Die Ordnung der Welt: Eine Völkerrechtsgeschichte des karolingischen Zeitalters (741 bis 840) 9783412204181, 3412204188

Mit dem Auftreten der karolingischen Dynastie beginnt für die Welt im Raum des alten römischen Reiches und darüber hinau

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Die Ordnung der Welt: Eine Völkerrechtsgeschichte des karolingischen Zeitalters (741 bis 840)
 9783412204181, 3412204188

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Heinhard Steiger Die Ordnung der Welt

Meiner Frau

Heinhard Steiger

Die Ordnung der Welt Eine Völkerrechtsgeschichte des karolingischen Zeitalters (741 bis 840)

2010 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Bonn

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Umschlagabbildung, zugleich Frontispiz: So genannte Vatikanische Isidor-Karte, Provence 776. Aus: Das Buch der Karten. Meilensteine der Kartografie aus drei Jahrtausenden, hg. von Peter Barber, Darmstadt 2006, S. 39.

© 2010 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau.de Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Druck und Bindung: Impress d.d., Ivančna Gorica Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Slovenia ISBN 978-3-412-20418-1

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Vo rwo rt Völkerrechtsgeschichte ist die Wissenschaft von den normativen Ordnungen der Beziehungen politischer Mächte in den verschiedenen Räumen der Welt im Ablauf der Zeiten. Mochten sie sich selbst auch als universale Ordnungen der Welt, ihrer Welt verstehen, so sind sie doch partikulare Ordnungen. Erst seit dem 19. Jahrhundert formte sich von Europa und den USA ausgehend eine globale Völkerrechtsordnung und erst seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte sich daraus die gegenwärtige universelle, einheitliche und gemeinsame Ordnung der einen Erde. Auch die normativen Ordnungen des europäischen Raums mit ihren Wurzeln im Alten Orient von der Antike über das Mittelalter bis zum „Europäischen Völkerrecht“ der Frühen Neuzeit bildeten Ordnungen eines Teilraumes der Erde. Die vorliegende Untersuchung war ursprünglich als erstes Kapitel einer Völkerrechtsgeschichte des – europäischen – Mittelalters geplant, ausgerichtet und zentriert auf die rechtliche Normativität der damaligen Zwischen-Mächte-Beziehungen. Aber es erwies sich sehr schnell, daß der Materie eine inhaltliche und strukturelle Komplexität eignet, die über die rechtlich-normative Dimension der Normativität der Ordnung dieser Welt hinausgeht. So entwickelte sich eine Studie zur Völkerrechtsgeschichte der Ordnung eines Zeitalters, das zwar zum Wurzelgrund der gegenwärtigen Ordnung gehört, aber doch durch tiefe Brüche von dieser getrennt ist. Denn die Ordnung der Welt des Frühmittelalters stand in einem religiös-tanszendentalen, die Ordnung der Welt der Gegenwart steht hingegen in einem säkular-immanenten Rahmen. Diese Komplexität erforderte methodisch einen allgemeineren, erweiterten, vertiefenden, die rechtlich-normative Ansicht übersteigenden Ansatz, um die normative Ordnung der Welt in der karolingischen Epoche in ihrer ganzen Breite und Tiefe in umfassender Weise analysieren, erfassen und durchdringen zu können. Dieser methodische Ansatz ist gleichzeitig als ein Versuch in allgemeiner, paradigmatischer völkerrechtsgeschichtlicher Absicht zu verstehen. Denn schon ein erster Überblick über die geschichtlichen Ordnungen der verschiedenen Räume der Erde in Asien, Afrika, Amerika zu verschiedenen Zeiten, aber auch in den vorhergehenden und den nachfolgenden Epochen unseres Kulturraumes, zeigt oder läßt doch zumindest vermuten, daß sie häufig, wenn nicht regelmäßig in vergleichbar komplexer Weise aufgebaut waren und daher ebenfalls allein mit den weithin üblichen Methoden einer rechtlich-normativ ausgerichteten Völkerrechtsgeschichte nicht in ihrer jeweiligen ganzen Tiefe zu erfassen sind. Das brauchte viel Zeit. Am Anfang stand 1987/88 ein einjähriger Forschungsfreiraum, je zur Hälfte von der DFG und vom Land Hessen gewährt. Zunächst vertrat und entlastete mich sehr effektiv Herr Professor Dr. Ulrich Beyerlin vor allem, aber nicht nur in meinen Lehraufgaben. Ich danke ihm dafür ganz herzlich. In der zweiten Hälfte haben Gießener Fakultätskollegen Lehrverpflichtungen übernommen. Auch ihnen sei nachdrücklich gedankt. Danach mußte die Studie im normalen Universitätsbetrieb an meiner Professur für Öffentliches Recht an der Justus-Liebig-Universität Gießen vorangetrieben werden. Das Voranschreiten des Projekts wurde in sehr nachhaltiger Weise unterstützt und gefördert von Frau Dr. Marita Baumgarten, Frau PD

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Vorwort

Dr. Claudia Garnier und Frau Ulrike Schöne, die nacheinander als Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen an diesem Projekt mitwirkten. Ihnen habe ich besonders herzlich und nachdrücklich zu danken. Sie haben nicht nur die üblichen Zuarbeiten geleistet, die bereits als solche bei der Beschaffung der Quellen und Literatur aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen oft recht schwierig waren. Sie haben in vielen Gesprächen kritisch Stellung genommen, fördernde Anregungen und Vorschläge gegeben, Vorentwürfe gefertigt, Textkorrekturen durchgeführt und mich vor allem immer wieder bestärkt. Auch andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Professur haben mich auf vielfältige Weise im Laufe der Jahre unterstützt, wofür ich ihnen sehr zu danken habe. Vor allem möchte ich der damaligen Sekretärin der Professur, Frau Susanne Bonn, sehr herzlich danken. Sie hat die ersten, nicht immer leicht lesbaren handschriftlichen Manuskripte mitvollziehend zuverlässig abgeschrieben und in elektronische Dateien transformiert. Ich hätte ohne die Vorarbeiten dieser Mitarbeiterinnen nicht die hinreichenden Grundlagen zur Verfügung gehabt, um nach meiner Emeritierung 2001 die Untersuchung allein weiterzutreiben. Zu danken habe ich auch nachdrücklich Herrn Akademischen Rat Dr. Denis Pausch, der die in den Anhängen wiedergegebenen Quellen übersetzt hat. Es handelt sich um einige der wenigen unmittelbaren Zeugnisse handelnder Personen über ihre Auffassungen über die Grundlagen der ZwischenMächte-Beziehungen, auf die ich mehrfach zurückgegriffen habe. Während der Arbeit an dieser Untersuchung habe ich von Gießener und auch auswärtigen Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Fachbereichen sehr wichtige weiterführende Anregungen und Hinweise erhalten. Zudem erwiesen sich die wissenschaftlichen Ergebnisse von Symposien, Workshops und anderen Tagungen direkt oder indirekt als sehr ergiebige Quellen für Vertiefungen aber auch neue Perspektiven. Allen, die mir Hilfestellung und auch persönlichen Zuspruch gegeben haben, sei besonderer Dank gesagt. Zu danken habe ich ferner den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der verschiedenen Bibliotheken, vor allem der rechtswissenschaftlichen, der geschichtswissenschaftlichen und der zentralen Abteilung der Universitätsbibliothek Gießen, ohne deren freundliche und hilfsbereite Unterstützung bei der Suche nach Literatur ich allein oft nicht zurecht gekommen wäre. Die DFG hat die Studie auf dreifache Weise finanziell unterstützt. Sie hat meine Vertretung durch Herrn Beyerlin im ersten Freisemester finanziert, für insgesamt zwei Jahre die Kosten für die Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen getragen und schließlich einen namhaften Druckkostenzuschuß gewährt. Dafür sei ihr und den Verantwortlichen herzlich und nachdrücklich gedankt. Dem Lande Hessen danke ich für drei Forschungsfreisemester, die jedenfalls in Teilen auch für diese Untersuchung verwendet werden konnten, der Justus-Liebig-Universität für die Finanzierung eines Werkvertrages zur Anfertigung der Übersetzungen. Ich danke dem Böhlau-Verlag für die Aufnahme in sein Verlagsprogramm und Frau Dorothee Rheker-Wunsch und Frau Susanne Kummer, die den Text im Gang bis zum fertigen Buch geduldig betreut haben. Diese Untersuchung bildete über Jahre ein zentrales Projekt meiner Forschungsarbeit an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Es hat dort vielfache Förderung erfahren. Ihre Grundlagen hat sie in den wissenschaftlichen Prägungen, die ich an der West-

Vorwort

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fälischen-Wilhelms-Universität Münster erhalten habe. Zu nennen sind mit großer Dankbarkeit insbesondere die Professoren Dr. Hans Ulrich Scupin, Dr. Hans J. Wolff, Dr. Joachim Ritter und Dr. Helmut Schelsky. Sie und andere führten mich über die Rechtswissenschaft hinaus in eine weitere Welt der Wissenschaft. In ihren Seminaren sowie in der Westfälischen Sektion der Internationalen Vereinigung für Rechtsphilosophie versammelten sich zudem unter ihrer Anregung über Jahre hinweg Doktoranden und Habilitanden aus fast allen Fakultäten, zwischen denen ein langdauernder, sich gegenseitig befruchtender interdisziplinärer Austausch stattfand. Es war ein Kreis wissenschaftlicher amicitia gemäß den Möglichkeiten moderner offener Wissenschaft. So dauert über die Jahrzehnte eine Kontinuität der wissenschaftlichen Grundströmung. Für die Kontinuität im Leben, die das erst ermöglichte, verbürgte sich meine Frau Gertraut, die mich dort wie hier begleitet und getragen hat. Ihr sei dieses Buch gewidmet.

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In h a ltsü b e rsic ht

I. II. III. IV. V. VI.

Einführung Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mappa mundi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stand der Forschung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Völkerrecht“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 4 6 9 15 20

Teil I: Das Frankenreich und seine politische Umwelt 1. Kapitel: Das Frankenreich zwischen 741 und 840 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die territoriale Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grundlagen der Verfassungsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Regnum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Das Kaisertum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Reichsteile und Reichseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Christliche Grundlagen der karolingischen Herrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Wirtschaftliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27 27 27 30 42 49 56 61 63

2. Kapitel: Das oströmisch-byzantinische Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das oströmisch-byzantinische Kaisertum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Diplomatie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Territoriale Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ikonoklasmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69 69 70 76 78 80

3. Kapitel: Das Papsttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die doppelte Stellung des Papsttums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die geistliche Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die weltliche Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Innere Verfassung des werdenden Kirchenstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85 85 86 89 92

4. Kapitel: Sonstige christliche Mächte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 I. Langobarden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 II. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 III. Asturien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 IV. Venedig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

X

Inhaltsübersicht

5. Kapitel: Die nichtchristlichen Mächte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Slawen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Muslimische Mächte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

103 103 103 104

Teil II: Karolingische Zwischen-Mächte-Beziehungen Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 1. Kapitel: Die Beziehungen zu den oströmischen Kaisern . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Merowinger und Byzanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Pippin und Byzanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zum 2. byzantinisch-fränkischen Heiratsprojekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Behauptung des Gleichranges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Mitkaiser? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die Kaisererhebung Karls des Großen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Krieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Frieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Beziehungen Ludwigs des Frommen zu den oströmischen Kaisern . . . . . . X. Folgerungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

108 108 108 112 117 121 124 125 129 131 133 137

2. Kapitel: Beziehungen zum Papsttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kirchenreform. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. 1. Anlauf: Gregor III. und Karl Martell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Dynastiewechsel und Papsttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. 2. Anlauf: Stephan II. und Pippin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fortgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Karl der Große und Hadrian I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Karl der Große und Leo III. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Ludwig der Fromme und Lothar I. und das Papsttum . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Salbung – Patricius Romanorum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Promissio donationis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

140 140 140 143 145 146 155 165 172 176 183 187 198

3. Kapitel: Beziehungen zu anderen christlichen Mächten . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die fränkisch-langobardischen Beziehungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die fränkisch-englischen Beziehungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die fränkisch-asturischen Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die fränkisch-venezianischen Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Folgerungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

202 202 202 208 214 216 219

Inhaltsübersicht

4. Kapitel: Beziehungen zu nichtchristlichen Mächten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die fränkisch-dänischen Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die fränkisch-slawischen Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die fränkisch-arabischen Beziehungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bulgaren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Folgerungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI 221 221 221 227 230 240 242

Teil III: Zwischen – Mächte – Recht A: Grundlegungen 1. Kapitel: Mächte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Regnum – territorium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Herrschaftsorganisation für Krieg und Frieden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Folgerungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Andere Mächte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

245 245 246 248 262 267 269

2. Kapitel: Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Strukturen des gegenwärtigen Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Literarische Spurensuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Recht im Frankenreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rechtsgewohnheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

271 271 271 276 280 288 293

B: Verkehrsbeziehungen 3. Kapitel: Allgemeine Verkehrsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fremdenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Beziehungen aus Gründen der Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Flüchtlinge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Nachbarschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Amicitia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Würdigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

294 294 294 297 299 304 305 306 306

4. Kapitel: Politische Verkehrsbeziehungen – Gesandtschaften . . . . . . . . . . . . . I. Gesandtschaften und Kommunikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fränkische Herrscher und Päpste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Begriffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

308 308 310 316

XII IV. V. VI. VII. VIII. IX. X.

Inhaltsübersicht

Partner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswahl der Gesandten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Orte und Zeremoniell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhandlungen und Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsstellung der Gesandten in der Tradition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsstellung der Gesandten bei den Franken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

319 321 331 343 351 355 360

C: Institute der Zwischen-Mächte-Verbindungen 5. Kapitel: Placitum, pactio, pactum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verhandlungen und Abschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vertragsurkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vertragsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Vertragsdauer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Rechtsbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

373 373 379 407 415 420 422 425 427

6. Kapitel: Foedus, societas, Vasallität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Römisches foedus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Foedera der Merowinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Typologie der karolingischen Zeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Bruch des foedus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Societas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Vasallität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

429 429 429 432 436 441 443 446 448 451 457

D: Krieg und Herrschaft 7. Kapitel: Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Krieg oder friedliche Streitbeilegung?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Krieg und Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Formen des Kriegsbeginns. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Recht im Kriege?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Beendigung des Krieges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Krieg als iudicium? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

460 460 461 482 502 505 509 516 522

Inhaltsübersicht

8. Kapitel: Unterwerfung – Eroberung – Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erster Blick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die frühen Karolinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Deditio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Grenzregelungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Promissio donationis – Schenkung oder restitutio? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XIII 524 524 525 528 540 542

Teil IV: Ordo – Pax – Amicitia 1. Kapitel: Ordo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Pluralität und Parität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Una sancta ecclesia catholica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ecclesia – christianum imperium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die zwei Schwerter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Heiden und Islam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Ordo mundi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

553 553 560 576 584 594 610 611 612

2. Kapitel: Pax . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Pax in der inneren Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Pax in der karolingischen Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Tradition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Pax und Iustitia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Übergreifendes Friedenskonzept? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Pax und bellum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Folgerungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

616 616 618 622 628 637 641 643 650

3. Kapitel: Amicitia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Freundschaft der Mächtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Amicitia mit den oströmischen Kaisern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Amicitia mit den Päpsten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Amicitia mit anderen Herrschern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Römisch-byzantinische amicitia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Schwurfreundschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Amicitia – Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Amicitia – caritas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Verhaltensnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Amicitia und Verwandtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

652 652 653 657 661 664 669 675 682 689 691 698

XIV

Inhaltsübersicht

Conclusiones I. II. III. IV.

Pluralität und Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Symbiotische Multinormativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschichts-offene Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontinuitäten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

699 704 707 710

Anhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Briefwechsel mit anderen Herrschern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Briefwechsel mit den Päpsten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Briefe Alcuins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtstexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

713 713 723 739 745

Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 758 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 762 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 788

XV

In h a ltsve rze ic hnis Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I. II. III. IV.

V.

VI.

XXXII

Einführung Gegenstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mappa mundi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stand der Forschung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Ältere Gesamtdarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Neuere Gesamtdarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Allgemeine Ideengeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Allgemeine Geschichtswissenschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Spezialstudien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Völkerrecht“?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Übertragbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Ort in der Völkerrechtsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Quellenlage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Quellenarten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Quellenproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Historiographische Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Literarische Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 4 6 9 9 10 12 12 13 15 15 17 18 20 20 21 23 23 24 25

Teil I: Das Frankenreich und seine politische Umwelt 1. Kapitel: Das Frankenreich zwischen 741 und 840 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die territoriale Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Innere Konsolidierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Eroberungspolitik nach außen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grundlagen der Verfassungsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Grundlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Das Königtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Herrschergewalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Reichsversammlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Krieg und Frieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Interne Herrschaftsakte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g. Hof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h. Hofkapelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i. Gesandtschaftswesen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27 27 27 28 28 30 30 31 33 34 36 38 38 39 40

XVI

Inhaltsverzeichnis

j. Der Adel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Regnum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Regnum Francorum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Imperium vel regnum nostrum – regnum suum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Regnum – corpus – status . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Das Kaisertum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Imperium – Begriffsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Die Stellung des Kaisertums im karolingischen Reich . . . . . . . . . . . . . . . c. Imperium und karolingisches regnum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Römisch-fränkisches Kaisertum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Reichsteile und Reichseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Gliederung des Gesamtreiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Königreich Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Königreich Aquitanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Wahrung der Reichseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Christliche Grundlagen karolingischer Herrschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Wirtschaftliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Landwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Handwerk. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Fernhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Währung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Kriegsgewinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40 41 42 42 42 43 47 48 49 49 49 50 51 52 56 56 56 59 59 60 61 63 63 64 64 66 67

2. Kapitel: Das oströmisch-byzantinische Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das oströmisch-byzantinische Kaisertum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Kaisererhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Stellung des Kaisers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Innere Struktur des Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Diplomatie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Byzantinische Diplomatie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Territoriale Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ikonoklasmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Religiöse Auseinandersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Bilderstreit und der Westen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Ausgleichsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Ausklang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69 69 70 70 71 74 75 76 76 76 78 80 80 81 82 83 83

Inhaltsverzeichnis

3. Kapitel: Das Papsttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die doppelte Stellung des Papsttums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die geistliche Stellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Oströmisch-päpstlicher Primatsstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Westorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die weltliche Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Der römische Dukat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Italienische Loslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Zur res publica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Der Übergang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Innere Verfassung des werdenden Kirchenstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Papstwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Päpstliche Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Innere Organisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XVII 85 85 86 86 88 89 89 89 90 90 92 92 92 93 93

4. Kapitel: Sonstige christliche Mächte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 I. Langobarden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 a. Italienische Rivalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 b. Innere Herrschaftsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 c. Innere Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 d. Territoriale Ausdehnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 e. Religiöse Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 II. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 a. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 b. Offa von Mercien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 III. Asturien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 IV. Venedig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 5. Kapitel: Die nichtchristlichen Mächte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Slawen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Abodriten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Andere Slawen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Muslimische Mächte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Emirat von Cordoba . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Kalifat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

103 103 103 103 104 104 104 105

Teil II: Karolingische Zwischen-Mächte-Beziehungen Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kapitel: Die Beziehungen zu den oströmischen Kaisern . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Merowinger und Byzanz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Das Ehrenkonsulat Chlodwigs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

107 108 108 108 108

XVIII

Inhaltsverzeichnis

b. Beziehungen unter Chlodwigs Nachfolgern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pippin und Byzanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Pippin zwischen Kaiser und Papst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Der Gesandtschaftstausch von 757 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Weitere Gesandtschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Die Synode von Gentilly 767 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Das erste byzantinisch-fränkische Heiratsprojekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zum 2. byzantinisch-fränkischen Heiratsprojekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Herrscherwechsel in Franken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Das 2. byzantinisch-fränkische Heiratsprojekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Behauptung des Gleichranges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Der Bilderstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Das Konzil von Nicaea 787 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Ablehnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Mitkaiser? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die Kaisererhebung Karls des Großen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Die Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Kaiserkrönung und 3. Heiratsprojekt – Oströmische Quelle . . . . . . . . c. Friedensbemühungen 802/803 – Fränkische Quellen . . . . . . . . . . . . . . . VII. Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Karls Ordinatio für Venetien und Dalmatien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Seekrieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Frieden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Die ersten Schritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Der Bericht zu Friedensschluß und „Anerkennung“. . . . . . . . . . . . . . . . c. Vertragsschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Beziehungen Ludwigs des Frommen zu den oströmischen Kaisern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Grenzprobleme in Dalmatien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Noch einmal: Bilderstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Gesandtschaftstausch nach 824 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

110 112 112 113 114 115 116 117 117 118 121 121 121 123 124 125 125 125 128 129 129 130 131 131 131 132

2. Kapitel: Beziehungen zum Papsttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kirchenreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Reformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Weltliche Herrschaft und Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. 1. Anlauf: Gregor III. und Karl Martell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Der Papst unter Druck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Gesandte an Karl Martell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Gesamtperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Dynastiewechsel und Papsttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. 2. Anlauf: Stephan II. und Pippin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Grundlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

140 140 140 140 143 143 143 144 144 145 146 146

II.

133 133 134 137 137

Inhaltsverzeichnis

b. Die Lage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Kontaktaufnahme mit Pippin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Reise nach Francien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Die Begegnung in Ponthion und St. Denis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Fortgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g. 1. Langobarden-Krieg und Friedensschluß 755 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h. 2. Langobarden-Krieg und erneuter Friedensschluß 756 . . . . . . . . . . . . i. Stand 756 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fortgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Donatio und defensio. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Papstwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Defensio ecclesiae nach außen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Defensio ecclesiae nach innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Wechsel auf beiden Seiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Karl der Große und Hadrian I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. 1. Besuch Karls in Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Fortgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. 2. Besuch Karls in Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. 3. Besuch Karls in Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Dogmatische Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Karl der Große und Leo III. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Bestätigung des pactum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Leo III. in Paderborn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. 4. Besuch Karls in Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Fortgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Ludwig der Fromme und Lothar I. und das Papsttum. . . . . . . . . . . . . . . a. Der Beginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Papstbesuch in Reims 816 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Pactum Hludovicianum 817 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Constitutio Romana 824 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Die außenpolitische Bedeutung des Papsttums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Religiös-kirchliche Sphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g. Die Begegnung auf dem „Lügenfeld“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Salbung – Patricius Romanorum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Salbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Patricius Romanorum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Promissio donationis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Grundfragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Quierzy 754 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Pavia 755 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Pavia 756 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. 757 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Rom 774 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g. Reims 816 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XIX 147 147 148 148 151 152 153 154 155 155 156 158 160 161 163 165 165 168 169 170 171 172 172 174 175 175 176 176 177 177 180 182 182 183 183 183 185 187 187 188 189 189 190 191 196

XX

Inhaltsverzeichnis

h. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Normative Breite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Verlagerung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Pactum und amicitia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

197 198 198 199 200

3. Kapitel: Beziehungen zu anderen christlichen Mächten . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die fränkisch-langobardischen Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Merowinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Karolinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Pippin und Aistulf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Desiderius. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Heiratsverbindung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g. Rex Francorum et Langobardorum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h. Benevent und Spoletto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die fränkisch-englischen Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Religiös-kirchliche Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Beziehungen im dynastischen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Wirtschaftliche Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Politische Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Amicitia, pactum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die fränkisch-asturischen Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die fränkisch-venezianischen Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Kriegerische Verwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Pactum Veneticum Hlotarii 840 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

202 202 202 202 202 203 203 204 205 206 207 207 208 208 209 210 211 212 213 214 216 216 217 218 219

4. Kapitel: Beziehungen zu nichtchristlichen Mächten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die fränkisch-dänischen Beziehungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Karl der Große . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Ludwig der Fromme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Mission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die fränkisch-slawischen Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Beziehungen mit den Abodriten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Beziehungen mit den übrigen Slawen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die fränkisch-arabischen Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Emirat von Cordoba . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Beziehungen Pippin- al Mansur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

221 221 221 221 224 226 227 227 229 230 230 231 233

XI.

Inhaltsverzeichnis

IV. V.

d. Beziehungen Karl der Große – Harun al-Rashid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Beziehungen Ludwig der Fromme – al-Mamun. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Sarazenische Seeräuber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bulgaren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXI 234 239 239 240 242

Teil III: Zwischen-Mächte-Recht A: Grundlegungen 1. Kapitel: Mächte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Texte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Karl der Große. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Einhard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Regnum – territorium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Grundlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Fines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Marca . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Confinium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Termini – limites. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Natürliche Grenzen – Historische Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g. Entstehen und Untergang eines regnum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Herrschaftsorganisation für Krieg und Frieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Rex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Optimates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Andere Mächte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

245 245 246 246 247 247 248 248 249 252 253 255 257 259 261 262 262 264 267 269

2. Kapitel: Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Strukturen des gegenwärtigen Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Universalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Geltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Objektive Rechtsordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Völkerrecht – Staatsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Positivität des Rechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Literarische Spurensuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Isidor von Sevilla . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Fränkische Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

271 271 271 271 272 272 274 275 275 276 276 277 279

XXII IV.

V.

VI.

Inhaltsverzeichnis

Recht im Frankenreich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Volksrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Königsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Ius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Iura . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Lex. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Mos – consuetudo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g. Iustitiam facere. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsgewohnheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Allgemeine Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Rechtsgewohnheiten und Zwischen-Mächte-Normativität . . . . . . . . . . c. Spielregeln?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Iustitia et pax . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

280 280 282 284 285 286 287 288 289 289 290 292 292 293

B: Verkehrsbeziehungen 3. Kapitel: Allgemeine Verkehrsbeziehungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fremdenrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Fremder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Königsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Beziehungen aus Gründen der Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Missionare und Gelehrte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Pilger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Consuetudo antiqua. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Innere Handelsregulierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Gerichtszugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Pactum Veneticum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Seerecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Flüchtlinge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Politische und religiöse Flüchtlinge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Andere Flüchtlinge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Nachbarschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Amicitia. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Paralleles internes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Verknüpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Gemeinsames allgemeines Handelsrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

294 294 294 294 295 297 297 297 299 299 299 299 301 301 302 303 304 304 304 305 305 306 306 306 306 307

Inhaltsverzeichnis

XXIII

4. Kapitel: Politische Verkehrsbeziehungen – Gesandtschaften . . . . . . . . . . . . . I. Gesandtschaften und Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fränkische Herrscher und Päpste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Zeremoniell am fränkischen Hof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Treffen in Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Abhängige Herrscher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Begriffe in den fränkischen Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Begriffe in den päpstlichen Quellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Partner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Gesandtschaftsverkehr mit unabhängigen Mächten. . . . . . . . . . . . . . . . . b. Gesandtschaftsverkehr mit abhängigen Mächten . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Gesandtschaftsverkehr im Frankenreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Auswahl der Gesandten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Fränkische Gesandte – Allgemeine Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Gesandtschaftsverkehr mit den Päpsten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Gesandtschaftsverkehr mit den oströmischen Kaisern . . . . . . . . . . . . . . e. Gesandtschaftsverkehr mit den Abbasiden und dem Patriarchen von Jerusalem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Sonstiger Gesandtschaftsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Orte und Zeremoniell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Königsorte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Aachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Grenzorte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Zeremoniell bei fränkischen Empfängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Empfang in Konstantinopel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Gegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Friedensschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Frieden und Freundschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Bündnisse und Hilfeersuchen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Einforderung des Rechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Grenzfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g. Religiöse Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h. Sonstige Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Verhandlungen und Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Verhandlungen am fränkischen Hofe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Verhandlungen an auswärtigen Höfen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Formelle Befugnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Inhaltliche Instruktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

308 308 310 310 313 314 315 316 316 319 319 319 320 321 321 321 323 324 327 328 330 331 331 331 332 338 339 341 342 343 343 343 345 346 348 348 349 349 350 351 351 352 352 354

XXIV IX.

X.

Inhaltsverzeichnis

Rechtsstellung der Gesandten in der Tradition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Antike . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Römisch-byzantinisch-germanische Spätantike . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsstellung der Gesandten bei den Franken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Ein Skandal. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Volksrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Kapitularien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Erzählende Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

355 355 357 360 360 361 363 364 367 369 371

C: Institute der Zwischen-Mächte-Verbindungen 5. Kapitel: Placitum, pactio, pactum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Quellenbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Römisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Placitum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Pactio/pactum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Pactum – pax facta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verhandlungen und Abschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Mündliche Vertragsabschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Mündlich-schriftliche Vertragsabschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Schriftliche Vertragsabschlüsse – Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Fränkisch-päpstlicher Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Fränkisch-römisch/päpstlich-langobardische Verträge 755 und 756 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g. Fränkisch-oströmischer Vertrag von 812/814. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h. Pactum Veneticum Hlotarii . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i. Fränkisch-spanische Vertragsbemühungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j. Vertragspartner. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k. Byzantinischer Vertragsschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l. Eid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . m. Geiseln und Geschenke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vertragsurkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Pactum Hludovicianum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Constitutio Romana. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Pactum Veneticum Hlotharii . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Langobardisch-neapolitanische Verträge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Einseitigkeit – Gegenseitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vertragsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Kriegsbeendende Friedensverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

373 373 373 373 375 375 378 379 379 380 383 386 386 391 392 398 401 401 401 402 405 407 407 409 410 412 414 415 415

Inhaltsverzeichnis

XXV

b. Friedensbefestigende Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Noch einmal: Pactum Veneticum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Vertragsdauer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Unbefristete Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Befristete Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Rechtsbindung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Fides – Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Fides – vinculum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Rechtstheoretische Deutung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Vertragserfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Vertragsbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

416 417 420 420 421 422 422 423 425 425 426 426 427

6. Kapitel: Foedus, societas, Vasallität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Fränkische Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Päpstliche Begriffsbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Römisches foedus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Klassisches foedus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Foedus im Kaiserreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Foedera der Merowinger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Merowinger – Ostrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Typologie der karolingischen Zeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Foedus und pax facta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Foedus und Allianz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Ungleiches foedus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Foedus und pactum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Friedensbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Friedensschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Allianz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Bruch des foedus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Friedensbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Allianzbruch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Bruch der Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Societas. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Typologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

429 429 429 429 432 432 432 433 435 436 436 437 439 439 441 441 442 442 443 443 443 444 444 445 446 446 447 447 448 448 449

XXVI

IX.

X.

Inhaltsverzeichnis

c. Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Societas – pactum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vasallität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Grundlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Herzog Tassilo von Bayern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. König Heriold von Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Commendatio – deditio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Herkunft der Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Gemeinsamer foedus-Begriff?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Foedus – societas – Vasallität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Typologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

450 450 451 451 452 454 456 457 457 457 458 459 459

D: Krieg und Herrschaft 7. Kapitel: Krieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Krieg oder friedliche Streitbeilegung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Innere Kriege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Kriege gegen Aistulf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Krieg gegen Desiderius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Krieg gegen Nicephorus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Kriege mit dänischen Königen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Weitere Kriege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g. Unterwerfungskriege gegen die Sachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h. Unterwerfungskriege in Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i. Unterwerfungskriege gegen die Awaren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j. Kleinkriege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k. Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Krieg und Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Defensio et exaltatio sanctae Dei ecclesiae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Verteidigung gegen die Heiden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Krieg und Mission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Sachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Awaren – Dänen – Slawen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g. Gebete – Liturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Formen des Kriegsbeginns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Gesandtschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Bellum indicere. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Recht im Kriege? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

460 460 461 462 465 470 471 472 473 473 476 476 478 480 482 482 483 483 487 491 495 497 500 502 502 502 504 505

Inhaltsverzeichnis

XXVII

a. Kriegführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Gefangene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Beuterecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Beendigung des Krieges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Kriegsbeendigungen mit Aistulf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Pacem petere. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Krieg als iudicium? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Rechtsvorgang? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Textbefunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Iudicium Dei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Krieg und Fehde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

505 506 507 509 509 512 514 516 516 516 517 518 520 522

8. Kapitel: Unterwerfung – Eroberung – Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 I.

II.

III.

IV.

V.

Erster Blick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Gegenwart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die frühen Karolinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Invasion fremder Herrschaftsgebiete. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Unterwerfung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Unterordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Herrschaftsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deditio. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Textbefunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Rechtsfolgen der römischen deditio. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Fränkische Formen der deditio. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Karl: Rex Langobardorum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Deditio – commendatio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grenzregelungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Grenzziehungen für den „Kirchenstaat“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Promissio donationis – Schenkung oder restitutio? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Grundfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Die promissio donationis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Kaiserliche Ansprüche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Der Vollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

524 524 524 525 525 525 526 527 528 528 529 531 532 533 535 537 540 540 540 542 542 542 543 543 544 545 546

XXVIII

Inhaltsverzeichnis

g. Karl der Große. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 h. Pactum Hludovicianum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 i. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551

Teil IV: Ordo – Pax – Amicitia 1. Kapitel: Ordo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Ordo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Die Welt und ihr Abbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Die herrschaftliche Weltordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Deutungsmodelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Zwei Gewalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Pluralität und Parität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Pluralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Parität mit den oströmischen Kaisern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Konzil und Kaiser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Entstehungsgeschichte der Libri Carolini . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Ökumenizität und kaiserliche Universalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Zwei Kaiser. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g. Parität der Könige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h. Der neue Kaiser und die Könige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i. Papsttum – weltlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j. Familie der Könige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Una sancta ecclesia catholica. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Grundlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Libri Carolini und Hadrian I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Karl der Große – defensor ecclesiae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Consensus omnium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ecclesia – christianum imperium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Populus christianus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Christianitatis imperium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Die kaiserliche Herrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Ludwig der Fromme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Sacrum Imperium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die zwei Schwerter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Grundlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Geistlich-kirchliche Tradition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Alcuin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Jonas von Orleans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Hincmar von Reims. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Das Papsttum in fränkischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g. Päpstliche Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

553 553 553 553 556 558 558 560 560 560 561 562 563 566 568 570 573 574 576 576 577 578 579 582 584 584 585 590 592 593 594 594 595 599 601 603 604 606

Inhaltsverzeichnis

XXIX

h. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Heiden und Islam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Europa. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Ordo mundi. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Pluralität – Universalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Universalität des Glaubens – Pluralität der Herrschaft . . . . . . . . . . . . . .

610 610 611 612 612 613

2. Kapitel: Pax . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Pax in der inneren Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Kapitularien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Synodenbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Pax in der karolingischen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Alcuin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Smaragd von St. Mihiell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Jonas von Orleans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Tradition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Cyprian. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Augustinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Isidor von Sevilla . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Pax und Iustitia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Grundlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Kapitularien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Synodalbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Übergreifendes Friedenskonzept?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Pax und bellum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Grundlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Karolingische Epoche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Augustinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Isidor von Sevilla . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

616 616 618 618 618 622 622 623 626 626 627 628 628 629 635 637 637 637 638 639 640 641 643 643 645 646 649 650

3. Kapitel: Amicitia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Freundschaft der Mächtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Amicitia mit den oströmischen Kaisern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Pippin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Karl der Große. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Ludwig der Fromme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Amicitia mit den Päpsten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Fränkische Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

652 652 653 653 654 655 656 657 657

XXX

Inhaltsverzeichnis

b. Päpstliche Quellen – amicitia mit den Karolingern . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Päpstliche Quellen – amicitia zwischen anderen Herrschern . . . . . . . . . d. Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Amicitia mit anderen Herrschern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Offa von Mercien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Alfons II. von Asturien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Harun al-Rashid. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Dänische Herrscher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Weitere Verwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Römisch-byzantinische amicitia. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Amicitia Mauricius – Childebert II. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Paradisis Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Schwurfreundschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Begriff, Begründung, Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Bedeutung für die Zwischen-Mächte-Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Kritik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Auswege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Amicitia – Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Begründung einer amicitia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Amicitia und pactum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Amicitia – caritas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Grundlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Alcuin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Die Väter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Caritas. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Verhaltensnormen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Grundlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Verhalten zwischen den amici. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Verhalten gegenüber Dritten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Amicitia und Verwandtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Natürliche fraternitas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Gemachte Verwandtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Geistliche Verwandtschaft – Taufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

658 659 659 661 661 661 662 662 663 663 664 664 664 666 668 669 669 669 671 673 674 675 675 675 676 679 680 681 682 682 682 685 687 689 689 689 690 691 691 691 692 693 695 697

Inhaltsverzeichnis

XI.

XXXI

Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 698

Conclusiones I.

Pluralität und Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Pluralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Karolingische Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Einheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Zweiteilung der Welt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Symbiotische Multinormativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Multinormativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Gemeinsame oder parallele Normativität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Ordnung – Frieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschichts-offene Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Fragestellung und Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Verallgemeinerungsfähigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontinuitäten?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Kontinuitäten – Diskontinuitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Leitfrage der Völkerrechtsgeschichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

699 699 700 701 703 704 704 705 707 707 707 708 710 710 712

Anhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Briefwechsel mit anderen Herrschern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Karl der Große an König Offa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Karl der Große an Kaiser Nicephorus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Karl der Große an Kaiser Michael I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Kaiser Michael II. und Theophilus an Ludwig den Frommen . . . . . . . . II. Briefwechsel mit den Päpsten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Stephan II. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Paul I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Stephan III. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Karl der Große an Leo III. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Briefe Alcuins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. An Karl den Großen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. An andere Adressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtstexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Kapitularien – Auszüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Pacta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

713 713 713 715 716 718 723 723 725 731 737 739 739 743 745 745 748

II.

III.

IV.

Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 758 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 762 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 788

Abk ü rzunge n AD AdV Bd. c./cap. CIJ/ICJ CSEL DA DZG EPIL DRW HJ HRG HZ lib. LMA MGH MIÖG MLLM QFIAB ZaöRV ZHF ZRGgerm ZRGrom ZKG

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E in f ü h ru ng I . Geg en s tan d „Den Ruhm seiner Herrschaft hat er noch erhöht durch die freundschaftliche Verbindung mit mehreren Königen und Völkerschaften. Mit dem König Alfons von Galizien und Asturien hatte er ein so enges Verhältnis, daß dieser, wenn er Gesandte oder Briefe an ihn abschickte, sich nur als sein Eigenmann bezeichnen ließ. Auch die Könige der Schotten hatte er durch Geschenke so sehr unter seinen Willen gebeugt, daß sie ihn nie anders als ihren Herren und sich seine Untertanen und Knechte nannten. … Mit dem Perserkönig Harun, der mit Ausnahme Indiens fast das ganze Morgenland beherrschte, stand er in so freundlichem Einvernehmen, daß dieser seine Huld der Freundschaft aller Könige und Fürsten des ganzen Erdkreises vorzog und ihn allein hoch ehren und beschenken zu müssen glaubte; … . Auch die Kaiser Nicephorus, Michael und Leo von Konstantinopel bewarben sich aus freien Stücken um Freundschaft und Bündnis mit ihm und schickten mehrfach Gesandtschaften an ihn ab.“1 Diese Preisung Karls des Großen durch seinen ersten Biographen Einhard gibt den tiefen Eindruck wieder, den jedenfalls diejenigen, die Karl nahestanden, von seinen umgreifenden Beziehungen zu anderen Herrschern erhalten hatten. Zum erstenmal hatte ein fränkischer Herrscher systematisch Außenpolitik betrieben, seine Beziehungen zu anderen Herrschern weit über die engere Nachbarschaft hinaus bis fast an die Grenzen der damals bekannten Welt ausgedehnt und auch entfernte Herrscher zu „Freunden“ gewonnen. Karl selbst kennzeichnete seine Auffassung von den Beziehungen zu anderen Mächten in einem Brief an den König von Mercien Offa: „Zwischen königlichen Majestäten und höhergestellten Persönlichkeiten des Diesseits, die in der Einmütigkeit des Friedens verbunden sind, pflegt es üblicherweise zum Nutzen zu gereichen, die Rechte der Freundschaft und die Eintracht der christlichen Nächstenliebe von den niedrigsten Regungen des Herzens frei zu halten. Und wenn wir durch das Gebot des Herrn angehalten werden, die Fesseln der Feindschaft zu lösen, so muß man sich um so mehr darum sorgen, die Bande der Nächstenliebe zu knüpfen. Daher war es auch unser Wunsch, allerliebster Bruder, weil wir an die Übereinkunft zwischen uns in alter Zeit dachten, diesen Brief an eure Hoheit zu richten, damit das Bündnis im Vertrauen wurzelnd mit dem Lohn der Nächstenliebe Frucht trage.“2 Zwar spricht Karl hier nur von der Ordnung der christlichen Welt. Aber die nachdrückliche Hervorhebung der 1

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Einhard, Vita Caroli, c. 16. Lat./dt. Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte, Erster Teil, Freiherr v. Stein-Gedächtnisausgabe hrsg. v. Rudolf Buchner, Bd. V., Berlin, S. 185/187, dt. v. O. Abel, J. v. Jasmund, Reinhold Rau. Zu Einhard u. a. Ganshof, Eginhard passim. Inter regales dignitates et sublimiores saeculi personas foederate in unanimitate pacis amicitiae iura et sanctae caritatis concordiam ex intimo cordis affectu servare multis prodesse solet. Et si inimicitiae nodos dominico precepto dissolvere iubemur, quanto magis vincula caritatis conectere curandum est. Unde et nos, frater dilectissime, antiqui memores inter nos pacti, has vestre reverentiae litteras dirigere curavimus, ut foedus, in radice fidei firmatum floreret

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Abb. 1 Siehe hierzu ausführlich „Mappa mundi“, Seiten 4–6

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Pflege seiner Beziehungen zu Harun al-Rashid durch Einhard deutet doch darauf hin, daß es dem fränkischen Herrscher im Bewußtsein der Zeit um eine umfassendere Ordnung der Welt ging. Zwar gingen der erste karolingische König Pippin und Karl der Große auch weiterhin den Weg kriegerischer Expansion. Karl erweiterte das Herrschaftsgebiet nach Süden in Italien durch die Übernahme des langobardischen Königreichs, nach Nordwesten in Germanien durch die Eingliederung der Sachsen, nach Südosten durch die Eroberung des Awarenreiches und nach Südwesten durch die spanische Mark. Zeitweise gliederte er sogar Venedig und Dalmatien seiner Herrschaft ein. Auch diese und noch weitere Kriege werden von Einhard ausführlich in mehreren Kapiteln rühmend dargelegt.3 Aber daneben stand eine bewußt auf friedliche, geordnete Beziehungen und Gesamtordnung gerichtete Politik gegenüber anderen Mächten. Ludwig der Fromme führte diese Politik zunächst in abgeschwächter Form weiter. Dieser weitgefaßte Ansatz einer Gesamtordnung fiel zwar später in der zweiten Phase karolingischer Herrschaft und ihrer internen Auseinandersetzungen zunächst wieder zusammen, wirkte aber als Referenzpunkt für die Zukunft. In dieser Untersuchung soll den Beziehungen der drei ersten karolingischen Herrscher zu den anderen Mächten ihrer Zeit unter der besonderen Fragestellung nachgegangen werden, wie diese Beziehungen normativ, vor allem rechtlich geordnet und gestaltet wurden. Noch war die politische Welt, in der Pippin, Karl und Ludwig agierten überschaubar, erweiterte sich jedoch zunehmend. Sie umfaßte neben den fränkischen Herrschern die Kaiser des Ostens, die Päpste, englische, asturische, dänische, bis 774 auch langobardische Könige, aquitanische, bayerische und langobardische Herzöge, islamische Herrscher im Orient und in Spanien, die Könige der Dänen, die Herrschaftsverbände der Sachsen, Slawen, Awaren, die Schwärme der Normannen. Später traten u. a. die Bulgaren und die Rus hinzu, wenn sie auch für die Franken, anders als für Ostrom, zunächst noch sehr weit entfernt waren und nur am Rande Bedeutung erlangten. Zwar bildeten noch immer die äußeren Grenzen des alten Römischen Reiches den eigentlichen Raum dieser politischen Welt. Aber zum einen war dieser Raum nach dem Zusammenbruch des römischen Reiches im Westen und dem Aufkommen neuer Mächte in diesem Raum sowie den Eroberungen der Araber und der Kalifen im Ostreich in seiner politisch-herrschaftlichen Ordnung plural strukturiert. Zum anderen traten im Norden mit den Dänen und im Osten der Grenzen des alten Reiches mit Sachsen, Slaven und den Rus neue Völker mit ihren Herrschern oder Herrschaftsverbänden in den Horizont, erweiterten auch geographisch den politischen Aktionsraum der Frankenherrscher. Damit ergibt sich wie selbstverständlich unsere Frage, wie die Beziehungen und Verhältnisse dieser Mächte zueinander gestaltet und normativ/rechtlich geordnet waren. Es werden jedoch nur die Beziehungen der karolingischen Herrscher mit anderen Herrschern oder Mächten und deren normative Gestaltungen und Ordnungen untersucht. Die sehr bedeutsamen Beziehungen zwischen den oströmischen Kaisern und

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in fructu caritatis, Alcuini epp., Nr. 100, MGH Epp. IV, S. 144, S. 145 Z. 4–9; dt. Übersetzung von Denis Pausch, Anhang Nr. 1. Einhard, Vita Caroli c. 6–15.

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den arabischen Mächten oder zu anderen Mächten oder Völkern werden nicht mit einbezogen. Das gilt erst recht für deren Beziehungen weiter nach Osten in den indischen Raum. Daher bleibt auch die islamische Sicht dieser Beziehungen und ihrer Normativität außerhalb der Erörterung. Ob und inwieweit unterschiedliche Kreise der Normativität der Beziehungen der politischen Mächte im „Westen“ und im „Osten“ bestanden, wird daher in dieser Untersuchung nicht behandelt.

I I. Ma p p a mu n d i Die Welt, in der die Karolinger und vor allem Karl der Große ihre Beziehungen zu anderen Mächten auf- und ausbauten und normativ gestalteten und ordneten, gliederte sich in der Vorstellung der Zeit in drei Erdteile, Europa, Asien, Afrika. Die hier wiedergegebene sogenannte Isidorkarte, die nach herrschender Auffassung um 775 in einem Kloster in der Provence gezeichnet worden ist, nimmt diese alte Vorstellung auf, gruppiert jedoch in sehr entwickelter Form diese drei Erdteile um das Mittelmeer als Zentrum.4 Zwar stand die Provence zur Zeit der Entstehung der Karte unter fränkisch-karolingischer Herrschaft. Aber sie war in gewisser Weise „königsfern“, d. h. sie lag außerhalb der eigentlichen Machtzentren und Reisewege der karolingischen Könige, die im nördlicheren und westlicheren Francien gelegen waren. Die Karte ist vor dem eigentlichen Aufstieg des karolingischen Königs Karl entstanden, oder allenfalls zeitgleich mit der Annexion des Langobardenreiches. Sie hat von ihrer ganzen Anlage her keinen besonderen inneren oder äußeren Bezug zum Frankenreich. Die Franken werden dort nicht genannt; es fehlen jedwelche Hinweise auf sie. Das von ihnen beherrschte Gebiet heißt nicht Francien, sondern Gallia Lugdunsis und Gallia Belgica, zudem, durch den Rhein getrennt, Germania inferior und Germania superior. Die Bedeutung der Karte liegt überhaupt nicht in einer politischen Aussage, in der Zuordnung von Reichen, regna oder imperia. Solche kommen ganz allgemein nicht vor. Vielmehr gibt die Karte die geographische Situation der Welt wieder, in deren Zentrum das Mittelmeer mit seinen Inseln liegt. Sie stellt einen für diese Zeit neuen Kartentypus dar. Üblich waren in dieser Zeit sehr schematische Darstellungen, die sogenannten T/O Karten. Sie gründen vor allem auf Schriften des Paulus Orosius aus dem fünften und Isidors von Sevilla aus dem sechsten/siebten Jahrhundert. 5 Diese stellten, wenn auch in Variationen, die Welt in einem Kreis dar, in dem ein T oder Antonniterkreuz die Welt in drei Teile gliederte. Oberhalb des T-Balkens, der in der Regel links den Don und rechts den Nil symbolisieren sollte, befindet sich Asien, rechts des Schaftes, der das Mittelmeer darstellte, unter dem Nil Afrika und links unter dem Don Europa. Asien war doppelt so groß wie Europa. Denn dieses reichte vom

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Richard Uhden, Die Weltkarte des Isidorus von Sevilla, in: Mnemosyne, Tertia series, 3 (1935–37), S. 97–124; Menéndez-Pidal, Mozárabes y Asturianos, S. 188 ff.; Englisch, Ordo orbis terrae, S. 121 ff., mit weiteren Verweisen. Woodward, Medieval Mappaemundi, S. 299ff.; zu den T/Karten auch Englisch, ibid., S. 35 ff.

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Mittelmeer und dem Nahen Osten bis nach Indien. Dieses Grundschema konnte in gewisser Weise variiert, ergänzt und ausgeschmückt werden. Auf manchen dieser T/O Karten gab es noch einen vierten Kontinent, unbekannt und oft als inhabitabilis gekennzeichnet. Aber das Grundmuster blieb erhalten, vor allem aber diese schematische Darstellungsweise, die sich nicht im geringsten um die geographische Gestalt der dargestellten Räume kümmerte. Sie war ganz der religiös-theologischen Kartenkonzeption unterworfen. Das ist bei dieser Karte grundlegend anders. Sie stellt die bekannte Welt in geographischer Weise dar nach den Kenntnissen der Zeit, wenn auch weiterhin mit einem gewissen Schematismus. Die Karte selbst ist kreisrund, wird aber von dem äußeren Ozean in ovaler Form umgeben. Ob der Kreis eine Scheibe oder eine Kugel darstellen soll, sei dahingestellt. In der Mitte liegt das Mittelmeer mit den Inseln Sizilien, Korsika, Sardinien, den Balearen, Kreta, Zypern, und anderen, um das sich die drei Kontinente gruppieren. Im Osten, d. h. unten auf der Karte, liegt Asien vom Mittelmeer bis nach Indien. Ganz am Rand des Kreises zum Ozean sind der Garten Eden und als eine Art Stern das Paradies eingezeichnet. In dem Ozean liegt der unbekannte vierte Kontinent. In Asien sind grundlegende Details eingezeichnet und benannt.6 Provinzen- Asia Minoris, Arabia, Persida caldea, Asauria pepsida, India bragmanorum, Berge – Libanon, Olymp, Flüsse – Jordan, Euphrat, Tigris, Städte – Jerusalem nahe der Mittelmeerküste, Bethlehem, und Babylon eher im Landesinneren am Euphrat gelegen. Auf der rechten Seite, also im Norden des Kreises, gibt es einen Übergang nach Europa zum Balkan, links, also nach Süden einen Übergang nach Afrika über Ägypten. Europa ist in der oberen Bildhälfte in einem Viertelkreis am rechten Rand dargestellt. Es ist aber nicht als bloße Landmasse gezeichnet, sondern folgt in seiner südlichen Form in sehr grober Manier aber gut pointiert und erkennbar den Umrissen der drei „Ausläufer“, Balkan, Italien, Spanien. Die Provinzen werden benannt, auf dem Balkan Achaia, Thracia, Machedonia, mit dem Übergang nach Norden Dardania und Pannonia, an das sich Germania superior und Germania inferior schon nach Westen hin anschließen. Italien, das zwar keinen Stiefel, aber doch eine Ausstülpung in das Mittelmeer bildet, wird nicht weiter gegliedert. Es wird nach Norden durch die Alpen abgeschlossen, die den Übergang wiederum zu den beiden Germanien aber auch zur Gallia Belgica und Gallia Lugdunsis bilden. Von Italien durch einen breiten Teil des Mittelmeeres getrennt liegt die iberische Halbinsel mit Hispania ulterior und Hispania inferior. Auch diese werden nach Norden durch einen Gebirgszug, die Pyrenäen begrenzt. Jenseits dieser liegen dann Provincia und Aquitania, an das sich dann wieder Gallia Lugdunsis anschließt. So bildet sich am äußeren Kreisrand ein Bogen von Spanien über Aquitanien, Gallien, Germanien, der aber noch weiter wieder nach Osten Richtung Asien reicht mit Scithia Gothica, Dacia, Scithia interior. Neben den Gebirgen Alpen und Pyrenäen sind auch die Hauptflüsse eingezeichnet Donau, Rhein, Loire (liger), Garonne, Rhone, Tessin, Po, Ebro. Auch in Europa werden zwei Städte verzeichnet, zwischen Balkan und 6

Die Lesbarkeit der Karte verdankt sich Menéndez-Pidal, ibid., der die Nachzeichnung der Karte, die er als „celula madre de la cartografía medieval“ bezeichnet, erstellt und die schwer lesbaren schriftlichen Einträge der Karte transcribiert hat.

