Die "Carmina christiana" des Dracontius: Kritischer Kommentar 3110648342, 9783110648348

Der hier vorgelegte knappe kritische Kommentar zu den 'Carmina christiana' des Dracontius dient zur Vorbereitu

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Die "Carmina christiana" des Dracontius: Kritischer Kommentar
 3110648342, 9783110648348

Table of contents :
Vorwort
Inhalt
De laudibus Dei
1. Buch I
2. Buch II
3. Buch III
Satisfacio
Literaturverzeichnis
Stellenregister
Wort-, Namen- und Sachregister

Citation preview

Otto Zwierlein Die ,Carmina christianaʻ des Dracontius

Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte

Herausgegeben von Marcus Deufert, Heinz-Günther Nesselrath und Peter Scholz

Band 133

Otto Zwierlein

Die ,Carmina christianaʻ des Dracontius Kritischer Kommentar

ISBN 978-3-11-064834-8 e-ISBN (PDF) 978-3-11-065042-6 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-064862-1 ISSN 1862-1112 Library of Congress Control Number: 2019938029 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Marcus Beck, Halle Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Vorwort Vorwort Die Die neue neue Teubner-Ausgabe Teubner-Ausgabe der der ‘Carmina ‘Carmina profana’ profana’ des des Dracontius Dracontius sollte sollte möglichst möglichst bald durch das Pendant der ‘Carmina christiana’ ergänzt werden. bald durch das Pendant der ‘Carmina christiana’ ergänzt werden. Selbst Selbst gehingehindert, lege ich diese Arbeit, vor allem die Kollation der Handschriften, dert, lege ich diese Arbeit, vor allem die Kollation der Handschriften, in in die die AKOBI s, dem ich schon – neben M. B ECK – für vielfältige Unterstützung Hände R. J Hände R. JAKOBIs, dem ich schon – neben M. BECK – für vielfältige Unterstützung 1 bei bei den den beiden beiden 2017 2017 erschienenen erschienenen Bänden Bänden 1 zu zu danken danken hatte. hatte. Als Als Gegengabe Gegengabe schischicke ich hier der künftigen Edition einen knappen kritischen Kommentar cke ich hier der künftigen Edition einen knappen kritischen Kommentar voraus, voraus, in in dem dem nach nach dem dem Muster Muster des des Vorgängerbandes, Vorgängerbandes, der der die die ‘Carmina ‘Carmina profana’ profana’ begleibegleitete (UaLG 127, 2017), umstrittene Stellen geklärt, korrupte geheilt tete (UaLG 127, 2017), umstrittene Stellen geklärt, korrupte geheilt und und mißvermißverstandene standene erläutert erläutert werden werden sollen. sollen. Um das Verständnis Um das Verständnis der der ausgeschriebenen ausgeschriebenen Textsegmente Textsegmente zu zu erleichtern, erleichtern, füge füge ich, soweit nötig, Übersetzungen hinzu, ohne in jedem Falle divergierende Textich, soweit nötig, Übersetzungen hinzu, ohne in jedem Falle divergierende Textgrundlagen grundlagen kenntlich kenntlich zu zu machen. machen. Dabei Dabei bevorzuge bevorzuge ich ich für für ‘De ‘De laudibus laudibus Dei’ Dei’ II und und II und für die ‘Satisfactio’ in der Regel die englischen Wiedergaben von RWIN II und für die ‘Satisfactio’ in der Regel die englischen Wiedergaben von IIRWIN (laud. (laud. 1, 1, 1942), 1942), B BRESNAHAN RESNAHAN (laud. (laud. 2, 2, 1949) 1949) und und M MARGARET ARGARET (satisf., (satisf., 1936), 1936), weil weil sie sie vermutlich den größten Leserkreis erreichen. Bei abweichenden Auffassungen vermutlich den größten Leserkreis erreichen. Bei abweichenden Auffassungen treten AMUS,, laud. laud. treten (in (in Auswahl) Auswahl) die die französischen französischen Übersetzungen Übersetzungen hinzu hinzu (laud. (laud. 1: 1: C CAMUS 2: M OUSSY , beide 1985; satisf.: M OUSSY 1988). Textauszüge aus ‘De laudibus 2: MOUSSY, beide 1985; satisf.: MOUSSY 1988). Textauszüge aus ‘De laudibus Dei’ Dei’ III OUSSYs s französischer französischer Übersetzung Übersetzung (1988) (1988) begleitet. begleitet. Die Die italieniitalieniIII werden werden von von M MOUSSY sche sche Wiedergabe Wiedergabe von von ‘De ‘De laudibus laudibus Dei’ Dei’ I–III I–III durch durch C CORSARO ORSARO (1962) (1962) entfernt entfernt sich sich oftmals weit von der Konstruktion des lateinischen Textes; sie wird oftmals weit von der Konstruktion des lateinischen Textes; sie wird deshalb deshalb nur nur sporadisch sporadisch zitiert. zitiert. Übersetzungen Übersetzungen aus aus sonstigen sonstigen Autoren Autoren sind sind – – soweit soweit sie sie nicht nicht von von mir mir selbst selbst stammen stammen – – durch durch Namenszusatz Namenszusatz am am Ende Ende des des Zitats Zitats den den jeweiligen jeweiligen Urhebern zugewiesen. Auf genauere bibliographische Angaben konnte Urhebern zugewiesen. Auf genauere bibliographische Angaben konnte hier hier ververzichtet werden, zumal der Leser – sollte sich sein Interesse ausnahmsweise zichtet werden, zumal der Leser – sollte sich sein Interesse ausnahmsweise eineinmal mal auf auf die die Publikation Publikation der der Übersetzung Übersetzung richten richten – – heute heute leicht leicht im im Internet Internet fündig fündig wird. Die in den Kommentar eingefügten Überschriften sind nicht wird. Die in den Kommentar eingefügten Überschriften sind nicht als als InhaltsanInhaltsangaben gaben nachfolgender nachfolgender Kapitel Kapitel zu zu verstehen, verstehen, sondern sondern sollen sollen dem dem Leser Leser zur zur OrienOrientierung dienen: Sie geben im Sinne einer (unvollständigen) Gliederung tierung dienen: Sie geben im Sinne einer (unvollständigen) Gliederung der der Werkstruktur Werkstruktur Aufschluß Aufschluß über über den den jeweiligen jeweiligen Zusammenhang, Zusammenhang, in in dem dem die die behanbehandelten delten Textstellen Textstellen stehen. stehen. Das Manuskript Das Manuskript ist ist im im Sommersemester Sommersemester 2018 2018 im im Hallenser Hallenser Oberseminar Oberseminar krikritisch überprüft worden. Ich danke allen Teilnehmern, besonders AKOBI für für tisch überprüft worden. Ich danke allen Teilnehmern, besonders R. R. JJAKOBI   ZWIERLEIN, Berlin/Boston 2017 (BT 11 Blossius TTO ZWIERLEIN, Berlin/Boston 2017 (BT Blossius Aemilius Aemilius Dracontius, Dracontius, Carmina Carmina profana, profana, rec. rec. O OTTO 2025); O TTO ZWIERLEIN, Die ‘Carmina profana’ des Dracontius. Prolegomena und Kritischer Kom2025); OTTO ZWIERLEIN, Die ‘Carmina profana’ des Dracontius. Prolegomena und Kritischer Kommentar mentar zur zur Editio Editio Teubneriana. Teubneriana. Mit Mit einem einem Anhang: Anhang: Dracontius Dracontius und und die die ‘Aegritudo ‘Aegritudo Perdicae’, Perdicae’, Berlin/Boston 2017 2017 (UaLG (UaLG 127). 127). Berlin/Boston https://doi.org/10.1515/9783110650426-202 https://doi.org/10.1515/9783110650426-202

VI  Vorwort Korrekturen und weiterführende Hinweise. Hervorgehoben seien auch diesmal die eindringenden brieflichen Diskussionsbeiträge M. BECKs, dem darüber hinaus viele formale Verbesserungen des Manuskripts, schließlich – als Krönung seines unermüdlichen Einsatzes – die reproduzierbare Druckvorlage verdankt werden. Auch Th. RIESENWEBER hat in bewährter Weise Rat und Kritik beigesteuert. Den Herausgebern der UaLG sei Dank für die Aufnahme der Schrift in diese kritischer Philologie aufgeschlossene Reihe, in der schon der entsprechende Band zu den ‘Carmina profana’ erschienen ist. M. DEUFERT hat parallel zur Fahnenkorrektur seiner Lukrez-Teubneriana dem späten Imitator eine wahrhaft mustergültige Aufmerksamkeit geschenkt. Seine scharfsinnigen Diagnosen und Erläuterungen haben mich vor vielen Fehlern bewahrt und das Buch wesentlich gefördert. Hilfreich war auch diesmal wieder die gründliche 'Nachlese' H.-G. NESSELRATHs. Für eine reibungslose verlagstechnische Betreuung haben K. SCHUBERT und T. BEHM gesorgt. Letzterem gebührt zugleich das Verdienst einer Neubelebung der Tugenden des einst hochgeschätzten 'Lektorats'. Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, im März 2019

Otto Zwierlein

Inhalt Vorwort  V

De laudibus Dei  .

. .. .. .. . . . .. .. .. . .. .. . . .. .. .

 .

Buch I  3 Prolog: Lobeshymnus auf Gott  3 Der zürnende und der barmherzige Gott – der sündige Mensch – Rettung durch Strafandrohung per Omina und Prodigia – Gottes stete Bereitschaft zur Vergebung – Strafe für verstocktes Beharren  3 Der dritte Schöpfungstag  11 Die Erschaffung des Meeres und der Erde  11 Der Garten des Paradieses  12 Schöpft Dracontius aus dem Hohelied-Kommentar des Apponius?  20 Der vierte Schöpfungstag  25 Die Erschaffung der Sonne, des Mondes und der Sterne  25 Der fünfte Schöpfungstag  35 Die Erschaffung der Meerestiere und der Vögel  35 Der sechste Schöpfungstag  39 Die Erschaffung der Landtiere  39 Ordnung und Gesetzmäßigkeit der Schöpfung  40 Die Erschaffung der Frau  48 Adam und Eva im Paradies  50 Das glückliche Leben in paradiesischer Unschuld  50 Sündenfall und Scham  51 Gottes Gericht über Adam und Eva  56 Vertreibung aus dem Paradies – Herrschaft über die Welt  59 Alle Pflanzen und Tiere sind dem Menschen untertan  59 Der Geist Gottes in der Schöpfung  62 Epilog: Hymnus auf die Allmacht des Schöpfergottes  65 Vertrauensvolle Schlußbitte des Dichters an den liebenden Gottvater  68 Buch II  74 Lobeshymnus auf den Schöpfergott  74 Gottes Geist und ‘Wort’ durchdringen die Schöpfung  74

VIII  Inhalt . .. .. .

. .. .. . . . .. ..  . . .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. . .

Der trinitarische Gott und die Inkarnation  78 Die Wunder Jesu und seiner Jünger als Ausweis der Allmacht Gottes  81 Die Wunder des Alten Testamentes  85 Die Frevel der Menschen im Vergleich zur Tierwelt  86 Seit Kains Brudermord herrschen Krieg und Verbrechen in der Welt  91 Gottes Strafen: Sintflut, Schwefelfeuer auf Sodoma und Gomorrha  99 Rückfall in die alten Frevel nach der Sintflut  99 Die Errettung Lots – Unbelehrbarkeit der Israeliten  103 Rückblick auf die Lebensweise im Paradies  105 Die aurea aetas-Topik  105 Der Engelssturz als Warnung für die Menschheit  109 Die Bitten der glaubensstarken ‘Gerechten’ werden erhört  113 Gott vergibt dem, der demütig seine Schuld bekennt  114 Wer reinen Herzens bittet, wird erhört  115 Buch III  119 Habsucht und Geiz der Menschen  119 Biblische Exempla der Glaubensstärke  119 Abraham – Isaak  119 Dracontius schöpft aus den Abraham-Traktaten des Zeno von Verona  124 Daniel in der Löwengrube – der Gladiator im Amphitheater  135 Exempla aus der griechisch-römischen Mythologie und Geschichte  141 Leonidas und die Spartiaten  145 Brutus und der Doppelkonsulat  146 Manlius Torquatus  147 Mucius Scaevola  149 M. Curtius eques und M. Atilius Regulus  151 Die Saguntiner und die Numantiner  153 Weibliche Heldinnen (Judith, Semiramis, Tamyris, Euadne, Dido, Lucretia)  157 Lobeshymnus auf Gott, den unveränderlichen Vater und Herrscher über das All  159 Schuldbekenntnis und Bitte um Gottes Erbarmen  163

Inhalt  IX

.

Schlußbitte des Dichters an Gott  173 [Neubewertung des Handschriftenstemmas]  176

Satisfactio     . . . .

Gottes Zorn und Vergebung  183 Nabuchodonosor und Zacharias  183 Die Verfehlung des Dichters und der Zorn des Königs  187 Bitte an Gott, den König zur Milde zu bewegen  187 Der Dichter bittet den König um Gnade  189 Exempla des Gnadenerweises (David – Salomon, Stephanus; Caesar, Augustus, Titus, Commodus)  189 Gnadenerweis ist der wahre Ruhm des Herrschers  192 Digression über das Thema ‘Zeit’  194 Abschließende Bitte des Dichters an König Gunthamund, er möge ihn begnadigen  198

Literaturverzeichnis  201 Stellenregister  205 Wort-, Namen- und Sachregister  219



De laudibus Dei

  Buch Buch II . . Prolog: Prolog: Lobeshymnus Lobeshymnus auf auf Gott Gott Der zürnende und der barmherzige Gott – der sündige Mensch – Rettung durch Der zürnende und der barmherzige Gott – der sündige Mensch – Rettung durch Strafandrohung per Omina und Prodigia – Gottes stete Bereitschaft zur Strafandrohung per Omina und Prodigia – Gottes stete Bereitschaft zur Vergebung – Strafe für verstocktes Beharren Vergebung – Strafe für verstocktes Beharren 1,1f. 29–114 1,1f. 29–114 Der mehrfach variierte Grundgedanke des breiten Einleitungspassus lautet Der mehrfach variierte Grundgedanke des breiten Einleitungspassus lautet (1,29ff.): Das liebende Erbarmen Gottes (pietas Dei) bestraft den Sünder niemals (1,29ff.): Das liebende Erbarmen Gottes (pietas Dei) bestraft den Sünder niemals durch plötzliche Vernichtung (clade repentina), sondern hält die Strafe an und durch plötzliche Vernichtung (clade repentina), sondern hält die Strafe an und führt sie (zunächst) als Bedrohung vor Augen, damit der Mensch, erschreckt, sich führt sie (zunächst) als Bedrohung vor Augen, damit der Mensch, erschreckt, sich im Gebet an Gott wenden und von ihm – ohne noch Schaden erfahren zu haben – im Gebet an Gott wenden und von ihm – ohne noch Schaden erfahren zu haben – Verzeihung seiner Sünden erlangen könne (durch sein Bekenntnis wird dem SünVerzeihung seiner Sünden erlangen könne (durch sein Bekenntnis wird dem Sünder die Strafe für seine Vergehen erlassen): der die Strafe für seine Vergehen erlassen): 1,29 1,29 30 30

Ac pietas quia sancta Dei uirtute modesta est, Ac pietas quia sancta Dei uirtute modesta est, c l a d e repentina numquam p u n i r e nocentes c l a d e repentina numquam p u n i r e nocentes assumat: p o e n a m cohibet p o e n a m que minatur, assumat: p o e n a m cohibet p o e n a m que minatur, territa quo Dominum possit mens nostra precari territa quo Dominum possit mens nostra precari et peccatorum ueniam non laesa mereri. et peccatorum ueniam non laesa mereri. sic impune reis licuit peccasse fatendo 22. sic impune reis licuit peccasse fatendo .

Deutlich markiert wird im ausgeschriebenen Passus der Gegensatz zwischen Deutlich markiert wird im ausgeschriebenen Passus der Gegensatz zwischen c l a d e repentina ... p u n i r e (30) und p o e n a m cohibere bzw. minari (31): c l a d e repentina ... p u n i r e (30) und p o e n a m cohibere bzw. minari (31): Statt unmittelbar zu strafen, setzt Gott zunächst den Vollzug der Strafe aus und Statt unmittelbar zu strafen, setzt Gott zunächst den Vollzug der Strafe aus und gewährt dem Sünder durch vorgängige Strafandrohung Zeit zur Umkehr. gewährt dem Sünder durch vorgängige Strafandrohung Zeit zur Umkehr. Damit aber der Mensch erkennt, was ihm drohend bevorsteht, wird die Natur Damit aber der Mensch erkennt, was ihm drohend bevorsteht, wird die Natur beauftragt, Zeichen zu geben: Der erbarmungsvolle Gott läßt zunächst mahnende beauftragt, Zeichen zu geben: Der erbarmungsvolle Gott läßt zunächst mahnende Ankündigungen ergehen, bevor er schlimme Fährnisse schickt; er belehrt das Ankündigungen ergehen, bevor er schlimme Fährnisse schickt; er belehrt das Menschengeschlecht durch unaufhörliche Zeichen und Prodigien der NatureleMenschengeschlecht durch unaufhörliche Zeichen und Prodigien der Naturelemente: mente:   2 „And may God’s holy sense of duty, since it is moderated by His compassionate goodness, 2 „And may God’s holy sense of duty, since it is moderated by His compassionate goodness, never undertake to punish transgressors with sudden destruction. It stays punishment, and never undertake to punish transgressors with sudden destruction. It stays punishment, and punishment it threatens, that our fearful hearts may have the power to invoke the Lord and earn punishment it threatens, that our fearful hearts may have the power to invoke the Lord and earn forgiveness of their sins unscathed. Thus it was granted to transgressors to err and yet go unpunforgiveness of their sins unscathed. Thus it was granted to transgressors to err and yet go unpunished if they confessed their sins“ (IRWIN). ished if they confessed their sins“ (IRWIN). https://doi.org/10.1515/9783110650426-001 https://doi.org/10.1515/9783110650426-001

  Buch I 39 (dare igna ... natura iubetur.) 40 ne lateant mortale genus quaecumque propinquent, praemonet ante pius quam tanta p e r i c l a, prodigiis signisque docens elementa fatigat 3.

Hier wird die Junktur poenamque minatur von 31 durch praemonet ... tanta pericla variiert 4, dieses praemonere unmittelbar anschließend durch prodigiis signisque d o c e n s konkretisiert. Gott warnt also den Sünder durch bedrohliche Zeichen und Prodigia in Natur und Kosmos. Der folgende Abschnitt 1,43–81 veranschaulicht dies durch einen langen Prodigienkatalog 5, der durch eine Reihe von Fragen nach der Ursache solcher Prodigia und ersten, vorläufigen Antwortversuchen eingeleitet wird. Dabei erscheint in 56 (uentura monet per tot p r a e s a g i a) wieder ein Synonym zu dem praemonet von 41 6. Die systematische Begründung der mantischen Funktion solcher Naturprodigien wird im Anschluß an den Katalog gegeben: Die untrüglich zuverlässige Naturordnung wahrt ihre Treue zum Menschen, der Teil der großen Weltfamilie ist, dadurch, daß sie ihm aufgrund des Erbarmens des gemeinsamen Vaters – durch Zeichen das Kommende offenbarend – anteilig Kenntnis gibt von dem, was sich ereignen und die Welt bedrohen wird. Auf diese Weise bleibt dem Menschen die Möglichkeit, falls sich Schlimmes ankündigt, durch Gebete Gott, den ewig waltenden Herrn der Weltordnung und des Himmels, zu besänftigen: 82 nescia mentiri rerum cognata fidelis conseruat natura fidem pietate parentis participans, quaecumque forent mundoque minentur, 85 ostentis uentura monens, ut pectore laeto, si bona sunt uentura, bonis nos ante fruamur,

 3 „... Nature was bidden to grant signs to those charged with sin [reis]. That not every impending event may lie hidden from mortal man, God in His merciful goodness forewarns him before He sends perils so great, and He wearies the elements as He teaches him by omens and portents“ (IRWIN). 4 Entsprechend tritt an die Stelle der p i e t a s ... sancta Dei von 29 der p i u s von 41; die Variation des Begriffes pietas wird weitergeführt in 83 (p i e t a t e parentis) und 102 (p i e t a t i s amore). 5 Der Passus 1,62–68 wird unten aus textkritischen Gründen näher behandelt (siehe zu 1,63f.). 6 Für monere in der Bedeutung „de rebus futuris certiorem facere, p o r t e n d e r e“ liefert der entsprechende Thesaurusartikel (ThLL VIII 1409,71ff.) eine Fülle von Belegen.

Prolog: Lobeshymnus auf Gott  

si mala portendant, liceat placare precando naturae caelique Deum post saecla manentem 7.

Diesmal lauten die Begriffe, die vor künftigem Unheil warnen sollen: minentur (84), ostentis ... monens (85), portendant (87). Ein solches minari und (prae)monere ist Ausdruck der Liebe Gottes, der nicht den strafenden Schlag führen möchte, sondern lieber (durch Zeichen) schreckt: Bei ihm geht nachsichtige Vergebung (indulgentia) der Strafe voraus, so daß die Schuldigen von keinen Züchtigungen getroffen werden: 89 nemo f e r i r e uolens se praemonet ante cauendum, 90 sed qui terret, amat; sic indulgentia p o e n a m praeuenit et nullos capiunt t o r m e n t a reatus 8.

Diese grundsätzliche Haltung wird anschließend differenziert: 1. Der Allmächtige verwehrt niemandem Verzeihung, der ihn darum bittet, (..., s.u.) und trifft niemanden mit Strafe, wenn dieser nicht böswillig verharrt in dem Makel der Sünde. Ja, auch der strafende Gott handelt (in solchen Fällen) 9 noch verhalten, er mäßigt die Wucht der Schläge, sucht den Irrenden zu bessern, bestraft ihn nicht unmittelbar gleich mit dem Tod, wenn der Frevler nicht allzu lange an seinem sündigen Tun festhält. Wenn aber der Mensch in seiner Sündhaftigkeit verharrt und ständig dem Pfad des Vergehens folgt, wird er durch die ihn treffende Strafe das zornige Wüten (Gottes) zu spüren bekommen: 92 Non negat Omnipotens ueniam cuicumque roganti, s u p p l i c i u m cum saepe uetet, licet inde minetur omnibus, et nullum f e r i a t censura Tonantis, 95 ni uitium peccantis agat perstando maligne, et quemcumque f e r i t moderanter temperat i c t u s: corrigit errantem, non p u n i t morte repente, si peccare diu parcat quicumque profanus.  7 „Reliable Nature, not knowing how to falsify related facts, conserves truth with a parent’s sense of duty, imparting knowledge of what things are in store for the world and menace it, giving warning by her omens of things to come, to the end that with joyful heart, if blessings are in store, we may anticipate their joy, but if her omens portend evil, we may be permitted to propitiate by our prayer the God of Nature and of heaven who will endure beyond the ages of the world“ (IRWIN). 8 „No one who makes a voluntary assault forewarns his victim to be on his guard against him, but He who inspires awe also loves. So His absolution wards off punishment, and no offenders suffer torments“ (IRWIN). 9 Inwieweit dieser Untergedanke kongruent in das übergeordnete Argumentationsmuster eingebettet ist, bleibt fraglich.

  Buch I sed cum perstat homo semper delicta sequendo, 100 sentiet iratum p o e n a plectente furorem 10.

Vers 93 wurde in der Paraphrase übergangen, weil der Text strittig ist: Die jüngeren Herausgeber (und zuletzt NOSARTI 312, s. Anm. 15) drucken BÜCHELERs uetet (nitet B: uitet M2: neget AREVALO), obwohl weder IRWIN erklärt, wie seine Übersetzung „for He often f o r b i d s punishment, although with it He may threaten all“ zu verstehen sein soll, noch CAMUS die ihre („il s’ o p p o s e souvent au supplice, même s’il en menace tous les hommes“) erläutert. Meinen eigenen Versuch, das korrupte nitet durch das leitmotivisch wiederkehrende m o n e t zu ersetzen („dadurch daß er drohende Strafe [lediglich] ankündigt“), habe ich wegen bleibender Bedenken wieder aufgegeben. Am besten scheint HUDSON-WILLIAMS (1947) 96 der Stelle gerecht geworden zu sein. Er hatte sowohl neget wie uetet verworfen und mit VOLLMER (1905) 335 (Index s.v. cum) als Verbmodus den Indikativ gefordert 11. Anstelle von nitet schrieb er tenet (‘holds back’, ‘checks’). Er beruft sich dabei auf eine Reihe überzeugender Belege aus Cicero und Ovid, in denen tenere für retinere steht 12, ferner auf die entsprechenden Äußerungen in laud. 1,30f. (siehe den oben ausgeschriebenen Text) und 2,708 supplicium cunctis reuocabile dictas. Der Allmächtige gewährt demnach einem jeden, der ihn bittet, Nachsicht dergestalt, daß er die Strafe zurückhält, selbst wenn er mit dieser Strafe (inde) alle bedroht. Man darf wohl an Bibelstellen denken wie Abrahams Ringen mit Gott um den Fortbestand der frevlerischen Stadt Sodoma, die gerettet sein soll, wenn sich dort 50 – 45 – 40 – 30 – 20 – 10 Gerechte finden 13, und die

 10 „The Almighty does not withhold forgiveness from anyone who seeks His mercy, for He often forbids punishment, although with it He may threaten all; and the rebuke of the Thunderer would strike no one unless the sin of the transgressor constrain Him by its confirmed malice, and whenever He smites anyone, He tempers His blows with moderation. He chastises the wayward, but does not visit him suddenly with death, in the event that any transgressor should refrain from sinning too long. But when any man persists in always following a sinful course, he will feel His angry fury with smiting punishment“ (IRWIN). – Die Unterstreichung soll auf die Wiederkehr der beiden Begriffe in Vers 101 vorausweisen. 11 Er verweist für cum saepe („ = ‘when as often’“) auf Verg. Aen. 1,148f. ac ueluti magno in populo c u m s a e p e coorta est│ seditio; ferner auf Aen. 8,353 und MUNRO zu Lucr. 5,1231. Doch scheint diese Argumentation nicht zwingend angesichts der nicht wenigen Fälle, in denen Dracontius willkürlich Indikativ oder Konjunktiv auf cum folgen läßt. Das iterativ-gnomische cum saepe dürfte gut mit cuicumque harmonieren. Man muß also nicht darüber grübeln, ob besser supplicium qui statt supplicium cum geschrieben werden sollte. 12 Cic. parad. 33 iracundiam t e n e a t, c o e r c e a t auaritiam; Ov. met. 10,420f. conataque saepe fateri │ saepe t e n e t uocem; 2,796 uixque t e n e t lacrimas; 8,462 coepta quater t e n u i t. 13 Gn 18,22ff.; 23 et adpropinquans ait: ‘numquid perdes iustum cum impio? 24 si fuerint quinquaginta iusti in ciuitate, peribunt simul et non parces loco illi propter quinquaginta iustos si fuerint in eo? 25 absit a te, ut rem hanc facias et occidas iustum cum impio fiatque iustus sicut impius ...’; 28 ‘delebis propter quinque u n i u e r s a m urbem?’ [vgl. laud. 1,93f. licet inde minetur │ o m n i b u s] et ait: ‘non delebo, si inuenero ibi quadraginta quinque’, etc.

Prolog: Lobeshymnus auf Gott  

anschließende Lot-Episode, ferner an Jonas und die Niniviter (vgl. laud. 3,633–640; 2,427–436; 285f.: dort jeweils mit dem gegensätzlichen Tenor, daß der Gerechte nicht in den Untergang der vielen Sünder mithineingezogen wird) 14. Bei Marius Victor (aleth. 3,673ff.) fordert Abraham so sehr Gottes Nachsicht – demütig bittend – heraus (u e n i a m que lacessens suppliciter), daß dieser seinen Diener mitten im Gespräch [bei der Zahl 10 angekommen] verläßt, „damit sich die sanfte Barmherzigkeit des Herrn nicht zur Gänze verriete“ (se ne totam domini c l e m e n t i a mitis│ proderet [680f.]); Lot aber (3,729ff.) „gefiel durch sein Bitten, weil er den Herrn dazu zwang, mit ihm zugleich viele zu retten (m u l t o s pariter seruare), und die besondere Gabe des Heils (donum s p e c i a l e salutis), die Gott ihm gewährte, an viele verteilte (p l u r i b u s impertit) und aus dem Geschenk ein Verdienst machte“ (KUHN–TREICHEL). In Vers 94 erwägt M. DEUFERT feriet statt feriat zu schreiben – in Abstimmung auf sentiet in Vers 100 („so wie sich 95 und 99 entsprechen“).

2. „Die Hand des zürnenden Gottes verspürt der Sünder nicht eher (denn sooft Gott jemandem zürnt, gewährt er aus Liebe und Erbarmen die Gunst mahnender Drohungen anstelle von Vernichtung), als bis die züchtigende Strafe von den Höhen des Himmels auf ihn herabkommt. Dann bricht der schwere Zorn mit schrecklicher Wucht plötzlich, auf einen Schlag, herein. Unvermerkt stellt er sich ein zweites Mal ein, ohne (voraufgehende) Schreckensdrohungen, und der betreffende Sünder nimmt den zürnenden Herrn nicht wahr, bis der Zorn in erneut niederfahrendem Sturz in die Todesseufzer einfällt und den Sünder, ohne daß er sich hätte vorsehen können (incautum), unter noch schwererer Wucht zermalmt“: 101 nemo Deum sentit (quotiens irascitur ulli, indulget p r o c l a d e minas pietatis amore) 15,  14 Die Hervorhebung des einen reumütigen Sünders, dessen Buße Gott gnädig stimmt, findet sich Lk 15,7 dico uobis quod ita gaudium erit in caelo super u n o p e c c a t o r e p a e n i t e n t i a m h a b e n t e quam super nonaginta nouem iustis qui non indigent paenitentia; siehe laud. 2,728f. nam gaudia caelo │ conuersus dat quisque reus. 15 Die Parenthese hat BÜCHELER eingeführt (aus ihr – und dem voraufgehenden sentiet iratum ... furorem – ist ein Partizip irascentem als gedankliche Ergänzung zu Deum sentit herauszuziehen, in Entsprechung zu agnoscit Dominum furentem in 106); indulget (für ni fulget B) wird AREVALO verdankt; pro clade hat HUDSON-WILLIAMS (1947) 96 aus praeclare (B) gewonnen. Er übersetzt: „bestows threats instead of destruction“ und stützt sein pro clade durch überzeugende Parallelen. Die erste (2,699ff.) ist aus einem gedanklich mit dem Einleitungspassus eng verwandten Zusammenhang (2,699–717, vgl. 721. 726f.) genommen: nescius irarum, m o n i t i s n o n c l a d e coercens│peccatum, s i n e c l a d e reos clementior audis│ante preces ueniale iubens; non ira furorem│excitat etc. („Unknowing of wrath’s emotions and checking sin by admonishings, and not destruction, Thou more than clemently, without destruction, dost hear the guilty, assigning pardon in advance of their prayers. Wrath excites not rage ...“ [BRESNAHAN].

  Buch I donec ab excelsis ueniat u i n d i c t a coercens: impete terribili grauis ingruit ira repente. 105 sensim rursus adest nullo terrore minante ante nec agnoscit Dominum quicumque furentem, donec in extremos gemitus recidente ruina ingruat [sc. ira] incautum grauiori 16 pondere frangens 17.

Es folgt der Schlußgedanke, daß Gott nicht die ganze Schar der Sünder vertilgen wolle, sondern nur jene, die sich gegen eine Umkehr sträuben und die Zeit der Vergebung ungenutzt verstreichen lassen. Denn jeder wisse, daß Gott, der Schöpfer und Herr, das Menschengeschlecht zu erhalten bestrebt sei, das er am sechsten Tag erschaffen habe. Diese Verse 115–117 bilden die Überleitung zu dem folgenden Kapitel der Schöpfungsgeschichte. 1,63f. 62

65

nam micat unde polo ueniens quicumque cometes, hinc matres et monstra creant, hinc unda cruores inficit et spumis rubicundior alueus exit, hinc calidas pluit imber aquas et roscida tellus

 Siehe ferner 1,30f. und satisf. 159 ueniam p r o c l a d e meretur). Die Junktur i n d u l g e t ... m i n a s wird passend durch satisf. 99 i n d u l g e s u e n i a m poscentibus gerechtfertigt; vgl. Iuv. 8,167 i n d u l g e ueniam pueris; Drac. Romul. 2,6f. (Venus) coruscos│ i n d u l g e t uultus (s. ThLL VII 1,1253,23ff. ‘fere i. q. donare, praebere, praestare’). Anders (im Sinne von condonare, ignoscere) satisf. 149f. ignoscendo pius nobis imitare Tonantem,│ qui i n d u l g e t culpas (culpis Eug. Tolet. 126) et ueniam tribuit (der Akk. culpas kann gehalten werden, s. ThLL VII 1,1255,74ff., bes. 79 [vgl. auch 1256,10ff.]). [Mit Mail vom 31.5.2018 verweist R. JAKOBI auf L. NOSARTIs Versuch (2015), dem Vers 1,102 die leicht veränderte Form ni fulget praeclara minans zu geben. Aber die zugrunde gelegte horazische Formel multa et praeclara minans (sat. 2,3,9) hat einen viel zu positiven Klang („Bedeutungsvolles, Ruhmreiches ankündigend“) und die zur Stütze herangezogene Parallele Ps.Paul. Nol. 32,247f. trifft nicht, weil in dem Verssegment rutilo nimis igne coruscat das Adverb nimis nicht dem Adjektiv rutilus „valore elativo“ verleiht (in vermeintlicher Entsprechung zu prae-clara), sondern zum Verb coruscat zu ziehen ist: „scaglia in gran’numero saette fiammeggianti“ übersetzt mit gutem Grund M. CORSANO (Pisa 2002, 79).] 16 Steigerung zu grauis in 104. 17 „No one feels the presence of God (as often as His anger is kindled against anyone, He is kind to issue [er liest indulget praestare (so VOLLMER 1914)] forebodings because of His loving-kindness) until His constraining rod descends from on high; with awful force His heavy anger suddenly attacks, perceptibly He is present again with no threat of terror, nor is anyone aware of the Lord’s anger in advance until it assails its heedless victim, crushing him with a weight all too heavy, while disaster falls upon him even to his last groans“ (IRWIN).

Prolog: Lobeshymnus auf Gott  

sanguine puniceas spicis producit aristas et uiola est mentita rosam pallore fugato, ac rubor infelix et candida lilia tinxit. „Well, whence comes each comet that flashes in the sky? Here mothers are bearing even monstrosities, there blood discolors the ocean wave, and the hull comes forth a ruddier color from the foam; here a rain of blood falls in hot showers, and the bedewed earth produces ears for the grain bright red with blood, and the violet, banishing its pallor, has falsely claimed to be the rose, while an inauspicious redness has stained even the white lilies“ (IRWIN).

Hinc unda cruores│inficit (63f.) klingt merkwürdig, als handle es sich um die Umkehrung der Konstruktion von miscere/iungere aliquem = se alicui, siehe ZWIERLEIN KK 2017, 75; Anm. 774. Vgl. SZANTYR ThLL VII 1,1415,6ff. („sibi, fere i. q. ἐνδύεσθαι, [ad inquinationem] indui“); als einziger Beleg dort Drac. laud. 1,64 „(per enallagen)“. Wäre unda cruore 18│inficit für se inficit cruore denkbar? Aber man würde inficitur erwarten! 19 Anders (nämlich mit Dativ) ist die Konstruktion bei iungere = se iungere (s.o.: KK 2017). Eher ließe sich wohl noch die Fassung hinc unda cruore │ se inficit rechtfertigen, siehe Tert. bapt. 5,1 (se homicidio inficere); Caes. Gall. 5,14,2 se Britanni uitro inficiunt; Sen. epist. 110,8 si illa (sc. scientia) se non perfuderit, sed infecerit (siehe auch ThLL VII 1, 1415,9). Synalöphe des Einsilblers se läßt Dracontius einige Male zu, siehe laud. 1,267. 431; 2,270 (se inuadentibus BÜCHELER); vgl. me in laud. 3,626; Romul. 10,207. 453; Orest. 572; te in laud. 2,211; Romul. 4,18; 8,462 (Te oblatiua: Versbeginn); Orest. 746. [M. DEUFERT gibt zu erwägen, ob man die oben benannte „Umkehrung der Konstruktion“ mit der Absicht, eine Hyperbole einzuführen, rechtfertigen könnte: „Wenn die Woge das Blut färbt, ist das eine Umkehrung der gewöhnlichen Mischungsanteile der Flüssigkeiten Blut und Wasser“ [‚liegt eine Art Hypallage in Form von Subjekt-ObjektVertauschung vor?‘ (BECK)]. Von den beiden Konjekturen bevorzugt DEUFERT das oben erwogene cruore│ se inficit, weil diese Lesart „paläographisch ganz naheliegt (cruore s(e) inficit → cruores inficit) und weil man das et unbedingt halten soll: der Gedanke hinc unda ... exit ist eine zweigliedrige Einheit; ein Asyndeton (inficitur, spumis) würde stören.“]

 18 Zur Junktur siehe ThLL VII 1,1412,30ff., bes. 40ff.; vgl. ferner HO 300 Achelous undas sanguine infecit suo; Avien. orb. terr. 66 tremulas late rubor inficit undas. 19 Nachträglich sehe ich LUCARINI (2008) 223: „propongo unda cruore inficitur, spumis“. Ihm voraus geht STELLA 34: „Fortasse hinc unda cruore│inficitur.“

  Buch I 1,114 112

nam mox tempus adest ueniae, quo uota recurrunt ad meliora semel, sed non reditura secundo ad scelus, abiectum lacrimis prece corde reatum.

„bientôt, c’est l’heure du pardon, lorsque la volonté revient, et pour toujours, à de meilleurs desseins, déterminée à ne pas retomber de nouveau dans le crime, dans le péché que les larmes et la prière ont chassé du cœur“ (CAMUS).

Das Trikolon lacrimis prece corde läßt sich kaum in der hier von der Übersetzerin vorgeschlagenen Weise so aufteilen, daß corde als Abl. separ. von den modalen Ablativi lacrimis und prece (CAMUS scheint sie eher instrumental zu fassen) abgetrennt wird 20. „Guilt cast aside with tears and a prayerful heart“ hatte IRWIN vorgeschlagen 21. HUDSON–WILLIAMS (1947) 96 hielt corde für „inappropriate“ und wollte statt dessen sorde schreiben („‘squalor’, i.e. of the body, garments, etc., as a token of abasement“). Aber der Versschluß corde reatum wird durch laud. 2,709f. gestützt: (...) ut, si peccantes agnoscant corde reatus│ et damnent m e l i o r e a n i m o d e l i c t a p r i o r a,│sint quibus ignoscas 22. Gemäß ThLL IV 940,43 wird corde als abl. modi zur Verstärkung hinzugefügt („sententiae apponitur augendae“), kann demnach sehr wohl Bestandteil des modal gefärbten Trikolons sein, das die „unter Tränen mit flehenden Bitten und Inbrunst des Herzens“ vollzogene Abkehr von schuldhaftem Frevel ausmalen soll 23. Auf zwei Verse aufgeteilt erscheinen die drei Begriffe in 3,743f.: suspexisse Deum satis est d e c o r d e trementer│ et l a c r i m i s p r e c i b u s que piis ueneranter adire („Il suffit de lever les yeux vers Dieu, le cœur tremblant, et de s’adresser à lui avec

 20 Als Grundlage für „chassé du cœur“ würde man abiectum ... ex corde erwarten, vgl. Quodv. haer. 3,9 abiciatur ex corde tuo, rogo, impura prauitas (tatsächlich wollte AREVALO in laud. 1,114 abjiciant lacrymis, et corde reatum lesen). Aber die „Schuld“ beschränkt sich nicht auf die Gesinnung (cor), vgl. z.B. laud. 1,49–51; 2,405ff. 428ff.; 3,567f. quando fatebor enim s c e l e r u m simul omne, r e a t u m │ p e c t o r i s e t c a r n i s? 21 Hier seine Wiedergabe im Zusammenhang: „for soon a season of mercy is at hand when his prayers are once directed to better ends, but not to ways which will return a second time to crime, guilt cast aside with tears and a prayerful heart.“ 22 „(...) that they may be ones whom Thou wouldst forgive if, on sinning, they should acknowledge at heart their guilt and, with a better disposition, forswear their former delinquencies“ (BRESNAHAN). 23 Im 8. Jh. bietet Lib. sacr. Engol. 2304 (lin. 7 [CCL 159C]) die folgende Kombination von corde und prece: ideoque e x t o t o c o r d e h u m i l i p r e c e deposco, ut ... praeterita quae commisi crimina indulgere et futura non sinas admittere.

Der dritte Schöpfungstag  

vénération dans les larmes et les saintes prières“ [MOUSSY]) 24. Zu lacrimis als abl. modi siehe ThLL VII 2,843,7ff., dort u.a. Verg. Aen. 4,649 paulum l a c r i m i s e t m e n t e morata („in tears and thought“: PEASE ad loc., coll. Val. Fl. 2,169 lacrimisque iterum uisuque morantur).

. Der dritte Schöpfungstag .. Die Erschaffung des Meeres und der Erde 1,154 152 eruitur t e l l u s uasto demersa profundo et solidante globo grauior per inane pependit axe rotante polum; sunt pro radicibus undae. „The earth, sunk in the sea’s deep waste, is disgorged, and denser because it is solidifying into a globe, it hangs suspended in empty space while its axis twirls the heaven. The waves serve as its bases“ (IRWIN). „La terre est dégagée du vaste abîme où elle était ensevelie, forme un globe solide, et demeure, en dépit de son poids, suspendue dans l’espace, tandis que, sur leur axe, tournent les cieux: elle a pour racines les eaux“ (CAMUS).

Die Verschreibung solum (154) anstelle des von REINWALD restituierten polum ist durch das Einwirken von solidante (153) entstanden. Seit VOLLMER2 (1914) haben alle Herausgeber – ausgenommen CORSARO – die Korrektur in den Text gesetzt 25. Erinnert sei an den Beginn des zweiten Buches, wo Gott als Schöpfer, Nährer und Lenker all dessen gepriesen wird, 2,3

quae mundus habet, quae celsa p o l o r u m, quae c a e l i secreta tegunt produntque parumper, 5 sidereus quod ab axe g l o b u s super astra rotatur, p e n d u l a quod tremula uibrant face sidera flammas et stellae sub luce latent, sub nocte refulgent.

 24 „Lacrimis precibusque wirkt wie ein Hendiadyoin“ (M. BECK). Dementsprechend M. DEUFERT: „Vielleicht darf man prece corde ganz eng, fast wie ein Hendiadyoin im Sinn von corde precante zusammennehmen?“ 25 „Auch Eugenius scheint etwas wie solum gelesen zu haben, wenn er aus axe por t a n t e s o l um (B) den Versauftakt susten t a n t s o l idam (sc. terram) gewonnen hat“ (Th. RIESENWEBER).

  Buch I „that the world, that the heights of the heavens, contain, all that the secret realms of the sky conceal and then show forth a while: the marvel that the starry vault beyond the constellations is rotated upon an axis; the wonder that the dangling star groups project their rays with flickering flare and that by daylight the stars lie hid, by night shine forth again“ (BRESNAHAN).

Zur Konstruktion vergleiche man Hibern. exul. carm. 9,1,1f. discite nunc, pueri! docilis cito uertitur aetas; │ tempora praetereunt axe rotante d i e m („Lernet jetzt, ihr Knaben! Schnell wendet sich das gelehrige Lebensalter; die Zeit eilt vorüber, während die Himmelsachse den Tag dreht“); ferner Ov. met. 2,74f. poterisne rotatis│ obuius ire polis, ne te citus auferat axis? („wirst du dich in Gegenrichtung zur Drehung des Himmelsgewölbes bewegen können, ohne daß dich die schnelle Achse [des Himmels, die die Drehung verursacht] davonreißt?“); Aug. soliloq. 1,4 p. 8,1 (CSEL 89) , cuius legibus rotantur poli, cursus suos sidera peragunt („nach dessen Gesetzen die Himmelspole sich drehen, die Sterne ihre Bahnen vollführen“); Aldh. enigm. 4,3f. quis nesciat dicione mea [sc. naturae] conuexa rotari│alta poli solisque iubar lunaeque meatus? („Wer wüßte nicht, daß nach meiner Anordnung das hohe Gewölbe des Himmels sich dreht, das Gestirn der Sonne und die Bahn des Mondes?“).

.. Der Garten des Paradieses 1,205f. Den Abschluß des dritten Schöpfungstages bildet eine Beschreibung des Paradieses. Sie setzt mit einem ekphrastischen est ein: 180 E s t l o c u s interea diffundens quattuor amnes floribus ambrosiis gemmato caespite pictus, plenus odoriferis numquam marcentibus herbis, hortus in orbe Dei cunctis felicior h o r t i s. „Meantime, there is a place diffusing four rivers, colored with flowers ambrosial and gemstudded sod, filled with fragrant and ne’er fading grasses, a garden in God’s world more fruitful than all other gardens“ (IRWIN).

Sie endet mit der folgenden Coda, deren hier in VOLLMERs Fassung wiedergegebener Schlußvers sehr umstritten ist: 201 non apibus labor est ceris formare cicutas: nectaris aetherei sudant ex arbore mella, et pendent foliis iam pocula blanda futura,

Der dritte Schöpfungstag  

pendet et optatae uiuax medicina salutis, 205 dependent sollers pictura figuras. „Bees do not toil to make cells from wax, but honey drops of aetherial nectar seep from the tree and hang on the branches, soon to become alluring cups, and the life-giving elixir of longed-for health also hangs thereon, and there too hang down fruits to which the skillful painting imparts lovely forms“ (IRWIN).

CORSARO und CAMUS drucken stattdessen BÜCHELERs Version dependent sollers pictura figurat.

Die Verwirrung rührt daher, daß Abschluß des dritten und Auftakt des vierten Schöpfungstages in der Überlieferung wie folgt gegeben waren 26: B:

205 Littora dependent sollers pictura figuras 206 Iam quanta dies praemiserat undis.

Eug.: G Eug.:

205 Cetera depingit uariis pictura figuris 206 Auroram (Eug.P: -a G Eug.F) iam quarta (GV2R2 Eug.F) dies praemiserat undis.

Daraus hat SIRMOND (dem sich RIVINUS anschließt) bei seiner Restitution des Eugeniustextes folgendes gemacht: 205 Caetera depingit uariis n a t u r a figuris, 206 Aurorae cum quarta dies emerserat undis 27.

Diese Ersetzung von pictura durch natura wird weder Eugenius noch Dracontius gerecht, dessen Text Eugenius in der ganzen Paradiesschilderung – von wenigen Ausnahmen abgesehen 28 – sorgfältig bewahrt hat. Denn der Garten wird anfangs ausdrücklich als hortus in orbe Dei cunctis felicior hortis (183) bezeichnet. Bei einer solchen Hervorhebung der Urheberschaft Gottes, die auch in nectaris aetherii

 26 Zum Nachleben des Dracontius, zur Rezension seines ‘Hexaëmeron’ durch Eugenius von Toledo (Eug.), zur handschriftlichen Überlieferung und zu den Ausgaben vor und nach AREVALO (1791) siehe MOUSSY (1985) 99–136; vgl. auch STELLA (‘Variazioni stemmatiche’) 1996 und unten S. 176ff. 27 So AREVALO: „Rivinus in veteribus editionibus conjungebat et legebat ita hos versus: Caetera depingit variis natura figuris, Aurorae cum quarta dies emerserat undis, ut in vers. 202 [= 205] absolvatur tertia dies, et a vers. 203 [= 206] incipiat quarta. Depingere pro o r n a r e, v a r i a r e, ut supra v. 179 [= 181] dictum.“ 28 Es handelt sich um geringfügige Abweichungen in 186. 189. 192. 194. 200, die größtenteils aus mechanischen Versehen der Abschreiber resultieren.

  Buch I (202) und dann besonders in dem allegorisch auf Christus zu deutenden Vers 204 (s.u.) anklingt, sollte im resümierenden Schlußvers 205 nicht die n a t u r a creatrix in den Vordergrund gerückt werden 29. Dies verbietet sich auch deshalb, weil im unmittelbar anschließenden Abschnitt dreimal die subjektlosen Verba iubet (208. 211) und iussit (217) wie selbstverständlich auf den Schöpfer g o t t verweisen sollen (s. anschließend den Kommentar zu 1,207. 211. 213–215). Den Textbefund in B hat schon VOLLMER plausibel erklärt: Der Versauftakt Aurora wurde irrtümlich von 206 nach 205 vorgezogen und dort zu Littora verschrieben. BÜCHELERs Ergänzung zeigt, daß er der Auffassung war, durch diesen mechanischen Überlieferungsfehler sei zugleich der ursprüngliche Beginn des Verses 205 verdrängt worden. Eugenius scheint aus dem unverständlichen Versbeginn Lit(t)ora, den er in seiner Vorlage las, nach eigenem Gutdünken Cetera gemacht zu haben. In d e p i n g i t aber dürfte er das ursprüngliche Verb bewahrt haben, das in B unter Einfluß der beiden unmittelbar voraufgehenden Versanfänge et pendent (203) – pendet et (204) 30 zu de-pendent verändert wurde, obwohl Dracontius dependēre nirgends verwendet, wohl aber dependĕre („aufwenden“, „spenden“, „zahlen“). Den Ausdruck depingit 31 ... figuris könnte Dracontius als Floskel (losgelöst von ihrem speziellen Inhalt) aus Manilius übernommen haben, der denen, die unter dem Sternbild der Erigone (der Corona Ariadnes) geboren sind, eine besondere Befähigung zuschreibt, farbenfrohe Blumengärten anzulegen mit grünen Grashügeln, auf denen blaue Oliven wachsen: Ein Repräsentant dieser (Menschen-)Gruppe werde Veilchen, Hyazinthen, Lilien, Mohn und blutrote Rosen pflanzen und Wiesen mit allerlei (Schnitt-)Figuren schmücken, deren verschiedene Farben mit Hilfe naturgewachsener Blüten dargestellt werden, oder er werde unterschiedliche Blumen ineinanderflechten und als Girlanden arrangieren, etc.: Manil. 5,256 ille colet nitidis gemmantem floribus h o r t u m 260 caeruleumque oleis uiridemue in gramine collem 32. 257 pallentes uiolas et purpureos hyacinthos  29 Dies gilt unabhängig von dem Umstand, daß die Natur als (mit)wirkende Kraft seit 1,9 und 1,27 in das Schöpfungsgedicht eingeführt ist. Vgl. auch 1,83ff. 332. 416; 2,37. 76. 266; 3,27. 549. 554; ferner 1,681 und Orest. 683. Die sollertia naturae ist seit Cicero (nat. deor. 1,92 nulla ars imitari sollertiam naturae potest; 2,85. 128) in den römischen Sprachschatz aufgenommen. 30 Zuvor war bereits in 188 pendent, in 198 pendula begegnet. 31 Wahrscheinlich ist depinget zu schreiben, s.u. S. 17f. 32 Der Überlieferungsvorgang, der HOUSMANs Versversetzung zugrunde liegt, läßt sich rekonstruieren: Von dem Versschluß gramine collem sprang das Auge des Schreibers zu dem Versschluß sanguine florem (259). Dies verursachte den Ausfall der Verse 257–259; sie wurden am Rand nachgetragen und dann um einen Vers zu früh in den Haupttext integriert.

Der dritte Schöpfungstag  

liliaque et Tyrias imitata papauera luces 259 uernantisque rosae rubicundo sanguine florem 261 conseret et ueris depinget p r a t a figuris 33. aut uarios nectet flores sertisque locabit etc.

Es lag nahe, daß sich Dracontius anläßlich der Schilderung seines Paradiesgartens an die Gartenkultur des Manilius erinnerte. Schon die Verse 1,181ff. (floribus ambrosiis gemmato caespite pictus | ... | h o r t u s, s.o.) dürften an die hier entsprechend markierten Verse Manil. 5,256. 260 34 anklingen. Sein breit entfaltetes Gemälde läuft aus in eine durch Vergil (ecl. 4,29f.) inspirierte Schilderung vom „himmlischen“ Honigtau der Bäume, kombiniert mit Weintrauben (metonymisch als p o c u l a blanda futura bezeichnet), die von den „Blättern“ (den Rebzweigen oder den Zweigen der stützenden Ulmen?) herabhängen 35. Die Weintrauben bilden ihrerseits, wenn wir recht sehen, das Bindeglied zu den als bedeutungsvollen Abschluß gewählten Granatäpfeln, die (bzw. deren Bäume) mehrfach im alttestamentlichen Hohenlied zusammen mit Weinreben aufgerufen werden 36 und in dem paradiesischen hortus conclusus der Braut (cant. 4,12ff.) an erster Stelle vor vielerlei Gewürz- und Duftpflanzen, Spezereien und Weihrauchgewächs aller Art ihren Platz haben (emissiones tuae paradisus malorum punicorum cum pomorum fructibus). Diese mala granata symbolisieren (sei es als einzelner Baum oder als einzelne Frucht) in der durch Origenes beeinflußten allegorischen Hohelied-Exegese des Ambrosius und – mit gesteigerter Intensität – in der des Apponius 37 wegen ihres medizinisch wirksamen, scharlachroten Saf-

 33 HOUSMANs Kommentar zu depinget: „variabit, ut I 445 coelum depingitur astris“. Zu figuris merkt er an: „uelut litterarum: Plin. ep. V 6 35 alibi pratulum, alibi ipsa buxus interuenit in formas mille discripta, litteris interdum, quae modo nomen domini dicunt, modo artificis“. 34 In GOOLDs Übersetzung: „the child of the Crown will cultivate a garden budding with bright flowers and slopes grey with olive or green with grass“. 35 VOLLMER verweist zusätzlich auf 1,174 (uinea) munera laetitiae spondens p e n d e n t i b u s u u i s. 36 Siehe Vulg. cant. 6,10 descendi ad h o r t u m nucum ut uiderem poma conuallis ut inspicerem si floruisset uinea et germinassent mala punica; 8,2 dabo tibi poculum ex uino condito et m u s t u m malorum granatorum meorum; num. 20,5 quare nos ... adduxistis in locum istum pessimum, qui seri non potest, qui nec ficum gignit nec uineas nec mala granata, insuper et aquam non habet ad bibendum; deut. 8,8 terram frumenti hordei uinearum, in qua ficus et mala granata et oliueta nascuntur, terram olei ac mellis; vgl. Ambr. hex. 3,13,56 si floruerit uitis, floruerint mala granata; Isaac. 8,64 ubi floret uitis et malorum granatorum specie diuersus et multiplex f r u c t u s. 37 Siehe dazu das anschließende Kapitel, S. 20ff.

  Buch I tes den Erlöser Christus, der mit seinem Blut den Menschen das ersehnte Heil erwirkt 38. Aus dieser Perspektive kann Dracontius dem vom Baum herabhängenden Granatapfel tiefere Bedeutsamkeit verleihen, wenn er ihn allegorisch als optatae u i u a x m e d i c i n a salutis bezeichnet, als „lebenspendende 39 Medizin für das ersehnte Heil“, die er in dem am Kreuzesbaum des Lebens hängenden Christus verkörpert sieht 40. Dies dürfte der Sinn des dunklen 41, bis heute nicht verstandenen Verses laud. 1,204 sein. Nach dieser allegorischen Klimax, die den Schlußpunkt der Schilderung setzt 42, ist im anschließenden Vers 205 kein zusätzliches Detail des Paradiesgemäldes 43, auch keine durch cetera (Eug.) eingeleitete Abbruchsformel der Schilderung des locus amoenus paradisi zu erwarten. Folglich wird man das übliche Komma am Ende von 204 durch einen Doppelpunkt oder Punkt (zumindest durch einen Strichpunkt) ersetzen. Es scheint ein resümierend-rückblickender Gedanke zu folgen, in dem Dracontius das omne lignum p u l c h r u m u i s u der biblischen Vorlage 44 aufgreift und zusätzlich die pretiöse Formulierung u e r i s depinget prata figuris des Manilius (5,261) nutzt, um dem abschließenden Urteil

 38 Vgl. Beda in cant. 2,4,3 (CCL 119B) zu Vulg. cant. 4,3: malum autem punicum, quia r o s e i c o l o r i s est, p a s s i o n i s d o m i n i c a e m y s t e r i u m sicut et coccineum non inconuenienter insinuat (diese Stelle verdanke ich der Studie MINET-MAHY [2003] 178 Anm. 82). 39 Der Dichter gewinnt hier aus uiuax = „lebenskräftig“, „langlebig“, „zählebig“, „lebhaft (munter)“ die Bedeutung „lebenspendend“. Sie ist wohl schon bei Ovid angelegt, s. met. 1,419ff. f e c u n d a que semina rerum│ u i u a c i nutrita solo ceu matris in aluo│ creuerunt; vgl. AL 158,1f. R2 (= 147,1f. SB) subduxit morti u i u a x pictura Maronem│et, quem Parca tulit, r e d d i t imago uirum. 40 Vgl. Ambr. in psalm. 118 serm. 5,9,1 zu cant. 2,3: Christus ergo adfixus ad lignum, sicut malum p e n d e n s in arbore, bonum odorem mundanae fundebat redemptionis, quia peccati grauis detersit faetorem et unguentum p o t u s u i t a l i s effudit („den Balsam lebenwirkenden ‘Trankes’ ~ ‘Getränkes’ ~ ‘Blutes’ ausströmen ließ“); s.u. Anm. 57; dort S. 21 auch zur Semantik von malum; ferner Appon. 5,47 lugebant et elementa p e n d e n t e m in patibulo condemnatum; sed laetatur qui p e n d i t, quoniam mors p e n d e n t i s omnibus credentibus uitam et gaudia apportauit. 41 Siehe (im Anschluß an AREVALO) den Kommentar von CAMUS S. 275f. 42 Der Abschlußcharakter der Verse 203–204 wird formal durch die chiastische Variation der Verseinsätze et pendent – pendet et unterstützt. 43 Dieses war in 181ff. breit genug ausgeführt worden. Man beachte dort u.a. die Zeichnung des farbigen Blütenteppichs und der immerfrischen Duftkräuter, ferner das Motiv des uer perpetuum mit seinen das ganze Jahr über zugleich gegenwärtigen Früchten, die in der wirklichen Natur auf die verschiedenen Jahreszeiten verteilt sind (dazu Mar. Victor aleth. 1,243f.). 44 Vulg. Gn 2,9 produxitque Dominus Deus de humo o m n e l i g n u m pulchrum uisu et ad uescendum suaue, l i g n u m etiam uitae in medio paradisi l i g n u m que scientiae boni et mali; vgl. 3,21 ne forte mittat (sc. Adam) manum suam et sumat etiam d e l i g n o u i t a e et

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Würze zu verleihen: „all dies von einer Pracht und Schönheit, wie sie kein Gemälde, sei es auch noch so geschickt ausgeführt, in figürlichen Formen wird darstellen können“. Da der Vers 205 verstümmelt überliefert ist, verbieten sich kategorische Aussagen. Ja, man wird fragen müssen, ob – wie M. DEUFERT erwägt – eine Lücke anzusetzen ist, oder ob der hier postulierte Gedanke verknappt (um nicht zu sagen elliptisch) in die folgende Abschlußformel gebracht werden konnte, die mittels eines relativen Satzanschlusses locker an die voraufgehende Schilderung angeknüpft wäre: 205 depinget sollers pictura figuris. „kein noch so geschickt ausgeführtes Gemälde wird dies (d.h. die Vielfalt und Schönheit dieser Paradiespflanzen und -Bäume mit ihren Früchten) in figürlichen Formen darstellen können“ 45.

Eine unten zum Vergleich herangezogene Parallele (laud. 3,248f. si cuncta uelim miracula currere sollers,│non mihi sufficient ...) läßt daran denken, daß an unserer Stelle möglicherweise ein Pendant zu dem einleitenden si-Satz ausgefallen sein könnte. Wir belassen es bei einem non liquet. Sollte die oben gegebene elliptische Formulierung zu halten sein 46, müßte man das Relativpronomen quae primär wohl auf die soeben genannten Pluralbegriffe mella (202), pocula ... futura (203) und die hinter dem Abstractum medicina verborgenen mala granata (204) beziehen 47. Das Relativum dürfte aber zusätzlich alle zuvor geschilderten Blumen, Bäume und Sträucher und deren vielfältigen Früchte mitumgreifen, also die ganze Paradiesschilderung zusammenfassen.

 comedat et u i u a t i n a e t e r n u m, emisit eum Dominus Deus de paradiso uoluptatis. Dracontius ersetzt das biblische lignum ausnahmslos durch arbor bzw. arboreus, s. 186. 188. 196. 202. 45 Die oben zunächst gewählte Übersetzung läßt an einen konsekutiven Konjunktiv denken. Im selbständigen Satz würde man eher einen Potentialis nach dem Muster depingat sollers pictura figuris erwarten. Die Alternativformel mit quae uix fügt sich jedoch weniger gut in die Übersteigerungstopik, siehe anschließend. Zu berücksichtigen ist der häufige Wechsel zwischen Konj. Präsens und Futur im Spätlatein; siehe HOFM.-SZ. 309. 46 Ihr Zuschnitt entspräche wohl der zweiten Parallele, die unten zitiert wird (Ven. Fort. carm. 7,6,13f.). 47 Für die grammatische Konstruktion ist es unerheblich, ob der Singular medicina einen einzelnen Granatapfel, der in Entsprechung zum Ambrosius-Vergleich der Anm. 40 den Heilbringer Christus symbolisiert, vertritt oder (auf der Realebene) im Sinne eines kollektiven Singulars zu deuten ist.

  Buch I Futurisches depinget konnte in der Nachbarschaft der Versanfänge (et) pendent und pendet (et) leichter in dependêt übergehen als die Konjunktivform depingat. Für die Ergänzung eines Gedankens im Sinne von depinget sollers pictura figuris spricht auch die bereits erwähnte Parallele laud. 3,248f. (si ... u e l i m ...,│ non mihi sufficient). Eugenius hat den korrupten Satz nach seinem Verständnis zu glätten versucht, indem er ihm den Auftakt c e t e r a depingit gab und das absolut stehende figuris zu der seit Lukrez beliebten Junktur uariis ... figuris erweiterte. Diesem scheinbaren Gewinn an Eleganz fiel das originär dracontianische Attribut sollers zum Opfer 48. Ob Dracontius von seinem Leser erwartete, zu figuris zusätzlich ein Attribut wie imagineis oder imaginatis hinzuzudenken 49, sei dahingestellt. Es ließe sich leicht aus der Opposition zur Manilius-Formel u e r i s depinget prata figuris („will stipple meadows with designs of natural colour“ [GOOLD]) ergänzen, in der HOUSMAN (ad 5,261) ueris durch ingenuis erläutert, „quippe quae non pigmentis sed natiuis florum coloribus constent“ 50. Aber Formulierungen wie Ennod. carm. 2,101,1f. tot Iouis illecebras, tot crimina u i u a figuris dum bene depingit, uitiosa est dextera fabri

belegen, daß die Junktur depingit figuris auch ohne Rückgriff auf Manilius einfach im Sinne von „figürlich darstellen“ verstanden werden kann (der christliche Bischof urteilt hier, daß in der lebensechten 51 figürlichen Darstellung der Verlockungen und sündhaften Frevel Jupiters die Hand des Künstlers sündig werde). Daß Dracontius die Beschreibung des Paradiesgartens mit einem kunstästhetischen Vergleich abschließt, muß nicht verwundern: Er wird im dritten Buch ähnlich verfahren und den Abschnitt über die Exempla großer Heilstaten des Alten und Neuen Testaments durch eine Variation des bei den Dichtern beliebten Unsagbarkeitstopos von der nachfolgenden Exempla-Reihe absetzen, die aus der griechisch-römischen Mythologie und Geschichte gewonnen ist (s.u. zu 3,254).

 48 Zum Ausdruck sollers pictura vgl. die pingendi fingendique sollertia bei Chalcidius (in Plat. Tim. 2,266 [Plato latinus IV 271,2ff.]). 49 Vgl. Ven. Fort. carm. 1,13,17 sumpsit i m a g i n e a s paries simulando f i g u r a s. Augustinus bietet in c. Iulian. 5 (PL 44, 785 lin. 22) die Antithese non a p i c t o r e i n a n i u m f i g u r a r u m, sed a scriptore diuinarum ... litterarum. 50 Mit Verweis auf Colum. 10,176f. quos mille parit diues natura colores│disponat plantis holitor, quos semine seuit („die tausenderlei Farben, die die unerschöpfliche Natur hervorbringt, verteilt der Gärtner durch die Pflanzen, die er mit Samen ausgesät hat“ [W. RICHTER]). 51 Das Attribut uiua steht hier in Enallage, gehört gedanklich zu figuris.

Der dritte Schöpfungstag  

Dort begegnet ebenfalls das Lieblingswort sollers des Dracontius, das er zwanzigmal verwendet hat: laud. 3,248 Quid? s i cuncta u e l i m miracula currere s o l l e r s , n o n m i h i s u f f i c i e n t mortalis tempora uitae, 250 multa licet maneant sub quouis limite longo. „Mais quoi? Si je voulais raconter avec soin tous les miracles, toutes les heures de ma vie d’ici-bas ne sauraient me suffire, même si elles devaient encore s’écouler nombreuses avant qu’un terme lointain n’y mette fin“ (MOUSSY).

Auch Venantius Fortunatus nutzt bei der Beschreibung einer hochgestellten schönen Frau namens Palatina ohne weiteres eine Abwandlung des Unsagbarkeitstopos als gliedernden Einschnitt: carm. 7,6,13 pingere n o n p o s s u n t pretiosam uerba figuram n e c u a l e t eloquium mira referre meum. „Nicht vermögen Worte die Kostbarkeit ihrer schönen Gestalt auszumalen, noch ist meine Formulierungskunst imstande, das Wundersame an ihr wiederzugeben.“

Dracontius wählt in laud. 1,205 stattdessen den weit verbreiteten Topos von der Lebensechtheit der bildenden Kunst, insbesondere der Malerei. Mag sie in ihren Bildern oftmals die Wirklichkeit erreichen 52, zuweilen sogar übertreffen 53: angesichts der Pracht des Paradieses stößt sie an ihre Grenzen.

 52 Vgl. AL 150 oder AL 274,4f. R2 (= SB 268,4f.), wo von einem Gemälde, das Kleopatras Tod durch die Schlangen darstellt, gesagt wird: O quam u i u i t o p u s, quam paene figura dolorem│sentit et ex ipso moritur pictura ueneno! („Oh wie lebt das ganze Kunstwerk, wie wenig fehlt, daß die gemalte Gestalt wirklichen Schmerz verspürt und die im Gemälde Dargestellte durch den hier gemalten Giftbiß stirbt!“). Die Literatur zur Thematik ist uferlos. Stellvertretend sei genannt F. MANAKIDOU, Beschreibung von Kunstwerken in der hellenistischen Dichtung, Stuttgart 1993 (BzA 36), s. dort das Register s.v. ‘Realismus’, ‘Lebendigkeit’, ‘Bewunderung’ (mit weiterer Literatur in den Anmerkungen). Erinnert sei ferner an O. ZWIERLEIN, Kunsturteile des älteren Plinius: Laokoon und Euphranors dignitates heroum, in: D. GALL – A. WOLKENHAUER (Hrsgg.), Laokoon in Literatur und Kunst, Berlin 2008, 67–99, dort bes. an den Anhang: Euphranors Ethopoiie und die Kunstbeschreibungen des Sophisten Kallistratos. 53 Vgl. Ven. Fort. carm. 6,7,3ff. quod petit instigans auido gula nostra barathro, excipiunt oculos aurea poma meos. undique concurrunt uariato mala colore, credas ut pictas me meruisse d a p e s.

  Buch I .. Schöpft Dracontius aus dem Hohelied-Kommentar des Apponius? Wir haben oben in dem Vers laud. 1,204 p e n d e t et optatae uiuax medicina salutis eine Umschreibung des vom Baum herabhängenden Granatapfels gesehen, der im Sinne eines markanten Abschlusses der gesamten Paradiesschilderung bedeutungsvoll als „lebenspendende Medizin für das erstrebte Heil“ bezeichnet wird. Als solche versinnbildlicht er in allegorischer Ausdeutung den am Kreuzesbaum hängenden Christus als Heilbringer für die Menschen. Diese Interpretation läßt sich mit großer Wahrscheinlichkeit auf die durch Origenes beeinflußte allegorische Hohelied-Exegese zurückführen. Da der Hohelied-Kommentar des Origenes schon im 4. Jh. nur fragmentarisch bekannt war (die Übersetzung des Rufinus (410) endet mit cant. 2,15b, die von Hieronymus um 382/383 übertragenen beiden Homilien zum Hohenlied mit cant. 2,13) 54, müssen wir uns zunächst auf die Exegese des Ambrosius stützen 55. Er deutet den Dialog zwischen Bräutigam und Braut in cant. 1,14f. und 2,3 wie folgt aus (Ambr. in psalm. 118 serm. 5,9,1): accepit hunc odorem d o m i n u s I e s u s fragrantis E c c l e s i a e suae et ait: ‘ecce proxima mea bona.’ et E c c l e s i a dicit ad C h r i s t u m: ‘ecce bonus fraternus meus. ecce es bonus 56 tamquam malum in lignis siluae.’ huiusmodi pomum odoram gratiam habet, ut ceterorum pomorum fragrantiam uincat. Christus ergo adfixus ad lignum, sicut malum pendens in arbore, bonum odorem mundanae fundebat redemptionis, quia peccati grauis detersit faetorem et unguentum potus u i t a l i s effudit 57. „Der Herr Jesus nahm wahr den Geruch seiner duftenden Ecclesia und sagte: “Sieh’ da, schön ist meine blutsverwandte Schwester!“ Und die Ecclesia sagt zu Christus: „Sieh’ da, schön ist mein brüderlicher Freund! Ja, schön bist du wie der Granatapfelbaum unter den Bäumen des Waldes.“ Ein solcher Obstbaum bietet angenehmen Wohlgeruch, der den Duft der anderen Obstbäume übertrifft. Wir können also sagen: Der ans Kreuz geheftete Christus

 „Was mein anstachelnder Schlund für den gierigen Bauch zu gewinnen suchte, waren goldene Äpfel, die meine Augen auf sich zogen. Von allen Seiten kam Obst mit verschiedener Färbung zusammen; man hätte glauben können, es wäre mir eine Kost wie gemalt zuteil geworden.“ 54 Siehe MINET-MAHY (2003) 162 und VREGILLE – NEYRAND SC 420 S. 71f. 115. MINET-MAHY beurteilt die allegorische Ausdeutung des Granatapfels durch Origenes als noch rudimentär (S. 179). 55 Zu Hohelied-Kommentierungen des Ambrosius s. VREGILLE – NEYRAND SC 420 S. 76 Anm. 1. 56 In diesem Zusammenschnitt der Bibelverse scheint sich die Hand des Origenes zu offenbaren, siehe Rufin. Orig. in cant. 3 p. 174,23 ‘ecce es bonus, fraternus meus, et quidem ecce es speciosus, cubile nostrum umbrosum’. 57 Zum Schlußkolon vgl. serm. 5,16,1 istae mansiones sunt crucis Christi et sepulturae, in quibus uulnerata est ecclesia, sed uulnere caritatis; u u l n u s enim est quod Christus excepit, sed u n g u e n t u m est quod e f f u d i t, p o m u m est quod p e p e n d i t (und o. Anm. 40).

Der dritte Schöpfungstag  

hat wie der am Baum hängende Granatapfel den guten Duft der Erlösung der Welt ausströmen lassen, weil er den Gestank der schweren Versündigung abwusch und den Balsam seines lebendigmachenden ‘Trankes’ (= seines Blutes) ausgoß.“

Es scheint nicht klar, ob Ambrosius in tamquam malum (cant. 2,3) einen Apfelbaum 58 oder speziell einen Granatapfelbaum sieht. Aber der Zusatz, es übertreffe der Duft dieser Baumart (h u i u s m o d i pomum) den Wohlgeruch aller übrigen Obstsorten (ceterorum pomorum fragrantiam), kann sich kaum auf den gemeinen Apfel beziehen 59. Gleichwohl deutet diese Unklarheit und die Betonung des Geruchs in dem ausgeschriebenen Textsegment, der im Dracontius-Vers keine Rolle spielt, darauf hin, daß der Ambrosiuspassus allein keine zureichende Quelle für die Konzeption des Verses laud. 1,204 abgibt. Das Blut als lebendigmachenden Trank (potus uitalis) wird man gerne mit der uiuax medicina des Dracontius in Verbindung bringen; aber mundanae redemptionis liegt doch ein Stück ab von der Formel medicina salutis. Zwar findet sich diese Formel 60 sechsmal bei Ambrosius, aber jeweils an Stellen, deren Inhalt keinen Anlaß bot, daß sich Dracontius ihrer erinnerte, als er die Floskel an den Schluß seiner Paradiesschilderung setzte 61. Das verhält sich anders bei den beiden Belegen für medicina salutis im Hohelied-Kommentar des Apponius. Diese erscheinen dort (in der zweiten Hälfte des 7. Buchs) im Zusammenhang einer ausführlichen Exegese des biblischen h o r t u s conclusus (cant. 4,12–15), der Allegorie eines verschlossenen Gartens mit Granatapfelbäumen, die voll von Früchten hängen, und vielen weiteren erlesenen Pflanzen und Duftkräutern. Der ganze Passus wird zunächst in Appon. 7,37 zitiert (ich wähle die Kleinschreibung): Vulg. cant. 4,12–15 hortus conclusus, soror mea sponsa, hortus conclusus. fons signatus. emissiones tuae paradisus m a l o r u m p u n i c o r u m cum pomorum fructibus. cypri  58 So die übliche Auffassung, s. ThLL VIII 210,52 malum Itala, μῆλον Septuaginta, malus Vulg. 59 Zur Semantik siehe MINET-MAHY (2003) 178 Anm. 81: „Le terme latin pomum semble au départ avoir une signification générique pour désigner le fruit, puis plus particulièrement les fruits à pépins: la pomme, la poire, la grenade, la figue.“ 60 Eine Vorstufe bildet Ov. trist. 2,269 eripit interdum, modo dat medicina salutem. 61 Ambr. hex. 6,4,19 (die Schildkröte bekämpft die Wirkung des Schlangengifts mit Oregano, den sie als lebensrettendes Heilmittel einsetzt) testudo ... origano medicinam suae salutis exercet; Ambr. psalm. 1,7,1 in libro Psalmorum profectus est omnium et medicina quaedam salutis humanae; 37,58,2 credamus ergo et nos, ut de uulneribus nobis adquiramus medicinam salutis et futuram gloriam; in psalm. 118 serm. 2,3,2 salutis medicina uulneri quaeritur, gratia sanitati; in Luc. 4,62 lin. 763 (CCL 14) aduersus ipsum auctorem peccati prius debuit medicina salutis operari; 6,54 lin. 545 dominus synagogam non penitus dereliquit, medicinam salutis credentibus reseruauit?

  Buch I cum nardo, nardus et crocus, fistula et cinnamomum cum uniuersis lignis Libani, murra et aloe cum omnibus primis unguentis. fons hortorum, puteus aquarum uiuentium quae fluunt impetu de Libano. „Verschlossener Garten, meine Schwester, meine Braut, verschlossener Garten, versiegelter Quell. Deine Gaben 62 ein Paradiesgarten von Granatapfelbäumen 63, vollbehangen mit Früchten, Zyperblumen mit Narde, Narde und Safran, Gewürzrohr und Zimt mit allerlei Weihrauchgewächs vom Libanon, Myrrhe und Aloe mit allerlei erlesensten Salben. Quell des Gartens, Brunnen lebendigen Wassers, das in starker Strömung vom Libanon herabfließt.“

Wenig später bedenkt Apponius im Rahmen der einleitenden Gesamtdeutung die soror mea sponsa (er sieht hier in ihr das vom Libanon herabgerufene, in seinen einzelnen Gliedern jeweils vollkommen tugendhaft lebende Volk: perfectam uirtutibus in singulis membris plebem uocatam de Libano [7,37]) mit folgendem Lob: Appon. 7,38 (lin. 522) In qua (sc. plebe) utique in tantum apostolicus profecit labor ut magnae d e l e c t a t i o n i s h o r t u s et deambulatorium regis caelorum effecta sit, in quo nulla desit deliciarum amoenitas, in quo nulla desit uitae substantia, in quo nulla desit medicina salutis. „Bei diesem Volk hat die Arbeit der Apostel offenkundig zu einem solchen Erfolg geführt, daß es zu einem Garten großen Ergötzens und einem Wandelhain des Königs der Himmel geworden ist, in dem kein Reiz anmutiger Schönheit fehlt, keine Grundlage für den Erhalt des Lebens, keine Medizin für das rettende Heil.“

An einen solchen Text, in dem sowohl der biblische hortus conclusus in seinem ersten Erscheinungsbild als paradisus m a l o r u m p u n i c o r u m cum pomorum fructibus umschrieben wird als auch die nachfolgende allegorische Exegese das Bild des magnae delectationis hortus evoziert, konnte Dracontius am Ende seiner Schilderung des hortus in orbe D e i cunctis felicior hortis (laud. 1,183) sehr wohl denken und von dort die Floskel medicina salutis in seinen

 62 Mit emissiones (die Septuaginta hat ἀποστολαί) werden in e i n e m Begriff alle „Produkte“ des Gartens zusammengefaßt, alles, was er zum Essen und Trinken bietet (s. cant. 5,1), und alle Wohlgerüche, die seine Pflanzen, Spezereien und Salböle aussenden (vgl. 4,16; 5,1). Ambrosius gibt in Isaac 5,48 emissiones durch munera missa wieder und denkt dabei an die Mitgift der „Braut“, die Wohlgerüche der frommen Seele: laudant etiam m u n e r a a n i m a e, quae m i s s a sunt sponso, quibus dotata ueniebat. dos autem piae animae boni o d o r e s sunt, murra aloe crocum, quibus spirat hortorum gratia et peccatorum faetor aboletur. 63 Zur Konstruktion vgl. Vulg. Ier. 61,12 eritque a n i m a e o r u m quasi hortus inriguus et ultra non esurient; Is. 58,11 et eris quasi hortus inriguus et sicut fons aquarum cuius non deficient aquae.

Der dritte Schöpfungstag  

Schlußvers p e n d e t et optatae uiuax medicina salutis (1,204) übernehmen. Dort konnte er auch eine weitere Anregung für sein Attribut uiuax gewinnen (neben den oben genannten möglichen Vorbildern potus uitalis 64 und puteus aquarum uiuentium [cant. 4,15]); denn Apponius nutzt in der Ausdeutung der lange anhaltenden Lebenskraft der Zimtstaude das Stichwort uiuacitas, worin er uiuacitatem sapientiae uel scientiae symbolisiert sieht 65. In erster Linie aber dürfte sich in der uiuax medicina salutis des Dracontius die Gleichsetzung Christi als arbor uitae mit dem Granatapfelbaum spiegeln, die in der Hohelied-Exegese des Apponius tief verankert ist: Der apostolicus labor von 7,38 (s.o) erscheint im Abschnitt über die Myrrhe (7,43) als strenge Unterweisung (disciplina) des Apostels Paulus, die als caelestis medicina salutis 66 vom Baum des Lebens, Christus, hervorgeht (de arbore uitae Christo procedens) – so wie die Myrrhe aus dem Baum herausfließt und viele Krankheiten heilt (sicut murra de arbore manare probatur et multas i n f i r m i t a t e s m e d e r i). Dementsprechend kann Apponius 67 auch in dem bei Ambrosius uneindeutig erläuterten Vers cant. 2,3 den Bräutigam Christus durch die (sponsa) Ecclesia als Granatapfelbaum bezeichnen lassen, weil Christus der Baum des Lebens sei 68, als

 64 Siehe S. 21. 65 Appon. 7,42 cinnamomum autem, secundum quod uicino cespite fistulae gignitur et diutissime suam uiuacitatem seruare probatur, spiritalis sensus uiuacitatem sapientiae uel scientiae, abstinentiae uicinitate gigni demonstrat („Quant à la canelle, parce qu’elle pousse dans le voisinage du roseau et qu’elle est connue pour garder très longtemps sa vigueur, elle nous montre que la vigueur de la sagesse et de la science de l’intelligence spirituelle grandit dans le voisinage de l’abstinence“ [VREGILLE – NEYRAND]). 66 Zu dieser Formel vgl. Chromat. in Matth. 45,2 lin. 47 (CCL 9A) scribae et pharisaei increduli nec praesenti tempore ... medicinae caelestis largitorem honorare uel cognoscere uoluerunt, ob quod nec curam salutis accipere meruerunt. Es folgt s a n i t a t e m c a e l e s t e m consequi und gleich anschließend medelam caelestis gratiae. Vgl. 45,3 lin. 60 increpat populum qui medicinae caelestis auctorem contemnens, uulneratus peccatis, s a n i t a t e m salutis accipere noluit. 67 Er nennt in 7,40 den mit Früchten behangenen Granatapfelbaum expressis verbis eine Allegorie für Christus: nisi quis ... induerit C h r i s t u m, qui mali granati arbor cum pomorum fructibus f i g u r a t u r, ornamentum p a r a d i s i esse non poterit. Jeder, der aus dem Schoß der Kirche geboren sei und sich somit im Paradiesgarten befinde, müsse notwendig ein Granatapfelbaum, das heiße ein Abbild Christi werden (necesse est ut arbor mali punici, id est similis Christo, fiat, eius in se reparando imaginem). 68 Appon. 3,32 ita et pro loco arborem e u m malum granatum Ecclesia appellauit, pro eo quod ‘arbor uitae’ est, in diuerso sapore diuersis se personis praebendo („De la même façon aussi, l’Église, dans ce passage, lui a donné un nom d’arbre, le grenadier, parce qu’il est l’arbre de vie lorsqu’il se donne aux différentes personnes sous une saveur différente“ [VREGILLE – NEYRAND; dort S. 3341 Hinweise zu der Ersetzung des seit Gn 2,9 und 3,22. 24 üblicheren l i g n u m uitae

  Buch I Granatapfelbaum, der eine Frucht lieblichen Anblicks und allersüßesten Geschmacks besitzt, durch die der ermattete Geist der Erschöpften erquickt wird, und der Heilmittel für den Körper gegen vielerlei Leiden in sich enthält und hervorsprießen läßt 69. Die Gleichsetzung malum = malum granatum in cant. 2,3 bietet auch Gregor von Elviras kaum später als 392 entstandene ‘explanatio in canticum canticorum’ (sie umfaßt cant. 1,1–3,4). Es fehlt dort aber die allegorische Ausdeutung auf Christus 70. Folglich kommt Gregor als Quelle für Dracontius nicht in Betracht. Somit ergibt sich das Fazit: Die auf Christus, den Erlöser der Welt, zu deutende Granatapfelallegorie des Verses laud. 1,204 setzt mit hoher Wahrscheinlichkeit Kenntnis des Hohelied-Kommentars des Apponius voraus. Damit dürfte ein weiteres Argument gegen die von manchen vertretene Datierung dieses Kommentars ins 6. Jh. gewonnen sein. Er sollte spätestens um 480 vorgelegen haben 71.

 durch a r b o r uitae bei Apponius]); vgl. 3,43 uelut poma d e a r b o r e u i t a e C h r i s t o; quem superius (cant. 2,3) Ecclesia arborem malum punicum dixit; 8,74 huic utique pomo castimoniae adsimilatur quod C h r i s t u s, qui arbori malo granato comparatur, nascendo per castam uirginem, gignit („Il se trouve en effet assimilé au fruit de chasteté que le Christ, qui est comparé au grenadier, engendre en naissant d’une vierge chaste“ [VREGILLE – NEYRAND]); 12,6 Qui (sc. princeps mundi) semel in tyrannidem uersus, C h r i s t o se per superbiam aequare praesumpsit, qui arbori mali punici, id est granati, ab Ecclesia comparatur. 69 Appon. 3,35 Arbori autem malo granato D e i F i l i u m comparauit Ecclesia, quae fructum gratum aspectui et dulcissimi saporis habet, de quo lassae languidorum animae recreantur, et medicinam corporis ad multas passiones in se continere et germinare monstratur. Dieser Gedanke wird später variiert (6,11f.): nam quod dixit: ‘Sicut fragmen mali punici’ [cant. 4,3], id est granati, C h r i s t i D o m i n i n o s t r i operibus ostendit imitatricem esse uirginitatem. de quo retro dixit Ecclesia: ‘Quasi malum punicum inter siluas, sic dilectus meus inter filios’ [cant. 2,3]. quae arbor profert ex se pomum et uisione pulcherrimum et sapore dulcissimum, et satis commodam languentibus medicinam; qui p r o h o m i n u m s a l u t e per Virginem mundo ostensus est et integritatis et castimoniae flores toto orbe respersit. 70 Greg. Ilib. cant. 3,21 et addidit: ‘tamquam malum inter ligna siluae.’ malum granatum quamuis in magna silua sit positum, inclusam tamen intra se multitudinem granorum suorum ab omni ramorum conlisione defendit ac uindicat. siluam autem hanc homines dicit infideles qui nullum diuinae religionis cultum habere uidentur. Siehe hierzu VREGILLE – NEYRAND in SC 420 p. 330 Anm. 1 (zu Appon. 3,31). 71 Zur Datierung des Apponius s. VREGILLE – NEYRAND in SC 420 p. 111–113 (nicht später als 420– 430), LACL (32002) 54 (nach 500), DNP I 891 (nach 451) und MINET-MAHY (2003) 162.

