,20: 110 20,6: 94 20,26: 94 23,1–14: 130 25,38–43: 87 26,10: 122 28: 96 28,3–25: 96, 107

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226

28,6: 123 28,13: 93, 96 30: 130 31,3: 94 31,10: 47, 48 31,12–13: 90 2 Sam 1,11: 93 1,12: 94 1,20: 85 3,2–5: 87 3,14: 85 3,31: 93 3,33–38: 134 5,3: 133 5,9: 130 5,17–22: 130 6: 130 6,2: 57, 63 7,14: 127 8,18: 121, 128 9,13: 128 11: 87 12,30: 133 14,2: 94 15,7–8: 101 15,24: 121 18,1–5: 134 18,16: 95 19,5: 94 19,6–9: 134 21,1–14: 134 23,2–7: 126, 131 23,3–4: 131 23,31: 41 24,11: 123 24,25: 128 1 Kön 1,28–37: 133 1,33.38.44: 133 1,34: 133 1,38–53: 124 1,39: 127 1,39f.: 133 1,46: 133 2,15: 110 3,1: 87 3,16–28: 129 4,20: 132 5–7: 117 5,15–38: 130 6: 118, 130 7,1–12: 130 7,13–51: 130 7,23–26: 118 8: 128, 130 8,1–13: 118

Indices

8,4: 121 9,15ff.: 130 9,25: 122 11,3: 48, 87 11,5: 48 11,5.7.33: 166 11,11ff.: 87 11,26: 124 11,27: 130 12,2: 128 12,26–33: 115 12,28f.: 31 13,4: 125 15,17–1: 130 16,2: 127 16,32: 36 17: 106 17,8–2: 106 18: 36, 119 18,41–46: 106 19,18: 36 20,30b–34: 134 20,35ff.: 110 22,1–38: 124 22,10–12: 134f. 22,26: 125 22,51: 70 22,54: 36 2 Kön 1: 144, 155 1,2–4: 154, 204 2,3.5.7.15: 110 2,12: 110 3,1: 70 3,2: 36 3,5: 37 3,27: 186 4,1ff.: 110 4,1–7: 106 4,1.38: 110 4,8–17: 106 4,8–37: 87, 106 4,16: 84 4,23: 100, 106 4,25: 106 4,24.38: 110 4.38: 106 4,38–41: 110 5: 110 5,1–27: 106 5,22: 110 6,1: 110 6,8–23: 106 8,16.2: 70 9: 133 9,1: 110 9,1–10: 124 9,3ff.: 127

9,12: 133 9,30–37: 134 10,1–11: 134 10,29: 115 11,12: 133 11,19: 133 12,17: 122 13: 133, 134 13,6: 44 13,14: 110 13,14–19: 124, 129, 133, 134 14,10–18: 130 14,22: 130 15,29: 48 16,10–18: 135, 136 16,13.16: 121 16,17f.: 100 17,13: 123 17,16: 44 17,30: 42 18: 124 18,3–6: 137 18,4: 44 18,22: 137 19,1–7: 124 19,2: 121 19,20–34: 124 20,2: 123 20,22: 130 21,3: 36 21,3–7: 44, 120 21,6: 96 21,7: 118 22,4.8: 121 22,8ff.: 124 22,14ff.: 123 22,20: 92 23: 136, 137 23,3f.: 120 23,4: 36, 120, 121 23,5: 36, 38, 120, 121, 135 23,7: 46 23,7.15: 44 23,8: 53 23,10: 34, 102 23,11: 38, 120, 135 23,13: 48, 166 23,15: 115 23,17: 95 23,24: 96 25,13ff.: 118 1 Chr 1,20: 37 4,10: 41 5,14: 37 6,10: 41 6,56: 48 7,10: 40