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Asien, im Meer, Konstantinopel und in der südlicheren Hälfte zwischen Appenin und Küste Rom. In Spanien, Gallien und Germanien fehlen jegliche Hinweise auf Städte oder dergleichen. Auch Konstantins erste Kaiserstadt Trier ist nicht eingezeichnet. Sie spielte zu dieser Zeit keine besondere Rolle mehr. Jenseits der Meerenge von Gibraltar auf der Karte nach links, also nach Süden schließt sich Afrika an, das, wie bemerkt, auf der anderen Seite über Ägypten mit Asien verbunden ist. Auch für Afrika werden Provinznamen angegeben und geographische Details eingetragen, Flüsse, der Nil, Berge etc. Zwei Städte werden vermerkt, Karthago mehr nach Westen und Alexandrien auf dem Meer, schon jenseits des Nils eher in Asien. Die Karte ist also geographisch konzipiert und ausgeführt. Sie ist zwar nicht detailgetreu. Aber sie will die Wirklichkeit der Welt erfassen und darstellen, nicht eine ideelle Welt, sondern die reale Welt nach dem Wissensstand und den Kenntnissen des Urhebers oder der Urheber. Sie ist also weder eine politische noch auch eine „religiöse“ Karte, die durch das Dargestellte die Mächtewelt oder religiöse Inhalte und Vorstellungen vermitteln will. Zwar wird auch das Paradies eingezeichnet, aber im Wortsinn am Rande des Kreises der bekannten, von Menschen belebten Welt. Der Raum, den diese Mappa mundi abbildet, reicht von Spanien bis nach Indien, von Nordafrika bis zum Schwarzen und zum Kaspischen Meer, also weit über das Aktionsfeld der Karolinger hinaus. Aber dieses umfaßte innerhalb dieser weiten Welt wesentliche Teile, ganz Europa und den nahen Osten bis an den Euphrat, wie Einhard hervorhebt. Nur das noch weiter entfernte Indien, aber auch Afrika blieben außerhalb karolingischer Außenbeziehungen. Dieser Raum war bis dahin aus dem Osten, Asien, oder aus dem Süden Europas, Rom und in der eigenen Gegenwart durch Konstantinopel gestaltet und geordnet worden. Mit den karolingischen Herrschern entstand im Nordwesten Europas, aber auf altem römischen Reichsboden ein politisches Aktionszentrum, das in gewisse Konkurrenz zu dem im byzantinischen Reich fortlebenden römischen Reich tritt und von dem in diese alten Ordnungen eingegriffen und eine Neugestaltung unternommen wird. Die Franken waren aber nicht die einzigen newcomer. Im Nahen Osten hatte sich ebenfalls auf früherem römischen Reichsboden mit dem arabischen Kalifat wenig vorher eine neue politische Macht, zudem anderen Glaubens, etabliert und dehnte sich weiter auf Kosten der alten Macht Ostrom aus. In Spanien hatte sich das ebenfalls muslimische Emirat Cordoba gebildet. Im Norden wuchs das dänische Königreich als eine neue politische Macht heran. So legte sich über die geographische Weltordnung eine Pluralität von Herrschaftsverbänden, mit denen die Karolinger in sehr verschiedener Weise Beziehungen aufnahmen und auch normativ gestalteten. Dies veränderte die alte überkommene Ordnung der Welt und schuf neue Strukturen.

II I . Z ei tr au m Daher setzt die Untersuchung mit dem Beginn der karolingischen Dynastie, dem Herrschaftsantritt der beiden Söhne Karl Martells Pippin und Karlmann im Jahre 741 ein und endet mit dem Tode Ludwigs des Frommen im Jahre 840. Maßgebend ist der Wechsel von dem Königtum der Merowinger zu dem der Karolinger.

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Jede Epochenwahl hat Argumente für und wider. In den Darstellungen der Geschichtswissenschaft finden sich andere, den hier behandelten Zeitabschnitt übergreifende Einteilungen, wenn auch in dem Herrschaftsantritt der Karolinger stets ein Einschnitt, ein gewisser Epochenwechsel in der fränkischen Geschichte gesehen wird.7 Aber sie folgen anderen Fragestellungen und anderen Forschungsinteressen.8 Ein völkerrechtsgeschichtliches Interesse an der Normativität von Zwischen-Mächte-Beziehungen setzt solche von einem gewissen Gewicht, einem gewissen Umfang, einer gewissen Dauer und einer gewissen allgemeinen, bestimmenden, ordnenden und strukturierenden Bedeutung voraus. Das ist aber nach dem Ausgang der Antike erst, aber auch mit dem Antritt der karolingischen Herrscher, der Fall.9 Das Königtum der Karolinger ist nicht einfach die Fortsetzung des merowingischen Königtums durch eine andere Dynastie. Das gilt für das fränkische Reich als solches, aber gerade auch für seine Beziehungen zu den anderen Mächten. Karl Martell hatte Avancen Papst Gregors III., über das Frankenreich hinaus zu handeln, noch abgelehnt.10 Deshalb setzt die Untersuchung nicht mit ihm ein. Die karolingischen Könige begannen zunächst sehr zögernd unter dem ersten karolingischen König Pippin einen ersten Anlauf von Franken her die Ordnung Europas grundlegend mitzugestalten. Chlodwig und einige seiner Nachfolger pflegten zwar auch Beziehungen zu den byzantinischen Kaisern und anderen Herrschern, den Königen der Ost- und der Westgoten insbesondere, griffen im Rahmen dieses Bündnisses gelegentlich, aber nicht nachhaltig in Italien gegen die Langobarden ein. Aber daraus erwuchs noch keine bewußt dauerhaft und gesamthaft gestaltete europäische Ordnung. Im Gegenteil, die Bündnisse und Verbindungen wechselten. Es gelang vor allem den Merowingern nicht, selbst zu einem gesamteuropäischen Ordnungsfaktor zu werden, wenn Chlodwig auch versuchte, ein Beziehungsgeflecht aufzubauen. Das wird nicht zuletzt an den ständigen inneren Auseinandersetzungen der merowingischen Könige im Gefolge der

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Pointiert Fried, Weg, S. 204: „Der Aufstieg der Karolinger leitete die entscheidende Übergangsphase von der spätantiken Welt zum modernen Europa ein.“ Die Herrschaft der Karolinger wird nach wie vor mit der Entstehung des Abendlandes verbunden, mit der Durchdringung antiker, besonders römischer, und christlicher Strömungen. Fried, „Der Weg in die Geschichte“ umfaßt die Zeit bis 1024; Jan Dhont, „Das frühe Mittelalter“ die Zeit bis ins 11. Jahrhundert; Schieder (Hrsg.) „Europa im Wandel von der Antike zum Mittelalter“ die Zeit von 400 ebenfalls bis ins 11. Jahrhundert; er behandelt jedoch die Karolinger in einem eigenen Teil VII und darin unsere Epoche als eigenen Abschnitt, S. 541 ff.; Prinz, „Grundlagen und Anfänge“ die Zeit bis 1056; Schulze, „Vom Reich der Franken zum Reich der Deutschen“ die Zeit bis ins 10. Jahrhundert; Angenendt, „Das Frühmittelalter“ die Zeit von 400–900; Werner, „Les origines“ die Zeit von der Prähistorie bis zum Jahre 999 in Frankreich. Anders Ago, Anfänge, S. 37, der erst mit dem Beginn des 9. Jahrhunderts, also nach der Kaisererhebung Karls des Großen „die Geburt einer Gemeinschaft, …, in der die verschiedenen Einheiten zusammengeschlossen sind, die im euromediterranen Bereich aufeinander treffen“ feststellt. Das liegt aber daran, daß er seine Analyse an das Vorhandensein einer „Gemeinschaft von souveränen und gleichen Staaten“ bindet. Diese Rückbindung an eine moderne Erscheinung politischer Ordnung wird hier aber gerade abgelehnt. Chron. Fred. Cont 22 (110).

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Herrschaftsteilungen gelegen haben. Aber es mag auch sein, daß sie weiteren Ehrgeiz nicht hatten. Sie dachten insofern vielleicht noch germanischer, als sie nur auf das eigene Reich konzentriert waren. Zwar scheint Theoderich der Große eine weitergehende, europäische, vor allem in Distanz zu, aber nicht gegen Byzanz gerichtete, „germanische“ Ordnungsvorstellung gehabt zu haben. Aber sein gentiles Reich überdauerte ihn nicht.11 Anders als er hatte Karl der Große nach der Übernahme der longobardischen Königskrone auch keine germanischen Konkurrenten mehr. Pippin hielt sich zwar noch in den herkömmlichen Grenzen, führte seinen Ansatz, in Italien Fuß zu fassen, nicht fort, sondern konzentrierte sich wieder auf die inneren Angelegenheiten des Frankenreiches und seine Ausdehnungen an seinem Rande. Aber er leitete durch das Bündnis mit dem Papst, anstelle des oströmischen Kaisers, vielleicht ungewollt und in seinen Konsequenzen nicht voll eingeschätzt, eine Wende für die Ordnung Europas und für die eigene Stellung in derselben ein. Karl der Große nahm diesen Ansatz bewußt auf, dehnte ihn aus und stabilisierte ihn. Als eine Art Nachspiel setzte noch Ludwig der Fromme diese Politik fort, wenn auch immer wieder durch die inneren Auseinandersetzungen be- und gehindert. Aus diesem neuen Ansatz ergaben sich Grundlinien für neue Strukturen europäischer Ordnung von einer gewissen Dauerhaftigkeit für die kommenden Jahrhunderte. Die ausgreifende Außenpolitik Karls des Großen begann bereits vor seiner Erhebung zum Kaiser. Die Übernahme der longobardischen Königskrone brachte ihn in territoriale Nachbarschaft und schon dadurch in Dauerbeziehung zum Papsttum und zu den byzantinischen Kaisern. Dieser Schritt war daher mehr als eine weitere Eroberung wie die zudem späteren Unterwerfungen der Sachsen oder der Awaren. Der König aus dem Nordwesten Europas setzte sich im Herzen der alten Welt fest. Zwar folgte er dem Beispiel anderer vor ihm. Nur hatte und behielt er, anders als diese, seine feste Basis in einer neuen Welt. Er war kein Wanderer, der eine neue Heimat suchte wie Theoderich oder die Langobarden. Dieser Schritt stellte ihn vor die Aufgabe, sich mit den Mächten dieser alten Welt um die friedliche Gestaltung Europas zu bemühen. Es ist gerade dies, was Einhard für Karl besonders hervorhob, was ihm also als hervorragend bemerkenswert galt und seine Wahrnehmung von der Größe Karls prägte. Das Ende des untersuchten Zeitraums ergibt sich aus dem Zerfall des Großfrankenreiches nach dem Tode Ludwigs des Frommen. Damit wurde die Pluralisierung der politischen Welt in entscheidender Weise weitergetrieben. Das Konzept der Ordinatio Imperii von 817, die dem ältesten Sohn, Bruder und Kaiser Lothar die auswärtigen Angelegenheiten des Gesamtreiches übertrug, verwirklichte sich nicht. Es tauchten somit neue Herausforderungen politischer wie normativer Gestaltung und Ordnung auf, sowohl zwischen den Brüdern und ihren Nachfolgern, wie auch zwischen diesen und den Herrschern der anderen politischen Verbände.

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Dazu u. a. Eugen Ewig, § 18, Die Herrschaft Odoakars und das Reich der Ostgoten in Italien, in: Schieder (Hrsg.), Handbuch, Bd. 1 S. 266 ff., S. 270 ff.

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I V. St an d der F o r s ch u n g a. Ältere Gesamtdarstellungen Weit verbreitet war zunächst die These, es habe im Mittelalter kein „Völkerrecht“ gegeben.12 Trotzdem schließen allgemeine Darstellungen der Völkerrechtsgeschichte das Mittelalter mit ein.13 Da das auch eine Frage des Völkerrechtsbegriffs ist, wäre diese These zwar für die hier untersuchte Epoche begrifflich jedenfalls naheliegend, wenn das moderne zwischenstaatliche Völkerrecht auch für unsere Epoche zugrunde gelegt wird. Aber über eine andersgeartete Normativität der Zwischen-Mächte-Beziehungen ist damit nichts gesagt.14 Die ältere These ist zwar heute aufgegeben. Aber damit ist noch nicht geklärt, wie die Normativität der Beziehungen zwischen den politischen Mächten unserer Epoche geformt war. Laurent behandelt unsere Epoche relativ eingehend.15 Aber die Suche nach der Einheit, die von ihm als „unité carolingienne“ ab 800 behandelt wird, wendet seinen Blick mehr in das Innere dieses Reiches als auf seine äußeren Beziehungen und deren Normativität. Es ist zudem mehr Darstellung der Geschichte allgemein, denn der Normativität. Zwar geht er auf die Beziehungen zu den byzantinischen Kaisern und auch zu den Kalifen ein. Jedoch über den Vertrag von 812–14 zwischen dem westlichen und dem östlichen Kaiser findet sich nichts. Über Beziehungen zu anderen Mächten – ausgenommen das Papsttum – wird gar nichts Näheres ausgeführt. Die inneren Strukturen und Vorgänge des Frankenreiches bestimmen seine Darlegungen. Von „Völkerrecht“ ist, trotz des Untertitels der Reihe Histoire du droit des gens, für unsere Epoche in keiner Weise die Rede. Ganz anders verhält es sich mit der gründlichen rechtshistorischen Darstellung des italienischen Rechtshistorikers Bruno Paradisi.16 Dieser behandelt in seiner umfangreichen Darstellung des Völkerrechts im Mittelalter die Epoche vom Untergang Roms bis zum Ende des 9. Jahrhunderts. Im zweiten Kapitel des zweiten Teiles „L‘eta di transizione“ erörtert er gerade auch unsere Epoche unter dem Titel „Bizantini, Fran-

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Dazu Grewe, Epochen S. 30 ff., der aber selbst ein solches, wenn auch mangels „Staaten“ völlig anders strukturiertes „Völkerrecht“ für das gesamte Mittelalter bejaht, S. 57 ff. Dazu neigt jedenfalls für unsere Epoche auch eine der jüngsten Gesamtdarstelunngen von Dominique Gaurier, Histoire, S.85 ff. Er geht auf unsere Epoche nur mit wenigen Sätzen ein. Nach seiner Auffassung standen die Entwicklung des kanonischen Rechts, der Anspruch des „Empereur d’Allemagne“ auf „autorité suprême et universel“ und das Aufkommen des Feudalismus der Herausbildung eines droit international entgegen, S. 88ff. Erst für eine spätere Zeit ab dem 13. Jahrhundert erkennt er Faktoren für die Erscheinung der Grundprinzipien eines droit international, S. 95 ff. Hier wird offenbar ein an einem modernen Begriff des droit international orientierter Begriff zugrunde gelegt, S. 22. Laurent, Histoire, Bd. IV, Le christianisme und Bd. V. Les barbares et le catholicisme; Nys, Origines, S. 13 ff.; Redslob, Histoire, S.111ff.; Wegner, Geschichte, S. 68 ff. Z. B. Nys, ibid. Laurent, Etudes, Bd. V, Les barbares et le catholicisme, S. 122–266. Paradisi, Storia; sie ist wohl nur in einem ersten Band erschienen.

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chi e arabi sino alla fine del secolo IX“ in 46 Abschnitten.17 Diese Untersuchung ist sehr stark aus mittelmeerischer Sicht geschrieben. Das bedeutet vor allem, daß die römisch-byzantinische Perspektive prägend wirkt. In die byzantinische Welt brachen Franken und Araber ein. Das bedingte Neu-Konzeptionen. Es handelt sich nicht um eine systematische Darstellung der Zwischen-Mächte-Beziehungen der Epoche, sondern um eine Mischung aus der Erörterung der politischen, philosophischen und rechtlichen Vorstellungen und Ideen solcher Beziehungen und rechtlicher Institute. Auch stellt Paradisi die Vorgänge nicht chronologisch dar, sondern ordnet sie ein in einen theoretischen Gesamtzusammenhang, einen Zeitraum des Überganges, l‘eta di transizione. Erkenntnisleitendes Interesse ist für den italienischen Rechtshistoriker ein entwicklungsgeschichtliches, dem die Darstellungsform ein- oder gar untergeordnet wird. Die Erörterungen, Analysen und Ergebnisse geben jedoch ein anschauliches und kenntnisreich-detailliertes Bild, das auch für die Frage nach der Normativität wertvolle Aufschlüsse enthält, auf die im folgenden ebenso immer zurückzugreifen sein wird, wie auf Einzelheiten seiner sehr reichen und tiefgründigen Darlegungen. Nach Paradisi hat Ganshof in seiner Darstellung der Internationalen Beziehungen für das gesamte Mittelalter der karolingischen Epoche ein Kapitel gewidmet.18 Zwar ist dieses relativ kurz, vermittelt jedoch einen ersten Einblick.

b. Neuere Gesamtdarstellungen Zwar wird in den allgemeinen Darstellungen der Völkerrechtsgeschichte nach dem 2. Weltkrieg mehr oder weniger fraglos davon ausgegangen, daß es in unserer Epoche Völkerrecht in einem weiten Verständnis gegeben habe, aber inhaltlich sind diese ebenfalls rudimentär.19 Sie verlieren für das hiesige Vorhaben noch dadurch an Vorwirkung, daß der hier untersuchte Zeitabschnitt in zwei Zeitabschnitte geteilt wird. Die von den meisten Autoren gezogene Grenze bildet das Jahr 800. Davor wird sie dem Zeitraum von 400 an und danach dem Zeitraum bis 1300 zugeordnet.20 Anscheinend wird die Ausrufung und Krönung Karls des Großen zum Augustus und Imperator als Epochenschwelle gesehen. Näher begründet wird das aber nicht. Zwar stellt das Kaisertum Karls des Großen einen Sprung in der Entwicklung der karolingischen Herrschaft dar, aber keinen Neuanfang der Beziehungen zu anderen Mächten. Denn schon vorher hatten die Merowinger wie die beiden Karolinger Pippin und Karl Beziehungen zu den oströmischen Kaisern und zu anderen Herrschern, u. a. nach England, die normativ geordnet waren. Im übrigen werden unserer Epoche in beiden Zeitabschnitten auch jeweils nur wenige Zeilen gewidmet. Die Darlegungen gehen auf in allgemeinen Dar-

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Ibid., S. 247–438. Ganshof, Le Moyen-Age, S. 20 ff. Stadtmüller, Geschichte, S. 47 ff., insbesondere S. 58 ff.; Nußbaum, Geschichte, S. 19 ff.; Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, §§ 15, 16, S. 65 ff.; Preiser, Art. Völkerrechtsgeschichte in Strupp-Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch, Bd. 3, S. 686 ff.; ders.: History, in EPIL, Bd. 2, S. 729 ff.; eingehender erörtern Grewe, Epochen S. 30 und Gaurier, Histoire S. 88ff die Frage, ob es mittelalterliches Völkerrecht gegeben habe. So Ziegler und Preiser, ibid.

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stellungen des Frühen und Hohen Mittelalters.21 Die Normativität der ZwischenMächte-Beziehungen wird nicht eigens erörtert und analysiert, sondern von den meisten Autoren fraglos als rechtliche Normativität als gegeben angesehen. Die Darstellungen beschränken sich auf Hinweise, daß es Verträge, Gesandtschaften u. ä. gegeben habe. Im übrigen werden eher Ideen als Normativitäten behandelt. Die neue Völkerrechtsgeschichtsschreibung geht jedenfalls in Teilen davon aus, es hätten im Mittelalter zwei bzw. drei getrennte Völkerrechtskreise bestanden:22 Westen bzw. die abendländisch-katholische Staatengemeinschaft, Osten, bzw. die byzantinisch-orthodoxe Staatengemeinschaft, und nach Stadtmüller und Ziegler noch die arabisch-islamische Staatengemeinschaft. Auch Grewe scheint diese Einteilung zugrunde zu legen, da er sich in seinem Mittelalterteil nur mit dem Abendland beschäftigt.23 Begründet werden diese Teilungen aus den religiös-ideologischen Grundlagen. Stadtmüller verweist für die Entstehung der Dreiteilung auf die Zeit 600–1000 n.Chr.24 Ziegler siedelt sie im Frühmittelalter an. Dann würde unsere Epoche dort hineinfallen. Jedoch ist das Modell der zwei bzw. drei Kreise selbst jedenfalls für diese Epoche fragwürdig. Zumindest bis zum großen Schisma von 1054 war trotz aller Differenzen die Christenheit eine einheitliche. Auch später dauerte die Einheit fort, z. B. beim ersten Kreuzzug.25 Es ist zu vermuten, daß diese Teilung durch eine bewußte oder unbewußte Rückprojektion des „europäischen Völkerrechts“, das in der Tat im abendländischen Westen Europas entstanden ist, begründet ist. Vor allem vermag das Modell die Verhältnisse zwischen den fränkischen und den byzantinischen Herrschern, die für unsere Epoche aber ganz zentral sind, nicht zu erfassen. Abgeschwächt gilt das auch für die Beziehungen zu den arabischen Mächten. Es kommt darauf an, diese Beziehungen zwischen den Mächten dieser drei „Kreise“ selbst zu analysieren und auf ihre Normativität zu prüfen. Denn jedenfalls die fränkischen Quellen berichten davon. Darauf aber gehen die genannten Autoren, jedenfalls für unsere Epoche, gerade nicht oder allenfalls mit wenigen Sätzen ein.26 Demgegenüber behandeln die Darstellungen Paradisis für die Epoche Byzantiner, Franken und Araber zutreffender in ihren Wechselverhältnissen. 21

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Grewe, Epochen, S. 55ff., behandelt zwar das Mittelalter als eine Einheit, setzt aber mit den Erörterungen erst im hohen Mittelalter ein. So finden sich in seiner Quellensammlung auch keine der zentralen Dokumente für diese Epoche, die hier aufgenommen worden sind, Fontes Bd. 1 Teil D, S. 236 ff. Gaurier, Histoire, S. 85 ff, unterscheidet drei Moyen Âges. Stadtmüller, Geschichte, S. 40 ff., 47 ff., 52 ff., 58 ff., unterscheidet drei, Nußbaum, Geschichte S. 18 ff., 50 ff. zwei Völkerrechtskreise; ebenso Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, §§ 17–19, S. 74 ff., § 20 S. 89 ff., § 21, S. 93 ff. Grewe, Epochen, S. 55 ff. In seiner Quellen-Sammlung Fontes Bd. 1 finden sich byzantinische Rechtsakte ebensowenig wie arabisch-islamische. Stadtmüller, Geschichte S. 41 ff. Zur „Einheit der Kirche“ im 8. und 9. Jahrhundert. u. a. Jedin (Hrsg.) Handbuch der Kirchengeschichte, Bd. III; Angenendt, Frühmittelalter, S. 233 ff. Z. B. Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S. 55 f. Auch für gegenseitige Beziehungen enthält Grewes Quellen-Sammlung Fontes Bd. 1 lediglich zwei Dokumente, den Bericht der Reichsannalen zu 812 über die Gesandten Kaiser Michaels I. an Karl den Großen in Aachen und einen Brief der byzantinischen Herrscher an Lothar I. von 843, S. 266 ff.

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c. Allgemeine Ideengeschichte Eine Skizze der Literaturgeschichte des „Völkerrechts“ für das ganze Mittelalter hat zwischen den Kriegen V.E. Hrabar vorgelegt. Autoren unserer Epoche kommen zwar auch zur Sprache, aber nur sehr knapp.27 Einen Überblick über relevante Ordnungsvorstellungen einzelner Autoren der Epoche gibt Reibstein.28 Aber es fehlt jeder Praxisbezug. Zudem findet eine Auswertung der literarischen Quellen nur sehr punktuell statt. Das gilt noch mehr für die Darstellung von Kipp, die lediglich Ausführungen zur Ideengeschichte bei Augustinus und anschließend bei Thomas, aber nichts zu unserer Epoche und ihrer konkreten normativen Ordnung enthält.29 Sie orientiert sich nur an einer zudem aus heutiger Sicht fragwürdig gewordenen Idealvorstellung des ordo des Mittelalters.30 Aber nicht nur die spezifisch auf die Ideengeschichte der Normativität der Zwischen-Mächte-Beziehungen bezogene Literatur ist für unsere Epoche schmal. Auch die Darstellungen der allgemeinen Ideengeschichte sparen das 8. Jahrhundert fast ganz aus. Die umfassende Darstellung der Geschichte des westlichen politischen Denkens im Mittelalter von Carlyle macht zwischen Teil III und Teil IV einen Sprung von der Spätantike in das 9. Jahrhundert, greift aber an einigen Stellen auch auf Autoren des 8. Jahrhunderts wie Alcuin zurück.31 Alois Dempf behandelt das geistige Denken der Epoche Karls des Großen vor allem von seinem Kaisertum her, also ebenfalls dem 9. Jahrhundert.32 Diese Lücken haben ihre Gründe in der Überlieferung. Nicht nur fehlen zeitgenössische Reflexionen zu der Normativität der Zwischen-Mächte-Beziehungen. Es gibt auch vor dem letzten Viertel des 8. Jahrhunderts keine Reflexionen über politische Ordnungen. Jedoch lassen sich indirekte Aussagen finden, wie z. B. die Begründung zum Sturz der Merowinger und zur Erhebung der Karolinger, oder zum Verhältnis von fränkischen Königen und Päpsten in den vielen päpstlichen Briefen, die keiner dieser Autoren auswertet.

d. Allgemeine Geschichtswissenschaft Die allgemeinen geschichtswissenschaftlichen Darstellungen der Epoche beschäftigen sich zwar auch mit den Zwischen-Mächte-Beziehungen. Aber es sind keine sehr vertieften Darstellungen. Ein „Thema“ der Mediävistik sind sie nicht.33 Selbst das „Handbuch der europäischen Geschichte“ widmet den Zwischen-Mächte-Beziehungen im Europa der damaligen Zeit, überhaupt des Frühmittelalters, keinen eigenen Abschnitt. Vielmehr finden sich dort nur einige, zumal nicht sehr ausführliche Bemerkungen in

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Hrabar, Esquisse, S. 25 ff., S. 31 ff. für Alcuin und Agobard v. Lyon. Reibstein, Völkerrecht I, S. 83 ff. Kipp, Völkerordnung, S. 15 ff. Dempf, Sacrum Imperium, S. 133. Carlyle/Carlyle, History, Bd. 1, S. 196 ff.: Part IV, The political theory of the ninth century. Dempf, Sacrum imperium, S. 133 ff. Jedenfalls findet sich kein Hinweis darauf in der Darstellung der heutigen Forschungslage bei Goetz, Moderne Mediävistik.

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Einzelabschnitten.34 Die jüngeren Darstellungen zur Geschichte, sei es „Deutschlands“, sei es „Frankreichs“, die aber für unsere Epoche dieselbe Geschichte ist, behandeln die Zwischen-Mächte-Beziehungen der karolingischen Epoche auch nicht ausführlicher. Auch hier steht mehr Karl der Eroberer als Karl der Außenpolitiker gegenüber anderen Mächten im Vordergrund.35 Immerhin werden im Zwei-KaiserProblem die Beziehungen zu Byzanz und außerdem ansatzweise die Beziehungen zu Harun al-Raschid behandelt.36 Aber die Beziehungen zu anderen Mächten werden kaum oder gar nicht erwähnt. Sie werden wohl als nicht hinreichend bedeutend oder als nicht hinreichend belegt angesehen. Zwar wird die Stellung des Frankenreiches „In der Gemeinschaft der Völker“ dargestellt.37 Aber zum einen geht es um spätere Epochen; zum anderen werden politische Zwischen-Mächte-Beziehungen nicht aufgenommen. Etwas ausführlicher schildern die neuen Biographien die Zwischen-MächteBeziehungen, die Karl der Große und Ludwig der Fromme unterhielten, wenn auch z. T. verstreut.38

e. Spezialstudien Wenn auch die allgemeinen Darstellungen sowohl der Völkerrechtsgeschichte als auch der Allgemeingeschichte die Zwischen-Mächte-Beziehungen unserer Epoche abgesehen von Paradisi als solche nur recht oberflächlich behandeln, so finden sich doch einige Spezialuntersuchungen zu Einzelbereichen. Vor allem die Beziehungen der Frankenherrscher zum Papsttum sind mehrfach aus historischer wie normativer Sicht analysiert worden.39 Offenbar galten diese für lange Zeit als klärungsbedürftig. Dabei geht es zentral um die normativ-rechtliche Seite, ob ein Bündnis und welcher Art geschlossen worden ist, welche rechtlichen Instrumente eingesetzt wurden, etc. Es scheint eine gewisse Übereinstimmung hergestellt. Das bleibt zu klären. Auch das Verhältnis zu Byzanz ist immer erneut Gegenstand der Analyse und Darstellung. Daran sind zwei Wissenschaften beteiligt, die Byzantinistik40 und die Geschichtswissenschaft für „den Westen“.41 Das Zwei-Kaiser-Problem steht sicher im Zentrum, also ein Problem der europäischen Ordnung. Auch hier hat die Forschung für unsere Frage Einiges zu Tage gefördert. Eine eigene Behandlung hat 34

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Schieffer, Großreich, S. 549 ff., „Die Expansionspolitik Karls des Großen“, S. 582 ff. zum Verhältnis zu Byzanz nach der Kaiserkrönung Karls. Werner, Origines, S. 373 ff.: Charles le Conquérant; Schulze, Reich, S. 141 ff.: „Der „Heerkönig: Karl der Große“; Fried, Weg, S. 244: „Die Expansion des Reiches unter Karl dem Großen“. Prinz, Grundlagen, S. 100 f.; Fried, Weg, S. 331 ff.; le Goff, Kultur, S. 87 f., Borgolte, Gesandtenaustausch. Fried, Weg, S. 737 ff. Hägermann, Karl der Große, z. B. S. 131 f. (Byzanz), S. 209 (Dänen), S. 404 (Jerusalem), S. 445 (Bagdad), S. 518 (Orient und Okzident) u. a.; Boshof, Ludwig der Fromme, S. 99 (außenpolitische Rahmenbedingungen), S. 166 (Außenbeziehungen). Classen, Karl der Große; Drabek; Verträge; Fritze, Papst. Vor allem die Schriften von Dölger und Ostrogorsky. Classen, Karl der Große.

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mehrfach das Verhältnis zu Venedig erfahren.42 Dahinter steht aber auch das Verhältnis zu Byzanz, da Venedig zum einen unter dessen – wenn auch recht formaler – Oberhoheit stand, und zum anderen in dem pactum veneticum von 840 Bestandteile des karolingisch-byzantinischen Vertrages von 812 vermutet werden.43 Dieser könne jedenfalls in Teilen rekonstruiert werden. Es sind auch einige allgemeine Einzelprobleme aufgenommen, näher analysiert und dargestellt worden. Noch heute singulär und zu beachten ist die ausführliche, nach wie vor bedeutsame Untersuchung von Wielers zu den grundlegenden Beziehungsformen pax facta, foedus, amicitia, fraternitas zwischen Mächten des Frühen Mittelalters.44 Auf sie wird auch in dieser Darstellung immer wieder zurückzugreifen sein. Sie erörtert die verschiedenen Beziehungsformen gründlich anhand der auch hier weitgehend verwandten Quellen. Aber es handelt sich um eine geschichtswissenschaftliche und nicht um eine rechtsgeschichtswissenschaftliche Darstellung. Die Frage nach der Normativität dieser Beziehungen, die hier im Zentrum stehen wird, wird daher als solche nicht erörtert. Ein besonderes Institut der normativen Gestaltung der bilateralen Beziehungen zwischen Herrschern, die amicitia, ist in der rechtsgeschichtlichen wie in der geschichtswissenschaftlichen Literatur für das Mittelalter mehrfach gründlich untersucht worden. Paradisi geht zwar noch sehr betont vom römischen Recht aus, dehnt seine Untersuchung aber von dem frühen, noch vor-karolingischen über das karolingische Mittelalter weiter in das Hochmittelalter aus.45 Allerdings werden gerade die karolingischen Quellen wenig ausgewertet. Es macht sich auch hier die sehr deutliche Ausrichtung der Forschungen Paradisis auf Byzanz bemerkbar. Aus geschichtswissenschaftlicher Sicht hat Fritze die amicitia für diese Epoche ausführlich untersucht.46 Er hat darin eine „fränkische Schwurfreundschaft“ ausgemacht und dafür Zustimmung erlangt.47 Es würde sich dann unter demselben lateinischen Wort ein vom römischen Recht verschiedenes Rechtsinstitut verbergen.48 In neuester Zeit haben, wenn auch für spätere Zeiten, Verena Epp, Gerd Althoff und seine Schülerin Claudia Garnier amicitia-Beziehungen näher behandelt.49 Trotzdem läßt sich aus diesen Erörterungen auch für die hier behandelte Zeit etwas gewinnen. Ausführlich ist das Gesandtschaftswesen dieser Zeit untersucht worden. Am Ende des 19. Jahrhunderts behandelte Alfred Löhren die Geschichte des gesandtschaftlichen Verkehrs im Mittelalter, einschließlich unserer Epoche.50 Einige Zeit später griff Viktor Menzel die Frage nach dem Gesandtschaftswesen im Mittelalter erneut auf.51 Das ge42 43 44 45 46 47 48

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Fanta, Verträge; Cessi, Pacta Veneta I und II. So die Versuche von Cessi, ibid. Wielers, Beziehungsformen. Paradisi, L’amicitia 2; ders. Storia, S. 301 ff. Fritze, Schwurfreundschaft. So z. B. Drabeck, Verträge, S. 95 ff. Fritze selbst hat dieses Institut für die Beziehung der karolingischen Könige zu den Päpsten fruchtbar zu machen versucht, Fritze, Papst; ähnlich Noble, The Republic, S. 256 ff. Epp, Amicitia; Althoff, Amicitiae und pacta; Garnier, Amicus. Löhren, Beiträge, passim. Menzel, Deutsches Gesandtschaftswesen.

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schah zwar in Anlehnung an die Begriffe, Einteilungen etc. seines ausgehenden Jahrhunderts. Die Untersuchung zeigte aber gerade für diesen Bereich bestimmte Formen, Üblichkeiten, Gewohnheiten, denen u. U. durchaus Normativität zukommen kann. Unsere Epoche ist in seine Darstellung, die bis ins Spätmittelalter reicht, mit einbezogen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat wiederum Ganshof dem merowingischen Gesandtschaftswesen eine ausführliche Untersuchung gewidmet.52 Auch für die Karolinger hat er eine vom Ansatz her erweiterte Studie zu diesem Bereich vorgelegt.53 Borgolte widmete dem Gesandtenaustausch mit den Abbasiden und dem Patriarchen von Jerusalem eine gründliche Untersuchung.54 Da in den fränkischen Reichsannalen und anderen Quellen gerade über Gesandte relativ viel berichtet wird, bietet sich dieses Feld an. Das ist daher durch die genannten Beiträge recht gut erforscht. Unter der hier interessierenden Fragestellung ist aber noch zu prüfen, ob es ein Gesandtschaftsrecht gegeben hat und welcher Art es gegebenenfalls war.

V. „V ö lk er r ech t“ ? a. Fragestellung Da untersucht werden soll, welcher Art die Normativität der Beziehungen zwischen den karolingischen Herrschern und anderen Herrschern, Mächten, Völkern war, insbesondere ob und inwieweit sie sich als besondere rechtliche Normativität darstellt, bzw. in den Quellen dargestellt wird, woher die Normativität kam, wie sie sich entwikkelte, wer sie trug und bestimmte, auf oder für wen sie wirkte, welche Strukturen und Elemente sie umfaßte, wie sie wahrgenommen wurde etc., gehört diese Untersuchung zur Völkerrechtsgeschichte. Aber daraus ergeben sich grundlegende inhaltliche, begriffsgeschichtliche und in der Folge methodische Probleme für die Analyse und Darstellung der hier aufgeworfenen Fragen, aber auch für das Selbstverständnis der Völkerrechtsgeschichte insgesamt. Wie bereits angedeutet, gehen die Meinungen darüber auseinander, ob für diese Epoche von „Völkerrecht“, „international law“, „droit international“ gesprochen werden kann. In der Gegenwart bezeichnet das Völkerrecht das Recht zwischen den rechtlich einander völlig gleichgeordneten, gleichberechtigten, prinzipiell souveränen Staaten, das diesen allen gemeinsam ist, für alle gleichermaßen, nach den Prinzipien der Gegenseitigkeit und des allgemeinen Konsenses gilt.55 Da inzwischen alle Völker, soweit sie sich politisch selbständig organisiert haben, dieses ihr eigenes politisches Dasein und ihre rechtliche Einheit nach dem Modell des nach innen wie nach außen souveränen Staates geformt haben, gilt dieses Völkerrecht, droit international public, public international law, global und universell als objektive Rechtsordnung der gegenwärtigen Staatengemeinschaft. Es ist historisch funktional und strukturell an die politische 52 53 54 55

Ganshof, Merowingisches Gesandtschaftswesen, S. 166 ff. Ganshof, Relations extérieures. Borgolte, Gesandtenaustausch. Dazu u. a. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, S. 28 f.; Verdroß/Simma, Völkerrecht, S. 23 ff.; Jennings, International Law, S. 1160 ff.

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Form des souveränen Staates als maßgebendem Subjekt desselben gebunden. Zwar hat sich inzwischen der Kreis der Völkerrechtssubjekte um die intergouvernementalen Organisationen erweitert und ist den Menschen und ihren Assoziationen eine partielle, beschränkte Völkerrechtssubjektivität zugewachsen. Aber die tragenden, geborenen, ohne weiteres vollrechtsfähigen Subjekte sind nach wie vor die souveränen modernen Staaten. Das Völkerrecht wird derzeit noch ausschließlich und allein von den Staaten im Konsens aus ihrer souveränen Gewalt durch Vertrag oder gemeinsame rechtsbegründende Praxis gebildet, wenn auch zunehmend über die zwischenstaatlichen Organisationen und auf zwischenstaatlichen Konferenzen. Es hat auf Grund der Souveränität der Staaten i. d. R. keine unmittelbare Rechtswirkung in diesen, sondern bedarf der Ratifikation und je nach dem Recht des Staates der Transformation in nationales Recht, des staatlichen Anwendungsbefehls oder einer anderen Form innerer staatlicher Geltungsbegründung. Die prinzipiell impermeable Hülle der Souveränität trennt nach wie vor das Innenverhältnis der Staaten von ihren Außenverhältnissen. Zwar hat sie inzwischen einige, nicht unerhebliche Löcher, durch die die unmittelbare Geltung für den einzelnen Menschen konstituiert wird, sowohl für Rechte als auch für Pflichten, die auch durch internationale Organe gesichert werden. Sie ist jedoch noch nicht weggezogen, und die meisten Staaten wehren sich gegen ihr Einrollen. Zwar bestimmt das Völkerrecht nicht mehr allein die internationale Rechtsordnung, sondern bildet eher nur noch deren zentralen Teil. Aber soweit es um die politischen Beziehungen und ihnen gleich bedeutsamen sonstigen Beziehungen, Kooperationen und Auseinandersetzungen geht, die die Interessen und Aufgaben der Staaten berühren, z. B. in den Feldern Wirtschaft, Finanzen, Umweltsorge, Verbrechensbekämpfung, Seuchenabwehr etc., setzt das staatlich gebildete Völkerrecht als öffentliches zwischenstaatliches Recht nach wie vor zumindest den Handlungsrahmen auch für andere Akteure, wenn und soweit es die Staaten selbst wollen. Zudem ist dieses moderne Völkerrecht, um in einer kulturell, vor allem religiös, hoch differenzierten Welt universelle Geltung erlangen zu können, säkulares und laizistisches Recht.56 Unter historischer Perspektive hat das gegenwärtige Völkerrecht seine jetzigen Konturen und Inhalte, Funktionen und Strukturen zusammen mit der Ausbildung des modernen Staates und dessen Entwicklung in Europa aus ersten Anfängen im 13. Jahrhundert vor allem in der Frühen Neuzeit ausgebildet und wurde im 19. Jahrhundert strikter als zwischenstaatliches Recht festgelegt. Nach der Entkolonisierung und der Durchsetzung des Staates als einzigem Modell herrschaftlich-politischer Organisation hat es sich im 20. Jahrhundert zu dem skizzierten universellen, gemeinsamen, konsensualen, säkularen, laizististischen Recht zwischen souveränen Staaten unter Einschluß der von diesen gegründeten Organisationen als öffentliches Recht innerhalb der allgemeinen internationalen Rechtsordnung entwickelt.57 Es ist das spezifische Recht des funktional-strukturell ausdifferenzierten politischen Weltsystems. 56

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Zu neueren Tendenzen einer Entwicklung zu einem „Weltrecht“, das allerdings eher ein Projekt als bereits normative Wirklichkeit ist, Emmerich-Fritsche, Vom Völkerrecht zum Weltrecht, die ausführlich die Literatur verarbeitet und die Bewegungen und Ansätze in diese Richtung detailliert nachzeichnet. Steiger, Art. Völkerrecht 1, S. 108 ff.; ders. Art. Völkerrecht 2, Sp. 1098.

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b. Übertragbarkeit Es bestehen erhebliche Zweifel, ob dieser moderne Begriff des „Völkerrechts“ auf eine allgemeine Völkerrechtsgeschichte über die des in Europa seit dem 13. Jahrhundert entstandenen Völkerrechts hinaus anwendbar ist.58 Für die Analyse der Normativität der Beziehungen der karolingischen Könige im 8. und 9. Jahrhundert zu byzantinischen Kaisern, Päpsten, verschiedenen christlichen und nichtchristlichen Herrschern bis zu Harun al-Rashid, den umgebenden Nachbarn, ist sie bei weitem zu eng. Denn zum einen handelt es sich bei diesen zwar um unabhängige oder doch selbständige Herrschaftsgebilde oder Herrschaftsverbände, aber nicht um souveräne Staaten im modernen Sinne. Sie werden daher hier auch als „Mächte“ bezeichnet, wenn diese auch gerade in der Völkerrechtsgeschichte immer auch souveränen Staaten gleichgesetzt werden.59 Diese politischen Verbände, Mächte oder Träger eigener selbständiger Herrschaft waren alle politisch-rechtlich verschieden organisiert, folgten nicht demselben Modell. Sie bildeten schon gar nicht selbst ausdifferenzierte politische Systeme, noch formierten sie ein ausdifferenziertes politisches Weltsystem. Auch der Rechtsbegriff bzw. die Rechtsvorstellung der Zeit ist nicht in jeder Hinsicht mit dem gegenwärtigen identisch. Recht ist heute – noch immer – weitgehend staatliche Rechtssetzung oder auf diese zurückzuführen, also ebenfalls mit dem modernen Staat verknüpft. Völkerrecht ist staatlich oder durch zwischenstaatliche Organisationen gebildetes Recht. Recht entstand im Frühmittelalter jedoch aus „der Gesellschaft“, war weitgehend Volksrecht, „Rechtsgewohnheit“.60 Das führte selbst innerhalb des karolingischen Herrschaftsgebietes zu verschiedenen personalen Rechtskreisen. Daneben gab es zwar auch das Königsrecht. Aber seine Rolle war geringer. Stets ist es konkretes Recht innerhalb des fränkischen Reiches. Es ist zudem personales Recht, nicht Gebietsrecht. Die antiken Begriffe für ein allgemeines Recht ius gentium oder ius naturale fehlen in unserer Epoche. Sie treten erst im 10. und 11. Jahrhundert wieder 58

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Von ihm scheint aber Gaurier, Histoire S. 22 auszugehen, „cette analyse retient comme définition générale du droit international public tout le corps volontariste des règles qui sont en lien avec les rapports inter-étatiques“. Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S. 1 f. bezeichnet auch einen „frühmittelalterlichen Stammesverband als höchste Organisationsform der auf einem bestimmten Gebiet ansässigen Bevölkerung, die, aus eigenem Recht lebend, sich als autonome Gruppe versteht und zu anderen Gruppen in friedliche oder kriegerische Beziehungen tritt“ als einen „souveränen Staat im Sinne eines möglichen Völkerrechtssubjektes“. Dieser Staatsbegriff ist aber unhistorisch oder überhistorisch und besagt lediglich, daß diese politischen Einheiten wie die modernen Staaten als politisch-normativ organisierte Herrschaftseinheiten oder –verbände einander gegenüber standen und untereinander normativ gestaltete Beziehungen hatten oder haben konnten, ohne auf die Unterschiede der Organisation und deren Bedeutung für eben diese normativen Gestaltungen abzuheben. Es ist zum anderen nicht gesichert, wer in dieser Epoche der Zwischen-Mächte-Beziehungen Träger der Rechte und Pflichten war. Auch Paradisi verwendet den Begriff „stato“ und für die Herrscher „il capo di stato“. Dazu Kroeschel, Rechtsgeschichte II, S. 84 ff.; ders., Rechtsbegriff, S. 314 ff.; ders., Verfassungsgeschichte, S. 74 ff.; Dilcher, Rechtsgewohnheit, in: ders. u. a. (Hrsg.), Gewohnheitsrecht, S. 23 ff.; Weitzel, Gewohnheitsrecht 2, ibid., S. 70 ff., insbes. S. 85 f.; ders. Dinggenossenschaft, S. 56 ff.; Schulze, R., „Gewohnheitsrecht“, passim.

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auf.61 Allgemein ist selbst die Verwendung des Begriffes ius und verwandter Begriffe in den Quellen der Zeit in der Darstellung der konkreten Beziehungen zwischen den karolingischen und anderen Herrschern selten, kommt aber vor. Einhard wirft den Sachsen Nichtachtung aller divina neque humana iura vor.62 Die Reichsannalen berichten, dänische und fränkische Gesandte hätten secundum ritum ac morem suum Frieden geschlossen.63 Es besteht also die Vorstellung, daß auch in den ZwischenMächte-Beziehungen Rechte, Riten, Gebräuche und Normen zu beachten sind und Anwendung finden. Aber ob und inwieweit sie Recht im Sinne der Zeit sind oder gar im modernen Sinn als solches verstanden werden können, bleibt zu klären. Im Frühmittelalter bestand eine enge Verknüpfung von religiösen und rechtlichen Normen, die klare Unterscheidungen zwischen beiden Normarten erschwert. Vor allem aber wirkten sie bei der Ordnung der Beziehungen zusammen. Daher ist der Begriff des modernen säkularen und laizistischen Völkerrechts nicht ohne weiteres auf unsere Epoche übertragbar. Es muß vielmehr auf die allgemeine Normativität der Beziehungen zwischen Herrschern, Verbänden, Mächten, Völkern abgestellt werden, unabhängig von ihren Quellen. Es handelte sich schließlich bei den hier untersuchten Beziehungen um solche zwischen sehr unterschiedlichen Rechtskreisen, Rechtseinheiten, dem kirchlichen, dem in sich selbst wiederum differenzierten fränkischen, dem byzantinischen, dem englischen, dem gotischen, dem islamischen etc. Das könnte die Frage aufwerfen, ob es etwas derartiges wie eine allgemeine, gemeinsame, normative, insbesondere rechtliche Ordnung dieser Beziehungen seinerzeit überhaupt hat geben können. In der Literatur wird heute, wie bereits dargelegt, diese Frage dem Grunde nach allgemein zutreffend bejaht. Es gab eine allgemeine normative Ordnung mit maßgeblichen rechtlichen Elementen. Dabei spielte gerade auch die Einheit im christlichen Glauben und der einen Kirche eine maßgebliche Rolle. Daraus folgt aber nicht notwendig daß es sich geschichtlich gesehen um eine „Völkerrechtsordnung“ im modernen Sinn handelte. Es ist das leitende Ziel dieser Untersuchung, dies näher zu begründen, Eigenheiten dieser Ordnung herauszuarbeiten, die Unterschiede zur heutigen Völkerrechtsordnung zu klären, aber auch, soweit vorhanden, Kontinuitäten zu benennen.

c. Ort in der Völkerrechtsgeschichte Für die Völkerrechtsgeschichte als Forschungsdisziplin folgt aus den vorstehenden Darlegungen, daß sie sich nicht über einen begrifflich festgelegten Gegenstand, das „Völkerrecht“ im modernen Sinn konstituieren kann, sondern nur über eine Frage und eine Methode. Die Grundfrage der Völkerrechtsgeschichte geht allgemein auf die Normativität von Beziehungen zwischen Trägern eigener politischer Herrschaft im Verhältnis zueinander, d. h. von „Zwischen-Mächte-Beziehungen“. Anders formuliert, sie lautet nicht, seit wann und wo gibt es „Völkerrecht“, sondern wie wurden in verschiedenen Zeiten und Räumen die Beziehungen zwischen politischen Mächten gleich 61 62 63

Köbler, Recht, S. 71 f. Einhard, Vita Caroli, c. 7. Ann. regni. Franc., ad a. 811.

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welcher inneren Struktur normativ gestaltet und geformt. Sie folgt damit, so scheint mir, der modernen Verfassungsgeschichte, die im Grunde auch keinen festen Verfassungsrechtsbegriff mehr hat, sondern jede Art von rechtlichen Regeln und Strukturen eines Gemeinwesens einbezieht.64 Erst in der Untersuchung selbst kann geklärt werden, wer konkret Träger der Beziehungen zu anderen Mächten ist, zwischen wem sie also bestehen, der Herrscher, bestimmte Träger oder der gesamte Herrschaftsverband. Dasselbe gilt für die Inhalte dieser Beziehungen und die Art der Normativität. Somit gehört die vorliegende Untersuchung zwar in die wissenschaftliche Teildisziplin Völkerrechtsgeschichte, orientiert sich aber an einem bewußt unhistorischen Begriff der normativen Ordnung für die Beziehungen zwischen den politischen Mächten gleich welcher Struktur, für die der Kunstbegriff „Zwischen-Mächte-Normativität“ eingesetzt wird, um so begrifflich die Offenheit einer für sehr unterschiedliche normative Erscheinungen offenen Geschichte der Völkerrechte deutlich zu machen. Der Ort der folgenden Untersuchung wird daher auch weder durch das Bemühen um eine Universalgeschichte des Völkerrechts noch um den Nachweis einer über das 13. Jahrhundert zurückreichenden Kontinuität des modernen Völkerrechts bestimmt.65 Beides kann sich allerdings schließlich am Ende als gegeben, in gewissen Hinsichten gegeben oder nicht gegeben erweisen. Auch dieser theoretisch-methodische Ansatz ist selbstverständlich nicht voraussetzungsfrei; auch er ist selbstverständlich gegenwartsbestimmt; auch ihm liegt selbstverständlich eine gewisse Theorie zugrunde. Aber zum einen wird versucht, die Voraussetzungen möglichst gering zu halten. Sie bestehen in den beiden Annahmen, daß zum einen auch in früheren Epochen und anderen Räumen solche Mächte Beziehungen untereinander unterhalten haben, und für diese Beziehungen Normativität bestanden hat. Zum anderen werden methodisch die Geschichtlichkeit dieser Erscheinungen und Voraussetzungen, und damit deren Verschiedenheiten konsequent ernst genommen. Ob „Völkerrechtsgeschichte“ als Forschungsdisziplin mehr hervorbringen wird als ein Nebeneinander und Nacheinander der in Zeiten und Räumen sehr unterschiedlichen Antworten auf die genannte Frage, also nicht nur eine „Geschichte von Völkerrechten“, sondern eine inhaltlich universelle Völkerrechtsgeschichte, kann erst nach erheblichen weiteren Forschungen mit einiger Gewißheit geklärt werden. Zwar ist Gegenstand dieser Untersuchung die Normativität der Zwischen-MächteBeziehungen der karolingischen Herrscher im 8. und 9. Jahrhundert. Aber das karolingische Frankenreich war in germanisches, römisches, und christliches Herkommen eingebettet, die es in sich verarbeiten mußte. So wird zu klären sein, was aus vorhergehenden Zeiten für die Zwischen-Mächte-Normativität unserer Epoche wirksam und prägend geblieben und geworden ist, also ob und welche inhaltlichen oder doch formellen Kontinuitäten bestanden, aber auch, welche Anteile dabei besonders stark hervortreten, ältere oder neuere. Das verlangt sorgfältige Analysen der gebrauchten Begriffe. Zwar sind diese alle in lateinischer Sprache gefaßt, z. B. amicitia, foedus, pactum, pax, ius, mos u. a. Aber das bedeutet nicht notwendig, daß sie auch den römisch-rechtlichen Begriffsinhalt haben. Sie sind geschichtlich bedingt. 64 65

Willoweit, Verfassungsgeschichte, S. 2. Zum Versuch einer Theorie der Völkerrechtsgeschichte Steiger, Universality, passim.

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Am Ende kann auch gefragt werden, ob und wie sich Zusammenhänge, Traditionsgut oder doch „Beziehungsnähen“ von dort zur Gegenwart entdecken, oder besser herstellen lassen. Derartiges ist zu vermuten; denn immerhin bildet das karolingische Großreich einen bis heute wirkenden Mythos und stellt eine Referenzzeit europäischen Denkens in kultureller wie politischer Hinsicht dar. In anderen Bereichen ist Traditionsgut aus jener Zeit noch wirkmächtig, vor allem im religiös-kirchlichem Feld, das für die Normativität der Zwischen-Mächte-Beziehungen von erheblicher Bedeutung war.

