Die Praxis der deutschen Fusionskontrolle: Die deutschen Erfahrungen bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung von Unternehmenszusammenschlüssen unter Berücksichtigung der amerikanischen Praxis [1 ed.]
 9783428448968, 9783428048960

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Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 37

Die Praxis der deutschen Fusionskontrolle Die deutschen Erfahrungen bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung von Unternehmenszusammenschlüssen unter Berücksichtigung der amerikanischen Praxis

Von

Jens Neiser

Duncker & Humblot · Berlin

JENS NEISER

Die Praxis der deutschen Fusionskontrolle

Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 37

Die Praxis der deutschen Fusionskontrolle Die deutschen Erfahrungen bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung von Unternehmenszusammenschlüssen unter Berücksichtigung der amerikanischen Praxis

Von

Dr. Jens Neiser

DUNCKER & HUMBLOT / BERLIN

Alle Rechte vorbehalten 10 1981 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1981 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3 428 Of896 2

Meinen Eltern

Vorwort Diese Arbeit hat im Wintersemester 1979/1980 der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Hohenheim als Dis­ sertation vorgelegen. Sie wurde um mehrere Kapitel zur 4. Kartell­ novelle erweitert. Mein besonderer Dank gilt dem Deutschen Akademischen Austausch­ dienst, der meine Arbeit durch ein 5-monatiges Stipendium für For­ schungen in den USA unterstützte, und dem Institut für Begabtenför­ derung der Konrad-Adenauer-Stiftung. Herr Prof. Dr. E. Günther unterstützte meine Arbeit durch Vermitt­ lung interessanter Gespräche in der FTC und der Antitrust-Division des Department of Justice. Wertvolle Anregungen verdanke ich dem Leiter der Antitrust-Division Herrn J. H. Shenefield, Herrn M. Pfun­ der, dem Leiter des Bureau of Premerger Notification der FTC und Herrn Prof. Dr. K. Markert. Für die umfangreiche Förderung meiner Arbeit durch Hinweise und Kritik danke ich besonders meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. K. Kreuzer, und Herrn Prof. Dr. J. Schmidt, die meiner Arbeit stets viel Zeit und Interesse gewidmet haben. Herrn Prof. Dr. J. Broermann danke ich für die Aufnahme meiner Arbeit in diese Reihe. Hamburg, im Februar 1981

Jens Neiser

Gliederungsübersicht 1,

Einleitung

23

2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4

Erster Teil Die Regelungen und ihr wettbewerbstheoretischer Hintergrund. . . Die deutsche Regelung ........................................ Die amerikanische Regelung .................................... Das Verhältnis der beiden Regelungen zueinander .............. Der wettbewerbstheoretische Hintergrund der Zusammenschlußkontrolle ......................................................

27 27 37 51 55

zweiter Teil 2.2

Zentrale Probleme der deutschen Praxis im Verfahrensablauf unter Berücksichtigung amerikanischer Erfahrungen .......... 2.2.1 Die am Verfahren Beteiligten und mögliche weitere einflußnehmende Institutionen ............................................ 2.2.2 Die Einleitung des Verfahrens durch Anmeldung ......... . .... 2.2.3 Die Einleitung des Verfahrens durch Anzeige ................... 2.2.4 Die Einleitung des Verfahrens nach Kenntniserlangung ......... 2.2.5 Die Prüfung der marktunabhängigen Ausnahmen ........ . ..... 2.2.6 Die Abgrenzung des relevanten Marktes ........................ 2.2.7 Die Bestimmung der Marktmacht................................ 2.2.8 Die „Erwartung" der Marktmachtverstärkung .................. 2.2.9 Die Anwendung des § 24 Abs. 1 GWB auf horizontale Zusammenschlüsse ........................................................ 2.2.10 Die Anwendung des § 24 Abs. 1 GWB auf vertikale Zusammenschlüsse ........................................................ 2.2.1 1 Die Anwendung des § 24 Abs. 1 GWB auf konglomerale Zusammenschlüsse ..................... ............................... 2.2.1 2 Die Anwendung des § 24 Abs. 1 GWB auf Gemeinschaftsunternehmen ........................................................ 2.2.1 3 Die Berücksichtigung von Zusagen ............................. 2.2.14 Die Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen .............. 2.2.15 Die Ministererlaubnis .......................................... 2.2.16 Die Rechtsmittel gegen die Untersagung .. . ....... • ............. 2.2.17 Die einstweilige Anordnung .................................. . . 2.2.1 8 Die Klage auf Untersagung ................... ; ............ . . . . 2.2.19 Die Dauer des Verfahrens ......................................

3. 3.1 3.2 3.3 3.4

Schlußteil ................................. . ............... . ... Ergebnisse der Bewertung der deutschen Praxis ............ . ... Bewertung der Praxis unter rechtspolitischen Gesichtspunkten .. Novellierungsvorschläge ....................................... Schlußwort .....................................................

78 78 85 10 3 106 106 109 1 29 148 160 175 191 2 16 2 20 232 243 251 252 256 258 261 261 275 279 280

lnhaltsverzeichni8 1.

Einleitung

23

1.1

Anlaß ....................................................

23

1.2

Aufgabe ..................................................

24

1.3

Thematische Eingrenzung .................................. 2 5

1.4

Aufbau ..................................................

25

Erster Teil 2.1

Die Regelungen und ihr wettbewerbstheoretischer Hintergrund .................................................

27

2.1.1

Die deutsche Regelung . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . ...

27

2.1.1.1

Entstehungsgeschichte und Ziele seit 1 9 2 3 ..................

27

2.1.1.2

Aufbau der deutschen Regelung ..........................

31

2.1.1.3

Das Verfahren ............................................

32

2.1.1.4

Statistiken zur deutschen Praxis ..........................

33

2.1.2

Die amerikanische Regelung ............. . ................

37

2.1.2.1

Entstehungsgeschichte und Ziele seit 1 890 ..................

37

2.1.2.1.1

Das Common Law .... . ... . ...............................

37

2.1.2.1.2

Das Wettbewerbsrecht der Einzelstaaten ........... . ......

37

2.1.2.1.3

Der Sherman Act ........................................

2.1.2.1.4

Die Einführung des Clayton Act und des FTC Act von 191 4

39

2.1.2.1.5

Die Entwicklung von 1914 - 195 0 ..... , ....................

42

2.1.2.1.6

Das Recht seit 1950 ................ . .......................

43

2.1.2.2

Aufbau der heutigen amerikanischen Regelung ............

45

2.1.2.3

Die verschiedenen Verfahren ..............................

46

2.1.2.3.1

Die verschiedenen amerikanischen Behörden ..............

46

2.1.2.3.2

Die Privatklagen ..........................................

47

2.1.2.3.3

Die Verfahrensarten ......................................

47

2.1.2.4

Statistiken zur amerikanischen Praxis ....................

4B

Inhaltsverzeichnis

11

2.1.3

Verhältnis der beiden Regelungen zueinander . . . . . . .. . . . . . .

51

2.1.3.1

Globalvergleich der beiden Ansatztypen ..................

51

2.1.3.1.l

Vergleichbarkeit des Schutzobjektes ......................

51

2.1.3.1.2

Vergleichbarkeit der Aufgreifkriterien ................... . .

52

2.1.3.1.3

Vergleichbarkeit der Untersagungskriterien ................

52

2.1.3.1.4

Vergleichbarkeit des Verfahrens ..........................

53

2.1.3.2

Die gegenseitige Beeinflussung ............................

53

2.1.3.2.1

Berücksichtigung amerikanischer Erfahrungen bei der Schaffung des GWB .............................., ............

53

2.1.3.2.2

Berücksichtigung amerikanischer Erfahrungen bei der Schaffung der zweiten Novelle 1973 ............................

54

2.1.3.2.3

Berücksichtigung deutscher Erfahrungen bei der Schaffung der präventiven Fusionskontrolle in den USA ..............

54

2.1.4

Der wettbewerbstheoretische Hintergrund der Zusammen­ schlußkontrolle ..... . ...... . ... . .... . .. . . .. . . .. . . . . . . . . . . .

55

2.1.4.1

Die Marktabgrenzung .....................................

55

2.1.4.2

Die Entwicklung des Wettbewerbsbegriffs .................

57

2.1.4.2.1

Die Entwicklung der workable competition doctrine ......

57

2.1.4.2.2

Die Weiterentwicklung der workable competition Lehre zur Lehre der effective competition ............................

59

2.1.4.2.3

Die Lehre des wirksamen Wettbewerbs als Grundlage der Wettbewerbspolitik .............................. ; ........ Zusammenfassung .........·...............................

62 63

Die verschiedenen Tests zur Beurteilung der Wettbewerbsbedingungen . .. • ..........................................

64

2.1.4.2.4 2.1.4.3 2.1.4.4

Die Bewertung der Tests ..................................

65

2.1.4.4.1

Die Geeignetheit des Marktergebnistests ..................

65

2.1.4.4.2

Die Geeignetheit des Verhaltenstests ......................

65

2.1.4.4.3

Die Geeignetheit des Strukturtests .... , ...................

66

2.1.4.5

Die Marktstrukturkriterien ................................

66

2.1.4.5.1

Der kritische Konzentrationsgrad bei der Anbieterkonzentration .. . .... . ............................................

68

2.1.4.5.2

Die Berücksichtigung der potentiellen Konkurrenz über das Kriterium der Marktzutrittsschranken ....................

69

2.1.4.5.3

Die Berücksichtigung der Marktentwicklung über das Kriterium der Marktphase ......................................

70

Inhaltsverzeichnis

12

i1

2.1.4.5.4

Zusammenfassung

2.1.4.6

Die Veränderung der Marktstruktur durch externes Wachstum ......................................................

71

2.1.4.6.1

Die Formen externen Unternehmenswachstums ............

72

2.1.4.6.2

Die typischen Gefahren der verschiedenen Formen externen Unternehmenswachstums .................................

75

zweiter Teil Zentrale Probleme der deutschen Praxis im Verfahrens­ ablauf unter Berüdalichtigung der amerikanischen Erfahrungen ..............................................

78

2.2.1

Die am Verfahren Beteiligten und möglidle weitere einfluß­ nehmende Institutionen ............ . ......................

78

2.2.1.l

Die Untersagungsbehörde .................................

78

2.2.1.2

Die verfahrensbeteiligten Unternehmen gemäß § 5 1 Abs. 2 Nr. 2 und 5 GWB ..........................................

79

2.2.1.2.1

Der kartellrechtliche Unternehmensbegriff ................

79

2.2.1.2.2

Die am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen als Ver­ fahrensbeteiligte gemäß § 5 1 Abs. 2 Nr. 2 GWB ............

82

2.2.1.2.3

Der Veräußerer als Verfahrensbeteiligter gemäß § 5 1 Abs. 2 Nr. 5 GWB ................................................

84

2.2.1.3

Weitere möglicherweise einflußnehmende Institutionen ....

84

2.2.1.3.1

Die obersten Landesbehörden .............................

84

2.2.1.3.2

Die Monopolkommission ..................................

84

2.2.2

Die Einleitung des Verfahrens durdl Anmeldung des Zusammenschlußvorhabens gemäß § 24 a Abs. 1 GWB .............

85

2.2.2.1

Die Zusammenschlußtatbestände ..........................

85

2.2.2.1.l

Der Vermögenserwerb gemäß § 2 3 Abs. 2 Nr. 1 GWB ......•

85

2.2.2.1.2

Der Anteilserwerb gemäß § 2 3 Abs. 2 Nr. 2 GWB ..........

87

2.2.2.1.3

Zum Problem des mittelbaren Anteilserwerbs .............

88

2.2.2.1.4

Das Entstehen eines Gemeinschaftsunternehmens gemäߧ 2 3 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 GWB ..................................

89

2.2.2.1.5

Unternehmensverträge gemäß § 2 3 Abs. 2 Nr. 3 GWB ......

91

2.2.2.1.6

Personelle Verflechtungen gemäß § 2 3 Abs. 2 ·Nr. 4· GWB ..

91

2.2.2.1.7

Herbeiführung sonstiger Verbindungen mit beherrschendem Einfluß gemäß § 2 3 Abs. 2 Nr. 5 GWB ......................

93

2.2.2.1.8

Der Zusammenschluß bereits gemäߧ 2 3 Abs. 2 GWB zusam­ mengeschlossener Unternehmen ...........................

95

2.2.2.1.9

Zusammenfassung ........................................

96

2.2

Inhaltsverzeichnis

13

2.2.2.2

Die Pflicht zur Anmeldung eines Zusammenschlußvorhabens gemäߧ 24a Abs. 1 Satz 2 GWB ............................

2.2.2.2.1

Die Voraussetzungen der Anmeldepflicht gemäß § 2 4a Abs. 1 Satz 2 GWB ............... ................................

97

2.2.2.2.2

Die Definition des Vorhabens gemäߧ 24a Abs. 1 Satz 2 GWB

98

2.2.2.2.3

Der Inhalt der Anmeldung ................................

99

2.2.2.2.4

Wirkungen der vollständigen Anmeldung gemäߧ 24a Abs. 2 und Abs.4 GWB ..........................................

99

2.2.2.2.5

Zusammenfassung ........................................ 1 01

2.2.2.3

Die freiwillige Anmeldung eines Zusammenschlußvorhabens gemäß § 24a Abs. 1 Satz 1 GWB .......................... 1 01

2.2.3

Die Einleitung des Verfahrens durcll Anzeige des vollzogenen Zusammensclllusses gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 GWB ...... . .. 1 0 3

2.2.3.1

Die Größenvoraussetzungen der Anzeigepflicht gemäß § 2 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 GWB ............................ 10 3

2.2.3.2

Der Vollzug des Zusammenschlusses ......................

2. 2.4

Die Einleitung des Verfahrens nacll Kenntniserlangen gemäß § 24 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz GWB ... . .... . ... . . . . . .. . . . . . . 1 06

2.2.5

Die Prüfung der marktunabhängigen Ausnahmen gemäß § 24 Abs. 8 Satz 1 Nr. l und Nr. 2 GWB ... . .............. . ...... 1 06

2.2.5.1

Die Anwendung des § 24 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 GWB ..........

2.2.5.2

Die Anwendung der Anschlußklausel des § 24 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 GWB ............................................... 1 0 8

2.2.6

Die Abgrenzung des relevanten Marktes . .... . . . ... . . . .. . . 1 0 9

2.2.6.1

Die Bestimmung der Austauschbarkeit ....................

2.2.6.1.1

Die Beurteilung der Austauschbarkeit in der deutschen Praxis ......................... ........................... 1 1 0

96

105

1 07

1 09

2.2.6.1.2

Die amerikanischen Erfahrungen der Marktabgrenzung .... 1 1 6

2.2.6.1.3

Analyse der bisherigen Praxis ............................

1 19

2.2.6.2

Die räumliche Marktabgrenzung ................... ........

121

2.2.6.2.1

Erforderlichkeit der räumlichen Marktabgrenzung ........

121

2.2.6.2.2

Die Kriterien der amerikanischen Praxis zur räumlichen Marktabgrenzung ......................................... 1 2 2

2.2.6.2.3

Die Kriterien der deutschen Praxis zur räumlichen Marktabgrenzung ............................................. . . 1 24

2.2.6.3

Die Abgrenzung des zeitlich relevanten Marktes ..........

2.2. 6.4

Die Bagatellmarktausnahme des § 24 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 n.F. GWB ..................................................... 1 27

1 27

14

Inhaltsverzeichnis

2.2.6.5

Die Regionalmarktausnahme des § 2 4 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 a.F. GWB ..................................................... 12 8

2.2.7

Die Bestimmung von Marktmacht gemäß § 22 Abs. 1 bis 3 GWH ... . ... . ........ . . ................................... 129

2.2.7.1

Die Voraussetzungen des§ 2 2 Abs. 1 GWB ..................

2.2.7.2

Die Vermutungen der§§ 2 2 Abs. 3 Satz 1 und 2 3 a Abs. 2 GWB und ihre rechtliche Funktion .............................. 13 2

2.2.7.2.1

Die Vermutungen des§ 2 2 Abs. 3 Satz 1 GWB und ihre rechtliche Funktion ............................................ 13 2

2.2.7.2.2

Die Vermutung des neuen § 2 3 a Abs. 2 GWB und ihre rechtliche Funktion ............................................ 13 7

129

2.2.7.2.2.1 Der Anwendungsbereich des§ 23 a Abs. 2 GWB ............

13 7

2.2.7.2.2.2

Die rechtliche Funktion des neuen § 2 3 a Abs. 2 GWB ......

139

2.2.7.3

Die Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung ......

139

2.2.7.3.1

Die Anwendung des § 2 2 Abs. 1 Nr. 2 GWB ................

139

2.2.7.3.2

Die Anwendung des § 2 2 Abs. 2 GWB .................... 141

2.2.7.3.3

Die Anwe�dung der Öligopolvermutung gemäß § 2 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 a und b GWB und § 23 a Abs. 2 GWB . .... . ....

2.2.7.3.4 .

Die Anwendung der Vermutung gemäß § 2 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. l GWB ...........•...................;................. 142

2.2.7.3.5

Die Widerlegung der Vermutungen des § 2 2 Abs. 3 Satz 1 GWB und des § 2 3 a Abs. 2 GWB .......................... 142

2.2.8

Die „Erwartung" der Marktmachtverstärkung gemäß § 24 Abs.1 GWH ...... . ....................... . . ... . ...... . ... 148

2.2.8.1

Die Bedeutung der Erwartung bei Zusammenschlüssen, die zur Beherrschung führen .................................. 148

2.2.8.2

Die Bedeutung der Erwartung bei Minderheitsbeteiligungen

2.2.8.3

Kriterien zur Begründung der Erwartung im Sinne von § 2 4 Abs.1 GWB .............................................. 150

2.2.8.4

Einbeziehung der künftigen Wettbewerbsentwicklung in die Prognose gemäß § 2 4 Abs. 1 GWB .......................... 152

2.2.8.5

Vorliegen der Untersagungsvoraussetzungen bei einem nicht­ beteiligten Unternehmen ..................................

153

2.2.8.6

Die neuen Vermutungen des § 2 3 a Abs. 1 GWB ............

155

2.2.8.6.1

Die Anwendung der Verstärkungsvermutung des § 2 3 a Abs. 1 Nr. 1 GWB ........................................ 155

2.2.8.6.2

Die Anwendung der Verstärkungsvermutung des § 2 3 a Abs. 1 Nr. 2 GWB ............. ...........................

2.2.8.6.3

Die Widerlegung der Vermutungen des § 2 3 a Abs. 1 GWB .. 158

141

150

158

Inhaltsverzeichnis

15

2.2.9

Die Anwendung des § 24 Abs. 1 GWB auf horizontale Zusammenschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

160

2.2.9. 1

Die Untersagungsgrenze in amerikanischen Fällen gemäß Sec. 7 Clayton Act . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . , . . . . . . .

160

2.2.9.2

Die Verstärkung oder das Entstehen einer marktbeherr­ schenden Stellung durch einen horizontalen Zusammenschluß

164

2.2.9.2.1

Die Verstärkung der Marktmacht durch eine Minderheitsbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

166

2.2.9.2.2

Die Verstärkung der Marktmacht durch doppelte Minderheitsbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

167

2.2.9.2.3

Die Verstärkung der Marktmacht eines Oligopols . . . . . . . . . .

170

2.2.9.3

Die Spürbarkeit der Verstärkung der Marktmacht . . . . . . . . . .

172

2.2.10

Die Anwendung des § 24 Abs. 1 GWB auf vertikale Zusammenschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

175

2.2.10.1

Die Veränderung der Marktverhältnisse auf dem Markt des Lieferunternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 76

2.2.10.2

Die Veränderung der Marktverhältnisse auf dem Markt des Käuferunternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

177

2.2.10.3

Die Beurteilung vertikaler Zusammenschlüsse im amerikanischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . .

178

2.2.10.3.1

Der Markt des Lieferunternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

179

2.2.10.3.2

Der Markt des Käuferunternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

181

2.2.10.3.3

Die Erhöhung der Marktzutrittsschranken . . . . . . . . . . . . . . . .

184

2.2.10.3.4

Zusammenfassung

185

2.2.10.4

Anwendung der amerikanischen Erfahrungen bei der Prüfung gemäß § 24 Abs. 1 1 . Halbsatz GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . .

186

2.2.10.4.1

Die Verstärkung der Marktstellung auf dem Markt des Käuferunternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

187

2.2.10.4.2

Die Verstärkung der Marktstelluung auf dem Markt des Lieferunternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

189

2.2.11

Die Anwendung des § 24 Abs. 1 GWB auf konglomerale Zusammenschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

191

2.2. 1 1 .1

Die Berücksichtigung des Finanzkraftzuwachses . . . . . . . . . . .

192

2.2.1 1 .2

Die Berücksichtigung der entstehenden Verflechtung . . . . . .

195

2.2. 1 1 .3

Die Berücksichtigung der Erhöhung der Marktzutrittsschranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

196

2.2.1 1 .4

Der Wegfall eines potentiellen Wettbewerbers als Begrün­ dung der Marktmachtverstärkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

197

2.2. 1 1 .4.1

Bisherige deutsche Erfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

197

16 2.2.11.4.2

Inhaltsverzeichnis Die amerikanischen Erfahrungen mit der sogenannten potential competition doctrine ............................ ...... 198

2.2.11.4.2.1 Die Darstellung der Theorie .............................. 2.2.11.4.2.2 Einfluß der Theorie auf die Rechtsprechung zu Sec.7 Clayton Act .............................................. . ....... . 2.2.11.4.2.3 Die Bestimmung des potentiellen Wettbewerbers .......... 2.2.11.4.2.4 Zusammenfassung ........................................ 2.2.11.4.3 Vorschlag zur Anwendung der amerikanischen Erfahrungen in der deutschen Praxis .................................... 2.2.11.5 Die Behandlung von Marktverkettungszusammenschlüssen . 2.2.H.5.1 Der Grund für reziproke Geschäftspraktiken .............. 2.2.11 .5.2 2.2.11.5.3

198 200 202 2 08 2 08 210 2 11

Die Rechtsprechung der USA zur Berücksichtigung reziproker Geschäftspraktiken ................................... 2 1 2 Anwendung der amerikanischen Erfahrungen ............ 2 15

2.2.12

Die Anwendung des § 24 Abs. 1 GWB auf Gemeinschaftsunternehmen .................................... . .. . .... . 216

2.2.1 3

Die Berücksichtigung von Zusagen .... .................... 22 0

2.2.13.1

Die verschiedenen Arten der Zusage ...................... 2 2 2

2.2.13.2

Zulässigkeit und Inhalt der Zusage ........................

2 23

2.2.13.3

Bewertung der Zusagenpraxis ......._ .....................

2 23

2.2.H

Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen .... . . ....... 2 32

2.2.14.1

Rationalisierungsvorteile .... ................ ............. 2 3 3

2.2.14.2

Konzentrationsvorteile durch Sanierungsfusionen ..........

2.2.14.3

Verteilungsvorteile durch Aufholfusionen ......... ......... 2 3 5

233

2.2.14.4

Markteintrittsvorteile und Markterschließungsvorteile ....

2.2.1 4.5

Außerwettbewerbliche Vorteile und Vorteile auf ausländischen Märkten ............................... ............. 2 37

2. 2.14.6

Die Berücksichtigung sonstiger Verbesserungen ............

2 38

2.2.14.7

Die Kausalität des Zusammenschlusses für die Verbesserung

2 38

2. 2.14.8

Die Abwägung der Verbesserungen der Wettbewerbsbedin­ gung gegen die Nachteile der Marktbeherrschung ..........

2 40

2.2.14.9

Zusammenfassung ........................................ 2 42

2.2.1 5

Die Ministererlaubnis ..................... . . . . .. . . ... . .... 24 3

2. 2.1 5.1

Die Bindung des Ministers an die Feststellungen des Bundeskartellamtes ............................................. 2 43

2.2.15.2

Die Prüfung durch den Minister ........................... 2 44

2.2.15.2.1

Die Prüfung des Oberwiegens gesamtwirtschaftlicher Vorteile ......................... ............................. 244

236

Inhaltsverzeichnis 2.2.15.2.2

Die Prüfung des überragenden Interesses der Allgemeinheit

17 246

2.2.15.2.3

Die Erteilung einer beschränkten Erlaubnis ................ 2 4 6

2.2.15.2.4

Die Verbindung der Erlaubnis mit Auflagen .............. 2 4 8

2.2.15.3

Die Nachprüfbarkeit der Entscheidung des Bundesministers

2.2.15.4

Das Problem der Interessenkollision ...................... 250

2.2.16

Rechtsmittel gegen die Untersagungsverfügung .......... .. 251

2.2.17

Die einstweilige Anordnung im Fusionskontrollverfahren .. 252

2.2.17.1

Die einstweilige Anordnung im Untersagungsverfahren ....

2 49

252

2.2. 17.2

Die einstweilige Anordnung zur Sicherung der Entflechtung

252

2.2.17.3

Die einstweilige Anordnung im amerikanischen Fusionsrecht

254

2. 2.17.4

Die „hold separate order" im amerikanischen Fusionsrecht ..

255

2.2.18

Die Klage auf Untersagung eines Zusammenschlusses ... ... 256

2.2.19

Die Dauer des Verfahrens

................................

258

2.2.19.1

Die Dauer des Verfahrens des Bundeskartellamtes ........

258

2.2.19.2

Die Dauer des Verfahrens der Ministererlaubnis gemäß § 2 4 Abs. 3 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

259

2.2.19.3

Die Dauer des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens

260

3.

S chluß tei l ....................................... . ........ 2 6 1

3.1

Ergebnisse der Bewertung der bisherigen deutschen Praxis unter Berücksichtigung amerikanischer Erfahrungen . . . . . . . . 2 6 1

3.1.1

Erfaßte Unternehmen ..................................... 2 6 1

3.1.2

Beteiligte Behörden ....................................... 2 6 1

3.1.3

Ausdehnung der Anmeldepflicht .......................... 2 6 2

3.1. 4

Lückenlosigkeit der Zusammenschlußtatbestände .... ; .....

3.1.5

Die Anzeigepflicht ......................................... 2 6 4

3.1.6

Der Inhalt von Anmeldung und Anzeige .................. 2 6 4

3.1.7

Überprüfung der Ausnahmen ..............................

3.1. 8

Sichere Marktabgrenzung ................................. 2 65

3.1.9

Die Anwendung der Oligopolklausel und der Oligopolvermutung .................................................. 2 65

3.1.1 0

Die Erfassung nichtbeteiligter Unternehmen .............. 2 6 6

262

264

18

Inhaltsverzeichnis

3.1.1 1

Die Beurteilung der „Erwartung" ......................... 2 67

3.1. 1 2

Die Spürbarkeit der Verstärkung ...... . ....... . . ..... . . . .. 2 68

3.1.1 3

Die Kontrolle horizontaler Zusammenschlüsse . ...... . .... 2 69

3. 1. 1 4

Die Kontrolle vertikaler Zusammenschlüsse ................ 2 69

3.1.1 5

Die Kontrolle konglomeraler Zusammenschlüsse . ......... 2 7 0

3. 1.1 6

Die Zusagenpraxis ... . ... ... . ...... . . . ....... . .......... . .

272

3.1.1 7

Die Abwägung gegen Verbesserungen .. . . . . ... . . . . ... . . . ...

272

3. 1.1 8

Die Ministererlaubnis ....... . . .. . ... . .... . ..... . .......... 2 7 3

3.1.19

Die einstweilige Anordnung ........................... . ... 2 7 3

3.1.2 0

Die Dauer des Verfahrens ................... . .... . ...... .

3.2

Bewertung der deutschen Praxis unter rechtspolitischen Gesichtspunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 7 5

3.2.1

Rechtsicherheit ........................ , ........ , .......... 2 7 5

3.2.2

Verschärfung der Eingriffskriterien . ..................... .

276

3.2.3

Abkopplung der Fusionskontrolle vom Begriff der Marktbeherrschung . . ... . ... . . .. . ................... . . .. . ...... .

276

3. 2.4

Häufige Novellierung . . .. . . . ... . ........ . .... . ... . . ...... . .

278

3.3

Novellierungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

279

3.4

Schlußwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . .. . . . . . . . . . .

2 80

274

Anhang 1 Text der 4. Novelle (Auszug) ............................. 2 83 Anhang 2 Clayton Act (Auszug) ..................................... 2 8 6 Anhang 3 Merger Guidelines (Auszug) ............................. .

293

Entscheidungsverzeichnis

30 2

Schrifttum ....... .... .... .... . ... . ........... . ..... . . . ... . . ....... . . 3 0 8

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.E. AAG a. a.O. ABA AER AG AG AGV AJE AktG Am. Bus. Law. Anm. Art. ATB ATLJ Aufl. AWD BA BAnz. BB Bern. BGB BGB!. BGH BKartA BMW, BWM BR-Drucks. BT BT-Drucks. Bus. 2C Cal. C.D. Co. Conn.

anderer Ansicht am Ende Assistant Attorney General am angegebenen Ort American Bar Association American Economic Review (Zeitschrift) Aktiengesellschaft, Amtsgericht Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher e.V. American Journal of Economics (Zeitschrift) Aktiengesetz American Business Lawyer (Zeitschrift) Anmerkung Artikel Antitrust Bulletin (Zeitschrift) Antitrust Law Journal (Zeitschrift) Auflage Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters, Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift bis 3 1. 1 2. 7 4) Bar Association Bundesanzeiger Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bemerkung Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bundeskartellamt Bundesminister für Wirtschaft, Bundeswirtschaftsministe­ rium Drucksachen des Deutschen Bundesrates Bundestag Drucksachen des Deutschen Bundestages Business 2. Circuit Court, 2. Court of Appeals Kalifornien Central District, mittlerer Distrikt Company Connecticut

20 Corp. D DB D.C. Dkt., Docket d. h. DIHT Diss. E.D. E.G. EGKS EGKSV Einf. Einl. EuGH EWGV f., ff. FAZ 1 F 2nd 3 1 Fed 2 FIW Flo. Fn. FR 1 FSupp. 2 FTC 1 FTC 2 gern. GG GmbH GmbHG GRUR GU Guidelines GWB

Abkürzungsverzeichnis Corporation District, Distrikt Der Betrieb (Zeitschrift) District of Columbia Docket, Ablagemappe der FTC in fortlaufender Numerie­ rung vgl. TRR vol. 3, S. 24011 ff. das heißt Deutscher Industrie- und Handelstag Dissertation Eastern District, östlicher Distrikt Europäische Gemeinschaft Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Vertrag vom 18. 4. 51 über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (BGBI. II S. 447) Einführung Einleitung Europäischer Gerichtshof EWG-Vertrag folgende (Seite) Frankfurter Allgemeine Zeitung Sammlung der Entscheidungen der Bundesgerichte 2. Reihe, Federal Reporter 2nd Series, Band 1 Seite 3 Sammlung der Entscheidungen der Bundesgerichte, Federal Reporter Band 1 Seite 2 Forschungsinstitut für Wirtschaftsverfassung und Wettbe­ werb e. V., Köln Florida Fußnote Federal Register Federal Supplement Band 1 Seite 2 Federal Trade Commission Sammlung der Entscheidungen der FTC, Federal Trade Commission Reporter Band 1 Seite 2 gemäß Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. 5. 1949 (BGBI. S. 1) Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung vom 20. 4. 1892 (RGBI. S. 477) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) Gemeinschaftsunternehmen = merger guidelines = Richtlinien der Antitrust Division des Department of Justice, vom 30. 5. 68 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen i. d. F. vom 4. 4. 74 (BGBI. I S. 869), zuletzt geändert durch Gesetz v. 14. 12. 76 (BGBl. I, 3341)

Abkürzungsverzeichnis Halbs. HGB i.d. F. i.d. R. Ill. Inc. i.V. m. JIE JfNSt.

KG

LA Lfg. LG LR Mass. MBA Mio. MKHG l MKSG l M+M Mrd. Nat'l m. w. Nw. N.D. n.F. NICB N.J. NJW Nr. NY OLG Pa. Rdnr. Reg.Entwurf Reg.Beg. RG RIW/AWD Rules

s. 1 sct

2

21

Halbsatz Handelsgesetzbuch vom 1 0. 5. 1 897 (RGBI. S. 2 19) in der Fassung in der Regel Illinois Incorporate in Verbindung mit Journal of Industrial Economics (Zeitschrift) Jahrbuch für Nationalökonomie und Statistik Kammergericht Los Angeles Lieferung Landgericht Law Review Massachusetts Master of Business Administration Million(en) Erstes Hauptgutachten der Monopolkommission Erstes Sondergutachten der Monopolkommission Manufacturing and Mining Milliarde(n) National mit weiteren Nachweisen Northern District, nördlicher Distrikt neue Fassung National Industrial Conference Board New Jersey Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Nummer New York Oberlandesgericht Pennsylvania Randnummer Regierungsentwurf Regierungsbegründung zur 2. Novelle des GWB ET-Drucks. 6/ 2 5 2 0 Reichsgericht Recht der Internationalen Wirtschaft, Außenwirtschafts­ dienst des Betriebsberaters (Zeitschrift, seit 1. 1. 7 5) Ausführungsvorschriften der FTC und des Justizministe­ riums zu Sec. 7 A Clayton Act, in 43 FR S. 3 3 5 3 7 ff. Seite, Southern, südlich Sammlung der Entscheidungen des Supreme Court, Band 1 Seite 2

22

Abkürzungsverzeichnis

Statutes Standard Industrial Classification, nach Standard Indu­ strial Classification Manual 197 2, Office of Management and Budget, Washington, D.C. Tätigkeitsbericht, Bericht des BKartA über seine Tätig­ TB 7 3 keit im Jahre 197 3 Trade Cases, Sammlung wirtschaftlicher Entscheidungen, TC herausgegeben von Commerce Clearing House Tex. Texas Trade Regulation Report, herausgegeben von Commerce TRR Clearing House Tz Textziffer u. und u.a. unter anderem 1 US 2 Sammlung der Entscheidungen des Supreme Court, United States Reporter Band 1 Seite 2 USA United States of America, Vereinigte Staaten von Amerika usc United States Code u.U. unter Umständen VA Verwaltungsakt vgl. vergleiche Vol., vol. Volume = Band Verwaltungsverfahrensgesetz vom 2 5. 5. 7 6, BGBl. I, S. 1 2 53 VwVfG VwVG Verwaltungsvollstreckungsgesetz vom 2 7. 4. 53, BGB!. I , S. 1 57 Wisc. Wisconsin WM Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift) W.D. Western District, westlicher Distrikt WRP Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschrift) WuW Wirtschaft und Wettbewerb (Zeitschrift) WuW/E BKartA Wirtschaft und Wettbewerb, Entscheidungssammlung zum Kartellrecht, Beschlüsse des Bundeskartellamts außerdem aufgeteilt in: WuW/E BGH Entscheidungen des BGH Entscheidungen der OLG WuW/E OLG WuW/E MUV/EWG Entscheidungen des EuGH Entscheidungen der EG-Kommission WuW/E EV Entscheidungen der LG und AG WuW/E LG/AG Entscheidungen des BWM WuW/E BWM z.B. zum Beispiel ZfWSW Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften ZHR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschafts­ recht Ziff. Ziffer zit. zitiert z.T. zum Teil z.Z. zur Zeit Stat. SIC

1. Einleitung 1.1 Anlaß Durch das 2. Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbs­ beschränkungen1 vom 3. 8. 1973 wurde zum ersten Mal eine Zusam­ menschlußkontrolle2 in das GWB3 eingeführt. Neben der bis dahin schon bestehenden Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Un­ ternehmen (§ 22 Abs. 4 GWB) wurde dem Bundeskartellamt in § 24 und § 24 a GWB damit die Möglichkeit gegeben, die Entstehung oder Ver­ stärkung einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von § 22 Abs. 1 und Abs. 2 GWB durch einen Zusammenschluß von Unternehmen zu verhindern. Nach 22 Jahren wurde damit die schon im Regierungsent­ wurf vom 22. 5. 1951' in § 18 vorgesehene Zusammenschlußkontrolle nach mehreren Anläufen Gesetz. Inzwischen lagen dem BKartA 2 455 Zusammenschlüsse zur Beurtei­ lung vor, 28 Untersagungen sind erfolgt (davon allein 11 im Jahre 1978) und es ergingen bereits zahlreiche Urteile des KG und des BGH, die Fragen der Zusammenschlußkontrolle betreffen. Die Zusammenschluß­ kontrolle ist darüber hinaus durch die Auseinandersetzungen um die 4. Novelle in das öffentliche Interesse gerückt5 • Die Literatur zu Ein­ zelfragen der Fusionskontrolle ist kaum noch überschaubar, dennoch scheint eine umfassende Darstellung und Beurteilung der Fusionskon­ trollpraxis8 noch auszustehen. Die vorliegende Arbeit soll die Literatur zur Fusionskontrolle um eine Zwischenbilanz der bisherigen Praxis BGBI. I, S. 917. In der Literatur wird vielfach der Begriff Fusionskontrolle benutzt, der jedoch exakt angewandt nur einen Teil der Zusammenschlußfälle trifft. Die Benutzung dieses Begriffs hat sich inzwischen für alle Zusammenschlußfälle jedoch eingebürgert. Vgl. Monopolkommission Hauptgutachten 1 S. 456 und Titel des Sondergutachtens Nr. 5, vgl. auch Kleinmann, Bechtold, Kommentar zur „Fusionskontrolle". Der Verfasser möchte auch in der folgenden Arbeit die Begriffe Fusionskontrolle und Zusammenschlußkontrolle synomym ver­ wenden. 3 In der Fassung der Neubekanntmachung des Gesetzes gegen Wettbe­ werbsbeschränkungen vom 27. 7. 1957 (BGBI. I, S. 1081) vom 4. 4. 1974 (BGBI. I, s. 849). 4 BT-Drucks. 2/1 158 Anl. 1. 5 Vgl. z. B. FAZ vom 6. 5. 1978, S. 13 und FAZ vom 18. 5. 1978, S. 13 und 14. 8 Es liegen allerdings zwei Aufsatzserien von V.Emmerich vor: vgl. Emmerich, Praxis der Fusionskontrolle I, II, III, a. a. 0., und Emmerich, Neueste Praxis, a. a. 0. 1

2

24

1.2 Aufgabe

erweitern und die neuen Regelungen der 4. Novelle in ihrer Wirkung auf die Praxis beurteilen. 1.2 Aufgabe Da sich die geregelten Vorgänge durch ihre Vielseitigkeit einer exak­ ten Benennung entziehen, arbeitete der Gesetzgeber, um alle Möglich­ keiten zu erfassen, mit generalklauselartigen Bestimmungen7 . Diese Gesetzgebungstechnik führt dazu, daß sich die genauen vom Bundes­ kartellamt angewandten Maßstäbe für die Beurteilung von Zusammen­ schlüssen nicht direkt aus dem Gesetz ergeben, sondern erst durch eine Analyse der Praxis und Rechtsprechung ermittelt werden können. Nachdem eine mehr als fünfj ährige Erfahrung besteht und nach 28 Untersagungen tatsächlich von einer „Praxis der deutschen Fusions­ kontrolle" gesprochen werden kann, soll die Arbeit diese Praxis an­ hand der entschiedenen Fälle umfassend analysieren und bewerten. Da eine Einbeziehung der vermutlichen „Entscheidung" 8 des Bundeskar­ tellamtes in die Planung der Unternehmungen aus Gründen der Rechts­ sicherheit wünschenswert ist9 , wird es ein Ziel dieser Arbeit sein, aus den bisher zur Zusammenschlußkontrolle ergangenen Beschlüssen, Ver­ fügungen und Urteilen genauere Kriterien der Untersagungspraxis zu entwickeln. Um die Argumentationsbasis zu erweitern, sollen zur Ana­ lyse und Bewertung der deutschen Praxis auch •amerikanische Erfah­ rungen in Zusammenschlußfällen gemäß Sec. 7 Clayton Act 10 und ame­ rikanische Literatur herangezogen werden". Wegen geringer deutscher Erfahrungen insbesondere in Fällen verti­ kaler und konglomeraler Zusammenschlüsse ist es ein Ziel dieser Ar­ beit, durch Heranziehung amerikanischer Erfahrungen Vorschläge für die zukünftige Erfassung dieser Fälle zu erarbeiten. Dies einerseits, um der deutschen Praxis die Entscheidung in diesen Bereichen zu er­ leichtern, andererseits um den betroffenen Unternehmen einen Schluß auf die zu erwartende kartellrechtliche Beurteilung zu gestatten. Das Ergebnis der Arbeit werden Vorschläge sein, wie die bestehende deut­ sche Praxis de lege lata und de lege ferenda effizienter gestaltet werden 7 Vgl. z.B. § 2 2 Abs. 1 GWB „ohne Wettbewerber ist" , ,,wesentlicher Wettbewerb" und „überragende Marktstellung". 8 Gemeint ist lediglich die amtsinterne Entscheidung, den Zusammen­ schluß zu untersagen oder das Verfahren einzustellen. Eine Nichtuntersagung stellt keine Regelung dar und ist somit kein Verwaltungsakt. 9 Vgl. MKHG 1 Tz. 846. 1 0 In der Fassung des O'Mahoney-Celler-Kefauver Amendments von 19 5 0, Text vgl. Anhang 2 dieser Arbeit. 11 Vgl. Markert, Novellierung S. 1 63, der feststellt, daß die Verwertung amerikanischer Erfahrungen bisher bei der Novellierung des GWB vernach­ lässigt wurde.

1.4 Aufbau

25

könnte. Dabei werden auch Vorschläge bezüglich einer Novellierung der Regelung der formellen Fusionskontrolle erarbeitet, die bisher in den Novellierungsvorschlägen zu wenig beachtet worden ist. Zusammenfassend soll die Arbeit folgende vier Angaben erfüllen: 1. Erhöhung der Rechtssicherheit durch Analyse und Darstellung der augenblicklichen deutschen Praxis. 2. Verbesserung der Entscheidungsgrundlagen in noch ungeklärten Fragen der deutschen Fusionskontrolle durch Heranziehung ameri­ kanischer Erfahrungen. 3. Erarbeitung von Vorschlägen zur Steigerung der Effizienz der deut­ schen Praxis de lege lata. 4. Erarbeitung von Gesetzesvorschlägen zur Verbesserung des fusions­ kontrollrechtlichen Instrumentariums. 1.3 Thematische Eingrenzung

Die Arbeit beschränkt sich auf den Verfahrensabschnitt von der Ein­ leitung des Untersagungsverfahrens bis zur rechtskräftigen Untersa­ gung. Das Verfahren vor dem Bundesminister für Wirtschaft wird mit­ einbezogen. Probleme der Entflechtung und di.e Frage der Anwendbar­ keit des deutschen Rechts auf ausländische Zusammenschlüsse sollen in dieser Arbeit jedoch wegen der grundlegend anderen Rechtsfragen ausgeklammert bleiben. Die amerikanische Praxis wird nur insoweit behandelt, als dortige Erfahrungen zur Analyse und Bewertung der deutschen Praxis genutzt werden können. Wegen der Weite des Themas und der großen Vielfalt der fusions­ rechtlichen Literatur (vor allem in den Vereinigten Staaten) mußte sich die Arbeit aus Gründen der Klarheit der Darstellung und Lesbarkeit auf eine Auswahl und Behandlung der wichtigsten Literatur beschrän­ ken. Auf weitere interessante Veröffentlichungen konnte in manchen Fällen deshalb nur verwiesen werden. In der Arbeit wurde versucht, bei der Auswahl der Literatur der Bedeutung der Veröffentlichung gerecht zu werden. Die Arbeit berücksichtigt deutsche und amerikanische Entscheidun­ gen und Veröffentlichungen bis zum 30. 9. 1980. 1.4 Aufbau

Die Arbeit wird im ersten Teil die bestehenden deutschen und ame­ rikanischen Regelungen in ihrer Entstehungsgeschichte, Aufbau und ihrem Verfahren vorstellen und ihre praktische Bedeutung anhand

26

1 .4 Aufbau

statistischen Materials belegen. Im Anschluß daran soll auf die Ver­ gleichbarkeit der Regelungen eingegangen werden. Als weitere Grundlage der im zweiten Teil erfolgenden Bewertung der deutschen Praxis wird im ersten Teil außerdem der wettbewerbs­ theoretische Hintergrund der Regelungen dargestellt. Im zweiten Teil, der die Bewertung der deutschen Praxis unter Be­ rücksichtigung der amerikanischen Erfahrungen enthält, soll vom klas­ sischen Aufbau einer rechtsvergleichenden Arbeit abgewichen werden. Eine Gesamtdarstellung der deutschen und amerikanischen Praxis mit anschließendem Vergleich der Problemlösungen hätte den Umfang der Arbeit wesentlich erhöht, ohne daß der Verfasser den Anspruch auf Vollständigkeit der Darstellung des amerikanischen Teils hätte er­ heben können. Der Zielsetzung der Arbeit folgend, die deutsche Praxis zu analysieren und soweit wie möglich unter Heranziehung amerika­ nischer Erfahrungen zu bewerten, wird deshalb ein Aufbau gewählt, der dem Verfahrensablauf eines Untersagungsverfahrens der deutschen Praxis entspricht. Die Schwerpunkte liegen dabei auf den Bereichen

formelle Fusionskontrolle, Erfassung vertikaler und konglomeraler Zusammenschlüsse und Zusagenpraxis des Bundeskartellamtes. Zur Ergänzung der deutschen Praxis werden in den einzelnen Verfahrens­ abschnitten vergleichbare amerikanische Erfahrungen herangezogen, auch wenn die angesprochenen Probleme in den Vereinigten Staaten einem anderen Verfahrensabschnitt zugeordnet werden.

Das amerikanische Verfahren wird im zweiten Kapitel nur insoweit wiedergegeben, als dortige Erfahrungen für die Bewertung der deut­ schen Praxis genutzt werden können. Im Schlußteil der Arbeit wird der Verfasser die Ergebnisse der Be­ wertung der deutschen Praxis darstellen und Vorschläge zur Steige­ rung der Effizienz der deutschen Praxis de lege lata und de lege ferenda unterbreiten. Im Anhang finden sich die zum Verständnis der Arbeit erforderlichen Gesetzestexte.

Erster Teil 2.1 Die Regelungen und ihr wettbewerbstheoretisrher Hintergrund 2.1.1 Die deutsche Regelung

2.1 . 1 . 1 Entstehungsgeschichte und Ziele seit 1923 Die Anfänge des deutschen Kartellrechts liegen in der Weimarer Republik. Durch eine verstärkte Bildung von Kartellen war die Re­ gierung schon 1923 gezwungen, eine „Verordnung gegen den Miß­ brauch wirtschaftlicher Machtstellungen" zu erlassen'. Damit sollte er­ reicht werden, daß die krassesten Fälle einer Beschränkung der Ge­ werbefreiheit unterblieben. Dies wurde für notwendig gehalten, um das zu hohe Preisniveau der deutschen Erzeugnisse abzubauen und zu verhindern, daß die Inflationslast allein auf die Abnehmer abgewälzt wird1 • Mit der Regelung wurde die bis dahin noch starke Tradition des Laisser-faire-Liberalismus (der auch in früheren Entscheidungen des Reichsgerichts anklang3) verlassen. Die Kartellverordnung diente der Sicherung der Gewerbefreiheit, der Begriff des Schutzes des Wettbe­ werbs tauchte noch nicht auf. Bis 1930 erkannte die Regierung jedoch, daß die bezweckte Abschwä­ chung des inneren und äußeren Kartellzwangs' nicht ausreichend war, um alle Absprachen zu erfassen, deren Verbot man für wettbewerbs­ politisch wünschenswert hielt: Durch eine Novelle vom 26. 7. 1930 wurde deshalb der Anwendungsbereich der Kartellverordnung auf un­ verbindliche Empfehlungen und bestimmte Formen der Preisbindung ausgedehnt. Doch auch diese Regelung war nicht ausreichend, um wett­ bewerbsbeschränkende Praktiken der Unternehmen umfassend zu un­ terbinden'. Eine Weiterentwicklung mit gleicher Zielsetzung unterblieb infolge der Änderung der wirtschaftspolitischen Ziele im Dritten Reich. Das 1 Gesetz vom 2. 1 1 . 1923, RGBI. S. 1076 ff. und S. 1090. 1 Vgl. Günther, Josten-Entwurf, S. 184 und Blum, Soziale Marktwirtschaft,

s. 3.

Vgl. RGZ 38, 155 (1897) und Günther, Josten.,.Entwurf, S. 184. ' Vgl. Brunn, Kartellrecht, S. 22 ff. 5 Vgl. Günther, Josten-Entwurf, S . 185 und Barnikel, Kartelle S . 42 ff. 3

28

2.1.1 Die deutsche Regelung

Ziel der Sicherung der Gewerbefreiheit trat zurück hinter dem Ziel der staatlichen Lenkung zur Optimierung der Wirtschaftsproduktion. Am 15. 7. 1933 wurde ein Gesetz über die Errichtung von Zwangskar­ tellen6 verabschiedet, das allein der staatlichen Wirtschaftslenkung diente. Der Reichswirtschaftsminister erhielt neben Aufsichtsrechten über die Zwangskartelle sogar auch direkte Eingriffsrechte7 • Damit war die Lenkung der Wirtschaft weitgehend dem Wettbewerbsmechanismus entzogen, die gesamte Wirtschaftsmacht sammelte sich in den Händen des Staates. Durch die gesetzliche Erstreckung der Zwangskartellierung auf wei­ tere Bereiche und Vergrößerung der Einflußrechte des Reichswirt­ schaftsministers erreichte der Gesetzgeber in der Zeit bis 1943 weit­ gehend das Ziel der Zentralplanungswirtschaft. Das erste Ziel der Alliierten nach dem deutschen Zusammenbruch war es, die Konzentration wirtschaftlicher Macht zu zerschlagen und Deutschlands Kraft, neue Kriege führen zu können, zu zerstören8 • Le­ diglich als Nebenprodukt entstand so wieder eine Wettbewerbsvielfalt durch Schaffung zahlreicher selbständiger Anbieter und Nachfrager9 • Nach den gleichlautenden Verordnungen Nr. 78 der britischen Zone10 , Nr. 96 der französischen Zone u und dem Gesetz Nr. 56 der amerikani­ schen Zone 1 2 waren Kartelle grundsätzlich verboten, bestehende über­ mäßige Konzentration sollte durch rigorose Entflechtung beseitigt wer­ den. Erst mit der Entwicklung der Ost-West-Spannung erkannte der Ge­ setzgeber den freien Wettbewerb als Regelungsmechanismus als förde­ rungswürdig an. Er sollte dem sowj etischen Modell der Planwirtschaft gegenübergestellt werden. Nach und. nach verdrängte so das Ziel, die Leistungsfähigkeit der „freien Wirtschaft" zu demonstrieren, das Ziel der Zerschlagung der deutschen Wirtschaftsmacht13 • Gleichzeitig mit dieser Entwicklung wurde auch die deutsche Teilnahme an der wirt­ schaftsrechtlichen Gesetzgebung diskutiert. Dies führte schließlich am 8 RGBI. I, 488, gemeinsam mit einem „Gesetz zur Änderung der Verord­ nung gegen den Mißbrauch wirtschaftlicher Machtstellungen" (RGBI. I, 487) . 7 Vgl. Brunn, Kartellrecht, S. 32.ff., 40. 8 Vgl. Präambel des Gesetzes Nr. 56. der amerikanischen Zone, Amtsblatt der amerikanischen Militärregierung, Ausgabe C, 1. 4. 47, S. 2. 9 Vgl. Günther, Josten-Entwurf, S. 187 und Blum, Soziale Marktwirtschaft, S. 3. 10 Vgl. Amtsblatt der britischen Militärregierung, Nr. 16, S. 412. u Vgl. Journal Officiel 1947, S. 784, 785. 12 Vgl. Amtsblatt der amerikanischen Militärregierung, Ausgabe C, 1. 4. 47, S. 2. 1 3 Vgl. Günther, Josten-Entwurf, S. 187.