© 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Indices

8,26: 40 21,1: 54 21,9: 123 25,5: 123 29,29: 123 2 Chr 9,29: 123 11,15: 53 11,21: 87 12,15: 123 16, 12: 96 19,2: 123 19,3: 44 22,16: 128 29,25: 123 29,30: 123 33,3: 44 33,18: 123 35,15: 123 Esra 2,53: 88 2,63: 123 9–10: 88 Neh 2,1–5: 91 6,14: 124 7,55: 190 7,65: 123 13,23–30: 88 Tob 3,8: 53 4,12: 87 6: 89 6,11–12: 87 7,13: 89 7,13–14: 88 Jdt 8,5: 93 10,3–4: 93, 94 10,4: 93 1 Makk 11,14: 143 2 Makk 7,28: 85 Hi 1,6: 57, 65 1,20: 94 2,1: 57, 66 3,7f.: 56 3,8: 56, 53 5,7: 41, 54

7,12: 56 9,13: 55 10,8–11: 84 17,13: 69 26,5: 68, 93 26,6: 68 27,20: 68 31,2: 83 31,15: 84 38,7: 57, 66 Ps 2: 126 2,5ff.: 130 2,7: 127 2,9: 129 3: 105 3,8: 105 5,3: 105 6,3: 105 6,6: 68 6,6.11: 105 7: 105 7,2–4: 105 9,14: 105 10,7: 105 13,2: 105 13,4: 105 17: 105 18: 126, 133 18,3: 105 18,21ff.: 129 18,33–39: 129 18,37ff.: 128 20: 126 21: 126, 133 21,4: 133 21,7: 127, 131 22,2f.: 105 22,3: 105 22,9f.: 105 22,15f.: 105 22,17: 105 22,26: 101, 102 25,2: 105 25,19: 105 27,2: 105 29,1: 57 30,19: 68, 105 31,12ff.: 105 31,15: 105 35: 105 35,23f.: 105 38.16.22: 105 39,11f.: 105 40,5: 55 40,18: 105 42,7.12: 105 43: 105

227

43,4f.: 105 45: 126 45,2: 127 45,7: 127 45,8: 129 46: 32 48,3: 30 49,15: 41 54: 105 55: 105 56: 105 56,13: 101 57: 105 59: 105 59,2: 105 61,6–9: 101 63,10f.: 68 64: 105 66,13–15: 101, 102 68,8f.: 30 69: 105 69,4: 105 70: 105 71: 105 71,4.12.23: 105 71,5: 105 72: 33, 126 72,1: 129 72,6–7: 131 72,9f.: 129 74,12–17: 55 74: 13: 55 78,35: 28 78,48ff.: 41, 54 82,6: 57 86,2.12: 105 86,14: 105 88: 105 88,5: 68 88,11: 93 88,18: 68 89,7: 28, 57, 119, 120 89,13: 55 89,21: 127 89,27f.: 127 91,2: 105 91,5: 54, 105 102: 105 106: 26 106,37: 53 107,22: 102 109: 105 109,26: 105 110,3: 127 110,4: 128 116,17: 102 139,13: 84 140,12: 105 141,7: 105

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Indices

228

142: 105 143: 105 143,10: 105 Prov 2,18: 93 15,11: 68 20,25: 101 27, 20: 68 31,2: 83 31,10–31: 87 Koh 9,4–6: 68 Hld 3,4: 84 8,5: 84 8,6: 41 Sir 7,33: 92, 93, 96 25,14: 87 26: 87 43,25: 55 Jes 1,13: 100 3,2: 124 6: 53 6,1–13: 120 6,2: 57 6,2.6: 59 8,3: 87, 123 8,19–20: 93, 96 13,21: 53, 54 13,22: 68 14,9: 93 14,10: 68 14,29: 59 15: 186 16: 186 16,9: 68 17,8: 44 19,10: 123 26,14.19: 93 27,1: 55 27,9: 44 28,15: 123 28,15.18: 41 30,6: 59 30,10: 123 32,12: 94 34,10ff.: 68 34,14: 53, 54 36–39: 124 37,1–7: 124 37,2: 121