Der vierte Schöpfungstag  

. Der vierte Schöpfungstag Die Erschaffung der Sonne, des Mondes und der Sterne 1,207. 213–215 Der Passus über den vierten Schöpfungstag birgt die Schwierigkeit in sich, daß dreimal iubet (208. 211) oder iussit (217) ohne Subjekt erscheint, wo der Leser von sich aus Deus, den Schöpfergott, zu ergänzen hat (und nicht etwa quarta dies) 72. Dies ist spätestens bei der Verbfolge i u s s i t – distribuit – contulit – egit – fixit – induit – rotauit – aptauit – addit (217–220) unausweichlich 73 und wird in 227–231 durch die Stichworte uirtute dei – dominum ... tonantem – cuius ab i m p e r i o – i u s s u s agit (sc. Sol) – miles ... dei breit entfaltet. Der Dichter hat an den Beginn seines ‘Hexaëmeron’ mit solchem Nachdruck den auctor dominusque deus gesetzt (1,116), daß dieser auch ungenannt jeweils als Schöpfer und Weisungsgeber 74 gegenwärtig ist. Da zudem jedem der sechs Tage der biblische Schöpfungsbericht zugrunde liegt, darf Dracontius seinem Leser zumuten, daß er hinter 1,208ff. den Akteur aus Vulg. Gn 1,14–18 erkennt: dixit autem D e u s: ‘fiant l u m i n a r i a in firmamento caeli, ut diuidant d i e m a c n o c t e m et sint in signa et tempora et dies et annos, ut luceant in firmamento caeli et inluminent terram; et factum est ita f e c i t que D e u s d u o magna l u m i n a r i a, luminare maius ut praeesset d i e i, et luminare minus ut praeesset n o c t i, et stellas. et posuit eas in firmamento caeli, ut lucerent super terram et praeessent d i e i a c n o c t i et diuiderent l u c e m a c t e n e b r a s. et uidit D e u s quod esset bonum. Bevor Gott aber in 1,208 den Befehl erteilt, die Sonnenscheibe solle ihr Heil spendendes Feuer erstrahlen lassen (und bevor die heilsame Flamme die Welt mit ihrem Licht durchströmt, und alle Elemente mit frohem Lächeln die heilbringende Sonnenwärme begrüßen) 75, läßt der vierte Tag die Morgendämmerung aus

 72 Siehe dazu CAMUS S. 276f. 73 Zu vergleichen ist der Auftakt des 3. Buches, wo als Urheber all der hier genannten Betätigungen ausdrücklich Gott genannt ist, s. 3,4ff. (9 deus, 11 deum, 12 iubes, 14 iussa). 74 Zu i n d e x („Erteiler von Weisungen“) in 1,116 siehe 1,433f. omnibus auctor│ spes opifex dominus rector dux arbiter i n d e x; überhaupt dürfen die Verse 1,427–436 als erweiterte Replik der Verse 115–117 gelten. 75 Dracontius hat durch Stichworttechnik einen glatten Übergang vom Ende des dritten Tages (der Paradiesschilderung mit dem Baum des Lebens, an dem pendet ... optatae uiuax medicina s a l u t i s, 204) zum Beginn des vierten Tages geschaffen, wo dem Licht und der Wärme der Sonne in drei fortlaufenden Versen (208–210) jeweils das Attribut salutis (Gen.), salutaris oder salutifer zuerkannt wird.

  Buch I den Fluten des Meeres zum rötlich schimmernden Himmel emporsteigen und dort „ihr Antlitz“ (d.h. zugleich: den Aether) mit Röte überziehen. Der Dichter stellt sich also vor, daß auch der Schöpfungstag der Sonne gemäß der (danach gültigen) Naturordnung mit dem Morgenrot beginnt. Hier der Textzusammenhang: 206 Auroram iam q u a r t a d i e s praemiserat undis et rutilante polo 76 compresserat ora rubore; mox solis radiare globum i u b e t igne salutis: flamma salutaris perfundit lumine mundum, 210 cuncta salutifero rident elementa uapore. cuius ab igne suo lunam i u b e t ire secundam nigra tenebrarum corrumpere tempora noctis et tepidum proferre diem comitante quiete: candida somnigeris collustrat 77 cornibus axem, 215 quae numero est crescente breuis, sed plena minore 78. „Now the fourth day had sent forth dawn from the waters, and as the heavens waxed red, it had obscured the stars with its ruddy glow. Soon it bids [siehe jedoch unten] the sun’s orb flash with health-giving fire. The healthful flame permeates the universe with its light, and all the elements beam with its health-bringing heat. From the sun’s own fire He then bids the moon, a lesser light, to proceed, to burst asunder the murky time of night’s shadows, and with attendant rest to prolong the cooling day; bright with sleep-bringing horns she

 76 1,207 polo B Eug.: globo G: die U ora B: astra G Eug. 77 So AREVALO im Text statt collustrans (B). Dies wird gestützt durch die Eug.-Variante perlustrat; die AcI-Konstruktion ist ja in comitante quiete (213) an ihr Ende gekommen (doch M. BECK verweist auf HOFM.-SZ. 389f.). Man vergleiche 2,347f. splendet sole dies, i l l u s t r a t C y n t h i a n o c t e s │et quasi gemmatum distingunt sidera caelum („the day is resplendent with the sun, Cynthia illumines the nights, and the star groups pattern a sky gem-studded, as it were“ [BRESNAHAN]). 78 Zu diesem dunklen Vers siehe CAMUS (S. 277f.), ferner die Literatur zum Mondkalender in den Kommentaren von MYNORS und ERREN zu Verg. georg. 1,276–286 (bes. ERREN S. 164f. zu georg. 1,276). Von Interesse ist der Passus laud. 1,733 qui l u n a e c r e s c e n t e g l o b o iubet aequora crescant, 736f. et minuantur aquae l u n a m i n u e n t e liquentes│ uel d e c r e s c e n t e decrescant lege perenni; vgl. auch Ov. fast. 3,121ff., bes. 125f. (seu quod adusque decem n u m e r o c r e s c e n t e uenitur, │ principium spatiis sumitur inde nouis). Bei Dracontius scheint numero crescente den Ausgangspunkt, an dem der Mond zuzunehmen beginnt, zu bezeichnen, siehe AREVALO ad loc.: ‘Certe luna primo die est parva, et incipiens, die decimo quinto est plena: sed iterum decrescit eodem ordine usque ad extremum diem. ... Dicitur ergo luna brevis numero crescente, considerata diebus extremis, et comparata ad diem decimum quintum, aut circiter’ – aber was ist mit plena m i n o r e gemeint?

Der vierte Schöpfungstag  

illuminates the sky, she who is small when the number of days is increasing, full when it is less“ (IRWIN).

In Vers 207 ist das Kolon c o m p r e s s e r a t ora rubore strittig. CAMUS, gestützt auf VOLLMER 79, wollte es wie folgt verstehen: „Déjà, le quatrième jour avait dépêché devant lui l’Aurore qui sortait des ondes et, devant la rutilance du ciel, l e r o u g e d e l a h o n t e a v a i t v o i l é s a f a c e“. Für Schamröte der Aurora fehlt im Zusammenhang jede Begründung. Das läßt sich leicht durch den Schluß der Medea-Handlung verdeutlichen, wo der giftsprühende Drachenwagen das Tageslicht zu verdunkeln und die Lüfte zu verpesten drohte, „wenn nicht Phoebus, der Grossvater, [vor Scham] über das Vergehen der Enkelin errötet wäre und den ganzen Erdkreis mit einem besseren Strahlenteppich überflutet hätte“ (KAUFMANN) 80. Auch tut man sich unter der Voraussetzung der üblichen Semantik schwer, ora comprimere durch „das Gesicht (mit Röte) bedecken/umhüllen“ wiederzugeben 81. Dies dürfte der Grund für die abweichende Lesart compresserat astra in G und Eug. sein 82. Nach dieser Version hätte am vierten Schöpfungstag Aurora, aus dem Meer aufsteigend, den Himmel rot gefärbt und so das Licht der Sterne durch ihren roten Schein ausgelöscht (unterdrückt). Ein verwandtes Bild wird von Boethius im Hinblick auf die Sonne, nicht auf die Morgenröte, evoziert, siehe cons. 2 carm. 3,1ff. cum p o l o P h o e b u s roseis quadrigis│ lucem spar-

 79 Dieser hatte im Similienapparat der MGH-Edition zu 1,207 geschrieben: „diem orientem puduit caeli rutilantis modo facti itaque ut se quoque ornaret solem produxit“. 80 Drac. Med. 568f. ni P h o e b u s r u b u i s s e t auus de crimine neptis│ et totum m e l i o r e c o m a p e r f u n d e r e t orbem. „Sein Erröten beschreibt gleichzeitig die Farbe seines Lichtes (vgl. 475)“: KAUFMANN ad loc. Erinnert sei an Ovids aitiologische Ausdeutung des Morgentaus der Aurora (met. 13,621f.): Er sieht in ihm die immerwährenden Tränen der Mutter über den Tod ihres Sohnes Memnon verkörpert: luctibus est A u r o r a suis intenta piasque│ nunc quoque dat lacrimas et t o t o r o r a t i n o r b e. Siehe BÖMER ad loc. zur Etymologie Aurora – ros; ferner Verweise u.a. auf am. 3,9,1; ars 3,180; fast. 3,403f.; Stat. silv. 5,1,34f.; DServ. Aen. 1,489 cuius (sc. Memnonis) mortem ... Aurora hodieque matutino rore flere dicitur. In am. 1,13,47f. deutet Ovid das „Erröten“ der Aurora als Reaktion auf seinen Tadel, den sie offensichtlich gehört haben müsse: iurgia finieram. scires audisse: r u b e b a t.│nec tamen adsueto tardius orta dies. Hierzu MCKEOWN: „This witty conclusion depends on simultaneous personification and non-personification: dawn reddens and day comes. Dawn reddens but day comes“ etc. 81 Primär bedeutet ora comprimere: „den Mund zusammenpressen“, siehe Sen. Thy 160f. (Tantalus) obliquatque oculos o r a que c o m p r i m i t │inclusisque famem dentibus alligat; ähnlich heißt es in Sil. 2,537 von Cerberus: territa c o m p r i m i t o r a. 82 Sie ist Bestandteil des Zitats unserer Stelle in ThLL III 2159,54f.

  Buch I gere coeperit,│pallet albentes h e b e t a t a uultus│flammis s t e l l a prementibus 83. Es wäre verwunderlich, wenn dieses premere des gleißenden Sonnenlichts auf die Morgenröte hätte übertragen und dort sogar zu einem comprimere verstärkt werden können 84. In Wirklichkeit haben die Sterne in Vers 207 nichts zu suchen, wie schon AREVALO gesehen hat 85. Nach dem Muster des oben zitierten Genesis-Passus geschieht die Schöpfung der Himmelskörper in strenger Hierarchie: zunächst das luminare maius, die Sonne (208 solis radiare globum i u b e t ), dann das luminare minus, der Mond, der ausdrücklich als z w e i t e s Gestirn n a c h der Sonne bezeichnet wird (211 cuius ab igne ... lunam i u b e t ire s e c u n d a m), schließlich, als leuchtender Schmuck des Himmels, die Sterne (216ff. flammeus ornatus caeli p e r s i d e r a fulsit:│ officia s t e l l i s, numeros et nomina i u s s i t) 86. Dort wird dann auch das Motiv eingeführt, das Unsichtbarwerden der Sterne bedeute nicht etwa, daß die Sterne die Sonne verlassen, sondern daß sie, vom hellen Glanz des Sonnenlichtes überstrahlt, vom menschlichen Auge nicht mehr wahrgenommen werden können. Was in 207 gemäß der falschen Lesart von G und Eug. scheinbar die Morgenröte bewirkt (compresserat a s t r a rubore), das hat Dracontius dem gleißenden Licht der Sonne vorbehalten: Erst in 1,221ff. kommt – ganz wie es die Gedankenlogik erfordert – der Topos s i d e r a ... luce premuntur zum Ausdruck: 1,221 agminis innumeri nec flammea s i d e r a solem destituunt quacumque die, sed luce premuntur luminis immensi radiato uertice fusi. nec mirum, si clara latent sub sole corusco 225 s i d e r a (...).

 83 „Wenn am Himmel Phoebus mit seinem rosenfarbigen Viergespann Licht auszustreuen beginnt, bleichen, geschwächt in ihrem weißen Antlitz, die Sterne, unterdrückt vom Flammenschein der Sonne.“ 84 Anders verhält es sich mit dem t e c t u r u s Lucifer astra in Romul. 10,470; siehe dort KAUFMANNs Kommentar. 85 Vgl. auch CAMUS ad loc. 86 Diese Reihenfolge wird auch sonst eingehalten, siehe 1,409f. dum s o l i s micat axe iubar, dum l u n a tenebras│dissipat et puro lucent mea s i d e r a caelo; 417ff. mirata diem, discedere s o l e m │ nec lucem remeare putat terrena propago │ solanturque graues l u n a r i l u c e tenebras,│ s i d e r a cuncta notant caelo radiare sereno; vgl. die ‘Monosticha recapitulationis septem dierum’ in VOLLMER (1905) p. 67: 1 primus in orbe dies lucis primordia sumpsit; 4 quartus habet P h o e b u m l u n a m que et s i d e r a caeli; ferner den Beginn der Schilderung des vierten Schöpfungstages bei Marius Victor (aleth. 1,96ff.), dort 98 solis prima dies, 100 lunaque ..., 103 astraque.

Der vierte Schöpfungstag  

„Nor do the fiery constellations, an innumerable army, desert the sun any day, but they are obscured by the radiance of the immeasurable light poured from its beaming head. Nor is it surprising if the bright stars hide beneath the dazzling sun ...“ (IRWIN).

Aus all dem folgt: Die in B überlieferte und seit Catulls conscius ore rubor (65,24) so oder in abgewandelter Form häufig belegte Klausel ora rubore des Verses 207 ist korrekt. Wie aber ist mit dem Verb compresserat zu verfahren? Muß man eine Änderung, etwa in c o n s p e r s e r a t, erwägen? Zu erwarten ist in jedem Falle der Gedanke: Am vierten Schöpfungstag steigt als Vorbotin Aurora aus dem Meer auf und übergießt den Himmel mit ihrem roten Morgenlicht. Da sie sowohl Naturphänomen (rutilante polo) als auch Personifikation sein kann, ist es dem Dichter unbenommen, beide Anschauungen zu kombinieren, also das rötliche Erglänzen des Himmels zugleich aitiologisch auszudeuten als die Röte, die sich über das Gesicht der Aurora ergießt 87. In solchen Zusammenhängen spielt das Verb spargere (und Komposita) eine große Rolle. Erinnert sei an die Ausführungen zu laud. 1,671 (roscida puniceum spargens a u r o r a r u b o r e m) im KK 2017, 279 88. Bei Marius Victor wird zu Beginn des vierten Schöpfungstages (aleth. 1,96ff.) der Sonne befohlen (i u s s a est S o l i s │ prima dies), sich zu einer feurigen Flammenkugel zusammenzuballen (in flammas ignisque globum se cogere) 89, woraufhin „die grundgelegten Samen des Lichtes purpurne Strahlenhaare mit rosig gleißender Wärme (über den Himmel) ausstreuten“ (fundataque semina lucis│puniceos roseo sparserunt fomite c r i n e s) 90. Um nicht vorschnell die Möglichkeit auszuschließen, die Junktur ora comprimere könne ausnahmsweise in Abweichung von der üblichen Semantik doch die Bedeutung „das Antlitz einschließen, umgeben, umhüllen“ annehmen, wurde  87 Siehe die in Anm. 80 genannten Parallelen. 88 Dracontius kann sich u.a. stützen auf Paul. Petric. Mart. 3,339f. cum praeuia solem│ nuntiat acceptum spargens a u r o r a r u b o r e m und hat in Alcimus Avitus einen vermutlich nicht später als 507 tätigen Zeitgenossen mit der verwandten Formulierung uix acies primosque nitens a u r o r a r u b o r e s │ spargebat mundo (Alcim. Avit. carm. 5,582f.). 89 Vgl. laud. 1,208f. mox S o l i s radiare g l o b u m i u b e t i g n e salutis:│ f l a m m a salutaris perfundit lumine mundum (s. die Übersetzung S. 26). 90 Wie bei Boethius (cons. 2 carm. 3,1f., s.o.) Phoebus das Licht des beginnenden Tages über den Himmel sich ergießen läßt (polo ... spargere), so ist es in Senecas Morgenlied am Anfang des ‘Hercules’ das Licht des morgendlichen Titan, das sich auf die vom Frevel der Bacchantinnen berüchtigten buschigen Gefilde des Kithairon ergießt und diese rot erglimmen läßt, siehe Sen. Hf 132ff. iam caeruleis euectus a q u i s │ T i t a n summa prospicit Oeta;│iam Cadmeis incluta Bacchis│aspersa d i e dumeta r u b e n t │Phoebique fugit reditura soror. Wegen dieser Stelle hatte ich früher in laud. 1,207 consperserat arua rubore erwogen (vgl. Lucan. 6,13 dumosa per arua und ZWIERLEIN KK 2017, 134), was durch 1,209 (perfundit lumine mundum) fortgeführt wäre. Aber der doppelte Eingriff empfiehlt sich aus mehreren Gründen nicht, siehe o. ad loc.

  Buch I eine Reihe uneindeutiger Stellen intensiver untersucht. Zu ihnen zählen vor allem Val. Fl. 3,330f. illam (sc. Cliten) uix gemino maerens cum Castore Pollux│erigit haerentem c o m p r e s s a que c o l l a trahentem („scarce in their grief can Pollux with twin Castor raise her up as she clings fast and drags with her the neck she still embraces“: MOZLEY, von LANGEN durch ‘quod [sc. collum mariti] arte c o m p l e x a e r a t’ erläutert) oder Sen. epist. 66,13, wo das Verb conprimit durch in complexu aufgenommen wird, comprimere also im Sinne von complecti verstanden zu werden scheint. Aber M. BECK sieht grundsätzlich und so jeweils auch hier mit dem Verb comprimere „die Bedeutungsnuance des Kraftvollen, Gewaltsamen“ verbunden, was zu der in laud. 1,207 erforderlichen Semantik des Verbs compresserat kaum passen dürfte. Er neigt deshalb dazu, der Konjektur consperserat den Vorzug zu geben. Diese Einschätzung teilt M. DEUFERT auch mit Blick auf die dritte von mir angeführte uneindeutige Stelle, das vierzeilige Carmen 72 des Eugenius von Toledo: Eug. carm. 72,1 suspice, si rutilis refulgent aethera flammis. lucida lucifluis perlucent sidera signis. ignea nimbiuoma 91 compressit nubila palla 92. pars caeli claret stellis, pars pallet ab umbris. „Schau hinauf, ob der Aether von rötlichen Flammen erstrahlt. Strahlende Sterne leuchten in lichtfließenden Bildern. Ein feuriger Sternenmantel hat das sturmspeiende Gewölk umhüllt. Ein Teil des Himmels ist hell von Sternen, ein anderer bleich von Schatten.“

Hier scheint palla compressit tatsächlich für das Umhüllen mit einem Mantel verwendet. Aber auch hier, so M. DEUFERT, spiele das ‘Gewaltsame’ eine Rolle: der Sieg der ignea palla über die nimbiuoma nubila 93. Es bleibt somit fraglich, ob man

 91 Die kurze Schlußsilbe (nimbiuoma ist Attribut zu nubila) darf in der Zäsur das longum vertreten. 92 Vgl. hierzu die Zeitperiphrase in Iuvenc. 2,1ff. iamque dies prono decedens lumine pontum│ inciderat, f u r u a m que super n o x caerula p a l l a m │ s i d e r e i s p i c t a m f l a m m i s per inane trahebat („Now day withdrew with setting sun and dipped│into the sea, and darkened night spread out│its dusky cloak adorned with starry flames“ [MCGILL]). 93 Vielleicht gilt dies auch für Stellen wie laud. 1,221ff. Dort schreibt Dracontius flammea sidera ...│... luce p r e m u n t u r │luminis immensi radiato uertice (sc. solis) fusi, wo er bei Marius Victor lesen konnte: sidera ...│ quae iubar o b d u c i t radiis lucisque profundae│ quadam nocte t e g i t (1,107ff.). Der Imitator scheint die Nuance des „Verdeckens“ oder „Überdeckens“ durch die Wahl des Verbs premuntur bewußt in Richtung „Unterdrücken“ verstärkt zu haben, wie das folgende Attribut immensi andeuten dürfte. Analog läßt sich wohl auch über Stellen wie Hor. epist. 1,12,18 urteilen, wozu KIESSLING-HEINZE auf carm. 3,29,30 (caliginosa nocte premit, vgl. damnat caligo in Iuv. 6,556) und Ov. trist. 1,9,12 (pressus nubibus, sc. sol) verweisen.

Der vierte Schöpfungstag  

den Vers laud. 1,207 mit der überlieferten Junktur compresserat ora rubore im Sinne von „Aurora hatte am rötlich schimmernden Himmel ihr Antlitz in rote Farbe gehüllt“ verstehen kann. Klarer und gefälliger scheint die durch Konjektur gewonnene Fassung consperserat ora rubore 94. Wie man sich in dieser Frage auch entscheidet: In beiden Versionen spielt Dracontius das schon oben berührte allegorische Spiel und vermischt die eigentliche, das Naturphänomen beschreibende Sprache (rutilante polo) mit der uneigentlichen, die Aurora als Personifikation agieren läßt. Das tut er ähnlich in Romul. 10,102f. (ubi puniceos rutilans A u r o r a c a p i l l o s │ p e c t i n a t ante diem, quae mox p e r f u n d a t Eoum) 95, wo die rötlich schimmernde Aurora sich vor Tagesanbruch ihre purpurfarbenen Haare kämmt (Personifikation), um gleich anschließend die östliche Himmelsregion (mit der Morgenröte) zu übergießen (Naturphänomen). Abschließend noch einige Belege für die Vermischung dieser Identitätsstufen in der Beschreibung der Aurora (vgl. auch EGGERS 230– 233): Ov. fast. 3,421 cum c r o c e i s r o r a r e g e n i s T i t h o n i a c o n i u n x coeperit et quintae tempora lucis aget; Stat. Theb. 2,134 et iam Mygdoniis elata cubilibus alto 135 impulerat caelo gelidas A u r o r a tenebras, r o r a n t e s e x c u s s a c o m a s multumque sequenti Sole r u b e n s; AL 580,1 R2 roscida puniceo P a l l a n t i a s exit amictu 96, astrigerum i n f i c i e n s l u c e r u b e n t e polum. AL 587,1 R2 Memnonis ut genetrix infecerat umida caelum et r o s e i s m a n i b u s sidera d i s p u l e r a t 97, Phoebus Atlanteis e fluctibus aureus orbem sustulit igniferum, luxque diesque redit.  94 Zum Bild vgl. Verg. georg. 1,430 si uirgineum s u f f u d e r i t ore ruborem (sc. Luna). Dracontius selbst nutzt in Romul. 8,106 den Ausdruck f u s u s in ora rubor (von der Schamröte, die sich über das Gesicht ergießt). Bei Statius fährt Aurora mit purpurnem Gesicht den Sonnenwagen: Theb. 3,440f. septima iam nitidum terris A u r o r a deisque│purpureo uehit ore diem. Avien setzt den Georgicavers über den Mond als Wetterzeichen wie folgt um: si face et ignito s u p p i n x e r i t ora rubore,│turbida certantes conuerrent aequora chauri (Arat. 1457f.). – Mit Mail vom 15.6.2018 verweist R. JAKOBI auf den abweichenden Erklärungsversuch SMOLAKs (1972) 395f. („Licht der Morgenröte, das von den Wellen (206) aus allmählich die Küste überzieht“), dessen semantische Problematik damit entschuldigt wird, daß die (vermeintliche) Lucan-Imitation (2,680f.) nicht glatt habe eingepaßt werden können. 95 Vgl. Ps.Hil. gen. 68 p u n i c e o s spargit A u r o r a c a p i l l o s. 96 Vgl. Ov. ars 3,179f. croceo uelatur amictu,│roscida luciferos cum d e a iungit equos. 97 Hier vertreibt die personifizierte „rosenfingrige“ Aurora mit ihren Händen die Sterne vom Morgenhimmel!

  Buch I AL 590,1 R2 surgit ab oceano Tithoni fulgida coniunx et ueste ab rosea subrubet ipse polus 98, cum Phoebus radiis rutilum c i n g e n t i b u s orbem depellit tenebras noxque peracta fugit.

Im letzten Beleg scheint cingentibus weit gefaßt: Phoebus umfängt mit seinen Strahlen den sich rot färbenden Erdkreis und vertreibt so die Finsternis; die Nacht hat ihren Weg vollendet und flieht. In laud. 1,211 folgt der Abschnitt über den Mond. Er birgt in Vers 213 eine weitere Schwierigkeit in sich: 211 cuius ab igne suo 99 l u n a m iubet ire secundam nigra tenebrarum corrumpere tempora noctis et t e p i d u m proferre d i e m comitante quiete.

CAMUS gibt in 213 die von ihr bevorzugte Eugenius-Version t r e p i d u m proferre diem durch „d’offrir ce jour hésitant qui a le repos pour escorte“ wieder (ohne weitere Erläuterung), IRWIN hatte tepidum (so B) proferre diem gedruckt und – unter Verweis auf den sol tepidus, die milde Abendsonne des Horaz (epist. 1,20,19) – übersetzt: „and with attendant rest to prolong the cooling day“, woraus bei CORSARO (er druckt trepidum perferre diem) „e prolongare il giorno ormai incerto, essendo giunte le ore della quiete“ geworden ist. Den Schlüssel zum richtigen Verständnis dürfte der Passus über das Vergehen und Wiedererstehen des Mondes in 1,663ff. liefern: Unsichtbar erneuert er im Verborgenen sein Licht und leuchtet wieder; sein kalter Schein, Abbild der Sonne, spiegelt heuchlerisch das Tagesgestirn vor: 1,665 et, dum caeca latet, reparato lumine fulget m e n t i t u r que d i e m lux f r i g i d a, solis imago.

 98 Von Auroras rosenfarbigem Kleid färbt sich selbst der Himmel rot! 99 Siehe hierzu CAMUS S. 277: „le poète a voulu opposer à la lumière indirecte de la lune la lumière propre du soleil.“ Zu diesem Topos vgl. BAILEY und COSTA ad Lucr. 5,705–50; ferner Catull. 34,15f. tu potens Triuia et notho es│dicta lumine Luna; Verg. georg. 1,396 nec fratris radiis obnoxia surgere Luna; Claud. 1,22-24; Mar. Victor aleth. 1,100f.; KAUFMANN zu Drac. Romul. 10,149 (Luna) fratris radiis conceptus lucis adoptat – mit Verweis auf ThLL VII 2,1912,27–37 (Lucr. 5,576; Cic. nat. deor. 2,103 lucem quam a sole accepit; Plin. nat. 2,45; Lucan. 9,940 luce recepta).

Der vierte Schöpfungstag  

Im Gegensatz zum ardor, calor, feruor oder uapor solis gilt das Licht des Mondes, durch den Widerschein der Sonne verursacht, als kühl 100. Die Mondscheibe erweckt den falschen Eindruck, die Scheibe des Tagesgestirns zu sein. Diese Vorstellungen, die durch den Wortlaut des Verses 666 gut verständlich zum Ausdruck gebracht sind, soll der Leser parat haben, wenn er in 213 liest: (lunam iubet Deus) t e p i d u m proferre d i e m comitante quiete. Es steht also tepidum für frigidum 101. Folglich kann diem nicht auf die Sonnenscheibe verweisen, sondern meint die Mondscheibe als solis imago, die Luna in der Stille der Nacht am Himmel erscheinen läßt. 1,226–228. 231 224 nec mirum, si clara latent sub s o l e corusco 225 sidera, quo mundum monstrat mensura minorem, qui fouet igne pio caelum mare sidera terras concepta uirtute Dei, quem sphaera polorum sustinet et sentit Dominum per cuncta tonantem, 229 cuius ab imperio ueniunt quaecumque ministrat 102.

CAMUS beginnt zu Unrecht mit ‘Concepta uirtute Dei’ (227) einen neuen Satz. Hier ihre Übersetzung: „il participe à la puissance du Dieu qui siège sur la sphère céleste, m a i s c o n n a î t l u i a u s s i la souveraineté du Seigneur qui fait partout résonner son tonnerre et dont l’autorité est source de tous les biens que  100 Siehe S. 46 und 175. Gemäß laud. 2,10f. ist der Schöpfergott die Ursache dafür, quod c a l o r est s o l i s, quo splendet f r i g i d a l u n a │ partita cum fratre uice sua tempora lustrans („the marvel that heat is of the Sun, by which the chill Moon gives light as, taking turns with her brother, she illumines her own hours“ [BRESNAHAN]). 101 Siehe FEDELI zu Prop. 1,16,22 (turpis et in t e p i d o l i m i n e somnus erit?), wo in 24 f r i g i d a que Eoo me dolet aura g e l u folgt. FEDELI verweist u.a. auf Anth. Pal. 5,23,2 (Kallim.) κοιμᾶσθαι ψ υ χ ρ ο ῖ ς τοῖσδε παρὰ προθύροις. Erinnert sei an die Situation in Tib. 1,2,31ff. non mihi pigra nocent h i b e r n a e f r i g o r a n o c t i s, │ non mihi, cum multa decidit imber aqua.│non labor hic laedit, reseret modo Delia postes ... („Mir tut die beharrliche Kälte der Winternacht nichts und nichts der Regen, wenn er mit großem Schwall herunterstürzt. Diese Strapazen tun mir nichts, wenn Delia nur die Türflügel entriegelt ...“ [LUCK]). Auch bei Horaz (carm. 3,10) liegt der Liebhaber in Sturm und gefrierendem Schnee vor der verschlossenen Tür der Geliebten: 5ff. audis, quo strepitu ianua, quo nemus│... remugiat│ uentis et positas ut g l a c i e t n i u e s │ puro numine Iuppiter? („hörst du, mit welchem Lärm die Tür und der Hain│ ... dem Wind erwidernd│brausen, und bemerkst, wie Juppiter den gefallenen Schnee│bei klarem Himmel gefrieren lässt?“ [HOLZBERG]). 102 Zu 231 c u m luna e t sidera cuncta vgl. 1,307 India c u m gemmis e t eburnea monstra minatur.

  Buch I le soleil dispense.“ IRWIN (S. 76) hatte „for metrical reasons“ conceptas geschrieben „agreeing with the nearest substantive (suggestion of R. G. Kent)“ und übersetzt: „Nor is it surprising if the bright stars hide beneath the dazzling sun, for measurement shows the world to be smaller than the sun 103 which cherishes with his loving fire sky, sea, stars, lands, conceived by God’s benevolence, which the vault of the heavens holds up and feels the Lord thundering through all, the Lord, from Whose power come all things to which he ministers“. Aber concepta bezieht sich nicht auf die zuvor genannten vier Bereiche des Kosmos, die ihre „Schöpfung“ Gott verdanken („le cose tutte concepite dalla potenza di Dio“: CORSARO), sondern bildet zusammen mit uirtute Dei einen Ablativus absolutus, der fouet igne erläutern soll: Die Sonne „hegt mit ihrem (wärmenden) Feuer in treuer Pflichterfüllung Himmel, Meer, Sterne und Erde, nachdem (da) sie die (feurige) (Schöpfer-)Kraft Gottes in sich aufgenommen hat“. Die uirtus Dei ist i g n e a, vgl. Romul. 9,18ff. sunt animae post membra p i a e; quas i g n e a u i r t u s │tollit ad astra m i c a n s et s o l i s i n o r b e recondit│lunares non passa globos 104. Von den Engelscharen, die Gottes majestätisches Erscheinen beim Jüngsten Gericht mit Glanz erfüllen, einschließlich der V i r t u t e s und Spiritus, heißt es in Carm. de resurr. 146f.: i g n e u s his u i g o r est, rutilantia corpora, caeli │ u i s d i u i n a m i c a t. Die uirtus Dei zeigt sich auch bei Dracontius selbst mehrmals als Schöpferkraft (laud. 1,330. 618. 683f.); an ihr hat die natura creatrix (1,27ff.) und die auf Gottes Befehl wirkende Sonne Anteil 105. Die Zuordnung der Relativpronomina ist oben im Text durch analoge Markierung verdeutlicht (qui und quo beziehen sich auf Sol, quem und cuius auf Dei), weil VOLLMER (1905) im unteren Apparat vermerkt: „228 sentit et 229 ministrat sc. sol“ und CAMUS demgemäß nach sustinet interpungiert und entsprechend übersetzt. In Wirklichkeit bleibt sphaera polorum auch Subjekt des Satzes et sentit dominum per cuncta tonantem: Das Himmelsgewölbe ist Sitz des Allmächtigen, den es zugleich als seinen Herrn erfährt, wenn dieser seinen Donner über das ganze Firmament rollen läßt; vgl. Lucr. 6,96 principio tonitru quatiuntur caerula caeli etc. 106; Iuvenc. 2,539f. huius ab exortu uim c a e l i r e g i a s e n t i t,│ et caeli

 103 CAMUS belegt dies durch Macr. somn. 1,16,11 und 1,20,32. 104 Zu dieser Stelle, die aus Lucan. 9,1–9 entwickelt ist, siehe ZWIERLEIN KK 2017, 125f. 105 Zu concepta uirtute vgl. Rufin. Clement. 1,46,3 sed et si quis alius ex ipso unguento perunctus est, tamquam u i r t u t e inde c o n c e p t a, etiam ipse rex aut propheta fiebat aut pontifex; Greg. M. in Ezech. 2,3,5 et semen germinat et crescit, dum ille nescit, quia et cum adhuc metiri incrementa sua non ualet, semel c o n c e p t a u i r t u s ad prouectum ducitur. 106 Mit Ablehnung der pseudoreligiösen, mythenhaften Erklärungen in 6,379ff.

Der fünfte Schöpfungstag  

regnum uiolentia diripit atrox 107. Daß dem Kosmos und der Welt ein „Fühlen“ zugeschrieben werden kann, ergibt sich aus Drac. Romul. 10,130ff., bes. 133f. nec s e n t i t ademptum (sc. orbis; in 131 steht mundo)│ successu redeunte nouo. Die Macht Jupiters über den Kosmos hat Horaz (im Anschluß an Hom. Il. 1,528ff.; Catull. 64,204ff. [vgl. Aen. 9,106]) in dem klassisch gewordenen imperium est Iouis│ ...│cuncta supercilio mouentis zum Ausdruck gebracht 108.

. Der fünfte Schöpfungstag Die Erschaffung der Meerestiere und der Vögel 1,241 post 234; 1,270ff. 234 Addit 109 quinta dies animalia cuncta profundi 241 terrigenis factura cibos post cuncta creandis: 235 in corpus solidantur aquae neruique ligantur; musculus humor erat, fluctus durescit in ossa atque oculi gemmantur aquis umore gelato. et quot sunt fluctus, tot forsitan aequore pisces luserunt fluido per caerula uasta natatu 240 et crispante freto perflabant naribus undas. 242 Exilit i n d e uolans gens plumea laeta per auras aera concutiens pinnis crepitante uolatu ac uarias fundunt blando 110 modulamine uoces 245 et puto collaudant Dominum meruisse creari. „The fifth day adds all the creatures of the deep, destined to provide food for earthborn men to be created after the rest of creation: The waters are gathered into bodies, and sinews are bound together. Their muscle was formed of fluid, the wave hardens into bones, and their eyes are gemmed with a fluid condensed from the waters; and as many as are the waves, so many perhaps were the fishes that sported and swam in the water throughout the sea’s blue waste, and, as the whitecaps showed, spewed water from their gills. The joyful feathered flock darts forth, winging its way through the breezes, beating the air with its wings in whirring flight, and they pour forth varied cries with persuasive melody, and methinks they praise the Lord because they seemed worthy of creation“ (IRWIN – Versumstellung ZW.).

 107 „Heaven has witnessed violence since his birth,│and savage force has torn apart that realm“ (MCGILL). 108 Hor. carm. 3,1,6–8; siehe NISBET–RUDD ad loc. 109 So Eug. F; Adet G: Vidit B. 110 Es wird die Wortstellung von G Eug.FM bevorzugt.

  Buch I AREVALO hat mit gutem Grund erwogen, Vers 241 nach 234 zu versetzen: Vers 241 war aufgrund des Homoeoteleuton (siehe oben die Markierung) übersprungen worden, wurde nachgetragen und an falscher Stelle in den Text integriert. Der Dichter spielt mit der Wiederholung von cuncta an gleicher Versstelle, jedoch in veränderter grammatischer Zuordnung: einmal als Adjektivattribut, danach substantiviert (animalia cuncta / post cuncta). Fische (238) und Vögel (242ff.) sollen gemeinsam dem Menschen Nahrung bieten, nicht etwa nur, wie es die überlieferte Versfolge nahelegt, die Vögel. Das darf man wohl auch aus Vulg. Gn 1,28ff. herauslesen: et d o m i n a m i n i piscibus maris et uolatilibus caeli et uniuersis animantibus, quae mouentur super terram. 29 ... dedi uobis omnem herbam ... et uniuersa ligna ..., ut sint uobis in escam 30 et cunctis animantibus terrae omnique uolucri caeli et uniuersis quae mouentur in terra et in quibus est anima uiuens, ut habeant ad uescendum 111. In der überlieferten Versordnung begönne der neue Abschnitt in bedenklicher Weise mit einer ganzzeiligen Zweckbestimmung, bevor die neu in den Blick zu nehmende Art von Lebewesen überhaupt genannt ist: 241 Terrigenis factura cibos post cuncta creandis 242 exilit i n d e uolans gens plumea laeta per auras aera concutiens pinnis crepitante uolatu (...).

Die so in den Vordergrund gerückte Zweckbestimmung aber spielt in dem ganzen folgenden Abschnitt keine Rolle, während umgekehrt die seltsame Position des Verses 241 den Leser nachträglich zu dem Fehlschluß verleitet, daß die im voraufgehenden Abschnitt behandelten Fische dem Menschen nicht zur Nahrung dienen sollen. Dieser Vers 241 stört zudem die enge Verbindung, die zwischen dem Schlußwort von 240 und dem Beginn von 242 herrscht: 240 et crispante freto perflabant naribus undas. 242 Exilit i n d e (sc. undis) uolans gens plumea laeta per auras.

Das kann auch die Schöpfungsschilderung des Marius Victor lehren, aus der Dracontius einige Motive übernommen hat; siehe dort besonders den gleichartigen Übergang in aleth. 1,125f. (die Entstehung der Vögel aus dem Wasser, ebenfalls am 5. Schöpfungstag): Mar. Victor aleth. 1,123ff.: corporibus fauet ipse l i q u o r genitalis alumnis, qui terrae quoque germen alit cumulataque membra 125 dissoluit potius, quae plus extenderat u m o r.  111 Vgl. Ps (LXX) 8,7 unten zu 1,579.

Der fünfte Schöpfungstag  

h i n c uolucres quoque, molle genus, traxere uigorem: dum l i q u i d a s conformat a q u a s immissaque pontum uita subit, feruent iterum tumida aequora partu non sibi feta suo, iamiamque emissa p r o f u n d o 130 squamea turba s a l o summas dum surgit in undas, quae uolitabat a q u i s, sensim natat aere puro et docet aetherios contingere posse recessus hoc animal, nitidis quod rursum nascitur undis. „Die zu nährenden Körper begünstigt das Zeugungsnass selber, das auch der Erde Keim ernährt und vergrößerte Glieder eher zersetzt, die die Flüssigkeit allzu weit ausgedehnt hatte. Aus ihr (Zw.) zogen auch die Vögel, das weiche Geschlecht, ihre Stärke: Während Leben die klaren Gewässer durchformt und ins Meer geht, nachdem es dorthin gesandt wurde, wallen erneut geschwollene Fluten, trächtig, doch nicht für sich und von eigenem Wurf, und schon, derweil, entsandt aus der Tiefe, eine schuppige Schar im Gewoge hinaufsteigt, schwimmt sie, die (zunächst) durch das Wasser dahinflog, allmählich in reiner Luft und lehrt, dass dasjenige Lebewesen die Tiefen des Himmels einnehmen kann, das erneut in glänzenden Wellen [Anspielung an die Taufe] geboren wird“ (KUHN-TREICHEL, mit hilfreichen kommentierenden Noten).

Somit zeigt sich, daß zu Beginn des gesamten Abschnittes 1,234ff. durch die Mottoverse 234 Addit quinta dies animalia c u n c t a p r o f u n d i 241 terrigenis factura cibos post cuncta creandis

sowohl die Fische als auch die Vögel unter die animalia cuncta profundi subsumiert werden 112, die den erdgeborenen Menschen Nahrung spenden sollen. In diesem Sinne ist der Beginn des Abschnittes über die Lebewesen des Meeres (234. 241) eng verwandt mit dem Auftakt des Abschnittes 270ff. Dort wird zu Beginn des sechsten Tages „in einer Art idyllischen Szene das Sprießen und Blühen in

 112 Ganz im Einklang mit dem biblischen Schöpfungbericht, wo es gemäß der Vulgata heißt (anders im Masoretischen Text, s. KUHN-TREICHEL zu Mar. Victor aleth. 1,131 [Anm. 45]): dixit etiam Deus: ‘producant aquae reptile animae uiuentis et uolatile s u p e r t e r r a m sub firmamento caeli’ creauitque Deus cete grandia et omnem animam uiuentem atque motabilem quam produxerant aquae in species suas et omne uolatile secundum genus suum et uidit Deus quod esset bonum benedixitque eis dicens: ‘crescite et multiplicamini et replete aquas m a r i s auesque multiplicentur s u p e r t e r r a m’ (Gn 1,20–22). In diesem Sinne hat auch Ambrosius seine lange Schilderung des 5. Tages im ‘Hexaëmeron’ ausgeführt: Am Ende von hex. 5,12,35 leitet er von den Fischen zu den Vögeln über.

  Buch I der Natur und das Brüten und Schlüpfen der Vögel beschrieben“ 113. Danach wird folgende Überleitung zu den pflanzen- (später auch zu den fleisch-)fressenden Tieren gewählt: „Die Welt war eine einzige Quelle von Futter; aber es gab kein Lebewesen, das dieses hätte verwerten können ...“: 1,270 Pabula mundus erat, sed non qui pasceret herbas adfuit: intactis senuissent f l o r i b u s herbae, ni pascenda daret tellus i u m e n t a per agros. Cornibus erumpunt armata fronte i u u e n c i (es folgen bucula, taurus, ceruus, equus etc.). „The whole world was one great pasturage, but there was none to feed on the grasses which would have withered away, their flowers untouched, were not the earth to provide beasts of burden to be grazed through the fields. Young bullocks spring forth, their brows armed with horns ...“ (IRWIN).

Dracontius hat hier innerhalb des sechsten Tages 114 ein gliederndes Motiv an den Beginn des Abschnittes über die Landtiere gesetzt, das er bei Marius Victor ebenfalls innerhalb des Berichtes von den Schöpfungen des sechsten Tages vorgefunden hatte, dort aber zu Beginn der Erschaffung des Menschen, siehe aleth. 1,153

iam mundus erat, iam sidera et ortus aetheraque et uitreum pelagus terraeque uirentes; 155 ni spectator adest, quem tantae gloria molis impleat atque oculis auidum per singula ducat, quid possint conferre deo? possessio nulla est, si rerum possessor abest. tunc rector Olympi:

 113 So M. BECK, der mit CAMUS darauf verweist, daß hier nach dem eigentlichen Akt der c r e a t i o auium ex umore (242ff.) von der p r o c r e a t i o in der Natur mit Hilfe der Wärme gesprochen wird (vgl. bes. 262f. pennigerum uernare nemus uapor urguet in usus│ p i g n e r i s et molli durescunt o u a tepore: „a warm exhalation constrains the grove of the feathered creatures to grow green for the enjoyment of her children, and eggs grow firm in the gentle warmth“ [IRWIN]). Auch Marius Victor bringt zu Beginn des sechsten Tages (den er den dritten nach der Geburt der Sonne nennt) das Motiv von der lauwarmen Erde, die ihre schweren Glieder gelockert hat und somit bereit ist, die Landtiere zu gebären (s. aleth. 1,136 iamque tepens tellus grauidos laxauerat artus). Der hier postulierte Bedeutungsunterschied zwischen creare und producere hat seine Gültigkeit, obwohl die beiden Verben durchaus synonym gebraucht werden können (wie dies z.B. in der Vulgata der Fall ist). Zu dem abschließenden programmatischen Passus laud. 1,267–269 s.u. S. 62 (zu 1,579). 114 Dieser beginnt in 1,255: S e x t a d i e s folium ramis et floribus herbas│euomit et spicans acuit seges omnis aristas („The sixth day pours forth leafage on the branches, and equips the plants with flowers, and every cornfield, sprouting ears, puts forth its sharp heads of grain“ [IRWIN]).

Der sechste Schöpfungstag  

‘Stat data summa operi, bona sunt quaecumque creaui. 160 Nunc hominem faciamus’ ait, ‘qui regnet in orbe et sit imago dei. ...│... fruitur qui mente creatis.’ „Schon stand die Welt, schon die Sterne, ihr Aufgang, ferner der Himmel, das gläserne Meer und die grünenden Länder: Wenn kein Betrachter da ist, den der Ruhm einer so großen Masse erfüllt und mit gierigen Augen durchs Einzelne führt, was könnte es Gott dann nützen? Besitztum gibt es nicht, wenn der Besitzer der Dinge fehlt. Da spricht des Olymps Gebieter: ‘Die Summe des Werks steht da; gut ist alles, was ich geschaffen habe. Jetzt lasst uns den Menschen machen, der im Erdkreis herrschen und Gottes Ebenbild sein soll. Ähnlich muss er seinem Schöpfer sein, der, in Entscheidungen frei, mit Verstand das Geschaffene genießt’“ (KUHN–TREICHEL).

Die Entsprechung in der gliedernden Funktion dieses Motivs innerhalb des sechsten Schöpfungstags bei beiden Dichtern entlarvt die Abweichungen des Eugenius, der aus sexta dies (1,255) ipsa dies macht und nach 1,272 zwei zusätzliche Verse einfügt, die erst dort das Werk des sechsten Tages anheben lassen, als willkürlichen Eingriff des Toledaners.

. Der sechste Schöpfungstag .. Die Erschaffung der Landtiere 1,279 278 simplicitas ouium fraudem passura luporum et r a u c o s timuit discurrens damma m o l o s s o s. „the artless sheep are destined to suffer from the guile of wolves, and the deer, darting hither and thither, dreaded the harshly baying Molossian hounds“ (IRWIN).

Statt raucos (Bac Eug.) bietet B2 die Korrektur raudos, die VOLLMER (1905) 400 als synkopierte Form von rauidos (abgeleitet von rauire: „sich heißer reden“) erklärt und dementsprechend als ein Synonym zu raucos in seinen Text aufgenommen hat. Ihm widerspricht mit gutem Grund REINEKE in ThLL XI 2,240,45–49. Dracontius verwendet raucus noch dreimal, um lauten oder unangenehmen Klang zu charakterisieren (Romul. 7,28. 79; 8,645). Odo von Magdeburg scheint in Ernestus 2,138ff. den Vers aus laud. 1,279 (oder die entsprechende Fassung des Eugenius) innerhalb eines Vergleiches umgesetzt zu haben: (nec secus ... quam) dissuetudine pastos │ immemores nemoris uix respondere scientes│ r a u c o l a t r a t u clamet si forte m o l o s s o s │uenator sub uincla canes.

  Buch I 1,291 et maculosa repit 115 squamis per uiscera serpens, ante uenena nocens, missura flatibus oris 290 et subita sparsura grauis per sibila mortes atque eadem m e m b r i s uitae paritura medellas. „and the spotted snake glides along on its scaly belly, harmful even before it strikes, destined to send poison with puffing mouth, and to spatter violent deaths amid sudden hissings, and yet to produce the same venom as a cure for living members“ (IRWIN).

Der Vers 291 ist von IRWIN irrig übersetzt, aber richtig erläutert durch Verweis u.a. auf laud. 2,262ff. uipera quid praestet cauda et ceruice recisa,│ quid serpens maculosa iuuet medicina fatetur,│ aspidis obliquae quid pinguia m e m b r a m e d a n t u r 116. CAMUS gibt also 1,291 angemessen durch „mais d o n t l e c o r p s procurera des remèdes vivifiants“ wieder: m e m b r i s ist instrumentaler Ablativ 117, der auf einer Ebene mit flatibus oris und subita ... per sibila steht, so wie das Kolon uitae paritura medellas 118 das Gegenglied zu missura ... et ... sparsura ... mortes darstellt.

.. Ordnung und Gesetzmäßigkeit der Schöpfung 1,299f. Gott hat die Welt nicht so eingerichtet, daß alles überall zur gleichen Zeit vorhanden wäre (oder geschähe), sondern allen Dingen bestimmte Örtlichkeiten und Zeiten zugeteilt (unten analog markiert). Nicht immer tosen die Wogen des Meeres und nicht immer brennt überall die Hitze der Sonne: Je nach Zeit und Erdregion mäßigt sie ihr Feuer und je nach der Zeit mäßigen sich die Wogen, so daß die eben noch kämpfenden Fluten als träge Meeresfläche daliegen werden: 292 sed ne cuncta simul passim per cuncta fuissent, distribuit loca certa D e u s et tempora fixit. 294 tempore non uno ueniunt quae saeua uocantur: (...) 298 non semper furit unda maris nec semper adurit  115 Zur Kurzmessung s. KAUFMANN ad Romul. 10,491 (ebenso Iuvenc. 1,744). 116 Er (S. 79f.) nennt ferner satisf. 65–68; Plin. nat. 29,70; alle Stellen (und weitere, darunter Isid. orig. 12,4,11) bereits bei AREVALO. 117 AREVALO: ‚Intellige membrorum de parte sua‘. 118 Vgl. Paul. Nol. carm. 6,111 (Maria) mundi paritura salutem.

Der sechste Schöpfungstag  

300 301 304 305

S o l i s ubique calor: pro tempore temperat ignes, pro regione plagae, pro tempore temperat undas et modo bellantes fluctus freta pigra iacebunt. (...) multa locis data sunt uariis dispersa per orbem: arida uipereos angues suscepit harena, umida sortitur tellus fera colla leonum (...).

„But that all creatures might not be intermingled through all, everywhere at once, God apportioned fixed places and established seasons. The so-called violences of Nature do not come all at the same time. (...) not always is ocean’s wave seething, nor is the sun’s heat everywhere always scorching. He regulates the fires to the season, the zones to their region 119; the sea He regulates to the time of year, and soon the warring waves will rest as tranquil straits. (...) The many creatures were given to various places, and were scattered throughout the world. The arid desert sand took to itself crawling creatures known as vipers, the damp earth received the fierce-necked lions (...)“ (IRWIN).

In der überlieferten Fassung der Verse 299f. fehlt jeweils das Subjekt zu temperat. IRWIN hat beidemale „He“ (aus Deus in 293) ergänzt. Dagegen spricht der eng verwandte Passus satisf. 55–92, wo der Schöpfergott nach den Einleitungsversen 55– 58 nicht mehr erscheint und die temperies nicht Gott, sondern der Sonne zugeschrieben wird, siehe: satisf. 55 nam D e u s o m n i p o t e n s potuit, cum conderet orbem, tristibus amotis gaudia sola dare, sed diuersa creans et discordantia iunxit 58 et bona mixta malis et mala mixta bonis 120. 81 Sol dat temperies, species gratissima mundi, cuncta creanda parans, cuncta creata fouens; per quem fetat humus flores et messis aristas, 84 Sole perustus ager putris harena iacet 121.

 119 IRWIN nimmt R. G. KENTs Konjektur plagas in seinen Text; aber gemeint ist: „abgestimmt auf die Region der jeweiligen (unter der Sonnenbahn liegenden) Erdzone“; es sei erinnert an die quinque plagae in laud. 1,5; satisf. 90 (siehe gleich anschließend); Claud. rapt. Pros. 1,259–265ff. und an die distantes regione plagae in Prud. c. Symm. 2,613; vgl. Val. Fl. 1,510f. improba legi│ diuitis a r u a p l a g a e; Claud. carm. min. 26,18 sulphureae feruida r e g n a p l a g a e. 120 „Truly the All-powerful God, when He was making the world, could have removed sorrows and given us only joys, but He brought variety into being and combined dissonant things, good in the midst of evil, evil amidst the good“ (MARGARET). 121 „The sun, earth’s most agreeable sight, preparing all things to take life, nurturing all things that have life, furnishes the seasons. By its power the earth brings forth flowers and the harvest grain, but if the sun scorches it, the land lies a sandy waste“ (MARGARET).

  Buch I 89 temperies caeli m e d i u m nec possidet orbem, 90 nam de quinque plagis uix habet ipsa d u a s 122.

Ganz entsprechend ist in laud. 2,19–24 Sol für den Gezeitenwechsel im Ablauf des Jahres zuständig: 2,19 permutat iussus Sol tempora quattuor anni, 20 non ausus transire uices sub lege perenni praefixas dicione tua; non ille uapores auget sponte sua, m e d i o s nec temperat ignes aut gelidum dat forte iubar nisi praeduce iussu 24 imperii per saecla tui sine fine manentis. „Sun transforms the four seasons of the year, without having dared omit the successions pre-established under lasting law by Thy decree. It increases not the heats of its own accord; nor does it damp its middle-season fires, or give perchance a radiance that is chill, without the foregoing mandate of Thy sovereignty, which abides through the ages without end“ (BRESNAHAN).

Durch die Verse 21f. hier, bes. durch die Klausel des Verses 22 (ille, sc. Sol) medios nec temperat ignes wird die von CAMUS vertretene Ansicht gestützt, daß dem gleichen Versschluß temperat ignes in 1,299 das Subjekt Sol zuzuordnen ist, das sich leicht aus dem unmittelbar voraufgehenden Solis ... calor herausziehen läßt. War aber Sol Subjekt des doppelgliedrigen Ausdrucks pro tempore temperat ignes, │ pro regione plagae, kann nicht (wie CAMUS postuliert) in dem unmittelbar folgenden Kolon pro tempore temperat undas stillschweigend das Subjekt m a r e aus 298 (unda maris) ergänzt werden. Ein solcher über die „Sol-Verse“ hinweg zurückgreifender Subjektswechsel ist ohne ein entsprechendes Signal im Text ausgeschlossen. Hier tritt nun die von HUDSON–WILLIAMS (1947) in die Diskussion gebrachte Textkorrektur (wenn auch nur zur Hälfte) in ihr Recht: „We should correct ignes in 299 to ignis and undas in 300 to unda 123. An intransitive verb is strongly suggested by the neighbouring sentences, and the verb temperare must here be used for se temperare, i.e. ‘moderate (itself)’, just as it is in Romul. 8. 330 temperet inuidia (tua, O rex), frangat dolor, ira quiescat“ (96f.). Das überlieferte (pro tempore)  122 „A moderate temperature does not lay hold of half the earth, for of the five zones it rules barely two“ (MARGARET). 123 Hierzu Th. RIESENWEBER: „Vielleicht war schon Eugenius (contemperat unda uaporem) der erste, der unda konjizierte“. Intransitives temperat ist auch Mar. Victor aleth. 1,228 aeternum paribus uer temperat horis anzusetzen: „Ewiger Frühling hält sich in gleichbleibenden Jahreszeiten im Maß“.

Der sechste Schöpfungstag  

temperat ignes ist oben gesichert worden; daran wurde im Folgevers 300 die scheinbar parallel gestaltete zweite Hälfte durch einen Überlieferungsfehler angeglichen, indem das Schlußwort des ursprünglichen Kolons (pro tempore) temperat u n d a entsprechend dem Akk. ignes zu undas verändert wurde. Dracontius dagegen hatte – wie er es sehr häufig bei Wiederholungen tut 124 – dem scheinbar gleichen Wortlaut pro tempore temperat durch unterschiedliche Konstruktionen (transitives temperat mit Objekt ignes gefolgt von absolut gesetztem unda temperat im Sinne von se temperat) eine pikante Note verliehen. Dieses intransitiv zu verstehende temperat unda verbindet sich ähnlich gut mit dem folgenden (modo bellantes) fluctus freta pigra iacebunt (301) wie das oben zitierte intransitive temperet inuidia mit (intransitivem) frangat dolor und ira quiescat aus Romul. 8,330. [In der schon genannten Mail vom 31.5.2018 lenkt R. JAKOBI den Blick auf M. MÜLKEs Athetese des Versblocks 1,298–303. Die Durchschlagskraft der Argumentation wird u.a. dadurch beeinträchtigt, daß man dem Dichter in verwandten Katalogen (z.B. satisf. 55–92, 219–264) ein weites thematisches Ausgreifen zugesteht, in laud. 1,272–297 ihn aber auf einen reinen Tierkatalog einengen möchte. Richtete sich dort das Interesse des Dichters nur auf Tiere, wäre der Neueinsatz in 304 mit neutralem m u l t a ... data sunt ... dispersa per orbem problematisch, wodurch auf den Auftakt ne c u n c t a simul passim p e r c u n c t a fuissent (292) zurückgegriffen wird. Beide Verse bilden die Grundlage für die folgenden neutralen Formulierungen in 315f. c e t e r a ... semina – p l u r i m a, an die sich in 317ff. der Abschnitt über die Bodenschätze und die orientalischen Luxusgüter fügt. All dies (und nicht etwa nur die Tierwelt) wird durch o m n i b u s h i s genitis in 329a zusammengefaßt, bevor der Höhepunkt des 6. Schöpfungstages folgt: die Erschaffung des Menschen (329bff.).]

1,322 In 1,307 (India cum gemmis et eburnea monstra minatur) war beiläufig bereits der Reichtum Indiens an Edelsteinen benannt. In 1,317ff. wird daran angeknüpft und nun dem Thema ‘Bodenschätze/Edelsteine’ ein eigener Abschnitt gewidmet: 317 munera praeterea funduntur diuitis agri: protulit eximias et ditior I n d i a gemmas, producunt niueos et L i t o r a R u b r a lapillos, 320 flammantes uiridesque tulit B a b y l o n i a crustas;  124 Siehe ZWIERLEIN KK 2017, 348 s.v. ‘Wiederholungen mit veränderter Semantik oder Konstruktion’. Dracontius trifft sich darin mit einem seiner Musterautoren, Lukrez, s. den Index-Eintrag ‘Wortwiederholungen in unterschiedlicher Bedeutung bzw. Konstruktion’ im Krit. LukrezKommentar M. DEUFERTs (509).

  Buch I P e r s i c a nobilitas pretiosis l i t o r a gemmis frigidus et roseo carbunculus ardet honore. „Moreover, the gifts of the rich field are poured forth, and India’s richer soil produces rare gems, and the Red Sea’s shores snow-white pearls, while Babylonia furnishes marble facing which is saffron or green. The glory of Persia is its shores of priceless gems, and the Phrygian carbuncle glows with a roseate beauty“ (IRWIN).

Am Beginn von 322 ist Frigidus et überliefert; AREVALO hatte Et Phrygius oder Et Libycus konjiziert 125, VOLLMER (gefolgt von IRWIN und CORSARO) Phrygius et gedruckt, ohne sich von der falschen Prosodie abschrecken zu lassen. Aber Dracontius dokumentiert in neun Belegen, daß ihm die rechte Prosodie sowohl von Phrygius 126 als auch von Phrygibus geläufig ist. Zudem gibt es keinen sachlichen Anhalt für die Junktur P h r y g i u s carbunculus 127. Dies hat CAMUS (S. 287) dazu bewogen, beim überlieferten Text zu bleiben, den sie durch die wirkungsvolle Antithese frigidus – ardet gestützt sieht 128, „qui surtout exprime, en le poussant jusqu’au miracle de l’union des contraires, le paradoxe de l’escarboucle, pierre flamboyante comme le feu et incombustible: (principatum habent) carbunculi a similitudine ignium appellati, quum ipsi non sentiant ignes, ob id a quibusdam ob hoc a c a u s t o e appellati (Plin. 37,25 = 37,92)“ 129. Schon die alten Plinius-Ausgaben führen diesen Eintrag auf Theophrast (lap. 18) zurück. Dort folgen auf die

 125 Er verweist auf Isid. orig. 16,14,1 [aus Plin. nat. 37,91f. exzerpiert, s.u.] omnium a r d e n t i u m gemmarum principatum carbunculus habet. ... gignitur i n L i b y a apud Trogodytas. 126 Romul. 8,487; 9,66; Orest. 754. 127 Dagegen sind das Rote Meer und Persien (1,319. 321) auch z.B. in Plin. nat. 37,173 kombiniert. Geographische Regionen, in denen der carbunculus vorkommt, werden genannt in Plin. nat. 37,92 (ein reiches Tableau); 37,96 (circa Miletum); 97 (ein Katalog aus Theophrast). Aus Aethiopien eingeführte carbunculi werden nat. 5,34 erwähnt, eine Karfunkelart mit schwächerem Licht (die Lychni) 37,103 (circa Orthosiam totaque Caria ac uicinis locis, sed probatissima in Indis). 128 Es sei erinnert an Hor. ars 465f. Empedocles ardentem frigidus Aetnam│ insiluit („Empedokles sprang kalt in den glühenden Ätna“ [HOLZBERG]); Iuv. 1,165ff. ense uelut stricto quotiens Lucilius ardens│infremuit, rubet auditor cui frigida mens est│criminibus, tacita sudant praecordia culpa („sooft gleichsam mit gezücktem Schwert Lucilius in glühendem Zorn aufbrüllt, errötet der Zuhörer, dessen Gewissen erschauert wegen seiner Verbrechen, dessen Brust Schweiß bedeckt ob heimlicher Schuld“ [ADAMIETZ]); Felix AL 212,5f. (= 203,5f. SB) cum lymphis gelidis extat concordia flammae (gestat concordia flammam SB)│ ac stupet ardentes frigida nympha lacus (eine Umschreibung der Thermen, in denen das kalte Wasser vom Feuer erhitzt wird). 129 Siehe N. ADAMS, The Garnet Millenium. The Role of Seal Stones in Garnet Studies, in: Chr. ENTWISTLE – N. ADAMS (Hrsgg.), ‘Gems of Heaven’. Recent Research on Engraved Gemstones in Late Antiquity, c. AD 200–600, London 2011, 10–24, bes. 14f. (Part 2: Ancient nomenclature).

Der sechste Schöpfungstag  

brennbaren Sorten von Kohlegestein (lap. 17 τῶν μὲν οὖν κ α ι ο μ έ ν ω ν σχεδὸν αὗται διαφοραί [„von den brennenden sind etwa dies die Unterschiede“]) die nicht brennbaren: Ἄλλο δέ τι γένος ἐστὶ λίθων ὥσπερ ἐξ ἐναντίων πεφυκός, ἄκαυστον ὅλως, ἄνθραξ καλούμενος, ἐξ οὗ καὶ τὰ σφραγίδια γλύφουσιν, ἐρυθρὸν μὲν τῷ χρώματι, πρὸς δὲ τὸν ἥλιον τιθέμενον ἄνθρακος καιομένου ποιεῖ χρόαν. τιμιώτατον δ' ὡς εἰπεῖν („Es gibt aber eine andere Art von Steinen, die wie von entgegengesetzter Natur ist, gänzlich unbrennbar, (jedoch) ἄνθραξ [„Kohle“] genannt, aus dem man auch die Siegelsteine schneidet, rot in der Färbung; wenn man diesen Stein gegen die Sonne hält, zeigt er die Farbe glühender Kohle. Er gilt als die kostbarste Art.“). Dracontius (oder seine Quelle) konnte das Verb a r d e t aus dem einleitenden Satz des Plinius gewinnen (37,91 [Ende] obiterque omnium a r d e n t i u m gemmarum indicanda natura: „und beiwege sollen die Eigenarten aller funkelnden Edelsteine benannt werden“) 130, die Begriffe nobilitas und honore aber aus dem Auftakt principatum habent (carbunculi) [„den ersten Rang nehmen ein“], wodurch Plinius (37,92) Theophrasts τιμιώτατον wiedergegeben haben dürfte. Diese carbunculi tragen ihren Namen a similitudine ignium: „wegen ihrer Ähnlichkeit mit Feuerschein“; denn nach Theophrast erglühen sie, wenn man sie gegen die Sonne hält, wie brennende Kohle, sind selbst aber feuerresistent, also acausti – von Dracontius durch (carbunculus) f r i g i d u s umschrieben. Ein verwandtes Oxymoron begegnet in der ‘collectio sermonum Feliciana (extravagantibus aucta)’ des Petrus Chrysologus, dort serm. 178 (extrav. 9),2 [CCL 24 B, lin. 28), von RUBENBAUER in ThLL VI 1, 1329,45f. noch dem Augustinus zugeschrieben (serm. ed. Mai 6,2) und der hier verhandelten carbunculus-Stelle zugesellt: l a p i s lapidi inlisus, cum sit f r i g i d u s, e m i t t i t i g n e m („ein Stein auf einen Stein geschlagen sendet, obwohl selbst kalt, Feuer aus“) 131. Das durch die Handschrift B und durch Eugenius einhellig überlieferte Oxymoron frigidus (carbunculus) ardet erhält eine Stütze durch das g e l i d u m ... iubar der Winter-

 Dort werden die beiden bekannten Stellen Aristot. met. 4,9, 387b18 und Theophr. lap. 18f. (33ff.) als Belege für den feuerunempfindlichen ἄνθραξ angeführt. 130 Dies gilt, obwohl die Junktur ardentes gemmae dreimal auch in den Briefen des Hieronymus und u.a. bei Claudian (5,347) begegnet. 131 Damit eng verwandt ist serm. 96,1 (CCL 24 A, lin. 6f.) i n l a p i d e f r i g e t i g n i s, latet ignis in ferro, ipse tamen i g n i s ferri ac l a p i d i s conlisione f l a m m a t u r; sic obscurum uerbum uerbi ac sensus conlatione resplendet („im Stein steckt kaltes Feuer, Feuer verbirgt sich im Eisen, und doch wird dieses Feuer, wenn man Eisen und Stein zusammenschlägt, zum Aufflammen gebracht; ebenso leuchtet ein dunkles Wort auf, wenn man Wort und Sinn vergleicht“).

  Buch I sonne in laud. 2,23. Auch an den ‘kalten’ Glanz des Mondlichts darf erinnert werden, den lunae f r i g i d u s orbis (laud. 1,54), die lux f r i g i d a (1,666; s. S. 32) und die f r i g i d a luna von laud. 2,10f. (s.u. S. 175) 132. Der Grund, weshalb die Philologen so intensiv nach einem Ersatz für das Attribut frigidus gesucht haben, war nicht allein die Fremdartigkeit der Junktur frigidus carbunculus, sondern auch die scheinbare Durchbrechung der Struktur des Edelstein-Passus durch den letzten Vers: Die voraufgehenden vier Zeilen 318–321 scheinen alle jeweils eine geographische Angabe (India – Litora Rubra – Babylonia – Persica) mit einer am Versende stehenden Materialbezeichnung (gemmas – lapillos – crustas – gemmis) zu verbinden, denen je ein vorausgeschicktes Attribut (eximias – niueos – flammantes uiridesque – pretiosis) zugeordnet ist. Vers 322 weicht davon ab. Sieht man jedoch genauer hin, wird deutlich, daß sich schon Vers 321 von der Reihe 318–320 abhebt. Diese bildet eine für sich stehende Einheit mit den drei Verba protulit – producunt – tulit, die jeweils ein Akkusativobjekt regieren, das die drei Versenden einnimmt. Dieses parallel gestaltete Trikolon kommt mit Vers 320 zu einem Abschluß, der sich durch das gewichtigere Doppelattribut flammantes uiridesque zu Beginn des Verses andeutet. An dieses Trikolon fügen sich die beiden folgenden Verse (321f.) als eine neue Einheit, die durch die Stichworte Persica nobilitas und honore gerahmt wird. Durch pretiosis ... gemmis wird die Verknüpfung mit eximias ... gemmas in 318 gewährleistet, durch (Persica) litora die Verbindung mit Litora Rubra in 319 hergestellt. Ziel der Strukturierung des Gesamtpassus ist es, den Karfunkel als krönenden Abschluß an das Ende des Edelsteinkatalogs zu setzen, weil er durch seinen feurig-roten Glanz in besonderem Ansehen steht – in den

 132 Das für unseren Zusammenhang spezifische Attribut frigidus scheint im Troilus des Albert von Stade aus dem Jahr 1249 gegen ein allgemeines Epitheton ornans, nämlich fulgidus, ausgetauscht worden zu sein: Troil. 4,773 fulgidus o b r i z o carbunculus ardet in auro („auf geläutertem Gold“); siehe den Apparat der Ausgabe von Th. GÄRTNER. In seiner Diss. berührt er die Stelle nicht, scheint aber grundsätzlich mit Dracontius- (oder Eugenius-) Imitation zu rechnen. Das Wortfeld fulgere/fulgor spielt im Zusammenhang mit Gemmen, insbesondere Karfunkeln, eine große Rolle, siehe etwa Plin. nat. 8,137; 37,80f. (in 81 wird der fulgor, die Strahlkraft, gleichgesetzt einer sulpuris ardentis flamma); 37,93ff., dort gegen Ende von 94: Callistratus fulgorem carbunculi debere candidum esse, ut positus extremo uisu nubilantes attollat exardescente fulgore („Callistratus holds, that a ‘carbunculus’ ought to cast a brilliant, colourless refulgence, so that when placed on a surface it enhances the lustre of other stones that are clouded at the edges, thanks to its own glowing brilliance“ [EICHHOLZ]). In 37,123 wird der Glanz einer Farbe umschrieben als uelut ex carbunculo refulgens quidam leiter in purpura r o s e u s color [v.l. nitor] („in its purple colour a rosy tint shining forth gently as though from a ‘carbunculus’“ [EICHHOLZ]).

Der sechste Schöpfungstag  

Worten des Plinius: principatum habet. Der Dichter bringt dies in einer ungewohnt parataktischen Formulierung zum Ausdruck: „Der Ruhm Persiens sind seine Fluß- und Meeresstrände mit kostbaren Edelsteinen; (dort) erglänzt auch der kalte ‘carbunculus’ in feurig-roter Schönheit.“ 1,323 S e r e s fila trahunt 133 nullo sub pollice ducta, balsama C a e s a r e o s plorant uirgulta per agros 325 et nimis ambrosium lacrimae dant munus odoris. „The Chinese draws threads not spun by thumb; thickets weep balsam through the fields of Caesarea, and their tears supply a fragrant bounty which is exceedingly ambrosial“ (IRWIN).

Serus (B) dürfte Verschreibung von Seres (M3 Eug.) sein, die den Singular des Verbs (trahit) nach sich gezogen hat. Es wäre also methodisch fragwürdig, wenn man den Singular Ser herstellen wollte (Ser et druckt CAMUS). Für Seres ... trahût (= trahunt) sprechen Stellen wie Sen. Phae 389 quae fila ramis ultimi S e r e s legunt; Sil. 6,3f. primique nouo Phaethonte retecti│ S e r e s lanigeris repetebant uellera lucis („and the Seres, first disclosed by the sunrise, began again to pluck fleeces from their wool-bearing trees“ [DUFF]); Avien. orb. terr. 936 uellera per siluas S e r e s nemoralia carpunt; Claud. carm. 7,210 (uellera S e r e s); Florentin. AL 376,12 (= 371,12 SB) uellera quot S e r e s tingunt uariata colore (in einem Preisgedicht auf Thrasamund und Carthago!); AL 21,104 R2 (= 8,104 SB) uellere S e r e s; Ov. met. 14,264f. Nereides nymphaeque simul, quae uellera motis│ nulla trahunt digitis nec fila sequentia ducunt („Nereustöchter sind da und Nymphen; doch krempeln die flinken│ Finger nicht Wolle, noch drehn sie gehorsam gleitende Fäden“ [BREITENBACH]). [Es sollen aber die durch M. BECK artikulierten Gegenstimmen nicht unterdrückt werden: a) Serus (B) scheint eine Parallele im Vers Marcell. Med. 62 Indus Arabs S e r u s Perses diuesque Sabaeus | uicino sub sole legunt zu haben. b) Selbst wenn man sich für die Konjektur Seres entscheidet, könnte das Verb im Singular stehen, wenn man auf Serv. Verg. georg. 2,121 bauen dürfte: alii ‘depectat’ legunt; quod si est, ‘Seres’ posuit pro ‘Ser’, sicut ‘trabes’ pro ‘trabs’ (worauf die vermeintliche Parallele Lucan 1,19 folgt, die nicht trägt). M. DEUFERT gibt zu bedenken, daß Dracontius Seres in Analogie zu Perses als Singular gewertet haben könnte.]

 133 So lautet AREVALOs gedruckter Text (ich hatte ohne Kenntnis des Vorgängers die gleiche Korrektur vorgenommen).

  Buch I .. Die Erschaffung der Frau 1,375 sed cum iure Deus nullo prohibente ualeret demere particulam de quod 134 pius ipse pararat 375 (sed si ablata daret iuueni sua costa dolorem, redderet et tristem subito, quem laedere n o l l e t), fur Opifex u u l t esse suus. nam posset et illam puluere de simili Princeps formare puellam, sed quo plenus amor toto de corde ueniret, 380 noscere in uxorem u o l u i t sua membra maritum. „But although God had every right and incontestable power to take a portion from what He in His goodness had made (but if He were to inflict pain on the youth by depriving him of a rib, and suddenly bring sorrow on him whom He did not wish to injure), He the Craftsman wished to be the thief of His own property. To be sure, the First Cause could likewise have formed from like dust that famous maiden, but that love in all fullness should emerge from his whole heart, He wished the husband to perceive that his own members had been transferred to his wife“ (IRWIN).

Die Stelle ist ausführlich behandelt in HUDSON-WILLIAMS (1947) 97f. Die dort vorgeschlagenen Änderungen (in 373 nam statt sed; in 375 soll sed eine Apodosis einleiten und mit ui statt si kombiniert werden 135) sind von den Herausgebern mit gutem Grund nicht übernommen worden. Eugenius hat in seiner normalisierenden Textvariation das „stipulative“ Grundschema adtamen ne ... doleret treffend wiedergegeben: Statt sed si ist sed ne zu schreiben, das bedeutet: Es wird eine einschränkende Bedingung formuliert, „unter der der Inhalt des Obersatzes Geltung haben soll“ (HOFM.-SZ. 641) 136. Die Negation bei stipulativen ut-Sätzen ist ne oder ut ne. Weshalb ne in si verschrieben wurde, läßt sich nicht sicher klären 137. Vielleicht war dem Schreiber geläufig, daß einschränkendes ea condicione (oder sub condicione) mit ut, ne und si verbunden werden kann, weswegen er assoziativ

 134 de quo C EUG. 135 AREVALO hatte ne ui für sed si vorgeschlagen, Eugenius den ganzen Vers umformuliert: adtamen ablata iuueni ne costa doleret. 136 Nachträglich lese ich in AREVALOs Kommentar ad loc.: „Ex Vat. elici potest haec lectio, Sed ne ablata daret juveni sua costa dolorem, vel At ne ablata vel, ut edidi, Ne vi ablata, quod comprobatur ex v. 377, Fur opifex vult esse suus.“ etc. 137 Th. RIESENWEBER weist darauf hin, daß ein si manchmal wie ñ aussieht. Möglicherweise sei ne so (oder ähnlich) abgekürzt gewesen. Vgl. auch die ne/si-Vertauschung in 3,251 (Anm. 386).

Der sechste Schöpfungstag  

für den vorliegenden Bedingungssatz die (scheinbare) Alternative si wählte 138. Die Periode 1,373ff. ist also wie folgt zu konstruieren: cum iure Deus ... ualeret ... d e m e r e particulam (sed ne a b l a t a daret ... costa dolorem ...) 139, fur Opifex uult esse suus: „Da aber Gott mit Fug und Recht – ohne daß ihn jemand hätte hindern können – die Machtvollkommenheit besaß, ein kleines Teil von dem Körper, den er selbst in seiner Güte 140 geschaffen hatte, wegzunehmen (f r e i l i c h u n t e r d e r B e d i n g u n g, d a ß die Wegnahme einer Rippe seines Körpers dem jungen Mann k e i n e n Schmerz verursachen, und Gott nicht sogleich d e n traurig machen würde, den zu verletzen er doch niemals die Absicht hätte), zieht es der Schöpfer vor, sein eigener Dieb zu sein. Denn der Herr des Alls hätte jene junge Frau (Eva) aus dem gleichen Staub (Lehm) wie Adam formen können; aber um zu gewährleisten, daß die Liebe Adams in ganzer Fülle aus ungeteiltem Herzen komme, war es Gottes Wille, daß der Ehemann in seiner Gattin 141 sein eigen Fleisch erkenne.“ (Also entnahm er Adam eine Rippe und formte daraus eine junge Frau in heiratsfähigem Alter.)

 138 Siehe ThLL IV 128,78ff.; 129,12ff. 25ff. (jeweils ‘sequitur ut, ne, si’). Eine Verbindung mit nisi oder ni bei negativem Satz scheint aber nicht belegt. So muß also die theoretisch denkbare Alternative zu ne, nämlich ni, in laud. 1,375 ausgeschlossen bleiben. Sie wäre auch deshalb unwahrscheinlich, weil ni in hexametrischer Dichtung nur höchst selten verschliffen wird (genannt seien Hor. sat. 1,1,44 at ni id fit und Prud. psych. 235 quid ni illos spes palpet iners [M. DEUFERT weist darauf hin, daß an beiden Stellen jeweils die gleichen i-Vokale aufeinandertreffen]). Verschliffenes ne dagegen begegnet sogar zweimal bei Dracontius selbst: laud. 3,252 ne incredulus extet; 3,431 ne esset post bella superstes. Der Versauftakt sed ne findet sich bei Dracontius noch sechsmal. 139 Zur Junktur dare dolorem siehe Paul. Nol. carm. 9,10 namque d a b a t nobis durum grauis ira d o l o r e m; CE 682,3 dolorem sine fine dedit; Vulg. prov. 10,10 qui annuit oculo d a b i t d o l o r e m, stultus labiis uerberabitur. 140 Zu quod pius ipse pararat vgl. 1,41 und später 1,429 (huic [sc. homini] dominus p i e t a t i s opem subducere non uult). Das Attribut wird Gott häufig beigelegt, z.B. 1,435f.; 2,104 (pius et genitor). 694. 141 In 1,380 scheint noscere in uxorem ... sua membra für noscere in uxore ... s. m. zu stehen. Siehe hierzu HOFM.-SZ. 276ff. („Vertauschung von in mit Abl. und Akk.“). Da Dracontius im Schöpfungsbericht öfter den Marius Victor benutzt (siehe hier VOLLMERs Similienapparat zu 1,377. 380. 381), verdient in 380 BARTHs Konjektur i n u x o r i s (advers. 21,2) eine gewisse Beachtung; denn sie könnte einen Anhalt im entsprechenden Passus des Marius Victor (aleth. 1,355–388) haben, dort 378ff.: ut cognatio quaedam alternum curae propriae misceret amorem 380 semet i n a l t e r i u s cogens agnoscere membris („damit eine Art Verwandtschaft darauf hinwirkt, daß sich die gegenseitige Liebe mit der Selbstfürsorge verbindet und so dazu zwingt, sich selbst im Körper des Gegenüber zu erkennen“).