VI . Q u el l en a. Quellenlage In der Quellenlage bestehen in zweifacher Hinsicht allgemeine und grundlegende Probleme. Zum einen gibt es nur ganz wenige rechtliche Quellen, Verträge, Urteile, Normtexte. Die Untersuchung ist also auf andere, historiographische, d. h. sekundäre Quellen, wie Annalen, Chroniken, Viten, auf Briefe, auch auf Fürstenspiegel etc. verwiesen. Zum anderen fehlt in der Zeit selbst, anders als für das vorhergehende römische Recht oder die spätere Zeit des Mittelalters ab dem 12. Jahrhundert, die Frühe Neuzeit oder das 19. Jahrhundert jeder allgemeine Begriff für die hier gesuchte Normativität und auch jede allgemeinere Reflexion zu diesen Fragen.66 Selbst die älteren römischrechtlichen Begriffe, die in späterer Zeit in der Reflexion verwendet werden, ius naturale und ius gentium tauchen in den Quellen dieser Zeit gar nicht oder äußerst selten auf.67 Sie können also nicht als Anknüpfung dienen. So muß der heutige Interpret versuchen, die in den Quellen der damaligen Zeit verwendeten Begriffe zu klären. An erster Stelle stehen fränkische sowie päpstliche Quellen, die in der Zeit oder sehr kurz danach entstanden sind, also möglichst zeitgenössische Quellen. Zwar ist davon auszugehen, daß die Vorstellungen über Normativität sich nicht in kurzer Zeit ändern. Sie hatten damals längere Dauer als heute. So können und werden spätere Quellen auch im Rückblick herangezogen.68 Aber die Teilung des Reiches 840/843 verlagerte die Probleme der Zwischen-Mächte-Beziehungen wieder stärker auf die Beziehungen zwischen den fränkischen Mächten, die hier weitestgehend ausgeklammert werden sollen. Als „zeitgenössisch“ gelten Quellen, die während des Zeitraums oder dicht bei ihm, nicht notwendig zeitgleich mit den Ereignissen entstanden sind. Soweit auf vor der Untersuchungszeit liegende Vorgänge zurückgegriffen wird, werden die dafür maßgeblichen Quellen einbezogen.69 Byzantinische Quellen werden ebenfalls herangezogen. Sie sind jedoch in bezug auf das Verhältnis zu den fränkischen Herrschern offenbar nicht sehr reichhaltig. Das Verhältnis zu den fränkischen Königen und den westlichen Kaisern stand in dieser Zeit 66

67 68 69

Zu Recht weist aber Preiser, Völkerrechtsgeschichte, S. 51, darauf hin, daß das Fehlen einer solchen Reflexion nicht auch das Fehlen einer entwickelten Rechtsordnung indiziert. Köbler, Recht, S. 71, 72. z. B: Hinkmar v. Reims, De ordine palatii; Notkeri, Gesta Karoli. z. B. Gregor v. Tours, Historiarum, aber auch Briefe der Merowingerzeit.

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anscheinend nicht im Zentrum des Interesses.70 Arabische Quellen waren mir sprachlich nicht zugänglich, scheinen aber nach der Literatur nichts Näheres zu enthalten.71 Die Beziehungen zwischen Karl dem Großen und Harun al-Raschid sind nur aus den Reichsannalen bekannt. Englische oder asturische Quellen sind ebenfalls nur spärlich. So kann nur das fränkisch-päpstliche Verhältnis von beiden Seiten her betrachtet werden. Für die Beziehungen zu den anderen Mächten stehen fast nur die fränkischen Darstellungen zur Verfügung. Das ist gewiß mißlich, weil notwendig einseitig. Die fränkische Sicht kann nicht gegengelesen, d. h. nicht kontrolliert und damit u. U. korrigiert, jedenfalls aber vervollständigt oder ergänzt werden. Soll also eher von der fränkischen Normativität der fränkischen Beziehungen mit anderen Mächten die Rede sein? Das wird wohl differenziert zu betrachten sein, je nachdem, wer der Partner ist. Gegenüber den Sachsen ist u. U. eine andere Einschätzung als gegenüber den byzantinischen Kaisern geboten. Aber in beiden Fällen gibt es nur die fränkische Sicht. Das ist bei Schlußfolgerungen zu beachten. Für die Einschätzung der Beziehungen ist die Schwäche oder gar der Mangel byzantinischer und arabischer Quellen nicht ohne Bedeutung. Die Deutung liegt nicht fern, daß die karolingischen Herrscher für beide nicht die große Bedeutung hatten, wie sie für diese. Die Franken waren zu weit weg und störten die Kreise allenfalls am Rande. Italien war für Byzanz schon früher verloren, ausgenommen der Süden. So spiegeln die Quellen auch im Schweigen einen Zustand. Es werden die Quellen in den vorliegenden Veröffentlichungen benutzt, vor allem der Monumenta nach den jeweiligen letzten Ausgaben. Aber es werden auch andere Quellenwerke, das Liber Pontificalis, die Sammlung Migne etc. herangezogen. Damit werden auch die kritischen Würdigungen der mediävistischen Geschichtswissenschaften zu den jeweiligen Texten mit übernommen. Eigene Textkritik wird nicht vorgenommen. Diese Veröffentlichungen enthalten alle wesentlichen Texte.

b. Quellenarten Wie erwähnt, sind rechtliche Quellen i. S. von Texten, die selbst eine rechtliche Aussage enthalten, Verträge, allgemeine Normen, Urteile, Anordnungen, Donationen, Privilegien etc., für diese Epoche nur in äußerst geringem Maße verfügbar. Das gilt sowohl für literale, schriftliche Quellen, also Urkunden, z. B. von Verträgen, als auch für orale, aber schriftlich überlieferte Quellen, z. B. Urteile oder mündliche Verträge, gleichermaßen. Schriftliche Rechtssetzungen, Anordnungen, Verträge, Urteile fehlen fast völlig. Das wird nicht nur, vielleicht nicht einmal in erster Linie an der Überlieferungslage liegen. Es kann seinen Grund auch in der oralen Rechtskultur der Zeit haben. So werden zwar Vertragsschlüsse mitgeteilt, mündliche wie schriftliche, aber mit einzelnen Ausnahmen nicht im Text, sondern allenfalls im Inhalt und auch das in der 70

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Außer Theophans chronographica werden in der Fachliteratur keine weiteren oströmischen Quellen genannt und herangezogen. Zudem ist in lateinischer Fassung ein Brief der Kaiser Michael II. und Theophilus an Ludwig den Frommen überliefert. Pirenne, Mohamed; Borgolte, Gesandtenaustausch.

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Regel nicht. Das gilt insbesondere für den zwar schriftlich abgefaßten, aber nicht erhaltenen Vertrag zwischen den karolingischen und den oströmischen Kaisern von 813/14. In den leges sowie in den Kapitularien finden sich einige wenige Regelungen, z. B. für die Gesandten und für den Handel mit Rüstungen.72 Auch von den anderen schriftlichen Verträgen ist mit Ausnahme des Pactum Hludovicianum von 817 keiner der Verträge von Pippin bis Ludwig dem Frommen mit anderen Herrschern im Wortlaut erhalten. Ganz am Ende dieser Epoche ist das pactum veneticum Lothars I. von 840 überliefert. Einiges Wenige zum Verhältnis der fränkischen Könige zu den Päpsten kommt hinzu. Eine Erschließung der positiven Normen für die Zwischen-Mächte-Beziehungen aus Rechtstexten scheidet damit fast völlig aus. Aber auch consuetudo in scriptis redacta, also Sammlungen, Spiegel, Weistümer zur Zwischen-Mächte-Normativität fehlen. Der für den Rechtswissenschaftler, auch den Rechtshistoriker, übliche Zugang zur Kenntnis der rechtlichen Normativität über Rechtsquellen i. e. S. ist damit weitestgehend verschlossen. Das ist mißlich. Zwar bedürfen auch derartige Quellen einer einordnenden und verstehenden Interpretation auch auf ihrem geschichtlichen Hintergrund, um ihre normative Aussage zu erschließen. Aber sie geben doch einen ersten Anhaltspunkt, eine gewisse Grundlage für diese Erschließung. Die Quellen für diese rechtsgeschichtliche Untersuchung sind damit dieselben, die auch der allgemeinen Geschichtswissenschaft für diese Epoche zur Verfügung stehen: Annalen, Chroniken, Viten, Lob-Gedichte, Briefe, Fürstenspiegel, Konzilsakten, Libri Carolini, u. a.. Diese Quellen sind nicht nur keine rechtlichen, sondern auch keine rechtswissenschaftlichen Texte. Zwar wird in Annalen, Chroniken, Viten auch über rechtlich erhebliche Vorgänge, wie z. B. den Abschluß von Verträgen und Bündnissen, über Urteile, Sühne für erschlagene Gesandte, Kriegsansage, Eidesleistung etc. zum einen, normative Aussagen über Verhältnisse amicitia, concordia, caritas, unanimitas u. a., Bewertung von Zuständen, Verhaltensformen etc. zum anderen berichtet. Aber diese Nachrichten stehen neben Mitteilungen über das Wetter, Himmelszeichen, Feldzüge, Schlachten, Mars- oder Maifeldtage, Familienangelegenheiten, Jagdvergnügen, etc., etc. So enthalten alle diese Quellen nur indirekte Aussagen über die Normativität der Zwischen-Mächte-Beziehungen, gewissermaßen verborgen in der Darstellung der Ereignisse und Vorgänge. Der Interpret muß den normativen Gehalt herausschälen. Andere Quellen wie Briefe, theologische Traktate, Fürstenspiegel enthalten zwar auch allgemeinere Aussagen über die Normativität der Zwischen-Mächte-Beziehungen, aber nicht in systematischer Weise, sondern auch jeweils in Einzeläußerungen. In einigen Briefen werden jedoch sehr bedeutsame Ausführungen zu Zwischen-MächteBeziehungen auch aus normativer Sicht gemacht. Sie bilden deswegen eine zentrale Quellenkategorie.

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Ob es sich bei den leges und Kapitularien um schriftliches Recht handelt oder, wie gegenwärtige Rechtshistoriker annehmen, lediglich um Aufzeichnungen, ist hier daher nur bedingt erheblich, Weitzel, Gewohnheitsrecht 2, S. 73.

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c. Quellenproblematik Die verschiedenen Arten von Quellen werfen für den gegenwärtigen Leser und Forscher, der nach dieser Normativität fragt, unterschiedliche Probleme des Verständnisses auf. Denn die Quellen sind, worauf insbesondere Johannes Fried nachdrücklich aufmerksam gemacht hat, in einem bestimmten Feld von Bedingungen abgefaßt. Je nach Kategorie hat das verschiedene Auswirkungen. Die Texte geben nicht nur die Wahrnehmungen, Erinnerungen, Vorstellungen, sondern u. U. auch Interessen, Ansichten, Erwartungen, etc. der jeweiligen Autoren offen oder versteckt wieder. Für alle Quellen gilt, daß die Wahrnehmungsfähigkeit und Wiedergabefähigkeit der Autoren aus vielen Gründen, auch natürlichen, beschränkt ist. 73 Vieles ruht unter einem „Schleier der Erinnerung“.74

d. Historiographische Quellen Die in den Annalen, Chroniken, Viten, auch Gedichten enthaltenen Darstellungen der Ereignisse, auch der damit einhergehenden normativ erheblichen Vorgänge, sind zunächst geprägt von den Kenntnissen des Verfassers von den Vorgängen, die er oft nicht immer miterlebt hat, zeitlich auf Grund mündlicher Überlieferung aber auch älterer Quellen mehr oder weniger spät nach denselben niederschrieb. Daraus ergeben sich Unterschiede in den Darstellungen und in der verwendeten Begriffswahl ein und desselben Ereignisses in verschiedenen Quellen. Zwar sollen Annalen und Chroniken die Ereignisse darstellen, aber sie tun das in durchaus gezielter Weise, verfolgen bewußt oder unbewußt bestimmte Interessen. Dabei steht die genaue Erfassung und Explikation der normativen Gestaltungen der Ereignisse wohl nicht im Vordergrund des Interesses des jeweiligen Autors. So muß damit gerechnet werden, daß diese häufig nur knapp stichwortartig oder sogar gar nicht genannt werden. Insbesondere die ältere Fassung der Reichsannalen hält sich für die ersten Jahre unserer Epoche erheblich zurück. Die überarbeitete erweiterte Fassung, die um 800 entstandenen sogenannten Einhardsannalen, fügt hingegen häufig gerade normative Aussagen hinzu. Auch die ebenfalls späteren Metzer Annalen enthalten Zusätze mit normativen Inhalten. Das läßt auf ein gewachsenes Interesse an diesen Fragen um 800 schließen. Für Viten und Lobgedichte kommt hinzu, daß sie i. d. R. ihren Helden herausheben wollen. Das Eingangszitat aus der Lebensbeschreibung Karls des Großen von seinem Hofgenossen und Freund Einhard zeigt das in aller Deutlichkeit. Da aus der Darstellung der konkreten Vorgänge oder Ereignisse, eines Vertragsschlusses, einer Eidesleistung, eines Urteils, einer Unterwerfung, die normativen Elemente isoliert werden müssen, möchte man „hinter“ den Autor blicken. Zum einen geht es darum, ob und inwieweit man sich auf die historische Richtigkeit der Darstellung des Ereignisses verlassen kann, ob es also einen Vertragsschluß oder einen Eid

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Wolf Singer, Wahrnehmen, Erinnern, Vergessen – Über Nutzen und Vorteil der Hirnforschung für die Geschichtswissenschaft: Eröffnungsvortrag des 43. Deutschen Historikertages, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Donnerstag, 28.9.2000, Nr. 226, S. 10. Fried, Schleier der Erinnerung.

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oder eine Unterwerfung gegeben, so wie dargelegt, oder gar nicht gegeben hat.75 Dabei wird zu unterscheiden sein, ob eine zweifelhafte oder gar falsche Darstellung mit normativer Absicht oder aus falscher Wahrnehmung oder wegen Erinnerungslücken erfolgt ist.76 Zum anderen geht es darum, wie die normative Einordnung vorgenommen wird, d. h. insbesondere wie die Begriffe verwendet oder, besser, verstanden werden. Was meint ein Autor mit pactum, foedus, placitum, amicitia, regnum etc.? Da alle Quellen in lateinischer Sprache abgefaßt sind, ist zudem zu fragen, ob mit diesen Begriffen auch römisch-rechtliche Inhalte der Begriffe übernommen wurden oder ob damit neue Inhalte verbunden, sie eigenen Vorstellungen angepaßt wurden. Bedeuten sie in fränkischen und päpstlichen Quellen dasselbe oder vielleicht Verschiedenes? Das würde u. U. zur Folge haben, daß von einer „gemeinsamen“ Zwischen-Mächte-Normativität nur mit Vorbehalten gesprochen werden könnte. Noch schwieriger wird es, wenn lediglich Ereignisse geschildert werden, wie z. B. der Empfang oder die Entsendung einer Gesandtschaft oder eines Gastes, z. B. des Papstes in Paderborn oder des Königs in Rom–St. Peter; die Überreichung von Geschenken vom oder an den Papst; das Ausrichten eines Mahles; die Eroberung und Zerstörung einer Burg oder deren Schonung. Steckt darin jeweils überhaupt auch eine normative Aussage, wie bei solchen Ereignissen oder Gelegenheiten vorzugehen sei? Wie sind gegebenenfalls dazu gegebene Kommentare einzuordnen, wie z. B. der Kommentar Einhards zum Verhalten der Sachsen, sie hätten es nicht für unehrenhaft gehalten neque divina neque humana iura vel polluere vel transgredi?77 Geben sie lediglich die Ansicht des Autors oder eine allgemeine normative Aussage wieder, die sich auf Tradition i. a. oder Überlieferungen bestimmter Institute oder Normativitäten stützen können? Manche Ereignisse, die aus anderen Quellen, z. B. Briefen erschlossen werden können, fehlen in den Reichsannalen völlig, so die Beziehungen zu dem König von Mercien Offa, obwohl gerade der Brief Karls an diesen in dem eingangs wiedergegebenen Zitat grundlegende Aufschlüsse über Karls Denken über die Ordnung der Beziehungen zwischen christlichen Königen enthält. Welche Vorgänge auch mit normativen Implikationen werden aufgenommen, welche nicht? Können die leitenden Gesichtspunkte erschlossen werden?

e. Literarische Quellen Briefe, Fürstenspiegel und Traktate sprechen als literarische Quellen ihre Zielsetzungen i. d. R. klarer und unmittelbarer aus. Sie sind auf das Verhalten des Adressaten gerichtet. Briefe sollen dem Empfänger nicht nur etwas mitteilen, sondern häufig auf ihn einwirken, ihn zu einem bestimmten Handeln veranlassen. Das gilt in besonderer Weise für die für die vorliegende Untersuchung sehr bedeutsamen Briefe Alcuins an Karl 75

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So werden die Darstellungen zur Unterwerfung Tassilos in den Reichsannalen inzwischen angezweifelt, dazu u. a. Fried, Prozeß. Zur tendenziösen zeitgenössischen Geschichtsschreibung zugunsten Karls, Fried, Weg, S. 244 ff. Einhard, Vita Caroli, c. 7.

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den Großen. Fürstenspiegel enthalten Regeln für das gute und gerechte Handeln des Fürsten, eines Königs oder eines zukünftigen Königs. Gerade ihre Aussagen sind daher mit einer gewissen Grundsätzlichkeit und Allgemeinheit abgefaßt, die damit auch verallgemeinerungsfähige Schlüsse erlauben, z. B. über die Bedeutung der pax oder der Christlichkeit in der guten Ordnung der Dinge. Allerdings beziehen sie sich fast ausschließlich auf die innere Ordnung und das Handeln des Königs nach innen. Viele der Briefe und die Fürstenspiegel haben spirituell-religiöse oder theologische, keine eigentlich politischen oder rechtlichen Ansätze und Zielsetzungen. Das gilt erst recht für die theologischen Traktate, wie die Libri Carolini. Aber sie enthalten jedenfalls mittelbar auch erhebliche Aussagen für die politische und rechtliche Gestaltung der allgemeinen Ordnung. Gerade darin prägt sich ein besonderes Charakteristikum der Ordnung dieser Zeit aus, die Verknüpfung der spirituell-geistlichen mit der politisch-rechtlichen Sphäre.

f. Interpretation Der Interpret erfährt also zunächst etwas über die Vorstellungen oder Einschätzungen des Autors von Normativität in der Gestaltung der Beziehungen der karolingischen Herrscher zu anderen Herrschern oder Mächten. Das heißt aber nicht zwingend, daß hier nur dargelegt werden kann, was die Autoren der Quellen ausgeführt, dargestellt, wie sie interpretiert, wie sie bewertet haben etc. Denn diese Einsicht in die bewußten aber auch unbewußten, durch Vorprägungen wie auch durch Zweckrichtungen des jeweiligen Autors geprägten Tendenzen der Quellen ermöglicht es, durch entsprechende Methoden verallgemeinerungsfähige Aussagen zu gewinnen. Anders als der Völkerrechtler der Gegenwart kann der Interpret der frühmittelalterlichen Quellen dabei jedoch kein vorgegebenes objektives System der normativen Ordnung der Beziehungen zwischen den Mächten zugrunde legen, in die die in den Quellen dargestellte Praxis grundsätzlich eingeordnet werden könnte. Er muß vielmehr diese zum einen auf eine mögliche konkrete normative Aussage hin lesen und zum anderen daraufhin, ob sich dahinter, durch diese konkrete Aussage hindurch eine solche allgemeine normative Ordnung erschließen oder konstruieren läßt. Das deutet zwar auf ein zirkuläres Verfahren hin, ist aber unvermeidbar. Dabei ist der Gemeinplatz der Geschichtswissenschaft wie der Rechtsgeschichte zu bedenken, daß auch der Interpret selbst durch äußere wie innere Bedingungen bestimmt wird, im hermeneutischen Zirkel gefangen ist.78 Auch strikte Orientierung am Text, auch die hier vertretene Historisierung unter möglichstem Verzicht auf anachronistische Begriffe können nicht vollständig verhindern, daß die Texte auf uns, unser Forschungsinteresse hin gelesen und gedeutet werden. Kritische Selbstdistanz und wiederholte Prüfung sind jedenfalls notwendig. Die Suche nach der Normativität der Zwischen-Mächte-Beziehungen des 8. und 9. Jahrhunderts ist schon in sich selbst eine 78

Für die Rechtsgeschichte u. a. Stolleis, Rechtsgeschichte; für die Rechtswissenschaft allgemein die „klassische“ Darstellung von Esser, Vorverständnis; Willoweit, Verfassungsgeschichte, S. 5 ff.; für die Geschichtswissenschaft u. a. Fried, Gens, S. 75 und 91; Goetz, Mediävistik, S. 157, ders. Geschichtsschreibung, S. 15 ff.

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gegenwärtige Frage des Verfassers, und steht stets unter dem Vorbehalt heutigen Verständnisses. Er stellt nicht nur die Fragen an den Text; er bereitet auch die Antworten vor, indem er den Text mit seinen Augen, seinen Theorien, seinem Verständnis von Normativität, seinen Methoden, seinem Geschichtsbild, seinem Vorverständnis, seinen Vorkenntnissen über die Epoche, seinen Erwartungen liest. Es muß ein Austauschverhältnis durch ständige Rückfragen entstehen zwischen den Texten und ihren Interpretationen, um ein einigermaßen zeitnahes Verständnis zu erreichen, das dann auch in das Verständnis unserer Zeit vermittelt werden muß.79 Methodisch ist zu versuchen, über Vergleiche der Darstellungen der Vorgänge in verschiedenen Quellen objektive, verallgemeinerungsfähige Aussagen zu erlangen. Helfen können weiterhin innere Vergleiche des Wort- bzw. Begriffsgebrauchs innerhalb derselben Quellen im Ablauf der Zeit, vor allem ob Stetigkeit und Gleichmäßigkeit oder Begriffswechsel bei der Darstellung vergleichbarer Vorgänge gegeben ist, z. B. bei dem Abschluß eines Vertrages. Auch auf Widerspruchsfreiheit der Darstellungen ist zu achten. Da sich in den literarischen Quellen allgemeine Aussagen finden, die sich nicht auf ein konkretes Ereignis beziehen oder dieses übersteigen, sondern Prinzipien, allgemeine Regeln etc. enthalten, explizieren, muß versucht werden, die normativen Inhalte der Darstellungen der Einzelvorgänge mit ihnen zu verbinden.80

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Die damit angedeuteten, vielfach behandelten hermeneutischen Fragestellungen sind hier nicht näher zu erörtern. Es war nur darauf aufmerksam zu machen, daß auch die Völkerrechtsgeschichte die wohl inzwischen unbestrittene Einsicht zur Kenntnis zu nehmen bereit ist, daß auch ihr Verstehen der Quellen durch sie selbst bedingt ist. Die Quellenproblematik entspricht in gewisser Weise derjenigen zur Erforschung des „Völkerrechts“ für Israel im Alten Orient aus der Bibel, Otto, Völkerrecht, S. 32 ff.

Teil I: Das F ra n ke n re ic h u n d s e i n e p o l i t i s c h e U m w e l t Der Zerfall des Römischen Reiches hatte zu einer pluralen politischen Struktur Europas aus mehreren Herrschaftsverbänden geführt. Außerdem waren mit den Dänen im Norden und den Sachsen und Slawen in Mitteleuropa neue Herrschaftsverbände entstanden. Diese Herrschaftsverbände unterschieden sich nach Größe, Herkommen, innerer politischer und gesellschaftlicher Struktur erheblich. Zudem gab es drei religiöse Kreise, den christlichen, den muslimischen und den in sich wieder differenzierten heidnischen. Die karolingischen Herrscher, insbesondere Karl der Große unterhielten mit all diesen Mächten Beziehungen. Sie traten damit in das Zentrum damaliger Politik und Gestaltung der Ordnung Europas. Diese in vielfacher Hinsicht höchst differenzierte Struktur der Ordnung der politischen Umwelt des Frankenreiches bestimmte die Inhalte, Formen und auch normativen Gestaltungen dieser Beziehungen und damit auch die allgemeine politische wie normative Ordnung, den ordo der Zeit. Aber das Frankenreich selbst machte in dieser Zeit eine erhebliche innere und äußere Entwicklung durch, die es in gewisser Weise erst befähigte, diese zentrale Rolle in der Gestaltung des ordo für ein Jahrhundert auszufüllen.

1 . K api t el: D as F ran k e nre ic h zwisc he n 741 und 840 I. E i n l ei tu n g Die tragenden Grundlagen des Frankenreiches und der Herrschaft seiner karolingischen Herrscher in dem Jahrhundert des einheitlichen Großreiches für die Entwicklung der Beziehungen zu den anderen Mächte der damaligen politischen Welt waren vielfältig. Dazu gehörten vor allem die territoriale Entwicklung, die innere verfassungsrechtliche Gestaltung, die gesellschaftliche Gliederung und die christliche Ausrichtung. Zudem bildeten die wirtschaftlichen Grundlagen und Fähigkeiten notwendige materielle Voraussetzungen.

II . Di e te rr it or i al e E n tw i ck l u n g Die territoriale Entwicklung des karolingischen Frankenreiches führte im Laufe des 8. Jahrhunderts zu einer Landmasse, die sich fast mit dem alten Westteil des Römischen Reiches ohne die iberische Halbinsel und die britische Insel deckte, jenseits des Rheines sogar weit darüber hinaus reichte. Zum einen wurde dies durch eine innere Konsolidierung des übernommenen merowingischen Herrschaftsbereiches erreicht. Erst nachdem die Herrschaft der Karolinger sich insbesondere gegenüber den Herzögen in Aquitanien und Bayern durchgesetzt hatte, konnten sie sich nach und nach auch nach außen wenden. Zum anderen wurde es durch Eroberungen erheblich ausgedehnt.

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Das Frankenreich zwischen 741 und 840

a. Innere Konsolidierung Karl Martell gelang es 714 zunächst, Austrien und Neustrien unter seiner Herrschaft zu vereinen und die selbständigen Gewalten zu brechen. Im Kampf gegen die Araber gewann er den Süden und Südosten Galliens für die Franken zurück und eroberte sogar Septimanien, das bis dahin nicht zum fränkischen Reich gehört hatte. Auch im inzwischen vom Arianismus zum katholischen Bekenntnis gewendeten Burgund konsolidierten die Franken in den Jahren 733 bis 736 ihre Herrschaft.1 Nur die Bretagne im Westen Galliens blieb noch außerhalb des Reiches, wenn es auch zur Errichtung des limes brittanicus Rennes-Vannes und einer bretonischen Mark kam. Im Osten wurden die Thüringer, deren Herzogtum 716 zum letzten Mal erwähnt wurde, und die Alemannen, deren Herzogtum durch Karlmann 744 endgültig beseitigt wurde, dem Reich fest eingegliedert. Im Südwesten setzte Karl 770, nach von seinem Vater Pippin geführten jahrelangen Auseinandersetzungen den letzten Herzog von Aquitanien gefangen und gliederte das Herzogtum in die Grafschaftsverwaltung und das Kirchensystem der fränkischen Kirche ein.2 Länger dauerten die Auseinandersetzungen mit den Herzögen von Bayern. Diese konnten sich bis 788 eine recht große Selbständigkeit gegenüber den karolingischen Oberherren bewahren. Der von Pippin eingesetzte Herzog Tassilo, Pippins Neffe, nutzte diese für eine eigene Außenpolitik, insbesondere durch eine enge auch durch eine Heirat abgestützte Bindung zu dem langobardischen König Desiderius. Mit den Päpsten verhandelte er um eine eigene Kirchenverfassung mit eigenem Metropolitansitz. Er führte Krieg gegen die Awaren, deren Gebiete er sich zum Teil unterwarf.3 Seine rechtlichen Beziehungen zu Pippin und später zu Karl sind unklar. Zwar bestand ohne Zweifel eine Oberherrschaft der fränkischen Könige. Aber Berichte der Reichsannalen aus dem Jahr 788, Tassilo habe 757 mit seinen Söhnen und den bayerischen Großen Pippin einen Vasalleneid geleistet, den er durch einen Treubruch (harlisz) 763 verletzt habe, werden heute in der Geschichtswissenschaft angezweifelt.4 788 gelang es Karl nach jahrelangen Auseinandersetzungen, Tassilo und seine Familie der bayerischen Herrschaft zu entsetzen und das Herzogtum seiner direkten Herrschaft zu unterwerfen.5 Bayern verlor seinen Status als eigenes Herzogtum und wurde in den Gesamtherrschaftsverband als Reichsteil eingegliedert.

b. Eroberungspolitik nach außen Karl Martell und Pippin hatten außer den erwähnten Rückeroberungen oder festeren Eingliederungen älterer unterworfener Herzogtümer Septimanien im Süden sowie friesische Gebiete im Norden erobert und waren auch bereits gegen die Sachsen vorgegangen. Die hauptsächlichen Eroberungen aber tätigte Karl der Große, der nach 1 2 3 4

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Dazu u. a. Staudte-Lauber, Carlus princeps. Ann. regni Franc. ad a. 770. Wolfram, Geburt, S. 343. U. a. Wolf, Bemerkungen; Fried, Prozeß; Schieffer, Prozeß, S. 173 ff.; ders. Zeit, S. 49 mit weiteren Verweisen; Kolmer, Tassilo. Ann. regni Franc. ad a. 787 und 788.

Die territoriale Entwicklung

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langjährigem Ringen von 772 bis 804 die Sachsen, bereits im ersten Anlauf 774 die Langobarden, und in mehreren Feldzügen ab 788 nördliche spanische Gebiete und ab 796 die Awaren seiner unmittelbaren eigenen Herrschaft unterwarf. Diese Unterwerfungen vollzogen sich jedoch in verschiedenen Formen. Sie haben auch normative Aspekte, insbesondere im Hinblick auf Krieg und Unterwerfung. Die Politik gegenüber den Sachsen erscheint in den Quellen als eine rein kriegerische Eroberungs- und Unterwerfungspolitik. Ihre Unterwerfung vollzog sich jedoch nicht nur als Eroberung durch den König, sondern auch als Unterwerfung durch das Volk der Franken.6 Das bedeutete jedoch nicht persönliche Abhängigkeit oder gar Hörigkeit der Sachsen von den Franken. Die Sachsen blieben frei, mußten allerdings Treue geloben. Ihre eigene Selbständigkeit und, wenn auch nicht sehr entwickelte politische Organisation ging zwar verloren, aber sie wurden zu einem gleichrangigen Volk im Frankenreich. Weder mit der vollen Eingliederung des Herzogtums Bayern noch mit der Unterwerfung der Sachsen verließ Karl der Große wirklich den schon bei den Merowingern herkömmlichen Rahmen traditioneller fränkischer Königspolitik. Den darüber hinausgehenden, umstürzenden und zukunftsgestaltenden Schritt tat er 774, als er auf Bitten Hadrians I. gegen Desiderius vorging, ihn nach seinem Sieg gefangensetzte und selbst die langobardische Königskrone übernahm. Damit endete das Zwischen-Mächte-Verhältnis der beiden Mächte, das über zwei Jahrhunderte zwischen Bündnis und Konkurrenz, einschließlich Krieg, geschwankt hatte. Allgemein verschwand ein aktives und lange Zeit Italien dominierendes Glied der politischen Welt. Karl erweiterte und verankerte mit diesen Schritten vor allem seine Stellung als rex Francorum et Langobardorum und die des fränkisch-karolingischen Reiches im Verhältnis zu den anderen Mächten grundlegend. Er wurde unmittelbarer Nachbar oströmischer Herrschaftsgebiete, aber auch des von seinem Vater und ihm selbst begründeten päpstlichen Herrschaftsbereichs. Der langobardische Königstitel ging also zunächst nicht unter. Erst Ludwig der Fromme gab ihn auf. In Spanien dehnte Karl die fränkische Herrschaft bis zum Ebro aus. Die Gebiete südlich der Pyrenäen wurden als eigene Mark verfaßt und so der fränkischen Herrschaft unterstellt. Im Norden wurde ganz Friesland unterworfen und das Gebiet bis zur Schlei ausgedehnt. Die Dänen aber blieben außerhalb des Reiches. In den neunziger Jahren eroberte Karl von Regensburg aus weite Gebiete des Awarenreiches jenseits der Enns und erweiterte damit den Herrschaftsbereich nach Pannonien. Mit der Mission dieser neuerworbenen Gebiete wurden das Erzbistum Salzburg und das Bistum Passau betraut. Später gliederte Karl diesem auch Gebiete Dalmatiens und Istriens an. Venedig sowie weitere Gebiete des oströmischen Reiches unterwarfen sich Karl zu Beginn des 9. Jahrhunderts vorübergehend. Er gab sie aber im Zuge der Friedensverhandlungen nach 810 an den oströmischen Kaiser Nicephorus zurück.

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Waitz, Verfassungsgeschichte, Bd. III, S. 147ff.

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Das Frankenreich zwischen 741 und 840

Darüber hinaus griff Karl weiter in den Osten aus und stellte seine Oberhoheit über weite slawische Gebiete her: die Abodriten, die sogar Bundesgenossen wurden, Wilzen, und Böhmen. Er errichtete Marken als Grenzverteidigungen unter eigenen Markgrafen. Nach Prinz wurden die Slawen so „neben Romanen und Germanen – zur dritten tragenden Säule der entstehenden europäischen Völkerwelt“.7 Die territoriale Entwicklung des fränkisch-karolingischen Reiches war Ende des 8. Jahrhunderts noch vor der Erhebung Karls zum Kaiser weitgehend abgeschlossen. Unter Ludwig fand keine nennenswerte Ausdehnung des Reiches mehr statt. In der Divisio regnorum Karls von 806 werden als Bestandteile des Herrschafstbereiches Karls, imperii vel regni nostri, genannt und unter die drei Söhne geteilt: Italien, Hispanien, Aquitanien, Waskonien, Francien, Austrien, Neustrien, Thüringen, Sachsen, Friesland, Alemannien, Bayern.8

II I. G ru n d l ag en d er Ver fas s u n g s o r d n u n g a. Grundlegungen Es besteht heute in der Verfassungsgeschichtsschreibung Einigkeit, daß auch für diese Zeit von einer „Verfassung“ für die institutionelle Herrschaftsordnung gesprochen werden darf. Der spezifische Verfassungsbegriff des modernen demokratisch-liberalen Nationalstaates, der auf die französische Revolution zurückgeht, ist ein historisch bedingter Verfassungsbegriff. Im Anschluß an Dietmar Willoweit kann Verfassung für unsere Epoche verstanden werden als die Zusammenschau der grundlegenden normativen Regeln und Strukturen der allgemeinen Ordnung des Gemeinwesens.9 Zu diesen normativen Regeln gehören zunächst die rechtlichen Regeln. Aber andere Normen, vor allem die religiösen, müssen in einer Zeit, in der Recht und Religion noch nicht eindeutig und völlig getrennt und ausdifferenziert waren, mit einbezogen werden. Man könnte daher an die Stelle des Begriffs „Verfassung“ den zeitgenössischen Begriff ordo setzen. Es handelt sich um eine „Zusammenschau“, weil erst durch die heutige wissenschaftliche Verbindung der Einzelelemente der Ordnung deren „Einheit“ als Verfassung oder ordo sichtbar gemacht wird. Zwar ist inzwischen allgemein akzeptiert, daß das Gemeinwesen des Frühmittelalters nicht dem des modernen Staates entspricht.10 Es wird daher moderner verschiedentlich als „Personenverbandsstaat“ bezeichnet.11 Das war aber, so scheint es, nur ein erster Schritt einer zutreffenderen Erfassung der politisch-normativen Ordnung dieser Gemeinwesen. Da sich mit dem Begriffsteil „-staat“ noch eine hierarchisch-herrschaftliche Struktur dieses Verbandes verbindet, die als solche in der neueren Forschung nicht mehr ohne weiteres anerkannt wird, ist der bloße Begriff „Personenverband“

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Prinz, Grundlagen, S. 99. Divisio Regnorum, c. 1ff., MGH LL II, Capit. I, Nr. 45, S. 126ff. Willoweit, Verfassungsgeschichte, § 1 I und § 2. Zu diesen Schwierigkeiten u. a. Willoweit, Verfassungsgeschichte § 5 II 1. Mayer, Grundlagen; ihm folgend u. a. Mitteis, Staat, S. 3 f.

Grundlagen der Verfassungsordnung

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zutreffender.12 Die Frage ist dann, was seine Einheit konstituiert. Aus der Sicht der Zwischen-Mächte-Beziehungen ist es, kurzgefaßt, das Königtum und die Herrschaft, das in dem und für den Verband die Wahrung von Recht und Frieden sicherzustellen hat. Das besagt noch nichts darüber, wie das Königtum verankert ist und wie die Herrschaft begründet und möglich ist, vor allem inwieweit „Netzwerke“ von Verwandtschaft, Freundschaft, Gruppenbildungen als tragende Strukturen notwendig zur Konstituierung der Einheit und zur Realisierung von Herrschaft durch den König dazugehören. So dürfen gerade im Hinblick auf die Führung der Zwischen-Mächte-Beziehungen heutige staatliche organisatorische Strukturen nicht zurückprojiziert werden, insbesondere nicht die Unterscheidung von Staat und Staatsgewalt, von Staat und Organschaft des Staates und eine daran anknüpfende, nach den Grundsätzen der Gewaltenteilung differenzierte innere Organisation zur Ausübung einer umfassenden Staatsgewalt nach innen und außen. Die politisch-rechtliche Organisation des frühmittelalterlich-karolingischen Herrschaftsverbandes war zwar differenziert, folgte aber ganz anderen Regeln als denen eines modernen Staates. Zwar wurden auch im Frankenreich die Beziehungen zu anderen Mächten, also die äußeren Angelegenheiten, inhaltlich von den inneren Angelegenheiten in der Sache abgehoben.13 So spricht Hincmar von Reims ausdrücklich von aliquid aut intra aut extra regnum ordinandum est.14 Im Zitat deutet sich zudem an, wer Träger der Beziehungen war, oder wem ihre Führung oblag. Dies und an welche Regelungen sie geknüpft waren, ist jedoch nach den inneren politisch-rechtlichen Organisationsstrukturen der Zeit näher zu analysieren.

b. Das Königtum Die Erhebung der Könige war grundsätzlich eine innere Angelegenheit, in die äußere Mächte in der Regel nicht involviert waren. Sie vollzog sich durch die Großen auf der Reichsversammlung. Aber es gab doch äußere Einflußnahmen, erwünschte wie unerwünschte.15 Die auswärtige Beteiligung des Papstes Zacharias bei dem Dynastiewechsel im Frankenreich 750 war ausdrücklich herbeigezogen worden. Eine gewissermaßen unerwünschte Intervention war hingegen der Versuch des langobardischen Königs Desiderius, Hadrian I. zu veranlassen, die Söhne des Bruders Karls des Großen Karlmann, die er nach dessen Tod mit deren Mutter in seine Obhut genommen hatte, zu fränkischen Königen zu salben, um so deren Ansprüche auf den früheren Reichsteil ihres Vaters zu sichern. Der Papst verweigerte diese Salbung. Dieses Ansinnen stellte aber die Einmischung eines auswärtigen Herrschers in die Thronfolge und Herrscherfolge der Franken dar. Sie dürfte zum Krieg Karls und zur Vertreibung des Desiderius nach dem Sieg nicht unwesentlich beigetragen haben, um so die eigene Herrschaft zu sichern. 12 13 14 15

Dazu u. a Althoff, Verwandte, S. 5 ff. Einhard, Vita Caroli, cap. 16. Hincmar, De ordine, c. VI (cap. 30), Z. 497. Vita Hadriani, Liber Pontificalis, I, S. 493.

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Das Frankenreich zwischen 741 und 840

Der Dynastiewechsel ging durch die Wahl Pippins zum König durch die Großen auf der Reichsversammlung in Soissons vonstatten. Hinzutrat die Salbung durch Bischöfe.16 Aber der Wahl vorausgegangen war die von Pippin entsandte Gesandtschaft aus dem Leiter der Hofkapelle und späteren Abt von St. Denis Fulrad und Bischof Burkhard von Würzburg, einem Angelsachsen, mit der Anfrage an Papst Zacharias de regibus in Francia, qui illis temporibus non habentes regalem potestatem, si bene fuisset an non. Es folgte die Antwort des Papstes, ut melius esset illum regem vocari, qui potestatem haberet, quam illum, qui sine regali potestate manebat. Die Annalen fügen hinzu: ut non conturbaretur ordo, per auctoritatem apostolicam iussit Pippinum regem fieri. Es ging also um die Sicherung des ordo, der Ordnung und damit auch des Friedens. Diese Auskunft hatte gewissermaßen die Form eines von außen kommenden Schiedsspruches oder einer „Rechtsauskunft“, allerdings ohne die andere Seite, die Merowinger, zu hören. Aber Einhards Darstellung Pippinus autem per auctoritatem Romani pontificis ex praefecto palatii rex constitutus übertreibt wohl. 17 Da Stephan II. 754 nicht nur erneut Pippin, sondern auch seine beiden Söhne Karl und Karlmann zu Königen salbte, wurde der päpstliche Einfluß verstärkt. Auf diese Salbung beriefen sich die Päpste später mit Nachdruck. Hinzutrat die ausdrückliche päpstliche Festlegung auf das Königtum der Karolinger.18 Die Kaisererhebung Karls durch Leo III. stärkte diese Einbindung. Trotzdem wurden in der Folge die karolingischen Könige und Kaiser bei einem Herrscherwechsel oder in seiner Vorbereitung stets in einer Reichsversammlung erhoben oder bestellt.19 Krönungen und Salbungen durch den Papst folgten wie 816 und 824 den Krönungen Ludwigs des Frommen und Lothars I. durch die Franken nach. Auch die Nachfolgeregelungen der Divisio Regnorum von 806, der Ordinatio Imperii von 817 und der Regni Divisio von 831 wurden auf Reichsversammlungen beschlossen.20 Umgekehrt bedurfte es für die Absetzung Ludwigs des Frommen 830 und 833 der Mitwirkung des Volkes bzw. der Großen, also entsprechender Gruppenbildungen

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Chron. Fred. cont. 33 (117); Ann. regni Franc. ad a. 750, S. 8 ff. Es wird heute allerdings bezweifelt, daß sie durch Bonifatius vorgenommen wurde, Ewig, Abwendung, S. 22; Schieffer, Zeit, S. 25; Angenendt, Frühmittelalter, S. 284; Jarnut, Pippin, passim. Chron. Fred. cont. 33 (117); Ann. regni Franc. und Ann. q. d. Einh. ad a. 750; Einhard, Vita Caroli, c. 3. Zitat bei Waitz, Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 69 Anm. 2: Simulque Francorum principes benedictione et Spiritus sancti gratia confirmavit, et tali omnes interdictu et excommunicationis lege construxit, ut numquam de alterius lumbis regem in aevo praesumant eligere, sed ex ipsorum quos et divina pietas exaltare dignata est et sanctorum apostolorum intercessionibus per manus vicarii ipsorum beatissimi pontificis confirmare et consecrare disposuit. Dies sollte gewissermaßen eine Vorbeugung gegen einen erneuten „Königsstreich“ darstellen. Ann. regni. Franc. und Ann. q. d. Einhardi ad a. 768; Einhard, Vita Caroli, c. 3 für Karls Alleinherrschaft; 813 Erhebung Ludwigs zum Kaiser; 814 die tatsächliche Nachfolge; 817 Erhebung Lothars I. zum Kaiser. MGH LL II, Capit. I, Nr. 45, S. 126; Nr.136, S. 270; Nr. 194, MGH LL II, Capit. II/1 S. 20.

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mit und um die Söhne Ludwigs gegen diesen und die bei ihm verbliebenen Gruppen.21 Die Erhebung der Söhne Karls Pippin und Ludwig zu Königen in Italiam, bzw. nach der Vita Caroli in Langobardiam, und in Aquitaniam 781 in Rom scheint aber durch ihren Vater Karl und Hadrian I. vorgenommen worden zu sein.22 Das könnte, wie die spätere durch Karl allein erfolgte Einsetzung Bernhards nach dem Tod seines Vaters Pippin als König von Italien dadurch begründet sein, daß es sich um Teilreiche ohne wirkliche Eigenständigkeit handelte. Hingegen wurden Ludwigs Söhne Pippin und Ludwig wiederum auf der Reichsversammlung von 817 zu Königen in Aquitanien und Bayern eingesetzt. Ihre Rechte waren wohl bereits stärker ausgebildet, jedoch nicht nach außen. Aus der Königserhebung auf den Versammlungen kann nicht geschlossen werden, daß die königliche Herrschaft als eine vom Volk übertragene oder abgeleitete Herrschaft verstanden worden wäre, die der König gewissermaßen als „Organ“ des regnum Francorum ausübte, weder nach innen, noch, was in dieser Untersuchung von Bedeutung ist, nach außen gegenüber anderen Herrschern oder regna. Die Herrschaft des Königs ging letztlich auf die Einsetzung durch Gott zurück, wie Karl selbst in den Libri Carolini darlegte.23 Er und sein Bruder Karlmann nahmen die Formel „Dei gratia“ in den Titel auf. 24

c. Herrschergewalt Herrschergewalt bestand im Frankenreich aus Einzelgewalten oder -rechten sehr verschiedener Inhaber und Träger. Jedoch berief sich Karl der Große u. a. in der Divisio Regnorum von 806 auf seine potestas, die er über regnum et imperium istud habe und auf den Gehorsam seiner Söhne und seines Volkes cum omni subiectione quae patri a filiis et imperatori ac regi a suis populis exhibetur25. Ludwig der Fromme stützte sich in der Ordinatio Imperii von 817 auf seine imperialis potestas, die er über filios et populum nostrum habe, und griff im Schlußteil die zitierte Formulierung aus der Divisio seines Vaters auf.26 Beide machten also eindeutig ihre Herrschaftsrechte geltend. Solange Karl und Ludwig lebten, waren sie Träger der Gesamtpotestas des Reiches, jedenfalls in den Beziehungen zu anderen Herrschern. Das galt auch für das Verhältnis Ludwigs zu Lothar I. nach dessen Kaisererhebung 817. So sollte es nach Ludwigs Tod auch für Lothar I. im Verhältnis zu seinen beiden Brüdern Ludwig und Pippin für das Gesamtreich gelten.27

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Ann. Bertiniani ad a. 833; Anonymus, Vita Hludowici, c. 9. Ann. regni Franc. und Ann. q. d. Einh. ad a. 781. Unten S. 564f. Seit 768; Richter, Dei-gratia-Formel, S. 75 ff. und zu den Königen S. 109 ff. mit weiteren Hinweisen. Divisio, c. 20, MGH LL II, Capit. I, Nr. 45, S.126. Ordinatio, Prolog, MGH LL II, Capit. I Nr. 136, S. 270; auch Regni divisio, c. 13, unten S. 50, Anm. 103. Ordinatio, c. 6–8, ibid., S. 271 f.

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Die Herrschaftsrechte der Karolinger waren mehr oder weniger mit denen der Merowinger identisch. Kern war die Banngewalt des Königs. Sie umfaßte einen Verordnungsbann, den Heerbann, den Verwaltungsbann, den Friedensbann und den Gerichtsbann. Sie diente der Schaffung und Gewährleistung von Frieden und Recht.28 Schon Chlodwig hatte die wesentlichen Herrschaftsrechte auf das Königtum vereinigt. Unter ihm war „der König weitgehend zum Nachfolger des Volkes geworden, das in germanischer Zeit in der Volksversammlung die höchsten staatlichen Rechte ausübte“.29 Jedoch war die Volksversammlung keineswegs ihrer Rechte völlig verlustig gegangen. Ihre konkrete Ausübung war aber oft ein Machtspiel. Mit dem Heerbann war das Recht zur Kriegsführung verbunden. Der König war Anführer des Heeres, konnte aber auch andere dazu bestellen. Die Entscheidung über Krieg und Frieden lag zwar bei ihm, doch die Reichsversammlung bzw. die Großen wirkten dabei in der Regel durch Beschlüsse auf der Versammlung mit. Die Herstellung der pax als Ende der kriegerischen Auseinandersetzung erfolgte auf verschiedene Weise, durch den König allein oder auch unter Mitwirkung der Reichs- oder Volksversammlung.30 Der Friedensbann hatte zwar zunächst interne Bedeutung. Aber er diente den Zwischen-Mächte-Beziehungen durch Gewährung des Königsschutzes für Menschen und Gebiete innerhalb des Herrschaftsbereiches der fränkischen Könige, auch dem Schutz der Fremden, durchziehenden Kaufleute, Pilger, 31 und vor allem der fremden Gesandten.32 Er war also einerseits ein Instrument des internen Fremdenrechts, andererseits ein Instrument zur Gewährleistung des für die Zwischen-Mächte-Beziehungen notwendigen Schutzes der Gesandten auswärtiger Herrscher.

d. Reichsversammlungen Die Reichsversammlungen, auf denen der Adel zu consilium et auxilium zusammentrat,33 waren nicht nur für die inneren Angelegenheiten, sondern auch für die „Außenpolitik“ von zentraler Bedeutung, vor allem für die Entscheidung über die Führung eines Krieges, aber auch für friedliche Angelegenheiten der Beziehungen zu anderen Herrschern, Mächten.

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Willoweit, Verfassungsgeschichte, S. 32. Conrad, Rechtsgeschichte, S. 92. Dazu i. e. unten, S. 36ff.; 264ff. Z. B. der Brief Karls an König Offa von Mercien, Alcuini epp. Nr. 100, MGH Epp IV, S. 144ff., dt. Anhang 1. Z. B. Admonitio ad omnes regni ordines, c. 18, 19, MGH LL II, Capit. I, Nr. 150, S. 305; dt. Anhang 15. Ann. regni Franc. ad a. 788 auf der Versammlung in Ingelheim und 791 auf der Versammlung in Regensburg vor dem 1. Kriegszug gegen die Awaren. Prinz, Grundlagen, S. 263; bei der „Verwaltung“ zur Bedeutung des „autochtonen“ Adels, Werner, Missus, S. 206; zum sächsischen Adel, der später größere Bedeutung gewann, Wenskus, Stammesadel, der auch die Beziehungen zum fränkischen Reichsadel untersucht.

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Mindestens alljährlich, aber auch öfter im Jahr wurde zu Reichsversammlungen geladen.34 Sie entwickelten sich aus der Heeresversammlung, die an die Stelle der germanischen Volksversammlung getreten war. Es gab allgemeine Reichsversammlungen; die Begriffe dafür waren conventus generalis, placitum, synodus, concilium. An diesen nahmen nicht nur die Franken, sondern auch die anderen Stämme oder Völkerschaften teil, Friesen, Sachsen, Romanen, Alemannen, Bayern, Langobarden.35 Teilnahmeberechtigt und verpflichtet waren der Adel und die Freien, die zur Heeresfolge verpflichtet waren. Nach Hincmar von Reims dienten sie gemäß dem Urteil Gottes und der menschlichen Vernunft der Wahrung des Bestandes des Reiches, qua totius regni status, anteposito sicuti semper et ubicumque omnipotens Dei iudicio, quantum ad humanam rationem, conservari videbatur. Nach der Gewohnheit der Zeit, consuetudo autem tunc temporis, kam dort die Gesamtheit der Großen zusammen, generalitas universorum maiorum … conveniebat.36 Mit dem Verlust der wirtschaftlichen Kraft zum Kriegsdienst und dem Eintritt in ein Abhängigkeitsverhältnis ging wohl auch das Recht zur Teilnahme an den Volksversammlungen verloren. So waren es vor allem die optimates, primores, magnati, illustres oder potentes des Reiches, die die Beratung und Beschlußfassung auf den Volksversammlungen auch über Krieg und Frieden ausübten. In den päpstlichen Quellen werden sie nach deren Sprachgebrauch als iudices bezeichnet. Die Versammlungen tagten als allgemeine, aber auch als Teilversammlungen, z. B. 823 in Frankfurt a. Main, an der nur die Großen de orientali Franciae teilnahmen.37 Neben den „weltlichen“ Reichsversammlungen standen Synoden und Konzile der Vertreter der Kirche. Diese waren häufig selbst „international“. Denn an ihnen nahmen nicht nur Mitglieder der in sich schon sehr vielgliedrigen Kirche des Frankenreiches teil, sondern häufig auch Legaten des Papstes und auswärtige Bischöfe aus Konstantinopel, England und Asturien.38 Jedoch blieben sie fränkische Reichssynoden. Auch ihre Beratungen und Beschlüsse hatten gegebenenfalls erhebliche Bedeutung für die Beziehungen zu anderen Mächten, so das Konzil von Frankfurt 794 zur Bilderfrage gegenüber Papst Hadrian I. und den oströmischen Kaisern. Das auf einer Versammlung Beschlossene konnte nach Auffassung Hincmars nicht geändert werden, allenfalls in der höchsten Not, quod ordinatum nullus eventus rer34

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Hincmar v. Reims, De ordine palatii, c. VI, S. 82ff.; Seyfarth, Reichsversammlungen; Conrad, Rechtsgeschichte, S. 100ff.; Brunner-v. Schwerin, Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 171ff.; Waitz, Verfassungsgeschichte, Bd. III, S. 541ff. Z. B. Ann. regni Franc. ad a. 788, Reichsversammlung in Ingelheim: Franci et Baioarii, Langobardi et Saxones, vel ex omnibus provinciis, qui ad eundem synodum congregati fuerent; ibid., ad a. 791, Reichsversammlung in Regensburg: Ibique consilio peracto Francorum, Saxonum, Frisonum; hier wird der Zusammenhang mit der Heeresversammlung besonders deutlich: ibi (Regensburg) exercitum suum coniunxit; ibid., ad a. 823, Reichsversammlung in Frankfurt:…in quo non universi Franciae primores, sed de orientali Francia atque Saxonia, Baioaria, Alamannia atque Alamanniae contermina Burgundia et regionibus Rheno adiacentibus adesse iussi sunt. Hincmar, De ordine, c. VI, p. 82. Ann. regni Franc. ad a. 823. Ann. regni Franc. ad a. 767, Synode in Gentilly; Ann. regni Franc. ad a. 794, Synode in Frankfurt.