38,18: 68 56,5: 95 56,7: 38 65: 95 65,3–5: 93, 95, 96, 97 Jer 1,5: 84 2,8: 36 3,24: 36 6,26: 94 7,9: 36 7,18: 136 7,31f.: 102 8,2: 37, 40 9,10: 68 9,24: 85 11,13.17: 36 12,16: 36 16,5–8: 95 16,6: 94 17,2: 44 19,1.2a.10–14: 125 19,5: 36 20,1ff.: 125 20,15: 84 21,1f: 124 29,25–26: 125 31,19: 94 32,29.35: 36 32,35: 34 36: 124 37,1–10: 124 37,11–21: 125 39,35: 34 41,5: 94 44,15–19.25: 101 44,17: 102 44,17.18.19.25: 45 48,13: 42 48,46: 1, 176 50,39: 54 Klgl 2,6: 100 Ez 1,3: 121 4,1–3: 125 7,18: 95 10,5: 27 13,17ff.: 106f. 24,17: 93, 94 27,31: 93 32,17–32: 68, 69 32,27: 68 32,30: 68 Dan

3,25: 66 Hos 1,2: 87 2,13: 100 10,5: 121 Am 6,7: 95 8,5: 100 8,12: 112 Jona 2,10: 101 Mi 3,5–8: 106 3,11: 124 5,13: 44 Hab 3,3: 30 3,3ff.: 32 3,5: 41, 54 3,13(LXX): 41 Zef 1,4: 121 3,5: 33 Sach 3,1: 54 13,6: 110 Mal 3,20: 32 Mk 5,1-20: 68 6,45.53: 100 Außerbiblische Quellen ARE IV § 219: 141 ARI DA(9): II:13: 42 DA(9): 158 Kerak(4): 178 äthHen 6–11: 53 22–25: 68 CAI 1: 166 2: 166 55: 166 58: 166

© 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)

Indices

59: 166, 173, 186 61: 166 78: 173 127: 166 136: 166 147: 157, 165, 166 COS 1.68: 107 1.99 (315): 42 3.5: 189 Amarna-Briefe (EA) 58: 43 60: 43 61: 43 71: 43 74–76: 43 77: 34 78: 43 79: 43 81–85: 43 83–85: 34 88: 43 90: 43 92–95: 43 97: 43 101–105: 43 118: 43 121: 43 132: 43 133: 43 137: 43 138: 43 197: 10, 48 249: 34 250: 34 254: 34 256: 21, 48 267: 34 268: 34 269: 34 273: 34 278: 34 289: 34 290: 34 362: 34 Eusebius, Praeparatio Evangelica 1.9.16: 42 1.10.34: 41 HAE 1.7: 69, 70 1.8: 69, 70 1.28: 69 1.29: 69 1.45: 69, 70

1.45: 70 1.54: 69 1.55: 69 1.56: 69 1.58: 69 1.62: 70 1.67: 69 1.69: 69 1.82: 69 1.127: 69 2.22: 69 2.29: 69 5.18: 69 7.3: 70 8.19: 69 8.47: 69 8.48: 69 9.2: 70 9.3–7: 70 10.26: 69 10.54: 69 10.62: 69 10.102: 69 10.103: 69 13.58: 69 15.19: 33 15.20: 33 16.3: 69 16.37: 69 16.49: 69 20.4: 47 21.7: 33 21.26: 69 21.65–67: 69 21.70–73: 69 21.74–75: 69 21.96: 69 48.1: 69 Arad (6):18: 69, 117 Arad(6):21: 120 Arad(6):27,2: 69 Arad(6):27,6: 69 Arad(7):31,4: 33 Arad(7):31,5: 69 Arad(8):102: 117, 121 Arad(8):103: 117,121 Arad(9):79: 20 BLay(7):1–7: 91 BMir(8):5,1: 69 EGed(8):2: 91, 104 Gem(7):3: 142,143 Gem(8):2: 143 Gez(10):1: 24 Jer(x):35,1–4: 33 Jer(7):1–2: 91 Jer(7):2: 104 Jer(7):2,3: 87 Jer(7):4: 91 Jer(7):12–28: 96