2.1.1.1 Entstehungsgeschichte und Ziele seit 1923

29

29. 3. 1949 zu einem Memorandum der Besatzungsmächte 14 über die ,,deutsche Teilnahme an der Entkartellierung", in dem bestimmte Be­ fugnisse erstmalig wieder auf deutsche Behörden übertragen wurden. Noch im selben Jahr lag ein Entwurf eines „Gesetzes zur Sicherung des Leistungswettbewerbs" vor (nach dem Verfasser „Josten-Ent­ wurf" 15 genannt). Dieser Entwurf verstand den Wettbewerb als eine vom Staat eingeführte und zu schützende Institution und definierte in seiner Präambel als Zielvorstellung die Durchsetzung und Sicherung einer von staatlichem Zwang weitgehend befreiten, den Grundsätzen sozialer Marktwirtschaft und freien Leistungswettbewerbs verpflichte­ ten Wirtschaftsordnung1 8 • Das Gesetz sollte dem Leistungswettbewerh Geltung verschaffen und ihn vor Gefahren durch Ausübung wirtschaft­ licher Macht auf dem Markt schützen. Zum ersten Mal sollte auch wirt­ schaftliche Macht außerhalb von Kartellen durch ein deutsches Kar­ tellgesetz verboten werden. Der Schutz des freien Wettbewerbs war erklärtes Ziel des Gesetz­ entwurfs, man begab sich zwischen Laisser-faire-Liberalismus und Dirigismus auf den schmalen Grat des Ordo-Liberalismus 17 • Leitbild dieses Entwurfs war das Eucken'sche Modell der vollkommenen Kon­ kurrenz. Als weiteren Entwurf legte Eberhard Günther einen Vorschlag vor, der gegenüber dem absoluten Verbot von Kartellen bei der Behand­ lung wirtschaftlicher Macht von einem Mißbrauchsprinzip ausging. Wirtschaftliche Machtansammlung durch internes oder externes Wachs­ tum von Unternehmen sollte nicht verboten sein, solange keine wett­ bewerbshindernden Wirkungen eintraten. Einen gewissen Abschluß erreichten die Vorarbeiten in der Kabi­ nettsvorlage vom 22. 5. 1951 1 8• Es sollte das Verbotsprinzip gegenüber horizontalen wettbewerbsbeschränkenden Verträgen selbständiger Un­ ternehmer (Kartellen) eingeführt werden, während gegenüber markt­ starken Unternehmen das Mißbrauchsprinzip gelten sollte. In § 18 des Entwurfs war auch eine Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüs­ sen vorgesehen. 1 4 Abgedruckt in der Drucksache des Wirtschaftsrates (1949), Nr. 1093 vom 9. 4. 1949. 1 5 Entwurf zu einem Gesetz zur Sicherung des Leistungswettbewerbs und zu einem Gesetz über das Monopolamt mit Stellungnahme des Sachverstän­ digenausschusses und Minderheitsgutachten, vom 5. 7. 1949, Bundesministe­ rium für Wirtschaft. 18 Vgl. S. 2 des Entwurfs, a. a. 0. 1 7 Vgl. Günther, Josten-Entwurf, S. 187. 1 8 Vgl. dazu die Zusammenstellung der Entwürfe bei Jäckering, Ausein­ andersetzung, S. 26 Fn. 23.

30

2.1.1 Die deutsche Regelung

Dem aus der Kabinettsvorlage hervorgehenden Regierungsentwurf18 wurden noch zwei weitere Entwürfe gegenübergestellt, der sog. HöcherZ-Entwurf2° und der Böhm-Entwurf21 , die eine lebhafte Diskus­ sion auslösten. Der Regierungsentwurf wurde in der zweiten Legisla­ turperiode schließlich im wirtschaftspolitischen Ausschuß behandelt. In seiner Stellungnahme22 verwarf der Ausschuß die in § 18 vorge­ sehene Zusammenschlußkontrolle vor allem mit dem Argument, nicht das Entstehen wirtschaftlicher Macht, sondern nur ihr Mißbrauch sei zu mißbilligen. Außerdem behindere die Zusammenschlußkontrolle die wünschenswerte Tendenz zur optimalen Betriebsgröße23 • Diese These setzte sich gegen die Ansicht, daß jede Form der Entstehung zu großer wirtschaftlicher Macht verhindert werden müsse, durch, so daß das schließlich verabschiedete GWB von 1957 zwar ein Verbot von Kar­ tellen, j edoch nur eine Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen enthielt. Zusammenschlüsse unterlagen lediglich einer Pflicht zur Anzeige beim Bundeskartellamt, das den Zusammenschluß zwar mit den Unternehmen diskutieren, nicht j edoch verhindern konnte. Schon bald j edoch mehrten sich die Stimmen für die Einführung einer ZusammenschlußkontrolleH besonders in der SPD H , bis schließ­ lich in der Regierungserklärung 1969 die Einführung einer Fusions­ kontrolle in das Regierungsprogramm aufgenommen wurde. Der Refe­ rentenentwurf vom 30. 3. 1970 sah kein Zusammenschlußverbot vor, sondern nur wie § 18 des Regierungsentwurfs von 1951 eine Untersa­ gungsmöglichkeit bei wettbewerbshindernden Zusammenschlüssen. Die Beratungen über den aus diesem Entwurf resultierenden Regierungs­ entwurf24 wurden in der 6. Wahlperiode nicht abgeschlossen. Der Ent­ wurf wurde j edoch in der 7. Wahlperiode unverändert neu eingebracht. Nach der 1. Lesung am 1. 2. 1973 und intensiven Beratungen in den Ausschüssen wurde die Fusionskontrollregelung schließlich am 3. 8. 1973 Gesetz. Am 3. 8. 1973 ist es damit gelungen, die seit 15 Jahren beklagte Ungleichbehandlung von vertraglicher und faktischer Konzentration weitgehend zu beseitigen. Nicht nur die Absprachen zwischen selbstän-

Vgl. BT-Drucks. 2/1 1 58. Vgl. BT-Drucks. 2/1253. 21 Vgl. BT-Drucks. 2/1269. 22 Vgl. BT-Drucks. 2/3644. 23 Vgl. zu BT-Drucks. 2/3644 S. 27, insoweit auch abgedruckt in Gemein­ schaftskommentar 1958, S. 1 1 56 ff., S. 1191; vgl. auch Jäckering, Auseinander­ setzungen, S. 27 ff. H Vgl. Jäckering, Auseinandersetzungen, S. 51. u Vgl. die Zusammenstellung der Initiativen bei Jlickering, Auseinander­ setzungen, S. 137 ff. " BT-Drucks. 6/2520. 1



20

2.1.1.2 Aufbau der deutschen Regelung

31

digen Unternehmen, sondern auch die Zusammenfassung mehrerer selbständiger Unternehmen zu einem unterliegen j etzt der Kontrolle des Bundeskartellamtes. Eine Entflechtung bestehender wirtschaft­ licher Macht oder eine Kontrolle des internen Unternehmenswachstums ist nicht vorgesehen , da vom Gesetzgeber für solche Fälle die be­ stehende Mißbrauchsaufsicht für ausreichend angesehen wird. In der Erkenntnis, daß eine sich selbst überlassene Marktwirtschaft von sich aus nicht zur Erhaltung des Wettbewerbsdrucks, sondern zur Konzentration tendiert17 , wird zur Erhaltung des Wettbewerbs die staatliche Erstellung eines Ordnungsrahmens zur Begrenzung der Ent­ stehung oder Ausnutzung wirtschaftlicher Macht auf der einen oder an­ deren Marktseite für erforderlich gehalten28 • Der durch das GWB 1973 gegebene Ordnungsrahmen ist durch zwei weitere Novellen verbessert worden. Die 3. Novelle29 führte 1976 einige besondere Berechnungsvorschriften für Pressezusammenschlüsse ein. Die 4. Novelle30 enthält einige Klarstellungen und führt in § 23 a GWB besondere Vermutungen u. a. zum Schutz mittelständischer Märkte und eine weitere Oligopolvermutung zur Erleichterung des Nachweises der Untersagungsvoraussetzungen für das Bundeskartellamt ein31 •

2.1 . 1 .2 Aufbau der deutschen Regelung Die geltende deutsche Regelung der Zusammenschlußkontrolle be­ steht aus den §§ 22 - 24 a GWB. Man unterscheidet eine formelle und eine materielle Kontrolle. Die formelle Fusionskontrolle besteht aus Vorschriften zur Anzeige vollzogener Zusammenschlüsse und der Anmeldung geplanter Zusam­ menschlußvorhaben. Sie soll dem Bundeskartellamt einen Überblick über die Konzentra­ tion der deutschen Wirtschaft ermöglichen und gleichzeitig die Grund­ lage für die Ausübung der materiellen Fusionskontrolle bieten32 • Grundsätzlich sind erst vollzogene Zusammenschlüsse von einer be­ stimmten Größe gemäß § 23 Abs. 1 GWB anzeigepflichtig. Neben einer 27 Vgl. Schneider, Konzentration, S. 437 ff., und Kaiser, Planung II, S. 259. 28 Vgl. Fatscheck, Außerwettbewerbliche Gesichtspunkte, S. 1 1 . •• BT-Drucks. 7/2954, Gesetz vom 28. 6. 1976 (BGBI. I S. 1697). 30 Vgl. Entwurf eines vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, BT-Drucks. 8/2 136, und die vom Bundestag am 28. 2. 1980 verabschiedete Fassung in der BT-Drucks. 8/2690. Diese Rege­ lung ist seit dem 1. 5 1980 in Kraft. 31 Vgl. Text im Anhang 1 dieser Arbeit. 32 Vgl. Kleinmann, Bechtold, Einleitung Rdnr. 16 und Regierungsbegrün­ dung BT-Drucks. 6/2520, S. 25 rechte Spalte.

32

2.1.1 Die deutsche Regelung

Aufführung der verschiedenen Zusammenschlußtatbestände in § 23 Abs. 2 GWB und Größenkriterien in § 23 Abs. 1 GWB enthält § 23 GWB eine genaue Auflistung der Daten; die dem Bundeskartellamt in der Anzeige mitzuteilen sind (§ 23 Abs. 5 GWB). Stets ist eine Anmeldung des Zusammenschlußvorhabens auch schon vor Vollzug möglich (§ 24 a Abs. 1 Satz 1 GWB). Gemäß § 24 a Abs. 1 Satz 2 GWB besteht u. a. bei Beteiligung von mindestens zwei Umsatzmillardären die Pflicht zur Anmeldung bereits des Vorhabens eines Zusammenschlusses. In solchen Fällen der Betei­ ligung von mindestens zwei Umsatzmilliardären will man die Folgen einer Entflechtung im Falle der Untersagung vermeiden, indem man bis zur Entscheidung des Bundeskartellamtes, ob untersagt wird oder nicht, den Zusammenschlußparteien einen Vollzug des Zusammen­ schlusses verbietet (vgl. § 24 a Abs. 4 GWB). Nachdem das Bundeskartellamt als allein zuständige Behörde (vgl. Abs. 1 Nr. 1 c GWB) durch Anzeige oder Anmeldung oder in son­ stiger Weise (§ 24 Abs. 2 Satz 2 GWB) von dem Zusammenschluß (vor­ haben) erfahren hat, hat es die Voraussetzungen der materiellen Fu­ sionskontrolle zu prüfen. Das Bundeskartellamt kann den Zusammen­ schluß untersagen, falls zu erwarten ist, daß durch den Zusammen­ schluß eine marktbeherrschende Stellung entsteht oder verstärkt wird (§ 24 Abs. 1 GWB). Zu ihrer Ausfüllung bedarf diese Vorschrift der §§ 22 Abs. 1 bis 3 und 23 Abs. 2 GWB (Feststellung der Marktbeherrschung und die De­ finition des Zusammenschlusses), wobei die Feststellung der Markt­ beherrschung dem Bundeskartellamt durch die V�rmutungen des § 22 Abs. 3 und § 23 a Abs. 2 GWB erleichtert wird33 • § 44

Gemäß § 24 A•b s. 8 GWB sind bestimmte Zusammenschlußfälle der materiellen Kontrolle entzogen. Diese Bestimmungen haben große praktische Bedeutung, da so bisher fast 50 0/o der angezeigten Fälle der Kontrolle entzogen werden. 2. 1 .1.3 Das Verfahren

Das Verfahren beginnt entweder mit der Anzeige eines Zusammen­ schlusses gemäß § 23 Abs. 1 GWB, mit einer Anmeldung eines Zusam­ menschlusses gemäß § 24 a Abs. 1 GWB oder durch sonstige Kenntnis­ erlangung des Bundeskartellamtes von einem Zusammenschlußvor­ haben (§ 24 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz GWB). Soweit dies noch erforder­ lich ist, kann das Bundeskartellamt gemäß § 23 Abs. 6 oder gemäß § 24 a 33 Vgl. Lanzenberger, Schwerpunkte, S. 41 ff. und Niederleithinger, Schwer­ punkte, S. 73 ff., .7 7. Anderer Ansicht Wirz, Auslegungsfragen, S. 42, der eine Anwendbarkeit der Vermutungen ablehnt.

2.1.1.4 Statistiken zur deutschen Praxis

33

Abs. 3 und § 46 GWB weitere zur Entscheidung erforderliche Auskünfte einholen. In der Praxis finden in diesem Verfahrensabschnitt auch zahl­ reiche Gespräche mit den beteiligten und eventuell auch mit konkur­ rierenden Unternehmen statt (vgl. § 53 Abs. 1 und Abs. 2 GWB), um ein genaues Bild des Zusammenschlusses und seiner Wirkungen zu erhal­ ten. Mit vollständiger Anzeige oder Anmeldung beginnen die Fristen gemäß § 24 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz und § 24 a Abs. 2 Satz 1 GWB zu laufen. Nach Abschluß der Prüfung teilt das Bundeskartellamt den am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen mit, daß es entweder das Verfahren eingestellt hat oder mit einer Untersagung zu rechnen ist. Im Fall der drohenden Untersagung werden die Unternehmen im sog. informellen Verfahren oftmals versuchen, durch Zusagen struktureller Verbesserungen die Untersagungsvoraussetzungen gemäß § 24 Abs. 1 GWB wegen überwiegender Verbesserungen entfallen zu lassen. Erfolgt eine Untersagung gemäß § 24 Abs. 1 GWB so steht den be­ teiligten Unternehmen gemäß § 62 Abs. 4 GWB die Beschwerde an das Kammergericht Berlin als Rechtsmittel zur Verfügung. Daneben kommt allerdings auch die Beantragung einer Ministererlaubnis gemäß § 24 Abs. 3 GWB in Betracht. Eine solche Ministererlaubnis kann erteilt werden, wenn im Einzelfall die Wettbewerbsbeschränkung durch ge­ samtwirtschaftliche Vorteile des Zusammenschlusses aufgewogen wird oder der Zusammenschluß durch ein überragendes Interesse der Allge­ meinheit gerechtfertigt ist. Wird die Untersagung rechtskräftig und erfolgt auch keine Minister­ erlaubnis, so ist ein vollzogener Zusammenschluß aufzulösen (§ 24 Abs. 2 Satz 5 GWB) bzw; das Vorhaben nicht zu vollziehen (§ 24 Abs. 2 Satz 4 GWB). Die Auflösung des Zusammenschlusses kann gemäß § 24 Abs. 6 GWB auch dadurch geschehen, daß die eingetretene Wettbewerbsbe­ schränkung anders als durch Wiederherstellung des früheren Zustan­ des beseitigt wird. Die Möglichkeiten des Bundeskartellamtes, seine Anordnungen im Entflechtungsverfahren durchzusetzen, sind in § 24 Abs. 7 GWB geregelt, vor allem kann das Bundeskartellamt durch Zwangsgelder bis zur Höhe von 1 Mio DM die Befolgung seiner An­ ordnungen erreichen. 2. 1 . 1 .4 Statistiken zur deutschen Praxis

Das Bundeskartellamt hatte bis zum 3 1 . 12. 197884 insgesamt 2 338 An­ zeigen gemäß § 23 Abs. 1 n. F. GWB und 448 Anmeldungen gemäß § 24 a GWB erhalten. 34 Seit Inkrafttreten der 4. Novelle wird ein Tätigkeitsbericht des BKartA nur alle zwei Jahre veröffentlicht. Der Bericht für die Jahre 1979 und 1980 lag bei Drucklegung noch nicht vor. Einige Angaben zu 1979 finden sich in WuW 9/1980 S . 59 1 ff. 3 Nelser

34

2.1.1 Die deutsche Regelung

Da gemäß § 24 a Abs. 3 GWB der Vollzug der Vorhaben auch gemäß § 23 GWB anzeigepflichtig ist und in den Anzeigefällen 331 bereits ge­ prüfte Zusammenschlüsse enthalten waren, hatte das Bundeskartellamt b is zum 3 1 . 12. 1978 insgesamt 2 338 + 1 1 7 = 2 455 verschiedene Zusam­ menschlüsse zu behandeln. Von diesen Fällen entfielen 1 106 auf § 24 Abs. 8 GWB, 41 erle­ digten sich während der Prüfungen, so daß insgesamt 1 308 Fälle mate­ riell geprüft werden mußten. 1 143 dieser Fälle prüfte das Bundeskar­ tellamt bis zum 3 1 . 12. 1978 abschließend. Die Verteilung der abge­ schlossenen Prüfungen auf die letzten 6 Jahre zeigt die Tabelle 1 .

Tabelle 1 Prüfungen des Bundeskartellamtes Jahr

abgeschlossene Prüfungen in Kontrollfällen (§ 24 Abs. 1 GWB)

Anzeigen und Anmeldungen

1973 1974 1975 1976 1977 1978

11 109 200 235 330 258

49 364 511 543 652 667

1 143

2 786

Quelle: TB des Bundeskartellamtes und eigene Berechnungen. Die 1 143 Prüfungen bis 1978 führten in 23 Fällen zur Bej ahung der Untersagungsvoraussetzungen gemäß § 24 Abs. 1 GWB. Die Zahl der Untersagungen in den einzelnen Jahren wird in Tabelle 2 gezeigt.

Tabelle 2 Untersagungen Jahr 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980

Untersagungen 0 5 0 5 2 11 2 3 (vorläufige Zahl)

Quelle: TB des Bundeskartellamtes und Pressemitteilungen.

2.1.1.4 Statistiken zur deutschen Praxis

35

Im Verhältnis zu den materiell geprüften Kontrollfällen ist die An­ zahl der Untersagungen also gering. Trotzdem fällt auf, daß die Be­ deutung der Zusammenschlußkontrolle in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Dies wird auch aus der folgenden Tabelle deutlich, die den Anteil der Fälle der Anmeldungen gemäß § 24 a GWB im Ver­ hältnis zu der Anzahl der Anzeigen gemäß § 23 Abs. 1 GWB darstellt.

Tabelle 3 Anzeigen und Anmeldungen

Jahr 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979

Anzeigen gemäß § 23 Abs. 2 GWB

Anmeldungen gemäß § 24 a GWB

34 294 445 453 554 558 602 2 940

15

70

66

90 98 109

106 554

Quelle: TB des Bundeskartellamtes und Pressemitteilungen. Die Tabelle macht deutlich, daß der Anteil der Anmeldungen an der Gesamtzahl der behandelten Fälle bisher weniger als 1 /s beträgt. In den folgenden Tabellen soll die Bedeutung der einzelnen Zusam­ menschlußformen und Zusammenschlußrichtungen dargestellt werden. Bei der Form des Zusammenschlusses überwiegt eindeutig der Anteils­ erwerb, während z. B . die Zusammenschlußform der personellen Ver­ flechtung so gut wie keine Bedeutung hat. Bei der Art des Zusammen­ schlusses überwiegt die Anzahl der horizontalen Zusammenschlüsse, wobei j edoch zu beachten ist, daß in der amtlichen Statistik, die hier wiedergegeben wird, zu horizontalen Zusammenschlüssen auch solche Zusammenschlüsse gerechnet werden, bei denen erworbene Unterneh­ men und Erwerber auf benachbarten Märkten des gleichen Wirtschafts­ bereiches tätig sind (horizontale Zusammenschlüsse mit Produktauswei­ tung) . Eine gesonderte Auflistung der sog. Markterweiterungszusam­ schlüsse, d. h. der Zusammenschlüsse, bei denen Erwerber und erwor­ benes Unternehmen auf zwar sachlich identischen Märkten anbieten, diese sich jedoch geographisch nicht überschneiden, findet nicht statt (ein solcher Fall war z. B. S achs/GKN35) . Eine Aufnahme dieser Zusam­ menschlußart in die Statistik wäre wünschenswert.

85

Vgl. WuW/E BKartA 1625 ff. (Sachs/GKN).

2.1.1 Die deutsche Regelung

36

Tabelle 4 Form des Zusammenschlusses

Jahr 1973 1974 1975 1976 1977 1978

PersoVermö- Anteils- Bildung Unternelle nehgensmens- Verflech- sonstige erwerb erwerb eines GU verträge tungen 8 57 59 92 141 151

6 85 134 140 143 128

17 166 233 194 243 262

2 8 9 17 19 13

1 1 2

--

-

insgesamt

-

34 318•) 448b) 453 554 558

1 1 12 8 4

a) Diese Zahl schließt 24 Fälle nach alter Fassung des§ 23 ein. b) Diese Zahl schließt 3 Fälle nach alter Fassung des§ 23 ein. Quelle: TB 1973 - 1978.

Tabelle 5 Art des Zusammenschlusses

horizontale Jahr

1973 1974 1975 1976 1977 1978

insgesamt 27 235 336 2 83 3 67 396

mit ohne Produkt- Produkterweite- erweiterung rung 10

72 72

68 93 116

17 163 264 215 273 280

vertikale

konglomerale

1 50 53 1 13 122 93

6 33 59 57 65 69

insgesamt

34 318") 448b) 453 554 558

a) Diese Zahl schließt 24 Fälle nach alter Fassung des§ 23 GWB ein. b) Diese Zahl schließt 3 Fälle nach alter Fassung des§ 23 GWB ein. Quelle: TB 1973 - 1 97 8.

Weitere statistische Tabellen und graphische Darstellungen, die wegen des Umfangs nicht in diesen statistischen Teil der Arbeit aufgenommen werden konnten, befinden sich in den Tätigkeitsberichten des BKartN6 • Vor allem bezüglich der Zusammenschlußhäufigkeit in verschiedenen Branchen und Umsatzzahlen der beteiligten Unternehmen muß auf diese Tabellen verwiesen werden. 38 Die Fundstellen der Tätigkeitsberichte des BKartA sind im Literatur­ verzeichnis angegeben.

2.1.2.1 Entstehungsgeschichte und Ziele seit 1890

37

2.1.2 Die amerikanische Regelung

2.1 .2. 1 Entstehungsgeschichte und Ziele seit 1890 2.1.2.1.1 Das Common Law Die Anfänge des amerikanischen Wettbewerbsrechts liegen im Com­ mon Law 1 • Dabei sind bei der Beurteilung von Zusammenschlüssen zwei verschiedene Ansätze zu unterscheiden. 1. Die Regel gegen Vereinbarungen in „Restraint of trade" und 2. Das ultra-vires-Prinzipt . Unter diesem letzteren Prinzip wurde es für illegal gehalten, wenn ein Unternehmen entweder sich unter die Herrschaft eines anderen be­ gibt oder selbst Kontrolle über ein anderes Unternehmen erlangt3 • Mit dieser Regel erklärten die Gerichte z. B . einen Mehrheitserwerb von Aktien und eine horizontale Betriebsüberlassung' für rechtswidrig. 2.1.2.1.2 Das Wettbewerbsrecht der Einzelstaaten In der zweiten Hälfte des 19. J ahrhunderts entwickelte sich einzel­ staatliches Recht, das Gesellschaften unter bestimmten Voraussetzun­ gen gestattete, Aktien fremder Unternehmen zu erwerben5 • Die da­ durch hervorgerufene Konzentration, die auf Bundesebene später durch den Sherman Act bekämpft werden sollte, versuchte man danach auch auf der Ebene der Einzelstaaten zu begrenzen, indem diese Ein­ zelstaaten Antitrustgesetze erließen, die j edoch kaum Einfluß nehmen konnten8 . 2 . 1 .2.1.3 Der Sherman Act7 Nachdem eine erste große Zusammenschlußwelle ca. 18798 mit der Bildung des Standard Oil Trust begonnen hatte und immer mehr Fir­ men ihre Macht durch Bildung von Trusts verstärkten, machte sich die Einstellung der Öffentlichkeit gegen eine solche Konzentration immer Thomas vs. Railroad Co. 101 US 71 (1879). Vgl. Martin, Mergers S. 9. 3 Vgl. Department of Commerce, Trust Laws, S. 4. ' Vgl. Thomas vs. Railroad Co. ( 1879), a. a. 0. � So z. B. 1853 und 1892 im Staat New York und 1883 und 1888 in New Jersey, vgl. dazu auch Aarts, Antitrust policy, S. 132 ff., Whitney, Interference s. 6 ff. 8 Vgl. Martin, Mergers, S. 12 m. w. N. 7 Vgl. zur Geschichte seit 1890 vor allem Dewey, Monopoly, S. 213 ff., B lake, Antitrust Law, S. 59 ff. m. w. N. und Fällen besonders auch des Common Law; Kintner, Primer, S. 3 - 15 und Oppenheim, Cases, S. 1 ff. m. w. N. 8 Vgl. zur Problematik der sog. movements Martin, Mergers, S. 4 ff. und die Statistik bei Markham, Survey, S. 157 ff. 1

2

38

2. 1. 2 Die amerikanische Regelung

mehr bemerkbar9 • Dies führte zu einem Gesetzentwurf von Senator Sherman, in dem das Common Law, das bisher als einziges bundeswei­ tes Recht auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts galt, durch Statutory Law abgelöst werden sollte. Die Debatten über dieses Gesetz waren von starken Kontroversen geprägt1° , während sich die Konzentration weiter fortsetzte. Da im Common Law Kartellabsprachen als testraint of trade untersagt waren1 1 , flüchtete die expandierende Industrie mehr und mehr in die Konsolidation, die vom Common Law nicht ausrei­ chend erfaßt wurde 12 • Bald nach Erlaß des Sherman Acts im Jahre 1890 endete diese ,,merger wave" , da dieses Gesetz in Sec. 1 bestimmte, daß ein Vertrag, eine Verbindung in Form eines Trusts oder in anderer Form „in restraint of trade" illegal ist. Das Ende dieses ersten merger-move­ ments ist jedoch nicht allein der Unsicherheit über die zukünftige Be­ urteilung der Zusammenschlüsse zuzuschreiben, sondern auch auf die damalige Depression von 1893 zurückzuführen13 • Die ersten Zusammenschlußfälle wurden 1892 und 1895 entschieden 1 ', und zwar alle zugunsten der beteiligten Unternehmen, weil man ent­ weder Sec. 1 nur auf interbundesstaatlichen Handel anwandte 15 oder ,,commerce" zu restriktiv auslegte 16 , Es schien also nur Landesrecht an­ wendbar zu sein, was jedoch für eine Beschränkung der Konzentration ungeeignet war. Aus dieser mangelhaften Regelung und wirtschaft­ lichem Aufschwung entsprang eine zweite Zusammenschlußwelle17 , die erst 1904 mit der Entscheidung im Falle Northern Securities vs. US 18 zu Ende ging. In dieser Entscheidung wurde zum ersten Mal Sec. 1 und 2 Sherman Act auf einen Zusammenschluß in Form einer gemein­ samen Holdinggesellschaft angewandt. Das Urteil verlangte, daß die Holding-Company ihre Anteile an den beiden Eisenbahngesellschaften des Nordens der USA abgibt1•. Die entscheidende Erkenntnis dieses

• Vgl. Letwin, Congress, S. 2 2 2 ff. 10 Vgl. Thorelli, Antitrust, S. 1 85 ff. 1 1 Vgl. NICB, Mergers, S. 1 7 - 2 5. 12 Vgl. NICB, Mergers, S. 19 ff. 1 3 Vgl. Martin, Mergers, S. 4. u US vs. Greenhut 5 0 Fed 469 (D. Mass. 1 892) ; in re Greene 5 2 Fed 1 04 (D. Mass. 1 89 2) und US vs. C.Knight Co 1 5 6 US 1, ( 1 895). 15 In re Greene s. oben. 18 So in US vs. Knight Co, 1 5 6 US 1; vgl. auch Martin, Mergers, S. 13 zu Problemen des Verhältnisses von New Jersey Holding Companies zu Sec. 1 Sherman Act. 17 Allein 1 899 gab es 1 2 0 8 Zusammenschlüsse, vgl. Reid, Mergers, S. 37 2, Fn. 2 m.w.N. 18 Vgl. 193 US 197, vgl. dazu Sullivan, S. 581 ff. 19 Ausführlich zu diesem Fall Meyer, History, S. 1 ff.

2 . 1 .2.1 Entstehungsgeschichte und Ziele seit 1890

39

Falles war, daß auch ohne den Nachweis von Absicht oder Macht, Dritte vom Markt zu verdrängen, Zusammenschlüsse gegen Sec. 1 Sher­ man Act verstoßen können. Zur Frage, welche Wettbewerbsminderungen vorliegen müssen, da­ mit das Gericht den Zusammenschluß untersagt und auflöst, waren im weiteren 4 Entscheidungen wichtig, in denen die Gerichte die sog. „rule of reason" entwickelten, wonach nur „unreasonable restraints of trade" zu einem Eingreifen von Sec. 1 Sherman Act führen20 • In der Standard Oil Entscheidung21 erklärte das Gericht, daß durch die generalklauselartige Bestimmung des Sec. 1 Sherman Act der Wille des Kongresses offenbart sei, diese Regelung auf alle Formen von Unternehmensvereinbarungen und Zusammenschlüssen anzuwenden, falls sie eine übermäßige Beeinträchtigung des Wettbewerbs mit sich bringen22 • Da j eder Vertrag den Wettbewerb behindere, jedoch nicht alle Verträge untersagt werden sollten, müsse als Grenze die aus dem Common Law stammende Regel der „rule of reason" eingreifen23 • Unter der „rule of reason" untersuchten die Gerichte alle Aspekte des Zusammenschlusses, um aufgrund von Struktur, Verhalten und Markt­ ergebnis festzustellen, ob ein vorliegender „restaint of trade" auch „un­ reasonable" sei, was mit „unangemessen" oder „unvernünftig" über setzt wird24 . Damit war die Anwendbarkeit des Sec. 1 Sherman Act auf Unter­ nehmenszusammenschlüsse und die Form der Prüfung festgelegt. Es bestand j edoch schon hier eine Tendenz, gewisse Zusammenschlüsse per se ohne Prüfung der „reasonableness" zu untersagen25 • 2.1.2 . 1 .4 Die Einführung des Clayton Act28 und des FTC Act27 von 1914 Die Besorgnis über die durch die vorangegangenen starken Konzen­ trationsbewegungen geschaffenen Marktstrukturen führte zu mehreren Vorschlägen in der Literatur, durch neue Bundesgesetze Sec. 1 Sher­ man Act zu ergänzen. Bis 1914 stieg der Druck der öffentlichen Mei20 Es handelte sich um die Fälle Cincinnati Packet Co vs. Bay , 200 US 179 (1906) ; Standard Oil Co vs. US, 221 US 1 (19 1 1) ; US vs. American Tobacco Co, 221 US 106 (1911) und US vs. Winslow, 227 US 202 (1913). 21 US vs. Standard Oil, 221 US 1 ff. (1911). 22 221 US 60 (Standard Oil) (1911); vgl. zur „rule of reason" auch Sangmeister, Rule of Reason, S. 5 ff. 13 Vgl. 221 US 65 (Standard Oil). H Vgl. Sangmeister, Rule of Reason, S. 5 Fn. 2. 25 Vgl. Sangmeister, Rule of Reason, S. 2 und S. 5 ff. 28 38 Stat. 730. 27 38 Stat. 717.

40

2.1.2 Die amerikanische Regelung

nung; bis · man schließlich eine Gesetzgebung erzwang, die besondere Gesch�ftspraktiken und unter anderem auch „intercorporate stock­ holding" unterbinden sollte28 • Vor allem das Bureau of Corporations verlangte die Schaffung einer Behörde, die Nachforschungs- und Ver­ öffentlichungsbefugnisse über Geschäftspraktiken der Unternehmen im gesamten Bundesgebiet haben sollte". Dies wurde j edoch zunächst vom Congress abgelehnt, bis schließlich nach einem Wahlkampf Präsident Wilson seinem Wahlkampfversprechen einer Neuregelung des Anti­ trust-Rechts entsprach und die Schaffung einer Behörde und neuer Re­ gelungen verlangte30 • Dabei sollte die materielle Neuregelung, im we­ sentlichen vier Bereiche erfassen: 1. .die Preisdiskriminierung 2. Lieferbeschränkungen und Knebelung 3. Holding-Companies 4. interlocking directorates, d. h. personelle Verflechtungen zwischen Unternehmen. Auch schon die drohende Gefährdung des Wettbewerbs durch Markt­ macht, nicht nur schon bestehende Wettbewerbsbeschränkungen, sollte erfaßt und die „rule of reason" präzisiert werden31 • Der schließlich verabschiedete Text war ein Kompromiß oft wider­ streitender Ansichten und recht unklar: Die die Funsionskontrolle be­ treffende Sec. 7 des (,,Clayton Act" genannten) Gesetzes lautete: „That no corporation engaged in commerce shall acquire, directly or indirectly the whole or any part of the stock or other share capital of another corporation engaged also in commerce, where the effect of such acquisition may be to substantially lessen competition between the cor­

poration whose stock is so acquired and the corporation making the acquisition, or to restrain such commerce in any section or community

or tend to create a monopoly in any line of commerce32." Es fällt auf, daß der Vermögenserwerb ausgenommen · ist, obwohl diese Form des Zusammenschlusses schon vor 1914 weit verbreitet war. Anscheinend hielt der Kongress nur die Bildung einer Holding-Com­ pany für wettbewerbsmindernd. Außerdem ist bemerkenswert, daß der Wettbewerb zwischen den Beteiligten wesentlich vermindert werden muß, so daß diese Vorschrift nur auf horizontale Zusammenschlüsse anwendbar ist. Auch die Ver,botskriterien waren nicht eindeutig. Es

Vgl. Martin, Mei'gers, S. 18 und zur Gesetzesgeschichte, dort S. 20 ff. Vgl. Martin, Mergers, S. 21. so Vgl. Trust and Monopolies, US 63rd Congress, 2. Sitzung, Hausdokument Nr. 625 (1914), S. 5. 3 1 Vgl. Aarts, Antitrust Policy, S. 217 und Senate Report 698, 63rd Con­ gress, 2. Sitzung, S. 1 (1913). 32 38 Stat. 731 (1914), 15 USC 18, (Hervorhebungen des Verf.). 28

20

2 . 1 .2 . 1

Entstehungsgeschichte und Ziele seit

1890

41

waren wieder die Gerichte, die durch Interpretation dieser Sec. 7 Clay­ ton Act die Präzisierung vornehmen mußten33 • Neben dem Clayton Act wurde der Federal Trade Commission Act verabschiedet34 , der der neugeschaffenen Behörde in Sec. 5 FTC Act be­ sondere Eingriffsrechte gewährte. Damit war die noch heute geltende Vielfalt von Normen und Behörden geschaffen. Auf Zusammenschlüsse sind Sec. 1 und 2 Sherman Act (durch die Antitrust Division), Sec. 7 Clayton Act (durch die FTC und Antitrust Division) und Sec. 5 FTC Act (durch die FTC) anzuwenden. Außerdem ist ein privates Verfahren ge­ mäß Sec. 4 und 16 Clayton Act möglich. Die Regelungen des Sherman Act sind nicht als Regelungen zum Schutz der Institution des Wettbewerbs, sondern vielmehr als Vor­ schriften zur Sicherstellung der persönlichen Freiheit zu verstehen. Aus der Formulierung des Sherman Acts von 1890 und der Interpre­ tation der Gerichte geht hervor, daß diese Vorschrift als Grundrecht der Wirtschaftsfreiheit verstanden wird. Die Richter sprechen von ,,Magna charta of free enterprise35 bzw. ,,Charta of freedom" 38 und ver­ gleichen diese Vorschrift mit Verfassungsartikeln37 • Eine ausdrückliche Interpretation dieser Vorschrift als Freiheitsrecht des einzelnen Unternehmers findet sich ebenfalls in der. oben zitierten Entscheidung des Richters Learned Hand: ,, . . . the freedom garanteed each and every business, no matter how small, is the freedom to com­ pete . . .38 ." Ziel des Gesetzes ist daher nicht der Schutz der Institution ,,Wettbewerb" als System zur Sicherstellung der persönlichen Freiheit, der Schutz der Freiheit des einzelnen (Individualschutz) ist vielmehr direkt Schutzzweck des Gesetzes39 , Erst in Clayton Act und FTC Act von 1914 wurde „the vigor of com­ petition" als schutzwürdig angesehen. Gleichzeitig erkannte man, daß eine zu hohe Konzentration unterbunden werden muß, um Wettbewerbs­ beschränkungen im Anfangsstadium zu verhindern. Ein Schutz des Wettbewerbs als Institution zeichnet sich also ab.

aa Vgl. Aarts, Antitrust Policy, S. 218. 38 Stat. 717 (19 14). Vgl. US vs. Ford Motor Co, 405 US 596 (1970) auf S. 610. 86 Vgl. US vs. US Steel Co, 238 US 344 (19 16) auf S. 359. 87 Vgl. 238 US 344 auf S. 359. 88 Vgl. 405 US 596 (Ford) auf S. 610. . 39 Zu möglichen Zielkonflikten zwischen Institutions- und Individual­ schutz, vgl. Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 67 ff. 34 35

42

2 . 1 .2 Die amerikanische Regelung 2 . 1 .2 . 1 .5 Die Entwicklung von 1 9 14 - 195040

Die ersten Gerichtsentscheidungen über Untersagungsverfügungen engten die Befugnisse der FTC sehr stark ein1 1 • Vor allem im Falle Thatcher42 erklärte der Supreme Court, daß im Falle des Vermögens­ erwerbs vor Abschluß des Verfahrens (auch nach vorherigem Anteils­ erwerb) die FTC nicht eingreifen könne43 • Die FTC hatte sogar selbst in einer Konferenz diese Umgehung für zulässig erklärt44 • Das größte Interesse der Unternehmen galt dem „Substantiality Test" , zu dem erst 1930 der Supreme Court Stellung nahm45 • Die FTC war fast ausschließlich von einem Ansatz ausgegangen, bei dem j eder Erwerb eines direkten Konkurrenten gegen Sec. 7 Clayton Act verstieß , ohne daß auf die Wettbewerbssituation näher eingegangen wurde46 • In der International Shoe-Entscheidung des Supreme Court47 (übri­ gens der letzten Supreme Court-Entscheidung zu Sec. 7 Clayton Act vor 1950) lehnte sich der Supreme Court an die „rule of reason doctrine" des Sec. 1 Sherman Act an, indem er feststellte, daß nicht jede Wett­ bewerbsminderung zur Untersagung führt, vielmehr nur eine solche, die den Wettbewerb in einem Ausmaß beschränke, ,,as will injuriously affect the public" 48• D amit waren die Möglichkeiten, über Sec. 7 Clayton Act zu einer prä­ ziseren und effizienteren Zusammenschlußkontrolle zu kommen, ver­ tan. Auch die Praxis der FTC, oft in Fällen der Sec. 7 Clayton Act ihr Einschreiten auch mit Sec. 5 FTC Act zu begründen, führte zu keinem Vgl. dazu Dewey, Monopoly, S. 219 ff. Es handelte sich um die Fälle Alcoa vs. FTC, 284 Fed 401 (3 C 1922) ; Western Meat Co vs. FTC, 1 F 2nd 95 (9 C 1924) ; Swift & Co vs. FTC, 8 F 2nd 595 (7 C 1925) und FTC vs. Thatcher Mfg Co, 5 F 2nd 615 (3 C 1925) . 4 2 Vgl. vorhergehende Fn. und 272 US 554. 43 Vgl. dazu auch Arrow-Hart and Hegeman Co vs. FTC, 291 US 587 (1934), wo trotz rechtzeitigen Eingreifens der Behörde eine Umwandlung in Ver­ mögenserwerb vor Anhörung des Falles durch den Supreme Court in einer 5 : 4-Entscheidung zugelassen wurde. 44 Vgl. dazu auch Martin, Mergers, S. 76 ff., wo dies als Grund für zahl­ reiche Verfahrenseinstellungen durch die FTC aufgezeigt wird. 45 Im Fall International Shoe Co vs. FTC, 280 US 291. 48 Z. B . in den Fällen Swift and Co vs. FTC, 8 F 2nd 595 (7 C 1925) und Western Meat Co vs. FTC, 1 F 2nd 95 (9 C 1924). 4 7 Vgl. 280 US 291 (1930). 4 8 US vs. International Shoe Co, 280 US 297 ff. (1930). Der Supreme Court spricht auch von substantial degree, ohne Angaben zu einem bestimmten Substantiality Test außer einem Verweis auf das öffentliche Interesse zu machen. Soweit andere interessante Fragen, wie z. B . die Marktabgrenzung behandf:!lt werden, wird der Verfasser auf diesen Fall noch später zurück­ kommen. 40 41

2.1.2.1 Entstehungsgeschichte und Ziele seit 1890

43

besseren Ergebnis. In dem einzigen Fall, bei dem Sec. 7 Clayton Act nicht erfüllt war, die FTC aber eine selbständige cease and desist order aufgrund Sec. 5 FTC Act erließ49 wurde diese order vom Supreme Court aufgehoben50 • zusammenfassend läßt sich daher sagen, daß die FTC die ihr gegebenen Möglichkeiten nicht nutzte, Sec. 7 Clayton Act zu präzisieren, eine extensive Auslegung durchzusetzen und Sec. 5 des FTC Act zu einer selbständigen Grundlage der Zusammenschlußkon­ trolle zu entwickeln. Die Schuld dafür ist nicht allein bei der Behörde zu suchen. Die unklaren Regelungen des Gesetzes und die kritische Hal­ tung der Gerichte trugen wesentlich zu den unbefriedigenden Ergeb­ nissen bei51 • Diese Entwicklung ermöglichte eine dritte Konzentrationswelle von 1920 - 1929. Nach 1930 nahm die Zahl der Zusammenschlüsse wieder ab. Solange das Department of Justice mit der Anwendung der Sec. 1 Sherman Act den Zusammenschlüssen einen wenn auch unsicheren Riegel vorschieben konnte, hatte das unbefriedigende Schicksal der Sec. 7 Clayton Act wenig Aufsehen erregt und das ständige Vorbringen der FTC, Sec. 7 Clayton Act sei zu verbessern, kaum politische Reso­ nanz gefunden. Als sich j edoch im Fall Columbia Steel 52 der größte amerikanische vollintegrierte Stahlproduzent mit der Consolidated Steel Co, dem größten Wettbewerber der Westküste, zusammenschloß und das Department of Justice am Supreme Court unterlag, obwohl durch diesen Zusammenschluß der letzte signifikante Wettbewerber von United States Steel verschwand, änderte sich die Haltung. Die dringend erforderliche Novelle zu Sec. 7 Clayton Act wurde am 29. 12. 1950, zwei Jahre nach der Columbia Steel-Entscheidung verabschiedet. 2.1.2.1.6 Das Recht seit 1950 53 Im sog. Celler-Kefauver Act von 195054 wurde Sec. 7 Clayton Act in in zwei Richtungen geändert. Das „asset loophole" , die Gesetzeslücke für Vermögenserwerbe, wurde beseitigt und die bisher geltende Be­ schränkung auf horizontale Zusammenschlüsse wurde aufgehoben. Ob­ wohl die Gesetzesformulierungen gleich allgemein blieben wie 1914, hatte der Kongress deutlich gemacht, daß er die Zusammenschlußkon4 9 Vgl. den Fall Eastman Kodak vs. FTC, 7 F 2nd 994 (3 C 1925); vgl. dazu auch Martin, Mergers, S. 93 ff. und Aarts, Antitrust Policy, S. 223. 50 Vgl. 247 US 916 (1927). 51 Vgl. Dewey, Monopoly, S. 219 und dort Fn. 21. 5 2 US vs. Columbia Steel Co, 334 US 495 (1948). 53 Die Gesetzgebungsgeschichte ist in der Entscheidung US vs. Brown Shoe Co. 370 US 294 (1962), S. 312 - 323 gut wiedergegeben, vgl. dazu auch Martin, Mergers, S. 221. 54 Vom 29. 12. 1950, 64 Stat. 1 125, 15 USC § 18.

2.1.2 Die amerikanische Regelung

44

trolle verschärfen wollte. Aus diesem Ziel des Kongresses und der all­ gemeinen Regelung mußten nun die FTC und die Gerichte eine praktikable Interpretation der Sec. 7 Clayton Act ableiten. Die Haupt­ frage dabei war, ob man nur auf Strukturdaten oder auch auf Zweck und Absicht der sich zusammenschließenden Unternehmen abstellen sollte, und wie hoch die Marktanteile sein müßten, um ein „substan­ tially lessening of competition" anzunehmen. Im folgenden sollen ein­ zelne Entscheidungen herangezogen werden, um eine allgemeine Ent­ wicklung in der Rechtsprechung zu Sec. 7 Clayton Act aufzuzeigen. Der erste Fall nach neuem Recht, der den Supreme Court erreichte, war Brown Shoe55 • Das Gericht erklärte hier, daß eine Vielzahl von Faktoren bei der Beurteilung eines Zusammenschlusses zu berücksich­ tigen seien: Marktanteile, Konzentrationstrend und bisheriges Wachs­ tum der beteiligten Unternehmen und evtl. resultierende besondere Gefahren für kleinere nicht zusammengeschlossene Konkurrenten. In einer weiteren Entscheidung158 ließ der Supreme Court eine Ver­ einfachung des Illegalitätstests in den Fällen zu, in denen die Firma nach dem Zusammenschluß „an undue marketshare" auf dem relevan­ ten Markt erreichte und „a significant increase" der Marktkonzentra­ tion eintrat57 • Dies bedeutete zwar keine Einführung einer per se-Regel, jedoch eine Vereinfachung für Prüfungen horizontaler Zusammen­ schlüsse. Zur Erläuterung der Begriffe „undue" und „significant" ver­ wies das Gericht dabei auf volkswirtschaftliche Literatur, in der An­ teile von 7 - 20 0/o oder 25 0/o als mutmaßlich zu hoch erachtet würden58 , Besonders zu beachten ist, daß das Gericht hier nicht auf bestimmte Konzentrationsgrade der Märkte abstellt, sondern recht pauschal auf Marktanteil und Konzentration69 • In einem späteren Fall60 stellte das Gericht auch wieder eine Verbindung zu Sec. 1 Sherman Act her, der hier so ausgelegt wird, daß j eder Zusammenschluß zwischen „major competitive factors in a relevant market" , der· eine „elimination of significant competition between them" 11 bewirkt, illegal sei. 1968 gab das Department of Justice als Wiedergabe der bisherigen Praxis die sog. ,,Mergers Guidelines" 61 heraus, die genaue Marktanteils-

370 US 294 (1962). US vs. Philadelphia National Bank, 374 US 321 (1963). 57 a. a. 0., S. 362. 58 US vs. Philadelphia National Bank, 374 US 324 (1963) Fn. 2. 58 Vgl. Sullivan, S. 594 Fn. 6. 60 US vs. First National B ank & Trust Co. of Lexington, 376 US 665 (1964). 61 376 US, S. 671 - 672. 62 Diese Guidelines haben j edoch keine Bindungswirkung, vgl. US vs. Atlantic Richfield 297 FSupp. 1061 (S.D.N.Y 1965). Sie werden jedoch oft her­ angezogen, vgl. Allis-Chalmers Manufacturing Co. vs. White Consolidated 55

58

2.1.2.2 Aufbau der heutigen amerikanischen Regelung

45

grenzen bei horizontalen, vertikalen und konglomeralen Zusammen­ schlüssen enthalten und auch weitere zu berücksichtigende Faktoren (wie z. B . Konzentrationstrend und Vorliegen einer Sanierungsfusion) nennen. Als Zusammenfassung der letzten Entwicklung kann festgestellt wer­ den, daß das heutige Anti-Merger-Recht der USA alle Formen von Zusammenschlüssen erfaßt. Die lange beklagten Lücken sind beseitigt. Aus dem vorhandenen Fallmaterial und Richtlinien ist eine an be­ stimmten Daten orientierte Entscheidung im konkreten Fall ableitbare•. Durch eine weitere Novelle wurde am 5. 9. 1978 außerdem für be­ stimmte größere Zusammenschlüsse eine zwingend präventive Fusions­ kontrolle eingeführte'. Diese Vorverlegung des Prüfungs- und Unter­ sagungszeitpunktes soll die Zahl problematischer Entflechtungsfälle verringern65 • 2.1 .2.2 Aufbau der heutigen amerikanischen Regelung

Ein Zusammenschluß ist im amerikanischen Recht an mehreren Vor­ schriften zu messen. Nebeneinander sind Sec. 1 und 2 Sherman Act, Sec. 7 und 8 Clayton Act und Sec. 5 FTC Act anwendbar. Da jedoch Sec. 7 und 8 Clayton Act speziellere und engere Regelungen enthalten, ist ein nach Sec. 7 und 8 Clayton Act legaler Zusammenschluß bisher nicht aufgrund anderer Vorschriften für illegal gehalten worden soweit Sec. 7 Clayton Act von seinen Voraussetzungen her eingriff. Wegen dieser besonderen Bedeutung werden Sec. 7 und 8 Clayton Act auch im Mittelpunkt der folgenden Untersuchung stehen. Zunächst ist auch im amerikanischen Recht festzustellen, ob . ein Zu­ sammenschlußtatbestand, bei Sec. 7 Clayton Act ein Anteils- oder Ver­ mögenserwerb, erfüllt ist. Sind außerdem bestimmte Größenvorausset­ zungen erfüllt, so trifft die beteiligten Unternehmen bereits eine An­ meldepflicht, die durch den Hart Scott Rodino Antitrust lmprovement Act von 197666 eingeführt wurde. In diesem Fall unterliegen die Unter­ nehmen einem Vollzugsverbot innerhalb einer Wartefrist von minde­ stens 30 Tagen nach Anmeldung. Dies gibt der untersuchenden Behörde Gelegenheit, eine Prüfung des Zusammenschlusses bereits vor Vollzug Industries 396 US 1009 (1970). Die Merger Guidelines vom 30. 5. 1968 sind abgedruckt in WuW 1969, S. 94 ff. und bei Günther, Fusionskontrolle, S. 150 ff. Auszugsweise gibt der Verfasser die Merger Guidelines im Anhang Nr. 3 dieser Arbeit wieder. 63 Zur Frage, ob auch außerwettbewerbliche Überlegungen die Anwen­ dung des Sec. 7 beeinflussen können, vgl. Elzinga, Goals, S. 1 19 1 ff.; Rahl, Anti Merger Law, S. 342 ff. 64 90 Stat. 1390 ; vgl. dazu vor allem DIHT, Fusionskontrolle, S. 11 f. 85 Vgl. 43 FR S. 33450 (Ausführungsvorschriften der FTC). 88 90 Stat. 1390; vgl. dazu Neumann, Anmeldepflicht, S. 100 ff. .

46

2.1.2 Die amerikanische Regelung

durchzuführen. Vor Ablauf dieser Wartefrist (oder auch erst nach Voll­ zug87) prüft die Behörde die Folgen des Zusammenschlusses daraufhin, ob sie dazu führen, daß in einem Teil der USA der Wettbewerb wesentlich vermindert wird oder die Tendenz zur Monopolisierung besteht8 8 . Dies er­ fordert zuerst ,eine sachliche und örtliche M arktabgrenzung, an zweiter Stelle eine Analyse der Effekte des Erwerbs auf diesem Markt und an d11itter Stelle eine Bewertung der Effekte durch den sog. substantiality Test (Wesentlichkeitstest) . Die Effekte müssen nicht nachgewiesen werden, sondern nur möglich und wahrscheinlich sein89 . Obwohl der Wortlaut eine Berücksichtigung oder Abwägung zwischen Vor- und Nachteilen nicht direkt ausspricht, wird in ständiger Praxis70 eine Ab­ wägung der Nachteile der Wettbewerbsverringerung gegen Verbesse­ rungsvorteile durchgeführt. Die Folge der Feststellung der Illegalität des Zusammenschlusses hängt vom Verfahren ab : In dem von einer Privatperson angestrengten Verfahren gemäß Sec. 4 und 16 Clayton Act kann die Folge ein Scha­ densersatzanspruch sein, im Verfahren vor der FTC eine „cease and desist order" 71 oder eine Einigung über Beseitigung der Folgen durch einen consent decre€72 , im Gerichtsverfahren eine cease and desist order oder consent order73 .

2.1 .2.3 Die verschiedenen Verfahren 2 . 1 .2.3.1 Die verschiedenen amerikanischen Behörden Für die Durchsetzung des Sherman Act ist die Anti-Trust-Division (ATD), eine Abteilung des Federal Department of Justice, zuständig. Sie kann dabei sowohl eine Kriminalklage als auch eine Zivilklage durchführen7'. Gemäß Sec. 1 5 Clayton Act ist die ATD auch für Ver­ fahren nach Sec. 7 und Sec. 8 Clayton Act zuständig, dort ist allerdings nur das Zivilverfahren vorgesehen75 . 87 Die Behörde ist auch bei Nichteinschreiten während der Wartefrist zu einer Untersagung des nach Ablauf der Wartefrist vollzogenen Zusammen­ schlusses berechtigt. Die Regelung ist mit Ausführungsvorschriften seit dem 5. 9. 1978 in Kraft; vgl. FR 43 S. 30054. 88 Zu den ersten Erfahrungen: Bis zum 3 1 . 12. 1978 erhielten die Behörden bereits 355 Anmeldungen. Man denkt bereits an eine Änderung, um die Zahl der anmeldepflichtigen Fälle zu reduzieren; so der Leiter des Premerger Notification Büros, Mr. M. Pfunder in einem Brief an den Verfasser. 89 Vgl. die Formulierung „may be" in Sec. 7 Clayton Act. 70 Vgl. auch Merger Guidelines Tz. 9 und 1 0 ; Anhang 3 der Arbeit. 7 1 Vgl. Sec. 11 b Clayton Act. 7 2 Vgl. dazu Traumann, Zusage, S. 33 - 35. 73 Vgl. Sec. 1 1 c Clayton Act. 74 Vgl. Sec. 1 und 4 Sherman Act. 75 Vgl. Sec. 15 Clayton Act.