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um, nisi summa necessitas, quae similiter modo toti regno incumbebat, mutabatur. Dazu zählten offenbar auch die „auswärtigen Verhältnisse“. Die Bindungswirkung der Zustimmungen der Reichsversammlungen zeigte sich, als Ludwig wegen des nach 817 geborenen Sohnes Karl die ordinatio von 817 ändern wollte. Denn der Konflikt Ludwigs mit seinen Söhnen und den mit ihnen verbündeten Adelsgruppen entzündete sich gerade daran, daß der Kaiser seine potestas entgegen der verabredeten Ordnung ohne diese ausüben wollte. Die potestas stellte eben keine „Staatsgewalt“ oder gar „Souveränität“ im modernen Sinne dar. Die Reichsversammlungen hatten nach heutigen Begriffen institutionellen Charakter, da Zusammensetzung, Aufgaben und regelmäßige Zusammenkunft gewohnheitlich festgelegt waren. Aber trotzdem bildeten sie kein organschaftliches Kontinuum. Jede Tagung war in sich abgeschlossen. Der von Hincmar benutzte Begriff generalitas universorum maiorum bezeichnet wohl nicht nur einfach die Gesamtheit als Menge, sondern die sich konstituierende Einheit zur Beratung und Beschlußfassung. Auf der Reichsversammlung wird der Adel jeweils neu als Einheit sichtbar und handlungsfähig. Die Reichsversammlung war daher kein repräsentatives „Organ“ des Reiches, das für dieses beschloß, sondern die maiores beschlossen als corpus für sich, was sie tun wollten oder zu tun hätten. Auch wegen dieser Selbstbindung mußten alle anwesend sein. Vertretung gab es wohl nicht. Der Erzbischof von Reims nennt noch eine zweite engere Versammlung cum senioribus tantum et praecipuis consiliariis.39 Sie hatte wohl keine beschließende, sondern beratende Funktion, gerade auch zu Krieg und Frieden. Sie sollten nach Hincmar Pläne ausarbeiten und vorbereiten, die dann auf der allgemeinen Versammlung zu beschließen waren. Jedoch scheint das eher eine Idealdarstellung als eine Schilderung der Wirklichkeit gewesen zu sein. Das läßt sich u. a. aus der Charakterisierung der Ratgeber schließen, die weder Verwandte des Königs, noch seine Freunde oder Feinde, amici, inimici, keine Geschenkgeber oder Schmeichler sein sollten. In bezug auf Verwandte und Freunde war wohl gerade das Gegenteil zutreffend. So bildete Karl einen Beraterkreis aus Freunden wie Alcuin, Einhard, und Angehörigen der Karolinger, wie Wala und anderen. Ludwig der Fromme verbannte bei der Herrschaftsübernahme eine ganze Reihe dieser engen Vertrauten seines Vaters Karl trotz ihrer Huldigung, holte sie aber dann als Berater wieder zurück an den Hof oder setzte sie in wichtige Ämter ein.40

e. Krieg und Frieden Die tatsächliche Führung der Zwischen-Mächte-Beziehungen für Krieg und Frieden lag nach dem Dynastiewechsel wieder eindeutig bei den karolingischen Königen. Hausmeier, die unter den letzten Merowingern weitgehend die Führung der Regierungsgeschäfte übernommen hatten, gab es nicht mehr. Sie waren mit Pippin selbst König geworden. Verfassungsrechtliche Grundlagen bildeten jedoch nach wie vor der 39 40

De ordine, c. VI, S. 84; Seyfarth, Reichsversammlungen, S. 81ff. Anonymus, Vita Hludowici, c. 21, Ann. regni Franc. ad a. 822.; dazu Althoff, Verwandte, S. 157 ff.

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Heerbann und der Friedensbann. So führten die karolingischen Könige die Kriege gegen die Herzöge Aquitaniens und Bayerns, wie gegen christliche und nichtchristliche auswärtige Mächte verschiedener politisch-rechtlicher Strukturen. Sie entsandten ihre Gesandten mit ihren Instruktionen an andere Herrscher und empfingen deren Gesandte. Sie schlossen Verträge und korrespondierten brieflich mit diesen Herrschern. Insofern erscheinen nach außen die Könige und später die Kaiser als Träger der „auswärtigen Gewalt“ als Teil ihrer Herrschergewalt. Aber sie waren auch an die Mitwirkung der Großen auf deren Versammlungen zurückgebunden. Insbesondere bedurften sie deren Zustimmung zur Führung von Kriegen, da diese ursprünglich Heeresversammlung war, z. B. gegen die langobardischen Könige Aistulf und Desiderius, die Sachsen, die Awaren, gegen spanisch-sarrazenische Herrscher, und selbst in „internen“ Kriegen gegen die Herzöge von Aquitanien und Bayern und gegen Liudevit. Die Zustimmung des Adels war keineswegs selbstverständlich, zumal wenn, wie im ersten Krieg gegen Aistulf, ein renversement des alliances damit verbunden war.41 Für die Friedensschlüsse war eine Mitwirkung der Reichsversammlung nicht unbedingt erforderlich. Aber der Friedensvertrag Karls des Großen mit Michael I. wurde auch von den Großen unterzeichnet.42 Da diese Bedeutung der Versammlungen oder doch der Großen für die Beziehungen des Frankenreiches zu anderen Mächten auch den anderen Mächten bekannt war, wandte sich Stephan II. 754 selbst an die Versammlung von Quierzy, um die Unterstützung für den Kriegszug gegen Aistulf zu erlangen. Auch spätere Briefe an Pippin und Karl richteten sie gleichzeitig an diesen Personenkreis mit der Bitte um Hilfe.43 Auswärtige Besucher bzw. Gesandte wurden häufig auf der Reichsversammlung empfangen. Der König konnte dort über deren Anliegen mit den Großen beraten, z. B. über Bitten um kriegerische Unterstützung, über ein Bündnisangebot,44 um Schutz gegen Feinde, um Friedensbitten, oder um Gesandtschaften zur „Befestigung der Freundschaft“. Da auch die Großen oder Gesandten der nicht zum fränkischen Herrschaftsverband gehörenden, aber unter Oberhoheit stehenden Völker, z. B. Awaren, Slawen, u. a. häufig geladen wurden und unter der Sanktion der infidelitas erscheinen mußten, wobei sie wahrscheinlich auch Tribute oder „Geschenke“ mitbrachten, diente die Reichsversammlung auch der Manifestation der Oberherrschaft über umliegende Völker.45 41 42 43

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Einzelheiten unten, S. 151 f. I. e. unten S. 392 ff. Z. B. Brief Stephans II. v. (24. Februar ?) 756, Codex Carolinus, Nr. 9, MGH Epp. III, S. 498. So z. B. das Angebot dreier sarazenischer Gesandter Ebu el Arabi, ein Sohn des Jussef und sein Eidam auf der Reichsversammlung in Paderborn 777, Ann. regni Franc. ad a. 777. Z. B. Ann. regni Franc. ad a. 823, bez. des Abodritenfürsten Ceadragus; 826 werden Ceadragus, aber auch der Sorbenfürst Tunglo, geladen und bei Nichterscheinen ihnen Strafen für Treulosigkeit (perfidia) angekündigt, ibid., ad a. 826. Die Ann. regni Franc ad a. 822 berichten von einer Reichsversammlung in Frankfurt a. Main, auf der vor allem die Angelegenheiten der östlichen Teiles des Reiches behandelt wurden und Gesandtschaften der Abodriten, Sorben, Wiltzen, Böhmen, Mähren, Prädenecentern (östliche Gruppe der Abodriten) und Awaren mit Geschenken, d. h. wohl mit Tributen erschienen.

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f. Interne Herrschaftsakte Die auf den Reichsversammlungen beratenen und beschlossenen Kapitularien richteten sich zwar nach innen, enthielten jedoch auch bedeutsame interne Regelungen für die Beziehungen zu anderen Mächten. So legte das Kapitular Karls des Großen von Herstal 779 ein Ausfuhrverbot für Rüstungen fest. Aber offenbar war dieses nicht sehr wirksam, da es später wiederholt bestätigt wurde.46 Bedeutsam sind die Bestimmungen zur Gewährleistung des Unterhalts und der Sicherheit auswärtiger Gesandter.47 Auch Kapitularien in religiösen und kirchlichen Angelegenheiten, die auf Synoden beschlossen wurden, konnten Bedeutung für die Zwischen-Mächte-Beziehungen erhalten. Herausragendes Beispiel ist die Synode von Frankfurt am Main von 794, auf der Beschlüsse zum Bilderstreit, zum Adoptianismus und zur Frage der processio des Heiligen Geistes zur Formel qui ex patre filioque procedit gefaßt wurden, durch die vor allem die Beziehungen zu Byzanz, aber auch zum Papsttum und zu Asturien betroffen wurden.48

g. Hof In dem dem Herrscher zugeordneten Hof bündelten sich institutionell und personal die Grundlagen der Wahrnehmung der königlichen und später kaiserlichen Herrschaft nach innen wie nach außen.49 Zwar gab es bestimmte Hofämter, Seneschall, Oberschenk, Kämmerer, Marschall u. a. Herrschaftsbezogene Aufgaben nahmen die Pfalzgrafen und die Notare oder Kanzler wahr. Aber ihre Aufgabenbereiche wurden vom jeweiligen Herrscher definiert. Außer ihnen gehörten dem Hofe andere Mitglieder an, die vom König oder Kaiser auf diese oder jene Weise an den Hof gezogen wurden. Zugang hatten wohl alle Inhaber der höheren weltlichen wie kirchlichen Ämter. Er 46

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Capitulare Haristallense, c. 20, MGH LL II, Capit. I, Nr. 20, S. 51; weiterhin Capitulare missorum 803, c. 7, MGH LL II, Capit. I, Nr. 40, S. 115; Capitulare missorum in Theodonis villa datum secundum generale, c. 7, MGH LL II, Capit. I, Nr. 44, S. 122, mit Androhungen der Konfiskation; deutscher Text der erstgenannten bei Kroeschell, Rechtsgeschichte, S. 83ff. Capitulare missorum item speciale, c. 53, MGH LL II, Capit. I, Nr. 35, S. 104; Capitulare Admonitio ad omnes regni ordines, c. 18f., MGH LL II, Capit. I, Nr. 150, S. 305f., dt. Anhang 15; dazu u. a. Waitz, Verfassungsgeschichte, Bd. III, S. 632 und Bd. IV, S. 24; im letztgenannten Kapitular, c. 18, wird hingewiesen auf „Ehrenkränkung des Königs und des Reichs und Verruf bei den auswärtigen Völkern durch schlechte Aufnahme, Verpflegung und Beförderung fremder Gesandtschaften durch Bestehlung oder Gewalttätigkeit gegen dieselben“; es wird Amtsentsetzung als Strafe angedroht. Bestrafungen sind wohl auch erfolgt, siehe Waitz, Verfassungsgeschichte, Bd. IV, S. 24, Fn. 2. Ann. Regni Franc. ad a. 794; Konzilstexte. MGH LL II, Conc. I/1, Nr. 19, S. 110; dazu zusammenfassend Ewig, Zeitalter, S. 94ff. Der Adoptianismus war bereits auf einer Synode in Regensburg 792 verurteilt worden, Ann. regni Franc. ad a. 792; der Streit um die processio Sancti Spiritu zog sich noch über fast drei Jahrhunderte hin und diente schließlich als ein Grund für das Schisma von 1054; der Bilderstreit führte fast bis zum Bruch. Zur Bedeutung für die fränkisch-byzantinischen Beziehungen unten S. 121 ff. Zum Hof: Willoweit, Verfassungsgeschichte, S. 35 f.

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wurde durch die persönlichen Bindungen an den Herrscher konstituiert und zusammengehalten. Der Hof war das handelnde Zentrum ebenso für die inneren Angelegenheiten wie für die Führung und Bewältigung der Zwischen-Mächte-Beziehungen. Alle mit einem dieser Ämter betrauten Personen hatten an der Führung der „auswärtigen Angelegenheiten“ Anteil, jedoch in der Regel ohne feste oder gar institutionalisierte Zuweisungen. Die Kanzler oder Notare waren für die Ausfertigung von Urkunden durch ihre Unterschrift zuständig. Es gab wohl in der Regel einen Hauptnotar oder auch Erzkanzler, der schließlich unter Ludwig dem Frommen mehr und mehr Leiter der Kanzlei wurde. Er trat 774 im päpstlichen Bericht über die Aufstellung der Urkunde Karls promissio donationis für dessen Schenkung an Papst Hadrian I. sogar unter Nennung des Namens Etherius, Notar und Capellan, in Erscheinung.50 Da aber auch diese wie andere Vertragsurkunden mit anderen Mächten nicht überliefert ist, läßt sich nicht feststellen, ob für diese die Ausfertigung durch Unterschrift beim Kanzler oder Notar vollzogen wurde. Es ist aber anzunehmen.51 Der Kanzler war unter den Karolingern wohl immer ein Geistlicher von hohem Rang. Über die Kanzler als Haupt der Kanzlei bestand in der hier behandelten Epoche eine personale Verbindung zur Hofkapelle.

h. Hofkapelle Für die Führung der auswärtigen Angelegenheiten gewann seit Pippin die Hofkapelle zunehmend an Bedeutung. Sie wurde unter den Karolingern nach und nach „ein Herrschaftsinstrument des Königs“, eine „dem Zweck der Herrschaftsausübung dienende höfisch-kirchliche Institution“.52 Sie war zunächst und vor allem eine Einrichtung, der die Bewahrung der Reliquien und die Feier des herrscherlichen Gottesdienstes durch die capellani in ihrer Kapelle oblag.53 Gottesdienst selbst war Bestandteil des herrscherlichen Daseins, ja der Herrschaft, eine, wie Fleckenstein meint, „stetige Erneuerung des Bündnisses zwischen König und Gott“.54 So kann die Gestaltung des Gottesdienstes durch die Kapläne als Mitwirkung an der Herrschaft verstanden werden. Da zudem mehr und mehr Religions- und Kirchenangelegenheiten zu den Inhalten der Herrschaftsaufgaben gehörten, ist es nicht nur äußerlich, z. B. durch den Bildungsgrad der Kapläne, sondern auch innerlich begründet, sie zu anderen Aufgaben der Herrschaft nach innen und außen heranzuziehen, so als missi dominici innerhalb des Reiches oder auch als Gesandte an die Päpste oder andere Herrscher.55 Abt Fulrad von St. Denis, einer der beiden Gesandten an den Papst in der Königsfrage, wurde nach der

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Vita Hadriani I., Liber Pontificalis I, S. 498. Zu den Urkunden unten S. 405ff. Fleckenstein, Hofkapelle, S. 41f., S. 95ff. Hier handelte es sich vor allem um die cappa sancti Martini, von der die Hofkapelle ihren Namen hatte und die von den Merowingern schon zur Hausmeierzeit an die Karolinger gekommen war. Fleckenstein, Hofkapelle, S. 37ff. Fleckenstein, Hofkapelle, S. 60f.

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Königserhebung der erste von Pippin eingesetzte oberste capellanus. Als solcher wurde er später wiederholt zum Papst entsandt. Auch Fulrads Nachfolger und andere Kapläne übernahmen Aufgaben als Gesandte vor allem, aber nicht nur zum Papst.56

i. Gesandtschaftswesen Da die Aufgabe des Gesandten das persönliche Vertrauen und eine erhebliche Kenntnis des Gesandten von den Absichten und Zielen des Herrschers voraussetzte, bedurfte es der persönlichen Nähe, die der Hof darstellte, sei es mit Amt oder ohne. Gesandte wurden daher auch aus anderen Kreisen des Hofes und auch außerhalb des Hofes genommen. Es gab zwar im karolingischen Hof keine spezifische Gesandtenkarriere oder Einrichtung für Gesandte. Die Frankenherrscher haben jedoch überwiegend Personen vorwiegend höheren Ranges aus Klerus und Laienstand entsandt, die entweder dem Hofe angehörten oder ihm verbunden waren.

j. Der Adel Der Adel wirkte aber nicht nur auf den Reichsversammlungen an der Führung der Beziehungen zu anderen Herrschern mit. In der Auseinandersetzung Pippins mit Aistulf wandte sich dieser sowohl 755 als auch 756 an die fränkischen optimates und bat sie, bei Pippin auf Frieden hinzuwirken. Beide Male vermittelten sie zwar daraufhin den Frieden zwischen beiden. Sie waren aber 756 auch als Richter über Aistulfs Verhalten tätig.57 Die promissiones donationis Pippins und Karls für die Päpste von 754 und 774 wurden ebenso wie der Vertrag zwischen Karl dem Großen und dem oströmischen basileus 812 und das Pactum Hludovicianum von 817 außer von den drei Herrschern auch von den Großen unterschrieben.58 So stellen die innere Ordnung der Beziehungen zwischen König und Großen und die innere Organisation des regnum francorum eine wesentliche Grundlage auch für die Ausübung der Herrschergewalt zur Führung und Gestaltung der Beziehungen des Frankenreiches nach außen dar. Die Großen wurden zudem in den vielfältigen Ämtern am Hofe, in den Grafschaften und Marken, als missi dominici, sowie als Heerführer, als Bishöfe und Äbte und, wie bereits bemerkt, im „auswärtigen Dienst“ als Gesandte tätig. Die Karolinger besetzten alle diese Ämter mit ihren Getreuen. Dieses Verfahren diente beiden Seiten. Der König hatte eine verläßliche Grundlage für die verschiedenen Aufgaben. Der Adel konnte seine Stellung festigen, neue Herrschaften gewinnen und seine Macht ausdehnen. Da die großen Adelsfamilien weitgehend mit dem Königshaus versippt waren, kamen verwandtschaftliche Bindungen hinzu. Verwandte des Königs bzw. Kaisers konnten großen Einfluß gewinnen. Ein herausragendes Beispiel ist der Vetter Ludwigs des Frommen, Wala, der auch in auswärtigen Angelegenheiten tätig wurde. 56

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Fleckenstein, Hofkapelle, S. 51 (Angilram), S. 53 (Hildwin häufiger), S. 55 (Draga), S. 59ff. (generell). Fred. chron. cont. 37 (120) und 38 (121). Brief Karls an den oströmischen Kaiser Michael I., Epp. var. Car., Nr. 37, MGH Epp. IV, S. 555, dt. Anhang Nr. 3; MGH LL II/I, Nr. 172, S. 352, dt. Anhang Nr. 16.

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Die Teilnahme des Adels war für die Kriegführung unabdingbare Voraussetzung. Es bestand daher Kriegsfolgepflicht. Unentschuldigtes Fernbleiben war Verrat, harlisz.59 Die Teilnahme am Kriege bedeutete für ihn aber auch Gütererwerb. Denn die Eroberung neuer Gebiete eröffnete den Mitgliedern des Adels neue Möglichkeiten zur Erweiterung ihrer eigenen ökonomischen und politischen Grundlagen. Der König mußte ihnen von der Beute abgeben und ihnen auch sonst immer wieder Gaben zukommen lassen.60 Der Adel nutzte dies in Italien, Sachsen und im Südosten.61 Trotzdem leisteten, wie erwähnt, Teile des Adels zunächst Widerstand gegen die Langobardenpolitik Pippins und Karls. Grundlage dieser Mitwirkung oder Teilhabe des Adels war seine eigen-rechtliche Stellung auch gegenüber dem König. In Karls Zeit war er jedoch durch einen Treueid an den König gebunden. Diesen hatten die Merowinger eingeführt. Er war aber außer Gebrauch geraten. 62 Karl der Große nahm ihn wieder auf und forderte ihn zweimal ein, 786 nach inneren Wirren und 802 nach der Kaisererhöhung.63 Treue des Adels und Schutz seitens des Königs bedingten einander, gehörten zusammen und trugen das gegenseitige Verhältnis. Das wurde gerade auch im Hofdienst ein starkes Fundament. Im Treueid gelobten die Untertanen zum einen, dem Kaiser nicht nach dem Leben zu trachten, den Feind nicht ins Land zu lassen, die Treubrüche anderer nicht zu verdekken, zum anderen die Achtung der Gebote Gottes und der Befehle des Kaisers, des kaiserlichen Gutes, der Kirchen, Witwen, Waisen, Fremden, sowie die Befolgung des Heeresdienstes, zu dem jeder Freie verpflichtet war. Aber der Adel und seine Großen wurden auch dadurch nicht vom König abhängig, sondern mußten immer wieder, auch durch Geschenke etc., an ihn gebunden werden, wie auch sie gegebenenfalls den Herrscher binden konnten.64 Die Konflikte Karls mit einer Adelsopposition in den achtziger Jahren, sowie Ludwigs 817 mit König Bernhard und einer Adelsopposition aus Italien65, sowie in den zwanziger und dreißiger Jahren mit den Söhnen und den diesen zuneigenden Adelsgruppen zeigen die Bedeutung der Bindungen mit dem Adel für die königliche Herrschaft.

k. Ergebnis Der König hatte die Führung der Beziehungen zu anderen Mächten in dieser Epoche in seiner Hand. Aber er war auf consilium et auxilium der Großen auf der Reichsver59 60

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Zum Fall Tassilo unten S. 452ff.; 462 ff. Ann. regni Franc. ad a. 796. Karl verteilte den Awarenschatz u. a. optimatibus, clericis sive laicis. Prinz, Grundlagen, S. 263f. Conrad, Rechtsgeschichte, S. 91. Für 792 oder 786: Capitulare missorum, c. 2–4, MGH LL II, Capit. I, Nr. 25, S. 66f.; schwören sollten alle Bischöfe, Äbte, Grafen, königlichen Vasallen, Klerus, alle Freien und Unfreien ab 12 Jahren. Für 802: Capitulare missorum generale, c. 1–2, MGH LL II, Capit. I, Nr. 33, S. 91f.; der Eid war wiederum von allen Männern von 12 Jahren an zu leisten, auch die bereits den ersten Eid geschworen hatten. Zu den Treueiden u. a. Mitteis, S. 76ff. Dazu Althoff, Verwandte, S. 10 ff. Ann. regni. Franc. ad a. 817 und 818.

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sammlung oder außerhalb angewiesen. Es bestand ein Rahmen, in dem dem König und den Großen bestimmte Positionen zugewiesen waren, die zwar nicht prinzipiell aufgehoben wurden, aber doch verschieden genutzt und eingesetzt werden konnten. In diesem Rahmen mußten und konnten die Könige mit Verschiebungen im einzelnen handeln. Er war für Karl zur Führung der Beziehungen zu anderen Herrschern und Mächten anscheinend weiter als für Pippin. Die außenpolitische Handlungsfähigkeit war in dieser Zeit jedenfalls sehr hoch und effektiv, wurde durch diesen zwar offenen, aber gewiß den König begünstigenden Rahmen nicht behindert. Aber zur Durchführung war dieser auch im engeren Kreis des Hofes stets auf seine adeligen Berater und Zugehörigen angewiesen.

IV. Reg n u m a. Fragestellung Damit stehen der Begriff regnum und die Beziehung zwischen rex und regnum zur Frage. Verbindet sich mit dem Begriff regnum und seinem Gebrauch in den Quellen begrifflich die Konzeption einer gegenüber dem König eigenständigen, allumfassenden politisch-rechtlichen Einheit im Sinne einer frühen, wenn auch rudimentären Staatlichkeit, also ein objektiver Begriff des regnum, oder wird mit dem Begriff nur eine besondere Beziehung der Herrschaft des Königs zu den Menschen und dem Raum erfaßt und ausgedrückt, also ein subjektiver Begriff? Die gleiche Frage muß für den Begriff imperium gestellt werden. Johannes Fried und Hans Werner Goetz haben diese Frage geschichtswissenschaftlich kontrovers diskutiert.66 Jedoch haben sie die Außenbeziehungen nicht mit einbezogen. Für die Ordnung der Beziehungen zwischen den Mächten hat die Klärung der Frage, was mit den Begriffen regnum aber auch imperium in unserer Epoche gemeint ist, eine grundlegende Bedeutung. Erweist sich, daß das regnum eine, wenn auch nur rudimentär institutionalisierte Einheit mit wenn auch nur quasi-staatlichen Strukturen darstellt, könnte es auch selbst als solches Träger dieser Beziehungen gewesen sein. Sie ist daher noch einmal im Hinblick darauf an Hand der Quellen zu erörtern.

b. Ansätze Regnum wird in allen karolingischen Quellen verwendet, Kapitularien, Chroniken, Annalen, Briefen, Biographien. Insofern ist er ein allgemeiner politisch-rechtlicher Begriff der Zeit. Er ist auch insofern ein allgemeiner Begriff, als er nicht nur für das regnum der Franken, sondern auch für auswärtige Herrschaftsverbände benutzt wird. Jedoch bedeutet das nicht ohne weiteres, daß Inhalt und Bedeutung oder die mit diesem Begriff verbundenen Vorstellungen der Autoren eindeutig wären. Es scheint zudem vom 8. zum 9. Jahrhundert eine gewisse Entwicklung in der Bedeutung stattgefunden zu haben.

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Fried, Herrschaftsverband; Goetz, Staatsvorstellung; ders., Regnum; Fried, Gens und regnum; Goetz, Gens, kings and kingdoms.

Regnum

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Relativ klar sind diejenigen Formulierungen, die die Jahre des regnum eines Herrschers angeben, in den von ihm ausgestellten Urkunden, beim Erlaß von Kapitularien, anno feliciter undecimo regni domni nostri …,67 wobei gegebenenfalls die Jahre für Francien und Italien getrennt genannt werden,68 für die Angabe des Zeitpunktes des Todes, Domnus Karolus imperator, … anno aetatis…. , regni autem XLVII, … ex quo vero imperator et augustus appelatus est anno XIII,69 oder in anderen Zusammenhängen, quo primo imperii tui anno schreibt Karl der Große an Nicephorus.70 Im Prolog der Ordinatio Imperii heißt es annoque imperii nostri quarto.71 In diesen Stellen bedeutet der Begriff eindeutig die persönliche Herrschaft, hat also eine subjektive Bedeutung. Das gilt auch für die Formulierung Einhards gloriam regni sui in c. 16. seiner Lebensbeschreibung Karls des Großen. Diese subjektive Bedeutung ist für die Zwischen-Mächte-Beziehungen insofern grundlegend, als sie den Herrscher als Träger der Königsherrschaft auch nach außen ausweist. Zwar gibt es dafür auch andere Begriffe, wie potestas, ditio etc. Aber der Begriff regnum verbindet diese Herrschaft mit dem Grund und dem Inhalt der Herrschaft als rex.72 In den meisten Formulierungen oder Verwendungen erscheinen regnum oder später imperium jedoch als Bezeichnung für eine durch Herrschaft konstituierte Einheit, wie in dem Brief Karls an Michael I. Hervorragender Begriff ist gewiß regnum Francorum für das fränkische Reich, der aber nicht sehr häufig vorkommt. Goetz hat darauf hingewiesen, daß er in der Hauptquelle unserer Epoche, den Reichsannalen und den sogenannten Einhardsannalen nicht erscheint, sondern dafür nur regnum steht.73 Auch für andere regna werden derartige personal bestimmte Bezeichnungen verwendet, z. B. regnum Langobardorum. Daneben stehen aber auch raumbezogene Begriffsverwendungen, wie regnum Italiae in der Divisio regnorum von 806 oder eben imperium orientalis und imperium occidentalis in dem Brief Karls des Großen an Michael I. Es findet sich zudem regnum nostrum oder regnum suum.

c. Regnum Francorum Der Begriff regnum Francorum könnte bedeuten, daß das durch eine gens, die Franken als „Staatsvolk“ konstituierte regnum als solches die tragende Macht in den Zwischen-

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Capitulum Haristalense 779, MGH LL II, Capit. I, Nr. 20, S. 47 Z. 16 f. Im Capitulare Italicum von 801 zählt Karl die Jahre in Franzien und Italien getrennt: anno vero regno nostri in Frantia XXXII, in Italia XXVIII, MGH LL II, Capit. I, Nr. 98, S. 204. Weitere Nachweise bei Brühl, Deutschland-Frankreich, S. 84, Anm. 5. Ann. regni Franc. ad a. 814. Einhard setzt in seiner Biographie anno aetatis … et ex quo regnare coeperat, Vita Caroli, c. 30 a. E. Epp. Var. Car. Nr. 32, MGH Epp. III, S. 546, 547 Z. 15. Ordinatio Imperii, MGH LL II, Capit. I, Nr. 136, S. 270. Auch die Darstellung der Vertreibung und Rückkehr Ludwigs des Frommen 830 dürfte die persönliche Herrschaft meinen, die Söhne, also Könige, werden von den Aufständischen gerufen ut illum de regno eicerent, aber recuperatio regni hält er einen Reichstag, auf der die Vorgänge behandelt werden, Ann. Bertiniani, ad a. 830. Goetz, Regnum, S.117 ff. Siehe aber unten Zitat S. 45, Anm. 75.

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Mächte-Beziehungen und deren normativer Ordnung sein könnte. Das regnum war aber schon seit den ersten Ausdehnungen unter den Merowingern nach Burgund, Alemannien, Thüringen etc. kein rein fränkisches regnum strictu sensu mehr. Unter den ersten Karolingern insbesondere Karl dem Großen ging diese Entwicklung zu einem Herrschaftsverband vieler Völker durch dessen Eroberungen weiter. Im 15. Kapitel seiner Karlsvita schildert Einhard die unter Karl stattgehabte Erweiterung des regnum Francorum, die zu seiner Verdoppelung geführt habe. Das ältere übernommene Gebiet umfaßte ea pars Galliae, quae inter Rhenum et Ligerem oceanumque ac mare Balearicum iacet, et pars Germaniae quae inter Saxoniam et Danubium Rhenumque ac Salam fluvium, qui Thuringos et Sorabas dividit, posita a Francis qui Orientales dicuntur incolitur, et praeter haec Alamanni atque Baioarii ad regni Francorum potestatem pertinerent. Neu hinzugekommen sind per bella … Aquitaniam et Wasconiam totumque Pyrinei montis iugum et usque ad Hiberum omnem, quid apud Navarros ortus et fertilissimos Hispaniae agros secans sub Dertosae civitates moenia Balearico mari miscetur. Er nennt weiter Italiam totam quae ab Augusta Praetoria usque in Calabriam inferiorem, in qua Graecorum ac Beneventanorum constat esse confinia. Er fährt fort tum Saxoniam,….; postquam utramque Pannoniam et adpositam in altera Danubii ripa Daciam, Histriam quoque et Liburniam atque Dalmacam, wovon er die an Nicephorus ob amicitiam et iunctum cum eo foedus zurückgegebenen Seestädte ausdrücklich ausnimmt. Einhard schließt dann die tributpflichtig gemachten slawischen Völker an deinde omnes barbares ac feras nationes quae inter Rhenum ac Visulam fluvios oceanumque ac Danubium positae … ita perdomuit, ut eas tributarias efficeret; inter quas fere praecipui sunt Welatabi, Sorabi, Abodriti, Boemani. Einhard beschreibt das regnum Francorum durch seine Teile, die älteren wie die neuerworbenen. Es setzte sich aus diesen zusammen. Der Biograph verwendet einerseits Bezeichnungen nach Regionen, Gallien, Germanien, Italien, Aquitanien, Sachsen, Pannonien etc., zum anderen Bezeichnungen nach Völkern, Thüringer, Ostfranken, Welataben etc. Er beschreibt zudem die Umgrenzungen dieser Gebiete. Aber es ist nicht anzunehmen, daß damit normative Unterschiede zum Status dieser Gebiete gemeint sind. So stoßen in Süditalien auch nicht das regnum und das östliche imperium, so würden wir heute formulieren, sondern Beneventaner und Griechen, d. h. die Völker oder Bewohner der Region unter verschiedener Herrschaft zusammen. Nur hier benennt Einhard zudem die auf der anderen Seite der confinia wohnenden Nachbarn. Regionale, meist traditionelle, und gentile Bezeichnungen stehen nebeneinander. Die Franken selbst werden aber nicht genannt, nicht einmal Francia. Für sie steht wohl Gallia. Das regnum Francorum ist für Einhard eine zusammengesetzte Vielheit. Einhard geht aber noch einen Schritt weiter. Er beschreibt das Ende der Sachsenkriege mit den Worten, sie, die Sachsen, Christiani fidei atque religionis sacramenta susciperent et Francis adunati unus cum eius populus efficerentur.74 Wenn Einhard trotz der von ihm selbst beschriebenen Wandlungen und Ausdehnungen des Reiches an dem Begriff regnum Francorum festhält, ist daraus nicht zu schließen, daß sie für ihn die „Nation“, dieses regnum oder das tragende „Staatsvolk“ in einem modernen Sinn sind. Bereits sein eigener Bericht zeigt gerade die durch Karl 74

Einhard, Vita Caroli, cap. 7 a. E.

Regnum

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den Großen neugewonnene Vielfältigkeit der Völker in diesem regnum auf, deren Große sich, wie dargelegt, auf den Reichsversammlungen trafen, berieten und gemeinsam beschlossen. Die Nachfolgeordnungen Karls und Ludwigs, divisio regnorum und ordinatio imperii verzichten sogar, anders als noch der Bericht der Reichsannalen über die Teilung 742 nach Karl Martells Tod,75 auf die Bezeichnung regnum Francorum und setzen statt dessen nur regnum und imperium, auch in der Verbindung regnum et imperium.76 Auch sie benennen die den Söhnen zugewiesenen Gebiete mit ihren z. T. herkömmlichen Bezeichnungen der älteren wie der neu gewonnen provincias etc., unter denen Austrien und Neustrien nur zwei bezeichnen. Ihnen kommt es auf die Gesamtheit und nicht mehr auf die Franken in hervorragender Weise an. Aber auch die verschiedenen Völker innerhalb des regnum bildeten keine rechtliche Einheit im Sinne eines „Staatsvolkes“ als Träger dieses regnum oder imperium. Denn jedes der Völker hatte gemäß dem herrschenden Personalprinzip seine eigene Rechtsordnung. Das Königsrecht schuf zwar eine gewisse Rechtseinheit, aber nur in sehr beschränkten Bereichen. Schließlich fehlte die für ein Staatsvolk notwenige grundsätzliche Gleichheit einer „Staatsangehörigkeit“. Jeder hat seinen eigenen status. Zusammenhänge untereinander kamen durch Gruppenbildungen verschiedener Art zustande, „Verwandte, Freunde, Getreue“.77 Persönlicher Status und Gruppenbildungen bestimmten dann auch jeweils das Verhältnis zum König, zum Gemeinwesen, und zueinander in höchst unterschiedlicher Art. Jedoch könnten andere Formulierungen doch für eine eigene potestas des regnum Francorum und der Franken als objektiver Einheit sprechen. Einhard beginnt seine zitierte Darstellung der Erweiterung des regnum Francorum durch Karl in seiner Vita Karls mit der Formulierung Nam cum prius non amplius quam ea pars Galliae, …, et pars Germaniae,… ad regni Francorum potestatem pertineret… .78 In den Berichten der Annalen über die Unterwerfungen besiegter Herrscher oder Völker heißt es wiederholt, sie hätten sich nicht nur dem fränkischen König, sondern immer auch den Franken unterworfen. Aistulf versprach nach dem Bericht des Fortsetzers der Fredegarchronik nach seiner Niederlage 756, sich nie mehr contra rege Pippino vel proceris Francorum aufzulehnen.79 Nach dem Bericht der Reichsannalen für 774 unterwarfen sich die Langobarden nach dem Sieg über Desiderius in dominio domni gloriosi Caroli regis et Francorum.80 Auch für die Unterwerfung der Sachsen 776 heißt es in dem Bericht der Reichsannalen Et Saxones … spoponderunt se esse christianos et sub dicione domni Caroli regis et Francorum subdiderunt.81 Die Stellen lassen sich vermehren.82

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Pippin und Karlmann in ipso itinere (auf einem Kriegszug gegen Hunold von Aquitanien) diviserunt regnum Francorum inter se, Ann. regni Franc. ad a. 742. MGH LL II, Capit.I, Nr. 45, S. 126; Nr. 136, S. 270. Althoff, Verwandte. Einhard, Vita Caroli, cap. 15, a. A. Chron. Fred. cont. 38 (121). Ann. regni Franc. ad a. 774. Ann. regni Franc. ad a. 776. Auch unten Teil III, Kap. 8, S. 528 ff. zur deditio.

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Einhard ordnet anscheinend dem regnum Francorum als solchem, nicht Karl potestas gerade im Hinblick auf die territoriale Erweiterung zu, die sich auf die neuen Gebiete oder Völker ausdehnt. Das deutet auf ein objektives Verständnis von regnum als dem Träger des neuen Rechtszustandes hin. Die Konsequenz wäre dann u. a. auch, daß Karl die Erweiterung des Reiches gewissermaßen als ein „Organ“ vorgenommen hätte. Jedoch ist diese Formel doppeldeutig. Denn regnum kann an dieser Stelle sowohl als „Königreich“ als auch als „Köngsherrschaft“ verstanden werden. Folgt man einem eher objektiven Verständnis als „Königreich“, müßte Einhard potestas als eine entpersonalisierte, verobjektivierte Herrschaft vorgestellt haben. Das aber wäre nicht nur höchst ungewöhnlich, sondern erscheint ausgeschlossen. Es widerspräche jeder zeitgenössischen Konzeption, die potestas, also Herrschaft stets personal zuordnet. Regnum kann in dieser Stelle auch zwanglos als Königsherrschaft der Franken verstanden werden, wie die anderen Zitate zeigen. Aistulf, die Sachsen und andere unterwarfen sich dem König und den Franken gemeinsam. Der König war aus der gens der Franken hervorgangen, die das Reich begründet hatten. Da andererseits Karl und Ludwig sich mehrfach, u. a. in den Nachfolgeregelungen, auf ihre eigene potestas berufen haben, läßt sich Einhards Formel als die potestas der von den Franken ausgehenden und getragenen Königsherrschaft verstehen. Der Begriff regnum Francorum besagte im Grunde, daß das Reich von den Franken kommt, daß sie es gegründet und ausgedehnt haben und es in diesem, aber nur in diesen Sinne „ihr“ Reich ist. Inhaltlich ist es ein Reich vieler Nationen, gentes oder Völker geworden.83 Die noch übliche Bezeichnung regnum Francorum hat somit eine eher traditionell-politische Bedeutung, mochte auch das fränkische Element dominierend sein, zumal durch die Herrscherdynastie und die führenden Familien.84 Der Begriff führte keine irgendwie volkhafte, ethnische oder sonst nationale Begrifflichkeit im modernen Sinne bei sich. Dem steht nicht entgegen, daß diese Rückführung auf die Franken noch für lange Zeit die Klammer seiner Einheit über der Völkervielheit und selbst die Teilungen nach 840 bildete.85 Gerade darin zeigt sich, daß „fränkisch“ nicht volkhaft, sondern aus dem Herkommen zu verstehen ist. Das Herkommen war aber jedenfalls in unserem Jahrhundert nicht nur Erinnerung, traditionelle Folklore. Denn zu ihm gehörte in grundlegender Weise, daß die Herrscherdynastie von den Franken kam. Sie war mit dem fränkischen Adel verwoben, der sie seinerseits trug. Gerade er spielte noch immer eine dominante Rolle. Auch insofern war das regnum fränkisch, aber eben durch die Dynastie und ihre „Freunde und Verwandte“. Aber Karls dritte Frau Frastrada war Alemannin. Enge Berater und Freunde kamen aus anderen Reichsvölkern oder gar aus dem Ausland, Alcuin, Paulus Diaconus, Ludger u. a.

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Zu den Begriffen populus – gens– natio; u. a. Brühl, Deutschland–Frankreich, S. 43 ff. So wird in den Reichsannalen immer wieder berichtet, Pippin oder Karl habe nach einem Sieg Franken in die unterworfenen Städte etc gelegt, also gerade ihnen doch eine gewisse Präponderenz eingerämt, Ann. regni Franc. ad a 774 und 776 in Pavia. Brühl, Deutschland – Frankreich; aber auch schon meine Besprechung in: ZRGgerm. 110 (1993), S. 593–603.

Regnum

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Die Franken konstituierten nicht als Volk die Einheit des regnum in einem objektiven Sinn als Träger der Rechte und Pflichten der Beziehungen zu anderen Mächten, als „Macht“. Der Begriff regnum Francorum ist nicht als objektives institutionalisiertes Königreich der Franken im modernen Sinn zu verstehen, sondern als die Königsherrschaft der Franken, d. h. einer Königsherrschaft, die von den Franken kommt und bei ihnen ihre Wurzeln hat. Der Begriff ist in den Erbfolgeordnungen Karls und Ludwigs ersetzt durch imperium vel regnum, in der Divisio Karls und in der Ordinatio Imperii durch totum imperium und totum regnum mit dem Zusatz nostrum.86 Beide Begriffe werden somit in diesen jüngeren Quellen als Bezeichnungen des Gesamtreiches in Unterscheidung zu den Teilen oder Gliederungen gesetzt, die allerdings auch als regna bezeichnet werden. Wir stehen also vor einem Wandel der Begriffe als Folge der Entwicklung des Reiches. Daher verwendet Karl der Große in der Divisio den Begriff Francia ebenso für einen Teil totius regni nostri wie Burgundia, Italia, Aquitania, Wasconia, Alemannia, Turingia, Saxonia etc. Es gibt allerdings kein Germania. Aber Karl behält noch den Titel eines rex Francorum wie den eines rex Langobardorum neben dem Kaisertitel. Mit den Formulierungen regnum totum wird die Gesamtheit des Reiches zur Bezugsgröße. Sie bezeichnen die neue Weite und Umfassenheit des Reiches, in dem die Franken nur noch einen Teil, eben die Francia bilden. Sie unterscheiden aber auch das Ganze gegenüber seinen Teilen, gerade in den Erbfolgeordnungen. Aber das ganze Reich ist eben nicht nur größer, sondern grundsätzlich neu zusammengesetzt.87 Auch die Bezeichnung imperium occidentalis im Gegenüber zum imperium orientalis in dem Brief Karls des Großen an Michael I. von 813, die bewußt an spätantike Bezeichnungen anknüpfte, sollte diese Lösung von dem fränkischen Charakter auch nach außen zum Ausdruck bringen.88 Die oströmischen Kaiser Michael II. und Theophilus adressierten 824 jedoch ihren Brief an Ludwig den Frommen wegen des erneut aufgeflammten Bilderstreites honorabili fratri Hludovico gloriose rege Francorum et Langobardorum, et vocato eorum Imperatori. Das war nicht nur diplomatisch recht ungewöhnlich; es zeigt für den vorliegenden Zusammenhang, daß die Herkunft des Reiches von den Franken in Konstantinopel nach wie vor bewußt und politisch bestimmend war. Es sollte nicht als das imperium occidentale anerkannt werden.89

d. Imperium vel regnum nostrum – regnum suum Der Formel regnum Francorum steht die von Karl und Ludwig verschiedentlich benutzte Formel vom imperium vel regnum nostrum gegenüber, mit der diese das imperium oder regnum für sich zu reklamieren scheinen. So will Karl mit der Divisio von 806 Divisiones vero a Deo conservati eatque conservandi imperii vel regni nostri vollziehen. Ähnlich lautet Ludwigs Formulierung in der Ordinatio. 86 87 88 89

Prolog der Ordinatio, MGH LL II, Capit. I, Nr. 136, S. 270, Z. 33. Ganz deutlich in der Divisio regnorum von 806, MGH LL II, Capit. I, Nr. 45, S. 127. Epp. var. Nr. 37, MGH Epp. III, S. 556; dt. Anhang Nr. 3. MGH LL III Conc. II/II, Nr. 44 A, S. 475.

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Durch den mehrfachen Zusatz nostrum wird ein persönlicher Bezug auf Karl bzw. Ludwig hergestellt. Das kann sowohl als „unser gesamtes Königreich“, also eher objektiv, als auch als „unsere gesamte Königsherrschaft“, also subjektiv, verstanden werden. Da es sich um Nachfolgeregelungen handelt, liegt eher die subjektive Variante näher. Diese Zweideutigkeit gilt auch für die Formulierung regnum suum in Bezug auf fremde Herrscher. Für 805 berichten die Reichsannalen, daß der Dänenkönig Godofrid mit der Flotte und Ritterschaft regni sui nach Sliesthop gekommen sei.90 808 wurde der vertriebene König von Northumbrien von Gesandten des Papstes und Karls in regnum suum zurückgeführt.91 Beide Texte lassen sich sowohl objektiv als auch subjetiv verstehen. Eher subjektiv sind Formulierungen in bezug auf Heriolds Herrschaft bei den Dänen zu deuten. 821 nehmen ihn die Söhne Godofrids in societatem regni auf, um ihn 827 wieder aus der consortio regni zu vertreiben.92 Aber alle Formeln ordnen das regnum dem Herrscher zu. So bestimmen die Erbfolgeordnungen, wenn auch unter Mitwirkung der Großen, welcher Sohn welchen Reichsteil erhalten soll, der eben dadurch zum regnum wird, das er einen König erhält.

e. Regnum – corpus – status In seinem Prolog zur Divisio spricht Karl der Große nicht nur von dem totum regnum, sondern auch vom totum regni corpus, den er in drei Teile, trina portione, zwischen seinen Söhnen teilen wolle. Auch Einhard verwendet diese Formulierung, nunmehr sogar im Rückblick auf den Wechsel nach Pippins Tod. Die Franken hätten die beiden Söhne zu Königen eingesetzt, reges constituunt, ea conditione praemissa, ut totum regni corpus ex aequo patirentur.93 Ob sich mit dem Begriff corpus eine weitergehende inhaltliche Vorstellung verbunden hat, kann für den vorliegenden Zusammenhang offen bleiben. Dieser deutet jedoch auf ein objektives Verständnis des Begriffs regnum hin. Aber es scheint im Gesamtzusammenhang der Teilung eher als eine räumliche Masse, weniger als irgendwie rechtlich bestimmte Einheit. Anders muß jedoch Hincmars Formel totius regni status in seiner Schrift De ordine palatii gedeutet werden. Denn status ist eindeutig ein Rechtsbegriff. Er bezeichnet hier die rechtliche Ordnung des Reiches, die durch die Einrichtung der Versammlungen gesichert werden soll.94 Aber Hincmar kommt es in diesem Kapitel vor allem auf die personale Teilhabe der Großen an der Herrschaft über die allgemeinen wie über die besonderen Versammlungen an, bis hin zu den notwendigen Tugenden der Berater. So bildet auch hier das subjektive Element der Herrschaft die tragende Aussage.

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Ann. regni Franc. ad a. 804. Ann. regni Franc. ad a. 808. Ann. regni Franc. ad a. 821 und 827. Einhard, Vita Caroli, c. 3. Hincmar, De ordine, c. VI.

Das Kaisertum

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f. Ergebnis Der Gebrauch des Begriffs regnum und später des Begriffs imperium ist in den hier untersuchten Quellen nicht immer eindeutig. Beide lassen sich in der Regel sowohl in einem eher objektiven Sinne als eines zumindest rudimentär institutionalisierten Reiches, wie in einem eher subjektiven Sinn personaler Herrschaft und Herrschaftsbeziehungen verstehen.95 Daher muß zunächst noch offen bleiben, was das für die Beziehungen der karolingischen Könige oder Kaiser und des regnum mit anderen Herrschern oder Reichen bedeutet.

V. Da s K ai s er tu m a. Imperium – Begriffsinhalte Zwar gilt vieles von dem für rex und regnum Gesagten auch für den Zusammenhang von imperator und imperium. Das Kaisertum Karls des Großen änderte grundsätzlich nichts an den Herrschaftsrechten des Kaisers, weder nach innen, noch nach außen. Es konstituierte auch nicht erst das karolingische Großreich, sondern legte sich über ein entwickeltes und gestaltetes politisches Herrschaftsgebilde, das territorial wie organisatorisch weitgehend feststand. Jedoch änderte dieses jedenfalls in den hier interessierenden Außenbeziehungen seine repräsentative Qualität als renovatio Romani imperii.96 Auch die Stellung des neuen Kaisertums nach außen bedarf der Klärung. Die Begriffsbildung imperium und ihre Geschichte sind hier nicht zu erörtern. Die begriffsgeschichtliche Literatur ist zahlreich; auf sie wird im folgenden immer wieder zurückgegriffen.97 Es gibt in unserer Epoche Verwendungen des Begriffs imperium, die sich nicht auf das imperium romanum als das imperium schlechthin beziehen, sondern als Äquivalent für Herrschaft stehen, u. a. in den angelsächsischen Königreichen.98 Im fränkischen Königreich wurde in der Liturgie der Begriff aus den römi95

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Das gilt auch für die meisten der von Goetz, Regnum S. 117 ff. für unsere Epoche aus den verschiedenen Quellen wiedergegebenen Zitate. Daher kann nicht schon vor aller Interpretation festgestellt werden, den Annalen sei „die ‚Staatlichkeit‘ so selbstverständlich, daß explizite Äußerungen weitgehend fehlen.“ So die Umschrift auf einer Bleibulle Karls; zu der Bleibulle insgesamt Schramm, Karl der Große, S. 274ff. Dazu u. a. Suerbaum, Staatsbegriff; Moraw, Reich, S. 423–456. Es ist in der geschichtswissenschaftlichen Literatur zwar unbestritten, daß es eine „romfreie“, insbesondere angelsächsische Verwendung von imperium gegeben hat, wie Stengel, Kaisertitel, sie dargelegt hat. Aber ob daraus eine eigene „romfreie“ und gar, wie Stengel meint, germanische Kaiseridee gefolgert werden kann, erscheint jedenfalls zweifelhaft. Gegen ein eigenes, nicht römisch inspiriertes germanisches Kaisertum wendet sich Erdmann, Kaiseridee. Daß der Begriff imperium schon in der Antike nicht nur an das imperium romanum gebunden war, hat Suerbaum, Staatsbegriff, eingehend gezeigt. Aber dieses erfüllte wohl doch am hervorragendsten den Begriffsinhalt; dagegen wendet sich Dölgereit, Kaiseridee. England war in jedem Fall ein Randgebiet. Das Frankenreich aber umfaßte die sedes und fast das gesamte Gebiet des alten römischen westlichen Reiches.