  Buch I 1,389f. Es ist mit Th. GÄRTNER (Mnemos. 52, 1999, 198) zu interpungieren: 389 non tamen ex coitu genitor, sed coniugis auctor somnus erat; partus conceptus semine nullo.

. Adam und Eva im Paradies .. Das glückliche Leben in paradiesischer Unschuld 1,453 uomere non tellus, non rastris iussa domari, 450 quaerere nec sudor fructus quocumque labore cogitur aut campos aliquo de f o n t e r i g a r e; i m b r e ferax nullo, p l u u i i s absentibus uber caespes et arbitrio crescit fetura marito. „The earth was bidden to be tamed neither with plow-share nor with rakes, nor is sweating toil compelled to seek crops by any labor whatsoever, or to irrigate the fields from some spring. The sod is fertile without rain, productive without showers, and the vine grows at its husband’s bidding“ (IRWIN).

Besser ist der letzte Vers von CAMUS erfaßt: „Sans ondée, la terre est fertile, féconde en l’absence de pluies, et elle voit grandir les fruits de ses entrailles, qui n’ont d’autre père que son bon plaisir“.

AREVALO hat den kühnen Ausdruck arbitrio ... marito unter Rückgriff auf BARTHs Paraphrase ‘lubentia naturali, voluptate nativa’ verteidigt und hinzugefügt: „Facere aliquid arbitrio est facere sponte, non jussu aut coacte.“ Dracontius aber habe mit seiner Junktur arbitrio marito die in die Dichtersprache eingeführte Formel imbre marito (Mar. Victor aleth. 2,167) oder maritis imbribus (Pervig. Ven. 4. 11) 142 abgewandelt. Dies lag für ihn auch deshalb nahe, weil in 452 i m b r e ferax  142 Vgl. Per. Ven. 59 cras erit quo primus aether copulauit nuptias. (AL 191 SB) ut pater †totis† [totum Salm.; l(a)etum Zw.] crearet uernis annum nubibus, in sinum maritus imber fluxit almae coniugis, 62 unde fetus mixtus omnis aleret magno corpore. („Morgen hat zuerst der Aether mit der Erde sich vermählt. Daß des Vaters Lenzesschauer reichlich segneten das Jahr,

Adam und Eva im Paradies  

n u l l o vorausgeht. Am Beginn der Kette stehen (das hat CAMUS [S. 300] gesehen) Lukrez (1,250f.; 2,992ff.) und Vergil, siehe georg. 2,325ff.: tum pater omnipotens fecundis i m b r i b u s Aether│ c o n i u g i s i n g r e m i u m laetae descendit, et omnis│ magnus alit magno commixtus corpore fetus 143. Dracontius hatte dem arbitrio crescit fetura marito schon vorgearbeitet durch (tigris) uento fetata marito in 1,311 – eine Formel, die er in 2,89 ein weiteres Mal abwandeln wird zu uerbo fetante marito (denn die Empfängnis Jesu im Schoß Mariens läuft über das Ohr der Jungfrau) 144.

.. Sündenfall und Scham 1,491f. 491 Viderat Omnipotens homines d i d i c i s s e pudorem, 145 p e r d i d e r a n t quem fraude truci dapibusque comesis, errantes per prata reos foliisque tegentes 494 fecundos artus: dant a g n i t a membra reatum. „The Almighty had observed that men had learned the meaning of the innocence which they had lost because of cruel deceit, and the food which they had shared together, and had seen His guilty children roaming in the fields, hiding their fruitful loins with leaves. The understanding of their parts indicates their guilt“ (IRWIN). „Le Tout-Puissant avait vu que les hommes étaient instruits de la pudeur, la pudeur qu’ils avaient perdue 146, victimes d’une malice cruelle et de la nourriture qu’ils avaient mangée.

 Sank im Regen er sich gattend in der holden Gattin Schooß, Um zu nähren die Geschlechter, zu dem großen Leib gemischt“ [A. Möbius 1816]). Zu Vers 60 („durch Frühjahrs-Regenwolken ein fruchtbares Jahr [l a e t u m annum] einleiten“) siehe die gleich anschließend zu nennenden Lukrezstellen, wo in 1,255 auf l a e t a s urbis pueris, in 1,257 auf pabula l a e t a und in 2,994 auf arbusta ... l a e t a verwiesen wird; ferner ThLL VII 2, 883,79ff. (‘praevalet notio u b e r t a t i s’); Verg. ecl. 7,60 Iuppiter ... l a e t o descendet plurimus i m b r i. Die Junktur laetus annus findet sich Liv. 10,47,6; vgl. Ps.Quint. decl. 4,4 cum ... praestaret propiora prospera, l a e t o s i n c i p i e n t e s a n n o s. 143 Man vergleiche bes. das Zitat in Anm. 142, dort die Stichworte aether (59), pater (60) und die Verssegmente in sinum ... imber ... coniugis (61) und fetus ... omnis aleret magno corpore (62), die alle aus Vergil geschöpft sind. 144 Weniger prätentiös schreibt er Romul. 3,3f. rore maritat│arua suo (sc. polus). 145 Siehe das Kapitel II.4 (‘Eva, Adam und die Erbsünde’) samt Bilddarstellungen in RUMSCHEID – SCHRENK – KRESSIRER (2018) 145–157. 146 Das französische ‘pudeur’ bleibt ähnlich unbestimmt wie pudor. Im Englischen muß IRWIN Farbe bekennen: „that men had learned t h e m e a n i n g o f t h e i n n o c e n c e

  Buch I Il voyait les coupables errant parmi les prés et couvrant de feuillage les organes de la fécondité: la connaissance de leur corps manifeste leur péché“ (CAMUS).

In d i d i c i s s e pudorem, p e r d i d e r a n t quem (492f.) steckt ein nur schwer auflösbares Oxymoron 147, da das Verhältnis der beiden Verba ja nicht so verstanden werden kann, daß Adam und Eva ihre (zuvor) durch den Sündenfall verlorene Unschuld (nun) w i e d e r e r l e r n t hätten, oder daß ihnen nunmehr d i e B e d e u t u n g der zuvor verlorenen Unschuld (neu) aufgegangen wäre (s. IRWIN). Vielmehr zeigt der ganze Zusammenhang (und der zugrunde liegende biblische Schöpfungsbericht), daß die beiden Ureltern so lange in p a r a d i e s i s c h - u n b e f a n g e n e r, ‘ei n f ä l t i g e r’ U n s c h u l d lebten (439 simpliciter, 442 rudes, 466 und 484 simplicitas), bis sie – durch die List der Schlange verführt – von den Früchten des verbotenen Baumes aßen, der sie Kenntnis des Guten und Bösen lehrte 148. Mit dieser Gesetzesübertretung verloren sie ihre l a u t e r e E i n f a l t (pudor in der Bedeutung simplex probitas oder rudis honestas) 149 und „erlernten“, d.h. verspürten von da an S c h a m (491  which they had lost because of cruel deceit“. Der Zusammenhang zeigt, daß dies eine Ausflucht ist. 147 Änderungsversuche wie prodiderant führen ins Leere. 148 Vgl. Vulg. Gn 2,17 de ligno autem s c i e n t i a e b o n i e t m a l i ne comedas; 3,5 (die Schlange) ‘... in quocumque die comederitis ex eo (sc. ligno), aperientur oculi uestri et eritis sicut dii, s c i e n t e s b o n u m e t m a l u m’; 3,7 (nachdem beide von dem Apfel gegessen hatten) et aperti sunt oculi amborum, cumque c o g n o u i s s e n t s e e s s e n u d o s, consuerunt folia ficus et fecerunt sibi perizomata. Erst n a c h der Gesetzesübertretung erschließt sich die Kenntnis von Gut und Böse (permixta b o n i s patuit d o c t r i n a m a l o r u m: 1,473f.) und erst n a c h dem Genuß des Apfels, den ihm Eva gereicht hatte (vgl. postquam in laud. 1,481 und postquam foedere rupto in Alc. Avit. carm. 3,85), kann Adam zwischen der sittlichen Würde und Verkehrtheit unterscheiden, siehe laud. 1,483ff. mox s a p i t infelix, quid p r a u u m, quid sit h o n e s t u m: c o g n i t a simplicitas, sed mox est corde fugata. 485 membra p u d e n d a p u t a n t partem, quae est prolis origo, et qua uentris erat digestio turpis h a b e t u r. („he is soon filled with a hapless sense of right and wrong. Innocence was comprehended, but was soon banished from his heart. They recognize the part which is the means of offspring as the part to be ashamed of, and the place where the belly’s waste went out is held shameful“ [IRWIN]). 149 Vgl. honestum in laud. 1,442. 483; vor allem aber die in 465ff. umschriebene Intention der Schlange: quaerit opem sceleri, per quam fallatur honestas│ simplicitasque cadat uel credula corda reatum│incurrant non fraude sua, sed clade perenni („seeks an accessory for crime, through which honor may be beguiled, and innocence may fall, and indeed their credulous hearts may incur guilt, not because of their own dishonesty, but still with their enduring calamity“ [IRWIN]). Ähnlich auch Avitus, vgl. carm. 1,322 i g n a r a mali nouitas nec conscia fraudis; 2,20f. corpora nuda uident et mutua cernere membra│ n o n p u d e t atque rudis foedum nil sentit honestas

Adam und Eva im Paradies  

didicisse pudorem) beim Anblick der Geschlechtsorgane 150. Das zentrale Stichwort pudorem ist also in raffinierter Ambiguität gesetzt: in Verbindung mit didicisse bedeutet es „Schamgefühl“, im angeschlossenen Relativsatz perdiderant quem aber „lautere Unschuld“. Der wohl nur wenig später schreibende Avitus scheint diese Ambiguität des Ausdrucks in carm. 2,271ff. wie folgt umgesetzt zu haben: 2,271 tum patuisse gemunt oculos 151; nam culpa rebellis fulsit et obscenos senserunt corpora motus. tum primum nudos (dubium, quid dicere possim: e x t i n c t u s n a t u s ne 152) pudor circumspicit artus. 275 erubuit propriae iam mens sibi conscia culpae pugnauitque suis carnis lex indita membris. „Da beklagen sie mit Seufzen, daß ihre Augen geöffnet worden waren; denn die aufrührerische Schuld trat offen hervor und ihre Körper spürten geschlechtliche Regungen. Damals empfand erstmalig – soll ich sagen ihre ausgelöschte Unschuld oder ihr frisch entstandenes Schamgefühl (?) – beim Anblick der Glieder ihres Körpers, daß sie nackt waren. Sogleich errötete ihr Sinn im Bewußtsein der eigenen Schuld und es kämpfte das eingeborene Gesetz des Fleisches gegen seine Gliedmaßen.“

Aus homines d i d i c i s s e pudorem,│ p e r d i d e r a n t quem (491f.) und foliisque tegentes│ fecundos artus (493f.) ist obscenos ... motus │ ... nudos (dubium, quid dicere possim)│ e x t i n c t u s n a t u s ne pudor circumspicit artus geworden. Dabei ist pudor ganz wie in laud. 1,492 doppeldeutig gesetzt, das harte Oxymoron aber durch dubium, quid dicere possim in Verbindung mit dem indirekt fragenden extinctus natusne aufgelöst und dem Verständnis erschlossen. Der sekundäre Charakter des Avitus-Passus erhellt auch aus der Ersetzung des Infinitivs d i d i c i s s e (mit dem Relativsatz perdiderant quem) durch den neutralen Ausdruck extinctus n a t u s ne. Denn das Wortfeld scire/scientia – cognoscere –

 (vermutlich eine Variation von laud. 1,439–443); 2,25 tunc mens intactos seruabat candida uisus; 2,98f. (simplicitas ignaua, s. ZW. MH 64, 2007, 147–149, wo noch 2,182 rudibus n o n c o g n i t a res est und 216 ignorans zu bedenken wären). 150 Über die Entstehung des Schamgefühls ausführlich Mar. Victor aleth. 1,423–441 mit dem abschließenden Stichwort p o s t c u l p a m m e n t e r e c e p t u m │... pudorem; ferner Alc. Avit. carm. 3,81–89, beginnend mit der Frage Gottes: ‘et quis’ ait ‘s u b i t u m concussit corde pudorem?’ 151 Vgl. laud. 1,473f. reserantur l u m i n a c o r d i s │ac permixta bonis p a t u i t doctrina bonorum („the windows of her soul are unbarred, and there lay revealed to her a knowledge of evil mingled with the good“ [IRWIN], s.o.). 152 M. DEUFERT gibt zu erwägen, ob natusue zu schreiben sei.

  Buch I doctrina – sapere durchzieht sowohl den biblischen Bericht vom Sündenfall als auch die Erzählung des Dracontius 153, dürfte also originär aus dem biblischen Bericht gewonnen sein. Folglich ist didicisse in 472 schwerlich auf dem Umweg über Avits Junktur extinctus natusne ersonnen. Diese aber erklärt sich leicht aus dem Bestreben, die Kombination von didicisse mit dem neutralen p e r d i d e r a n t zu einem einheitlichen Doppelausdruck, der griffigen Opposition e x t i n c t u s / natus umzuformen. Imitatorische Bezüge zwischen A l c i m u s A v i t u s und D r a c o n t i u s sind offenkundig, vgl. ZWIERLEIN, KK 2017, 279; ferner oben Anm. 88 und unten zu 1,536ff. Zur oben behandelten Paradiesschilderung habe ich eine Reihe von Belegen zusammengestellt (die Markierungen beziehen sich jeweils neu auf Analogien zwischen den aus laud. 1 und Alc. 1 ausgeschriebenen, aufeinander bezogenen Textzitaten; die neuen Einheiten sind jeweils durch Auftakt-Majuskel abgesetzt): laud. 1,192 Non glacies destricta domat, non grandinis ictus uerberat aut gelidis canescunt prata pruinis. Alc. 1,221 uel densente gelu canescunt arua pruinis. laud. 1,184 Fructus inest (sc. horto) anni, cum tempora nesciat anni Alc. 1,231 nam quidquid nobis toto nunc nascitur anno, menstrua maturo dant illic tempora fructu. laud. 1,189f. non solis anheli│flammatur radiis, ...│ 192 non glacies destricta domat, Alc. 1,218 non hic alterni succedit temporis umquam bruma nec aestiui redeunt post frigora soles. laud. 1,185 Alc. 1,227f. laud. 1,199 Alc. 1,222

Illic floret humus semper sub uere perenni perpetuo uiret omne solum terraeque tepentis│blanda nitet facies uer ibi perpetuum communes temperat auras hic uer adsiduum [= georg. 2,149] caeli clementia seruat;

laud. 1,196 Arboribus mouet illa (sc. aura) comas, de flamine molli f r o n d i b u s inpulsis inmobilis umbra uagatur 204 pendet et optatae uiuax medicina salutis Alc. 1,229 arboribusque comae (sc. stant semper; vgl. Horaz carm. 4,7,2) 1,247 tum si forte leuis mouit spiramina uentus, flatibus exiguis lenique impulsa susurro diues silua tremit f o l i i s ac flore salubri, 250 qui sparsus terris suaues dispensat o d o r e s laud. 1,181 (locus) floribus ambrosiis g e m m a t o caespite pictus, plenus o d o r i f e r i s numquam marcentibus herbis,

 153 Siehe Anm. 148; ferner laud. 1,440 nescia ruboris, 442 scirent, 475 nescisse.

Adam und Eva im Paradies  

Alc. 1,256

uarios dant arua colores et naturali campos d i a d e m a t e pingunt.

1,497. 500 496

Hos increpat ore tonanti sacrilegos, quos iura Dei calcasse profanant, dum quaerunt ullas foliis uel rupe latebras, tunc magis obtunsi, cum credunt posse latere 500 †omne tuum (B) quodcumque Deum, cui cuncta patescunt, et merito, quia cuncta facit fecitque iubendo. „These He chides with thundering voice, impious mortals who He charges have trampled God’s laws under foot in their search for any hiding places afforded by leaves or rock, at that time especially stupid, when they think they can hide anything at all from the all-seeing God to Whom all things lie revealed, and rightly so, because He is the Creator of all, and has created it by His mere order“ (IRWIN).

Das von TRAUBE hinter sacrilegos gesetzte Komma bieten alle Ausgaben seit VOLLMER am Ende von 496. In diesem Punkt könnte der ansonsten wohl untadelige Budétext noch leicht verbessert werden. In ihm ist F. WALTERs Konjektur profana[n]t übernommen (WS 45, 1926–1927, 111), die von CAMUS im Kommentar zu Recht verteidigt wird 154: Um den Preis einer minimalen Änderung werde so der Text durchsichtig: „calcasse devient sujet de profanat, qui garde son sens le plus ordinaire“ (S. 302 ad loc.). Ihre Übersetzung („Dieu interpelle d’une voix de tonnerre ces sacrilèges que souille le mépris des lois divines, tandis qu’ils cherchent dans les feuillages ... une cachette“) führt geradezu darauf, das Komma wieder in die von Traube gewählte Position zu bringen: „Der Relativsatz quos iura Dei calcasse profanat (‘welche das Treten der Gesetze Gottes entehrt’) erklärt schön das Pradikativum sacrilegos, mit dem Gott sie anherrscht; und während er das tut, versuchen sie sich vor ihm zu verstecken (der dum-Satz ist bei Aufnahme der Konjektur profanat auf das Hauptverb increpat zu beziehen)“. Diesem überzeugenden Plädoyer fügt M. DEUFERT ein weiteres zugunsten des von VOLLMER in Vers 500 eingeführten Hapax legomenon omnituum (omne tuum B) hinzu, das er beispielsweise durch singuläres omniparus (statt -parens) bei

 154 Sie hätte sich dabei auf BLOMGREN (1966, 46f.) stützen können, der – ohne Kenntnis WALTERs – ein zweites Mal (quos) profanat (statt -ant) konjiziert und die dabei erforderliche Konstruktion mit dem Subjektsinfinitiv durch (teilweise aus VOLLMERs Index bezogene) Parallelen untermauert hat (47).

  Buch I Rust. Help. benef. 86 stützt (es ist aus Verszwang gewählt), ferner durch singuläres omnipauus und omniuolus (statt -uolens), etc. (s. ThLL IX 2, 603,83; 604,6; 625,11). 1,502–504 Die Umstellung von HUDSON–WILLIAMS (1947) 98f. hat zu Recht Eingang in den Budé-Text gefunden. Ursache der Verderbnis ist ein Augensprung: 502 non fugit artificem chalybis, quae massa caminos 503a sustineat, 504b quae missa semel fornace liquescat, 504a exedat 503b rubigo latens quae uiscera ferri.

. Gottes Gericht über Adam und Eva 1,535 Deo tunc uoce reatus crimine femineo semet peccasse fatetur 535 infelix coniunx, in coniuge facta redundat et reus accusat; sed non purgandus agebat. „Then arraigned by the voice of God, the hapless husband confesses that he has sinned because of the woman’s transgression; although himself under indictment, he lays the deeds upon his wife, and accuses her; but he was pleading his case without a chance of condonation“ (IRWIN).

Die Herausgeber und Kommentatoren operieren in Vers 535 mit transitivem redundare („faire rejaillir sur“ [CAMUS ad loc.]). Doch fehlt ein unserem Zusammenhang angemessener Beleg für redundare im Sinne des Abwälzens einer Tat auf jemand anderen. In Stat. silv. 4,3,71 leitet der Dichter eine längere Rede des personifizierten Volturnus-Flusses mit dem Auftakt raucis t a l i a faucibus r e d u n d a t ein („läßt derartiges aus seinem Mund hervorströmen“), von VOLLMER als „neugebildete Construction mit Anlehnung an die Grundbedeutung redundans loquitur“ erklärt. „The notion of excess implicit in redundare contributes to the picture of the river’s youthful exuberance“ (COLEMAN ad loc.). Für laud. 1,535

Gottes Gericht über Adam und Eva  

läßt sich daraus nichts gewinnen, ebensowenig aus den beiden restlichen Belegen für transitives redundare, in denen redundatus das Ptz. Präs. Akt. ersetzt 155. Zu schreiben ist vermutlich refundit 156: „Der Gatte schiebt das unrechte Handeln auf die Gattin ab 157; der Schuldbeladene klagt an“. Dracontius dürfte hier seinem Landsmann Augustinus folgen, der sich gen. c. Manich. 2,17,25 ähnlich über Adams Verhalten äußert: deinde iam more superbiae in se non accusat quod consensit mulieri, sed in mulierem refundit culpam suam; et sic subtiliter quasi de astutia, quam miser conceperat, uoluit ad ipsum deum pertinere quod peccauit 158. Vgl. Aug. in psalm. 63,4 iniquitatem facinoris sui in iudicem hominem refundere uolebant; sed numquid deum iudicem fallebant? 140,11 sed uis, o nefande, false electe, defendere peccatum tuum, ut quando aliquid mali feceris, non tu fecisse uidearis; quaeris in quem peccatum tuum refundas, et refundis in gentem tenebrarum. sed ad deum adtende, si non in illum refundis; c. Iulian. op. imperf. 2,7 qui flagitia in necessitatem carnis refundunt 159. Dracontius bietet die Versklausel refundit in laud. 1,28 und 2,397; er verwendet das Verb weitere drei Male am Versende.

 155 Ov. fast. 6,402 amne r e d u n d a t i s fossa madebat a q u i s und trist. 3,10,52 r e d u n d a t a s flumine cogit a q u a s. Keine zusätzliche Hilfe bietet jetzt ThLL XI 2, 586,19–30. 156 Die Endung -it konnte aufgrund der Verben accusat ... agebat im folgenden Vers leicht in -at übergehen. – Bei AREVALO (ad loc.) finde ich nachträglich den Eintrag, daß RIVINUS r e t u n d i t geschrieben hatte. AREVALO selbst belegt die Konstruktion redundo mit Akk. durch Stat. silv. 4,3,71 und erläutert: „redundat, hoc est peccatum partim in conjugem rejicit.“ Die Verbindung mit in coniuge (statt in coniugem) rechtfertigt er durch Lucr. 6,712 Nilus in aestatem crescit c a m p i s que r e d u n d a t. 157 Der Austausch von in + Abl. und in + Akk. bei der Richtungsangabe ist ganz geläufig, siehe CAMUS ad loc. 158 Kurz danach wird die Formel in mulierem refundit culpam suam durch eine synonyme Ausdrucksweise erläutert: et mulier interrogata refert culpam in serpentem. 159 Zu vergleichen ist OLD s.v. refundo 1 c „(pass. of an action) to recoil, redound (on)“. Dort die Stellen [Quint.] Decl. 3b,5 und 11,5 refundatur in suum facinus auctorem. Notiert habe ich ferner Hist. Aug. Hadr. 9,3; Aurelian. 40,3; Aug. in Gal. 42,15 ecce me imitamini, ut non timeatis, aut in me causam refundite, si timetis. [Der nachträglich erschienene Thesaurusartikel (XI 2, 711,16– 40) führt nicht weiter.]

  Buch I 1,536ff. sed non purgandus agebat; sed sic 160 participem propter solacia cladis 161 conscius adsciuit 162 socius, ceu femina duxit ad scelus horrendum uel saeua piacula mortis. 540 supplicio sociante duos releuare reatum credidit infelix, si par sententia damnet quos par culpa tenet. „but he was pleading his case without a chance of condonation. For if as a conscious accomplice he enrolled himself as an accessory to comfort her in her discomfiture, just as the woman he has pronounced on himself even the cruel atonement of death in addition to a heinous crime. The unlucky man believed that if punishment united the two, he would lighten their guilt, even if a like sentence condemn those whom a like sin holds fast“ (IRWIN). „Par ce réquisitoire, il ne voulait pas se disculper; mais, pour adoucir son malheur, c o m p l i c e e t c o n s c i e n t d e l ’ ê t r e, il se donna ainsi une compagne d’infortune, de même que la femme l’avait conduit à un crime effroyable et au cruel châtiment de la mort. Il crut, le malheureux, alléger son fardeau de pécheur si la peine unissait deux êtres, si pareille sentence frappait ceux qui de pareil crime étaient convaincus“ (CAMUS).

Zwischen den korrespondierenden, durch die Korrelativa sic ... ceu eingeleiteten Sätzen ist offenkundig eine ausgewogene Gleichordnung erstrebt. Sie läßt sich nur erreichen, wenn der sic-Satz in der Penthemimeres des Verses 538 endet und das fälschlich an conscius angeglichene socius in socium geändert wird. Damit ergibt sich die Korresponsion sic participem ... c o n s c i u s adsciuit, socium ceu f e m i n a duxit. Nachgestelltes ceu findet sich bei Dracontius auch in laud. 3,392; Romul. 5,138. 265; 10,44. Das Stichwort conscius 163 hat der nur wenig jüngere Zeitgenosse Alcimus Avitus im gleichen Zusammenhang des Sündenfalles zweimal aufgenommen (carm. 2,275 erubuit propriae iam mens sibi c o n s c i a

 160 Sed si B: Et sic Eug. Zu sic ... ceu siehe Germ. 199f. sic tendit palmas, ceu sit planctura relictam │ Andromedam, meritae non iusta p i a c u l a matris; Stat. Ach. 2,9f.; Paul. Nol. carm. app. 1,108; Ennod. carm. 1,9,59f. 161 CAMUS verweist auf Mar. Victor aleth. 1,413f. solacia culpae│quaerit; vgl. Aug. civ. 1,14 (lin. 3 [CCL 47]) sunt in scripturis sanctis huius etiam cladis magna solacia. 162 Rufin. hist. 3,23,9 nocturnis eum furtis s o c i u m sibi p a r t i c i p e m que c o n s c i s c u n t. Die Junktur socios (sibi) adsciscere findet sich etwa bei Caesar (Gall. 1,5,4; 3,9,10) oder in Hist. Aug. Clod. 14,2 (ut eum sibi socium adscisceret). 163 Bei AREVALO findet sich zu 538 die Notiz: „Conscius absolute pro r e o a Plauto, Seneca in tragoed. aliisque adhibetur“; man vergleiche die Belege für (sibi) conscius ‘in malam partem’, d.h. oft synonym zu nocens in ThLL IV 373,4ff.

Vertreibung aus dem Paradies – Herrschaft über die Welt  

culpae 164 und 3,5 feruentesque tenent male c o n s c i a corda 165 dolores). Er bietet im Urteilsspruch des richtenden Gottes über Eva auch die Kombination der Begriffe femina und socium, siehe Alc. Avit. carm. 3,138ff. At tu, quae primam uiolasti, f e m i n a, legem, accipe, succiduum uitae quod restat in aeuum. 140 imperium patiere tori dominumque timebis, quem socium dederam: parebis subdita iussis (...). „Aber du, Frau, die du das erste Gesetz verletzt hast, vernimm, was dir für die Folgezeit deines Lebens übrig bleibt: Du wirst den Zwang des Ehebettes erleiden und als Herrn fürchten, den ich dir zum Gefährten gegeben hatte: du wirst ihm unterworfen sein und seinen Befehlen gehorchen (...)“.

1,566 Zu lesen ist uotorum effectus, siehe HUDSON-WILLIAMS (1947) 99f.

. Vertreibung aus dem Paradies – Herrschaft über die Welt .. Alle Pflanzen und Tiere sind dem Menschen untertan 1,579 Adam und Eva werden aus dem Paradies verstoßen; geschaffen als Abbild des göttlichen Schöpfers sollen sie aber herrschen über die ganze Welt, über alles, was Erde, Meer und Lüfte hervorbringen. Der zuletzt genannten Weisung liegen die folgenden Bibelstellen zugrunde: Vulg. Gn 1,28 benedixitque illis Deus et ait: crescite et multiplicamini et replete terram et s u b i c i t e eam et dominamini piscibus maris et uolatilibus caeli et uniuersis animantibus quae mouentur super terram; Ps (LXX) 8,7 et constituisti eum super opera manuum tuarum. omnia s u b i e c i s t i sub pedibus eius: oues et boues uniuersas insuper et pecora campi, uolucres caeli et pisces maris qui perambulant semitas maris. Bei Dracontius wird diesen Anordnungen viel Raum gewährt:

 164 Vgl. Orest. 54 mens sibi conscia praui. 165 Vgl. die Junktur conscia corda in Drac. Romul. 8,101; doch scheint sprachlich vor allem Paul. Nol. carm. 19,206f. eingewirkt zu haben (ubi uis crucis intus│ardescente fide cruciat male conscia corda).

  Buch I laud. 1, 570 ergo operis memor ipse sui Deus imperat ambos sedibus egressos placidis, dominentur ut orbi et totum quod mundus habet s u b iure tenerent. ac quod floret humus, uiridis quod germinat herba, quod spicant messes, quod ramis parturit arbor, 575 quod gemmant uites, quod amoena comantia frondent, flumina quod mittunt fontes, quod fluctuat aequor, quod pelagi trahit unda fretum, quod litora tundit, murmure quod uenti flantes uaga marmora crispant, quod generant terrae, quod f l a m m a e pontus et aer: 580 usibus humanis data sunt haec cuncta uenire 166, ut similis qui factus erat de puluere Christo his dominaretur cunctis, s u b carne creatis corpora corporibus seruirent cuncta s u b a c t a. „So God Himself, mindful of His creation, orders the pair to quit their serene abode that they might have dominion over the world and hold under their jurisdiction all of earth’s possessions, even every flower which the earth brings forth, the bounty which the verdant grass produces, the ears of grain which corn crops put forth, all which the tree bears on its branches, the buds which the vine puts forth, all the foliage which the pleasant groves provide, all the rivers which springs send forth, the ocean’s ebb and flow, and all which the sea’s swell carries along, the shores which the strait beats upon, all the restless expanse of sea that the winds, sighing as they blow, turn into whitecaps, all that the lands beget, that fire, wave, and air bring forth, all these were appointed to issue forth for the use of man, that even as Christ, he who had been fashioned from the dust might have dominion over all these, that all bodies subdued by the spirit might minister to bodies made of flesh“ (IRWIN).

Die Mottoverse 1,571f. werden in 573–579 breit entfaltet, ihre (hier fett ausgeworfenen) Schlüsselbegriffe in 580–583 wiederaufgenommen, so daß die Ringkomposition einen markanten Abschluß findet. Die drei im biblischen Vorbild genannten Bereiche Erde, Meer, Luftraum sind zum Abschluß der Detailreihe in einen einzigen Vers gepackt (579). In ihm scheint die Erweiterung der Reihe durch flammae zu stören 167, die sich nicht leicht zu terrae, pontus et aer fügt, wenn man die übliche Topik der lateinischen Dichter (und des Dracontius selbst)

 166 Siehe hierzu die kommentierende Bemerkung von CAMUS. 167 AREVALO druckt – kommentarlos – flumina. Diese Lesart stammt aus der Eug.-Hs. Z.

Vertreibung aus dem Paradies – Herrschaft über die Welt  

zugrunde legt 168. Man erwartet stattdessen ein konsonantisch anlautendes spondeisches Synonym zu generant, z.B. promunt 169, nach dem Muster: laud. 1,412 nam totum quod terra creat, quod pontus et aer protulit, addictum uestro sub iure manebit. „For all which earth creates, which sea and air have brought forth, will remain subject to your jurisdiction“ (IRWIN).

CAMUS (S. 311) sieht in der überlieferten Fassung von 1,579 eine „allusion au lieu commun philosophique selon lequel chacun des éléments possède ses animaux propres“ (sie verweist auf ihre Anmerkung zu 1,332–336). Dracontius könnte also das Grundschema terra(e), pontus et aer bewußt in Richtung auf die vier Elemente (unter denen das Feuer nicht fehlen durfte) erweitert haben. Er würde damit dem Umstand Rechnung tragen, daß er in 1,262ff. die Funktion der Wärme (es fallen die Stichworte uapor und tepor) bei der Fortpflanzung der (als animalia profundi [234] aus dem Wasser entstandenen) Vögel mitberücksichtigt hat und diesen Abschnitt in die programmatischen Verse auslaufen ließ:

 168 Vgl. Ov. met. 1,15 utque erat et tellus illic et pontus et aer; 8,830 quod pontus, quod terra, quod educat aer; Pont. 1,10,9 quod mare quod tellus, appone quod educat aer; Sen. Hf 30f. quidquid horridum tellus creat │ inimica, quidquid pontus aut aer tulit; HO 15 quod terra genuit, pontus aer i n f e r i; Lucan. 9,578f. estque dei sedes nisi terra et pontus et aer│ et c a e l u m e t u i r t u s; ferner die folgenden Variationen: laud. 2,339 Sol lux clara dies luna stellaeque micantes uel quaecumque Deo famulantur sidera magno militia praeclara p o l i uel pontus et aer et tellus accepta Dei praecepta reseruant; Auson. IV 6 GREEN Magne pater rerum, cui terra et pontus et aer T a r t a r a que et picti seruit p l a g a l a c t e a c a e l i. 169 Vgl. laud. 1,284f. p r o m i t u r [von Eugenius durch gignitur variiert] omne genus pecudum, genus omne ferarum│inter prata uagum; 287 p r o m i t u r anguis hians. Auch die Verben praebent oder praestant wären im Hinblick auf das nachfolgende data sunt (usibus humanis) nicht auszuschließen. [Mit Verweis auf protulit in 1,413 (s.o.) hält Th. RIESENWEBER auch profert für denkbar, „weil bei Sachsubjekten die Kongruenz des Prädikats sich nach dem nächststehenden (pontus) richtet.“]

  Buch I 1,267 sed cum discordent inter se e l e m e n t a coacta, fetibus eductis concordant u n d a uel i g n i s: u n d a creat uolucres, producit f l a m m a uolucres. „But while the elements, when forced together, are discordant, water and fire are harmonious in producing offspring: water creates birds, flame develops them“ [IRWIN]).

Das Stichwort f l a m m a e (generant) in 1,579 würde demnach auf f l a m m a (producit) in 1,269 zurückweisen 170. Somit hätte der Dichter in den beiden Schlußversen 578f. der Explikationsreihe 573ff. das zuvor durchgehaltene Muster durchbrochen: statt jedem Vers zwei durch faktisches quod eingeleitete Kola zuzuteilen, die je ihr eigenes Subjekt und Prädikat besitzen 171, erhält Vers 578 („die Winde kräuseln die Meeresoberfläche“) nur ein einziges quod, das mit nur einem Subjekt und einem Prädikat kombiniert ist, 579 dagegen böte zwar wieder doppeltes (anaphorisches) quod, aber nur ein Verb, von dem diesmal vier Subjekte abhingen 172. Man wird also wohl das überlieferte flammae im Text belassen.

.. Der Geist Gottes in der Schöpfung 1,604 600 S p i r i t u s i l l e D e i, quo corpora cuncta mouentur, omnia complectens agitat fouet inserit urget, unde genus diuersa trahunt 173 et semina rerum. molis ab immenso uenientia fonte perenni artificis f o r m a n t e manu digesta uomuntur 605 ordine cuncta suo. manet irreuocabile munus 174.

 170 Siehe Anm. 113. 171 Hier durch punktierte Linie neben unterstrichenem quod hervorgehoben. 172 Das oben durch Sperrung von den drei anderen Subjekten abgehobene flammae kann mit den ebenfalls durch Sperrung hervorgehobenen Durchbrechungen des Dreierschemas in den Anm. 168 angeführten Beispielen verglichen werden. 173 Zur Junktur unde genus ... trahunt verweist VOLLMER auf Ov. fast. 6,132 und 802. 174 Vgl. Mar. Victor aleth. 1,16ff. dum res exsistere cogit, │ u t n o s t r u m f a c e r e t m u n u s, quod solus habebat,│ solus norat opus („während sie die Dinge zwang zu entstehen, um uns das Werk zum Geschenk zu machen, das sie allein besaß und allein kannte“ [KUHN– TREICHEL]); ferner Verg. Aen. 5,348f. tum pater Aeneas ‘uestra’ inquit ‘m u n e r a uobis │ c e r t a m a n e n t, pueri et palmam mouet ordine nemo’.

Vertreibung aus dem Paradies – Herrschaft über die Welt  

„The wind is the breath of God, by which all bodies are quickened; all-embracing, it stirs all things, caresses all, becomes engrafted in all, impels all, and from it the human race and diverse species of things derive their existence. Proceeding from an immeasurable and eternal source of matter, ordered creations, moulded by the hand of the Creator, are poured forth, all in due succession. This bounty remains inalterable“ (IRWIN).

Der Abschnitt über den Geist Gottes wird ausführlich variiert in 2,32ff. Dort bieten die Verse 38f. eine enge Parallele zu der asyndetischen Reihung der Verba hier in 601, von denen agitat wohl als Reminiszenz an Verg. Aen. 6,727 (mens agitat molem) zu bewerten ist (s. CAMUS ad loc.). Die semina rerum bezeichnen seit Lukrez die Atome, die Urelemente der Dinge. Nimmt man die nähere Bestimmung der anschließenden Verse hinzu (603 molis ab immenso uenientia fonte perenni; 604 artificis f o r m a n t e manu digesta), wird man auf Ovids Schilderung des Ursprungs der Welt aus dem Chaos geführt, vgl. bes. met. 1,7ff. c h a o s, rudis indigestaque moles│ ... congestaque eodem│ non bene iunctarum discordia semina rerum; 17 nulli sua forma manebat; ferner die Klausel fonte perenni in Ov. am. 3,9,25; doch muß hier vielleicht eher an Carm. adv. Marc. 5,205f. gedacht werden: h i n c g e n u s [vgl. laud. 1,602], hinc et nomen habet, hinc denique regnum,│de domino dominus, fluuius de fonte perenni 175. In 604 hat AREVALO, gefolgt von allen späteren Herausgebern, das in B überlieferte uomuntur der von Eug. gebotenen Variante mouentur vorgezogen, „nam praecedit mittenda e fonte perenni“. Vomere aber bedeute (wie effundere) ‘large emittere’ (mit Verweis auf Verg. georg. 2,462). Die Lesart mittenda ist jedoch als bloßer Verbesserungsversuch des Schreibers M zu bewerten. VOLLMER hat in 603 überzeugend aus tenenda (B) und ueniens et (Eug.) uenientia hergestellt 176. Mit uenientia (sc. semina) läßt sich aber ein (e)uomuntur nicht kombinieren. Dies

 175 Aber auch der Beginn des Marius Victor dürfte anklingen, siehe aleth. 1,1ff. ante polos caelique diem mundique tenebras,│ante operum formas uel res uel semina rerum [siehe auch 54] │ ...│ ... erat deus unus, apud quem│ 5 uiuebat genitus uerbum deus et simul almus│ S p i r i t u s [vgl. 53], arcani uitalis summa uigoris. 11–14 mente capaci│saecula dispiciens ...│immensum mole beata│regnum erat ipse suum, regni nec teste carebat. „Vor dem Firmament und dem Tageslicht am Himmel und den Schatten auf Erden, bevor es Ideen der Werke oder Dinge oder auch nur Samen der Dinge gab, ... , war der eine Gott, und bei ihm lebte das Wort, der gezeugte Gott, und mit ihm zugleich der gütige Geist, die Summe verborgener Stärke des Lebens. (...) und mit ihrem vielumfassenden Geist blickte sie über Jahrhunderte hin (...). Sie war selbst ihr eigenes Reich, unermesslich durch gesegnete Größe, und brauchte keinen Zeugen der Herrschaft“ (KUHN-TREICHEL). 176 Vgl. Lucan. 9,188f. quam pauca Catonis│uerba, sed a p l e n o u e n i e n t i a p e c t o r e ueri.

  Buch I ergibt sich m.E. zwingend aus dem folgenden Übersetzungsversuch der Verse 602ff.: „Aus Gottes Geist beziehen auch die verschiedenen Urelemente der Dinge ihren Ursprung. Aus der unermeßlichen Materienmasse 177 in ewig sprudelndem Quell hervorkommend werden diese verschiedenen Urelemente durch die formende Hand des Weltschöpfers so angeordnet (in Reih und Glied gebracht), daß sich jedes gemäß seiner eigenen Ordnung bewegt. Alles hat Bestand als unwiderrufliche Gabe.“

Es scheint unzulässig, stattdessen mit CAMUS zu übersetzen: „Issus du chaos sans limites, les êtres procédant de la source éternelle j a i l l i s s e n t d e s m a i n s d e l ’ A r t i s a n qui les forme et les dispose chacun selon son ordre.“ Selbst bei dieser sehr freien Aufgliederung der Satzstruktur kann uomuntur nicht durch „jaillissent (des mains)“ wiedergegeben werden. Das geforderte Verb ist nicht mit dem voraufgehenden Text der Verse 603f. zu verbinden (dort ist die Umschreibung des Subjektbegriffs durch semina ... uenientia ... artificis formante manu digesta abgeschlossen), sondern zum folgenden ordine cuncta suo zu beziehen. In dieser Verbindung aber ist ein uomuntur gänzlich ausgeschlossen, während das mouentur von Eug. bestens paßt. Der Schreiber B ist das Opfer einer Buchstabenmetathese geworden, die psychologisch befördert werden konnte, wenn mit digesta, ohne Rücksicht auf den größeren Zusammenhang, die grundsätzlich mögliche Bedeutung „verdaut“ assoziiert wurde, womit sich gedanklich ein „ausspeien“ verbinden ließ 178. Angesichts des von Dracontius gern geübten Spiels mit leicht veränderten Wortwiederholungen 179 muß man keinerlei Bedenken hegen gegen die Abfolge c u n c t a m o u e n t u r am Ende von 600 und m o u e n t u r │ordine c u n c t a suo in 604f. 180 Ähnlich verfahren auch Dichter wie Manilius (die analogen Markierungen des folgenden Zitats erklären sich selbst): Manil. 1,285 nec uero solidus stat robore corporis axis nec graue pondus habet, quod onus ferat aetheris alti, sed cum aer omnis semper uoluatur in orbem,  177 Die Bedeutung von molis ab immenso ist schwer abzuschätzen (s.o. IRWINs Wiedergabe), zumal wenn man das immensum mole beata regnum des Marius Victor in Betracht zieht (s. Anm. 175). 178 Oder er war bereits durch das folgende Bild beeinflußt, wonach der Wasservorrat einer Quelle keine Einbuße erleidet, incessanter aquas licet e u o m a t impete pleno (609). 179 Siehe ZWIERLEIN KK 2017, 348 s.v. ‘Wiederholungen mit veränderter Semantik oder Konstruktion’. 180 Zur Junktur mouentur ordine (suo) siehe Isid. orig. 18,67,1 calculi partim ordine mouentur, partim uage: ideo alios o r d i n a r i o s, alios uagos appellant.

Epilog: Hymnus auf die Allmacht des Schöpfergottes  

quoque semel coepit totus u o l e t undique in ipsum, quodcumque in medio est, circa quod cuncta mouentur, 290 usque adeo tenue ut uerti non possit in ipsum nec iam inclinari nec se conuertere in orbem, hoc dixere axem, quia motum non habet ullum ipse, uidet circa u o l i t a n t i a cuncta moueri. „Yet the axis is not solid with the hardness of matter, nor does it possess massive weight such as to bear the burden of the lofty firmament: but since the entire atmosphere ever revolves in a circle, and every part of the whole rotates to the place from which it once began, that which is in the middle, about which all moves, so insubstantial that it cannot turn round upon itself or even submit to motion or spin in circular fashion, this men have called the axis, since, motionless itself, it yet sees everything spinning about it“ (GOOLD).

. Epilog: Hymnus auf die Allmacht des Schöpfergottes 1,695 693 Quem mens pura iuuat hominum, non uictima supplex, Aut si paeniteant sceleris mala uota r e o r u m 695 Et noua succedant a n i m o r u m corda p i o r u m. „He is pleased rather with the man who is pure in heart than with the suppliant’s victim, or rejoices if the evil desires of transgressors repent their wrong-doing, and new hearts, the mark of righteous souls, replace them“ (IRWIN).

Zur ‘persönlichen’ Konstruktion des Verbs paeniteant hat IRWIN (S. 96) passend auf satisf. 100 si sceleris facti mens rea paeniteat und 304 ni peccata dolens paeniteat sceleris verwiesen (beide Parallelen schon bei AREVALO), den Gedanken der Verstrias auf Vulg. Ps. (LXX) 50,18f. zurückgeführt: quoniam si uoluisses s a c r i f i c i u m, dedissem utique; holocaustis non delectaberis. s a c r i f i c i u m Deo spiritus contribulatus; cor contritum et humiliatum Deus non spernet. Erklärungsbedürftig scheint die Junktur noua corda animorum piorum. Sie verliert den Charakter des Ungewöhnlichen, wenn man Formulierungen wie 2,41ff. (über den Spiritus almus) danebenhält: 2,41 omnibus insidet, penetrat caput ossa medullas, pectora cor sensus animam praecordia mentem 181 illustrat, uenas oculos et uiscera replet.

 181 Der Vers kehrt wörtlich in Orest. 558 wieder.

  Buch I „It resides in all: penetrates skull, bones, and marrow, illumines the bosom, heart, and faculties of sense, the soul, the feelings, and the mind; and keeps replenishing the blood canals and eyes and vitals“ (BRESNAHAN).

Bei Paulinus Nolanus liest man in carm. 28,314f.: non igitur simus ueteres inter noua tecta, │ ut qui corde habitat Christus noua corda reuisat; bei Prudentius (Symm. 1,43f.): edictis qui (sc. Saturnus) talibus informauit │ agrestes animos et barbara corda u i r o r u m. 1,698 697 cuius (sc. Dei) ab aspectu montes et saxa fluescunt in cineres, et puluis erit quae dura rigebat. „from Whose very look mountains and stones melt into ashes, and the rocks which were hard and solid will be transformed into dust“ (IRWIN).

Da Eugenius quem dura ligabant überliefert, war PEIPERs geringfügiger Eingriff (quae dura rigebat) doppelt gerechtfertigt. VOLLMER und alle folgenden Herausgeber außer IRWIN haben ihn verschmäht. VOLLMER empfiehlt stattdessen, zu rigebat stillschweigend ‘rupes quaelibet’ zu ergänzen. Das ist kaum weniger hart als AREVALOs Annahme, puluis sei hier als ein Substantiv weiblichen Geschlechts verwendet, das durch den Relativsatz im Sinne von ‘quae antea saxum erat’ bestimmt werde. Zuletzt hat HUDSON-WILLIAMS (1947, 100) den schon aus paläographischen Gründen wenig überzeugenden Vorschlag gemacht, dura in petra zu ändern. Und das alles, weil man sich scheut, einen trivialen Nasalstrich zu ergänzen? [Hierzu M. BECK: „Wenn man unbedingt die Überlieferung halten möchte, könnte man ... daran denken, Numerusinkongruenz analog zum Griechischen anzunehmen (Subjekt im Neutr. Plur. mit dem Prädikat im Sing.; cf. HOFM.–SZ. 431, Ca, wo auf das auslösende Moment des Satzparallelismus hingewiesen wird (hier hätte dann erit rigebat ausgelöst, aber wahrscheinlich ist dies angesichts eines Nasalstriches wohl nicht“ – wohl aber, so M. DEUFERT, könnte der Fehler rigebat statt -bant durch den vorangehenden Singular erit begünstigt worden sein).]

1,709 707 qui de thesauris uentorum flamina mittit et frenat rapidas in tempestate procellas, grandinis atque niuis uenientis quae sit origo;

Epilog: Hymnus auf die Allmacht des Schöpfergottes  

710 qui dat fulmineos collisis nubibus ignes; qui saxis abscondit aquas et condidit ignes. „He sends from His storehouses the blasts of the winds, and bridles the swift gales in the storm, which is to be the source of the approaching hail and snow; He provides flashing lightning by the clashing of the clouds; within the rocks He has concealed waters, and stored up fire“ (IRWIN).

HUDSON–WILLIAMS (1946) war der Auffassung, daß „uenientis (B) can hardly be said to possess meaning“ (94). Er gibt sich auch nicht mit der (paläographisch) einfachen Korrektur uementis zufrieden, sondern vermutet eine tiefer liegende Korruptel, „for the whole verse as being descriptive of tempestate is inappropriate“. Seine Lösung: „The true reading is almost certainly that of Eug., whose text contains among the rubbish much that is of value, viz. qui nouit for uenientis“ (mit Verweis auf qui scit etc. in 712). Die Frage nach der paläographischen Probabilität dieser Annahme wird nicht gestellt. Dabei dürfte sich im Textzusammenhang „aufkommender“ oder „hereinbrechender“ Hagel und Schnee ebenso gut mit einem Sturm verbinden wie z.B. in Germ. frg. 4,127f. (undique u e n t i,│ undique g r a n d o u e n i t, rumpuntur culmina n i m b i s); verwiesen sei auf den Vergleich in Coripp. Ioh. 3,256f. ceu glaucam u e n i e n s g r a n d o destringit oliuam│ arboris excutiens concusso uertice fructus. Dracontius nutzt das Partizip ueniens über 20mal, zuweilen als scheinbar überflüssiges Füllwort, dem sich bei näherer Prüfung aber doch ein guter Sinn abgewinnen läßt 182.

 182 Siehe etwa ZWIERLEIN KK 2017, 62 Anm. 204 zu Romul. 6,114, wo BAEHRENS das überlieferte ueniens in uemens oder uehemens ändern wollte, und 140f. zu ueniens occasus in Romul. 9,219. Auch in der Sturmbeschreibung Romul. 8,385f. findet sich ein vordergründig abundant wirkendes ueniens, siehe Africus interea u e n i e n s comitante procella│turbidus o c c u r r i t. (M. DEUFERT verweist zu Lucr. 6,266 auf das homerische νέφος ... ἐρχόμενον [Il. 4,275f.] und entzieht sowohl dort als auch in 6,1141 allen Versuchen, die überlieferten Partizipia uenientes bzw. ueniens zu ändern – auch hier verfällt man zuletzt wieder auf das wohlfeile uemens –, den Boden.) Oft ist mit ueniens die Nuance verbunden, daß etwas drohend in Erscheinung tritt, drohend bevorsteht oder hereinbricht, so z.B. laud. 1,62. 709 – oder auch in 3,517 u e n i e n s aut t e r r o r Iarbae (zur Sache vgl. Iustin. 18,6,1 und Epigr. Bobb. 45,3–10).

  Buch I Vertrauensvolle Schlußbitte des Dichters an den liebenden Gottvater 1,745 743 Et nobis uexata salus, p i e t a t e medelam impendis 183 cui, sancte, tuam medicamine nullo 745 quod species terrena parat, sermonis at aestu, spes hominum i n t e n d e n s et uota precantia c o m p l e n s. aspice despectum, deiectum attolle parumper confusumque iuua, quia paenitet esse nocentem, 749 ut ualeam memorare tuas hoc carmine laudes, (...) 753 obses sermo tuus nostro nam corde tenetur quo te promittis nimia p i e t a t e parentem. „O Holy One, I too have been distressed by a menace to my safety, I, for whom in Thy lovingkindness Thou weighest out Thy healing gifts, with no medicine such as earth-born specific provides, but by the fire of Thy Word inspiring the hopes of mankind and fulfilling their supplicating prayers. Look upon this despised mortal, raise up for a season his downcast spirit, and aid him in his confusion, as he repents him of his sin, that I may have the power to recount Thy glory in this poem (...); for in my heart is Thy Word held hostage, by which Thou pledgest Thyself my Father with exceeding loving-kindness“ (IRWIN).

Die Versuche, den korrupten Vers 745 zu heilen 184, sind eingehend bei HUDSONWILLIAMS (1947) 100f. und in den Budé-Noten (S. 323f.) besprochen. CAMUS (S. 324) erkennt in 743–745 eine Anspielung an Vulg. Sap. 16,12: etenim neque herba neque malagma sanauit eos, sed tuus, Domine, sermo qui sanat omnia. Sie übernimmt die letzte Version VOLLMERs (1914: sermonis at aestu) in ihren Text (nicht seine Konjektur impendes), kann aber auch ihrerseits keine im Zusammenhang überzeugende Deutung für „mais au seul feu de ta Parole“ geben 185. Das von HUDSON-WILLIAMS eingeführte sermone sed aequo („by no remedy afforded by earthly drug, but by thy benign word“) fällt aus der spezifisch medizinischen Metaphorik heraus und kann auch paläographisch nicht überzeugen. Beiden Erfordernissen trüge der Korrekturvorschlag sermonis ab h a u s t u Rechnung 186. Mit ihm

 183 Statt impendis (B) setzt VOLLMER das Futur impendes. 184 sermonis ad estu B: languoris ad adestus Eug.: sermonis at aestu VOLLMER (1914). 185 BÜCHELER (bei VOLLMER) hatte ad aestum im Sinne von ad cupidinem (sc. sermonis diuini) verstehen, IRWIN in aestu „a fiery zeal or a burning passion“ sehen wollen (er vergleicht – wenig überzeugend – Hor. epist. 1,2,8). 186 VOLLMERs at hat den Schönheitsfehler, daß Dracontius diese Adversativ-Partikel mehr als 20mal verwendet, aber n i r g e n d s i n P o s t p o s i t i o n! Gewiß, er kann auch beim 22. Mal eine Ausnahme machen. Man wird aber besser die Junktur sermonis ab haustu ansetzen,

Epilog: Hymnus auf die Allmacht des Schöpfergottes  

ergäbe sich – unabhängig davon, ob man in der Versdiskription ein rhetorisches Asyndeton ansetzt 187 oder den voraufgehenden Instrumental-Ausdruck medicamine nullo quod ... parat in Parentheseklammern setzt 188 – die gedankliche Antithese: „Heilung – nicht durch S ä f t e i r d i s c h e r H e i l k r ä u t e r, sondern durch den H e i l t r a n k d e i n e s W o r t e s“. Eine solche bildhafte Verwendung von h a u s t u s ist ja seit der klassischen Latinität ganz üblich (s.u.). Das vorgeschaltete antithetische Satzglied hat (auch wenn man es parenthetisch unterordnen wollte) keine andere Funktion, als dem Begriff sermonis („deines göttlichen Wortes“) stärkeres Profil zu verleihen 189. Die größere Wirkung dürfte wohl bei der in Anm. 187 vorgeschlagenen Diskription erzielt werden: Durch die brachylogische rhetorische Antithese würde die asyndetische Opposition sermonis ab haustu noch stärker hervorgehoben 190. Dieser Sermo diuinus ist  in der ab den Ausgangspunkt der Heilung bezeichnet, also quasi-kausal steht; vgl. laud. 1,697f. cuius a b a s p e c t u montes et saxa fluescunt│in cineres. 187 743 Et nobis uexata s a l u s, pietate m e d e l a m impendes cui, sancte, tuam medicamine nullo 745 quod species terrena parat, sermonis ab haustu. Der Ton liegt auf der Versklausel sermonis ab haustu, mit der die dreizeilige Periode abgeschlossen wird. Auf diesen markanten Begriff läuft die Verbalhandlung medelam impendes ... tuam von Anfang an zu. AREVALO, REINWALD und HUDSON-WILLIAMS (1947) 101 haben zu Recht am Ende von Vers 745 einen Punkt gesetzt und den Vers 746 mit den reimenden Partizipia intendens – complens (siehe hierzu KK 2017, 196–199 mit Anm. 617) als Auftakt zu dem folgenden Imperativ a s p i c e despectum (747) geschlagen, wozu sich der Einsatz spes hominum i n t e n d e n s („seine Aufmerksamkeit richtend auf“, vgl. 3,619 lacrimas intende meas) bestens fügt. 188 743 Et nobis uexata s a l u s, pietate m e d e l a m impendes cui, sancte, tuam (medicamine nullo 745 quod species terrena parat) sermonis ab haustu. Dracontius unterbricht häufig den übergeordneten Gedankenduktus durch präzisierende Einschübe, so gleich wieder in 750f. Besonders markant ist dies in laud. 1,101f. (s.o. S. 7). Hier einige zufällig herausgegriffene Beispiele aus den Romulea: 10,27. 548–551 (wo die Korrelation sic ... ceu unterbrochen ist); vgl. ferner Orest. 19. 308 (die Parenthese trennt das Verb intrat von seinem Subjekt). 502f. 524f. 189 Aus medelam t u a m zieht man leicht das Possessivpronomen auch zu sermonis, zumal in 753 sermo t u u s folgt. 190 Nicht vergleichbar ist laud. 2,248f., wo M. DEUFERT die übliche Interpunktion wie folgt verbessert: nec modo peccatum subrepsit moribus: olim, │ olim primus homo transcendit iussa Tonantis; s. den Text zu Anm. 261. Zu beachten bleibt der dortige Verweis auf das Asyndeton in 2,303f. Die Freiheit der Wortstellung läßt sich Dracontius auch sonst bei Antithesen nicht beschneiden, vgl. z.B. Romul. 10,526 et flentes s e d n o n s u a funera plangunt; Orest. 39f. n o n t a m e n aequa ...│dona ... seruabat (s. ZWIERLEIN KK 2017 Anm. 576 und 702). Zu sonstigen Traiectionen, Sperrungen und Hyperbata bei Dracontius s. KK 2017 Anm. 271 und 288; vgl. GNILKA, Krit. Revue 2017, 281.

  Buch I zugleich der Sohn des Gottvaters. Auf diesen Zusammenhang weist der Dichter gleich zu Beginn der Schlußbitte durch die Wahl des Begriffes pietate (743) hin: „In Deiner väterlichen Güte 191 wirst Du mir Heilung zuteil werden lassen 192... durch den Heiltrank Deines Wortes (Deines Sohnes)“. Wenige Verse später schließt er das erste Buch mit eben diesem Motiv: 753 obses sermo tuus nostro nam corde tenetur quo te promittis nimia p i e t a t e parentem:

Er trägt Gottes Wort (seinen Sohn) als Unterpfand für das Gelingen seines dichterischen Gotteslobes in seinem Herzen: „Dein Wort, durch das Du Dich mir als Vater von unaussprechlicher Güte bekundest.“ 193 Vertauschungen von b/d sind ganz geläufig – auch in der Dracontiusüberlieferung 194. Kurz zuvor, in Vers 741, bieten C und Eug. das richtige adactos, während B ab actos tradiert. In 745 deutet die Kombination ad mit dem Ablativ estu darauf hin, daß dort die Vorstufe ab (a)estu lautete. Zu dieser Lesart kam es, nachdem das ursprüngliche haustu durch Verlust der Aspiration 195 zu sinnlosem austu geworden war. Ein Schreiber suchte daraus wenigstens ein lexikalisch verbürgtes Wort zu gewinnen: aestu. Die umgekehrte Verschreibung begegnet in Romul. 3,4. Dort hat DUHN aus unverständlichem tempera haustus (N) das richtige temperat aestus hergestellt, siehe die gleiche Versklausel in laud. 1,590. Zu der hier vorausgesetzten Metapher vom „Trank des Wortes“ bietet der Thesaurus s.v. h a u s t u s reichlich Material 196. Es seien zwei Boethiusstellen  191 Man könnte auch „väterliche Liebe“ sagen, s. ThLL X 1, 2090, 12 „a parte dei, sc. benigni, misericordis, clementis (saepe subest imago patris pii)“; dort z.B. Ps.Apul. Ascl. 41 omnibus p a t e r n a m p i e t a t e m et religionem et a m o r e m ... praebere (gr. νοιαν); Tert. adv. Marc. 1,27 p. 328,24 (deus) p a t e r tuus est, in quem competat et a m o r propter p i e t a t e m et timor propter potestatem; Cypr. Demetr. 25 lin. 513 (CCL 3A) uenia confitenti datur et credenti i n d u l g e n t i a s a l u t a r i s de diuina p i e t a t e conceditur. 192 Das von VOLLMER eingeführte Futur impendes ist urban als Ausdruck der Zuversicht anstelle eines Imperativs gewählt, der bis zum Vers 747 (aspice) hinausgezögert ist. 193 Diese Thematik ist bereits zu Beginn der Schlußepiklese (1,683ff.) und danach mehrfach angeschlagen, vgl. 688 quod s e r m o creauit; 690 qui tantum p i u s est, quantum decet omnipotentem; 692 sponte b o n u s p i e t a t i s amore; 726f. qui pascit quodcumque creat p i e t a t e p a r e n t i s,│ u i t a e certa s a l u s per mille pericula mortis; 729f. s p e s et defensio pressis,│fessorum uirtus, dans nutrimenta s a l u t i s; 740 p i u s ultor. 194 Siehe ZWIERLEIN KK 2017, Anm. 219 und 634. 195 Ein häufiger Überlieferungsfehler, s. VOLLMER (1905) 445 [dort auch Eug. hex. 474 austus statt haustus] und 448f. 196 Siehe ThLL VI 3, 2575,84ff. („in imagine fontis Musarum sim.“); dort u.a. Verweise auf Lact. inst. 1,1,22 (d o c t r i n a e ... fontem, cuius h a u s t u atque p o t u ... sitim sedent); Paul. Nol.

Epilog: Hymnus auf die Allmacht des Schöpfergottes  

herausgegriffen. In Boeth. cons. 2,1,7 verordnet die als heilende Seelenärztin erschienene Philosophie dem im Exil inhaftierten, leidenden Patienten zunächst leichtere Heilmittel in Form einfühlsamen Zuspruches gemäß den Topoi rhetorischer Konsolation (rhetoricae suadela dulcedinis): sed tempus est h a u r i r e te aliquid ac d e g u s t a r e molle atque iucundum, quod ad interiora transmissum u a l i d i o r i b u s h a u s t i b u s uiam fecerit. Sie sollen den stärkeren Heilmitteln, der philosophischen Unterweisung über die wahre Glückseligkeit, den Weg bahnen (s. 3,1,1ff., bes. 3,9,24ff. dort über die uera et perfecta felicitas). Die Termini haurire und haustibus beziehen sich also wie in dem oben restituierten sermonis ab h a u s t u auf Heilmittel des Wortes. Dies gilt ebenso in Boeth. cons. 4,6,57, wo dem vom Diskurs Ermüdeten ein angenehmes Zwischenlied gegönnt werden soll, damit er durch diesen „Erholungsschluck“ gestärkt, den weiteren Darlegungen folgen könne: sed uideo te iam dudum et pondere quaestionis oneratum et rationis prolixitate fatigatum aliquam c a r m i n i s exspectare d u l c e d i n e m; accipe igitur h a u s t u m, quo refectus firmior in ulteriora contendas 197. Vom heilsamen „Trank“ des g ö t t l i c h e n W o r t e s hören wir bei christlichen Autoren, siehe etwa Paul. Nol. carm. 15,38ff.: Christus läßt aus dem Felsen Wasser hervorspringen, erfüllt die Völker mit Hoffnung, läßt in ihre dürstenden Seelen huldreiche Gnade strömen und erquickt sie als sprudelnder Fels mit lebenspendendem Quell (uiuo manans petra fonte refecit): 43 unde ego, pars hominum minima, isto munere fretus roris, Christe, tui uiuos precor aridus h a u s t u s: 45 da uerbum de fonte tuo, tua non queo f a r i te sine 198.

 carm. 15,44 (dazu unten); 22,159. Aber es findet sich auch die gänzlich metaphorische Verwendung („sine imagine fontis“), s. ThLL VI 3, 2576,9ff., etwa Quint inst. 12,2,31 (iustitiae haustus); Symm. epist. 9,88 (83),3 (facundiae h.). 197 „Aber ich sehe, daß du schon lange durch das Gewicht der Fragestellung belastet und durch die Ausführlichkeit der Beweisführung erschöpft die angenehme Unterbrechung durch ein süß schmeckendes Lied erwartest. So nimm denn hier diesen Trank und erfrische dich, damit du mit größerer Kraft deine Aufmerksamkeit auf das weitere richten kannst.“ 198 Vgl. Paul. Nol. carm. 23,27f. adnue, fons uerbi, uerbum, deus, et uelut illam│me modo ueris auem dulci fac uoce canorum; Paul. Petric. Mart. 4,352ff. nam sic arcessere sanctum│ gaudebat, cupiens diuini flumine uerbi│irriguam potare fidem, de fonte beati│oris nectareum d o c t r i n a e h a u r i r e l i q u o r e m („denn so freute es ihn, den Heiligen herbeizurufen, in dem Bestreben, den vom Strom des göttlichen Wortes benetzten Glauben zu trinken, aus dem Quell des seligen Mundes den Nektarsaft der Lehre einzuschlürfen“); Rufin. symb. 36 qui prima fidei elementa suscipiunt, ut sciant ex quibus sibi fontibus uerbi dei h a u r i e n d a sint p o c u l a; Rufin. Orig. in cant. 1 p. 97,21 cum ... ad ipsa ubera fontesque peruenerit Verbi Dei.

  Buch I „Deshalb bitte ich, das kleinste Glied unter den Menschen, dich, Christus, im Vertrauen auf diese Gabe deines erquickendes Taues, ausgedorrt um deinen lebenspendenden Trank: schenke mir dein Wort aus deinem Quell; denn ohne deine Hilfe kann ich nicht dein Werk verkünden.“ carm. 22,157 tunc t e diuinum uere memorabo p o e t a m et quasi d u l c i s a q u a e potum tua carmina ducam, cum mihi nectareos summis a fontibus h a u s t u s 160 praebebunt dominum rerum recinentia Christum. (Paulinus wird die Gedichte des Iovius als einen Trank süßen Wassers einschätzen, wenn sie von Christus als Herrscher des Alls singen und ihm auf diese Weise Nektartrank aus himmlischer Quelle sein werden). Arator act. 2,1062

clementia Iesu omnibus in terris f i d e i sitientibus h a u s t u m pocula dat de uase suo cunctosque rigari 1065 multifluo sermone iubet, meruitque uenustas nominis occidui de lumine crescere uerbi.

(Der Apostel Paulus appelliert bei seiner Gefangennahme als römischer Bürger an den Kaiser. Dadurch erfüllt sich die Prophezeiung, daß er nach Rom kommen werde). „Die mildherzige Gnade Jesu schenkt allen, die auf Erden nach dem Trank des Glaubens dürsten, die Möglichkeit, aus seinem Gefäß zu trinken, und befiehlt, daß alle durch sein vielfließendes Wort benetzt werden. So wurde der gute Klang des westlichen Namens (1055 ‘Caesaris ad solium uos prouoco; Caesaris’ inquit, ‘appello Romanus opem’) gewürdigt, am Glanz des Wortes zu wachsen.“

Es gehört also zu den beinahe alltäglichen Bildermischungen, die Begriffe sermo, uerbum, carmen, carmina, doctrina, facundia auf der einen und haustus, pocula, potus, fons, flumen, haurire, rigari, fluere auf der anderen Seite zu verbinden 199. Damit ist die hier für laud. , vorgeschlagene Junktur sermonis ab haustu gerechtfertigt. [M. DEUFERT bemerkt zu der oben diagnostizierten ‘brachylogischen rhetorischen Antithese’, daß dort – anders als in der Vergleichsstelle Mart. , – eine (leichte) Variation der Konstruktion vorläge: medicamine nullo – sermonis ab haustu. Das mache das Verständnis schwieriger. Da die denkbare Fassung sermonis at haustu aus den in

 199 Siehe jetzt den Sammelband V. CAZZATO – D. OBBINK – E. E. PRODI (Hrsgg.), The Cup of Song, Oxford 2016; dort S. 15f. ‘the metaphor of song as wine’ und 88ff. ‘The Symposion as Theme: Similes and Metaphors’; es mag genügen auf Pindars πόμ’ ἀοίδιμον (Nem. 3,79) und auf Dionys. Chalc. frg. 4 (ὕ μ ν ο υ ς ο ἰ ν ο χ ο ε ῖ ν ἐπιδέξια σοί τε καὶ ἡμῖν) zu verweisen.

Epilog: Hymnus auf die Allmacht des Schöpfergottes  

Anm.  genannten Gründen ausgeschlossen werde, könne man vielleicht an sermone sed hausto denken; denn sed stehe bei Dracontius häufiger an . Stelle (s. VOLLMERs Index). Eine sprachliche Parallele aus Dracontius selbst biete sich in Romul. , uocem deus Herculis hausit. M. BECK regt an, bei der Antithese medicamine nullo – sermonis ab haustu eine ἀπὸ κοινοῦ-Stellung der Präposition ab zu veranschlagen.]

  Buch Buch II II . . Lobeshymnus Lobeshymnus auf auf den den Schöpfergott Schöpfergott Gottes Geist und ‘Wort’ durchdringen die Schöpfung Gottes Geist und ‘Wort’ durchdringen die Schöpfung 2,44f. 2,44f. In allen Ausgaben seit VOLLMERs MGH-Edition (1905) findet sich die folgende InIn allen Ausgaben seit VOLLMERs MGH-Edition (1905) findet sich die folgende Interpunktion: terpunktion: quidue latet 200 , quem c u n c t a gerunt, quo c u n c t a reguntur, quidue latet 200, quem c u n c t a gerunt, quo c u n c t a reguntur, 45 temporis et spatii quem spiritus o m n i s et ignis 45 temporis et spatii quem spiritus o m n i s et ignis laudat et aeternum uenerantur c u n c t a parentem? laudat et aeternum uenerantur c u n c t a parentem? „Or what, lies hid from That Which all things bear within them, That by Which all things „Or what, lies hid from That Which all things bear within them, That by Which all things are directed toward an end and Which every breath of air and lick of flame in space and are directed toward an end and Which every breath of air and lick of flame in space and time is praise to, and Which all things venerate as their Eternal Parent?“ (BRESNAHAN). time is praise to, and Which all things venerate as their Eternal Parent?“ (BRESNAHAN).

Unter Rückgriff auf Vers 2,27 (sic o p u s o m n e tuum uisibile non latet orbem) Unter Rückgriff auf Vers 2,27 (sic o p u s o m n e tuum uisibile non latet orbem) und die beiden Abschnitte 2,15–26 und 32–43, in denen Sonne und Heiliger Geist und die beiden Abschnitte 2,15–26 und 32–43, in denen Sonne und Heiliger Geist als die Kräfte geschildert werden, die – im Auftrage Gottes und durch ihn wirkend als die Kräfte geschildert werden, die – im Auftrage Gottes und durch ihn wirkend – das All in Raum und Zeit durchdringen, antreiben und lenken, scheinen die – das All in Raum und Zeit durchdringen, antreiben und lenken, scheinen die Verse 44ff. etwa folgendes zum Ausdruck zu bringen: quidue operis eius latet, Verse 44ff. etwa folgendes zum Ausdruck zu bringen: quidue operis eius latet, quem ... (etc.): „Oder was 201 von dessen Werk sollte verborgen bleiben, d e n alles quem ... (etc.): „Oder was 201 von dessen Werk sollte verborgen bleiben, d e n alles in sich trägt, d u r c h d e n alles in Raum und Zeit geleitet wird, d e n jeder in sich trägt, d u r c h d e n alles in Raum und Zeit geleitet wird, d e n jeder Windhauch und jedes Feuer lobpreist und alle Dinge als ihren ewigen Vater verWindhauch und jedes Feuer lobpreist und alle Dinge als ihren ewigen Vater verehren?“ Das Komma nach reguntur (44) sollte also hinter spatii (45) versetzt werehren?“ Das Komma nach reguntur (44) sollte also hinter spatii (45) versetzt werden; denn MOUSSYs Wiedergabe „Que peut-il échapper à celui que tout révèle, qui den; denn MOUSSYs Wiedergabe „Que peut-il échapper à celui que tout révèle, qui gouverne tout, que louent les vents et les feux d u t e m p s e t d e gouverne tout, que louent les vents et les feux d u t e m p s e t d e l ’ e s p a c e e n t i e r s, ...?“ läßt sich nicht mit den von ihm zur Erläuterung l ’ e s p a c e e n t i e r s, ...?“ läßt sich nicht mit den von ihm zur Erläuterung herangezogenen Textstellen vereinbaren: herangezogenen Textstellen vereinbaren: Psalm. 103,4 qui facis angelos tuos s p i r i t u s et ministros tuos Psalm. 103,4 qui facis angelos tuos s p i r i t u s et ministros tuos u r e n t e m; u r e n t e m; laud. 2,785 qui facit angelicas f l a m m a c r e p i t a r e cohortes. laud. 2,785 qui facit angelicas f l a m m a c r e p i t a r e cohortes. nam pia turba Dei sunt spiritus omnis et ignis, nam pia turba Dei sunt spiritus omnis et ignis,

  200 quidue latet A: quid lętat B 200 quidue latet A: quid lętat B 201 Zu quidue vgl. 2,816 und 3,564. 201 Zu quidue vgl. 2,816 und 3,564. https://doi.org/10.1515/9783110650426-002 https://doi.org/10.1515/9783110650426-002

ignem ignem

Lobeshymnus auf den Schöpfergott  

quamuis et ipse Deus se prodidit i g n e loquaci, cum i u b a r i g n i t u m Domini rubus asper haberet. „He Who causes the angel cohorts to rustle with flame! For God’s devoted host are every stir of air and every flame; though even God Himself presented Himself in vocal fire the time when the spiked thornbush held the kindled radiance of the Lord“ (BRESNAHAN).

Das Genitivattribut temporis et spatii gehört zu (quo) cuncta (reguntur), wie schon aus dem in Entsprechung zu cuncta spatii stehenden Ortsadverb ubique in 32. 36 hervorgeht und aus den Zeitangaben per saecula in 33 bzw. exordia – finem in 29f., die auf temporis cuncta verweisen. Auch die Junktur aeternum ... parentem in 46 vermag diese Auffassung zu stützen. 2,48. 50 47 nec caeli secreta uacant 202, quae spiritus auctor non habeat 203 uirtute tua, quae s o l i s i n o r b e m l u n a r e s que amplexa g l o b o s dominatur agitque, 50 quicquid habet pietatis opus simul ubi o r b i s 204; qui nihil est, nisi lege tua seruetur in aeuum. 48 uirtute tua M2: -tem tuam B solis Arevalo: -us B 50 ubi orbis B: exibet orbis Buecheler: obtinet orbis Pitra: orbis ubique Glaeser: aethera complens Arevalo

Die Übersetzer und Interpreten ordnen üblicherweise dem Verbalausdruck dominatur agitque (49) gedanklich solis orbem (48) und lunares globos (49) als Objekte zu, die gleichzeitig noch von dem Partizip amplexa regiert werden sollen 205. Eine

 202 Vgl. 2,3ff. (...) cunctorum quae mundus habet, quae celsa polorum, │ quae c a e l i s e c r e t a tegunt produntque parumper,│sidereus quod ab axe globus super astra rotatur. 203 Die Konjektur habeas von HUDSON-WILLIAMS (1947) 101 hat MOUSSY zu Recht zurückgewiesen. Zu uirtute t u a vergleiche man 21 dicione tua, 24 imperii ... tui, 27 opus ... tuum, 28f. te ... te ... te, 51 lege tua. 204 Zum Text der Versklausel s.u. 205 Siehe BRESNAHAN: „Nor do there lie void any secret realms of the heavens which Thy Spirit does not hold as Author by Thy power, which holds sway over the solar orb and lunar phases, encompassing them, and stimulates whatever general, simultaneous responsiveness the world machine is possessed of“ (er liest am Ende des verstümmelten Verses 50 orbis ubique), ferner MOUSSY: „Il n’est pas de profondeurs du ciel qui soient vides, que l’esprit créateur n’occupe pas; c’est grâce à ta puissance [uirtute tua ist unpassend zum folgenden gezogen], qui tenant embrassés le disque du soleil et le globe de la lune règne sur ces astres et les fait mouvoir, que le monde renferme tout ce que comporte l’œuvre de ta bonté“ (er liest in 50 simul orbis).

  Buch II solche Konstruktion ist im Falle von solis in orbem durch die Präposition in ausgeschlossen, im Falle von lunaresque amplexa globos aus inhaltlichen Erwägungen. Vielmehr verlangt das Verbpaar dominatur agitque nach einem direkten Objekt. Dieses liegt als Objektsatz in Vers 50 (quicquid habet pietatis opus etc.) vor. Durch die voraufgehende Nennung der Sonnen- und Mondbahn soll der geographische Raum umschrieben werden, in dem sich dieses dominatur agitque entfaltet. Um dies zu erreichen, muß in Vers 48 vielleicht solis in orbe{m} geschrieben werden, wenn nicht die oben (Anm. 141) erläuterte Lizenz in Anspruch genommen werden soll 206: „Auch die abgeschiedenen Gefilde des Himmels sind nicht ausgenommen vom Wirken des Geistes, sondern auch sie hält der Schöpfer Geist in seiner Macht durch „Deine“ (Gottes) Kraft, die (im ganzen Bereich) der Umlaufbahn der Sonne und der Mondsphären (eigentlich: die Mondbahnen umfassend) beherrscht und antreibt, was immer in sich birgt der Erdkreis, das Werk Deiner Liebe und zugleich Deines (befehlenden) Wortes.“

Dracontius scheut nicht die Inkonzinnität des Ausdrucks und kombiniert solis in orbe{m} mit amplexa lunares globos. In Romul. 10,495 hat er Claud. 1,1f. (Sol, qui flammigeris mundum complexus habenis │ uoluis inexhausto redeuntia saecula motu) imitiert und läßt demgemäß Sol auf seinem rötlich funkelndem Wagen die ganze Welt (die er auf seiner Bahn umfährt) umspannen (processit roseis sol mundum amplexus habenis). In laud. 2,48ff. ist es die uirtus Dei, die auch die Gefilde der Sonne und die Bahnen des Mondes umfaßt und den ganzen Kosmos beherrscht und in Bewegung hält. Aus dem überlieferten Wortbestand des Verses 50 läßt sich am einfachsten ein sinnvoller Gedanke gewinnen, wenn man annimmt, ein Schreiber habe die (unnatürliche) Postposition der Partikel simul aufgehoben 207, und kompendiöses ù’bi sei als ubi gedeutet worden (also: quidquid habet, pietatis opus uerbi simul, orbis). Die Erschaffung der Welt als Werk sowohl der Liebe Gottes 208 als auch der

 206 Falsche Nasalendungen begegnen häufig, vgl. etwa die B-Lesart uirtutem tuam (statt -te tua) in Vers 48. 207 Belege für kopulative Verwendung von simul (auch in Postposition) sind ZWIERLEIN KK 2017, Anm. 327 zusammengestellt. Normalisierung der Wortstellung ist ein häufiger Überlieferungsfehler, siehe etwa 2,112 haec homines euentibus acta putarent] h. h. putarent acta euentibus B. 208 laud. 1,427 tot bona facta Deus non obliuiscitur umquam, quae propter hominem fecit sanxitque manere. huic Dominus p i e t a t i s o p e m subducere non uult, 430 addicet nec plasma suum. scit conditor aeui esse nihil prorsus praeter se ubique rogandum;

Lobeshymnus auf den Schöpfergott  

autonomen Befehlsgewalt seines Wortes: das sind dem Dracontius vertraute Vorstellungen, siehe gleich anschließend: 2,58 aut tibi quis reputet, si perdere iusseris o r b e m, quem ipse repente iubens solo sermone creasti? 60 quo libuit genuisse Deum ante omnia Christum, semine quem uerbo conceptum corde ferebas 209; „Or who would impute it adversely to Thee, shouldst Thou have bidden the destruction of a world which Thou Thyself, issuing sudden command, didst create with a mere utterance of speech? the very means by which Thou didst joy to have begotten the Christ-God before all else, Him Whom Thou wert bearing in Thy bosom, conceived by a word as seed“ (BRESNAHAN);

ferner: laud. 1,688 et totum capit una manus, quod sermo creauit, munus ubique Dei, dum iussio rumperet una. „and in a single hand contains the whole universe, which the divine Word, everywhere God’s gift, has created, until one order should burst it all asunder“ (IRWIN).

 („God is ever mindful of so many blessed deeds, which He did for man’s sake, and ordained should endure. The Lord is unwilling to deprive him of the boon of His loving-kindness, nor will He disown His creation. The eternal Creator realizes that no power at all save Himself should anywhere receive the petitions of mankind“ [IRWIN].) 1,726 qui pascit quodcumque creat p i e t a t e parentis („He nurtures His every creature with a parent’s loving-kindness“ [IRWIN]); 2, 95 haec fragilis humana iacens natura meretur de p i e t a t e s u a, qua non uult perdere mundum, quem fecit sanxitque regens per saecla manere. („These things, human nature, frail and prone, merits of that compassion of His by which He wishes not to destroy the world that He has made and has, as its provident Lord, sanctioned to continue through the ages“ [BRESNAHAN]). Prosp. epigr. 66,1 quisquis consilio aeterno contraria sentis, et Verbum in nostra carne manere negas, diuinae p i e t a t i s o p u s dissoluere quaeris, speque sua mundum dispoliare cupis. („Wenn du, wer immer du sein magst, dem ewigen Ratschlag entgegengesetzte Vorstellungen hegst und leugnest, daß das WORT in unserem Fleische verweilt, suchst du das Werk der göttlichen Liebe aufzulösen, und wünschst die Welt ihrer Hoffnung zu berauben.“) Die Junktur pietatis opus findet sich in weiterem Sinne noch Drac. satisf. 290 und 298. 209 Vgl. 2,89 uerbo fetante marito; 3,242 uerbo mandante; Coripp. Iust. 2,26f. hisque (Adam und Eva) creaturam, claro est quae subdita caelo,│subiectam fecit diuini iussio uerbi.

  Buch II Weitere Erläuterungen zur Schöpferkraft des Wortes und zur Logos-Lehre bietet MOUSSYs Kommentar zu 2,60 und 2,62 (S. 332f.). Genannt seien noch die folgenden Textstellen: Vulg. Psalm. (LXX) 32,6 uerbo domini caeli firmati sunt et s p i r i t u o r i s e i u s omnis u i r t u s eorum; Carm. de resurr. 54f. qui sermone tenus potuit extendere caelum│ et solidam uerbo iussit suspendere terram 210; Ps.Hil. evang. 33f. tu s a c r i sermonis o p u s, satus ore paterno 211,│uerbigena, diues 212, linguae mirabile germen.