229

Jer(8):6: 91 Jer(8):33: 121 KAgr(9):7: 27 KAgr(9):7,2: 36 KAgr(9):8: 29, 43 KAgr(9):8,1: 69 KAgr(9):9: 43 KAgr(9):9,2: 30 KAgr(9):10: 43,44 KAgr(9):10,2: 30 Kom(8):1–3: 91 Kom(8):3: 43, 44, 103 Lak(6):1.2: 120 Lak(6):1.3: 19,70 Lak(6):1.3,5: 114, 122 Lak(6):1.6,5: 124 Lak(6):1.16,5: 121, 122 Lak(6):5,9: 70 Muq(7):1: 143 Mur(7):2,4: 69 Mur(8):7,24: 69 Qas(8):2: 145 Sam(8):1.1,5: 69 Sam(8):1.22,2f.: 69 Sam(8):3–7: 97 Sam(8):9–11: 97 Sam(8):13: 97 Sam(8):14,1: 69 Sam(8):25,2: 68 Josephus, Antiquitates 10.9.7: 166 13.2.11: 96 13.8.1: 100 13.13.3: 144 14.10.6: 100 14.16.2: 100 15.7.9: 190 KA 1.2: 103 2.46: 113 3.1: 29, 43 3.1:6f.: 103 3.6: 43, 103 3.6:5–6: 30 3.9: 43, 43, 44, 103 4.1.1: 44, 103 4.2: 27, 119 4.2:4: 64f. 4.2:5: 36 4.4.1: 36 KAI 4:6f.: 129 4–10: 154 10: 154 10:2ff.: 127 10:6ff.: 130

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230

11: 128 13:1–2: 128 14:15ff.: 130, 144 15: 130 21: 46 27: 53 26:I,3ff.: 130 26:I,8ff.: 129 26:I,13ff.: 130 37:16: 142 84:101 181: 1, 176, 186 181:3: 130 181:14: 130 181:4f.: 203 181:18: 29 181:21ff.: 130 202: 127 202A:11: 128 202A:12: 123 202B:24: 158 214: 28, 158, 166 215: 28, 158, 166 215:9f.: 131 222: 158 225: 158 227: 42 228:3.16: 44 266:2: 142, 145 277:8f.: 93 306: 186 310: 157 312: 37, 41, 158 312:I,1: 123 KTU 1.2 I 33.36: 27 1.2 I 21: 45 1.3 IV 47: 45 1.3 V 9: 27 1.4 I 13f.: 45 1.4 I 23: 45 1.4 II 11: 27 1.4 III 14: 65 1.10 I 4: 65 1.10 I 5: 65 1.14 I 37: 27 1.14 IV 31–43: 100 1.6 III 5.20: 144 1.6 VI 45–48: 93 1.21: 95 1.24: 37 1.41: 37 1.47: 37 1.47 2: 142 1.47 4: 143 1.47 12: 143 1.65: 27 1.82 1ff.: 71

Indices

1.87: 37 1.100: 34, 47 1.100 52: 40 1.101 8: 27 1.107: 34, 47 1.107 41: 176 1.107 43: 40 1.108: 27 1.110 36: 176 1.113: 93 1.118: 37 1.118.1: 142 1.118 11: 143 1.123 11: 40 1.148 5: 143 2.23 21f.: 14 3.9: 95 4.642: 95

SAHG B 24: 131 B 26: 130 B 27: 130 TAD B 2.6: 32, 87, 88 B 7.2:6–8: 42 B 7.3.3: 48 B 15: 128: 48 C 3.15: 42, 126, 128

Qumran 4Q37: 28, 65 RIMA 2 A.0.101.52; 56; 57: 130 A.0.102.41–59: 130 RIMA 3 A.0 102.2 ii 89bff.: 126 A.0.102.41–59: 130 A.0.104.14: 130 RINAP 1 Q004360 (Tiglath-pileser III 047) r 10: 40 Q004360 (Tiglath-pileser III 047) r 11´: 190 Q003469 (Tiglath-pileser III 56): 48 RINAP 4 Q003478 (Esarhaddon 1) 4,37: 186 Q003230 [Esarhaddon 001] v 54: 166 Q003230 (Esarhaddon 001), v 60: 143 Q003230 (Esarhaddon 001) v 55: 143, 190 RINAP 5/1 Q003702 (Ashurbanipal 003) viii 32: 186 Q003702 (Ashurbanipal 003) vi 57: 134 Q0031704 (Ashurbanipal 005): 130 Q00705 (Ashurbanipal 006): 130

© 2020, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-118-2 (Buch) / ISBN 978-3-96327-119-9 (E-Book)