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Das Frankenreich zwischen 741 und 840

schen Gebeten übernommen und angepaßt.99 Er wurde zudem aus der rein politischen Sphäre in die religiöse übernommen und zum imperium christianum gewandelt, was dann aber wiederum politische Bedeutung erlangte.100 Der Begriff imperium birgt somit eine Fülle von Bedeutungsschichten, die es schwer machen, ihn für das karolingische Großreich nach der Kaisererhebung Karls aufzuhellen. Da er jedoch erst seit dieser für die Herrschaft Karls und Ludwigs verwendet und bedeutsam wurde101, bedeutet das, daß imperator und imperium für diesen Zeitabschnitt jedenfalls zusammengehörten.102 Das imperium hing am imperator. Bezeichnenderweise wurde für die Herrschaft selbst auch weiterhin der Begriff regnum allein oder doch neben imperium gebraucht.103 Der Begriff imperium bezeichnet Inhalt und Ausdehnung der Herrschaft. In diesem Sinn kann vom Kaisertum gesprochen werden. Die zentrale Frage in bezug auf die Beziehungen der Kaiser und des Frankenreiches mit anderen Mächten ist, ob und wieweit es über die Tradition des imperium Romanum und den Begriff des imperium christianum universalistische Vorstellungen in sich aufgenommen hat, die sein politisches und rechtliches Verhältnis zu den anderen Mächten bestimmten. Das ist im einzelnen später zu erörtern.104 Aber einige Grundfragen können schon hier behandelt werden.

b. Die Stellung des Kaisertums im karolingischen Reich Die letzten Etappen des Weges zur Kaiserkrönung in Rom brauchen hier nicht nachgezeichnet zu werden.105 Die Geschichtswissenschaft hat die Frage, ob Karl das Kaisertum anstrebte oder im Grunde ablehnte, noch nicht endgültig geklärt, wenn auch

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Tellenbach, Reichsgedanke, S. 16ff. Für die Liturgie: Tellenbach, Reichsgedanke, S. 16ff. mit Belegen; aber auch im zeitgenössischen Schrifttum, z. B. bei Alcuin. Dazu Moraw, Reich, S. 43f. I. e. unten Teil IV Kapitel 1. So in der bereits erwähnten Umschrift renovatio romani imperii sowie im Kaisertitel romanum gubernans imperium; sonst bleibt er selten, z. B. Capitula a sacerdotibus proposita, c. 1, MGH LL II, Capit. I, Nr. 36, S. 106: imperio domni imperatoris … salute orent, in der divisio regnorum im Prooemium imperium vel regnum nostrum; die Ordinatio verwendet imperium wohl im Sinne von Herrschaft. Das ist nicht notwendig; so Erdmann, Kaiseridee, S. 11; Suerbaum Staatsbegriff, S. 293. Selbst das Capitulare missorum generale, das den neuen Eid auf den imperator anordnete, nimmt auf das universum regnum suum Bezug, c. 1, 2, MGH LL II, Capit. I, Nr. 33, S. 91: omni homo in regno suo, beide Begriffe werden nebeneinander gebraucht; in der Divisio regnorum, c. 1, MGH LL II, Capit. I, Nr. 45, S. 126: imperii vel regni nostri; selbst in der Ordinatio Imperii, MGH LL II, Capit. I Nr. 136, S. 270: de statu totius regni – unitas imperii. Die Regni divisio Ludwigs von 831 benennt Ludwigs Herrschaft potestas nostra sit super ab Deo conservatum regnum adque imperium istud, c. 13, MGH LL II, Capit. II/1 Nr. 194, S. 20 ff., S. 23. Eine klare Scheidung zwischen beiden Begriffen gibt es wohl nicht, Moraw, Reich, S. 434. Teil IV, Kapitel 1. Dazu u. a. Becher, Karl der Große und Papst Leo III, passim; Fried, Papst Leo besucht Karl den Großen, passim.

Das Kaisertum

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heute wohl eher die erste Auffassung vorherrscht.106 Die berühmte Stelle in der Vita Caroli von Einhard ist in ihrer wahren Bedeutung offenbar nicht letztlich voll erklärbar.107 Einer der Gründe der von Einhard berichteten Ablehnung des Kaisernamens durch Karl könnte nach Auffassung vieler gewesen sein, daß Karl den aus seiner Annahme erwachsenen Konflikt mit Byzanz gescheut habe.108 Dieser blieb dann auch nicht aus, nachdem die Kaisererhebung vollzogen war, wurde aber nicht sehr erheblich. Aber wie die Frage nach der Stellung Karls zum Kaisertum vorher auch gewesen sein mag, für die vorliegende Untersuchung ist im Hinblick auf die Beziehungen zum oströmischen Reich wie zum Papsttum und den anderen Mächten der Zeit allein maßgebend, daß er es voll aufgenommen und erfüllt hat. Ebenso hat Ludwig der Fromme es als tragendes Fundament und wesentlichen Inhalt seiner Herrscherstellung angesehen, allerdings zum imperium Francorum zurückgenommen. Daher wohl führte er nicht einmal mehr die Königstitel.

c. Imperium und karolingisches regnum Das Kaisertum erschien zunächst als eine Erhöhung des karolingischen Königtums, das bereits eine quasi imperiale Stellung besaß, als seine eigentliche Vollendung.109 Es erhielt damit den „Namen“, der dem Herrschertum von seiner unter Karl gewonnenen inneren Begründung als auch von seinem äußeren Umfang her zustand.110 So stand für Alcuin schon 799 die königliche Würde Karls nicht nur gleichrangig neben der päpstlichen und der (ost-) kaiserlichen Würde, sondern sie ragte wegen ihrer ausgezeichneteren Macht, ihrer klareren Weisheit hervor. Nur in ihr sei das ganze Heil der Kirche gesichert, zumal in Rom wie in Konstantinopel die Ordnung gestört sei.111 Wie bei der Begründung des Dynastiewechsels 749/50 für Pippins Herrschertum das Königsname scheint für Karls noch einmal gewachsenes Herrschertum das nomen imperatoris konsequent und fast „unausweichlich“. Auf diese Weise wurde der alte ordo

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So zuletzt Schieffer, Die Zeit, S. 107 f. Einhard, Vita Caroli, c. 28, Quo tempore imperatoris et augusti nomen accepit. Quod primo in tantum aversatus est, ut adfirmaret se eo die, quamvis praecipua festivitas esset, ecclesiam non intraturum, si pontificis consilium praescire potuisset. Dazu aus der neueren Literatur, die auf die ältere verweist: Ewig, Zeitalter, S. 108; Classen, Karl der Große, S. 74ff.; Beumann, Romkaiser; ders., Nomen; Schramm, Karl der Große, S. 266ff. So etwa Ohnsorge, Zweikaiserproblem; ders., Kaisertum; Schramm hingegen sieht Karls Widerstand in seinem Rechtsbewußtsein begründet, dem dieser Akt als Usurpation erschienen sein müsse, Karl der Große, S. 267. Classen, Karl der Große, S. 50, Schieffer, Die Zeit, S. 110. Zur „Nomentheorie“ vor allem Beumann, Nomen; Borst, Kaisertum; Classen, Karl der Große, S. 70f. Karl selbst erhob sich bereits in den Libri Carolini mit dem Bezug auf den Herrschaftsbereich zum Gleichgestellten mit dem Kaiser in Byzanz als Herrscher Galliens, Germaniens, Italiens und der benachbarten Provinzen. Brief an Karl aus dem Jahre 799, Alcuini epp., Nr. 174, MGH Epp. IV, S. 188; dt. Anhang Nr. 12.

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erneuert, zu dem das Kaisertum notwendig dazugehörte. Der res, der quasi-kaiserlichen Stellung, wurde das nomen hinzugefügt.112 Mag auch die Frage, wer in Rom Richteramt und damit Rechtsgewährleistung ausüben solle und dürfe, eine gewisse Bedeutung gehabt, ja der Anlaß zur Kaiserkrönung Karls gewesen sein,113 die Rechtfertigung für diesen Schritt lag tiefer. In den Lorscher Annalen wird berichtet, daß am 23.Dezember 800 ein Konzil des Papstes und aller Väter im Lateran gehalten worden sei, in dem man übereingekommen sei, daß Karl Kaiser genannt werden müßte, imperatorem nominare debuissent. Als Begründung nannte man, daß zum einen das nomen imperatoris von den Griechen abgekommen sei, da dort eine Frau herrsche, die Kaiserin Eirene. Zum anderen habe Gott dem Franken die Stadt Rom, die immer Sitz des Kaisers gewesen sei, und die anderen kaiserlichen sedes in Italien, Gallien und Germanien in die Herrschaft gegeben.114 Die Erneuerung des Kaisertums lag letztlich in der Vorstellung begründet, wie eine geordnete, rechtlich richtige, von Gott gestiftete Gestalt der politischen Welt auszusehen habe. Dazu bedurfte es aber wohl des nomen imperatoris selbst, nicht nur der quasi-imperatorischen Stellung einschließlich der Zuerkennung bestimmter Insignien und Symbole, die Karl zum summus rex, imperatori similis machten.115

d. Römisch-fränkisches Kaisertum Umstritten ist in der Literatur jedoch, wie das Kaisertum der Karolinger von den karolingischen Kaisern und den Zeitgenossen verstanden wurde, ob römisch-christlich oder fränkisch. Für die Gestaltung des Verhältnisses zu den anderen Mächten der Zeit, insbesondere zu Byzanz und zum Papsttum, ist dies eine grundlegende Frage. Die Auffassungen in der heutigen Geschichtswissenschaft sind nicht einheitlich, aber die „römische Auffassung“ ist inzwischen besser belegt und herrschend.116 Manches in den Quellen deutet darauf hin, daß ein Zusammenfließen verschiedener Vorstellungsströme und -traditionen anzunehmen ist, aber mit einem vorwiegenden rö112

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Außer den Vorgenannten, Moraw, Reich, S. 432; siehe auch Angenendt, Frühmittelalter, S. 352 f. Darauf geht insbesondere Beumann, Kaiserfrage, S. 306 ff., ein, der in ihr aber auch nur diesen „Anlaß“ sieht; Schieffer, Karolingerreich, S. 580f., „Augenblicksintention“, S. 581; Classen, Karl der Große, S. 50 ff.; Tellenbach, Reichsgedanke, S. 33, ordnet diesen Vorgang in die „Gesamtentwicklung jener päpstlichen und nationalitalischen Revolution, die – seit Gregor II. und Leo III. dem Isaurier, im Gange – auf die Emanzipation eines größeren Teiles der reichsitalischen Gebiete (von Byzanz, Verf.) abzielte“. Ann. Lauresh. ad a. 801, S. 38; dazu u. a. Classen, Karl der Große, S. 60. Dabei hat es Karl wohl nach Schramms Auffassung als hinreichend bewenden lassen wollen, Anerkennung, S. 254. Zu den kaiserlichen Symbolen, Insignien, Rechten vor 800 ibid., S. 220ff.; aber dagegen Déer, Vorrechte, S. 8ff. Für den Gedanken eines „romfreien hegemonialen Kaisertums“ Stengel, Kaisertitel; Beumann, Romkaiser, S. 161ff., scheint Karl für den Anfang solche Vorstellungen zuzuordnen; dagegen u. a. Schramm, Anerkennung, S. 251; für die römische Auffassung aber Beumann, Classen, Ewig, Moraw, Schieffer, Mitteis in den folgenden Fußnoten, auch wohl Willoweit, Verfassungsgeschichte, S. 33 f.

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misch-christlichen Vorstellungsgehalt.117 Karl stand in einem historischen Zusammenhang, in dem seine eigenen Auffassungen und Vorstellungen über sein Kaisertum und seine Herrscherstellung, aber auch die von außen an dieses herangetragenen Erwartungen gleichermaßen für seine Darstellung bedeutsam waren. Das karolingische Kaisertum stand in der römischen Tradition, wenn auch in der besonderen historischen Lage der Zeit. Diese war vor allem dadurch gekennzeichnet, daß das karolingische Großreich aus sich heraus bestand, seine eigene Legitimation hatte. Der von Karl gewählte Kaisertitel „imperator, Romanum gubernans imperium“ unter Beibehaltung der beiden Königstitel „per misericordiam Dei rex Francorum atque Langobardorum“ bringt das deutlich zum Ausdruck.118 Das karolingische Großreich war jedoch, so erscheint es rückblickend, wurde aber wohl auch von den Akteuren so gesehen, in eine Lage hineingewachsen, die um des ordo willen die Erneuerung des Kaisertums im Westen herausforderte, aber eben nicht irgendeines, sondern des einzig möglichen, d. h. des römischen Kaisertums.119 So übergriff gewissermaßen der notwendige ordo der Welt das fränkische Reich und seinen Herrscher. Die Konsequenzen lagen auf verschiedenen Gebieten. Die Anknüpfung an den römischen Ursprung des Kaisertums ist unübersehbar. Dafür steht vor allem die acclamatio, als der maßgebliche „staatsrechtliche Akt“ durch die Römer.120 Selbst wenn Karl ursprünglich das nomen imperatoris nicht wollte, er hat es akzeptiert, einen auf Rom bezogenen Kaisertitel angenommen und die römischkaiserlichen Rechte in Rom ausgeübt.121 Ludwig bzw. Lothar haben dies später eben117

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So Werner, Origines, S. 368; das päpstliche Rom, das Kaisertum Konstantinopels, das hebräische Königtum der Bibel, fränkische Traditionen und angel-sächsische Anregungen; wohl auch Moraw, Reich, S. 431, der darauf hinweist, daß Vorstellungen des Papstes und der Römer einerseits und Karls andererseits nicht notwendig übereinzustimmen brauchten. Zu bedenken ist, daß die imperium-Vorstellung in der römisch-christlichen Zeit selbst eine inhaltliche Entwicklung durchgemacht hatte, dazu Moraw, ibid., S. 427ff., mit Nachweisen; Classen, Karl der Große, S. 53: „fränkische Ausprägung einer römischen Idee.“ Divisio Regnorum 806, MGH LL II, Capit. I, Nr.45, S. 126. So auch Mitteis, Staat, S. 74. Ann. regni Franc. ad a. 801; Vita Leonis III., Liber pontificalis II, S. 7; dazu Schramm, Anerkennung, S. 260 ff.; Classen, Karl der Große, S. 65ff.; Mitteis, Staat, S. 75; auch hier sind die Deutungen noch nicht einheitlich, Beumann, Romkaiser, S. 172ff.; Classen, Karl der Große, S. 81ff.; auf die Nachfolge Konstantins stützt Schlesinger, Kaisertum, S. 20ff., seine Interpretation des Kaisertitels in fünf Fassungen der Divisio regnorum von 806. Karolus serenissimus Augustus, a Deo coronatus magnus pacificus imperator, Romanum gubernans imperium, z. B. Divisio regnorum, MGH LL II, Capit. I, Nr. 45, S. 126; ein Brief Karls, Epp. var., Nr. 35, MGH Epp. IV, S. 552; dazu Classen, Karl der Große, S. 71ff., der darauf hinweist, daß die älteren Königslaudes für Karl bereits Elemente der byzantinischen Kaisertitulatur enthielten, S. 66f.; ausführlicher ders., Romanum, in dem deutlich wird, daß dieser Teil des Kaisertitels auf ältere Vorbilder seit Justinian zurückgeht; damit sind einige ältere Interpretationen jedenfalls fragwürdig geworden; Beumann, Romkaiser, S. 165ff.; Schramm, Karl der Große, S. 268ff.; Ann. regni Franc. ad a. 801, insbesondere Gerichtsangelegenheiten; er blieb mehrere Monate und verließ es erst Ordinatis deinde Romanae urbis et apostolici totiusque Italiae non tantum publicis, sed etiam ecclesiasticis et privatis rebus – nam tota hieme non aliud fecit imperator… .

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falls getan, mit dem Höhepunkt der Constitutio Romana von 824, obwohl in ihrem Kaisertitel der Bezug auf Rom weggefallen war.122 Karl hat sich in der bereits erwähnten Bleibulle in der Nachfolge Konstantins darstellen lassen und die renovatio romani imperii auf die Umschrift gesetzt. Auch darin wird die Anknüpfung an das christlichrömische Reich deutlich. Für Karl, den Herrscher über die ehemalige Westhälfte des Reiches mit den alten sedes der Kaiser, konnte auf diesem Kerngebiet des Reiches das Kaisertum nur in der Aufnahme des römischen Kaisertums bestehen. Nur das römische Kaisertum schuf hinreichende Legitimität, wenn auch andererseits den Konflikt mit Byzanz. Ein „fränkisches Kaisertum“ für sich war in sich sinn- und funktionslos und vor allem „rechtlos“. Für sich bedurfte das fränkische Großreich des imperium, des Kaisertitels seines Herrschers zudem nicht, auch nicht, um in dem orbis insgesamt seine allgemeine Aufgabe zu erfüllen. Pippin suchte die päpstliche Legitimation für die Königserhebung aus dynastischen, d. h. inner-fränkischen Gründen. Sie blieb daher letztlich ein interner fränkischer Vorgang. Die Annahme des Kaisertums in Rom hingegen konnte angesichts der römischen Tradition des Kaisernamens weder von den Beteiligten noch von außen kaum als ein nur internes Geschehen des Frankenreiches verstanden werden. Mochten die kleineren Mächte diese „Erhöhung“ des fränkisch-langobardischen Königs gar nicht recht wahrnehmen, für das Papsttum machte ein fränkisches Kaisertum keinen Sinn. Für seinen Schutz nach außen reichte das fränkische Königtum erwiesener Maßen aus. Allenfalls konnten die kaiserlichen Rechte im inneren Streit Leos III. mit seinen Widersachern zusätzliches Gewicht bedeuten. Aber auch da hatte Karl schon vorher in Paderborn und in Rom eingegriffen. Die Erhöhung sollte den über Jahrhunderte gestörten ordo wiederherstellen. Vor allem für Byzanz, die römisch-kaiserliche Traditionsmacht, war nur eine Deutung möglich. Sie erkannte sofort, was hier gemeint war. Nichts zeigt das deutlicher als der – späte – Versuch der Kaiser Michael II. und Theophilus, Ludwig den Frommen nur als fränkischen Kaiser anzuerkennen. Das Kaisertum Karls stand zwar in der römischen Tradition, aber es stellte sich nicht als Wiederbelebung des römischen Westreiches dar, als die bloße Wiederannahme der weströmischen Kaiserwürde, wie sie im Jahre 476 untergegangen war. Verfassungsrechtlich änderte sich im karolingischen Großreich selbst nichts. Die Herrschaftsgrundlage blieb im ganzen Reich, zu dem Rom auch nach 800 formell nicht gehörte, die bisherige Königsherrschaft, also der Königsbann.123 Das Recht blieb das bisherige Volksrecht in dem Mantel des Königsrechts. Der Sitz der Herrscher blieb der Nordwesten Europas, wurde nicht die Stadt Rom. Das römische Recht wurde – noch – nicht zum allgemeinen Kaiserrecht, sondern galt lediglich in der Weise und für die

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Constitutio Romana, MGH LL II, Cap.I, Nr. 161, S. 322; Ludwigs Titel lautete: Hludowicus, divina ordinante providentia imperator augustus. Auch Lothar I. führte in dem pactum veneticum diesen Titel. Dazu u. a. Conrad, Rechtsgeschichte, S. 93; Waitz, Verfassungsgeschichte, Bd. III, S. 224; beispielsweise das Capitulare missorum generale, c. 31, MGH LL II, Capit. I, Nr. 33, S. 97, wo zur Durchsetzung kaiserlicher Anordnungen auf den Königsbann verwiesen wird, sowie für Paris und Rouen Capitularia missorum specialia, c. 18, ibid., Nr. 34. S. 101.

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weiter, die schon bisher im fränkischen Reich danach lebten, und in Rom selbst. Die Reichsversammlungen des Adels waren nach wie vor nach fränkischem Herkommen zur Mitwirkung in allen bezeichneten Angelegenheiten tätig. Es wird über die Existenz einer Aachener Kaiseridee diskutiert.124 In dem konkreten Kaisertum mag eine solche auch wirksam gewesen sein. Die Kaiserkrönungen Ludwigs und Lothars durch ihren jeweiligen Vater mit dem jeweiligen Konsens und der Akklamation durch die Franken bedeuteten jedoch zunächst nur, daß die beiden Kaiser ihre Würde nicht dem Papst verdankten. Sie betonten, daß nunmehr die Franken und nicht die Römer das tragende Reichsvolk bildeten.125 Die späteren wiederholten Krönungen Ludwigs 816 durch Papst Stephan IV. und Lothars 823 durch Papst Paschalis I. waren Bestärkungen, Befestigungen, keine Begründungen der Kaiserwürde mehr.126 Insofern war das imperium im fränkischen Reich gegründet, weil die Franken, und sie allein, darüber verfügten. Andererseits schloß sich die Zeremonie der Kaisererhebung Ludwigs und Lothars an Vorbilder in Rom und Byzanz an, war also insofern durchaus traditionell. In dem Kaisertum Karls wurde weder eine eventuell vorhandene ältere angelsächsische imperium-Vorstellung wirksam, noch eine fränkische imitatio imperii, die möglicherweise bereits seit Chlodwig in liturgischen Texten, Zeremonien, Akklamationen zum Ausdruck kam.127 Wurde aber seit 813 das imperium nicht doch zu einem rein fränkischen, als der Titel romanum gubernans imperium entfiel und aus der renovatio romani imperii eine renovatio regni francorum und der Kaisertitel zum einzigen fränkische Herrschertitel wurde?128 Ludwig nahm jedoch die kaiserlichen Rechte in Rom weiterhin wahr. Gerade er schärfte in der ordinatio imperii den Schutz der Kirche ein. Nichts spricht dafür, daß die Tradition gekappt werden sollte. Ludwig ließ sich sogar mit einer angeblichen Krone Konstantins im Jahre 816 vom Papst noch einmal als Befestigung krönen. Lothar I. erließ als Mitkaiser 824 die constitutio romana.129 Aber es war wie bei Karl eine geistige, ideale, keine reale Erneuerung. Andererseits war Ludwig nach seiner Königskrönung 781 nicht mehr in Rom, zumal nicht als Kaiser. Der fränkische Grundcharak-

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Eine „Aachener Kaiseridee“ vor 800 wird behauptet von Erdmann, Kaiseridee, S. 16ff., und Beumann, Kaiserfrage, S. 311, wobei aber offen bleiben muß, ob Karl selbst ihr anhing oder ob sie nur in den Köpfen einiger Personen seiner Umgebung spukte. Sie war jedenfalls nicht realisierbar. Dazu auch Schlesinger, Beobachtungen, der, wie Beumann, auf die Bezeichnung Aachens in dem Epos als nova Roma und Roma secunda eingeht. Er stellt hier eine Verbindung auch zum Constitutum Constantinum her. Zurückhaltend Classen, Karl der Große, S. 53, Fußnote 186. Für eine gewisse Verknüpfung wohl Schlesinger, ibid. Dazu Beumann, Romkaiser, S. 173 ff.; Classen, Karl der Große, S. 73; Moraw, Reich, S. 432 in bezug auf den Titel. Ann. regni Franc. ad a. 816 und 823; Ewig, Kulmination, S. 124 für die Krönung Ludwigs 816 in Reims. Dazu vor allem Hauck, Randkultur, insbesondere S. 20ff.; er spricht sogar von einem „fränkischen Kleinkaisertum“, S. 54ff.; Mitteis, Staat, S. 73; Erdmann, Kaiseridee, S. 18 ff. U. a. Ordinatio imperii: Hludovicus, divina ordinante providentia imperator augustus, MGH LL II, Capit., I, Nr. 136, S. 270. MGH LL II, Capit. I, Nr. 161, S. 322.

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ter des imperium war unter Ludwig vielleicht stärker als unter Karl, aber eine Reduktion darauf trat meines Erachtens nicht ein.

V I. R ei ch s tei l e u n d Rei ch s ei n h ei t a. Gliederung des Gesamtreiches Zwar stand das Reich der ersten drei karolingischen Könige bzw. Kaiser von Pippin bis Ludwig dem Frommen, abgesehen von den wenigen Jahren der Doppelherrschaft Karls des Großen und seines Bruders Karlmann von 767 bis 771, unter deren umfassender Einzelherrschaft und bildete durch sie einen einheitlichen Herrschaftsverband. Aber dieses Reich war ethnisch, kulturell, sprachlich und rechtlich ein Vielvölkerreich. Das kam, wie bereits gezeigt, auch auf den Reichsversammlungen zum Ausdruck. Schon traditionell war das Reich entsprechend gegliedert. Für die Reichsteile galten Bezeichnungen wie regna, Herzogtümer, Provinzen.130 Im Königstitel Karls wurden aber nur Franken und Langobarden genannt. In seinem Kaisertitel trat die Formel Romanum gubernans imperium hinzu. Wie dargelegt, hatten die Herzogtümer innerhalb des Reiches ihre Selbständigkeit nach und nach verloren. Aber mit der Erhebung der beiden Söhne Karls des Großen Pippin und Ludwig im Jahre 781 zu Königen von Italien und Aquitanien entstanden innerhalb des Gesamtreiches zwei neue regna.131 Ludwig der Fromme schuf 816 mit der Ordinatio imperii zusätzlich ein drittes regnum im Reich durch die Erhebung seines Sohnes Ludwig zum König von Bayern.132 Die Stellung dieser regna, bzw. ihrer Könige war jedoch zu Lebzeiten der Väter mehr nach innen denn nach außen gerichtet.

b. Königreich Italien Das Königreich Italien konnte am ehesten zu einem Reichsteil mit selbständiger äußerer Handlungsfähigkeit werden. Es ist als regnum erst entstanden, als es mit Karls Sohn Pippin einen eigenen rex bekam. Es bestand 781 zunächst wohl nur aus dem alten, in dieser neuen Form wiederbelebten langobardischen Königreich, dem in der Divisio Regnorum von 806 weitere Gebiete vor allem der ehemaligen Herzogtümer Bayern und Alemannien hinzugefügt wurden.133 Die Konstruktion war merkwürdig, komplex, in gewisser Weise hybrid. Denn Karl führte den Titel eines rex Langobardorum bis zu seinem Tode weiter, obwohl das dazugehörige regnum spätestens 806 eigentlich verschwunden war. Aber auch zwischen 774 und 806 ist der zudem moderne Begriff der „Personalunion“ für die 774 entstandene Vereinigung der Herrschaft über zwei im übrigen selbständige Königreiche in der Person Karls nach heutigem Forschungsstand nicht anwendbar. Denn es handelte 130 131 132 133

Dazu vor allem Waitz, Verfassungsgeschichte, Bd. III, S. 341. Ann regni Franc. ad a. 781. Ordinatio imperii, c. 2 MGH LL II, Capit. I, Nr. 136, S. 271. Divisio regnorum, c. 2 , MGH LL II, Capit. I, Nr. 45, S. 126, 127.

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sich nicht um zwei voneinander unabhängige Herrschaften. Vielmehr wurde das langobardische Königreich weitestgehend in den Herrschaftsbereich Karls eingegliedert, stand stets in seiner und der Franken Abhängigkeit.134 Jedoch reichte diese Eingliederung nicht bis zum völligen Aufgehen des langobardischen Herrschaftsverbandes im fränkischen Reich. Es blieb nicht nur der eigene Königstitel. Es gab schon ab den siebziger Jahren des 8. Jahrhunderts eigene Kapitularien nur für Italien.135 Karl bediente sich für die enge Bindung einerseits organisatorisch der Einführung der Grafschaftsverwaltung und personell der Entsendung fränkischer Adeliger, die die Verwaltung weitgehend übernahmen.136 Auch die Kapitularien galten nach 774 in Italien weitgehend ohne besondere Ausnahmen.137 Pippin, dessen Herrschaft wegen seines Alters, er war bei seiner Erhebung zum König vier Jahre, zunächst von ihm vom Vater beigegebenen fränkischen Großen ausgeübt wurde, wurde wie diese und die langobardischen Großen zu den Reichsversammlungen des Gesamtreiches und anderen Anlässen an den Hof des Vaters entboten und war zum Erscheinen verpflichtet.138 Dies galt ebenso für die gemeinsame Heerfahrt, auch im Norden.139 Auch noch nach 781 wurden missi von der Zentrale nach Italien gesandt, die keine „Gesandten“ an eine andere Macht waren, sondern den missi dominici im Norden entsprachen.140. Trotzdem besaß Pippin als rex gentis Langobardorum oder rex super Italiam eigene Königsrechte.141 Es traten eigene Versammlungen der langobardischen und der in Italien anwesenden fränkischen Großen zusammen.142 Die Kapitulariengesetzgebung für Italien war komplex. Zum einen wurde sie von Pippin direkt ausgeübt, in einigen Fäl-

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So schon Waitz, Verfassungsgeschichte, Bd. III, S. 357; Prinz, Grundlagen, S. 94; a.A. wohl Mitteis, Staat, S. 73, der aber, wohl nicht zufällig, vom „fränkischen Staat“ und vom „besonderen Königreich“ spricht. Aber gerade diese „staatliche“ Vorstellung führt in die Irre. Es geht um die personale Herrschaft und deren Ausübung und nicht um staatliche Verbindung. Die Herrschaft war ein und dieselbe. Auch die Erweiterung des Königstitels deutet nicht auf „zwei“ Herrschaften, wenn auch den Langobarden durch die Nennung eine hervorgehobene Stellung eingeräumt wurde. Brühl, Deutschland, S. 304, betont die Unterscheidung schon bei Karl dem Großen, von „regnum Francorum“ und „regnum Langobardorum“, die im „imperium Francorum“ vereint waren. Jedoch gibt es den Begriff „imperium Francorum“ im 8. Jahrhundert nicht. Brühl nennt auch keinen Beleg. MGH LL II, Capit. I, Nr. 88–103, S. 187 ff. Dazu eingehend Hlawitschka, Franken, S. 23ff., der die feste Einfügung in das karolingische Großreich betont, und jede Regung zur Eigenständigkeit verneint. Gegen eine bloße „Personalunion“ spricht auch die Divisio regnorum, in der Pippin ein um Baiern erweitertes Königreich Italien zugewiesen wurde. Conrad, Rechtsgeschichte, S. 135. Z. B. Reichsversammlung in Worms 790, Böhmer-Mühlbacher, Regesten I, S. 128. Waitz, Verfassungsgeschichte, Bd. III, S. 360. Capitulare missorum italicum, MGH LL II, Capit. I, Nr. 99, S. 206; Capitulare per missos cognita facienda, c. 5, ibid., Nr. 67, S. 157. Pippini Italiae regis capitulare, MGH LL II, Capit. I, Nr. 91, S. 191; Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, Cont. Romana, ad a. 781, c. 7, MGH SS rer. Lang., S. 202. Versammlung von 782 (ohne Ortsangabe).

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len mit, in anderen ohne Bezugnahme auf Karl den Großen.143 Zum anderen nahm aber auch Karl jedenfalls als Kaiser dieses Recht unmittelbar wahr.144 Insgesamt besaß das Königreich Italien trotz eines eigenen Herrschers und eigener Reichsversammlungen zur Zeit Karls nach innen nur eine beschränkte Eigenständigkeit, die eigenes Handeln kaum erlaubte. Nach außen führte Pippin Kriege, aber meist auf Befehl des Vaters; so gegen Benevent,145 die Awaren,146 und vor allem gegen Byzanz. 147 In diesen Kriegen verfügte er über eine gewisse Selbständigkeit, auch zum Abschluß von Waffenstillstandsverträgen.148 Auch empfing Pippin auswärtige Gesandtschaften. So ging die Gesandtschaft des oströmischen Kaisers Nicephorus von 810, die den Abschluß des Friedens von 812 einleitete, zunächst an ihn als den „unmittelbaren“ Kriegsgegner und erst wegen seines Todes danach nach Aachen zu Karl.149 Doch in allen Fällen war Pippins autonomer Handlungsspielraum relativ klein, so daß das Königreich Italien zur Zeit des Königs Pippin unter Karl dem Großen insgesamt gesehen keine eigenständige Macht im Geflecht der Zwischen-Mächte-Beziehungen darstellte. Auch unter Pippins Sohn Bernhard, der nach seines Vaters Tod noch von Karl dem Großen 813 zum König erhoben worden war und es bis 818 blieb, wurde das Königreich weder gegenüber diesem noch ab 814 gegenüber Ludwig dem Frommen selbständiger.150 Dieser beließ seinen Neffen zwar zunächst in seiner Stellung, setzte aber in der Ordinatio Imperii 817 Lothar über ihn. Er ging daher mit aller Strenge gegen Bernhard vor, als dieser versuchte, sich in Italien selbständiger und von Ludwig unabhängiger zu machen, zog also die Konsequenz seiner Herrschaft auch in Italien.151 In den Quellen wird das Vorgehen Bernhards gegen Ludwig den Frommen als fraus und coniuratio dargestellt. Dabei kommt es auf die wahren Hintergründe, insbesondere die Regelung der Reichsordnung durch Ludwig und die Einweisung seiner Söhne in die Herrschaftsposition in der Ordinatio Imperii desselben Jahres, und

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MGH LL II, Capit. I, Nr. 94–96, S. 198ff.; Nr. 100, S. 207f; Nr. 102, S. 209f. So z. B. das Capitulare Italicum, MGH LL II, Capit. I, Nr. 98, S. 204. Hier handelt es sich um die Ergänzung der Gesetzgebung, und zwar sowohl der lex Langobardica als auch der Romana lex. Bemerkenswert ist, daß Karl hier nur den Titel Karolus, divino nutu coronatus, Romanorum regens imperium, serenissimus augustus und nicht auch den sonst üblichen Titel eines „rex Langobardorum“ führt. Er handelte also als Kaiser, nicht als König. Böhmer-Mühlbacher, Regesta, 800 und 801, S. 166. Ann. regni. Franc. ad a. 796. Ann. regni Franc. ad a. 806 und 809. Innerhalb dieses Krieges ging er 810 auch gegen Venedig vor, das seit 806 unter karolingischer Herrschaft stand, Ann. regni Franc. ad a. 806, aber 809 wohl von einer byzantinischen Flotte zurückerobert worden war, Ann regni Franc. ad a. 810. Ann. regni Franc. ad a. 807, Verhandlungen im Jahre 809 blieben hingegen erfolglos. Ann. regni. Franc. ad a. 810; Classen, Karl der Große, S. 93 mit Verweisen; und unten S. 393. Eingehender Eiten, Unterkönigtum, S. 18ff. und S. 49ff. Ann. regni Franc. ad a. 817 und 818.

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die daraus folgenden Umstände und Vorgänge im vorliegenden Zusammenhang nicht weiter an.152 Über eine gewisse Eigenständigkeit verfügte allenfalls Lothar als Mitkaiser, vor allem in Italien, wo er sich ab 822 mehr oder weniger regelmäßig aufhielt. Jedoch sind von ihm keine eigenen Aktivitäten gegenüber anderen Herrschern bekannt, auch nichts über von ihm geführte Kriege. Im Jahre 824 erließ Lothar als Kaiser die Constitutio Romana, wiederum wohl auf Befehl des Vaters. Erst 840 nach Ludwigs Tod änderte sich das. So entstand in diesem Jahr das Pactum Veneticum als ausschließlich eigener Akt Lothars. Die Auseinandersetzungen Lothars I. mit seinem Vater in den dreißiger Jahren gehören in den inneren familiären und fränkischen Zusammenhang, und werden daher ebenso wie die seiner Brüder nur am Rande in die Erörterungen einbezogen.

c. Königreich Aquitanien Die Lage der Königreiches Aquitanien gestaltete sich ähnlich.153 Ludwig der Fromme berief als König von Aquitanien zwar öfter Versammlungen.154 Außerdem hat er wohl auch selbständige Kriege gegen die Nachbarn, Wasconen und Sarazenen geführt, Gesandtschaften von ihnen empfangen und Frieden mit ihnen geschlossen. Aber andererseits stand er in wesentlich engerer Verbindung zu Karl dem Großen und unter seiner „Aufsicht“ als Pippin. Das galt gerade auch für seine Aktivitäten in Spanien, wo er die eigentliche Kriegslast gegen das Emirat von Cordoba trug, die „Politik“ aber von Karl gemacht wurde.155 Daran änderte auch Ludwigs Erhebung zum Mitkaiser 813 nichts. Denn der Vater behielt sich die alleinige Regierungsgewalt vor. Ludwig nahm im Grunde die auswärtigen Angelegenheiten des Reiches für den Vater an dieser Grenze wahr, wie auch Pippin in Italien, nicht des Königreiches Aquitanien als solchem. Aquitanien war in dieser Epoche ebenfalls keine eigene Macht, weder nach innen im Verhältnis zum Gesamtreich noch auch nach außen.156

d. Wahrung der Reichseinheit Was nach dem Tode Karls des Großen aus den Außenbeziehungen des Gesamtreiches oder der Teilreiche geworden wäre, wenn alle drei oder doch zwei Söhne ihn überlebt hätten, kann nicht gesagt werden. Er hatte in der Divisio dafür keine Vorsorge getroffen. Hingegen regelte Ludwig gerade diese Frage in der Ordinatio imperii ausdrück152 153 154 155 156

Dazu zuletzt Wolf, Aufstand, passim; Bosbach, Ludwig, S. 141 ff.; Jarnut, Kaiser, passim. Boshof, Ludwig der Fromme S. 28 ff. Zum folgenden Anonymus, Vita Hludowici, c. 5–19. Boshof, Ludwig der Fromme, S. 71 ff. Auch dazu Eiten, Unterkönigtum, S. 35ff.: kein Anspruch auf irgendwelche Unabhängigkeit; ebenso auch im Ergebnis Auzias, Aquitaine, S. 68, der Ludwig als vice-roi „dans la pleine dépendance de son père“ gerade auch in bezug auf die auswärtigen Angelegenheiten bezeichnet.

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lich und ausführlich. Zwar wurde auch sie nicht Wirklichkeit, ist aber trotzdem als Entwurf für die Lösung des grundsätzlichen Problems, ob und wie die Reichseinheit gerade nach außen gewahrt werden kann, von grundlegender Bedeutung. Ihr Scheitern bestärkte den Weg zur pluralen Ordnung Europas. Zwar hatte Ludwig einerseits die genannten drei Königreiche errichtet; aber andererseits hatte er Lothar zum Nachfolger im Kaisertum und in der Gesamtherrschaft bestellt, dem die beiden jüngeren Brüder eindeutig untergeordnet waren. Insbesondere wurde die Wahrnehmung der auswärtigen Beziehungen als Gesamtaufgabe des Reiches Lothar zugeordnet.157 Ohne Rat und Zustimmung Lothars durfte keine Entscheidung über Frieden und Krieg mit auswärtigen Mächten getroffen werden nec pacem nec bellum contra exteras …. absque consilio et consensu senioris fratris. Auswärtigen Gesandtschaften an die reges in bezug auf Krieg und Frieden oder ähnliche schwerwiegende Fragen durften ohne das Wissen des älteren Bruders keine Antworten erteilt oder zurückgesandt werden. Wenn Gesandte an Lothar zuerst zu ihnen kommen sollten, mußten sie ehrenvoll empfangen und an ihn, von Getreuen begleitet, weitergeschickt werden. Nur in Angelegenheiten de levioribus sane causis durften sie selbst verhandeln. In jedem Fall hatten sie den älteren Bruder über die Angelegenheiten, die sich an ihren Grenzen abspielten, zu unterrichten. Sie hatten sich alljährlich zum älteren Bruder zu begeben und mit ihm über den dauernden Frieden und den gemeinsamen Nutzen zu beraten. Im Fall einer Verhinderung sollten sie Gesandte schicken.158 Es bestand also eine Pflicht, vor Lothar zu erscheinen, wie sie auch den Herzogen und Unterkönigen, Fürsten der abhängigen Völker in der Zeit Karls und Ludwigs oblag. Lothar konnte jederzeit, was Notwendigkeit und Nutzen erforderten, anordnen.159 Es war also eine strikte Überordnung Lothars vorgesehen. Im übrigen behielt sich Ludwig während seiner Regierungszeit diese Überordnung ebenfalls vor.160 So fand ein Kriegszug Pippins von Aquitanien in die Gascogne „iussu patris“ statt. 161 Die Kriege Ludwigs des Deutschen gegen Bulgaren und Slaven waren Kriege für das Reich, nicht nur für sein Königtum. Durch die regni divisio von 831, die Karl in die Teilungen einbeziehen sollte und den Konflikt Ludwigs mit den älteren Söhnen und einer starken Adelsopposition auslöste, wurde ein viertes Königreich aus Alemannien und Burgund etc. für Karl geschaffen. Lothar behielt zwar Italien und die Kaiserwürde. Aber zu der Gestaltung der Beziehungen nach außen enthielt die neue Ordnung nichts.162

e. Ergebnis Die Königreiche bildeten also während der Regierungszeiten Karls und Ludwigs keine eigenständigen Träger auswärtiger Befugnisse im Gesamtsystem der Zwischen-Mäch157 158 159 160 161 162

Ordinatio imperii, cap. 6–8, MGH LL II, Capit. I Nr. 136, S. 271 f. Cap. 4, 5, ibid., S. 271. Cap. 8, ibid., S. 272. Prooemium, ibid., S. 270. Ann. regni Franc., ad a. 819, ad a. 820 und ad a. 822. MGH LL II, Capit. II/1, Nr. 194, S. 20.

Christliche Grundlegung karolingischer Herrschaft

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te-Beziehungen der Zeit. Ihre Beziehungen zum Gesamtreich und Karl und Ludwig stellten keine Zwischen-Mächte-Beziehungen dar. Das Reich bildete nach außen unter Pippin, Karl dem Großen und Ludwig dem Frommen eine Einheit unter einem Herrscher, der stets das entscheidende Wort über Krieg und Frieden, Gesandtschaften und den Abschluß der Verträge etc. hatte. Auch die Erhebungen Ludwigs des Frommen und später Lothars zu Mitkaisern ihres Vaters änderten an der Alleinstellung Karls und später Ludwigs nach außen nichts. Insbesondere die Regelungen der Ordinatio sind ein klares Zeichen, daß die Königreiche und ihre Herrscher als solche keine eigene Position in den Zwischen-Mächte-Beziehungen innehatten und innehaben sollten. Aber in den späteren Ordnungen Ludwigs spiegelte sich diese Konzeption nicht mehr wider und überdauerte daher den Tod Ludwigs des Frommen nicht.

V I I . Ch ristl ic h e Gr u n d le gu n g k ar o l i n g i s ch er H er r s ch aft Die Salbungen Pippins 750, seiner Söhne Karlmann und Karl 754 und der Söhne Karls Ludwig und Pippin 781 verliehen dem Königtum der Karolinger eine christlich gegründete sakrale Legitimation, die deren Herrschaftsverständnis und seine Wahrnehmung prägte und am deutlichsten in der Formel Dei gratia im Königstitel ihren Niederschlag fand. Damit wurde aber nicht nur die innere Herrschaft der Karolinger an die christliche – und kirchliche – Legitimierung zurückgebunden. Sie hatte grundlegende Bedeutung für das Verhältnis zu den anderen christlichen Herrschern und für die Ordnung, ordo, der Welt allgemein. Vor allem in Formulierungen Alcuins kommt deutlich zum Ausdruck, daß nicht nur, für ihn nicht einmal in erster Linie, die äußere Herrschermacht über fast die gesamte westliche Hälfte des alten imperium und sogar darüber hinaus in Germanien für ein Kaisertum Karls maßgeblich war, sondern die innere substantielle Begründung und Aufgabe des Herrschertums Karls: das Christentum, seine Wahrung, Reform, Ausdehnung, der Schutz der Kirche und ihrer inneren Kraft. So bezeichnet Alcuin Karl in dem bereits mehrfach genannten Brief als rector populi christiani, sieht in ihm den einzigen Schutz der Kirche. In einem anderen Brief von 799 spricht Alcuin vom christianum imperium, dessen Verteidigung Karl aufgegeben sei.163 Überhaupt hatte Alcuin ein eigenes Verständnis der Würde Karls. Er sah in ihm eher die Erneuerung der Königsherrschaft Davids, des von Gott erwählten und von ihm getragenen Königs, der das jüdisch-israelische Reich in der Einheit mit Gottes Gebot, im Dienst an Gott zu seiner Höhe geführt hatte. Er feierte Karl den Großen als den neuen David, als den dieser sich auch selbst betrachtete. Er führte in der „Akademie“ diesen Übernamen.164 Alcuin mag daher die Kaiserwürde als solche fragwürdig erschienen sein.165 Die Königswürde im Davidischen Sinne war ihm hoch genug. Alcuin greift damit die allgemeine Grundlegung karolingischer Herrschaft auf, wie sie seit dem Übergang der Königswürde auf Pippin immer wieder zum Ausdruck kam, 163 164 165

Alcuini epp., Nr. 177, MGH Epp. IV, S. 292. Brief Alcuins an Karl von 794, Alcuini epp., Nr. 41, MGH Epp. IV, S. 84. So wohl Classen, Karl der Große, S. 77ff.; auch Schramm, Anerkennung, S. 252ff.

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also lange vor der Übernahme des imperiums durch Karl den Großen das herrschaftliche Handeln der karolingischen Herrscher bestimmte. Die katholische christliche Religion bildete seit Chlodwig die einheitsstiftende religiöse Grundlage.166 Der Arianismus, die Religion der früheren, z. T. allmählich im Frankenreich aufgegangenen germanischen Königreiche war zur Zeit Pippins und seiner Nachfolger verschwunden. Von der christlichen Grundlage her bestimmten sich wesentlich das Herrschaftsverständnis der Karolinger und die von ihnen zu erfüllenden Aufgaben des Herrschers sowohl nach innen, als auch nach außen. Alle drei karolingischen Herrscher verstanden sich im Zentrum ihrer Aufgabe als defensor sanctae Dei ecclesiae. Die innere Kirchenreform war in der ganzen Zeit ein zentrales Anliegen und Vorhaben, ebenso wie die Festigung und Verteidigung des rechten Glaubens und der Kirche gegen innere und äußere Feinde. Aber auch die Zielsetzung der Außenpolitik wurde von christlichen Grundsätzen bestimmt. Pax, concordia, caritas und iustitia waren die maßgeblichen Kriterien der von den Herrschern zu errichtenden und zu gestaltenden Ordnung nach innen wie nach außen. Hier wirkten zweifellos Vorstellungen Augustins, dessen De civitate Dei Karl der Große gelesen haben soll, aber ebenso die anderer Kirchenväter. Alcuin betonte diese letzten Ziele christlicher Herrschaft in vielen Briefen an Karl und andere. Andererseits erwarteten die Karolinger das Gebet des Papstes, der ganzen Kirche und der Christen für ihre Unternehmungen. Mehrfach wurden konkrete religiös-kirchliche Probleme Inhalt der Außenpolitik nicht nur gegenüber den Päpsten, sondern auch gegenüber anderen christlichen Herrschern. Diese religiös-christliche Grundlegung und Ausrichtung des karolingischen Königtums und besonders der Herrschervorstellung Karls erfuhr mit der Kaisererhebung, der Renovatio Romani imperii eine weitere Steigerung. Zwar war mit der Kaisererhebung Karls keine neue Salbung verbunden.167 Doch das Kaisertum selbst basierte auf Gottes Auftrag und Verleihung. Im Kaisertitel Karls hieß es a Deo coronatus. Unter Ludwig wurde das Kaisertum zum ministerium, das dem Bischofsamt angeglichen und auf ecclesia und regnum bezogen wurde.168 Die Entfaltung und Wirklichkeit des Kaisertums unter Karl und Ludwig lebte aus dieser legitimierenden christlichen Grundlage. In der Ordinatio imperii von 817, in dem Prooemium generale zum Kapitular von 818/819, in der Admonitio ad omnes regni ordines zwischen 823 und 825 hob Ludwig sie seinerseits nachdrücklich hervor.169

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Prinz, Grundlagen, S. 34f., verweist darauf, daß bereits seit dem 7. Jahrhundert der Begriff barbarus den Nichtchristen bezeichnet. Der Bericht des byzantinischen Historiographen Theophanes, Karl sei von Kopf bis Fuß gesalbt worden, ist noch verbreiteter Auffassung eine verspottende Übertreibung. Ewig, Kulmination, S. 126 u. 131; Prooemium des Capitulare ecclesiasticum, MGH LL II, Capit. I, Nr. 138, S. 275, und Admonitio ad omnes regni ordines, ibid., Nr. 150, S. 303; dt. Anhang Nr. 15. MGH LL II, Capit. I, Nr. 139, S. 270, dort wird betont, daß die Neuordnung auch zur Sicherung der Kirche ergehe, für die die Teilung des imperium ebenso ein Skandal wäre, wie auch eine Beleidigung dessen, durch dessen Macht alle Königreiche bestehen; ibid., Nr. 137, S. 273ff.; ibid., Nr. 150, S. 303ff.

Wirtschaftliche Grundlagen

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V II I. Wi rt sc h aftl i ch e Gr u n d l ag en Die ausgedehnte auswärtige, insbesondere die kriegerische Politik wäre ohne eine einigermaßen tragfähige wirtschaftliche Grundlage nicht möglich gewesen. Außerdem waren wirtschaftliche Beziehungen durch Handel mit den anderen Mächten Teil der allgemeinen Zwischen-Mächte-Beziehungen. Dafür wurden auch normative Regelungen sowohl interner Art in den Kapitularien als auch zwischen den Mächten in Verträgen geschaffen.

a. Landwirtschaft Das karolingische Großreich war agrarisch.170 Landwirtschaftliche Produktion bildete seine tragende wirtschaftliche Grundlage. Zwar wurden die Erträge zunächst und weitgehend ortsgebunden verbraucht bzw. an den Hof abgeführt.171 Jedoch fand auch Handel mit den Überschüssen statt.172 Da Wein- und Obstanbau nur in bestimmten Gegenden möglich waren, wurden ihre Erzeugnisse auch allgemein für den Verkauf produziert. Organisiert war die Landwirtschaft entweder in den Grundherrschaften des Königs, des Adels, der Bistümer und der Abteien oder in den Gütern der Freien. Aus den Erträgnissen mußten außer der Ernährung der Bauern die der Herren, Mönche, des Hofes u. a. aufgebracht werden, d. h. einer großen Schicht von Leuten, die selbst nicht in der Landwirtschaft tätig waren. Die Grundherrschaften bildeten die Grundlage für den Königs- und insbesondere den Kriegsdienst des Adels, bzw. der Freien, die, wie erwähnt, grundsätzlich zur Heeresfolge verpflichtet waren. Je nach Größe ihres Besitzes mußten die Grundherren außer ihrer eigenen Person weitere Mannen für die Heereszüge bereitstellen, mit Pferden, Waffen, Lebensmitteln und Transportwagen.173 Aus den Erträgnissen der Güter mußte nicht nur der eigene Kriegsdienst und sein Bedarf getragen werden, sondern es waren auch verschiedene Leistungen an den König fällig. Für viele Freie wurde das nach und nach eine derartige Last, daß sie sich zuerst zu mehreren zusammenschlossen, um gemeinsam die Pflicht zur Heeresfolge zu erfüllen. Später begaben sie sich vielfach in die Abhängigkeit eines größeren Grundherren, um sich so von ihren Pflichten zu befreien. Zwar gab es Steuern und Abgaben nur in beschränktem Maße.174 Doch es bestanden andere Wege, um von den Bewohnern des Landes Natural- oder Geldleistungen zu erheben, angefangen von den alljährlichen Geschenken bis hin zu den Ersatzleistungen zur Ablösung von Heeresfolgepflichten durch Kirchen und Klöster.175 Dieser Zufluß von Mitteln erlaubte sowohl den inneren Ausbau, zum Beispiel den der Pfalzen, als auch die Finanzierung der Kriege. 170 171 172 173 174 175

Riché, Welt, S. 157ff. Capitulare de villis, c. 64, MGH LL II, Capit. I, Nr. 32, S. 83ff., S. 89. Johanek, Handel, S. 11ff.; Steuer, Handel, S. 406ff. Capitulare de villis, c. 1, 30, MGH LL II, Capit. I, Nr. 32, S. 83ff. Waitz, Verfassungsgeschichte IV, S. 111ff. Waitz, Verfassungsgeschichte IV, S. 107ff.

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Die Königspfalzen hatten den Unterhalt des Hofes zu tragen, sei es durch Abgaben, sei es durch Unterhalt des Hofes auf einem Gut.176 Soweit Bargeld durch Verkauf von Waren erlöst wurde, wurde dieses beim Herrn abgeliefert.177 Auf den Gütern, insbesondere denen des Königs, der Kirche und der Ämter, lagen zudem die Lasten der Gastung, d. h. des Empfanges und Unterhaltes der Fremden, insbesondere der Besucher, sowie der eigenen und der fremden Gesandtschaften. Gerade diese Pflicht wurde immer wieder eingeschärft, um, wie Ludwig der Fromme einmal hinzusetzte, keinen schlechten Ruf bei anderen Völkern zu erhalten.178

b. Handwerk Wenn auch die Landwirtschaft die ökonomische Grundlage des Reiches bildete, so gab es auch den nicht unbedeutenden Bereich des Handwerks. Es arbeitete einerseits für die Bedürfnisse der Bewohner des Reiches, gerade auch des Königs, des Hofes, der Kirche und des Adels, andererseits auch für den Handel. Es war zum Teil auf den Grundherrschaften, also den Gütern, angesiedelt. Karl der Große verlangte für die Königshöfe die Beschäftigung von Grob-, Silber- und Goldschmieden, Schustern, Drechslern, Stellmachern, Bäckern, Brauern u. a.179 Überschüssige Produktion wurde verkauft. Außerdem ließen sich Handwerker außerhalb der Höfe in den Städten nieder, vor allem in den noch aus gallo-römischer Zeit stammenden Kommunen oder in Italien. Sie siedelten sich besonders in Bischofsstädten an, wo sie für die großen Palast- und Kirchenbauten und für deren Ausschmückung nötig waren. Für die Herstellung von Kriegswaffen, Brünnen und Schwertern, die zu begehrten, aber verbotenen Exportartikeln wurden, waren hochqualifizierte Schmiede notwendig, während es für Schmuck, Kirchengeräte, Schreine der Kupfer-, Gold- und Silberschmiede sowie der Emaillierer bedurfte. Für praktische Dinge wie Mühlsteine aus Basalt gab es Werkstätten im Nordgebiet.180 Keramikwerkstätten fanden sich u. a. im Rheingebiet. Diese Gegenstände wurden, wie z. B. auch Tuche, für den Verkauf hergestellt. Der Handel damit blieb nicht lokal beschränkt, sondern ging durch das Reich und über es hinaus.

c. Fernhandel Unter dem Blickpunkt der „Zwischen-Mächte-Beziehungen“ war vor allem der Fernhandel aus dem Reich wie in und durch das Reich von Bedeutung. Entgegen einer von Henri Pirenne vertretenen älteren Meinung ist die heutige Forschung der Auffassung, daß bereits in der Merowingerzeit der interne wie der äußere Handel wieder zuge176 177 178 179

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Capitulare de villis, c. 30, MGH LL II, Capit. I, Nr. 32, S. 83 ff., S. 85. Für die Königshöfe, Capitulare de villis, c. 28, MGH LL II, Capit. I, Nr. 32, S. 83ff., S.85. Waitz, Verfassungsgeschichte IV, S. 20 und 24. Capitulare de villis, c. 45, MGH LL II, Capit. I, Nr. 32, S. 83ff, S.87; ähnliches galt in den Klöstern, Riché, Welt, S. 173. Prinz, Grundlagen I , S. 294.