2,63 Zu mens ... multa bemerkt AREVALO: „multa est magna“. Sein Verweis auf Cic. fam. 2,10,2 kann dies nicht belegen (die verkürzende Paraphrase ‘nomen nostrum multum est in his locis’ trifft nicht den Tenor des Cicero-Textes); siehe aber ThLL VIII 1609,30ff. („spectat fere ad q u a l i t a t e m multiplicando effectam“), z.B. Iob 36,26 deus multus (gr. ὁ ἰσχυρὸς πολύς), Vulg. magnus; Hier. psalt. sec. Hebr. 146,5 magnus dominus noster et multus fortitudine (m a g n a uirtus eius Psalt. Rom., Vulg.).

. Der trinitarische Gott und die Inkarnation 2,77 66 ergo D e u m D e u s a u c t o r ouans eructuat ore (...), 69 trina mente D e u s, D e u s a u c t o r, temporis expers, 70 multiplici uirtute potens, pietate modestus innumera, caelis elementis fluctibus astris impendens ut stare queant famulentur 213 adorent angelica dicione preces sine fine canentes. omnibus his praestat dilato fine manere, 75 ut uigeant homines pisces armenta uolucres et pecus atque ferae, quicquid natura creauit  210 Cypr. Gall. deut. 195 uerbum iusserat ut dei perennis. 211 Vorauf geht Prud. cath. 11,17f. ex ore quamlibet patris│sis ortus et Verbo editus,│tamen paterno in pectore│Sophia callebas prius; cath. 3,2f. uerbigena,│edite corpore uirgineo; 3,141ff. fit c a r o u i u i d a sermo patris,│numine quam rutilante grauis│(...) 145 intemerata puella parit; apoth. 524f. 212 Ist diuus zu lesen? Siehe den Folgevers commixtumque genus caeli terraeque und vgl. laud. 2,80f. fitque deus ...│... mortalis homo. 213 So richtig B; famulanter A (Buchstabenmetathese). Die Verba bilden ein Trikolon.

Der trinitarische Gott und die Inkarnation  

†nûquid ad innumeros diuersi sanguinis ortus. qui nasci dignatus homo est membratur in aluo sanguine femineo concretus spiritus almus 80 fitque Deus post templa poli sub carne figura passibilis, mortalis homo sine fine perennis. „From off His lips, accordingly, does God, as Author, exultant utter – God! ... a God of threefold Personality, God the Author of things, not sharing in time, mighty with manifold power but tempered with limitless compassion, brooding over the skies and elements, waves and patterned stars, that they might have power to endure and might adore in fealty, endlessly chanting prayers in the capacity (as it were) of angels. On them all He confers permanence, their end deferred, that there may thrive men, fish, cattle, birds, the domestic animal and savage beast – whatever nature has produced. Pray tell, then (you say), in what manner did He deign to be born man, after births unnumbered and of different blood? 214 His fostering Spirit assumes bodily members in the womb, once It has taken substance from the blood of a woman, and God, after habitation in the precincts of the heavens, becomes a form in the flesh subject to pain, a mortal man but everlasting“ (BRESNAHAN).

HUDSON-WILLIAMS (1947) faßt den Versabschnitt 66–77 in folgende Kurzparaphrase zusammen: „God caused Christ to be born, God who is Christ, God the timeless, powerful, and good, who gave permanence to the sky, elements, waves, and stars for the benefit of his creatures“ (101). Er zeigt, daß numquid in 77 korrupt sein muß, und schlägt stattdessen uiuida vor, ein zu natura gehöriges Epitheton, das bereits in Vers 65 in der Kombination uiuida c u n c t i p a r e n s mens dem Schöpfergott zugesprochen war. MOUSSY (S. 333) hält diese Konjektur für „hasardeuse“ und druckt stattdessen AREVALOS Vorschlag quicquid natura creatrix│nutrit („et tout ce que la nature, leur mère, fait pousser à l’intention des innombrables générations de toute race“). Aber das Verb nutrire fügt sich nicht zu dem hier in den Blick genommenen Akt des Hervorbringens, in dem die Natur als die lebensspendende Kraft wirkt, die die verschiedensten Arten von Lebewesen ans Licht treten läßt (ad ... ortus). Da die Natur im Auftrag des Schöpfergottes wirkt, paßt es vorzüglich, daß auch ihr – wie der u i u i d a cunctiparens mens Gottes (65) – das Attribut u i u i d a zugesprochen wird 215. Der Lukrezkenner Dracontius dürfte es aus dem gedanklich verwandten Passus Lucr. 1,174ff. übernommen haben, siehe

 214 BRESNAHAN stützt sich auf die folgende Textfassung: Nam quid, ad innumeros diversi sanguinis ortus│qui nasci dignatus homo est? Membratur in alvo,│sanguine femineo concretus, Spiritus almus ... 215 Zur Genese der Korruptel hat HUDSON-WILLIAMS das Nötige gesagt.

  Buch II praeterea cur uere rosam, frumenta calore, 175 uuas 216 autumno fundi suadente uidemus, si non, certa suo quia tempore semina rerum cum confluxerunt, patefit quodcumque creatur, dum tempestates adsunt et u i u i d a tellus tuto res teneras e f f e r t i n l u m i n i s o r a s? 217 „Or again, why do we see the roses in spring, and the corn in summer’s heat, and the vines [er liest uitis] bursting out when autumn summons them, if it be not that when, in their own time, the fixed seeds of things have flowed together, then is disclosed each thing that comes to birth, while the season is at hand, and the lively earth in safety brings forth the fragile things into the coasts of light?“ (BAILEY).

Die zweite Hälfte dieses Versabschnitts darf m.E. als Inspirationsquelle gelten für laud. 2,75 ut uigeant homines pisces armenta uolucres et pecus atque ferae 218, quicquid natura creauit u i u i d a a d innumeros diuersi sanguinis o r t u s.

Daß AREVALO und – zuletzt – MOUSSY zu Unrecht das überlieferte natura creauit angetastet haben, ergibt sich zwingend aus den folgenden Dracontius-Parallelen: 2,262 uipera quid praestet cauda et ceruice recisa, quid serpens maculosa iuuet medicina fatetur, aspidis obliquae quid pinguia membra medantur, 265 informes ursi, fuluus leo, quid lupus audax. et quodcumque malum u i n d e x natura creauit miscuit optandam dira cum morte salutem. „Medicine proclaims what the viper contributes from its severed tail and neck, what the spotted serpent is helpful for, what the plump lengths of the slinking asp heal; what, the shapeless bear, the tawny lion, the daring wolf. And whatever the evil that avenging nature has created, with dire death it has mingled health, ever to be hoped for“ (BRESNAHAN). Romul. 2, 46 ‘Impubes lasciue puer, cui subiacet omne quod natura creat, caelum mare sidera tellus, nemo notet Venerem (...’).

 216 So PONTANUS für überliefertes uites; s. dazu jetzt DEUFERTs Kommentar 15f. 217 Zuvor hatte Lukrez in 1,72ff. die u i u i d a u i s animi des Epikur gepriesen, die extra│ processit longe flammantia moenia mundi│atque omne immensum peragrauit mente animoque. 218 „Auch dieser [hier durch punktierte Linie hervorgehobene] Lebewesenkatalog klingt ganz lukrezisch; vgl. z.B. 1,161ff.; 2,342ff. 922“ (M. DEUFERT).

Der trinitarische Gott und die Inkarnation  

10,202 si caelum, si terra tui sunt, alme, triumphi uel quidquid natura creat 219.

.. Die Wunder Jesu und seiner Jünger als Ausweis der Allmacht Gottes 2,111f. 107 ast ubi terrenum sumpsit cum corpore pondus immortale genus, mortalia dura subiuit, ut posset monstrare D e u m, quia lumina carnis 110 non nisi corpoream possent spectare figuram. nam quaecumque daret princeps miracula carni, sanctis haec homines euentibus acta putarent. addo quod humanis uitium est generale cateruis, hoc credant quod uisus habet spernantque relata. 115 credimus inde D e u m mundo uenisse uidendum ut faceret uirtutis opus per mille cateruas. „But when Immortal Kind took on earthly bulk and body, It underwent mortal hardships that it might be able to manifest Divinity; since the eyes of flesh could not behold other than a bodily form. For whatever miracles the Lord might bestow on men in the flesh, these men would think to have been done for holy consequences. I add what is a common defect with the human masses, that they believe what sight has hold of and spurn reported fact. We believe that, for these reasons, God came to the world to be seen, in order that He might accomplish His working of miracles amidst countless throngs“ (BRESNAHAN).

In diesem Abschnitt wird das Thema der Menschwerdung Gottes behandelt: Der Unsterbliche habe deswegen irdische Gestalt angenommen und sich den harten Bedingungen der Sterblichen unterworfen, damit er die Gottheit (leibhaftig) sichtbar machen könne; denn die Augen des Fleisches seien nur in der Lage, körperliche Figuren wahrzunehmen (107–110); auch sei es ein genereller Fehler der Menschen, nur das zu glauben, was sie sehen, das bloß Berichtete dagegen zu verwerfen (113f.). „Wir glauben, daß Gott aus diesem Grund sichtbar in die Welt gekommen ist, damit er die Werke seiner Wunderkraft vor Tausenden von Menschenscharen verrichte“ (115f.).

 219 Im Hinblick auf laud. 2,76f. (quicquid natura creauit│ uiuida ad i n n u m e r o s d i u e r s i sanguinis ortus) mit den hier gesperrt gedruckten Stichworten sei zusätzlich auf 2,226– 231 verwiesen. Dort wird eine längere Reihe von Schöpfungen Gottes (caelo tellure fretis etc.) mit dem Vers 230 abgeschlossen: nam d i u e r s a Dei s o l o sermone creantur.

  Buch II Die beiden letzten Verse weisen antithetisch zurück auf 111f. Dem daret princeps miracula (...) dort entspricht faceret (sc. Deus) uirtutis opus in 116. 220 Demgemäß hat man auch in dem schließenden c a r n i von Vers 111 eine Entsprechung zu dem Versschluß p e r m i l l e c a t e r u a s in 116 sehen wollen und übersetzt carni mit “men in the flesh“ (BRESNAHAN) oder „les êtres charnels“ (MOUSSY) 221. MOUSSY beruft sich dabei auf den analogen Gedanken in 2,510 (maxima t o t p o p u l i s dantem miracula Christum), der zu dem Schluß berechtige, carni (111) könne im Sinne von populis verstanden werden als „les ‘mortels’ que le Christ fait bénéficier de ses miracles“ (S. 338). Es gibt aber bei Dracontius keinen Beleg für die metaphorische Verwendung von caro im Sinne von homines. Das macht es schwierig, ihm eine solche ausgerechnet an dieser Stelle zuzuschreiben, wo caro auf engem Raum zweimal in der materiellen Grundbedeutung „Fleisch“ erscheint: in 109 bedeutet lumina c a r n i s „die Augen des Fleisches“ (d.h. des menschlichen Körpers) und in 120 liegen „nach Auflösung des Fleisches“ (resoluta c a r n e) Knochen und Sehnen blank. Somit drängt sich die Vermutung auf, daß in dem Versschluß carni von 111 eine mechanische Verschreibung (mit sekundärer Angleichung an die grammatische Satzstruktur) vorliegt, die durch den zwei Zeilen darüber stehenden Versschluß carnis verursacht wurde – vielleicht auch dadurch befördert, daß zwei Zeilen darunter cateruis steht (gefolgt von cateruas in 116 und carne in 120). Das verdrängte Wort dürfte t e r r i s lauten, wodurch t e r r e n u m ... pondus (107) weitergeführt und m u n d o uenisse (115) vorbereitet wird: „Denn wie viele wundersame Erscheinungen auch immer der Himmelsfürst den Bewohnern der Erde (zum Erweis seiner Göttlichkeit) aus seinen erhabenen Höhen dargeboten hätte: die Menschen wären der Meinung gewesen, es handle sich dabei um (zufällige) Geschehnisse, die Gefühle der Ehrfurcht oder Scheu auslösen 222. ... Folglich kam er als sichtbarer Gott in die Welt, um die Werke seiner Wunderkraft leibhaftig vor Tausenden von Menschen vorzuführen. Nur in diesem unmittelbaren sichtbaren Kontakt zu den Menschen konnte er sich vor ihnen als Gott erweisen (109).“ Erst in dieser Textfassung dürfte die erstrebte gedankliche Antithese klar zum Ausdruck kommen. Als Mensch gewordener Gott vollbringt er uirtutis opus per mille  220 Zu uirtutis opus siehe 3,216 exegit uirtutis opus, miracula summa. 221 CORSAROs „operare per la carne“ mißachtet die lateinische Vorlage. 222 So gibt M. BECK das Attribut sanctis wieder. Gemäß ThLL V 2,1021,32 scheint die Junktur nur hier belegt. Ich hatte daran gedacht, sanctis in faustis zu verbessern (etwa: „es handle sich dabei um ominöse Geschehnisse“). Dracontius verwendet euentus nur hier, bietet zehn Beispiele für infaustus und zwei für faustus, siehe Romul. 7,115 quos o m i n a f a u s t a iuuabunt; 10,290 non o m i n e f a u s t o. MOUSSY erläutert sanctis ... euentibus mit „‘événements surnaturels’, c’est-à-dire de simples prodiges, qu’il distingue bien des miracles du Christ.“

Der trinitarische Gott und die Inkarnation  

cateruas (und erweist so seine Gottheit); v o r der Menschwerdung (so dürfen wir den Gedanken weiterdenken) ist er der Himmelsfürst in den fernen Höhen. Mag er von dort der Erde (den Erdbewohnern) auch noch so viele wundersame Phänomene darbieten: man wird diese als prodigiöse Ereignisse, nicht als Erweis seiner Göttlichkeit deuten. Dieses dare ... miracula t e r r i s des Himmelsfürsten in der Zeit vor der Menschwerdung entspricht dem Wunderwirken Jesu, nachdem er als Gottes Sohn menschliche Gestalt angenommen hat (ebenso wie dem der Propheten, Apostel und Heiligen), wie es in den folgenden sprachlichen Formeln Ausdruck findet: Ven. Fortun. vit. Mart. 10 quae conuersatus (sc. Christus) dederat miracula t e r r i s; carm. 10,7,45 quisque dedit habitans miracula plurima t e r r i s (...); Sedul. carm. pasch. 1,176f. plenus at ille Deo postquam miracula t e r r i s │ plura dedit; Paul. Petric. Mart. 1,9 seuit et i n n o s t r i s miracula plurima t e r r i s 223; ferner Drac. laud. 3,229 quanta docens p o p u l o s t u r b i s miracula fecit (sc. Christus]); Coripp. Iust. 4,306 plurima p e r p o p u l u m faciens miracula Christus; Arator act. 1,307 non parua dedit p o p u l o miracula.

 223 Der Vers stammt aus dem Beginn der Martinsvita, die Dracontius kennt. Aus diesem markanten Auftaktpassus dürfte der wenig später schreibende Dracontius auch das in laud. 2,113f. eingeführte Motiv von der Fixiertheit der Menschen auf das Augenzeugnis und ihrem Mißtrauen gegenüber dem Ohrenzeugnis übernommen haben. Man vergleiche mit dem oben ausgeschriebenen Textsegment, insbesondere mit laud. 2,114 hoc credant quod uisus habet spernantque r e l a t a den Beginn der Martinsvita des Paulinus Petricordiae: Mart. 1,1 Sparserat in toto lumen uenerabile mundo Christus, euangelici reserans mysteria regni. sed quia non omnes uirtutum operatio gentes mouerat, et fragili dubitabant credere sensu 5 quidquid ab externis u u l g a s s e t n u n t i u s oris (nam u e r b i s c o m p e r t a mouent, praesentia rebus: suadentur non uisa quidem, sed uisa probantur), ille ergo, in totum cui par miseratio mundum, seuit et in nostris miracula plurima t e r r i s, 10 donans extremis Martini insignia Gallis. „Auf der ganzen Welt hatte Christus sein verehrungswürdiges Licht verbreitet, entriegelnd die Geheimnisse des Reiches des Evangeliums. Doch weil das Werk seiner Wundertaten nicht alle Völker (zum Glauben) bewogen hatte, und viele in zerbrechlichem Sinnen zögerten zu glauben, was ein Bote, von den äußersten Grenzen der Erde kommend, verkündet hatte (denn das [bloß] Gehörte bewegt durch die [vermittelnden] Worte, das Gegenwärtige durch die Dinge selbst [sc. dadurch daß es unmittelbar vor Augen steht]: was man nicht gesehen hat, kann zwar plausibel erscheinen, aber nur das mit den Augen Wahrgenommene wird gebilligt), aus diesem Grunde

  Buch II 2,134 Das Wunder vom Stillen des Blutflusses ist in den Handschriften BA wie folgt überliefert: 134 Sanguis insolitis solitus decurrere (disc- B) sanguis de muliere perit, dempto simul amne cruoris. „Blood that was wont to issue in unwonted flux from a woman ceases, its gory flow interrupted all at once“ (BRESNAHAN, mit fluctibus im Versanfang).

Die Gelehrten sind sich einig, daß einer der beiden sanguis-Begriffe fallen muß. Die einen bessern zu Beginn des Verses 134 (fluctibus, cursibus, stagnis) 224, die anderen am Ende (fluxus – kombiniert mit dem Genitiv sanguinis und insoliti statt -is zu Beginn: AREVALO). Am wenigsten idiomatisch dürfte stagnis sein; denn „stehendes Gewässer“ harmoniert nicht mit dem Verb decurrere 225. Nimmt man an, daß Dracontius in dempto simul amne cruoris den Wortlaut von Lk 8,44 (stetit fluxus sanguinis eius) umsetzt 226, bleibt für den Versbeginn am ehesten die Nennung des Ausgangspunktes des Blutstromes nach dem Muster Mk 5,29 (et confestim siccatus est f o n s sanguinis eius) oder ein deskriptiver Ablativ zur Qualifizierung von decurrere („in ungewöhnlichen Bahnen / Strömen herablaufen“) 227. Es ergäbe sich somit F o n t i b u s insolitis solitus decurrere sanguis ... perit. Aufgrund der Anfangsmajuskel zu Versbeginn konnte Fontibus – unter Einwirkung des Versschlusses sanguis – sehr wohl in Sanguis verschrieben werden.

 also säte jener (Christus), der das gleiche Erbarmen mit der ganzen Welt empfand, auch in unseren Regionen überaus viele Wunder aus, indem er den jenseits der Alpen wohnenden Galliern die erlesene Gestalt des hl. Martin schenkte.“ 224 Zuletzt hat STELLA (23f.) im Hinblick auf die gleich zu nennenden Vulgatastellen fluxibus vorgeschlagen. Siehe bei ihm auch die detaillierten Angaben und weitere Konjekturen und Textparallelen. 225 Siehe Serv. Aen. 1,126 s t a g n u m dicitur aqua stans; Isid. orig. 13,19,9 nam dictum est s t a g n u m ab eo quod illic a q u a s t e t nec decurrat. 226 Vgl. Mt 9,20 (sanguinis fluxum patiebatur). 227 Vgl. Isid. diff. I App. 494 Cod. f o n s est caput atque decursus in quem naturalis manat aqua, t o r r e n s pluuiae fluctus praeceps, f l u u i u s aquae decursus generaliter; Paul. Nol. epist. 12,2 inde per ceteros a primo fonte decurrens permanauit uena iustitiae; Cassiod. in psalm. praef. lin. 23 (CCL 97) decurrit quippe tamquam fons purissimus, nulla faece pollutus; schließlich das Epigramm vom herabfließenden Thermalwasser AL 270 (= 264 SB) (in dem fontibus für aquis oder amnibus verwendet ist): Quis deus has incendit a q u a s? quis fontibus ignes│miscuit et madidas fecit decurrere flammas?│in regnis, Neptune, tuis Vulcanus anhelat!

Der trinitarische Gott und die Inkarnation  

.. Die Wunder des Alten Testamentes 2,172 170 tunc demersus obit populus, qui saeua parabat Israelitarum plebi, quae facta superstes uindice naufragio: tali sub clade doletur qui fuit ante metus; mox libera turba Tonantis mutatum miratur iter: uia prisca salutis 175 semita mortis erat nec seruans membra sepulcro. „Thereupon, flooded under, perishes the people preparing cruelties for the Israelite folk, who, by an avenging sea disaster, are made the survivors. In this sort of calamity, he is lamented who was erstwhile the terror. The throng just liberated wonders at the Thunderer’s changed course: the (former) way of safety was a pathway of death and not one saving the body’s members for the grave“ (BRESNAHAN).

Die Einwände, die HUDSON-WILLIAMS (1946) gegen das in B überlieferte Verb doletur (172) vorgetragen hat (S. 94), scheinen nicht durchschlagend (s. auch MOUSSY 1982, 206f.): Wenn die Israeliten in 2,801ff. Gott preisen für den Untergang der Ägypter in den Fluten, hindert dies nicht, daß der Dichter in 2,172f. das Ausmaß des Verderbens der ägyptischen Verfolger durch die rhetorische Formel hat zum Ausdruck bringen wollen, eine s o l c h e Katastrophe habe sogar die Israeliten zu Mitleid mit den Opfern gerührt, die ihnen zuvor die Verkörperung von Furcht und Schrecken waren. Zu vergleichen ist das Räsonnement des Hilarius von Poitiers über die Tränen, die Jesus eingedenk des bevorstehenden Untergangs Jerusalems vergoß: Hil. trin. 10,55 (lin. 13 [CCL 62A]) et ut humanarum mortium d e f l e n t u r c a l a m i t a t e s, ita perditae huius desperataeque gentis c a s u s d o l e t u r? Das von HUDSON-WILLIAMS versuchte Plädoyer zugunsten der Konjektur triumphus kann paläographisch nicht überzeugen. Die Dracontiusstelle erfährt durch die Einordnung unter die jeweiligen Rubriken in ThLL V 1,1819,74ff. und 1826,31f. verläßliche Stützen. 2,208. 210 Siehe unten zu 3,723.

  Buch II 2,215 Zu lesen ist frigus et aestus (aestas folgt in 222), siehe ZWIERLEIN KK 2017, 300f. mit Anm. 904. [Hierzu JAKOBI mit Mail 31.5.2018: „et aestus schon Gualandri, RIL 108, 1974, 889.“]

. Die Frevel der Menschen im Vergleich zur Tierwelt 2,275f. Doppelpunkt nach haec excusatio certa: das Pronomen weist auf die in 277ff. angeführten Entschuldigungen für Jagd auf Tiere. Diese Begründungen dürfen als „gültige“ Entschuldigungen gelten! In 275 kann man den Auftakt ut erwägen: ut ueniam ignorantia iure meretur, | forte sit et nobis haec excusatio certa. 2,285 283 quid nocuit per rura lepus, quid damma uel hircus? quos medicina iubet haec ut capiantur ad usus, 285 ut sub fraude cadant uenantum ante molossos? „But what harm o’er the countryside has the hare done? what, the fallow deer or goat? For what uses does medicine bid that these be caught, that these should fall afoul the snare of the hunters or before the hounds?“ (BRESNAHAN).

Die hier gedruckte Fassung des Verses 285 stammt von VOLLMER (1905). Er hat sie 1914 durch Verweis auf Auson. XIII 15,2 GREEN gestützt. Sie ist in den Text aller folgenden Ausgaben übernommen worden. Wie es zu dieser Lesart kam, läßt sich leicht durch die Wiedergabe seines Apparateintrags dokumentieren: uenanciu(m) ante male B1, malo refinxit et sis super mal pinxit B2, venantes ante molossos M3 quod correxi; venantum aut ense maligno Glaeser, venantibus ante molossis Bücheler.

Nachzutragen ist, daß AREVALO den in seiner Handschrift fehlenden Versschluß durch aut cuspide ferri ergänzt hatte. VOLLMER hat also den schließenden Präpositionalausdruck ante molossos aus dem konjekturalen Eingriff von M3 mit dem Beginn (uenantum aut) der von GLAESER (im Anschluß an AREVALO) per Konjektur hergestellten Lesart kombiniert. Daß dadurch dem synalöphenscheuen Dracontius die Wortfolge uenantum aut unterstellt wird, ist vertretbar. Denn unter den

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102 Belegen für aut bei Dracontius finden sich immerhin vier Beispiele mit Synalöphe. Drei von ihnen bieten die Lizenz an der gleichen Versstelle wie in 2,285 (wenn dort die Ergänzung von aut das Richtige trifft), nämlich in der Diärese vor der Versklausel 228. Die vierte Lizenz liegt in der Diärese des Pentameters satisf. 218 (non caderent pueri aut femina sexus iners). Nicht überzeugen kann dagegen in der seit VOLLMER gültigen Fassung, daß dieses aut ein ‘instrumental’ zu verstehendes sub fraude mit einem ‘räumlichen’ Präpositionalausdruck (ante molossos) verbindet 229. Wie AREVALOs und GLAESERs Verbesserungsvorschläge zeigen, wäre – wenn man an uenantum festhält – ein mit sub fraude korrespondierender, gleichgerichteter Ablativ erforderlich. Als Alternative käme ein Restituierungsversuch mit temporal verstandenem ante molossos („vor dem Zugriff der Molosserhunde“) in Frage. Doch wird diese zumindest seit Cicero nachweisbare brachylogische Ausdrucksweise bei temporalem ante und post (s. HOFM.-SZ. 827 230 und 243 231) von Dracontius stets in rhetorischer Pointierung eingesetzt, etwa nach dem Muster laud. 1,289 (von der Schlange im Paradies) ante uenena nocens (die Floskel ist wörtlich aus Lucan. 9,725 entlehnt) 232; Romul. 10,245 (saucius ante dolorem) 233 und 10,407 (ante necem tua praeda iacent) 234. Diesem Typus fügt sich auch der – allerdings weit weniger auffällige – Ausoniusvers, den VOLLMER 1914 (zu Unrecht) zur Bekräftigung der von ihm favorisierten Lesart angeführt hatte (XIII 15,2 GREEN ante canes le-

 228 Siehe laud. 2,622 libera mens hominum est peccare aut uiuere sancte; 2,817 quid praedo aut raptor auarus; Romul. 8,604f. (Alexander) aut certe Meleagrum aut Thesea fortes │ aequaret uirtute potens. 229 Man vergleiche die Übersetzungen von ante molossos durch BRESNAHAN („or before the hounds“) und MOUSSY („ou face aux molosses“). 230 Z.B. Sen. Phoen 50 post matrem = post ea, quae in matrem commisi; Tert. anim. 24,8 ante corpus = antequam anima in c. accessit; adv. Prax. 14 p. 251,20 ante carnem = antequam incarnatus est. 231 Z.B. Ov. met. 12,607 post Hectora ‘nach Hectors Tod’; Tac. ann. 4,40,2 post Drusum = post matrimonium Drusi. 232 Siehe hierzu ThLL II 134,66ff., bes. 135,24ff. (ohne daß dem brachylogischen ante eine eigene Rubrik zugestanden würde); dort etwa Cels. 7,20 p. 300 ante scalpellum; Lucan. 6,551 ante feras uolucresque sedet (cadauer, sc. maga); Val. Fl. 7,11 ante tuos ... uultus (i. priusquam te uidi); Stat. silv. 1,3,16 ante manus artemque; Aug. divers. quaest. 68,5 lin. 153 [CCL 44A]) uocatio ... ante meritum uoluntatem operatur. 233 Bevor wirklicher Schmerz (mit dem Schwert) zugefügt wird, fühlt er sich bereits verwundet; siehe KAUFMANN ad loc. und zur anschließend genannten Stelle Romul. 10,407. 234 Die wilden Tiere „liegen bereits, bevor der Speer (der heranziehenden Jäger) ihnen die tödliche Wunde zufügen kann, als d e i n e Beute leblos am Boden“.

  Buch II porem c a e r u l e u s rapuit): B e v o r die verfolgenden Hunde den am Sizilischen Küstenstrand dahinrennenden Hasen fangen konnten, schnappte ihnen ein Seehund die Beute weg 235. Der Zusammenhang des Verses laud. 2,285 eröffnet jedoch keinen Weg für eine solche Operation. Die paläographisch einfachste Justierung des oben vorgeführten Überlieferungsbefundes dürfte sein: (sub fraude ...) uenantum aut dente molossum 236. Daraus wurde uenantû[autd]ante 237 malosû (statt sû ergänzte B2 sis über der Zeile, nachdem der gleiche Korrektor aus male, so B, malo hergestellt hatte – eine triviale Fehldeutung von molo) 238. Die f r a u s uenantum einerseits und den Tod durch Hunde 239 andererseits skizziert Manilius, wenn er die unter dem Sternzeichen des Orion (oder seiner Gürtelsterne) Geborenen als potentielle Jäger charakterisiert:  235 Das griechische Vorbild des Ausonius (AP 9,18 [Germanicus]) beginnt ἐκ κυνὸς εἷλε κύων με, von BECKBY wie folgt wiedergegeben: „Wenn ich dem Hund auch entfloh, ein Hund ergriff mich“ (es liegt ein temporaler Aspekt vor); vgl. AP 9,17,3f. ἀλλ΄ οὐδ΄ ὣς ἤλυξε κακὸν μόρον· α ὐ τ ί κ α γάρ μιν│εἰνάλιος μάρψας πνεύματος ὀρφάνισεν („doch seinem traurigen Los entging er trotzdem nicht: ein Seehund│packte s o f o r t [es wird also wie bei ante der temporale Aspekt betont] ihn und brachte jäh ihn vom Leben zum Tod“ [BECKBY]). 236 Kollektiver Singular dente M o l o s s i klänge unmittelbar nach uenantum überaus kühn. Es ist fraglich, ob sich eine solche Verbesserung durch die Kombination von kollektivem Singular (?) und Plural in Lucans verwandtem Jagdbild 4,440ff. rechtfertigen ließe (dort scheint die kollektive Valenz von Molossi nicht absolut sicher; immerhin steht im Mustertext Sen. Phae 30ff. der Plural); siehe den Wortlaut: uenator tenet ora l e u i s clamosa M o l o s s i,│ S p a r t a n o s C r e t a s que ligat, nec creditur u l l i │silua c a n i, nisi qui presso uestigia rostro│colligit et praeda nescit latrare reperta│contentus tremulo monstrasse cubilia loro („da verbietet der Jäger seinem behenden Molosserrüden das Kläffen, legt seine Meute aus Sparta oder Kreta an die Leine und läßt einzig Hunde in den Wald, die beim Aufnehmen einer Fährte die Nase am Boden halten, ohne Bellen Beute aufzustöbern wissen und nur am Riemen ziehen, wenn sie den Lagerplatz des Wilds bezeichnen wollen“ [EHLERS]). – In dem doppelgliedrigen Satz sub fraude cadant (uenantum) aut dente (molossum) kann die Präposition sub sowohl zu fraude als auch zu dente gezogen werden, vgl. Sen. Ag 738ff. Victor ferarum colla sublimis iacet│ ignobili sub dente, Marmaricus leo,│ m o r s u s cruentos passus audacis leae („The king of beasts with his proud neck, by a base fang lies low, an Afric lion, suffering the bloody bites of his bold lioness“ [MILLER]). 237 Die eckigen Klammern sollen hier ausnahmsweise den haplographisch bedingten Ausfall anzeigen. 238 Eine verwandte Verschreibung in Romul. fab. 57,4 rec. gall. ist gemäß ThLL VIII 1388,15ff. durch Konjektur beseitigt worden: ceruus ... dicitur molossos (so. L. MÜLLER und THIELE; molos BS, malos F und rec. W). 239 Den Genitiv molossum (einschließlich des Hinweises auf deren hart zubeißenden Zähne) konnte Dracontius bei Lukrez lesen (den er kennt), siehe Lucr. 5,1063f. irritata canum cum primum magna M o l o s s u m │mollia ricta fremunt duros nudantia dentis („when the large loose lips of Molossian dogs start to snarl in anger, baring their hard teeth“ [BAILEY]); siehe ThLL VIII

Die Frevel der Menschen im Vergleich zur Tierwelt  

Manil. 5,183 quaque erat Actaeon siluis mirandus, et ante quam canibus noua praeda fuit, ducuntur et ipsi, 185 retibus et claudunt campos, formidine montes. m e n d a c i s que parant foueas laqueosque tenacis currentisque feras pedicarum compede nectunt aut canibus ferroue necant praedasque reportant. „The activity in which Actaeon excited the wonder of the woods, even before he became the novel quarry of his hounds, attracts them, too, and they enclose the plains with nets, the hills with scare-feathers. They prepare treacherous pitfalls and tenacious traps, and capture beasts on the run with the shackles of gins or kill them using hound or lance and bring home their catch“ (GOOLD).

Hier haben wir eine mit laud. 2,285 verwandte Kombination von ‘täuschender’, d.h. auf Hinterhalt und ‘Trug’ gegründeter Fangjagd (durch punktierte Linie gekennzeichnet) 240 und einer mit Hilfe von Hunden und Speeren durchgeführten Verfolgungsjagd vor uns 241. Dem aut canibus ... necant in 5,188 entspricht die oben in laud. 2,285 hergestellte Lesart aut dente Molossum (sc. cadant). Um das vergleichsweise harmlose Kleinwild ‘Hase, Hindin und Bock’, von dem Dracontius in 283 spricht, zu töten, genügt ein Rudel reißender Molosserhunde allemal. Man lese Ovids Aktaion-Episode, bes. met. 3,225ff. mit den Klimaxversen 236 cetera turba coit confertque in corpore dentes und 249f. undique circumstant mersisque in corpore rostris │ d i l a c e r a n t falsi dominum sub imagine cerui. Dem Katalog von Landtieren des sechsten Schöpfungstages hat Dracontius u.a. (nach Hirsch und Pferd in 1,275f.) die folgende Gruppe eingeschrieben: laud. 1,277 impia terribiles producit terra leones, simplicitas ouium fraudem passura luporum et raucos timuit discurrens damma molossos. 280 spumat aper, mortes lunato d e n t e minatur.

 1388,12f., wo als weiterer Beleg für den Gen. plur. -um NOT. Tir. 114,60 angegeben wird. Die Genitivform Molossorum kann ich nur in Bezug auf den Volksstamm, nicht für die Hunderasse nachweisen. 240 Fangnetzen ordnet auch Dracontius selbst den Begriff des fallere zu, s. laud. 1,508 retibus ... f a l l a t; vgl. Claudians Schilderung der Vorbereitungen für Tierschauspiele gegen Ende des 3. Buches ‘De consulatu Stilichonis’ (24,237ff.), dort 272f. retibus et clatris dilata morte tenendae│ ducendaeque ferae; ferner 292ff. (die Molosser und fünf weitere Hunderassen), 315ff. (Schlingen, Fallen und Fallgruben), 341 (das Stichwort non fossa f e f e l l i t). 241 Vgl. die Variation dieser Topik in Sen. Phae 31ff. (die Spürhunde, allen voran die Molosser), 44ff. (die Jäger mit Fanggeräten und Wurfgeschossen); die Kommentare notieren weitere Stellen und einschlägige Literatur.

  Buch II „The earth wickedly brings forth dreadful lions, the artless sheep are destined to suffer from the guile of wolves, and the deer, darting hither and thither, dreaded the harshly baying Molossian hounds. The boar drips foam, with crescent tusk it threatens death“ (IRWIN).

Wie hier die damma den molossi zugeordnet ist, so in Romul. 1,9 (non lepus iam praeda saeuo tunc molosso iungitur) 242 der lepus 243. Beide Tierarten sind auch in laud. 2,283 berücksichtigt. Die von M3 in 2,285 eingeführten molossi werden also durch den Usus des Dracontius bestätigt. Das oben als Bestandteil der Klausel von 2,285 postulierte Stichwort dente erscheint hier in 1,280 an gleicher Versstelle, bezogen auf den Eber; molossos steht unmittelbar darüber. Folglich wird man den Ausgang dente molossum in 2,285 als plausible Variation ansehen. In der Jagdschilderung seiner ‘Vita Martini’ malt Venantius Fortunatus die Macht des Heiligen über die Wildheit der Molosserhunde im Detail aus. In 3,331ff. heißt es dort: intendunt leporem fugitiuum agitare molossi. saltibus excussi latratu et d e n t e minaci 244 diffusi excurrunt celeres in amore rapinae. “Es eifern die Molosserhunde den flüchtigen Hasen zu jagen. In (großen) Sprüngen hinausgestürmt, verteilen sie sich unter Gebell mit drohend blitzenden Zähnen und rasen eilend dahin in ihrer Gier nach Beute.“

Die blanken Zähne (nudatos ... dentes) schlägt in der Martinsvita des Paulinus von Perigueux der wilde Molosserhund zusammen, der dort auf einen erschreckten Mann eindringt 245. Schon zuvor hatte der Erzähler angesichts der wilden Besessenheit der Molosserhunde (4,510ff.) die rhetorische Frage gestellt:

 242 Siehe zu diesem Vers ZWIERLEIN KK 2017, 23 Anm. 75. Vorauf geht Claud. rapt. Pros. 2 praef. 25f. securum blandi leporem fouere Molossi│uicinumque lupo praebuit agna latus („Molossian hounds caressingly nuzzled the fearless hare, and the lamb offered its side nearby to the wolf“ [GRUZELIER]). 243 Vgl. Ennod. carm. 2,98,2 fugitat lepus ... molossum. 244 Vgl. Ven. Fort. Mart. 3,338f. capturae unius cunctorum f r e n d e t h i a t u s │saepe super leporem m o r s u deceptus inani („auf den Fang dieses einen Hasen ausgerichtet knirscht mit den Zähnen aller Hunde weit geöffnetes Gebiß, das oftmals in leerem Schnappen nach dem Hasen vergeblich zubeißt“). – Wie eine Kombination von Ven. Fort. Mart. 3,331f. und Drac. laud. 2,285 (in der oben restituierten Form) wirkt Nigell. spec. stult. 831f. quatuor immensos m o r d a c i d e n t e molossos│ immittens in eum („vier gewaltige Molosserhunde mit bissigem Zahn hetzt er auf ihn“). 245 Paul. Petric. Mart. 5,241ff. cum diri uiolentia saeua Molossi│irrueret, quatiens furioso gutture r i c t u s,│ ...│ nudatos crebro collidens murmure dentes („als die wilde Gewalt des grimmigen

Die Frevel der Menschen im Vergleich zur Tierwelt  

4,515 Quis fructus quaeue utilitas 246, prensare fugaces bestiolas l e p o r u m que fuga gaudere pauentum? „Welcher Gewinn, welcher Nutzen liegt darin, flüchtige kleine Tiere zu fangen und sich an der Flucht ängstlicher Hasen zu erfreuen?“

Der heilige Martin macht diesem furor (517) ein Ende, indem er den aufgesperrten Rachen der Hunde (hiantum│ ora canum) und ihre schnellen Schritte erstarren läßt (4,518f.).

Seit Kains Brudermord herrschen Krieg und Verbrechen in der Welt 2,298 296 et bellum ignotis transfert manus hospita terris. non sat erant terrae tolerant quae bella cruenta? ut uel in externos tantum produceret hostes impatiens armata manus! cur tela p r o p i n q u i s 300 impulsant peraguntque, nefas, c i u i l i a bella? nec solum c i u i l e sat est, s o c e r o s que p a t r e s que g e r m a n o s que petunt saeuo certamine f r a t r e s. „and an alien band transports war to unfamiliar shores. Were not the lands sufficient which are enduring cruel wars? Would, even, that the restless band in arms were campaigning against only foreign foe! Why do they launch their weapons against neighbors and – O sacrilege! – fight civil wars to an end? Nor is civil strife alone enough: in savage conflict they assail fathers-in-law and fathers and brothers german“ (BRESNAHAN).

Die von VOLLMER vertretene Interpretation der überlieferten Partikeln ut (konzessiv) uel (= etiam) ... tantum (= adeo) spiegelt sich bei MOUSSY in der Übersetzung: „Admettons encore qu’une troupe armée marche avec impétuosité contre les seuls ennemis du dehors, mais pourquoi lancer des traits contre des parents ...“. HUDSON-WILLIAMS (1947) hatte diese konzessive Satzstruktur m.E. zu Recht verworfen und dafür plädiert, aus dem überlieferten Wortlaut einen Wunschsatz zu gewinnen (102f.). Unter Verweis u.a. auf Drac. Romul. 8,44 (atque utinam infelix urbs tantum morte periret!) 247 fordert er den (nirgends belegten)

 Molossers auf ihn losstürmte, mit rasendem Rachen das klaffende Maul auf- und zuklappend, unter häufigem Gebell die nackten Zähne aufeinander schlagend“). 246 Vgl. laud. 2,284 q u o s medicina iubet haec ut capiantur a d u s u s ...? 247 Vgl. laud. 2,321 iam genitos utinam tantum fera dextra feriret!

  Buch II Versauftakt inque utinam und möchte zusätzlich das in 299 überlieferte cur durch quin ersetzt sehen. Wunscheinleitendes ut aber (das für utinam stehen kann) gehört von Anfang an zum lateinischen Sprachidiom 248. Die Überlieferung ist in der oben gegebenen Interpunktion intakt: dem uel ... tantum (298) entspricht in 301 nec solum. „Oh wollte die bewaffnete Schar in ihrer Maßlosigkeit w e n i g s t e n s n u r gegen auswärtige Feinde vorrücken! 249 Warum schleudern sie ihre Geschosse auf die anwohnenden Landsleute und führen, welch ein Frevel, Bürgerkrieg? Ja, nicht einmal Bürgerkriegsfrevel ist genug: sie vergreifen sich an den eigenen Blutsverwandten!“ Zur Rechtfertigung der Kombination eines exklamatorischen Wunschsatzes mit folgendem rhetorischen Fragesatz genügt wohl ein Hinweis auf Vulg. exod. 16,3 utinam mortui essemus per manum Domini in terra Aegypti, quando sedebamus super ollas carnium et comedebamus panes in saturitate! cur eduxistis nos in desertum istud, ut occideretis omnem multitudinem fame? („O wären wir doch durch die Hand des Herrn im Lande Ägypten gestorben, als wir über unseren Fleischtöpfen saßen und Brote zu essen hatten, so daß wir satt wurden! Weshalb habt ihr uns in diese Wüste geführt, daß ihr das ganze Volk durch Hunger zu Tode brächtet?“). Ähnlich Ambr. in Luc. 10,181 atque utinam cum euangelii fine noster quoque sermo claudatur! cur secundum Matthaeum et Marcum mandat discipulis: praecedam uos in Galilaeam, ibi me uidebitis, secundum Lucam uero et Iohannem etiam intra conclaue obtulit se uidendum? („Und könnte doch mit dem Ende des Evangeliums auch unsere Predigt schließen! Warum gibt Er gemäß Matthäus und Markus den Jüngern den Auftrag: ‚Ich gehe euch nach Galiläa voraus, dort sollt ihr mich sehen’, warum bot er sich nach Lucas und Johannes sogar innerhalb ihres (verschlossenen) Gemaches ihren Augen dar?“). 2,304. 306 Die soeben besprochenen Verse handelten von der Verderbtheit des Menschen, der seit Urbeginn die ihm gegebenen Weisungen mißachtet (245ff.), dabei auch die Gesetze der Natur bricht (289), bewaffnet über die Meere segelt, Krieg in ferne Länder trägt. Er führt nicht nur Krieg gegen auswärtige Feinde, sondern auch  248 Siehe HOFM.–SZ. 331; KÜHN.-STEGM. I 183f. 249 Die Junktur ut uel sic (nos conuertamur ad illum) – mit finalem ut – hat Dracontius in laud. 2,750; so auch Paul. Nol. carm. 27,133f. (ut uel parte mei tangam confinia uitae,│corpore ne toto trahar in consortia mortis). Vgl. ferner Claud. rapt. Pros. 3,107f. prohibent si fata reuerti,│uel tantum uisura ueni; Ov. Pont. 4,7,13 atque utinam pars haec tantum spectata fuisset; Petr. Chrys. serm. 114,6 lin. 77 [CCL 24A] sed utinam uel tantum! (hier: „w e n i g s t e n s (eben)so groß“).

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Bürgerkriege, ja Krieg gegen Schwiegerväter, Väter und Brüder (293–302). Dieses frevelhafte Verhalten wird im folgenden auf die Urzeit zurückgeführt: Bereits die zweite Menschengeneration besudelte sich mit dem Blut des Bruders, und von da an bürgerte sich dieses beklagenswerte Verhalten geradezu ein: Aus dem Hinterhalt bringt der Räuber den friedlichen Wanderer um, der bewaffnete Dieb schlägt im Dunkel der Nacht zu; es folgen Verbrechen auf Verbrechen: laud. 2,303 nec modo temptatur nouiter, primordia mundi hoc taetrum doluere nefas hominumque secundum 305 conspexere pii perfusum sanguine fratris. gessit hoc 250 impietas (et postea 251 conditor Vrbis) et quasi lex fuerit, miserum sic uenit in usum: faucibus obsessis cadit a latrone uiator; quid fur nocturnus, prauo uelatus in actu 310 ne capiatur, agat ferro comitante per umbras, multorum nos saeua docent exempla priorum. „And this is not only now essayed for the first time. The first creatures of the world grieved over this foul outrage and beheld the second of men drenched in the blood of his loving brother. Disregard of common ties did this deed (as afterwards did the founder of the city of Rome), and thus it came into lamentable use as if a law. In an ambuscaded gorge, the wayfarer falls at the hands of the brigand. What the thief of night does – with weapon of steel accompanying him through the darkness and masked lest he be taken in the vicious act – the dread examples of many of our predecessors teach us“ (BRESNAHAN).

In Vers 304 beruhigen sich die Herausgeber bei dem überlieferten hominumque secundum, wodurch Kain in einer partitiven Genitiv-Konstruktion (BRESNAHAN [S. 242] verweist auf KÜHN.–STEGM. I 426) als „zweiter der Menschen“ bezeichnet  250 Man muß sich wohl damit abfinden, daß der Spätling hier hoc einmal als kurze Silbe behandelt, obwohl er sonst – wie alle Dichter (wenn man von der Jambenkürzung der frühlateinischen Szeniker absieht) – hoc immer lang mißt, 15mal vor anlautendem Vokal (darunter zwei Beispiele für hoc hom-). Laut ThLL VI 3,2697,28ff. gibt es neben Drac. laud. 2,306 nur einen einzigen Vers (die Verfasser des Artikels vermuten einen „versus fictus“) mit kurz gemessenem hoc: Gramm. suppl. 227,19 est decus hōc animae, uirtus hŏc et inclytus ordo. AREVALO hat die Anomalie gesehen und hoc durch id ersetzt. Aber dieses Pronomen selbst scheint bei Dracontius nur einmal in der (prosaischen) Junktur id quod vorzukommen (Romul. 5,271). Auch die Annahme, ein ursprünglich gnomischer Ausruf hoc facit impietas! sei nachträglich zu gessit hoc imp. verändert worden, bringt keine befriedigende Lösung; denn ein solcher präsentischer Ausruf dürfte sich kaum in den Gedankenduktus der Großperiode 303–307 fügen (siehe unten). 251 Die daktylische Messung von postea ist ohne Anstoß; sie begegnet nach unseren Zeugnissen seit Damasus in der hexametrischen (und distichischen) Dichtung der Spätantike, s. ThLL X 2, 186,22ff. (es fehlen dort Paul. Nol. carm. 32,98; Ps.Avian. fab. 29,23; Cypr. Gall. iud. 468; Ven. Fort. carm. 6,5,134; 9,14,14; ferner CE 474,6; 1238,14).

  Buch II würde. Aber der notorisch unzuverlässige Schreiber der Handschrift B ist einfach das Opfer eines Angleichungsfehlers geworden (siehe die Markierungen): Schon AREVALO hatte den natürlichen Ausdruck hominemque secundum restituiert. Der leichte Eingriff läßt sich rechtfertigen: Der h o m o s e c u n d u s Kain in 304 weist zurück auf den h o m o p r i m u s Adam, der (nebst Eva) als erster das Gebot Gottes übertrat (2,249 olim p r i m u s h o m o transcendit iussa Tonantis). Dem Brudermord Kains wird (in Entsprechung zu Aug. civ. 15,5) beiläufig der des Romulus an die Seite gestellt, als eigentliches Movens der Handlung aber die impietas benannt. Dem tragen die Herausgeber seit VOLLMER durch die folgende Interpunktion des Verses 306 Rechnung: gessit hoc impietas (et postea conditor Vrbis). MOUSSY dagegen hat die beiden Parenthese-Klammern durch zwei Kommata ersetzt und den Text wie folgt wiedergegeben: „C’est l’injuste Caïn qui a commis ce forfait, puis après lui le fondateur de la Ville.“ Aber der Hauptgedanke gessit hoc impietas wird durch et quasi lex fuerit, miserum sic uenit in usum fortgeführt. Dieser Vers 307 sollte nicht zu eng an die Romulus-Episode angeknüpft werden, sondern primär mit dem Kainsfrevel verbunden bleiben. Also wird man an der Parenthese festhalten – vielleicht sogar ut (postea) statt et zu erwägen haben 252. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob man mit MOUSSY i m p i e t a s als abstractum pro concreto ansehen soll. Dafür könnte der Wechsel zwischen dem Concretum impia mater (323) und dem Abstractum impietas in 325 (quae bibit i m p i e t a s truculenta inpune uenenum?) sprechen, dort, wo der Dichter über die Abtreibung von Föten im Mutterleib handelt (s.u.). Andererseits scheint die von Dracontius bewußt vorgenommene zweifache Wahl des Abstractum i m p i e t a s bei der Beurteilung des Frevels gegen die Blutsbande im thebanischen Geschlechtermythos 253 darauf zu deuten, daß auch hier, wo Kains Vergehen gegen die Bruderliebe bewertet wird, das Abstractum impietas Handlungsträger sein soll: „Das hat Mißachtung des Bruderbluts zuwege gebracht!“ 254 Für Beibehaltung des Abstractum scheint auch eine der Quellen des Dracontius zu sprechen, die Alethia des Marius Victor 255. Dieser deutet im zweiten Buch  252 Das überlieferte et (postea) konnte sich leicht unter dem Einfluß des folgenden et quasi einstellen. 253 Siehe Romul. 10,451f. dicabit│mortibus i m p i e t a s, a f f e c t u s funera praestant („[in Theben] wird Mißachtung der Blutsbande die Akteure dem Tod weihen, werden Liebesgefühle Untergang bereiten“) und die p e r s o n i f i z i e r t e n A b s t r a c t a in 10,570ff. (saeue Furor, crudele Nefas, infausta Libido,│ I m p i e t a s, Furiae, Luctus, Mors, Funera, Liuor,│ linquite mortales). 254 Zu impietas ‘in propinquos (maxime parentes)’ siehe ThLL VII 1, 612, 71ff. 255 Victor ist dem Dracontius gut bekannt, siehe das Register und MOUSSY zu laud. 2,417. Damit der Leser eine Vorstellung davon gewinnt, wie weit Dracontius seine literarischen Quellen im

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den Brudermord Kains weitläufig aus. Dabei steigert sich der Erzähler in folgende affektische Rede hinein (deren Pointierung bisher nur unzureichend verstanden zu sein scheint): aleth. 2,234 pro quantum prima propago 235 criminis adiecit! mortem pro nomine poenae inductam mundo uix dignum est dicere: fecit i m p i e t a s scelus esse nouum. peccata parentes tantum morte luent: tu poenas morte solutus et pro morte dabis, peior serpente nefando. 240 ille etenim letum suasit, non intulit; at tu auctor primus eris caedis. „Weh, welches Ausmaß an Frevel hat die erste Nachkommenschaft (sc. die aus Adam und Eva entsprossene) hinzugefügt! Daß die Todesverfallenheit als Ausweis der Strafe (sc. für die erste Gesetzesübertretung) in die Welt eingeführt wurde, ist kaum der Rede wert: Mißachtung der Blutsbande bewirkte ein neuartiges Verbrechen! Die Eltern (sc. Adam und Eva) werden lediglich ihre Sünde (sc. vom verbotenen Baum gegessen zu haben) mit dem Tod sühnen 256; du dagegen, der du an sich durch die (ererbte) Todesverfallenheit der Buße (bereits) entledigt bist 257, wirst Strafe auch für (gewaltsam) herbeigeführten Tod leisten – ein schlimmerer Frevler als die ruchlose Schlange. Jene nämlich hat lediglich zum Tod geraten, den Tod nicht zugefügt; du aber wirst der erste Urheber eines Mordes sein.“

Das abstrakt formulierte fecit│impietas scelus esse nouum (aleth. 2,236f.) ist das Muster für gessit hoc impietas (laud. 2,306), zumal die Weiterführung des Gedankens an beiden Stellen eng verwandt ist 258: Bei Marius Victor stempelt die

 Einzelfall verfremden kann, wird seine Imitationstechnik, insbesondere seine Nutzung der ‘Alethia’ des Marius Victor im Zusammenhang der Episode von Kains Brudermord, etwas ausführlicher besprochen. 256 Wie die Markierungen zeigen, ist peccata tantum (luent) zusammenzunehmen – in Antithese zu et pro morte (poenas ... dabis). 257 So gebe ich das durch den Pariser Codex unicus aus dem 9. Jh. überlieferte morte solutus wieder. HOVINGH hat den m.E. irrigen Angleichungsfehler poenas ... solutas aus der editio Guilelmi MORELLI (Parisiis 1560) in seinen Text übernommen. Ebenso KUHN-TREICHEL (2016) 82f. und 2018, 158 (mit Anm. 61). 258 Das ‘Carmen adversus Marcionitas’ beginnt mit dem Abstractum impietas als Handlungssubjekt, siehe Carm. adv. Marc. 1,1ff.: Impietas profunda Mali, mens inuida uitae, seductos homines spe postquam cepit inani, nudauit suadendo nefas sibi credere falsum. „Nachdem die in der Hölle angesiedelte gottesfeindliche Macht des Bösen, der Geist, der das Leben verneint, die (ersten) Menschen mit nichtiger Hoffnung [sc. durch die Erkenntnis von Gut

  Buch II neue Qualität des Frevels Kain zum Muster für jegliches Morden, seien Staatsfeinde am Werk oder Räuber, die in privatem Umfeld ihr Unwesen treiben, oder sonstige bewaffnete Verbrecher: jedes Vergehen ist Ausfluß des von ihm initiierten Kriegsgebarens. Ja, ihn treffe überhaupt die Gesamtverantwortung dafür, daß künftig die Menschen weniger durch einen der Naturordnung entsprechenden Tod als durch gewaltsamen Mord zugrunde gingen: aleth. 2,241

te publicus hostis, te latro priuatus sequitur, tibi crimina plectent arma telis, gladiis et uindice ferro. militia scelus omne tua est populique futuri 245 quod minus interitu iusto 259 quam caede peribunt ad te summa redit.

Von Dracontius haben wir bereits eingangs (S. 93) gehört, daß er nach gessit hoc impietas (306) mit der Feststellung weiterfährt, eine solche Verhaltensweise sei geradezu zur Gewohnheit geworden, und daß er dies dann ebenfalls durch den latro und eine lange Reihe weiterer Verbrecher und Verbrecherinnen exemplifiziert (siehe den oben gegebenen kurzen Textausschnitt laud. 2,307ff.). In dieser Ausdeutung des Kainsgeschehens als richtungsweisend für die künftige Entwicklung der Menschheit ist also die Vorbildfunktion des Marius Victor gegenüber Dracontius evident. Dieser variiert – wie beinahe immer – sehr frei, handelt z.B. die Thematik des publicus hostis (aleth. 2,241) im Vorgriff ab (laud. 2,293ff.) 260. Aber an einigen Stellen verraten auch im veränderten Zusammenhang bestimmte Schlüsselbegriffe, daß er sich vom Vokabular des Marius Victor hat inspirieren lassen. Das gilt z.B. für das Stichwort doluere (im Zusammenhang mit sanguine fratris) in dem oben ausgeschriebenen Auftakt laud. 2,303–305, das auf aleth. 2,229ff. zurückweist: (...) tantum│si facinus fecit, qui sic, quod sanctior ipso│frater erat, doluit, aber auch für die armati ... mucrone cruento (laud. 2,293/295), die  und Böse wie Gott zu sein] geködert und zum Abfall verleitet hatte, beraubte er sie (ihrer paradiesischen Unschuld), indem er ihnen einflüsterte, ihm zu glauben, was falsch und Unrecht war.“ 259 HOVINGH hat das sinnlose iusso des Parisinus übernommen, wofür eine unbekannte Hand mit gutem Grund iusto an den Rand des in der Bodleiana aufbewahrten Exemplars der editio Moreliana (1560) geschrieben hat. Wie ein „richtiges“, „ordnungsgemäßes“, „gehöriges“, „passendes“, „angemessenes“ Begraben eines Leichnams in der Erde als iustae sepulturae traditum (corpus) bezeichnet werden kann (s. Marcian. dig. 11,7,39 und überhaupt ThLL VII 2, 719,35ff.), so hier der „natürliche“, „übliche“, „regelkonforme“ Tod als interitus iustus – in Opposition zu c a e d e s. Demgemäß gibt W. EHLERS iustas ... flammas im Lucanvers 9,234f. durch „einen rechten Scheiterhaufen“ wieder. 260 Siehe oben S. 93.

Die Frevel der Menschen im Vergleich zur Tierwelt  

armata manus und die tela (2,299), die an aleth. 2,242f. (tibi crimina plectent │ arma telis, gladiis et uindice ferro) erinnern. Hat man sich diese Imitationsweise bewußt gemacht, wird man auch die ruchlose M u t t e r, die im Gefolge des Kainsfrevels G i f t s ä f t e t r i n k t, um ihre Leibesfrucht abzutreiben (laud. 2,323ff.), mit dem bei Marius Victor angeschlagenen Motiv in Verbindung bringen, daß Kain beim Brudermord aus dem gleichen Quell wie die Schlange und die M u t t e r Eva g r ä ß l i c h e s G i f t g e t r u n k e n h a b e. Hier die beiden Textsegmente: aleth. 2,224

illo de fonte uenenum, quo serpens materque, bibit fratremque cauendi ignarum saeua mactatum caede trucidat.

(Als Kain sieht, daß das Opfer seines Bruders, nicht aber das seine angenommen wird,) „da trinkt er aus jenem Quell gräßliches Gift, aus dem die Schlange und seine Mutter (Eva) getrunken hatten, und tötet den Bruder, der nicht daran denkt, sich in acht zu nehmen, und macht ihn in wildem Morden nieder.“ laud. 2,321 iam genitos utinam tantum fera dextra feriret! et necdum natos properant in uentre ferire. externos pariterque suos furit i m p i a mater conceptus damnare, sui nec cura pericli est. 325 quae bibit i m p i e t a s truculenta impune uenenum? repperit hoc quis grande nefas ut non sibi mortem hauriat os quodcumque bibit? minus ecce n o u e r c a audet in externos genitos quam mater agit rem. „Would that the ruthless hand did strike only the already born! Even the yet unborn they haste to strike within the womb. The undutiful mother strives madly to harm the children that are equally those of a stranger and her own, and no care is there of her own peril. What grim impiety is it that drinks down poison with impunity? Who discovered this monstrous crime that the mouth does not drink in death to itself, whatever it drinks? Lo, the stepdame hardly ventures against the children of a stranger that which the mother does“ (BRESNAHAN).

Dracontius ersetzt den Bruder (fratrem) durch necdum natos und suos ... conceptus (jeweils durch Unterstreichung markiert), das saeua ... caede trucidare durch fera dextra ferire (durch punktierte Linie hervorgehoben), vielleicht zusätzlich das intensivierende mactatum durch furit ... damnare und wendet Victors M e t a p h e r uenenum bibere zurück in die unverstellte, eigentliche Aussage, daß die schwangere „Mutter“ Giftsäfte trinkt, um ihr ungeborenes Kind zu töten. Gemäß diesem Muster weist selbst der scheinbar isoliert stehende, in keinen unmittelbar erkennbaren Imitationszusammenhang eingebundene Dativbegriff

  Buch II moribus aus laud. 2,248 zurück auf den von Marius Victor gewählten Dativ moribus in aleth. 2,247. Dracontius sagt an der genannten Stelle: laud. 2,248 nec modo p e c c a t u m subrepsit moribus: olim 261, olim primus homo transcendit iussa Tonantis „und nicht eben erst schlich sich die Sünde ein in das sittliche Verhalten der Menschen: Vor langer Zeit, vor langer Zeit hat sich der erste Mensch über die Anordnungen Gottes hinweggesetzt“.

Bei Marius Victor hatte er gelesen: nec prorsus displicet istud moribus exemplum, quod fratris sanguine primum humanus fundi coepit cruor, ut f a c i n u s par sentiat ammissum, tali quem c r i m i n e constat 250 fraternum renouasse n e f a s, ratione docente omne hominis letum non prima sorte perempti esse necem fratris.

aleth. 2,246

„Und den Sitten missfällt dieses Vorbild durchaus nicht, dass das erste menschliche Blut durch Brudermord vergossen zu werden begann, damit jener spürt, dass er die gleiche Untat beging, der offenkundig mit einem solchen Verbrechen Bruderunrecht erneuert hat; die Vernunft nämlich lehrt, dass jeder Tod eines Menschen, der nicht durch das erste Verhängnis starb, ein Brudermord ist“ (KUHN-TREICHEL).

Die beiden Texten gemeinsame formale Sperrung nec ... moribus, die Hervorhebung des primus h o m o und der ersten Gesetzesübertretung in laud. 2,249, die auf Victors h o m i n i s ... non prima sorte perempti (251) und auf das Stichwort primum beim ersten Vergießen von Menschenblut (aleth. 2,247f.) zurückweisen, machen auch hier noch in der Verfremdung des neuen Zusammenhangs das ferne Echo des Vorbildes vernehmbar. 2,315 Lies mit Arevalo iunxere. Vermutlich ist iunxisse durch das darunter stehende promissa mitbeeinflußt.

 261 Zur Interpunktion siehe Anm. 190. Zu vergleichen ist die verwandte asyndetische Formulierung in laud. 2,303f. nec modo temptatur nouiter, primordia mundi│hoc taetrum doluere nefas (s.o.).

Gottes Strafen: Sintflut, Schwefelfeuer auf Sodoma und Gomorrha  

. Gottes Strafen: Sintflut, Schwefelfeuer auf Sodoma und Gomorrha .. Rückfall in die alten Frevel nach der Sintflut 2,398. 408 397 non homines tantum fecundior arca refundit: pace quidem modica dilata † littore tenta. nam postquam reuocantur aquae per uiscera terrae 400 diluuiumque nocens altus suscepit abyssus (litora nudantur montes mare flumina siluae, apparent fontes paulatimque arida tellus redditur et redeunt cunctis iraeque metusque iam tecta tellure feris gregibusque auibusque), 405 impia gens hominum scelerum mox uota resumit et facinus reparare cupit, ne perderet usum criminis inluuies et tamquam damna subiret. sic adherent delicta malis g r a s s a n t e reatu, sic p a s s i m redeunt ad saeua piacula mores. 410 pertulit ista diu princeps impune u a g a r i ut reuocarentur satiati crimine m u l t o; sed postquam i n p e i u s hominum p r o c e d e r e uidit pessima uota , (...). 398 quidem M2: qui de BMac modica dilata littore tenta B: m. dil. de littore t. M: m. dil. maligna retemptant temptaverat Vollmer, m. dil. dira retentant Corsaro, m. dilata dĕlicta retenta Kuijper, modico ditata est tempore terra Arevalo „And not only men did that too prolific ark restore; there being an interval of peace, brief indeed, they attempt anew the wicked deeds that had been put aside. For once the waters are recalled through the bowels of the earth and the deep abyss has drunk in the damaging flood (shores are bared, the mountains, sea, rivers, woods; the springs appear, and gradually the dry earth is restored: when finally the land has been covered by beasts and flocks and birds, ferocities and fears return to all), thereupon the recreant race of men resumes its bent for evil-doings and covets the renewal of wrong, lest the filth of crime should pass from use and undergo injury, as it were. Thus do wrongdoings stick to evil men as guilt grows apace: thus do the ways of men everywhere revert to savage crimes. The Supreme Being long suffered these depravities to take their errant course unpunished, that when surfeited with much crime, these men might be reclaimed. But once God has seen the worst perversities of men proceed to even worse, (...)“ (BRESNAHAN).

VOLLMER hat in seinen beiden Ausgaben die Crux vor die Klausel des Verses 398 gesetzt, seinen Verbesserungsvorschlag im Apparat also nur als diagnostische

  Buch II Konjektur verstanden. Gleichwohl dürfte sein r e t e m p t a n t am Versende allen anderen bisher gemachten Vorschlägen vorzuziehen sein, von denen es KUIJPERs unmetrischer Versschluß dilata delicta retenta kurioserweise geschafft hat, in MOUSSYs Text aufgenommen zu werden. MOUSSY übersetzt: „abandonnés le temps d’une courte trève, les péchés ont été tenus en réserve“ (in den kommentierenden Noten wird S. 355 als näher am lateinischen Wortlaut stehende Wiedergabe „les péchés ont été conservés“ dargeboten). Der übergeordnete Gedanke des ganzen Passus ließe sich etwa wie folgt zusammenfassen: „Die allzu trächtige (schwangere) Arche hat nach dem Abebben der Sintflut nicht nur die Menschen aus ihrem Bauch entlassen [397], sondern zusammen mit dieser i m p i a gens hominum (405) auch den ihnen angeborenen Hang zu Vergehen und Verbrechen, die sich nun (nach einer kurzen Zwischenpause) aufs neue auf der Erde ausbreiten“. Dieser Grundgedanke wird vom Dichter breit entfaltet. Dabei schildert er in einer vierzeiligen Parenthese (401ff.) gleichsam in einem Atemzug das Wiedererstehen der Erde aus den Fluten und ihre neuerliche Besiedelung durch wilde Tiere, Viehherden und Vögel 262. Auch unter diesen nachsintflutlichen Tieren regen sich wieder die alten instinkthaften Emotionen: iraeque metusque (403). Den Auftakt zu dieser Schilderung bilden die Mottoverse 397f., deren ursprüngliche Fassung vermutlich folgendermaßen lautete: 397 non homines tantum fecundior arca refundit: pace quidem modica 263 delicta priora retemptant 264. „Nicht nur die Menschen läßt die Arche aus ihrem allzu schwangeren Bauch herausströmen: Diese halten zwar für eine kurze Weile Frieden, doch dann nehmen sie ihre früheren Freveltaten wieder auf.“

An diese Mottoverse wird mit explizierendem nam postquam ... die ausführliche Erläuterung dieses Rückfalls in die alte Frevlermentalität angeschlossen. Unter dem Einfluß des in 2,354. 379. 401, also dreimal, begegnenden Wortes lit(t)ora konnte in 398 das Kolon, das m.E. ursprünglich delicta priora retentât gelautet hat, leicht in dilata littore (de littore M) tenta BM übergehen. Dracontius verwendet die Junktur delicta priora ein weiteres Mal im gleichen Buch, nämlich als Versschluß in laud. 2,709f. (si peccantes agnoscant corde reatus │et damnent

 262 Vgl. die bildliche Darstellung in der Buchmalerei der ‘Wiener Genesis’ bei RUMSCHEID – SCHRENK – KRESSIRER (2018) 349. 263 Verwandt ist der „kühne Abl. temporis“ in Romul. 8,316 (temporibus soceri), siehe ZWIERLEIN KK 2017, Anm. 346. 264 In den Handschriften vermutlich in der Graphie retentant wiedergegeben.

Gottes Strafen: Sintflut, Schwefelfeuer auf Sodoma und Gomorrha  

meliore animo delicta priora) 265. Vgl. Aug. bapt. 2,6,9 tempore illo, quo dominus priora delicta recentibus poenarum exemplis cauenda monstrauit; Hier. epist. 69,4 recolat unusquisque conscientiam suam ..., cumque uerum iudicem priorum se exhibuerit delictorum, audiat increpantem Iesum (‘...’). Die Floskel delicta priora retemptant des Mottoverses wird zunächst in 405 durch scelerum ... u o t a resumit erläutert (d.h. die impia gens hominum läßt sich wieder von ihrem [alten] Verlangen nach frevelhaftem Tun treiben), danach in 406f. durch facinus reparare c u p i t, ne perderet usum criminis inluuies. Auch diese zweite Variation hebt auf den inneren Drang der Menschen ab, ihre Übeltaten von neuem aufzugreifen. Der Dichter kommentiert dies mit dem sarkastischen Finalsatz: „damit das unflätig-verbrecherische Treiben nur ja nicht außer Übung komme und sozusagen einen Schaden erlitte“. Das Ende dieser nachsintflutlichen Entwicklung – bevor in 410ff. die Reaktion Gottes auf diesen neuerlichen Ungehorsam der Menschen geschildert wird – skizziert der Erzähler in zwei konstatierenden sic-Sätzen: 408 sic adherent delicta malis g r a s s a n t e reatu, sic p a s s i m redeunt ad saeua piacula mores. „So hängen Verfehlungen an Untaten, während Schuld sich in großen Schritten ausbreitet, so kehren die Menschen in ihrer sittlichen Verwahrlosung in breitem Strom zu wilden Verbrechen zurück.“

Dracontius hat dreimal die Form adhaeret, jeweils in korrekter Prosodie am Versende. Kurz gemessenes adhĕrere, wie es hier VOLLMER (1905) 313 s.v., BRESNAHAN, CORSARO und MOUSSY (die beiden letzteren ohne Kommentar) ansetzen, scheint nirgends belegt. Auch die Semantik des Verbs fügt sich nicht in den Zusammenhang, wie die Übersetzung zeigt. Die durch Sperrung hervorgehobenen Begriffe machen deutlich, daß die Entwicklung von scelerum ... u o t a resumit und facinus reparare c u p i t zu g r a s s a n t e reatu und p a s s i m redeunt vorangeschritten ist. Dies setzt sich in 410ff. fort; man beachte die Begriffe uagari, crimine multo, in peius ... procedere. Folglich muß in Vers 408 nach einem Ersatz für das Verb adherent gesucht werden, der eine Steigerung der Untaten zum Ausdruck bringt im Sinne von augent delicta malis 266, allenfalls auch (wenngleich der

 265 Siehe oben zu Anm. 22. 266 Subjekt ist weiterhin impii homines (gewonnen aus impia gens hominum in 405). – Ohne instrumentalen Ablativ begegnet die Junktur in Sil. 11,46f. temeraria pubis│ d e l i c t a a u g e b a t, pollutior ipsa, senectus („the old men, more corrupt themselves, outdid the headstrong follies of the young“ [DUFF]).

  Buch II rhetorische Gestus gegen diese Form spricht) im Sinne von addunt delicta malis. Als Belege nenne ich exempli gratia Hier. in Ezech. 5,16,28/29 lin. 240 (CCL 75) ... cumque non egerimus p r i o r u m s c e l e r u m paenitentiam, augemus delictum delictis et nullo errore satiamur („obwohl wir noch nicht für die früheren Vergehen Buße getan haben, mehren wir Frevel durch Frevel und lassen uns durch keinen Fehltritt sättigen“); in Ier. 3,63,4 qui (sc. daemones) numquam nobis dant requiem et semper inpellunt delictis augere delicta et cumulum facere peccatorum („die uns niemals Ruhe geben, sondern uns immer dazu antreiben, Vergehen durch Vergehen zu mehren und einen Berg von Sünden aufzuhäufen“); Aug. epist. 157,3,11 p. 457,21 (CSEL 44) et quid est ‘ex multis delictis in iustificationem’, nisi quia C h r i s t i g r a t i a non solum unum illud delictum soluit, quo obstringuntur infantes ex illo uno homine procreati, sed etiam multa delicta, quae, cum creuerint, homines addunt malis moribus suis? („und was bedeutet ‘aus vielen Verfehlungen zur Rechtfertigung’ anderes als den Umstand, daß die Gnade Christi nicht nur jenes eine Defizit behoben hat, in das schon die aus jenem einen Menschen, Adam, geborenen Säuglinge verstrickt sind (d.h. die Erbsünde), sondern auch die vielen Vergehen, die die erwachsenen Menschen hinzufügen aufgrund ihrer schlechten Gesittung?“). Weder addunt noch augent sind paläographisch nahe genug bei adherent, daß man mit gutem Grund eine entsprechende Verschreibung vermuten könnte. Das Verb addunt muß auch deswegen ausscheiden, weil in dem Begriff delicta von 408 die delicta retemptata des Verses 398 aufgegriffen werden, also zu erwarten ist, daß dies der tragende Begriff bleibt: Diese schon genannten delicta werden in der späteren Entwicklungsstufe durch weitere Untaten vermehrt. Es wird demnach ein Verb gesucht, das eine Konstruktion nach dem Muster augent delicta malis ermöglicht. Diese und zusätzlich die paläographischen und semantischen Voraussetzungen werden m.E. am besten durch die Korrektur adolent erfüllt 267. Spätestens seit Lucr. 4,1236f. (multo sanguine maesti│ conspergunt aras adolentque a l t a r i a d o n i s) ist die in adolent d e l i c t a m a l i s vorausgesetzte Konstruktion geläufig. Die Bedeutung des Verbs kann in solchen Zusammenhängen nicht von „anzünden“ abgeleitet werden, sondern läßt sich am besten auf „mehren“, „aufhäufen“, allenfalls auch auf „ehren“ zurückführen 268. Es sei verwiesen auf ERNOUT-MEILLET s.v. adoleō: „Toutefois, en raison de la rareté et

 267 Die Verschreibung adolent → adherent wäre wohl mit der in Romul. 2,37 behobenen (inhiare → uiolare) vergleichbar, s. ZWIERLEIN KK 2017, 31ff. 268 Siehe FURNEAUX zu Tac. ann. 14,30,3 (cruore captiuo adolere aras): „the meaning of the verb is doubtful; the various senses of ‘piling’, ‘honoring’, ‘making to burn’ being all apparently possible ..., though perhaps from separate bases (...).“

Gottes Strafen: Sintflut, Schwefelfeuer auf Sodoma und Gomorrha  

du caractère technique du verbe, le sens ancien a cessé rapidement d’être compris, et l’étymologie populaire a rattaché adoleō à adolēscō, l’opposant à aboleō, sur le modèle fourni par les groupes adeō, abeō, etc. Ainsi Servius, Ae. 4,57, et Nonius interprètent adolēre par auctius facere, augēre (...)“; siehe auch S. 4 s.v. aboleō. Zu Non. 58 M. (= I. 283, p. 100f. GATTI, MAZZACANE, SALVADORI) und den entsprechenden Servius-Zitaten vgl. ThLL I 793,24ff. (dort 793,31f. Serv. Aen. 1,704 ‘adolere’ proprie est ‘augere’; Serv. ecl. 8,65 (...) nam ‘adole’ est ‘auge’). In übertragener Bedeutung nutzt das Verb sehr häufig Ambrosius (ThLL I 794,20ff.), u.a. paenit. 1,13,63 luxuria ... carnis culpam adolet. Wichtig sind ferner Prosp. resp. ad Gall. 2,6 arbitrium ... hominis gratia dei non abolet, sed adolet („vergrößert“, „mehrt“) und carm. de ingrat. 357 inque graues adolet („läßt wachsen“) plantaria fructus (sc. gratia Dei).

.. Die Errettung Lots – Unbelehrbarkeit der Israeliten 2,434 431 (Loth) eripitur de morte truci sine crimine uisus et seruatus abit uitae melioris amator, qualiter ereptus Noe seruatur in arca, nec generale malum sensit specialis hostis. „(Lot) is rescued from grim death, having been seen to be without crime; and, as a lover of the better life, he comes off saved, just as the rescued Noah was saved in the ark; and the enemy of even a particular evil did not experience the one that was general“ (BRESNAHAN) 269.

VOLLMER hat seinen früheren Versuch hostis in der Teubneriana von 1914 selbst aufgegeben und lieber eine Crux gesetzt. Dies hinderte weder BRESNAHAN noch MOUSSY, den verfehlten Text zu drucken (und im Kommentar jeweils zu verteidigen). Die einfachste Lösung scheint specialis hostis („a l s gesonderter Fremdling“) – in Entsprechung zu anderen Formulierungen mit vergleichendem ut/ceu bei Dracontius, etwa Orest. 251 ut pacis amator 270. Eine solche Partikel könnte leicht fehlen, wie die einfache Apposition uitae melioris amator oben in 432 zeigt, wird oft aus metrischer Bequemlichkeit hinzugesetzt, so Orest. 821 non ut inermis (sed facibus armata). In den hier ausgeschriebenen vier Versen sind

 269 Besser hat MOUSSY den Schlußssatz wiedergegeben: „et lui qui était à part, étranger à la ville, il ne subit pas le malheur général.“ 270 Siehe ZWIERLEIN KK 2017, Anm. 104.

  Buch II die Variationsmöglichkeiten durchgespielt, Vergleichungspartikeln zu setzen (qualiter / ut: 433/434), wegzulassen (432) oder zu umschreiben (431: „als einer, der [oder: „da er“] sich ohne Verfehlung gezeigt hat“). Eine Folie zu ut hostis hier kann Ovids hostis ut hospes init penetralia Collatini bieten (fast. 2,787) 271. 2,436f. 435 tot gens nostra malis non est correpta 272, sed audet criminibus laxare f r e n o s sine fronte pudoris: supplicia scelerum non damnat praua, sed auget. „Our race is not held in check by these many woes but dares to loose the reins to acts of crime with unblushing brow. It abjures not the abasements of crime but increases them“ (BRESNAHAN).

Zehn Belege für lang gemessenen e-Vokal in frenos/frena/frenare bei Dracontius sprechen gegen die Annahme, in laud. 2,436 sei frenos als Jambus gefaßt. AREVALOs laxare fores ist eine Junktur Senecas (Hf 962, vgl. HO 1008. 1141), den Dracontius gut kennt. Aufgrund des nachfolgenden fronte war eine Verschreibung in frenos (Buchstabenmetathese) leicht möglich, zumal das Verb laxare die Allerweltsjunktur frena/-os laxare geradezu heraufbeschwor. In metaphorischem Zusammenhang erscheint fores z.B. Paul. Petric. Mart. 5,85 c o r d i s saepe f o r e s ad talia munera pandens 273.

 271 AREVALO hatte specialior (eine als metrischer Notbehelf eingeführte handschriftliche Konjektur) hospes lesen wollen; doch kann auch hostis für peregrinus stehen, s. MOUSSYs Kommentar (Cic. off. 1,37; Ambr. off. 1,29,141). 272 Es ist keine Verbesserung zu correcta vonnöten, siehe ThLL IV 1044,55ff. (corripere = p u n i r e sive monendo sive verberando ac supplicio, denique e d u c a r e aliquem), 74ff. (= punire, c o r r i g e r e). Unter den Synonyma (1046,62ff.) sind castigare und corrigere hervorzuheben. Zur Bedeutung educare siehe 1045,9ff. Die Dracontiusstelle (2,435) ist fälschlich unter die Rubrik ‘morbo implicare’ eingeordnet (dort 1043,51f.). Zu tot ... malis non est correpta („durch so viel Unheil nicht gezüchtigt“) sei an Augustins ‘De c o r r e p t i o n e et gratia’ erinnert. Dort begegnen in 5,7 die Begriffe corripi nolle („nicht getadelt werden zu wollen“), gefolgt von uituperentur und der Antithese ex malis qui corripiuntur bonos facere qui laudentur („aus Schlechten, die getadelt werden, Gute machen, die gelobt werden“). Siehe ferner etwa Aug. civ. 1,9 (lin. 59 [CCL 47] aliquos c o r r i p i e n d o c o r r i g e r e und lin. 72f. [CCL 47] ut illi c o r r e p t i a t q u e c o r r e c t i consequerentur aeternam [sc. uitam]). Das corripere ist dort durch f l a g e l l a r e und temporalium p o e n a r u m adflictione p u n i r e präzisiert. 273 Siehe ferner ThLL VI 1,1058,15ff.; 1063,50ff.; 1065,22ff.

Rückblick auf die Lebensweise im Paradies  

In der Restituierung des Verses 437 ist mir (wie ich nachträglich sehe) Th. GÄRTNER (1999) 199 zuvorgekommen 274. Der Gedanke erfordert dringend die Verbesserung damnat 275 und Aufnahme der von allen Herausgebern verworfenen B-Lesart aug(ent). Die Lot-Episode im Zusammenhang der Bestrafung der Sodomiten und der Pentapolis erzählt ähnlich Beda Venerabilis (der Dracontius kennt), s. in gen. 3,14,1–2 lin. 1456 (CCL 118A) uerum quia nec ipsi, nec correptionibus diuinis, nec donis a s u a i n i q u i t a t e u o l u e r e c o r r i g i, quin potius p r i s c a e scelera prauitatis r e c e n t i b u s c o t i d i e a c c u m u l a u e r u n t f l a g i t i i s, restabat ut ira celesti perpetuo damnarentur 276. Durch Bedas priscae scelera prauitatis wird GÄRTNERs Forderung, es müsse scelerum ... praua verbunden werden (Anm. 10), untermauert.