2.1.2.3 Die verschiedenen Verfahren

47

Die Federal Trade Commission (FTC), die ihren Sitz ebenfalls in Washington D. C. hat, ist zuständig für die Durchführung der Sec. 2, 3, 7 und 8 Clayton Act76 und die Durchsetzung der Sec. 5 FTC Act. Durch das Gesetz von 1914 geschaffen, untersteht die Behörde einem Vorsit­ zenden und 4 Kommissionsmitgliedern, die durch den Präsidenten der Vereinigten Staaten vorgeschlagen und vom Senat für j eweils 7 Jahre ernannt werden77 • Obwohl die Vorschriften Sec. 7 und 8 Clayton Act sowohl von der A TD als auch der FTC durchgesetzt werden können, wird eine dop­ pelte Prüfung dadurch ausgeschlossen, daß jede Behörde für die Durch­ führung eines Verfahrens ein sog. clearing der anderen Behörde be­ nötigt78 . 2.1.2.3.2 Die Privatklagen Außer von diesen Behörden kann ein Verfahren gemäß Sec. 4 und Sec. 16 Clayton Act auch von j eder Privatperson angestrengt werden, die durch eine Verletzung des Clayton Act geschädigt wird. Das Ver­ fahren kann dabei sowohl auf Schadensersatz als auch auf Unterlas­ sung gerichtet sein79 • 2.1 .2.3.3 Die Verfahrensarten Das Kriminalverfahren kann allein von der ATD eingeleitet wer­ den und ist relativ selten. Da dieses Verfahren auch nur auf Sec. 1 und 2 Sherman Act gestützt werden kann, ist es für diese Arbeit unerheb­ lich. Das Verwaltungsverfahren vor der FTC ist dem Verfahren vor dem Bundeskartellamt ähnlich. Die Behörde klagt selbst den Verletzter (respondent) an, der sich in einem gerichtsähnlichen Verfahren vor der Behörde verteidigen kann. Das Verfahren endet mit einer „initial de­ cision" , falls die Behörde zu dem Schluß kommt, daß Sec. 7 oder 8 Clay­ ton Act verletzt sind. Gegen diese Entscheidung ist ein „appeal" an die „Commission" die höchste Beschlußabteilung der FTC möglich. Die Commission weist entweder den Beschluß zurück oder bestätigt ihn, indem sie eine Entflechtungsanordnung (cease and desist order) erläßt. Damit ist das Verwaltungsverfahren abgeschlossen. Gegen die Entschei­ dung der Commission ist der Rechtsweg zu den US Courts of Appeal Vgl. Sec. 11 Clayton Act. Zum Aufbau der Behörde vgl. FTC, What lt Is, S. 2 ff. 78 Zur Kritik dieser Überlappung aber Bums, Dilemma, S. 102 ff., Roll, Dual Enforcement, S. 2075 ff. und Handelsblatt vom 27. 1 1 . 1978. 79 Dabei sind Schadensersatzklagen häufiger als Unterlassungsklagen. Der Anteil der Unterlassungsklagen steigt jedoch ständig, vgl. Sullivan, S. 769 Fn. 3 m. w. N. Zur Problematik der Entflechtung als Ziel einer Privat­ klage vgl. Pkt. 2.2.18 dieser Arbeit. 78

77

48

2 . 1 .2 Die amerikanische Regelung

und letztinstanzlich zu dem Supreme Court zulässig80 • D as FTC-Ver­ fahren ist bisher zumeist auf Entflechtung gerichtet, da eine Anmelde­ pflicht erst neuerdings für bestimmte Fälle eingeführt wurde81 • Im Rahmen der Entflechtung kann die FTC gemäß Sec. 1 1 Clayton Act alle Maßnahmen anordnen, die notwendig sind, um die Wettbewerbsver­ hältnisse, die durch den Zusammenschluß beeinträchtigt wurden, wie­ der herzustellen. Im Verwaltungsverfahren vor der FTC stellt der con­ sent decree ebenfalls eine oft praktizierte Lösung dar. Es handelt sich dabei um Vereinb arungen bei denen die Unternehmen zusagen, den Wettbewerb wieder herzustellen und bestimmte Verhaltensregeln zu beachten82 • Durch solche Zusagen wird die Untersagungsentscheidung der FTC oder eines Gerichts verhindert83 •

Das Zivilverfahren, das sowohl von der ATD wie von Privatperso­ nen durchgeführt werden kann, ist auf Anordnungen zur Wiederher­ stellung des Wettbewerbs, auf Unterlassung bestimmter Handlungen oder auf Schadensersatz gerichtet. Wegen fehlender Vergleichsmöglich­ keit im deutschen Recht erfolgt eine nähere Darstellung dieses Verfah­ rens im Rahmen dieser Arbeit nicht. 2.1 .2.4 Statistiken zur amerikanischen Praxis Die Bedeutung der amerikanischen Zusammenschlußkontrolle erhellt sich aus den folgenden Statistiken. D abei beschränkt sich die Darstel­ lung wegen des umfangreicheren statistischen Materials und der be­ schränkten Verfügbarkeit vergleichbarer deutscher D aten auf den Zeit­ raum seit 1 960. Als erstes möchte der Verfasser die Anzahl der Zusammenschlüsse seit 1960 insgesamt und den, wegen der besonderen Bedeutung der Branchen stets gesondert ausgewiesenen, Anteil der Zusammenschlüsse der Branche „M anufacturing and Mining" insbesondere darstellen. In dieser Tabelle fällt besonders die Zusammenschlußwelle von 1967 bis 1970 auf, die zur Verdoppelung der Zusammenschlußfälle führte. Die Anzahl der untersagten Zusammenschlüsse ist selbst im Vergleich zur Zahl der großen Zusammenschlüsse gering.

so Vgl. zum Verfahren die Vorschrift Sec. 11 Clayton Act. Vgl. das neue Premerger Notification Requirement gemäß S. 7 A Clayton Act und die „Rules", 43 FR 30054. 82 Erklärungen, sich für einen Zeitraum von 5 bis 10 Jahren nicht mehr an Zusammenschlüssen zu beteiligen, sind z. B. häufiger Inhalt einer solchen Verhaltenszusage, vgl. Traumann, Zusage, S. 29 ff. 8 3 Zur Behandlung der Zusagen vgl. Pkt. 2.2.13 dieser Arbeit. 81

2.1 .2.4 Statistiken zur amerikanischen Praxis

49

Tabelle 6 Zahl der zusammenhänge

Jahr

1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978

Zahl insgesamt

Manufacturing and Mining (M + M)

große84 M+M Zusammenschlüsse

Erwerb durch eines der 200 größten Unternehmen (M + M)

1 345 1 724 1 667 1 479 1 797 1 893 1 746 2 384 3 932 4 542 3 089 2 633 2 840 2 354 1 460 1 048 1 081

844 954 853 861 854 1 008 995 1 496 2 407 2 307 1 351 1 Oll 1 036 874 602 439 559

64 60 80 82 91 91 101 168 207 155 98 66 60 64 62 59 77

32 25 33 41 38 29 35 73 94 52 30 19

Untersagungen85 der ATD

der FTC

insgesamt

11

13 2 1 5 4

24 20 13 12 21 27 26 18 33 30 26 27 22 22 12 14 15

18 12 7 17 16 13 10 24 20 18 21 18 15 8 3 8 5 6

11

13 8

9 10 8 6 4 7 4

11

7 6 4

11

10

Quellen: FTC Bureau of Economics, Current Trends in Merger Activity, 1970 und 197 1 ; Statistical Reports März 1971, Mai 1972 und Nov. 1977 ; FTC, Report on Mergers and Acquisitions, Oktober 1973 und An­ gaben des Leiters der ATD, Mr. Shenefield gegenüber dem Ver­ fasser. Die folgende Tabelle 7 stellt den prozentualen Anteil der verschie­ denen Zusammenschlußformen86 an der Gesamtzahl der großen M + M Zusammenschlüsse dar. Es ist deutlich zu erkennen, daß die Zusammenschlußwelle von 1967 bis 1970 weitgehend auf einen Anstieg konglomeraler Zusammen­ schlüsse zurückgeführt werden kann. Gleichzeitig mit dem Ende dieser Welle 1971 ist ein Umschwung auf vertikale Zusammenschlüsse (der Anteil springt von 1 , 7 0/o auf 1 6,1 0/o) zu erkennen, der mit der Wirt­

schaftskrise und den daraus folgendem Bedürfnis sicherer Absatzwege Vermögen des erworbenen Unternehmens von 10 Mio $ oder mehr. Die Angaben in den Quellen waren z. T. widersprüchlich. Die hier wie­ dergegebenen Zahlen der ATD sind Angaben von Mr. Shenefield, die Zah­ len der FTC sind aus den Transfer Binders und TRR ermittelt und als vor­ läufig anzusehen. 86 Eine Aufschlüsselung in Zusammenschlußarten Vermögens- und An­ teilserwerb ist nach den statistischen Daten der FTC nicht möglich. 84

85

4 Nelser

2.1.2 Die amerikanische Regelung

50

Tabelle 7

Jahr

1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970

2 1 Horizon- Vertikal tal Anteil in %

Anteil in %

15,6

15,6 21,7 18,8 15,9 15,4 13,2 10,9 9,5 9,2 9,7 3,1

18,3 13,8 14,6 19,8 16,5 10,9 6,5 6,3 9,0 9,2

3 Produkt- oder Markterweiterung Anteil in % 56,2 41,7 48,8 52,4 57,1 50,5 55,4 60,1 59,4 47,7 49,0

4 rein konglomeral Anteil in %

Gesamtanteil der Konglomerate (Spalte 3 + 4) in %

12,5 18,3 18,8 17,1 7,7 19,8 22,8 23,8 25,1 33,5 38,8

68,8 60,0 67,5 69,5 64,8 70,3 78,2 83,9 84,5 81,3 89,8

39,7 25,0 32,8 32,3 44,1 35,1

86,2 60,7 60,9

Markt- Produkterweite- erweiterung rung 1971 1972 1973 1974 1975 1976

12,1 23,2 28,1 33,9 6,8 1 5,6

1 ,7 16,1 10,9 4,8 5,1 5,2

5,2 0 9,4 4,8 1,7 10,4

41,4 35,7 18,8 24,2 42,4 33,8

61,3

88,1 79,2

Quelle: Statistical Reports '73 bis '77. erklärt werden könnte. Der gel'ingere Anteil horizontaler Zusammen­ schlüsse kann mit dem hohen Anteil der Untersagung dieser Zusam­ menschlußform erklärt werden. Dazu folgende Tabelle 8 : E s zeigt sich, daß ein hoher Anteil großer horizontaler Zusammen­ schlüsse untersagt wird, während Produkterweiterungs- und rein kon­ glomerale Zusammenschlüsse weitgehend unbehelligt bleiben. Die Zahl der Untersagungen in Markterweiterungszusammenschlüssen erklärt sich aus der Nähe zu horizontalen Fällen87 und der Anwendung glei­ cher Kriterien.

87 Vgl. z. B. die Behandlung dieser Markterweiterungszusammenschlüsse als Unterfall von horizontalen Zusammenschlüssen in den Tätigkeitsberich­ ten des BKartA der Jahre 1973 bis 1978.

51

2.1.3.1 Globalvergleich der beiden Ansatztypen

Tabelle B Anteil der Untersagungen für die verschiedenen Zusammenschlußformen (große M + M Zusammenschlüsse) Zahl der Zusammenschlüsse

Untersagungen

% Anteil der Untersagungen

horizontal

188

50

27

vertikal

145

24

17

konglomeral

590

20

3

53

10

19

Produkterweitemd

424

10

2

rein

113

0

0

923

94

Typ

davon

Markterweiternd

Gesamt

10 %

Quelle: Bureau of Economics der FTC (Betrachtungszeitraum: 1951 bis 1966) Gemeinschaftsunternehmen sind nicht berücksichtigt.

2.1.3 Verhältnis der beiden Regelungen zueinander

2. 1 .3.1 Globalvergleich der beiden Ansatztypen Ein Vergleich der Fusionskontrollpraxis in Deutschland und den Vereinigten Staaten, der wegen der einzigartigen• amerikanischen Er­ fahrung lohnend erscheinen mag, kann nur dann für die deutsche Praxis nutzbringend sein, falls die beiden Regelungen überhaupt ver­ gleichbar sind. Ein Indiz für die Vergleichbarkeit könnte dabei auch eine schon erfolgte wechsel- oder einseitige Beeinflussung sein. 2 . 1 . 3 . 1 . 1 Vergleichbarkeit des Schutzobj ektes Sec. 7 Clayton Act soll Zusammenschlüsse verhindern, deren Folge „may be substantially to !essen competition or to tend to create a monopoly" . Wesentliche B eschränkungen des Wettbewerbs sollen also verhindert werden. Schon der Name des deutschen Gesetzes spiegelt die identische Zielsetzung wieder. Beide Gesetze haben sich für Auf1 Vgl. Purrucker, Probleme, S . 1 5 1 ; der Zeitraum der amerikanischen Er­ fahrungen beträgt 88 Jahre.

52

2.1.3 Verhältnis der beiden Regelungen zueinander

rechterhaltung einer kompetitiven Marktstruktur zur Gewährleistung von Wettbewerb2 entschieden. Die deutsche und amerikanische Rege­ lung der Zusammenschlußkontrolle haben also das identische Ziel, den Wettbewerb gegen Wettbewerbsbeschränkungen durch Veränderungen der Marktstruktur zu schützen. 2.1.3.1.2 Vergleichbarkeit der Aufgreifkriterien Durch den Hart-Scott-Rodino Act von 1976 ist in den USA eine An­ meldepflicht für Erwerbsvorhaben eingeführt worden. Die Voraus­ setzungen der Anmeldepflicht kann man als Aufgreifkriterien auffas­ sen3 . Sie treffen eine Vorauswahl von Zusammenschlüssen, deren wei­ tere Prüfung möglicherweise zur Feststellung der Untersagungsvor­ aussetzungen führt. Dem gleichen Ziel dient § 23 GWB. In beiden Rechtssystemen handelt es sich bei den Aufgreifkriterien um struktu­ relle Kriterien. Während in Deutschland diese Kriterien vor allem bei der Frage der Anzeigepflicht eines vollzogenen Zusammenschlusses relevant werden, handelt es sich in den USA um Kriterien zur Bestim­ mung der Anmeldepflicht eines Zusammenschlußvorhabens. Der unter­ schiedliche Aufgreifzeitpunkt schließt jedoch einen Vergleich nicht aus. 2.1 .3.1.3 Vergleichbarkeit der Untersagungskriterien Das amerikanische Recht knüpft die Untersagungsfolge an die Er­ wartung einer wesentlichen Wettbewerbsbeeinträchtigung an, während der deutsche § 24 Abs. 1 GWB an die Erwartung anknüpft, daß Markt­ beherrschung entsteht oder verstärkt wird. Hier schient jedoch nur auf den ersten Blick ein Vergleich schwierig; denn vergleicht man die zu Sec. 7 Clayton Act erlassenen „Merger Guidelines" 4 mit den deutschen Kriterien der Marktbeherrschung in § 22 Abs. 1 und 2 GWB, so ist die Vergleichbarkeit der von den Kartellbehörden benutzten Kriterien offensichtlich5• Marktanteile, Finanzkraft, Verflechtung und Zugangs­ schranken sind z. B. in beiden Rechtssystemen benutzte Kriterien6 • 2 Während Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 124, noch bezüglich der alten Fassung der §§ 22 ff. GWB feststellen mußte, daß die Ansätze differierten (stucture approach/regulation approach). 8 Vorher fehlte eine vergleichbare Gruppe von Kriterien, vgl. Purrucker, Probleme, S. 152. 4 Vom Justizministerium am 30. 5. 1968 veröffentlicht, vgl. Abdruck hn Anhang 3 dieser Arbeit. 5 So auch Purrucker, Probleme, S. 154. 6 Die größere Unbestimmtheit der Formulierung in Sec. 7 Clayton Act ist auf Besonderheiten des amerikanischen Rechtssystems zurückzuführen. Selbst hn amerikanischen Statutory Law (hn Gegensatz zum Case Law) hat der Richter einen weiteren Konkretisierungsspielraum als in Deutschland. Unbestimmte Rechtsbegriffe werden dabei von den Gerichten entsprechend dem erklärten oder vermuteten Willen des Gesetzgebers ausgelegt. Vgl. z. B.

2.1.3.2 Die gegenseitige Beeinflussung

53

2.1.3.1.4 Vergleichbarkeit des Verfahrens In beiden Rechtssystemen bestehen inzwischen Anmeldeverfahren, wobei das strengere amerikanische Anmeldeverfahren bereits Unter­ nehmen erfaßt, die in Deutschland nur der Anzeigepflicht nach Vollzug des Zusammenschlusses unterliegen. Das Untersagungsverfahren zwischen Behörde und beteiligten Unter­ nehmen vor der Entscheidung, ob eingegriffen wird, ist ebenfalls in beiden Rechtssystemen ähnlich. In beiden Systemen spielen in diesem Abschnitt auch Zusagen bei der Verfahrensbeendigung eine große Rolle. Von den zahlreichen in den USA möglichen Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit der Fusionskontrolle können j edoch das Strafver­ fahren gern. Sec. 1 oder 2 Sherman Act und das private Schadensersatz­ verfahren gern. Sec. 16 Clayton Act wegen Fehlens vergleichbarer Ver­ fahren in Deutschland nicht zum Vergleich herangezogen werden. Ebenso fehlt für das deutsche Verfahren der Ministererlaubnis ein amerikanisches Gegenstück. Der Rechtsweg gegen Untersagungen des Bundeskartellamtes und der FTC ist vergleichbar geregelt.

2.1 .3.2 Die gegenseitige Beeinflussung 2.1 .3.2.1 Berücksichtigung amerikanischer Erfahrungen bei der Schaffung des GWB Wie schon oben7 dargestellt wurde, lagen die Vorarbeiten des GWB in einer Zeit, in der Deutschland noch unter alliierter Besatzung stand und Dekartellierungsgesetze die deutsche Wirtschaft in kleinere Unter­ nehmenseinheiten zerteilen sollten. Wegen der neuen Situation und dem Genehmigungserfordernis für deutsche Gesetzesinitiativen lag es damals nahe, die Erfahrungen der im Wettbewerbsrecht erfahrensten Besatzungsmacht, der USA, zu nutzen8 • So entstand der sog. Günther-Entwurf nach Vorarbeiten, die in den Vereinigten Staaten durchgeführt wurden. Zur Zeit des Regierungsent­ wurfs vom 22. 1. 1955 waren die USA das einzige Land mit einer wirk-

die Beschränkung des alten Clayton Act in der Entscheidung Thatcher vs. FTC, 27 2 US 5 54 ( 19 2 6) und noch deutlicher in Arrow Hart & Hegeman Co vs. FTC, 291 US 5 87 ( 19 34); vgl. zur Auslegung auch Aarts, Antitrust Policy, s. 2 18. 7 Siehe Pkt. 2.1.1.1 dieser Arbeit. 8 Vgl. dazu Schriftl. Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik zu ET-Drucks. 2/ 3 644, abgedruckt in Gemeinschaftskommentar 195 8, S. 1 1 5 6ff., auf S. 1 1 68: ,,Ein Blick auf die Rechtsentwicklung in den Vereinigten Staaten ist notwendig, da die dort herrschende Auffassung und die gesammelten Er­ fahrungen, die dem Gesetzgebungswerk zugrunde liegenden Vorstellungen nicht unwesentlich beeinflußt haben."

54

2.1.3 Verhältnis der beiden Regelungen zueinander

samen Fusionskontrolle, so daß die damals in § 18 vorgeschlagene Rege­ lung sich allein auf amel"ikanische Erfahrungen stützen konnte9 • 2.1 .3.2.2 Berücksichtigung amerikanischer Erfahrungen bei der Schaffung der zweiten Novelle 1973 In der Zeit der zahlreichen Novellierungsvorschläge zur 2. Novelle, die zum größten Teil eine Zusammenschlußkontrolle enthielten (1967 bis 1973), erschienen zahlreiche Veröffentlichungen, die auf die ameri­ kanische Zusammenschlußkontrolle verwiesen10 • Die amerikanischen Regelungen bildeten mit ihrem structure approach die Grundlage für eine praktikable Fusionskontrolle11 • Auch in der Anwendung der Fusionskontrolle zeigt sich diese bisher einseitige Beeinflussung durch die amerikanischen Erfahrungen. Be­ sonders auf dem Gebiet der konglomeralen und vertikalen Zusammen­ schlüsse und ebenso der Gründung von Gemeinschaftsunternehmen muß wegen bisher geringer deutscher Erfahrungen auf amerikanische Fälle zurückgegriffen werden12 • Die Nutzung amerikanischer Erfahrun­ gen spiegelt sich auch in den Veröffentlichungen von Praktikern wieder. Nicht nur in der Praxis, sondern auch in der Wissenschaft wird zur Lösung neuer Probleme der Zusammenschlußkontrolle in zahlreichen Fällen auf das amerikanische Recht zurückgegriffen13 • 2.1.3.2.3 Berücksichtigung deutscher Erfahrungen bei der Schaffung der präventiven Fusionskontrolle in den USA Seitdem die OECD-Länder in dem OECD Committee on Restrictive Practices statistische Daten und Erfahrungen auf dem Gebiet des Wett­ bewerbsrechts regelmäßig austauschen, ist davon auszugehen, daß nun Erfahrungen auch wechselseitig genutzt werden können. So war es auch 0 So wird z. B. in Gemeinschaftskommentar 1958, S. 380 Rdnr. 13 kritisch diskutiert, inwieweit amerikanische Erfahrungen und Auslegungen bei der Anwendung der Begriffe „Marktbeherrschung" und „kein wesentlicher Wett­ bewerb" herangezogen werden können, weil diese Begriffe für das deutsche Recht „juristisches Neuland" darstellen. 1 0 Hervorzuheben sind hier z. B. Günther, Fusionskontrolle, S. 1 ff., be­ sonders S. 9 ff.; Kau/er, Marktmacht, S. 1 ff.; Markert, Fusionsrechtsprechung, S. 855 ff.; Markert, Kartellgesetz, S. 208 ff.; Markert, Procter und Gamble, S. 461 ff.; Markert, Richtlinien, S. 377 ff.; Maurer, Gemeinschaftsunternehmen, S. 12 ff.; Schmidt, Entwicklung, S. 275 ff.; Schmidt, Wettbewerbspolitik, 4., 5. und 6. Kapitel; Zohlnhöfer, Wettbewerbspolitik. 1 1 So vor allem Schmidt, Wettbewerbspolitik, 4. Kapitel. 12 So bestehen z. B. eindeutige Parallelen der Urteilsbegründung im Fall Sachs/GKN (in: WuW/E BKartA 1625 ff.) und dem in Amerika entschiedenen Fall FTC vs. Procter and Gamble Co, 386 US 568 ff. (1964). 1 3 Vgl. z. B. Oehler, Entflechtung, S. 1 ff.; Veltrup, Konglomerate Fusionen, S. 1 ff.; Traumann, Zusage, S. 1 ff.

2.1.4.1 Die Marktabgrenzung

55

möglich, daß bei der Ausgestaltung der neuen amerikanischen präven­ tiven Fusionskontrolle 14 die deutschen Erfahrungen mit der Anmelde­ pflicht gern. § 24 a GWB berücksichtigt wurden11• Nach einer früheren nur einseitigen Beeinflussung des deutschen Rechts und der deutschen Praxis durch die amerikanischen Erfahrun­ gen kann deshalb nun auch von einer wechselseitigen Beeinflussung ausgegangen werden18 • 2.1.4 Der wettbewerbstheoretische Hintergrund der Zusammenschlußkontrolle 2. 1 .4.1 Die Marktabgrenzung

Die Behandlung des Wettbewerbs setzt stets die Bestimmung eines bestimmten Marktes voraus, da Wettbewerb unabhängig von einem Markt nicht denkbar ist. Die Marktabgrenzung stellt somit die Grund­ lage für j egliche Wettbewerbsbetrachtung dar. Im folgenden möchte der Verf. einige verschiedene volkswirtschaftliche Konzepte zur Markt­ abgrenzung darstellen. Dabei konzentriert sich die Darstellung auf die Definition des sachlich relevanten Marktes. Nach der älteren Theorie definierte man den Markt als j edes Sich­ Treffen von Angebot und Nachfrage1 ohne eine Abgrenzung des Mark­ tes in irgendeiner Hinsicht zu ermöglichen. Erst die neuere Theorie gab Kriterien zur Abgrenzung; dies führte zu der Entwicklung des Konzepts der angemessenen Austauschbarkeit (Bedarfsmarktkonzept)2 . Dieses Konzept läßt sich in die Unterfragen der Feststellung der funktionalen und der reaktiven Austauschbarkeit untergliedern3 • Nach diesem Konzept gehören all jene Produkte oder Leistungen einem Markt an, die vom Abnehmer als für einen bestimmten Verwendungs­ zweck austauschbar angesehen werden. Güter und Leistungen sind danach funktional austauschbar, wenn sie im wesentlichen geeignet sind, denselben Verwendungszwecken zu Vgl. Sec. 7 A Clayton Act. So auch Assistant Attorney General J. Shenefi,eld, der Leiter der ATD, in Gesprächen mit dem Verfasser. 16 Zu bedauern ist j edoch, daß bei der Schaffung der 4. Novelle eine Ver­ wertung amerikanischer Erfahrungen und 'Oberlegungen keine nennens­ werte Rolle gespielt hat. Vgl. aber zu Möglichkeiten der Verwertung Markert, Novellierung, S. 167 f. 1 Vgl. dazu Günther, Relevanter Markt, S. 3 m. w. N. 2 Eine übersichtliche Zusammenstellung der früheren Theorien zur Markt­ abgrenzung und der Entwicklung des Bedarfsmarktkonzepts findet sich bei Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 47 - 54 und Schmidt, Relevanter Markt, s. 453 ff. 3 So z. B. bei Kau/er, Marktmacht, S. 22 bzw. S. 24 und Klauss, Markt­ macht, S. 128. 14

15

56

2.1.4 Der wettbewerbstheoretische Hintergrund der Regelung

dienen. Diese Feststellung findet sich zum ersten Mal in einem Urteil des Jahres 1919 4 . Probleme in der Anwendung dieses Grundsatzes er­ geben sich j edoch bei der Beurteilung von Produkten, die nur in einer Richtung austauschbar sind (wie z. B . die Spezialmaschine im Ver­ hältnis zur Universalmaschine 5 • Diese Frage ist noch nicht eindeutig geklärt. Im Rahmen der Prüfung der funktionalen Austauschbarkeit werden der Preis des Produkts und die Ausstattung nur insoweit berücksich­ tigt, als sich aus diesen Eigenschaften eine besondere Zweckdienlich­ keit ergibt8 • Die reaktive Austauschbarkeit gibt an, ob die tatsächlich bestehende funktionale Austauschbarkeit vom Abnehmer7 auch ausgenutzt wird. Die Hauptfaktoren der reaktiven Austauschbarkeit sind Preis, Qualität und besondere Käuferpräferenzen8 • Ein mögliche Ermittlungsmethode solcher Käuferpräferenzen wären z. B . Umfragen oder statistische Da­ ten über das Käuferverhalten. Die Formulierung der Verwendungszwecke ist in diesem Konzept noch nicht eindeutig geklärt. Es muß verhindert werden, daß von der Formulierung des Verwendungszwecks die Größe des Marktes abhängt. Es wird dabei gefordert, daß 1. besondere Gutseigenschaften für diesen Verwendungszweck erfor­ derlich sind 2. dieser Verwendungszweck durch die Wirtschaft oder durch die All­ gemeinheit anerkannt wird 3. für diese Verwendung ein besonderer Kundenkreis besteht und 4. die Produkte für diesen Verwendungszweck auf besonderen Pro­ duktionsanlagen hergestellt werden9 • Diese Fragen sind noch nicht ausdiskutiert. Auch das Problem der Behandlung von Gütern, die nur bezüglich bestimmter Verwendungs­ zwecke austauschbar sind, hinsichtlich anderer j edoch nicht, ist noch nicht gelöst. 4

US vs. Corn Products Refining Co., 2 49 US 6 2 1 ( 1919). Vgl. US vs. United Shoe Machines Corp. of N.J., 2 4 7 US 3 2 ( 19 1 8), wo die Austauschbarkeit abgelehnt wurde, vgl. außerdem Kauter, Marktmacht, S. 2 3 Fußnote 56 m. w. N. für Fälle komplementärer Güter. 8 Vgl. Klauss, Marktmacht, S. 1 29. 7 Oder auch ihren Verbrauchsdisponenten z.B. Ärzte für den Markt für Medikamente, vgl. Hoppmann, Relevanter Markt, S.65ff. 8 Vgl. Kauter, Marktmacht, S. 2 4; Klauss, Marktmacht, S. 1 29; Beckmann, Abgrenzung, S. 1 4 1 ff. 9 Vgl. Klauss, Marktmacht, S. 1 3 1. 5

2.1.4.2 Die Entwicklung des Wettbewerbsbegriffs

57

zusammenfassend läßt sich j edoch feststellen, daß die Volkswirt­ schaftslehre mit der Entwicklung des Konzeptes der angemessenen Austauschbarkeit die Grundlage für eine praktikable Marktabgren­ zung gelegt hat. Es besteht weiterhin die Aufgabe, das entwickelte Konzept zu vertiefen und zu präzisieren.

2. 1 .4.2 Die Entwicklung des Wettbewerbsbegriffs 1 0 Die Wettbewerbstheorie bemüht sich seit Adam Smith um einen Be­ griff des Wettbewerbs, der auch aussagt, unter welchen Voraussetzun­ gen1 1 ein optimaler Wettbewerb zu erwarten ist. Im folgenden so11 eine Darste11ung der Entwicklung des Begriffs des wirksamen Wettbewerbs als Leitbild der Wettbewerbspolitik gegeben werden. 2 . 1 .4.2.1 Die Entwicklung der workable competition doctrine12

Adam Smith und die klassische Schule sahen als Idealzustand den freien Wettbewerb an, den sie als Wettbewerb frei von staatlichen Ein­ griffen und einengenden Praktiken wie Zugangsschranken oder Ab­ sprachen verstanden. Gegentyp war das Monopol. In diesem idealen dynamischen System so11te die erforderliche Koordination durch die durch den natürlichen Wettbewerbsmechanismus hervorgerufenen finanzie11en Anreize und Sanktionen erfolgen. Hoppmann spricht dabei von einem System der wirtschaftlichen Freiheit mit nichtautoritärer Kontro11e13 • Aus diesem Konzept entwickelte sich das Konzept der vo11kommenen Konkurrenz, in dem die Wettbewerbsbedingungen eines atomistischen Marktes mit völliger Markttransparenz als wünschenswert angesehen wurden1 '. Zur Erreichung der Bedingungen eines atomistischen Mark­ tes und weiterer erforderlicher Nebenbedingungen1 5 wurden auch staatliche Eingriffe für zulässig gehalten. So entstand aus dem dynamischen Konzept des freien Wettbewerbs basierend auf Aktion und Reaktion, Vorsprung und Aufholen ein sta10 Vgl. dazu den historischen Abriß der Entwicklung des Wettbewerbs­ begriffs bei Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 2 0 ff. m.w.N. 11 Die Voraussetzungen lassen sich in Kriterien der Marktstruktur, des Marktverhaltens und des Marktergebnisses einteilen, vgl. Hoppmann, Work­ able Competition, S. 1 4 7 und Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 5 4. Zur Proble­ matik der Einteilung und Bewertung der Tests, vgl. Pkt. 2.1.4.3 dieser Arbeit. 1 2 Vgl. dazu vor allem die Darstellung bei Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 2 0 ff., auf die im folgenden aufgebaut wird. 1 3 Vgl.Hoppmann, Schutzobjekt, S. 81. 1 4 Vgl. dazu Jöhr, Modell, S. 2 ff. 1 5 Vgl. die Zusammenstellung der Bedingungen bei Schmidt, Wettbe­ werbspolitik, S. 2 1, 2 2.

58

2.1.4 Der wettbewerbstheoretische Hintergrund der Regelung

tisches Konzept11. Es kann hierbei unter den Voraussetzungen der voll­ kommenen Konkurrenz von einer Konkurrenz der Ohnmächtigen ge­ sprochen werden, da kein Wettbewerber Einfluß auf die Preise nehmen kann, die bei vollständiger Transparenz und homogenen Gütern zwangsläufig gleich sein müssen. Die Unternehmen werden lediglich zu Mengenanpassern. Von diesem Modell wurde erwartet, das es zu einer optimalen Allokation der Produktionsfaktoren, zu einer optimalen Einkommensverteilung und schließlich zu einer Angebotssteuerung durch die Käuferpräferenzen führen würde. Man erkannte jedoch schon um 1920 die Mängel des Konzepts der vollkommenen Konkurrenz und suchte im Modell der unvollkommenen Konkurrenz als Mittelweg zwischen Monopol und vollkommener Kon­ kurrenz eine praktikable und vor allem erreichbare Lösung. Noch wich die Wettbewerbstheorie jedoch nicht von der Idealvorstellung der voll­ kommenen Konkurrenz als Referenzstandard ab, sondern versuchte stets die Unvollkommenheiten zu minimieren, wenn nicht zu elemi­ nieren17. Einen ganz anderen Weg schlägt J. M. Clark in seinem berühmten Aufsatz18 ein, indem er Marktunvollkommenheiten als wettbewerbs­ politisch ertragbar erklärt, solange der Wettbewerb funktionsfähig (workable) bleibt. In seiner Theorie der „remedial imperfections" 1 9 schreibt er diesen Abweichungen vom Modell der vollkommenen Kon­ kurrenz sogar die Folge zu, einen aufgrund anderer Gegebenheiten un­ vollkommenen Markt erst funktionsfähig zu machen oder funktions­ fähig zu halten. Mit dieser sog. ,,Gegengiftthese" bahnte sich ein ent­ scheidender Wandel in der wettbewerbspolitischen Beurteilung von Marktunvollkommenheiten an20. Mit dieser Erkenntnis der Bedeutung gewisser Abweichungen vom Typ der vollkommenen Konkurrenz war der Begriff des „workable competition" als Ziel der Wettbewerbs­ politik geboren. Schließlich erklärte J. M. Clark die Marktunvollkom­ menheiten sogar für notwendig zur Erreichung technischen Fort­ schritts21 . Der Wettbewerb wird als unendliche Folge von Vorstößen durch Innovation (belohnt durch Innovationsgewinne) und Aufholen der Konkurrenz durch Nachahmung und eventuelle weitere Innovation erkannt, wobei nur über diesen Mechanismus ein Anreiz für die Ent­ wicklung neuerer, besserer Produkte und damit technischer Fortschritt 18

Zum Begriff der Statik vgl. Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 21 Fn. 7. Vgl. dazu Hoppmann, Workable Competition, S. 152. 18 Vgl. Clark, Concept, S. 241. 1 9 Vgl. Clark, Concept, S. 452. 20 Vgl. Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 25. 21 Vgl. Clark, Competition, S. IX. 17

2.1.4.2 Die Entwicklung des Wettbewerbsbegriffs

59

geschaffen werden kann22 • Damit war man wieder zu einem dyna­ mischen Modell zurückgekehrt. ,,Workable competition" wurde das neue wettbewerbspolitische Leitbild. Als Übersetzung des Begriffs „workable competition" finden sich die Begriffe „arbeitsfähiger" 23 , oder ,,funktionsfähiger Wettbewerb". Um diesen Wettbewerbsbegriff der Wettbewerbspolitik zugrunde legen zu können, ist es notwendig, ihn zu konkretisieren. Dabei soll die Definition des funktionsfähigen Wettbewerbs exakt genug sein, um als Basis für eine Gesetzgebung zum Schutz dieses Wettbewerbs dienen zu können. Das zentrale Problem dieser Theorie ist die Unterscheidung der wettbewerblich wünschenswerten und der nicht wünschenswerten Marktunvollkommenheiten24. Es muß also aus der Definition hervorge­ hen, welche Erscheinungen der Marktstruktur, des Marktverhaltens oder des Marktergebnisses als wünschenswert oder untersagungswürdig zu beurteilen sind25 • 2.1.4.2.2 Die Wei�erentwicklung der workab1e competition Lehre zur Lehre der effective competition Die Lehre der workable competition wurde von Kantzenbach im An­ schluß an A. Phillips26 zur Lehre der optimalen Wettbewerbsintensität weiterentwickelt27 • Er betrachtet den Wettbewerb als Mittel zur Er­ reichung (ökonomischer) Ziele. Dabei wird auf eine bestimmte Definition des Wettbewerbs verzichtet. Der Wettbewerb wird an der Errei­ chung verschiedener Aufgaben gemessen. Diese Aufgaben bezeich­ net Kantzenbach als „wirtschaftliche Wettbewerbsfunktionen" und grenzt sie gegen außerökonomische Ziele wie z. B. die Gewährleistung persönlicher Freiheit und Unternehmensfreiheit ab28 • 22 Vgl. zu dieser dynamischen Auffassung auch Schumpeter, Theorie, s. 100 ff. 23 Wessels, in Staatslexikon 8 (1963) ,,Wettbewerb", Spalte 648. Der sich später entwickelnde Begriff des „effective competition" wird mit „aktiver" (vgl. Röpcke, Wettbewerb, S. 33) oder „wirksamer" (vgl. Bundeskartellamt in ständiger Praxis, z. B. Tätigkeitsbericht 63, S. 10, Anmerkung 1) Wett­ bewerb übersetzt. 24 Vgl. Hoppmann, Workable Competition, S. 155. 25 Vgl. Hoppmann, Workable Competition, S. 147 - 148. 26 Vgl. Phillips, Market, S. 1 f. 27 Vgl. Kantzenbach, Funktionsfähigkeit, S. 12 ff. 28 Vgl. Kantzenbach, Funktionsfähigkeit, 5. 13 und 5. 16. Zur Kritik an der Nichteinbeziehung der persönlichen Freiheit vgl. Hoppmann, Funktions­ fähigkeit, S. 252; Hoppmann, Optimale Wettbewerbsintensität, S. 293, An­ merkung 1 1 ; Kantzenbach, Optimale Wettbewerbsintensität, S. 193 ff. und die Darstellung des Meinungsstreits bei Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 28 ff. Eine detaillierte Darstellung der Kontroverse kann im Rahmen dieser Arbeit nicht gegeben werden.

2.1.4 Der wettbewerbstheoretische Hintergrund der Regelung

60

Kantzenbach nennt folgende fünf wirtschaftliche Ziele:

1. Die funktionelle Einkommensverteilung nach der Marktleistung 2. Die Zusammensetzung des laufenden Angebots an Waren und Dienstleistungen nach den Käuferpräferenzen. 3. Die Lenkung der Produktionsfaktoren in ihre produktivsten Ein­ satzmöglichkeiten. 4. Die Anpassung der Produktionskapazität an die außerwirtschaft­ lichen Daten. 5. Durchsetzung des technischen Fortschritts bei Produkten und Pro­ duktionsmethoden29 . Bei Vorliegen derjenigen Wettbewerbsbedingungen, bei denen diese Ziele optimal erfüllt sind, spricht Kantzenbach von „optimaler Wett­ bewerbsintensität" . Kantzenbach erwartet eine optimale Erfüllung im Bereich weiter Oligopole mit einem mäßigen Ausmaß an Marktunvoll­ kommenheiten30 . Diese optimale Wettbewerbsintensität im Bereich weiter Oligopole soll der Staat durch Unterstützung der Kooperation auf unteroptimal konzentrierten Märkten und die Kontrolle von Marktmacht auf überoptimal konzentrierten Märkten herbeiführen und fördern31 • Diesem Modell der optimalen Wettbewerbsintensität stellte Hopp­ mann ein neuklassisches Modell gegenüber, in dem der erstrebenswerte

Wettbewerb stets als freier Wettbewerb angesehen wird, der durch natürliche und willkürliche Hindernisse beschränkt ist32 . Dabei werden die willkürlichen (staatlichen oder unternehmerischen) Hindernisse als Beschränkungen des Wettbewerbs angesehen, während die natürlichen zwar Unvollkommenheiten des Wettbewerbs herbeiführen, j edoch wettbewerbsimmanent sind. Der erstrebenswerte Wettbewerb ist dem­ nach ein zwar durch natürliche Hindernisse begrenzter j edoch von willkürlichen Eingriffen freier Wettbewerb. Marktunvollkommenheiten sind nach Hoppmann danach zu beurtei­ len, ob sie natürliche oder willkürliche Hindernisse bedeuten. Die Ab­ grenzung erscheint jedoch schwierig. Nach Hoppmann bestehen will­ kürliche Wettbewerbshindernisse in „staatlichen Maßnahmen oder unternehmerischen Praktiken" 33 • Als natürliches Hindernis nennt Hopp29

Vgl. Kantzenbach, Funktionsfähigkeit, S.1 6 und 17. Vgl. Kantzenbach, Funktionsfähigkeit, S. 49. Zur Kritik Willeke, Grundsätze, S. 69 ff. 31 Vgl. Kantzenbach, Funktionsfähigkeit, S.1 46, in der Kritik wird ihm ,,Marktforminterventionismus" vorgeworfen. Vgl. Klauss, Wettbewerb, s. 64 ff., s. 8 2. 31 Vgl.Hoppmann, Workable Competition, S. 1 6 0 ff. 33 Hoppmann, Workable Competition, S. 1 6 0. 30

2.1.4.2 Die Entwicklung des Wettbewerbsbegriffs

61

mann z. B. den Zeitbedarf der Anpassung, der private wirtschaftliche

Macht des Innovators gestatte. Vor allem in Fällen der Anpassungs­ verzögerung wird selten klärbar sein, ob unternehmerische Praktiken oder natürliche Hindernisse dafür verantwortlich sind. Hindernisse durch Konzentrationsvorgänge sirid ebenso schwer einzuordnen34• Die Kontroverse zwischen Kantzenbach und Hoppmann führte dazu, daß eine starke Diskussion über die Ziele des Wettbewerbs und damit über die Frage begann, ob Wettbewerb als Instrument oder letztes Ziel anzusehen sei35 • Insbesondere die Aufnahme des außerökono­ mischen Ziels der Gewährleistung der wirtschaftlichen Handlungs- und Entschließungsfreiheit in den Zielkatalog war heftig umstritten36 • Zur Beurteilung von Konzentrationsvorgängen und der Verhaltensweisen marktmächtiger Unternehmen ist eine Berücksichtigung der Einflüsse auf die materiale Entschließungsfreiheit und formale Handlungsfrei­ heit, wie Schmidt im Anschluß an Giersch ausführlich begründet, je­ doch notwendig37 • Der Zielkatalog ist daher wie folgt um eine sechste Wettbewerbs­ funktion zu erweitern: ,.6. Gewährleistung der wirtschaftlichen Handlungs- und Entschlie­ ßunsfreiheit (Kontrolle wirtschaftlicher Macht) 38 ." Die so erweiterte Lehre der „effective competition" , des wirksamen Wettbewerbs, beurteilt Marktstruktur und -verhalten danach, ob sie zur optimalen Erfüllung der oben genannten sechs Wettbewerbsfunk­ tionen39 führen.

34 Bei überstarker Konzentration zur Erreichung einer optimalen Betriebs­ größe nimmt Hoppmann daher einen „Ausnahmebereich" an, der z. B. Aus­ nahmeregelungen, d. h. staatliche Eingriffe, rechtfertigt; vgl. Hoppmann, Workable Competition, S. 173. 35 Vgl. dazu die Darstellung bei Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 29 ff., und die Nachweise zu Pkt. 2 . 1 .4.2.4 dieser Arbeit. 36 Vgl. z. B. Kantzenbach, Optimale Wettbewerbsintensität, S. 202, 203, Hoppmann, Workable Competition, S. 149 und Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 35. 37 Vgl. dazu vor allem Giersch, Allgemeine Wirtschaftspolitik, S. 73 ff. ; Giersch, Aufgaben, S. 67 f. und Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 35 ff., wo vor allem auch auf gesellschaftspolitische Gefahren der Konzentration hin­ gewiesen wird. 38 Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 39; so inzwischen auch Kantzenbach, Konzentration, S. 172. 39 Zu Fragen der Möglichkeit und der Lösung von Zielkonflikten zwischen diesen sechs Zielen vgl. Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 42 ff. m. w. N.

2.1.4 Der wettbewerbstheoretische Hintergrund der Regelung

62

2.1.4.2.3 Die Lehre .des wirksamen Wettbewerbs als Grundlage der Wettbewerbspolitik Im folgenden soll versucht werden, Ziele der Wettbewerbspolitik darzustellen und die Frage zu beantworten, ob die Lehre vom wirk­ samen Wettbewerb eine praktikable Grundlage der Wettbewerbspoli­ tik sein kann. Der Wettbewerb ist sowohl Ziel an sich40 als auch Hilfsziel zur Er­

reichung weiterer Ziele41 • Einerseits wünscht man Wettbewerb wegen bestimmter Eigenschaften, die er selbst aufweist, z. B. Garantie der freien unternehmerischen Entfaltung und Freiheit zur Initiative. An­ dererseits ist der Wettbewerb wegen seiner ökonomischen Auswir­ kungen erwünscht wie z. B. Förderung des technischen Fortschritts, optimale Faktorallokation und Ausschaltung unwirtschaftlicher Be­ reiche42 . Diese Ziele des Wettbewerbs um seiner selbst willen und der Errei­ chung gewisser ökonomischer Auswirkungen sind selbst wieder Mittel zur Förderung weiterer Ziele, wobei am Ende der beiden Zweck-Mit­ tel-Ketten die „Verwirklichung der freien demokratischen Gesell­ schaft" 43 und der „Wohlstand für alle" als Endziele verstanden werden können44 . Zur Erreichung dieser Ziele kann die Wettbewerbspolitik nur den Wettbewerb selbst beeinflussen, d. h. den Wettbewerb nur vor direkten Eingriffen von innen und außen bewahren. Beschränken allerdings Einflüsse von Rahmenbedingungen den Wettbewerb wie z. B. Bildungs­ stand oder Infrastruktur, so können solche Einflüsse nicht durch die Wettbewerbspolitik, sondern nur durch außerwettbewerbliche Maß­ nahmen gestaltet werden. Die Wettbewerbspolitik hat die schwierige Aufgabe, einen Wett­ bewerbsmechanismus zu erhalten, der nicht „selfmaintaining" 45 ist. Die Wettbewerbseinheiten versuchen, sich von hohem (möglicherweise opti­ malen) Wettbewerbsdruck und dem damit verbundenen Risiko soweit wie möglich z. B. durch Konzentration oder Machtmißbrauch zu be40 Vgl. Edwards, Big Business, S. 3 - 5. Vgl. Kartte, Leitbild, S. 93 ; Regierungsbegründung BT-Drucks. 6/2520, S. 35 f., Schlecht, Zielsetzung, S. 1 ff.; auf Zielkonflikte des Institutionsschut­ zes und Individualschutzes weist vor allem Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 67 ff., hin. Zu Konflikten zwischen den ökonomischen und außerökono­ mischen Wettbewerbsfunktionen vgl. Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 92 ff. 42 Vgl. Hoppmann, Optimale Wettbewerbsintensität, S. 289. 43 Vgl. Hoppmann, Workable Competition, S. 150. 44 Vgl. Hoppmann, Workable Competition, S. 150 m. w. N. 46 Vgl. Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 66. 41

2.1.4.2 Die Entwicklung des Wettbewerbsbegriffs

63

freien'6 • Andererseits ist bei den erforderlichen Regelungen zu beach­ ten, daß der Wettbewerbsmechanismus nicht durch eine staatliche Mikrosteuerung ersetzt werden darf, die zu einer weitgehenden Plan­ wirtschaft führen würde. Für die schwierige Gratwanderung zwischen den beiden Extremen des völlig sich selbst überlassenen Wettbewerbs, in dem die Freiheit der Unternehmen zur Konzentration und damit Abschwächung des Wettbewerbsmechanismus führt, einerseits und einem Wettbewerb, der durch staatliche Eingriffe zu bestimmten Ergebnissen gezwungen wer­ den soll, andererseits benötigt die Wettbewerbspolitik ein praktikables Leitbild als Grundlage einer Gesetzgebung zur Erfassung wettbewerbs­ beschränkender Praktiken und Zustände. Das obige Kapitel hat dabei gezeigt, daß sich die Wettbewerbstheorie vom Leitbild der vollkommenen Konkurrenz gelöst hat. Dieses Ideal wurde ersetzt durch das Konzept des „effective competition", in dem die Marktbedingungen danach beurteilt werden, ob sie zur optimalen Erfüllung von sechs (ökonomischen und außerökonomischen) Zielfunk­ tionen führen. Zur Praktikabilität dieses Konzepts stellt Schmidt jedoch fest, daß „bei der Umsetzung des neuen Konzepts in die Wettbewerbspolitik als Basis für wettbewerbspolitische Entscheidungen Lücken bestehen blei­ ben, die durch eine weitere Ausformung dieses theoretischen Ansatzes um eines stärkeren empirischen Gehalts willen noch geschlossen wer­ den müssen" 47 • Es besteht noch weitgehend Unsicherheit über die An­ wendung verschiedener Testmethoden48 und die Entscheidung in Ziel­ konfliktfäl1en49 . Dennoch können aus der Lehre der effective compe­ tition konkrete Gesetzgebungsvorschläge erarbeitet werden50 • Eine wei­ tere wettbewerbstheoretische Forschung könnte zu einer weiteren Ver­ feinerung des wettbewerbspolitischen Instrumentariums führen51 • 2.1.4.2.4 Zusammenfassung Im Anschluß an Kantzenbach, Giersch und Schmidt ist der Wettbe­ werb vor allem als Mittel zur Erreichung ökonomischer und außer­ ökonomischer Ziele anzusehen52 • Das dynamische Konzept des effective Vgl. Zohlnhöfer, Wettbewerbspolitik, S. 16. Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 60. 48 Vgl. dazu den folgenden Pkt. 2.1.4.3 dieser Arbeit. 49 Vgl. dazu Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 67 ff. 50 Vgl. z. B. die Novellierungsvorschläge bei Schmidt, Wettbewerbspolitik, s. 343 ff. 51 Eine besondere Bedeutung kommt in diesem Bereich interdisziplinären, juristischen und ökonomischen Forschungen zu. 52 Zur Vertiefung anderer abweichender Ansätze, die im Rahmen dieser Arbeit nicht erfolgen kann, vgl. Hoppmann, Workable Competition, S. 156 ff.; '8 '7

64

2.1.4 Der wettbewerbstheoretische Hintergrund der Regelung

competition, des wirksamen Wettbewerbs, bedarf zu seiner Prakti­ kabilität als Leitbild der Wettbewerbspolitik noch einer weiteren Kon­ kretisierung. Durch weitere wettbewerbstheoretische Forschungen müs­ sen noch Lücken des Konzepts geschlossen und der empirische Gehalt verstärkt werden.