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nommen hat, wenn auch unter neuen Bedingungen, mit Verlagerungen nach Nordwesten und Osten und z. T. auf neuen Wegen.181 Neben erzählenden Quellen kann dies gerade auch aus Rechtsquellen wie Kapitularien und Privilegien erschlossen werden, die diesen Handel zum Regelungsgegenstand haben, u. a. das bereits erwähnte Exportverbot für Brünnen. Durch die Veränderungen im Mittelmeerraum, insbesondere durch das Vordringen der Araber, waren Verlagerungen der Handelsströme und Handelswege schon in merowingischer Zeit vom Süden und Südwesten nach Norden, Nordwesten und Osten eingetreten. Maas und Rhein zu den britischen Inseln, aber auch die Ostsee nach Skandinavien und zu den Slawen wurden nach den schriftlichen Quellen der Zeit zu neuen Schwerpunktregionen des fränkischen Fernhandels. Jedoch blieben auch Handelsbeziehungen in den byzantinischen und arabischen Raum erhalten. Exportartikel waren Lebensmittel, Salz, Waffen, handwerkliche Erzeugnisse und Stoffe. Importiert wurden Felle, Tuche sowie Luxusgüter aus dem Orient. Ein wichtiger Handelsartikel waren Sklaven, die vor allem aus den slawischen Gebieten in das Reich oder durch das Reich in die arabischen Gebiete gebracht wurden.182 Für den Handel mit diesen gab es keine Verbote, außer in bezug auf Christen, sondern Regelungen.183 Wichtige Handelswege bildeten die Flüsse, Rhein, Schelde, Weser, Main, Donau, Rhone etc. Der äußere Handel nutzte zudem die Meere. Es gab Warenstapelplätze im Innern wie an den Grenzen, die Wike oder emporien, die sich entweder an bestehende Städte angliederten, so z. B. an Köln und Mainz, oder neu gegründet wurden, wie Dorestad an der Gabelung von Rhein und Leh, Haithabu in Schleswig, Reric in der Nähe von Wismar und Birha in Südschweden.184 Sie entwickelten sich zu städtischen Siedlungen, sobald eine dauernde Niederlassung von Kaufleuten notwendig wurde, so etwa Haithabu und Birha. Diese zogen wiederum Handwerker an, die für den Handel produzierten. Diese Entwicklung, die wohl im 9. Jahrhundert ihren Anfang nahm, könnte in Zusammenhang mit einem Bedürfnis nach ständiger Versorgung durch Gewerbe und Handel stehen.185 Diese Orte waren in der späteren Zeit Ludwigs bereits den Plünderungen durch Normannen ausgesetzt, deren Abwehr eine zentrale Aufgabe der karolingischen Herrscher wurde. Es verknüpften sich Handel und Krieg. Dasselbe galt für den Schutz gegen insbesondere sarrazenische Seeräuber im Mittelmeer. Der Landweg über die Alpen, den auch die Heere Pippins und Karls des Großen benutzten, wurde zum wichtigen Handelsweg nach Italien gerade auch für den durchgehenden Handel aus England etc., auch über Italien hinaus in den Orient. Nach Osten und Südosten zu den Slawen und Awaren, wohl auch nach Byzanz vollzog sich der 181

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Zuletzt Johanek, Handel, S. 14 ff.; Steuer, Handel, S. 406 ff. spricht für die Karolingerzeit von einem „beachtlichen Volumen“; Prinz, Grundlagen II, S. 540 ff. Riché, Welt, S. 140f. Z. B. Pactum Veneticum, cap. 3, MGH LL II, Capit. II/1, Nr. 233, S. 130 ff., S. 131; dt. Anhang Nr. 17. Aubin/Jankuhn, Gewerbe, S. 114; Grundlagen, S. 295. Zum Überfall Godofrieds auf Reric und dessen Zerstörung im Jahre 808, Ann. regni. Franc. ad a. 808. Der Ort scheint wieder gefunden worden zu sein, FAZ v. 18. November 1996, S. 9 und 10, und v. 19. Juni 1999, S. 9. So Aubin/Jankuhn, Gewerbe, S. 116.

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Handel ebenfalls auf dem Landwege. Die karolingischen Herrscher waren für die Sicherheit dieser Wege verantwortlich. Der Fernhandel wurde getragen von Friesen, nordeuropäischen Kaufleuten, sehr stark von Juden, die im Reiche wohnten, auch Kaufleuten aus den englischen Königreichen, allmählich auch Franken. Die nördlichen Kaufleute bildeten ursprünglich Gilden als eigene Personalverbände, die gemeinsam reisten, wohl um des Schutzes willen. Der Handel verlangte vielfache Regelungen vor allem zur rechtlichen Sicherung der fremden Kaufleute, die als solche keinen Personalrechtsstatus innerhalb des Frankenreiches hatten, der Wege, aber auch über Abgaben etc. So entwickelte sich ein fränkisch-königliches Fremdenrecht in Kapitularien oder Privilegien. Aber es mußten auch Absprachen und Vereinbarungen zwischen den Mächten getroffen werden. Es finden sich dafür jedoch für die hier behandelte Epoche nur sehr wenige Quellen, der bereits zitierte Brief Karls des Großen an den mercischen König Offa von 794 und das Pactum veneticum Kaiser Lothars I. mit Venedig von 840. Abgaben wurden in Gestalt von Zöllen erhoben, die an den König fielen. Es waren nicht nur Grenzzölle, sondern Fluß-, Paß-, Brücken- und Wegzölle innerhalb des Reiches zu entrichten. Die Könige waren bemüht, weder die Zölle zu erhöhen, noch neue zu erheben. Eine Abschaffung kam nicht in Betracht, als „alte Rechte“ standen sie fest. Doch der Handel sollte nicht durch neue Zölle beeinträchtigt werden, insofern eine auf „freien“ Handel gerichtete Politik.186 Hinzu traten Wagengeld, Lastgeld, Saumgeld, Bootsgeld, die nicht nur den Außen-, sondern auch den Binnenhandel erfaßten. Unabhängig von seinem wirklichen Umfang bildete der Fernhandel ein wichtiges Element der „internationalen“ Beziehungen. Denn er vermittelte auch Kenntnisse über andere Länder und verdichtete die allgemeinen Beziehungen. Die Fernkaufleute waren daher auch für die herrscherlichen „Zwischen-Mächte-Beziehungen“ äußerst hilfreich. Wenn auch nur über einen Fall, die Missionen des Juden Isaac zu dem Kalifen Harun al-Rashid, berichtet wird, so ist doch anzunehmen, daß Ähnliches häufiger in offizieller oder auch inoffizieller Weise geschah. Denn Juden genossen den Schutz und die Gunst der Könige.187

d. Währung Von Wichtigkeit für die wirtschaftliche Tätigkeit, insbesondere den Handel im Innern wie nach außen, war die von Pippin begonnene Münzreform seit 755, in deren Zuge Karl der Große die Silberwährung das Pfund zu 20 Schillingen zu 12 Denaren einführte.188 Das Reich löste sich auf diese Weise von der Goldwährung des byzantinischen solidus und begründete seine eigene Währung. Dies war zweifellos ein Akt der weite186

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Zu den Verboten neuer Zölle u. a. Waitz, Verfassungsgeschichte IV, S. 55, mit mehreren Belegen auch zu Höhe und Art der Zölle; zu Zusagen Karls des Großen an Offa von Mercien, unten S. 299. Riché, Welt, S. 150ff. Dazu Waitz, Verfassungsgeschichte IV, S. 77ff.; Riché, Welt, S. 146; Lafaurie, Surveillance, passim.

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ren Verfestigung der eigenen Stellung im Hinblick auf Gleichrangigkeit mit Byzanz, also Bestandteil der „Zwischen-Mächte-Beziehungen“. Das Prägerecht war Königsrecht und wurde zunächst nur in königlichen Münzen ausgeübt. Unter Ludwig dem Frommen kam es bereits zur Verleihung von Münzprivilegien an Bistümer und Abteien.189 Die Münze war im übrigen nicht nur wirtschaftliches Mittel, sondern auch Herrschaftssymbol. Nach der Kaiserkrönung ließ Karl Münzen schlagen, auf denen sein Bild in der kaiserlichen Tracht Konstantins mit der Umschrift Karolus Imp. Aug. zu sehen ist. Die Münzen, geprägt wurden Denare oder Pfennige, finden sich außerhalb des Reiches vor allem in England, wenige in Skandinavien. Die karolingische Währung war offenbar im Westen, Norden und evtl. auch im Osten gängiges Zahlungsmittel. König Offa von Mercien übernahm die Münzreform Karls des Großen.190 Sie blieb in England in ihrer Grundstruktur mit einem Pfund zu 20 Schilling mit 12 Pence bis zum Jahre 1970 gültig. Die karolingische Machtstellung war offenbar inzwischen im Handel doch recht groß, so daß es diesem Handelspartner ratsam schien, seine Währung der karolingischen anzupassen. Im Orient konnte sich die Silberwährung hingegen nicht durchsetzen, nicht nur wegen des provozierenden Bildes. Die Goldwährung des byzantinischen nomisma und des arabischen Denar waren stärker, wohl auch wegen der dahinter stehenden Wirtschaftskraft. Es waren Umrechnungen erforderlich. Sie wurden auf der alten solidus Goldmünze vorgenommen, zwölf Silberdenare ein solidus.191 Von Geldwechselgeschäften ist wenig bekannt. Ein Fall des Umtausches wird von 849 berichtet.192 Gold und Silber verkehrten aber nicht nur als Geld, sondern auch als Schmuck, Barren, etc.

e. Kriegsgewinne Aber Landwirtschaft, Handwerk und innerer wie äußerer Handel allein hätten wohl die notwendigen Mittel für die ausgedehnte Kriegführung nicht aufbringen können. Der Krieg finanzierte sich in Teilen auch selbst. Denn die Besiegten mußten ihre Schätze ausliefern, vor allem die Langobarden 755 und erneut 756 und die Awaren 796.193 Nach der Eroberung des Awarenringes lieferte Pippin an seinen Vater Karl den Großen Wagenladungen, die auf den jährlichen Reichsversammlungen dargebracht wurden. „Alles Geld und die seit langer Zeit angehäuften Schätze fielen in die Hände der Franken, kein Krieg soweit Menschengedenken reicht, brachte diesen soviel Reichtum und Macht. Denn während man sie bis dahin beinahe als arm ansehen konnte, fand sich nun in der Königsburg eine solche Masse an Gold und Silber, und in den Schlachten fiel so kostbare Beute an, daß man mit Recht glauben konnte, die Franken hätten gerechterweise den Hunnen das geraubt, was diese früher anderen Völkern ungerechterweise geraubt hatten,“ schreibt Einhard in seiner Lebensgeschichte Karls des Gro-

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Prinz, Grundlagen, S. 295. Riché, Welt, S. 146. Prinz, Grundlagen, S. 295. Riché, Welt, S. 149. Chron. Fredegari cont. 37 (120), 38 (121); Ann. regni Franc. ad a. 796.

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ßen.194 So brachten jedenfalls für den König und für die Großen, die an der Beute jeweils ihren Anteil erhielten, Kriege wirtschaftlichen Gewinn. Zudem trugen die Kriege zur Entwicklung mancher Wirtschaftsbereiche bei. Andere Völker mußten Tribut zahlen, die Langobarden, die Bretonen, die Slawen und zunächst auch Sachsen vor ihrer Eingliederung in das Reich.195 Die Beute der Kriege erlaubte dem König auch, neben den Geschenken aus eigener Herkunft, auswärtigen Herrschern Geschenke zu machen. Ebenso empfing er solche.196 Sie waren sowohl Zeichen der Freundschaft und Verbundenheit, als auch des Ruhmes, des Machtbeweises.

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Omnis pecunia et congesti ex longo tempore thesauri direpti sunt. Neque ullum bellum contra Francos exortum humana potest memoria recordari, quo illi magis ditati et opibus aucti sint. Quippe cum usque in id temporis poene pauperes viderentur, tantum auri et argenti in regia repertum, tot spolia pretiosa in proeliis sublata, ut merito credi possit hoc Francos Hunis iuste eripuisse, quod Huni prius aliis gentibus iniuste eripuerunt. Einhard, Vita Caroli, c. 13. Dazu Waitz, Verfassungsgeschichte IV, S. 103ff., mit Belegen. Außer dem bereits erwähnten Elefanten Harun al-Rashids, die Gaben Alfons‘ von Asturien nach dessen Eroberung Lissabons, Ann. regni Franc. ad a. 798.

Allgemeines

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2 . K apit el: D as o st röm isc h -byza nt inisc he Re ic h I. A ll g emei n es Im oströmischen oder byzantinischen Imperium begegneten die Karolinger der ältesten, traditionsreichsten Macht, die sich selbst als das fortbestehende römische Weltreich in der von Konstantin dem Großen begründeten christlichen Grundlegung und Prägung verstand.1 Zwar hatte es sich äußerlich und innerlich erheblich gewandelt. Weite Gebiete im Westen, Süden, Norden und Osten waren dauerhaft verlorengegangen oder doch immer wieder gefährdet. Die römisch-lateinische Prägung war zwar vor allem durch Herakleios I. im 7. Jahrhundert durch den hellenistisch-griechischen Charakter ersetzt worden.2 Aber für die byzantinische Auffassung stand diese Kontinuität, ja Identität mit dem Römischen Reich außer Frage, war selbstverständlich. In ihm vereinigten sich, so Ostrogorsky, „Roman political concepts, Greek culture and the Christian faith“.3 Aus diesem Selbstverständnis folgte ein Universalitäts- und Oberherrschaftsanspruch für die christliche Ökumene.4 Es gab nur ein christliches Imperium, dessen Herrscher allein der römisch-byzantinische Kaiser war. Dieses Selbstverständnis bestimmte das Verhältnis zu und den Umgang mit anderen ebenfalls christlichen Herrschern, gerade auch zu den Karolingern. Dies galt insbesondere für die Zeit nach der Kaiserkrönung Karls des Großen. Das oströmische oder byzantinische Imperium war nach seinem existentiellen Anspruch der eigentliche politische Widerpart der Karolinger. Zudem wurden beide Herrschaftsgebiete durch die Übernahme des langobardischen Königreiches in Italien und durch die Unterwerfung der Awaren auch auf dem Balkan unmittelbare Nachbarn. Aber die große politische oder gar militärische Auseinandersetzung blieb aus. Es kam eher zu einem Nebeneinander, nur zeitweise auch zu einem Miteinander. Jedoch wurde die Teilung der Welt in West und Ost, in byzantinische Orthodoxie und römische Katholizität gerade in dieser Zeit durch die fast völlige Zurückdrängung des Imperiums aus dem römischen Westen, lediglich Süditalien und Sizilien bis zu seiner Eroberung durch die Araber blieben noch byzantinisch, in Gang gesetzt. Das wirkt bis heute nach. Wurde das Abendland der Preis der Spaltung der Christenheit und der Alten Welt?

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Obolensky, Principles, S. 52f. Ostrogorsky, History, S. 106: „It was now that the Roman period ended and Byzantine history properly speaking began.“ Ostrogorsky, History, S. 27. Obolensky, Principles, S. 53; Stadtmüller, Geschichte, S. 53; siehe auch Taube, L’apport, S. 242ff., der jedoch für unsere und die nachfolgende Epoche die politische Wirksamkeit dieses Anspruches als auf den Osten beschränkt und ihn für den Westen nur noch als „fiction historique“ versteht.

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Das oströmisch-byzantinische Reich

I I. D as o s tr ö mi sch - b y z an ti n i s ch e K ai s er tu m a. Allgemeines Im Zentrum des Reiches stand der Kaiser. Die byzantinischen oder oströmischen Kaiser sahen sich in der langen Reihe der römischen Kaiser, insbesondere als Fortsetzer der durch Konstantin christlich geformten römischen Herrschaftsmacht. Ihr Universalanspruch blieb stets aufrechterhalten, ungeachtet der Beschränkung der tatsächlichen Herrschaft auf den Osten und ihrer ständigen Gefährdung selbst dort. Das führte zu einem eigentümlichen Vorgehen der Diplomatie, die die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit überbrücken mußte. Es galt sicherzustellen, daß die nun in Erscheinung tretenden christlichen Herrscher und Reiche in die Gesamtheit der kaiserlichen Herrschaft trotz ihrer weitgehenden, schließlich vollständigen Unabhängigkeit eingebunden wurden, sei es tatsächlich-rechtlich durch Anerkennung der kaiserlichen Oberhoheit, sei es zumindest ideologisch durch einen entsprechenden „Überbau“.5 Ihnen wurden Titel verliehen, die sie in die Hofränge eingliederten, verbunden mit Insignien, Privilegien einschließlich Alimenten, und so zum Kaiser in ein hierarchisches Verhältnis brachten. Die Eroberungen oströmischer Provinzen und Begründungen eigener neuer Herrschaften durch fremde Völker im Westen wurden als freiwillige Übertragung des Landes angesehen, das aber unter der Oberhoheit des Kaisers verblieb.6 Wo es notwendig war, Tribute zu zahlen, wurden sie als Geschenke interpretiert. Wo Geschenke entgegengenommen wurden, erschienen sie hingegen als Tribute. Zwar wurden Bündnisse mit den neuen Herrschern geschlossen; aber ein Gleichrang der Partner wurde nicht anerkannt. Der Kaiser war in der „Familie der Könige“ der pater; der germanische Herrscher wurde generell mit der Anrede filius versehen, war jedenfalls, selbst in späterer Zeit, keineswegs ebenbürtig, mochte er in Wahrheit auch politisch und rechtlich völlig unabhängig sein.7 Nur den Perserkönigen wurde die Anrede frater zuteil. Trotz der sich häufenden äußeren und inneren Konflikte, der häufigen Schwächeperioden, Gefährdungen und Verluste und Einbußen an Herrschaft, die Byzanz tatsächlich zu einer Macht neben anderen machten, hielten die Kaiser an ihrem auf die Tradition des römischen Reiches gegründeten Autokratieanspruch nach innen und ihrem Universalitätsanspruch nach außen fest.8 Gerade dieser mußte zum Konflikt mit den Karolingern führen. Gegen ihn wandte sich Karl in den Libri Carolini, noch bevor er selbst zum Kaiser erhoben wurde.9 Das Imperium hielt sich jedoch als politisch-herrschaftliche Einheit aufrecht. Territoriale Verluste traten im Westen zwar durch Eroberungen der Langobarden, Fran5

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Zum Folgenden u. a. Obolensky, Principles, S. 56ff.; Moravcsik, Diskussionsbeitrag, S. 304ff., er spricht von „staunenswerter Elastizität“ der Überbrückung von Anspruch und Realität, aber auch von einer duplex veritas; Eickhoff, Macht, S. 74ff. Kazdan, Notion, S. 15. Dazu vor allem Dölger, Familie, passim; Eickhoff, Macht, S. 64; Ostrogorsky, Staatenhierarchie, passim. Bréhier, Institutions, S. 11ff.; Treitinger, Kaiser- und Reichsidee, S. 158 ff. Unten S. 563 ff.

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ken, Bulgaren, Slawen und vor allem Araber ein. In deren Gefolge löste sich auch der Dukat Rom allmählich tatsächlich wie formal aus der oströmischen Herrschaft. Der Dukat Venedig blieb hingegen formal mit dieser verbunden. Aber was blieb, war stabil und konnte unter der Führung der Kaiser bewahrt werden. Revolten und Erhebungen zu Gegenkaisern zielten immer darauf, das Kaisertum und damit die Gesamtherrschaft im Reich insgesamt zu erlangen, nicht auf Abspaltungen.

b. Kaisererhebung Die Kaisererhebung in Byzanz bedurfte des in ihrem jeweiligen Gewicht wechselnden Zusammenwirkens des Senates, des Volkes und des Heeres. Das Heer, in der Epoche der Soldatenkaisertums vorherrschender „Kurfaktor“, war in unserer Epoche gegenüber Senat und Volk weit zurückgetreten.10 Dynastische Elemente hatten erheblichen Einfluß gewonnen, aber kein anerkanntes Erbrecht der Nachfolge begründet.11 Es blieb ein Wahlkaisertum. Die dynastische Sicherung erfolgte durch die Erhebung des Sohnes zum Mitkaiser, wozu es aber ebenfalls der Zustimmung des Senates, des Volkes und gegebenenfalls des Heeres bzw. der Garden bedurfte. Das wurde besonders deutlich bei der Erhebung Konstantins VI. zum Mitkaiser durch den Vater Leon IV. Auch die Übernahme der Kaiserherrschaft durch den Mitkaiser nach dem Tod des Vorgängers war von Wahl- oder Zustimmungsakten begleitet. Entscheidend blieb damit allein die Wahl durch die „Kurfaktoren“. Zweifelhaft scheint die Funktion der Krönung durch den Patriarchen von Konstantinopel gewesen zu sein. Sie fand in allen Fällen statt und gehörte wohl seit Justin I. zur Kaisererhebung.12 Fraglich ist aber wohl, ob sie konstitutiv war.13 Das kann hier offen bleiben. Die Kaiser wechselten in unserer Epoche häufiger als im Frankenreich. Den drei Frankenherrschern von Pippin bis Ludwig dem Frommen standen insgesamt neun byzantinische Kaiser gegenüber. Als Pippin 741 zunächst als Hausmeier mit seinem Bruder Karlmann die faktische Herrschaft in Franken übernahm, gelangte in Byzanz Konstantin V. zur Herrschaft. Sein Vater Leon III. hatte 717 den Thron durch einen Staatsstreich an sich gerissen. 14 Er begründete die syrische Dynastie, indem er seinen Sohn zum Mitkaiser erhob. Dieser handelte entsprechend mit seinem Sohn Leon IV., als dieser erst ein Jahr alt war. Leon IV. erhob wiederum seinen Sohn Konstantin VI. im Alter von 10 Jahren zum Mitkaiser.15 Aber selbstverständlich war diese Art Sicherung einer „Erbfolge“ nicht. Leon IV. zögerte, den minderjährigen Sohn unter Nichtbeachtung möglicher Ansprüche seiner eigenen Brüder, die von Konstantin V. als Cae10

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Dazu in geschichtlicher Entwicklung u. a. Treitinger, Kaiser- und Reichsidee, S. 7ff.; Beck, Senat passim, für unsere Epoche vor allem S. 32ff.; Bréhier, Institutions, S. 14ff. Bréhier, Institutions, S. 21ff.; er hält eine rechtliche Regelung der Thronfolge mit dem providentiellen Charakter der Kaisererhebung auch für unvereinbar. Treitinger, Kaiser- und Reichsidee, S. 20. Dagegen Mazal, Das byzantinische Reich, S. 809; anders Speck, Kaiser, S. 84; zu der Tradition der Krönung selbst Treitinger, Kaiser- und Reichsidee, S. 20ff.; Speck, Kaiser, S. 333ff.; Bréhier, Institutions, S. 15ff. Zur Person und Herkunft Leons Gero, Iconoclasm 1, S. 1ff. Dazu ausführlich Speck, Kaiser., S. 73ff.; auch Beck, Senat, S. 36f.

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sares eingesetzt worden waren, zum Mitkaiser zu küren.16 Er ließ sich erst auf Drängen des Senats darauf ein, nachdem er von Senat, Volk und den Garden die Zusicherungen erhalten hatte, daß diese auch im Fall eines Todes Leons IV. vor der Volljährigkeit Konstantins zu ihm stehen, ihn schützen und als Kaiser einsetzen würden.17 Dennoch ergaben sich in der Nachfolge Leons IV. Schwierigkeiten. Seine Witwe Eirene war zunächst Regentin für den minderjährigen Konstantin VI., vermochte sich jedoch dann auch als Mitkaiserin durchzusetzen. Es lag eine Samtherrschaft vor, die verfassungsgemäß und protokollarisch anerkannt wurde. Tatsächlich lag aber die Herrschaft bei Eirene. Es gab verschiedentlich Versuche, sie zu stürzen und einen Bruder Leons IV., Nicephorus, zum Kaiser zu erheben, die aber abgewehrt wurden.18 Eirene verzichtete nicht, als Konstantin ein herrschaftsfähiges Alter erreichte.19 Zwar gelang es Konstantin dann doch, sich 790 zum Autokrator durch Heer und Volk erheben zu lassen und Eirene abzusetzen. Doch sie kehrte zurück, stürzte den Sohn 797 und ließ ihn blenden. Da er an den Verletzungen starb, war sie nunmehr alleinige Herrscherin (Kaiser/basileus, nicht basileia).20 Sie war die erste Kaiserin aus eigenem Recht, eine in Byzanz als „verfassungsgemäß“,21 im Westen aber zwiespältig aufgenommene Situation. Zwar wurde mit ihr verhandelt, aber gleichzeitig galt der Thron als vakant. Dies war einer der Gründe für Alcuin, für Karl den Großen die Spitzenstellung in der Dreiergruppe von Kaiser, Papst und fränkischem König in Anspruch zu nehmen. Eirene vermochte sich bis 802 zu halten. Dann wurde sie vom Logotheten Nicephorus wegen ihrer wenig erfolgreichen Regierung, die zu erheblicher Mißwirtschaft im Innern und mangelnder Abwehr im Äußeren geführt hatte, in einer Palastrevolution der höheren Beamten und Offiziere gestürzt und er selbst zum Kaiser proklamiert.22 Nach seinem Tod im Kampf gegen die Bulgaren 811 wurde sein jedoch ebenfalls schwer verwundeter Sohn Staurakios zum Kaiser erhoben. Da dieser nach sechs Monaten den Verwundungen erlag, gelang es seinem Schwager Michael I., sich als Kaiser durch die Armee und den Senat im Hippodrom proklamieren und vom Patriarchen 16 17

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Zu solchen Ansprüchen im 8. Jahrhundert abwägend Speck, Kaiser, S. 74ff. Dazu Beck, Senat, S. 36; ausführlich dazu Speck, Kaiser, S. 73ff., der „Drängen“ wie „Zusicherungsbegehren“ als „zeremoniell“ bestimmt. Speck, Kaiser, S. 108ff. Nach Speck, Kaiser, S. 209ff., gab es kein festes vorgeschriebenes Alter der Volljährigkeit. Es sei eine „Ermessens- und Machtfrage“ gewesen. Aus der Vormundschaftsfrage sei der Konflikt entstanden; zu seiner Entwicklung im einzelnen S. 209ff. Es ist jedoch ungewiß, von wann an Irene entschlossen war, die Herrschaft nicht abzugeben. Speck entwickelt seine Darstellung auf zwei Ebenen, wie auch sonst, aus den Darstellungen der Quellen und in kritischen Auseinandersetzungen mit diesen. Im übrigen versucht er, das Verhältnis von Mutter und Sohn psychologisch zu analysieren, dazu kritisch, Winkelmann, Byzanz, S. 628. Ostrogorsky, History, S. 181; Speck, Kaiser, S. 303ff., der sich intensiv mit dem Zeitpunkt des Todes Konstantins beschäftigt. Speck, Kaiser, S. 324ff.; sie war seit 792 wieder Mitkaiser und folgte dem „Hauptkaiser“ nach dessen Tod bzw. der durch die Blendung hergestellten Herrschaftsunfähigkeit nach. Ostrogorsky, History, S. 186.

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Nicephorus in der Hagia Sophia krönen zu lassen. In beiden Fällen wird die Verwandtschaft eine Rolle gespielt haben.23 Aber sie war ebensowenig wie für Konstantin VI. ein sicherer Grund für die Bewahrung der Herrschaft. Bereits 813, immerhin nach dem Ausgleich mit Karl dem Großen, wurde auch Michael I. wegen seiner schwachen Regierung gestürzt und der Stratege Leon V. zum Kaiser erhoben. Aber auch er konnte die Macht nicht halten und eine neue Dynastie begründen. 820 wurde er während des Weihnachtsgottesdienstes in der Hagia Sophia ermordet. Mit der Proklamation Michaels II. begann eine neue Dynastie, die der Amorier. Er hatte zwar zunächst gegen einen Gegenkaiser, Thomas den Slawen, zu kämpfen, der von dem Patriarchen von Antiochia gekrönt worden war, vermochte aber, ihn nach anfänglichen Mißerfolgen zu besiegen.24 Michael II. sicherte die Nachfolge seines Sohnes Theophilos wiederum durch das Institut des Mitkaisertums. Eine Stabilität in der Thronfolge war also in dieser Zeit nicht gegeben. Allerdings gelang es doch zweimal, eine dynastische Nachfolge zu begründen, jedenfalls für zwei bis vier Generationen. Sie überlagerte jedoch nicht völlig die Institution der Kaiserwahl. Die zumindest formale Zustimmung von Senat, Volk und u. U. des Heeres war auch zur Erhebung zum Mitkaisertum erforderlich. Der mehrfache gewaltsame Sturz eines Kaisers und die Erhebung seines Nachfolgers nicht immer durch die Armee, sondern wie bei Eirene durch Palastangehörige, werfen die Frage auf, ob es sich dabei um eine pure Revolte und Usurpation oder einen „verfassungsmäßigen“ Vorgang handelte. Es wird die Auffassung vertreten, es habe keine verfassungsmäßige Regelung der Absetzung eines Kaisers gegeben.25 Aber es gibt Beispiele von Vorgängen, die auf die Vorstellung hindeuten, daß das Volk und der Senat durch entsprechende Beschlüsse oder Akte die Absetzung oder den Sturz eines Herrschers in legaler Weise zu bewirken vermochten.26 Ein Widerstandsrecht als solches, abgeleitet aus Wahl und Akklamation, wird jedoch nicht behauptet. Der Usurpator bedurfte für seine Legitimität der Akklamation und Bestätigung durch Senat und Volk unter schwankender Beteiligung des Heeres.27 Derer bedurfte jedoch, wie gezeigt, jeder Kaiser, unabhängig wie er das Kaisertum erlangte, also auch der als Hauptkaiser dem toten Vater folgende Mitkaiser-Sohn. Letztlich drückte sich auch im gewaltsamen Herrschaftswechsel der Wille Gottes aus, der durch das Handeln der „Kurfaktoren“ irdisch sichtbar wurde.28 Hatte der neue Kaiser diese Zustimmung erlangt, war er von Gott erwählter „verfassungsmäßiger“ Herrscher, gleichgültig, wie es de facto dazu gekommen war, in friedlicher, geordneter Nachfolge, z. B. durch das Mitkaisertum, oder durch gewaltsamen Sturz des Vorgängers, vom bloßen Zwang zur Abdankung bis zur Ermordung des Vorgängers wie im Falle Michaels II.

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Ostrogorsky, History, S. 196f. Ostrogorsky, History, S. 204ff.; Brief Michaels II. an Ludwig den Frommen, dt. Anhang Nr. 4. Mazal, Das Byzantinische Reich, S. 809. Beck, Senat, S. 38ff. Speck, Kaiser, S. 74ff., mit ausführlicher Darlegung. Beck, Senat, S. 38.

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c. Stellung des Kaisers Wenn auch die tatsächliche Stärke und Macht der einzelnen Kaiser differierte, schwache und starke Kaiser einander abwechselten, theoretisch wie rechtlich waren sie unumschränkte Alleinherrscher. Diese Autokratie beruhte in der Begründung der Herrschaft des Kaisers als der Erwählte Gottes, als sein Stellvertreter auf Erden, der die irdische Herrschaft in Gottes Namen ausübte.29 Er wurde sogar als „Mitregent Christi“ angesehen.30 So war der byzantinische Kaiser nicht nur unbestritten politischer Alleinherrscher, sondern nahm auch im religiös-kirchlichen Bereich immer wieder eine eigene Entscheidungsmacht in Anspruch. Das wurde in dem Streit um den Monotheletismus und erst recht und mit allem Nachdruck im Streit um die Bilderverehrung deutlich, wenn auch in letzterem Fall Konstantin V. wie Leon IV. Konzil bzw. Synode zur Absicherung ihrer Position in Anspruch nahmen, den päpstlichen Primatsanspruch aber nicht berücksichtigten. Jedoch war dieser Anspruch nicht unbestritten und wurde zunächst von den Päpsten, auch als sie noch unter byzantinischer Herrschaft standen, vehement abgelehnt. Aber nicht nur sie, auch die Patriarchen von Konstantinopel und Theologen der Ostkirche wandten sich immer wieder gegen diesen religiösen Anspruch der Kaiser, was sie nicht selten mit Absetzung, Verbannung und gar Tod büßten.31 Die Kaiser setzten die von Konstantin dem Großen begründete Tradition fort. Auch Eirene und Konstantin VI. stützten die Einberufung des Konzils von 787 und die Bestätigung und Verkündung seiner Beschlüsse zur Wiederherstellung der Bilderverehrung auf diese Tradition und übersandten die Akten erst danach an Hadrian I. Die politische Alleinherrschaft der Kaiser hingegen war unbestritten. Alle Gewalt ging von ihnen aus. Zwar bestand der Senat fort. Doch seine Mitglieder wurden vom Kaiser berufen und er hatte, abgesehen von den Rechten bei der Kaisererhebung, während der Herrschaft eines Kaisers nur beratende, keine entscheidende Kompetenz.32 Das schloß nicht aus, daß Kaiser immer wieder auf die Unterstützung durch den Senat und auch das Volk, aber auch durch Garden und das Heer angewiesen waren und diese in Einzelfällen suchten. Aber das war eine Frage der Macht, nicht des Rechts.33 Die Beamten, Heerführer, Patriarchen und Bischöfe wurden vom Kaiser ernannt, mit Kompetenz ausgestattet, auch abgesetzt oder in ihren Rechten beschnitten. Zentrum der Herrschaftsausübung war der Palast in Konstantinopel.34 Dort befand sich nicht nur der Kaiser, dort waren auch die zentralen militärischen wie zivilen Ämter angesiedelt. Von dort aus erfolgte die Regierung und Verwaltung des Reiches. Seine innere Organisation war nicht dauerhaft festgelegt, sondern konnte immer wieder von den 29

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Ostrogorsky, Kaiserreich, S. 27; Bréhier, Institutions, S. 49ff.; Treitinger, Kaiser- und Reichsidee, S. 32ff. Eickhoff, Macht, S. 22. Dies kam in der Zeremonie des rechten „leeren Throns“ zum Ausdruck, der Christus geweiht war, an Sonn- und Feiertagen frei blieb, an den übrigen Tagen vom Kaiser selbst eingenommen wurde; dazu Treitinger, Kaiser- und Reichsidee, S. 32ff. Dazu u. a. Dvornik, Byzance, passim, für den Ikonoklasmus vor allem S. 73ff. Zur Hierarchie der Amtsträger Bréhier, Institutions, S. 79ff. Beck, Senat, S. 52ff. Mazal, Das Byzantinische Reich, S. 809ff.

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Kaisern neu gestaltet werden. Besonders die stärkeren unter ihnen setzten dies auch um, wie Leon III. oder Nicephorus, zumal in Fällen, in denen ihre Vorgänger die innere Verwaltung vernachlässigt hatten.35

d. Innere Struktur des Reiches Im 7. Jahrhundert und vor allem seit Kaiser Herakleios I. entwickelte sich die Einteilung des Reiches in Themen, die die alte Provinzeinteilung überlagerte und z. T. ganz verdrängte.36 Sie bildeten zwar zunächst militärische Bezirke, an deren Spitze ein Stratege stand. Die militärische Funktion bestand vor allem darin, dort ortsansässige Truppeneinheiten zu schaffen. Die älteren Söldnerheere wurden durch die dort siedelnden oder häufig besonders angesiedelten Kleinbauern-Truppen ersetzt. Diese Kleinbauern waren gleichzeitig Soldaten und mußten bei Aufgeboten Heerfolge leisten. Das ergab eine neue, und, wie sich beim weiteren Ausbau zeigte, erfolgreiche Struktur der militärischen Macht in der Verteidigung gegen Angriffe von außen, aber auch für Rückeroberungen verlorener Gebiete. Die Themenbildung schwankte im Laufe der Zeit. Die Einteilung wurde häufig durch Teilung, Neuzuschnitt oder Neubildung verändert.37 Die Themen wurden zudem mehr und mehr zu zivilen Verwaltungseinheiten. Auf diese Weise entstand zwar eine gewisse Dezentralisierung im militärischen wie im zivilen Bereich, aber die Zentrale behielt ihren unmittelbaren Zugriff, zum einen durch die Ernennung der Beamten, die zudem auf Zeit erfolgte, zum anderen durch direkte Befehle vom Palast an die militärischen wie zivilen Beamten.38 Es kam allerdings immer wieder zu Revolten in einzelnen Themen, die in einigen Fällen die Zentrale bedrohten, sogar der Ausgangspunkt eines Herrscherwechsels wurden.39 Die Themeneinteilung erfaßte nicht immer das ganze Reich. Eine durchgehende Konsolidierung der byzantinischen Herrschaft war Voraussetzung für die Errichtung eines Thema. Einige Kaiser waren als bedeutende Gesetzgeber tätig. So Leon III. und sein Sohn Konstantin V., die 726 das bedeutendste Gesetzeswerk seit den Digesten Justinians, die Eklogé, diesmal in griechischer Sprache in Kraft setzten.40 Der Kaiser war die höchste Rechtsprechungsinstanz. In seinem Namen wurde am Hof und in den Themen durch den Stab des Strategen Recht gesprochen. Er war Appellationsinstanz. Daneben gab es eine kirchliche Gerichtsbarkeit.41

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Mazal, Das Byzantinische Reich, S. 815 ff. für Leon III. Ostrogorsky, History, S. 96ff., 157; ders., Entstehung, passim, mit Verweisen auf eine weitere, von seiner Auffassung wohl abweichenden Darstellung von A. Pertusi; Mazal, Das Byzantinische Reich, S. 311. So z. B. durch Leon III., Ostrogorsky, History, S. 158. Mazal, Das Byzantinische Reich, S. 813. Z. B. begann Leon III. seinen Weg zur Macht durch eine Revolte als Stratege einer der größten Themen, Anatolikon, gegen den Kaiser Theodosios III.; Ostrogorsky, History, S. 155. Um Ähnliches zu vermeiden, teilte er als Kaiser dieses Thema. Ostrogorsky, History, S. 159f.; Mazal, Das Byzantinische Reich, S. 816. Mazal, Das Byzantinische Reich S. 811.

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II I. Di p l o mati e a. Grundlagen Die Diplomatie ergänzte die militärischen Anstrengungen in der Auseinandersetzung mit den Nachbarn durch ihre Mittel, Wirkungen und Ergebnisse.42 Beide dienten der Bewahrung des Reiches, der Rückgewinnung der Reichsgebiete und damit der Sicherung der Herrschaft des byzantinischen Kaisertums. Ihre Ziele waren aus der Lage des Reiches vorgegeben, der ältesten, ehrwürdigsten, zentralen und lange Zeit mächtigsten Macht der bekannten Welt. Diese Herrschaft lag in einer Umgebung ständig gegen sie, und oft nur gegen sie angehender Feinde, die, abgesehen von Persien, es weder an Alter, Würde noch innerer Geschlossenheit mit ihr aufnehmen konnten. Dafür besaßen die Gegner jedoch die Kraft politischer Jugend, deren Ziele auf Expansion, Gleichrang gerichtet waren und, vor allem bei den Arabern aber auch den Bulgaren, in unmittelbare Konfrontation mit dem Imperium eintraten. Byzanz war in unserer Epoche nicht offensiv, sondern defensiv eingestellt, allenfalls auf Offensive zur Wiederherstellung, zumindest Rückgewinnung verlorener Herrschaft.43 Dabei ging es wohl nicht nur um rein weltlich-politische Machtbewahrung um ihrer selbst willen, sondern um die Aufrechterhaltung der seit Konstantin dem Großen überkommenen Sendung des römisch-christlichen Weltreichanspruches. Hier war aber nicht die augustinische Lehre der civitas Dei, sondern eher die Lehre des Eusebius von Caeserea tragende theologische Grundlage. Die Bewahrung der Ökumene als einer christlichen Einheit und u. U. deren Erweiterung waren Ziel der Diplomatie.44 Eine Gesandtschaft Michaels II. an Ludwig den Frommen de imaginum veneratione45 ist ein Ausdruck dieser Bemühung.

b. Byzantinische Diplomatie Die Grundlagen der Organisation der byzantinischen Diplomatie waren, anders als im fränkischen Reich, in Jahrhunderten gewachsen, unterlagen aber auch ständiger Änderung.46 So spielten für sie altüberkommene Formen sowie lang akkumulierte Erfahrungen eine maßgebende Rolle, die Byzanz aus der langen Geschichte des Reiches zur 42

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Bréhier, Institutions, S. 229ff.; er weist ihr sogar eine wesentlich größere Bedeutung im Kampf um die Erhaltung des Reiches zu als dem Militär: „La voie diplomatique était toujours préférée à l’agression“. Kazdan, Notion, S. 10; Eickhoff, Macht, S. 35ff.; Obolensky, Principles, S. 52, spricht von einem „defensive imperialism“. Wie weit die religiösen Ziele zentral bestimmend waren, ist allerdings umstritten, sehr weitgehend Eickhoff, Macht, S. 25f. Zurückhaltender und differenzierter, wenn auch die Bedeutung an sich nicht bestreitend, Kazdan, Notion, S. 8ff. Ann. regni Franc. ad a. 824. Für die frühere Epoche der Spätantike, aus der aber wesentliche Elemente der Diplomatie auch in späteren Epochen fortdauerten, insbesondere die Grundlagen des universalen Herrscheranspruchs, wenn dieser auch im Wandel der Zeit auf jeweils andere Weise zur Geltung gebracht wurde, Helm, Untersuchungen passim; für die jüngere Zeit, auch unsere Epoche:

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Verfügung standen. Sie waren schriftlich in den Berichten der Gesandten niedergelegt, die von Generation zu Generation bewahrt und z. T. von Konstantin VII. Porphyrogennetos im 10. Jahrhundert in den Exercepta de legationibus zusammengefaßt wurden.47 In unserer Epoche wurden die auswärtigen Angelegenheiten im Palast seit Leon III. unter dem Logotheten des Dromos zusammengefaßt.48 Er war für den Schriftverkehr sowie die Sammlung der Berichte und Dokumente zuständig.49 Er fertigte vor allem die eigenen Gesandtschaften ab, die er mit offenen und persönlich-geheimen Instruktionen ausstattete, die in seiner Kanzlei ausgearbeitet wurden. Gesandte waren Würdenträger des Palastes, sowie andere zivile, militärische und, wenn auch wohl seltener, kirchliche Amtsträger. Einen besonderen „diplomatischen Dienst“ gab es auch in Konstantinopel nicht.50 Vorbereitet wurden die Gesandten u. a. durch die genannten Berichte früherer Gesandtschaften. Zudem mußten sie sich einer amtlichen Befragung ihrer Kenntnisse über das Bestimmungsland und seines Herrschers unterziehen.51 Stets wurden die Gesandtschaften von Dolmetschern begleitet, die in Byzanz ein eigenes Corps bildeten. Die Zwecke der Gesandtschaften waren sehr verschieden und reichten von der Anzeige der Thronbesteigung über Kriegserklärungen bis zu Verhandlungen über Verträge u. a.52 Es gab keine ständigen Vertretungen oder Gesandte bei anderen Herrschern oder Höfen. Der Rang der Gesandten wurde wohl nach der Bedeutung des Empfängers abgestuft.53 Es war wesentlicher Bestandteil der Missionen, die Größe, Pracht und Macht des Kaisers darzustellen, die Partner zu beeindrucken und damit auch zu beeinflussen.54 Dabei spielten die verwendeten Formeln der Anrede eine gewichtige Rolle, da sie die Einschätzung des fremden Herrschers durch den Kaiser zum Ausdruck brachten55, ebenso wie die übersandten oder überreichten Geschenke; so übersandte Konstantin V. an Pippin eine Orgel, ein überaus kostbares, wahrhaft kaiserliches Geschenk.56 Die von den Gesandten überbrachten, mit Privilegien und bestimmten Abzeichen verbundenen Ehrentitel, so das Ehrenkonsulat an Chlodwig, hatten eine doppelte Funktion, den Empfänger zu ehren, ihm aber auch in den Augen von Byzanz dessen Überordnung zu bedeuten. Später wurden auch Kronen übersandt, so an Ste-

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Obolensky, Principles; Eickhoff, Macht; v. Taube, L’apport, S. 254ff.; Bréhier, Institutions, S. 244ff. Dort werden auch die Quellen genannt. Dazu u. a. Taube, L‘apport, S. 259. Zum Folgenden vor allem Eickhoff, Macht, S. 69ff.; auch v. Taube, L‘apport, S. 254ff.; Bréhier, Institutions, S. 244ff. Er ist gleichzeitig auch der verantwortliche Amtsträger für die öffentliche Post. V. Taube, L‘apport, S. 260, 261. Ganshoff, Moyen Age, S. 38; Bréhier, Institutions, S. 247. V. Taube, L‘apport, S. 259; Eickhoff, Macht, S. 70; Bréhier, Institutions, S. 248. Bréhier, Institutions, S. 249. Ganshof, Moyen Age, S. 38; Bréhier, Institutions, S. 247f. Ausführlich Bréhier, Institutions, S. 240ff. Ostrogorsky, Staatenhierarchie, S. 127ff. Ann. regni Franc. ad a. 757, Misit Constantinus imperator regi Pippino cum donis organum, qui in Franciam usque pervenit.

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phan von Ungarn. Diplomatie als Methode der Führung und Gestaltung der auswärtigen Beziehungen war somit hoch ausgebildet und enthielt eine ganze Fülle verschiedener miteinander verbundener Elemente.57 Die Behandlung fremder Gesandtschaften gehört in den Gesamtzusammenhang der politischen Verkehrsbeziehungen und des Gesandtenaustausches.

IV. Ter ri to r i al e E n tw i ck l u n g Die territoriale Situation des Imperiums hatte seit den Rückeroberungen Nordafrikas von den Wandalen, Italiens und Dalmatiens von den Ostgoten und der Südostküste Spaniens von den Westgoten durch Justinian I. einen erheblichen Wandel durchgemacht. Er hatte noch einmal das oströmische Reich auf eine neue Höhe geführt. Es war wieder westlich orientiert worden. Im Norden und Osten, gegen die in die Balkanländer vorrückenden Slawen und gegen die Perser in Asien, gingen hingegen Gebiete verloren.58 561 kam es zu einem 50-jährigen Friedensvertrag zwischen Justinian I. und Chosran I. Es war ein Vertrag zwischen Gleichen, nicht wie die Verträge des Imperiums mit den germanischen Völkern und Königreichen, die durch byzantinische Überordnung bestimmt waren.59 Bereits vom 6. Jahrhundert an gingen wiederum große Teile Italiens an die Langobarden verloren. Das setzte sich im 7. Jahrhundert fort. Im Frieden von 680 blieben der Exarchat von Ravenna mit Venetien, der Dukat von Rom sowie Teile Süditaliens und Sizilien unter byzantinischer Herrschaft, bis auch die erstgenannten im 8. Jahrhundert zunächst an die Langobarden und dann an die Karolinger bzw. an das Papsttum fielen. Venetien und Dalmatien kamen zwar 806 unter karolingische Herrschaft, kehrten jedoch bereits im Jahre 810 als Vorleistung auf den Frieden vor dem Abschluß des Vertragswerkes von 812/14 unter byzantinische Herrschaft zurück. Im 7. Jahrhundert begannen die Auseinandersetzungen mit den islamisch gewordenen und politisch geeinten Arabern. Afrika ging nach und nach an diese verloren.60 Im Osten stand das Reich zunächst in ständigen Kämpfen mit den Persern, die Teile des Reiches eroberten. Zwar gelang es im 7. Jahrhundert unter Herakleios, die Reichsländer im Osten aus der Herrschaft der Perser wieder unter die Hoheit des Reiches zu bringen.61 Jedoch spielten sich hier in den nächsten Jahrhunderten die eigentlichen Kämpfe ab. Der Westen trat immer mehr zurück. Die Kraft des Reiches reichte zu seiner vollen Bewahrung immer weniger aus.

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Obolensky, Principles, S. 52 nennt sie „an intricate science and fine art“, deren Ausbildung er wesentlich auf Justinian I. zurückführt. Mazal, Das Byzantinische Reich, S. 300ff. Dazu u. a. Güterbock, Byzanz und Persien; K. Schmidt, Friede, S. 93 ff.; Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S. 56 ff. Wagner, Einbruch, S. 333ff., und S. 338ff. Mazal, Das Byzantinische Reich, S. 310 ff.

Territoriale Entwicklung

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Vor allem die Auseinandersetzungen mit den Arabern ab 633/634 nahmen die Kaiser fast vollständig in Anspruch.62 Sie begannen unter dem bedeutenden Kalifen Omar (634). Zunächst fiel Syrien, dann das byzantinische Mesopotamien, schließlich Ägypten sowie Teile Armeniens. Die von den Persern zurückgewonnenen Gebiete gingen noch unter Herakleios wieder an die Araber verloren, so vor allem Damaskus und Jerusalem, die heilige Stadt der Christenheit. Das persische Reich wurde zunächst von Herakleios vollständig besiegt, dann aber in die arabische Herrschaft eingefügt. Zwar gab es immer wieder erfolgreiche Gegenschläge. Aber es kam nie zu einer dauerhaften, friedenssichernden Stabilisierung, zumal unter den Omayaden die Hauptstadt nach Damaskus, also auf altes byzantinisches Reichsgebiet, verlegt wurde. Die Angriffe der Araber richteten sich immer wieder gegen Konstantinopel selbst, das oft in allerschwerste Bedrängnis geriet, so bereits 67463 und wieder 717/718. Diese Auseinandersetzungen bildeten auch im 8. und 9. Jahrhundert eine fundamentale Gefahr für das Imperium. Die Kämpfe waren von wechselnden Ausgängen bestimmt und nahmen alle Kaiser stets voll in Anspruch. Zu Beginn des 8. Jahrhunderts gelang es Leon III., die arabischen Angriffe auf Konstantinopel abzuwehren. Sein Sohn Konstantin V. erreichte eine weitere Festigung des Reiches gegenüber den Arabern.64 Aber am Ende des Jahrhunderts wurde die Lage wieder prekärer. Harun al-Rashid zwang das nicht zuletzt durch innere Auseinandersetzungen unter der Alleinherrschaft Eirenes nach der Beseitigung Konstantins VI. geschwächte Byzanz nach erheblichen Einbrüchen in Kleinasien bis zur Agäis zu einem Tributfrieden 798.65 Gleichzeitig scheint es zu Gesandtschaften der Kaiserin an Karl und Karls an Harun al-Rashid gekommen zu sein. Deutete sich eine Verknüpfung der Vorgänge im Osten mit denen im Westen an?66 Auch Nicephorus mußte sich weiter mit den Arabern auseinandersetzen. Nur innere Wirren bei diesen nach dem Tod Haruns 809 führten zur Ruhe.67 Doch im dritten Jahrzehnt des 9. Jahrhunderts gingen Kreta und nach und nach Sizilien, also ein weiterer Teil des Westens, an die Araber verloren. Zudem brachen in Kleinasien immer wieder Kämpfe aus. Von Norden her drangen Awaren, Slawen und Bulgaren in das Reichsgebiet ein. Die Slawen rückten bis auf die Peloponnes vor. Diese Gebiete wurden erst von Eirene, Konstantin VI. und Nicephorus I. zwischen 783 und 805 wieder dem Reich unterworfen. Zwei neue Themen, Makedonien und Peloponnes, dienten der Festigung der byzantinischen Herrschaft.68 Eine wesentlich größere Bedrohung für das Reich stellten die Bulgaren dar. Zunächst versuchte Byzanz, sie durch Tributzahlungen zu bändigen. 62

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Dazu Ostrogorsky, History, S. 110ff.; Wagner, Einbruch, S. 332ff. Auch zur See geriet die Macht Byzanz ins Wanken, zumal Zypern, Rhodos und andere Inseln, auch Sizilien und Sardinien, nach und nach von den Arabern erobert wurden. Die Angriffe erfolgten von See her. Gerettet wurde die Stadt jedesmal durch das „griechische Feuer“. Ostrogorsky, History, S. 157; Mazal, Das Byzantinische Reich, S. 815. Mazal, Das Byzantinische Reich, S. 822. Ann. regni Franc. ad a. 798, zur Gesandtschaft Eirenes; Ann. regni franc. ad a. 801 zur Gesandtschaft Karls an Harun, die vier Jahre vorher abgegangen sei. Siehe unten S. 234. Mazal, Das Byzantische Reich, S. 823. Ostrogorsky, History, S. 191ff.; Mazal, Das Byzantinische Reich, S. 823.