. Rückblick auf die Lebensweise im Paradies Die aurea aetas-Topik 2,462f. Dracontius entwirft in 2,440ff. ein breites Gemälde vom Urzustand der Menschheit, der als aurea aetas nach den bekannten Vorbildern Verg. ecl. 4,18–45 und Ov. met. 1,89–112 geschildert wird. Die Schlußverse lauten in VOLLMERs TeubnerFassung (1914): 2,461 omnia sed passim facies telluris haberet, omnibus in terris regio non indiga mercis, uilior illa foret populis † peccantibus euros. 462 indiga M2 (cf. Lucan. 8,446): indigna B 463 Vilior illa B: Vllius ulla Traube peccantibus euros B: spectantibus -os Buecheler (‘coactis spectare vecturam et navigationem’)277: portantibus euris Arevalo: temnentibus -os Brakman (1934) 262

 274 Seine Übersetzung: „Die Strafen verdammen nicht die bösen Verbrechen (d.h. führen nicht zu deren Verdammung), sondern vermehren sie noch.“ 275 Ein Schreiber hat den Nasalstrich (damnāt) übersehen. 276 „Aber weil sie weder von sich aus noch veranlaßt durch göttliche Züchtigungen oder Wohltaten von ihrer Bosheit ablassen und sich bessern wollten, ja, vielmehr die Frevel ihrer früheren Verkehrtheit täglich durch neue Untaten vermehrten, so daß sie zu einem Bergesgipfel emporwuchsen, blieb kein anderer Ausweg, als daß sie durch den Zorn des Himmels auf ewig verdammt würden.“ 277 VOLLMER fügt hinzu: „spernentibus opinor vel pacantibus i. pace facta cum euris.“

  Buch II Die Herausgeber nach VOLLMER (1914) kehren alle zur früheren Version VOLLMERs (1905) zurück, die durch BÜCHELERs populis s p e c t a n t i b u s Euros geprägt war. Hier die entsprechenden Übersetzungen: „but the face of the earth was to have all things here and there in all directions. Not destitute of commodity was any region to be, in any land: more insignificant was the region now famous to be, to people m e r e l y n o t i c i n g the trade winds“ (BRESNAHAN); „ma tutto per ogni dove sarebbe allo scoperto. In ogni terra le diverse contrade non difetterebbero di merci e non si curerebbero di esse i popoli che s p i a n o a n s i o s i i venti“ (CORSARO); „mais la surface du sol aurait offert de tous côtés tous ces biens, aucun pays du monde n’aurait été dépourvu de ces ressources devenues plus communes chez les peuples g u e t t a n t l a v e n u e des eurus“ (MOUSSY).

CORSARO und MOUSSY dürften BÜCHELERs Konjektur treffend wiedergegeben haben: spectare wird ja oft im Sinne von ex(s)pectare gesetzt (OLD s.v. § 13; ThLL V 2, 1888, 11ff.). Die hier ausgeschriebenen Schlußverse der Schilderung greifen offensichtlich in einer Ringkomposition auf den Anfang zurück: Die Erde spendet alles überall von selbst ohne menschliches Zutun (‘automaton-Motiv’ der aurea aetas-Topik); weder Landarbeit (442, in 459ff. ist es dann Bergbau) noch Seehandel sind nötig 278: 2,442 uomere non terram proscinderet atque ligone, non peregrina uagus rabidis deposceret undis committens animam uentis et fluctibus audax; 445 s p o n t e parans fructum uinum de fontibus iret in morem fluuialis aquae; longaeua liquores s e m p e r oliua u i r e n s non certo tempore ferret (...). „He was not to cleave the earth with plow and hoe, was not to require things foreign, wandering the frothing billows and boldly committing his life to the winds and waves. Wine, providing enjoyment naturally, was to run from springs after the manner of flowing water;

 278 Ähnlich wird bei Ovid zu Beginn als Signum der goldenen Zeit das Fehlen der Schiffahrt herausgestellt, als erste Neuerung des letzten, eisernen Zeitalters später dann das Aufkommen des Seehandels genannt, zu dem der amor sceleratus habendi die Menschen getrieben habe: met. 1,132 uela dabat uentis neque adhuc bene nouerat illos n a u i t a, quaeque diu steterant in montibus altis, fluctibus ignotis insultauere carinae. „Segel bot man den Winden – noch kannte der Schiffer sie wenig –, Und die Kiele, die lang in den hohen Gebirgen gestanden, Munter tanzten sie jetzt auf unbekannten Gewässern“ (BREITENBACH).

Rückblick auf die Lebensweise im Paradies  

the long-lived olive was to be ever green and to yield its liquids in every season“ (BRESNA-

HAN).

Wie in 442–444 aus Ovid geborgte Motive (met. 1,101f.) mit Juvenals Spott über die im Schiffbruch verlorenen Luxusgüter kombiniert sind (s. Iuv. 12,57f. i nunc et uentis animam committe dolato│ confisus ligno) 279, so in 462f. Vergils Schilderung von der Ablösung des Seehandels durch die Freigebigkeit der allüberall alles spendenden Erde 280 mit Juvenals Zeichnung des gierigen Kaufmanns, der keinerlei Widerwillen gegen den Handel mit irgendeiner stinkenden Ware hegt, wenn er sie nur mit doppeltem Gewinn veräußern kann: Iuv. 14, 200

pares quod uendere possis pluris dimidio, nec te fastidia mercis ullius subeant ablegandae Tiberim ultra

„kaufe ein, was du um die Hälfte teurer verkaufen kannst, und kein Widerwillen überkomme dich gegen irgendeine Ware, die nach jenseits des Tibers zu verlegen ist“ (ADAMIETZ).

Aus diesem sprachlichen Vorbild gewinnt TRAUBEs Emendation mercis│ullius ulla eine starke Stütze 281. Dracontius hat zusätzlich das für Ägyptens Nilebene gültige Autarkiemotiv mitverarbeitet, das er bei Lucan wie folgt formuliert fand: Lucan. 8,446 t e r r a suis contenta bonis, non indiga mercis aut Iouis; in solo tanta est fiducia Nilo.

Die beiden Verse über das Fehlen jeglichen Seehandels am Ende des Rings (462f.)

 279 „Auf denn, überlaß dein Leben den Winden im Vertrauen auf das behauene Holz“ (ADAMIETZ). 280 Siehe Verg. ecl. 4,38ff. cedet et ipse mari uector, nec nautica pinus│ mutabit m e r c e s: omnis feret omnia tellus.│non rastros patietur humus, non uinea falcem etc. („wird auch der Seefahrer vom Meere weichen, und des Schiffes Fichtenstamm│wird keine Waren mehr tauschen: ein jedes Land wird alles tragen,│keinen Karst der Boden erleiden, kein Rebmesser der Weingarten“ [KLINGNER]). Dieses omnis feret omnia tellus scheint in dem anaphorischen omnia (sed passim facies telluris haberet),│omnibus (in terris regio non ...│... ulla, s.u.) nachzuhallen. Mitzuhören ist in passim facies telluris haberet zugleich ecl. 4,18ff. nullo munuscula cultu│ errantis hederas passim ... tellus│... fundet. 281 Dracontius mißt ullius auch in satisf. 105 als Daktylus.

  Buch II omnibus in terris regio non 282 indiga mercis ullius ulla foret populis spectantibus Euros

bilden ebenso eine geschlossene Einheit wie die beiden entsprechenden zu Beginn (443f., s.o.). Denn der zum Auftakt der Periode angeschlagene rhetorische Nachdruck o m n i b u s in terris verträgt sich nicht mit absolut gesetztem Nomen regio, sondern verlangt eine Fortführung durch regio n o n u l l a 283. Es ist auch nicht etwa in 462 die Ellipse von est anzusetzen (es müßte ja zumindest esset gefordert werden, ein Hilfsverb, das nicht leicht erspart wird), sondern der einheitliche Verbalausdruck für beide Verse ist indiga ... foret. Das ergibt sich auch aus dem Aufbau des ganzen aurea aetas-Passus 442–463: Jedes Element der langen Reihung erhält eine Verbform im Konjunktiv Imperfekt (ich zähle insgesamt 20), unabhängig von der Satzlänge, ob halb-, ein-, eineinhalb- oder zweizeilig (zweizeilig etwa auch 457f.). Der Dichter resümiert also zum Abschluß: „In allen Ländern der Erde gibt es nicht e i n e Region, die irgendeiner Ware bedürftig wäre und in der die Menschen sehnsüchtig nach günstigen Fahrtwinden Ausschau halten müßten [um die fehlende Ware im Seehandel per Schiff zu besorgen].“ Die Euri spielen auch in der oben zitierten 14. Satire Juvenals eine Rolle, in der die schlichte, zufriedene Lebensweise der römischen Frühzeit mit der hektischen Habsucht der Gegenwart kontrastiert wird. Der mit der Ackerscholle verbundene Römer alten Schlags (konkret werden drei mittelitalische Stämme, die Marser, die Herniker und die Vestiner genannt) schämt sich nicht, die Ostwinde abzuwehren durch (einfache) umgewendete Felle (14,186f. summouet Euros │ pellibus inuersis); dagegen verleitet der ausländische Purpur (187f. p e r e g r i n a ignotaque nobis│... purpura) zu Verbrechen und Frevel (wenn man seiner habhaft zu werden sucht). Das Stichwort p e r e g r i n a (rabidis deposceret  282 Th. RIESENWEBER (der eine von mir unnötig erwogene Konjektur zurückweist) hebt hervor, daß sich die Verneinung auf den ganzen Satz beziehe, weshalb Dracontius non ulla regio statt nulla regio geschrieben habe. 283 Zum rhetorischen Gestus vgl. Aug. c. Pelag. 4,10,28 (p. 559,10 [CSEL 60]) perfecte diligamus et proximum, cum manifestatis cogitationibus cordis nulla ullum de ullo mali ullius possit sollicitare suspicio („laßt uns auch den Nächsten vollkommen lieben, indem durch das Offenbaren der Gedanken des Herzens sichergestellt wird, daß kein Verdacht irgendeines von irgendeinem drohenden Vergehens irgendeinen beunruhigt“); Salv. gub. 7,102 at ego hac ratione dico neque ullum uirum ullius feminae maritum neque ullam mulierem ullius masculi uxorem neque ullum pignus ullius parentis filium; ubi enim promiscua omnia et confusa sunt, nemo est qui suum possit aliquid uindicare („aber ich nenne aus diesem Grund weder irgend einen Mann den Gatten irgend einer Frau noch irgend eine Frau die Gattin irgend eines Mannes noch irgend einen Sproß das Kind irgend eines Elternteils: denn wo alles vermischt und verwirrt ist, da gibt es niemanden, der etwas als sein Eigentum beanspruchen oder sich zuschreiben könnte“).

Der Engelssturz als Warnung für die Menschheit  

u n d i s) begegnet wohl nicht zufällig ebenfalls in dem oben ausgeschriebenen Passus laud. 2,442ff., e i n e n Vers vor dem aus Juvenal übernommenen committens animam uentis!

. Der Engelssturz als Warnung für die Menschheit 2,484 481 sideris innumeri c e c i d i t pars tertia c a e l o cum duce p u l s a suo, superat uindicta coercens agmina caelicolum p e r e u n t i a c l a d e perenni. militiae pars tanta poli distincta seuere 485 debuerat nostros ultro compescere mores: et tamen in nobis nullus timor extitit umquam. 482 suo C: suos B superat Arevalo: -as B: superbos C distincta seuere C: -as cibere B: districta (sine usu) Arevalo

484 militiae Arevalo: -ia BC

„A third part of the uncomputed star world fell catapulted from heaven with their leader, the coercive rod vanquishes militant ranks of heaven-dwellers that perish in lasting woe: so great a part of the celestial soldiery thus severely cut off ought of itself to have curbed our waywardness. And yet no fear has ever shown itself in us“ (BRESNAHAN).

Dem hier wiedergegebenen Text VOLLMERs und CORSAROs hat HUDSON-WILLIAMS (1947) 103f. in 484 durch die Korrektur d i s c i n c t a aufzuhelfen versucht. Sie wurde von MOUSSY übernommen und im Kommentar (S. 359) verteidigt 284 unter Verweis auf Liv. 27,13,9 (destrictis gladiis d i s c i n c t o s destitui) und Suet. Aug. 24,2 (centuriones ... tunicatos d i s c i n c t o s que). Aber der Ausdruck „‘deprived of their sword-belts’, i.e. dismissed from God’s service“ ist viel zu schwach, um die zuvor geschilderte uindicta coercens (vgl. cecidit ... caelo ... pulsa und agmina ... pereuntia clade perenni) resümieren zu können. Man sieht auch nicht, wie das Adverb seuere mit discincta zusammengehen soll. Das Richtige, destricta, war längst von AREVALO gefunden – nur muß man die in den Handschriften übliche, notorisch unbekümmerte Schreibweise distr- durch destr- ersetzen, was Vetter, der Verfasser des einschlägigen Thesaurusartikels, stillschweigend getan hat, s. ThLL V 1, 770,56. Dort ist Drac. laud. 2,484 überzeugend in eine lange Reihe von Belegen eingeordnet, deren Grundbedeutung in 770,45 wie folgt angegeben ist: „fere i. q. a n i m a d v e r t e r e, p u n i r e, c a s t i g a r e (ubique fere ‘distr-’  284 Er paraphrasiert dort: „‘desarmée’, ‘destituée’ de ses functions“.

  Buch II traditur)“. Im Rahmen dieses Wortfeldes hat das Verb destringere natürlicherweise oftmals die Begriffe seuerus oder seueritas zur Seite, s. Aug. serm. ed. Mai 131,2 in eos sacerdotali seueritate destrinxerat; Ambr. in psalm. 43,2,2 quod ... disciplina quasi seuerior magistra destringat; Ps.Aug. serm. 257,4 (~ Caes. Arel. serm. 64,4) si ... nosmetipsos propria seueritate destringimus (in 288,3 ist destringere mit uindicare, s.o. uindicta, verbunden); ferner Sen. dial. 4,10,4 in singulos seueritas imperatoris destringitur; Cod. Iust. 10,11,5,1. 2,494f. 492 aut siccante freto iactet se riuulus unda uel minor unda uelit caelesti occurrere flammae, quam neque grandis aquae possint sedare fluenta 495 gurgitis aequorei, cunctos si eructuet amnis? 492 iactet se riuulus Glaeser: iacte seruulus B unda B: -dae Glaeser 494 neque (Peiper) grandis aquae Vollmer: nec legandisq(ue) B: nec grandia aquae Glaeser possint Vollmer: -unt B 495 cunctos BMac: -us M2 eructuet Buecheler: fluctuet B „Or at a drying up of the sea, would a brook vaunt itself as a full-sized body of water? or would a smallish body of water wish to rise to meet the blaze in the heavens which the greatquantitied floods of the sea’s abyss could not quench, were it to belch up all its streams?“ (BRESNAHAN)

Von VOLLMER (1905) bis MOUSSY (1985) bieten die Ausgaben den Passus in der oben wiedergegebenen Form. Allein CORSARO (1962) hat in 495 die M2-Korrektur cunctus aufgenommen und BÜCHELERs Eingriff rückgängig gemacht. Er übersetzt demgemäß 494f.: „quando non potrebbero sedarlo neppure i gorghi immensi del mare sterminato, anche se esso ondeggerà con tutti i suoi flutti“. In der Tat scheint BÜCHELERs eructuet problematisch: Dracontius verwendet das Verb nur einmal im Sinne von „Worte ausstoßen“ (laud. 2,66 Deum Deus auctor ouans e r u c t u a t o r e) – eine in der Spätantike häufig begegnende Übernahme der biblischen Floskel: eruct(u)auit cor meum uerbum bonum, dico ego opera mea regi (psalm. 44,2); vgl. Mt 13,35 ‘aperiam in parabolis os meum, eruct(u)abo abscondita a constitutione mundi’; psalm. 18,3 dies diei eruct(u)at uerbum et nox nocti indicat scientiam; 118,171 eruct(u)abunt labia mea hymnum. Die zur Rechtfertigung des Eingriffs angeführte Stelle Val. Fl. 4,345 (e r u c t a t Bosporus a m n e s) bedeutet nicht mehr als „die Fluten von sich geben“, „(aus der schmalen Rinne) herauslaufen lassen“. Dracontius selbst wählt für das Bild,

Der Engelssturz als Warnung für die Menschheit  

daß die Quelle fließendes Wasser hervortreten läßt (laud. 1,607 undifluos p r o c e d e r e fontibus a m n e s) 285, das Verb euomere: siehe laud. 1,609 incessanter a q u a s licet euomat impete pleno. Setzt man gemäß einem Vorschlag AREVALOs (zu 485) das Komma nicht nach gurgitis aequorei (495), sondern nach fluenta (494), ergibt der Vers 495 in seiner überlieferten Fassung (unter Einschluß der trivialen M2-Korrektur) einen voll befriedigenden Sinn: „selbst wenn das gesamte Wasser der reißenden Meeresströme (auf)wallen wollte“. Diese überlieferte Fassung gurgitis aequorei cunctus 286 si fluctuet a m n i s (die dem synalöphenscheuen Dracontius ein si eructuet erspart) wird im Wortlaut gestützt durch laud. 1,576 f l u m i n a quod mittunt fontes, quod fluctuat aequor; Prisc. perih. 663f. iuxta quos Euxinus altis │ fluctuat aequoribus; vgl. Carm. de resurr. 13 (memorabo) unde m a r e in tumidas immensum fluctuet u n d a s; 306 atque procellosis fluctuabunt aequora flammis; Rutil. Nam. 1,56 qua circumfusus fluctuat O c e a n u s; Cypr. Gall. Ies. Nav. 11 uel mare, quod tumidum uentosis fluctuat u n d i s 287. Dem auf diese Weise geschützten si-Satz 495 soll der Vers 494 in folgender Form vorgelagert sein: quam (sc. flammam) neque grandis aquae possint sedare fluenta. Er krankt an schlechten Konjekturen: Weder stimmt PEIPERs neque (einfaches „auch nicht“ oder „nicht einmal“ heißt auch bei Dracontius nec) 288 noch ist grandis ein angemessenes Attribut für aqua noch ergibt grandis aquae ... fluenta eine passende Junktur. Erinnert man sich, daß die Dracontius-Überlieferung eine ungewöhnlich große Anzahl von Verballhornungen aufgrund von Buchstabenmetathesen mit sich führt, läßt sich hinter der B-Korruptel (nec legan~ disq;) das erforderliche p e l a g i nû vermuten. Die beiden Schlußverse des Exemplums von den Blitzesflammen, die selbst von den wallenden Fluten der

 285 Zum Versschluß siehe laud. 1,734 f l u c t i b u s adiectis crescant cum fontibus a m n e s. 286 Vgl. etwa laud. 1,580 usibus humanis data sunt haec cuncta uenire, [s. CAMUS’ Kommentar] ut similis qui factus erat de puluere Christo his dominaretur cunctis, sub carne creatis corpora corporibus seruirent cuncta subacta. („all these were appointed to issue forth for the use of man, that even as Christ, he who had been fashioned from the dust might have dominion over all these, that all bodies subdued by the spirit might minister to bodies made of flesh“ [IRWIN]). Verg. Aen. 1,154ff. sic cunctus p e l a g i cecidit fragor, a e q u o r a postquam│ prospiciens genitor ...│ flectit equos. 287 Siehe auch Cypr. Gall. gen. 57 Phisonus auriferis praediues fluctuat u n d i s. 288 Siehe STELLA 34.

  Buch II gesamten Meeresströme nicht, geschweige denn von einem kleinen Rinnsal gelöscht werden könnten, würden demnach lauten: 2,494 quam (sc. flammam) p e l a g i numquam possint sedare fluenta 289, gurgitis aequorei cunctus si fluctuet amnis.

Schon die in Anm. 286 zitierte Aeneisstelle legt nahe, daß im Zusammenhang des Dracontius der Genitiv pelagi fehlt, der von dem am Versschluß stehenden fluenta abhängt. Dafür spricht die so gewonnene Aufeinanderfolge von p e l a g i ... fluenta und gurgitis aequorei ... amnis, die Dracontius auch sonst gesucht hat, siehe: laud. 1,702 alueus expauit uiolento uertice torrens, dum reduces sentiret aquas et sisteret amnes. uisa Dei facies et marmora glauca fugaret 705 gurgitis aequorei, quo mundus cingitur omnis, et p e l a g o spatiante fretis ac litoris aestu 290; Romul. 7,146 cum p e l a g i Nymphis ibunt Tritones alumni Nereidum spumante choro Phorcique clientes gurgitis aequorei pisces immania cete et quaecumque latens surget de fluctibus imis 150 belua terribilis summas gestire per undas 291; Romul. 8,595 quod p e l a g i rabies subuerso gurgite ponti sparserit Iliacas in tempestate carinas 292.

Zu vergleichen sind schließlich die folgenden Parallelen: laud. 1,576 flumina quod mittunt fontes, quod fluctuat aequor (s.o.) 293, quod p e l a g i trahit unda, fretum quod litora tundit, murmure quod uenti flantes uaga marmora crispant und 3,584 nam scelus omne meum numeros superabit harenae

 289 Vgl. Ennod. carm. 2,147,7 pocula quem numquam possint transire beata. 290 „The ocean bed, seething with violent eddy, became terrified when it felt its waters held back, and when the face of God appearing stopped the rivers, and routed the grayish surface of the surging sea by which the whole world is girt, while the sea spreads abroad in channels and is shoreward tides“ (IRWIN). 291 „avec les Nymphes de l’océan s’avanceront en un chœur écumant les Tritons, fils des Néréides, ainsi que les clients de Phorcus, les poissons de l’abîme marin, les monstrueuses baleines et toutes les bêtes effrayantes qui, cachées qu’elle étaient, s’élanceront du fond des flots pour s’ébattre à la surface des vagues“ (WOLFF). 292 „que la mer pleine de rage a retourné le gouffre de ses eaux et dispersé dans une tempête les carènes d’Ilion“ (WOLFF). 293 Die Übersetzung dieser drei Verse findet sich o. S. 60.

Die Bitten der glaubensstarken ‘Gerechten’ werden erhört  

585 littoris et p e l a g i uincent mala nostra liquores. (...) 294 588 flumina me scelerum rapiunt quatiuntque p r o c e l l a e et peccatorum torrens simul obruit unda; 590 me delictorum merserunt fluctibus amnes, usque animam uenit unda meam, grauis horror aquarum 295.

. Die Bitten der glaubensstarken ‘Gerechten’ werden erhört 2,673 672 fleuerat Ezechias sub puncto temporis uno et prece permodica uitae tria lustra meretur 296. „All in a moment’s time, Hezekiah had wept and thus merits, with a prayer most brief, fifteen years of life“ (BRESNAHAN).

Es ist unmethodisch, dem Dracontius, der zehnmal modicus verwendet, durch Konjektur das Attribut permodicus unterzuschieben, obwohl dies in der a n t i k e n D i c h t u n g nicht belegt ist. Da mereri gerne mit pro konstruiert wird 297, sollte man besser schreiben: et prece pro modica u i t a e t r i a l u s t r a meretur. Eine verwandte Opposition findet sich in 3,254 nec tamen a e t e r n u m modico pro tempore quaerat; vgl. ferner Orest. 908f. partibus abscisis sibi sit de morte superstes (sc. Aegisth), │ tempore sed modico u i u a x laniando c a d a u e r; Cypr. Gall. gen. 586f. (zuvor wird von Sara/Sarra gehandelt) quin etiam patris Ismahelus pro prece diues,│ bis senos princeps populos generatque regitque; Ambrosiast. (= Ps.Aug.) quaest. test. 112,11 p. 291,21 (CSEL 50) hoc ergo o r a t r e x D a u i d, ... ut donum ... huic pro prece et lacrimis concederetur. Die Anastrophe der Präposition pro zwischen Substantiv (prece) und Attribut (modica) entspricht guter Stilmanier. Das gilt ebenso für die Postposition der Konjunktion sed in Orest. 909. Nachgestelltes pro bietet unter den Epikern bereits Vergil (Aen. 1,74 meritis pro talibus; 6,821; 12,141); Dracontius nutzt es auch laud.  294 „car la multitude de mes crimes dépassera celle des grains de sable du rivage et le nombre de mes péchés l’emportera sur celui des flots de la mer“ (MOUSSY). 295 „Le fleuve de mes crimes m’emporte, leur ouragan me tourmente et le torrent de mes iniquités me submerge aussi de son cours; les flots de mes erreurs m’engloutissent sous leur flux; les eaux me sont entrées jusqu’à l’âme; oppressant est l’effroi qu’elles m’inspirent“ (MOUSSY). 296 So lautet MOUSSYs Text. In 673 hat PEIPER praemodica uitae (eine unpassende Neubildung) für primo dicauit et (B) bzw. sub modica uitae (C). 297 Siehe etwa Romul. 10,417 mereor pro crimine poenam; 591f. pro munere Thebae│et pro tot meritis sic funera tanta merentur?

  Buch II 2,319 nullo pro crimine; 3,172 nomine pro Domini; Romul. 6,38 placido pro tegmine; Orest. 2. 55. Wohl aus Verszwang erlaubt sich Cyprianus Gallus im obigen Zitat eine noch breitere Sperrung.

.. Gott vergibt dem, der demütig seine Schuld bekennt 2,730 726 quid quod et erranti mora non breuis esse probatur seruaturque diu ueniae, si desinat audax illicitum temptare nefas? nam gaudia caelo conuersus dat quisque reus; sibi quisque medelas 730 arbitretur homo culpae sub uoce requiri. uox tua cum sileat, tua sed sententia clamat 298: erigis oppressos humiles sternisque superbos (...). 730 culpae ... requiri Vollmer: culpa ... -it B „And what of it that there proves to be no small respite for even some errant soul, and he is preserved long for pardon? provided the presumptuous man cease to attempt unpermitted sin. For every converted sinner occasions rejoicings in heaven. Let every man realize for himself that the remedies for fault are sought by voiced appeal. Though Thy voice be silent, yet Thy judgment cries aloud. The humble oppressed Thou raisest up, and the haughty Thou levelest“ (BRESNAHAN).

In Vers 730 ersetzt HUDSON-WILLIAMS (1947) 104 requiri durch mereri. Das ist gedanklich und sprachlich tadellos, wird durch satisf. 159 (confessus facinus ueniam ... meretur) und laud. 2,665f. (scelus agnoscens culpas ... fatetur. │ ... ueniam sceleris 299 sub uoce meretur) passend gestützt, läßt sich aber paläographisch nicht rechtfertigen. Denn selbst wenn man annehmen wollte, mereri sei in einem ersten

 298 Hier sollte Doppelpunkt gesetzt werden; denn in den folgenden Versen wird die Umsetzung des göttlichen Urteils (sententia) in praktisches Handeln vor Augen geführt, so daß also dieses Handeln in metaphorischem Sinne ‘clamat’, d.h. dem stummen Urteil eine laute Stimme verleiht. 299 Sceleris ist eine Korrektur VOLLMERs für überliefertes sceleri (Haplographie des s vor sub; vgl. Anm. 491. Er berief sich dabei auf 1,533f. deo tunc uoce reatus │ crimine femineo semet peccasse fatetur und 2,730 (culpae sub uoce = „durch das Bekenntnis seiner Schuld“). Vgl. 3,579f. si confessio simplex│ indicet admissum, u e n i a sperata s e q u e t u r; satisf. 159 confessus facinus u e n i a m pro clade m e r e t u r; Ps. Aug. quaest. test. 102,5 [CSEL 50, p. 202 lin. 25] Dauid paenitens et confitens peccatum et u e n i a m m e r u i t et ad pristinum statum redditus est.

Die Bitten der glaubensstarken ‘Gerechten’ werden erhört  

Schritt wegen des darüber stehenden medelas ausgefallen, wäre es ein großer Zufall, wenn ausgerechnet das gedanklich nahestehende Verb requirit vom Ende des Verses 752 (so die Annahme HUDSON–WILLIAMS) auf die Leerstelle eingewirkt hätte. So ist die Konjektur mereri wohl zu Recht nicht in MOUSSYs Text aufgenommen worden (s. MOUSSY 1982, 213f.). Wie hat man den Satz zu verstehen? Man darf wohl übersetzen: „Ein jeder Mensch soll in dem Bewußtsein leben dürfen, daß er für sich Heilung erreicht (zu erreichen versuchen kann), wenn er seine Schuld bekennt“ („durch Bekenntnis seiner Schuld“). Der Dichter scheint requirere („zu erreichen suchen“) anstelle von adipisci („erreichen“) gewählt zu haben. Umgekehrt verweigern in Orest 466f. „die v e r s ö h n t e n Gottheiten“ ihre Zustimmung (p l a c a t a negabant│numina prouentus), wo in Wirklichkeit gemeint ist, daß die „um Besänftigung ersuchten“ Gottheiten Agamemnons Bitte abschlugen (siehe ROSSBERGs Kommentar zu 466 [coll. Hor. carm. 2,14,5]). Von sub uoce (sc. culpae peccatoris) in 730 wird dann der Gedanke mittels Stichworttechnik (uox t u a, 731) ähnlich weitergeführt, wie das in 2,666 (ueniam sceleris sub uoce meretur) und 668 (c a e l e s t i uoce uocatur) der Fall ist.

.. Wer reinen Herzens bittet, wird erhört 2,755 An dem Zeugma genibus cum pectore flexos ist nichts auszusetzen, da ja die Junktur pectora flectere ihrerseits als metaphorischer Ausdruck gebräuchlich ist, vgl. Ov. Pont. 1,2,120 aequandi superis pectora flecte uiri; Lucan. 8,107 duri flectuntur pectora Magni; Stat. Theb. 8,119; 10,541; silv. 4,8,17; Paul. Nol. carm. 22,78; Ennod. carm. 1,9,130. 2,779 775

nos turba rapax calcamus egenos conferimusque nihil: forsan spoliamus auari pauperiem, si forte ferat quodcumque decorum; expectamus adhuc de paupere xenia nobis afferat et praedam potius; de nobile pauper 780 iam modo diues eget, cui confert indiga dextra non sibi mendicans quod diuitis usibus addit. 777 pauperiem U: pauper item B(MVR) 778 xenia Mpc: senia B(MacV): seuia RU 779 praedam B: -da MVRU potius Arevalo: paciatur B: patiatur M: potiatur VRU nobile U: -li B(MVR)

  Buch II Die hier wiedergegebene Textfassung VOLLMERs findet sich ebenso bei MOUSSY. Seine Übersetzung lautet: „Mais nous, foule cupide, nous piétinons les indigents sans leur apporter aucune aide: avides que nous sommes, peut-être dépouillerions-nous la pauvreté du moindre des honneurs qu’elle peut comporter; nous attendons même du pauvre qu’il nous apporte des présents o u p l u t ô t u n b u t i n: v o i l à d o n c d é s o r m a i s l e n o b l e d e v e n u p a u v r e, l e r i c h e r é d u i t à l a m i s è r e, q u a n d la main d’un indigent qui ne mendie pas pour lui-même ajoute aux besoins du riche.“

Durch Sperrdruck ist die anstößige gedankliche Abfolge hervorgehoben, die sich aus AREVALOs Konjektur und der damit verbundenen Satzgliederung ergibt. Auch BRESNAHAN hatte beides übernommen, die Satzeinschnitte aber verstärkt: Er setzte nach nobis (778) Strichpunkt, nach potius (779) Punkt und teilte das Weitere wie folgt ab: De nobile pauper, │ iam modo diues, eget; cui confert indiga dextra,│ non sibi mendicans, quod diuitis usibus addit. Demgemäß ist sein Verständnis der Verse 778ff. ebenso problematisch wie dasjenige MOUSSYs: „We even so much as expect gifts for ourselves from the poor man a n d that he may bring us w h a t i s, r a t h e r, e v e n s p o i l. O n e r i c h b u t n o w, a p a u p e r a f t e r b e i n g a n o b l e, i s i n n e e d, and on him a needy hand that begs not for itself confers what adds to the enjoyments of a rich person.“

In der m.W. jüngsten Besprechung dieses Passus durch STELLA (1996, 25f.) wird die Interpunktion VOLLMERs und MOUSSYs beibehalten, AREVALOs potius aber aus paläographischen Gründen in Frage gestellt. Mit Blick auf die Junktur praedam facere in Sall. Jug. 15 und Nep. Chabr. 2 schlägt STELLA praedam f a c i m u s vor. Wie wir das im gedanklichen Zusammenhang verstehen sollen, wird nicht gesagt, nur auf die vermutliche Korruptelkette facimus > paciatus > paciatur verwiesen. Eine inhaltlich und paläographisch bessere Lösung läßt sich m.E. mit der Emendation potitur und folgender Satzgliederung erzielen: 775

nos turba rapax calcamus egenos conferimusque nihil; forsan s p o l i a m u s auari pauperiem, si forte ferat quodcumque decorum. expectamus adhuc de paupere xenia nobis afferat, et p r a e d a m potitur de nobile pauper: 780 iam modo diues eget, cui confert indiga dextra non sibi mendicans quod diuitis usibus addit.

Die Bitten der glaubensstarken ‘Gerechten’ werden erhört  

In dieser Fassung ergibt sich für die Verse 778ff. der folgende schlüssige Gedankenablauf: „Ja, wir erwarten darüber hinaus 300 (sogar) (Gast-)Geschenke von Seiten des Armen für uns, daß er welche (von sich aus) herbeibringt – und (sogleich) bemächtigt sich 301 der Arme eines Beutestücks 302 aus dem Besitz des Hochgeborenen mit der Folge, daß nun auch der eben noch Reiche Not leidet, dem (nun wiederum) eine Hand, die selbst bedürftig ist, Unterstützung leisten muß, indem sie nicht für sich das erbettelt, was sie dem Bedarf des (einst) Reichen hinzufügt.“ Die Verschreibung erklärt sich leicht als Influenz- oder Perseverationsfehler: Ein Kopist fühlte die Notwendigkeit, die beiden scheinbar durch et eng verbundenen Verba einander anzugleichen, um die Konstruktion expectamus ... afferat et potitur zu gewinnen. Aus dem unmetrischen potiatur wurde in B (ebenfalls unmetrisches) patiatur, in der Schreibweise paciatur wiedergegeben, die in dem B-Abkömmling M wieder in der urbanen Graphie patiatur dargeboten wurde – in Kombination mit praeda statt praedam. Da praedam patiatur im Zusammenhang ohne Sinn ist, hat der Schreiber von V (der die Vorlage M kopiert) 303 per Konjektur (praeda [so schon M?]) potiatur hergestellt 304. Diese Form findet sich dann auch in der V-Abschrift R und der R-Tochter U (die AREVALO als Vorlage nutzte). Bei potiri sind Ablativ und Akkusativ „ererbt“ (HOFM.-SZ. 122); zur Konstruktion mit dem Akkusativ siehe KÜHN.-STEGM. I 383 Anm. 3; ThLL X 2,334,11ff. und 48ff. Es besteht also keine Notwendigkeit, mit M (V) praeda zu schreiben. Die Form potitur wird in der Dichtung „von Plautus an“ 305 weit überwiegend gemäß der dritten Konjugation mit Doppelkürze zu Beginn gemessen (es sei denn, das Verb steht am Ende des Hexameters) 306. Die Junktur praeda(m) potiri ist häufig,

 300 BRESNAHAN (S. 354) reklamiert zu Recht für adhuc die Bedeutung insuper, praeterea mit Verweis auf ThLL I 662,18–36. 301 Zu potiri in der Bedeutung „in Besitz nehmen“, „sich bemächtigen“ (‘respicitur potius a c t i o o c c u p a n d i’) siehe ThLL X 2,331,14ff. 84ff.; 332,41ff. 302 Es geht also wohl um Raub, vgl. Iulian. in psalm. 9 p. 43,6 [CCL 88A] plurimi quoque potentium ac diuitum de eodem Israeli populo tenuiores quosque p r a e d a m sibi r a p i n a m que faciebant. 303 Zur Genealogie der Handschriftenfolge B > M > V > R > U siehe STELLA 4. Offensichtlich war das bereits korrigierte M-Exemplar Vorlage für V und dessen Abkömmlinge. Dies zeigt ein Fehlertypus wie 3,252 ne incredulus Vollmer: nec incre- BM: nec cre- M2VRU. 304 Zu lesen war diese Verbform bei Dracontius in Romul. 2,40 (priuignoque suo p o t i a t u r blanda nouerca). 305 Siehe KÜHN.–HOLZW. 877. 306 Siehe hierzu auch ThLL X 2,327,48ff. (pŏtĭtur: „saepissime“).

  Buch II siehe ThLL X 2,333,1ff. 307; in der Konstruktion mit Akk. z.B. Bell. Hisp. 16,3 (praedam armaque), in Kombination mit spoliis (vgl. spoliamus laud. 2,776) begegnet sie Verg. Aen. 9,450 (praeda Rutuli spoliisque potiti) 308, s. ThLL X 2,333,9. Zu praedam potitur de nobile vgl. Hier. in Zach. 3,11,4 lin. 99 [CCL 76A] qui praedas agunt de miseris.

 307 Ferner etwa Sulp. Sev. chron. 1,46,4 u i c t o r i a m p o t i t u s multam p r a e d a m in regnum suum conuertit; 2,16,6 Iudaei fugientes persecuti caesisque multis milibus castris ac p r a e d a p o t i t i; Oros. hist. 2,18,2 Artaxerxes ergo et p r a e d a fraternae expeditionis et exercitu p o t i t u s potestatem regni parricidio firmauit; 5,16,5 hostes binis castris atque ingenti p r a e d a p o t i t i. 308 Vgl. Ov. met. 8,85ff. fatali nata parentem│ crine suum s p o l i a t p r a e d a que p o t i t a nefanda│...│peruenit ad regem.

  Buch Buch III III . . Habsucht Habsucht und und Geiz Geiz der der Menschen Menschen 3,36 3,36 36 non exactorem pudor imprimit aut dolor ullus 36 non exactorem pudor imprimit aut dolor ullus afficit exactum; contraria uota duorum afficit exactum; contraria uota duorum conueniunt solusque dolet captator iniquus conueniunt solusque dolet captator iniquus annonae pretiique uorax (...). annonae pretiique uorax (...). „Aucune honte ne flétrit celui qui prélève les intérêts, aucune douleur n’afflige celui sur qui „Aucune honte ne flétrit celui qui prélève les intérêts, aucune douleur n’afflige celui sur qui on les prélève; les souhaits contraires des deux parties s’accordent; le seul à s’affliger est on les prélève; les souhaits contraires des deux parties s’accordent; le seul à s’affliger est l’accapareur malhonnête, avide d’amasser la récolte et le gain“ (MOUSSY). l’accapareur malhonnête, avide d’amasser la récolte et le gain“ (MOUSSY).

Zur Junktur pudor imprimit mit Akk. s. ThLL VII 1,683,70 (eingegliedert der Rubrik Zur Junktur pudor imprimit mit Akk. s. ThLL VII 1,683,70 (eingegliedert der Rubrik 683,38: „i. q. premendo (de)formare, fingere, laedere vexare, sim.“); vgl. Tert. pu683,38: „i. q. premendo (de)formare, fingere, laedere vexare, sim.“); vgl. Tert. pudic. 14 p. 250,7 hoc ... a pudore clarius quam stilo eius (sc. Pauli) impressum. dic. 14 p. 250,7 hoc ... a pudore clarius quam stilo eius (sc. Pauli) impressum.

. . Biblische Biblische Exempla Exempla der der Glaubensstärke Glaubensstärke .. Abraham – Isaak .. Abraham – Isaak 3,103. 110f. 3,103. 110f. Die Episode ‘Abraham opfert seinen Sohn Isaak’ wird in den Ausgaben seit VOLLDie Episode ‘Abraham opfert seinen Sohn Isaak’ wird in den Ausgaben seit VOLL-

MER (1905) in folgender Fassung gedruckt 309 : MER (1905) in folgender Fassung gedruckt 309:

101 (...) A b r a h a e doceant iam nos exempla parentis, 101 (...) A b r a h a e doceant iam nos exempla parentis, qui natum senior susceptum tardius unum qui natum senior susceptum tardius unum spe cito contempsit, iussus produxit ad aram spe cito contempsit, iussus produxit ad aram aptauitque neci nimia pietate cruentus; aptauitque neci nimia pietate cruentus; 105 nudato mucrone pater, ferus ille s a c e r d o s, 105 nudato mucrone pater, ferus ille s a c e r d o s, stabat in officio iam iam ferĭturus amatum stabat in officio iam iam ferĭturus amatum   309 Die Interpunktion habe ich in 109 und 110 leicht geändert, um die mit anaphorischem non 309 Die Interpunktion habe ich in 109 und 110 leicht geändert, um die mit anaphorischem non herausgehobene Satzreihe zusammenzuhalten (non dat pectoribus ist resümierender Abschluß). herausgehobene Satzreihe zusammenzuhalten (non dat pectoribus ist resümierender Abschluß). – Hilfreiche Erläuterungen nebst bildlichen Dokumenten aus frühchristlicher Kunst findet man – Hilfreiche Erläuterungen nebst bildlichen Dokumenten aus frühchristlicher Kunst findet man jetzt in dem Kapitel III.2 (‘Abraham und Isaak’) des Begleitbandes zur Bonner Jubiläumsaussteljetzt in dem Kapitel III.2 (‘Abraham und Isaak’) des Begleitbandes zur Bonner Jubiläumsausstellung 2018 im Akademischen Kunstmuseum, s. RUMSCHEID – SCHRENK – KRESSIRER 190ff.; dort bes. lung 2018 im Akademischen Kunstmuseum, s. RUMSCHEID – SCHRENK – KRESSIRER 190ff.; dort bes. 193ff. (G. SCHÖLLGEN). 193ff. (G. SCHÖLLGEN). https://doi.org/10.1515/9783110650426-003 https://doi.org/10.1515/9783110650426-003

  Buch III et pius immitis, non tristis fronte doloris, non lacrimis udando genas, non unguibus ora dilacerans, lamenta silent et uerbera cessant, 110 non dat pectoribus: pietas secura minatur exitium sine morte truci per funera nati, qui deuotus erat, qui ad uulnera colla parabat. h o s t i a grata iacens et u i c t i m a mente quieta displicuit placuitque simul, quia corde fideli 115 et pater obtulerat nec natus uota negabat. mox pater omnipotens a r i e t e m subrogat aris: h o s t i a praestatur non orbatura parentes. „Voilà l’enseignement à tirer de l’exemple de notre père Abraham; c’est à un âge avancé qu’il avait vu naître son fils unique, alors qu’il ne l’espérait plus et pourtant il renonça bientôt à lui; en ayant reçu l’ordre, il le mena à l’autel, fit les préparatifs pour le sacrifice, poussé à la cruauté par sa piété extrême; le glaive dégainé, le père, prêtre sanguinaire, prêt à frapper son enfant bien aimé, allait exercer son office; cet homme pieux sans pitié, dont les traits ne manifestent ni tristesse ni douleur, n’a pas les joues baignées de pleurs, ne déchire pas de ses ongles son visage; on n’entend pas ses lamentations, on ne le voit pas se frapper la poitrine. Le père ne donne pas libre cours à ses sentiments, la divine bonté que rien ne trouble le menace d’une perte en la personne de son fils mis à mort sans que le trépas soit cruel, car de fils était soumis et offrait sa gorge à l’immolation. Offrande d’un sacrifice agréable à Dieu, cette victime au cœur en paix ne fut pas agréée et en même temps le fut, car son père l’avait offerte d’un cœur fervent et le fils ne s’opposait pas aux vœux paternels. Bientôt le Père tout-puissant lui substitue un bélier sur l’autel: la victime sacrifiée ne va pas endeuiller de parents“ (MOUSSY).

In 103 wird man mit Blick auf Anm. 332 abzuwägen haben, ob produxit zu perduxit verändert werden soll. Größere Anstrengungen erfordern die Verse 110f. Trotz der Intervention von HUDSON-WILLIAMS (1947) 104–105 hält es der jüngste Herausgeber dort mit VOLLMER, der das überlieferte pro funere durch per funera ersetzte (so auch CORSARO) und pietas auf Gott bezog. HUDSON-WILLIAMS hatte pleonastisches uel funere vorgeschlagen und VOLLMERs Erklärung (1905, 389) „pietas i. deus“ zurückgewiesen 310: „The word pietas ... is no doubt here, as elsewhere in Drac., used concretely much in the sense of pater; cf. Orest. 54 (where Agamemnon recognizes Iphigenia, now priestess of Diana) obstipuit p i e t a s et mens sibi conscia praui ... 63 conticuit genitor ... 65 tandem uocis iter p i e t a s reserauit et infit (etc.; see

 310 Dagegen wieder MOUSSY 64 ad loc.: „mais, comme Vollmer ... l’a bien vu, le vocable s’applique ici à Dieu.“

Biblische Exempla der Glaubensstärke  

Vollm.’s ind.).“ Demgemäß lautet seine Übersetzung: „The father inflicts not destruction upon the breast (of his son): undismayed he but threatens it without causing his son’s savage doom and death“ 311. An dieser Textfassung stören zunächst die per Konjektur eingeführte Abundanz am Ende des Zitats und die undurchsichtige Konstruktion. Ungerne gibt man das überlieferte pro funere nati auf, wenn man auf das biblische Vorbild Vulg. Gn 22,13 zurückblickt: leuauit Abraham oculos uiditque post tergum a r i e t e m inter uepres haerentem cornibus, quem adsumens obtulit holocaustum pro filio. Damit sind von vorneherein die auf VOLLMERs Text gestützten Wiedergaben CORSAROs 312 und MOUSSYs 313, jedenfalls in diesem Punkt, verdächtig. Zu Recht jedoch wenden sich beide gegen die von HUDSON-WILLIAMS geforderte Ausdeutung des Kolons non dat pectoribus: Es kann dort nicht gemeint sein „inflicts not destruction upon the breast (of his son)“; denn Abraham wird in 105f. ausdrücklich als Opferpriester eingeführt, der sich anschickt, mit gezücktem Schwert dem geliebten Sohn die tödliche Wunde a m H a l s zuzufügen. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus Vers 112, wo geschildert wird, daß Isaak als Opferlamm auf dem Altar seinen Hals der Schwertwunde darbot (qui ad uulnera c o l l a parabat) 314.

 311 Er plädiert also implizit (ohne dies ausdrücklich zu sagen) dafür, die Interpunktion (die er zuvor mit den Einschnitten wie im obigen Zitat gegeben hatte) zu ändern: Er trennt nun pietas und secura durch einen Doppelpunkt voneinander, macht also pietas zum Subjekt von dat pectoribus. 312 „Egli non cede al sentimento paterno, la sua devozione a Dio, intransigente, minaccia a lui rovina, pur senza la truce morte, attraverso la fine del figlio“. 313 „Le père ne donne pas libre cours à ses sentiments, la divine bonté que rien ne trouble le menace d’une perte en la personne de son fils mis à mort sans que le trépas soit cruel.“ 314 Vgl. die Bilddarstellungen bei RUMSCHEID – SCHRENK – KRESSIRER (2018) 201–211 und 427. Verwiesen sei auf die entsprechenden Szenen in der Medea des Dracontius, wo die Titelheldin als Dianapriesterin (sacerdos, 184. 186) ebenfalls nudato mucrone (181) dem gefangenen Fremdling zum Opferaltar folgt und dort Opferschrot streut (194f.), bevor die mystica nutrix in Aktion tritt und den auf dem Altar Liegenden auffordert, die vorgeneigte Brust rückwärts zu biegen und den Hals auszustrecken (196f. iacentem│ t e n d e r e c o l l a iubet uel pectora prona supinet). Als nun Jason den Amorknaben erblickt, fleht er ihn um Rettung aus seiner bedrohlichen Lage an, die er in 207f. wie folgt umschreibt: ego u i c t i m a seruor,│ atque utinam seruer, i a c e o f e r i e n d u s i n a r i s. Zweimal wird er von Medeas Schwert bedroht; jedesmal rettet ihn der Amorknabe durch einen Pfeilschuß. Beim zweiten Mal hatte Jason seine Situation durch folgenden Vers umschrieben: V i c t i m a sum, pereo: iugulis male m u c r o m i n a t u r (239). Das Schwert der Dianapriesterin zielte also auf den Hals des Opfers! Siehe jetzt GNILKA (2017, 337f.) zu iugulis apertis in Prud. Symm. 2,672.

  Buch III Pectoribus steht hier also für „Seelenregungen“ oder „väterliche Gefühle“ 315. Dare mit Dativ aber hat häufig die Bedeutung morem gerere, indulgere alicui (rei), s. ThLL V 1,1673,22ff., bes. 43ff. („morigerari, indulgere, tribuere alicui rei i. q. respicere aliquid ...“); z.B. Ov. met. 4,448 tantum odiis iraeque dabat; Quint. inst. 10,1,117 plus stomacho quam consilio dedit. Daß pietas im Zusammenhang der Episode auf Abraham gehen muß, hat HUDSON-WILLIAMS richtig gesehen 316. Aber nicht die pietas des Vaters zum Sohn (also nicht die „Vaterliebe“) 317 wird mit pietas secura umschrieben, sondern die pietas Abrahams gegenüber Gott, also der Gehorsam, in dem er Gottes Befehl ausführt, unbesorgt (im Vertrauen auf Gottes Verheißung) seinen Priesterdienst verrichtend. Dies ergibt sich unmißverständlich aus 103f. i u s s u s produxit (per- ? [s.o.]) ad aram │aptauitque neci nimia pietate cruentus: Das Oxymoron verdeutlicht, daß Abrahams „allzu gottesfürchtiger Gehorsam“ ihn bei der Ausführung des Befehls grausam an seinem Sohn handeln läßt, den er mit dem Tod bedroht 318. Dementsprechend wird er in 106f., als er sich bereits anschickt, den geliebten Sohn mit dem Schwert zu verwunden, durch das verwandte Oxymoron pius immitis als „mitleidlos pflichtgetreu“ charakterisiert: in gehorsamer Pflicht-

 315 Siehe ThLL X 1,914,5 „pectus ... ponitur pro animo, affectibus“ und 914,21 „respiciuntur potius motus, affectus, concitationes animi“ (914,47 „maeror, cura sim.“). Erinnert sei an Ov. ars 1,755ff. 755 finiturus eram, sed sunt diuersa puellis pectora; mille animos excipe mille modis. 759 pectoribus mores tot sunt, quot in ore figurae: qui sapit, innumeris moribus aptus erit; vgl. ferner Coripp. Ioh. 7,130 soluite maerentes animos, expellite c u r a s indignosque m e t u s uestris arcete, Latini, pectoribus. 316 Wie hier in 3,110 pietas hätte verdeutlicht werden müssen, wenn das göttliche Erbarmen Subjekt zu minatur hätte sein sollen, zeigt ein Blick auf laud. 2,496 c a e l e s t i s p i e t a s ueniale minatur; vgl. 3,190 magna d e i p i e t a s. 317 Vgl. 3,120 pietas ... miseranda parentum. 318 Ins Positive gewendet erscheint der Gedanke bei Augustinus in civ. 1,21 (CCL 47, lin. 10f.): Abraham non solum non est culpatus c r u d e l i t a t i s crimine, uerum etiam laudatus est nomine pietatis, quod uoluit filium nequaquam scelerate, sed oboedienter occidere. Nach Iulianus Aeclanensis (in Os. 1,1,2–5 [CCL 88, p. 120 lin. 114]) ist der Befehl Gottes an Abraham, den eigenen Sohn zu töten (imperatum beato Abrahae parricidium), nicht im Sinne eines rohen Mordes zu bewerten, sondern als Gelegenheit, den gottesfürchtigen Gehorsam und treuen Glauben des väterlichen Herzens zu erweisen (non t r u c u l e n t i a m c a e d i s sed pietatem ac fidem patriae mentis). Zu der Kombination pietas und fides siehe ThLL X 1, 2104,45ff.

Biblische Exempla der Glaubensstärke  

erfüllung seinen Priesterdienst an Gott verrichtend zeigt er als Vater keinerlei Mitleid mit dem Sohn 319. Was hinter dem Kolon pietas secura minatur │ exitium (110f.) 320 genauer stecken mag, wird unten bei der Erörterung der Quellen zu prüfen sein. Soviel dürfte feststehen: Es geht um die „unbesorgte“ pflichtgemäße Ausübung des Priesterdienstes (vgl. 105f. ferus ille s a c e r d o s │ stabat i n o f f i c i o) bei der gehorsamen Erfüllung des göttlichen Befehls. In dieser Haltung „droht er Untergang an – freilich Untergang ohne gräßlichen Mord, Untergang als Ersatz für den Tod des eigenen Sohnes“. Der Dichter überrascht uns hier mit einem ἀπροσδόκητον: Die Bedrohung durch das zum Stoß bereite Schwert Abrahams (105f. nudato mucrone ... iam iam ferĭturus) wird zwar zu einem Tod auf dem Opferaltar führen (exitium) – aber nicht zu einem gräßlichen Menschenmord, sondern zu einem Untergang ohne Menschenblut (exitium sine morte truci), der an die Stelle des Todes seines Sohnes tritt. Man gewinnt den Eindruck (so die Interpretation M. DEUFERTs), als hätte der Dichter in 110f. zwei Gedanken gemischt: die Androhung der Kindestötung (minatur exitium) und den Vollzug des Ersatzopfers (exitium sine morte truci pro funere nati); exitium wäre dann gewissermaßen das ‘Scharnier’ an der Stelle des Umbruchs. Wir werden sehen, daß Dracontius bei diesem Verfahren zum Teil einem Muster gefolgt ist 321. In Vers 116 wird dann dieser Umbruch als konkrete Aktion gegeben: mox pater omnipotens a r i e t e m subrogat aris („sogleich ersetzt der allmächtige Gott das Opfer auf dem Altar durch einen Widder“). Wie man sieht, kommt Gott erst hier (nicht bereits in 110) als handelnde Person ins Spiel 322; dies wird durch pater omnipotens mit dem gehörigen Nachdruck verdeutlicht. Er ersetzt den Sohn durch einen Widder, ein Surrogatopfer, das keine Eltern ihrer Kinder beraubt. Diese Handlungsweise hat Dracontius später, im Orest, auf die Göttin Diana übertragen, wie die Schilderung der Iphigenie in Orest. 75ff. zeigt:

 319 Verwandte Oxymora sind ThLL X 1, 2105,19ff. zusammengestellt; zwei von ihnen betreffen Abraham: Hier. epist. 39,6,1 grandis in suos pietas inpietas in deum est. A b r a h a m unicum filium laetus interficit et tu [sc. die Mutter der verstorbenen Eustochia] unam de pluribus quereris coronatam [„mit dem Siegeskranz des ewigen Lebens gekrönt“]? Sedul. carm. pasch. 1,116f. (Abraham) pietate remota plus pietatis habens c o n t e m p s i t uulnera n a t i (zum Verbum vgl. laud. 3,102f. qui n a t u m ... susceptum tardius unum │ spe cito c o n t e m p s i t). 320 Die Kombination securus und sine morte bzw. non sub morte cruenta wählt Dracontius auch satisf. 127f. 131. 135f. 321 Siehe S. 129f. 322 Indirekt war er bereits 113f. gegenwärtig: uictima ...| displicuit placuitque simul, von AREVALO wie folgt erläutert: ‘videlicet noluit Deus innocentem victimam immolari, et utriusque patris ac filii voluntatem approbavit.’

  Buch III 80 nec uocor ad thalamos, sed u i c t i m a trador a d a r a s. at m i t i s p i a templa d e a e: miserante Diana pro me c e r u a datur lugenda u i c a r i a nullis 323. „ce n’est pas au lit conjugal que l’on me destine, mais à l’autel que l’on me traîne en victime. Mais le temple de la clémente déesse ne fut pas cruel, Diane eut pitié et une biche, remplaçante que personne n’a à pleurer, me fut substituée“ (BOUQUET).

Das gleiche Motiv schlägt Agamemnon in seinem anschließenden Gebet an Diana an, wenn er sie, die Mildgesinnte, dafür preist, daß sie sich mit nicht-menschlichen Opfern zufrieden gibt: 93 tu rapis e x a r i s animas et m o r t e p a r a t a 89 m i t i o r exsistens, sacrum largita cruorem, 90 luctibus omissis d o n a n s l a m e n t a p a r e n t u m (mucro sacerdotum feruet ieiunus et expers sanguinis humani, contentus sanguine uili). „tu te radoucis, et, ayant fait remise du sang qui t’est consacré, tu éloignes le deuil et dispenses les parents de leurs sanglots. Le couteau du prêtre est tiède, sans avoir bu un sang humain dont il est vierge, et il se contente d’un sang vil. Tu arraches les êtres humains à l’autel, à la mort qui les attend (...)“ (BOUQUET).

.. Dracontius schöpft aus den Abraham-Traktaten des Zeno von Verona Wir haben oben in einem ersten Zugriff Abrahams p i e t a s s e c u r a (110) als „unbesorgte“ pflichtgemäße Ausübung des Priesterdienstes bei der Erfüllung des göttlichen Befehls interpretiert und dabei die Möglichkeit erwogen, securus („unbesorgt“) zugleich als „vertrauend auf Gottes Verheißung“ zu deuten. Dies hat seine Begründung im Bibeltext: Ihm zufolge hat Gott dem Abraham versprochen, sein Geschlecht groß zu machen (Gn 12,2 faciamque te in gentem magnam) und zahlreich wie den Sand der Erde (Gn 13,16) und die Sterne des Himmels (Gn 15,5). Abraham aber – noch kinderlos – glaubte dem Wort Gottes (15,6 c r e d i d i t Abraham Deo, et reputatum est illi ad iustitiam: „und es wurde ihm zur Gerechtigkeit angerechnet“). In Gn 15,18 und 17,1–14 wird sogar ein ausdrückliches foedus und pactum zwischen Gott und Abraham geschlossen, das ihn zum Vater vieler Geschlechter machen soll (patrem multarum gentium). Bei der Ankündigung der Geburt Isaaks überträgt Gott diesen Bund für ewige Zeit ausschließlich auf diesen  323 Siehe das Kapitel III.1 (‘Iphigenie in Aulis’) samt Bilddarstellungen in RUMSCHEID – SCHRENK – KRESSIRER (2018) 160–189.

Biblische Exempla der Glaubensstärke  

einen Sohn und dessen Nachkommen (Gn 17,19. 21; 19,12). Eben diesen einzigen, geliebten Sohn (unigenitum, quem diligis) verlangt Gott in Gn 22,2 als Brandopfer, um Abraham auf die Probe zu stellen (Gn 22,1 tentauit Deus Abraham). Damit scheint zugleich die ganze Verheißung gefährdet. Doch Abraham gehorcht unbeirrt und führt das Opfer aus – bis Gott im letzten Moment eingreift und bezeugt: nunc cognoui q u o d t i m e s D e u m et non pepercisti unigenito filio tuo p r o p t e r m e (Gn 22,12). Zum Lohn für seinen Gehorsam (22,18 q u i a o b o e d i s t i uoci meae) erneuert Gott seine Verheißung (22,16ff.). Aus der Perspektive dieses Textes läßt sich zunächst nur der Begriff pietas des Dracontius näher bestimmen: Er muß soviel wie „Gottesfurcht“ und „Gehorsam gegenüber Gottes Anordnung“ bedeuten. Auf das Attribut secura fällt von dieser biblischen Erzählung her kein erhellendes Licht, da Abrahams innere Motivation und seine Gefühle bei der Ausführung des Befehls nicht beleuchtet werden. Hier versprechen die Abraham-Traktate des Zeno von Verona (2. Hälfte 4. Jh.) eine größere Hilfe 324. Sie zeichnen sich vor allen anderen patristischen Texten, die sich mit dem Patriarchen befassen, dadurch aus, daß in ihnen auf beschränktem Raum der Begriff securus sechsmal vorkommt, zusätzlich einmal das Substantiv securitas. Das wirft die Frage auf, ob nicht Dracontius überhaupt diese Zeno-Traktate als Quellen für sein Abraham-Exemplum (vgl. laud. 3,101 Abrahae ... exempla parentis) genutzt hat. Da man Zeno gerne mit Afrika in Verbindung bringt (ist er von afrikanischer Herkunft?) 325, scheinen sich auch äußere Indizien zu ergeben, die für Dracontius Vertrautheit mit Zeno plausibel erscheinen lassen. Die auffälligsten Gemeinsamkeiten im Handlungsablauf, in denen sich Zeno und Dracontius übereinstimmend von den Abraham-Erzählungen der Bibel und  324 Einer der drei Traktate (1,43) ist zuletzt von G. SCHÖLLGEN (‘Das Abrahamopfer in der Deutung patristischer Quellen’) in RUMSCHEID – SCHRENK – KRESSIRER (2018) 193–198, bes. 195f. behandelt worden. Zenos Predigttext wird dort an verwandten Exegesen des Johannes Chrysostomus und des Origenes gemessen (s.u.). Zeno geht d a r i n über beide Kirchenväter hinaus, daß Abraham seinen Sohn vor der Ankunft auf dem Berg in den Opferbefehl Gottes einweiht und ihm kundtut, was er selbst dem Herrn versprochen hat (1,43,5). Isaak aber gibt freudig seine Einwilligung und reicht bereitwillig seine Hände dar, daß er als Opferlamm gefesselt werde (1,43,5). Man kann in diesem speziellen Zusatz zum üblichen Geschehensablauf die späte (unabhängig zustande gekommene) Variation eines Motivs sehen, das Euripides in einer Reihe von Tragödien gestaltet hat: Ein junger Mensch (etwa Meneukeus, Iphigenie) bietet sich freiwillig als Opfer an, um das Überleben seiner Familie oder seines Volkes zu sichern. Der Dichter läßt diese Handlungsfiguren „selbst die Entscheidung treffen, sich das von den Göttern Vorherbestimmte zu eigen zu machen, also ihr Schicksal aktiv in die Hand zu nehmen, statt es lediglich passiv zu erdulden“; so auch im Falle „der ihren Opfertod freiwillig akzeptierenden Iphigenie“ (Th. SCHMITZ in RUMSCHEID – SCHRENK – KRESSIRER [2018] 164). 325 Siehe LaCL (32002) 731.

  Buch III anderer Kirchenschriftsteller unterscheiden, bestehen darin, daß erstens die Gefühle, die Abraham bei der Ausführung des Opfers bewegen (oder nicht bewegen), umfassend (über ein bloßes laetus hinaus) 326 geschildert werden (laud. 3,107–110), und daß zweitens Isaak im voraus von seinem Vater über alles unterrichtet wird (s. Anm. 324, dies ist bei Dracontius vorausgesetzt) und selbst freudig seine Einwilligung gibt (laud. 3,112–115). Wenn man den gesamten Wortlaut der Texte im Detail verfolgt, läßt sich Zeno mit Gewißheit als eine unmittelbare Quelle des Dracontius erweisen: 3,101 (...) A b r a h a e doceant iam nos exempla parentis, qui natum s e n i o r susceptum tardius 327 unum 328 spe 329 cito contempsit 330, i u s s u s 331 produxit [perd-?] 332 ad aram aptauitque neci 333 nimia pietate cruentus; 105 nudato mucrone 334 pater, ferus ille s a c e r d o s 335,

 326 Siehe Anm. 319 (Hier. epist. 39,6,1 filium laetus interficit – in Abhängigkeit von Zeno?). 327 Zeno 1,59,1 susceptus i n t r a n s a c t a a e t a t e; 1,43,1 in s e n e c t u t e suscepit unicum filium; 43,2 libenter excipere quod s e r o datur et in tristissima s e n e c t u t e suscepta sollicitudinis mole gaudere; 59,2 ad hanc ... gloriam tardi partus; 59,5 parentum ... affectus ... ex tarditate dulcior. 328 Zeno 1,43,3 unicus ille filius (s. Anm. 347) solliciti s e n i s adhuc paruulus, cui pietas et miseratio maior debetur, p o s t u l a t u r (s. 3,102) ad uictimam. 329 Zeno 1,4,13 in spe non denegans deo, quod contra spem acceperat a deo; 1,59,6 ecce carissimi, ut ait apostolus (Röm 4,18), ‘contra spem’ natum Abraham ad aram filium immolaturus domino auctore (s. Anm. 331) perducit (s. Anm. 332). Dracontius hat contra spem kühn durch tardius ... spe ersetzt, weil er die in Anm. 327 genannten Stellen anklingen lassen möchte. 330 Zeno 1,4,13 (Abraham) igitur Isaac sibi dulcissimum filium, deo uictimam dulciorem contemnit („gibt preis“), ut seruet. 331 Zeno 1,43,3f. iste meis sacris debetur; unde immolari iam i u b e o. ... laetabatur hoc i u s s i s s e deum; 43,5 nec recusabat mortem, quam deus ... i m p e r a b a t (s. Anm. 328 postulatur; 43,6 qui eam uictimam postulauerat); 1,59,2 in primis infantiae rudimentis i u b e n t i a c d e p o s c e n t i d e o innocens martyr offertur; s. Anm. 329. 332 Zeno 1,43,4 ductus filius gaudens gaudente patre; 1,59,2 a domino p o s c i t u r, a parente perducitur; 59,6 ad aram ... perducit (s. Anm. 329); 59,8 ut Isaac non periturum ad aram, ita ad crucem Christum sublimandum nefarii perduxerunt. 333 Siehe Anm. 347 (alligat manus). 341 (uinculis adstrictus); 1,43,5 pedes quoque constringit, ne in exitu mortis concitata uictima calcitraret; ähnlich 59,6 (traduntur ... uinculis manus, ...; pedem ligatura constringit, ne ...). 334 Zeno 1,59,9 ad inuisibilem suspensum gladiorum mucro conuertitur (s. Anm. 336. 337). 335 Zeno 1,59,6 nec deest ad ministerium gladius, ut pater esset pariter et s a c e r d o s; vgl. 59,7 Abraham ... s a c e r d o t e m praetulit patri; 1,4,14 definire difficile est, utrum sit patientior („mehr zu geduldigem Ertragen herausgefordert“) s a c e r d o s an u i c t i m a.

Biblische Exempla der Glaubensstärke  

stabat in officio 336 iam iam ferĭturus 337 amatum 107 et pius immitis 338, non tristis fronte doloris, non lacrimis udando genas 339, non unguibus ora dilacerans, lamenta silent et uerbera cessant 340, 110 non dat p e c t o r i b u s 341: pietas secura 342 minatur 343 e x i t i u m sine morte truci pro 344 funere nati, qui d e u o t u s erat 345, qui ad uulnera 346 colla parabat 347.

 336 Zeno 1,59,6 nec deest a d m i n i s t e r i u m (vgl. 3,106 i n o f f i c i o) gladius; 59,3 matris suscepit o f f i c i a; 59,7 intrepidus a d m i n i s t e r i u m immolationis armatur. 337 Zeno 1,43,4 d u c t u s f i l i u s ... patris dextra feriendus; 43,6 exserit equidem ferrum (s. 3,105) et armata dextra subleuat manum; 43,7 eo ferro mactauit a r i e t e m, quo f i l i u m percutere iam parabat (s. Anm. 343). 338 Zeno 1,59,5 unicus (filius) ... deo uictimam, parentibus pium parricidium praebiturus. 339 Zeno 1,43,4 non contristat frontem deuotissimus Abraham nec dolor patri lacrimas persuasit, sed exsultat et gaudet; vgl. Anm. 343 Ende. 340 Zeno 1,59,7 cesset (in anderem Zusammenhang). 341 Zu 3,107–110: Zeno 1,43,4 (s. Anm. 339) und 1,43,6 quid est pater? ecce sub oculis iacet filius uinculis adstrictus. ubi sunt lacrimae, ubi dolor, qui in h u m a n i s s e n s i b u s uersari consueuit? in tantis filii casibus laetatur et gaudet et se dominum promeruisse triumphat (s.u.); ferner 1,4,14 non percussoris, non percutiendi claudicat color; non membra tremore uibrantur; non dimissi, non torui sunt oculi. nemo rogat, nemo trepidat, nemo se excusat, nemo turbatur. ... c e d i t a f f e c t u s pietati, pietas religioni (s.u. Anm. 357 und S. 132f.). 342 Zeno 1,4,13 (Abraham) securus („in dem sicheren Bewußtsein“) illo se non posse displicere facinore, quod deo gerebatur auctore; 1,4,14 cedit affectus pietati, pietas religioni (s.u.); 1,43,5 securus de fide generis sui („unbesorgt, in sicherem Wissen um die Glaubenstreue seines Sprosses“) pater filio, de quo non dubitabat, patefecit (...); ... securus enim pater optimus timuit („bei aller festen Zuversicht in die Glaubenstreue des Sohnes sorgte sich der überaus gute Vater doch“), ne dolori [sc. filii] aliquid liceret in mortem; 1,43,6 o patris [Zw., fratres codd.] secura deuotio! („welch heiter-gelassene Gottergebenheit des Vaters!“, s.u.); 1,59,6 consimilis filii quoque est ex diuina uoluntate securitas („die aus der Ergebung in Gottes Wille resultierende Gemütsruhe“); siehe Anm. 341. 343 Zeno 1,59,7 intrepidus ad ministerium immolationis armatur; libratur ad i c t u m uulneris securus animus, sed securior manus („wohl abgestimmt richtet sich auf den Verwundungsschlag aus das von innerer Erregung freie Herz und die noch ruhigere Hand“; vgl. ThLL VII 2, 1350,11ff. 44ff.); elatus i n i m m o l a n d u m gladius uibratur nec puerum m o r s uicina contristat. 344 Zeno 1,43,8 hic (sc. aries) est qui pro Isaac immolatus est deo. 345 Zeno 1,43,4 d e u o t i s s i m u s Abraham; 43,6 o patris secura d e u o t i o! 1,4,14 uno u o t o, una d e u o t i o n e (s. zu u o t a in 3,115). 346 Vgl. Zeno 1,59,7 ad ictum uulneris (s. Anm. 343). 347 Zeno 1,4,14 ille exserit gladium (s. zu 3,105), ille ceruicem (vgl. destinat iugulare in 1,4,13); 1,43,5 laetatur pater filio quoque gaudente et cum gaudio unici pignoris (s. 3,102) alligat manus, quas ille uinciendas libentius offert. MOUSSY bringt zu laud. 3,112. 115 als mögliche Quelle Prud. perist. 10,750 ins Spiel: (scis) Isac fuisse paruulum patri unicum,│ qui, cum inmolandus aram et

  Buch III h o s t i a 348 grata iacens et u i c t i m a 349 mente quieta 350 d i s p l i c u i t p l a c u i t que simul 351, quia corde fideli 115 et pater obtulerat 352 nec natus uota 353 negabat 354. mox pater omnipotens a r i e t e m subrogat aris: h o s t i a praestatur 355 non orbatura parentes 356.

Die Qualität und Fülle dieser Similia heben Zeno von Verona in den sicheren Rang einer unmittelbaren Quelle des Dracontius, zumal wenn man die sonstigen oftmals viel freieren Imitationen des Dracontius (etwa im Verhältnis zu Marius Victor) zum Vergleich heranzieht. Beispielhaft herausgestellt seien hier die Verse 3,105f. und die in den Anmerkungen 334–337 angeführten Quellentexte, ausgewählt nach ihrer Durchschlagskraft: 3,105 nudato mucrone pater, ferus ille sacerdos, stabat in officio iam iam f e r ĭ t u r u s amatum Zeno 1,59,6 nec deest ad ministerium gladius (vgl. 59,9 gladiorum mucro), ut pater esset pariter et sacerdos; 1,43,4 ductus filius ... patris dextra f e r i e n d u s; 6 exserit equidem ferrum et armata dextra subleuat manum; 43,7 eo ferro mactauit arietem, quo filium p e r c u t e r e iam p a r a b a t.

 ensem cerneret,│ u l t r o sacranti colla praebuerit seni. Das scheint bei der kontaminierenden Quellennutzung des Dracontius sehr wohl vertretbar. Aber in diesem Falle kann Prudentius gegenüber dem chronologisch früheren Zeno nur eine Nebenrolle spielen, denn der Isaak des Verses perist.10,749 ist anders als der des Zeno und des Dracontius nicht im voraus unterrichtet, wie ein Vergleich mit Lucr. 1,89f. zeigt. 348 Zeno 1,43,4 de filio h o s t i a m parat. 349 Zeno 1,59,2 (Isaac) innocens martyr offertur, immaculata h o s t i a nec u i c t i m a imparata; 1,43,6 ecce sub oculis iacet filius uinculis adstrictus (s. auch Anm. 341). 350 Zeno 1,43,5 ne ... c o n c i t a t a u i c t i m a calcitraret; vgl. 59,6 pedem ligatura destringit, ne i n c i t a t a u i c t i m a displiceret. 351 Zeno 1,43,3 haec mihi u i c t i m a p l a c e t; 59,6 ne incitata u i c t i m a d i s p l i c e r e t; 43,7 in illo sacrificio solus d e u s d o l u i t, qui a l i a m u i c t i m a m procurauit. 352 Zeno 1,43,7 cum tanta laetitia a r i e t e m obtulit, cum quanta obtulerat et filium. 353 Zeno 1,4,14 uno u o t o, una deuotione (vgl. deuotus in 3,112). 354 Zeno 1,43,5 laetatus est puer patre fideli ipse quoque fidelior, nec recusabat mortem; 59,7 sub hac denique i m m o l a n t i s i m m o l a n d i que c o n s t a n t i a absolui meruit, dum humanum ex se deponit timorem et, quantum ad fidem pertinet, pater promissa compleuit. 355 Zeno 1,4,14 medius stupet gladius ... m a c t a t i o n e terribili gloriam se p r a e s t i t i s s e, non crimen. 356 Zeno 1,59,7 d o m i n u s p a r r i c i d i u m probata uoluntate p r o h i b u i t; 43,7 inuenit u i c t i m a m, quam i n n o c e n s immolaret.

Biblische Exempla der Glaubensstärke  

Das blanke Schwert ist Attribut des Opferpriesters, der dienstbereit Gottes Befehl zu erfüllen sich anschickt. Somit ist hier Abraham Vater und Opferpriester zugleich, wie es Zeno durch pater ... pariter et sacerdos zum Ausdruck gebracht hat. Dracontius macht aus der syndetischen Konstruktion die Apposition pater, ferus ille sacerdos, deren Wirksamkeit er durch den Zusatz ferus ille verstärkt: der Vater erfährt in seiner Eigenschaft als Priester, der den eigenen Sohn tötet, geradezu die Mißbilligung des Erzählers. Dieser zum äußersten entschlossene Priester „ist gerade schon dabei, den tödlichen Streich gegen den geliebten Sohn zu setzen“: Die Formulierung iam iam f e r ĭ t u r u s amatum läßt erkennen, daß sie aus einer Kombination von Zenos filius ... patris dextra f e r i e n d u s mit quo (sc. ferro) filium p e r c u t e r e iam p a r a b a t erwachsen ist. Mit gleicher Stringenz lassen sich aufgrund der Imitationsnachweise in den Anmerkungen 327. 329. 332 / 339. 341 / 343 / 351–354 die Abraham-Traktate des Zeno als Quellen für die Verse 102f. / 107f. / 110 / 114f. erweisen. Ja, sogar die oben als ἀπροσδόκητον bezeichnete Vorwegnahme des Handlungsschlusses dürfte in einer der Darstellungen Zenos, die auf den wundersamen Tausch des Opferlammes abhebt, ihre Wurzeln haben. In 1,4,14 heißt es: cedit affectus pietati, pietas r e l i g i o n i. fauet utrisque r e l i g i o: medius stupet gladius nullo impedimento suspensus mactatione terribili gloriam se praestitisse, non crimen. Quid hoc est? Ecce immanitas in fidem et scelus transit in sacramentum; p a r r i c i d a i n c r u e n t u s redit et qui immolatus est uiuit. „Es weichen die seelischen Gefühle dem gottesfürchtigen Gehorsam, die Liebe (zwischen Vater und Sohn 357) der Verpflichtung zu frommer Gottesverehrung. Beiden gereicht ihr frommer, gottesfürchtiger Sinn zu huldvollem Segen: Mitten im Vollzug des tödlichen Streiches, durch kein Hindernis aufgehalten, sieht das Schwert voller Verblüffung, daß es mit dem schrecklichen Hinschlachten eine Ruhmestat, kein Vergehen begangen hat. Was soll das heißen? Wohlan, es hat sich wilde Rohheit in Glaubenstreue und Frevel in eine heilige Kulthandlung verwandelt. Der (potentielle) Sohnesmörder kehrt zurück, ohne Menschenblut vergossen zu haben, und der als Opferlamm dargebrachte Sohn lebt.“

Zeno hebt das Zeitintervall auf, läßt wie in einem Wunder durch ein und denselben Schwertstreich Isaak (lediglich) bedroht und stattdessen das Ersatzopfer (den Widder) geschlachtet werden. Dadurch wird der potentielle Kindsmörder

 357 Zeno spielt hier mit der Ambivalenz des Begriffes pietas, der an zweiter Stelle als Synonym für affectus eintritt. Dies läßt sich durch den Beginn des Abraham-Exempels (1,4,13) erhärten: Der Patriarch hat die Wahl, sacrilegus zu sein (wenn er Gottes Befehl mißachtet) oder crudelis (wenn er seinen Sohn tötet); es ist dies eine Wahl inter religionem pietatemque: zwischen gehorsamer Gottesverehrung und Vaterliebe.

  Buch III von dem Frevel, Menschenblut vergossen zu haben, befreit (parricida i n c r u e n t u s [vgl. laud. 3,104 nimia pietate c r u e n t u s]) und dem vom Tode bedrohten Sohn das Leben gesichert. Was hier Zeno als scheinbare wundersame Koinzidenz schildert 358, gibt Dracontius in 105f. und 110f. als ein zunächst verwirrendes Nebeneinander, das die Philologen zu Textänderungen herausgefordert hat. Auch bei Dracontius sind zwei in der Realität unvereinbare Objekte zusammenzunehmen, die von Abrahams Schwert bedroht werden: Gemäß 105f. steht der Opferpriester (er wird in 107 als pius immitis charakterisiert) mit gezücktem Schwert (nudato mucrone) bereit, seinen geliebten Sohn zu töten: iam iam ferĭturus amatum; gemäß 110f. aber droht Abraham – mit innerer Ruhe und Gelassenheit in gottgetreuem Gehorsam seine Priesterpflicht erfüllend – einen Untergang ohne grausiges Vergießen von Menschenblut an, ein Ersatzopfer für den Tod des eigenen Sohnes: 3,110 (...,) non dat pectoribus: pietas secura minatur exitium sine morte truci pro funere nati, qui deuotus erat, qui ad uulnera colla parabat.

Die den Leser überraschende Kombination zweier an sich getrennter Arten von Bedrohungen wird verdeckt durch die zwischengeschaltete Gemütsschilderung Abrahams (er gibt seinen väterlichen Gefühlen nicht nach, 107–110a). Mit diesem Kunstgriff hat der Dichter in Vers 111 eine summarische Vorwegnahme des Ergebnisses erreicht, bevor er die einzelnen Handlungsschritte weiter entfaltet („dieser hatte sich ganz in den Willen Gottes (und den seines Vaters) ergeben und bot dem Opferschwert seinen Hals“ etc.). Den Abschluß bildet dann die Konkretisierung der in 111 im voraus in den Blick genommenen Peripetie: „Sogleich (mox) bestimmt der allmächtige Vater einen Widder als Ersatzopfer für den Altar: Es wird ein Opferlamm (hostia) dargeboten, das keine Eltern ihres Kindes berauben wird (non orbatura parentes)“ (116f.). Der Zusammenhang der Verse 3,107–111 zeigt, daß (pietas) secura jedenfalls primär nicht im Sinne von „vertrauend auf Gottes Verheißung“ zu deuten ist (diesen Zug müßte man gänzlich von außen in den Text hineintragen, ohne daß der Dichter einen Fingerzeig gibt), sondern als ein Attribut, das den Inhalt der unmittelbar voraufgehenden non-Sätze (107ff. non tristis fronte doloris – non dat pectoribus) in einen einzigen Begriff zusammenfaßt, der auf die staunenswerte innere Ruhe und Gelassenheit abhebt, in der sich der Vater – gottesfürchtig und gehorsam seinen Priesterdienst verrichtend – anschickt, den einzigen Sohn mit

 358 In 1,43,6f. bietet Zeno die ausführliche Schilderung, dort in realistischem Zeitablauf.

Biblische Exempla der Glaubensstärke  

dem tödlichen Schwertstreich zu bedrohen. Ebenso ist securus in vier der sieben Stellen aus Zenos Abraham-Traktaten verwendet (s. Anm. 342 und 343), die dem Dracontius als Muster gedient haben 359. Hervorgehoben sei der Passus 1,43,5f., der zu Beginn des Paragraphen 6 durch eine Korruptel entstellt ist. Beim Aufstieg auf den Berg, wo das Opfer stattfinden soll, hat Abraham seinen Sohn Isaak in Gottes Anordnung, der er zu folgen versprochen hat, eingeweiht. Zeno schildert die Reaktion des Sohnes und den weiteren Handlungsgang wie folgt: 1,43,5 Laetatus est puer patre fideli ipse quoque fidelior, nec recusabat mortem, quam deus qui uitam dederat imperabat. Laetatur pater filio quoque gaudente et cum gaudio unici pignoris alligat manus, quas ille uinciendas libentius offert. Pedes quoque constringit, ne in exitu mortis concitata uictima calcitraret; securus 360 enim pater optimus timuit, ne dolori [sc. filii] aliquid liceret in mortem. 6 O patris (patris Zw., fratres codd.) 361 secura deuotio! o pater spiritum captans, corpus uero mortemque contemnens! o qui seruum domini ita se esse meminerat, ut patrem se esse nesciret! quid est pater? ecce sub oculis iacet filius uinculis adstrictus. Vbi sunt lacrimae, ubi dolor, qui in humanis sensibus uersari consueuit? in tantis filii casibus laetatur et gaudet et se dominum promeruisse triumphat.  359 Da der einschlägige Thesaurusartikel noch fehlt, sei wenigstens e i n sonstiger Beleg genannt: Suet. Nero 40,4 (als Nero von dem Aufstand in Gallien erfuhr) „nahm er diese Nachricht so ruhig und gelassen auf, daß er den Verdacht erregte, er freue sich sogar darüber“: adeoque l e n t e ac s e c u r e tulit ut g a u d e n t i s etiam suspicionem praeberet. 360 Dies geht auf das kurz zuvor herausgestellte „sichere Wissen um die Glaubenstreue seines Sprosses“ (1,43,5 securus de fide generis sui pater filio, de quo non dubitabat, patefecit ...). In securus ... timuit liegt zugleich ein erstrebtes Oxymoron vor. 361 Die Apostrophe fratres begegnet bei Zeno 88mal; hinzu kommen 21 Belege für fratres dilectissimi, 7 für fratres carissimi, 5 für fratres in Christo. Die von den Handschriften überlieferte Junktur o fratres secura deuotio scheint bei Zeno ausgeschlossen. Ich habe sie – den Erfordernissen des Zusammenhangs entsprechend – in o patris secura deuotio! abgeändert [wegen des zwei Zeilen später folgenden ecce versucht es M. DEUFERT ausnahmsweise doch mit o fratres, sec. d.]. Denn um die unfaßbar gelassene Gottergebenheit des V a t e r s, der dabei ist, auf Gottes Befehl seinen S o h n zu töten, geht es hier. Das zeigt die anaphorische Fortführung mit o pater – o qui ..., ut patrem ...! quid est pater?, nachdem schon der Chiasmus puer patre und pater filio, zusätzlich noch die Junktur pater optimus vorausgegangen waren. Die gleiche Korruptel liegt m.E. in tract. 2,21,1 vor, wo das überlieferte (sonst nirgends belegte) fratres uenerandi sed pietas in patris u e n e r a n d i sed pietas zu ändern ist (mit nachgestelltem sed), vgl. 1,35,5 pii non sunt, quia p a t r e m u e n e r a n d u m prauis moribus laedunt. Die Apostrophe hat in tract. 1,43 ihren Platz ganz zu Beginn der Ansprache (1,43,1 Abraham, fratres dilectissimi, ... uetustae legis gesta testantur) und dann wieder als Auftakt des Schlußabschnitts (1,43,8 uideamus, fratres dilectissimi, legis arcana; allerdings ist in unserer Überlieferung das Ende des Traktats verlorengegangen). Als Parallele für den wiedergewonnenen Ausruf o patris secura deuotio! kann ein Textsegment aus Prudentius dienen, s. psych. 750ff. cumulata quidem iam gloria uobis,│o patris, o domini f i d i s s i m a pignera Christi,│contigit. Zur o-Anaphorik s. perist. 2,413ff. o Christe, nomen unicum,│o splendor, o uirtus patris,│o factor orbis et poli│atque auctor horum moenium.