2.1 .4.3 Die verschiedenen Tests zur Beurteilung der Wettbewerbsbedingungen Die Entwicklung von Kriterien zur Bestimmung von Marktmacht steht im Mittelpunkt zahlreicher Veröffentlichungen53 • Die aufgestellten Einzelkriterien werden dabei den drei Gruppen Marktstrukturkrite­ rien, Marktverhaltenskriterien und Markterg.ebniskriterien zugeordnet. Je nach Benutzung der Kriterien wird deshalb von sog. Marktsturktur­ tests, Marktverhaltenstests und Marktergebnistests gesprochen54 . Ge­ gen eine Anwendung dieser drei Tests zur Beurteilung der Marktmacht und Wettbewerbsintensität werden vor allem deshalb Bedenken er­ hoben, weil 1. die Einteilung der Testkriterien in Struktur-, Verhaltens- und Er­

gebniskriterien oft nicht eindeutig möglich ist,

2. eine Ursache-Wirkungsbeziehung zwischen den drei Aspekten bis­ her nicht empirisch nachgewiesen ist55 und 3. die erforderliche Marktabgrenzung als Grundlage dieser Tests zu unsicher ist58• Gegen diese Kritik des Test-Konzepts als Ganzes kann jedoch 1. auf die hohe Praktikabilität bei Anwendung aller oder mehrerer

Tests im Einzelfall57,

Hoppmann, Optimale Wettbewerbsintensität, S. 286 ff.; Hoppmann, Mikro­ steuerung, S. 397 ff.; Hoppmann, Marktmacht, S. 12 ff.; Kantzenbach, Optimale Wettbewerbsintensität, S. 13 ff.; Kaufer, Konzept, S. 481 ff.; Kaufer, Wett­ bewerbsintensität, S. 242 ff.; Kaufer, Wettbewerbstheorie, S. 199 ff.; Lenel, Leitbilder, S. 317 ff. und insbesondere die Darstellung bei Schmidt, Wettbe­ werbspolitik, S. 20 ff. 53 Vgl. Kaufer, Marktmacht, a. a. O.; Klauss, Marktmacht, besonders S. 107 ff.; Schmidbauer, Allokation, besonders S. 154 ff. 54 Vgl. Hoppmann, Workable Competition, S. 146 ff., wo j edoch auf S. 147 die Marktstruktur- und Marktverhaltensnormen zu einer sog. Marktprozeß­ definition zusammengefaßt werden; vgl. auch Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 54 - 57. Gebräuchlich sind auch die englischen Bezeichnungen market structure, market conduct und market performance. 55 Vgl. die Aufstellung der empirischen Untersuchungen bis 1973 bei Schmidbauer, Allokation, S . 171 ff. Tabelle 3.1 ; Herdzina, Marktstruktur, S. 267 ff., besonders S. 275 ff.; siehe auch Bain, Industrial Organization, S. 464; Hoppmann, Optimale Wettbewerbsintensität, S. 3 1 1 ff. und die Untersu­ chung von Weiss, Concentration Ratios, S. 237 ff. 56 Vgl. Herdzina, Marktstruktur, S. 273, 274 und Hoppmann, Wettbewerb, s. 93. 57 Vgl. Greiffenberg, Unternehmensintegration, S . 37.

2.1.4.4 Die Bewertung der Tests

65

2. auf schon zu vermutende oder naheliegende Beziehungen der Ein­ zelkriterien58 und 3. auf die langj ährige Marktabgrenzungspraxis in den USA und auch in Deutschland verwiesen werden. Im folgenden soll deshalb nicht mehr das Test­ Konzept als Ganzes beurteilt werden, sondern nur die Geeignetheit der einzelnen Tests als Instrumente der Wettbewerbspolitik untersucht werden. 2.1 .4.4 Die Bewertung der Tests 2.1 .4.4.1 Die Geeignetheit des Marktergebnistests Die Problematik einer Anwendung eines Marktergebnistests besteht in seiner mangelnden Eindeutigkeit. Positive Marktergebnisse brau­ chen nicht auf Wettbewerbsdruck zu beruhen, negative Marktergeb­ nisse können auch durch ruinösen Wettbewerb hervorgerufen werden59 • „Performance-Normen informieren nicht über Marktmacht" 60 • Auch eine hilfsweise Heranziehung des Performance Tests ist infolge seiner mangelnden Aussagekraft und Eindeutigkeit nicht geeignet, Zweifel zu beseitigen, die nach Anwendung anderer Tests verblieben. Insbeson­ dere bei der Beurteilung wettbewerblicher Wirkungen von Ände­ rungen der Marktstruktur (z. B. durch Zusammenschlüsse), wo im Be­ urteilungszeitpunkt noch keine Änderungen des Marktergebnisses feststellbar sind, ist eine Anwendung eines Marktergebnistests nicht praktikabel61 • 2.1.4.4.2 Die Geeignetheit des Verhaltenstests Es ist zwar möglich, einige Verhaltensbedingungen, die gute Markt­ ergebnisse begünstigen, abzuleiten, diese Bedingungen sind jedoch wegen der beschränkten Möglichkeit der Kontrolle und Feststellung allein nicht operational82 • Hoppmann schlägt deshalb eine Kombination von Struktur- und Verhaltenstests vor83 • Für eine Bestimmung der 58 Vgl. Bain, Industrial Organization, a.a. 0., S. 46 4 und Ott, Marktform, S. 1 1 3; vgl. auch Schmidbauer, Allokation, S. 201, zu Konzentration und Marktmacht: ,.Empirische Beobachtungen deuten darauf hin, daß ein solcher Zusammenhang zwar vorhanden, j edoch längst nicht vollständig ist." 59 Vgl. dazu Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 6 4 m. w.N. 80 Hoppmann, Workable, Competition, S. 171. 8 1 In Ausnahmefällen internen Unternehmenswachstums und Nichtan­ wendbarkeit anderer Tests könnte der Ergebnistest allerdings noch Bedeu­ tung haben, vgl. Schmidt, Wettbewerbspolitik, S.6 4, 6 5. 82 Vgl. Bain, Industrial Organization, S. 3 29 und S. 468; Herdzina, Inter­ dependenz, S. 5 5 ff., S.77 und S. 8 4. 83 Vgl. Hoppmann, Workable Competition, S. 147 und 180.

s Nelser

66

2.1.4

Der wettbewerbstheoretische Hintergrund der Regelung

Marktmacht ist jedoch die Aussagekraft von Verhaltenskriterien ge­ ring, da nicht zu erkennen ist, welche Motivation zu diesem Verhalten führt. Wegen praktischer Probleme einer dauernden Verhaltenskon­ trolle und mangelnder Eindeutigkeit scheidet deshalb im Bereich der Fusionskontrolle, bei der strukturelle Änderungen Anlaß der Prüfung sind, eine Anwendung des Verhaltenstests zur Beurteilung aus. 2.1.4.4.3 Die Geeignetheit des Strukturtests Für die Anwendung eines reinen Strukturtests spricht vor allem seine Praktikabilität84. So sind z. B. die Strukturkriterien Marktkon­ zentration, Finanzkraft und Verflechtungen objektiv feststellbare Grö­ ßen, die auch eine längerfristige Beurteilung ermöglichen. Die Aus­ sagekraft dieses Tests ist bei extremen Marktstrukturen größer65 • Diese in Extremen höhere Aussagekraft deckt sich mit der Zielsetzung der Wettbewerbspolitik, keine Mikrosteuerung86 des Wettbewerbs anzu­ streben, sondern nur die Rahmenbedingungen für einen wirksamen Wettbewerb zu erhalten. Durch Abstellen auf Marktkonzentration und andere Marktstrukturkriterien können vor allem unmittelbare Ände­ rungen der Marktstruktur, die z. B. durch Unternehmenszusammen� schlüsse eintreten, beurteilt werden. Besonders im Bereich der Zu­ sammenschlußkontrolle ist deshalb die Anwendung eines reinen Markt­ strukturkonzepts praktikabel67 • 2.1 .4.5 Die Marktstrukturkriterien

Unter der Struktur eines zusammeng,esetzten Ganzen wird allgemein das Muster, nach dem seine Grundbestandteile geordnet oder zusam­ mengefügt sind, verstanden. Unter Marktstruktur sind demnach alle Bestimmungsfaktoren (conditioning factors) zu verstehen, die die Be­ ziehungen der potentiellen Anbieter, aktuellen Anbieter und Abneh­ mer zueinander und untereinander bestimmen88 • Es handelt sich um „those conditions external to the firm which are relatively permanent or which change only slowly, and which effect if not determine, the 84 Vgl. Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 62; Greifjenberg, Unternehmens­ integration, S. 37. 65 Vgl. Bain, Industrial Organization, S. 464, der bei 66 % bis 75 % Anteil der 8 größten Anbieter negative Auswirkungen auf das Marktergebnis erwar­ tet (S. 465) und ebenfalls hohe Marktschranken als negative Einflußfaktoren für das Marktergebnis ansieht (S. 464). 6 6 Vgl. dazu die Kritik bei Hoppmann, Mikrosteuerung, S. 397 ff. 67 Vgl. Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 110 ff. m. w. N. 68 Vgl. Bain, Industrial Organization, S. 7 in Übersetzung insoweit bei Herdzina, Wettbewerbstheorie, S. 179.

2.1.4.5 Die Marktstrukturkriterien

67

way the firm operates" 69 • In der Literatur werden als wichtigste Markt­ strukturkriterien hervorgehoben: 1 . die Anbieterkonzentration, ausgedrückt in Zahl der Anbieter und Größenverteilung70 , 2. Marktzutrittsschranken, d. h. die Bedingungen, die die Wahrschein­ lichkeit des Auftretens von Neukonkurrenten bestimmen71 , 3. Verflechtungen mit Unternehmen des gleichen Marktes, Unterneh­ men verwandter Märkte, Unternehmen der vor- oder nachgelager­ ten Produktionsstufe und Unternehmen auf sonstigen Märkten72 , 4. Grad der Kapazitätsauslastung73 und 5. die Marktphase74 • Diese Aufstellung ist j edoch keinesfalls abschließend, es werden zahlreiche weitere Strukturkriterien genannt75 • Bain betont jedoch, daß versucht werden solle, wenige eindeutige Strukturbegriffe zu ver­ wenden, damit nicht durch eine Vielzahl von Strukturdaten j eder Markt strukturmäßig einmalig erscheint. Sinnvolle Marktvergleiche würden so erschwert76 • Wegen der besonderen Bedeutung der beiden ,ersten Kriterien77 und der Nichtberücksichtigung des Kriteriums der Marktphase im GWB möchte der Verfasser auf diese drei Kriterien im folgenden näher ein­ gehen.

89 Kaysen-Turner, S. 59. vgl. auch Bain, lndustrial Organization, S. 295, über diese Definition besteht weitgehend Einigkeit, vgl. Schmidbauer, Allo­ kation, S. 127 und Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 54. 70 Vgl. Bain, Industrial Organization, S. 8; Schmidt, Wettbewerbspolitik, s. 55; Schmidbauer, Allokation, S. 127; von Kantzenbach wird jedoch nur die Anbieterzahl berücksichtigt, nicht die Größenverteilung, vgl. Kantzen­ bach, Funktionsfähigkeit, S. 4 3 Fußnote 2. 7 1 Die besondere Bedeutung des potentiellen Wettbewerbs wurde von Bain, Barriers, S. 1 ff. und Bain, Note, S. 4 4 8 - 4 67 entwickelt. 72 Vgl. die beiden letzten Marktstrukturkriterien bei Schmidt, Wettbe­ werbspolitik, S. 55. 73 Vgl. Kantzenbach, Funktionsfähigkeit, S. 47, und Schmidt, Wettbe­ werbspolitik, S. 55. 74 Vgl. Heuss, Markttheorie, S. 14 ff. und Schmidt, Wettbewerbspolitik, s. 55. 75 Vgl. Bain, Industrial Organization, S. 8, insoweit abgedruckt bei Herd­ zina, Wettbewerbstheorie, S. 181; Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 55; Schmid­ bauer, Allokation, S. 127; Kantzenbach, Funktionsfähigkeit, S. 4 6; vgl. auch die Strukturkriterien des Gesetzes in§ 2 2 Abs. 1 Nr. 2 GWB. 78 Vgl. Bain, Industrial Organization, S. 8, abgedruckt bei Herdzina, Wett­ bewerbstheorie, S. 18 1. 77 Vgl. Schmidbauer, Allokation, S. 127, der diese beiden Kriterien als die „wichtigsten Dimensionen der Marktstruktur" bezeichnet.

68

2.1.4 Der wettbewerbstheoretische Hintergrund der Regelung 2.1.4.5.1 Der kritische Konzentrationsgrad78 bei der Anbieterkonzentration

Bain, Blair, Kaysen, Turner und Weiss79 haben umfangreiche Arbei­

ten der Bestimmung des kritischen Konzentrationsgrads gewidmet. Die Einteilung der Märkte verschiedener Konzentrationsstufen ist ebenso uneinheitlich80 wie die Festlegung desjenigen kritischen Konzentra­ tionsgrades, bei dem ein „distinct break" 81 in der Funktionserfüllung des Wettbewerbs eintritt82 • Speziell für die Zusammenschlußkontrolle geben Kaysen, Turner besondere kritische Konzentrationsgrade an. Bei vertikalen Zusammenschlüssen soll als prima facie Regel gelten, daß ein Zusammenschluß, bei dem der Erwerber eines relativ wichtigen Kunden oder Lieferanten 20 O/o83 Marktanteil hat, illegal ist84 • Bei hori­ zontalen Zusammenschlüssen führt die prima facie Regel von Kaysen, Turner zur Illegalität eines Zusammenschlusses, der zu mindestens 20 0/o addiertem Marktanteil führt86• Für konglomerale Zusammen­ schlüsse86 geben Kaysen, Turner keine prima facie Regel an, man kann insoweit j edoch auf ihre allgemeine Regel87 zurückgreifen, wonach der Zusammenschluß eines Einzelunternehmens mit 50 0/o oder mehr Marktanteil oder eines Unternehmens der 4 größten Unternehmen, die zusammen mindestens 80 0/o Marktanteil haben, zu unterbinden ist. In den Vorarbeiten für die deutsche Fusionskontrolle wurde eben­ falls versucht, einen Marktanteil festzulegen, der die Grenze zwischen zu untersuchenden und nicht zu untersuchenden Fällen darstellte. Er sollte zwischen 15 0/o und 20 0/o Hegen88 , während die Untersagungs7 8 Vgl. dazu Schmidbauer, Allokation, S. 154 ff. und besonders S. 240 ff. 79 Vgl. Bain, Industrial Organization, S. 464; Blair, Concentration, S. 1 1 ; Kaysen, Turner, S. 27, S . 7 2 ff . und Weiss, Concentration Ratios, S . 237 ff. 80 Drei verschiedene Konzentrationsstufen bei Blair, Concentration, S. 1 1 ; vier Konzentrationsstufen bei Kaysen, Turner, S. 72. 81 Vgl. Blair, Concentration, S. 536 und Tabelle 22-2 auf S. 616. 82 Blair, Concentration, S. 616, steilt einen distinct break bei C• = 60 0/o fest (mit Cn wird der kumulierte Marktanteil der n größten Unternehmen bezeichnet). Kaysen, Turner, S. 27, nehmen konzentrierte Märkte bereits bei C 8 = 33 1/a 0/o an, und unterteilten weitere Oligopoltypen. Bain, Industrial Organization, S. 464, erwartet den kritischen Konzentrationsgrad bei C 8 > 66 2/3 %. 83 Dies ist als Minmum z u verstehen, obwohl Kaysen, Turner, anders als bei horizontalen Zusammenschlüssen die Worte „or more" wegließen. 84 Vgl. Kaysen, Turner, S. 133. s5 Vgl. Kaysen, Turner, S. 99. 86 Vgl. j edoch Kaysen, Turner, S. 131, wonach in den meisten . Fällen kon­ glomerale Zusammenschlüsse von Kaysen, Turner als horizontal oder verti­ kal angesehen werden. 87 Vgl. Kaysen, Turner, S. 98 unten. 88 Vgl. Klaue u. a., Fusionskontrolle, S. 33 und Referentenentwurf vom 20. 3. 1970, § 23 Abs. 1 Nr. 1 und Referentenentwurf vom 28. 10. 1970; § 23 Abs. 1 Nr. 1 (abgedruckt bei KZ.aue u. a., Fusionskontrolle).

2.1.4;5 Die Marktstrukturkriterien

69

grenze bei ca. 40 0/o liegen sollte89 • Es wird überall zugegeben, daß eine solche Feststellung der kritischen Grenze bei nur einem Kriterium der Marktstruktur mit gewisser Willkür geschieht90 • Deshalb ist in der Rechtsanwendung möglich, im Einzelfall in beide Richtungen von dieser kritischen Grenze abzuweichen. Aussagekräftiger ist die Bestimmung einer kritischen Marktstruktur, bei der nicht nur Konzentration, sondern auch andere Marktstruktur­ kriterien, wie z. B . Produktdifferenzierung, Marktzutrittsschranken, Finanzkraft und die Diversifikation91 der Unternehmen berücksichtigt werden. 2.1.4.5.2 Die Berücksichtigung der potentiellen Konkurrenz über das Kriterium der Marktzutrittsschranken Die Bedeutung der potentiellen Konkurrenz auf den aktuellen Wett­ bewerb wurde vor allem von Bain erarbeitet92 • Er stellte fest, daß es eine „recognized interdependence of actions not only between estab­ lished sellers but between established sellers and potential entrants" gibt93 • Die Höhe des Einflusses der potentiellen Konkurrenz hängt von der Eintrittsmöglichkeit, der sog. ,,condition of entry" ab. Als Faktoren, die die Eintrittsmöglichkeit bestimmen, nennt Bain die „Scale Economy Barrier" , ,,Product Differentiation Barrier" , die „Absolute Cost B ar­ rier" und die „Capital Requirement Barrier" 9'. Von der Höhe der Zutrittsschranken und der bestehenden Markt­ konzentration läßt er Rückschlüsse auf die zu erwartenden Markt­ ergebnisse zu96 • Er gesteht damit dem Einfluß des potentiellen Wett­ bewerbs eine dem aktiven Wettbewerb vergleichbare Bedeutung zu96 , 89 Vgl. Referentenentwurf vom 20. 3. 1970, § 24 Abs. 1 Nr. 2 a, b, c und Referentenentwurf in der überarbeiteten Fassung vom 28. 10. 1970, § 22 Abs. 1 Satz 3 und Regierungsentwurf vom 19. 5. 1971 (BT-Drucks. 265/71), § 22 Abs. 1 Satz 3 und BT-Drucks. 6/2520, S. 23. 9 0 Vgl. Kaysen, Turner, S. 27; Klaue u. a., Fusionskontrolle, S. 28; vgl. auch die „Kompromißlösung" von 33 % im schließlich verabschiedeten Gesetz (§ 22 Abs. 2 Nr. 1) und BT-Drucks. 7/765, S. 6 (Bericht des Wirtschaftsaus­ schusses) mit Verweis auf die Praxis anderer Länder. 9 1 Für Diversifikation als Kriterium vgl. vor allem Veltrup, Ansätze, S. 219 und Greifjenberg, Unternehmensintegration, S. 276, S. 277. 02

Vgl. Bain, Barriers, S. 1 ff.und Bain, Note, S.44 8 - 464.

So Bain, Barriers, S. 4. Vgl. Bain, Barriers, Tabelle 169 und S. 12 und Beispiele auf S. 15 und S. 16. Vgl. auch Bain, Monopoly, S. 215 ff. 95 Vgl. Bain, Barriers, S. 181. 9 6 Vgl. Bain, Barriers, S. 19: ,,The force of potential competition, that is, may be viewed as a regulator of prices and outputs of an importance com­ parable to that of actual competition." 93

94

70

2.1.4 Der wettbewerbstheoretische Hintergrund der Regelung

da Angst vor potentieller Konkurrenz die aktuellen Wettbewerber veranlassen kann97 , nur den „highest entry-forestalling price" statt eines höheren gewinnmaximierenden aber „entry-inducing" Preises zu verlangen. Nach Bain kommt dem Strukturkriterium Marktzutriittschranken eine besondere Bedeutung zu, da über dieses Kriterium des Marktstruktur­ tests die Höhe des möglichen Einflusses der potentiellen Wettbewerber gemessen werden kann. 2.1.4.5.3 Die Berücksichtigung der Marktentwicklung über das Kriterium der Marktphase98 Nach Heuss99 sind vier Marktphasen zu unt,e rscheiden, die einen all­ gemein gültigen Entwicklungsverlauf darstellen. Es handelt sich um die Experimentierungsphase, die Expansionsphase, die Ausreifungs­ phase und die Stagnations- oder Rückbildungsphase. Diese Phasen haben Einfluß auf .die Wettbewerbsintensität100 • Die Wettbewerbsintensität entwickelt sich von fehlendem Wettbe­ werb für den Pionierunternehmer in der Experimentierphase zu mög­ lichem Wettbewerib in der Expansionsphase, der sich j edoch wegen des vermuteten Nachfrageüberhangs noch nicht als starke Preiskonkurrenz auswirkt. Erst gegen Ende der Expansionsphase, wenn der Nachfrage­ überhang abnimmt und gleichbleibende Marktstrukturen erwartet werden, entspricht der Markt dem Markt, der in den Marktbeschrei­ bungen der Theorien auftritt 101 • Produktdifferenzierung tritt ein, Pro­ duktverbesserungen sind im geringen Umfang möglich und infolge fehlenden Nachfrageüberhangs ist ein intensiver Wettbewerb zu er­ warten. Heuss erwartet in der Stagnations- oder Rückbildungsphase wieder geringere Wettbewerbsintensität 102 , da hier der Gedanke des gemeinsamen Überlebens und die Erkenntnis im Vordergrund steht, daß eine intensive Preiskonkurrenz zu keinen Erfolgen für die Unter­ nehmen führt. Eine Berücksichtigung der Marktphase hat wegen der 97 Falls nicht ihre Gewinnerwartung bei Eintritt höher ist als bei Bei­ behaltung des niedrigeren „entry forestalling price" , vgl. Beispiel 2 bei Bain, Barriers, S. 21, 22. 98 Die Nichtberücksichtigung der Marktphase als Strukturelement ist ein Kritikpunkt Hoppmanns gegen Kantzenbachs Konzept der optimalen Wett­ bewerbsintensität, vgl. Hoppmann, Optimale Wettbewerbsintensität, S. 305. •• Vgl. Heuss, Markttheroie, S. 14 ff. 100 Vgl. dazu Heuss, Wachstumsproblematik, S. 52 ff., S. 60, insoweit abge­ druckt bei Herdzina, Wettbewerbstheorie, S. 315 ff., 323. 1 01 Vgl. Heuss, Wachstumsproblematik, soweit abgedruckt bei Herdzina, Wettbewerbstheorie, S. 318 unten. Vgl. auch Heuss, Markttheorie, S. 64 und Grei[Jenberg, Unternehmensintegration, S. 58, wo festgestellt wird, daß die Theorien Kantzenbachs einen ausgereiften Markt voraussetzen. 1°2 Vgl. Heuss, Markttheorie, S. 92.

2.1.4.6 Die Veränderung der Marktstruktur durch externes Wachstum 71 Einflüsse auf die Marktintensität auch Eingang in die Gesetzesmate­ rialien gefunden 103 , Aussagen über die zu erwartende Wettbewerbs­ intensität bei bestimmten Marktstrukturen lassen sich ebenfalls nur unter Berücksichtigung der Jeweiligen Marktphase machen. Als Grund­ lage für eine Zusammenschlußkontrolle, z. B . für Fälle der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens zur Entwicklung eines neuen Pro­ duktes 104 , sollte nur ein Strukturansatz in Betracht kommen, der die Marktphase berücksichtigt. 2.1.4.5.4 Zusammenfassung Die wirtschaftliche Wirklichkeit ist ganz allgemein dadurch gekenn­ zeichnet, daß das einzelwirtschaftliche Erwerbsstreben die ihm durch den Wettbewerb auferlegte Beschränkung und Unsicherheit nicht wi­ derstandslos akzeptiert, sondern versucht, sich von diesem Konkurrenz­ druck und dem damit verbundenen Risiko soweit wie möglich zu be­ freien. Deshalb müssen Konzentrationsbestrebungen wettbewerbspoli­ tisch auf ihre Verträglichkeit mit dem Ziel des effective competition überprüft werden, indem beurteilt wird, wie sich diese Konzentrations­ vorgänge auf die Marktstruktur und damit mittelbar auf die Erfüllung der Funktionen des Wettbewerbs auswirken. Zur Beurteilung der Kon­ zentrationsvorgänge durch externes Unternehmenswachstum hat sich der Marktstrukturtest als am geeignetsten erwiesen. Konzentrations­ vorgänge sind danach anhand ihrer Änderung von Marktstruktur­ kriterien zu beurteilen. Ein besonderes Gewicht kommt dabei den Marktstrukturkriterien Anbieterkonzentration, Marktzutrittsschran­ ken, Verflechtungen, Grad der Kapazitätsauslastung und der Markt­ phase zu. Mit der Erarbeitung solcher Beurteilungskriterien fand die Wettbewerbspolitik einen Mittelweg zwischen den beiden Extremen des völlig sich selbst überlassenen Wettbewerbs, in dem die Freiheit der Unternehmen zur Konzentration und Schwächung des Wettbe­ werbsmechanismus führt, einerseits und einem Wettbewerb, der mit staatlichen Eingriffen zu bestimmten Ergebnissen gezwungen werden soll, andererseits.

2.1 .4.6 Die Veränderung der Marktstruktur durch externes Wachstum Bei der Beurteilung von Marktmacht werden drei Formen ihres Entstehens unterschieden: 1. Kooperation rechtlich selbständiger Unternehmen 1 03 Vgl. Regierungsbegründung ET-Drucks. 6/2520, S. 29 rechte Spalte. 104 Vgl. z. B. die Gründung der Gemeinschaftsunternehmen Bosch/Pier­ burg für die Entwicklung elektronischer Vergaser, TB 1977, S. 57, und das Gemeinschaftsunternehmen von Kfz.-Herstellern zur Entwicklung eines Ge­ lände-PKW, TB 1977, S. 57 rechte Spalte.

2.1.4 Der wettbewerbstheoretische Hintergrund der Regelung

72

2. internes Wachstum 3. externes Wachstum durch Zusammenschluß mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen zu einem Unternehmen10 �. Diese drei Konzentrationsformen werden in der Wettbewerbspolitik verschieden beurteilt. Während man Kartelle mit einigen Ausnahmen generell verbietet, ist eine Konzentration durch internes Wachstum der Unternehmen nicht beschränkt. Eine Entflechtung bei Vorliegen bestimmter Größe wird noch als wettbewerbspolitisch unerwünscht an­ gesehen106 . Gegenüber Fällen des externen Unternehmenswachstums durch Zusammenschluß wird eine differenzierte Politik eingehalten. Während die meisten Fälle unbehelligt bleiben, werden Fälle, in denen der Zusammenschluß zu einer kritischen Konzentration führt, unter­ sagt. Im folgenden wird der Verfasser die Einflüsse externen Unter­ nehmenswachstums auf die Marktstruktur erläutern. Dazu sollen zu­ nächst die verschiedenen Formen externen Wachstums dargestellt werden. 2.1.4.6.1 Die Formen externen Unternehmenswachstums Es werden drei Hauptformen unterschieden' 07 . Unter horizontalen Zusammenschlüssen werden Unternehmenszu­ sammenschlüsse verstanden, die zwischen vormals selbständigen Wirt­ schaftssubjekten, die auf dem gleichen sachlich und räumlich relevan­ ten Markt tätig sind, stattfinden108 . Das Bundeskartellamt geht j edoch offensichtlich von einer anderen Definition aus, wenn es in ständiger Praxis seiner Tätigkeitsberrichte unter horizontalen Zusammenschlüs­ sen auch produkterweiternde versteht 109 . Aus terminologischen Gründen sollten jedoch Produkterweiterungs­ zusammenschlüsse und Markterweiterungszusammenschlüsse als Unter­ fälle der konglomeralen Zusammenschlüsse betrachtet werden1 1 0 . Vertikale Zusammenschlüsse sind Zusammenschlüsse vormals selb­ ständiger Wirtschaftssubj ekte, die auf einander nachgelagerten Märk105

Vgl. Zohlnhöfer, Wettbewerbspolitik, S. 26. Vgl. das Fehlen einer Entflechtungsregelung im deutschen Kartell­ recht für Großunternehmen, die infolge bloßen internen Wachstums ihre Marktmacht stärken. 107 Vgl. Kaysen, Turner, S. 1 1 9 ff.; Zohlnhöfer, Wettbewerbspolitik, S. 35 ff. und Tätigkeitsberichte des Bundeskartellamtes, vgl. z. B . TB 1977, S. 1 18, Tabelle 12 und Fußnote 1. 108 Vgl. Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 82. 109 Vgl. z. B. TB 1977, -S . 1 18, Tabelle 12, anders noch TB 1973, S. 42, Ta­ belle 7, wo Zusammenschlüsse mit Produktausweitung als diversifiziert be­ zeichnet wurden. 11 0 So auch Schmidt, _ Wettbewerbspolitik, S. 85 und Zohlnhöfer, Wettbe­ werbspolitik, S. 38 ff. und 164. 10 0

2.1.4.6 Die Veränderung der Marktstruktur durch externes Wachstum 7 3 ten anbieten 1 1 1 , also in einem (zumindest potentiellen) Käufer-Verkäu­ fer-Verhältnis stehen. Die Märkte der Unternehmen müssen einander direkt nachgelagert sein112 •

Diagonale oder konglomerale Zusammenschlüsse113 sind Zusammen­ schlüsse vormals selbständiger Wirtschaftseinheiten, die weder auf dem gleichen sachlich und räumlich relevanten Markt tätig sind, noch auf einander direkt nachgelagerten Märkten11 ' . Konglomerale Zusammen­ schlüsse können in vier Untergruppen unterteilt werden115 • 1. Markterweiterungszusammenschlüsse (market extension mergers) 2. Produkterweiterungszusammenschlüsse (product extension mergers) 3. Marktverkettungszusammenschlüsse (reciprocal dealings) 4. Marktdiversifikationszusammenschlüsse (pure conglomerates). Unter Markterweiterungszusammenschlüssen1 1 6 werden Zusammen­ schlüsse zwischen Unternehmen verstanden, die zwar auf dem gleichen sachlich relevanten Markt, jedoch auf verschiedenen geographischen Märkten anbieten117• Unter Produkterweiterungszusammenschlüssen werden Zusammen­ schlüsse von Unternehmen verstanden, die auf räumlich identischem, 1 1 1 Vgl. Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 83; TB 1977, S. 118, Tabelle 12 Fn. 1, 3.Fall. 1 1 2 Sonst handelt es sich um einen sog. Marktverkettungszusammenschluß, der als Unterfall der konglomeralen Zusammenschlüsse behandelt werden muß, vgl. Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 86 mit einer Übersichtsskizze für diese Zusammenschlußform. 1 13 Gebräuchlich sind die Bezeichnungen diagonale, konglomerierte, kon­ glomerate und konglomerale Zusammenschlüsse, vgl. z.B. Schmidt, Wett­ werbspolitik, S. 84; GreijJenberg, Unternehmensintegration, S. 93; Klein­ mann, Bechtold, § 2 3 Rdnr. 2 0 8. Der Verfasser möchte im folgenden den Begriff konglomerale Zusammenschlüsse benutzen. 11 4 Vgl. z. B. Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 8 4. 1 15 Eine Dreiteilung nimmt jedoch Schmidt vor. Vgl. Schmidt, Wettbewerbs­ politik, S. 85. Market extension mergers und product extension mergers werden unter dem Begriff Markterweiterungszusammenschlüsse zusammen­ gefaßt. Wegen der Verwechselungsgefahr dieses Oberbegriffs mit der deut­ schen Übersetzung des Begriffs market extension merger, der nur eine räumliche Markterweiterung bezeichnet, möchte der Verfasser diesen Ober­ begriff nicht verwenden. 1 1 8 Anders jedoch Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 85, der diesen Begriff als Oberbegriff für produkterweiternde Zusammenschlüsse und Markterwei­ terungszusammenschlüsse im engeren Sinne verwendet. 117 Mißverständlich insoweit jedoch Greiffenberg, Unternehmensintegra­ tion, S. 10 3: ,,Ein Markterweiterungszusammenschluß ist der Erwerb eines Unternehmens, das gleiche oder stark substituierbare Produkte herstellt, aber auf einem regional abgegrenzten Markt anbietet." Es kommt nicht darauf an, ob der Markt des erworbenen Unternehmens regional abgegrenzt ist, sondern allein darauf, daß sich die geographischen Märkte der beiden Unternehmen im wesentlichen nicht überschneiden.

74

2. 1. 4 Der wettbewerbstheoretische Hintergrund der Regelung

aber sachlich unterschiedlichem Markt anbieten, wobei j edoch zwi­ schen den angebotenen sachlich unterschiedlichen Produkten eine starke Produktverwandtschaft besteht118 • Die Produktverwandtschaft kann sich z. B . durch gleiche Absatzwege, gleiche Kundenstämme und vergleichbare Verwendungszwecke zeigen. Unter Marktverkettungszusammenschlüssen werden Zusammen­ schlüsse von Unternehmen verstanden, die auf einander mittelbar nachgelagerten Märkten anbieten. Darunter ist die Konstellation zu verstehen, daß die Märkte so verkettet sind, daß ein Unternehmen Produkte herstellt, die ein möglicher Lieferant des anderen Unterneh­ mens abnehmen könnte 119 • Die besondere Bedeutung dieser Marktver­ kettungszusarnrnenschlüsse liegt in der Möglichkeit, mit Hilfe rezipro­ ker Transaktionen als Hebel den Lieferanten „zwischen den Fronten" zu beeinflussen120 •

Marktdiversifikationszusammenschlüsse lassen sich am einfachsten negativ abgrenzen. Ein solcher auch als rein konglomeral bezeichne­ ter121 Zusammenschluß liegt vor, wenn ein konglomeraler Zusammen­ schluß weder ein Produkterweiterungs-, noch Markterweiterungs-, noch Marktverkettungszusammenschluß ist. Obwohl die Bildung eines Gemeinschaftsunternehmens grundsätz­ lich als Zusammenschlußart und nicht als Zusammenschlußform anzu­ sehen ist, soll die Bildung von Gemeinschaftsunternehmen wegen Pro­ blemen bei der Einordnung in die oben angeführten Kategorien 122 in dieser Arbeit gesondert genannt werden. Gemeinschaftsunternehmen könnten danach unterteilt werden, auf welchen Märkten das Gemein­ schaftsunternehmen und die Mütter tätig sind. Da eine Unterteilung in horizontale, vertikale oder konglomerale Gemeinschaftsunterneh118 Vgl. z.B. TB 197 7, S. 118, Tabelle 12 Fn. 1, 2. Fall, wo die Produkt­ verwandtschaft mit „benachbarten Märkten des gleichen Wirtschaftsberei­ ches" beschrieben wird. 119 Vgl. Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 8 6 mit einer anschaulichen Skizze. Es ist jedoch zu betonen, daß es nicht darauf ankommt, daß die Unternehmen tatsächlich Lieferanten und Abnehmer sind, sondern es ausreicht, daß die Möglichkeit einer solchen Belieferung und Abnahme besteht. 12° Commissioner Elman der FTC beschrieb diese Situation treffend als ,, .. .the simple idea that, I will buy from him, if he will buy from me -, or the unspoken, lf I buy from him, he will buy from me -" . TC § 16.182, S. 2 0.97 5, ( 19 6 2). Zur Behandlung solcher Reziprozitätspraktiken vgl. Frankus, Konglomerate, S. 6 6 ff., u. Pkt. 2.2. 11. 5 dieser Arbeit. Ein solcher Marktver­ kettungszusammenschluß war z. B. der Fall FTC vs. Consolidated Foods Corp., 3 8 0 US 59 2 ff. ( 196 5). 1 21 Vgl. Greiffenberg, Unternehmensintegration, S. 10 3. 1 22 Vgl. Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 85, wo die Zusammenschlußart Bildung eines Gemeinschaftsunternehmens wegen vergleichbarer Proble­ matik bei der Beurteilung von Markterweiterungs- und Produkterweite­ rungszusammenschlüssen mitbehandelt wird.

2.1.4.6 Die Veränderung der Marktstruktur durch externes Wachstum 75 menschaftsunternehmen ungebräuchlich ist, soll hier keine weitere Unterteilung erfolgen. 2.1 .4.6.2 Die typischen Gefahren der verschiedenen Formen externen Unternehmenswachstums Nachdem die Arbeit im vorigen Abschnitt die verschiedenen Formen des externen Unternehmenswachstums aufzeigte, soll im folgenden auf die typischen Gefahren der verschiedenen Formen eingegangen wer­ den. Außerdem soll dargestellt werden, welche Marktstrukturkriterien zur Erfassung und Beurteilung der verschiedenen Zusammenschluß­ formen am geeignetsten sind. Durch horizontale Zusammenschlüsse wird vor allem das Struktur­ kriterium „Anbieterkonzentration" in zweierlei Hinsicht beeinflußt. Es sinkt die Zahl der Anbieter und es ändert sich gleichzeitig die Ver­ teilung der Marktanteile. Durch Verringerung der Zahl der Unter­ nehmen wird zudem die Wahrscheinlichkeit einer Interessensymmetrie zwischen den verschiedenen Unternehmen im Hinblick auf die einzel­ nen Aktionsparameter größer123 • Außerdem ist eine Erhöhung der ,,Marktzutrittsschranken" durch Vergrößerung der absoluten Kosten­ vorteile der etablierten Unternehmen möglich. Durch vertikale Unternehmenszusammenschlüsse ändert sich die „Anbieterkonzentration" unmittelbar nicht. Besitzt j edoch eines der Unternehmen auf einer Wirtschaftsstufe eine starke Marktmacht, so kann es diese Marktstellung auf den vor- oder nachg,elagerten Markt durch Verdrängen nicht integrierter Konkurr,enten ausdehnen. So könnte mittelbar eine Veränderung der „Anbieterkonzentration" zu erwarten sein124 • Es ist unmittelbar eine Veränderung des Marktstruk­ turkriteriums „Marktzutrittsschranken" deshalb denkbar, weil wegen bestehender vertikaler Verflechtung ein Eintritt für den potentiellen Konkurrenten nur noch gleichzeitig auf beiden Marktstufen möglich sein könnte. Dies bedeutet eine starke Erhöhung der Eintrittskosten. Unmittelbar ist weiterhin das Marktstrukturkriterium „Verflechtung" berührt. Durch Markterweiterungzusammenschlüsse ändert sich die Anbieter­ zahl auf den beiden betroffenen geographischen Märkten unmittelbar nicht. Durch entstehende absolute Unternehmensgröße können den sich zusammenschließenden Unternehmen j edoch Kostenvorteile vor allem bei Werbung und Finanzierung entstehen, die zu einem Anwachsen des Marktanteils und damit zu einer Veränderung der Konzentration führen können. Dies ist am besten über das Kritel'ium „Verflechtung" 1 23 124

Vgl. Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 82. Vgl. zur sog. Hebelwirkung auch Kaysen, Turner, S. 121 ff.

76

2.1 .4 · Der wettbewerbstheoretische Hintergrund der Regelung

zu erfassen. Zu beachten ist insbesondere, daß bei dieser Zusammen­ schlußform die beiden beteiligten Unternehmen jeweils als potentielle Konkurrenten auf dem Markt des anderen Unternehmens angesehen werden. Nach dem Zusammenschluß fällt der Druck dieses potentiellen Konkurrenten weg. War die Zahl potentieller Wettbewerber gering, kann auch die Veränderung der Anzahl potentieller Wettbewerber zu berücksichtigen sein1 26 • Auch durch Produkterweiterungszusammenschlüsse ändert sich die ,,Anbieterkonzentration" unmittelbar nicht126 • Vorteile absoluter Größe, Nutzung gemeinsamer Vertriebswege und . Forschungseinrichtungen und gemeinsame Werbung können jedoch auch hier zu Marktvorteilen führen, die einen steigenden Marktanteil erwarten lassen. Ansonsten gilt das oben zu Markterweiterungszusammenschlüssen Gesagte ent­ sprechend. Auch bei Marktverkettungszusammenschlüssen ändert sich die „An­ bieterkonzentration" unmittelbar nicht. Da sich durch die Marktver­ kettung die Absatz- bzw. Lieferbedingungen der beiden beteiligten Unternehmen verbessern, haben sie g-eg-enüber Konkurrenten Preisvor­ teile, die zu einer Erhöhung der Marktanteile führen könnten. Unmittel­ bar läßt sich diese Marktverkettung über das Strukturkriterium „Ver­ flechtung" erfassen. Es erhöht sich außerdem die absolute Kostenvor­ teilsbarriere gegenüber den potentiellen Konkurrenten. Rein konglomerale Zusammenschlüsse haben keinen unmittelbaren und nur geringen mittelbaren Einfluß auf die Anbieterkonzentration. Lediglich durch Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten des Gesamtkonzerns (Finanzkraft) und bessere Krisenfestigkeit infolge einer Diversifikation kommt eine Verstärkung der Marktposition des Erwerbers in Betracht. Die entstehenden Vorteile -der Mischkalkulation werden am besten über das Marktstrukturkriterium „Verflechtung" berücksichtigt. Die Verflechtung und finanzielle Stärke des entstehen­ den Unternehmens führt auch zu einer Erhöhung der „Marktzutritts­ schranken" . Es ist festzustellen, daß diese Zusammenschlußform den am schwierigsten feststellbaren Einfluß auf die Marktstärke der Unter­ nehmen hat. Der Einfluß der Bildung von Gemeinschaftsunternehmen127 hängt davon ab, auf welchen Märkten das Gemeinschaftsunternehmen und die Mütter tätig sind. Falls das Gemeinschaftsunternehmen auf einem

m Vgl. dazu den Fall US vs. EI Paso Natural Gas Co., 376 US 651 ff. (1964). Dieser Fall ist jedoch umstritten und nicht zu verallgemeinern, vgl. dazu auch Pkt. 2.2.12 . dieser Arbeit. 1 28 Es nimmt allerdings die gesamtwirtschaftliche Konzentration zu. 127 Vgl. dazu Maurer, Gemeinschaftsunternehmen, S. 10 ff.; Huber, Aktuelle Probleme, S. 677 ff. und .Huber, Börner, Gemeinschaftsunternehmen, S. l ff.

2.1 .4.6 Die Veränderung der Marktstruktur durch externes Wachstum

77

Markt anbieten soll, auf dem die Mütter Konkurrenten waren, könnte zu erwarten sein, daß der Wettbewerb zwischen den Müttern bezüglich dieses Marktes erlischt, auch wenn die Mütter weiter neben dem Ge­ meinschaftsunternehmen auf dem Markt anbieten. Unklar ist aller­ dings, inwieweit das oben Gesagte auch für andere Märkte gilt, in denen das Gemeinschaftsunternehmen nicht anbietet. In besonderen Fällen ist zu erwarten, daß auch auf anderen Märkten der Wettbewerb zwischen den Müttern sich verringert, ,,um den Partner nicht zu schä­ digen" . Ist das Gemeinschaftsunternehmen auf vor- oder nachgelagerten Märkten der Mütter für diese tätig, gilt das oben zur Beurteilung ver­ tikaler Unternehmenszusammenschlüsse Gesagte entsprechend. Bei allen Zusammenschluß/armen sind die Rahmenbedingungen der Marktphase und Kapazitätsauslastung bei der Beurteilung der Aus­ wirkungen mit heranzuziehen. Obwohl diese Marktstrukturdaten sich nicht infolge eines Zusammenschlusses ändern, können sie zu einer besonderen Gewichtung der einzelnen veränderten Marktstrukturdaten führen.

Zweiter Teil 2.2 Zentrale Probleme der deutschen Praxis im Verfahrensablauf unter Berücksichtigung der amerikanischen Erfahrungen 2.2.1 Die am Verfahren Beteiligten und mögliche weitere einflußnehmende Institutionen Im folgenden soll zunächst die Organisation des Bundeskartellamtes als gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 1 c GWB zuständige Behörde dargestellt wer­ den. Es folgt eine Darstellung der gemäß § 51 Abs. 2 Nr. 2 und 5 GWB am Verfahren beteiligten Unternehmen. Im dritten Teil dieses Ab­ schnitts soll auf die Möglichkeit der Stellungnahme der Obersten Lan­ desbehörden gemäß § 24 Abs. 2 Satz 3 GWB und die Möglichkeit der Monopolkommission, gemäß § 24 b Abs. 5 Satz 2 GWB Gutachten zu erstellen, eingegangen werden. 2.2. 1 . 1 Die Untersagungsbehörde

Gemäß § 44 Abs. l Nr. 1 c GWB nimmt das Bundeskartellamt in Ber­ lin die Befugnisse der „Kartellbehörde" in Fällen des § 24 Abs. 2 GWB wahr, ,ist also Untersagungsbehörde. Im Bundeskartellamt sind für die Zusammenschlußkontrolle vier Beschlußabteilungen, die 1., 6., 7. und 8. Beschlußabteilung zuständig. Die 1. Beschlußabteilung ist dabei ausschließlich mit der Fusionskon­ trolle in Zusammenschlußfällen von Banken und Versicherungen un­ tereinander betraut, während die übrigen drei Beschlußabteilungen branchenübergreifend für die Fusionskontrolle zuständig sind, wobei jedoch die allgemeine Zuständigkeit nach Branchen Anhaltspunkte für die Zuteilung der Zusammenschlußfälle in der Praxis bildet. Bei der Verteilung der einzelnen Zusammenschlußfälle auf die Beschlußabtei­ lungen wird auch die Arbeitsauslastung berücksichtigt. Anzeigen voll­ zogener Zusammenschlüsse gemäß § 23 Abs. 1 GWB nimmt das vierte Referat der Grundsatzabteilung entgegen und leitet den Vorgang nach einer Vorprüfung und Begutachtung, ob eine Untersagung infrage kommt, den Beschlußabteilungen zu2 • Anmeldungen von Zusammen­ schlußvorhaben gemäß § 24 a Abs. 1 Satz 1 und 2 GWB gelangen daVgl. Lanzenberger, Auslegungsfragen, S. 7 6. Dabei wird der Vorgang von dem geschäftsführenden Abteilungsleiter der Fusionskontrollabteilungen einer der Beschlußabteilungen zugeteilt. 1

2

2.2.1 .2 Die verfahrensbeteiligten Unternehmen

79

gegen sofort zu den Beschlußabteilungen3 • Gemäß § 48 Abs. 3 GWB entscheidet die Beschlußabteilung nach Abschluß ihrer Ermittlungen in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern.

2.2.1 .2 Die verfahrensbeteiligten Unternehmen gemäß § 51 Abs. 2 Nr. 2 und 5 GWB Verfahrensbeteiligte gemäß § 51 Abs. 2 Nr. 2 GWB sind die Unter­ nehmen, gegen die sich das Verfahren richtet. Gemäß § 51 Abs. 2 Nr. 5

GWB gilt in den Fällen des § 23 Abs. 2 Nr. 1 (Vermögenserwerb) oder 2 Anteilserwerb) GWB auch der Veräußerer als verfahrensbeteiligt. Im folgenden soll zuerst der kartellrechtliche Unternehmensbegriff dargestellt werden. 2.2 . 1 .2.1 Der kartellrechtliche Unternehmensbegriff Im Recht der Fusionskontrolle gilt grundsätzlich der allgemeine kartellrechtliche Unternehmensbegriff4 . Danach ist als Unternehmen jede natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige oder nicht rechtsfähige Personenvereinigung anzusehen, die ganz oder teilweise außerhalb der Deckung ihrer persönlichen Bedürfnisse durch Betäti­ gung in der Erzeugung oder im Geschäftsverkehr aktiv am Wirtschafts­ leben teilnimmt5 • Problematisch ist jedoch, inwieweit eine Privatper­ son, die Großaktionär ist, selbst als Unternehmen angesehen werden kann. Ein Teil dieser Fälle wird durch die Fiktion in § 23 Abs. 1 Satz 10 GWB erfaßt. Diese Vorschrift lautet: „Steht einer Person oder Personenvereinigung, die nicht Unternehmen ist, die Mehrheitsbeteiligung an einem Unternehmen zu, so gilt sie für die Zwecke dieses Gesetzes als Unternehmen." Der Wortlaut stellt klar, daß es sich nicht um eine Erweiterung des Unternehmensbegriffs, sondern um eine Unternehmensfiktion handelt. Es ist jedoch fraglich, ob eine solche Regelung erforderlich ist, da diese Fälle evtl. bereits durch den engeren6 aktienrechtlichen Unternehmens­ begriff erfaßt werden. Vgl. Lanzenberger, Auslegungsfragen, S . 77 oben. Vgl. dazu Gemeinschaftskommentar (Müller, Henneberg), § 1 Anm. 5 ff. und Emmerich, Rechtsprechung, S. 476 f. • Vgl. Kleinmann, Bechtold, § 22 Rdnr. 2. 6 Vgl. auch BT-Drucks. 8/2 136, S . 19, linke Spalte: .,Der neue § 23 Abs. 1 Satz 10 stellt deshalb klar, daß Personen und Personenvereinigungen, die Mehrheitsbeteiligungen an beliebigen anderen Unternehmen halten und nicht bereits aufgrund anderweitiger Vorschriften zweifelsfrei Unternehmen sind, als Unternehmen gelten, wenn sie selbst oder eines der von ihnen ab­ hängigen Unternehmen einen der in § 23 Abs. 2 genannten Zusammenschluß­ tatbestände verwirklichen." (Hervorhebung des Verfassers). Der kartell­ 3

4

rechtliche Unternehmensbegriff ist demnach weiter.