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Es kam sogar zu einem Bündnis Leons III. mit ihnen gegen die Araber, die er mit ihrer Hilfe zurückschlagen konnte. Sein Sohn Konstantin V. hingegen nahm den Kampf gegen die Bulgaren auf. Er war zwar in der Begrenzung ihres Vordringens erfolgreich, vermochte aber nicht, sie zu unterwerfen oder sonst die Lage dauerhaft zu sichern.69 Die Zerstörung des Awarenreiches und seine teilweise Eingliederung in den fränkischen Herrschaftsbereich bis zur Donau durch Karl den Großen und seinen Sohn Pippin eröffnete den Bulgaren die Möglichkeit, ihr Reich auszudehnen und zusätzliche Macht zu gewinnen. Zu Beginn des 9. Jahrhunderts gelang es dem Bulgarenzaren Krum, das Reich zu einen und zu einer starken Macht zu entwickeln. Nicephorus versuchte 811 einen vernichtenden Schlag gegen sie zu führen, nachdem sie Makedonien erobert hatten. Nach anfänglichen Erfolgen wurde er jedoch geschlagen und fiel selbst.70 Sein Sohn Staurakios wurde ebenfalls schwer verwundet. Zwar folgte er seinem Vater noch auf den Thron, starb aber bald. Sein Nachfolger Michael I. vermochte die Bulgaren nicht zu besiegen. Sie setzten ihren Vormarsch auf dem Balkan fort und belagerten schließlich sogar die Stadt Konstantinopel.71 Michael I. wurde wegen seiner Schwäche von Leon V. gestürzt. Dieser vermochte nach weiteren Kämpfen, begünstigt auch durch Krums Tod, 815/816 zu einem dauerhaften Frieden zu gelangen, aber um den Preis der Aufgabe eines Teils Thrakiens.72 Unter Michael II. kam es zu einem freundschaftlicheren Verhältnis.73 Die Kämpfe gegen die Bulgaren nahmen neben denen gegen die Araber, die beide die Grenzen und den Bestand des Reiches im Kern unmittelbar bedrohten, die Kräfte des Imperiums z. T. über Gebühr in Anspruch. Für den weiter entfernten Westen blieben offenbar keine hinreichenden Mittel. Das Reich war ganz auf den Erhalt und die Rückgewinnung der östlichen und nördlichen Gebiete konzentriert. Ein großer Teil dieses territorialen Schrumpfungsprozesses vollzog sich gleichzeitig mit der ständigen Ausdehnung des karolingischen Reiches im achten und neunten Jahrhundert. Insbesondere der fast vollständige Verlust der westlichen italienischen Reichsteile und damit Roms fiel in diese Zeit. Jedoch gelangte Byzanz trotz dieser andauernden höchsten Gefährdungen auch immer wieder zu Siegen über die Bedroher und konnte seine Existenz und Macht auf einem gegenüber seiner Größe im beginnenden achten Jahrhundert kleineren Raum bewahren. Aber es war in Europa eine Macht neben mehreren geworden.

V. I k o n o k l as mu s a. Religiöse Auseinandersetzungen Neben und oft eng verknüpft mit machtpolitischen Auseinandersetzungen innerhalb des Reiches standen religiöse Kämpfe, die auch Auswirkungen auf die Beziehungen 69 70 71 72 73

Hellmann, Neue Kräfte, S. 368. Norwich, Byzantium II, S. 7ff.; Ostrogorsky, History, S. 195ff. Norwich, Byzantium II, S. 14ff. Mazal, Das Byzantinische Reich, S. 825. Ostrogorsky, History, S. 205.

Ikonoklasmus

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des Imperiums nach außen, insbesondere zum Papsttum und zu den drei karolingischen Herrschern hatten. Bereits unter Kaiser Herakleios I. hatten im 7. Jahrhundert, gerade auch durch die Verlagerung des Schwerpunktes des Reiches nach Osten, die Monophysiten, die dort vorherrschten, wieder an Bedeutung gewonnen. Herakleios versuchte eine Union durch ein eigenes Dekret, die Ekthesis, herzustellen, was zur Geburt des bereits erwähnten Monotheletismus führte.74 Dieser wurde von der chalcedonisch geprägten Lehre nicht anerkannt. Im damals Nordafrika und vor allem Italien mit Rom umfassenden Reich gab es erhebliche Unruhe. Ein Konzil im Lateran verwarf 649 die Ekethesis sowie ein weiteres kaiserliches Dekret in dieser Frage, den Typos Konstantins II. Daraufhin wurde Papst Martin I. nach einem Prozeß in Konstantinopel verbannt.75 Der Streit um den Monotheletismus schwächte sich ab, zumal weite Teile der Monophysiten inzwischen unter arabischer Herrschaft standen, wohl nicht zuletzt auch wegen der durch diesen Streit ausgelösten politischen Schwäche des byzantinischen Reiches.76 Viel weitreichender war der 730 von Leon III. in Gang gesetzte Bilderstreit oder Ikonoklasmus.77 Der Kaiser verbot durch ein Edikt die Bilderverehrung gegen den Widerstand des Patriarchen Germanos, der zur Abdankung gezwungen wurde. Die Gründe für diese Abkehr von der bisherigen Praxis der Bilderverehrung sind hier nicht zu erörtern.78 Der dadurch ausgelöste Bilderstreit führte zu einer tiefen Spaltung im Imperium mit heftigen Verfolgungen der Ikonodulen, vor allem der Mönche im östlichen Teil des Reiches.

b. Bilderstreit und der Westen Als schwerwiegendste Folge löste der Bilderstreit einen grundlegenden Konflikt mit dem Westen aus. Denn von den Päpsten kam eindeutig Widerspruch, in erster Linie von Papst Gregor II. Sie hielten an der herkömmlichen Art des Bilderkultes fest. Damit war die religiös-kirchliche Frage des Primats aufgeworfen. Der Kaiser nahm für sich das Recht in Anspruch, religiös-dogmatische Fragen zu entscheiden. Dem setzte der Papst seinen religiös-kirchlichen Anspruch entgegen, als Nachfolger des Apostels Petrus das Lehramt auszuüben. Konstantin V. hielt die kaiserliche Position aufrecht, verfaßte auch selbst theologische Schriften zur Begründung der Ablehnung des Bilder-

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Beck, Handbuch II/II, S. 40ff.; Ostrogorsky, History, S. 107ff. Ostrogorsky, History, S. 117ff.; Martin wurde allerdings des Hochverrats angeklagt; Ostrogorsky, History, S. 119f. Ostrogorsky, History, S. 118. Dazu vor allem neben den allgemeinen Darstellungen, Ostrogorsky, History, S. 160ff.; Mazal, Das Byzantische Reich, S. 814ff., mit jeweils weiteren Verweisen auf Spezialliteratur; Beck, Die Griechische Kirche, S. 31ff.; vor allem die Aufsätze in Irmscher, Bilderstreit; Anastos, Leos III’s Edict; Gero, Iconoclasm Leo III, passim; auf Einzelverweise in Fußnoten wird im folgenden für den Gang der Ereignisse selbst verzichtet. Ausführlich dazu vor allem Gero, Iconoclasm Leo III, S. 44ff.; auch Ostrogorsky, History, S. 161; Strohmayer, in: Irmscher (Hrsg.), Bilderstreit, S. 83ff.; Beck, Die griechische Kirche, S. 32ff.

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Das oströmisch-byzantinische Reich

kultes.79 754 trat auf seinen Befehl in Hiereia ein Konzil zusammen, das mit der Verurteilung der Bilderverehrung endete.80 Der Papst und die östlichen Patriarchate von Antiocheia, Jerusalem und Alexandria waren nicht vertreten, weshalb dem Konzil später die Gültigkeit für die Ökumene bestritten wurde. Auf dieser, jedenfalls im Osten, nunmehr dogmatisch sicheren Grundlage ging Konstantin V. gegen die Ikonodulen vor. Es wird von Folter, Verbannungen, Einkerkerungen, Todesurteilen, Zerstörung der bilderfreundlichen Klöster im unmittelbaren Herrschaftsbereich des Kaisers im Osten berichtet. Aber diese Berichte wurden teilweise später verfaßt. Daher sind Vorbehalte wegen ihrer möglicherweise übertriebenen Tendenz anzumelden.81 Im Westen, im byzantinischen Teil Italiens, vor allem in Rom, vermochte sich der Kaiser hingegen nicht durchzusetzen. Zwar hielt Pippin, der inzwischen eng mit dem Papsttum verbündet war, in Gentilly 767 eine Synode, die der Vermittlung dienen sollte.82 An ihr nahmen byzantinische wie römische Legaten teil. Jedoch wurde der Streit nicht beigelegt. Die Päpste verurteilten den Beschluß des Konzils von Hiereira. Nach Pippins Tod sprach sich 769 eine Synode im Lateran, zu der auch fränkische Bischöfe gekommen waren, gegen die bilderfeindliche Haltung des byzantinischen Kaisers aus.83 Damit kam es auch zu einem Gegensatz zwischen den Franken und Byzanz. Auch später hatte der Bilderstreit nachhaltige Auswirkungen auf das Verhältnis der oströmischen Kaiser zu den karolingischen Herrschern von Pippin bis zu Ludwig dem Frommen.84

c. Ausgleichsversuche Durch den Tod Konstantins ließen zwar die Verfolgungen nach, aber Leon IV. hielt noch am Ikonoklasmus fest.85 Nach seinem Tod betrieben seine Witwe, die Kaiserin Eirene, und ihr Sohn, Kaiser Konstantin VI., die Wiederherstellung des Bilderkultes.86 Sie beriefen, auch auf Grund einer „Forderung“ des Volkes,87 mit Zustimmung Hadrians I. ein neues Konzil ein, das 787 zunächst in Konstantinopel und nach seiner Spren-

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Zur Position und zum Vorgehen Konstantins V. ausführlich Gero, Iconoclasm Constantine V, passim. Ibid., S. 53ff. So vor allem Speck, Kaiser, S. 66ff.; Speck äußert sich auch zu regionaler und gesellschaftlicher Verbreitung, S. 57ff.; das heißt aber nicht, daß Verfolgungen gar nicht stattgefunden hätten, zu diesen Gero, Iconoclasm Constantine V, S. 122ff. Ann. regni Franc. ad a. 767: Tunc habuit domnus Pippinus rex ... synodum magnum inter Romanos et Grecos de sancta Trinitate vel de sanctorum imaginibus. Vita Stephani III., Liber pont. I, cap. XCVI, S. 473. Dazu i. e. unten, S. 260ff. Speck, Kaiser, S. 98ff., besonders S. 101, sieht bei Leon IV. eine gewisse indifferente Haltung in der Bilderfrage. Speck, Kaiser, S. 115, 127ff., 131ff.; er hält es jedoch nicht für erwiesen, daß Eirene von Anfang den Plan gehabt habe, den Bilderkult wiederherzustellen, sie sei aber immer mehr auf diesen Weg eingeschwenkt. Speck, Kaiser, S. 137ff.

Ikonoklasmus

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gung durch Truppen ikonoklastisch gesonnener Bischöfe88 erneut 787 in Nicaea zusammentrat.89 Den Vorsitz hatte dieses Mal der päpstliche Vertreter inne. Auch die anderen Patriarchate waren vertreten. Jedoch waren keine fränkischen Bischöfe anwesend, da die Franken außerhalb des Reiches standen und von außerhalb nur die Patriarchen geladen wurden.90 Die fränkischen Bischöfe gehörten zum Patriarchat Roms, wurden also durch dieses vertreten. Wieweit hierin ein Grund für die spätere Ablehnung der Konzilsbeschlüsse durch Karl lag, ist später zu erörtern.91 Das Konzil stellte den Bilderkult wieder her. Die Beschlüsse wurden von den Kaisern bestätigt, verkündet und Hadrian I. übersandt, der sie ebenfalls bestätigte und in lateinischer Übersetzung Karl dem Großen übermittelte.92

d. Ausklang Damit war der Streit nicht beendet. Wieweit eine starke ikonoklastische Opposition bestand und aktiv war, kann offen bleiben.93 Jedenfalls blieb der Ikonoklasmus virulent, und Leon V. erneuerte ihn und damit auch den Kampf um die Bilder. Allerdings wurde er nunmehr nicht wieder ganz so heftig und gewalttätig gegen die Ikonodulen geführt. Wiederum wurde der bilderfreundliche Patriarch Nicephorus aus dem Amt gedrängt. Die Beschlüsse von 754 wurden von einer Synode in der Hagia Sophia im Jahre 815 bestätigt und damit das zweite Konzil von Nicaea von 787 wieder aufgehoben. Auch nach der Ermordung Leons V. blieb sein Nachfolger Michael II. beim Ikonoklasmus. Er versuchte sogar, Ludwig den Frommen durch eine Gesandtschaft 825 als Vermittler zum Papst zu gewinnen. Die Karolinger wurden so seit Pippin zum dritten Mal in diesen Streit hineingezogen. Unter Kaiser Theophilos lebte die Verfolgung der Ikonodulen noch einmal auf. Doch allmählich schwächte sich die bilderfeindliche Bewegung in ihrer Durchsetzungsfähigkeit immer mehr ab.94 Mit dem Tod dieses Kaisers 842 war die Kraft des Ikonoklasmus erschöpft.

e. Folgen Der Bilderstreit veränderte die Ordnung Europas religiös wie politisch grundlegend. Der Westen hatte sich nicht zuletzt deswegen im 8. Jahrhundert innerlich wie äußerlich, religiös wie politisch vom byzantinischen Imperium endgültig losgelöst. Ein westliches, fränkisch-römisches, christliches Imperium war neben dem byzantinischen

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Speck, Kaiser, S. 153. Einzelheiten bei Speck, Kaiser, S. 140ff. Speck, Kaiser, S. 163. Dazu unten S. 563. Speck, Kaiser, S. 178ff. Sehr zurückhaltend für eine solche unmittelbar nach dem Konzil, Speck, Kaiser, S. 189ff., der auch hier, wie sonst, zwischen den Ikonoklasten und Ikonodulen eine starke, eher differente Mittelgruppe behauptet, die sich jeweils dem „mainstream“ anzuschließen bereit gewesen sei. Die Kaiserin konnte der Bilderverehrung fast ungehindert nachgehen.

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Das oströmisch-byzantinische Reich

entstanden. Die zweite Welle des Ikonoklasmus hatte sich daher dort schon, abgesehen von der genannten Gesandtschaft Michaels II., inhaltlich-religiös nicht mehr bemerkbar gemacht. Sie war eine Sache ausschließlich des nunmehr auf den Osten beschränkten byzantinischen Reiches. Dieses hatte im Verlauf des Streites aufgehört, die universale christliche Macht zu sein. Die beiden christlichen Imperien gingen mehr und mehr eigene Wege, auch nach dem Zerfall des karolingischen Großreiches nach dem Tode Ludwigs des Frommen. Gewiß war der Streit um die Bilderverehrung nicht die einzige Ursache für diese Trennung. Der politische Aufstieg der Karolinger war von entscheidender Bedeutung, hing aber selbst mit ihm indirekt zusammen. Vor allem gab der Bilderstreit in seinem Beginn in der Mitte des achten Jahrhunderts im Zusammenwirken mit der langobardischen Bedrohung einen tragfähigen Anker für die politische Distanzierung des Papsttums von Byzanz. Aber auch im östlichen Teil schwächte er das Reich zeitweise erheblich und erleichterte es so den äußeren Feinden, Bulgaren und Arabern vor allem, immer wieder erfolgreiche Angriffe auf das Reich zu führen und ermöglichte ihnen nicht nur vorübergehende, sondern auch dauernde Erfolge. Der Bilderstreit zeigt schließlich paradigmatisch, welche fundamentale Bedeutung religiöse Fragen auch im byzantinischen Imperium für dessen Existenz, für die Herrschaft und für das gesamte innere Leben hatten. Insofern unterschied sich dem Grunde der Herrschaft nach das byzantinische Imperium nicht von dem karolingischen. Grundsätzlich war politische Ordnung für die christlichen Mächte ganz allgemein nur auf einem religiösen Fundament denkbar und auszuüben.

Die doppelte Stellung des Papsttums

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3. Ka pit el: D a s Pa pst t um I. D ie d o p p e lt e Stel l u n g d es P ap s ttu ms Die päpstliche Stellung in der damaligen politischen Welt hatte ihren Grund in deren geistlich-religiösen Stellung in der christlich bestimmten Grundlegung dieser Welt, die sich selbst als Verwirklichung der christlichen Ordnung in der Gestaltung der politischen Welt begriff. Aber das geistlich-religiöse Fundament des Papsttums erhielt gerade in dieser Zeit eine weltliche Ergänzung. Es entwickelte sich zu einer Macht eigentümlicher Art, die zwar politisch handelte, aber ihre eigentliche Kraft aus den geistlich-religiösen Quellen zog.1 Anders als im Alten Orient, aber auch in der griechischen und römischen Antike bilden im Christentum die geistlich-religiöse Sphäre und die weltlich-herrschaftliche Sphäre von Anbeginn an keine monistische, sondern eine dualistische Struktur. Zwar stellte diese ursprünglich, so schon in dem Jesus-Wort in dem Bericht vom Zinsgroschen „Gebt dem Kaiser was des Kaisers, und Gott was Gottes ist“,2 nur einen inhaltlichen Dualismus dar. Aber in der Ausbildung der in den ersten drei Jahrhunderten von der weltlichen Herrschaft völlig unabhängigen, dieser z. T. entgegengesetzten Kirche verfestigte sich die christliche religiös-geistliche Sphäre auch institutionell in einer eigenen organisatorischen Struktur. Diese wurde auch im christlich gewordenen Römischen Reich nicht prinzipiell aufgehoben. Allerdings war diese dualistische Struktur nicht eine einfache der schlichten Trennung, sondern der vielfachen inhaltlichen und auch organisatorischen Verbindungen und Verknüpfungen. Sie trugen und prägten bis in die Frühe Neuzeit gemeinsam die gesamte Ordnung. Diese Verknüpfungen werden gerade in unserer Epoche bestimmend. Aber die nähere konkrete Bestimmung der Beziehungen mußte immer neu ausbalanciert werden und sorgte nach unserer Epoche für erhebliche Auseinandersetzungen zwischen den Trägern der beiden Sphären, bis hin zu Kriegen. Innerhalb der Kirche gewann der Bischof von Rom und Patriarch des Westens seit dem 5. Jahrhundert zunächst in Italien und dann darüber hinaus im gesamten Westen des alten Reiches eine zentrale Stellung.3 Es gelang den Päpsten, mehr und mehr einen geistlichen Primat in diesem Teil der Kirche aufzubauen. Dieser Vorgang vollzog sich einerseits in der Auseinandersetzung mit den Kaisern in Konstantinopel, denen die Päpste zwar noch bis in das 8. Jahrhundert „staatsrechtlich“ unterstanden, denen sie aber in zentralen Glaubensfragen entgegentraten, in unserer Epoche vor allem im Streit um die Bilderverehrung. Andererseits bauten sie im Westen in den neuen germanischen Reichen ihre Stellung durch Mission, Bekämpfung des Arianismus, Ausbau der

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Die wachsende politische Bedeutung des Papsttums betont auch Ganshof, Moyen Age, S. 20ff. Lukas Kap. 20, V. 21–26. Süd- und Mittelitalien unterstanden den Päpsten als Metropolitanbezirk unmittelbar, Angenendt, Frühmittelalter, S. 244.

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Das Papsttum

Kirchenstruktur, in der Suche nach politischen Verbindungen zu den weltlichen Herrschern, aber auch in Auseinandersetzung mit ihnen aus. Beides führte nach und nach auch zu einer größeren weltlichen Verselbständigung des Papsttums gegenüber den oströmischen Kaisern, zumal in Folge des Zerfalls der kaiserlichen Herrschaft im Westteil des Reiches seit dem 5. Jahrhundert und dem ständigen Wechsel der weltlichen Herrschaften. Das Papsttum war in der karolingischen Epoche soziologisch gesehen ein römisches Papsttum. Die Päpste stammten weitestgehend aus römischen, wenn auch u. U. von außen zugezogenen Familien, waren mit dem römischen Adel und den Gruppierungen verbunden und in Konflikten. Es war so eingebettet in die stadtrömischen Verhältnisse, die es in unterschiedlichem Maße beherrschte und von denen es in unterschiedlichem Maße abhängig war.4 Diese „weltlichen“ Verhältnisse und ihre Probleme bestimmten selbstverständlich auch das Handeln der Päpste. So suchte Leo III. 799 Hilfe bei Karl gegen seine internen Widersacher. Aber es ist eine zu sehr auf die weltlich-politische Sphäre verengende und damit einseitige Sicht, wenn die Beziehungen des Papsttums mit den Karolingern aus einem sich gegenseitigen stützenden Aufstieg einerseits des „national-römischen Adelspapsttums“ und andererseits der „pippinschen Familie“ interpretiert werden.5 Die Komplexität der frühmittelalterlichen Ordnung im allgemeinen und der Stellung des Papsttums in dieser Ordnung wird damit um eine tragende Struktur verkürzt. Zwar müssen beide Sphären auf der dualistischen Grundlage unterschieden werden. Aber sie bedingten sich gegenseitig auf vielfältige Weise und waren auf komplexe Weise miteinander verknüpft.

II . Di e gei s tl i ch e S tel l u n g a. Oströmisch-päpstlicher Primatsstreit Auch nach der Anerkennung des Christentums bezog die weltliche Gewalt der römischen Kaiser von vorneherein nicht nur die Kirche als Organisation, sondern auch die inhaltlichen Glaubensfragen bereits unter Konstantin in ihre Herrschaftsausübung ein, wenn auch mit einer gewissen Zurückhaltung in der Sache. Grundlage war das bestehende römische ius publicum, das auch die Religionsfragen mit umfaßte. 6 Hier trafen also überkommene antike monistische und neue dualistische Konzeptionen aufeinander. Das führte im weiteren zu ersten Konflikten auf christlicher Grundlage in späterer Zeit. In besonderer Weise vertrat Justinian I. die Auffassung, Stellvertreter Christi zu sein und die letzte Entscheidung auch in Glaubensfragen inne zu haben.7 Vom oströmischen Reich her gesehen waren die Päpste lediglich Patriarchen neben den anderen, wenn auch die einzigen des Westens. Sie standen insofern nach kaiserli4 5

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Herbers, Stadt Rom, S. 594 ff. Caspar, Papsttum S. 9. Die wachsende Bedeutung der religiösen Gründe betont hingegen Fleckenstein, Karl der Große und seine Hofgelehrten, S. 29. Zum folgenden u. a. Ullmann, Gelasius I., S. 1 ff. Angenendt, Frühmittelalter, S. 145f. mit Verweis auf das Konzil von Konstantinopel 553 und die kirchenrechtlichen Regelungen des Codex iuris civilis; ders. Karl der Große, S. 260 f.

Die geistliche Stellung

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cher Auffassung unter der von den Kaisern in Anspruch genommenen allgemeinen Leitungsgewalt, die auch für die Kirche galt. Gegen diesen kaiserlichen caesaro-papistischen Anspruch setzten die Päpste auf der Grundlage der inhaltlichen, aber auch der institutionellen Selbständigkeit der geistig-religiösen Sphäre einen alleinigen geistigen Lehr- und Jurisdiktionsprimat der Kirche, der weitgehend durch sie wahrgenommen wurde.8 Sie konnten in gewisser Weise an das Edikt Theodosius des Großen von 380 anknüpfen, durch das der Glaube, wie er von Petrus den Römern überliefert worden war, zur Staatsreligion erklärt wurde. Ausgangspunkt der päpstlichen Auffassung war, daß Rom der sicher bezeugte apostolische Ort mit den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus, den beiden bedeutendsten Aposteln sei.9 Formuliert hatten diese Auffassung eine Reihe bedeutender Päpste seit Innozenz I. im 5. Jahrhundert in unterschiedlicher Weise. Es ging nun um die Behauptung des auf Petrus zurückgeführten Lehrprimats. Grundlegend waren die Darlegungen Leos des Großen (440–461) und Gelasius I. (492–496). Leo I. hatte sich als erster als Vertreter des hl. Petrus bezeichnet,10 worauf sich später die Päpste des 8. Jahrhunderts gegenüber den Frankenherrschern vor allem beriefen. Aus dieser Stellvertretung leitete Leo I. das universale Leitungsamt in der Kirche für die Päpste ab. Denn Petrus hatte nach päpstlicher Auffassung die Schlüsselgewalt von Christus selbst erhalten, die auf seine Nachfolger und Stellvertreter übergegangen sei. Gelasius I. setzte der rex-sacerdos-Idee der Kaiser die bekannten, Jahrhunderte lang nachwirkenden Zuordnungen der Aufgaben des Papstes und des Kaisers in der sogenannten Zwei-Gewalten-Lehre entgegen.11 Diese ging ihrerseits aber auf ältere Lehren des Cyprian und des Ambrosius zurück.12 Die religiöse auctoritas wurde den Priestern und in besonderer Weise dem Papst, der „nach höchstem göttlichen Willen alle Priester überragen sollte“, zugesprochen, der insofern auch ein religiöses Leitungsrecht gegenüber dem Kaiser besaß, soweit es um dessen religiöses Leben und auch um die religiösen Entscheidungen ging. Auf die Begründungen ist hier nicht einzugehen, auch nicht auf die differenzierenden Darlegungen im einzelnen.13 Die Konsequenzen waren deshalb erheblich, weil das Reich selbst ein christliches war, das Reich des Volkes Gottes, und daher nach christlichen Grundsätzen und Gesetzen leben sollte und mußte. Die päpstlichen Auffassungen blieben gegenüber den byzantinischen Kaisern ohne Wirkung, wurden aber grundsätzlich festgehalten. Als Martin I. sich im Streit um den Monotheletismus weigerte, der byzantinischen Linie zu folgen und ein Dekret des Kaisers Herakleios I. 649 auf einer Synode im Lateran verurteilen ließ, wurde er dafür 8

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Angenendt, Karl der Große, S. 261, nennt sie „den Sonderweg der abendländischen Kirchenfreiheit“. Eingehend zur Entwicklung Ullmann, Gelasius, S.20 ff. Dazu Ullmann, Machtstellung, S. 2ff. Textauszug aus dem Briefe des Papstes an Kaiser Anastasios I. von 494 bei Grewe, Fontes, Bd. 1, S. 274. Dazu i. e. unten S. 558ff. Zu der Ecclesiologie des Ambrosius und der Einbindung des Kaisers in die Kirche Ullmann, Gelasius S. 10 ff, der u. a. darauf hinweist, daß dieser als erster für den getauften Kaiser den Begriff „filius“ einführt, den die Päpste später stets gegenüber den fränkischen Herrschern anwenden. Dazu eingehend Ullmann, Gelasius, S. 163 ff.

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Das Papsttum

wegen Hochverrat auf die Krim verbannt. Auch Gregor II. widersetzte sich fast hundert Jahre später den Anordnungen Leons III. gegen die Bilderverehrung. Ein ähnliches Schicksal wie Martin I. konnte er aber unter Hinweis auf die Möglichkeit, zu den Nachbarn, d. h. zu den Franken auszuweichen, verhindern.

b. Westorientierung Parallel zu den Auseinandersetzungen mit den Kaisern in Konstantinopel begannen die Päpste ab Gregor dem Großen (590–604), sich auf der geistlich-religiösen Ebene mehr und mehr dem sich in den germanischen Reichen politisch neu organisierenden Westen zuzuwenden. Dieser lag außerhalb des byzantinischen Einflußbereiches. Mit der Taufe Chlodwigs 498 war es zum ersten mal gelungen, einen der großen, von den Kaisern unabhängigen germanischen Herrscher in die römisch-katholische Kirche aufzunehmen. Allerdings blieb die fränkische Kirche zunächst nur sehr locker mit Rom verbunden und führte weithin ein Eigenleben. Gregor I. hatte zu Beginn des 7. Jahrhunderts die Mission neu belebt und insbesondere die englische Mission begründet. Damit schuf er eine geistlich-institutionelle „römische“ Basis außerhalb des Reiches. Denn allmählich setzte sich die „römische“ Observanz gegen die „irische“ durch und band die englische Kirche eng an das Papsttum14. Von dort kehrten im 7. und 8. Jahrhundert Willibord, Bonifatius u. a. englische Missionare auf das Festland zurück. Sie trugen nicht nur die Mission außerhalb des fränkischen Herrschaftsbereiches und an seinen Rändern, sondern konnten auch für die fränkische Reichskirche in den karolingischen Kirchenreformen nach und nach eine strenge Romorientierung durchsetzen. Der englische Einfluß blieb dort zudem lange Zeit bestimmend, u. a. mit Karls Berater und Freund Alcuin, dem ersten von Karl eingesetzten Bischof von Münster Ludger u. a. Die Päpste gewannen so nach und nach außerhalb des Reiches und unabhängig vom Kaiser einen eigenen geistlich-kirchlichen Handlungsraum. Da sie auch für diese Kirchen des Westens zu handeln hatten, stärkte das ihre Stellung in den geistlichen Auseinandersetzungen mit den Kaisern. Zwar blieben sie noch bis weit in das 8. Jahrhundert „staatsrechtlich“ Untertanen des Kaisers und nach innen wie nach außen an das allgemeine Recht des Reiches wie an dessen Weisungen gebunden. Die Wahl der Päpste bedurfte der oströmischen Bestätigung; erst danach durfte die Weihe zum Bischof von Rom erfolgen. Noch bis Hadrian I. zählten die Päpste ihre Regierungsjahre auch nach denen der oströmischen Kaiser. Aber gerade durch die Ausdehnung ihrer geistlichen Jurisdiktion über das Reich hinaus und über verschiedene Königreiche erhielt das Papsttum einen universellen Charakter, war es nicht mehr in einem Herrschafts- oder gar Gentilverband verankert. Es wurde übergentil oder nach heutigem Sprachgebrauch übernational, eine völlig neue Dimension institutionalisierter Religiösität. Erst nach dem Zerfall des karolingischen Großreiches trat allerdings die ganze Bedeutung dieser Entwicklung klar hervor. Denn sie hielt das westliche, sich politischherrscherlich immer mehr zergliedernde Europa inhaltlich und institutionell zusam-

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Angenendt, Frühmittelalter, S. 223 ff.

Die weltliche Stellung

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men. Der Ostteil des Reiches machte diese Entwicklung zur institutionellen und nicht nur inhaltlichen Universalität nicht, jedenfalls nicht in demselben Maße mit.

II I. D ie w el tl i ch e S tel l u n g a. Ausgangslage Rom und der Dukat von Rom gehörten zu Beginn unserer Epoche zum Herrschaftsbereich des oströmischen Kaisers, der durch den Exarchen mit Sitz in Ravenna auch gegenüber dem Papst repräsentiert wurde.15 Der Papst war also „Untertan“ der Kaiser. Die weltlichen Verwicklungen in Italien und die Schwäche der oströmischen Kaiser im achten Jahrhundert führten jedoch allmählich zu einer grundlegenden Veränderung der politisch-weltlichen Stellung des Papsttums. Denn die Kaiser bzw. die Exarchen waren immer weniger in der Lage, den gebotenen Schutz, vor allem gegen die andrängenden Langobarden zu gewährleisten, die auch nach 680 nicht nur byzantinisches Gebiet eroberten, sondern auch die Päpste politisch-militärisch immer stärker bedrängten. Sie strebten nach der Herrschaft über ganz Italien und versuchten daher, den zwischen den nördlichen und südlichen langobardischen Gebieten von Venetien über Ravenna quer durch die Halbinsel über Rom bis Neapel gelegenen Streifen byzantinischer Herrschaft zu gewinnen.

b. Der römische Dukat Rechtlich-organisatorischer Ansatzpunkt der wachsenden Verselbständigung des Papstes war der Dukat von Rom. Stand auch das byzantinische Italien unter der Leitung des Exarchen, so war es doch in mehrere Verwaltungseinheiten, die unter einem vom Kaiser bestellten dux stehenden Dukate, eingeteilt. Auch Rom selbst bildete einen Dukat.16 Dieser wurde von Leon III. verwaltungsorganisatorisch mit seinem dux verselbständigt und aus der Zuständigkeit des Exarchen gelöst. So erhielt der dux wohl wie der Exarch auch den Titel eines patricius. Er und nicht mehr der Exarch bestätigte die Wahl des Papstes Zacharias. Auch schloß der dux von Rom einen eigenen Waffenstillstandsvertrag mit den Langobarden.17 Der restliche Exarchat Ravenna bestand aus Ravenna, dem Dukat Venetien und der Pentapolis. Die Bestellung des römischen dux ging mehr und mehr auf den Papst über, der also eigene Herrschergewalt im Dukat entfalten konnte, aber an der Zugehörigkeit zum Reich zunächst festhielt.

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Diehl, Études, S. 168ff. Siehe Diehl, Études, S. 31, 40, 63ff., zur Abgrenzung; ibid., S. 124ff., zur Verwaltung. Hartmann, Untersuchungen, S. 26 und 134; ders., Geschichte, S. 25, 113. Er sieht in dieser Neuorganisation eine Übertragung der Themenverfassung auf Italien, das damit drei Themen erhielt, Süditalien und Sizilien, Rom mit umliegenden Provinzen und die nördlichen Gebiete um Ravenna. Der dux war, wie der Exarch, ursprünglich militärischer Befehlshaber, erlangte dann aber ebenfalls die Leitung der zivilen Verwaltung; Diehl, Études, S. 141ff.; zur Stellung des dux in Rom, ibid., S. 132 und 145ff.

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Das Papsttum

c. Italienische Loslösung Diese weltliche Stellung der Päpste stärkte sich aus verschiedenen Gründen. Sie traten an die Spitze einer italienischen Widerstandsbewegung gegen Byzanz in Steuerfragen. Sie übernahmen ab Gregor II. (715–731) mehr und mehr die Auseinandersetzung im Verhältnis zu den Langobarden, die ihren Druck auf die oströmischen Gebiete im Exarchat und vor allem auf Rom selbst ständig verstärkten. Die Kaiser leisteten keine Hilfe. Vor allem aber führten sie den Bilderstreit gegen die Kaiser Leon III. und Konstantin V. Italien stand dabei auf ihrer Seite gegen den byzantinischen Ikonoklasmus und war zur Verteidigung des Papstes durchaus bereit. Die kaiserlichen duces wurden abgesetzt und eigene gewählt.18 Das kostete zwar zum einen den allergrößten Teil der Einkünfte der Päpste aus dem süditalienischen Patrimonium Petri, das Leon III. fast konfiskatorisch besteuerte, und zum anderen die griechischen und süditalienischen Teile des Patriarchats, die, ebenfalls von Leon III., 732/33 dem Patriarchat von Konstantinopel unterstellt wurden. Das bedeutete zwar eine Schwächung der weltlichen Stellung der Päpste. Aber gerade durch diesen Schritt wurde die Trennungslinie zwischen dem byzantinisch-hellenistischen Süditalien und dem römisch-lateinischen Zentralitalien wesentlich klarer und endgültiger gezogen, so daß er zur wachsenden Selbständigkeit päpstlicher Herrschaft mehr beigetragen als sie behindert haben könnte.19 Noble hat dargelegt, daß der Prozeß der Ausbildung und Verfestigung päpstlicher Herrschaft nach dem Friedensschluß zwischen den Langobarden und Byzanz 680/81 langsam begann. Da Italien mehr und mehr sich selbst überlassen werden mußte, wurde es auch mehr und mehr „italienisch“, d. h. es bildete sich eine italienische gesellschaftliche Struktur, die ihre Interessen in Italien hatte, sich auf Italien konzentrierte und sich innerlich mehr und mehr vom Reich löste, ja die byzantinische Herrschaft als drückend empfand.20 Die Päpste vermochten ihre führende Stellung in diesem Lösungsprozeß zu gewinnen, weil sie nicht nur päpstliche, sondern auch allgemein „italienische“ Hoffnungen auf und Drängen nach der Verselbständigung von Byzanz vertraten.

d. Zur res publica Die territorialen Ansprüche der Päpste beschränkten sich nicht mehr auf Rom und den Dukat, sondern erstreckten sich auf alle verbliebenen byzantinischen Gebiete in Zentral- und Nord-Ost-Italien, also den Exarchat, die Pentapolis, aber auch Venetien und Istrien. Selbst die langobardischen Herzogtümer Spoleto und Benevent sollten eingegliedert werden.21 Die päpstlichen Ansprüche konkretisierten sich jedoch zunächst nur für den ducatus Romanus und allmählich mit fränkischer Hilfe für den Exarchat. Venetien wie erst

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Dazu Miller, Revolution, S. 101ff. So Noble, Republic, S. 41f. Noble, Republic, S. 2ff. Noble, Republic, S. 54, S. 94f., S. 40.

Die weltliche Stellung

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recht Istrien blieben stets außerhalb der tatsächlichen Herrschaft, die Herzogtümer blieben umsritten. Sie tauchen aber alle in der promissio donationis Karls von 774 auf. Gegenüber dem Exarchat waren die Ansprüche nicht nur wegen der bis 751 bestehenden byzantinischen Verwaltung, sondern auch und vielleicht noch mehr wegen der Ablehnung durch die Ravennaten selbst zunächst nicht durchsetzbar. Außerdem versuchten die langobardischen Könige von Liutprand bis Desiderius immer wieder, Zugriff auf diese Gebiete zu nehmen. Als Kerngebiet eigener und zunehmend selbständiger und unabhängiger weltlicher Herrschaft schälten sich also zunächst Rom und der Dukat heraus, d. h. die Gebiete um Rom. In diesem Gebiet sei die Republik, so Noble, aber in der Zeit von 729 bis 733 endgültig „geboren“ worden.22 Im Jahr 742, nach dem Frieden von Terni, in dem Liutprand Papst Zacharias eine Reihe von Ortschaften und Gebieten per donationis titulo übergab, bekam das Herrschaftsgebiet auch zum ersten Mal einen klaren „staatsrechtlichen“ Namen, nämlich res publica. 23 Der Papst verhandelte und schloß einen Vertrag in eigenem Namen, nicht in dem des Kaisers, auch für den populus Romanus. Die res publica war das Ergebnis päpstlicher Politik in Italien gegenüber den Byzantinern wie den Langobarden, nicht also einer Donation oder anderer Akte von außen. Damit war der strukturelle Dualismus aber für das Papsttum nicht aufgehoben. Denn seine geistliche Gewalt erstreckte sich, jedenfalls dem Anspruch nach, zum einen auf die Kirche in allen anderen Herrschaftsgebieten oder –verbänden, also weit über das eigene weltliche Herrschaftsgebiet hinaus und war zum anderen auch in diesem nicht etwa mit der weltlichen Herrschaft identisch. Es war daneben eine eigenständige politische Macht entstanden, die sich im weiteren mit Nachdruck um eben ihren Erhalt, ihre Verfestigung und auch um ihre territoriale Ausdehnung mühte. Hadrian I. tat einen weiteren Schritt zur Lösung von Ostrom. Dieser hatte sich gegenüber Konstantinopel zunächst an das Herkommen gehalten, eine Wahlanzeige nach Byzanz geschickt, auch Verschwörer aus der Zeit Stephans III. nach Konstantinopel übergeben, zählte seine Pontifikatsjahre nach denen des Kaisers und ließ Münzen mit dessen Bildnis prägen. Aber das änderte sich. Die Urkunden wurden ab 787 mit der Jahresangabe nach Christi Geburt ausgestellt. Das Kaiserbildnis auf den Münzen wurde durch das eigene ersetzt. Hadrian baute „seinen“ Palast, den Lateran, der den Päpsten von Konstantin übergeben worden war, aus und ließ anscheinend den kaiserlichen Palast auf dem Palatin demontieren.24 Das waren herrschaftliche Handlungen der Unabhängigkeit und Selbständigkeit. Sie bauten auf einem zwar kleineren als erhofft, aber doch nunmehr sicheren territorial-herrschaftlichen Besitzstand auf. Er vertiefte schließlich intensiv die seit Stephan II. aufgebauten eigenen Beziehungen zu den fränkischen Königen mit Karl dem Großen.

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Noble, Republic, S. 40. Noble, Republic, S. 51; Vita Zacharii, Liber pont. I, S. 428, Z. 21; erst ab Stephan II. wurde allerdings die Bezeichnung sanctae Dei ecclesiae rei publicae Romanorum gängig; Noble, Republic, S. 94ff. Angenendt, Frühmittelalter, S. 295.

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Das Papsttum

e. Der Übergang Es blieb nicht bei eigener weltlicher Herrschaft in der res publica. Mit der Legitimierung der Königsherrschaft Pippins griffen die Päpste zum ersten Mal in höchst ungewöhnlicher und neuer Weise kraft ihrer geistlichen Gewalt in die weltliche Herrschaftsordnung ein. Das setzte sich fort bis zur Kaiserkrönung Karls des Großen 800. Damit war eine neue Dimension des Verhältnisses der geistlich-religiösen und der weltlich-herrscherlichen Sphären und ihrer Institutionen zueinander entstanden, die für Jahrhunderte die europäische Ordnung prägen sollte. Aber zunächst gerieten die geistlichen wie die weltlichen Ziele des Papsttums durch die Langobardenkönige, nicht durch Byzanz, in höchste Gefahr. Die res publica drohte unter langobardische Herrschaft zu kommen, der Bischof von Rom und Patriarch des Westens zu einem langobardischen Provinzialbischof zu werden. Da der Kaiser keine Hilfe leisten konnte oder wollte, setzte an diesem Punkte die politische Bedeutung des Übergangs der Päpste zu den Karolingern ein. Denn die Päpste versuchten die seit Karl Martell aufgebaute religiös-kirchliche Bindung zum Schutz ihrer geistlichen, aber auch der bereits erworbenen weltlichen Rechte zu nutzen, beim ersten Mal 739 vergeblich, beim zweiten Mal 754/755 und dritten Mal 774 erfolgreich. So traten neben die geistlich-kirchlichen Verbindungen zwischen Päpsten und Frankenherrscher weltlich-bündnishafte. Religiös-kirchliche und politische Bindungen verknüpften sich somit in den Beziehungen der karolingischen Herrscher mit den Päpsten in besonderer Weise. Die einen können nicht ohne die anderen erfaßt werden. Aber der prinzipielle Dualismus der beiden Sphären wurde auch dadurch nicht aufgehoben. Das machte die Eigenart derselben aus.

IV. In n e re Ve rf as su n g d es w er d en d en K i r ch en s taates a. Papstwahl Der Papst wurde als Bischof von Rom von den Priestern und Laien Roms gewählt, wie andere Bischöfe auch von ihren Gemeinden gewählt wurden.25 Allmählich trat eine Gliederung der Wähler ein. Papst Zacharias wollte die Mitwirkung der Laien ausschließen. Aber spätestens Ludwig der Fromme stellte sie im Pactum Hludovicianum wieder her, und Lothar I. bestätigte sie in der Constitutio Romana.26 Es kam immer wieder zu unkanonischen Wahlen, oder es wurden solche behauptet, um einen Gewählten zu verstoßen, so in der Nachfolge Pauls I. Auch waren die Wahlen wiederholt mit schweren innerrömischen Unruhen verbunden, so auch 824. Da die Dislozierung eines Bischofs von einer Diözese zu einer anderen zu der Zeit zumindest unüblich war, wurde der neue Papst aus dem römischen Klerus genommen und dann zum Bischof geweiht. Zunächst war die Wahl dem Kaiser in Konstantinopel, später dem Exarchen anzuzeigen. Erst nach einer Bestätigung kam es zur Weihe. Das 25 26

Plöchl, Geschichte, S. 134 ff. und S. 312 ff. Pactum Hludocicianum, MGH LL II, Capit. I, Nr. 172, S. 353, S. 354 Z. 40 ff., dt. Anhang Nr. 16, und Constitutio Romana, ibid., Nr. 161, S. 322, c. 3, S. 323 Z. 21.

Innere Verfassung des werdenden Kirchenstaates

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verlor sich im 8. Jahrhundert. Jedoch wurde die Anzeige nach der Wahl an den fränkischen Herrscher üblich. Ludwig der Fromme schrieb sie im Pactum vor. Gleichzeitig sollte die amicitia zwischen dem neuen Papst und dem fränkischen Herrscher erneuert werden.

b. Päpstliche Rechte In kirchlichen Angelegenheiten nahmen die Päpste den Primat für sich in Anspruch, der aber gegenüber Byzanz nur bedingt durchzusetzen war. Auch mit Karl dem Großen hatte Hadrian I. einen, wenn auch kaschierten Konflikt in der Frage der Bilderverehrung. In weltlichen Angelegenheiten stand die Gesetzgebung, Jurisdiktion, und auch die Pflege der Beziehungen zu anderen Mächten grundsätzlich den Päpsten zu. So traten stets sie den fränkischen Herrschern gegenüber und erschienen als Träger der Beziehungen und deren Regelungen. Vor allem zu Beginn legten die Päpste von Stephan II. bis Hadrian I. das in ihren Briefen und in ihrem Auftreten deutlich dar. Jedoch wuchs seit Hadrian I. die Abhängigkeit von den fränkischen Königen bzw. Kaisern. Beruhte das Pactum Hludovicianum von 817 noch auf einer Vereinbarung Ludwigs des Frommen mit Paschalis I., so erließ Lothar 826 die Constitutio Romana einseitig. Eugen II. zeigte 824 nicht nur seine Wahl an, sondern leistete einen Treueid gegenüber den Kaisern Ludwig und Lothar, begründete also eine gewisse Abhängigkeit. Dieser Treueid wurde seitdem üblich, und zwar vor der Weihe. Das alte römische kaiserliche Bestätigungsrecht lebte damit bei den karolingischen Kaisern wieder auf. Lothar stellte 840 das Pactum Veneticum auch für die päpstlichen Gebiete aus, nicht nur für die kaiserlichen. Sowohl 799 als auch 824 gab es Untersuchungen der fränkischen Herrscher zu den Unruhen gegen Leo III. und nach dem Tode Paschalis I. Eine Gerichtsbarkeit über den Papst nahmen aber die fränkischen Herrscher nicht in Anspruch. Insgesamt bildeten die Päpste in dieser Epoche nicht nur eine geistlich-spirituelle, sondern auch eine selbständige politische Macht, handelten nach eigenen politischen Entscheidungen, insbesondere in der Entscheidung über die Bündnisfrage mit den karolingischen Herrschern. Sie gerieten zwar nach ihrer faktischen wie staatsrechtlichen Lösung von Byzanz nach und nach unter fränkische Dominanz. Doch hatten sie in der uns interessierenden Zeit eine hinreichende Selbständigkeit ihres Handelns, um sie als eigene Macht im Verhältnis zu den Karolingern aber auch gegenüber anderen Mächten anzusehen.

c. Innere Organisation Die Anfänge der Behördenorganisation liegen im 4. Jahrhundert.27 Bereits länger gab es Notare, die jedenfalls im 6. Jahrhundert ein Kollegium bildeten. An dessen Spitze stand der primicerius notariorum. Später trat ein secundecerius hinzu. Eine zweite Gruppe bildeten die defensores, die anwaltliche und ähnliche Tätigkeiten ausübten. 27

Zum Folgenden, Plöchl, Geschichte, Bd. 1, S. 139 ff. und 317 ff.

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Das Papsttum

Auch an ihrer Spitze stand ein primicerius. Aus ihnen entwickelte sich die Justizverwaltung. Einen dritten Zweig bildete die Finanzverwaltung. Schließlich wurde im 4. oder 5. Jahrhundert das scrinium errichtet, als Kern der päpstlichen Regierungs- und Verwaltungsorganisation. Es wurden die scrinarii und chartularii bestellt. Insgesamt entstand also schon recht früh, noch vor dem eigentlichen „Kirchenstaat“ selbst, eine ausgebildete Verwaltung für die römische Kirche und ihre schon recht reichen Besitzungen, wie für ihre weitreichenden Tätigkeiten. Viele dieser „Beamten“, die vom Papst berufen wurden, waren auch als päpstliche Gesandte tätig, nach Konstantinopel, zu den allgemeinen und regionalen Konzilien und Synoden, später auch zu den fränkischen Herrschern. Aber es kam wohl auch zu einem Ausbau des Gesandtschaftswesens ab dem 5. Jahrhundert, als die apocrisarii als eigene Gruppe erschienen. Gerade sie waren vor allem mit weltlichen Geschäften betraut. In Konstantinopel wurde wohl auch eine ständige Vertretung des Papstes eingerichtet.28 Schließlich wurden Vikariate gebildet, die für die Sicherung der päpstlichen Rechte in weiter entfernten Regionen verantwortlich waren. Je mehr die Päpste weltlich-herrscherliche Aufgaben wahrnahmen, desto weiter mußte dieser Apparat ausgebaut werden. Es trat im 7. Jahrhundert eine Konzentration des Apparates am Lateranspalast ein. Unter Stephan II. wurden beide Seiten päpstlicher Tätigkeit, die religiös-kirchliche und die weltlich-herrscherliche organisatorisch zusammengefaßt. Es entstand die Gruppe der iudices palatii, zu denen die bereits genannten Spitzen gehörten, sowie der acarcius, der sacellarius, der protoscrinarius und der nomenculator. Sie begegnen uns in unserer Epoche ebenfalls immer wieder als Gesandte zu den Frankenherrschern, auch als Briefpartner etc. Sie leisteten zusammen mit Hadrian I. 774 in Sankt Peter die Sicherheitseide wie die fränkischen Großen mit Karl auf der anderen Seite. Der primicerius notariorum hatte die Spitzenstellung inne. Sie alle wurden vom Papst ernannt. Ihre Stellung war besonders in der Sedisvakanz stark. Aber der neue Papst konnte sie auswechseln, riskierte dann jedoch Widerstand.

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ibid., S. 142.

Langobarden

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4 . K a pit e l: S on st ige c h r i s t l i c h e M ä c h t e I. L a ng o b ar d en a. Italienische Rivalität Zwar vereinigte Karl der Große 774 das Königreich der Langobarden mit seinem fränkischen Herrschaftsbereich unter seiner Königsherrschaft und nannte sich fortan rex Francorum et Langobardorum. Das langobardische Königreich verschwand damit als eigener Herrschaftsverband aus der politischen Welt. Aber bis dahin waren die langobardischen Könige über Jahrzehnte gleichrangige Gegenspieler und Rivalen der karolingischen Herrscher in Italien, auch im Verhältnis zum Papsttum. In der Auseinandersetzung mit ihnen unter Pippin begann eigentlich die karolingische Außenpolitik, die mehr war als einerseits Wiedererlangung der Oberhoheit über zur Unabhängigkeit strebende ältere Reichsteile und andererseits kriegerische Unterwerfung der in der Regel nichtchristlichen Nachbarn. Das langobardische Reich war wie das fränkische inzwischen katholisch. Es war wohl organisiert und kriegerisch mächtig. Es war zu Beginn keineswegs sicher, wer sich in Italien letzten Endes gegenüber dem anderen behaupten würde.

b. Innere Herrschaftsstruktur Die langobardische Herrschaftsstruktur gipfelte in einem Königtum.1 Der König wurde gewählt von der Volksversammlung, die, ähnlich wie im Frankenreich, eine Versammlung der Krieger war. Jedoch nahmen an ihr vor allem die Großen, d. h. die duces und die mit der Verwaltung der umfangreichen königlichen Güter betrauten Gastalde und sonstigen bedeutenden Männer, nicht aber alle Krieger regelmäßig teil.2 Ein Erbrecht der Königswürde bestand nicht. Demnach existierte keine rechtlich gesicherte Nachfolge innerhalb einer Familie. Es hing von der Stärke des Vaters ab, ob ein Sohn nachfolgte oder nicht. Allenfalls gab es ein Mitkönigtum, das Teilhabe an der königlichen Herrschaft bedeutete. Anders als im fränkischen Reich verband sich mit der jeweiligen Dynastie kein magisches Königheil. Das ermöglichte ohne weiteres einen Dynastiewechsel. 3 So wurde 744 nach dem Tode Liutprands, des Adoptivvaters Pippins, dessen Familie durch die des neuen Königs Ratchis verdrängt, der sich aber als Mönch zurückziehen und seinem Bruder Aistulf den Platz räumen mußte, da seine Ausgleichspolitik mit Byzanz und Rom auf Widerstand stieß. Nach Aistulfs Tod kehrte er zeitweise zurück, um dann Desiderius zu weichen, der mit Zustimmung Pippins und Stephans II. zum König erhoben wurde.4 Die Königsherrschaft war insgesamt im 1

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Zur Geschichte der Langobarden vor allem Jarnut, Geschichte; Priester, Geschichte; Quelle: Paulus Diaconus, Historia Langobardorum. Jarnut, Geschichte, S. 50f. Brühl, Zentral- und Finanzverwaltung, S. 72ff. Vita Stephani II, Liber pont. I, S. 454ff.; Fred. chron. cont., c. 40 (123).