  Buch III „Da freute sich der Knabe, auch selbst glaubenstreu, ja, glaubenstreuer als der Vater, und verweigerte nicht den Tod, den Gott, der das Leben gegeben hatte, befahl. Es freut sich der Vater, daß auch der Sohn jubelt, und voll Freude bindet er die Hände seines einzigen Sprößlings, die dieser gerne zum Fesseln darbietet. Auch die Füße bindet er zusammen, damit das Schlachtopfer nicht bei den letzten Lebenszuckungen im Übergang zum Tod erregt ausschlage. Denn bei aller festen Zuversicht in die Glaubenstreue des Sohnes sorgte sich der überaus gute Vater doch, der Schmerz (des Sohnes) könne sich etwas herausnehmen gegen den Tod. 6 Welch heiter-gelassene Gottergebenheit des Vaters! 362 Ein Vater, der den Geist zu gewinnen sucht, den Leib aber und den Tod verachtet! Der so sehr daran dachte, daß er Diener des Herrn ist, daß er nicht mehr wußte, daß er (auch) Vater ist. Was bedeutet hier ‘Vater’? Seht, vor seinen Augen liegt der Sohn mit Fesseln gebunden. Wo sind die Tränen, wo der Schmerz, der sich bei menschlichem Fühlen einzustellen pflegt? In solcher Lebensgefahr des Sohnes freut er sich und jauchzt, ja, er triumphiert, daß er sich einen Rechtsanspruch auf den Herrn erworben, sich den [sic!] Herrn verpflichtet hat.“

Hier ist die secura deuotio im unmittelbaren Kontext davor und danach im Sinne einer gelassen-heiteren Gottergebenheit Abrahams, in der er gehorsam seinen Sohn zum Opfer darbringt, geschildert (l a e t a t u r pater filio quoque g a u d e n t e et c u m g a u d i o unici pignoris alligat manus ... ubi sunt lacrimae, ubi dolor ...?... l a e t a t u r et g a u d e t et ... triumphat). Dies hatte sich schon in 1,43,3–4 angekündigt, als Gott „ad explorationem fidei suae“ dem Abraham sein Verlangen kundtut, er solle ihm mit seinen eigenen Händen den Sohn zum Opfer darbringen (1,43,3). Der Erzähler umschreibt Abrahams Reaktion wie folgt: 1,43,4 non contristat frontem deuotissimus Abraham nec dolor patri lacrimas persuasit, sed e x s u l t a t et g a u d e t. nec timuit, ne parricidium ei inputaretur, sed magis ut deuotioni pareret 363, l a e t a b a t u r hoc iussisse deum.

 362 In anderer Nuancierung G. SCHÖLLGEN 195 (mit Erläuterungen in Anm. 26). 363 Schon Ambrosius hat die „Versuchung“ Abrahams durch Gott als Treue-Probe gedeutet: Abraham sei von Gott als treu anerkannt worden, weil ihn nicht einmal Mitleid mit dem geliebten Sohn von der Erfüllung seines Treuegehorsams abgehalten habe, s. Ambr. parad. 2,9 qua temptatione Abraham fidelis est domino conprobatus, quod a deuotionis obsequio („von der gehorsamen Erfüllung seines gottergebenen Dienstes“) nec dilecti filii miseratione reuocatus est; vgl. Cypr. epist. 58,5,1 dum deo fide deuotionis obsequitur [sc. Abraham]; Aug. serm. 2,5 (CCL 41, p. 13) implet Abraham deuotionis oboedientiam. Zu deuotio ~ oboedientia, fides, pietas s. ThLL V 1, 879,19ff. („obedience, loyalty; worship, piety, religion“ [SOUTER]). Ähnlich urteilt Zeno selbst (tract. 1,59,7 [CCL 22, p. 135]): Man könne Abraham nicht impietas gegenüber dem eigenen Sohn vorwerfen: dominum filio, sacerdotem praetulit patri, nec pium se credidit, nisi probasset fidelem. Die Treue gegenüber Gott hat Vorrang vor der Liebe des Vaters zum Sohn. Das Stichwort fidelis findet sich auch in den Versen 3,114f. des Dracontius: quia corde fideli │ ... pater obtulerat (sc. hostiam).

Biblische Exempla der Glaubensstärke  

„Nicht umwölkt sich die Stirn des überaus gottergebenen Abraham mit Trauer, noch verleitet Schmerz den Vater zu Tränen, sondern er jauchzt und freut sich. Auch fürchtet er nicht, es könne ihm die Erfüllung des Auftrags als Mord an seinem eigenen Kind angerechnet werden, vielmehr freut er sich über diesen Befehl Gottes, damit er sich seiner Verpflichtung zu gehorsamer Gottergebenheit gewachsen zeigen könne“.

Nimmt man die durch non- und nemo-Anaphorik geprägte Reihe von parallelen Kurzkola des ersten Abraham-Exempels der Traktatsammlung Zenos hinzu: 1,4,14 non percussoris, non percutiendi claudicat color; non membra tremore uibrantur; non dimissi, non torui sunt oculi. nemo rogat, nemo trepidat, nemo se excusat, nemo turbatur. ... sub tanto, non dicam humanitatis, sed ipsius naturae metu l a e t i s u n t soli „Nicht verdüstert sich die Farbe des Schächters, noch die des Schachtopfers; nicht erbeben zitternd die Glieder; nicht sind die Augen schlaff gesenkt, noch grimmig blickend. Keiner bittet, keiner ist ängstlich, keiner entschuldigt sich, keiner ist verwirrt. ... Während – ich sage nicht die menschliche Gesittung, sondern die innerste Naturordnung selbst in solcher Furcht um ihren Bestand sein muß, sind allein sie froher Zuversicht“,

dürfte eine zureichende Anzahl von Mustern für eine Charakterisierung Abrahams (und seines Sohnes) vorliegen, wie sie sich wenig später auch Johannes Chrysostomus in seiner 47. Homilie über die Genesis zueigen machte 364, sei es in direktem Kontakt zu Zeno, sei es durch Rückgriff auf verwandte Quellen. Auch Chrysostomus zeigt sich dort verwundert, wie ruhig und unbeirrt Abraham den Befehl Gottes entgegennahm: Chrys. hom. in Gen. 47,1 (PG 54, p. 429 lin. 45) Τί οὖν ὁ δίκαιος; Οὐκ ἐταράχθη τὸν λογισμὸν, οὐ συνεχύθη τὴν διάνοιαν, οὐκ ἠπόρησε πρὸς τὸ ξένον τοῦ ἐπιτάγματος, οὐκ ἐνενόησεν, οὐκ ἐλογίσατο πρὸς ἑαυτόν· „Wie verhielt sich daraufhin der Gerechte? Er wurde nicht erschüttert in seiner Besonnenheit, geriet nicht in geistige Verwirrung, nicht in Ausweglosigkeit aufgrund des Befremdlichen, das ihm aufgetragen wurde; er erging sich nicht in Befürchtungen und stellte keine klügelnden Berechnungen bei sich an.“

Den Überlegungen, die Abraham natürlicherweise hätte anstellen und den Befürchtungen, die er vor allem wegen der Gefährdung der Existenz seines Stammes hätte vorbringen müssen, dem Gott doch Dauer und unüberschaubare Größe verheißen hatte, räumt Chrysostomus breiten Raum ein, bevor er kontrastiv Abrahams Reaktion dagegenstellt: „Von all dem nichts! Allein darauf richtete er

 364 Siehe G. SCHÖLLGEN 194.

  Buch III sein Bestreben, das ihm Aufgetragene ins Werk zu setzen. Und als ob er die Bindungen der menschlichen Natur aufgegeben hätte 365, stellte er alles väterliche Mitgefühl und alle Liebe hinter die Befehle Gottes zurück und eilte, diese zu erfüllen.“ In dieser Tradition also wurzeln die Verse laud. 3,107–110 des Dracontius mit ihrer betonten non-Anaphorik (s.o.). Der Dichter hat sich dabei unmittelbar durch Zeno inspirieren lassen. 3,124 Die Verse 122ff. wurden zuletzt von MOUSSY wie folgt ediert: 122 Qui planctos mortesque facit per sacra rogatus, nescio sed minus [est] a quo deplacatur ademit quod praestare potest si non praestat ut adsit. 122 planctos B: -us Mpc sacra Peiper: sera B: uota Arevalo: saeua Glaeser 123 sed B: si Vollmer (1905) est del. Moussy a quo deplacatur Moussy: a quo deplacuntur B (placantur Mpc: deplangitur VR): quia (quod Vollmer) deplacandus Traube 124 quod Traube: quam B id add. Moussy: quod add. Vollmer: quam add. Traube ut Moussy: et B adsit B: absit Glaeser

Dies ist nicht überzeugend; vielmehr sollte mit VOLLMER (1905) und CORSARO folgende Fassung gewählt werden: 122 qui planctus mortesque facit per sacra rogatus, nescio si minus est quod deplacandus ademit quam praestare potest; si non praestat, et absit 366. „Wer (= ein Gott, der) Wehklagen und Tod verursacht, wenn er in heiligen Opfern um Hilfe angefleht wird, von dem weiß ich nicht, ob er, wenn man versucht, ihn günstig zu stimmen, weniger fortnimmt, als er zu leisten vermag. Wenn er aber keine Leistung erbringt, soll er auch keine Leistung von Seiten der Menschen erhalten!“

Das Verb praestare kann hier ebenso wie in 2,617. 620 absolut gesetzt werden. Der Ausfall von quod erklärt sich leicht durch das darüber stehende quod.

 365 Mit der Formel καὶ ὥσπερ ἐκτὸς γεγονὼς τ ῆ ς ἀ ν θ ρ ω π ε ί α ς φ ύ σ ε ω ς ist eng verwandt Zenos sub tanto, non dicam h u m a n i t a t i s, sed ipsius n a t u r a e m e t u in 1,4,14. 366 Vgl. den Versschluß Aen. 10,85 ‘Aeneas ignarus abest’: ignarus et absit.

Biblische Exempla der Glaubensstärke  

3,165f. Es scheint wichtig, am Ende von 165 ein Komma zu setzen (von VOLLMER und COR-

SARO versäumt). Subjekt zu imperat et pelago ist nicht etwa sol (164), sondern die

origo ... generis Isac (s. 160f.), aufgegriffen in 166f. durch origo sancta prophetarum: Das Geschlecht Isaaks erstreckt sich über alle Zeiten und Räume der Welt (in alle vier Himmelsrichtungen), ja, es beherrscht auch die Meere und durch seine heiligen Propheten den Himmel.

.. Daniel in der Löwengrube – der Gladiator im Amphitheater 3,199f. Daniel in der Löwengrube wird verglichen mit einem Gladiator, der in der Arena ohne Waffen dem rasenden Hunger zweier Löwen ausgesetzt ist (188ff.). Daniel überlebt im Vertrauen auf Gott, der ihn fürsorglich schützt (189f.). Um den Venator im Amphitheater dagegen (191ff.), auf den ein Massylischer Löwe gehetzt wird (194), müssen die Zuschauer an den Festspielen bangen, obwohl der Gladiator mit einem langen Jagdspieß bewehrt und an Arm, Unterleib und Brust geschützt ist (195–197). Wer würde nicht durch solch einen Irrwahn in Erregung versetzt, „lorsque la foule assise sur les gradins dans la liesse du spectacle forme des vœux pour que le fauve qui la rassasie en infligeant de graves blessures ne rende pas dans la mort son sang vermeil?“

So MOUSSYs Übersetzung dieses locus conclamatus, dem er die folgende lateinische Form gegeben hat: 198 cum residens caueis inter spectacula festa uota facit populus ualida ne bestia noxa 200 sanguineum referat satians in morte ruborem? 199 populus Arevalo: -is BM ualida ne Glaeser: ne ual. BM ualida ... noxa Callu (apud Moussy): u. ... nota BM: ualido ... morsu Arevalo 200 sanguineum referat Moussy (sanguineas referat iam Buecheler, sanguineum iam Arevalo): sanguinis ab ore farte (forte M) BM: sanguineum ab ore ferat Vollmer satians Callu (apud Moussy): facies BM: faciens Glaeser

Die neuralgischen Punkte sind durch Fettdruck hervorgehoben. AREVALO hatte unter Verweis auf

  Buch III 207 m o r s i b u s illisis n e b e s t i a membra iacentis uexet et horrorem faciat dilecta uoluptas

die folgende sehr freie Version gedruckt: uota facit populus ualido ne bestia morsu sanguinis humani sanie perfusa madescat 367.

Löblich scheint die Intention, den überlieferten Genitiv sanguinis (200) zu halten. Es drängt sich die Vermutung auf, daß der Vers durch die zusammengehörige Junktur sanguinis ... ruborem gerahmt wird. Sie scheint hier, wo es um wirkliches Blut geht, mit Bedacht der häufigen metaphorischen Formel sanguineus rubor (für die blutrote Farbe) 368 vorgezogen, obwohl auch sanguinis rubor die rote Farbe umschreiben kann, siehe Ambr. epist. 10,73,7 (über die ara Victoriae): paenitet lapsus, uetusta canities pudendi s a n g u i n i s traxit r u b o r e m; vgl. Hier. in Am. 2,4,9 lin. 322 [CCL 76] r u b o r e m s a n g u i n i s in pallorem commutat; Greg. M. in I reg. 6,111 lin. 2378 [CCL 144]) Rufus quippe extitit, qui candorem tantae innocentiae pretiosi s a n g u i n i s r u b o r e colorauit. Aus dem überlieferten Wortlaut sanguinis ab ore farte facies hat BÜCHELER ingeniös das fehlende Verb referat gewonnen. Aber bloße Buchstabenmetathese hätte kaum zu (ab) orefarte geführt. Es ist vielmehr zu postulieren, daß in der ursprünglichen Version so etwas wie sanguinis os referat (allenfalls auch ora ferat) steckte. Auf den Begriff os/ora kann hier schon deshalb nicht verzichtet werden, weil im korrespondierenden Danielexempel von den ora leonum die Rede ist, die den gottgefälligen Propheten nicht anrührten (188f.). Aus der Buchstabenfolge osreferat konnte leicht orefarte werden, zumal wenn sich hinter dem ganzen korrupten Ausdruck (ab) ore farte facies 369 die – wie ich vermute – ursprüngliche Fassung os referat spargens verbirgt. Das Volk würde demnach auf  367 Er scheint sich dabei am Wortlaut der Verse 219ff. inspiriert zu haben: s a n g u i n i s h u m a n i numquam satiata (sc. Diana) cateruis │ hospitibus caesis: h u m a n a t a b e m a d e s c i t (GLAESER, madescens B)│ Taurica per Colchos crudelis uirginis ara (vgl. Romul. 5,139 Taurica crudelis ... ara Dianae und Lucr. 1,84 Triuiai uirginis aram). 368 Siehe Avien. Arat. 1576 ne s a n g u i n e u s late r u b o r imbuat o r a; Drac. laud. 2,532 candida s a n g u i n e u m monstrauit luna r u b o r e m; Ven. Fort. carm. 2,1,18 dulcia s a n g u i n e o uina r u b o r e fluunt. 369 Weder läßt sich facies auf das Löwenmaul beziehen, noch kann GLAESERs faciens das Richtige treffen (im Vers zuvor steht facit). Auch paläographisch naheliegendes fauces führt ebensowenig zum Ziel wie tabes, sanies oder das Partizip feruens (fremens ist metrisch ausgeschlossen). – Die Präposition ab beurteile ich als Sekundär-Interpolation: Nachdem in einem ersten Schritt die Verschreibung sanguinis ore ferat/farte spargens entstanden war, wurde zur vermeintlichen Verdeutlichung der Gedanke spargens ab ore sanguinis ... ruborem hergestellt. Ginge

Biblische Exempla der Glaubensstärke  

den Sitzreihen (den drei Rängen) des Amphitheaters in großer Erregung den Kampf des Venator in der Arena gegen den wilden Löwen mitverfolgen und zugunsten des Gladiators darum flehen, daß die Bestie mit ihrem wuchtigen U n g e t ü m (oder auch U n g e s t ü m, dazu anschließend) nicht ein Maul zur Schau stelle, das beim Töten des menschlichen Gegners von rotem Blut trieft: 198 cum residens caueis inter spectacula festa uota facit populus, ualida ne bestia mole 200 sanguinis os referat spargens in morte ruborem.

Zur Junktur spargens ... ruborem sei verwiesen auf laud. 1,671 roscida puniceum s p a r g e n s aurora r u b o r e m; siehe ZWIERLEIN KK 2017 zu Aegr. Perd. 35 purpureum s p a r g e n s per prata r u b o r e m. Zu vergleichen sind ferner Stellen wie Paul. Petric. Mart. 4,476 s a n g u i n e u m s p a r g e n s concusso uertice rorem; Stat. Theb. 2,674 (aspargine, s. Anm. 371). Der Singular os kann hier das Löwenmaul ebenso gut bezeichnen wie z.B. in Prud. cath. 3,159f. die Schnauze des Wolfs ([lupus] rabidum│ s a n g u i n i s inmemor os cohibet). Eine bestia mit ‘os leonis’ kennt die Apokalypse, siehe Vulg. Apk. 13,2 et b e s t i a m quam uidi similis erat pardo et pedes eius sicut ursi et os eius sicut o s l e o n i s et dedit illi draco uirtutem suam et potestatem magnam. Dieses Schriftwort liegt dem Schluß des zweiten Hymnus des Sedulius zugrunde, vgl. Sedul. hymn. 2,89ff. zelum d r a c o n i s inuidi│et o s l e o n i s pessimi│calcauit unicus Dei│seseque caelis reddidit; vgl. ferner Vulg. Ps. 21,22 salua me e x o r e l e o n i s; 1Makk. 2,60 Danihel in sua simplicitate liberatus est d e o r e l e o n u m; 2Tim 4,17 und die Belege für ore (cruento) in Anm. 371. Wollte man ne bestia ...│ sanguinis o r a f e r a t schreiben 370, wäre dies inhaltlich banal und würde sich weder zu ualida ... mole noch zu u. ... morsu gut fügen. Vor allem  man von ursprünglichem sanguinis o r a ferat aus, wäre das Zustandekommen der Lesart ab ore farte wohl weniger plausibel. Sie dürfte auch inhaltlich problematisch sein (siehe dazu gleich anschließend). 370 Diese Floskel ist (neben ora referre in Claud. 28,423 und Sedul. carm. pasch. 4,197 Ite, sacerdotum conspectibus o r a r e f e r t e) vor allem in der Dichtung sehr häufig, dort seit Verg. Aen. 3,490 (sic oculos, sic ille manus, sic o r a f e r e b a t); vgl. etwa Manil. 5,699f. non inimica f e r a e tali sub tempore natis│ o r a f e r e n t („to those born at such a time wild creatures will show no hostile face“ [GOOLD]); Sen. Hf 216f. gemina cristati caput│ a n g u e s f e r e b a n t o r a; Val. Fl. 5,465 f. nebulamque erumpit Iason│sideris o r a f e r e n s; Auson. XVIII 51ff. GREEN os umerosque deo similis [Aen. 1,589] lumenque iuuentae [Aen. 1,590];│ qualis, ubi Oceani perfusus Lucifer unda [Aen. 8,589] │ extulit os sacrum caelo [Aen. 8,591], sic o r a f e r e b a t [Aen. 3,490], │ sic oculos [Aen. 3,490]; Aldhelm. enigm. 39,4 o r a cruenta f e r e n s (sc. der Löwe).

  Buch III aber müßte dann spargens (wenn die Restitution zutrifft) auf bestia bezogen werden. Dies ließe sich m.E. nur rechtfertigen, wenn zusätzlich ruborem in cruorem geändert würde, also Vers 200 die folgende Fassung erhielte: (ne bestia) sanguinis ora ferat spargens in morte cruorem 371. Aber die zusätzliche Änderung verstößt gegen das Prinzip der Ökonomie, und das für sich stehende Kolon (ne) sanguinis ora ferat („daß die Bestie [mit ihrem wuchtigen Ungetüm] nicht ein blutiges Maul zeige“) hätte zu wenig Gewicht, wie der Vergleich mit der oben rekonstruierten Fassung zeigt: „daß die Bestie [mit ihrem wuchtigen Ungetüm] nicht ein Maul zur Schau stelle, das beim Zerfleischen des menschlichen Gegners von rotem Blut trieft“ 372.

Das überlieferte ualida ... nota in 199 ist schon aus metrischen Gründen zu verwerfen; nota ist wohl unter Einfluß des Versbeginns uota zustandegekommen. CALLUs (von MOUSSY übernommenes) noxa klingt papierern und paßt nicht zu ualida; AREVALOs morsu wäre für sich genommen gut 373, erforderte aber einen zusätzlichen Eingriff (ualido), fügte sich zudem gedanklich nicht glatt in die Konstruktion des hier restituierten Folgesatzes (200) und nähme voraus, was erst in 207 eingeführt wird 374. Der Kampf eines Gladiators gegen einen Löwen in der  371 Es sei beispielsweise verwiesen auf Aen. 9,339ff. impastus ceu plena l e o per ouilia turbans│(suadet enim uesana f a m e s) manditque trahitque│molle pecus mutumque metu, fremit o r e c r u e n t o; Stat. Theb. 2,673ff. tum crines ardentiaque o r a c r u e n t i s │ r o r i b u s et taetra morientum aspargine manant:│ ut l e o, qui ...│ Massylas depastus oues, ubi s a n g u i n e m u l t o │luxuriata f a m e s ...│... mediis in caedibus astat│aeger („sein Haar und das brennende Antlitz│ triefen von blutigem Tau und der Sterbenden ekler Bespritzung.│ Also zerfleischt in Massyliens Flur ein Löwe die Schafe,│... ist aber der Hunger im Blute│schwelgend gestillt ... │ ... , dann stehet er still inmitten des Mordes, │ ärgerlich gähnend“ [IMHOF]); 4,363ff. ille uelut pecoris l u p u s expugnator opimi,│ pectora t a b e n t i s a n i e grauis hirtaque saetis│ o r a c r u e n t a t a deformis hiantia lana,│decedit stabulis („Jener, er gleichet dem Wolf, der eben vom Stalle sich fortschleicht,│wo er die Herde gewürgt; noch trieft, von geronnenem Blute│schwer, ihm die Brust, und das borstige Maul, voll blutiger Wolle,│schnappt noch“ [IMHOF]); Drac. laud. 1,456f. (der Paradiesgarten) nec placidas sustentat aues, non o r e c r u e n t a s, │ unguibus armatas nescit perferre uolucres („it sustains not gentle birds, and knows not to brook birds of prey, their beaks stained with blood, and armed with talons“ [IRWIN]); satisf. 137f. sic l e o terribile fremit horridus o r e c r u e n t o │unguibus excussis dente minante neces („dreadful with bloody mouth and extended claws, and teeth threatening death“ [MARGARET]); Ennod. carm. 1,9,63/66 (tigris feta ...) hominumque necem petit o r e c r u e n t o. 372 „Zudem wäre sanguis und cruor vielleicht zu viel Blut für einen Vers; außerdem ginge die oben hervorgehobene Rahmung sanguinis ... ruborem verloren“ (Th. RIESENWEBER). 373 Vgl. Lucr. 5,1322 (Löwinnen [leae] schlugen sich mit ihrem starken Gebiß und ihren „kralligen Tatzen“ [DIELS] in die niedergeworfenen Krieger) m o r s i b u s affixae u a l i d i s atque unguibus uncis; 1326 et u a l i d i s socios caedebant d e n t i b u s apri. 374 Siehe oben und schon zuvor Vers 205 hinc armata manus ferro, hinc d e n t i b u s o r a. Nach M. DEUFERT stünde AREVALOs morsu auch in Konkurrenz zu dem dann blassen in morte („beim Tötungsakt“).

Biblische Exempla der Glaubensstärke  

Arena hat sein Vorbild bei Martial (den Dracontius auch sonst imitiert). In den Gedichten 15, 23 und 27 des Buches über die Schauspiele schildert der Dichter die Heldentaten des Gladiators Carpophorus im Kampf gegen wilde Tiere: In spect. 15 hat dieser nicht nur einen gewaltigen Bären mit dem Speer niedergestreckt, sondern auch einen Löwen von nie gesehener Größe, der ein würdiger Gegner für die Arme des Hercules gewesen wäre: spect. 15,5 strauit et ignota spectandum mole l e o n e m, H e r c u l e a s potuit qui decuisse manus.

In spect. 27 übertrifft Carpophorus die zwölf Taten des Hercules, indem er zwanzig wilde Tiere auf einmal erledigt, siehe vor allem den Schluß: spect. 27,11 H e r c u l e a e laudis numeretur gloria: plus est bis denas pariter perdomuisse f e r a s. „Der Ruhm der Heldentaten des Hercules mag in Zahlen (12) zum Ausdruck gebracht werden: Mehr zählt, zwanzig wilde Tiere auf einmal unschädlich gemacht zu haben.“

Den Vergleich mit Hercules hat Dracontius in seine Daniel-Episode übernommen, siehe 3,188ff./209ff./215f. Hervorgehoben seien in unserem Zusammenhang die folgenden Verse: 201 quando duos pariter suscepit harena l e o n e s praesidio sic apta 375 fugae, spatiosior orbis, 203 clausa patensque simul bis seno cardine uerso? „Wann hat die Arena jemals zwei Löwen auf einmal in ihr (im Vergleich zu Daniels Grube) geräumigeres Rund aufgenommen, das die Möglichkeit bot, sich durch Flucht zu schützen, geschlossen und geöffnet zugleich, wenn zwölf Türen sich in ihren Angeln drehten?“ 376 210

clarissimus ille A l c i d e s, quem m o n s t r a ferunt domuisse nefanda, qui uirtute polos meruisse est dictus et astra,

 375 So PEIPER; si capta BM. 376 Hierzu ist AREVALOs ausführlicher Kommentar (zu 3,198) zu vergleichen. Dort wird u.a. auf Cassiodor (var. 5,42; 3,51) und Stat. silv. 2,5 (‘Leo mansuetus’) verwiesen und gefolgert: „Itaque Dracontius, hunc morem respiciens, ostia duodecim bis seno cardine expressa commemorat, quae miro artificio simul omnia paterent, ut ferae e caveis egrederentur, ac illico clausae manerent, ne in caveas sese reciperent.“ Siehe auch MOUSSY zu 3,201 und 203; ferner VAN DAM zu Stat. silv. 2,5, dort bes. zu den Versen 11-3.

  Buch III uix unum extinxit captum per colla l e o n e m, si tamen hunc uerax per saecula 377 fama locuta est. „Ce fut le très illustre descendant d’Alcée qui, rapporte-t-on, fut vainqueur d’horribles monstres et dont le courage lui valut, dit-on, de connaître le séjour céleste parmi les astres; il ne fit périr qu’un seul lion dont il avait étreint l’encolure, si toutefois est exacte la tradition qui a célébré à travers les siècles sa victoire“ (MOUSSY).

Die analogen Markierungen machen die Abhängigkeit des Dracontius von Martial über das Inhaltliche hinaus auch im Formalen sinnfällig. Die bei Dracontius genannten uenabula des uenator (195) nutzt Martials Gladiator in spect. 15,3 und 23,1f. als Waffe 378. Während er damit in spect. 15,5 einen offenbar riesigen Löwen niederstreckt (ignota spectandum mole l e o n e m), habe ich den oben durch Konjektur eingeführten Ausdruck ualida ... bestia mole nicht auf die Kategorie ‘Größe’ festgelegt, sondern allgemeiner als „die Bestie mit ihrem wuchtigen Ungetüm“ (oder „Ungestüm“) wiedergegeben, wodurch auch die unbändige Kraft des wilden Tieres bezeichnet werden könnte 379. Den Versschluß bestia moles hat Dracontius in laud. 1,286 (instar montis habens incedit bestia moles) bei der Umschreibung des Elefanten verwendet 380. Ob auch der magister militum ‘Leo’ in Claudians Invektive gegen Eutrop eine typische Eigenschaft des Löwen verkörpert, wenn er in carm. 20,377 als crassa m o l e Leo eingeführt wird, mag unsicher sein; aber seine anschließend herausgestellte unmäßige Eßlust wird vom Dichter ausdrücklich mit seinem Namen in Verbindung gebracht: hinc (sc. ex fame) nomen fertur meruisse Leonis 381, und Vv. 380f. gilt er als a b u n d a n s │ c o r p o r i s exiguusque animi. Die Junktur ualida moles ist geläufig, siehe Val. Fl. 6,349 (Aeacides) septeno u a l i d a m circumfert tegmine m o l e m; Stat. Theb. 6,700 m o l i s p r a e u a l i d a e castigat puluere lapsus (Menestheus reibt mit Staub die schlüpfrigen Stellen der wuchtigen Diskusmasse); Prosp. carm. de ingrat. 655f. uidet huius pondera culpae│ tam u a l i d a pariter miseris

 377 Zu vergleichen ist der Auftakt von spect. 27: s a e c u l a Carpophorum, Caesar, s i p r i s c a tulissent. 378 In laud. 3,195–197 ist uenabula mit munito (BUECHELER: muto BM: mutato M2) pectore n i s a zu verbinden (nisa GLAESER für handschriftliches uisa). Bei Martial (23,5) wendet sich der Löwe zur Flucht, rennt aber dabei in die Waffen weiterer Mitkämpfer (praeceps i n t e l a cucurrit). 379 Vgl. die ualidi leones in Lucr. 5,985. 1310. 380 M. DEUFERT weist darauf hin, daß instar montis habens ... m o l e s gut dem in 199 konjizierten ualida ... m o l e entspricht: „der Partizipialausdruck habens wird durch den Ablativus qualitatis variiert.“ 381 Siehe hierzu Helge SCHWECKENDIEK, Claudians Invektive gegen Eutrop, Hildesheim 1992, 212.

Exempla aus der griechisch-römischen Mythologie und Geschichte  

incumbere m o l e; Paul. Petric. Mart. 5,580 u a l i d a s rumpentia m o l e s (nubila) 382.

. Exempla aus der griechisch-römischen Mythologie und Geschichte 3,251ff. 251 Sed si forte legat haec carmina nostra profanus quem lateat lex sancta Dei, ne incredulus extet, impendat quid pura fides, praesumptio simplex 383, nec tamen aeternum modico pro tempore quaerat, 255 et neget Abraham tantum fecisse beatum uel quoscumque docet sancta scriptura fideles, historias curram Danaum gentisque Quirini, qui pro laude sua uel qui pro regno alieno mentibus infectis animosae cladis amore 260 ausi omnes scelerare manus de morte suorum aut certe de strage sua.

In diesem Passus, dessen Grundgerüst hier durch punktierte Linien markiert ist, begründet Dracontius, weshalb er die zuvor aus dem Alten und Neuen Testament genommenen Exempla großer Heilstaten, die der Glaube an Gott ermöglicht, im folgenden durch eine lange Exempla-Reihe aus der griechisch-römischen Mythologie und Geschichte ergänzen möchte: Er tue dies, um der Gefahr vorzubeugen, daß ein heidnischer Leser, falls ein solcher auf seine Gedichte stoßen sollte, ungläubig verfolge 384, was Menschen in aufrichtigem Glauben und kindlichem Vertrauen Fürsorgliches zu leisten imstande seien 385 (obwohl sie [in der Denkweise des Alten Testamentes] „ihr Streben nicht im Tausch gegen eine kurze Spanne  382 In Lucr. 1,286f. (ita magno turbidus imbri│ m o l i b u s incurrit u a l i d i s cum u i r i b u s amnis) ist wohl eher ualidis cum uiribus zusammenzunehmen. 383 Vgl. laud. 2,635 augebat spem sola f i d e s, p r a e s u m p t i o maior (sc. des betagten Ehepaars Abraham und Sarah); Romul. 6,83 illic (sc. im Haus des Victor) p u r a f i d e s, illic prudentia s i m p l e x. 384 Dracontius verwendet extat häufig für est (s. VOLLMER 1905, 346 s.v.); der ne-Satz bedeutet also einfach ne incredulus sit oder ne non credat. 385 Zu impendat vgl. satisf. 191f. ecce q u i d i m p e n d i t homini clementia s i m p l e x,│ ut p r a e s t e t bona d a n s c o n f e r a t atque animae („just see what simple kindness profits man, how excellent it is, dispensing blessings, and how it applies them even to his soul“ [MARGARET]).

  Buch III Zeit auf das Ewige richten“), und (um der Gefahr vorzubeugen, daß dieser heidnische Leser) in Abrede stelle, daß der selige Abraham und all die anderen, von denen dies die heilige Schrift die Gläubigen lehre, so Großes (wie behauptet) getan habe. Die Stelle ist zuletzt von STELLA (27ff.) behandelt worden. Er tadelt zu Recht CORSAROs Übersetzung wegen eines doppelten Konstruktionsfehlers, ist aber auch selbst m.E. mit der langen Periode nicht zurande gekommen. Sein eigentliches Ziel war es, in 3,251 das überlieferte sed ne forte gegenüber VOLLMERs Verbesserung sed si forte zu rechtfertigen. Er beruft sich dabei auf die bei HOFM.-SZ. 542 getroffene Feststellung, die Fragepartikel nē scheine in nachklassischer Zeit „unter dem Einfluß von zugleich fragendem und kondizionalem si gelegentlich mehr oder weniger rein kondizionale Bedeutung erlangt zu haben, z.B. Chiron 10 aquam ostendis, ne bibere velit (‘falls’ entwickelt aus ‘ob nicht’; vgl. ne forte = si forte, z.B. Vict. Vit. 3,50).“ Aber diese (und die sonstigen, etwa bei LÖFSTEDT, Komm. z. Peregr. Aeth. 268f. genannten) Belege haben zur Voraussetzung, daß die kondizional gefärbte Fragepartikel an ein Hauptverb gebunden ist, das eine Überlegung (analog den Verben des Fürchtens) zum Ausdruck bringt oder als Ergänzung durch den Leser erfordert. Das ist in laud. 3,251 nicht der Fall. Dort dürfte die ursprüngliche Kondizionalpartikel si (forte) durch das ne von 252 verdrängt worden sein, das seinerseits unter dem Einfluß von nec (tamen) zu Beginn des Verses 254 (vielleicht auch durch bloßes Einwirken des unmittelbar folgenden incre-) zu nec verschrieben wurde 386. Wichtiger als dieses punktuelle Partikelproblem ist die Frage nach der Konstruktion (und damit nach dem Sinn) der Großperiode. Sie scheint nicht nur in der von STELLA beanstandeten Übersetzung CORSAROs, sondern auch in den Wiedergaben MOUSSYs 387 und STELLAs selbst 388 verkannt. Alle drei Gelehrte fassen ne

 386 Es sei auch auf die paläographischen Erwägungen zur Vertauschung von ne/si in Anm. 137 verwiesen. 387 „Mais si quelque impie qui ignore la sainte loi de Dieu vient à lire mes poèmes, pour éviter q u’ i l n e continue à méconnaître ce que procure une foi sincère, une confiance sans réserve e t q u’ i l n ’ a i l l e cependant chercher à obtenir l’éternité en échange d’un court espace de temps, t o u t e n n i a n t q u e le bienheureux Abraham ou l’un de ceux que la sainte Écriture nous montre pleins de foi ait pu accomplir des œuvres merveilleuses, je vais raconter l’histoire des Danaens et celle du peuple de Quirinus ...“ 388 Siehe STELLA 28: „ma, affinché non capiti che un pagano, ignorando la santa legge di Dio, legga questi miei versi s e n z a riuscire a credere cosa può dare la fede pura, fiducia schietta, e s e n z a a s p i r a r e a l l a v i t a e t e r n a sacrificando un esiguo spazio di tempo (terreno), negando che il beato Abramo – e tutti quei credenti che indica la sacra Scrittura – abbiano compiuto così grandi gesta, scorrerò le storie ecc.“

Exempla aus der griechisch-römischen Mythologie und Geschichte  

incredulus extet (252) und nec tamen ... quaerat (254) als gleichgeordnete Finalsätze, was zur Folge hat, daß der Anschluß et neget (255) im Sinne einer verschwommenen Partizipialkonstruktion wiedergegeben wird. Aber der christliche Inhalt des Verses 254 (das Ewige auf Kosten der kurzen irdischen Zeit suchen) macht eine Zuordnung zu dem heidnischen Leser, der in 252 Subjekt des ne-Satzes ist, von vorneherein unwahrscheinlich. Wie in der oben gegebenen Paraphrase zum Ausdruck gebracht, hat das Satzgerippe vielmehr die folgende Gestalt: Sed ... ne profanus (si forte legat haec carmina nostra)│ ... incredulus extet│ (...│ ...) │ et neget Abraham tantum fecisse ...│ uel ... fideles,│ historias curram Danaum gentisque Quirini. Von ne incredulus extet (252 ~ ne non credat, s.o.) ist zunächst der indirekte Fragesatz 253 (impendat quid pura fides ...) abhängig, der durch adversatives nec tamen ... quaerat (254) fortgeführt wird. Dieser Folgesatz verlangt vom Leser – wie Th. RIESENWEBER verdeutlicht – die konzessiv getönte gedankliche Ergänzung: „und obwohl sie so viel leistet“ (Subjekt bleibt pura fides, praesumptio simplex), [„sucht sie dennoch nicht das Ewige“] 389. Die anschließende Konkretisierung des Glaubens-Exempels durch Abraham (und die sonstigen glaubensfesten Heroen der Schrift) zeigt, daß der Dichter vornehmlich oder als herausgehobene Klimax das Alte Testament im Blick hat. Dort ist tatsächlich das Ausgreifen nach dem Ewigen (im Jenseits) auf Kosten des temporären irdischen Lohnes noch nicht ausgebildet. Es hat also seinen guten Sinn, wenn der Dichter hervorhebt, daß einem heidnischen Leser die dargebotenen Erzählungen von übermenschlichen Heilstaten, die allein aus der Kraft aufrichtigen Glaubens und kindlichen Vertrauens auf Gott vollbracht wurden, unglaubwürdig erscheinen können, da sie nicht – unter Mißachtung kurzfristigen irdischen Erfolges – mit dem Ziel ewiger Seligkeit im Jenseits ausgeführt worden seien. Diese Heilserwartung wird erst in der christlichen Ära ihre Wirkung entfalten. Um aber einer solchen Skepsis des heidnischen Lesers vorzubeugen, will Dracontius durchaus vergleichbare Beispiele aus Geschichte und Mythologie der Griechen und Römer vorführen (257ff.), „die entweder zum eigenen Ruhm oder zugunsten der Herrschergewalt eines anderen, den Sinn entzündet von der Liebe zu mutigem Todeskampf, alle kühn die Hände mit frevelhaftem Mord an den eigenen Volks- oder Stammesgenossen besudelten oder jedenfalls mit der eigenen Hinrichtung.“ Wenn der Dichter aufzeigen kann, daß die Helden der Griechen und Römer p r o l a u d e s u a uel pro regno alieno tapfer kämpften oder in  389 „Solche Anschlüsse mit nec können im Dt. manchmal ganz passend mit ‘ohne zu’ wiedergegeben werden, tamen verstärkt das adversative Verhältnis der beiden Sätze“ (Th. RIESENWEBER).

  Buch III den Tod gingen, wird er seinen heidnischen Leser auch davon überzeugen können, daß die Helden des Alten Bundes, ohne ihr Streben auf ewiges Leben zu richten, in lauterem Glauben und in schlichtem Vertrauen auf Gott große Heilstaten vollbrachten. Anläßlich des Exempels der Numantiner, die nicht den Zorn, sondern die Gnade des römischen Senats fürchteten und aus Liebe zur Freiheit den Tod in dem mit eigener Hand entzündeten Feuer wählten, macht er die Antithetik zu dem Streben der Christen nach dem ewigen Leben ein weiteres Mal deutlich: 3,461

sic tamen illa libera conspirans flammis ciuilibus arsit, non iram metuens clari post bella senatus, sed ueniam; qui liber erat, seruire recusat, 465 nec pauor est, dominatio sola mentibus ingenuis, necdum sperauerat ullus quae nos aeternae speramus m u n e r a u i t a e.

„Cependant, d’un commun accord, les libres habitants de cette cité périrent dans l’incendie allumé par leurs concitoyens; ils ne craignaient pas qu’à l’issue des combats l’illustre sénat manifestât son courroux, mais qu’il accordât son pardon: celui qui vivait libre refuse d’être asservi. Ces âmes indépendantes n’ont pas peur de mourir, mais seulement peur d’être assujetties; personne n’avait encore espéré le don de l’éternelle vie que, nous, nous espérons“ (MOUSSY).

Die Verse 466bf. variieren deutlich den hier entfalteten Gedankenduktus des Verses 254, der mit 253 ein Paar bildet: 252

ne incredulus extet (sc. profanus), impendat quid pura fides, praesumptio simplex, nec tamen aeternum modico pro t e m p o r e quaerat.

Die frühere Formulierung aeternae munera uitae wird hier zu bloßem aeternum (sc. tempus) verdichtet. Zwar könnte die Ausdrucksweise „obwohl nicht ewige anstelle kurzer Z e i t erstrebt werde“ verwundern; aber sie wird vor einer Veränderung (etwa zu modico pro munere) geschützt durch die verwandte Art und Weise, in der das Abraham-Exempel bereits früher, nämlich im Anfangsteil des dritten Buches, eingeführt worden war: 3,96 (...) et securus erit u i t a e m e l i o r i s amator t e m p o r i b u s sine fine datis, sine limite perpes. quod spectat finem fragile est totumque caducum,

Exempla aus der griechisch-römischen Mythologie und Geschichte  

quam 390 sit insipiens contemnere uelle perenne 100 et modico quaesisse die peritura repente, A b r a h a e doceant iam nos exempla parentis ... „(...) und ohne Sorge wird sein der Liebhaber des besseren Lebens, das mit Zeitläufen ohne Ende ausgestattet ist, in dem er dauerhaft lebt ohne Begrenzung. Was auf ein Ende blickt, ist zerbrechlich und ganz dem Untergang geweiht; wie töricht es aber ist, das Dauerhafte verachten zu wollen und für einen kurzen Tag das zu suchen, was im Nu zugrunde gehen wird, das möge uns gleich hier das Exempel des Vaters Abraham lehren ...“.

Dieser (hier analog markierte) Passus – entscheidend sind die Verse 3,99f. – bestätigt die überlieferte Version des Verses 3,254. Sie wird von MOUSSY treffend wiedergegeben: „chercher a obtenir l’éternité en échange d’un court espace de temps“.

.. Leonidas und die Spartiaten 3,290 Leonidas greift mit seinen dreihundert Spartiaten im Dunkel der Nacht das Lager des Xerxes an. Es entsteht ein Gemetzel, bei dem Freund und Feind nicht auseinanderzuhalten sind. Ja, während der Sohn glaubt, im Dunkel seinen Vater zu verteidigen, stürzt dieser zu Boden, durch die liebende Fürsorge des Sohnes vernichtet: 285 inuadunt populos, obscura strage cruentant; dum nescit quemcumque ferit quicumque repugnat, obtruncat socium, carum prosternit amicum, amputat ignarus fratrem iugulatque propinquum. dum p a t e r obscura defendi nocte putatur, 290 sic ibi procubuit n a t i pietate p e r e m p t u s. „Ils assaillent des bataillons; ils font couler le sang dans un obscur carnage. L’ennemi qui résiste ne sait pas qui il frappe; il massacre un compagnon, abat un ami qui lui est cher, mutile un frère qu’il ne reconnaît pas et égorge un parent. Dans l’obscurité de la nuit on croit protéger son père, qui gît là, victime des coups de l’affection filiale“ (MOUSSY).

Seit AREVALO zu Beginn des Verses 290 das in B überlieferte Sic ubi in Sic ibi geändert hat, wird der Text von den Herausgebern in dieser Fassung gedruckt. Eine

 390 So BLOMGREN 53.

  Buch III befriedigende Erklärung habe ich nicht finden können. Sie wird nun durch M. DEUFERT geliefert, dem hier seine außerordentlichen Lukrezkenntnisse zustatten kommen: Meinen Änderungsversuch ictus procubuit pariert er mit einem Hinweis auf seinen Kommentar zu Lucr. 3,213; 5,811 und 6,17. An diesen Stellen liegt jeweils temporales ibi vor – in Korresponsion zu voraufgehendem simul atque, cum und ubi. Analog greift in laud. 3,290 zeitliches ibi den voranstehenden dum-Satz auf; sic aber beziehe sich ‘logisch’ auf obscura nocte (infolge der Dunkelheit tötet der Sohn den Vater aus Versehen). Durch das temporale ibi erhalte die Tragik des Geschehens Nachdruck: „Während der Sohn glaubt, etwas Gutes zu tun, e b e n d a begeht er ein schreckliches Verbrechen.“ Die pietas ist eine tragisch verblendete.

.. Brutus und der Doppelkonsulat 3,332 330 quod scelus admisit, postquam fera regna tyranni expulit et gemino praestrinxit consule Romam a n n u a festiuis disponens fascibus acta? „Quel forfait Brutus a-t-il commis, après avoir mis fin au règne cruel du tyran, après avoir soumis Rome à l’autorité de deux consuls, en datant ainsi les événements des années grâce aux faisceaux pris dans l’allégresse?“ (MOUSSY).

Lucius Junius B r u t u s hat die Tyrannenherrschaft der Tarquinier beseitigt und (so das Urteil des Livius) Rom dadurch die Freiheit geschenkt, daß er es unter die Machthoheit zweier Konsuln stellte, deren Herrschaftsgewalt auf ein Jahr beschränkt war (2,1,7 quia a n n u u m imperium consulare factum est). Sichtbarer Ausweis ihrer Amtsgewalt war das Rutenbündel, die fasces. Zu diesen bemerkt OGILVIE in seinem Livius-Kommentar: „According to Roman theory there was only one real set of twelfe fasces which alternated month by month between the two consuls. For the month in which he did not hold the real fasces the consul was followed, instead of preceded, by twelve lictors with ‘dummy’ fasces“ (235) 391. Gemäß diesen institutionellen Voraussetzungen muß der umstrittene Vers 332 etwa folgenden Inhalt haben: „(Brutus stellte Rom unter das Imperium eines

 391 Er fügt wenig später hinzu: „The alternation of the fasces is credited by Cicero (de Rep. 2. 55) not to Brutus but to Valerius“ (hervorgehoben sei der Wortlaut ut singulis consulibus alternis mensibus lictores praeirent).

Exempla aus der griechisch-römischen Mythologie und Geschichte  

Doppelkonsulats), indem er die auf ein Jahr begrenzten Amtshandlungen (annua ... acta) durch Rutenbündel (fasces, die die insignia imperii verkörperten) ordnete“; es sei an Martials Lobpreis auf Silius Italicus erinnert: postquam bis senis ingentem fascibus a n n u m │ r e x e r a t, ... (Mart. 7,63,9f.: „nachdem er als Consul mit dem Bündel von zwölf Ruten ein wichtiges Jahr geleitet hatte“). Das Attribut festiuis ist in diesem Zusammenhang sinnlos – trotz aller Versuche, an der Überlieferung festzuhalten 392. Mit Blick auf den Martialvers bietet sich die Verbesserung bis senis ... fascibus an, eine auch sonst häufige Junktur, die sich hier gut zu g e m i n o ... consule und a n n u a ... disponens ... acta fügt 393. Man mag zweifeln, ob ein im Zusammenhang gängiges bis senis Anlaß bot, in festiuis verschrieben zu werden. Aber ein Kopist, der den Auftakt des zusammengeschriebenen Buchstabengebildes bissenis als fes- mißdeutet hatte, konnte wohl leicht den Rest assoziativ als -tiuis entziffern. „Vielleicht steht falsches festi- auch unter Einfluss von fasci-?“ (M. DEUFERT).

.. Manlius Torquatus 3,367. 371f. In der Torquatus-Episode 394 hat VOLLMER Versausfall nach 371 diagnostiziert, so daß sich folgende Textform ergibt: 371 quis, rogo, dux princeps umquam est uictoribus ausus < .........................................................................> aut quis adoratum 395 populo laudante per urbes  392 Siehe MOUSSYs ausführliche Diskussion S. 87f. CORSARO hat den Gedanken AREVALOs aufgegriffen, acta deute hier auf die ‚commentarii, quibus res gestae perscribebantur‘, und bevorzugt folgende Wiedergabe des Verses (ohne sich um die Konstruktion der lateinischen Vorlage zu kümmern): „disponendo le registrazioni annuali degli avvenimenti e i fasci festosi?“ 393 Vgl. Ov. Pont. 4,9,4 bis senos fasces quae tibi prima dabit (sc. Aurora); Laus Pis. 70 cum tua bissenos numeraret purpura fasces; Sil. 8,484f. bissenos haec prima dedit p r a e c e d e r e fasces│et iunxit totidem tacito terrore s e c u r e s („From that city came the twelve bundles of rods that are borne before the consul, and also the twelve axes with their silent menace“ [DUFF]); Mart. 8,66,3; 9,42,6; [Sen.] epigr. 72,7; Symm. epist. 1,1,5; Cic. rep. 2,31 nam ut sibi duodecim lictores cum fascibus a n t e i r e liceret; Liv. 3,36,4 subito omnes cum duodenis fascibus prodiere, etc. 394 Dracontius hält die übermäßig strenge ‘Zensur’ des Vaters an dem schuldlosen Sohn (364 nam nec culpa fuit) für ein Verbrechen, wie die Schlußbewertung zeigt: Torquata propago│sic est plancta diu s c e l e r e prostrata p a r e n t i s (3,395f.). 395 Wie die gestrichelte Linie andeutet, ist adoratum mit sublime caput zusammenzunehmen.

  Buch III inter uictrices audax p o s t b e l l a cohortes 396 atque triumphales p o s t horrida p r o e l i a currus 375 percuteret sublime caput, lamenta triumphis iungeret et laetis misceret tristia rebus? „Quel est, je le demande, le chef suprême qui a jamais osé faire violence 397 à des vainqueurs ou qui à l’issue de la guerre, au milieu des cohortes victorieuses et des chars du triomphe, après de farouches combats, a pu avoir l’audace de frapper la tête du héros sublime que le peuple dans les cités vénère et exalte, l’audace d’unir les lamentations aux cris triomphants, de mêler la tristesse à la joie?“ (MOUSSY).

Im Apparat der MGH-Ausgabe vermerkt VOLLMER: „vix enim sufficit cum Arevalo corrigere dux poenam 398 vel, ut feceram, ante umquam interponere vim“. Dieses vom Urheber verworfene uim umquam aber liest man im Budé-Text MOUSSYs ohne Rücksicht auf die Synalöphenscheu des Dracontius, der schwerlich in dieser Weise ein einsilbiges Objekt (von den Pronomina se, te abgesehen) in der Verschleifung hätte untergehen lassen. Auch die angeführte (von AREVALO übernommene) scheinbare Parallele für die Konstruktion audere mit Dativ in der Bedeutung „etwas gegen jemanden wagen“ hinkt: Tac. ann. 12,55,1 wird in ThLL II 1257,39 mit gutem Grund unter die Rubrik ‘(audere) in aliquem’ subsumiert; denn in dem Satz u i m cultoribus et oppidanis ac plerumque in mercatores et nauicularios a u d e b a n t liegt eine der vielen inkonzinnen Konstruktionen des Tacitus vor: Zunächst dürfte die übliche Junktur uim inferre (cultoribus et oppidanis) audebant vorgeschwebt haben, die dann im zweiten Satzteil in die verknappte direkte Konstruktion uim in mercatores et nauicularios audebant überführt wurde. Ein dritter Versuch, ohne die Annahme eines Versausfalls auszukommen, müßte an dem überlieferten Verb est ... ausus (371) ansetzen. Dies wird aber in der Kombination est u i c t o r i b u s a u s u s geschützt durch das

 396 Hat dieses post bella cohortes auf die gleiche Floskel in 367 eingewirkt? Man würde dort eher per bella erwarten (so achtmal im Dracontius). Oder muß dort post bella in die Apodosis des folgenden Verses gezogen werden? Es sei an die kühne Stellung des Präpositionalausdrucks inter iura in Romul. 7,123 erinnert (s. ZWIERLEIN KK 2017, 86ff.). 397 Doch siehe anschließend die Ausführungen gegen die hier zugrunde gelegte Konjektur uim. 398 Die Junktur dux princeps ist geschützt durch satisf. 183 dux princeps Romanus erat de principe Titus; vgl. Cypr. Gall. iud. 13 dux fuit et princeps Donibezecus. Der Begriff poena kommt erst in Vers 381 (dum lueret uictor poenas) zur Geltung. – Als Alternativ-Korrektur hatte AREVALO dux princeps t a l e e s t uictoribus ausus erwogen; aber an der emphatischen Frageformel quis ... umquam darf nicht gerührt werden (vgl. Romul. 10,38; Ennod. carm. 2,23,1 quis, rogo, ... compescuit umquam?); eine Verschreibung tale → umquam ist ausgeschlossen.

Exempla aus der griechisch-römischen Mythologie und Geschichte  

anschließende inter u i c t r i c e s a u d a x (373). Die Diagnose „Versausfall“ scheint also unausweichlich.

.. Mucius Scaevola 3,397 Der Beginn der Scaevola-Episode ist in den Ausgaben unstrittig; lediglich die Interpunktion des Verses 397 variiert. Alle Herausgeber setzen am Ende von 397 ein Komma, VOLLMER (1905) und CORSARO stellen zusätzlich flammipotens zwischen zwei Kommata, VOLLMER (1914) hat hinter Scaeuola und am Versende je ein Komma, MOUSSY nur am Versende: 397 S c a e u o l a flammipotens d e x t r a e cum temneret ignis, constituit punire m a n u m, licet ipse fefellit, non m a n u s audaces animos; plus praestitit error 400 ut sine morte ducis uir tantum laudis haberet. 397 cum temneret Vollmer: contempere B: -temnere M

ignis Vollmer: dignis Bpc (ex -us)

„Scévola, vainqueur du feu, décida, en méprisant les flammes qui brûlaient sa dextre, de châtier cette main, bien que ce ne fût pas elle, mais lui qui ait déçu ses audacieux projets. L’erreur lui fut plus profitable: sans avoir tué le roi, le héros s’assura une aussi grande gloire“ (MOUSSY).

Die epigrammatische Zuspitzung des Textes bringt das Verhältnis zwischen cumSatz und dem Hauptsatz constituit punire manum in die Nähe einer schiefen Kausalität („da Scaevola, Bezwinger der Flammen, das Feuer, dem seine Rechte ausgesetzt war, verachtete, beschloß er, seine Hand zu bestrafen“): Das Eintauchen der Hand in das Opferfeuer macht den Inhalt der Strafe aus, die Scaevola für seine Hand beschloß, nicht die Ursache für seinen Entschluß. Man sollte deshalb wohl am besten mit VOLLMER (1914) flammipotens in den cum-Satz hineinziehen und diesen vielleicht (zur Verdeutlichung) durch Klammern absetzen, also: Scaeuola (flammipotens dextrae cum temneret ignis)│ constituit punire manum, licet ipse fefellit,│non manus audaces animos. Der Grund, daß Scaevola seine rechte Hand bestraft, ist das mißglückte Attentat auf den König Porsenna: Das mit der rechten Hand geführte Schwert hat nicht den König Porsenna, sondern irrtümlich einen

  Buch III ähnlich gekleideten Finanzbeamten niedergestreckt (Liv. 2,12,7 scriba cum rege sedens pari fere ornatu ...; scribam pro rege obtruncat) 399. Bei der gedanklichen und sprachlichen Pointierung haben neben Livius 400 – wie längst gesehen ist – vor allem Valerius Maximus und Martial Pate gestanden 401. An Valerius Maximus (3,3,1) erinnert die Verbform temneret (bei Valerius ist contemneret auf tormenta bezogen) und die pretiöse Wendung des Gedankens, daß das Versagen der eigenen Hand beim Tyrannenmord durch Verachtung und Bestrafung dieser Hand im sühnenden Feuer geahndet wird: perosus enim, credo, d e x t e r a m suam, quod eius ministerio in caede regis uti nequisset, iniectam foculo exuri passus est. Eben dieser Gedanke ist dann bei Martial (1,21,1f.) in eine Form gebracht, die sich Dracontius (bei aller Variation) in den Grundzügen zueigen gemacht hat. Martials Schlußdistichon klingt deutlich nach in laud. 3,399f. (plus praestitit e r r o r,│ut ... tantum laudis haberet), man vergleiche: Mart. 1,21,1 cum peteret regem, d e c e p t a satellite d e x t r a ingessit sacris se peritura focis. sed tam saeua pius miracula non tulit hostis et raptum flammis iussit abire uirum: 5 urere quam potuit contempto Mucius igne 402, hanc spectare m a n u m Porsena non potuit. maior d e c e p t a e fama est et gloria d e x t r a e: si non e r r a s s e t, fecerat illa minus. „When it sought the king, the right hand which was deceived by the attendant put itself on the sacred flame, doomed to perish. But the respectful enemy could not endure so cruel a wonder, and ordered the man, snatched from the flames, to go off. The hand which Mucius was able to burn, despising the fire, Porsenna was not able to look at. The fame and glory of the right hand is all the greater in that it was deceived: if it had not made the mistake, it would have achieved less“ (HOWELL).

 399 Das Schwert wird Liv. 2,12,5. 8; Val. Max. 3,3,1 genannt. 400 Siehe oben, ferner die Stichworte audaci (2,12,3, vgl. audaces animos in Drac. V. 399; s. hos animos bei Liv. 12,10), constituit (12,3, in anderer Beziehung bei Drac. V. 398), bellum (12,10. 14; 2,14,5; s. Drac. Vv. 401. 405. 406), magnam gloriam (12,13; s. tantum laudis Drac. V. 400), praeter e r r o r e m insidiatoris (13,2; s. Drac. V. 399 plus praestitit e r r o r). 401 Zu vergleichen ist auch Sidon. carm. 5,74ff. 402 Dieses contempto ... igne stützt offenkundig VOLLMERs Emendation dextrae cum t e m n e r e t i g n i s.

Exempla aus der griechisch-römischen Mythologie und Geschichte  

.. M. Curtius eques und M. Atilius Regulus 3,419ff. Quid Romana fides, legatio Punica missus, 420 terror Agenoridum, maior Carthaginis hostis, R e g u l u s impleuit, horrendae mortis amator? odia continuans magnum cum plebe senatum compulit infelix ad inexorabile pactum (...).

Die hier wiedergegebene Textfassung BÜCHELERs wird in den Ausgaben VOLLMERs bis zur jüngsten Budé-Edition 403 verschmäht, obwohl sie von BLOMGREN (1966, 53) durch treffliche Parallelen gestützt worden war 404. Wir lesen nach wie vor VOLLMERs kurzatmigen Auftakt Quid Romana fides?, obwohl Romana fides hier ebenso als Apposition zu Regulus gefaßt werden muß (er ist die Verkörperung der römischen Vertragstreue) wie die folgenden Abstracta legatio Punica, terror Agenoridum etc. Nach dem (falschen) Fragezeichen bieten die Ausgaben die Aussagesätze legatio ... Regulus inpleuit ... odia: constipans ... conpulit. Das Partizip constipans hat VOLLMER anstelle des in B überlieferten constinans eingeführt; doch verwendet Dracontius constipare nirgends, continuare dagegen viermal, zweimal sogar die von BÜCHELER hergestellte Form continuans selbst 405. HUDSONWILLIAMS (1947) hat VOLLMERs Periodengliederung beibehalten, statt odia: constipans aber odia, cum constans konjiziert (106). Dabei bezieht er sich ausdrücklich auf die Satzgliederung in 407ff.:

 403 Zur Orientierung gebe ich MOUSSYs Übersetzung: „Que dire de la bonne foi des Romains? Envoyé par les Puniques en ambassade, Régulus, terreur des descendants d’Agénor et grand ennemi de Carthage, préféra pour assouvir sa haine subir une horrible mort; rassemblant l’illustre sénat avec la plèbe, cet infortuné les poussa à un engagement implacable.“ 404 MOUSSY (S. 96f.) verteidigt ausdrücklich, in Kenntnis von BLOMGREN und HUDSON-WILLIAMS (siehe anschließend), VOLLMERs Text. Doch können seine Argumente nicht überzeugen. Daß die Verse 419–421 der Grundstruktur Quid Romana fides ... R e g u l u s impleuit ...? gehorchen, erhellt schon aus der Einleitung der römischen Exempla durch 322f. Quae Romanus amor patres implere coegit,│dicere si ualeam, uero sermone probabo. Verwiesen sei ferner auf die weit ausgreifende Periode 324–332 Optima nam uindex exempla ac pessima B r u t u s ... (330) quod scelus admisit, postquam ...? Zu vergleichen sind noch 507 Casta quid E u a d n e fecit Capaneia coniux? und 518ff. Quid formosa nurus ...│ ... L u c r e t i a casta peregit,│ quam tulit ... poena furoris? 405 In 1,561 und 3,162 – jeweils als Versauftakt. Dem o d i a c o n t i n u a n s ... senatum│ c o n p u l i t ... ad ... pactum entspricht Paul. Petric. Mart. 4,372ff. nec prius ...│destitit a precibus, quam sanctum cedere crebros│ c o n t i n u a n s f l e t u s iugi ambitione c o e g i t.

  Buch III Quid Romanus eques? uasto telluris hiatu praecipiti iactu demersus sponte per umbras C u r t i u s ingemuit, cum uiuum terra cadauer 410 sorberet armato deterrens funere manes. „Que dire du cavalier Romain? Curtius s’est jeté la tête la première dans le vaste gouffre, a plongé de lui-même dans le royaume des ombres et poussé un gémissement, tandis que la terre engloutissait ce cadavre vivant, ce défunt revêtu d’armes qui effrayait les mânes“ (MOUSSY).

Doch auch dort spiegeln unsere Ausgaben die irrigen Vorstellungen, die sich VOLLMER von dem Katalogcharakter des langen Exempla-Exkurses macht. Die Übergänge sind keineswegs der Tendenz nach knapp gehalten; vielmehr kann das jeweils neue Beispiel in ausführlichen Periphrasen angegliedert werden 406. In 407ff. umfaßt die erste lange Frage vier, in 419ff. drei Verse 407. Dem Abschnitt 407ff. liegt die Amphiaraos-Episode des Statius zugrunde. Auch diese breit malenden Musterverse deuten darauf hin, daß Dracontius der vierzeiligen Periode 407ff. das Grundgerüst Quid Romanus eques ... │ ... demersus ... per umbras │ C u r t i u s ingemuit, cum uiuum terra cadauer│sorberet armato deterrens funere manes? eingeschrieben hat. Man vergleiche insbesondere Theb. 7,818ff.: I l l u m ... haurit specus et ...│ mergit equos; ...│ ... defert in Tartara currus│ ... campumque coire│ingemuit, donec ...│miscuit arua tremor lucemque exclusit Auerno („Jenen verschlang der gewaltige Spalt und versenkte die Rosse│... ,│fuhr, wie er war, ... hinab mit dem Wagen zum Orkus,│ ... und seufzte,│ als sich die Ebene schloss 408. Es verband ein leichteres Dröhnen │ wieder das klaffende Land und trennte den Tag vom Avernus“ [IMHOF]); 8,1ff. ut subitus uates ... incidit umbris│... │ ... et armato turbauit funere manis,│ horror habet cunctos, Stygiis mirantur 409 in oris │ tela et equos corpusque nouum („Als so jäh der Prophet zu den blutlosen Schatten hinabfuhr,│als er, die Manen verstörend mit seinem bewaffneten Leichnam,│einbrach in die verborgene Welt und die Hallen des Todes,│da starrt alles bestürzt. Man staunt, wie auf einmal ein Fremder│ diesseits weile des Styx mit Speer und Rossen ...“ [IMHOF]). Rein konstatierendes, kategorisches ingemuit in laud. 3,409 wäre ebenso irreführend wie eine selbständige Einleitungsfrage Quid  406 Siehe oben Anm. 404; dort bes. das Brutus-Exempel 324–332. Das Muster, dem VOLLMER in 407 und 419 folgt, tritt ein einziges Mal auf, in 362: Quid Torquata manus? 407 Ebenfalls drei Verse umspannt die Auftaktfrage des Lucretia-Exempels 518–520. 408 Eigentlich liegt eine AcI-Konstruktion vor, abhängig vom Verb ingemuit („und sah unter Seufzern, daß sich das Feld wieder schloß“). 409 Vgl. laud. 3,411ff. fortis et incolumis populo m i r a n t e sepultus,│uir galeatus adhuc ferrato pectore uisus│inter Tartareas sic descendisse tenebras.

Exempla aus der griechisch-römischen Mythologie und Geschichte  

Romanus eques? Diese müßte das Mißverständnis heraufbeschwören, es ginge im folgenden um die römische Reiterei. Das Nomen eques bildet mit dem Namen Curtius eine Einheit: „der römische Ritter Curtius“ oder „der berittene Römer Curtius“ oder „der Römer Curtius auf seinem Pferd“.

.. Die Saguntiner und die Numantiner 3,451. 455 Der Katalog von Ruhmestaten aus der r ö m i s c h e n Geschichte endet mit dem heldenhaften Untergang der Saguntiner, die ihre Bündnistreue zu Rom mit dem freiwilligen Tod bezahlen (439ff.), und dem der Numantiner, die aus Liebe zur Freiheit lieber in den Tod gehen, als sich der Gnade des römischen Senats zu unterwerfen (454–467). Die historischen Quellen berichten nur im Falle der Saguntiner übereinstimmend, daß sich die Bürger der Stadt schließlich selbst in die Flammen geworfen hätten 410. Von den Numantinern erzählt Appian, daß ein Teil von ihnen sich selbst umbrachte; aus den übrigen habe Scipio fünfzig für seinen Triumph ausgewählt, die anderen verkauft; die Stadt habe er bis auf den Grund zerstört (Appian. 6,15,97f.). Das wird durch den jüngeren Seneca und durch die Periochae des Livius bestätigt 411. Valerius Maximus aber berichtet (2,7,1), das wieder erstarkte römische Heer habe Numantia in Flammen gesteckt, niedergeworfen und dem Erdboden gleichgemacht (Numantiam incendiis exustam ruinisque prostratam solo aequauit). Später, als er Beispiele besonderer Tapferkeit zusammenstellt, schildert er die Tat des Anführers der Numantiner, Rhoetogenus, beim

 410 Val. Max. 6,6 (ext),1 post duorum in Hispania Scipionum totidemque Romani sanguinis exercituum miserabilem stragem S a g u n t i n i uictricibus Hannibalis armis intra moenia urbis s u a e conpulsi, cum uim Punicam ulterius nequirent arcere, collatis in forum quae unicuique erant carissima atque undique circumdatis a c c e n s i s que i g n i s nutrimentis, ne a societate nostra desciscerent, publico et communi rogo semet ipsi superiecerunt; vgl. Flor. epit. 1,22,6 interim iam nouem mensibus fessi fame machinis ferro, uersa denique in rabiem fide inmanem in foro excitant rogum, tum desuper se suosque cum omnibus opibus suis f e r r o et i g n e corrumpunt. 411 Sen. epist. 66,13 magnus Scipio, qui N u m a n t i a m cludit et conprimit cogitque i n u i c t a s m a n u s i n e x i t i u m i p s a s s u u m u e r t i, magnus ille obsessorum animus, qui scit non esse clusum cui mors aperta est, et in complexu libertatis expirat; Liv. Perioch. 59,1 N u m a n t i n i fame coacti i p s i s e p e r u i c e m t r a i c i e n t e s t r u c i d a u e r u n t, captam urbem Scipio Africanus deleuit et de ea triumphauit XIIII anno post Carthaginem deletam.

  Buch III Untergang der Stadt: Er habe seinen Häuserbezirk mit beigebrachtem Brennmaterial angezündet, ein blankes Schwert in die Mitte (der Bürger) gelegt und den Befehl erteilt, es sollten jeweils zwei gegeneinander kämpfen, der Unterlegene dann mit durchschnittener Kehle auf die brennenden Häuser geworfen werden. Nachdem alle auf diese tapfere Art zu sterben umgekommen waren, habe er sich zuletzt selbst in die Flammen gestürzt 412. Das Motiv vom Herbeischaffen und Anzünden des Brennmaterials, ebenso das Stichwort (ardentibus tectis) s u p e r i a c e r e t u r ist eng verwandt mit dem Bericht über den Untergang Sagunts (s. Anm. 410): Als die in der Stadt eingeschlossenen Saguntiner die Übermacht der Punier nicht länger abzuwehren vermochten, hätten sie, was jedem des Liebste war, auf dem Forum versammelt, ringsum mit Brennmaterial umgeben, dieses angezündet und sich dann selbst auf diesen öffentlichen, für die ganze Stadtgemeinschaft errichteten Scheiterhaufen geworfen. Es scheint, daß Valerius (oder schon eine seiner Quellen?) die Berichte über die beiden spanischen Städte einander angeglichen hat. Das gleiche Phänomen liegt bei Dracontius vor: Intemerata f i d e s ad quae fera bella S a g u n t u m 440 compulit atque famem uel saeua incendia mortis? (...) 447 quae nec sponte f i d e m uiolat nec clade coacta, uicta caterua fame; gladios ut uinceret hostis, incendit patriae p o p u l o s cum moenibus urbis 450 et sibi dat cum morte fugas; secura sepulcri poscit ab igne neces, hostis sua iure triumpho subducens et colla iugo. rogus omnibus unus, moenia sunt patriae tumulus, cinis omnibus unus. Sic N u m a n t i n i pro l i b e r t a t e cremati 455 in cineres iacuere suos cum moenibus urbis. nec iuga Romani fuerant metuenda senatus: parcere uictor amat, sed debellare rebelles urget et hortatur; ueniam donare sueuit; pacis et armorum similes portasse triumphos (...).

 412 Val. Max. 3,2 (ext),7 N u m a n t i n o uero R h o e t o g e n i ad consimilem uirtutem capessendam quasi magistra gentis suae ferocitas extitit: perditis namque et adflictis rebus N u m a n t i n o r u m, cum omnes ciues nobilitate, pecunia, honoribus praestaret, u i c u m suum, qui in ea urbe speciosissimus erat, c o n t r a c t i s u n d i q u e n u t r i m e n t i s i g n i s i n c e n d i t protinusque strictum gladium in medio posuit ac binos inter se dimicare iussit, ut uictus incisa ceruice a r d e n t i b u s t e c t i s s u p e r i a c e r e t u r. qui, cum tam forti lege mortis omnis absumpsisset, ad ultimum s e i p s e f l a m m i s i n m e r s i t.

Exempla aus der griechisch-römischen Mythologie und Geschichte  

„A quelles guerres sauvages, quelle famine, quels cruels incendies qui répandaient la mort, sa fidélité inaltérable a-t-elle poussé Sagonte? (...) Mais la troupe ne voulut pas d’elle-même manquer à sa parole; elle n’y fut pas non plus contrainte par la défaite, n’y fut pas réduite par la famine; pour vaincre les glaives de l’ennemi, elle embrase les citoyens de sa patrie en même temps que les remparts de la cité et trouve avec la mort un moyen de s’enfuir. Rassurée sur son tombeau, elle cherche le trépas dans les flammes et soustrait légitimement sa nuque au triomphe et au joug de l’ennemi. Tous ont un même bûcher, les remparts de la patrie constituent leur tombe; tous se confondent dans une même cendre. 454 De même les habitants de Numance, pour avoir défendu leur liberté, gisaient réduits en cendres parmi les remparts de la cité; le joug du sénat romain n’aurait pourtant pas dû leur inspirer d’effroi: victorieuse, Rome aime à faire preuve de clémence, mais elle pousse et exhorte à réduire les ennemis irréductibles; elle a pour coutume d’accorder son pardon; les Romains aiment autant remporter les triomphes de la paix que ceux des armes (...)“ (MOUSSY).

In MOUSSYs Übersetzung der Verse 454f. („De même les habitants de Numance ...“) zeigt sich, daß er keine Verwendung für das Pronomen suos (455) gefunden hat. Trotzdem lehnt er es in den kommentierenden Noten (S. 100) ab, die von HUDSON-WILLIAMS (1947) 107 vorgeschlagene Korrektur suae (sc. urbis) aufzunehmen. Diese macht eine falsche Angleichung des Pronomens an das voraufgehende in cineres rückgängig (ein trivialer Überlieferungsfehler!). Sie wird bestätigt durch Val. Max. 6,6 (ext),1 intra moenia urbis s u a e (s. Anm. 410). Da cremati in cineres zusammengenommen werden muß („zu Asche verbrannt“), wie HUDSON-WILLIAMS gezeigt hat 413, führt an der Änderung suae ... urbis kein Weg vorbei. Im Hinblick auf die Verse 449 (incendit patriae p o p u l o s cum moenibus urbis) und 453 (moenia sunt patriae tumulus, cinis omnibus unus) wird man auch 454f. (sic N u m a n t i n i pro libertate cremati│in cineres iacuere suae cum moenibus urbis) präziser zu fassen haben, als es bei MOUSSY der Fall ist: „In gleicher Weise lagen – als Preis für ihre Freiheit – die Numantiner zusammen mit den Mauern ihrer Stadt zu Asche verbrannt (am Boden).“ In dem rhetorisch nachdrücklichen Abschluß des Sagunt-Exempels (452f. r o g u s omnibus unus, │ moenia sunt patriae t u m u l u s, c i n i s omnibus unus 414) macht sich der Dichter das markante Ende des Valerius-Berichtes zunutze: publico et communi r o g o semet ipsi superiecerunt.  413 Es sollte zusätzlich auf das Muster des Phaëthontischen Weltbrandes Ovids verwiesen werden, dort auf met. 2,214ff.: magnae pereunt cum moenibus urbes│cumque s u i s totas p o p u l i s incendia gentes│ in cinerem uertunt („gewaltige Städte vergehen│ samt ihren Mauern; die Brunst verwandelt Völkergemeinden│ringsum in Asche“ [BREITENBACH]). 414 Hier wollte AREVALO idem statt unus lesen. Aber der doppelte Versausklang (rogus/cinis) omnibus unus dürfte bewußt gewählt sein, zumal cinis unus aus semantischen Gründen nicht einfach durch cinis idem ersetzt werden kann. Eine ähnlich affektische Doppelung wählt wenig später Coripp zum Ausmalen eines Leichenbegängnisses (Iust. 3,57f.): omnibus unus a m o r,

  Buch III Wie sind dort die Verse 450–452 zu verstehen? „Rassurée sur son tombeau, elle (sc. la troupe) cherche le trépas dans les flammes et soustrait légitimement sa nuque au triomphe et au joug de l’ennemi“, so MOUSSY. Der Begriff „légitimement“ scheint im Zusammenhang fehl am Platze, die Wortstellung bei der von MOUSSY vorausgesetzten Konstruktion subducens colla sua hostis triumpho et iugo überaus gekünstelt. M.E. hatte Dracontius viel natürlicher hostis sua iura 415 triumpho│subducens et colla iugo geschrieben: Die Saguntiner suchen den freiwilligen Tod in den Flammen in der Absicht, auf diese Weise ihren Hals dem Joch der Knechtschaft und ihr Selbstbestimmungsrecht dem Triumph des Feindes zu entziehen, kurz: sie wollen nicht ihrer Souveränität beraubt werden, indem sie als Beute im Triumphzug des Feindes vorgeführt und dabei als unterjochte Sklaven gezeigt (und dann in die Sklaverei verkauft) werden. Die Junktur sua iura im Sinne von „subjektive Rechte“, „persönliche Privilegien“, „eigentümliche Rechte“ o.ä. nutzt Dracontius selbst noch viermal (laud. 3,295; Romul. 6,86; 7,144; 9,136). Unserer Stelle gedanklich nahe steht ein Passus aus der LeviticusParaphrase des Cyprianus Gallus. In 248ff. werden die Bestimmungen über Loskauf und Freilassung von Israeliten gemäß Vulg. Lev. 25,39ff. dargelegt. Dort heißt es: „Wenn einer deiner Volksgenossen verschuldet ist und es ihm ratsam erscheint, sich dir als seinem Herrn in die Knechtschaft zu verkaufen (250 subdere se domino iam libertate remota), so soll er nicht das Joch tragen, als sei er von einer Sklavin geboren (251 non ferat ille iugum ueluti de seruă creatus); und wenn die Zeit bis zum Jubeljahr abgelaufen ist, soll er wieder frei zu seinem Geschlecht zurückkehren“ (253 redeat ... liber, 255 domini imperio distractus: „herausgelöst aus der Herrschergewalt des Herrn“). Kurz danach wird davon gesprochen, daß ein Stammesgenosse den Bruder freikaufen soll iugumque uiro seruile sequestret (258). Keinesfalls soll der durch rechtmäßigen Kauf Erworbene länger dienen als bis zu dem Jubeljahr, an dem alle ihre verlorenen F r e i h e i t s r e c h t e wieder zurückgewinnen: 260f. seruiet, optato ueniat dum tempus in anno,│quo cuncti sua iura simul d i m i s s a r e s u m u n t. Eben diese ihre Freiheitsrechte, sua iura, entziehen die Saguntiner durch Selbstmord der Verfügbarkeit des Feindes, der sie als Beute in seinem Triumphzug zur Schau stellen möchte.

 iustus d o l o r omnibus unus│ augebat lacrimas, et uiso funere flebant. Die Junktur omnibus unus, meist als Versklausel, ist in der antiken Dichtung nahezu 30mal belegt. 415 So die Hss. MVR statt iure (B); AREVALO hat aus seiner Vorlage U sua mira in den Text genommen: „ut Plautus dixit nimia mira, tanta mira.“

Exempla aus der griechisch-römischen Mythologie und Geschichte  

.. Weibliche Heldinnen (Judith, Semiramis, Tamyris, Euadne, Dido, Lucretia) 3,511 Euadne – Dido 510 conscendit mors uiua rogos. uiduamne uocamus quae simul infernam cum coniuge uenit ad urbem? Diues Dido fugax extincti coniugis ultrix urbis Elissaeae perfectis moenibus amplae ipsa pyram manibus propriis construxit ut aram, 515 quam pedibus furiata suis conscendit et arsit. „elle monta, cadavre encore vivant, sur le bûcher. Faut-il appeler veuve celle qui se rendit en même temps que son mari dans le monde infernal? Didon, qui avait emporté dans l’exil ses trésors et avait vengé le meurtre de son époux, acheva la construction des murs de la vaste cité élisséenne, puis en personne éleva de ses mains un bûcher pour autel; dans son égarement, elle y monta pour s’y brûler“ (MOUSSY).

Euadne springt in den brennenden Scheiterhaufen ihres Ehegemahls, des Frevlers Capaneus, und kommt so gemeinsam mit ihm ins Reich der Toten. Die überlieferte Junktur infernam ... ad urbem, die VOLLMER in seinem Text belassen hat, ist irrig, vielleicht durch den Versauftakt urbis Elissaeae (513) beeinflußt. AREVALO hat infernas ... ad umbras gedruckt (eine in der Tat häufige Wortverbindung) 416, MOUSSY sich für infernum ... ad orbem entschieden – unter Berufung auf Claud. rapt. Pros. 2,361 (iam suus inferno processerat Hesperus orbi). Dort aber bedeutet orbis die K r e i s b a h n, die Hesperus durchläuft. Nachts durchwandert er auf ihr die Unterwelt und erhebt sich am Morgen wieder aus dem Meer empor zum Himmel. Auf dieser Bahn in der Unterwelt war Hesperus also „schon vorangeschritten“ (iam ... processerat), d.h. es war bereits später Abend, als die Hochzeitsfeier beginnt. Zu Recht fehlt diese Stelle im Thesaurus s.v. orbis. Dagegen werden zwei frühere Belege aus dem zweiten Buch unter der Rubrik ‘opponuntur caelum ut sedes deorum vel inferi’ (ThLL IX 2,919,73ff.) zitiert. Der erste handelt von dem Unterweltsgott Dis als tertius heres (2,167), der sich anschickte, mit seinem Pferdegespann hinauf in die Oberwelt, das Reich seines Bruders Jupiter (fraternum ... sub orbem), zu fahren und Proserpina zu rauben. An das ewige Dunkel gewöhnt, scheuen die Pferde die Helligkeit der Oberwelt (194 terruit orbis

 416 VOLLMER stellte infernam ... ad u n d a m zur Diskussion. Doch verlangte auch dort der Sprachgebrauch eher den Plural undas (dies gilt trotz Culex 260 Elysiam ... delatus ad undam); paläographisch wäre nichts gewonnen, vielmehr die Buchstabenkombinationen rbm/mbr (Metathese) und die idiomatischere Ausdrucksweise unnötig aufgegeben.