2.2.1 Die am Verfahren Beteiligten

80

Bei Anwendung des aktienrechtlichen Unternehmensbegriffs ist ein Großaktionär, der einen beherrschenden Einfluß auf zwei oder mehr Unternehmen hat, als Unternehmen anzusehen. Für den Privataktio­ när wird z. T. gefordert7 , daß noch ein gewisses Maß an planmäßiger wirtschaftlicher Eigenbetätigung hinzukommen muß, also nicht nur ein reines Anlegerinteresse vorliegt8 • Bedenken könnten gegen eine direkte Anwendung auf den vorliegenden Fall vor allem bestehen, wen der in Betracht kommende Großaktionär hier im Gegensatz zum Fall des BGH eine natürliche Person bzw. eine Vereinigung natürlicher Personen ist. Der BGH führt j edoch aus, daß es auf die Rechtsform des Großaktie� närs nicht ankomme9 , es sei allein auf den Interessen-Konflikt abzustel­ len, der dadurch entstehe, daß unterschiedliche Unternehmensinteres­ sen infolge der Leitung zweier Unternehmen in die Unternehmens­ entscheidungen einfließen könnten1 0 • Obwohl der BGH keine weiteren Kriterien nennt, ist anzunehmen, daß eine BGB-Gesellschaft nur dann aus obigen Gründen als Unternehmen anzusehen ist, falls eine einheit­ liche Stimmabgabe der Gesellschafter11 , die addiert zumindest eine Ab­ stimmungsmehrheit auf den Hauptversammlungen besitzen, gewähr­ leistet ist. Somit wäre eine Person oder auch eine Personenvereinigung, soweit eine einheitliche Stimmabgabe gewährleistet ist, schon nach dem engeren aktienrechtlichen Unternehmensbegriff als Unternehmen anzu­ sehen, falls sie an mehr als einem Unternehmen eine Stimmrechts­ mehrheit besitzt. Folgt man dieser Ansicht, ist die kartellrechtliche Unternehmensfiktion nicht erforderlich. Vergleichbare Probleme stellen sich auch im amerikanischen Anti­ trust-Recht. Sec. 7 Clayton Act richtet sich nur gegen den Erwerb von Anteilen oder Vermögen eines Unternehmens (corporation) durch ein anderes Unternehmen, so daß festzustellen ist, ob sowohl der Erwer­ ber als auch das andere beteiligte Unternehmen „Unternehmen" im Sinne von Sec. 7 Clayton Act ist 12 • So wurde z. B . in Bender vs. Hearst Corp. 13 festgestellt, daß der Erwerb eines Vermögens eines Privat7 Vgl. Kropfj, Aktiengesetz, S. 26 f., und Würdinger, Anm. 12 zu § 15. Vgl. BGH in: WuW/E BGH 1523 ff., 1523, 1524 (Veba-Gelsenberg). 9 Vgl. BGH in WuW/E BGH 1523 ff. (insoweit nicht abgedruckt). 1 0 Vgl. BGH a. a. 0. So auch Kropfj, Aktiengesetz, S. 27, und Würdinger, Anm. 12 zu § 15 und speziell zur Unternehmenseigenschaft einer BGB-Gesell­ schaft vgl. Möhring, NJW 1962, S. 1; Kropfj, BB 65, 1285; Koppensteiner, S. 310, 3 1 1 und Kölner Kommentar (Biedenkopf, Koppensteiner) § 15 Anm. 13. 11 Problematisch ist die Behandlung von Familien, vgl. § 801. 1 (c) (2) der Rules, und der Nachweis reinen Anlegerinteresses. 12 Vgl. die Definition von corporation in Sec. 4 des mit dem Clayton Act gleichzeitig erlassenen FTC Act: ,, ,Corporation' shall be deemed to include any company, trust, so-called Massachusetts Trust, or association, incor­ porated or unincorporated, which is organized to carry on business for its own profit or that of its members . . ." 13 Vgl. 152 FSupp. 569 (D. Conn. 1957), 8

2.2.1.2 Die verfahrensbeteiligten Unternehmen

81

mannes nicht unter Sec. 7 Clayton Act fällt, wobei j edoch ausdrücklich der Erwerb von Familienbetrieben oder von im Eigentum eines Privat­ mannes stehenden Unternehmen ausgenommen wurde. Damit war klargestellt, daß nicht auf die Person des Veräußerers, sondern auf das Kaufobj ekt abzustellen ist 1 4 . Ein privater Erwerber ist von Sec. 7 Clay­ ton Act völlig unbehelligt, auch falls er an anderen Unternehmen eine Mehrheitsbeteiligung besitzt. Es besteht hier die Möglichkeit einer Um­ gehung von Sec. 7 Clayton Act. Diese Lücke des Clayton Act wird j e­ doch durch zwei weitere Regelungen ausgefüllt. Gemäß Sec. 5 (a) (2) FTC Act, kann die FTC auch gegen Personen und Personenvereinigun­ gen oder Unternehmen vorgehen, die den Wettbewerb beeinträchtigen. Auch der neue Sec. 7 A Clayton Act knüpft die Voranmeldungspflicht an Zusammenschlüsse zwischen Personen, nicht zwischen Unternehmen. Es kann also für das amerikanische Recht festgestellt werden, daß auch natürliche Personen als Erwerber eines anderen Unternehmens erfaßt sind, soweit durch diesen Erwerb die Wettbewerbsverhältnisse beein­ flußt werden. Über dieses zweite Kriterium kommt das amerikanische Recht zu den gleichen Ergebnissen wie das deutsche Recht. Bei einem reinen Verkauf an Privatpersonen, die nicht unternehmerisch tätig sind, ist eine Beeinflussung der Wettbewerbsverhältnisse nicht zu er­ warten1 5 . Diese Regelungen in Sec. 7 A Clayton Act führen dazu, daß die Beurteilung, ob bei einem Erwerb durch eine Privatperson die Untersagungsvoraussetzungen vorliegen, auf j eden Fall der Unter­ sagungsbehörde ermöglicht wird. In Deutschland sind streitige Fälle denkbar, in denen der Anzeige­ verpflichtete, der sich nicht für ein Unternehmen hält, die Anzeige unterläßt. Dies entspricht nicht dem Sinn und Zweck der Aufgreif­ kriterien, daß das Bundeskartellamt über alle eventuell untersagbaren Zusammenschlußsituationen unterrichtet wird. Die Anzeigepflicht sollte auf alle bisher streitigen Fälle ausgedehnt werden, um dem Bundes­

kartellamt die Entscheidung der Streitfrage, ob ein (untersagbarer) Zusammenschluß vorliegt, vorzubehalten. Zusammenfassung

Das Problem inwieweit Privatpersonen oder Personenvereinigungen als Unternehmen und damit als Verfahrensbeteiligte angesehen wer­ den können, wird im deutschen Recht zum einem durch die Unterneh­ mensfiktion in § 23 Abs. 2 Satz 4 GWB und andererseits durch die Be­ handlung eines mehrfachen Großaktionärs als Unternehmen im Sinne des aktienrechtlichen Unternehmensbegriffs gelöst. Eine Klarstellung, die u Vgl. zur Stellung des Veräußerers im allgemeinen im amerikanischen Antitrust-Recht: Note, Corporate Seller, S. 1721 ff. 1 5 Vgl. z. B. § 6 der Merger Guidelines, wo für den Erwerber sogar ein bestimmter Marktanteil gefordert wird. 6 Neiser

82

2.2.1 Die am Verfahren Beteiligten

in § 23 Abs. 1 Satz 10 der 4. Novelle enthalten ist, ist zu begrüßen. Doch auch nach dieser Klarstellung wäre zu erwägen, ob die Anzeigepflicht des § 23 GWB dem Gesetzeszweck entsprechend auf Privatpersonen ausgedehnt werden sollte, um dem BKartA die Entscheidung zu ermög­ lichen, ob es sich bei der Privatperson um ein Unternehmen i. S. des § 24 (1) GWB handelt (so daß ein untersagbarer Zusammenschluß zwi­ schen Unternehmen vorliegt). Zu einer solchen Regelung in den USA führt der neue Sec. 7 A Clayton Act, der einen weiteren Personenkreis erfaßt als Sec. 7 Clayton Act. 2.2.1 .2.2 Die am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen als Verfahrensbeteiligte gemäß § 51 Abs. 2 Nr. 2 GWB Die Eigenschaft eines am Zusammenschluß beteiligten Unterneh­ mens ist nicht nur im Rahmen der Verfahrensbeteiligung entscheidend. So stellt z. B. § 23 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 GWB auf Größenkriterien der beteiligten Unternehmen ab. Auch die Anzeigepflicht trifft gemäß § 23 Abs. 4 Nr. 2 a GWB die Inhaber der am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen ab. Eine besondere Bedeutung hat die Beteiligteneigen­ schaft auch bei der Beurteilung der Anmeldepflicht des Zusammen­ schlußvorhabens gemäß § 24 a Abs. 1 Satz 2 GWB . Im folgenden soll deshalb ausführlich auf die Beteiligteneigenschaft eingegangen werden. Das Gesetz gibt keine Definition des am Zusammenschluß beteilig­ ten Unternehmens. Hauptfrage ist in diesem Zusammenhang die Stel­ lung des Veräußerers im Rahmen des Vermögens- und Anteilserwerbs. In den Fällen des Anteilserwerbs gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2 GWB ist un­ streitig nur der Erwerber und das Unternehmen, an dem Anteile er­ worben werden, beteiligt, nicht der Veräußerer16 • Dies gilt nach der neueren BGH-Rechtspr,echung auch für den Vermögensveräußerer17• Es muß deshalb für die Zukunft davon ausgegangen werden, daß der Vermögensveräußerer sowie der Anteilsveräußerer nicht als am Zusammenschluß beteiligte Unternehmen anzusehen sind. Dies ent­ spricht auch der Behandlung des Veräußerers im amerikanischen Recht18 • Ist eines der unmittelbar am Zusammenschluß beteiligten Unterneh­ men ein verbundenes Unternehmen im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 2 GWB, so gelten auch das oder die 19 dieses Unternehmen beherrschen16 Vgl. Lanzenberger, Auslegungsfragen, S. 86 und Lanzenberger, Schwer­ punkte, S. 37. 1 7 Vgl. BGH, in: WuW/E BGH 1571 (Kettenstichnähmaschine); anders noch BGH, in: WuW/E 1380 (Zementmahlanlage). 1 8 Vgl. Rules, § 801.2 (d) Beispiel 1. 1 9 über die Anwendung der sog. Mehrmütterklausel des § 23 Abs. 1 Satz 2 letzter Halbsatz GWB können auch mehrere Unternehmen als herrschende Unternehmen angesehen werden.

2.2.1.2 Die verfahrensbeteiligten Unternehmen

83

den Unternehmen als am Zusammenschluß beteiligt (§ 23 Abs. 3 Satz 3 GWB). Diese Regelung trägt dem Umstand Rechnung, daß verbundene Unternehmen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 GWB als wettbewerbliche Ein­ heit anzusehen sind und nicht davon ausgegangen werden kann, daß sie untereinander im Wettbewerb stehen. Im amerikanischen Recht, das in § 801.2 der Rules zu Sec. 7 A Clayton Act eine vergleichbare Re­ gelung enthält, wird das herrschende Unternehmen, das selbst nicht von einem anderen Unternehmen beherrscht wird, als „ultimate parent entity" 20l21 bezeichnet. Diese oberste Muttergesellschaft und alle von ihr abhängigen Unternehmen sind als am Zusammenschluß beteiligt anzu­ sehen. Das deutsche Recht scheint diese Betrachtung jedoch nur in Richtung auf das herrschende Unternehmen anzuwenden, nicht jedoch auch Unternehmen ,einzubeziehen, die von den beteiligten Unterneh­ men oder deren Obergesellschaft(en) abhängig sind. Insoweit gilt nach dem Wortlaut von § 23 Abs. 3 Satz 4 GWB nur eine Zusammenschluß­ fiktion. Diese Vorschrift sollte j edoch weit ausgelegt werden, in dem Sinne, daß abhängige Unternehmen als Beteiligte des Zusammenschlus­ ses angesehen werden22 • Bei Annahme einer reinen Zusammenschluß­ fiktion werden z. B . die Fälle nicht erfaßt, in denen nur eines der betei­ ligten Unternehmen abhängige Unternehmen hat. Daß dies ein Krite­ rium für die Beteiligung von abhängigen Unt,ernehmen sein soll, ist unvorstellbar23 • Das Ziel des Gesetzgebers (bei Vorliegen einer inlän­ dischen Tochter eines ausländischen Unternehmens, das an einem Zu­ sammenschluß beteiligt ist, die Anzeigepflicht im Inland durchsetzen zu können24 wird durch die oben geforderte weite Auslegung des § 23 Abs. 3 Satz 4 GWB (als Erweiterung der Zahl der beteiligten Unterneh­ men) besser erreicht. Gerade die von Kleinmann, B echtold vertretene enge Auslegung führt dazu, eine Lücke in der Konzentrationsübersicht und Fusionskontrolle zu schaffen, die der Gesetzgeber verhindern wollte25 • Es handelt sich nach teleologischer Auslegung bei § 23 Abs. 3 Satz 4 GWB also nicht um eine Zusammenschlußfiktion, sondern um die Erweiterung des Kreises der beteiligten Unternehmen. Damit wäre außerdem eine Identität der beteiligten Unternehmen und derjenigen Unternehmen erreicht, deren Marktanteile, Beschäftigte, Umsatzerlöse 2012 1

Vgl. auch Definition in § 801.1 (a) der Rules. So auch Lanzenberger, Schwerpunkte, S. 34, und Niederleithinger, § 23 Tz. 29, a. A. jedoch Kleinmann, Bechtold, § 23 Rdnr. 170 ff. 23 So aber Kleinmann, Bechtold, § 23 Rdnr. 170. 2 4 Vgl. z. B. Regierungsbegründung, BT-Drucks. 6/2520, S. 27 und Nieder­ leithinger, § 23 Tz. 29 und Kleinmann, Bechtold, § 23 Rdnr. 172. 25 Nach Kleinmann, Bechtold müssen beide gemäß § 23 GWB beteiligten Unternehmen Tochtergesellschaften haben, nach der hier vertretenen An­ sicht ist j ede Tochter auch nur eines der gemäß § 23 beteiligten Unternehmen als beteiligt anzusehen. Das Ziel der Lückenlosigkeit erkennt j edoch auch Kleinmann, Bechtold an. Vgl. dort § 23 Rdnr. 172. 22

6*

2.2.1 Die am Verfahren Beteiligten

84

und gehaltenen Anteile gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 und § 23 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GWB zusammengefaßt werden.

2.2.1 .2.3 Der Veräußerer als Verfahrensbeteiligter gemäß § 51 Abs. 2 Nr. 5 GWB Da, wie oben26 gezeigt, der Veräußerer im Falle des Anteils- oder Vermögenserwerbs nicht als Beteiligter des Zusammenschlusses anzu­ sehen ist, der bereits gemäß § 51 Abs. 2 Nr. 2 GWB v•e rfahrensbeteiligt ist, war es erforderlich, den Veräußerer in § 51 Abs. 2 Nr. 5 GWB ge­ sondert als Verfahrensbeteiligten aufzuführen. 2.2. 1 .3 Weitere möglicherweise einflußnehmende Institutionen

Neben den unmittelbar Beteiligten haben auch zwei weitere Insti­ tutionen die Möglichkeit, durch Stellungnahmen bzw. Gutachten, das Verfahren zu beeinflussen. Es handelt sich um die obersten Landes­ kartellbehörden, d. h. die Landeswirtschaftsminister bzw. die Wirt­ schaftssenatoren27, und die Monopolkommission. 2.2.1.3.1 Die obersten Landesbehörden Gemäß § 24 Abs. 2 Satz 3 GWB und § 24 Abs. 3 Satz 4 GWB ist vor einer Untersagung bzw. vor der Entscheidung des Bundesministers der obersten Landeskartellbehörde, in deren Gebiet die beteiligten Unter­ nehmen ihren Sitz haben, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Praxis hat indessen gezeigt, daß in vielen Fällen, in denen die oberste Landesbehörde die Gelegenheit wahrnimmt, ihre Stellung­ nahme nur außerwettbewerbliche, vom Bundeskartellamt nicht zu berücksichtigende Aspekte enthält28 . Zur Vereinfachung des Verfahrens sollte diese Beteiligung gestrichen werden, eine praktische Bedeutung hat sie nie erlangt.

2.2.1 .3.2 Die Monopolkommission Die aus 5 Mitgliedern bestehende unabhängige Monopolkommission hat die Aufgabe, die Unternehmenskonzentration in der Bundesrepu­ blik Deutschland zu beobachten und die Tätigkeit .der Kartellbehörden zu überwachen und durch Gutachten zu unterstützen. Gemäß § 24 b 26 Vgl. Pkt. 2.2.1.2 .2 dieser Arbeit. Vgl. aber Kleinmann, Bechtold § 24 Rdnr. 144, der darauf hinweist, daß landesrechtlich auch eine andere Zuständigkeitsregelung möglich ist. 28 So z. B. BKartA im Fall „Kaiser-VAW" , WuW/E BKartA 1571 ff., 1572. Denkbar wäre j edoch auch eine personelle Besserbesetzung dieser Behörden, um eine substantielle Stellungnahme zu ermöglichen. 27

2.2.2.1 Die Zusammenschlußtatbestände

85

Abs. 5 Satz 1 GWB erstellt sie alle zwei Jahre ein Hauptgutachten29 • In den Hauptgutachten würdigt die Monopolkommission vor allem auch diej enigen Zusammenschlußfälle kritisch, die das Bundeskartellamt nicht untersagte30 • Dies stellt die einzige Überprüfungsmöglichkeit der nicht (oder jedenfalls nicht ausführlich) veröffentlichten nicht unter­ sagten Fälle dar. Neben den Hauptgutachten hat die Monopolkom­ mission bisher 8 Sondergutachten erstellt, von denen sich 6 mit Fu­ sionskontrollfällen befassen31 . Die Sondergutachten wurden zum Teil32 auf Wunsch des Bundesministers gemäß § 24 b Abs. 5 Satz 6 GWB erstellt, zum anderen Teil33 gemäß § 24 b Abs. 5 Satz 2 GWB nach eige­ nem Ermessen der Monopolkommission. Vor allem im Bereich der Ministererlaubnis kommt der Monopolkommission über Sondergutach­ ten ein indirekter Einfluß auf das Verfahren zu. Dabei haben sich die Vorschläge der Monopolkommission meist als strenger erwiesen als die schließlich ergangene Entscheidung. In den USA besteht eine ver­ gleichbare Institution nicht. 2.2.2 Die Einleitung des Verfahrens durch Anmeldung des Zusammenschlußvorhabens gemäß § 24 a Abs. 1 GWB

Das Bundeskartellamt leitet ein Fusionskontrollverfahren ein, wenn es entweder durch eine Anmeldung des Zusammenschlußvorhabens gemäß § 24 a Abs. l GWB oder durch eine Anzeige nach Vollzug des Zusammenschlusses gemäß § 23 Abs. l GWB oder in sonstiger Weise (vgl. § 24 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz GWB) von dem Zusammenschluß­ vorhaben bzw. dem Zusammenschluß Kenntnis erlangt. Grundvor­ aussetzung für die Einleitung eines Verfahrens ist das Vorliegen eines der in § 23 Abs. 2 Nr. 1 - 5 GWB aufgeführten Zusammenschlußtatbe­ stände. Die verschiedenen Zusammenschlußformen sowie Ausnahmen und Lücken werden im folgenden dargestellt. 2.2.2.1 Die Zusammenschlußtatbestände

2.2.2.1.1 Der Vermögenserwerb gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 1 GWB Diese Zusammenschlußform war im Jahre 1977 mit 141 Fällen die dritthäufigste Zusammenschlußform1 . Der Zusammenschlußtatbestand 29 Die bisher erstellten Hauptgutachten 1 und 2 umfassen den Zeitraum von 197 3/ 7 5 bzw. 197 6/ 7 7. 30 Vgl. z.B. Monopolkommission, MKHG 2 Tz. 4 2 3 und 4 5 0. 31 Vgl. MKSG 2 - 6, 8. 32 So bei MKSG 3, 4, 6, 8. 33 So MKSG 2, 5. 1 Vgl. TB 7 7 S. 1 1 8 Tabelle 12. Häufigste Form war der Anteilserwerb mit 2 4 3 Fällen, zweithäufigste Form die Entstehung eines Gemeinschaftsunter­ nehmens mit 1 4 3 Fällen.

2. 2. 2 Die Einleitung des Verfahrens durch Anmeldung

86

des § 23 Abs. 2 Nr. 1 GWB ist erfüllt, falls ein Unternehmen das ge­ samte Vermögen, d. h. die Gesamtheit der unternehmerisch genutzten Vermögensgegenstände2 eines anderen Unternehmens erwirbt. Auch der Erwerb eines Teils des Vermögens erfüllt den Zusammenschlußtat­ bestand des § 23 Abs. 2 Nr. 1 GWB , wenn es sich um einen „wesent­ lichen" Teil des Vermögens handelt3 • Nach zwei inzwischen ergangenen Entscheidungen des B GH4 ist ein Vermögensteil dann als wesentlich anzusehen, wenn er quantitativ ausreichend hoch ist und qualitativ eine eigene Bedeutung hat. Dabei liegt die vom BGH dafür geforderte Selbständigkeit der Vermögenseinheit vor, wenn sich diese Einheit von anderen Betriebsteilen deutlich unterscheidet, z. B . durch organische Selbständigkeit oder räumliche Trennung5 • Wann jedoch der quanti­ tative Anteil als ausreichend hoch angesehen werden muß, ist noch unsicher. Hierzu könnte die amerikanische Praxis Anhaltspunkte ge­ ben. Gemäß Sec. 7 Clayton Act kann der Erwerb des ganzen oder eines Teils des Vermögens untersagt werden. Eine genauere Definition des Erwerbs eines Vermögensteils findet sich auch nicht in den merger guidelines. In Sec. 7 A Clayton Act wird die Anmeldepflicht j edoch u. a. an die Voraussetzung geknüpft, daß 15 °/o oder mehr des Vermögens oder aber Vermögen im Wert von mehr als 15 Millionen Dollar erwor­ ben wurden. Für das deutsche Recht könnte sich die Entwicklung sol­ cher Größenkriterien auf die Ausnahmeregelung in § 24 Abs. 8 Nr. 4 GWB stützen, wo für die Berücksichtigung eines Marktes im Rahmen der Fusionskontrolle gefordert wird, daß auf ihm mindestens 10 Mil­ lionen DM umgesetzt wurden. Mit ähnlicher Begründung führte das Kammergericht6 aus, daß der Erwerb eines Geschäftsbereichs mit einem Jahresumsatz von ca. 9 Millionen DM und einem Marktanteil von knapp über 3 °/o quantitativ erheblich sei7 . Es sollte vermieden werden, in die Definition des Zusammenschluß­ tatbestandes bereits Kriterien der Spürbarkeit der Änderung der Marktverhältnisse einzubeziehen. Es besteht sonst die Gefahr, daß eine

Anzeige eines Zusammenschlusses nur deshalb unterbleibt, weil . die Unternehmen die Spürbarkeit verneinen. De lege ferenda sollten desVgl. Kleinmann, Bechtold,§ 2 3 Rdnr. 3 9. Dies ist z. B. bei Warenzeichen (vgl. TB 7 7, S. 70, PepsiCola) und Pro­ duktionsprogrammen (TB 7 7 S. 5 5, Kettenstichnähmaschine) fraglich. 4 Vgl. WuW/E BGH 1 377 ff., 1 3 79 (Zementmahlanlage) und auch die Ent­ scheidung des BGH, in: WuW/E BGH 1 5 75 (Kettenstichnähmaschine). 5 Vgl. BGH, in: WuW/E BGH 1 3 7 7, 1 3 78 (Zementmahlanlage). 8 Vgl. WuW/E OLG 1908 ff. (Kettenstichnähmaschine). Zu diesem Fall auch TB 7 7, S. 5 5. Differenzierter jedoch der BGH, in: WuW/E BGH 1 5 7 5 (Ketten­ stichnähmaschine), der auf die Markteinflüsse des Vermögensteils abstellt. 7 Die Entscheidung wurde vom BGH an das KG zurückverwiesen; vgl. WuW/E BGH, 1 5 75, 1 57 6. 2

3

2.2.2.1 Die Zusammenschlußtatbestände

87

halb quantitative Kriterien eingeführt werden, die in der Größenord­ nung von 5 Mio DM Vermögenswert liegen. Damit ist dem Bundes­ kartellamt die Möglichkeit gegeben, zu entscheiden, ob ein Erwerb eines wesentlichen Vermögensteils zu bejahen ist. Eine solche Regelung entspräche eher dem Charakter der Aufgreifkriterien, die dem Bundes­ kartellamt die Möglichkeit geben sollen, von allen eventuell unter­ sagbaren Zusammenschlüssen zu erfahren. 2.2.2.1.2 Der Anteilserwerb gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2 GWB Diese Zusammenschlußform ist die weitaus häufigste8 • Dieser Zu­ sammenschlußtatbestand ist keineswegs auf den Erwerb von Aktien beschränkt, sondern umfaßt den Erwerb von Anteilen j eder Art an Kapital- oder Personengesellschaften mit übertragbaren Anteilen oder Stimmrechten9 • Das Gesetz geht bei der Zusammenschlußform des An­ teilserwerbs von einem Stufensystem aus, bei dem das erstmalige Er­ reichen oder Überschreiten bestimmter Stufen (mehr als 25 °/o, 50 °/o, mehr als 50 0/o) als Zusammenschluß gilt. Eine vergleichbare Regelung findet sich in § 80 1 . 1 (h) der Rules. Neben den ersten beiden Stufen (15 0/o Anteil bzw. 15 Mio $ der erworbenen Anteile) des amerika­ nischen Rechts, die die in Sec. 7 A (a) (3) Clayton Act angeführten Grö­ ßenkriterien wiederholen, knüpft auch das amerikanische Recht in den Stufen 3 und 4 an das Erreichen oder erstmalige Überschreiten einer Beteiligung in Höhe von 25 bzw. 50 0/o an. In beiden Rechtssystemen wird darauf abgestellt, ob das erwerbende Unternehmen infolge des Zusammenschlusses eine Beteiligung in der genannten Höhe hält. In diesem Zusammenhang kommt dem Begriff des verbundenen Unternehmens gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GWB eine besondere Bedeutung zu, weil zu den Anteilen, die dem Unter­ nehmen gehören, auch die Anteile, die einem im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 2 GWB verbundenen Unternehmen gehören, gerechnet werden. Auch in diesem Fall würde sich eine Anlehnung an die amerikanische Betrachtungsweise der „ultimate parent entity10 anbieten. Alle Anteile im Besitz von Unternehmen, die mit dieser obersten Mutter als ver­ bunden anzusehen sind, gelten dann als vom erwerbenden Unter­ nehmen gehaltene Anteile. Zu beachten ist, daß die Stufe des § 23 Abs. 2 Nr. 2 b GWB sowohl kapitalmäßig als auch stimmanteilsmäßig erreicht werden muß 11 • Problematisch war früher aber, ob auch schon 8

Vgl. Statistik Tabelle 4 zu Pkt. 2.1.1.4 dieser Arbeit. Vgl. Frankfurter Kommentar, § 23 Tz. 46. 10 Vgl. § 801.1 (a) (3) der Rules und dazu Pkt. 2.2.1.2.2 dieser Arbeit. 11 Für die Erwerbsform § 23 Abs. 2 Nr. 2 c GWB ist dies nicht erforderlich, vgl. Wortlaut des § 16 Abs. 1 des Aktiengesetzes. Ein Auseinanderklaffen von Kapital- und Stimmrechtsanteil ist z. B . denkbar bei Vorzugsaktien ohne Stimmrecht (§ 12 Abs. 1, 139 Aktiengesetz). 9

2 .2.2 Die Einleitung des Verfahrens durch Anmeldung

88

ein Erwerb von bis zu 25 0/o der Anteile als Zusammenschluß gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2 a GWB angesehen werden konnte, wenn dem Erwer­ ber ein Stimmrecht von mehr als 25 0/o gewährt wird1 2 . Das Bundes­ kartellamt hatte dies ausdrücklich abgelehnt13 . Die Monopolkommission deutete eine solche Regelung der Unternehmen allerdings als Gesetzes­ umgehung14 . Dieser Streit ist durch den Gesetzgeber in der vierten Novelle durch die ausdrückliche Regelung in § 23 Abs. 2 Nr. 2 S atz 4 GWB dahin­ gehend entschieden worden, daß auch ein Anteilserwerb von unter 25 0/o des stimmberechtigten Kapitals, falls dem Erwerber Stimmrechte eingeräumt werden, die ein Minderheitsaktionär mit mehr als 25 0/o des stimmberechtigten Kapitals besäße, als Zusammenschluß ang-e­ sehen werden muß 1 5 Die Streitfragen haben daher heute keine Bedeu­ tung mehr16 . 2 .2.2 . 1 .3 Zum Problem des mittelbar,en Anteilserwerbs Werden die Anteile nicht direkt erworben, sondern nur ein beherr­ schender Anteil an der Holding A, die ihrerseits über 25 0/o der Anteile von B hält, so entsteht die Frage, ob von einem Anteilserwerb an B gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2 a GWB gesprochen werden kann1 7 . Genau betrachtet werden direkt Anteile nur an der Holding erwor­ ben; die im Vermögen der Holding stehenden Anteile werden nicht erworben, sondern ändern ihren Eigentümer nicht. Bei Erwerb einer beherrschenden Beteiligung an der Holding werden die von dieser gehaltenen Anteile jedoch gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GWB dem Erwerber der Holding zugerechnet. Wird kein anzeigepflichtiger Zu­ sammenschluß angenommen, entsteht eine Umgehungsmöglichkeit in

der Weise, daß eine Holding gegründet wird und der potentielle Er­ werber 20 0/o direkt und 20 0/o über eine Beteiligung an der Holding indirekt erwirbt, ohne daß eine Pflicht besteht, diesen Erwerb dem Bundeskartellamt zur Kenntnis zu bringen18 • Die spätere Übereignung 12

Vgl. dazu Kleinmann, Unternehmensbeteiligung, S. 1079 ff. Vgl. TB 73, 70 (AEG-Zanussi). 14 Vgl. MKHG 1, Tz. 881, siehe dazu auch Kleinmann, Unternehmens­ beteiligung, S. 1080. 15 Für § 23 Abs. 2 Nr. 2 b erübrigt sich eine solche Regelung, da stets § 23 Abs. 2 Nr. 2 c eingreift. 1 6 Vgl. zu Lösungsmöglichkeiten über § 23 Abs. 2 Nr. 5 GWB Pkt. 2.2.2.1.7 dieser Arbeit. 17 Solche Fälle waren z. B. ,.Ruhrkohle/Rütgerswerke", WuW 75, 562 (Presseinformation des Bundeskartellamtes) und „Veba/BP" , WuW/E BKartA 1719 ff. 18 So auch Niederleithinger, § 23 Tz. 14; Lanzenberger, Auslegungsfragen, S. 84. Zwar müßte der Erwerb der Holdinggesellschaft angezeigt werden, 13

2.2.2.1 Die Zusammenschlußtatbestände

89

dieser Anteile an den Erwerber unterfällt als konzerninterner Vorgang ebenfalls nicht der Zusammenschlußkontrolle19 • Eine Auslegung in dem

Sinne, daß auch der mittelbare Erwerb den Erwerbstatbestand des § 23 Abs. 2 Nr.2 a GWB erfüllt, ist deshalb geboten20 . In den Fällen, in denen das unmittelbar erworbene Unternehmen keine reine Holding­ gesellschaft ist, sondern von dem Erwerber nicht nur zum mittelbaren Erwerb der Anteile des Drittunternehmens erworben wird, ermög­

licht der hier vorgeschlagene Lösungsweg, falls nur Bedenken gegen den mittelbaren Erwerb sprechen, auch nur diesen zu untersagen. Bei anderer Auffassung müßte wegen der Unzulässigkeit einer Teilunter­ sagung21 der Gesamtzusammenschluß untersagt werden, obwohl nur gegen den mittelbaren Erwerb Bedenken bestehen22. Eine Angabe über

bestehende Minderheitsbeteiligungen sollte in die Anzeigepflicht auf­ genommen werden. 2.2.2.1.4 Das Entstehen eines Gemeinschaftsunternehmens gemäß § 23 Abs.2 Nr. 2 Satz 3 GWB Die Sonderregelung für Gemeinschaftsunternehmen besteht in einer Fiktion eines Zusammenschlusses der Mütter auf dem Markt des Ge­ meinschaftsunternehmens. Eine solche Zusammenschlußfiktion wird mit dem Entstehen ,eines sog. Gruppeneffekts begründet23 , der dazu führen soll, daß infolge der Interessenverknüpfung die Wettbewerbs­ intensität zwischen den Müttern abnimmt. sowohl der Erwerber als auch die Holding brauchen jedoch nicht ihre gehal­ tenen Minderheitsbeteiligungen in der Anzeige anzugeben, so daß in zahl­ reichen Fällen eine solche Beteiligung unerkannt bleiben wird. a. A. Friesen, Anteilserwerb, S. 11 2 5 ff.; Frankf. Kommentar § 2 3 Tz. 4 7, der jedoch nur die Frage entscheidet, ob das mittelbar erworbene Unternehmen am Zusammen­ schluß beteiligt ist. Dies ist auch m.E. abzulehnen. 19 Falls dies überhaupt noch notwendig erscheint. Die obigen Ausführun­ gen gelten jedenfalls für entstehende Beteiligungen von mehr als 2 5 oder weniger als 50 %. Entsteht jedoch eine addierte Beteiligung von 50 % oder mehr, so wäre gemäß § 2 3 Abs. 2 Nr. 5 GWB ein Zusammenschluß anzuneh­ men, so daß sich in diesem Fall das Problem nicht stellt, vgl. dazu auch Friesen, Anteilserwerb, S. 11 2 5, Beispielsfall 6. 2 0 Wobei die Anzeigen des Erwerbs der Beherrschungsmöglichkeit über die Holdinggesellschaft und des mittelbaren Anteilserwerbs selbstverständ­ lich verbunden werden können. 2 1 Vgl. § 24 Abs. 2 Satz 1: ,,So untersagt das Bundeskartellamt den Zusam­ menschluß" (Hervorhebung durch Verfasser). 22 Zu besonderen Problemen der doppelten Minderheitsbeteiligung, d. h. des Erwerbs einer Minderheitsbeteiligung an einem Unternehmen, das sei­ nerseits eine Minderheitsbeteiligung an einem Konkurrenzunternehmen des Erwerbers besitzt, siehe Pkt. 2. 2.9. 2. 2 dieser Arbeit. 23 Zum Problem der Anwendbarkeit des § 1 GWB auf die Bildung von Gemeinschaftsunternehmen wegen des oben angeführten Gruppeneffekts, vgl. vor allem Leube, Gemeinschaftsunternehmen, a.a.O.; Huber, Aktuelle Probleme, a. a. 0. und Huber, Börner, Gemeinschaftsunternehmen, a.a. O.

90

2.2.2 Die Einleitung des Verfahrens durch Anmeldung

Im folgenden soll vor allem auf Probleme im Zusammenhang mit der Fiktion des Zusammenschlusses der Mütter auf dem Markt des Gemeinschaftsunternehmens eingegangen werden. Es handelt sich da­ bei um einen selbständigen Zusammenschluß 24 , der einer selbständigen Anzeig,epflicht unterliegt, falls die Mütter auf dem Markt des GU25 die Größenkriterien des § 23 Abs. 1 GWB erfüllen26 • Es handelt sich also um zwei selbständige Zusammenschlüsse, wobei durchaus denkbar ist,

daß der fingierte Zusammenschluß der Mütter untersagt wird, während der Beteiligungserwerb an der Tochter wettbewerblich unbedenklich

ist27 • In der Praxis lag bisher ein solcher Fall noch nicht vor. Der Zusammenschlußfiktion der Mütter kommt auch nur dann eine Be­ deutung zu, wenn mindestens eine der Mütter auf dem Markt des Ge­ meinschaftsunternehmens bisher tätig war oder als potentieller Wett­ bewerber angesehen werden mußte28 • Entgegen dem Wortlaut von § 23 Abs. 2 Nr. 2 S atz 3 2. Halbsatz GWB fordert Kleinmann, Bechtold29 eine erkennbare Koordinierung der Gesellschafter als Voraussetzung für die Anwendung der Zusammenschlußfiktion. Diese Meinung ist j edoch abzulehnen. Anders als bei der Verbundklausel in § 23 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz GWB kommt es bei der Bildung eines Gemeinschaftsunter­ nehmens nach dem Wortlaut nicht auf eine Beherrschungsmöglichkeit an30 • Ob eine Koordinierung31 tatsächlich vorliegt, muß aber im Rah­ men von § 24 Abs. 1 GWB berücksichtigt werden.

Jedenfalls für die Form des rein konzentrativen Gemeinschaftsunterneh­ mens, d.h. einer selbständigen Unternehmenseinheit, auf deren Markt nach Bildung des Unternehmens die Mütter nicht mehr tätig sein werden, werden die §§ 2 3 ff. GWB als Spezialregelung der Regelung des § 1 GWB vorgehen. Auf den Gründungsvertrag und Nebenabreden, die sich allein auf den Markt des GU beziehen, sollte § 1 GWB in diesem Fall nicht anwendbar sein. Vgl. Niederleithinger, Schwerpunkte, S. 7 3 ff., S. 8 4 und Benisch, Kooperations­ fibel, S. 2 7 4; Hahn, Gemeinschaftsunternehmen, S. 5 7 ff. und jetzt auch BKartA in TB 78, S. 2 3 ff. 24 Kleinmann, Bechtold spricht von einem „partiellen" Zusammenschluß, da er nur für den Markt des GU gilt (Kleinmann, Bechtold, § 2 3 Rdnr. 8 7, vgl. auch „Teilfusion" § 2 3 Rdnr. 86). Stets wird nur ein weiterer Zusammen­ schluß fingiert, auch bei Vorliegen mehrerer (bis zu 4) Mütter. Vgl. Wortlaut des§ 2 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 GWB und Kleinmann, Bechtold,§ 2 3 Rdnr. 9 4. 25 Für die Umsätze und Beschäftigtenzahlen kommt es nicht auf die Ge­ samtumsätze an, vgl. Regierungsbegründung, BT-Drucks. 6/ 2 52 0, S. 27, Lan­ zenberger, Auslegungsfragen, S. 85; Frankfurter Kommentar, § 2 3 Rdnr. 1 0 3 und Kleinmann, Bechtold, § 2 3 Rdnr. 98 und 99. 26 Inwieweit der Anteil des Gemeinschaftsunternehmens zu addieren ist, ist umstritten; vgl. einerseits Lanzenberger, Auslegungsfragen, S. 85 und andererseits Kleinmann, Bechtold, § 2 3 Rdnr. 96 unten. 2 7 Durch Reduktion der Beteiligung der nicht erwerbenden Mutter auf unter 2 5 % wäre sogar eine Entflechtung denkbar, die den Zusammenschluß Mutter-Tochter nicht beeinträchtigt. 28 So auch Regierungsbegründung BT-Drucks. 6/ 2 5 2 0, S. 27 linke Spalte. 29 Vgl. a.a.O., § 2 3 Rdnr. 90. 3 0 Sonst wäre auch der Satz der Regierungsbegründung: ,,Das bedeutet,

2. 2.2. 1 Die Zusammenschlußtatbestände

91

2.2.2.1.5 Unternehmensverträge gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 3 GWB Mit dieser Zusammenschlußform trägt der Gesetzgeber dem Um­ stand Rechnung, daß auch ohne den Erwerb des Vermögens oder des wesentlichen Vermögensteils eines Unternehmens dessen Betriebs­ ergebnis einem anderen Unternehmen ganz oder zum Teil zufließen kann, so daß die Unternehmen als wettbewerbliche Einheit angesehen werden müssen. Besonder,e Probleme sind wegen der geringen prak­ tischen Bedeutung bisher nicht aufgetaucht32 • Der häufigere Abschluß von Unternehmensverträgen mit bereits abhängigen Unternehmen ist, da er generell nicht zur Verstärkung einer Unternehmensverbindung führt, nicht als Zusammenschluß anzusehen33 • 2.2.2.1.6 Personelle Verflechtungen gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 4 GWB Der Gesetzgeber erkannte bei hälftiger identischer Besetzung der Geschäftsführungsorgane von mehreren Unternehmen die Möglich­ keit einer Konzentration von Leitungsmacht, die die Funktionsfähig­ keit des Wettbewerbs beeinträchtigen könnte34 • In einem Fall35 ging das Bundeskartellamt davon aus, daß schon dann, wenn weniger als die Hälfte der Organmitglieder eines Unternehmens mit der Hälfte oder mehr der Organmitglieder eines anderen Unternehmens identisch sind, ein Zusammenschluß im Sinne von § 23 Abs. 3 Nr. 4 GWB vorliegt. Dies muß nach geltendem Recht abgelehnt werden36 • Besteht eine Ge­ schäftsführung aus 6 Personen, die andere aus 4 Personen, so ist § 23 Abs. 2 Nr. 4 GWB nach geltendem Recht erst dann erfüllt, wenn Per-

daß bei der Berechnung des Marktanteils (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) nicht nur das Gemeinschaftsunternehmen, sondern auch die anderen am Gemein­ schaftsunternehmen beteiligten Unternehmen zu berücksichtigen sind, soweit sie auf den Märkten, auf denen das Gemeinschaftsunternehmen tätig ist, Marktanteile haben." (Regierungsbegründung BT-Drucks. 6/ 2 5 2 0, S. 27 linke Spalte) unnötig. Die Zurechnung von Marktanteilen gemeinsam beherrschen­ der Mütter wird bereits gern.§ 2 3 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz GWB durchgeführt. 31 Vgl. die in Niederleithinger, § 2 3 Tz. 4 8 aufgestellten 1 0 Kriterien zur Annahme einer Koordinierung. 32 Vgl. dazu Tabelle 4 in dieser Arbeit. Eine ausführliche Darstellung der Bedeutung von Unternehmensverträgen findet sich bei Windbichler, Unter­ nehmensverträge (wo jedoch mehr auf aktienrechtliche Probleme eingegan­ gen wird), S. 1 1 ff. 33 Vgl. § 2 3 Abs. 3 Satz 1 2.Halbsatz GWB. Ausführlich zum Problem der wesentlichen Verstärkung der bereits bestehenden Unternehmensverbindung vgl. Pkt. 2.2. 2.1. 8 dieser Arbeit. 34 Vgl. Regierungsbegründung BT-Drucks. 6/ 2 5 2 0, S. 27. 35 Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 147 5 ff. (Haindl), insoweit nicht abge­ druckt zitiert nach Kleinmann, Bechtold,§ 2 3 Rdnr. 1 2 0. 36 In der genannten Entscheidung kam es auf die Begründung dieses Zu­ sammenschlußbestandes nicht an, da bereits ein Zusammenschluß gern. § 2 3 Abs. 2 Nr. 2 b und c GWB vorlag; vgl. WuW/E BKartA 147 5 (Haindl-Holtz­ mann).

92

2.2.2 Die Einleitung des Verfahrens durch Anmeldung

sonengleichheit von mindestens 3 Mitgliedern nicht schon 2 Mitgliedern gegeben ist. Es liegt hier eine Lücke der Zusammenschlußtatbestände vor, da in diesem Fall die Herbeiführung einer wettbewerblichen Einheit nicht als Zusammenschluß erfaßt werden kann. Zur Illustration möchten wir einen amerikanischen Fall anführen. Dazu ist zuerst die amerikanische Regelung zu den sog. interlocking directorates darzustellen. Sec. 8 Clay­ ton Act enthält für Personen das Verbot, gleichzeitig in zwei oder mehr Gesellschaften einen Geschäftsführungsposten innezuhaben, vorausge­ setzt eine der Gesellschaften hat Kapital, Überschüsse oder unverteilte Gewinne von mehr als 1 Mrd. $ und steht im interbundesstaatlichen Handel. Außerdem ist erforderlich, daß die Gesellschaften in einer solchen Beziehung im Wettbewerb zueinander stehen, daß Absprachen zwischen ihnen gegen Antitrust-Gesetze verstoßen37 • Diese Regelung wird allgemein als ineffektiv angesehen, da sie nur personell Verflech­ tungen zwischen Wettbewerbern erfaßt38 • Im Fall Cleveland Trust Co39 , in dem verschiedene Angestellte einer Verwaltungsgesellschaft in ver­ schiedenen Geschäftsführungen der verwalteten Gesellschaften Posten einnahmen, ohne daß eine natürliche Person gleichzeitig zwei Ge­ schäftsführungsposten innehatte, wurde Sec. 8 Clayton Act dennoch angewandt. Dazu wurde in der Antitrust-Div.ision eine Theorie ent­ wickelt, nach der beurteilt wird, ob die Personen „not in their indivi­ dual capacities, but as representatives, agents, or deputies" 40 an der Geschäftsführung beteiligt sind. Es wird so eine juristische Person als Person im Sinne von Sec. 8 Clayton Act angesehen, die Sec. 8 Clayton Act verletzt, falls sie über ihre Deputies (Vertreter) in mehreren Ge­ schäftsführungen vertreten ist. Gemäß Sec. 1 Absatz 3 Clayton Act gelten zwar auch j uristische Personen als Personen im Sinne von Sec. 8 Clayton Act, j edoch weist Hunter41 darauf hin, daß damit noch nicht anerkannt ist, daß im Antitrust-Recht überhaupt juristische Personen als Geschäftsführer angesehen werden können. Da dies jedoch im ame­ rikanischen Securities Law anerkannt ist42 , spricht nichts dagegen, auch

37 Diese Regelung entspricht dem Clayton Act von 1914. 38 Vgl. z. B. Hunter, Cleveland Trust Complaint, S. 81 1 Fn. 2 7, wo darauf hingewiesen wird, daß eine gleichzeitige „officer" Stellung unangefochten bleibt, und die meisten Fälle durch Rücktritt der betreffenden Person vor Klageerhebung vermieden werden, ohne daß zwingend damit auch die Ein­ flußnahme dieser Person beendet werden kann. Vgl. auch Kramer, Inter­ locking Directorships, S. 12 74 und Report of the Attorney General's National Committee, S. 1 1 6 Fn. 2. 39 Vgl.US vs.Cleveland Trust Co., TC§ 7 3991 ( 197 3). 40 So die Antitrust-Division im oben angeführten Fall, zitiert von S. 43 der Prozeßakten (einzusehen bei der Antitrust-Division Docket Room). 41 Vgl. Hunter, Cleveland Trust Complaint, S. 82 5. 42 Vgl. Blau vs. Lehman, 3 6 8 US 40 3 ( 196 6).

2.2.2.1 Die Zusammenschlußtatbestände

93

im Antitrust-Recht über eine Vertreter-Regelung (deputization rule) eine j uristische Person als Geschäftsführer anzusehen. In diesen Fällen muß dann jedoch nachgewiesen werden, daß der Vertreter absolut weisungsabhängig handelt und nicht nur als Berater aufgrund persön­ licher Erfahrungen tätig wird. Die amerikanischen Erfahrungen deuten die Möglichkeit an, wie die Regelung der personellen Verflechtung im deutschen Recht umgangen werden kann. Nur soweit ein Unternehmen über weisungsabhängige Vertreter in Geschäftsführungen anderer Unternehmen eine Mehrheit erlangt, käme ,eine Anwendung des Zusammenschlußtatbestandes § 23 Abs. 2 Nr. 5 GWB in Betracht43 • Personenidentität oder Weisungsabhängigkeit von weniger ,als der Hälfte der Mitglieder eines Organs wird im deutschen Recht nicht er­ faßt. Da jedoch auch solche personellen Verflechtungen zur Verringe­ rung des Innenwettbewerbs zwischen den so verflochtenen Unterneh­ men führen können, schlägt der Verfasser vor (zumindest für den Be­ reich horizontaler Zusammenschlüsse) , schon die Herbeiführung der Personengleichheit von weniger als der Hälfte der Mitglieder als Zu­ sammenschlußtatbestand zu regeln. So könnte auch die Frage gelöst

werden, wie § 23 Abs. 2 Nr. 4 GWB auf den „mitbestimmten" Aufsichts­ rat angewandt werden könnte. Die Fvage, ob es weiterhin auf die Hälfte der Mitglieder des Aufsichtsrates oder aber auf die Hälfte der Mitglieder der Kapitaleignerseite des Aufsichtsrats ankommt, ist noch nicht ,entschieden. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist weiterhin auf die Hälfte des Gesamtorgans abzustellen. Durch Herabsetzung des Erfordernisses der Personenidentität von mindestens der Hälfte der MitgU.eder der Geschäftsführung könnten vor allem auch die Fälle erfaßt werden, in denen sich die marktbeherr­ schende Stellung eines O ligopols gemäß § 22 Abs. 2 GWB dadurch ver­ stärkt, daß der Restinnenwettbewerb oder die Chancen für ein Wieder­ aufleben des Innenwettbewerbs durch personelle Verflechtungen der Oligopolunternehmen verringert werden44 • Als Mindestanteil der iden­ tisch besetzten Posten schlägt der Verfasser ein Viertel vor, da ein vergleichbarer Erwerb stimmberechtigter Anteile von 25 % nach gel­ tendem Recht bereits als Zusammenschluß gilt.

2.2.2.1.7 Herbeiführung sonstiger Verbindungen mit beherrschendem Einfluß gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 5 GWB Bei der Auslegung dieses Zusammenschlußtatbestandes ist zu beach­ ten, daß er als AuUangtatbestand in den Fällen der §§ 23 Abs. 2 Nr. 1 43

Vgl. dazu den folgenden Pkt. 2.2.2.1.7 dieser Arbeit. Zur Berücksichtigung personeller Verflechtungen im Rahmen der Be­ handlung von Oligopolen siehe Pkt. 2.2.9.2.3 dieser Arbeit. 44

94

2.2.2 Die Einleitung des Verfahrens durch Anmeldung

bis Nr. 4 GWB nur eingreifen kann, falls atypische Fälle vorliegen, da sonst die Zusammenschlußtatbestände Nr. 1 bis Nr. 4 abschließende Re­ gelungen enthalten. Deshalb konnte nach altem Recht ein Anteils­ erwerb von unter 25 0/o des stimmberechtigten Kapitals, sofern nicht Stimmrechte von 50 % oder wenigstens der Hälfte der zu erwartenden Hauptversammlungspräsenz45, eingeräumt werden, nicht unter § 23 Abs. 2 Nr. 5 GWB subsumiert werden46 • Im folgenden möchte der Verfasser vor ,allem auf das bereits im Rahmen der Behandlung des Zusammenschlußtatbestandes der perso­ nellen Verflechtung angesprochene Problem der Beherrschungsmöglich­ keit ohne Eingreifen des § 23 Abs. 2 Nr. 4 GWB eingehen. Hat ein Unternehmen die Möglichkeit, die Hälfte der Geschäftsführungsmit­ glieder eines anderen Unternehmens mit weisungsabhängigen Personen zu besetzen, so könnte § 23 Abs. 2 Nr. 5 GWB vorliegen. Die Anwen­ dung des § 23 Abs. 2 Nr. 5 GWB scheitert nicht am Nichteingreifen der Spezialregelung § 23 Abs. 2 Nr. 4 GWB, da dieser Zusammenschlußtat­ bestand nicht auf die Beherrschungsmöglichkeit eines Unternehmens über ein anderes abstellt, sondern allein auf die Einflußnahme von Privatpersonen. Es ist im Rahmen von § 23 Abs. 2 Nr. 4 GWB uner­ heblich, ob die identischen Personen von einem der beiden Unterneh­ men weisungsabhängig sind. Der Auffangtatbestand ist also anwend­ bar. Es ist jedoch fraglich, welche Anforderungen an das Erfordernis „mittelbar einen beherrschenden Einfluß auf ein anderes Unternehmen ausüben können" zu stellen sind. U. E. sollten die in den Zusammen­ schlußtatbeständen enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe weit aus­ gelegt werden, um dem Bundeskartellamt eine Prüfung zu gestatten, ob dieser Zusammenschluß geeignet ist, zu einer Verstärkung der Marktstellung zu führen. Die Aufgreifkriterien sollten auch Zusammen­ schlußfälle erfassen, deren wettbewerbliche Beurteilung nicht eindeu­ tig geklärt ist. Eine weite Auslegung könnte im hier behandelten Fall dazu führen, daß das Vorliegen von Dienstverträgen zwischen einem

Unternehmen und der Hälfte der Mitglieder des Geschäftsführungs­ organs des anderen Unternehmens zur Annahme einer mittelbaren Beherrschungsmöglichkeit ausreicht. Eine solche Auffassung könnte vor allem im Zusammenhang mit Beteiligungen von Banken an Nicht­ banken und Besetzung der Geschäftsführung der Nichtbanken mit Bankangestellten eine Rolle spielen'7 • Vgl. den Leitsatz des BGH, in: WuW/E BGH 1523 (Veba/Gelsenberg). Vgl. Niederleithinger, Schwerpunkte, S. 80, und auch Kleinmann, Bech­ told, § 23 Rdnr. 129. Vgl. dazu jetzt aber § 22 Abs. 2 Nr. 2 S. 4 GWB, eingefügt durch die vierte Novelle. 4 7 Vgl. dazu Rauschenbach, S. 1432, der allerdings den Einfluß von Banken über Aufsichtsratssitze für allgemein überschätzt hält. 45

46

2. 2.2.1 Die Zusammenschlußtatbestände

95

Darüberhinaus ist zu bedenken, ob aus den angeführten Gründen

§ 23 Abs. 2 Nr. 5 GWB auf Fälle erweitert werden sollte, in denen nur

eine Einflußmöglichkeit entsteht, die einer Minderheitsbeteiligung ent­ spricht. Besonders bei Oligopolunternehmen kann auch eine personelle

,,Minderheitsverflechtung" zu einer marktmachtverstärkenden Verrin­ gerung des Innenwettbewerbs führen. 2.2.2.1.8 Der Zusammenschluß bereits gemäß § 23 Abs. 2 GWB zusammengeschlossener Unternehmen

Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 GWB ist ein Zusammenschluß auch dann anzunehmen, wenn die beteiligten Unternehmen bereits vorher im Sinne des Abs. 2 zusammengeschlossen waren, es sei denn, daß der Zusammenschluß nicht zu einer wesentlichen Verstärkung der Unter­ nehmensverbindung führt. Der Nachweis, daß eine wesentliche Ver­ stärkung nicht vorliegt, obliegt den beteiligten Unternehmen48 • Die Verstärkung kann auch darin bestehen, daß die Möglichkeit einer Auf­ lockerung des Unternehmenszusammenschlusses praktisch ausgeschlos­ oder verringert wird49 • Im Fall eines Zusammenschlusses zweier be­ reits zusammengeschlossener, aber nicht verbundener Unternehmen im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 2 GWB, wird stets eine wesentliche Ver­ stärkung einer Beherrschungsmöglichkeit zu sehen sein. Im Falle eines Zusammenschlusses bereits als verbunden geltender Unternehmen kommt außer dem bereits angeführten Argument der Verringerung von Trennungswahrscheinlichkeit vor allem dem Ausschluß von Rest­ wettbewerb eine hohe Bedeutung zu. Unter besonderen Voraussetzun­ gen kann auch zwischen verbundenen Unternehmen noch ein Rest­ wettbewerb bestehen. Dies vor allem falls das sie gemeinsam beherr­

schende Unternehmen nicht rein unternehmerische Ziele verfolgt50 , so daß der Gesichtspunkt der Gewinnmaximierung durch unternehme­ rische Koordination hinter anderen Zielen zurücktritt.

Auch in diesen Fällen sollte die Anzeigepflicht nicht von der unsicheren Beurteilung der Verstärkung der Unternehmensverbindung durch die beteiligten Unternehmen abhängig gemacht werden. Diese Beurteilung sollte dem Bundeskartellamt vorbehalten bleiben. Die Anzeigepflicht ist daher auf alle Zusammenschlußtatbestände unabhängig von dem Erfordernis einer Verstärkung der Unternehmensverbindung auszu­ dehnen.

Vgl. Regierungsbegründung, BT-Drucks. 6/ 2 5 2 0, S. 28 linke Spalte. 49 Vgl. TB 74, S. 3 2 (Boehringer/Thomae). 50 Dies wird vor allem bei Beteiligungen der Bundesrepublik Deutschland an Unternehmen der Fall sein. 48

2.2.2 Die Einleitung des Verfahrens durch Anmeldung

96

2.2.2.1.9 Zusammenfassung Trotz der zahlreichen Zusammenschlußtatbestände und des Auffang­ tatbestandes § 23 Abs. 2 Nr. 5 GWB sind Verbindungen zwischen Unter­ nehmen denkbar, die zur Herbeiführung einer wettbewerblichen Ein­ heit oder weiteren Verstärkung einer bestehenden Unternehmensver­ bindung führen, die nicht unter einen der Zusammenschlußtatbestände subsumiert wer.den können. Es handelt sich um Fälle der Herbeiführung personeller Verflech­ tungen, die noch hinter der Identität von mindestens der Hälfte der Mitglieder der Geschäftsführungsorgane der beiden Unternehmen zu­ rückbleiben. Diese Tatbestände sollten als Zusammenschlußtatbestände geregelt werden.