  Buch III equos), so daß sie den Wagen ins dunkle Chaos zurückzulenken suchen. Beidemale tritt hier orbis als „Oberwelt“ in Opposition zur Unterwelt als dem dritten Erbteil der Söhne Saturns. Von einem o r b i s tertiae sortis aber wird nirgends in der Literatur – soweit ich sehe – gesprochen. Selbst wenn es diese Ausdrucksweise geben sollte, erwartet man im Zusammenhang einer Todesschilderung nicht den Übergang in die tertia sors Erebi, die terrae hiatu erreicht wird (Drac. laud. 1,69; vgl. 3,415), sondern (nach einer Definition Ciceros) die migratio ... in eas oras, quas qui e uita excesserunt incolunt (Tusc. 1,98; vgl. 1,44), s. ThLL IX 2,868,60ff. s.v. ora: ‘de sede inferorum, mortuorum’; ferner IX 2,868,65ff. ‘de litore fluminum inferorum’ (Lucr. 6,763 Acheruntis in oras); IX 2,868,69ff. ‘de sede sanctorum’. Meist steht dort der Plural (Arator act. 2,815ff. Eutychus ...│... cadens inferni perditus oris│haesit). Aber dies gilt auch für ora als Synekdoche ‘de quibuslibet regionibus’ (IX 2,867,53ff.). Dennoch finden sich dort mindestens 9 Belege für den Singular, darunter Prop. 4,1b,122 (an patriae tangitur ora tuae); Ov. am. 2,16,2 Sulmo ... inriguis ora salubris aquis 417. Der Sitz der Seligen, die χώρα εὐσεβῶν, heißt Canon. Turner I 2,1 p. 32a,18 ora piorum. Es stellt sich demnach die Frage, ob in laud. 3,511 die Versionen infernam (so B) ... ad oram (urbem B) oder infernas ... ad oras als Alternativen zu AREVALOs infernas ... ad umbras zu berücksichtigen sind. Wenn ein Influenzfehler aufgrund des oben genannten Versbeginns u r b i s Elissaeae vorliegt, spielt die größere oder geringere Nähe des Schriftbilds dieser Konjekturen (umbras, oram, oras) zum überlieferten urbem eine untergeordnete Rolle. Doch setzt die Annahme, daß die Allerweltsfloskel infernas ... umbras zu einem im Singular stehenden Ausdruck (infernam ... urbem) korrumpiert worden wäre, einen schwierigeren Überlieferungsvorgang voraus: Es müßte zunächst durch den Einfluß des in 513 folgenden urbis eine mechanische Verschreibung umbras → urbes erfolgt sein, diese dann durch einen bewußten Eingriff in die Singularform verändert und zusätzlich das voraufgehende, in Sperrung stehende Attribut grammatisch angeglichen worden sein. Demgegenüber bietet die Konjektur infernam ... oram den Vorteil, daß zunächst lediglich mit der üblichen phonetischen Verwirrung or-/ur- gerechnet werden muß, die dann unter Einwirkung des späteren urbis leicht zur assoziativen Verschreibung urbem für ursprüngliches oram führte. Die Annahme eines bewußten interpolatorischen Eingriffs, der in einer zusätzlichen Sonderaktion das in Sperrung vorausgestellte Attribut miteinbegreifen müßte, bleibt hier erspart.

 417 Siehe hierzu ZWIERLEIN KK 2017, 233f.

Lobeshymnus auf Gott, den unveränderlichen Vater und Herrscher über das All  

3,517 siehe Anm. 182.

. Lobeshymnus auf Gott, den unveränderlichen Vater und Herrscher über das All 3,543f. 542 qui cum sit Dominus, se uult tamen esse parentem: exhibet impendit praebet; testatur adoptat nos genitos u o c i t a r e suos: nos ergo fideles 545 uiuere debuimus tamquam factoris imago, quos doceat factura dei pietate magistra. „Bien qu’il soit le Seigneur, il veut pourtant être un père: il offre, fournit, procure le nécessaire; attestant qu’il nous appelle ses enfants, il nous adopte; nous aurions donc dû vivre en croyants, nous qui sommes l’image du Créateur et qu’instruit la création où la bonté de Dieu nous guide“ (MOUSSY).

Bei dieser Textfassung VOLLMERs und CORSAROs hängt der Infinitiv uocitare (544) in der Luft; denn von adoptat läßt er sich nicht abhängig machen. Aus diesem Grund hat MOUSSY in 543 das von HUDSON-WILLIAMS (1939, 158) vorgeschlagene testatus übernommen, das vom Urheber der Konjektur allerdings als Teil einer tiefgreifenden Änderung eingeführt worden war, einer Änderung, die unter wechselseitigem Austausch der Hemistichia 543/544 die beiden Verse in folgender Gestalt erscheinen ließ: 543 nos genitos uocitare suos testatus adoptat,│ 544 exhibet impendit praebet; nos ergo fideles (...). Dieser Eingriff übertrifft das zulässige Maß an Kühnheit, zumal er sich nicht auf ein paläographisches Indiz stützen kann. Er ist auch deshalb unplausibel (das gilt ebenso für MOUSSYs Version), weil er uns – unter Versparung des Subjektsakkusativs se – mit der Aussage zurückläßt, Gott bezeuge, daß er uns seine Abkömmlinge nenne, und „adoptiere“ uns auf diese Weise. Auch nach diesem Eingriff bleibt der Infinitiv uocitare unbefriedigend: Gott sollte bezeugen, daß wir seine Kinder sind, nicht, daß er uns seine Kinder nennt. Insofern ist die überlieferte Verbfolge testatur adoptat in sich schlüssig, wenn aus der Weiterführung des Satzes zu beiden Verben jeweils das Objektgefüge nos genitos suos hinzugezogen wird – nach dem Muster Iuvenc.

  Buch III 1,465 p a c i f i c o s Deus i n n u m e r u m sibi p r o l i s adoptat 418 (von Alcuin, carm. 60,11 übernommen). Das aber hat zur Konsequenz, daß der Infinitiv uocitare überhaupt verschwinden muß: Zu dem ersten Trikolon exhibet impendit praebet, das Gott als den fürsorglich gebenden und unterstützenden Vater zeichnet 419, muß das zweite hinzutreten, in dem Gott uns ausdrücklich als seine Kinder bezeugt 420, adoptiert und benennt: 542 qui cum sit dominus, se uult tamen esse p a r e n t e m: exhibet impendit praebet; testatur adoptat nos genitos uocitatque suos.

Es dürfte hier der gleiche Verschreibungstypus (von uocitatque zu uocitare) vorliegen, wie ihn LUCARINI in Orest. 20 erkannt hat, als er quatiunt s a n a r e zu quatiunt s a n a n t q u e verbesserte (GIF 60, 2008, 315). 3,547 547 rex pie, bellantum comitata potentia supplex fit; quodcumque iubes, effectus iussa sequuntur. stat famulans natura Deo constructa elementis, 550 nescia quid iubeas, donec praecepta repente audiat et Domino citius parere laboret.

 418 „God counts the peacemakers among his children“ (MCGILL). 419 Die Verba sind ähnlich absolut gesetzt, wie das bei praestare und accipere in laud. 2,617f. der Fall ist: cum sit ubique Deus semper p r a e s t a r e paratus,│tardius a c c i p i m u s heu nostro corde morati. 420 Vgl. Vulg. 1Joh 3,1 uidete qualem caritatem dedit nobis Pater ut f i l i i D e i n o m i n e m u r e t s u m u s; propter hoc mundus non nouit nos, quia non nouit eum. Comm. apol. 363ff. idcirco nec uoluit se m a n i f e s t a r e, quid esset, sed f i l i u m dixit se missum fuisse a patre. 365 sic ipse tradiderat semet ipsum dici prophetis (vgl. Is 7,14; Mt 1,22f.), ut Deus in terris Altissimi f i l i u s esset (vgl. Sir 4,11; Lk 1,32. 35). hoc et ipse fremit, humilis in carne cum esset, testaturque p a t r e m (vgl. Ioh 10,25–30), ut ora prophetica firmet. „Deshalb wollte er auch nicht sich offenbaren und aufzeigen, welchen Wesens er sei, sondern er sagte, er sei der Sohn, der vom Vater gesandt worden sei. Daß er so genannt werde, hatte er selbst durch die Propheten geoffenbart: daß er Gott auf Erden und Sohn des Allerhöchsten sei. Das verkündet er auch selbst, wenngleich er als niedriger Mensch im Fleische auftritt, und bezeugt den Vater, damit er die Ankündigungen der Propheten bekräftige.“

Lobeshymnus auf Gott, den unveränderlichen Vater und Herrscher über das All  

„Roi de bonté, l e s f o r c e s g u e r r i è r e s q u i t’ e s c o r t e n t p l i e n t l e g e n o u d e v a n t t o i; quoi que tu ordonnes, tes ordres sont suivis d’exécution. La nature, dont les éléments constituent la charpente, demeure fidèle au service de Dieu. Elle ignore quels sont tes ordres, jusqu’au moment où soudain elle entend tes commandements et s’efforce d’accomplir sans tarder la volonté de son Seigneur“ (MOUSSY).

AREVALO hatte den Vers 547 als „obscura sententia et fortasse mendosa scriptura“ beurteilt und sowohl comitata verbessern wollen (zu cui tota) als auch supplex (wofür er semper vorschlug). MOUSSY stützt sich zu Recht auf die von VOLLMER erkannte Metaphorik: „bellantum i. militiae tuae, angelorum elementorumque, cf. 1,231. 2,25“ (so im Apparat der MGH-Ausgabe von 1905), reißt aber in unerträglicher Weise das Kolon fit quodcumque iubes auseinander (siehe seine oben wiedergegebene Textfassung), indem er ein Enjambement mit hartem Einschnitt nach dem ersten Longum ansetzt. In Wirklichkeit ist comitata potentia Apposition zu rex pie, so wie alma potestas in Romul. 6,4 Apposition zu Venus (und Cupido) ist 421. Das Partizip comitata hat hier passive Bedeutung wie z.B. Romul. 8,87 (die regina Hecuba tritt auf: nuribus comitata) oder Orest. 694 (der Titelheld carpebat iter comitatus amico). Der göttliche König, der die Gestirne und die kosmischen Elemente, ja die ganze Naturordnung lenkt, wird in Ausübung seiner Herrschaftsmacht (potentia) von der Schar seiner Diener begleitet und unterstützt 422. Diese „Diener“ sind hier gemäß der bereits früher eingeführten Metaphorik als milites oder bellantes bezeichnet. Damit der Satz konstruierbar wird, benötigen wir anstelle von supplex ein mit comitata soziativ verbundenes Substantiv im Ablativ, das den Begriff „Schar“ zum Ausdruck bringt und das Bezugswort des Genitivs bellantum bilden kann. Es dürfte zu schreiben sein: rex pie, bellantum comitata potentia turbis,│ fit quodcumque iubes. Gleich in Vers 556 begegnet die

 421 Siehe ZWIERLEIN KK 2017, 56. 422 Dies geschieht ähnlich beim Jüngsten Gericht, so etwa in der Schilderung des ‘Carmen de resurrectione mortuorum’. Dort laufen unzählige Diener zusammen und scharen sich um Gott in seiner himmlischen Majestät: Weithin steigen in Scharen Engelsheere hernieder, alle Boten Gottes, denen eine besondere göttliche Befähigung und Gestalt eignet, alle ‘Kräfte’ und ‘Geister’. Sie besitzen feurige Kraft, rotgold schimmernde Körper: es strahlt die göttliche Gewalt des Himmels: de resurr. 141 protinus innumeri concurrunt ire m i n i s t r i, c o n u a l l a n t que Deum cum maiestate caelesti, a n g e l i c a late descendunt a g m i n a turbis. † omnes nuntii † Dei, quibus est diuina facultas 145 praecipua et forma, u i r t u t e s s p i r i t u s omnes. i g n e u s his uigor est, rutilantia corpora, caeli uis diuina micat etc.

  Buch III Verschreibung seruire/seruile 423, die lehrt, daß turbis aus phonetischen Gründen zu tulpes werden konnte. Bringt man in einem zweiten Schritt Buchstabenmetathese in Ansatz (einen häufigen Fehlertypus in der Dracontiusüberlieferung), liegt die Verderbnis suple(x) nicht allzu fern 424. Im oben zitierten Helena-Passus folgt die natorum turba dem König Priamus (Romul. 8,85), während es unmittelbar anschließend von Hecuba heißt: r e g i n a m interea natarum turba coronat │ et nuribus comitata uenit pia uota ministrans (86f., s.o.). Bei Cyprianus Gallus glaubt der Seher das Geschrei einer Kriegerschar zu hören (exod. 1202 clamoremque putat bellantis hunc fore turbae). Dracontius selbst sieht in den Israeliten, die aus Ägypten fliehen, eine turba piorum, die impia regna fugit (laud. 2,166f.). Nach der Flucht ist sie libera turba Tonantis (2,173). Die unmittelbare Rechtfertigung der oben postulierten Emendation bellantum ... turbis 425 aber läßt sich aus einem verwandten Passus gegen Ende des zweiten Buches gewinnen. Dort setzt Dracontius den Psalmvers 103,4 qui facis a n g e l o s tuos s p i r i t u s et m i n i s t r o s tuos i g n e m urentem wie folgt um: 2,785 qui facit a n g e l i c a s flamma crepitare cohortes. nam pia turba Dei sunt s p i r i t u s omnis et i g n i s 426 quamuis et ipse Deus se prodidit igne loquaci (...). „He Who causes the angel cohorts to rustle with flame! For God’s devoted host are every stir of air and every flame; though even God Himself presented Himself in vocal fire ...“ (BRESNAHAN).

Hier werden die Engel, Wind und Feuer, die oben unter der Metapher bellantum ... turbis (wenn diese Emendation trägt) subsumiert sind, ausdrücklich als cohortes und turba Dei bezeichnet 427. Wenige Verse später findet sich in alma potestas auch ein Pendant zu der Apposition potentia in 3,547:

 423 AREVALOs Korrektur gestit seruire pauens (sc. rerum natura parens famulata) ist zwingend, vgl. 3,243 Naturae famulatus adest seruire paratus; 2,25 m i l i t i a famulante sua seruire fidelis und Romul. 10,1–5 (3 naturam seruire reae, seruire puellae); seruile verwendet Dracontius nur einmal (3,657) in der auch sonst häufigen Kombination mit iugum. 424 „Hat irgendwie sequuntur aus dem Vers darunter nach oben ausgestrahlt?“: M. DEUFERT. 425 Man vergleiche die turba rebellantum in satisf. 133. Der Plural turbis läßt sich rechtfertigen durch das Zitat in Anm. 422, ferner z.B. durch laud. 2,430 inter tot scelerum turbas; 3,229. 426 Vgl. 2,45f. quem spiritus omnis et ignis│laudat. 427 MOUSSY (S. 374) spricht hier und in seinen kommentierenden Noten zu 2,45 von „allusions scripturaires aux vents et aux feux qui forment la sainte escorte de Dieu“.

Schuldbekenntnis und Bitte um Gottes Erbarmen  

2,791 se tamen asseruit merito sic a l m a p o t e s t a s descendisse polis, ut quae captiua iacebat libera turba foret, domini uictura superstes. „But He, that Gracious Power asserted, had deservedly, in that instance, descended from the skies in order that the flock who lay captive might be the Lord’s free flock, destined to live on and on“ (BRESNAHAN).

. Schuldbekenntnis und Bitte um Gottes Erbarmen 3,642 641 in cruce pendentem ueniam meruisse latronem nouimus et dominum uenientem in Tartara Christum. Ergo, Deus, miserere mei; iam te rogo solum. qualiter ipse uides, me paenitet ante quod egi (...). „Nous savons que le larron en croix a obtenu son pardon, que le Christ est descendu en maître dans le Tartare. Aussi, mon Dieu, aie pitié de moi; c’est toi seul désormais que je prie. Ainsi que tu le vois, je me repens de mes erreurs passées“ (MOUSSY).

VOLLMERs (1905) Apparateintrag „post 642 possunt aliqua esse omissa“ scheint begründet: Im Lichte des Descensus-Passus 2,536–555 (der durch 548f. dominum regemque polorum und iubar insuperabile Christus den Wortlaut dominum ... Christum in 3,642 bestätigt) sollte im Anschluß an Vers 642 der Ausfall eines Verses angesetzt werden, der sinngemäß gelautet haben könnte: . 3,673f. Nach der an Gott gerichteten dringlichen Bitte 664 da mihi iam u e n i a m, finem concede malorum,

schildert der Dichter seine Kerkerqualen im einzelnen, fleht ein weiteres Mal, wieder unter Einsatz eines drängenden iam, um Erbarmen (668 iam miserere mihi) und legt sein ganzes Vertrauen in Gottes Allmacht (670ff.). Er schöpft Hoffnung, daß ihm die Züchtigung zum Nutzen gereichen werde, die Strafe ihm Gottes Erbarmen erwirke, und malt sich aus, daß er künftig voll Freude daran zurückdenken werde, wenn jetzt der liebende Gott Verzeihung gewähre und sein gegenwärtiges Leid in Freude verwandle:

  Buch III 672

prosint mihi tanta flagella, a d u e n i a m sit poena ferax; meminisse iuuabit, cum pius indulges et haec a d g a u d i a transfers.

673 poena ferax Vollmer: pene ferox A 674 cum ... indulgens (-es Vollmer) et hoc (haec Vollmer) ... transfers A : iam ... indulge et me ... transfer C „Puisse le fouet de si grandes épreuves m’être salutaire, puisse le châtiment être une source de pardon; je serai heureux de me rappeler ce moment où, dans ta bonté, tu me fais grâce et où tu transformes ces épreuves en joies“ (MOUSSY).

Die von VOLLMER aus pene ferox (so A) gewonnene und in alle Ausgaben aufgenommene Fassung poena ferax (673) ist von STELLA (32ff.) wegen der Verbindung mit ad ueniam angefochten worden: Der Thesaurus biete nur einen einzigen Beleg für die Junktur ferax ad und dieser korrespondiere nicht mit der Struktur, die der von VOLLMER, CORSARO und MOUSSY gedruckte Text erfordere. STELLA sucht deshalb das überlieferte ferox zu halten und schlägt als „emendamento diagnostico“ ad ueniam sit poena ferox vor. Dabei faßt er adesse im Sinne von iuuare, so daß sich der Gedanke ergäbe: „la crudeltà della pena mi favorisca per ottenere il perdono“. Die Bedenken, die die konjekturale Einführung einer Synalöphe in den Dracontius-Vers aufwirft, machen STELLA selbst zu schaffen. Er hätte sein ungutes Gefühl verstärken können durch die Feststellung, daß die Junktur poena ferox nirgends belegt ist (soweit die Thesauri reichen). Auch scheint der von ihm favorisierte Gedanke, die besondere Härte der Strafe begünstige die Aussicht des Gepeinigten auf Verzeihung, im Zusammenhang des hier verhandelten Passus nicht angelegt: ein Vergleich hinsichtlich denkbarer Abstufungen in der Härte der Strafe wird nirgends angestellt. Der einzige in ThLL VI 1,489,49f. angegebene Beleg für f e r a x a d ist Capitol. Aur. 16,4 Marcus ... multo melior et feracior ad uirtutes. Hier behält ferax in metaphorischem Zusammenhang seine Grundbedeutung „üppig tragend, hervorbringend“, meint also: „besonders fruchtbar im Hervorbringen von Tugendhaftem“. Ebenso ist bei Dracontius die poena ferax ad ueniam „fruchtbar im Hervorbringen von Gottes Erbarmen“; man denke an den Schlaf Adams anläßlich der Erschaffung Evas in 1,391 materiem fecunda quies producit amoris: dort wird fecunda in metaphorischem Zusammenhang geradezu etymologisch ausgedeutet durch p r o d u c i t materiem amoris. Die Kombination f e c u n d u s a d erscheint Varro rust. 1,9,5 (terra) fecundior ad multa und Rufin. Greg. Naz. orat. 1,9,2

Schuldbekenntnis und Bitte um Gottes Erbarmen  

campos fecundiores ... ad pabula 428. Hinzu kommt wieder ein Beleg in metaphorischem Zusammenhang: Ambr. Tob. 3,11 fecundus uobis (diuitibus) ... pauper ad quaestum est. Ebenfalls drei Belege sind für f e r t i l i s a d nachgewiesen: Sen. dial. 11,9,1 (terra) uix ad tutelam incolentium fertilis; Mela 2,15 terrae ... ad pabula fertiles; Plin. nat. 2,190 fertiles ad omnia tractus 429. Alternativ zu ad kann die Präposition i n eintreten bei f e r t i l i s (Lucan. 9,619f. Libycus ... aer│ fertilis in mortes), f e c u n d u s (Iust. 44,1,4 [Hispania] tempestiuis imbribus in omnia frugum genera fecunda est; Sen. Ag 706 fecunda in ignes Hecuba; Manil. 2,557; 4,124. 161. 667; Sil. 2,498) 430 und f r u g i f e r (Expos. mundi 47 regio ... lata et frugifera in omnia bona, uina uaria, oleum) 431. Es gibt somit kein sprachliches Argument gegen VOLLMERs Textfassung in laud. 3,673. Die Formel ad ueniam ... ferax wird im folgenden Vers durch pius indulges und ad gaudia transfers aufgenommen und wenig später (678) im Sinne einer Rückgewinnung der Gunst des königlichen Herrn konkretisiert (s. anschließend zu 678 munere percipiam domini redeunte fauore etc.). Gedanklich knüpft das Konzept der poena ad ueniam ferax an das oben zu 1,92f. und 1,101f. behandelte, im Gedicht immer neu angeschlagene Motiv vom barmherzigen Gott an, der den Sünder straft, nicht um ihn zu verderben, sondern um ihn zu bessern (672 p r o s i n t mihi tanta flagella) und ihm sein liebendes Erbarmen zu schenken. Im dritten Buch war dieser Gedanke bereits kurz zuvor in 610f. ausgeführt worden (p u n i s t i errantem, nunc iam m i s e r e r e fatenti;│ p a e n i t e t en peccasse nimis, iam p a r c e f l a g e l l o), ein weiteres Mal 3,633ff. anläßlich des Exemplums der Niniviter, denen Gott durch Jonas als Strafe für ihre Sünden den Untergang prophezeien läßt (635 s u p p l i c i u m que n e c i s spondes), aber schon im Augenblick der Verkündigung des Todes dazu bereit ist, ihnen Vergebung und neues Leben zu gewähren – ohne daß die Bedingung, nämlich Reue und Buße der Niniviter, auch nur erwähnt würde: 636f. qui u e n i a m m i s s u r u s eras u i t a m que parabas│ e x i t i u m m o r t i s iam praedicante propheta 432. Unter den christlichen Dichtern hat die Opposition poena – uenia (die Dracontius auch Romul. 9,191f. nutzt) eine beinahe gnomische

 428 Siehe ThLL VI 1,419,12f. 429 Siehe ThLL VI 1,587,27. 29. 47. 430 ThLL VI 1,419,14. 69; 420,14. 39; 421,10. 431 ThLL VI 1,1403,66. 432 Im zweiten Buch ist vor allem die lange Bitte 2,693ff. einschlägig, s. bes. 699ff. (705 p o e n a e cessante f l a g e l l o). 708–714 (dort in 708 das Stichwort supplicium ... reuocabile). Vergleichbar sind (unter vielen anderen) Texte des Gregorius Magnus, siehe epist. 9,102 lin. 3 (CCL 140A) sed ... d o l o r e m mox i n l a e t i t i a u e r t i magnasque omnipotenti deo gratias

  Buch III Ausformung in einer Bitte erfahren, die Paulinus Nolanus an den Märtyrer Felix richtet. Dabei charakterisiert er die Wesensart des Heiligen wie folgt: carm. 18,300

nescis male facta rependere, malis e m e n d a r e malos uenia quam p e r d e r e poena 433.

„Du verstehst dich nicht darauf, schlechte Handlungen zu vergelten; du ziehst es vor, Übeltäter durch Verzeihung zu bessern statt durch Strafe zugrundezurichten.“

In 674 bietet C eine für viele Florilegien typische freie Umformung 434: Der cumSatz wird in Anlehnung an 664 und 668 zu einem mit iam eingeleiteten Imperativsatz verändert, das auf den ersten Blick uneindeutige haec (in A trivial zu hoc verschrieben) durch sinngemäßes me ersetzt. Durch das von VOLLMER wieder hergestellte haec faßt Dracontius tanta flagella (672) und poena (673) zusammen, die „ a d g a u d i a transferuntur“ (674); vergleichbar ist Beda Ven. prov. Salom. 2,10,9 qui simpliciter se uiuere nouit, facile c u n c t a spernit a d u e r s a, quia se per haec a d g a u d i a uenturum esse confidit („wer weiß, daß er einfach lebt, verachtet leicht alles Widrige, weil er darauf vertraut, daß er dadurch zu den Freuden gelangen wird“). Ähnlich formuliert Dracontius – wie schon MOUSSY (S. 129) gesehen hat – in Romul. 9,51f.: iam l u c t u s conuerte tuos a d g a u d i a, uictor,│ g a u d i a qui Phrygibus sollers i n f u n e r a uertis („sei endlich darauf bedacht, deine Trauer in Freude zu verwandeln, Sieger, der du mit geschickter Hand den Phrygern die Freude in Todestrauer verwandelt hast“). An der Längung

 retuli, quia p e r c u s s i t, u t s a n a r e t, a f f l i x i t, u t a d g a u d i a u e r a perduceret („doch bald hat sich mir der Schmerz in Freude gewandelt und ich habe dem allmächtigen Gott großen Dank abgestattet; denn er hat geschlagen, um zu heilen, zu Boden geworfen, um zu den wahren Freuden zu führen“); past. 1,3 quem profecto ab electorum numero culpa longius raperet, nisi hunc a d u e n i a m f l a g e l l a reuocassent („den in der Tat die Schuld weit von der Zahl der Erwählten entfernt hätte, wenn ihn nicht die strafenden Geißelschläge zum verzeihenden Erbarmen zurückgerufen hätten“). 433 Siehe auch Paul. Petric. Mart. 6,244ff. c o n f e s s u s commissa reus seque ipse salubri │ iudicio damnare uolens m e r u i s s e uidetur│hinc ueniam, quod se poenam m e r u i s s e fatetur („der Schuldige, der seine Vergehen bekannte und bereit war, sich selbst in einem heilsamen Urteilsspruch zu verurteilen, scheint eben dadurch Verzeihung verdient zu haben, daß er bekennt, Strafe verdient zu haben“); ferner Greg. M. moral. 8,17 quem si semel culpa ad poenam pertrahit, m i s e r i c o r d i a ulterius ad ueniam non reducit („wenn ihn einmal Schuld zur Strafe hinzieht, führt ihn Barmherzigkeit nicht weiter zur Verzeihung zurück“); siehe auch 10,31. 434 Die Verse 623–677 fehlen in der Handschrift B (und in ihren Abkömmlingen).

Schuldbekenntnis und Bitte um Gottes Erbarmen  

von et vor haec ist nichts auszusetzen 435. HUDSON-WILLIAMS (1947) 107 hat diese Anomalie durch Kombination der von C und A gebotenen Lesarten zu beseitigen versucht: „we should retain C’s me and correct A’s hoc to hinc, reading accordingly et me hinc ad (cf. 626 eripe me his, inuicte, malis [= Romul. 10,207: aus Aen. 6,365, also durch Vergils freie Synalöphentechnik entschuldigt!]); the omission in both manuscripts of one of four small words is not surprising.“ Hier ist der oben hervorgehobene Charakter der C-Version verkannt: Es handelt sich nicht um eine mechanische Verschreibung, sondern um eine freie Umformung des ganzen Satzes. Das Pronomen me kann nicht als ursprüngliches Überlieferungsgut angesehen werden 436. 3,678f. VOLLMERs PLM-Fassung des Abschnitts aus dem Jahre 1914 lautete wie folgt: 675 erige prostratum, uindex, adtolle iacentem et repara adflictum tali sub clade malorum. 677 quae per me cecidit, per te spes nostra resurgat 437. munera percipiam domini redeunte fauore 679 quicquid amara dies quocumque † t e m p u s deĩsit †. 687 lucida redde, precor, qui t e m p o r a subtrahis Iob 688 aspera, restituens quicquid malus hostis a d e m i t 438. „Redresse celui qui est terrassé, ô vengeur, relève celui qui est abattu et réconforte celui qui est écrasé sous un tel accablement de malheurs. Puisse mon espérance qui, par ma faute,

 435 Siehe ZWIERLEIN KK 2017, 226 und 252f. mit Anm. 764 (ferner das Register S. 342 s.v. „Metrik / Prosodie“). 436 M. DEUFERT gibt zu erwägen, ob die A-Variante h o c für „auf diese Weise“ stehen könnte; „dann müsste man in Gedanken m e zu transfers ergänzen, wie im Vers darüber zu iuuabit.“ Im ersten Halbvers 673 hatte er eine Änderung zu ad ueniam si poena ferat erwogen, worin eine Entsprechung zu dem folgenden cum-Satz zu sehen wäre. Die oben hervorgehobenen Analogien zu Romul. 9,51f. dürften zugunsten der eingangs skizzierten Textauffassung sprechen. 437 Diese s p e s nostra, die durch Gottes Hilfe sich wieder erheben soll (siehe die Anrede an Gott im ersten Vers der ‘Satisfactio’: Rex immense Deus, cunctorum conditor et s p e s), richtet sich auf etwas, was keineswegs unmöglich ist, sondern für ihn durchaus erreichbar scheint (670 nil peto difficile – s p e s est mihi posse mereri). 438 AREVALOs Versetzung des Versblocks 680–686 nach 707 ist zu Recht allgemein anerkannt, ohne daß sich die Verderbnis paläographisch schlüssig erklären ließe. Es muß irrtümliches Überspringen und Randnachtrag (in zwei Kolumnen?) mit anschließender Eingliederung am falschen Ort vorliegen. War ursprünglich ein Kopist von 689 (antiquis mortibus ossa) nach 707 (ipsis modulantibus ora) gesprungen?

  Buch III était morte renaître grâce à toi. Par la grâce 439 du Seigneur je recevrai, quand la faveur me sera rendue, tout ce que les jours amers et le temps m’ont ôté. Fais-moi connaître à nouveau, je t’en supplie, des temps de rayonnante prospérité, toi qui as soustrait Job aux jours d’affliction, lui rendant tout ce que l’Ennemi malfaisant lui ravit“ (MOUSSY).

Die zweite Verhälfte von 679 hatte VOLLMER in seiner früheren MGH-Edition (1905) – auf der Grundlage der B-Version quocumque tempus deĩsit – in der Form quaecumque tempora dempsit gedruckt. CORSARO hat daraus quocumque tempore d. gemacht. MOUSSY ist mit gutem Grund zur C-Lesart munere in 678, die AREVALO ohne Kenntnis von C durch Konjektur gewonnen hatte, zurückgekehrt; er meinte auch in 679 auf AREVALOs Text quodcumque tempus ademit bauen zu dürfen. Einwände gegen den doppelten Versschluß ademit (679. 688) hat er mit Blick auf die sonstige Praxis des Dracontius zerstreut 440. Aber der vage Subjektsbegriff tempus kann neben dem gleichgeordneten, ausdrucksstarken ersten Subjekt amara dies nicht bestehen. Dieses tempus ist ja offensichtlich (noch vor der Versprengung von 680–686) durch Einfluß des darunter stehenden tempora zustandegekommen 441. Wie lautete das verdrängte Subjekt? Und wer ist der dominus des Verses 678? Es ist gut möglich, in munere ... d o m i n i „un don divin“ zu sehen, wie MOUSSY S. 130 ad loc. erläutert 442: Man kann den Text, auf per te (677) zurückblickend, im Sinne von m u n e r e percipiam tuo, Domine meus verstehen, also auf Gott beziehen. Dafür bietet laud. 3,731f. (nam si d o m i n i grauis ira fuisset, │ non me differes) eine gute Parallele; denn dort ist zweifellos gemeint: tua, Domini mei ira. Die Alternative wäre ein Gnadenakt des Herrn und Königs Gunthamund, vgl. munere regnantis in satisf. 24. Aber in diesem Falle wäre innerhalb des Bittgebets an Gott der Sprung von per te (677) zu Gunthamund (678) und zurück zum Anruf an Gott mit der direkten Bitte lucida redde, precor (687) sehr unvermittelt, wenn man bedenkt, daß Dracontius den König mit Vorliebe als bloßes Instrument des durch ihn handelnden Gottes ansieht 443. Auch den Kompromiß, den MOUSSY versucht,

 439 Zur Lesart munere siehe anschließend. 440 Man vergleiche in dem unten behandelten Passus laud. 2,208ff. die Versklauseln precantur/precatur in 208/210. 441 Siehe Anm. 449. Möglicherweise ist die assoziative Verbindung tempora ademit auch für den Schwund des a- zu Beginn von ademit verantwortlich: gedanklich kombiniertes tempora ademit wurde zu temp² demit (→ dempsit → demisit). 442 Siehe seine Übersetzung oben. 443 Siehe SCHETTER (1994) 393 mit Bezug auf satisf. 103f. 107. 109f. 113f.; vgl. satisf. 49 ipse m e o d o m i n o Deus imperat atque iubebit ut me restituat respiciatque pius.

Schuldbekenntnis und Bitte um Gottes Erbarmen  

indem er dem „don divin“ ein redeunte fauore zugesellt, das er als eine „faveur dont on jouit parmi les hommes“ begreift (S. 130), wird man nicht eingehen können; denn in diesem Falle stünde das Kolon redeunte fauore beziehungslos, wenn nicht isoliert, im Satzzusammenhang. Da das ganze Bittgebet durchzogen ist von Anrufen nach dem Muster da mihi iam ueniam (664), iam miserere mei (668), prosint mihi tanta flagella,│ ad ueniam sit poena ferax (672f.) und den (mit Konjunktivformen vermischten) Imperativreihen 675ff. 687, wird man auch in dem dominus des Verses 678 den Adressaten des Bittgebetes sehen, der dem Gestrauchelten wieder seine Gunst schenken und die ersehnte Wohltat erweisen möge 444, durch die der zu Boden Geworfene all das zurückerlangen möge 445, was ihm amara dies und ... (?) genommen haben. Der Passus findet seine Entschlüsselung in dem ‘Epithalamium in fratribus dictum’. Dort bedankt sich Dracontius bei dem Brüderpaar des Hauses ‘Victor’ für die großzügige Hilfe, durch die er schließlich aus seiner Not befreit und in seinen früheren Stand zurückversetzt wurde 446: Romul. 6, 35 quas dedit una domus, domus excipit una sorores, quorum umbone tegor uel quorum munere uiuo: post uarios casus, post tot discrimina uitae porrexere piam placido pro tegmine dextram et, quod maius erat, laeso t r i b u e r e s a l u t e m 40 f o r t u n a m que mihi r e d u c e m pietate n o u a r u n t.

 („God Himself, governs my lord and He will order him to be mindful of me, and, just man that he is, restore me“) 107 post te, summe Deus, r e g i d o m i n o que reus sum, cuius ab imperio posco gemens ueniam. imperet armato pietas tua, prospera mandet 110 r e x d o m i n u s que m e u s semper ubique pius; („after Thee, God Supreme, I am answerable to my lord the king, of whose sovereignty, sighing, I entreat mercy. Let your compassion command the man of arms; let my king and lord, always and everywhere righteous, order a felicitous issue“) 113 nam tua sunt quaecumque gerit quaecumque iubebit, iudiciumque dei regia uerba ferunt. („Forsooth they are from Thee, whatever things he does, whatever he shall order, and the royal mandate carries God’s decree“ [MARGARET]). 444 Der Gen. poss. domini ist sowohl zu munere als auch zu fauore zu beziehen, vgl. laud. 1,143 fauore Dei; satisf. 16 ira fauorque Dei. Die Gunst des Königs wird ja nicht ohne Zutun Gottes, gleichsam von selbst, zurückkehren, sondern auf Befehl Gottes, s. die voraufgehende Anm. 445 percipiam – in Verbindung mit redeunte – steht im Sinne von recipiam. 446 Siehe ZWIERLEIN KK 2017, 59f. Dort sind S. 60 die hier neu beleuchteten Verse laud. 3,675– 679 noch in MOUSSYs Fassung zitiert.

  Buch III „le sorelle che un’unica famiglia ha dato un’unica famiglia accoglie, quella di coloro dal cui scudo sono protetto e per il cui dono io vivo: dopo vari casi, dopo tante vicissitudini di vita, essi, come benevolo baluardo, mi hanno teso la loro mano benigna e, cosa che era ben più grande, benché offesi 447, mi hanno offerto la salvezza e rinnovato pietosamente la mia fortuna, consentendole di tornare“ (LUCERI).

Hier ist in Vers 36 das Stichwort munere von laud. 3,678 aufgenommen (freilich nicht im Sinne von munere Dei, sondern in der Bedeutung munere fratrum); hier weist der Dichter in Vers 37 ähnlich pauschal und unspezifisch wie in laud. 3,679 auf die Ursachen seines Scheiterns zurück: post uarios c a s u s, post tot discrimina uitae. Es ist verlockend, das Stichwort casus aufzugreifen und als zweites Subjekt (neben amara dies) in einen Zusammenhang einzuführen, der durch Begriffe geprägt ist, die als Synonyma oder Antonyma zu casus verstanden werden können: 675 e r i g e prostratum, uindex, a d t o l l e iacentem et repara adflictum tali sub clade malorum. 677 quae per me cecidit, per te spes nostra r e s u r g a t.

Das Kolon post u a r i o s c a s u s weist aber auch den Weg, das überlieferte quocumque nicht mit AREVALO in quodcumque zu verändern, sondern quicumque et casus zu lesen – ein Ausdruck, der bei Dracontius selbst eine Parallele im Schöpfungsbericht des ersten Buches hat. Dort bestimmt Gottvater für das eheliche Paar Adam und Eva (1,369f.): ambo sibi requies cordis sint, ambo fideles│ et quicumque datur casus, sit causa duorum 448. Die Verse laud. 3,678f. sollten demgemäß wie folgt gefaßt werden: munere percipiam Domini redeunte fauore quicquid amara dies quicumque et casus a d e m i t 449.

 447 In ZWIERLEIN KK 2017, 59f. ist gezeigt, daß nicht laesi, sondern laeso zu lesen ist, der Gedanke also wie folgt verläuft: „Die Familie Victor hat dem Dichter nicht nur Schutz geboten und in äußerster Bedrängnis ... das Leben gerettet, sie hat ihm sogar [(dem in seinem Besitztum Geschädigten)] durch ihre Wohltätigkeit seinen Lebensstandard gesichert und in erbarmungsvollem Mitleid ihm die früheren Güter zurückverschafft“ (60). 448 „Let each be to the other a repose unto the soul, let both be loyal, and let whatever ill fortune arises be the concern of both“ (IRWIN). 449 Für diese restituierte Lesart et casus gilt die oben getroffene, vorausgreifende Feststellung, das stattdessen überlieferte korrupte tempus sei durch Einfluß des darunter stehenden tempora zustandegekommen (s. Anm. 441).

Schuldbekenntnis und Bitte um Gottes Erbarmen  

Erst jetzt, nach Wegfall des störenden quodcumque, wird die anaphorische Beziehung zu dem folgenden Verspaar deutlich: 3,687 lucida 450 redde, precor, qui tempora subtrahis Iob aspera, restituens quicquid malus hostis a d e m i t.

Die zweite Vershälfte von 679 quicumque et casus ademit scheint Dracontius über Romul. 2,2f. (quis casus ademit│ Alcidi comitem) aus Ov. met. 4,142 (‘Pyrame’ clamauit ‘quis te mihi casus ademit?’) bezogen zu haben. 3,681 706 ordine muratum dentes cinxere palatum, 707 ut bene uerba sonent ipsis modulantibus ora, 680 obsessamque domant densata repagula l i n g u a m. h a e c pontem factura iacet sermonibus oris: interpres mentis, secreti pectoris index, echo uoluntatis tacitae uel cordis imago uerbere distinctas spargit per murmura uoces 685 omne nefas atque omne bonum dictura loquendo. 686 dentibus a d d u n t u r rubicundo labra labello 451. 708 a c c e d u n t humeris remorum more lacerti, etc. „Une rangée de dents forme l’enceinte fortifiée du palais; ainsi, grâce aux modulations qu’elles permettent, la bouche fait bien résonner les mots; leur barrière serrée maîtrise la langue qu’elles tiennent investie; pont que franchissent les paroles émises par la bouche, la langue sert d’interprète à la pensée, révèle les secrets du cœur, se fait l’écho des désirs cachés, reflète les sentiments profonde; ses mouvements répandent d’une façon sonore des mots divers pour exprimer à haute voix tout ce qu’inspire le crime ou la vertu; les rouges lèvres bordent les dents de leur ourlet. Comme des avirons le haut des bras s’adapte aux épaules,“ (MOUSSY).

 450 So M3 aus lucito (B). Zu lucida ist tempora zu ergänzen (ἀπὸ κοινοῦ zu lucida und aspera gesetzt); vgl. satisf. 151 principis augusti simile est ad regna polorum, wo aus ad regna polorum ein auf simile est zu beziehendes regnum herauszuziehen und mit dem Genitiv principis augusti zu verbinden ist. Zur Verwendung von lucida kann man vergleichen Ven. Fort. carm. spur. 1,133f. fructu sancta (sc. Maria) pio renouasti t e m p o r a rerum│ l u c i d i o r que d i e s te generante nitet („durch deine gehorsam hervorgebrachte Frucht, heilige Maria, hast du die Zeiten des Alls erneuert und leuchtender erstrahlt der Tag aufgrund deiner Niederkunft“). 451 So HUDSON-WILLIAMS (1947) 108 für fabello B, flabello M.

  Buch III Den Passus über die Zähne und die Zunge, die die Sprache formen, habe ich hier in einer gegenüber VOLLMER, CORSARO und MOUSSY veränderten Diskription dargeboten. Ausgangspunkt ist das zu Beginn des Verses 681 neu eingeführte Pronomen haec (statt des in B überlieferten et) 452. Dracontius dürfte sich dabei an die schon von AREVALO zitierte Vorbildstelle Cic. nat. deor. 2,149 angelehnt haben 453: Ad usum autem o r a t i o n i s incredibile est, nisi diligenter attenderis, quanta opera machinata natura sit. primum enim a pulmonibus arteria usque a d o s i n t i m u m pertinet, per quam u o x p r i n c i p i u m a m e n t e d u c e n s percipitur et funditur. deinde i n o r e sita lingua est f i n i t a d e n t i b u s; ea u o c e m inmoderate profusam fingit et terminat atque s o n o s u o c i s d i s t i n c t o s et pressos efficit, cum et d e n t e s et alias partes p e l l i t oris; itaque p l e c t r i s i m i l e m l i n g u a m nostri solent dicere, chordarum dentes, nares cornibus is quae ad neruos resonant in cantibus. „Was nun den Gebrauch der Sprache angeht, so ist es kaum zu glauben, wenn man nicht sorgfältig hinschaut, welche Leistungen die Natur vollbracht hat. Fürs erste verläuft eine Arterie von den Lungen bis zum innersten Teil des Mundes, und durch sie wird die Stimme, deren Prinzip vom Geist herkommt, gebildet und hervorgebracht. Weiterhin liegt im Mund die Zunge, durch die Zähne umgrenzt. Sie gestaltet und umgrenzt die Töne, die sich unartikuliert ergossen, gliedert und komprimiert die Laute, indem sie die Zähne und andere Teile des Mundes anschlägt. So pflegen denn auch unsere Stoiker zu sagen, daß die Zunge einem Plektron ähnlich sei, die Zähne den Saiten und die Nasen jenen Hörnern (Armen der Lyra), die bei dem Spiel der Musik mit den Saiten zusammen widerhallen“ (GIGON).

Der Abfolge in ore sita lingua est finita d e n t i b u s; ea uocem ... fingit ... atque sonos uocis distinctos ... efficit, cum d e n t e s ... pellit scheint Dracontius recht eng gefolgt zu sein: d e n t e s ... obsessam domant (densata repagula) linguam; haec (pontem factura) iacet 454 (sermonibus oris): ... uerbere distinctas spargit per murmura uoces. Die Zunge liegt hinter dem ἕρκος ὀδόντων eingeschlossen, ist geradezu obsessa („belagert“) – doch stets bereit, eine „Brücke“ zu bilden für das Ausströmen der Rede aus dem Mund. Dracontius spielt hier mit metaphorischer Sprache (oben im ausgeschriebenen Textzusammenhang unterstrichen), siehe  452 Die hier vorausgesetzte Verderbnis von hec zu et ist trivial, wenn man sich den häufigen Wegfall des anlautenden h in der Dracontius-Überlieferung vor Augen führt. HUDSON-WILLIAMS (1947) 108 hatte für das Relativpronomen quae plädiert (übergangen in MOUSSYs Text und Apparat); dies ist aber paläographisch weniger überzeugend. 453 Eine beinahe erschöpfende Musterung verwandter Passagen bietet A. S. PEASE in seinem Kommentar zur Cicero-Stelle (S. 936–938), darunter auch Ambr. Hex. 6,9,67 (wozu STELLA 1989, 240f. zu vergleichen ist). 454 AREVALOs latet wird durch das Cicero-Vorbild widerlegt (doch unterscheidet sich AREVALOs Text auch sonst in Wortwahl und Interpunktion). [„Auch obsessamque ... domant spricht eindeutig für iacet“: M. DEUFERT.]

Schlußbitte des Dichters an Gott  

bes. muratum (palatum) in 706, obsessam und repagula in 680, pontem factura 455 in 681. Anschließend folgt eine neue Metaphorik in der Reihe i n t e r p r e s mentis 456, secreti pectoris i n d e x 457 (682), echo – imago (683). AREVALOs Restituierung der ursprünglichen Versfolge wird durch den nahtlosen Übergang sowohl von 706f. zu 680–686 bestätigt (von dentes zu palatum und linguam einschließlich der genannten Metaphern) als auch von 686 (dentibus adduntur ... labra) zu 708ff. accedunt humeris ... lacerti – brachia – uola – manus – digiti). In 708f. ist die Nahtstelle durch die einander entsprechenden Verba auch formal überbrückt.

. Schlußbitte des Dichters an Gott 3,723 722 sit uitae requies, animae sint otia fessae, sit secura dies 458, sit nox cum munere noctis, sit fortuna redux 459, sit uirtus usque senectam, 725 sit uenerandus honos 460 et quicquid uota precantur aut amissa dolent, totum pietate reforma.

 455 Das Futurpartizip wird in 685 dictura loquendo aufgenommen. 456 Es wird hier auf die artikulierende Zunge übertragen, was Cicero von der Rede selbst aussagt: leg. 1,30 interpresque mentis o r a t i o uerbis discrepat, sententiis congruens [„ausschlaggebend wohl Lucr. 6,1149 animi interpres ... lingua (von Laktanz mehrfach zitiert)“: M. DEUFERT]. 457 Siehe Ov. met. 9,535f. (von Byblis) esse quidem l a e s i poterat tibi pectoris index│et color et macies et uultus et ... („Daß ich im Herzen verletzt bin, das hättest ersehen Du können│ an meiner mageren Blässe, der Miene, den häufig so feuchten│Augen, ...“ [BREITENBACH]). 458 Die Kombination secura dies und nocte propinqua findet sich Mar. Victor aleth. 3,278. 459 Dracontius wünscht sich seinen früheren Status (einschließlich seines Vermögens) zurück; siehe hierzu ZWIERLEIN KK 2017, 59f. (zu Romul. 6,39f. laeso tribuere salutem│ f o r t u n a m que mihi r e d u c e m pietate nouarunt) und o. den Text zu Anm. 446. Hier ist also redux – wie meist bei Dracontius – passivisch im Sinne von „zurückgekehrt“, „zurückgegeben“ verwendet, während Martial (8,65,1f. hic ubi F o r t u n a e R e d u c i s fulgentia late│templa nitent) und Claudian (carm. 28,1f. aurea F o r t u n a e R e d u c i si templa priores│ob reditum uouere ducum) von dem Tempel der aktiven „Heimbringerin“ Fortuna sprechen; siehe hierzu Chr. SCHÖFFEL, Martial, Buch 8, Stuttgart 2002 (Palingenesia 77), 544. 460 Nimmt man 724bf. zusammen, dürfte sich Dracontius die Fähigkeit zu männlichem (tugendhaftem) Handeln bis ins Alter wünschen und die daraus erwachsende ehrenvolle Anerkennung: uirtus und honos bilden oft ein korrespondierendes Begriffspaar, so auch bei Dracontius selbst, siehe Romul. 8,301 me maneat u i r t u t i s h o n o s (Ehrengabe für Tapferkeit im Kampf); 599 sexus uterque gemit – non pro u i r t u t i s h o n o r e; Hor. sat. 1,6,82f. pudicum,│

  Buch III „Puisse ma vie connaître le repos, mon âme lasse vivre dans la paix; puisse le jour s’écouler sans soucis, la nuit m’apporter les bienfaits de la nuit; puissè-je voir le bonheur de retour, vivre dans la vertu jusqu’à la vieillesse; puissè-je jouir d’une considération qui inspire le respect; tous les biens vers lesquels se portent mes vœux et dont la perte me fait souffrir, puisse ta bonté me les reconstituer dans leur plénitude“ (MOUSSY).

Den Vers 723 bieten alle Ausgaben in der oben gedruckten, durch B bezeugten Fassung mit der auffälligen Doppelung nox ... noctis, obwohl die Florilegien C und A somni statt noctis überliefern. Nach MOUSSY, der sich dabei auf AREVALO stützt, steht munere noctis für somno. Wenn nun C und A in ihrem Text die Lesart somni führen, müsse es sich dabei um „une glose“ handeln, „incorporée dans le texte de l’ancêtre commun de ces deux manuscrits.“ In Kombination mit sit secura dies kann sit nox cum munere (...) nur eine Umschreibung für nox quieta (~ sit nox cum quiete) bedeuten: Er wünscht sich also sorgenfreie Tage und geruhsame (d.h. nicht durch Schlaflosigkeit gestörte) Nächte. Gefordert ist also tatsächlich eine Versklausel, die den Schlaf umschreibt. Der ovidische Mustervers mit der Klausel munere noctis (met. 10,476f. Myrrha fugit tenebrisque et caecae munere noctis│intercepta neci est) führt aber nicht auf die Bedeutung „Schlaf“. Dort steht der Doppelausdruck tenebrisque et caecae munere noctis stellvertretend für tenebris et caeca nocte. Man muß nicht so weit gehen und mit BÖMER ad loc. munere + Gen. als Umschreibung des Abl. instr. definieren (in Analogie zu ope + Gen.); es ergibt ja guten Sinn, wenn die fliehende Myrrha dem Tod entgeht „aufgrund der Dunkelheit, das heißt begünstigt durch die Finsternis der Nacht“. Mit epexegetischem et wird an die „eigentliche“ Benennung tenebris die „uneigentliche“, metaphorische (caecae munere noctis) angeschlossen. Aber viel mehr als eine füllige Periphrase des im Genitiv stehenden Begriffs (also: munere noctis ~ nocte, allenfalls noctis tenebris) stellt die Versklausel nicht dar. Das dürfte auch für den Spätling Ennodius gelten, siehe carm. 2,128,1 astrorum populus necdum de lumine solis perdiderat lucem, gremio sed noctis adultae fundebat rutilos madefacto aspargine crines; C y n t h i a per croceas f u l g e b a t lactea bigas, 5 rescindens quicquid descripserat orbita fratris;

 qui primus u i r t u t i s h o n o s, seruauit; Paul. Nol. carm. 32,206f. qui colit ille deum, qui uerbum non colit eius,│qui non u i r t u t e m simili ueneratur h o n o r e? Zum anschließenden Satz siehe MOUSSYs Kommentar (S. 136), der sich auf AREVALO beruft, wenn er als Parallelen für quicquid in Kombination mit einem Pluralis amissa Stellen wie satisf. 15 und Prop. 4,5,77f. nennt.

Schlußbitte des Dichters an Gott  

uernabat tacitus s p l e n d o r de munere noctis torrida frigoribus confringens tempora Cancri. „Der Sterne Schar hatte noch nicht durch die Helle des Sonnenlichtes ihr eigenes Licht verloren, sondern sie sandten aus dem Schoß der fortgeschrittenen Nacht von feuchtem Tau benetzte rötliche Strahlen hervor. Die Mondgöttin Cynthia leuchtete milchweiß in ihrem gelben Zweigespann, wieder auffurchend die Bahn, die der Bruder beschrieben hatte. Schweigend funkelte ihr Glanz aus dem Dunkel der Nacht, mit der (angenehmen?) Kühle die sengende Kraft der Krebstage brechend.“

Hier entspricht dem Schoß der Nacht (gremio noctis), aus dem die Sterne ihre „Strahlenhaare“ rötlich ergießen (129f.), das Dunkel der Nacht (de munere noctis), aus dem Cynthias Glanz hervorleuchtet (133) 461. Wie im Zusammenhang der Sterne durch madefacto aspergine (130) darauf abgehoben wird, daß die Nacht die Sternenstrahlen mit feuchtem Tau benetzt und dadurch rötlich färbt, so wird im Zusammenhang des milchweißen Glanzes der Mondgöttin von der (angenehmen?) Kühle (frigoribus) der Nacht gesprochen, die den sengenden Brand der Hundstage bricht. Das Subjekt zu frigoribus confringens ist (Cynthiae) splendor. Das Licht des Mondes aber (das ja von der Sonne geborgt ist) gilt als kalt, so zweimal bei Dracontius selbst: laud. 1,54 quid solis radii, quid l u n a e f r i g i d u s o r b i s? und 2,10f. quod calor est solis, quo s p l e n d e t f r i g i d a l u n a │ partita cum fratre uice sua tempora lustrans 462. Ob darüber hinaus auch durch m u n e r e noctis bereits das Stichwort frigoribus vorbereitet werden soll, also beide Begriffe zusammen die „a n g e n e h m e Kühle“ umschreiben sollen, bleibt Spekulation. Es gilt das Fazit: de munere noctis ist auch hier nicht mehr als eine Metapher für de n o c t i s t e n e b r i s. Das hat zur Konsequenz, daß die B-Version sit nox cum munere noctis in laud. 3,723 soviel wie sit nox cum nocte (bzw. noctis tenebris, s. die folgende Anm.) bedeuten müßte. Eine solche Tautologie kann der Dichter nicht beabsichtigt haben. Folglich ist der in AC gebotene Wortlaut sit nox cum munere somni zu wählen, der im Sinne von sit nox cum somno oder (besser) cum somni quiete zu verstehen ist 463. Dies bestätigen Formulierungen wie Ov. fast. 3,185 in stipula p l a c i d i

 461 Zu u e r n a t . . . s p l e n d o r de munere noctis vgl. Sedul. carm. pasch. 5,191 s p l e n d i d u s auctoris de uertice f u l g e t Eous (vom Kreuz Christi, das die Welt nach den vier Himmelsrichtungen umfaßt). 462 Siehe S. 32f. und 46. Der ganze Passus des Ennodius hat vermutlich den Auftakt des zweiten Buchs des Dracontius (laud. 2,5ff.) zur Voraussetzung, man vergleiche bes. 2,7 et stellae sub luce latent, sub nocte refulgent (Ennod. 2,128,1ff.); 2,10f. (s.o.) und Ennod. 2,128,4–7. 463 Vgl. ThLL VIII 1664,73ff. Dort u.a. Sil. 6,96f. s o p o r sua m u n e r a tandem│applicat et mitem fundit per membra q u i e t e m („sleep at last did its kindly office and diffused gentle

  Buch III capiebat m u n e r a s o m n i (= placidam somni quietem); Ser. med. 981 ne prosint placidi caelestia m u n e r a s o m n i; Ps.Auson. App. IV A 2,3ff. GREEN caelestes hominumque genus superabile curis │ t r a n q u i l l a obscuri carpebant m u n e r a s o m n i;│at non peruigilem n o x i r r e q u i e t a Tonantem│leniit (also bedeutet tranquilla ... munera somni soviel wie tranquillam s o m n i q u i e t e m); CE 1997,8 hic tumulata (sc. sacerdos) silet aeterno m u n e r e s o m n i (= aeterna s o m n i q u i e t e).

[Neubewertung des Handschriftenstemmas] Diese Neubewertung der Varianten somni AC: noctis B hat Auswirkungen auf das H a n d s c h r i f t e n s t e m m a: Mit laud. 3,723 scheidet der wichtigste Beleg für vermeintliche AC-Bindefehler aus. Die übrigen, die VOLLMER (1905) XXVII Anm. 4 zusammengestellt hat, können die ihnen aufgebürdete Beweislast kaum tragen. In 2,208 ist an der AC-Version te cherubim seraphim dominumque deumque precantur nichts auszusetzen. Vielmehr spricht die asyndetische Kombination cherubim seraphim zugunsten der AC-Fassung, die in B oder einem der Vorgängerkodizes zu te seraphin cherubinque deum dominumque normalisiert wurde. Das angehängte -que erforderte zwar nicht die Umstellung seraphim cherubimque, wohl aber die Änderung von dominumque deumque in deum dominumque. So liegt es nahe, beide Umstellungen auf den Eingriff zurückzuführen, der durch das Asyndeton provoziert wurde. Die in AC gebotene Reihenfolge cherubim – seraphim ist makellos, sie findet sich unter den lateinischen Kirchenvätern seit Tertullian als Regelabfolge, die nur in der Exegese des Hieronymus einige Male verändert wurde. Gleich in 2,210 soll der scheinbar in B auftretende Ober-Engel Thronus 464 wieder den Vorzug vor der AC-Lesart pronus verdienen, obwohl ein solcher Engel ‘Thronus’ im Singular nirgends belegt scheint. Die Throni finden sich im Kolosserbrief des Paulus (1,16 quia in ipso condita sunt uniuersa in caelis et in terra uisibilia et inuisibilia siue throni siue d o m i n a t i o n e s siue p r i n c i p a t u s siue p o t e s t a t e s: omnia per ipsum et in ipso creata sunt) und haben von dort  rest through all his limbs“[DUFF]); SPALTENSTEIN verweist im Kommentar auf Verg. Aen. 1,691f. placidam per membra q u i e t e m │irrigat: „Le sommeil est un bienfait, d’où ‘sua munera’ (n. 1,556)“. Dementsprechend kann man in Sil. 1,556f. (n o x tandem o p t a t i s terras pontumque t e n e b r i s │condidit et pugnas e r e p t a l u c e diremit: „Night at last buried land and sea in welcome darkness, and separated the combatants by rubbing them of light“ [DUFF]) eine Erläuterung des Ausdrucks munere noctis im Sinne von noctis tenebris sehen. 464 So PRINZ in ThLL VII 1,888,42 „thronus (i. angelus summus)“.

Schlußbitte des Dichters an Gott  

Eingang in die Schriften der Kirchenväter gefunden (z.B. Tert. adv. Marc. 5,19,4 [CCL 1]). Diese übernehmen jedoch alle den Plural throni des Pauluswortes. Wenn man den Abschnitt des Dracontius über die Engel und den Übergang zu den Gestirnen im Ganzen mustert: 2,208 te cherubim seraphim dominumque deumque precantur, [so AC] te chorus angelicus, laudans exercitus, o r a t, 210 thronus 465 et incessans humili te uoce p r e c a t u r; agmina te astrorum, te signa et sidera laudant auctorem confessa suum, te fulmen a d o r a t, etc. „Thee do the Cherubim and Seraphim invoke as God and Lord, Thee do the Angel Choir, the extolling Host, entreat, and Thee the Thrones beseech with lowly voice incessant. Thee the ranks of constellations, Thee the signs of the zodiac and clusters of stars, attesting their Author, do glorify. Thee the lightning does adore ...“ (BRESNAHAN),

zeigt sich sehr klar, daß zwischen der Vielzahl der cherubim seraphim, die weitergeführt wird durch den c h o r u s angelicus (mit der Apposition laudans exercitus), und den agmina astrorum ein einzelner Engel ‘Thronus’ doppelt unpassend erscheint (nichts deutet auf einen kollektiven Singular). In Wirklichkeit bleibt das Engelsheer, der chorus angelicus von 209, auch in 210 Subjekt des Prädikats precatur. Dieses ist durch die Kopula et in 210 mit dem ebenfalls am Versschluß stehenden orat von 209 zu verbinden. Es ergibt sich also die einfache Konstruktion TE c h o r u s a n g e l i c u s ... 1.) orat│pronus 2.) et incessans 466 humili TE uoce precatur. Statt des bei der Lesart Thronus anzusetzenden et inversum liegt die normale Wortstellung vor mit Enjambement des Attributs pronus analog dem parentis│caelestis in Anm. 465. Die formale Schwäche der bisherigen Textkonstitution in den Ausgaben liegt offen zutage: Man hatte eine eklektische Vermischung der beiden Überlieferungsstränge vorgenommen; Pronus et incessans (AC) auf der einen und Thronus inexcessans (B) auf der anderen Seite wurden zu Thronus (B) et incessans (AC) zusammengeschweißt. Tatsächlich aber war in beiden Abweichungen allein B

 465 Die Langmessung der ersten Silbe hätte ihre Parallele in 2,150 (ad aethereos tractus t h r o n u m que parentis│caelestis). 466 Vgl. laud. 1,609 i n c e s s a n t e r aquas licet euomat etc.

  Buch III fehlerhaft. Die uns vor allem angehende erste hatte ihre Ursache in einer einfachen Verschreibung von P zu T 467. Das hier wieder ins Recht gesetzte pronus rahmt mit precatur alliterierend den Vers und fügt sich gut zu humili ... uoce 468: Es soll mit Nachdruck der Gegensatz zu dem hochmütigen Lucifer des biblischen Engelsturzes herausgestellt werden, der nach Is 14,13f. in seinem Herzen sagte: „in caelum conscendam, super astra Dei exaltabo solium meum; sedebo in monte testamenti, in lateribus aquilonis; ascendam super altitudinem nubium, ero similis Altissimo“, stattdessen aber in die Unterwelt hinabgestürzt wurde (14,15 uerumtamen ad infernum detraheris in profundum laci) 469. Die auf diese Weise wiedergewonnene Textfassung te ... orat p r o n u s et ... h u m i l i te u o c e precatur paßt gut zu der Anrede an den Allmächtigen (198 deus omnipotens), zu der Bitte der Cherubim und Seraphim an „den Herrn und Gott“ (208), besonders aber zu den anschließenden Verben (te) tremunt (213), ... pauent (214), te suspicit (216), tibi supplicat (217), te metuunt (218) 470. Die weiteren Belege vermeintlicher AC-Bindefehler hält VOLLMER selbst nicht für durchschlagend. Sie müssen hier nicht im einzelnen revidiert werden 471.

 467 Es sind – unter Berücksichtigung der Majuskelinitiale am Versbeginn – zwei Verderbnisstufen anzusetzen: Pronus → Tronus → Thr- (Quasiemendation). Zu p/t-Verschreibungen allgemein (unabhängig von Majuskelschrift) in der Überlieferung der Seneca-Tragödien siehe meinen Krit. Komm. (1986) 494f. 468 Vgl. Paul. Petric. Mart. 5, 423ff. namque s o l o a c c l i n i s transibat sidera uoto│ spe dominum tangens sanctus, sed corpore pronus,│ corde humilis, celsus merito etc. („denn dem Erdboden zugeneigt, durchdrang der Heilige die Gestirne, mit seinem Flehen und Hoffen den Herrn berührend, den Körper jedoch gebeugt, das Herz demütig, emporragend nach Verdienst“); Lact. ira 20,11 (humilis ... et curuus et pronus); Cassiod. in psalm. 101,3 lin. 146 [CCL 98] quantum se in humilitate paenitens iste prona mente prostrauerat; Beda Ven. in gen. 4,17,1–2 (lin. 297 [CCL 118]) et quia primus perfectionis gradus humilitas est, recte subiungitur, cecidit Abram pronus in faciem. 469 Siehe auch Apk 12,7–9 (Michael und seine Engelsschar vertreiben den Drachen und seine Engel aus dem Himmel: proiectus est in terram et angeli eius cum illo missi sunt). 470 Vgl. schon 2,154 tu deus es, quem terra t r e m i t, quem mundus a d o r a t, etc. 471 Abschließend eine Bemerkung zu 3,754 (et grates exceptus agam d e f a s c e malorum). Der Vers wird ThLL VI 1,306,60f. als einziger Beleg für eine neue Rubrik „metaphorice c. gen. personae fere i. q. t u r b a“ in Anspruch genommen – offensichtlich im Anschluß an VOLLMERs Apparat-Eintrag (1905) 113: „fasce i. agmine, turba nocentum“. MOUSSY („et rendre grâces d’être retiré d u f a i s c e a u des méchants“) hat mit gutem Grund auf AREVALO verwiesen (S. 139), der bereits Bibelstellen wie Is 24,22 (et congregabuntur in congregatione u n i u s f a s c i s in lacum et cludentur ibi in carcere) und Mt 13,30. 40f. in Anschlag gebracht hatte. MOUSSY fügt passend den Kommentar des Hieronymus zu Is 24,22 hinzu (Hier. in Is. 8,24,21/23 lin. 43 [CCL 73]): hos igitur principes, qui suum non seruauerunt gradum, congregabit dominus in die iudicii,

Schlußbitte des Dichters an Gott  

 q u a s i i n u n o f a s c e pariter colligatos, et mittet in lacum inferni, ut in illis quoque impleatur quod de impiis scriptum est: lacum aperuit, et effodit eum, et incidit in foueam quam fecit („Diese Fürsten also, die ihren Rang nicht bewahrt haben, wird der Herr am Tag des Gerichtes versammeln, als seien sie gemeinsam i n e i n e r G a r b e zusammengebunden, und wird sie in die Höhlung der Unterwelt stoßen, damit auch an ihnen erfüllt werde, was über die Ruchlosen geschrieben ist: er öffnete die Höhle und grub sie aus, und er fiel in die Grube, die er gegraben hatte“).



Satisfactio

  Gottes Gottes Zorn Zorn und und Vergebung Vergebung Nabuchodonosor Nabuchodonosor und und Zacharias Zacharias 37. 39 39 37. 37 37 errauit errauit per per prata prata uagus uagus mala mala gramina gramina pastus, pastus, et qui homo bos fuerat, de et qui homo bos fuerat, de boue boue factus factus homo homo est. est. liquit et antistes serus pater ille Iohannis liquit et antistes serus pater ille Iohannis 40 elinguisque 40 elinguisque fuit fuit uoce uoce tacente tacente silens. silens. „Unrestrained „Unrestrained he he roamed roamed the the meadows meadows and and browsed browsed the the weedy weedy grass, grass, and and he he who who had had been been a man was made an ox, from ox was made a man. A high-priest sinned too, in his a man was made an ox, from ox was made a man. A high-priest sinned too, in his old old age age the the illustrious illustrious father father of of John, John, and and he he was was speechless, speechless, with with stilled stilled voice voice maintaining maintaining silence“ silence“ (M ). (MARGARET ARGARET). „Il erra çà „Il erra çà et et là là à à travers travers prés prés nourri nourri d’herbes d’herbes n no o cc ii v v ee ss et et d’homme d’homme devenu devenu bœuf, bœuf, de de bœuf il redevint homme. T o m b e a u s s i d a n s l e p é c h é ce prêtre qui bœuf il redevint homme. T o m b e a u s s i d a n s l e p é c h é ce prêtre qui devint devint d da an n ss ss a a v v ii ee ii ll ll ee ss ss ee le le père père de de Jean: Jean: il il est est frappé frappé de de mutisme, mutisme, privé privé de de la la parole, parole, réduit au silence“ (M OUSSY). réduit au silence“ (MOUSSY).

Dracontius Dracontius erläutert erläutert an an je je einem einem Exempel Exempel aus aus dem dem Alten Alten und und Neuen Neuen Testament Testament sein Motto (vgl. 29f. und laud. 3,718f.): Gottes Zorn über die Verfehlungen sein Motto (vgl. 29f. und laud. 3,718f.): Gottes Zorn über die Verfehlungen eines eines Menschen kann kann so so weit weit gehen, gehen, daß daß er er dessen dessen Geist Geist und und Glieder, Glieder, Sinne Sinne und und Gestalt Gestalt Menschen verwandelt; verwandelt; doch doch läßt läßt Gottes Gottes Bereitschaft Bereitschaft zur zur Vergebung Vergebung stets stets auf auf die die restitutio restitutio in in integrum hoffen. Dies zeigt der Dichter am Schicksal des Nabuchodonosor integrum hoffen. Dies zeigt der Dichter am Schicksal des Nabuchodonosor und und des des Priesters Priesters Zacharias Zacharias und und überträgt überträgt dann dann die die Quintessenz Quintessenz auf auf sich sich selbst. selbst. OUSSY (S. 198, im Anschluß an AREVALO) ausführt, hat Dracontius die Wie M Wie MOUSSY (S. 198, im Anschluß an AREVALO) ausführt, hat Dracontius die Episode Episode von von der der (fiktiven) (fiktiven) Verwandlung Verwandlung des des Nabuchodonosor Nabuchodonosor in in einen einen Ochsen Ochsen aus dem Buch ‘Daniel’ entnommen. Hier die für uns wichtigsten Sätze: aus dem Buch ‘Daniel’ entnommen. Hier die für uns wichtigsten Sätze: Dan. Dan. 4,13 4,13 cc o o rr eius eius a ab b h hu um ma an no o cc o om mm mu u tt ee tt u u rr et et cc o o rr ff ee rr a a ee detur detur ei; ei; 20 20 et et cum feris sit pabulum eius; 22 eicient te ab hominibus et cum bestiis feris erit habicum feris sit pabulum eius; 22 eicient te ab hominibus et cum bestiis feris erit habitatio tua tua et et faenum faenum ut ut bos bos comedes comedes et et rore rore caeli caeli infunderis; infunderis; 29 29 et et ab ab hominibus hominibus te te tatio eicient et cum bestiis feris erit habitatio tua, faenum quasi bos comedes; 30 eaeicient et cum bestiis feris erit habitatio tua, faenum quasi bos comedes; 30 eadem hora hora sermo sermo conpletus conpletus est est super super Nabuchodonosor: Nabuchodonosor: ex ex hominibus hominibus abiectus abiectus est est dem et faenum faenum ut ut bos bos comedit comedit et et rore rore caeli caeli corpus corpus eius eius infectum infectum est, est, donec donec capilli capilli eius eius et in similitudinem aquilarum crescerent et ungues eius quasi auium. in similitudinem aquilarum crescerent et ungues eius quasi auium. Der aus aus dem dem Kreis Kreis der der Menschen Menschen verbannte verbannte Nabuchodonosor Nabuchodonosor muß muß sich sich also also Der wie ein Ochse von Tierfutter (Kräutern, Klee) ernähren. Die Stichworte lauten pawie ein Ochse von Tierfutter (Kräutern, Klee) ernähren. Die Stichworte lauten pabulum und faenum; nirgends ein Hinweis auf „d’herbes n o c i v e s“. Diese Nubulum und faenum; nirgends ein Hinweis auf „d’herbes n o c i v e s“. Diese Nuance wird wird erst erst durch durch die die bei bei Dracontius Dracontius überlieferte überlieferte Versklausel Versklausel mala mala gramina gramina ance OLLMERs Similienapparat auf Verg. Aen. 2,471 pastus in den Text gebracht, die in V pastus in den Text gebracht, die in V OLLMERs Similienapparat auf Verg. Aen. 2,471 zurückgeführt zurückgeführt ist. ist. Dort Dort handelt handelt es es sich, sich, wie wie schon schon Vergils Vergils Vorbild Vorbild Hom. Hom. Il. Il. 22,93ff. 22,93ff. https://doi.org/10.1515/9783110650426-004 https://doi.org/10.1515/9783110650426-004

  Satisfactio zeigt, tatsächlich um G i f t pflanzen, von denen sich die Giftschlange (coluber; vgl. georg. 3,425 malus ... anguis) genährt hat (βεβρωκὼς κακὰ φάρμακα). Das kann nicht auf die Nabuchodonosor-Episode übertragen werden, wie die – ebenfalls in VOLLMERs Apparat genannte – Imitation Vergils durch Coripp (Ioh. 6,357) verdeutlicht: Dort zielt die wörtlich übernommene Versklausel Vergils tatsächlich auf (bleiche) Giftkräuter, die von den heißhungrigen Pferden abgeweidet werden und deren sofortigen Tod verursachen 472. MOUSSY weist in seinen kommentierenden Noten darauf hin (S. 198), daß Dracontius im folgenden Vers (satisf. 38) aus Ovid (epist. 14,86; fast. 5,620) schöpft, und sieht mit HUDSON-WILLIAMS darin „un bon exemple de la pratique de contamination chez les poètes chrétiens qui aiment amalgamer des sources diverses dans un même passage“. Aus dieser Erkenntnis hätte aber für unsere Stelle der Schluß gezogen werden müssen, daß Dracontius auch die Vergilklausel nicht in sklavischer Abhängigkeit wortgetreu übernommen hat, sondern – wie dies der Gedanke zwingend erfordert – male gramina pastus geschrieben haben muß: Nabuchodonosor ernährt sich nicht etwa von Giftpflanzen, sondern ist – ausgestoßen aus der Gemeinschaft der Menschen – dazu gezwungen, sich „auf erbärmliche/schändliche Weise“ (wie ein Ochse) von Kräutern zu ernähren. Die ursprüngliche Junktur male ... pastus wurde wegen des Dazwischentretens des Objekts gramina (und aufgrund des bekannten Wortlauts des Vergilgleichnisses) durch einen Angleichungsfehler zu mala gramina pastus verderbt. Da Dracontius die Satiriker Juvenal und Martial kennt, darf man wohl auch hier mit der Möglichkeit von Kontamination rechnen: Martial hat sowohl die Versklausel male pastus aper (9,88,4) als auch die Verbindung male pascit (11,18,12). Dracontius selbst zeigt eine Vorliebe für das Adverb male (mindestens 16 Belege). Zu male als Adverb des Urteils s. HOFM.–SZ. 827 (vgl. z.B. Jasons Ausruf in Drac. Romul. 10,239: ‘Victima sum, pereo: iugulis male mucro m i n a t u r’). Groß ist die Not der Herausgeber und Interpreten gleich anschließend in Vers 39, wie der Fettdruck im oben wiedergegebenen Zitat und die Sperrung in der Übersetzung zum Ausdruck bringen sollen. Alle übernehmen VOLLMERs Angabe im Similienapparat (1905): „liquit i. deliquit peccauit; cf. 2,686 incurrit culpam sancti pater ille Iohannis“ und seine Konjektur s e r u s für überliefertes uerus (Eug.) 473, die er durch Sidon. carm. 16,37 (dum faceret s e r u m rugosa

 472 Erst später nähern sich die Soldaten Örtlichkeiten, auf denen sie u i t a l e s ... herbas finden (6,370). 473 uerus MFP: senis Vac ut vid.: senior Vpc: senex D. Abwegig ist sancti (man. rec. Vmg, gewiß mit Blick auf laud. 2,686), von SPERANZA in den Text gesetzt (darüber die Eug.-Variante uerus).

Gottes Zorn und Vergebung  

puerpera patrem, sc. Zachariam) stützt. Aber weder gibt es einen belastbaren Beleg für linquere = delinquere 474 noch läßt sich durch so verstandenes liquit et ein gedanklich glatter Anschluß des Zacharias-Exempels an die NabuchodonosorEpisode gewinnen. Aufgrund der Partikel et, die wie oft für etiam steht, ist zu erwarten, daß der im voraufgehenden Vers (38) prägnant zusammengefaßte Ausschluß des Nabuchodonosor aus der menschlichen Gemeinschaft durch die (fiktive) Metamorphose in einen Ochsen und seine Wiedereingliederung Anknüpfungspunkt für das neutestamentliche Exempel sind. Im Kapitel 4 des Buches Daniel hatte Dracontius den Vorgang durch 22 eicient te ab hominibus; 29 et ab hominibus te eicient; 30 ex hominibus abiectus est umschrieben gefunden. Ich vermute, daß er dementsprechend seine Zacharias-Episode mit dem Satz liquit et antistes coetus 475 pater ille Iohannis eingeleitet hat: auch der Priester Zacharias, der Vater des Johannes, hat die Gemeinschaft der Menschen verlassen und sich stumm, ohne Stimme und unfähig zu sprechen 476, in sein Haus zurückgezogen 477, bis er nach der Geburt des Sohnes für die Namensfindung gebraucht wurde 478, sogleich seine Stimme zurückerhielt und einen prophetischen Lobpreis anstimmte 479.

 474 BLOMGREN (1966) 55 hat zehn Beispiele für linquere = relinquere bei Dracontius zusammengestellt. Wenn er danach in dem hier zu verhandelnden Passus Partei ergreift zugunsten VOLLMERs Deutung (liquit = deliquit), geschieht dies ohne ein durchschlagendes Argument. Die Sonderrubrik linquere i. q. ‘peccare’ in ThLL VII 2,1462,61 kann sich lediglich auf zwei fragwürdige Glossen stützen. 475 In den Hss meist cetus geschrieben, woraus leicht uerus (so Eug.) werden konnte. 476 Siehe Lk 1,20 et ecce e r i s t a c e n s e t n o n p o t e r i s l o q u i usque in diem quo haec fiant pro eo quod non credidisti uerbis meis quae implebuntur in tempore suo (es spricht der Engel Gabriel). 477 Siehe Lk 1,22ff. egressus autem n o n p o t e r a t l o q u i ad illos ... et ipse e r a t i n n u e n s i l l i s et p e r m a n s i t m u t u s. 23 et factum est, ut impleti sunt dies officii eius, abiit in domum suam. 24 post hos autem dies concepit Elisabeth uxor eius et occultabat se mensibus quinque, etc. Es mag sein, daß man bei nüchterner Kalkulation des geschilderten Handlungsablaufs zu dem Schluß geführt wird, der Rückzug des Zacharias ins eigene Haus sei primär durch das Ende der Amtszeit als Oberpriester bedingt, nicht durch die wundersame Lähmung der Zunge wegen seines Unglaubens. Hätte er in der Gemeinschaft der einfachen Priester, die im Tempel tätig waren, verbleiben können (s. dazu u. Anm. 483)? Wie die Realität auch ausgesehen haben mag, die Erzählung des Lukas ließ sich m.E. leicht in der hier umschriebenen Weise ausdeuten. 478 Siehe Lk 1,62ff. i n n u e b a n t autem patri eius quem uellet uocari eum. 63 et postulans pugillarem scripsit dicens ‘Iohannes est nomen eius’ et mirati sunt uniuersi. 64 a p e r t u m e s t autem ilico os eius et lingua eius et loquebatur bened i c e n s D e u m. 479 Lk 1,67 et Zaccharias pater eius impletus est Spiritu Sancto et prophetauit dicens etc.

  Satisfactio Zu coetus in der Bedeutung ‘congregatio hominum’ findet sich ThLL III 1439,33ff. eine Vielzahl von Belegen; 1440,82ff. coetus als Objekt, etwa zu d e s e r e (Ov. fast. 2,173 uirgineos ... coetus); 1441,10ff. f u g e r e ... coetus hominum (Liv. 9,6,9; Octavia 919; Plin. nat. 6,54; Sol. 50,3; Paul. Nol. carm. 6,225); u i t a r e (Sil. 6,576; Tac. ann. 4,57,2; Auson. Epiced. 30 [= V 30 GREEN]; Amm. 23,6,68). Bei Avien (Arat. 338) steht sogar eben die von uns postulierte Junktur am Versbeginn: (Virgo) linquebat coetus hominum, den Auftakt liquit et liest man in CE 398,4 liquit et orbatos miseros fidosque parentes. Zum Kern des Zacharias-Exempels dürfte sich gut der Gedanke fügen, daß sich der mit Stummheit geschlagene Priester ähnlich in die Einsamkeit seines Hauses zurückzog wie der blinde Oedipus des Statius, von dem es gemäß Theb. 11,107 heißt: coetu fertur ... solus ab omni flere sibi 480 und den Antigone, wie sie in 11,729 dem König Kreon verspricht, „fernhalten vom Umgang mit Menschen und an einsamem Ort bergen will“: coetibus abducam solaque in sede recondam. Wie man an diesen beiden Beispielen sieht, kann ein präzisierender Genitiv hominum (neben coetus) 481 durchaus fehlen. Das gilt auch etwa für Sil. 6,575ff. atque olim post fata mariti │ n o n e g r e s s a d o m u m uitato Marcia coetu │ ... ruebat│ in luctum similem antiquo 482 und Tac. ann. 4,57,2 et Rhodi secreto uitare coetus, recondere uoluptates insuerat (sc. Tiberius). Zufällig findet sich eine zu liquit et antistes coetus verwandte Wortkombination in Paul. Nol. carm. 19,520: post sacra iam soluente pios antistite coetus 483. Wenn man den hier restituierten Vers liquit et antistes c o e t u s pater ille Iohannis mit der VOLLMERschen Version liquit et antistes s e r u s pater ille Iohannis vergleicht, wird deren ausschließlich

 480 „Es geht die Kunde, daß er fern von jeglichem Umgang alleine für sich weine.“ 481 So beispielsweise noch Ennod. epist. 9,10 p. 235,9 [CSEL 6] te hominum coetibus submouisti und zuvor Cic. off. 3,2 (Africanus) e coetu hominum ... tamquam in portum se in solitudinem recipiebat; Liv. 7,5,9 (qui) procul coetu hominum iuuentam egisset; 9,6,9; 27,34,4 (ut rus migrarit et per multos annos et urbe et omni coetu careret hominum); Colum. 9,5,1; Ambr. off. 3,1,6 a conuentu coetuque hominum subtrahere sese et ... ruris petere secretum; Paul. Nol. carm. 16,192ff. (vom Martyrer Felix). 482 „and then Marcia, who had never left the house since her husband’s death, but shunned society ... – she too rushed forth, to mourn as she had mourned long ago“ (DUFF). 483 Auch eine Versammlung von Priestern selbst (etwa die Synode) kann coetus antistitum (oder presbyterum) heißen, so z.B. Aug. c. Cresc. 3,56,62 (multorum c o e t u s a n t i s t i t u m in unum deo conspirante collectus); Hier. in Is. 2,3,3 lin. 62 [CCL 73] et nos habemus in ecclesia senatum nostrum, c o e t u m p r e s b y t e r o r u m. Aber man wird nicht so weit gehen, liquit et antistes coetus auf das Ausscheiden des stummen Priesters Zacharias aus dem Kreis der Tempelpriester zu beziehen (s.o. Anm. 477). Dies ergäbe keinen glatten Anschluß an das Nabuchodonosor-Exempel.