Die Benutzung unbestimmter Rechtsbegriffe im Rahmen der Zu­ sammenschlußdefinitionen führt bereits zu einer Unsicherheit bei der Beurteilung der Aufgreifkriterien, obwohl durch die Regelung der Auf­

greifkriterien dem Bundeskartellamt gerade die Möglichkeit gegeben werden sollte, sich auch in Zweifelsfällen mit dem Vorgang zu befas­ sen. Es ist deshalb ,eine weite Auslegung des Zusammenschlußbegriffs geboten. Die Prüfung, ob durch den Zusammenschluß eine wettbewerb­ liche Einheit entsteht oder eine Unternehmensverbindung verstärkt wird und so evtl. die Untersagungsvoraussetzungen erfüllt werden, sollte dem Bundeskartellamt nicht durch eine Vorenthaltung der In­ formation über solche Zusammenschlüsse von vornherein unmöglich gemacht werden. Auch der mittelbare Erwerb ist als Zusammenschluß anzusehen; Angaben über bestehende Minderheitsbeteiligungen sollten in die An­ zeigepflicht aufgenommen werden. Eine Änderung der Aufgreifkrite­

rien ist erforderlich, um zu erreichen, daß das Bundeskartellamt in allen eventuell untersagbaren Zusammenschlußfällen über den Zusam­ menschluß informiert wird. Ein Vorschlag für eine Neuregelung des § 23 GWB findet sich im Schlußteil dieser Arbeit. 2.2.2.2 Die Pflicht zur Anmeldung eines Zusammenschlußvorhabens gemäß § 24 a Abs. 1 Satz 2 GWB

Bei Zusammenschlüssen, ,an denen mindestens zwei Umsatzmilliar­ däre beteiligt sind und Zusammenschlüssen, die nach Landesrecht durch Gesetz oder sonstigen Hoheitsakt vollzogen werden51 , besteht gemäß § 24 a Abs. 1 Satz 2 GWB die Pflicht zur Anmeldung des Zusammen­ schlußvorhabens. Dies stellt eine Vorverlagerung des Prüfungszeit­ punktes gegenüber den Fällen des § 23 Abs. 1 GWB dar. In diesen Fäl51

Z. B. Zusammenschlüsse öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute; vgl. dazu

Brinkhoff, Fusionskontrolle, S. 615 ff.

2.2.2.2 Die Pflicht zur Anmeldung eines Zusammenschlußvorhabens

97

len erschien dem Gesetzgeber eine zwingend vorbeugende Kontrolle gerechtfertigt, da die Untersagungswahrscheinlichkeit hoch ist und eine nachträgliche Auflösung solcher Zusammenschlüsse äußerst schwierig wäre52 • 2.2.2.2.1 Die Voraussetzungen der Anmeldepflicht gemäß § 24 a Abs. 1 Satz 2 GWB Wegen der geringen praktischen Bedeutung der Anmeldepflicht ge­ mäß § 24 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 GWB (für Zusammenschlüsse nach Landesrecht durch Gesetz oder sonstigen Hoheitsakt) soll diese Re­ gelung hier nur kurz behandelt werden. Grund für eine Anmelde­ pflicht in diesen Fällen war das Ziel, im konkreten Fall gegensätzliche landes- und bundesrechtliche Hoheitsakte zu vermeiden53 • Hauptan­ wendungsfall dieser Vorschrift ist der Zusammenschluß öffentlich­ rechtlicher Kreditinstitute54 . Gemäß § 24 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GWB sind Zusammenschlußvorha­ ben anmeldepflichtig, falls mindestens zwei Umsatzmilliardäre betei­ ligt sind. Die zwingend präventive Fusionskontrolle für diese Fälle wurde damit begründet, daß einerseits eine hohe Untersagungswahr­ scheinlichkeit vorliegt, andererseits eine nachträgliche Auflösung sol­ cher Zusammenschlüsse schwierig wäre55 • Nachdem der B GH unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden hat, daß der Veräußerer an Zusammenschlüssen im Sinne des § 23 Abs. 2 Nr. 1 GWB nicht beteiligt ist, können die Umsätze des Vermö­ gensveräußerers nicht mehr im Rahmen von § 24 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GWB berücksichtigt werden56 • Diese Ansicht wird zu einer leichten Ver52 Vgl. Regierungsbegründung BT-Drucks. 6/2520, S. 19 linke Spalte. In den USA wurde durch Sec. 7 A Clayton Act (as added by Sec. 201 of Hart­ Scott-Rodino Antitrust Improvements Act of 1976) eine zwingend präventive Fusionskontrolle eingeführt, falls sowohl die beteiligten Unternehmen als auch der Erwerbsvorgang bestimmte Größekriterien erfüllen (size of person und size of transaction test). Diese Regelung wird seit dem 5. 9. 78 von sog. Rules, d. h. Ausführungsvorschriften der ATD und FTC konkretisiert (vgl. FR 43, S. 33450, im folgenden als Rules zitiert). Da diese neue Regelung be­ reits umfassend im deutschen Schrifttum behandelt wurde (vgl. z. B. Neu­ mann, Anmeldepflicht, S. 100 ff.; DIHT, Fusionskontrolle, S. 4 ff.) möchte der Verfasser auf diese Darstellungen verweisen. 53 Vgl. Regierungsbegründung BT-Drucks. 6/2520, S. 32 rechte Spalte unten. Vgl. zu solchen Zusammenschlüssen vor allem Brinkhotf, Fusionskon­ trolle, S. 615 ff. 54 Vgl. Regierungsbegründung BT-Drucks. 6/2520, S. 45 rechte Spalte oben, und Brinkhotf, Fusionskontrolle, S. 615 ff. 55 Vgl. Regierungsbegründung BT-Drucks. 6/2520, S. 18 rechte Spalte unten, S. 19 linke Spalte oben. 5 6 Vgl. BGH, in: WuW/E BGH 1571 (Kettenstichnähmaschine}. So auch § 23 Abs. 1 S. 8 n. F. GWB.

7 Nelser

98

2.2.2 Die Einleitung des Verfahrens durch Anmeldung

ringerung der anzumeldenden Fälle führen57 • Der Veräußerer von Kapitalanteilen wurde schon bisher nicht als beteiligt angesehen58 • Bei der Frage der Beherrschungsverhältnisse ist auf den Zustand nach Ab­ schluß des Zusammenschlusses, nicht auf den Zeitpunkt der Anmel­ dung abzustellen. Durch die 4. Kartellnovelle59 wurde vom Gesetzgeber eine Ausdehnung der Anmeldepflicht auf Zusammenschlüsse, an denen mindestens ein Unternehmen beteiligt ist, das im letzten abgeschlos­ senen Geschäftsj ahr Umsatzerlöse von mindestens zwei Mrd DM hatte, eingeführt. Die Erweiterung der Anmeldepflicht wird vor allem damit begründet, daß durch Vollzug von Zusammenschlüssen unter Beteili­ gung eines Umsatzdoppelmilliardärs eine Marktstruktur entstehen kann, die auch im Auflösungsverfahren nicht rückgängig gemac;ht wer­ den könnte60 • Das Abstellen auf nur einen Beteiligten ist im Hinblick auf die neue Rechtsprechung zur Beteiligteneigenschaft des Veräuße­ rers zu begrüßen. 2 .2.2.2.2 Die Definition des Vorhabens gemäß § 24 a Abs. 1 Satz 2 GWB Ein Vorhaben liegt vor, sobald sich die Beteiligten so weit über Zeit­ punkt, Modalitäten und Form des zukünftigen Zusammenschlusses ge­ einigt haben, daß der Zusammenschluß genügend bestimmt ist, um durch das Bundeskartellamt beurteilt zu werden61 • Die oben angeführte Definition bestimmt lediglich die früheste Möglichkeit der Anmeldung. Der späteste Zeitpunkt der Anmeldung wird durch die Fristen des § 24 a Abs. 4 GWB lediglich dadurch bestimmt, daß ein Vollzug vor Anmeldung und Fristablauf innerhalb der dort genannten Fristen un­ zulässig ist. Ein Vollzug in Verletzung der Vorschrift des § 24 a Abs. 4 GWB stellt gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 8 GWB eine Ordnungswidrigkeit dar. Die Nichtanmeldung eines bereits konkreten Vorhabens ist keine selb­ ständige Ordnungswidrigkeit62 • Insoweit besteht eine dem neuen ame­ rikanischen Anmeldeverfahren .entsprechende Regelung63 • 57 So waren z. B. 1976 7 Zusammenschlüsse und 1977 8 Zusammenschlüsse allein deshalb anzuzeigen, weil auch die vom Zusammenschluß nicht betroffe­ nen Umsatzerlöse des Veräußerers bei der Berechnung der Umsatzerlöse gern. § 23 Abs. 1 Nr. 2 GWB berücksichtigt wurden. Vgl. dazu TB 77, S. 118 Tabelle 12 nach Fn. 1 . 58 Falls der Veräußerer auch nach der Veräußerung das Unternehmen, des­ sen Anteile veräußert wurden, beherrscht, so ist er als verbundenes Unter­ nehmen des erworbenen Unternehmens als beteiligt anzusehen (§ 23 Abs. 3 S. 3 GWB). 5 9 Vgl. den Text in Anhang 1 dieser Arbeit. 60 Vgl. BT-Drucks. 8/2136, S. 23 rechte Spalte oben. 6 1 Vgl. Kleinmann, Bechtold, § 24 a Rdnr. 2. 62 Dies läßt sich mit argumentum e contrario aus § 39 Abs. 1 Nr. 2 und 3 GWB folgern. Während eine nicht unverzügliche Anzeige gern. § 23 Abs. 1 - 5 GWB eine Ordnungswidrigkeit darstellt, ist in § 39 Abs. 1 Nr. 3 GWB nur die unrichtige oder unvollständige Anmeldung gemäß § 24 a Abs. 1 Satz 2 GWB, nicht j edoch eine verspätete Anmeldung als Ordnungswidrigkeit be-

2.2.2.2 Die Pflicht zur Anmeldung eines Zusammenschlußvorhabens

99

2.2.2.2.3 Der Inhalt der Anmeldung Gemäß § 24 a Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 23 Abs. 5 GWB muß die Anmeldung bestimmte Angaben enthalten. Das Bundeskartellamt hat zu Fragen des Inhalts der Anmeldung außerdem ein Merkblatt herausgegeben64 , in dem die Vorschriften näher erläutert wurden. Ein Formblatt wie es im amerikanischen An­ meldeverfahren üblich ist65 , wurde bisher jedoch noch nicht ,entwickelt. Die oben angeführten Angaben sind gemäß § 23 Abs. 5 Satz 3 GWB auch für diej enigen Unternehmen zu machen, die gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 GWB als verbundene Unternehmen anzusehen sind. Minder­ heitsbeteiligungen der beteiligten Unternehmen an anderen Unter­ nehmen sind de lege lata nicht in der Anmeldung aufzuführen. Dies führt dazu, daß wichtige Aspekte des Zusammenschlußvorhabens aufgrund der Anmeldung nicht erkannt werden können66 • Wegen der kurzen Fr,isten, die ein förmliches Auskunftsersuchen gemäß § 23 Abs. 6 oder § 46 GWB erschweren, kommt dieser Lücke in den erfor­ derlichen Angaben im Rahmen des § 24 a Abs. 1 Satz 2 GWB eine be­ sondere Bedeutung zu. Angaben über Minderheitsbeteiligungen und

über vergleichbare Einflußmöglichkeiten in/olge personeller Verflech­ tungen mit anderen Unternehmen sollten deshalb in die gemäß § 23 Abs. 5 Nr. 1 - 4 GWB erforderlichen Angaben aufgenommen werden61• Dies gilt ebenfalls für die schwer zu erkennenden aktuellen oder potentiellen vertikalen Beziehungen der beteiligten Unternehmen und das Bestehen oder das Entstehen einer Marktverkettung.

2.2.2.2.4 Wirkungen der vollständigen Anmeldung gemäß § 24 a Abs. 2 und Abs. 4 GWB Um den Zeitraum der Rechtsunsicherheit, der von Unternehmen be­ sonders im Zusammenhang mit der Anmeldepflicht gemäß § 24 a Abs. 1 Satz 2 GWB beklagt wird, möglichst zu verkürzen, beginnen bei voll­ ständiger Anmeldung besondere Fristen zu laufen. Es handelt sich stimmt. Lediglich ein Vollzug kann gern. § 38 Abs. 1 Nr. 8 GWB unzulässig sein. 63 Vgl. DIHT, Fusionskontrolle, S. 32 und Sec 7 A (a) Clayton Act. 64 Vgl. Merkblatt des Bundeskartellamtes über „Angaben bei Anzeigen und Anmeldungen nach § 23 und § 24 a GWB" 1973, abgedruckt in WuW 1974, S. 46 ff., und Kleinmann, Bechtold, S. 462 ff. 65 Vgl. dazu 43 FR, S. 33.450 ff. § 803.30 der Rules mit Anhang und den Abdruck in DIHT, Fusionskontrolle, S. 104 ff. 66 Zur Kritik dieser Lücke und zu Lösungsvorschlägen vgl. Pkt. 2.2.2.1.6 dieser Arbeit. 67 Die Regelung in § 24 a Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 GWB stellt keine befriedi­ gende Lösung dar, da ein Auskunftsverlangen unterbleibt, falls nicht An­ haltspunkte für eine solche Verflechtung bestehen. 7•

1 00

2.2.2 Die Einleitung des Verfahrens durch Anmeldung

dabei um verfahrensrechtliche Ausschlußfristen, deren ungenutzter Ablauf zur Vernichtung des Rechts auf Untersagung führt. Im einzel­ nen gelten folgende Fristen : 1 . Innerhalb eines Monats seit Eingang der vollständigen Anmeldung ist demj enigen, der die Anmeldung bewirkt hat, mitzuteilen, daß das Bundeskartellamt in die Prüfung des Vorhabens eingetreten ist ( ,,Monatsbrief" ). 2. Eine Untersagung gemäß § 24 Abs. 2 S atz 1 GWB kann nur inner­ halb von 4 Monaten seit Eingang der vollständigen Anmeldung er­ gehen. In über der Hälfte der bisher angemeldeten 448 Zusammenschluß­ vorhaben verstrich die Monatsfrist ohne Mitteilung des Bundeskartell­ amtes, so daß die Unternehmen bereits innerhalb kürzester Frist die Sicherheit besaßen, daß ihr Zusammenschluß nicht untersagt wird68 • Erfolgt kein Monatsbrief, so können die Unternehmen den Zusammen­ schluß vollziehen. Auch der vollzogene Zusammenschluß kann nicht mehr untersagt werden69 • Ergeht fristgerecht ein Monatsbrief, so kann eine Untersagung des Zusammenschlußvorhabens nur innerhalb einer Frist von 4 Monaten seit vollständiger Anmeldung erfolgen. Es ist die Praxis des Bundeskartellamts, den beteiligten Unternehmen bereits vor Ablauf der Viermonatsfrist mitzuteilen, falls es beabsichtigt, das Verfahren einzustellen. Bei schriftlicher Mitteilung des Bundeskartellamts, daß das Zusam­ menschlußvorhaben die Untersagungsvoraussetzungen des § 24 Abs. 1 GWB nicht erfüllt und deshalb mit einer Untersagung nicht zu rechnen sei, gilt gemäß § 24 a Abs. 4 der 4. Novelle das Vollzugsverbot nicht70 • Dadurch wird die Zeit der Unsicherheit für di,e an einem anmelde­ pflichtigen Zusammenschluß beteiligten Unternehmen reduziert. Falls die am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen einer Frist­ verlängerung zustimmen, darf das Bundeskartellamt den Zusammen­ schluß auch nach Ablauf der Viermonatsfrist untersagen11 • Diese Mög­ lichkeit wird von den beteiligten Unternehmen vor allem dann ge­ nutzt, wenn die Möglichkeit besteht, daß die drohende Untersagung durch weitere Verhandlungen abgewendet werden könnte. Bei Frist68 I n 254 und 448 Fällen erging kein Monatsbrief. Es handelte sich dabei um zwingend und freiwillig angemeldete Zusammenschlußvorhaben gemäß § 24 a Abs. 1 Satz 2 und Satz 2 GWB. 89 Vgl. die Terminologie in § 24 a Abs. 2 Satz 1 GWB, wo ausdrücklich von einer Untersagung des Zusammenschlusses, nicht des Zusammenschluß­ vorhabens gesprochen wird. § 24 a Abs. 3 GWB hat deshalb nur Bedeutung für die Konzentrationsübersicht nicht Konzentrationskontrolle. 70 Vgl. dazu BT-Drucks. 8/2 136, S. 5 und die Begründung auf S. 23. 7 1 Vgl. § 24 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GWB.

2.2.2.3 Die freiwillige Anmeldung eines Zusammenschlußvorhabens 101 verlängerung verlängert sich ebenfalls der Zeitraum des Vollzugsver­ bots gemäß § 24 a Abs. 4 GWB . Weitere Ausnahmen der Untersagungs­ frist sind in § 24 a Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 - 6 GWB geregelt. Auf diese Aus­ nahmen soll hier nicht eingegangen werden72 • 2.2.2.2.5 Zusammenfassung Das deutsche Fusionskontrollrecht enthielt eine zwingend präventive Fusionskontrolle nur für zwei Zusammenschlußfälle. In Fällen, in denen der Vollzug eines Zusammenschlußvorhabens nach Landesrecht durch Hoheitsakt bewirkt werden soll, wurde eine zwingend präven­ tive Fusionskontrolle eingeführt, um widersprüchliche Hoheitsakte von Länder- und Bundesbehörden zu vermeiden. Bei Zusammen­ schlußvorhaben, an denen mindestens zwei Umsatzmilliardäre betei­ ligt sind, ging der Gesetzgeber davon aus, daß die höhere Untersa­ gungswahrscheinlichkeit und Schwierigkeiten bei der Auflösung sol­ cher Zusammenschlüsse eine Anmeldepflicht rechtfertigen. Durch die Anmeldepflicht sollen nicht alle untersagbaren Zusammenschlüsse er­ faßt werden, sondern nur eine Spitzengruppe, bei der eine Unter­ sagung wahrscheinlicher ist. Dies unterscheidet das deutsche Recht vom neuen amerikanischen Anmeldeverfahren. Das deutsche Anmelde­ verfahren mußte durch die 4. Novelle in zweierlei Hinsicht geändert werden. Da nach neuer Rechtsprechung der Vermögensveräußerer nicht mehr als Beteiligter des Zusammenschlusses anzusehen ist und somit Zusammenschlüsse mit nur einem Beteiligten häufiger sind, mußte auch das Größenerfordernis in § 24 a Abs. 1 Satz 2 GWB dieser neuen Rechtslage dadurch angepaßt werden, daß die Größe eines Be­ teiligten zur Begründung der Anmeldepflicht ausreicht. Die . Höhe von

2 Milliarden DM Umsatz erscheint dabei praktikabel und ausreichend. Um die Unsicherheit der anmeldenden Unternehmen zu verkürzen, mußte in § 24 a Abs. 4 GWB eine Regelung aufgenommen werden, die den Unternehmen gestattet, den Zusammenschluß zu vol lziehen, falls das Bundeskartellamt mitgeteilt hat, daß die Voraussetzungen für eine Untersagung gemäß § 24 Abs. 1 GWB nicht vorliegen. 2.2.2.3 Die freiwillige Anmeldung eines Zusammenschlußvorhabens gemäß § 24 a Abs. 1 Satz 1 GWB

Der Gesetzgeber ging bei der Regelung des § 24 a Abs. 1 GWB davon aus, eine in den Spitzenfällen rechtlich zwingend vorbeugende, im übrigen eine faktisch vorbeugende Kontrolle von Unternehmenszu­ sammenschlüssen zu regeln. Von der Regelung des § 24 a Abs. 1 Satz 1 GWB erwartete man eine faktisch vorbeugende Kontrolle vor allem 72

Vgl. dazu Kleinmann, Bechtold, § 24 a Rdnr. 70 ff.

102

2.2.2 Die Einleitung des Verfahrens durch Anmeldung

deshalb, weil man annahm, das Risiko der nachträglichen Auflösung und der Reiz kurzer Untersagungsfristen würde in den meisten der untersagbaren Fälle zu einer freiwilligen Anmeldung führen73 . Diese Erwartung hat sich j edoch nicht bestätigt74 . In einem Fall hat sich sogar gezeigt, daß die beteiligten Unternehmen das Entflechtungsrisiko lie­ ber auf sich nehmen, als die Verzögerung des Vollzugs bei j ahrelangem Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit einer Untersagung im Anmelde­ verfahren75 . Da in diesem Fall bei freiwilliger Anmeldung gemäß § 24 a Abs. 1 Satz 1 GWB kein Vollzugsverbot bestand76 , wurde der Anteils­ erwerb vollzogen, nachdem das Bundeskartellamt den beteiligten Un­ ternehmen .ein sog. Abmahnungsschreiben unter Darstellung der Un­ tersagungsgründe übersandt hatte. Die Häufigkeit eines solchen Voll­ zugs vor Abschluß der Prüfung ist jedoch gering77 . Um das Ziel einer faktisch vorbeugenden Zusammenschlußkontrolle zu erreichen, müssen die Vorteile der Anmeldung erhöht, die Nachteile reduziert werden.

Dazu könnte eine Beschleunigung des Verfahrens in der Praxis bei­ tragen. Die größten Bedenken der Unternehmen scheinen j edoch den Umstand zu betreffen, daß durch die Ermittlungen des Bundeskartell­ amtes das Zusammenschlußvorhaben an die Öffentlichkeit dringt und der Vorteil des Zusammenschlusses verringert wird. Obwohl Anmel­ dungen von Zusammenschlüssen anders als Anzeigen gemäß § 23 Abs. 1 GWB von vollzogenen Zusammenschlüssen nicht gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 GWB im Bundesanzeiger bekanntgemacht werden müssen, ist im Zuge der Ermittlungen des Bundeskartellamtes zur Bestimmung der Marktanteile -eine Identifizierung des Zusammenschlußfalles bei Auskunftsersuchen nicht zu umgehen. Es ist deshalb davon auszu­ gehen, daß die Anreize zu freiwilliger Anmeldung eines Zusammen­ schlußvorhabens nicht wesentlich gesteigert werden können. Ob die

vom amerikanischen Gesetzgeber aus diesem Umstand gezogene Fol­ gerung der Einführung einer zwingend präventiven Fusionskontrolle der richtige Weg ist, werden dort die ersten Erfahrungen im Laufe des Jahres 1980 zeigen78 . 7 3 Vgl. Regierungsbegründung BT-Drucks. 6/2520, S. S. 19 linke Spalte. 74 Von bisher 23 Untersagungen ergingen lediglich 10 im Verfahren gern. § 24 a GWB gegenüber 13 Untersagungen aufgrund von Anzeigen vollzogener Zusammenschlüsse gern. § 23 Abs. 1 GWB (bis 1978). 75 Es handelt sich um den Fall „BBC/Ceag" (AG 79, S. 83), auf den der Verfasser später im Rahmen der Behandlung der einstweiligen Anordnung im Fusionskontrollverfahren noch näher eingehen möchte, vgl. Pkt. 2.2.17.2 der Arbeit. 76 Vgl. die Formulierung „Ist ein Zusammenschlußvorhaben nach Abs. 1 Satz 2 anzumelden . . ." in § 24 a Abs. 4 Satz 1 1 . Teilsatz GWB. 77 Bisher lediglich in 6 von 448 Anmeldefällen. 7 8 Eine Verkürzung der Untersagungsfristen des § 24 a Abs. 2 GWB er­ scheint ein ebenfalls nicht gangbarer Weg zu sein. Da ein im Anmeldever­ fahren nicht untersagter Zusammenschluß nach Vollzug nicht mehr unter-

2.2.3.1 Die Größenvoraussetzungen der Anzeigepflicht

103

2.2.3 Die Einleitung des Verfahrens durch Anzeige des vollzogenen Zusammenschlusses gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 GWB

Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 GWB besteht bei Vorliegen bestimmter Größenvoraussetzungen die Pflicht der an einem Zusammenschluß beteiligten Unternehmen\ diesen dem Bundeskartellamt nach Vollzug anzuzeigen. Dies ist der weitaus häufigste Weg, auf dem das Bundes­ kartellamt von einem Zusammenschluß -erfährt2 • Im folgenden möchte der Verfasser besonders auf die Größenvoraussetzungen und den Zeit­ punkt des Vollzugs eingehen3 • 2.2.3.1 Die Größenvoraussetzungen der Anzeigepflicht gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 GWB

Die Größ.envoraussetzungen der Anzeigepflicht sind bereits vom Ge­ setzgeber in zwei verschiedene Gruppen unterteilt worden. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GWB stellt auf die Höhe des Marktanteils ab. Besitzt ein beteiligtes Unternehmen oder entsteht durch den Zusammenschluß bei einem beteiligten Unternehmen' ein Marktanteil von mindestens 20 0/o, so ist die Größenvoraussetzung § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GWB erfüllt und der Zusammenschluß unverzüglich anzuzeigen. Bedenken hinsicht­ lich dieser Regelung könnten sich aus zwei Gesichtspunkten ergeben. Die Praxis hat gezeigt, daß Marktabgrenzungen und Marktanteils­ berechnungen der beteiligten Unternehmen und des Bundeskartell­ amtes zum Teil weit differieren. Durch ein Abstellen auf den Markt­ anteil bereits bei Festlegung der Anzeigepflicht entsteht eine Unsicher­ heit die zur Folge hat, daß auf keinen Fall alle Zusammenschlüsse angezeigt werden, bei denen auch die Berechnungen des Bundeskar­ tellamtes zu einem Marktanteil von 20 0/o führen würden. Das zweite

Bedenken ergibt sich daraus, daß einer neueren Entscheidung des

sagbar ist (anders als im amerikanischen Anmeldeverfahren), muß bereits hier eine ausführliche Prüfung erfolgen. In den USA erfolgten in den ersten drei Monaten 3 5 5 Anmeldungen und man denkt bereits daran, das Anmelde­ erfordernis zu senken (Änderung des § 82 0.2 0 der Rules). So Mr. Pfunder, der Leiter des Premerger Notification Office der FTC in einem Brief an den Verfasser. 1 Zum Beteiligungsbegriff vgl. Pkt. 2.2.1.2.2 dieser Arbeit. 2 Vgl. die Statistik in Tabelle 3 zu Pkt. 2.1.1.4 dieser Arbeit. 3 Hinsichtlich des Inhalts der Anzeige kann auf das oben bereits zur Anmeldung Gesagte verwiesen werden, da bereits dort § 2 3 Abs. 5 GWB be­ handelt wurde, s. Pkt. 2.2.2.2.3 dieser Arbeit. Die verschiedenen Zusammen­ schlußtatbestände wurden bereits im vorherigen Kapitel vorgestellt, vgl. Pkt. 2.2.2.1 dieser Arbeit. 4 Der Wortlaut des § 2 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 1.Halbsatz GWB erfordert nicht zwingend, daß nur die Marktanteile der beteiligten Unternehmen betrachtet werden können. Dies ergibt sich jedoch aus § 2 3 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 GWB, da dort deutlich wird, daß die Voraussetzung des Abs. 1 Satz 1 1.Alternative nur den Marktanteil der beteiligten Unternehmen erfaßt.

1 04

2.2.3 Die Einleitung des Verfahrens durch Anzeige

Kammergerichts5 bereits bei einem Marktanteil von wenig über 20 °/o eine marktbeherrschende Stellung gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 2 GWB be­ stehen kann. Die Unsicherheit bei der Berechnung dieser Größenvoraussetzung und die relative Höhe im Vergleich zu den Untersagungsvoraussetzun­ gen gemäß § 24 Abs. 1 GWB führen dazu, daß bei Anwendung allein dieser Größenvoraussetzung zur Begründung der Anzeigepflicht nicht alle zu untersagenden Zusammenschlüsse von der Anzeigepflicht um­ faßt werden. Dennoch �ann auf eine Novellierung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GWB verzichtet werden, da über die zweite alternative Größenvoraussetzung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GWB, die sehr viel häufiger Anwendung findet, alle überhaupt untersagbaren Zusammen­ schlüsse erfaßt werden6 • Im amerikanischen Recht, in dem die Regelungen des neuen An­ meldeverfahrens mit den deutschen Aufgreifkriterien verglichen wer­ den können, finden sich ausschließlich marktanteilsunabhängige Grö­ ßenvoraussetzungen zur Bestimmung der Anmeldepflicht7 • Die Klar­ heit und Eindeutigkeit solcher absoluter Größenkriterien im Rahmen

der Aufgreifkriterien führt zu einer hohen Rechtssicherheit bei der Beurteilung der Frage, ob eine Anzeigepflicht gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 besteht. Zur Vereinfachung der Regelung schlägt der Verfasser des­ halb vor, die Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GWB zu streichen8 •

Die Vorschrift des § 23 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 GWB ist auch bezüglich des Marktanteils beizubehalten und evtl. auszudehnen, da es sich ge­ zeigt hat, daß auch schon bei Marktanteilen von ca. 15 0/o das Bundes­ kartellamt die Beteiligten auffordert, ihre Marktanteile und ihre Be­ rechnungsgrundlage anzugeben. Zur Verkürzung des Verfahrens ist

den Unternehmen bereits nach der geltenden Regelung zu empfehlen, in jedem Fall ihre Marktanteile über 10 0/o mit Berechnungsgrundlage anzugeben. Ein Auskunftsverlangen nach § 23 Abs. 6 GWB erübrigt 5 Vgl. KG im Fall „Thyssen-Hüller" , in: WuW/E OLG 192 1, besprochen in TB 197 7, S. 20. 6 Durch das Erfordernis, daß die beteiligten Unternehmen mindestens 5 00 Mio DM Umsatz im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr hatten, deckt sich dieses Erfordernis mit der Ausnahmeregelung in § 2 4 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 GWB. 7 Vgl. Sec. 7 A Clayton Act. 8 Es war dem Verfasser nicht möglich, aus den statistischen Daten zu berechnen, welcher Anteil der Anzeigen gemäß § 2 3 Abs. 1 Satz 1 GWB allein aufgrund der Voraussetzungen des § 2 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GWB anzeige­ pflichtig waren. Es kann sich jedoch höchstens um 1 7 7 der 2 3 3 8 Fälle der Anzeigen gemäß § 2 3 Abs. 1 GWB handeln, da nur bei dieser Anzahl die Größenvoraussetzungen des § 2 4 Abs. 8 Nr. 1 GWB nicht erfüllt waren. In diesen Fällen kommt der Anzeige nur statistische Bedeutung zu, die im Verhältnis zum Aufwand der Anzeigenerstellung gering ist und das Amt und die Unternehmen unnötig belastet.

2.2. 3.2 Der Vollzug des Zusammenschlusses

1 05

sich dann in zahlreichen Fällen. De lege ferenda sollten die erforder­ derlichen Angaben i. S. v. § 23 Abs. 5 Satz 1 GWB auf Marktanteile von 10 0/o ausgedehnt werden. Unsicherheiten bei der Berechnung der ab­

soluten Größenvoraussetzungen in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GWB erge­ ben sich besonders hinsichtlich der in die Berechnung einzubeziehen­ den Unternehmen. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 GWB, auf den der Ver­ fasser ,im folgenden näher eingehen möchte, sind bei der Berechnung der Beschäftigtenzahl und der Umsatzerlöse verbundene Unternehmen als einheitliche Unternehmen anzusehen. Als v•e rbunden werden ab­ hängige und herrschende Unternehmen im Sinne des § 17 des Aktien­ gesetzes oder Konzernunternehmen im Sinne des § 18 des Aktiengeset­ zes angesehen. Im Rahmen der Fusionskontrolle gilt der Verweis in § 23 Abs. 1 Satz 2 GWB auf §§ 17 und 18 des Aktiengesetzes, wie sich aus der Regierungsbegründung ergibt9 nicht nur für Aktiengesell­ schaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien. Die Verbundklau­ sel kann daher auf j ede Form von Unternehmen insbesondere auch auf Personengesellschaften angewandt werden. Probleme bestehen jedoch weiterhin, da ungeklärt ist, ob die Vermutungen gemäß § 17 Abs. 2 Aktiengesetz und § 18 Abs. 1 Satz 3 Aktienrecht widerlegbar sind. Da dies für das Aktienrecht anerkannt ist10, ist auch im Rahmen der Fusionskontrolle von einer Widerleglichkeit der Vermutungen auszugehen1 1 • Die Monopolkommission schlägt allerdings vor, de lege ferenda diese Vermutung unwiderleglich auszugestalten und lehnt auch schon de lege lata die Möglichkeit ab, die Abhängigkeitsvermu­ tung durch Verträge (sogenannte Entherrschungsverträge) zu wider­ legen12 . Vor allem aus Gründen der fehlenden Beständigkeit solcher Entherrschungsverträge wird ihre Berücksichtigung abgelehnt. Dem ist zu folgen, da eine Einhaltung oder der Rechtsbestand eines solchen Entherrschungsvertrages vom Bundeskartellamt nicht geprüft werden kann13 . Eine richterliche Prüfung dieser Ansicht steht noch aus. 2.2.3.2 Der Vollzug des Zusammenschlusses

Von der Beantwortung der Frage, wann der Zusammenschluß als vollzogen anzusehen ist, kann z. B. der Ausgang eines Verfahrens ge9 Vgl. Regierungsbegründung ET-Drucks. 6/ 2 5 2 0, S. 26; so auch Frankfurter Kommentar§ 2 3 Tz. 3 2. 10 Vgl. statt vieler Baumbach, Hueck ( 196 8),§ 1 7, Anmerkung 6. 1 1 Vgl. dazu auch Kleinmann, Bechtold,§ 23 Rdnr. 2 3 1. 1 2 Vgl. MKHG 1 Tz. 1 29; 869. 13 Eine jährliche Berichtspflicht verstieße gegen das Verbot dauernder Verhaltenskontrolle. Vgl. § 24 Abs. 3 Satz 4 GWB, der auf das Verfahren des Bundeskartellamtes analog anzuwenden ist. Allerdings wäre eine Melde­ pflicht für die Aufhebung der Entherrschungsverträge denkbar, aber ineffek­ tiv, da eine Aufhebung nicht stets erfolgt, wenn der Vertrag nicht mehr praktiziert wird.

1 06

2.2.5 Die Prüfung der marktunabhängigen Ausnahmen

mäß § 39 Abs. 1 Nr. 2 GWB aibhängen1' . Dabei kommt es nach herr­ schender Meinung auf den letzten Vollzugsakt an, der je nach Zusam­ menschlußform in der Übereignung von Vermögen oder Anteilen oder z. B. einer Eintragung ins Handelsregister bestehen kann. Bei befriste­ ten oder bedingten Zusammenschlüssen ist demnach erst bei Ablauf der Frist oder Eintritt der Bedingungen der Zusammenschluß vollzo­ gen16. Eine Legaldefinition des Begriffes ,unverzüglich' ist in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB enthalten, wo unverzüglich als „ohne schuldhaftes Zögern" definiert ist. Mit Eingang der vollständig,en Anzeige beginnt gemäß § 24 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz GWB eine Untersagungsfriist von einem Jahr zu laufen16 • 2.2.4 Die Einleitung des Verfahrens nach Kenntniserlangen gemäß § 24 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz GWB

Das Bundeskartellamt ist zur Verfahrenseinleitung nicht auf eine Anmeldung gemäß § 24 a Abs. 1 Satz 1 oder 2 GWB oder eine Anzeige gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 GWB angewiesen, sondern kann bereits nach anderweitigem Bekanntwerden eines Zusammenschlußvorhabens dieses untersagen1 • Dies gilt erst recht für das Bekanntwerden eines voll­ zogenen Zusammenschlusses. In Fällen der Verletzung der Anzeige­ pflicht oder sogar der Anmeldepflicht kann das Bundeskartellamt die Mitteilung der Unternehmen erzwingen2 oder gemäß § 23 Abs. 6 oder § 46 Abs. 1 Nr. 1 GWB die notwendigen Informationen durch ein for­ melles Auskunftsverlangen anfordern. Die Fälle der Verfahrenseinleitung ohne Anzeige oder Anmeldung sind in der Praxis selten. 2.2.5 Die Prüfung der marktunabhängigen Ausnahmen gemäß § 24 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 GWB

Bevor eine Marktabgrenzung und eine Bestimmung der Marktver­ hältnisse erfolgt, wird in der Praxis das Vorliegen der Ausnahmen des 24 Abs. 8 Nr. 1 und Nr. 2 GWB geprüft1 , da diese Ausnahmen keine Vgl. dazu Lanzenberger, Auslegungsfragen, S. 87/88. Vgl. Lanzenberger, Auslegungsfragen, S. 88. 16 Zur Vollständigkeit der Anzeigen und zum Inhalt der Anzeige gilt das bereits zu § 24 a GWB Gesagte, vgl. Pkt. 2.2.2.2.3 dieser Arbeit. 1 Fälle in der Praxis waren der Fall „Kartoffelstärke" , WuW/E BKartA 1716 ff.; ,,Bertelsmann/DVV" vom 22. 2. 1978 (eintweilige Anordnung) und die Untersagung WuW/E BKartA 1709 ff. BFüde Fälle werden im Rahmen der Behandlung der einstweiligen Anordnun� im Fusionskontrollverfahren dar­ gestellt, vgl. Pkt. 2.2.17 dieser Arbeit. • Vgl. Bundeskartellamt, in: WuW/E BKartA, 425 ff. (Automarkt), 432; WuW/E BKartA, 1270 ff., 1272 (Isolierwolle); und BGH, in: WuW/E BGH, 1126 ff., 1130 (Schaumstoff II). 1 Diese Prüfung erfolgt bei Fällen gemäß § 23 Abs. 1 GWB bereits inner­ halb der Vorprüfung durch die Grundsatzabtülung des BKartA. 14

15

2.2.5.1 Die Anwendung des§ 2 4 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 GWB

1 07

Marktabgrenzung voraussetzen. Auch der Verfasser möchte im folgen­ den deshalb zuerst diese beiden Ausnahmen bearbeiten, die in fast 50 % der Fälle zu einer Beendigung des Verfahrens wegen fehlender Untersagungsmöglichkeit führen2 • 2.2.5. 1 Die Anwendung des § 24 Abs. 8 Satz 1

Nr. 1

GWB

Falls die beteiligten Unternehmen im letzten abgeschlossenen Ge­ schäftsj ahr Umsatzerlöse von weniger als 500 Millionen DM hatten, kann das Bundeskartellamt den Zusammenschluß nicht gemäß § 24 Abs. 1 und Abs. 2 GWB untersagen. Probleme bei der Anwendung die­ ser Vorschrift bestehen in zweierlei Hinsicht: 1 . Definition des beteiligten Unternehmens3 2. Die Anwendung der Mehrmütterklausel bei der Zusammenschluß­ form der Bildung eines Gemeinschaftsunternehmens. Bei der Beantwortung der zweiten Frage ist zwischen dem Zusam­ menschluß Mutter/Gemeinschaftsunternehmen und dem fingierten Zu­ sammenschluß der Mütter zu unterscheiden. Im Zusammenschluß Mut­ ter/Gemeinschaftsunternehmen' sind nur die Umsätze der Mutter und des Gemeinschaftsunternehmens zu addieren. Eine Addition der Um­ sätze bereits am Gemeinschaftsunternehmen beteiligter Mütter ist lediglich gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2. 1. oder 2. Halbsatz GWB möglich, falls danach Mütter und GU bereits als verbundene Unternehmen an­ gesehen werden mußten6• Bei der Betrachtung des fingierten Zusammenschlusses der Mütter untereinander gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 GWB stellt sich die für § 24 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 GWB wichtige Frage, ob nur die Marktumsätze oder die Gesamtumsätze der Mütter zu addieren sind6 • Die Addition der Gesamtumsätze ist gerechtfertigt, da die Bedeutung des partiellen Zusammenschlusses der Mütter nur unter Berücksichtigung ihrer ge­ samten Umsätze als Ressourcen beurteilt werden kann'. 2 Vgl. Statistik S. 1 15 des TB 197 8. In 1 096 von 2 3 3 8 Fällen lagen diese beiden Ausnahmen vor. 3 Vgl. Pkt. 2.2.1.2.2. der Arbeit. Bei Vermögenserwerb ist nur der auf das erworbene Vermögen anteilig entfallende Umsatz zugrunde zu legen. Vgl. BGH, in: WuW/E BGH 1591 (Kettenstichnähmaschine). Weitere Umsätze des Veräußerers bleiben unberücksichtigt. 4 Bei Kleinmann, Bechtold, § 2 3 Rdnr. 97, als vertikaler Zusammenschluß bezeichnet. 5 Anders jedoch im Regierungsentwurf BT-Drucks. 6/ 252 0, S. 2 7, wo auf j eden Fall die Umsätze der Nebenmütter miteinbezogen werden sollen. Diese Auffassung ist jedoch vom Wortlaut der Vorschrift nicht gedeckt. 6 Für eine Addition der Gesamtumsätze vgl. Regierungsbegründung, BT­ Drucks. 6/ 252 0, S. 2 7. Lanzenberger, Auslegungsfragen, S. 85 und Frankfurter Kommentar,§ 2 3 Rdnr. 1 0 3.

108

2.2.5 Die Prüfung der marktunabhängigen Ausnahmen 2.2.5.2 Die Anwendung der Anschlußklausel des § 24 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 GWB

Diese in der Praxis sehr häufige Ausnahme8 betraf nach altem Recht Zusammenschlußfälle, in denen sich ein kleines Unternehmen mit bis zu 50 Mio DM Umsatz an ein anderes anschloß9 • Diese Regelung hielt man für erforderlich, weil Härten für den schwächeren am Zusammenschluß beteiligten Teil vermieden werden sollten10 • Es mehrten sich j edoch die Stimmen, die für eine Abschaffung dieser Ausnahmere gelung votierten, weil Zusammenschlüsse dieser Art sich zunehmend häuften. Vor allem die Monopolkommission11 kritisierte diese Regelung und schlug ihre Ab­ schaffung vor. Aus einer Statistik des Bundeskartellamtes 12 geht her­ vor, daß besonders Großunternehmen mit mehr als 5 Milliarden DM Umsatz als Erwerber in Anschlußfusionen auftraten. Durch die in der 4. Kartellnovelle enthaltene Verschärfung13 sollen Zusammenschlüsse, bei denen der Erwerber mindestens eine Milliarde, das erworbene Un­ nehmen mindestens vier Millionen Umsatz hat, der Zusammenschluß­ kontrolle unterfallen. Diese begrüßenswerte Regelung hat die Wir­ kung, daß von 230 im Jahre 1977 wegen § 24 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 a. F. GWB nicht kontrollierbaren Zusammenschlüssen infolge der Neurege­ lung 113 hätten kontrofäert werden können14 • Zusammenfassung Die beiden marktunabhängigen Ausnahmen in § 24 Abs. 8 Satz 1 Nr.1 und 2 GWB haben in der Praxis eine hohe Bedeutung. Fast die Hälfte aller angezeigten Zusammenschlüsse wird durch diese Ausnahmerege­ lung der Kontrolle entzogen. Die unverhältnismäßig starke Beteiligung von Großunternehmen mit mehr als 5 Milliarden DM Umsatz an An­ schlußfällen und dadurch ausgelöste Folgefusionen führten zu einer Vermachtung mittelständischer Märkte, ohne daß das Bundeskartell7 Vgl. die ähnliche Begründung in Regierungsbegründung BT-Drucks. 6/ 2 5 20, S. 2 7 linke Spalte, wo allerdings offensichtlich von einem Gesamt­ zusammenschluß und nicht von einer Trennung der Zusammenschlüsse der Mütter und der erwerbenden Mutter mit dem Gemeinschaftsunternehmen unterschieden wird. Zur Kritik dazu vgl. Kleinmann, Bechtold, § 2 3 Rdnr. 97. 8 In 919 von 2 3 38 angezeigten Fällen lag diese Ausnahme vor, vgl. TB 1978, s. 1 1 5. 9 Zum Begriff des „Anschließens" vgl. den Fall WuW/E BKartA 1799 (Transportbeton II). 10 Vgl. Regierungsbegründung, BT-Drucks. 6/ 2 520, S. 3 2. 11 Vgl. MKHG 1 Tz.8 5 5, 9 24ff., 95 8 ff. 1 2 Vgl. TB 7 7, S. 10 7. 13 Vgl. BT-Drucks. 8/ 2 1 3 6, S. 5, und BT-Drucks. 8/3 690, S. 7. Die Umsatz­ zahl des erworbenen Unternehmens wurde vom Ausschuß für Wirtschaft von 2 auf 4 Mio DM erhöht. 1 4 Berechenbar aus Tabelle S. 1 1 5 TB 1978. Zur Definition des Begriffes ,,sich anschließen" vgl. MKHG 1 Tz. 9 2 7. Zur Anwendung der Anschluß­ klausel bei der Gründung von Gemeinschaftsunternehmen vgl. Kleinmann, Bechtold, § 24 Rdnr. 89 m.w.N.

2.2.6.1 Die Bestimmung der Austauschbarkeit

109

amt eine Kontrollmöglichkeit besaß. Durch die 4. Novelle ist die An­ schlußklausel auf Zusammenschlußfälle beschränkt worden, in denen entweder der Erwerber Umsätze von weniger als 1 Milliarde DM hat oder das erworbene Unternehmen weniger ,als 4 Millionen DM umsetzt. Diese Regelung ist zu begrüßen. 2.2.6 Die Abgrenzung des relevanten Marktes Liegt keine der marktunabhängigen Ausnahmen gemäß § 24 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 und 2 GWB vor, so muß e,ine Abgrenzung des relevanten Marktes erfolgen, da sowohl die marktabhängigen Ausnahmen des § 24 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 GWB als auch die Untersagungskriterien des § 24 Abs. 1 GWB begrifflich eine Bestimmung des relev,anten Marktes voraussetzen. In der Praxis stellt die Abgrenzung des s,achlich und räumlich relevanten Marktes das zentrale Problem der Zusammen­ schlußkontrolle dar1 • Die heutige Formel zur Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes der deutschen Praxis lautet: „Zu einem Markt sind nur solche Waren bzw. gewerbliche Leistungen zu zählen, die aus der Sicht der Abnehmer nach Beschaffenheit, Ver­ wendungszweck und Preis als austauschbar angesehen werden. Bei in­ dustriellen Erzeugnissen kann die Einteilung des systematischen Waren­ verzeichnisses für die Industriestatistik mit seinen 6- oder 7stelligen Warenarten eine Orientierungshilfe darstellen•)." Diese Definition basiert auf der Theorie der angemessenen Aus­ tauschbarkeit (Bedarfsmarktkonzept)3 . Da auf die Sicht der Marktgegenseite abzustellen ist, ist zuerst dieser Begriff zu definieren. Bei Angebotsmärkten ist die Marktgegenseite der (Letzt-)Abnehmer, bzw. als Verbrauchsdisponent derj enige, der die Entscheidung über die Abnahme trifft. Bei rezeptpflichtigen Arznei­ mitteln ist dies der Arzt4 . Als zentrale Frage soll ,Im folgenden auf die Feststellung der Austauschbarkeit eingegangen werden. 2.2.6. 1 Die Bestimmung der Austauschbarkeit Zentraler Begriff der sachlichen Marktabgrenzung ist die Austausch­ barkeit von Produkten oder Dienstleistungen5 • Es wird gefordert, daß Vgl. Kaufer, Marktmacht, S. 3 und 4. So das Merkblatt des Bundeskartellamtes über „Angaben bei Anzeigen und Anmeldungen nach § 23 und § 24 a GWB" abgedruckt in Kleinmann, Bechtold, Anhang 5, S. 462 ff., S. 466. 3 Vgl. dazu ausführlich Pkt. 2.1.4.1 dieser Arbeit. 4 Vgl. z. B . BKartA, in: WuW/E 1625 (Sachs/GKN) ; KG, in: WuW/E OLG 1599 (Vitamin B 12) und 1645 (Valium); BGH, in: WuW/E BGH 1438 (Valium). Der Patient hat nur geringen Einfluß auf die Auswahl des Medikaments durch den ihn behandelnden Arzt. 1

2

110

2. 2.6 Die Abgrenzung des relevanten Marktes

die Waren oder gewerblichen Leistungen nach Beschaffenheit, Verwen­ dungszweck und Preis für austauschbar angesehen werden6 • Das Krite­ rium der Beschaffenheit tritt dabei hinter dem Kriterium des Verwen­ dungszweckes zurück7 • Der Verfasser wird deshalb im folgenden beson­ ders auf das Kriterium der Austauschbarkeit hinsichtlich des Verwen­ dungszweckes eingehen. 2.2.6.1.1 Die Beurteilung der Austauschbarkeit in der deutschen Praxis Es ist nicht darauf abzustellen, daß die zu vergleichenden Waren in j eder Hinsicht den gleichen Verwendungszweck erfüllen8 , sondern nur ,,im wesentlichen gleiche Eigenschaften und Verwendungszwecke" 9 be­ sitzen. Das Spektrum der Verschiedenartigkeit der Produkte 10 , die noch im wesentlichen gleichen Verwendungszwecken dienen, richtet sich da­ bei vor allem nach der Wirtschaftsstufe der Abnehmer", da z. B. die Entscheidungsträger bei Investitionsgütern bei ihrer Kaufentscheidung strengere Kriterien anwenden als der Endverbraucher bei Geschäften des täglichen Lebens12 • Es ist also festzuhalten, daß alle Produkte, die aus der Sicht der Ab­ nehmer im wesentlichen gleiche Verwendungszwecke 13 erfüllen, einem gemeinsamen sachlichen Markt zugerechnet werden. Probleme ergeben sich in der Praxis vor allem in Fällen, in denen ein Produkt mehrere Verwendungszwecke erfüllt und in diesen ver­ schiedenen Verwendungsgebieten in unterschiedlichem Maße durch an­ dere Produkte ersetzbar ist 1 4 . Konsequenterweise müßte bei einer 5 Vgl. Regierungsbegründung BT 6/ 2 5 2 0, S. 2 3 und Merkblatt des Bundeskartellamtes abgedruckt bei Kleinmann, Bechtold, S. 466. 6 Vgl. Merkblatt des Bundeskartellamtes, a. a. 0. 7 So auch OLG Hamburg, in: WuW/E OLG 1 1 1 2 (Kleinkuchen). 8 So aber noch das Kammergericht, in: WuW/E OLG 7 1 2 (Bockhorner Klinker). 9 So OLG Hamburg, in: WuW/E OLG 1 1 1 2 (Kleinkuchen). 10 Alle Ausführungen zu Produkten sind auch auf sonstige Waren oder gewerbliche Leistungen übertragbar. Die Betrachtung von Produktmärkten dient der Vereinfachung. 11 Zur Unterteilung verschiedener Abnehmergruppen vgl. BGH, in: WuW/E BGH 1 2 4 1 (Registrierkassen). 12 Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1 659 (Thyssen) und KG, in: WuW/E OLG 192 2 (Thyssen). 13 Auch als „Bedarf" der Abnehmer bezeichnet in z.B. BKartA, in: WuW/E BKartA 1 65 4 (Babcock); KG, in: WuW/E OLG 1 1 1 2 (Kleinkuchen) ; BGH, in: WuW/E BGH 1 2 4 1 (Registrierkassen). Das Konzept wird deshalb auch als „Bedarfsmarktkonzept" bezeichnet, vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 16 5 4 (Babcock), u Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1 4 76 (Haindl), WuW/E BKartA 16 4 8 (Erdgas Schwaben) und WuW/E BKartA 1 7 1 7 (Kartoffelstärke).