Die Verfehlung des Dichters und der Zorn des Königs  

auf die Definition des Satzsubjektes gerichtete ‘uerbositas’ in ihrer ganzen Abundanz deutlich. [Mit Mail vom 15.6.2018 verweist mich R. JAKOBI auf COMPARELLIs Plädoyer zugunsten der V2-Lesart senior (2000, 99–106 und 2006, 101–103). Diese Lesart ist nichts anderes als ein trivialer Versuch, aus der überlieferten V-Version sen .. etwas metrisch Brauchbares zu machen. Gegen sie spricht alles, was oben gegen serus (und den fehlenden Anschluß durch liquit et) vorgebracht wurde.]

 Die Verfehlung des Dichters und der Zorn des Königs Bitte an Gott, den König zur Milde zu bewegen 109 post te, summe Deus, regi dominoque reus sum, cuius ab imperio posco gemens u e n i a m. imperet armato p i e t a s tua, prospera mandet 110 rex dominusque meus semper ubique p i u s. „After Thee, God Supreme, I am answerable to my lord the king, of whose sovereignty, sighing, I entreat mercy. Let your compassion command t h e m a n o f a r m s; let my king and lord, always and everywhere righteous, order a felicitous issue“ (MARGARET). „Après toi, ô très grand Dieu, c’est mon roi et maître que j’ai offensé; de sa puissance j’implore en gémissant le pardon. Que ta bonté commande a u c h e f e n a r m e s, que mon roi et maître toujours et partout miséricordieux rende une ordonnance qui me soit favorable“ (MOUSSY).

Gott verzeiht den Sündern, die um Vergebung bitten (u e n i a m poscentibus), wenn sie ihre Missetat bereuen (99f.). Deshalb richtet Dracontius seine Bitte an den Allmächtigen, den nicht Rache erfreut, sondern Vergebung (102 non ... ultio, sed u e n i a), und der auch die Herzen der Regenten (103 corda regentum) in seiner Hand hält und sie in seiner Barmherzigkeit schnell zu dem geneigt macht, was er befiehlt (104 et p i u s inclinas mox ubicumque i u b e s) 484. Das Stichwort iubes wird durch imperio (108), imperet ... mandet (109) und durch iubebit (113) aufgenommen oder variiert. Der entscheidende Satz steht am Schluß der Reihe (113f.): Was immer der König ausführen oder befehlen wird, es ist Gottes Sache, und die Worte des Königs bringen den Schiedsspruch Gottes zur Geltung.

 484 Siehe hierzu SCHETTER (1994) 389 und 393.

  Satisfactio Wie soll man in diesem Zusammenhang Vers 109 verstehen? Gott möge in seiner Güte „dem Bewaffneten“, „dem Herrn in Waffen“ („au chef en armes“) befehlen, der immer gütige König und Herr des Dichters 485 solle einen dem Dichter günstigen Auftrag erteilen? Als sich Dracontius in 117ff. direkt an den König selbst wendet, bittet er ihn, er möge dem Erbarmungswürdigen die Hand reichen und ihm Verzeihung gewähren; denn ein gütiger König müsse nach so langer Zeit vom Zorn ablassen: satisf. 119 da dextram misero, u e n i a m concede precanti, tempore tam longo non decet ira p i u m. „lend assistance to an unhappy man, grant pardon to him as he prays; wrath of so long duration befitteth not a god-fearing man“ (MARGARET).

Es geht also um die Antithese ira – u e n i a / p i e t a s. Dieses Motiv in der ‘Satisfactio’ hat SCHETTER (1994) 393–401 ausführlich verfolgt 486. Da der König in einer appellativ gemeinten laudatio als pius bezeichnet wird (110), wollte der Dichter ihn nicht im gleichen Satz als iratus vorstellen, der von Gottes pietas einen Befehl zur Mäßigung erhält (109). Aus diesem Grund hat er ein abgeschwächtes Synonym zu iratus, nämlich armatus gewählt, das so viel wie „geharnischt“ bedeutet, so GEORGES s.v. (II „übertr.“) mit Verweis auf Aug. epist. 73,3 uerum tamen illum maluerim aliquo modo m i t i o r e m quam te isto modo armatiorem 487. Siehe ferner ThLL II 619,15ff. „translate“: ‘instruere homines vel res rebus, quae cum armis possunt comparari (non semper adest abl.)’, z.B. Claud. 7,96f. fundit ab antris│ Aeolus armatas hiemes; II 619,46ff. („incorporalibus“), dort etwa Ov. met. 13,544 seque a r m a t et instruit i r a; Liv. 22,39,21 a r m a t u s i n t e n t u s que sis; Macr. sat. 2,16,25 i r a s c i m u r et in feruorem ... a r m a m u r; Drac. Romul. 8,285 mentes a r m a b a t i n i r a s (Telamon suas); Alc. Avit. carm. 5,470 populus ... ferox his uocibus a r m a t ... f u r o r e s.

 485 Das panegyrische semper ubique pius hat hier Appellfunktion. Zu dieser Stilmanier (in anderem Zusammenhang) s. SCHETTER (1994) 398. 486 Herausgegriffen seien die Verse 156; 209 rex, qui dat u e n i a m subiecto et temperat iras; 273f. dat semel iratus u e n i a m post uulnera pardus│nec reduces morsus dat feritate p i a; hinzugefügt laud. 1,10f. hoc agit et sequitur (sc. natura) uariis sub casibus iras│et p i a uota Dei; 690–692; 2,368. 810; 3,633f. 726–735. 487 Dem Begriffspaar mitiorem – armatiorem hier entspricht in satisf. 108f. die Gegenüberstellung ueniam – armato (M. DEUFERT).

Der Dichter bittet den König um Gnade  

 Der Dichter bittet den König um Gnade .

Exempla des Gnadenerweises (David – Salomon, Stephanus; Caesar, Augustus, Titus, Commodus)

158 David 157 Rex inimicorum iugulis 488 mucrone pepercit 489 Dauid et hic 490 sceleris 491 certus adulter inest 492. confessus facinus ueniam pro clade meretur 160 noxius impune uel sine morte reus 493. „King David spared the throats of personal enemies from the sword, and he is found an adulterer, hardened in sin. He acknowledged the offense and earned pardon in place of

 488 Statt iugulis (V) bietet Eug. populis; doch vgl. zur Wortfolge iugulis mucrone Romul. 10,239 iugulis male mucro minatur. 489 Damit wird Davids doppelte Verschonung des Königs Saul (und seines Kriegsvolkes) umschrieben, siehe 1Reg 24 und 26, vielleicht auch seine Verschonung des Nabal aufgrund der Bitten und Versöhnungsgaben Abigails, der Frau Nabals, die David nach dem Tod des Kalebiten selbst heiratete (1Reg 25). Das Stichwort pepercit erscheint 1Reg 24,11 et cogitaui ut occiderem te, sed p e p e r c i t tibi oculus meus; das Stichwort inimicus (satisf. 157 inimicorum iugulis) geht (u.a.) zurück auf 1Reg 24,20; 26,8 (es spricht Abisai zu David) conclusit Deus hodie i n i m i c u m t u u m in manus tuas; nunc ergo perfodiam cum lancea in terra semel et secundo opus non erit (vgl. 26,5 cumque uidisset ... Saulem dormientem in tentorio et reliquum uulgus per circuitum eius; 26,7 et inuenerunt Saul iacentem et dormientem in tentorio et hastam fixam in terra ad caput eius). Das Stichwort pepercit nimmt Dracontius in dem Resümee satisf. 165f. durch patris (patri DUHN) clementia p a r c e n s wieder auf. 490 hic om. Eug. 491 ‘sceleris V Eug., an sceleri?’ VOLLMER (1914); siehe auch Anm. 299. 492 So V, erat Eug.; eine der vielen freien Änderungen des Toletaners, der sich ja offen dazu bekennt, nach Gutdünken eingegriffen zu haben. Das läuft oft auf Normalisierung des Exquisiten hinaus. 493 reus Eug., om. V. Das David-Salomon-Exempel ist teils ähnlich teils breit variiert auch in laud. 2,664ff. behandelt. Ich zitiere die Auftaktverse: Dauid adulterii facinus homicida peregit, 665 sed scelus agnoscens culpas impune fatetur. sic reus et ueniam sceleri sub uoce meretur ... („The murderer David perpetrated the sin of adultery but, on acknowledging wrong, confesses his faults without punishement. Thus a believing sinner, upon confession, ... merits pardon of crime“ [BRESNAHAN]).

  Satisfactio destruction; though a culpable man he is not punished, though a criminal he is not executed“ (MARGARET). „Le roi David ne menaça pas de l’épée la gorge de ses ennemis; cet adultère est assurément coupable d’un crime; il reconnaît son forfait et obtient le pardon au lieu du châtiment, impunément criminel, coupable non frappé à mort“ (MOUSSY).

MOUSSY favorisiert in den kommentierenden Noten (S. 209) den überlieferten Genitiv sceleris gegenüber VOLLMERs im Apparat erwogener (und von REINWALD akzeptierter) Junktur sceleri ... inest, schweigt sich aber darüber aus, wie er die Konstruktion des Verses 158 (insbesondere inest) versteht. Seine Wiedergabe „cet adultère est assurément coupable d’une crime“ scheint dem lateinischen Text nicht gerecht zu werden; denn certus mit Genitiv dürfte eher „einer Sache gewiß“, „entschlossen zu“ bedeuten, so daß durch das Kolon sceleris certus adulter „ein zum Verbrechen entschlossener Ehebrecher“ oder „ein seines Frevels gewisser“, „unbeirrbar an seinem Frevel festhaltender Ehebrecher“ umschrieben würde, siehe ThLL III 911,43ff. (‘i. q. obstinatus, firmus’). Die hier zur Diskussion stehende Dracontiusstelle ist dort III 918,19f. (David ... certus adulter) unter der 917,9 eröffneten Rubrik ‘i. q. manifestus’ eingeordnet (die Glossen geben die Synonymenreihe φανερός apertus certus manifestus euidens), in der 917,59 auch die verwandte Dracontiusstelle laud. 3,494 ihren Platz gefunden hat. Sie handelt von dem Ehebrecher Holofernes, der die erhoffte nächtliche Wollust mit dem Tod durch Judiths Hand bezahlen muß: „Obwohl er noch nicht an das Ziel seiner Liebesbrunst gelangt ist, zahlt der Ehebrecher die Strafe für eine offenkundig vollzogene Liebesnacht, in Wirklichkeit noch unbefleckt, ohne Vollzug des Frevels“ 494. Wenn man den Kerngedanken dieser Stelle auf satisf. 157f. überträgt, dürfte sich dort ein antithetischer Auftakt des David-Exempels ergeben: „König David hat seine Feinde (die ihm schlafend in die Hände gefallen waren) vom Tod durchs Schwert verschont – und doch 495 ist der gleiche Mann (hic) als offenkundiger Ehebrecher in eine Freveltat verstrickt.“ Es mag sein, daß sceleri inest für unsere Ohren etwas einfältig klingt, aber Gedankengang und Grammatik scheinen VOLLMERs sceleri zu erfordern. Da die Buchstaben c/sc aus phonetischen

 494 Drac. laud. 3,491 femineo m u c r o n e perit dux fortis et audax; quem non bella domant, domuit promissa uoluptas; haec sperata licet, non est perfecta libido et certae noctis poenas persoluit adulter 495 impollutus adhuc nullo sub crimine facti. Im Thesaurusartikel wird certae noctis durch ‘vere perpetrati coitus’ erläutert. 495 Konzessives et!

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Gründen oft vertauscht werden, muß es nicht verwundern, wenn aus sceleri certus in den Handschriften die Graphie sceleriscertus wurde. Vielleicht kann man der Junktur s c e l e r i i n e s s e etwas abgewinnen, wenn man ihr Formulierungen zur Seite stellt wie liberos s c e l e r i meo│ i n s e r e r e (Sen. Thy 322f.), quoque suo proprior sceleri est (Ov. met. 10,460), ipsos │ inscripsere deos sceleri (met. 15,127f.), exime nos sceleri (Val. Fl. 2,256), his [sc. zum Preis der versprochenen 30 Silbermünzen] Iudas sceleri se subdidit alto (Iuvenc. 4,427), cedit sceleri miserabilis Adam (Mar. Victor aleth. 1, 416). Der Verfasser des Thesaurus-Artikels insum hat die Dracontiusstelle unter späte Belege („usu recentiore“) eingeordnet, in denen inesse für das Simplex esse zu stehen scheint, speziell in der Verbindung mit einem Prädicativum (ThLL VII 1,2051,63ff.), eine mit Fragezeichen versehene Sonderrubrik. Sie besteht außer aus Drac. satisf. 158 aus zwei in der Zuordnung ihrerseits zweifelhaften Aratorstellen: Arator act. 2,297ff. haec namque p r o p a g o │diuinum concepit iter; hinc sacra Maria est │ ad partum generata nouum, quae coniugis expers │ m a t e r i n e s t 496, natusque Dei de uirginis aluo │ emicat und 2,1143f. agnus Christus i n e s t, panis quoque Christus habetur│de caelo, quod et ipse docet. Zu mater inest fragt der Verfasser des Thesaurusartikels: ‘an sc. in illa p r o p a g i n e ?’ (in diesem Falle, wofür einiges spricht, behielte inest seine übliche Bedeutung), zu Christus inest: ‘an intellegendum: agnus, qui est Christus, latet praefiguratus, sc. in illo agno ante nominato?’ Gemeint sind die Verse 1129ff. ‘Soluite’ proclamat Paulus ‘ieiunia fessi │ et quarto decimo, sicut nos uescimur’ inquit │ ‘iam panem gustate die’ und 1134f. hoc numero currente die de carnibus agni│turba iubetur ali. Verwandte Formulierungen, in denen inest absolut steht, sind im Thesaurusartikel in großer Zahl genannt. Bevor man seine Zuflucht zu einer Sonderbedeutung (inest = est) nimmt, wäre möglicherweise zusätzlich zu prüfen, ob in 2,1143 eine falsche Angleichung an den Nominativ Christus vorliegt. In diesem Falle hätte der Dichter ursprünglich leicht verständlich geschrieben: agno Christus inest, panis quoque Christus habetur.

 496 An der gleichen Versstelle erscheint die Junktur in Stat. Ach. 1,164f. tranquillaeque faces oculis et plurima uultu│ m a t e r i n e s t.

  Satisfactio .

Gnadenerweis ist der wahre Ruhm des Herrschers

197 Die Exempla der wohltätigen und mildgesinnten Kaiser Titus (183ff.) und Commodus (187ff.) führen zu einer die clementia der Herrscher preisenden, protreptischen Anrede an König Gunthamund: 191 ecce quid impendit homini clementia simplex, ut praestet bona dans conferat atque animae. ne facias populum mendacem, qui tibi clamat uocibus innumeris ‘rex dominusque pius’; 195 ut uox uera sonet ‘dominus’, sic uera ‘pius’ sit. orbis in ore uolat puplica merx procerum. fama ducum mos est bellis collecta cruentis, ex quibus occurrit saepe reatus atrox. Gloria bellorum ducibus populisque triumphos 200 in commune datos diuidit armipotens. nam ducibus solis praestat clementia laudem, non habet haec comitem participemque negat. „Just see what simple kindness profits man, how excellent it is, dispensing blessings, and how it applies them even to his soul. Make not dissemblers of your people who call aloud to you with shouts unnumbered, ‘King and benevolent Master!’ As the word ‘master’ rings of truth, may ‘benevolent’, too, be real; by gossip speeds the people’s estimate of the great; the renown of chieftains is u s u a l l y acquired by bloody wars, from which often dreadful crime occurs. Glory powerful in arms shares alike with the leaders in the wars and with their peoples the triumphs granted her. Forsooth, it is on leaders only that mercy bestows praise; she owns no associate, and she admits no ally“ (MARGARET).

Gemäß ThLL VIII 852,12ff. kann merx (196) soviel wie pretium, merces und dann auch praemium bedeuten. Die puplica merx procerum, also der öffentliche Lohn der Herrschenden, ist das Lob, das ihnen das Volk durch die vielstimmige Akklamation rex dominusque p i u s spendet (193f.). Es gründet auf clementia (191) und gnädigem Erbarmen (pietas, s. 194f.) und wird von Mund zu Mund in alle Welt verbreitet (196). Dies ist der wahre Ruhm der Herrschenden, von dem in 197ff. die falsche fama ducum, die manche im Kriegsruhm sehen wollen, abgesetzt wird. Beide Abschnitte sind formal durch die Begriffsentsprechungen orbis in ore uolat puplica merx procerum – fama ducum eng verzahnt, wie das bei These und Antithese üblich ist. Die klare Antithese fama ducum non est bellis collecta cruentis hatte BÜCHELER per Konjektur hergestellt. Sie ist nur von seinem Schüler DUHN in den Text ge-

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nommen worden. Seit VOLLMER (1905) sind die Herausgeber wieder zu dem überlieferten fama ducum mos est zurückgekehrt, obwohl dadurch der Satz unkonstruierbar wird (wie ein Vergleich mit laud. 1,611 und Romul. 8,169 zeigen kann). Das Perfekt non est collecta ist gnomisch; dies wird durch saepe im anschließenden Relativsatz untermauert. Im Rückblick auf die Geschichte zeigt sich: Der wahre Ruhm der Staatenlenker wird nicht durch blutige Kriege erworben; aus ihnen erwächst vielmehr allzu oft gräßliche Schuld – und sie müssen den Ruhm mit den siegreichen Soldaten teilen. Denn „die waffenmächtige Ruhmesgöttin gibt Heerführern und kämpfendem Volk gemeinsamen Anteil an den kriegerischen Erfolgen. Nur die clementia 497 gewährt das mit ihr verbundene Lob den Heerführern allein; sie kennt keinen Gefährten und keinen Teilhaber“ (vgl. 205f.). Das ursprüngliche non wurde deshalb in mos verändert, weil die Aussage des Verses 197, wenn man ihn für sich betrachtet, unsinnig erschien (es erwächst den Heerführern ja tatsächlich Ruhm aus [erfolgreich geführten] Kriegen). Erst wenn man aufgrund der Antithetik des Gedankenganges fama ducum präzisiert und ein uera (fama) hinzudenkt, versteht man die beabsichtigte Aussage und erkennt die Notwendigkeit der Verneinung, um der clementia die erforderliche Stellung als positives Gegenglied zu sichern. 214 211 te Deus aspiciens effundere nolle cruorem, ut sine peccato, non sine laude daret, contulit absenti terrae pelagique triumphos: Ansila testatur, Maurus ubique iacet. „Als Gott auf dich blickend sah, daß es dir widerstrebe, Blut zu vergießen, gewährte er dir, damit es ohne Schuld, aber nicht ohne Ruhm geschähe, in Abwesenheit Triumphe zu Wasser und zu Land: Das bezeugt Ansila, das der allenthalben geschlagen darniederliegende Maure.“

Die Übersetzung gibt den im Zusammenhang geforderten Sinn des Verses 214 wieder. Er wird im lateinischen Text erreicht, indem man iacet zu iacens ändert 498. Analoge Vertauschungen von Partizip und Verbum finitum finden sich häufig (ca. zehn Belege im App. der ‘Carmina profana’, vgl. KK 2017, 70); hier

 497 Das nam in 201 hat adversative Kraft, siehe dazu ZWIERLEIN KK (2017) 89f. 498 Anders MARGARET: „God saw that you were unwilling to cause bloodshed, and conferred triumphs upon you on land and sea, in your absence, that He might give them to you sinlessly, though not ingloriously. Ansila is witness of this; the Moor everywhere lies dead.“

  Satisfactio wurde sie befördert durch die gedankliche Angleichung an das Verb testatur 499. In Wirklichkeit dürfte testatur das gemeinsame Prädikat des doppelgliedrigen Subjekts sein. Dieser expliziert die ohne leibhaftige Anwesenheit des Königs errungenen Triumphe zu Wasser und zu Land: dem doppelgliedrigen (contulit) terrae pelagique triumphos korrespondiert in chiastischer Anordnung (testatur) Ansila, Maurus ubique iacens 500. Ansilas ist als einer der in Sizilien tätigen Kommandeure bezeugt 501; die Auseinandersetzung mit den Mauren begleitete die Vandalen während der ganzen Zeit ihrer Anwesenheit in Nordafrika 502.

.

Digression über das Thema ‘Zeit’

233 VOLLMER (1905) hat im Apparat zu 265 die Verse 219–264 als eine ‘de tempore sat molesta declamatio’ bezeichnet, die als Digression den Gedankenkonnex unterbricht. Auch innerhalb dieser Deklamation scheint der gedankliche Zusammenhang gelegentlich schwierig zu erfassen. Das hat in Vers 233 zu Überlegungen geführt, in den überlieferten Text einzugreifen: 231 numquid mox natas segetes uiror armat aristis, floribus aut genitis fructus inest subito? nouimus astra poli confectos p e r d e r e cursus transactasque simul sic r e p e t i s s e uias. „Does vegetation endow the corn still green, and newly-sprouted, with full ears; or does fruit suddenly appear upon the opening bud? ’Tis known the constellations, their courses

 499 „Vielleicht hat auch daret (212) eingewirkt“: M. DEUFERT. 500 Vgl. Ven. Fort. Mart. 4,170f. ille Iouem stolidum, hic se t e s t a t u r Anubem,│ uasa ministerii se daemonis esse nefandi („jener offenbart sich als törichter Jupiter, dieser als Anubis, daß sie Werkzeuge im Dienste des ruchlosen Dämonen seien“); Sen. Phoen 635f. clade funesta i a c e n s │ obtexit agros m i l e s; Cic. carm. frg. 49,1 BLÄNSD. dic, hospes, Spartae nos te hic uidisse i a c e n t e s; Rufin. Orig. in exod. 5,5 p. 191,7 [CB 29] hoc ergo modo possumus etiam hodie ‘Aegyptios uidere mortuos et i a c e n t e s ad litus’, submergi quadrigas eorum et equos (ebenso Caes. Arel. 97,3). 501 Siehe COMPARELLI (2006) 845; VÖSSING (2014) 48 mit Anm. 72 (S. 162). 502 Zu den Maurenkämpfen unter Gunthamund siehe VÖSSING (2014) 118f. 124f. mit den Anm. 32–34 (S. 180f.). Zu den späteren Kämpfen siehe z.B. Coripp. Ioh. 2,1f. pellitur interea cunctis uastator ab oris│M a u r u s et aduerso trepidus calcatur ab hoste; 3,454 (...) omnis et a dominis calcata est Africa M a u r i s.

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all completed, lose their way and thus at once have sought again the paths they’ve travelled o’er“ (MARGARET).

Berücksichtigt man den gesamten Abschnitt ab 219ff., scheint der Dichter, knapp zusammengefaßt, wie folgt zu argumentieren: „Alles ist der Zeit unterworfen (219f.): Das Menschenleben muß sechs Altersstufen durchlaufen, bis es mit der senectus endet (221–230). Auch die Saat trägt nicht gleich (mox), wenn sie aufgegangen ist, Ähren, und die Blüten haben nicht sofort (subito) beim Entstehen Früchte in sich. Vom Lauf der Sterne am Himmel verliert sich (sogar), wenn sie ihre Bahnen vollendet haben, jede Spur 503 und so beginnen sie ihren Weg, gleich wenn sie ihn durchwandert haben, von neuem.“ Dies wird dann zunächst am Mond (235–242), danach an der Sonne (243–246) expliziert. Die punktierten Linien machen die Steigerung von natas/genitis zu confectos/transactas deutlich. Statt perdere haben COLLINS und GENNARO das von VOLLMER erwogene, aber abgelehnte pergere aufgenommen 504. Doch ist die Steigerung von non mox und non subito zu perdere (mit dem folgenden repetisse [= repetere]) konsequent. Als literarische Parallele sollte der bei MOUSSY (S. 216) aus MARGARET (1936) S. 92 zitierte Vers uestigia nulla figens perambulo terras 505 durch Symph. 56 curro uias multas, uestigia nulla relinquens ersetzt werden. Dieser stammt aus dem 4. oder 5. Jh., könnte also dem Dracontius bekannt gewesen sein. Zur Junktur confectos p e r d e r e cursus sei daran erinnert, daß Dracontius zweimal perdere im Sinne von ‘etwas vergeblich, umsonst tun’ verwendet 506 und deshalb wohl offen war für die Formulierung „einen vollendeten Lauf (wieder) verlieren“, d.h. „vergeblich gelaufen zu sein“. Nur wenige Verse zuvor (185) hatte er den notorischen Ausruf des Kaisers Titus wiedergegeben: ‘P e r d i d i m u s hac luce d i e m’ (wenn sich keine Gelegenheit ergeben hatte, Bittflehenden Wohltaten zu erweisen) 507.

 503 So AREVALO: „intellige quia vestigium cursus nullum superest postquam sol recessit.“ 504 Siehe hierzu MOUSSYs Erläuterung S. 216 (mit den bibliographischen Angaben). Auch Versuche, mit uertere oder flectere (cursus) zu operieren, treffen nicht ins Schwarze. 505 Er steht in Enigm. Bern. 55 (De sole) aus dem 7. oder 8. Jh. (AL 481 R.2). 506 Siehe Orest. 268 (aper) p e r d i t uacuos collisis morsibus ictus („teilt vergeblich leere Stöße aus, die Hauer aufeinanderschlagend“) und 745f. ‘inanes│perdis’ ait ‘lacrimas’ (Orest zur Mutter, die um Schonung bittet): „Du vergießt umsonst leere (unwirksame) Tränen“ (Dracontius zitiert hier Stat. Theb. 2,656). Siehe ThLL X 1,1267,20ff. (‘p e r d i t is qui aliquid f r u s t r a i m p e n d i t, cuius contentio i r r i t a fit vel p e r v e r t i t u r, ut ei non contingat id quod appetit’). 507 M. DEUFERT verweist auf den textkritisch häufig in Frage gestellten Horazvers sat. 2,6,59 p e r d i t u r haec inter misero lux.

  Satisfactio 246 Der Abschnitt 235–250 entfaltet die Themen ‘Zunehmen und Abnehmen des Mondes’, ‘Licht und Dunkel (der Sonne) im Kreislauf von Tag und Nacht’, ‘Wechselseitige Veränderung der Zeitdauer von Tag und Nacht’: 235 tempore l u n a suo crescit uel deficit orbe, cuius ad aetatem plurima lege notant 508. nam luna crescente fretum crementa resumit, qua minuente polis est minor unda maris. Cynthia dum crescit, fontes et flumina crescunt, 240 haec eadem minuunt, Cynthia dum minuit. ipsa medulla latens obseruat cornua lunae, obseruant lunae tecta cerebra globos. S o l oculus caeli radians fuscatur ab umbra et tamen ad solitas itQVE reditQVE plagas 509, 245 ac recipit facies priscas lucesQVE resumit: damna uel augmentum dantQVE e l e m e n t a ferunt. alternant e l e m e n t a uices et tempora mutant, tempus habent noctes, tempus et ipse dies 510; accipiunt augmenta dies noctesQVE uicissim 250 ac minuunt 511 cursus perpete lege poli. „In due season the moon waxes or wanes; it is evident that many things occur with the regularity of its phases. For with the waxing moon the sea recovers its flood, with its waning in the heavens, the sea-tide is at its neap. While Cynthia expands her disk, springs and streams rise; these likewise run low when Cynthia diminishes. The very marrow, concealed as it is, takes note of the moon’s horns; the hidden brain gives heed to the moon’s orb. The glistening sun, eye of the universe, is darkened by her shadow, yet it travels to its usual realms and returns, and too, it regains its former appearance and resumes its brilliance. These occasion losses or increase, as the elements make their contributions. Elements mutually interchange and seasons vary; darkness has its allotted time, daylight too its span. Days are lengthened, and in their turn the nights, and too, they shorten their journeys by law celestial without pause“ (MARGARET).

 508 Zu verstehen ist cuius ad aetatem plurima l e g e (sc. fieri) n o t a n t (sc. homines [vgl. nouimus in 233]); siehe Manil. 2,958f. tali s u b l e g e n o t a n d a e │ templorum tibi sunt uires; 4,408 h a c tibi nascentum mores sunt l e g e n o t a n d i. 509 Vgl. Vulg. Eccl. 1,5ff. oritur sol et occidit et a d l o c u m s u u m r e u e r t i t u r; ibique renascens gyrat per meridiem et flectitur ad aquilonem, lustrans uniuersa in circuitu pergit spiritus et in circulos suos regreditur. 510 Nach diesem Muster ist anschließend in 252 mit AREVALO tempus et autumnus [-um V], tempus habet hiemes zu schreiben. 511 Dies ist eine Emendation VOLLMERs (1914) für überliefertes amittunt (V, et minuunt Eug. [M]).

Der Dichter bittet den König um Gnade  

VOLLMER hat am Ende von Vers 245 Doppelpunkt gesetzt, um anzudeuten, daß der Pentameter 246 das (vorläufige) Resümee aus den beiden voraufgehenden Abschnitten zieht: „Minderung oder Mehrung geben und tragen davon die (das Element Feuer verkörpernden) Gestirne Sonne und Mond“ 512. Der hier gewählten Übersetzung liegt das in V überlieferte dantque zugrunde, das in allen Ausgaben durch AREVALOs Konjektur dant quae ersetzt ist – ungeachtet der harten Elision („und das noch in der zweiten Hälfte des Pentameters“ [M. DEUFERT]) 513. Nach MOUSSY bedeutet quae elementa ferunt: „Ce qu’on nomme les éléments (provoque perte ou accroissement)“. Er sieht also in ferunt ein Synonym zu dicunt, obwohl er VOLLMERs Deutung ferunt = auferunt kennt. Es liegt aber auf der Hand, daß die Verba dant – ferunt ähnlich in Korrespondenz stehen wie damna – augmenta, itque reditque (244), recipit – resumit (245), noctes – dies (248), dies noctesque (249), vgl. crescit uel deficit (235) etc. Das wird wenig später durch Vers 260 (tempora dant lucrum, tempora damna ferunt) außer Zweifel gestellt und läßt sich (formal) stützen durch Ov. fast. 2,234 uulneraque alterna dantque feruntque manu. Somit bleibt die scheinbare Wahl zwischen AREVALOs asyndetischem dant elementa ferunt und der Annahme, der Dichter habe ein einziges Mal in seinem ganzen Œuvre, soweit es uns erhalten ist, in freier Inversion die Partikel -que an das erste statt an das zweite Verb geknüpft und aus metrischen Gründen dantque elementa ferunt geschrieben, wo er nach horazischer oder tibullischer Manier allenfalls (extra metrum) dant elementaque ferunt hätte schreiben dürfen [die naheliegende Alternative dant elementa feruntque bleibt hier außer Betracht] 514. Die Annahme eines solchermaßen nach vorne gezogenen -que scheint ausgeschlossen, ebenso aber in diesem Zusammenhang (zumal im Pentameter) die Herstellung eines hypermetrischen -que (dantque ... ferunt.│alternant) 515. Denn vor alternant liegt starker Sinneinschnitt 516. Man muß also zu der von AREVALO in der  512 Zu elementa in der Bedeutung ‘Sonne und Mond’ oder ‘Himmelskörper’ allgemein verweist MOUSSY (S. 218) auf ThLL V 2,346,81f. und 347,1f. (vgl. 346,72 ‘ignis [caelum, sol, sidera]’), siehe z.B. Tert. ieiun. 10 p. 288,6 [CSEL 20] (Iesus Nave) ipsis e l e m e n t i s stationem imperauit. ... stetit s o l et l u n a in statione. 513 AREVALO selbst hat in seiner Edition seine eigene Konjektur verschmäht und stattdessen -que gestrichen (also: dant elementa ferunt). 514 Siehe ZWIERLEIN KK 2017, 91 mit Anm. 282 (Romul. 7,133 iubet ... ueniamque relaxat). VOLLMER hat im Index (1905) lediglich vier Belege genannt, in denen -que an dritter statt an der üblichen zweiten Stelle steht, siehe laud. 2,204 angelicis animisque piis adorande cateruis; 2,295 sollicitat glaucumque fretum mucrone cruento; Romul. 2,39 frater uitietque sororem; 100 mirantur Hylanque. Das spricht gegen ALFONSIs Verteidigung von dantque (GIF 13, 1960, 351ff.). 515 Zu hypermetrischem -que bei Dracontius (bes. laud. 1,273) siehe ZWIERLEIN KK 2017, 155f. 516 Der Einsatz eines neuen, leicht adversativen Gedankens, der durch Stichworttechnik (elementa – elementa) angeknüpft ist, verträgt nicht das Scharnier eines hypermetrischen -que.

  Satisfactio Ausgabe vorgenommenen Tilgung des -que zurückkehren. In dem Kolon dant elementa ferunt wird eine asyndetische Fügung gewonnen, wie sie Dracontius liebt. Die Ursache der Korruptel habe ich im oben gegebenen Textabdruck durch die Kapitälchen sichtbar zu machen versucht: Unmittelbar über dant steht lucemque und darüber wiederum itque reditque. Diese Häufung hat nach unten eingewirkt und dort ein zusätzliches dant entstehen lassen.

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Abschließende Bitte des Dichters an König Gunthamund, er möge ihn begnadigen

265 265 ut mi irascaris, quis sim dignior ira 517 tam magni regis iudicer esse tua? „Who may I be that you should be angered at me, that I am considered worthy your wrath – the wrath of so great a king?“ (MARGARET). „Qui suis-je pour que tu t’irrites contre moi, pour que je sois jugé digne de la colère du roi si pouissant que tu es?“ (MOUSSY).

Die hier wiedergegebene Fassung des Verses 265 hat MOUSSY nach einem Vorschlag von KUIJPER hergestellt. In V ist qui sim dignior überliefert. VOLLMER hatte qui sum? num? erwogen, BÜCHELER qui sim si (SPERANZAs qui sim wird man nicht einmal im App. erwähnen). M.E. sollte ut mi irascaris, quis sum, ... iudicer geschrieben werden („Wer bin ich, daß du mir zürnst, daß ich für würdig erachtet werde des Zornes eines so großen Königs, wie du ihn verkörperst?“). Dafür sprechen Formulierungen wie Vulg. Ex. 3,11 dixit Moses ad Deum: ‘Quis ego sum ut uadam ad Pharaonem et educam filios Israhel de Aegypto?’ (vgl. Ambr. epist. 8,55,8 ‘Quis sum ego ut uadam et educam populum a regis potestate?’); 1Reg 18,18 ait autem Dauid ad Saul: ‘Quis ego sum ... ut fiam gener regis?’; Paral. 1,17,16 dixit (sc. rex Dauid): ‘Quis ego sum, Domine Deus, ... ut praestares mihi talia; 2,2,6; ferner Ambr. in psalm. 40,7,3 et quis ego sum qui de illa i u d i c e m, qua homo angelorum conciliis inseretur? Rufin. Orig. in Lev. 7,2 (CB 29 p. 377,20) hoc fortasse mihi dicenti non credas; quis enim ego sum, qui confirmare sententiam tanti dog-

 517 Der Versschluß stammt vielleicht aus Stat. Theb. 8,122 (illa [sc. coniunx] t u a, rector bone, d i g n i o r i r a). Zu vergleichen ist ferner Lucan. 3,136f. d i g n u m t e C a e s a r i s i r a │nullus honor faciet.

Der Dichter bittet den König um Gnade  

matis a u d e a m? Aug. bon. viduit. 12,15 quis enim sum, qui p u t e m definiendum, quod nec apostolum uideo definisse? Beide Beispielsreihen ließen sich leicht erweitern. Es wäre also in satisf. 265 anstelle einer denkbaren anaphorischen Konstruktion (quis sum, ut ..., ut) die Variation gewählt und somit die beiden möglichen Konstruktionen (quis sum, ut und quis sum, qui) kombiniert worden 518. Der Komparativ (hier dignior) vertritt bei Dracontius öfter den Positiv, zum Teil wohl aus metrischer Bequemlichkeit; doch zeigt sich das Phänomen auch sonst, siehe HOFM.-SZ. 168f., bes. 169 (164) 519.

 518 Dazu RIESENWEBER: „aber auch ut hätte nach sum leicht ausfallen können.“ 519 Mit Mail vom 15.6.2018 schreibt R. JAKOBI: „quis sum qui bereits HALL 1990, 282.“ Auf COMPARELLIs Ut mihi irascaris, qui sim? dignior ... iudicer ...? „interpretando il qui integrato con valore di avverbio dubitativo“ (‘perqué ti adiri con me? Chi dovrei essere? Come potrei essere gudicato ...’) [2006, 93] wird man besser nicht bauen.

Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis (Es KK 2017, 303ff. verwiesen. Hier sind nur jene Titel aufgenommen, die sich (Es wird wird auf auf Z ZWIERLEIN WIERLEIN KK 2017, 303ff. verwiesen. Hier sind nur jene Titel aufgenommen, die sich auf auf die die ‘Carmina ‘Carmina christiana’ christiana’ beziehen beziehen oder oder in in diesem diesem Band Band zitiert zitiert werden.) werden.)

Dracontius-Ausgaben Dracontius-Ausgaben (und (und -Kommentare) -Kommentare) Arevalo, Arevalo, F.: F.: Dracontii, Dracontii, Blossii Blossii Aemilii Aemilii Carmina, Carmina, rec. rec. Faust. Faust. Arevalo, Arevalo, qui qui prolegomena, prolegomena, varias varias vett. edit. lectiones, perpetuasque notationes adiecit. Romae 1791 vett. edit. lectiones, perpetuasque notationes adiecit. Romae 1791 Migne, Migne, I. I. P.: P.: Dracontii, Dracontii, Blossii Blossii Aemilii, Aemilii, Presb. Presb. Hisp., Hisp., Opera, Opera, Accurante Accurante I. I. P. P. Migne. Migne. Parisiis Parisiis 1847 1847 (PL 60) (PL 60) de de Duhn, Duhn, F.: F.: Dracontii, Dracontii, Blossii Blossii Aemilii Aemilii Carmina Carmina minora minora plurima plurima inedita inedita ex ex codice codice Neapolitano Neapolitano ed. Fr. de Duhn, Lipsiae 1873 (dort im krit. App. S. 80–90 auch Büchelers ed. Fr. de Duhn, Lipsiae 1873 (dort im krit. App. S. 80–90 auch Büchelers Konjekturen Konjekturen zur zur Satisfactio) Satisfactio) Rossberg, Rossberg, K.: K.: Materialien Materialien zu zu einem einem Commentar Commentar über über die die Orestis Orestis tragoedia tragoedia des des Dracontius. Dracontius. Als Als Vorläufer Vorläufer einer einer commentierten commentierten Ausgabe Ausgabe der der Werke Werke des des Dracontius Dracontius veröffentlicht. veröffentlicht. Progr. Progr. d. d. Andreanum Andreanum Hildesheim, Hildesheim, Berlin Berlin 1888. 1888. 1889 1889 Vollmer, Vollmer, F.: F.: Fl. Fl. Merobaudis Merobaudis reliquiae reliquiae Blossii Blossii Aemilii Aemilii Dracontii Dracontii carmina carmina Eugenii Eugenii Toletani Toletani episcopi episcopi carmina et et epistulae epistulae cum cum appendicula appendicula carminum carminum spuriorum spuriorum edidit edidit Fridericus Fridericus Vollmer, Vollmer, BeBecarmina rolini rolini 1905 1905 (MGH, (MGH, auct. auct. ant. ant. 14) 14) [Nachdruck [Nachdruck 1961] 1961] Vollmer, Vollmer, F.: F.: Poetae Poetae Latini Latini Minores, Minores, post post Ae. Ae. Baehrens Baehrens iterum iterum rec. rec. F. F. Vollmer. Vollmer. Vol. Vol. V: V: Dracontii Dracontii de de laudibus Dei. Satisfactio. Romulea. Orestis tragoedia. Fragmenta. Incerti Aegritudo laudibus Dei. Satisfactio. Romulea. Orestis tragoedia. Fragmenta. Incerti Aegritudo PerdiPerdicae, Leipzig Leipzig 1914 1914 cae, Gennaro, Gennaro, S.: S.: Draconzio. Draconzio. Satisfactio Satisfactio (Introduzione, (Introduzione, Testo, Testo, Traduzione Traduzione e e Commento), Commento), Catania Catania 1959 (Nuovo Didaskaleion 9,1–2) 1959 (Nuovo Didaskaleion 9,1–2) Corsaro, Corsaro, F.: F.: Blossii Blossii Aemilii Aemilii Dracontii Dracontii De De laudibus laudibus Dei Dei libri libri tres, tres, recensuit, recensuit, italice italice vertit vertit FranciFranciscus Corsaro, Catania 1962 scus Corsaro, Catania 1962 Speranza, Speranza, F.: F.: Blossi Blossi Aemili Aemili Draconti Draconti Satisfactio Satisfactio (una (una cum cum Eugeni Eugeni recensione), recensione), Roma Roma 1978 1978 Moussy, C. – Camus, C.: Dracontius, Œuvres, Tome I: Louanges de Dieu, livre I Moussy, C. – Camus, C.: Dracontius, Œuvres, Tome I: Louanges de Dieu, livre I et et II, II, texte texte étaétabli, traduit et commenté par Claude Moussy et Colette Camus, Paris 1985 bli, traduit et commenté par Claude Moussy et Colette Camus, Paris 1985 Moussy, C.: C.: Dracontius, Dracontius, Œuvres, Œuvres, Tome Tome II: II: Louanges Louanges de de Dieu, Dieu, livre livre III, III, Réparation, Réparation, texte texte établi établi et et Moussy, traduit traduit par par Claude Claude Moussy, Moussy, Paris Paris 1988 1988 Bouquet, Bouquet, J. J. – – Wolff, Wolff, É.: É.: Dracontius, Dracontius, Œuvres, Œuvres, Tome Tome III: III: La La tragédie tragédie d'Oreste. d'Oreste. Poèmes Poèmes profanes profanes I– I– V, introd. par Jean Bouquet et Étienne Wolff; texte établi et traduit par Jean Bouquet, V, introd. par Jean Bouquet et Étienne Wolff; texte établi et traduit par Jean Bouquet, Paris Paris 1995 (= (= 2002) 2002) 1995 Wolff, Wolff, É.: É.: Dracontius, Dracontius, Œuvres, Œuvres, Tome Tome IV: IV: Poèmes Poèmes profanes profanes VI–X. VI–X. Fragments, Fragments, texte texte établi établi et et trad. trad. par Étienne Wolff, Paris 1996 (= 2002 = 2014) par Étienne Wolff, Paris 1996 (= 2002 = 2014) Alberto, Alberto, P. P. F.: F.: Eugeni Eugeni Toletani Toletani opera opera omnia, omnia, cura cura et et studio studio Paulo Paulo Farmhouse Farmhouse Alberto, Alberto, Turnhout Turnhout 2005 (CCL 114) 2005 (CCL 114) Kaufmann, Kaufmann, H.: H.: Dracontius, Dracontius, Romul. 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Stellenregister Stellenregister Albert. Albert. Stad. Stad. Troil. Troil. – – 4,773 4,773 Alcimus Alcimus Avitus Avitus carm. carm. – – 1,218f. 1,218f. – – 1,221 1,221 – – 1,222 1,222 – – 1,227f. 1,227f. – – 1,229 1,229 – – 1,231f. 1,231f. – – 1,247–250 1,247–250 – – 1,256f. 1,256f. – – 1,322 1,322 – – 1,413f. 1,413f. – – 2,20f. 2,20f. 25 25 – – 2,98f. 2,98f. 182. 182. 216 216 – – 2,271–276 2,271–276 – – 2,275 2,275 – – 3,5 3,5 – – 3,81–89 3,81–89 – – 3,85 3,85 – – 3,138–141 3,138–141 – – 5,470 5,470 – – 5,582f. 5,582f. Alcuinus Alcuinus carm. carm. – – 60,11 60,11 Aldhelm Aldhelm enigm. enigm. – – 4,3 4,3 Ambrosiaster Ambrosiaster (= (= Ps.Aug.) Ps.Aug.) quaest. test. quaest. test. – – 112,11 112,11 p. p. 291,21 291,21 Ambrosius Ambrosius epist. epist. – – 8,55,8 8,55,8 – – 10,73,7 10,73,7 in in Luc. Luc. – – 10,181 10,181 off. off. – – 3,1,6 3,1,6

A. A. 132 132 54 54 54 54 54 54 54 54 54 54 54 54 54 54 55 55 A. A. 149 149 A. A. 161 161 A. A. 149 149 A. A. 149 149 53 53 58 58 59 59 A. 150 A. 150 A. A. 148 148 59 59 188 188 A. A. 88 88 160 160 12 12 113 113

198 198 136 136 92 92 A. A. 481 481

https://doi.org/10.1515/9783110650426-006 https://doi.org/10.1515/9783110650426-006

paenit. paenit. – – 1,13,63 1,13,63 in in psalm. psalm. – – 40,7,3 40,7,3 – – 43,2,2 43,2,2 in in psalm psalm 118 118 – serm. – serm. 5,9,1 5,9,1 Anthologia Anthologia Latina Latina (AL) (AL) 2 – 21,104 – 21,104 R R2 (= (= 8,104 8,104 SB) SB) 2 – 212,5f. – 212,5f. R R2 (= (= 203,5f. 203,5f. SB) SB) 2 – 270,1–3 – 270,1–3 R R2 (= (= 264,1–3 264,1–3 SB) SB) 2 – 376,12 – 376,12 R R2 (= (= 371,12 371,12 SB) SB) 2 – 580,1f. – 580,1f. R R2 2 – – 587,1ff. 587,1ff. R R2 2 – 590,1ff. R – 590,1ff. R2 Anth. Anth. Pal. Pal. – – 5,23,2 5,23,2 – – 9,17,3f. 9,17,3f. – – 9,18,1 9,18,1 Appendix Appendix Vergiliana Vergiliana Culex Culex – – 260 260 Appian Appian – – 6,15,97f. 6,15,97f. Apponius Apponius – – 7,37f. 7,37f. – – 7,42f. 7,42f. Arator Arator act. act. – – 2,297ff. 2,297ff. – – 2,1062–1066 2,1062–1066 – – 2,1129ff 2,1129ff.. 1134f. 1134f. – – 2,1143f. 2,1143f. Augustinus Augustinus bapt. bapt. – – 2,6,9 2,6,9 bon. bon. viduit. viduit. – – 12,15 12,15 civ. civ. – – 1,9 1,9

103 103 198 198 110 110 A. A. 40; 40; S. S. 20f. 20f. 47 47 A. A. 128 128 A. A. 227 227 47 47 31 31 31 31 32 32 A. A. 101 101 A. A. 235 235 A. A. 235 235 A. A. 416 416 153 153 21f. 21f. +65 23 23+65 191 191 72 72 191 191 191 191 101 101 199 199 A. A. 272 272

  Stellenregister (Aug. civ.) – 1,14 – 15,5 corrept. – 5,7 c. Cresc. – 3,56,62 epist. – 73,3 – 157,3,11 in Gal. – 42,15 gen. c. Manich. – 2,17,25 c. Iulian. op. imperf. – 2,7 c. Pelag. – 4,10,28 in psalm. – 63,4 – 140,11 serm. – ed. Mai 131,2 – [Aug.] serm. 257,4 solil. – 1,4 Ps.Aug.: s. Ambrosiaster Avienus Arat. – 338 – 1457f. – 1576 orb. terr. – 936 Ausonius – IV 6f. GREEN – XIII 15,2 GREEN – XVIII 51ff. GREEN Ps. Ausonius – App. IV A 2,3ff. GREEN Beda Venerabilis in cant. – 2,4,3

A. 161 94 A. 272 A. 483 188 102 A. 159 57 57 A. 283 57 57 110 110

12

186 A. 94 A. 368 47 A. 168 86. 87f. A. 370

176

A. 38

in gen. – 3,14,1–2 – 4,17,1–2 prov. Salom. – 2,10,9 Boethius cons. – 2,1,7 – 2 carm. 3,1ff. – 4,6,57 carm. adv. Marc. – 5,205f. carm. de resurr. – 13 – 54f. – 141–147 – 146f. – 306 Carmina epigraphica (CE) – 398,4 – 682,3 – 1997,8 Cassiodor in psalm. – praef. lin. 23 – 101,3 lin. 146 Catull – 34,15f. Cicero carm. frg. – 49,1 Blänsd. fam. – 2,10,2 leg. – 1,30 nat. deor. – 2,103 – 2,149 off. – 3,2 rep. – 2,31 Tusc. – 1,98 Claudian – 1,1f. – 7,96f.

105 A. 468 166

71 27f.; A. 90 71 63 111 78 A. 422 34 111 186 A. 139 176

A. 227 A. 468 A. 99

A. 500 78 A. 456 A. 99 172 A. 481 A. 393 158 76 188

Stellenregister  

(Claud.) – 20,377ff. – 24,237ff. – 24,272f. – 24,292ff. – 24,315ff. – 24,341 – 28,1f. rapt. Pros. – 2 praef. 25f. – 2,361 Columella – 9,5,1 – 10,176f. Commodian apol. – 363–368 Coripp Ioh. – 2,1f. – 3,256f. – 3,454 – 6,357 – 6,370 – 7,130–132 Iust. – 2,26f. – 3,57f. – 4,306 Cyprianus Gallus gen. – 57 – 586f. exod. – 1202 lev. – 248ff. – 260f. iud. – 13 Ies. Nav. – 11 Dracontius Romul. 1 (Praef.) – 1,9

140 A. 240 A. 240 A. 240 A. 240 A. 240 A. 459 A. 242 157 A. 481 A. 50

A. 420

A. 502 67 A. 502 184 A. 472 A. 315 A. 209 A. 414 83

A. 287 113 162 156 156 A. 398 111

90

2 (Hyl.) – 2,2f. 171 – 2,6f. A. 15 – 2,40 A. 304 – 2,46–48 80 – 2,147 73 3 (Praef.) – 3,3f. A. 144 – 3,4 70 6 (Epithal. in fratribus) – 6,4 161 – 6,35–40 169f. – 6,39f. A. 459 – 6,83 A. 383 7 (Epithal. Ioannis) – 7,115 A. 222 – 7,146–150 112 8 (Hel.) – 8,85–87 162 – 8,106 A. 94 – 8,285 188 – 8,301 A. 460 – 8,330 42 – 8,385f. A. 182 – 8,595f. 112 – 8,599 A. 460 – 8,604f. A. 228 9 (Delib. Achillis) – 9,18ff. 34 – 9,51f. 166; A. 436 – 9,191f. 165 – 9,219 A. 182 10 (Med.) – 10,1–5 A. 423 – 10,102f. 31 – 10,130ff. 35 – 10,149 A. 99 – 10,239 184; A. 488 – 10,245 87 – 10,290 A. 222 – 10,407 87 – 10,417 A. 297 – 10,451f. A. 253 – 10,470f. A. 84 – 10,495 76 – 10,526 A. 190 – 10,568f. A. 80

  Stellenregister (Drac. Romul.) – 10,570f. – 10,591f. Orest. – 20 – 54 – 80–82 – 89–93 – 251 – 268 – 466f. – 694 – 745f. – 821 – 908f. laud. – 1,1f. – 1,10f. – 1,29–34 – 1,29–114 – 1,30f. – 1,39–42 – 1,43–81 – 1,54 – 1,62–68 – 1,63f. – 1,82–88 – 1,89–91 – 1,92f. – 1,92–100 – 1,93 – 1,94 – 1,101f. – 1,101–108 – 1,102 – 1,112–114 – 1,114 – 1,115–117 – 1,116 – 1,152–154 – 1,174 – 1,180–183 – 1,181f. – 1,183 – 1,184 – 1,185

A. 253 A. 297 160 A. 154 124 124 103 A. 506 115 161 A. 506 103 113 3 A. 486 3 3ff. 6 4 4 46. 175 8f. 8f. 4f. 5 5f. 165 5f. 6f. 7 A. 15. 188; S. 165 7f. A. 15 10 10f. 8 25+74 11f. A. 35 12f. 15 54 22 54 54

– 1,189f. – 1,192f. – 1,196f. – 1,199 – 1,201–205 – 1,203f. – 1,204 – 1,205f. – 1,206–215 – 1,207 – 1,208f. – 1,208–210 – 1,211–213 – 1,213–215 – 1,214 – 1,215 – 1,216ff. – 1,221ff. – 1,221–225 – 1,224–229 – 1,226–228 – 1,231 – 1,234–245 – 1,241 post 234 – 1,255 – 1,267f. – 1,269 – 1,270ff. – 1,272–297 – 1,277–280 – 1,278f. – 1,284f. – 1,286 – 1,287 – 1,288–291 – 1,289 – 1,291 – 1,292–306 – 1,298–303 – 1,299f. – 1,307 – 1,311 – 1,317–322 – 1,322 – 1,323–325 – 1,369f. – 1,373–380

54 54 54 54 12f. 14; A. 42 14. 16. 54 13ff. 16ff. 25f. 26ff. A. 89 25; A. 75 32f. 25 A. 77 A. 78 28 A. 93 28f. 33 33f. A. 102 35 35ff. A. 114 A. 149 62; A. 113 37f. 43 86. 89ff. 39 A. 169 140 A. 169 40 87 40 40f. 43 40ff. 43 51 43f. 43ff. 47 170 48

Stellenregister  

(Drac. laud.) – 1,375 – 1,380 – 1,389f. – 1,391 – 1,409f. – 1,412f. – 1,417ff. – 1,427–431 – 1,427–436 – 1,449–453 – 1,453 – 1,456f. – 1,465ff. – 1,473f. – 1,483–486 – 1,491f. – 1,491–494 – 1,496–501 – 1,497 – 1,500 – 1,502–504 – 1,508 – 1,533–536 – 1,535 – 1,536–542 – 1,566 – 1,570–583 – 1,576 – 1,576–578 – 1,579 – 1,580–583 – 1,590 – 1,600–605 – 1,604 – 1,607 – 1,609 – 1,663ff. – 1,671 – 1,688f. – 1,690–692 – 1,693–695 – 1,695 – 1,697f. – 1,702–706 – 1,707–711 – 1,709

48f. A. 141 50 164 A. 86 61 A. 86 A. 208 A. 74 50 50f. A. 371 A. 149 A. 148. 151 A. 148 51ff. 51f. 54 54 54f. 56 A. 240 56 56f. 58f. 59 60 111 112 59ff. A. 286 70 62f. 62ff. 111 111; A. 466 32f. 29. 137 77 A. 193. 486 65 65f. 66; A. 186 112 66f. 66f.

– 1,726 – 1,733 – 1,734 – 1,736f. – 1,743–754 – 1,745 – 2,3ff. – 2,3–7 – 2,5–11 – 2,10f. – 2,15–26 – 2,19–24 – 2,23 – 2,25 – 2,27 – 2,32–43 – 2,41–43 – 2,44–46 – 2,45f. – 2,47–51 – 2,48 – 2,50 – 2,58–61 – 2,63 – 2,66 – 2,66–81 – 2,76f. – 2,77 – 2,89 – 2,95–97 – 2,107–116 – 2,111f. – 2,112 – 2,116 – 2,134f. – 2,150 – 2,154 – 2,166f. – 2,170–175 – 2,172 – 2,208 – 2,208–212 – 2,210 – 2,215 – 2,226–231 – 2,248f. – 2,262–264

A. 193. 208 A. 78 A. 285 A. 78 68f. 68ff. A. 202 11 A. 462 A. 100; S. 175 74 42f. 45 A. 149. 423 74 74f. 65 74f. A. 426 75 75f. 76f. 77 78 110 78f. A. 219 79ff. 51; A. 209 A. 208 81 81ff. A. 207 82 84 A. 465 A. 470 162 85 85 176f.; A. 440 177 176f. 86 A. 219 98 40

  Stellenregister (Drac. laud.) – 2,262–267 – 2,275f. – 2,283–285 – 2,284 – 2,285 – 2,296–302 – 2,298 – 2,303–311 – 2,304 – 2,306 – 2,315 – 2,321–328 – 2,339–342 – 2,347f. – 2,368 – 2,397–413 – 2,397f. – 2,408f. – 2,431–434 – 2,434 – 2,435–437 – 2,436f. – 2,440ff. – 2,442–447 – 2,461–463 – 2,462f. – 2,481–486 – 2,484 – 2,492–495 – 2,494f. – 2,496 – 2,510 – 2,532 – 2,536–555 – 2,617f. – 2,622 – 2,635 – 2,664ff. – 2,665f. – 2,666. 668 – 2,672f. – 2,693ff. – 2,699ff. – 2,708 – 2,708–714 – 2,709f.

80 86 86 A. 246 86ff. 91 91f. 93 93f. 94ff. 98 97 A. 168 A. 77 A. 486 99 100f. 101ff. 103 103f. 104 104f. 105 106f. 105f. 106ff.+283 109 109f. 110 110ff. A. 316 82 A. 368 163 A. 419 A. 228 A. 383 A. 493 114 115 113f. A. 432 A. 15. 432 6 A. 432 10. 100f.

– 2,726–732 – 2,730 – 2,755 – 2,775–781 – 2,779 – 2,785ff. – 2,791ff. – 2,817 – 3,4ff. – 3,36 – 3,96–101 – 3,101–117 – 3,103 – 3,105f. – 3,110f. – 3,122–124 – 3,165f. – 3,188f. – 3,190 – 3,195–197 – 3,199f. – 3,201–203 – 3,205 – 3,207f. – 3,210–214 – 3,219ff. – 3,243 – 3,248f. – 3,251–261 – 3,252 – 3,252–254 – 3,257ff. – 3,285–290 – 3,290 – 3,322f. – 3,324–332 – 3,330–332 – 3,362 – 3,367 – 3,371–376 – 3,397–400 – 3,407–410 – 3,411ff. – 3,419–421 – 3,419–423 – 3,431 – 3,439ff.

114 114f. 115 115f. 115ff. 74f. 162 163 A. 228 A. 73 119 144f. 119ff. 126ff. 120 121. 123 122ff. 134 135 135. 136 A. 316 A. 378 135ff. 139 A. 374 136 139f. A. 367 A. 423 A. 190 141ff. A. 138 144f. 143f. 145 145f. A. 404 A. 404 146f. A. 406 A. 396 147ff. 149f. 151ff. A. 409 A. 404 151ff. A. 138 153f.

Stellenregister  

(Drac. laud.) – 3,447–459 – 3,451 – 3,454–467 – 3,455 – 3,461–467 – 3,507 – 3,510–515 – 3,511 – 3,517 – 3,518f. – 3,518–520 – 3,542–546 – 3,543f. – 3,544 – 3,547 – 3,547–551 – 3,584f. – 3,588–591 – 3,610f. – 3,633ff. – 3,636f. – 3,641–644 – 3,664 – 3,670 – 3,670ff. – 3,672–674 – 3,675–679. 687f. – 3,678f. – 3,680–686 post 707 – 3,681 – 3,687f. – 3,706f. 680– 686. 708 – 3,722–726 – 3,723 – 3,724bf. – 3,726–735 – 3,731f. – 3,743f. – 3,754 satisf. –1 – 24 – 37–40

154f. 156 153 155 144 A. 404 157 157f. A. 182 A. 404 A. 407 159 159f. 160 160ff. 160f. 112f. 113 165 165 165 163 173 A. 437 163 164ff. 167f.; A. 446 167ff. A. 438; S. 173 171f. 171 171ff. 173f. 173ff. A. 460 A. 486 168 10 A. 471 A. 437 168 183

– 37 – 38 – 39 – 49f. – 55–58 – 55–92 – 81–90 – 90 – 99 – 100 – 104 – 107–110 – 109 – 113f. – 119f. – 133 – 137f. – 149f. – 151 – 157–160 – 158 – 159 – 165f. – 183 – 191f. – 191–202 – 197 – 209 – 211–214 – 214 – 218 – 231–234 – 235–250 – 246 – 252 – 260 – 265f. – 273f. – 304 Ennodius carm. – 2,23,1 – 2,98,2 – 2,101,1f. – 2,128,1–7 – 2,128,4–7 – 2,147,7

183f. 184 184ff. A. 443 41 41 41 A. 119 A. 15 65 187 187 187f. 187 188 A. 425 A. 371 A. 15 A. 450 189 189ff. A. 15; S. 114 A. 489 A. 398 A. 385 192 192f. A. 486 193 193f. 87 194f. 196 197f. A. 510 197 198f. A. 486 65

A. 398 A. 243 18 174f. A. 462 A. 289

  Stellenregister (Ennod.) epist. – 9,10 p. 235,9 Epigr. Bobb. – 45,3–10 Eugenius Tolet. carm. – 72,1–4 Felix AL 212,5f. R2 (= 203,5f. SB) Florentinus AL 376,12 R2 (= 371,12 SB) Florus epit. – 1,22,6 Germanicus frg. – 4,127f. Gregorius Magnus epist. – 9,102 in Ezech. – 2,3,5 moral. – 8,17 past. – 1,3 in 1Reg. – 6,111 Hibernus exul carm. – 9,1,1f. Hieronymus in Am. – 2,4,9 epist. – 69,4 in Ezech. – 5,16,28/29 in Ier. – 3,63,4 in Is. – 2,3,3 – 8,24,21/23

A. 481 A. 182

30 A. 128

47

A. 410

67

A. 432 A. 105 A. 433 A. 432 136

12

136 101 102 102 A. 483 A. 471

in Zach. – 3,11,4 Hilarius (Pict.) trin. – 10,55 Ps.Hil. evang. – 33f. gen. – 68 Homer Il. – 22,93ff. Horaz carm. – 3,1,6–8 sat. – 1,1,44 – 1,6,82f. – 2,6,59 epist. – 1,20,19 ars – 465f. Ioannes Chrysostomus hom. in Gen. – 47,1 Isidor orig. – 13,19,9 – 16,14,1 – 18,67,1 diff. – I App.494 Cod. Iulianus (Aecl.) in psalm. – 9 p. 43,6 Iustinus – 18,6,1 Iuvenal – 1,165ff. – 8,167 – 12,57f. – 14,186–188 – 14,200–202 Iuvencus – 1,465

118

85

78 A. 95

183f.

35+108 A. 138 A. 460 A. 507 32 A. 128

133

A. 225 A. 125 A. 180 A. 227

A. 302 A. 182 A. 128 A. 15 107 108 107 159f.

Stellenregister  

(Iuvenc.) – 2,1ff. – 2,539f. Laktanz inst. – 1,1,22 ira – 20,11 Laus Pisonis – 70 Lib. sacr. Engol. – 2304 Livius – 2,1,7 – 2,12,7 – 3,36,4 – 7,5,9; 9,6,9; 27,34,4 Liv. Perioch. – 59,1 Lucan – 3,136f. – 4,440ff. – 8,107 – 8,446f. – 9,188f. – 9,578f. Lukrez – 1,72ff. – 1,174–179 – 1,286f. – 4,1236f. – 5,1063f. – 5,1322. 1326 – 6,96 – 6,712 Macrobius sat. – 2,16,25 Manilius – 1,285–294 – 2,958f. – 4,408 – 5,183–188 – 5,256–262 – 5,261 – 5,699f.

A. 92 34f.

A. 196 A. 468 A. 393 A. 23 146 150 A. 393 A. 481

A. 411 A. 517 A. 236 114 107 A. 176 A. 168 A. 217 79f. A. 382 101 A. 239 A. 373 34 A. 156

188 64f. A. 508 A. 508 89 14f. 16 A. 370

Mar. Victor aleth. – 1,1ff. 11–14 – 1,16ff. – 1,96ff. – 1,107ff. – 1,123–133 – 1,125f. – 1,153–162 – 1,378–380 – 2,167 – 3,278 Martial – 1,21,1–8 – 7,63,9 – 8,65,1f. – 9,88,4 – 11,18,12 spect. – 15,5f. – 27,1 – 27,11f. Nigellus spec. stult. – 831f. Odo Magd. Ern. – 2,138ff. Ovid am. – 1,13,47f. ars – 1,755ff. – 3,179f. met. – 1,7ff. – 1,15 – 1,89–112 – 1,101f. – 1,132 – 1,132–134 – 2,74f. – 2,214ff. – 3,225ff. – 3,236 – 3,249 – 4,142

A. 175 A. 174 86 A. 93 36f. 36 38f. A. 141 50 A. 458 150 147 A. 459 184 184 139. 140 A. 377 139

A. 244

39

A. 80 A. 315 A. 96 63 A. 168 105 107 A. 278 A. 278 12 A. 413 90 90 90 171

  Stellenregister (Ov. met.) – 8,85ff. – 8,830 – 10,476f. – 13,544 – 13,621f. – 14,264f. fast. – 2,234 – 2,787 – 3,185 – 3,421f. – 6,402 Pont. – 1,2,120 – 1,10,9 – 4,9,4 Paulinus Nolanus carm. – 6,111 – 9,10 – 15,38–46 – 16,192ff. – 18,300f. – 19,206f. – 19,520 – 22,157–160 – 23,27f. – 28,314f. – 32,206f. – 32,247f. epist. – 12,2 Paulinus Petricordiae Mart. – 1,1–10 – 1,9 – 2,61ff. – 3,339f. – 4,352ff. – 4,372ff. – 4,476 – 4,515f. – 4,518f. – 5,85 – 5,241ff. – 5,423ff.

A. 308 A. 168 174 188 A. 80 47 197 104 175 31 A. 155 114 A. 168 A. 393

A. 118 A. 139 71 A. 481 166 A. 165 186 72 A. 198 66 A. 460 A. 15 A. 227

A. 223 83 33 A. 88 A. 198 A. 405 137 90f. 91 104 A. 245 A. 468

– 5,580 – 6,244ff. Pervig. Veneris – 4. 11 – 59–62 Plinius (maior) nat. – 37,25 – 37,80f. – 37,91f. – 37,91–97 – 37,93ff. – 37,103 – 37,123 – 37,173 Priscian perih. – 663f. Properz – 1,16,22. 24 Prosper carm. de ingrat. – 357 – 655f. epigr. – 66,1–4 resp. ad Gall. – 2,6 Prudentius cath. – 3,159f. psych. – 235 Symm. – 1,43f. Quodvultdeus haer. – 3,9 Romulus fab. – 57,4 rec. gall. Rufinus Clement. – 1,46,3 Greg. Naz. orat. – 1,9,2

141 A. 433 50 A. 142

44 A. 132 A. 125; S. 44 A. 127 A. 132 A. 127 A. 132 A. 127

111 A. 101

103 140 A. 208 103

137 A. 138 66

A. 20

A. 238

A. 105 164f.

Stellenregister  

(Rufin.) hist. – 3,23,9 Orig. in. cant. – 1 p. 97,21 Orig. in Exod. – 5,5 p. 191,7 symb. – 36 Rutilius Nam. – 1,56 Salvianus gub. – 7,102 Sedulius carm. pasch. – 1,116f. – 1,176f. – 5,191 hymn. – 2,89ff. Seneca Hf – 30f. – 132ff. – 216f. Phoen – 635f. Phae – 30ff. – 31ff. – 44ff. – 389 Ag – 738ff. Thy – 160f. – 322f. dial. – 4,10,4 epist. – 66,13 [Sen.] HO – 15 Serenus med. – 981

A. 162 A. 198 A. 500 A. 198 111

A. 283

A. 319 83 A. 461 137

A. 168 A. 90 A. 370 A. 500 A. 236 A. 241 A. 241 47 A. 236 A. 81 191 110 30; A. 411 A. 168

176

Servius / DServ (= Serv. Dan.) Verg. ecl. – 8,65 103 Verg. georg. – 2,121 47 Verg. Aen. – 1,126 A. 225 – 1,704 103 DServ. Aen. – 1,489 A. 80 Sidonius Apoll. carm. – 5,74ff. A. 401 – 16,37 184 Silius Italicus – 1,556f. A. 463 – 2,537 A. 81 – 6,3f. 47 – 6,96f. A. 463 – 6,575ff. 186 – 8,484f. A. 393 – 11,46f. A. 266 Statius Theb. – 2,134ff. 31 – 2,656 A. 506 – 2,673ff. A. 371 – 3,440f. A. 94 – 4,363ff. A. 371 – 6,700 140 – 7,818ff. 153 – 8,1ff. 153 – 8,122 A. 517 – 11,107 186 – 11,729 186 Ach. – 1,164f. A. 496 silv. – 4,3,71 56; A. 156 Tacitus ann. – 4,57,2 186 – 12,55,1 148 – 14,30,3 A. 268 Tertullian adv. Marc. – 5,19,4 177

  Stellenregister Theophrast lap. – 17f. Tibull – 1,2,31ff. Val. Flaccus – 2,169 – 3,330f. – 5,465f. – 6,349 Val. Maximus – 2,7,1 – 3,2 (ext.),7 – 3,3,1 – 6,6 (ext),1 Venantius Fort. carm. – 2,1,18 – 6,7,3–6 – 10,7,45 Mart. – 3,331–333 – 3,338f. – 4,170f. spur. – 1,133f. Vergil ecl. – 4,18f. – 4,18–45 – 4,29f. – 4,38ff. georg. – 1,396 – 1,430 – 2,325ff. – 3,425 Aen. – 1,148f. – 1,154ff. – 2,471 – 3,490 – 4,649 – 5,348f. – 6,365 – 6,727 – 9,339ff.

45 A. 101 11 30 A. 370 140 153 A. 412 150; A. 399 A. 410

A. 368 A. 53 83 90 A. 244 A. 500 A. 450

A. 280 105 15 A. 280 A. 99 A. 94 51 184 A. 11 A. 286 183f. A. 370 11 A. 174 167 63 A. 371

– 9,450 – 10,85 Vulgata (Biblia) Gn – 1,14–18 – 1,20–22 – 1,28 – 1,28ff. – 2,9 – 2,17 – 3,5. 7 – 3,21 – 3,22. 24 – 12–22 – 18,22–28 – 22,13 Ex – 3,11 – 16,3 Lev – 25,39ff. 1Reg – 18,18 – 24–26 Eccl –1,5ff. Ps (LXX) – 8,7 – 18,3 – 21,22 – 32,6 – 44,2 – 50,18f. – 103,4 – 118,171 Cant – 4,12ff. Paral – 1,17,16 Prov Sal – 10,10 Sap – 16,12 Is – 14,13–15 – 24,22

118 A. 366

25 A. 112 59 36 A. 44. 68 A. 148 A. 148 A. 44 A. 68 124f. A. 13 121 198 92 156 198 A. 489 A. 509 159 110 137 78 110 65 74. 162 110 15. 21ff. 198 A. 139 68 178 A. 471

Stellenregister  

(Vulg.) 1Makk – 2,60 Dan. – 4,13. 20. – 4,22. 29. 30 Mt – 9,20 – 13,35 Mk – 5,29 Lk – 1,20 – 1,22ff. – 1,62ff.

137 183 183. 185 A. 226 110 84 A. 476 A. 477 A. 478

– 1,67 – 8,44 1Joh – 3,1 2Tim – 4,17 Apk – 12,7–9 – 13,2 Zeno Veron. – 1,4,14 – 1,43,3f. – 1,43,5f.

A. 479 84 A. 420 137 A. 469 137 129. 133; A. 335. 365 132f. 131f.

Wort-, Wort-, NamenNamen- und und Sachregister Sachregister ab ab ἀπὸ ἀπὸ κοινοῦ κοινοῦ 73 73 +263 Abl. Abl. temporis temporis (kühn) (kühn) 100 100+263 Abraham-Isaak 119ff. Abraham-Isaak 119ff. – – bei bei Ambrosius Ambrosius A. A. 363 363 – im Bibeltext Gn 12,2–22,18 – im Bibeltext Gn 12,2–22,18 124f. 124f. – – bei bei Johannes Johannes Chrysostomus Chrysostomus 133f. 133f. – – bei bei Zeno Zeno von von Verona Verona 124ff. 124ff. Adam Adam 49ff. 49ff. 56ff. 56ff. 94. 94. 102. 102. 164. 164. 170 170 adolere 102f. adolere 102f. aestus/haustus aestus/haustus (vertauscht) (vertauscht) 70 70 Agamemnon 120. Agamemnon 120. 124 124 Alcimus Alcimus Avitus Avitus – – imitiert imitiert Dracontius Dracontius A. A. 88; 88; S. S. 53f. 53f. 58 58 allegorisch allegorisch 14ff. 14ff. 20ff. 20ff. 31 31 Ambrosius Ambrosius – – Abrahams Abrahams Treue-Probe Treue-Probe A. A. 363 363 – – Hoheliedexegese Hoheliedexegese 15. 15. 20ff. 20ff. ἄνθραξ ἄνθραξ 45 45 Apponius Apponius 15 15 – – Hoheliedkommentar Hoheliedkommentar 20ff. 20ff. ἀπροσδόκητον ἀπροσδόκητον 123. 123. 130 130 arbitrio arbitrio marito marito 50f. 50f. armatus armatus = = iratus iratus 187f. 187f. Asyndeton, Asyndeton, rhetorisches rhetorisches 69; 69; A. A. 261; 261; S. S. 176. 176. 197f. 197f. at at (nicht (nicht in in Postposition) Postposition) A. A. 186 186 Atilius Regulus 151ff. Atilius Regulus 151ff. aurea aurea aetas aetas 105ff. 105ff. Aurora Aurora – – aitiologisch aitiologisch gedeutet gedeutet A. A. 80; 80; S. S. 29 29 – s. Identitätsstufen 31f. – s. Identitätsstufen 31f. – – Naturphänomen/Personifikation Naturphänomen/Personifikation 31 31 – – Schamröte? Schamröte? 27 27 Ausruf Ausruf A. A. 361 361 axe axe rotante rotante 11f. 11f. b/d-Vertauschungen b/d-Vertauschungen 70 70 Bibelstellen Bibelstellen 6f. 6f. 59; 59; A. A. 471 471 biblisch(e/er/es) biblisch(e/er/es) – – Bericht/Geschichte Bericht/Geschichte 54. 54. 125 125 – Engelsturz 178 – Engelsturz 178 – – Floskel Floskel 110 110 https://doi.org/10.1515/9783110650426-007 https://doi.org/10.1515/9783110650426-007

– – Schöpfungsbericht Schöpfungsbericht 25; 25; A. A. 112; 112; S. S. 52 52 – – Vorbild/Vorlage/Muster Vorbild/Vorlage/Muster A. A. 44; 44; S. 21f. 60. 121 S. 21f. 60. 121 Bildermischung Bildermischung 72 72 Blutfluß Blutfluß (gestillt) (gestillt) 84 84 brachylog. brachylog. rhet. rhet. Antithese Antithese 69 69 Brutus Brutus (Lucius (Lucius Iunius) Iunius) 146f. 146f. caro: caro: Metapher Metapher für für homines? homines? 82 82 carbunculus 44ff. carbunculus 44ff. Carpophorus Carpophorus (Gladiator) (Gladiator) 139 139 censura 5 censura 5 coetus coetus 185ff. 185ff. Commodus Commodus (Kaiser) (Kaiser) 192 192 compresserat compresserat rubore rubore 26ff. 26ff. 31 31 comprimere ora 27f. 30 comprimere ora 27f. 30 consperserat consperserat 29ff. 29ff. corde corde = = ex ex corde corde 10 10 cum cum saepe saepe A. A. 11 11 Curtius Curtius eques eques 151ff. 151ff. Daniel Daniel und und die die Löwen Löwen 135f. 135f. 139 139 David 189ff. David 189ff. dependēre/-dĕre dependēre/-dĕre 14 14 depingere depingere (figuris) (figuris) 13ff. 13ff. destringere destringere 109f. 109f. Diana Diana 120. 120. 123f.; 123f.; A. A. 314 314 Dichtungsprogrammatik Dichtungsprogrammatik 17. 17. 18f. 18f. 61f. 61f. Dido Dido 157 157 docere docere 4 4 doletur doletur 85 85 Edelsteine Edelsteine 43ff. 43ff. Einschübe, Einschübe, präzisierend präzisierend A. A. 188 188 elementa („Sonne und Mond“, elementa („Sonne und Mond“, „Him„Him+512 melskörper“) melskörper“) 196f. 196f.+512 emissiones emissiones 15. 15. 21; 21; A. A. 62 62 est, ekphrastisch 12 est, ekphrastisch 12 Euadne Euadne 157 157 Eugenius Eugenius von von Toledo Toledo A. A. 26 26 Eva Eva 49ff. 49ff. 56ff. 56ff. 94. 94. 95ff. 95ff.

  Wort-, Namen- und Sachregister ferax (fecundus, fertilis) ad 164f. ferire 5 Florilegien 166. 174 fratres (Apostrophe) A. 361 frigidus 32f. 44ff. 175 fulgere/fulgor A. 132 furere 8 furor 6 Garten, s. Paradies 12f. 18. 22 Gnadenerweis des Herrschers 168f. 192f. 198 Gomorrha 99ff. Granatapfel 15f. 17. 20ff. – Symbolik 15f. 20ff. Gregor von Elvira 24 Gunthamund (König) 187ff. 192ff. 198f. handschriftl. Überlieferung A. 26 Handschriftenstemma 176ff. haustus – metaphorisch 69f. – s. aestus 70 – s. sermonis 69ff. – s. Vertauschungen Hieronymus, übersetzt Homilien des Origenes zum Hohenlied 20 hoc – Kurzmessung A. 250 Hohelied – Hoheliedexegese, allegorische 15. 20. 23 Holofernes 190 hortus conclusus 15. 21ff. Hyperbole 9 ibi (temporal) 146 Identitätsstufen (vermischt) – s. Aurora index A. 74; S. 173 indulgentia 5 indulget 7+15 inficit/inficitur 8f. Inkonzinnität 76. 148 interpres 173 Iphigenie 123; A. 324 ira 7f.

31f.

irasci 7 iratus 6 Isaaks Geschlecht 135 Judith 190 Juvenal – von Dracontius imitiert 107ff. Kain 91–98 Karfunkel 44ff. Kunst und Realität 17 – Malerei überbietet R. 17. 18f. lacrimis: Abl. modi 10f. laetus (annus) = „fruchtbar“ A. 142 Längung in Zäsur A. 91 Leonidas 145 Löwenkampf in Arena 135ff. Lot 7. 103. 105 Luna 26. 28. 32f. – erborgtes Licht der Sonne A. 99 – lux frigida 32f. 46. 175 – solis imago 32f. mala granata (s. Granatapfel) 15f.+36 mala punica (s. Granatapfel) 15f.+36 malum = malum granatum 15. 20f. 24 Manilius 14f. – Erigone 14 – Gartenkultur 15 Manlius Torquatus 147f. mantische Funktion – von Prodigien 3f. 83 marito, s. arbitrio marito Marius Victor (aleth.) 7. 36. 37f.; A. 141. 175 – von Dracontius imitiert 94–98+255 Martial – von Dracontius imitiert 139f. 147. 150 medicina salutis 13. 16. 20ff. minari 3ff. minae 7f. monere 4f. Mucius Scaevola 149f. multus = magnus 78

Wort-, Namen- und Sachregister  

Nabuchodonosor 183ff. ‘Nachleben’ des Dracontius A. 26 natura creatrix 14. 34 naturae sollertia A. 29 Numantiner 144. 153ff. Numerusinkongruenz 66 omina 3; A. 222 omnituus 55 Opfertod, freiwillig akzeptiert A. 324 Origenes – Exegese 15. 20 – Hoheliedkommentar 20; A. 54. 55 – Homilien zum Hohenlied – s. Hieronymus 20 Oxymoron 45. 52. 122f.+319 paenitea(n)t, persönliche Konstr. 65 Paradies 12ff. 19. 50. 105ff. – Garten 12ff. 18. 22+67 – Schilderung 12ff. 17. 20. 21. 54 paradiesisch 15. 50 Parenthese A. 15; S. 69; A. 188; S. 94. 100 pectus („Seelenregung“) 122 pendens 16+40.42. 20 perdere = frustra impendere 195 pietas (ambivalent) 4. 7; A. 140; S. 68ff. 75ff. 119f. 122f. 124ff.; A. 357; S. 145f. 169. 173. 187f. 192 pietas Dei 3 poena 3ff. 95. 164ff. portendere 5 postea: daktylisch gemessen A. 251 praeclara A. 15 praemonere 4f. praesagia 4 premere/comprimere (stellas) 27ff. prodigia 3f. Prodigienkatalog 4 pudor (‚Einfalt‘ – ‚Schamgefühl‘) 52f. punire 3. 5ff. reatus 5. 10 redux 169; A. 459 repente (punire) 5. 8

repentina (clade) 3 rotatur (globus, polus) 11f. Saguntiner 153ff. salus/-taris/-tifer A. 75 Schöpfergott 14. 25; A. 100; S. 41. 65ff. 74ff. 79 Schöpfung – der Himmelskörper 28 – des Mondes, s. Luna 26. 28. 32 – der Sonne, s. Sol 25f. 28f. Schöpfungsbericht, s. – biblisch Schöpfungsgeschichte 8 Schöpfungstag der Sonne 26 Scipio/Numantia 153 securus 123. 124ff. 127. 130ff. semina rerum 63 Sermo diuinus 69 – Schöpferkraft des Wortes 78 sermonis ab haustu 68ff. 72 signa 4 Sintflut 99f. Sodoma 6. 99ff. sol 25f. 28f. 31ff. 41f. 76 sollers (sollertia) 13. 17ff. 166 sollertia naturae A. 29 Spartiaten 145 Stichworttechnik A. 75; S. 115 Sündenfall 51ff. supplicium 5f. 165+432 Surrogatopfer 123 tepidus = frigidus 32f. territa (mens) 3 terror 8. 151 Titus (Kaiser) 192. 195 tormenta 5 Überlieferung, handschriftliche A. 26 Umkehrung der Konstruktion 9 venia 3. 5. 7ff. 114ff. 154. 163ff. 169. 187ff. veniens 67+182

  Wort-, Namen- und Sachregister Vertauschungen – b/d 70 – aestus/haustus 70 vierter Schöpfungstag 13. 25ff.; A. 86; S. 28ff. – des Marius Victor (aleth.) A. 86; S. 29 vindicta 8. 109f. vivax 13. 16+39. 20f. 23f.

Wiederholungen (von Wörtern) – in veränderter Semantik 43+124 Zacharias 183. 185ff. Zeitperiphrase A. 92 Zeno von Verona – Abraham-Traktate als Vorbild für Dracontius 124ff.