2.2.6.1 Die Bestimmung der Austauschbarkeit

111

reinen Anwendung des Bedarfsmarktkonzepts für j eden spezifischen Bedarf15 ein eigener Markt anerkannt werden. Insoweit wird jedoch im Rahmen der Fusionskontrolle das reine Bedarfsmarktkonzept durch­ brochen16 . So wurde z. B . im Fall Kartoffelstärke, trotz unterschiedlich­ ster Verwendungszwecke eines einheitlichen Produktes, nur ein Markt angenommen 17 . Die Indentität des Produktes für verschiedene Verwen­ dungszwecke oder auch nur hohe Produktionsflexibilität vergleichbarer

Produkte für verschiedene verwandte Verwendungszwecke18 spricht für die Annahme eines Produktmarktes, der alle diese Produkte um­ faßt10_ Insoweit könnte von einer Klammerwirkung der Produktionsflexi­ bilität gesprochen werden. Noch ist die Praxis allerdings uneinheitlich: In einem Fall20 wurde trotz des weitgehend homogenen Produkts Bitumen wegen unterschiedlicher Verwendungszwecke in Industrie und Straßenbau von zwei Märkten ausgegangen21 . Im bereits zitierten Fall Kartoffelstärke22 wurde mit bestehender Produktionsflexibilität die Zusammenfassung von drei Märkten zu einem einheitlichen Markt be­ gründet23 . Auch im Fall Becorit24 wurden sogar zwei unterschiedliche Grubenausbausysteme (Bockausbau und S childausbau), die in Preis und optimalem Anwendungsbereich differierten, aus Gründen der Pro­ duktionsflexibilität einem einheitlichen Markt zugeordnet. Dies wurde damit begründet, daß es sich bei jeder nachgefragten Ausbauanlage um 15 Zur Anerkennung eines Verwendungszweckes oder speziellen Bedarfs, vgl. Pkt. 2.2.6.1.2 dieser Arbeit. 16 Vgl. Matschuk, Fragen, S. 25. 1 7 Die Verwendungszwecke waren Verarbeitung der Stärke in Speisen, bei der Papierherstellung und bei der Textilienbehandlung, vgl. BKartA, in: WuW/E, BKartA 1717 (Kartoffelstärke). 1 8 So für Gewebe-, Gewirke- und Spezialspannrahmen, da die neue Tech­ nologie zur Produktflexibilität der Hersteller hinsichtlich dieser Maschi­ nen führt, vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1654 (Babcock) und Matschuck, Fragen, S. 27. 1 9 So für das Produkt Strom BKartA, in: WuW/E BKartA 1648 (Erdgas Schwaben), wo auf den Gesamtbedarf nicht auf die einzelnen Verwendungs­ zwecke, z. B. Heizzwecke, Kochzwecke oder Betrieb sonstiger Haushaltsge­ räte, abgestellt wird. Für das Produkt Kartoffelstärke vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1717 (Kartoffelstärke), wo ein einheitlicher Markt für Kar­ toffelstärke trotz unterschiedlichster Verwendungszwecke angenommen wur­ de. Für das Produkt Zement vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1667 (Alsen) , wo ebenfalls keine Unterscheidung nach besonderen Verwendungszwecken erfolgt. Ebenso für das Produkt Kupplungsdruckplatten und Kupplungs­ scheiben vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1626 (Sachs). 20 Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1517 ff. (Bitumen). 2 1 Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1518 (Bitumen). 22 Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1653 ff. (Babcock). 23 Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1654 (Babcock) . 24 Vgl. AG 79, S. 1 1 1 ff.

112

2.2.6 Die Abgrenzung des relevanten Marktes

eine Sonderkonstruktion handele, so daß es auch Zwischenlösungen zwischen Bockausbau und Schildausbau gebe. Trotz einer gewissen Un­

sicherheit in der Praxis erscheint eine Zusammenfassung aller Verwen­ dungszwecke eines Produkts zu einem Markt jedoch praktikabel.

Dies stimmt mit dem Ziel der Fusionskontrolle überein, entstehende Verhaltensspielräume der Marktteilnehmer zu beurteilen. Der Verhal­ tensspielraum des Unternehmens ist nicht nur abhängig von der Aus­ tauschbarkeit seines Produktes für einzelne Verwendungszwecke, son­ dern auch von seiner Möglichkeit zur Massenproduktion und der Mög­ lichkeit der Kunden zum Ausweichen auf andere Bedarfsmärkte des­ selben Produktes. Das Kriterium der Produktionsflexibilität ist daher

bei jeder Marktabgrenzung zu beachten.

Diese Betrachtung führt umgekehrt auch dazu, schon bei fehlender Produktionsfle:iGibilität hinsichtlich bestimmter Größen des hergestell­ ten Produktes verschiedene Märkte anzunehmen25 • Falls es in der Pro­

duktion der Hersteller bestimmte produktionsbedingte Größengrenzen gibt, können Produkte in Größen dies- und jenseits der Grenze ver­ schiedenen Märkten zuzuordnen sein. Diese Grenze wird jedenfalls zwischen Massenproduktion und Einzelproduktion zu ziehen sein. In zahlreichen Fällen wird dieser Grenze auch ein besonderer Verwen­ dungszweck entsprechen26 • Dies ist jedoch nicht zwingend, so daß in Ein­

zel/ällen durchaus wegen fehlender Produktionsflexibilität ein Bedarfs­ markt aus produktionstechnischen Gesichtspunkten in zwei verschie­ dene Märkte geteilt werden könnte27 •

Steht das Produkt oder die Produktgruppe fest, die Teil des sachlich relevanten Marktes ist, so ist zu untersuchen, welche Produkte diesem Markt aufgrund ihrer Austauschbarkeit ebenfalls zugeordnet werden müssen. Probleme entstehen vor allem deshalb, weil ein Produkt hin­ sichtlich verschiedener Verwendungszwecke in unterschiedlicher Weise von unterschiedlichen Produkten substituiert werden kann28 • Substi1

2 5 So z. B. BKartA, in: WuW/E BKartA 1578 ff. (Kaiser), wo Bleche ver­ schiedener Stärke, verschiedener Breite und profilierte Bleche j eweils ver­ schiedenen Märkten zugeordnet wurden. 2 6 Als Abnehmer für Bleche über 2 m Breite kamen vor allem Wohn­ wagenhersteller in Betracht, pofilierte und gewellte Bleche finden vorwie­ gend als Wandverschalung Anwendung. Auf die der Marktabgrenzung zu­ grundeliegenden Verwendungszwecke wurde j edoch in der Entscheidung nicht eingegangen, vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1578 ff. (Kaiser). 27 In vielen Fällen entspricht die Grenze der Produktionsflexibilität j edoch auch einer Preisgrenze (vgl. Serienproduktion-Einzelproduktion), die einer reaktiven Austauschbarkeit der Produkte entgegensteht. 28 So besteht z. B . für das Produkt Strom nur in Höhe von 20 % eine Sub­ stituierbarkeit, in Höhe von 80 % nicht. Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1648, 1649 (Erdgas Schwaben), vgl. auch BKartA, in: WuW/E BKartA 1755 (Bitumen) wo eine Austauschbarkeit dieses Produkts mit anderen Straßen-

2.2.6.1 Die Bestimmung der Austauschbarkeit

113

tutionsprodukte für Verwendungszwecke mit einem nur geringen An­ teil an der Gesamtnachfrage sind dabei nicht zu berücksichtigen19 • Ein austauschbarer Anteil von 8 % der Nachfrage nach dem herge­ stellten Produkt wurde in einer Entscheidung nicht berücksichtigt"" . Ungeklärt ist j edoch, · welche Produkte in einen Produktmarkt einzu­ beziehen sind, wenn ein Produkt zwei gleichgewichtige Verwendungs­ zwecke besitzt und für beide Verwendungszwecke unterschiedlich aus­ tauschbar ist. Diese Frage kann nach den bisherigen deutschen Erfah­ rungen nicht beantwortet werden. Besonderheiten der ,Zeitungsmärkte In Fällen von Pressefusionen werden „Zeitungen" als Oberbegriff von vornherein zwei Märkten zugeordnet. Das Produkt Zeitung wird sowohl vom Zeitungsleser nachgefragt (Lesermarkt) als auch von An­ zeigenkunden (Anzeigenmarkt)31 • Die Austauschbarkeit verschiedener Zeitungsarten, wie z. B. Tageszeitungen32 , Fachzeitungen (Verkehrszei­ tungen) 33 , Kaufzeitungen und Abo-Zeitungen34 und Anzeigenblätter35 kann auf dem Lesermarkt und Anzeigenmarkt unterschiedlich sein31 • Besonders bezüglich der Austauschbarkeit von Abo- und Kaufzeitun­ gen auf dem Anzeigenmarkt herrscht Unklarheit. Während das Bundes­ kartellamt im Fall ASV/München37 diese beiden Zeitungen dort als nicht austauschbar ansieht, werden diese Produkte (Abo- und Kaufzeitun­ gen) in der Entscheidung Springer/Elbe Wochenblattaa nicht unterschie­ den, also einem einheitlichen Anzeigenmarkt zugeordnet. Dieser Wider­ spruch zeigt eine gewisse Uneinheitlichkeit der Marktabgrenzung39 • baustoffen nur für den seltenen Verwendungszweck „Bau von Verkehrs­ nebenflächen", nicht jedoch für den Hauptverwendungszweck „Bau von Stra­ ßen" festgestellt wurde. 2• Vgl. KG, in: WuW/E OLG 1074, 1079 (Feuerfeste Steine). 38 Vgl. BKartA, in: WuW/E 1649 (Erdgas Schwaben), wo festgestellt wurde, daß zu 8 % der Stromentnahme aus dem öffentlichen Netz eine Austausch­ barkeit besteht, die jedoch nicht dazu führte, daß andere Energieträger in den Strommarkt einbezogen wurden. 31 Vgl. z. B. BKartA, in: WuW/E BKartA 1710 ff. (Bertelsmann); WuW/E BKartA 1702 ff. (Springer/Elbe); WuW/E BKartA 1734 ff. (ASV/München), und KG, in: WuW/E OLG 1767 ff. (Kombinationstarif). 32 Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1710 ff. (Bertelsmann). 33 Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1710, 171 1 . 3 4 Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1734 (ASV/München). 35 Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1702 (Springer/Elbe). 36 Vgl. z. B. BKai:'tA, in: WuW/E BKartA 1702 (Springer/Elbe), wo festge­ stellt wird, daß Anzeigenblätter und Tageszeitungen nur auf dem Anzeigen­ markt austauschbar sind. Vgl. zur Problematik der Anzeigenblätter als Presseerzeugnisse Bechtold, Fusionskontrolle, S. 120 ff. 37 Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1734 (ASV/München). 38 Vgl. BKartA, in: WuW/E 1702 (Springer/Elbe) so auch KG, in: WuW/E OLG 1767 ff. (Kombinationstarif). 8 Nelser

114

2.2.6 Die Abgrenzung des relevanten Marktes

Die verschiedene Aufmachung von Kaufzeitungen und Abo-Zeitun­ gen wurde im Fall ASV/München zur Begründung einer fehlenden Austauschbarkeit herang,ezogen40. Die unterschiedlichen Verwendungs­ zwecke, die dieser Abgrenzung zugrunde liegen können, werden jedoch nicht dargelegt. Allein der unterschiedliche Verwendungsort (im Haus oder außer Haus) könnte zu dieser Unterscheidung geführt haben4 1 . In einer Entscheidung wurde auch die unterschiedliche Vertriebsart an die gleichen Abnehmer zur Begründung unterschiedlicher Märkte in diesem Bereich herangezogen42• Die Häufigkeit des Erscheinens und die davaus folgenden Aktualität der Meldungen kann ebenfalls Kriterium für die Zuordnung der Zeitungen zu verschiedenen Märkten sein43. Besonderheiten bei Energiemärkten Es besteht ein eigener Markt für Strom, da nur hinsichtlich eines unbeträchtlichen NachfrageanteilsH eine Austauschbarkeit mit anderen Energieträgern besteht45• In W€1iten Bereichen scheidet eine Wechsel­ benutzung46 aus technischen Gegebenheiten aus4 7, da ein Wechsel mit hohen Kosten (Verlegung eines Anschlusses, Umbau von Geräten) ver­ bunden ist. Es ist deshalb von je einem Markt für Strom, leichtes Heiz­ öl, schweres Heizöl, feste Brennstoffe48 und Gas49 auszugehen. Die Pro­ dukte der Energiemärkte werden jedoch nicht auf einem einheitlichen Markt angeboten, sondern es dst ein Markt auf der Letztverbraucher­ stufe (Letztverbrauchermarkt) und ein Markt auf der Handelsstufe (Verteilermarkt oder Hande1smarkt) zu unterscheiden50 • Diese Märkte haben vor allem unterschiedliche räumliche Ausdehnung5 ' . Die weitere Praxis bleibt abzuwarten. 40 Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1734 ff. (ASV/München). 41 Vgl. die Argumente, in: WuW/E BKartA 1734 ff. (ASV/München). 42 Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1702 ff. (Springer/Elbe) für Anzeigen­ blätter und Tageszeitungen auf dem Lesermarkt, die einerseits durch Ver­ kauf, andererseits durch kostenlose Verteilung vertrieben werden. Vgl. auch BKartA, in: WuW/E BKartA 1734 ff. (ASV/München). 4 3 Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1710, 1711 (Bertelsmann). 44 Vgl. BKartA, in: WuW/E 1649 (Erdgas Schwaben), zur Unbeachtlichkeit dieses Anteils vgl. KG, in: WuW/E OLG 1074, 1079 (Feuerfeste Steine). 45 Im Bereich der Heizenergie, der ungefähr 20 % ausmacht, besteht Aus­ tauschbarkeit von Strom, 01 und Gas. 48 Zur Wechselbenutzung als Kriterium der Austauschbarkeit vgl. vor allem BKartA, in: WuW/E BKartA 1563 (Johnson). 47 Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1649 ff. (Erdgas Schwaben). 48 Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1457 ff. (Veba/Gelsenberg). 49 Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1649 (Erdgas Schwaben); WuW/E BKartA 1720 (Veba/BP). 50 Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1728, 1729 (RWE/Leverkusen) und WuW/E BKartA 1720 (Veba/BP). 51 Vgl. dazu BKartA, in: WuW/E BKartA 1729 ff. (RWE/Leverkusen). 39

2.2.6.1 Die Bestimmung der Austauschbarkeit

1 15

Besonderheiten der Investitionsgütermärkte B esonders im Bereich der Herstellung von Universalmaschinen, die ihrerseits zur Produktion verschiedener Produkte benutzt werden kön­ nen, ist die Marktabgrenzung umstritten. In einem Fall52 wurde ein Markt für Transferstraßen ,als selbständiger Markt im Bereich Werk­ zeugmaschinen für die Metallbearbeitung anerkannt. Einsatzbereich dieser Transferstraßen ist vor allem die automatisierte Massenfertigung gleicher Teile, hauptsächlich in der Automobilindustrie53 • Der Markt für Transferstraßen wurde j edoch nicht in weitere Bedarfsmärkte un­ terteilt, obwohl besondere Ausführungen der Transferstraßen von Nachfr.agern für die unterschiedlichsten Verwendungszwecke benutzt werden. So hätten z. B . Märkte für Transferatraßen für die Herstellung von Motorblöcken und Transferstraßen für die Herstellung von Ma­ schinenbauteilen unterschieden werden können. Transferstraßen sind auch nicht oder nur mit größerem Aufwand umrüstbar auf andere Werkstücke54 • Eine Vernachlässigung der speziellen Verwendungs­ zwecke bei der Marktabgrenzung ist nur so zu erklären, daß dem Ge­ sichtspunkt der Produktionsfl.exibilität Rechnung getragen wurde. D a es sich b e i Transferstraßen weitgehend u m Einzelfertigung handelt, ist j edem Hersteller die Herstellung einer Transferstraße für einen beson­ deren Verwendungszweck möglich. Außerdem handelte es sich um einen vergleichbaren Kundenkreis und die Transferstraßen waren für alle speziellen Verwendungszwecke substitutionslos 55 • An die Austauschbarkeit von Investitionsgütern sind besonders strenge Anforderungen zu stellenH , denn „gerade der Erwerber von Investitionsgütern führt diesen abwägenden Vergleich sorgfältig unter den verschiedensten Gesichtspunkten durch; nur der Nachfrager alltäg­ licher, kurzlebiger Verbrauchsgüter trifft seine Auswahl häufig ,ohne viel Überlegung' (WuW/E OLG 1208) bzw. ,ohne weiteres' (WuW/E OLG 996)" 57 • Allein das Einholen von Angeboten über verschiedene Produkte ordnet diese Produkte nicht zwangsläufig demselben Bedarfs­ markt zu58 • Es bleibt j edoch unklar welche Produkte einem einheit­ lichen Markt zugeordnet werden müssen; diejenigen, die nur eine Vor­ auswahl des Entscheidungsträgers passieren oder sogar nur dasjenige Produkt auf das schließlich die Entscheidung fällt. Bei allen bestehen52 53 5' 55 58 57 58

a•

Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1657 ff. (Thyssen). Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1659 (Erdgas Schwaben). Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1659. Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1659, 1660. Vgl. KG, in: WuW/E OLG 1922 (Thyssen). KG, in: WuW/E OLG 1922. Vgl. KG, in : WuW/E OLG 1922.

1 16

2.2.6

Die Abgrenzung des relevanten Marktes

den Unklarheiten ist aus dieser Entscheidung jedoch herauszulesen, daß die funktionale Austauschbarkeit von Investitionsgütern sehr eng zu bestimmen ist. 2.2.6.1.2 Die amerikanische Erfahrungen der Marktabgrenzung Das amerikanische Recht geht nicht vom Begriff der Marktbeherr­ schung aus, knüpft jedoch die Rechtsfolge an eine Wettbewerbsver­ minderung an, so daß auch im amerfäanischen Recht sowohl der Pro­ duktmarkt als auch der geographische Markt vor Feststellung der zu erwartenden Auswirkungen des Zusammenschlusses abgegrenzt wer­ den müssen59 • Der Abgrenzung des Produktmarktes kommt eine beson­ dere Bedeutung zu, weil ähnliche Kriter,ien auch bei der Abgrenzung des geographischen Marktes herangezogen werden80 • Außerdem gilt auch im amerikanischen Recht die Aussage, daß die Marktbestimmung in Zusammenschlußfällen eine andere ist ,als z. B. in Monopolisierungs­ fällen81 und daß auch die volkswirtschaftliche Marktabgrenzung nicht ohne weiteres übernommen werden kann62 • Auch in den USA trägt die Behörde die Beweislast für die Marktabgrenzung"3 • In der ersten Supreme Court-Entscheidung gemäß Sec. 7 Clayton Act64 wandte das Gericht zwar die in Du Pont (Zellophan) 65 benutzten Kriterien der vernünftigen Austauschbarkeit und der Kreuzelastizität an, betonte jedoch vor allem die Bedeutung der sog. ,,well-defined sub­ markets"66. Das Problem dieses Falles war das Bestehen einer hohen Produktionsflexibilität, j edoch so gut wie keiner Kreuzpr,eiselastizität zwischen den Märkten für Herren-, Damen- und Kinderschuhe. Es war zu bestimmen, wie genau die Funktionen beschrieben werden müssen, die bei der Beurteilung der funktionalen Austauschbarkeit herangezo­ gen werden. Der Obermarkt Schuhe wurde dabei iri mehrere „submar­ kets" unterteilt, die als relevante Märkte angesehen wurden87 • Für die Feststellung und Anerkennung eines solchen „submarket" gibt die Ent­ scheidung mehrere Voraussetzungen an: 59

So z. B. ausdrücklich in den Fällen US vs. Brown Shoe Co, 370 US 294 und US vs. Du Pont de Nemours, 351 US .377 (1956). 60 Vgl. 370 US 294 (1962) (Brown Shoe). 61 Vgl. dazu Kaufer, Marktmacht, S. 83 mit Vergleich zu Sec. 3 Clayton Act. 62 Vgl. Sullivan, S. 605, 606. 68 Vgl. den Fall US vs. Bethlehem Steel Co, 157 FSupp. 877 (1958). u Vgl. 370 US 294 (1962) (Brown Shoe). 65 Vgl. 351 US 577 (1956). 66 Vgl. 370 US auf S. 325, 326, diese Submärkte werden nach besonderen Beschaffenheiten und Verwendungszwecken der Produkte bestimmt. Vgl. auch den Fall International Shoe Co. vs. FTC, 280 US 291 (1930). 67 Vgl. 370 US 294 ff. auf S. 325 und den Fall US vs. Pennzoil, 252 FSupp. 962 (W.D. Pa 1965). (1962)

2.2.6.1 Die Bestimmung der Austauschbarkeit

1 17

1. Anerkennung des Marktes durch die Hersteller als eine selbstän­ dige ökonomische Einheit, 2. Anerkennung durch die Öffentlichkeit als bestimmter M arkt, 3. Vorliegen besonderer Produkteigenschaften für Produkte des „sub­ market" , 4. Vorhandensein besonderer Produktnutzungen oder Nutzungsmög­ lichkeiten für Produkte des „submarket" , 5. Erforderlichkeit einer einzigartigen Produktion dieser Produkte (gewisse Produktionsinelastizität), 6. Absatz an besondere Käuferkreise dieses „submarket" , 7. Vorliegen unterschiedlicher Preise, 8. Abhängigkeit von Preisänderungen von Konkurrenten auf dem Markt und 9. Vorliegen verschiedener Vertriebswege über spezialisierte Verkäu­ fer. Damit war die Theorie der „peculiar characteristics and uses" der besonderen Beschaffenheiten und Verwendungszwecke68 genauer spe­ zifiziert. Zu Recht wird diesem Urteil j edoch Unklarheit und Inkonse­ quenz vorgeworfen69 , und es ist unklar, warum schließlich doch der Schuhmarkt und nicht die einzelnen . Untermärkte bei der Beurteilung des vertikalen Aspekts herangezogen wurde. Wegen solcher Unge­ nauigkeiten .gewann man das Gefühl, daß die Richter meist schon un­ abhängig von der Marktbestimmung Wettbewerbswirkungen erkennen und die Marktabgrenzung dann dem gefundenen Ergebnis anpassen70 • Eine weitere Entscheidung7 1 grenzt einen Markt ohne die oben ange­ führten Kriterien als „commercial banking" ab. Wettbewerb mit Nicht­ banken in bestimmten Bankleistungen bleibt unberücksichtigt72 • Eine Aufteilung nach verschiedenen Dienstleistungen der Bank, die ver­ schieden genutzt werden könnten, unterbleibt. Von den vier Fällen des Supreme Court von 196473 sind für die Marktabgrenzung nur Alcoa und Continental Can interessant. Im e11Sten Fall entschied das Gericht widersprüchlich, daß vier getrennte relevante Märkte 88 Vgl. 351 US 577 (1956) (Du Pont). 89 Vgl. z. B. Kaufer, Marktmarkt, S. 102, 103; und Sullivan, S. 606, 607. 79 Vgl. · so auch z. B. Kaufer, Marktmacht, S. 107 und Fn. 134 mit weiteren Nachweisen zur Kritik. 71 US vs. Philadelphia National Bank, 374 US 321 (1963). 72 Vgl. 374 US 321 ff. auf S. 356. 7 3 US vs. EI Paso, TC § 71073 (1964); US vs. Penn Olin Chemical Co., TC § 71147 (1964); US vs. Alcoa, TC § 71116 (1964); US vs. Continental Can, TC § 71146 (1964).

2.2.6 Die Abgrenzung des relevanten Marktes

118

1. der Markt für isolierte Aluleitungen, 2. der Markt für isolierte Kupferleitungen, 3. der Markt aller Kupferleitungen und 4. der Markt aller Aluleitungen vorhanden seien7'. Die beiden ersten Märkte konnten mit besonde­ ren Verwendungszwecken begründet werden. Für die beiden letzten Märkte ist jedoch schwer vorstellbar, daß für einen Verwendungs­ zweck isolierte und nicht-isolierte Kabel in Konkurrenz stehen75 • Im zweiten Fall, in dem ein Metallbehälterfabrikant Anteile an einem Glasbehälterproduzenten erworben hatte, hielt das Distriktgericht die Austauschbarkeit der unterschiedlichen Behälter für nicht gegeben, da rasche Betriebsumstellungen der Abfüllfabriken nicht möglich seien. Der Oberste Ger.ichtshof erklärte jedoch wegen der gegebenen Aus­ tauschbarkeit Glas- und Metallbehälter als zu einem gemeinsamen Markt gehörig, ohne jedoch auf andere Behälter, wie z. B. Plastikfla­ schen oder gewachste Kartonbehälter einzugehen78 • Trotz geringer Nachfrageelastizität, Produktionsflexibilität und Wechselbenutzungs­ möglichkeit wurde hier die funktionale Austauschbarkeit bej aht. Die Nichteinbeziehung weiterer vergleichbarer Verpackungsbehälter ist allerdings unverständlich. Bei der Berücksichtigung des Preises zur Beurteilung der Austausch­ barkeit besteht das Problem, eine Preisgrenze festzulegen, darin, daß die Grenzen so breit sein müssen, daß auch jeder bestehende Wettbe­ werb berücksichtigt wird77 • Eine eindeutige Grenze wie z. B. Schuhe für mehr oder weniger als 9 Dollar Kaufpreis ist wenig praktikabel. Ne­ ben dem Preis ist bei der . Beurteilung der wirtschaftlichen Austausch­ barkeit vor allem auch auf Lebensdauer, Haltbarkeit, wiederholte Be­ nutzungsmögliichkeit und Geschmackspräferenzen abzustellen78 • Ein ein­ deutiges Beispiel von nicht bestehender reaktiver Austauschbarkeit Vgl. den Fall ,Alcoa', a. a. 0. Nicht-isolierte Kabel werden vorwiegend für Überlandleitungen be­ nutzt, während isolierte Kabel bei Erdverlegungen Anwendung finden. Diese beiden Verwendungsformen sind als Märkte anzuerkennen. Warum das Gericht nicht Märkte für nicht-isolierte Kupferleitungen und nicht-isolierte Aluleitungen gebildet hat, ist unverständlich. Vgl. zur Kritik auch Kauter, Marktmacht, S. 1 16. 78 Vgl. TC 71146 auf S. 79522 (1964) (Continental Can). 77 Vgl. 370 US 294 (1962) (Brown Shoe). 78 Anders jedoch im Fall General Foods Co. vs. FTC, 386 F 2nd 936 (3 C, 1967), wo zwar Preisvergleiche zwischen Reinigungskissen angestellt wurden, jedoch ausdrücklich die wahrscheinliche Lebensdauer unberücksichtigt blieb. Da alle Gründe für Käuferpräferenzen berücksichtigt werden müssen und die Lebensdauer für die Kaufentscheidung bedeutsam sein kann, ist die Nichtberücksichtigung dieses Kriteriums unverständlich. 7

'

75

2.2.6.l Die Bestimmung der Austauschbarkeit

119

wegen eines hohen Preises lag bei einem Sportartikelhersteller vor, der sowohl Sportartikel für Wettkämpfe als auch für Freizeitsport her­ stellte79 . Die Produkte waren (zumindest einseitig) funktionell aus­ tauschbar, die Preisunterschiede und Qualitätsunterschiede j edoch so hoch, daß ein tatsächlicher Austausch nicht stattfand. Bei Beurteilung der wirtschaftlichen Austauschbarkeit sind auch Transportkosten zu berücksichtigen. Eine besondere Berücksichtigung finden diese Trans­ portkosten im Rahmen der Abgrenzung des geographischen Marktes80 • Zusammenfassung Auch die Marktabgrenzung der amerikanischen Praxis ist unsicher und widersprüchlich. Besonders in Fällen unterschiedlicher Produk­ tions- und Kreuzpreisel,astizität und verschiedenen Verwendungs­ zwecken -eines einheitlichen Produktes bestehen gleiche Schwierigkei­ ten wie in der deutschen Praxis. Mit der Theorie der „peculiar charac­ teristics and uses" wurde versucht, aus einem Produktobermarkt Un­ termärkte zu bilden, die dann als relevante Märkte zu betrachten sind. 2.2.6.1 .3 Analyse der bisherigen Praxis Unter Berücksichtigung der bisherigen deutschen und amerikani­ schen Praxis wird folgende zweistufige Vorgehensweise bei der Markt­ abgrenzung vorgeschlagen: Ausgehend von einem Produktoberbegriff wie z. B. Werzeugmaschi­ nen für Metallverarbeitung81 , Verpackungsmaterial 82 oder Antriebstech­ nik83 werden die Produkte unter Brücksichtigung der Theorie der ,pe­ culiar characteristics and uses' soweit differenziert (Transferstraßen zur automatischen Massenfertigung8', Cellophan, verstellbare Hoch­ druckeinheiten bei hydrostatischen Antriebsarten86) , bis eine weitere Differenzierung der Produkte keinen besonderen Verwendungszwecken mehr dienen würde. Die Kriterien der ,peculiar characteristics and uses' werden dabei herangezogen, um festzustellen, ob ein Verwen­ dungszweck anzuerkennen ist. Hier besteht das Problem, präzisere

Kriterien zur Anerkennung von ,peculiar characteristics and uses' zu entwickeln88 •

70 Vgl. Spalding Brothers Inc. vs. FTC, 301 F 2nd 585 (3 C, 1962). 80 Vgl. Erie Sand u. Gravel Co. vs. FTC, 291 F 2nd 279 (3 C, 1962). Zur Abgrenzung des geographischen Marktes vgl. Pkt. 2.2.6.2 dieser Arbeit. 81 Vgl. WuW/E BKartA 1658 (Hüller). 82 Vgl. US vs. Du Pont de Nemours, TC § 67633, S. 69012 (P. Del. 1953). 8 3 Vgl. WuW/E BKartA 1668 (Alsen). 84 Vgl. WuW/E BKartA 1659 (Thyssen). 85 Vgl. WuW/E BKartA 1668 (Alsen). 86 Vgl. dazu Klauss, Marktmacht, S. 130 m. w. N.

1 20

2.2.6 Die Abgrenzung des relevanten Marktes

Beispiele aus der bisherigen Praxis für Produkte, die nicht weiter nach verschiedenen Anwendungsgebieten differenziert wurden, sind Zement (keine Unterscheidung nach unterschiedlichen Qualitäten) 87 , Kupplungsdruckplatten (keine Unterscheidung nach verschiedenen Größen) 88 , Kartoffelstärke (keine Unterscheidung nach weiteren spe­ ziellen Anwendungsgebieten) 89 , Cellophan (keine Unterscheidung nach verschiedenen Verpackungszwecken wie z. B. Zigaretten, Süßigkeiten, gefrorene Lebensmittel usw.) 9° . Hierbei ist vor allem hohe Produk­ tionsflexibilität oder sogar Identität des Produkts für verschiedene Verwendungszwecke zu beachten91 • Nach dieser ersten Stufe der Betrachtung steht das Produkt fest, das als ein Produkt auf dem relevanten Bedarfsmarkt angesehen werden muß . In einem zweiten Schritt erfolgt die Erweiterung des Produkt­ marktes durch das Konzept der ang•emessenen Austauschbarkeit, wo­ nach auch andere Produkte in den Markt dann einbezogen werden, wenn sie nach Verwendungszweck, · Beschaffenheit und Preis für aus­ tauschbar angesehen werden müssen. Bei dieser Betrachtung wird der Produktmarkt zum Bedarfsmarkt erweitert92 • Probleme entstehen hier vor allem bei nur partieller Austauschbarkeit oder unterschiedlicher Austauschbarkeit93• Eine unterschiedliche Austauschbarkeit91 spricht al­ lerdings bereits für Anerkennung der Verwendungszwecke als ,pecu­ liar use', so daß insoweit eine Wechselwirkung zwischen den Ergebnis� sen der zweistufigen Prüfung besteht. Die weitere Praxis wird es ermöglichen, die Kriterien zur Anerken­ nung von ,peculiar characteristics and uses' und der angemessenen Austauschbarkeit weiter zu konkretisieren und zu verfeinern. Es wäre

zu begrüßen, falls das Bundeskartellamt in nicht untersagten grund� sätzlichen Fällen seine Marktabgrenzung veröffentlichte. Dies könnte die Informationsbasis zur Bestimmung von Marktabgrenzungskriterien erweitern95 und zu einer schnelleren Weiterentwicklung der Marktab­ grenzungspraxis führen.

Vgl. WuW/E BKartA 1667 (Alsen). Vgl. WuW/E BKartA 1626 (Sachs). 88 Vgl. WuW/E BKartA 1717 (Kartoffelstärke). 90 Vgl. Singer, Antitrust Economics, S. 60. 91 Vgl. zur Klammerwirkung der Produktionsflexibilität in der bisherigen Praxis, Pkt. 2.2.6.1.l dieser Arbeit. 92 Z. B. Einbeziehung von Anzeigenblättern in den Anzeigenmarkt von Tageszeitungen, vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1702 (Springer/Elbe). 93 Vgl. dazu bereits Pkt. 2.2.6.1 . 1 dieser Arbeit. 94 So im Fall ,Kartoffelstärke', WuW/E BKartA 1717 ff., wo das BKartA allerdings von dem Gesamtmarkt für alle Verwendungszwecke ausging. 95 Wäre dies bisher geschehen, lägen ca. 1000 anstelle von 23 veröffent­ lichten Marktabgrenzungen in Fusionsfällen vor; in. vielen Bagatellfällen ist allerdings anzunehmen, daß das BKartA keine exakte Marktabgrenzung durchführt, so daß deren Veröffentlichung unterbleiben könnte. 87

88

2,2.6.2 Die räumliche Marktabgrenzung

1 21

2.2.6.2 Die räumliche Marktabgrenzung 2.2.6.2.1 Erforderlichkeit der räumlichen Marktabgrenzung Da die Marktstärke eines Unternehmens von der Stärke seiner Wett­ bewerber abhängt, muß auch räumlich das Gebiet festgelegt werden, in dem die Anbieter der sachlich gleichen Ware oder Leistung als Wett­ bewerber angesehen werden können und müssen. Dabei kann es keine Rolle spielen, ob die Ausnahme des § 24 Abs. 8 Nr. 3 (a. F.) GWB vorlie­ gen könnte oder nicht. In dieser Ausnahme wurde von dem Gebiet der Wettbewerbsbeschränkung gesprochen und nicht von dem räumlichen Markt. Die geographische Marktabgrenzung legt nicht auch zugleich das Gebiet fest, in dem sich die Wettbewerbsbeschränkung auswirkt96 • Das Auswirkungsgebiet kann also größer sein, als das Gebiet des räum­ lich relevanten Marktes97 • Für die räumliche Marktabgrenzung gibt das GWB keine Kriterien an, beschränkt jedoch als größten zu berücksichtigenden Markt die Be­ trachtung auf das Gebiet des Geltungsbereiches des GWB 98 • Aus dieser Vorschrift wird weiter gefolgert99 , daß eine räumliche Marktabgren­ zung nicht erforderlich ist, falls nicht konkrete Anhaltspunkte vorlie­ gen, daß nur ein bestimmter Teil des Geltungsbereichs als Markt angesehen werden muß. In den meisten Fällen w,ird deshalb ohne auf Krite�ien einzugehen, das Bundesgebiet einschließlich Westberlin als relevanter Markt angenommen. Die Bedeutung der räumlichen Markt­ abgrenzung ist daher gering,er100 • Erst in neueren deutschen Entscheidun98 Vgl. Kammergericht, in: WuW/E OLG 1990 (Zementmahlanlage). Danach muß aus § 24 Abs. 8 Nr. 3 (a. F.) GWB der Schluß . gezogen werden, ,,daß Jeder Zusammenschluß, der Wirkungen in einem wesentlichen Teil entfaltet, unge­ achtet einer weiterreichenden Tätigkeit des marktbeherrschenden Unter­ nehmens eine Untersagung rechtfertigt". Daß „sich der Zuwachs an Markt­ macht durch den Zusammenschluß nicht unmittelbar in dem gesamten Gebiet auswirkt . . . ist unerheblich" . Vgl. auch B KartA, in: WuW/E BKartA 1777 (Transportbeton I). 97 So auch Kleinmann, Bechtold, § 24 Rdnr. 97. 98 Vgl. § 98 Abs. 2 GWB . Das GWB gilt gemäß § 107 GWB auch in Berlin, wo die Neufassung des GWB durch Bekanntmachung vom 18. 4. 1974 (BVBL S. 1073) übernommen wurde. Für die Anwendung der § 22 ff. GWB auf Zu­ sammenschlüsse, an denen ausländische Unternehmen beteiligt sind und . die amerikanische Beurteilung von solchen Zusammenschlüssen, vgl. Kleinmann, Bechtold, Einl. Rdnr. 5 1 , § 24 Rdnr. 319; TB 75, S. 45; Schwartz, Kartellrecht, S. 31 ff., 259; Rehbinder, Kartellrecht, S. 228; Krumbein, Wirkung; Brewster, Extraterritorial Applicatlon; Barnard, International Mergers; Friedman, Joint Ventures; Graham, Foreign Interests; Kintner, International Primer; Haight, International Law; Kronstein, Extraterritorial Application; Spivack, International Joint Ventures; Scott, Transnational Mergers; Victor, Mergers; Note, Extraterritorial Application; Comment, Foreign Acquisition und OECD, Mergers, S. 45 ff. 99 Vgl. Kleinmann, Bechtold, § 22 Rdnr. 41, Niederleithinger, § 22 Rdnt. 13. 100 Vgl. Emmerich, Praxis der Fusionskontrolle I, S. 89.

122

2.2.6 Die Abgrenzung des relevanten Marktes

gen wurde auf die Abgrenzung des relevanten räumlichen Marktes näher eingegangen101 • Die Kriterien zur Abgrenzung der geographi­ schen Marktes in der bisherigen amerikanischen und deutschen Praxis werden im folgenden dargestellt. 2.2.6.2.2 Die Kriterien der amerikanischen Praxis zur räumlichen Marktabgrenzung Sec. 7 Clayton Act fordert die Erwartung von Wettbewerbsminde­ rungen in „any section of the country" . Dies wurde so ausgelegt, daß neben dem Produktmarkt auch der geographische Markt bestimmt werden muß 102 • Außerdem wurde festgestellt, daß bei mehreren abge­ grenzten geographischen Märkten der Nachweis genügt, daß die Wett­ bewerbseffekte in einem der Märkte vorliegen103 • In diesem Zusammen­ hang wurde auch von geographischen Submärkten gesprochen10 ' . Es schien jedenfalls eindeutig, daß Sec. 7 Clayton Act eine Abgrenzung des geographischen Marktes erfordert 106• Eine weitere Entscheidung steht dem j edoch entgegen106 • Hier entschied der Supreme Court, daß eine Feststellung des geographischen Marktes „by metes and bounds" nicht erforderlich sei. Es reiche aus, wenn sicher sei, daß der Zusam­ menschluß irgendwo in den USA die bestimmten Effekte zeitigte, auch faUs dieses Gebiet nicht bestimmbar sei1°7 • Das Distriktgericht hatte aus diesem Grund die Klage abgewiesen108 • In § 3 (ii) der Merger Guide­ lines von 1968 109 wird allerdings wieder ein analysierender Weg ein­ geschlagen : Es wird auf Gebiete, in denen das Produkt verkauft wird, abgestellt, die begrenzt sein können durch erhebliche Transportkosten, Fehlen von Verkaufsniederlassungen, Unbequemlichkeit für Kunden oder bestehende Käuferpräferenzen für bestimmte Produkte. Auch in einer neueren Entscheidung 1 10 wird der geographische Markt wieder genauer betr-achtet und die Entscheidung Pabst so interpretiert, daß eine Betrachtung von Einzelmärkten nur dann nicht notwendig ist, 1 01 Vgl. z. B . KG, in: WuW/E OLG 1989 ff. (Zementmahlanlage), und BKartA, in: WuW/E BKartA 1771 ff. (Transportbeton) ; WuW/E 1753 ff. (Bitu­ minöses Mischgut) und WuW/E BKartA 1747 ff. (Anzag). 102 Vgl. Transamerica Co. vs. Board of Governors of the Federal Reserve System 206 F 2nd 163 (3 C, 1953) auf S. 167; US vs. Brown Shoe, 370 US 294 (1962) auf S. 320, 324, Florida East Coast Ry. vs. US, 242 FSupp. 14, (S. D. Flo. 1966), s. 22. 1 0s 370 US 294 ff. auf S. 337 (Brown Shoe). 104 Vgl. z. B. 370 US 294 ff. auf S. 336 (Brown Shoe). 105 Vgl. Hale, Geographie Market, S. 538 Fn. 2 und S. 539. 1 08 Vgl. US vs. Pabst Brewing Co., 384 US 546 ff. (1966). 10 1 ibid., S. 549, 550. 1 0s V gl. 233 FSupp. 475 (E.D. Wisc. 1965) . 100 Abgedruckt i n Anhang 3 dieser Arbeit. 110 Vgl. US vs. Marine Bancorporation Inc., 418 US 602 (1975).

2.2.6.2 Die räumliche Marktabgrenzung

1 23

wenn die Effekte in allen Gebieten auftreten werden1 1 1 • Von der Er­ forderlichkeit einer geographischen Marktabgrenzung ist daher auch für das amerikanische Recht auszugehen. Vor allem im Hinblick auf Marktanteile, denen bei der Entschei­ dung nach Sec. 7 Cl,ayton Act eine große Bedeutung zukommt, muß die Marktaibgrenzung auch in geographischer Weise möglichst exakt betrieben werden, um die Rechtssicherheit zu erhöhen112 und die Be­ stimmungen des Marktes nicht nur als ex post Rationalisierung des getroffenen Urteils erscheinen zu lassen113 • Die Formulierung „any section of the country" in Sec. 7 Clayton Act wurde interpretiert als wirtsch•aftlich bedeutender geographischer Markt114 • Es besteht Einigkeit, daß der geographische Markt nur durch ökonomische Grenzen bestimmt sein kann116 • Ist für die Ausübung des Gewerbes eine Konzession erforderlich, so ist der relevante Markt auf das Gebiet beschränkt, in dem diese Kon­ zession gilt 1 1 8 • Transportkosten können eine ökonomische Grenze be­ sonders bei Produkten mit geringem Verkaufspreis pro kg bedingen11 7• Aus der Entfernung des Produzenten zum Abnehmer kann eine natür­ türl,iche Marktgrenze entstehen118 • In diesen Fällen hängt die Markt­ grenze jedoch von der Entfernung zum nächsten Produzenten ab 11 9 • Auch die Transportzeit kann vor allem bei verderblichen Gütern eine ökonomische Grenze darstellen120 • Besonders auf Märkten der täg­ lichen Bedarfsdeckung wurde die Kundenbequemlichkeit als entscheiA.a. 0., S. 6 2 1 Fn. 2 0. Vgl. Anmerkung, Pabst Brewing Co., S. 5 86 Fn. 31. Vgl. Neale, Antitrust, S. 1 27. 114 Vgl. Tampa Electronic Co. vs. Nashville Co., 3 65 US (1 9 67) auf S. 3 2 7 und US vs. Philadelphia National Bank, 3 7 4 US 3 21 (1 9 6 3) auf S.357. 115 Vgl. 3 8 4 US 556, 55 7 (Pabst) (1 96 6) und Case Swayne Co. vs. Sunkist Growers, 3 69 F 2nd 4 4 9. 1 1 8 Vgl. z, B. 1 6 8 FSupp. 5 7 6 (Bethlehem) (S.D.N.Y. 195 8). 11 7 So z.B. bei Sand, Kies, Beton. 118 Vgl. Hale, Geographie Market, S. 551. 11 9 Weitere Beispiele sind z.B. American Crystal Sugar Co. vs. Cuban­ American Sugar Co., 15 2 FSupp. 3 87 (S.D.N.Y. 1 95 7} auf S. 398; US vs. Kimber­ ley-Clark Corp., 2 6 4 FSupp. 4 39 (C.D. Cal 1 9 6 7) (Papier); US vs. Bliss and Laughlin Inc., TC § 7 0 73 4 (Stahlbarren), Erle Sand and Gravel Co. vs. FTC, 291 F 2nd 2 79 (3 C, 196 1), 2 81 (Sand, Kies) und US vs. Penn Olin, 21 7 FSupp. 110 (W.D. Pa 196 4) auf S. 1 2 0. 120 Vgl. z.B. FTC vs. OKC Dkt. 880 2 ( 197 0) und FTC vs. Crown Zellerbach, Dkt. 6 18 0 ( 1954), vgl. auch 296 F 2nd 8 0 0 (9 C, 1961) (Crown Zellerbach). Ein weiteres gutes Beispiel ist der Fall des Transportkistenherstellers, dessen relevanter Markt als 1 0 Meilen um seine Fabrik festgelegt wurde, da die erforderliche kurze Lieferzeit wegen mangelnder Lagermöglichkeit bei Kun­ den ihn im weiteren Umkreis nicht konkurrenzfähig sein ließen. Vgl. FTC vs. Inland Container Co., Dkt. 7 99 3 ( 19 60). 111

11 2 118

124

2.2.6 Die Abgrenzung des relevanten Marktes

dendes Kriterium für die Abgrenzung des geographischen Marktes an­ gesehen. Dies ist z. B. der Fall bei Banken und Einzelhandelsketten, wo Kundenbequemlichkeit und Kundenbeweglichkeit den Markt be­ grenzen121. Die Anwendung der amerikanischen Kriterien · Der tatsächlich von einer Firma belieferte Markt ist anhand der Kundenlisten meist leicht festzustellen. Da es jedoch bei Sec. 7 Clay­ ton Act um die Bestimmung des Gebietes geht, in dem Wettbewerb herrscht, kann auch die Nichtlieferung in bestimmte Gebiete eine Folge des Wettbewerbs sein, so daß auch bestimmte nicht ,belieferte Gebiete zum Markt gehören müssen. Nicht nur das Gebiet der aktuellen Markt­ teilnahme, sondern auch das Gebiet . der potentiellen Marktteilnahme gehört zum geographischen Markt122 • Somit könnte man den zu bestim­ menden geographischen Markt als Gebiet des (tatsächlichen und) mög­ lichen Absatzes beschreiben. In Anlehnung an Überlegungen zur Be­

stimmung des Produktmarktes (zur reaktiven Austauschbarkeit123) ist das Gebiet zu bestimmen, in dem Produkte des Lieferanten noch für austauschbar angesehen werden, auch wenn die Kaufentscheidungen vermehrt auf einen lokalen Lieferanten fallen. Dies entspricht der Er­ kenntnis, daß die . geographische Marktabgrenzung und die Produkt­ marktabgrenzung nach vergleichbaren Kriterien erfolgen12' . 2.2.6.2.3 Die Kriterien der deutschen Praxis zur räumlichen Marktabgrenzung Als Kriterien der Marktabgrenzung wurden z. B. Käuferpräferen­ zen 125, Beschaffenheit ·der Ware126, Transportkosten127 genannt. Oft bleibt die Begründung der Abgrenzung des räumlich relevanten Marktes je12 1 Zu weiteren ökonomischen Marktgrenzen vgl. Hale, Geographie Market, s. 252 ff. 122 Vgl. dazu FTC vs. Pillsbury Mills, Dkt. 6000 und Spalding vs. FTC, 301 F 2nd 585 (3 C, 1962) auf S. 606, 607; trs vs. Manufaeturers of Hanover Trust Co., 240 FSupp. 867 (S.D.N.Y. 1965) auf S. 900, 901; US vs. Bethlehem Steel Co., 168 FSupp. 576 (S.D.N.Y. 1958) auf S. 599 und US vs. EI Paso Natural Gas Co., 376 us 651 (1964) aufs. 658, 661. · m Vgl. Pkt. 2.I.4J dieser Arbeit. 1 24 Vgl. US vs. Du Pont de Nemours, 353 US 586 auf S. 593 (1957). Zur abwegigen Theorie der „area of overlap" vgl. US vs. Continental Oil Co., 377 US 161 (1964) und Columbia Gas and Eleetrie Co. vs. US., 151 F 2nd 461 (6 C, 1945) auf S. 463, 464 und 468. Zur Kritik dieser Theorie vgl. Hale, Geographie Market, S. 546 m. w. N. 1 25 Bei Banken vgl. TB 1974, S. 40 (Girokasse). 12 8 Bei Apotheken vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1748 (Anzag). 127 Bei regionalen Zeitungen vgl. Hildebrandt, Pressewesen, S. 76. Zu rechtlichen Gründen z. B. Konzessionserforderlichkeit oder Demarkation, in: WuW/E BGH 1299, 1301 (Strombezugspreis).

2.2. 6. 2 Die räumliche Marktabgrenzung

12 5

doch weitgehend im Dunkeln128• In neueren Entscheidungen wird aber deutlich, daß in der Praxis auf das tatsächliche Liefergebiet abgestellt wird, anstatt zu prüfen, ob nicht auch in anderen Gebieten das Unter­ nehmen als Anbieter auftritt129 • In Entscheidungen wurden z. B . Ge­ biete abgegrenzt, wo 90 . % der Umsätze erzielt wurden oder in die „im wesentlichen" geliefert wurde. Dies mag aus praktischen Gründen ge­ schehen, ist j edoch nur dann. zutreffend, falls man von der Annahme ausgeht, daß j edes Unternehmen seine wettbewerblichen Fähigkeiten ausschöpft 130 • Besonders bei expandierenden Unternehmen und in frü„ hen Marktphasen ist das Absatzgebiet nur ein Teil des direkten Ein­ flußgebietes und in der Größe zudem unbeständig. Die praktizierte Be­ trachtung läßt die Marktumsatzanteile höher erscheinen als sie in Wirk­ lichkeit sind, da bei solcher Definition sogar Gebiete denkbar sind, die zu keinem örtlichen Markt gehören. Generell erscheint deshalb ein Ab­ stellen auf das Gebiet, in das Angebote abgegeben werden, besser ge­ eignet, das Gebiet der unmittelbaren Wettbewerbswirkung festzule­ gen' 31 . Einwände gegen die Berücksichtigung des Angebotsradius als Grenze des örtlichen Marktes statt des Absatzradius bestehen vor allem darin, daß Angebote von Unternehmen abgegeben werden könnten, um den Markt ,auszuweiten, ohne daß tatsächlich eine Abschlußchance bestünde. Dem könnte j edoch dadurch begegnet werden, daß man z. B. auf das Gebiet abstellt, in das 90 % der Angebote des letzten Ge­ schäftsjahres gesandt wurden. Ein solches Kriterium würde das Gebiet, in dem Wettbewerbswirkungen des Unternehmens bestehen, besser bestimmen als der reine Absatzradius. Ein weiteres Problem besteht darin, daß die Grenzen des räum­ lichen Marktes sich nicht mit politischen Grenzen (Gemeinde-, Kreis-, Landesgrenzen) decken, so daß der Markt durch politische Bezugs­ punkte nur unscharf abgegrenzt werden kann132 • Es ist jedoch nicht ersichtlich, warum auf politische Grenzen abgestellt werden muß, so­ weit die politische Grenze nicht aus tatsächlichen Gründen eine Markt129 Vgl. z.B. BKartA, in: WuW/E BKartA 17 0 0, 17 0 1 (Springer/Elbe) für das Gebiet der Stadt Hamburg. 129 So z.B. in den Fällen „Bituminöses Mischgut" WuW/E BKartA 17 54, ,,Transportbeton I und II", WuW/E BKartA 1771 ff., .,Anzag/Holdermann" WuW/E BKartA 17 4 8; vgl. auch „Zementmahlanlage" WuW/E OLG 1989 und dazu Emmerich, Praxis der Fusionskontrolle I, S. 89. , 30 Nach KG, in: WuW/E OLG 1 990 (Zementmahlanlage) soll es auf den tech­ nisch möglichen Absatzradius aber auch nicht ankommen, falls dieser aus tatsächlichen Gründen nicht ausgeschöpft werde. Wird wegen kostengünsti­ gerer Produktion der Konkurrenz das technisch mögliche Absatzgebiet nicht ausgenutzt, soll auf das tatsächliche Absatzgebiet abgestellt werden. 131 So auch die amerikanische Praxis, vgl. Pkt. 2.2.6. 2.2 (a.E.) dieser Ar­ beit. Indiz könnte auch das Werbungsgebietsein. 132 Vgl. vor allem den Fall „Transportbeton I" WuW/E BKartA 1774.

126

2.2.6 Die Abgrenzung des relevanten Marktes

schranke darstellt133 • Eine topographische Grenzziehung entspricht oft besser den ökonomischen Grenzen (so z. B . bei Flüssen und Gebirgs­ zügen). Besonders in Fällen, in denen ein nur auf einem Regionalmarkt täti­ ges Unternehmen, das aber mit Unternehmen anderer Regionalmärkte verbunden ist, sich mit einem anderen Unternehmen zusammen­ schließt, taucht die Frage auf, ob nur der direkt betroffene Regional­ markt oder auch die Regionalmärkte der verbundenen Unternehmen zusammen als ein Markt angesehen werden müssen. Problematisch kann die Beantwortung der obigen Frage wegen § 24 Abs. 8 Nr. 3 n. F. GWB oder wegen der Höhe der Marktanteile sein. Besitzt ein Mutterunternehmen mehrere selbständig produzierende und v,e rtreibende Tochterunternehmen, die j ewens nur in eng begrenz­ ten regionalen Märkten tätig sind, so hängt die Bildung eines sich aus den Regionalmärkten zusammensetzenden Gesamtmarktes oder die Be­ trachtung der einzelnen Regionalmärkte davon ab, ob der besondere Verhaltensspielraum der Obergesellschaft oder die Alternativmöglich­ keiten der Nachfrager im Vordergrund stehen. Dabei werden unter­ schiedliche Aspekte der Marktmacht in den Mittelpunkt gerückt. Im ersten F,all wird die Marktmacht gegenüber Konkurrenten betont, während die Betrachtung der Einzelmärkte die Marktmacht gegen­ über Abnehmern betont. Richtig erscheint, in erster Linie auf den Ge­ samtmarkt der Obergesellschaft abzustellen. Dies würde keinerlei Be­ denken hervorrufen, falls die Tochterunternehmen lediglich Vertriebs­ funktionen, nicht j edoch auch Herstellungsfunktionen ausüben würden. Allein die konzerninterne Verlagerung der Produktion kann jedoch keinen Einfluß auf die Marktabgrenzung haben. Entsteht auf diesem Markt eine marktbeherrschende Stellung oder wird eine solche verstärkt (möglicherweise durch den Zuwachs von Marktmacht auch auf nur einem regionalen Submarkt), so ist der Zu­ sammenschluß wegen seiner Auswirkungen auf den Gesamtmarkt zu untersagen. Entsteht oder verstärkt sich auf dem Gesamtmarkt keine marktbe­ herrschende Stellung, und nur dann, erscheint es auch möglich, den Zusammenschluß wegen eines Marktmachtzuwachses auf dem Regio­ nalmarkt zu untersagenm , falls nicht § 24 Abs. 8 Nr. 3 n. F. GWB ein­ greift. SelbstverständHch muß sich die Abgrenzung solcher regionaler Submärkte der Tochtergesellschaften an objektive Kriterien halten, 1 33 So j edoch häufig in Demarkationsfällen, vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1727 (RWE/Leverkusen) und BGH, in: WuW/E BGH 1299, 1301 (Strombezugspreis). 1 34 Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1755 (Teerbau) und WuW/E BKartA 1 748 ff. (Anzag).

2.2.6.4 Die Bagatellmarktausnahme des § 2 4 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 GWB 127

damit nicht ein Gebiet aus dem Gesamtmarkt herausgeschnitten wird, das keinen wirklichen Regionalmarkt darstellt aber die Untersagungs­ voraussetzungen erfüllt135 • Bedenken bezüglich einer solchen alterna­ tiven Marktabgrenzung bestehen allerdings aus Gründen der Rechts­ s-icherheit136. 2.2.6.3 Die Abgrenzung des zeitlich relevanten Marktes

Unter zeitlichem Markt werden bisher zwei verschiedene Aspekte verstanden, die für die Fusionskontrolle v,e rschiedene Bedeutung ha­ ben. 1. Der Zeitraum, für den die Wettbewerbsstellung untersucht wird137 , oder 2. die Beschreibung eines Marktes, dessen Waren nur zu ,bestimmten Zeitpunkten angeboten werden138 • Der erste Aspekt ist bei der Fusionskontrolle bei der Auslegung der Erwartung gemäß § 24 Abs. 1 GWB zu berücksichtigen139 , stellt aber keine Marktabgrenzung in dem Sinne dar, daß objektive Grenzen be­ stehen, außerhalb derer sich nicht dieselben Wettbewerber gegenüber­ stehen. Aus einem zeitUch unbegrenzten Markt wird lediglich ein Be­ obachtungszeitraum her,ausgegriffen. Nur die zweite Begriffsinterpre­ tation ist tatsächlich eine objektive Abgrenzung des relevanten Mark­ tes, die auch in Fusionsfällen, vor allem bei Zeitschriften zu beachten ist. Die Einordnung sollte unter den Kriterien der sachlichen Markt­ abgrenzung140 erfolgen, da in diesen Fällen die Angebotszeit Einfluß auf die Verwendungsmöglichkeit hat. Es gilt hier das oben zur sach­ lichen Abgrenzung Gesagte entsprechend 1• 1 • 2.2.6.4 Die Bagatellmarktausnahme des § 24 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 n. F. GWB

Diese Regelung schließt diejenigen Märkte aus der materiellen Fu­ sionskontrolle aus, auf denen im letzten Kalenderjahr weniger als 10 Millionen DM umgesetzt wurden. Damit soll verhindert werden, 135 Die beiden Fälle „Transportbeton I und 11" WuW/E BKartA 1 7 71 ff., 1779, liegen dem Kammergericht zur Entscheidung vor. Da die Frage der geographischen Marktabgrenzung im Mittelpunkt stand, ist eine ausführliche gerichtliche Beurteilung der Abgrenzung des räumlich relevanten Marktes zu erwarten. 136 Vgl. dazu Pkt. 3.2 dieser Arbeit. 137 So verstanden von Niederleithinger,§ 2 2 Rdnr. 1 4. 138 So z.B. bei Angebot nur auf Messen oder dem Angebot von Zeitschrif­ ten zu verschiedenen Tageszeiten. Vgl. dazu Hildebrandt, Pressewesen, S. 7 4 ff. 139 Vgl. Kleinmann, Bechtold,§ 2 2 Rdnr. 4 4. 1•0 Vgl. Hildebrandt, Pressewesen, S. 74, der hierin ebenfalls einen Unter­ punkt der sachlichen Marktabgrenzung sieht. 141 Vgl. Pkt. 2.2.6 dieser Arbeit.

128

2.2.6 Die Abgrenzung des relevanten Marktes

daß ein Zusammenschluß allein wegen des Vorliegens von Untersa­ gungskriterien des § 24 Abs. 1 GWB auf einem sehr kleinen Markt untersagt wird 142 . Diese Regelung hat durch das Bundeskartellamt eine sehr strenge Interpretation erfahren143 , da das Bundeskartellamt im Rahmen des gleichlautenden § 24 Abs. 8 Nr. 4 a. F. GWB von einer wei­ teren Marktabgrenzung als in § 22 Abs. 1 GWB ausgeht 1 ". Das Bundes­ kartellamt geht so offenbar von einer Bündelung einzelner Märkte ausm. Noch stärker wird der Wortlaut dieser Ausnahme strapaziert, wenn in einer anderen Entscheidung148 eine Anwendung abgelehnt wird, falls bei einem Zusammenschlußfall mehrere Bagatellmärkte be­ troffen sind 147. Es ist davon auszugehen, daß diese Ansicht nicht auf­ rechterhalten werden kann, da der Wortlaut keine unterschiedliche Marktabgrenzung oder Beschränkung auf einen einzigen Bagatell­ markt deckt. Bei der Berechnung des Marktvolumens werden Konzern­ innenlieferungen (Eigenproduktion) nicht berücksichtigt 148 •

2.2.6.5 Die Regionalmarktausnahme des § 24 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 a. F. GWB Durch diese Ausnahme wurden Zusammenschlüsse mit nur örtlicher Wirkung der Kontrolle · des Bundeskartellamtes entzogen. Dabei geht die Regierungsbegründung davon aus, daß ein wesentlicher Teil des Bundesgebietes gegeben ist, falls sich der Zusammenschluß in einem Gebiet auswirkt, das in der Größenordnung eines Flächenbundeslan­ des liegt149 • Meist wu11de dabei in der Praxis die -Größe des Saarlan­ des 150 als Mindestgröße benutzt oder sogar das Land Berlin 151 . Die Ab­ grenzung nach geographischer Größe oder auch nach Einwohnerzahl 142 Vgl. Regierungsbegründung BT-Drucks. 6/2520, S. 32. 14 9 Vgl. TB 75, S. 39 linke Spalte (Bayer/Geigy). 1 44 Vgl. TB 75, S. 39 rechte Spalte: ,,Trotzdem greift diese Vorschrift nicht ein, weil der Marktbegriff des § 24 Abs. 8 Nr. 4 weiter zu fassen ist, als der des sachlich relevanten Marktes im Sinne des § 22 Abs. 1 und 2 und des § 24 Abs. l ." 145 · Vgl. Kleinmann, Bechtold, § 24 Rdnr. 104. 1 48 Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1653 ff., 1656 (Babcock). 1 47 Da in diesem Fall eine Ministererlaubnis erteilt wurde, ist diese An­ sicht des Bundeskartellamtes nicht durch das Kammergericht überprüft wor­ den. Zur Kritik vgl. insbesondere Kleinmann, Bechtold, § 24 Rdnr. 103. 148 Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1627 (Sachs). So auch die amerika­ nische Praxis, vgl. z. B. Complaint, US vs. General Telephone und Electronics Corp., Civ. Nr. 64-1912 (S.D.N.Y. 19. Juni 1964) (nicht veröffentlicht), vgl. je­ doch auch die Kritik bei McKee, Vertical Integration, S. 1017. 14 9 Vgl. Regierungsbegründung BT-Drucks. 6/2520, S. 32. 156 Vgl. z. B. BKartA, in: WuW/E BKartA 1648 (Erdgas Schwaben). 1 51 Vgl. TB 73, S. 67 (Kaiser's Kaffee).

2.2.7.1 Die Voraussetzungen des§ 2 2 Abs. 1 GWB

129

stieß jedoch auf Kritik1 52• Es darf dabei nicht übersehen werden, daß die in der Regierungsbegründung angegebene Größe nicht als Mindest­ größe aufgefaßt werden kann113 •

2.2.7 Die Bestimmung von Marktmacht gemäß § 22 Abs. l bis 3 GWB Nach Abgrenzung des relevanten Marktes und der Prüfung, daß keine der in § 24 Abs. 8 Nr. 1 bis 3 GWB genannten Ausnahmen vorliegen, prüft das Bundeskartellamt die Untersagungsvoraussetzungen gemäß § 24 Abs. 1 GWB. Die materielle Fusionskontrolle ist an den Begriff der Marktbeherr­ schung gekoppelt1 . Es ist die Marktstruktur vor und nach Zusammen­ schluß und die zu erwartende Entwicklung zu untersuchen und festzu­ stellen, ob die Veränderungen der Marktstruktur das Entstehen oder die Vel.'stärkung einer marktbeherrschenden Stellung bedeuten. D abei ist zur Definition der Marktbeherrschung § 22 Abs. 1 bis 3 GWB heran­ zuziehen2 . Dem Marktanteil kommt als Kriterium eine überragende Be­ deutung zu3 •

2.2.7.1 Die Voraussetzungen des § 22 Abs. l GWB Die Voraussetzung in § 22 Abs. 1 Nr. 1 GWB „ohne Wettbewerber ist" ist unproblematisch, da bei Vollmonopol das einzige Unternehmen am Markt schon per definitionem marktbeheroochend ist'. Die zweite Alter­ native des § 22 Abs. 1 Nr. 1 GWB, das Fehlen wesentlichen Wettbewerbs, erfordert eine Definition der Wesentlichkeit des noch bestehenden Wett­ bewerbs. Nach der Mosaiktheorie des BGH 5 können auch einzelne für sich allein betr:achtet unwirksame Formen des Wettbewerbs zusammen wesentlichen Wettbewerb ergeben. Es ist also eine Gesamtschau durch-

152 Vgl. Kleinmann, Bechtold, § 24 Rdnr. 98 und 99 mit Beispielen, die die Bedeutung einer mehr wirtschaftlichen Betrachtungsweise verdeutlichen. 153 Vgl. Regierungsbegründung ET-Drucks. 6/ 2 5 2 0, S. 3 2, rechte Spalte „Als wesentlicher Teil des Geltungsbereichs des Gesetzes sind mit Sicherheit nicht die Gebiete von Gemeinden, sicher aber Gebiete in der Größenordnung von Bundesländern, soweit sie Flächenstaaten sind, zu verstehen." (Hervor­ hebung des Verfassers). 1 Vgl. jedoch zur Kritik und Vorschlägen der Abkopplung TB 7 7, S. 19 und S. II linke Spalte. 2 So die ständige Entscheidungspraxis des Bundeskartellamtes vgl. z.B., in: WuW/E BKartA 145 7, 1458 ff. (Veba/Gelsenberg) und WuW/E BKartA 147 5, 1479 (Haindl). Dies gilt ebenfalls für die Vermutung des § 2 2 Abs. 3 GWB, vgl. Niederleithinger, § 24 Rdnr. 6; Lanzenberger, Schwerpunkte 7 3/ 74, S.41 ff. 3 Vgl.§ 2 2 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 GWB. 4 Zur Definition der Marktbeherrschung, wo auf den Verhaltensspielraum abzustellen ist, vgl. WuW/E EV 3 53, 3 54 (Continental Can) und BGH, in: WuW/E BGH 1439 (Vitamin-B- 12). 5 Vgl. BGH, in: WuW/E BGH 90 7 ff., 915 (Fensterglas). 9 Nelser

130 2.2.7 Die Bestimmung von Marktmacht gemäß § 22 Abs. 1 bis 3 GWB zuführen, bei der alle Wettbewerbsausprägungen (Pr,eis-, Qualitäts- und Investitionswettbewerb) herangezogen werden. Wesentlichkeit bedeutet dabei Wirksamkeit'. Zur Überwindung der Schwierigkeiten einer sol­ chen Definition dient vor allem § 22 Abs. 1 Nr. 2 GWB, der im Refe­ rentenentwurf vom 28. 10. 1970 noch deutlich als Beweiserleichterung für das Fehlen wesentlichen Wettbewerbs konzipiert war7 • Bei Fehlen wesentlichen Wettbewerbs sind die Anbieter in der Lage ,,ohne große Rücksichtnahme auf Wettbewerber, Abnehmer oder Liefe­ ranten zu handeln. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn sie aufgrund ihres Marktanteils oder ihres Marktanteils in Verbindung insbesondere mit der Verfügbarkeit von technischem Wissen, Rohstoffen oder Kapital die Möglichkeit haben, für einen bedeutenden Teil der betreffenden Erzeugnisse die Preise zu bestimmen oder die Produktion oder die Ver­ teilung zu kontrollieren" 8• Hier wi:Dd die enge Beziehung von Fehlen wesentlichen Wettbewerbs gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 1 zweite Alternative GWB und überragender Marktstellung gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 2 GWB deutlich. § 22 Abs. 1 Nr. 2 GWB kommt j edoch deshalb auch eine eigenständige Bedeutung zu, da § 22 Abs. 1 Nr. 2 GWB auch bei Bestehen wesentlichen Wettbewerbs :llur Begründung der Marktbeherrachung herangezogen werden kann9• Bei der Beurteilung, ob ,der Betreffende eine überragende Marktstellung besitzt, ist eine Gesamtbetrachtung •aller maßgebenden Umstände erfo1iderlich, zu denen auch die Wettbewerbsverhältnisse ge­ hören. Vorliegen wesentlichen Wettbewerbs schließt j edoch eine An­ wendung der 2. Alternative nicht aus10• Zur Bej ahung des § 22 Abs. 1 Nr. 2 GWB sind daher der Marktanteil, die Finanzkraft, vertikale Beziehungen und sonstige Verflechtungen des Unternehmens und bestehende Marktschranken zu berücksichtigen11 • 8 Hier fließt der Begriff der „workable competition" in den Marktbeherr­ schungsbegriff ein. Vgl. dazu auch Kleinmann, Bechtold, § 22 Rdnr. 70. 7 Vgl. zur Entstehungsgeschichte des § 22 Abs. 1 Nr. 2 Kleinmann, Bech­ told, § 22 Rdnr. 74. 8 So die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, in: WuW/E EV 354 (Continental Can). 9 So ausdrücklich BGH, in: WuW/E BGH 1435 ff., 1439 (Vitamin-B-12): ,.Dabei stehen nach Sinn und Bedeutung Nr. 1 und 2 alternativ nebenein­ ander; marktbeherrschend ist ein Unternehmen, das ohne Wettbewerber ist oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist (Nr. 1) oder ein Unter­ nehmen, das im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern eine überragende Marktstellung besitzt." (Hervorhebungen durch den Verfasser). Vgl. auch BGH, in: WuW/E BGH 1445 (Valium). Diese Klarstellungen wurden allge­ mein begrüßt, da das Verhältnis zwischen beiden Alternativen umstritten war. 10 Vgl. BGH, in: WuW/E BGH 1445 (Valium). 11 Vgl. Regierungsbegründung BT-Drucks. 6/2520, S. 22 linke Spalte: ,.Maß­ geblich ist der Gedanke, daß die Marktstellung eines Unternehmens sich nur aufgrund einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände beurtei-

2.2.7. 1 Die Voraussetzungen des§ 2 2 Abs. 1 GWB

13 1

Dabei kommt es auf einen Vergleich dieser Kriterien des angespro­ chenen Unternehmens mit den Kriterien seiner Wettbewerber an. Dies ist so zu verstehen, daß das Unternehmen bei der Gesamtbetrachtung der angegebenen Kriterien ein Übergewicht gegenüber j edem einzelnen Konkurrenten und einen erweiterten Verhaltensspielraum besitzen muß. Unternehmensgröße an sich ist nicht Kriterium zur Feststellung der überragenden Marktstellung12 • Ressourcen und Größe werden nur inso­ weit berücksichtigt, als sie zur Marktbeeinflussung geeignet sind. Des­ halb kommt es im Rahmen der Beurteilung der „Finanzkraft" nicht auf Umsatz, sondern auf verfügbares Kapital an, das durch Meßzahlen wie cash-flow, Umsatzrendite, stille Reserven, Eigenkapitalanteil und Rücklagen bestimmt werden kann13 • Das Kriterium „Zugang zu Beschaffungs- oder Absatzmärkten" trägt dem Umstand Rechnung, daß vertikal verflochtene oder vertraglich ge­ sicherte Unternehmen gegenüber anderen Marktvorteile durch Ver­ ringerung des Nachfrage- oder Absatzrisikos haben. Dem Kriterium „ Verflechtung mit anderen Unternehmen" kommt auch eine selbständige Bedeutung zu14 . Das Merkmal „rechtliche oder tatsächliche Schranken für den Markt­ zutritt anderer Unternehmen" ist nur schwer zur Begründung einer überragenden Marktstellung heranzuziehen, da für einen Markt ein­

heitlich bestehende Zutrittsschranken keinen Einfluß auf die Markt­ macht der aktuellen Wettbewerber im Verhältnis zueinander haben15 • Eine Bedeutung kann deshalb diesem Kriterium nur bei einer Änderung der Zutrittsschranken im Zeitablauf zukommen, falls sich die Zugangs-

len läßt" , dem Marktanteil kommt dabei jedoch eine besondere Bedeutung zu. Vgl. Formulierung des § 2 2 Abs. 1 Nr. 2 GWB und Regierungsbegründung BT-Drucks. 6/ 252 0, S. 2 2 linke Spalte und die ständige Praxis des Bundes­ kartellamtes, vgl. z. B. WuW/E BKartA 1 62 7 (Sachs) und WuW/E BKartA 1 654 (Babcock) und WuW/E BKartA 1579 (Kaiser). 12 Anderer Ansicht jedoch Emmerich, Praxis der Fusionskontrolle II, S. 1 25ff. und auch TB 74, S. 3 6 (Rheinstahl), wo auf Umsatz als Kriterium der Unternehmensgröße abgestellt wird, statt auf Finanzkraft. So wie hier jedoch Kleinmann, Bechtold,§ 2 2 Rdnr. 81. 13 Vgl. Regierungsbegründung BT-Drucks. 6/ 252 0, S. 2 3, wo auf die Ge­ samtheit der finanziellen Mittel und Möglichkeiten eines Unternehmens insbesondere die Finanzierungsmöglichkeiten abgestellt wird. So auch Klein• mann, Bechtold,§ 2 2 Rdnr. 85 und Niederleithinger,§ 2 2 Rdnr. 29. 1 4 Anderer Ansicht Kleinmann, Bechtold, § 2 2 Rdnr. 88; aber zu Recht Niederleithinger, § 2 2 Rdnr. 3 1, der Minderheitsbeteiligungen, die von die­ sem Kriterium ebenfalls erfaßt werden, als Erweiterung der sonstigen Kri­ terien ansieht. Aber auch Beteiligungen unterhalb der Höhe von Minder­ heitsbeteiligungen im Sinne von § 23 Abs. 2 Nr. 2 a GWB können eine „Ver­ flechtung" darstellen. 15 So ausdrücklich auch Niederleithinger, § 2 2 Rdnr.3 2. 9•

132 2.2.7 Die Bestimmung von Marktmacht gemäß § 2 2 Abs. 1 bis 3 GWB schranken erhöhen und sich so die bestehende überragende Stellung eiines Unternehmens proportional zum Marktanteil verstärkt. Faßt man den Begriff Marktzutrittsschranken j edoch unternehmensbezogen auf, so werden auch technisches Wissen, Patente, Forschungs-Kapazitäten und ähnliches erfaßt18• Dieses Kriterium ist der einzige Anknüpfungspunkt des Gesetzes, um den Einfluß potentieller Wettbewerber oder den Einfluß des Wegfalls potentieller Wettbewerber zu berücksichtigen17 • Mehrere Unternehmen, zwischen denen kein wesentlicher Wettbewerb besteht und die die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 erfüllen, werden gemäß § 22 Abs. 2 GWB als marktbeherrschendes Oligopol angesehen.

2.2.7.2 Die Vermutungen der §§ 22 Abs. 3 Satz 1 und 23 a Abs. 2 GWB und ihre rechtliche Funktion 2.2.7.2.1 Die Vermutungen des § 22 Abs. 3 Satz 1 GWB und ihre rechtliche Funktion Um die Anwendung der Marktbeherrschungskriterien zu erleichtern, wurden in § 22 Abs. 3 GWB w.iderlegbare Vermutungen aufgenommen1 8 • Bevor die Anwendungsprax;is der durch die 2. Kartellnovelle einge­ führten Vermutungen des § 22 Abs. 3 Satz 1 GWB dargestellt werden kann, ist eine Bestimmung der rechtlichen Funktion dieser Vermutun­ gen erforderlich. Sowohl die Vermutungsvoraussetzungen als auch die Bedeutung der Vermutungen waren bereits während des Gesetzgebungsverfahrens heftig umstritten. So sah der Regierungsentwurf19 in § 22 Abs. 1 Satz 3 GWB eine Markt­ beherrschungsvermutung für Unternehmen mit mindestens 40 % Markt­ anteil vor, falls die übrigen Wettbewerber jeweils nicht mehr als 10 % Marktanteil besitzen. Die Regierungsbegründung führte zu dieser wider18 Die Regierungsbegründung BT-Drucks. 6/ 2 52 0, S. 2 3 rechte Spalte führt Marktzutrittsschranken auf, die „z.B. durch die optimale Betriebsgröße im Verhältnis zur Gesamtnachfrage, durch rechtliche Barrieren, technisches Wissen, Formen der Lizenzvergabe, durch den Zugang zu Rohstoffen oder Kapital, durch die Organisation der Absatzwege oder durch die Produkt­ differenzierung bestimmt" werden. 17 Vgl. KG, in: WuW/E OLG 17 5 2 ff., 17 5 6 (Sachs), vgl. auch Regierungs­ begründung BT-Drucks. 6/ 2 52 0, S. 2 2 linke Spalte. 18 Vgl. Regierungsbegründung BT-Drucks. 6/ 2 52 0, S. 2 3 rechte Spalte und S. 2 4 linke Spalte. Als Anwendungsfälle vgl. vor allem die Fälle WuW/E BKartA 1 7 1 7 (Kartoffelstärke); WuW/E BKartA 16 89 (Mannesmann) ; WuW/E BKartA 1459 (Veba/Gelsenberg) ; WuW/E BKartA 1 564 (Johnson); zur Wider­ legung der Vermutung vgl. WuW/E BKartA 147 8, 1479 (Haindl). 1 9 Vgl. BT-Drucks. 6/ 2 52 0.

2.2.7.2 Die Vermutungen der §§ 22 Abs. 3 Satz 1 und 23 a Abs. 2 GWB 133 leglichen Vermutung aus: ,,Mit hoher Wahrscheinlichkeit kann bereits bei einem Marktanteil von 40 v. H. angenommen werden, daß Markt­ beherrschung vorliegt, wenn das übrige Angebot zersplittert ist20 ." Diese Vermutungsgrenzen wurden j edoch durch die Änderungsvor­ schläge des Wirtschaftsausschusses in zweifacher Hinsicht verschärft. Die Marktanteilsgrenze wurde auf 33 1/3 % gesenkt und die zweite Bedingung der Zersplitterung des übrigen Angebots fallengelassen21 • Diese zweite Verschärfung wurde nicht begründet. Die entscheidende Frage war und ist j edoch, welche beweisrechtliche Wirkung die Erfüllung der verschärften Vermutungsvoraussetzungen hatn . Weitgehende Einigkeit besteht darin, daß es sich bei den Vermutun­ gen nicht um Vermutungen im zivilrechtlichen Sinne handelt13 , d. h. weder um eine Rechtsvermutung (p11aesumtio iuris) noch um eine Tat­ sachenvermutung (praesumtio facti) , die nur durch Gegenbeweis gemäß § 292 ZPO entkräftet werden könnten. Wegen des in Kontrollverfahren geltenden Amtsermittlungsprinzips können die Vermutungen die Kar­ tellbehörde in keinem Fall von ihrer Aufklärungs- und Ermittlungs­ pflicht entbinden. Unklar blieb j edoch im Gesetzgebungsverfahren die aus der Vermutung resultierende Beweislastverteilung. Sowohl Rechts­ als auch Wirtschaftsausschuß betonten, die Vermutung sei in erster Linie als „Aufgreiftatbestand" zu verstehen, bei dessen Vorliegen die B ehörde zu Ermittlungen verpflichtet seiH . Eine solche Argumentation überzeugt jedoch nicht, da die Kartellbehörde auch ohne Eingreifen der Vermutung zu Ermittlungen in Fällen, in denen Marktbeherrschung in Mißbrauchs-, Diskriminierungs- oder Zusammenschlußfällen vor­ liegen könnte, berechtigt und verpflichtet ist25• Beweisrechtlich wird betont, daß die Kartellbehö11de allen von den beteiligten Unternehmen substantiiert vorgebrachten Argumenten nachzugehen hat, die gegen 20 Vgl. Regierungsbegründung BT-Drucks. 6/2520, S. 23. 21 Vgl. Bericht des Ausschusses für Wirtschaft BT-Drucks. 7/765, S. 6 linke Spalte und rechte Spalte oben. Die Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion stimmten dabei gegen die Einführung der Vermutungen des § 22 Abs. 3 GWB insgesamt. Vgl. dazu auch den stenographischen Bericht der 42. Sit­ zung des BT vom 16. 6. 1973, S. 2316 rechte Spalte oben. 22 Vgl. dazu den stenographischen Bericht der 42. Sitzung vom 14. 6. 73, S. 2325 linke Spalte Mitte, S. 2326 rechte Spalte Mitte; Bericht des Ausschus­ ses für Wirtschaftspolitik, BT-Drucks. 7/765, S. 6 rechte Spalte; Bericht des Rechtsausschusses, Anlage 1 zu BT-Drucks. 7/765, S. 14 linke Spalte; Röhling, Fusionskontrolle, S. 1585, 1589; Baur, Fragen, S. 918; Scholz, Konzentrations­ kontrolle, S. 99 ff. und Wirz, Vermutete Marktbeherrschung, S. 611, 613 ff. 23 Vgl. Bericht des Rechtsausschusses, Anlage 1 zu BT-Drucks. 7/765, S. 14 linke Spalte" Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik, BT-Drucks. 7/765, S. 6 rechte Spalte, und BKartA, in: WuW/E BKartA 1480 (Haindl). 24 Vgl. Bericht des Rechtsausschusses, Anlage 1 zu BT-Drucks. 7/765, S. 14 linke Spalte. 25 Vgl. Niederleithinger, Schwerpunkte, S. 75.

134 2.2.7 Die Bestimmung von Marktmacht gemäß § 22 Abs. 1 bis 3 GWB die Vermutung der Marktbeherrschung sprechen28 • Eine Änderung der B eweisführungslast enthalten die Vermutungen demnach nicht21 . Umstrittten ist vor allem der Einfluß von Vermutungen auf die materielle Beweislast. Aus den Ausführungen des Wirtschaftsausschusses geht hervor, daß er die Last des non liquet, d. h. die Folge der Beweislosigkeit, den Unternehmen aufbürden will28 • Dieser Ans!i.cht ist das Bundeskartell­ amt29 und ein Großteil der Literatur gefolgt30 • Dies führt j edoch vor allem im Zusammenhang mit Bußgeldverfahren, die sich allein auf eine Vermutung im non liquet Fall stützen, zu starken verfassungsrecht­ lichen Bedenken31 • Da j edoch bisher kein Diskriminierungs-, Mißbrauchs­ oder Zusammenschlußfall allein auf eine Vermutung des § 22 Abs. 2 Satz 1 GWB gestützt wurde, ist die Frage der Verfassungsmäßigkeit bisher noch nicht im konkreten Fall zu entscheiden gewesen32 . Zwar wurde in 16 von bisher 23 Untersagungsfällen eine der Vermutungen des § 22 Abs. 3 Satz 1 GWB zur Begründung herangezogen, doch best.and in keinem der Fälle ein Bedürfnis, die Untersagung allein auf eine Vermutung zu stützen. Den Vermutungen kommt deshalb bisher in erster Linie die Wirkung einer Bekräftigung einer auf Grund der Kri­ terien des Abs. 1 oder 2 ermittelten Marktbeherrschung zu33 • Hinsichtlrich der Einzelmarktbeherrschungsvermutung in § 22 Abs. 3 Nr. 1 GWB ging die Regierungsbegründung noch von einem Marktanteil von 40 % aus, und forderte überdies, daß das übrige Angebot zersplittert sei34 • Erst im Wirtschaftsausschuß wurde die Marktanteilsgrenze auf ein 26 Vgl. stenographischer Bericht S. 2326 rechte Spalte Mitte und Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik, a. a. 0., S. 6 rechte Spalte. 27 Vgl. z. B. Baur, Fragen, S. 918; Röhling, Fusionskontrolle, S. 1589; Kleinmann, Bechtold, § 22 Rdnr. 1 14. 28 Vgl. Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik, a. a. 0., S. 6 : , .. . . lassen sich diese Gegengründe nicht feststellen, s o ist davon auszugehen, daß Marktbeherrschung i. S. des Gesetzes vorliegt." 29 Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1565 (Johnson). 30 So auch Röhling, Fusionskontrolle, S. 1589; Baur, Fragen, S. 918 m. w. N. Kaiser, Fusionskontrolle, S. 358, 359 ; anderer Ansicht ist Wirz, Vermutete Marktbeherrschung, S. 613, 614, der eine Anwendung der Vermutung für § 24 GWB ausschließt. 31 Vgl. z. B. Gleiss, Bechtold, S. 1 146 und Kleinmann, Bechtold, § 22 Rdnr. 1 15. 32 Zur Verfassungsmäßigkeit der in dem Entwurf der 4. Kartellnovelle in § 23 a enthaltenen Vermutung vgl. Kaiser, Fusionskontrolle, S. 360. 33 Die Vermutungen erwecken nicht nur Bedenken innerhalb der Miß­ brauchsaufsicht gemäß § 22 Abs. 4 GWB und der Fusionskontrolle gemäß § 24 Abs. 1 GWB, sondern auch im Rahmen des Diskriminierungsverbots des § 26 Abs. 2 GWB ; vgl. Niederleithinger, § 26 Rdnr. 52. 34 Vgl. Regierungsbegründung ET-Drucks. 6/2520, S. 23 rechte Spalte zu § 22 Abs. 1 Satz 3 des Entwurfs, vgl. Pkt. 2.2.7.2 dieser Arbeit.

2.2.7.2 Die Vermutungen der §§ 22 Abs. 3 Satz 1 und 23 a Abs. 2 GWB 1 35 Drittel35 herabgesetzt und das Erfordernis der Zersplitterung des übri­ gen Angebots fallengelassen38 • Durch das Erfordernis eines Umsatzes von 250 Mio. DM wird die Vermutung auf Unternehmen mit einer erheb­ lichen Wirtschafts- und Finanzkraft beschränkt und bei Vorliegen dieser Größe zusätzlich gestützt37 • Gemäß § 22 Abs. 3 Nr. 2 a und b GWB wird bei Vorliegen der Voraus­ setzungen vermutet, daß § 22 Abs. 2 GWB erfüllt ist, wonach eine Mehrheit von Unternehmen (Oligopol) als marktbeherrschend gilt, falls zwischen ihnen kein wesentlicher Wettbewerb besteht. Aus der Regie­ rungsbegründung, die für die Vermutung außerdem noch ein Parallel­ verhalten vorsah, geht hervor, daß sich die Vermutung auf Innen- und Außenverhältnis erstreckt38 • Auch nach Wegfall des Erfordernisses des Parallelverhaltens in § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB in der endgültigen Fassung" muß davon ausgegangen werden, daß das Vorliegen aller Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 GWB vermutet wird. Im Rahmen der Fusionskontrolle hat das Vorliegen der Vermutung die Folge, daß nicht die Einzelunternehmen als marktbeherrschend angesehen werden, son­ dern die Gesamtheit der Oligopolmitglieder'0 • Der Wortlaut und die Materialien sind insoweit nicht eindeutig, das Wort „Gesamtheit" in § 22 Abs. 2 GWB spricht jedoch für die Annahme des Gesamtoligopols.

Dies ist ein gesetzlicher Fall der Einbeziehung von Nichtbeteiligten in die Zusammenschlußkontrolle.

Auch bei Anwendung der Vermutung des § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB ist es deshalb nur möglich, daß das Bundeskartellamt den Zusammen­ schluß wegen Verstärkung oder Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung des Oligopols, nicht des Einzelunternehmens untersagt'1 • 35 Dies gilt nicht nur für den Bundesmarkt, sondern auch für Regional­ märkte, vgl. TB 74, 33 (Sinner), anderer Ansicht Kleinmann, Bechtold, § 22 Rdnr. 122. Sein argumentum e contrario aus § 23 Abs. 1 Nr. 1 GWB ist abzu­ lehnen, vielmehr ist bei Anwendung des § 22 GWB im Rahmen der Fusions­ kontrolle § 23 Abs. 1 Nr. 1 GWB heranzuziehen, so daß ausdrücklich auch Anteile auf Regionalmärkten die Vermutungsgrenze erfüllen. 38 Vgl. Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik, BT-Drucks. 7/765,

s. 6.

37 Vgl. Regierungsbegründung BT-Drucks. 6/2520, S. 23 rechte Spalte. Zum Rechtscharakter und zur Wlderlegbarkeit der Vermutungen vgl. Pkt. 2.2.7.2 dieser Arbeit. 38 Vgl. Regierungsbegründung BT-Drucks. 6/2520, S. 24 linke Spalte: ,,Die Erstreckung der Vermutung auf das Außenverhältnis ergibt sich aus der Überlegung . . ." So auch § 23 a Abs. 2 Satz 1 GWB. 3 9 Vgl. dazu Bericht des Ausschusses BT-Drucks. 7/765, S. 6 •0 Anders wohl im Rahmen der Mißbrauchsaufsicht, vgl. z. B. Bericht des Ausschusses BT-Drucks. 7/765, S. 6: ,,Für dieses Unternehmen gilt dann die Vermutung nicht." 41 Unklar ist insoweit jedoch der Wortlaut: ,,Als marktbeherrschend gel­ ten auch zwei oder mehr Unternehmen" in § 22 Abs. 2 GWB. Unklar auch Kleinmann, Bechtold, der einmal von „Mitglied eines marktbeherrschenden

136 2.2.7 Die Bestimmung von Marktmacht gemäß § 22 Abs. 1 bis 3 GWB Unklar ist allerdings, wie weit das Oligopol zu ziehen ist. Es könnte (mit dem Bundeskartellamt) stets auf die stärksten drei Unternehmen abgestellt werden42 oder nur auf die stärksten zwei, falls bereits diese die Vermutung des § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 a GWB erfüllen43 • Dieser Streit klärt sich zugunsten der Ansicht des Bundeskartellamtes, wenn man den möglichen Fall bedenkt, daß die zwei stärksten Unternehmen nur geringfügig über 50 % Marktanteil erreichen und die stärksten drei Unternehmen fast 75 % . Die Marktbeherrschungsvermutung für A bis B könnte so leicht widerlegt werden, während bei Einbeziehung von C (mit dem eventuell sogar den Innenwettbewerb ausschließende Verträge bestehen) die Marktsituation besser berücksichtigt wü11de, Es steht dem Bundeskartellamt frei, zwei, drei oder bis zu fünf Unter­ nehmen als OligopoUsten zusammenzufassen, unabhängig davon, ob die addierten Marktanteile die Vermutungsvoraussetzungen weit über­ schreiten44 . Bei höherer Mitgliederzahl wi11d j edoch die Wahrscheinlich­ keit höher, daß für ein spezielles Innenverhältnis wesentlicher Innen­ wettbewerb vorliegt. Damit wäre die Oligopolvermutung widerlegt. Zweifel bestehen auch hinsichtlich der Umsatzvoraussetzungen des § 22 Abs. 3 Nr. 2 2. Halbsatz GWB , da nach dem Wortlaut nicht eindeutig ist, ob jedes der Oligopolunternehmen45 oder nur das im konkreten Fall betroffene Unternehmen diese Umsatzgrenze erreichen muß". Jedenfalls im Rahmen der Fusionskontrolle muß gefordert werden, daß alle Unternehmen des vermuteten Oligopols die Umsatzgrenze erfüllen.

Nach Formulierungen des Regierungsentwurfs47 beruht die Vermutung Oligopols" (§ 22 Rdnr. 128) spricht, andererseits auch sagt, ,,dann sind ent­ weder alle Unternehmen des Oligopols Marktbeherrscher oder keines" . (§ 22 Rdnr. 134 am Ende). 41 So BKartA, in: WuW/E 1479 (Haindl), obwohl bereits die zwei markt­ stärksten Unternehmen die Vermutungen erfüllten. 43 So Kleinmann, Bechtold, § 22 Rdnr. 133. 4 4 Inkonsequent deshalb auch Kleinmann, Bechtold, § 22 Rdnr. 133, der bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 22 Abs. 3 Nr. 2 a GWB dennoch eine Anwendung von § 22 Abs. 3 Nr. 2 b GWB zuläßt, falls mehrere Unternehmen diese nächsthöhere Stufe erfüllen. 45 So Kleinmann, Bechtold, § 22 Nr. 134 mit Verweis auf § 22 Abs. 2 Satz 2 des Referentenentwurfs vom 28. 10. 1970, (abgedruckt bei Kleinmann, Bech­ told, § 22 Rdnr. 109). 4 6 So Niederleithinger, § 22 Rdnr. 41 unter Verweis auf Bericht des Wirt­ schaftsausschusses BT-Drucks. 7/765, S. 6 rechte Spalte, wo gesagt wird, die Oligopolvermutung greife auch ein, falls ein Unternehmen die Umsatz­ schwelle nicht erreiche nur „für dieses Unternehmen gilt dann die Vermu­ tung nicht". 4 7 Vgl. Regierungsbegründung BT-Drucks. 6/2520, S. 23 rechte Spalte: es sind „mehrere Unternehmen in ihrer Gesamtheit marktbeherrschend" (Her­ vorhebung des Verfassers) und S. 24 linke Spalte, wo, nachdem für Oligopo­ listen vergleichbare Marktstärke und Größe gefordert wird, gesagt wird, ,,die Umsatzgrenze stellt . . . insofern vergleichbare Größenordnungen her als sie extreme Größenunterschiede eliminiert" . Bei extremen Größenunterschieden sollte die Oligopolvermutung nicht eingreifen.

2.2.7.2 Die Vermutungen der §§ 22 Abs. 3 Satz 1 und 23 a Abs. 2 GWB 137 fehlenden Innenwettbewerbs auf der Annahme vergleichbarer Markt­ stärke, die durch die Umsatzgrenze sichergestellt werden sollte. Außer­ dem ist für die Fusionskontrolle eine Oligopolvermutung, die nicht gegen alle Oligopolisten gilt, unpraktikabel, da es bei vermuteter Marktbeherrschung des Oligopols keinen Unterschied machen kann, welcher Oligopolist die Marktstellung des Oligopols im Außenverhältnis z. B . durch horizontalen Zusammenschluß mit einem Nichtoligopolisten verstärkt. Insoweit wird der Zusammenschluß nicht wegen einer markt­ beherrschenden Stellung eines am Zusammenschluß Beteiligten, son­ dern einer solchen Stellung einer Gesamtheit von Unternehmen auf einem betroffenen Markt untersagt. Es ist also zu fo!"dern, daß alle Unternehmen die Umsatzgrenze erfüllen, da anders als bei der Miß­ brauchsaufsicht es nicht auf das untersagte Verhalten des einzelnen, sondern auf eine Strukturerhaltung ankommt. Eine Freistellung be­ stimmter Unternehmen eines marktbeherrschenden Oligopols von einer Untersagung des Zusammenschlusses, der die marktbeherrschende Stel­ lung des Oligopols fördert, ist im Hinblick auf die gleichen Folgen für die Marktstruktur abzulehnen. Die Vermutung �ann also nur ein­ heitlich gelten oder nicht gelten48 • 2.2.7.2.2 Die Vermutung des neuen § 23 a Abs. 2 GWB und ihre rechtliche Funktion Speziell für die Zusammenschlußkontrolle enthält § 23 a Abs. 2 GWB eine weitere Marktbeherrschungsvermutung für eine Gesamtheit von Unternehmen. Sie knüpft in ihren materiellen Voraussetzungen an § 22 Abs. 3 Nr. 2 GWB an und ist neben diesem Paragraphen anwendbar. In der rechtlichen Wirkung geht die neue Vermutung des § 23 a Abs. 2 GWB j edoch über die alte Oligopolvermutung weit hinaus; zur Wider­ legung dieser Vermutung ist der Nachweis erforderlich, daß keine marktbeherrschende Stellung besteht. 2.2.7.2.2.1 Der Anwendungsbereich des § 23 a Abs. 2 GWB Wie § 22 Abs. 3 Nr. 2 GWB erfaßt die Vermutung ein enges Oligopol (die drei stärksten Unternehmen besitzen mindestens 50 % Marktanteil) und ein weites Oligopol (die fünf stärksten Unternehmen besitzen min­ destens 2/a Marktanteil) . Hierbei ist zu begrüßen, daß klargestellt ist, daß nur die marktanteilsstärksten Unternehmen in die Oligopolvermu­ tung einbezogen werden. 48 Eine Möglichkeit ist jedoch, bei der Zusammenfassung der stärksten Unternehmen, zum Oligopol diejenigen auszulassen, die die Umsatzschwelle nicht erreichen; so Kleinmann, Bechtold, § 22 Rdnr. 133. Auch hier könnte jedoch der Vorwurf der Willkür erhoben werden.

138 2.2.7 Die Bestimmung von Marktmacht gemäß § 22 Abs. 1 bis 3 GWB Aus der Regelung des § 23 a Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. GWB könnte gefol­ gert werden, daß § 23 a Abs. 2 GWB nur bei Fusionen zwischen den Oligo­ polisten untereinander eingreifen kann. Dafür spricht auch die Formu­ lierung in der Begründung des Ausschusses für Wirtschaft: ,,Danach müssen die am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen, soweit sie zu einem ,Dreieroligopol' mit 50 v. H. Marktanteil oder zu einem ,Fünferoligopol' mit einem Marktanteil von zwei Dritteln ge­ hören, nachweisen . . .49." Eine solche Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 23 a Abs. 2 GWB ist j edoch abzulehnen. Bereits aus einer anderen Formulierung der Begründung des Ausschusses für Wirtschaft50 geht hervor, daß auch Fusionen erfaßbar sein sollen, in denen nur ein Oligopolist und ein Außenseiter beteiligt sind. Nur diese Auslegung stimmt auch mit der Intention des Gesetzgebers überein, Fälle zu erfassen, in denen ,,die überragende Marktstellung des Oligopols zu Lasten von vergleich­ weise kleinen und mittleren Konkurrenten weiter gefestigt wird" 81 • Durch § 23 a Abs. 2 S . 2 GWB wird der Anwendungsbereich des Satz 1 in zweierlei Hinsicht eingeschränkt. Die Vermutung gilt nicht, wenn eines der drei bzw. fünf stärksten Unternehmen im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr Umsatzerlöse von weniger als 150 Mio. DM hatten. Die bei § 22 Abs. 3 GWB ent­ stehende Frage, ob solche Unternehmen aus der Gesamtheit lediglich in der Weise ausgenommen sind, daß ein weiteres, marktanteilsschwäche­ res, aber umsatzstärkeres Unternehmen in die Oligopolgruppe auf­ rückt", stellt sich bei § 23 a Abs. 2 S. 2 GWB nicht, da die Vermutung nur die drei oder fünf marktanteilsstärksten Untemehmen erfaßt. Ein Aufrücken marktanteilsschwächerer Unternehmen ist daher nicht mög1ichu . Eine weitere Einschränkung des Anwendungsbereichs der Vermutung enthält § 23 a Abs. 2 S. 2 2. Halbs. GWB , der Bagatellzusammenschlüsse von der Vermutung ausnehmen sonsc .

Vgl. BT-Drucks. 8/3690, S. 27. Vgl. BT-Drucks. 8/3690, S. 27 „z. B. der schwächere Oligopolist seine Posi­ tion durch Fusion mit einem Außenseiter festigt" (Hervorhebung des Ver­ fassers). s1 Vgl. BT-Drucks. 8/3690, S. 27. 51 Vgl. dazu Pkt. 2.2.7.2 dieser Arbeit. n So auch noch Reg.-Entwurf in § 23 a Abs. 2 S. 2 Nr. 1 GWB, abgedruckt BT-Drucks. 8/3690, S. 7. Daß eine Inhaltsänderung beabsichtigt war, geht aus der Begründung des Ausschusses für Wirtschaft nicht hervor. 54 Vgl. BT-Drucks. 8/3690, S. 27. 41 so

2. 2.7. 3 Die Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung

139

2.2.7.2.2.2 Die rechtliche Funktion des neuen § 23 a Abs. 2 GWB Bei der Vermutung des § 23 a Abs. 2 GWB handelt es sich um eine ausdrückliche Umkehrung der Beweislast, da die Vermutung stets An­ wendung findet, ,,es sei denn, die Unternehmen weisen nach, daß die Wettbewerbsbedingungen auch nach dem Zusammenschluß zwischen ihnen wesenUichen Wettbewerb erwarten lassen oder die Gesamtheit der Unternehmen im Verhältnis zu den übrigen Wettbewerbern keine überragende Marktstellung hat" . Hiermit wird eine Widerlegung sowohl hinsichtlich des Innen- als auch des Außenwettbewerbs ermöglicht55 • Die Beweispflicht trifft die am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen51 • 2.2. 7.3 Die Feststellung einer marktbeherrschenden Stellunff'

2.2.7.3.1 Die Anwendung des § 22 Abs. 1 Nr. 2 GWB Die seltene Anwendung des § 22 Abs. 1 Nr. 1 2. Alternative GWB zeigt, daß mit den Strukturkriterien des § 22 Abs. 1 Nr. 2 GWB ein Nachweis der überragenden Marktstellung leichter gelingt als der Nachweis fehlenden wesentlichen Wettbewerbs, bei dem Struktur-, Verhaltens- und/oder Marktergebnistests angewendet werden müßten. Die bisher interessantesten Fälle zur Feststellung der Marktbeherr­ schung gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 2 GWB sind die Fälle Thyssen/Hüller (ca. 20 % Marktanteil) 58 , Mannesmann-Brüninghaus (ca. 35 % Marktan­ tei1)5', Anzag/Holdermann'0 und die beiden Transportbetonfälle'1 • 55 Zur Problematik bei § 2 2 Abs. 3 Nr. 2 vgl. Pkt. 2.2.7.2. In der Einfüh­ rung einer Widerlegungsmöglichkeit durch Nachweis von Innenwettbewerb liegt eine der hauptsächlichen Änderungen des § 2 3 a Abs. 2 GWB durch den Ausschuß für Wirtschaft. 58 Aus der Formulierung könnte daher herausgelesen werden, daß beste­ henbleibender Innenwettbewerb zwischen den beweispflichtigen, d. h. sich zusammenschließenden, Unternehmen nachgewiesen werden muß. Aus dem Bericht des Ausschusses für Wirtschaft (BT-Drucks. 8/ 3690, S. 27) geht jedoch eindeutig hervor, daß der bestehenbleibende Innenwettbewerb des Oligo­ pols nicht nur der fusionierenden Unternehmen gemeint ist. 57 Die Behandlung dieser Frage wird dadurch erschwert, daß die Markt­ anteilsangaben, die einem Beschluß zugrunde liegen, in den meisten Fällen nicht abgedruckt werden. Auch die Finanzkraft und Kennziffern wie z. B. cash-flow fehlen meist. Auch nach mehreren Jahren werden diese Werte nicht angegeben, obwohl das Geheimhaltungsinteresse sicher dann gering ist. Eine Veröffentlichung wäre als wesentliche FlJrderung der Rechtssicher­ heit sehr zu begrilßen. 58 Vgl. TB 1977, S. 20 (Thyssen). 59 Vgl. TB 1977, S. 55 (Mannesmann). 60 Vgl. dazu BKartA, in: WuW/E BKartA 1747 ff., 175 1 (Anzag). 61 Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 177 1 ff. und 1779.

14 0

2. 2.7 Die Bestimmung von Marktmacht gemäß § 2 2 Abs. 1 bis 3 GWB

Eine besondere Bedeutung kommt dabei wegen des geringen Markt­ anteils und der Bestätigung durch das Kammergericht62 dem Fall Thyssen/Hüller zu. Bei entstehendem Marktanteil von wenig über 20 % wur,de eine marktbeherrschende Stellung vor allem wegen der weit geringeren Marktanteile der mittelständischen Konkurrenzunterneh­ men und der überragenden Finanzkraft Thyssens bej.aht68 • Es wurde also auf eine relative Marktanteilshöhe und Finanzkraft abgestellt6' . Ebenso im Falle Mannesmann/Brüninghaus65 , wo Mannesmann nach Zusammenschluß den Marktanteil des stärksten Wettbewerbers um das 2 ½ fache übertraf, den der anderen Anbieter sogar um mehr als das lOfache. Hinsichtlich der Finanzkraft war der Unterschied zum stärksten Wettbewerber66 sogar noch größer: Mannesmann verfügte über das 6fache an Gesamtumsatz und einen 12fachen Wert des cash-flow87 • Auch im Fall Anzag-Holdermann übertraf das marktstärkste Unternehmen den nächstgrößten Wettbewerber an Filialdichte, Umsatz und cash-flow um j eweils mehr als das Zweifache68 . Die Begründung der Marktbeherrschung wurde in keinem Fall nur auf einen Zuwachs an Finanzkraft und Marktanteil gestützt, ergänzend wurden z. B. herangezogen: Zugang zu vor- und nachgelagerten Märk­ ten und zu technischen Ressourcen und Forschungs- und Entwicklungs­ potential69, Möglichkeiten des Risikoausgleichs durch Diversifikation und Zugang zu vorgelagerten Märkten7°, Sortimentserweiterungen, vertikale Integration, konzerninterner Know-how-Austausch und feed back der Erfahrungen der Abnehmer71 und Zugang zu Kunden (Akquisition, Beratung, Fakturierung, Inkasso und Delkredereübernahme72 • Die Auf­ zählung der Kriterien in § 22 Abs. 1 Nr. 2 GWB ist nicht abschließend73 • 82

Vgl. KG, in: WuW/E OLG 1 9 2 1 ff. (Thyssen). 68 Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1657 ff., 166 0 (Thyssen) und TB 1977, S. 2 0 (Thyssen). 64 So war z. B. der Konzernumsatz von Thyssen 21 Mrd DM, während die drei stärksten Konkurrenten nur ca. 1 - 4 Mrd DM Umsatz hatten. Vgl. WuW/E BKartA 1 6 6 0 (Thyssen). 85 Vgl. TB 77, S.55 (Mannesmann). 88 Die Linde AG, Wiesbaden, vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 16 85 ff., 1 687 (Mannesmann). 67 Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 16 87. 68 Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 175 0 (Anzag). 69 Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 166 3 (Thyssen). 70 Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 175 2 (Anzag). 71 Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 16 87, 1 6 88 (Mannesmann). 72 Vgl. BKartA, in: WuW/E BKartA 1771 und 1779 (Transportbeton). 78 Vgl. das Wort „insbesondere" in § 2 2 Abs. l Nr. 2 GWB und die Regie­ rungsbegründung BT-Drucks. 6/ 25 2 0, S. 2 2 linke Spalte und rechte Spalte, wo die Kapazitätsauslastung der Konkurrenten mitherangezogen wird.

2.2.7.3 Die Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung

141

2.2.7.3.2 Die Anwendung des § 22 Abs. 2 GWB In einem nicht untersagten Fall wul'de ohne Anwendung der Oligopol­ vermutung eine marktbeherrschende Stellung im fönne von § 22 Abs. 2 GWB bej aht7'. Es wurde festgestellt, ,,daß die vier größten deutschen traditionellen Warenhauskonzerne Kal'Stadt, Kaufhof, Hertie und Hor­ ten über die drei Großbanken Deutsche Bank, Dresdner Bank und Commerzbank kapitalmäßig und personell miteinander verflochten sind und untereiinander nicht im wesentlichen Wettbewerb stehen" 75 • Der fehlende Innenwettbewerb wurde also festgestellt, indem maßgeblich auf Verflechtungen abgestellt wurde. Die überragende Marktstellung im Außenverhältnis wurde mit „finanziellen Ressourcen, der Breite und Tiefe des Sortiments, der Möglichkeit zur Misch�alkulation, der Einkaufsvorteile für den Verbraucher" 78 begründet. Auch bei der Be­ urteilung des Oligopols beschränkten sich die angewandten Kriterien nicht auf die in § 22 Abs. 1 Nr. 2 GWB aufgezählten, sondern auch z. B. die Erweiterung der Produktpalette und Diversifikation wurden für aussagefähige weitere Kriterien gehalten. 2.2.7.3.3 Die Anwendung der Oligopolvermutung gemäß § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 a und b GWB und § 23 a Abs. 2 GWB Der bisher interess· a nteste Oligopolfall ist der Fall Haind1-Holtzmann77 • Nachdem das Vorliegen der Voraus