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Sonstige christliche Mächte

Langobardenreich eine sehr unsichere, sowohl was den Umfang der Macht als auch was die Erhebung zum König betraf. In der herrscherlichen Stellung der Könige stellte sich die politische Einheit des Reiches dar. Doch diese übten die Herrschaft keineswegs allein aus. Sie nahmen, wie auch die fränkischen Könige, die Sicherung, Festigung und Entwicklung der Rechtsgemeinschaft nach innen gemeinsam mit der Volksversammlung wahr.5 Der König führte die Beziehungen zu anderen Mächten. Er war vor allem der Führer im Krieg und bestimmte damit die aktive Eroberungspolitik zur Ausdehnung der langobardischen Herrschaft in Italien. Zwar bedurfte er auch dazu der Zustimmung und Mitwirkung der Großen. Aber gerade diese stützten diese Politik. Verschiedentlich wurden Könige gerade deswegen gestürzt, weil sie nicht aktiv gegenüber Byzanz auftraten, so Adalwald im 7. Jahrhundert und Ratchis 749.6 Liutprand hingegen führte während seiner langen Regierungszeit immer wieder Kriege gegen Byzanz, mit wechselndem Erfolg, aber ohne letzten Endes die 680 byzantinisch gebliebenen Gebiete Italiens dauerhaft zu erobern. Anders als der fränkische König hatte der langobardische König eine feste Residenz. Sitz der Könige war seit Beginn der langobardischen Landnahme in Italien Pavia. Vor allem Liutprand baute Pavia zum herrschaftlichen Zentrum des Reiches aus, schuf eine Hofkapelle, organisierte die Hofkanzlei, die mit Referendaren besetzt war, effektiver und entwickelte die Hofämter zu Positionen mit politischen Aufgaben.7 Vor allem hielt er die Volksversammlungen regelmäßig dort ab.8 Somit besaß das Königreich einen festen Herrschersitz und damit ein politisches Zentrum. Es gelang Liutprand zudem, die Organisation des Reiches zu straffen, den inneren Aufbau zu ordnen, die Funktionen der Amtsträger in einen hierarchischen Zusammenhang zu bringen und so die Herrschaft zu verdichten. Aistulf konnte die Heeresorganisation gesetzlich effizienter regeln. Allerdings gab es immer wieder gegenläufige Tendenzen. Liutprands Nachfolger Hildeprand wurde gestürzt, weil er versuchte, die vereinheitlichenden Tendenzen seiner Vorgänger weiter zu verfolgen und die Königsherrschaft zu verfestigen.9

c. Innere Gliederung Es bestanden Herzogtümer, denen die duces vorstanden. Die duces hatten in den Herzogtümern militärische, administrative wie auch rechtsverwirklichende Funktionen inne und konnten, wenn die persönliche Königsmacht nicht hinreichend stark war, auf diese Weise eine recht weitgehende Selbständigkeit und Eigenständigkeit erlangen.

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Im 7. Jahrhundert hatte König Rothar das langobardische Recht im Edictum Rotharii aufzeichnen und durch die Volksversammlung beschließen lassen. Liutprand ergänzte dieses Edictum durch weitere Gesetze. Auch die Könige Ratchis und Aistulf führten die Gesetzgebung weiter. Jarnut, Geschichte, S. 108. Brühl, Zentral- und Finanzverwaltung, S. 84ff. Jarnut, Geschichte, S. 83. Jarnut, Geschichte, S. 106.

Langobarden

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Das galt insbesondere für die südlichen Herzogtümer Spoleto und Benevent. Sie hatten zeitweise eine gewisse äußere Bewegungsfreiheit. 739 schlossen sie sogar ein Bündnis mit Papst Gregor III. gegen Liutprand.10 Allerdings gelang es diesem, sie zu unterwerfen und, wie auch später Aistulf, ihm ergebene Herzöge dort einzusetzen. So war zum Zeitpunkt der fränkischen Intervention 754 nicht nur die äußere, sondern auch die innere Machtstellung des langobardischen Königtums auf eine einzigartige Höhe geführt. Gerade dies machte die Lage für Papst Stephan II. so gefährlich. Eine gefestigte, den dynastisch nicht fest gebundenen Herrscherwechsel überdauernde und gesicherte Reichseinheit bestand jedoch nicht. Vielmehr hing sie von der Tatkraft sowie dem politischen und militärischen Geschick des jeweiligen Königs ab.

d. Territoriale Ausdehnung Die Langobarden eroberten Nord- und Mittelitalien von Pannonien kommend ab 568.11 Italien stand zu dieser Zeit nach der Wiedereroberung unter Justinian völlig unter oströmischer Herrschaft. Diese wurde von den Langobarden in den folgenden hundert Jahren in weiten Teilen verdrängt. Um 680 kam es zum Friedensschluß zwischen dem Kaiser und dem langobardischen König Perctarit. Damit wurde die territoriale Herrschaftslage in Italien rechtlich festgelegt. Danach verblieben dem oströmischen Reich Istrien, ein Küstenstreifen an der Adria mit Venedig, Ravenna mit dem dazugehörigen Herrschaftsgebiet, das später als Exarchat bezeichnet wurde, sowie die Pentapolis an der Adria bis Ancona. Von dort führte ein schmaler Landstreifen über Perugia zum Dukat von Rom. In Süditalien verblieben dem Reich Apulien und Kalabrien sowie Neapel als eine Enklave bis Salerno. Ebenso gehörten Sizilien, Sardinien und Korsika weiterhin zum Reich. Der ganze Norden Italiens bis zu den Grenzen des fränkischen Reiches, Bayern und der Provence bzw. Burgund, auch Friaul, sowie fast ganz Mittelitalien und der größere Teil des Südens standen unter langobardischer Herrschaft. Aber auch nach dem Friedensschluß von 680 versuchten die Könige, den langobardischen Herrschaftsbereich zu erweitern. Insbesondere Liutprand (712–744) dehnte seinen Herrschaftsbereich erheblich aus.12 Dabei geriet zum ersten Mal ein langobardischer König mit dem Papsttum in Konflikt, obwohl auch Liutprand katholisch war. Es gelang ihm nicht nur, verschiedene, bis dahin noch byzantinische Städte zu erobern, so u. a. Bologna und Rimini. Er bedrohte auch zum ersten Mal Rom, eigentümlicherweise in einem Bündnis mit dem Exarchen Entychios. Dieser zog als Exarch zwar in Rom ein, aber Liutprand setzte sich nicht in den Besitz der Stadt, sondern vermittelte dann unter Einfluß Gregors II. zwischen beiden. Der Papst selbst blieb also noch verschont.

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Jarnut, Geschichte, S. 90 ff. Jarnut, Geschichte; Schmidinger, Italien, S. 372ff.; die folgenden Ausführungen orientieren sich weitgehend an diesen Darstellungen und verzichten in der Regel auf Aufarbeitung der Quellen, die von diesen Autoren, insbesondere Jarnut, ausgeschöpft worden sind. Jarnut, Geschichte, S. 86ff.

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Sonstige christliche Mächte

In den nächsten Jahren wiederholten sich die langobardischen Angriffe auf die urbs. Das führte u. a. zu dem erwähnten vergeblichen Hilferuf Gregors III. an Karl Martell. In diesem Vorgehen des Königs spielten zudem auch noch innerlangobardische Hegemoniekämpfe zwischen diesem und den Herzögen von Spoleto und Benevent eine wesentliche Rolle. Hinter Liutprands Kriegen stand nach weitverbreiteter Auffassung wohl das Streben nach einem geeinten gesamtitalienischen langobardischen Königreich. Diesem stand mehr als das Exarchat von Ravenna Rom mit dem Papsttum im Wege, zumal es die beiden langobardischen Herrschaftsbereiche trennte und den Herzögen von Spoleto und Benevent eine große Manövrierfähigkeit gegenüber dem König eröffnete. Liutprand hatte auch Ravenna zeitweilig besetzt, mußte es aber wieder preisgeben. Noch konnte sich das Exarchat behaupten, allerdings bereits dank nachdrücklicher persönlicher Intervention der Päpste Gregor III. und Zacharias, der die Freigabe Ravennas von Liutprand erbat. Die von Liutprand verfolgte kriegerisch abgestützte Einigungspolitik setzte vor allem Aistulf fort. Diesem gelang es, den Herrschaftsbereich des langobardischen Königreiches am weitesten auszudehnen.13 Er eroberte 751, wie dargelegt, das Exarchat von Ravenna und Teile des Dukats von Rom. In Spoleto und Benevent setzte er ihm ergebene Herzöge ein. Ravenna wurde neben Pavia zweiter Herrschaftssitz. Hier urkundete der Langobardenkönig und ließ Münzen mit seinem Bildnis prägen, wollte also in die kaiserliche Stellung einrücken. In knapp zweihundert Jahren war damit Italien fast vollständig der langobardischen Herrschaft unterworfen, ausgenommen der Dukat von Rom, Neapel und der äußerste Süden. Es schien nur eine Frage der Zeit, bis auch die restlichen Gebiete dem langobardischen Herrschaftsverband eingegliedert werden würden und das Ziel, die politische Einheit Italiens unter langobardischer Herrschaft, erreicht sein würde. Es scheint, daß das langobardische Reich zur Zeit der fränkischen Intervention eine dem fränkischen Reich gleichrangige Macht gewesen ist, die zudem das alte Kernland des römischen Reiches und mit Ravenna einen der alten sedes imperii beherrschte. Schon aus diesem Grund erschien Pippins Entschluß, dieses Reich anzugreifen, wohl manchem Franken suspekt.

e. Religiöse Grundlagen Die Langobarden waren bei ihrem Einfall in Italien zum Teil arianische Christen, zum Teil aber auch Heiden.14 Erst zu Beginn des 7. Jahrhunderts trat mit der ab 616 regierenden sogenannten bayerischen Dynastie ein allmählicher Übergang zum Katholizismus ein, der sich keineswegs glatt gestaltete. Erst König Perctarit leitete, wie vor ihm Könige der Burgunder, Sueben und Westgoten, ab 671 die systematische Missionierung der Langobarden ein und damit die Durchsetzung des Katholizismus gegen die Reste des Heidentums, des Arianismus und andere als Häresien angesehene christliche Bekenntnisse. So wurden auch die Langobarden allmählich in die religiöse Einheit 13 14

Jarnut, Geschichte, S. 109ff. Jarnut, Geschichte, S. 53ff. und S. 66ff.; Schmidinger, Italien, S. 381ff.

England

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Europas eingegliedert.15 Der Prozeß wurde unter Liutprand zu Beginn des 8. Jahrhunderts abgeschlossen. Das war gewiß auch politisch begründet. Die Einheit des Reiches und damit die Festigung und Sicherung langobardischer Herrschaft konnten dadurch vorangebracht werden. Zugleich suchten und fanden die Könige damit aber auch Anschluß an das Papsttum. Sie entsandten Bischöfe zu päpstlichen Synoden und zum Konzil von Konstantinopel 680. Im Jahr 698 wurde in Abstimmung mit Papst Sergius eine Synode nach Pavia einberufen, um das Schisma des Drei-Kapitel-Streites zu beenden. Die Beschlüsse wurden von Papst Sergius bestätigt.16 Im 8. Jahrhundert war das Langobardenreich schließlich katholisch. Liutprand anerkannte Gregor II. und Gregor III. als Haupt der Kirche und warf sich dem ersten sogar als Zeichen der Verehrung bei St. Peter zu Füßen. Auf Bitten des Papstes Zacharias gab er 743 Eroberungen im Exarchat wieder auf. Auch Aistulf ließ es an persönlicher Ehrung nicht fehlen. Das schloß allerdings nicht aus, kriegerisch gegen das Partrimonium Petri und den Dukat Rom vorzugehen, wohl mit der Absicht, es als ältesten Teil des römischen Reiches der eigenen weltlichen Herrschaft zu unterwerfen. Wollten die langobardischen Könige in das westliche Kaisertum einrücken? Aistulf wurde wegen seiner Eroberungspolitik gegen das patrimonium sancti Petri in der Vita Stephans immer wieder als proterus rex, nefandus rex, atrocissimus rex bezeichnet. 17 Der König erscheint als Sünder, Brecher des göttlichen Rechts. Die auf Bitten Stephans II. von Pippin 754 und 756 gegen die Langobarden geführten Kriege Pippins können von daher für die Franken als „gerechte Kriege“ im Sinne der Lehre Augustins erscheinen.18

I I. E n g l an d a. Allgemeines Seit dem 5. Jahrhundert wanderten die Angelsachsen in England ein und gründeten dort mehrere Königreiche. Ab 596 begann die bereits erwähnte Christianisierung durch Gregor den Großen mit der Mission des Mönches Augustin. Auf der Synode von Whitby 664 schloß sich die englische Kirche der römisch-päpstlichen Kirche an. Damit vermieden auch die Königreiche eine Isolierung gegenüber dem Festland und den anderen Mächten. Die so begründete Verbindung mit dem Papsttum war eine tragende Grundlage für Beziehungen zum europäischen Kontinent, die u. a. in umgekehrter Richtung gerade durch englische Mönche auf dem Festland, u. a. Bonifatius und Alcuin, entwickelt und verdichtet wurden. England bildete bis in das frühe 9. Jahrhundert keine einheitliche politische Herrschaftsstruktur aus. Wesentliche Bedeutung hatte zunächst das ältere Kent. Später bildeten sich die jüngeren Königreiche Wessex, Northumbrien und Mercien. Im 7. und 15

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Schmidinger, Italien, S. 384. Die Franken hatten sich unter Chlodwig bereits von Anbeginn ihrer Christianisierung der Papstkirche angeschlossen. Schmidinger, Italien, S. 386. Vita Stephani II, Liber pont. I, S. 441, S. 442, S. 443. Zu diesem unten S. 646ff.

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Sonstige christliche Mächte

frühen 8. Jahrhundert bestand eine gewisse Vorherrschaft Northumbrias. In der zweiten Hälfte hatte König Offa von Mercien (757–796) zweifellos die stärkste Stellung inne.19 Mit ihm unterhielt Karl der Große politische Beziehungen. Northumbrien stand in dieser Zeit eher am Rande, jedoch stammte Karls enger Berater und Freund Alcuin von dort, der auch stets die Kontakte aufrecht erhielt. Im 9. Jahrhundert erstarkte Wessex.

b. Offa von Mercien Offa wurde im Jahr 757 König von Mercien als Nachfolger Aethelbalds, der dem Königreich seit 716 bereits eine Machtsteigerung verschafft und die Hegemonie über die südenglischen Königreiche, auch über Wessex hergestellt hatte.20 Nach seinem Tod zerbrach die Konföderation. Offa mußte sie wiederherstellen. Das gelang in langwierigen Auseinandersetzungen, die bis in die 780er Jahre andauerten. Er konnte außerdem Northumbrien in Abhängigkeit bringen.21 Die innere politische und soziale Struktur des Königreiches Mercien zur Zeit Offas ist nicht deutlich erkennbar. Offa war wohl der maßgebliche Führer und Herrscher. Seine Legitimation führte er auf seine Abstammung zurück. Um aber die dynastische Nachfolge zu sichern, erhob er – vielleicht nach karolingischem Vorbild von 781 – seinen Sohn zum Mitkönig und ließ ihn auf einer Synode 786 salben.22 Von Synoden wird häufig berichtet.23 An ihnen nahmen Geistliche wie Laien teil. Sie tagten unter dem Vorsitz des Erzbischofs von Canterbury, später des Bischofs von Lichfield24 und auch des Königs. Sie behandelten vor allem kirchliche Angelegenheiten. Hoftage, wie sie im fränkischen Reich üblich waren, scheint es nicht gegeben zu haben.

II I . A s tu r i en 711 ging das westgotische Reich auf der iberischen Halbinsel endgültig unter. Sie kam weitgehend unter arabische Herrschaft des Emirates von Cordoba. Jedoch bildete sich in den asturischen Bergen im Nordwesten Spaniens ein kleines christliches Fürsten19 20

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Loyn, Governance, S. 26ff. Zum folgenden Stenton, England, S. 204ff.; Fisher, Age, S. 162ff.; Wallace-Hadrill, Charlemagne, S. 682–698. Zur Mercian supremacy und dem Verhältnis zum Frankenreich Story, Connections, S. 168 ff. Councils, S. 444. Councils, S. 438f., 443f., 464f., 478, 483, 485, 505; vgl. Sims-Williams, Religion, S. 154ff.; Loyn, Governance, S. 56ff. Im Jahr 787 löste Offa einen Teil der Bistümer aus der Metropolitangewalt des Erzbistums Canterbury und unterstellte sie dem Bischof von Lichfield. Nachdem Papst Hadrian I. diese Veränderungen bestätigt hatte, wurde Lichfield zum Zentrum des neuen Erzbistums. Bereits 803 wurde die Erzdiözese nach dem Tod Offas aufgelöst, Canterbury erhielt seine Metropolitanrechte zurück.

Venedig

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tum, das sich zum Königreich Asturien entwickelte. Erster Fürst wurde Pelagius 718. 791 bis 842 regierte Alfons II. Das Königreich war für lange Perioden in heftige kriegerische Auseinandersetzungen mit den spanischen Arabern des Emirats von Cordoba verwickelt.25 Schon Alfons I. konnte erste Erfolge gegen die Araber erzielen und nach Süden, Portugal, Kastilien und Leon vorstoßen. Mit Alfons II. setzte eine Entwicklungsphase ein, in der die kirchlichen wie politischen Strukturen neu formiert wurden. Dabei wurden die Vorbilder des untergegangenen westgotischen Reiches, insbesondere Toledos aufgenommen, aber auch nach Norden zu den Franken Verbindungen geknüpft.26 Oviedo wurde zur Hauptstadt ausgebaut, die an die Stelle Toledos treten sollte. Adel und Klerus Asturiens sahen in ihrem Königreich die legitime Nachfolge des westgotischen Herrschaftsbereichs. Auf diese Weise hatten die Auseinandersetzungen mit den Arabern nicht nur zum Ziel, die fremde Macht von der iberischen Halbinsel zu vertreiben. Der erfolgreiche Kampf gegen das Emirat wurde vielmehr als Voraussetzung gesehen, eine christliche Herrschaftseinheit nach hispano-gotischem Vorbild wiederherzustellen. Dieser Prozeß wird heute als Anfang der Reconquista gewertet. In diese Zeit fallen auch erste Kontakte Asturiens mit dem Frankenreich, die vor allem durch Beziehungen Karls des Großen mit Alfons II. greifbar werden.

I V. Ven ed i g Formell blieb der Dukat Venetien mit Venedig im 8. und 9. Jahrhundert noch weitgehend Teil des byzantinischen Reiches. Aber er trat ab Beginn des 9. Jahrhunderts den karolingischen Herrschern in Italien zunehmend selbständig gegenüber.27 Der Dukat Venetien umfaßte neben der Stadt Venedig weitere Lagunensiedlungen, sowie Gebiete auf dem Festland, der terra ferma. Seit dem 5. Jahrhundert wurden in den Wirren der Völkerwanderungszeit unter dem Druck der Einfälle der Goten und Hunnen Inseln der Lagune besiedelt. Zentrum wurde schließlich zu Beginn des 9. Jahrhunderts Rialto, eine Gruppe von 70 Inselchen, aus denen Venedig erwuchs. Die Stadt entwickelte sich zu einer wichtigen Handelsstadt gerade auf Grund ihrer günstigen Lage zwischen den byzantinischen und karolingischen Herrschaftsgebieten. Sie konnte aber auch politische Konkurrenten ausschalten und so zum politischen Zentrum des Dukats werden. Der Dukat war zunächst starkem langobardischem Druck ausgesetzt, konnte sich aber behaupten. Die Selbständigkeitsbestrebungen begannen, wie im übrigen byzantinischen Italien, mit dem 8. Jahrhundert. Venedig erlangte nach und nach eine recht weitgehende innere und politische Eigenständigkeit. Der Dux wurde zunächst noch vom Exarchen von Ravenna eingesetzt, aber allmählich ging das Wahlrecht auf die Venetianer über.

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Zu Entstehung und Entwicklung der Beziehungen zu den Arabern Barrau-Dihigo, Récherches, S. 106ff.; zur Geschichte Asturiens Gerbet, Espagne, S. 91ff. Lacarra/Engels, Mauren und Christen, S. 1008. Zur Entwicklung Heller, Venedig S. 33 ff.; Enzensberger, Venedig, S. 389 ff.

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Sonstige christliche Mächte

Der Kaiser bzw. Exarch bestätigte den Dogen nur noch. Einige Familien erlangten bestimmenden Einfluß. Venedig folgte u. a. auch nicht den Bilderdekreten der byzantinischen Kaiser.

Dänemark

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5. K ap it el: D ie n ic h t c h rist lic he n M ä c ht e I . Dän emar k Seit dem Ende des 8. und Beginn des 9. Jahrhunderts bildete sich auf Jütland, den Inseln, Südschweden und Südnorwegen das Königreich der Dänen. Der erste König war Godofrid (804–810). Sie verfügten also über eine gewisse politische Organisation. Nach seinem Tode gab es nach den Berichten der Reichsannalen erhebliche interne Auseinandersetzungen um die Königsherrschaft, in die auch Ludwig der Fromme einbezogen wurde oder sich einmischte. Sehr viel ist über die politische Struktur Dänemarks in dieser Zeit nicht bekannt.1 Die Könige wurden aus einer bestimmten Königssippe gewählt. Ihre Rechte waren vor allem militärischer Art. Der König konnte wohl auch Verträge schließen. Seine Machtstellung hing von seiner Durchsetzungsfähigkeit ab. Persönliche Verflechtungen trugen die Herrschaft wesentlich. Die Großen spielten offenbar eine maßgebliche Rolle. Es bestand auch das altgermanische Thing, von dessen Beschlüssen der König abhing. Das Königreich war wohl in mehrere recht eigenständige Landschaften gegliedert. Insgesamt gelang es jedenfalls Godofrid eine relativ starke Stellung zu erlangen, die ihm auch Auseinandersetzungen mit Karl dem Großen ermöglichte.

I I. S l aw en a. Abodriten Die Abodriten siedelten jenseits der Elbe, d. h. noch jenseits der Sachsen,2 und hatten zunächst keinen direkten Kontakt mit den Franken. Sie waren keine Germanen, zudem Heiden. Forcierte Christianisierungsbestrebungen erfolgten erst unter den Ottonen durch die Errichtung des abodritischen Missionsbistums Oldenburg/Holstein (967). In der modernen Geschichtsforschung werden die Abodriten als „Großstamm“ bezeichnet, in dem ein „Großfürst“ oder „Samtherrscher“ (dux, rex) die zentrale und erbliche Gewalt innehatte.3 Ihm unterstanden zahlreiche kleinere Fürsten, die in den fränkischen Quellen, nur solche gibt es, als reguli, duces, principes, meliores oder praestantinores erscheinen. Der rex war zwar oberster Anführer im Krieg und trat als Verhandlungspartner mit den Franken auf, war aber wohl im Innern an die Zustimmung des Adels gebunden, dessen Angehörige u. U. auch nach außen gegen ihn auftraten. So berichten die Reichsannalen für 826, daß primores der Abodriten auf dem Hoftag von

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Wührer, Anfänge, S. 962. Zu den verschiedenen abodritischen Siedlungsgebieten Herrmann, Siedlung, S. 18ff. Fritze, Probleme, S. 180ff.; Daems, Abodriten, Sp. 48; Friedmann, Untersuchungen, S. 49 ff.

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Die nichtchristlichen Mächte

Ingelheim ihren Anführer Ceadragus anklagten, der bezeichnenderweise nur als dux tituliert wird.4 Wichtige Informationen über die politische Organisation der Abodriten in dieser Zeit stammen vom sogenannten Bayrischen Geographen (Geographus bavarus), dessen Schrift mit dem Titel Descriptio civitatum et regionum ad septentrionalem plagam Danubii in die Mitte des 9. Jahrhunderts datiert wird.5 In dieser Aufzeichnung werden als regiones nördlich der Donau u. a. die Nordabodriten (Nordabtrezi) genannt, deren regio insgesamt 53 Burgen (civitates) umfasste, die von den duces geführt wurden.

b. Andere Slawen Außer den Abodriten siedelten im Osten des Frankenreiches weitere Slawenvölker: Wilzen, Sorben und Böhmen.6 Mit ihnen wurde weitgehend Krieg geführt, insbesondere mit den Wilzen. Die Nachrichten sind jedoch spärlich.

I II . Ar ab i s ch e Mäch te a. Emirat von Cordoba 711 waren die Araber unter dem Feldherrn Tarik von Nordafrika nach Spanien übergesetzt, gerufen von der Partei der westgotischen Thronprätendenten aus dem Hause Witizas gegen Roderich. Sie eroberten fast die gesamte iberische Halbinsel und zerstörten das Westgotenreich.7 Nur im äußersten Norden blieb ein kleiner Teil unbesetzt, aus dem sich, wie dargestellt, das Königreich Asturien entwickelte. Die Araber überquerten ab 720 die Pyrenäen, eroberten also auch die tolosanisch-westgotischen Gebiete und drangen bis nach Autun und Bordeaux vor, wurden jedoch 732 in der Schlacht von Tours und Poitiers von Karl Martell besiegt. Zunächst blieb aber noch Septimanien um Narbonne unter ihrer Herrschaft, das jedoch Karl Martell 737 eroberte. Zunächst traten die arabischen Eroberer weithin in die alten Herrschaftsverhältnisse ein und der alte Rechtszustand blieb in den eroberten Gebieten überwiegend erhalten. Noch bestand auch eine gewisse Oberherrschaft des Kalifen der Omayaden Dynastie in Damaskus. Deren Sturz und Ausrottung verschonte einen Prinzen namens Abdarrahman. Ihm gelang die Flucht nach Spanien. Dort errichtete er 755 in Cordoba ein eigenes, nunmehr vom Gesamtreich unabhängiges Emirat unter seiner Dynastie.8 Dieses Emirat erfaßte zunächst ganz Spanien, ausgenommen das genannte kleine Gebiet im Norden. Allerdings hatte er innere, zum Teil von der neuen Kalifendynastie in Bagdad unter4 5

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Ann. regni Franc. ad a. 826. Dazu eingehend Friedmann, Untersuchungen, S. 61 ff. Zum Geographus bavarus Fritze, Datierung, S. 111ff. Als terminus post quem für die Abfassung der Schrift setzt er das Jahr 844. Zusammenfassend Dvornik, Slavs, S. 67–79.; zu Wilzen, Labuda, Civitas Dragaviti, passim. Lacarra/Engels, Mauren und Christen, S. 1001ff. Lacarra/Engels, Mauren und Christen, S. 1004; Gerbet, L’Espagne, S. 55ff.

Arabische Mächte

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stützte Opponenten zu unterwerfen. Andere Opponenten wandten sich in den siebziger Jahren an Karl den Großen. Auch unter den Nachfolgern des ersten Emirs ab 788 kam es mehrfach zu derartigen Bündnissen. Aus diesen Zügen Karls und später Ludwigs nach Spanien erwuchs die spanische Mark, die von den Pyrenäen bis zum Ebro reichte und in der divisio regnorum 806 Teil des Königreichs Aquitanien wurde.

b. Kalifat 632 starb Mohammed. Mit der Eroberung der Stadt Damaskus im Jahr 635 durch den Kalifen Omar (634–644) setzte der Aufbau des arabischen Reiches ein. Zunächst fiel das persische Sassanidenreich; außerdem wurden weite Teile des Herrschaftsgebietes Konstantinopels erobert, Ägypten, Syrien, Palästina sowie Nordafrika. Verschiedene Versuche, Konstantinopel selbst zu erobern und vielleicht an die Stelle der oströmischen Kaiser zu treten, scheiterten.9 Aber die von den Kalifen eroberten ehemals römischen Gebiete verloren, anders als die germanisch-weströmischen Gebiete ihre Verbindungen zu diesen Traditionen, so daß eine eindeutige Zweiteilung der Alten Welt eintrat. Diese hatte ihren tragenden Grund in der Differenz der beiden Religionen. Die ersten Eroberungen wurden von den vier rechtgeleiteten Kalifen geführt. Nach inneren Wirren, die eine weitere Ausdehnung des Reiches verhinderten, kamen 661 die Omayaden an die Macht. Sie verlegten den Herrschaftssitz von Medina nach Damaskus, auf altes byzantinisches Gebiet. Sie wurden 750 von den Abbasiden gestürzt, die die Residenz nach Bagdad verlegten. 786 wurde Harun al-Rashid Kalif. Nach seinem Tod im Jahr 809 folgte ihm sein Sohn al-Mamun, der bis 833 regierte. Mit der Eroberung Syriens mit Palästina, das zu Beginn des 7. Jahrhunderts für kurze Zeit unter persischer Oberhoheit stand, dann aber zunächst von Kaiser Heraklios zurückgewonnen worden war, gerieten die christlichen heiligen Stätten, vor allem Jerusalem ab 638 dauerhaft unter arabisch-muslimische Herrschaft, wenn auch die alten Verwaltungsstrukturen zunächst erhalten blieben. Zur Zeit Harun al-Rashids bestand offenbar ein lebhafter Pilgerverkehr zu den heiligen Stätten sowie ein ausgedehnter Handelsaustausch auch mit dem Westen.

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Wagner, Einbruch, S. 323 ff.

Teil II: Kar olin g isc h e Z wis c h e n - M ä c h t e - B e z i e h u n g e n E i n fü h r u n g Gegenstand dieses zweiten Teiles ist die Darstellung der Beziehungen der karolingischen Herrscher von Karl Martell bis Ludwig dem Frommen mit den anderen Herrschern oder Mächten ihrer Zeit. Dabei sind zum einen die geschichtlichen Abläufe, soweit sie aus den Quellen zu erfassen sind, zum anderen, gemäß dem zentralen Anliegen dieser Untersuchung, besonders deren normative Mittel und Strukturen darzustellen und zu analysieren. Zentral für die Neuordnung der Verhältnisse war ohne Zweifel das Verhältnis zu den oströmischen Kaisern, nachdem die Karolinger in Italien in das Machtgefüge eingegriffen und Byzanz nach Übernahme des langobardischen Königreiches und mit ihm des Exarchats von Ravenna, ausgenommen den Dukat von Venedig, endgültig auf den Süden beschränkt hatten. Die Annahme des westlichen Kaisertums tat ein Übriges. Es folgt die Darstellung der Beziehungen zu den Päpsten und der Kirche. Dieses Verhältnis ist seit Leopold von Ranke bereits vielfach durchforscht, hin und her gewendet, und sehr unterschiedlich interpretiert worden. Es läßt sich wohl nichts Neues mehr hinzufügen. Das ist auch nicht die Absicht. Aber der Zugang der Karolinger zur „großen Welt“ ging durch die Tür der Kirche und des Papsttums. Es begann auf der religiös-kirchlichen Ebene, führte aber alsbald auf die weltlich-herrscherliche Ebene. Durch die Päpste kamen die Karolinger nach Italien. Dadurch wieder wurden sie nach und nach zur neuen Großmacht, die weit über die unmittelbare Nachbarschaft hinaus Kontakte knüpfte, bis nach Bagdad. Das Verhältnis selbst bekam einen eng verwobenen religiös-kirchlichen und weltlich-herrscherlichen Doppelcharakter. Die Beziehungen zu den Königen und anderen Mächten der näheren und weiteren Nachbarschaft waren zwar weniger spektakulär. Aber in ihnen wird, jedenfalls im Ansatz, faßbar, welche Wege zur Herstellung und Bewahrung einer Ordnung unter der Bedingung der dauerhaften Pluralität mehrerer Mächte jenseits von Krieg und Unterwerfung gegangen wurden. Die Beziehungen Karls des Großen zu Harun al-Rashid mögen ephemer und nicht sehr tiefgehend gewesen sein. Aber sie bezeichnen den Beginn eines bis heute andauernden, zeitweise höchst konfliktreichen Verhältnisses.

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Die Beziehungen zu den oströmischen Kaisern

1 . K api t el: D ie B e zieh u n ge n zu de n ost röm isc he n Ka ise rn E i n fü h r u n g Seit Chlodwig bestanden Beziehungen der Frankenherrscher zu den ost-römischen Kaisern in Konstantinopel mit wechselnder Intensität. Unter Pippin begannen sie sich zu intensivieren und führten sogar zu einem ersten Heiratsprojekt. Karl der Große setzte diese Beziehungen fort. Sie führten zu dem Vertrag von 812. Darauf baute Ludwig der Fromme weiter. Die Beziehungen hatten von Anbeginn, dem Ehrenkonsulat für Chlodwig, eine normative, rechtliche Dimension. Sie veränderte sich in der Epoche jedoch grundlegend. Es gelang Karl dem Großen, Gleichrang mit den byzantinischen Herrschern, ausgedrückt durch die fraternitas, herzustellen. Zu persönlichen Begegnungen zwischen fränkischen und byzantinischen Herrschern kam es nie. Die Beziehungen wurden von beiden Seiten durch Gesandtschaften gepflogen, die die Verhandlungen auf der Grundlage ihrer Instruktionen an den jeweiligen Herrschersitzen führten.

I. D ie M er o w i n g er u n d B y z an z a. Das Ehrenkonsulat Chlodwigs Im Jahre 508 feierte Chlodwig in Tours seinen Sieg über das tolosanisch-westgotische Königreich Alarichs. Möglich geworden war der fränkische Erfolg wahrscheinlich u. a., weil eine kaiserlich-byzantinische Flotte den Ostgotenkönig Theoderich an der Landung an der westgotischen Mittelmeerküste und damit an der Hilfestellung gehindert hatte.1 Im gleichen Jahr wurde Chlodwig, der in den vorhergehenden Jahren Gallien unter seiner Herrschaft vereint hatte, das Konsulat übertragen.2 Bereits sein Vater Childerich, der mit den Römern in Gallien gekämpft hatte, hatte wahrscheinlich römische Würden inne.3 Damit anerkannte der byzantinische Kaiser Anastasius einerseits, daß Chlodwig diesen Teil des alten römischen Reiches der fränkischen Herrschaft unterworfen, faktisch also verselbständigt hatte. Andererseits wurde aber wiederum eine jedenfalls nominelle fortdauernde Zugehörigkeit der alten römischen Provinzen zum byzantinischen Gesamtreich hervorgehoben und bekräftigt. Denn mit dem Konsulat Chlodwigs drückte der Kaiser auch seinen Anspruch der überkommenen, in seinen Augen nach wie vor bestehenden Oberhoheit aus. Es war keine bloße Freundlichkeit oder Ehre. Es war ein aus oströmischer Sicht notwendiger rechtlicher Akt der Legitimierung der Herrschaft Chlodwigs im Rahmen der universalistisch-römischen Reichsauffassung über diese Gebiete, obwohl Chlodwig nach eigener Auffassung aus eige-

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Hauck, Randkultur, S. 44; Wolf, Gesandtschaften, S. 1, mit Verweisen. Gregor von Tours, Historiarum libri, lib. II, c. 37 und 38, S. 102; dazu Hauck, Randkultur, S. 30f. Haenssler, Byzanz, S. 54.

Die Merowinger und Byzanz

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nem Recht die Königswürde und die Herrschaft inne hatte und rechtlich wie tatsächlich von Ostrom unabhängig war. Stärker und deutlicher als im Fall des Ostgotenkönigs Theoderichs des Großen, der, gleichzeitig mit Chlodwig, in Italien die alleinige Herrschaft innehatte, wurde hier die veritas duplex von Anspruch und Realität der Reichsidee deutlich. Theoderich führte seine Herrschaft außer auf die Eroberung Italiens auf einen Einsetzungsakt von Byzanz zurück.4 Er war in Konstantinopel als Geisel aufgewachsen, verstand sich immer dem byzantinischen Kaiser verbunden und auch als König in Italien als Glied des Reiches. Zenon hatte ihn nach Italien geschickt, um für den Kaiser zu regieren. Chlodwig hingegen verdankte seine Herrschaft nur der Eroberung Galliens und sich selbst. Das Konsulat kam erst im nachhinein hinzu. Die Verleihung des Konsulats stellte aus byzantinischer Sicht eine rechtliche Überbrückung zwischen römischem Reich und Frankenreich, die Eingliederung seines Herrschers in die byzantinische Hierarchie dar. Daraus erwuchs kein Abhängigkeitsverhältnis. Es war ein Ehrenkonsulat, das sich wiederum erheblich von den Würden eines Heeresmeisters, Konsuls und patricius unterschied, die Theoderich inne hatte. Denn diesen entsprachen die zugehörigen Aufgaben des Gotenkönigs im Reich. Er hatte sie auch vor der Gründung des italienischen Reiches inne. Der Kaiser gab weder Befehle noch bestimmte er in irgendeiner Weise das herrschaftliche Handeln Chlodwigs. Aber der byzantinische Anspruch universeller Herrschaft blieb auf diese Weise gewahrt. Wir haben es mit einer besonderen Art byzantinischen Zwischen-Mächte-Rechts zu tun. Chlodwig, auch hier wieder im Unterschied zu Theoderich, hat diese Beziehung wohl anders gewertet. Sein Reich lag zwar in seinen zentralen Teilen auf altem Reichsboden, aber er hatte es nicht für den Kaiser oder in dessen Namen begründet. Er trug zwar das Gewand und das Diadem, feierte die Verleihung mit einem Einritt (ingressus) in Tours, wobei er Gold und Silbermünzen verteilte, und akzeptierte den erteilten Titel.5 Doch eine auch nur nominelle Eingliederung seines Reiches in das römisch-byzantinische Imperium, eine Legitimation seiner Herrschaft als Konsul und nicht als fränkischer, mit dem Königsheil der Merowinger ausgestatteter König lagen ihm wohl fern. Für ihn war es ein Akt der Anerkennung seiner Herrschaft. Es gab so zwar eine Ordnung der Beziehungen zwischen dem fränkischen und dem oströmischen Herrscher insoweit, als beide in friedlichen Beziehungen zueinander standen, die gerade durch die Verleihung des Konsulats an Chlodwig und dessen Annahme, also zwei einseitigen rechtlich-tatsächlichen Akten, nicht durch vereinbarten Vertrag begründet wurden. Aber deren Qualität ist im Hinblick auf die unterschiedlichen Interpretationen dieses Aktes durch beide Seiten nicht eindeutig. Eine gemeinsame Grundlage des Verhältnisses bestand zwar nach der Taufe Chlodwigs auch in dem gemeinsamen Bekenntnis zum Christentum. Jedoch waren die gelebten Gestaltungen desselben und seine institutionellen Formen zur gesamten Zeit der Merowinger von denen im oströmischen Reich sehr verschieden. 4 5

Zu den Unterschieden, Wolfram, Reich, S. 278 ff. Gregor von Tours, Historiarum libri, lib. II, c. 38, S. 102; die Streitfrage, wie der Satzteil et ab ea die tamquam consul aut augustus est vocitatus zu verstehen sei, kann hier dahin gestellt bleiben; dazu Hauck, Randkultur, S. 30f.

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Die Beziehungen zu den oströmischen Kaisern

b. Beziehungen unter Chlodwigs Nachfolgern Chlodwigs Enkel Theudebert redete Justinian in mehreren Briefen zwischen 534 und 550 in folgender Weise an: Domino inlustro et praecellentissimo domno et patri, Iustiniano imperatore.6 Ob Chlodwig die pater-Anrede verwendet hat, kann nicht bewiesen, allenfalls vermutet werden. Theudebert ordnete sich damit in die Hierarchie des byzantinischen Universalitätsanpsruchs ein. Childebert II. schrieb Kaiser Mauricius in einem Brief von 584 ebenfalls mit pater an.7 Die fränkischen Könige folgten also den Vorstellungen der Byzantiner, fügten sich insofern in das byzantinische ZwischenMächte-Recht, ohne daß darin aber ein Akt der Unterwerfung oder der Beschränkung der Unabhängigkeit zu sehen wäre. Daß eine ausdrückliche Aufnahme in die „Sohnschaft“ vorlag, kann angenommen werden.8 Anders als für die Verleihung des Konsulats an Chlodwig, fehlen dafür Belege. Auch von der Fortwirkung der Anerkennung Chlodwigs kann ausgegangen werden. Es hatte sich eine einmal anerkannte fränkische Königsherrschaft etabliert, weit von Byzanz entfernt, nicht beherrschbar, aber für das Reich auch nicht gefährlich, manchmal sogar nützlich als Bundesgenosse. So verkehrte man miteinander, wo und wie es notwendig oder ratsam erschien. Jedenfalls waren die merowinigschen Herrscher Glieder der „Familie der Könige“ in der Stellung eines filius.9 Die Dichte der Beziehungen zwischen den merowingischen Königen und den Kaisern schwankte. Es kam im 6. und 7. Jahrhundert verschiedentlich zu Bündnissen. Fränkische Könige beriefen sich auf eine amicitia zwischen ihnen und den Kaisern.10 Theudebert I. kämpfte in Italien jedoch zunächst gegen die oströmischen Feldherren Belisar und Narses, die ihrerseits die Ostgoten unterwerfen und Italien wieder unter die Botmäßigkeit Ostroms bringen sollten.11 Prokop berichtet andererseits von einem fränkisch-byzantinischen Bündnis.12 Der fränkische König erhob zudem in einem Brief an Justinian I. Anspruch auf Pannonien usque in oceanis litoribus, also auf byzantinisches Gebiet weit entfernt von Gallien.13 Theudeberts Sohn Theudebald hatte offenbar Justinian von seiner Thronbesteigung unterrichtet. Denn dieser übermittelte ihm durch Gesandte Glückwünsche und Geschenke, für die Theudebald sich bedankte. Er bestätigte die amicitia und nun auch ein foedus: Amicitias nostras, quas delectabiliter requiritis, stabiliter, rogamus, studeatis, et, quod melius foedere inviolabili permaneant, ab animis vestris, nullis intercedentibus

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Epp. Aust., Nr. 19, MGH Epp. III, S. 132; Nr. 20, ibid., S. 132f. Epp. Aust., Nr. 25, MGH Epp. III, S. 138; in anderen Briefen spricht er über ihn als pater noster, Nr. 46, ibid., S. 151. So Hauck, Randkultur, S. 43. Dölger, Familie, S. 403. Epp. Aust., Nr. 18, MGH Epp. III, S. 132, Z. 3; Nr. 20, ibid., S. 133, Z. 19. Gregor von Tours, Historiarum libri, lib. III, c. 32, eine allerdings wohl übertriebene Darstellung der Erfolge. Ganshof, Traités, S. 168f., insbesondere Fußnote 27. Epp. Aust., Nr. 20, MGH Epp. III, S. 133.

Die Merowinger und Byzanz

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causis, absistant.14 Ob sich dieses foedus auf den Kampf gegen die Ostgoten bezog, bleibt hier offen. Nach dem Einfall der Langobarden in Italien ab 568 kam es wiederholt zu Bündnissen zwischen merowingischen Königen und oströmischen Kaisern gegen diese. Im Jahr 571 sandte Sigibert I. Gesandte an Justin II. nach Konstantinopel, und zwar pacem petens.15 Gregor von Tours schreibt: locutique tamen cum imperatore, quae petierunt obtenuerunt. Wie dieser Friedensschluß zustande kam, was sein Ziel war, was daraus folgte, bleibt offen. Vor allem Kaiser Mauricius versuchte, durch Vertrag und Geldzahlungen die fränkischen Könige Childerich II. und Childebert II. zum Eingreifen in Italien gegen die Langobarden zu gewinnen. Schon sein Vorgänger Tiberios hatte Zahlungen geleistet. Mauricius drängte verschiedentlich, Childebert II. zögerte, wohl auch, weil verwandtschaftliche Beziehungen mit den Langobarden bestanden. Der Merowinger zog dann doch nach Italien, ließ es aber bei schwachen Versuchen, die Langobarden zu besiegen, bewenden. Im Jahr 591 schlossen Franken und Langobarden Frieden. Dies führte zu einem heftigen Briefwechsel einschließlich der vergeblichen Rückforderung der bereits von Mauricius an Childebert II. gezahlten 50.000 Solidos durch den Kaiser.16 Ganshof schätzt die Vertragstreue der Franken generell nicht sehr hoch ein. Später wurden weitere Abmachungen zwischen verschiedenen merowingischen Königen und Königinnen mit byzantinischen Kaisern geschlossen. Herakleios I. vereinbarte um 630 eine pax perpetua mit Dagobert I., der zu diesem Zweck Gesandte nach Konstantinopel geschickt hatte.17 Herakleios verlangte einige Jahre später ein Vorgehen Dagoberts I. gegen Juden, die zwangsgetauft werden sollten. Dagobert scheint der Aufforderung gefolgt zu sein.18 Nach den geschilderten Ereignissen brach die Verbindung offenbar ab. Jedenfalls gibt es keine Berichte mehr. Die Lage im byzantinischen Reich wurde durch die Angriffe der islamischen Araber immer gefährlicher. Hinzu kamen Thronwirren. 680 erkannte Byzanz die Eroberungen der Langobarden in Italien an. Die Franken gerieten offenbar aus dem Interessenfeld. Über Berührungen unmittelbarer Art gibt es in den Quellen keine Nachrichten mehr. Gefahren gingen von den Franken für Ostrom und seine Besitzungen in dieser Zeit nicht aus, zumal auch dieses Reich nach Dagoberts Tod immer stärker in eine Krise geriet. Aus ihr führten erst die Karolinger das Reich zu neuer Festigkeit, Blüte und aktiver Politik nach außen.

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Epp. Aust., Nr. 18, MGH Epp. III, S. 132, Z. 7ff. Gregor von Tours, Historiarum libri, lib. IV, c. 40. Gregor von Tours, Historiarum libri, lib. VI, c. 42, S. 281f.; Epp. Aust., Nr. 25, MGH Epp. III, S. 138f., Nr. 40; ibid., S. 145ff., S. 147f., Nr. 41, ibid., S. 148f., Nr. 42; Gregor von Tours, ibid., c. 2, berichtet von Geschenken des Tiberius an Chilperich, Gold, Goldstücke u. a.; dazu u. a. Wolf, Gesandtschaften, S. 3f.; Ganshof, Traités, S. 169f. Fred. chron. cont., c. 62. Fred. chron. cont., c. 65; dazu Wolf, Gesandtschaften, S. 6f.

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Die Beziehungen zu den oströmischen Kaisern

I I. P ip p i n u n d B y z an z a. Pippin zwischen Kaiser und Papst Die Wiederaufnahme der Verbindungen zwischen Byzanz und den Franken, nunmehr unter der neuen Dynastie der Karolinger, wurde wiederum durch die Langobarden und deren Eroberungsdrang in Italien ausgelöst. Allerdings kam es nicht zu einem Bündnis zwischen Pippin und dem Kaiser, Konstantin V., gegen die Langobarden. Vielmehr trat der Papst Stephan II. an die Stelle des Kaisers. Selbst wenn dieser mit Einverständnis des an ihn von Konstantin V. entsandten Silentiarius Johannes gehandelt haben sollte, so blieb der Kaiser doch außerhalb der vom Papst mit dem fränkischen König geschlossenen Vereinbarungen. Da dieser aber den Anspruch auf das Exarchat von Ravenna, das Pippin erobert hatte, selbstverständlich aufrecht erhielt, sandte der Kaiser eine Gesandtschaft an Pippin. Zu einer ersten Begegnung Pippins mit den kaiserlichen Gesandten soll es nach den päpstlichen Quellen 755/56 auf dem zweiten Italienzug Pippins gekommen sein. Der Silentiarius Johannes und der Protasecretis Georgios seien zu diesem Zeitpunkt in Rom angekommen.19 Sie waren nach dem Bericht diesmal an Pippin entsandt und eilten ihm nach Marseille entgegen, trafen ihn aber nicht an, da Pippin bereits auf dem Weg nach Pavia war. Georgios eilte ihm nach und erreichte ihn auch, bevor der König Pavia zum zweiten Mal belagerte und Aistulf unterwarf: et nimis eum deprecans atque plura spondens tribui imperialia munera at Ravennantium urbem vel cetera eiusdem exarcatus civitates et castra imperiali tribuens concederet ditioni.20 Der Kaiser erwartete also die Rückgabe des Ravennats, das vor der Eroberung durch Aistulf byzantinisches Herrschaftsgebiet war. Welche rechtliche Wirkungen die Eroberungen zunächst durch den Langobardenkönig und dann durch Pippin hatten, bleibt zu klären. Der Kaiser war bereit, dafür zu zahlen.21 Pippin lehnte jedoch ab, asserens isdem Dei cultor mitissimus rex nulla penitus ratione easdem civitates a potestate beati Petri et iure ecclesie Romanae vel pontifici apostolice sedis quoquo modo alienari.22 Pippin war Bündnispartner des Papstes, nicht des Kaisers. Er war nach dieser, allerdings päpstlichen Quelle, der Auffassung, daß das Exarchat rechtlich der römischen Kirche und damit dem Papst zustehe. Obwohl somit die Bemühungen der Gesandtschaft des Kaisers in der Sache vergeblich waren, rissen die Beziehungen zwischen diesem und Pippin nicht ab. Es wird sogar von einem ersten Heiratsprojekt zwischen den beiden Dynastien berichtet. Allerdings sind die Quellenüberlieferungen unklar, nicht immer übereinstimmend.

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Vita Stephani II., Liber Pont. I, S. 452. Vita Stephani II., Liber Pont. I, S. 453. Auch das deutet i. ü. darauf hin, daß der patricius Titel Pippins nicht vom Kaiser kommen konnte. Denn das wäre gewiß ein ungewöhnliches Verhalten gegenüber einem patricius und kaiserlichen Feldherrn. Vita Stephani II., Liber Pont. I, S. 453.

Pippin und Byzanz

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b. Der Gesandtschaftsaustausch von 757 Die genannte Gesandtschaft auf dem Weg nach Pavia taucht in den fränkischen Quellen nicht auf. Erst für 757, also nach Abschluß des zweiten Italienfeldzuges, dem Beginn der Übergabe des Exarchats durch Fulrad an den Papst und dem Tod Aistulfs, geben fränkische Quellen Auskunft über einen Austausch von Gesandtschaften. Die Überlieferungen sind jedoch wiederum sehr verschieden. Der Fredegar-Fortsetzer berichtet, daß Pippin Gesandte an Konstantin V. geschickt habe pro amicitiis causa et salutem patrie sue. Der Kaiser habe seinerseits eine Gesandtschaft zu Pippin mitgeschickt cum multa munera. Beide Herrscher hätten sich daraufhin durch ihre Gesandten amicitias et fidem...vicinsim versprochen. Der Verfasser fügt nach diesen Ausführungen jedoch hinzu: Nescio, quo faciente, postea amicitias, quas inter se mutuo promisserant, nullatenus sortita est effectu.23 Nach den Reichsannalen hingegen lag die Initiative bei Konstantin: Misit Constantinus imperator regi Pippino cum aliis donis organum, qui in Franciam usque pervenit.24 Von einer amicitia ist keine Rede. Während der Fredegar-Fortsetzer ungefähr zeitgleich mit den Ereignissen schrieb, sind die Reichsannalen, wie bereits dargelegt, wesentlich später rückblickend abgefaßt, daher nicht stets verläßlich. Der Begriff amicitia ist nach seinem Inhalt unbestimmt. Aber sie ist ein grundlegendes, allgemein eingesetztes Institut der Zwischen-Mächte-Beziehungen gewesen, wie auch ihre Bedeutung für das Verhältnis der karolingischen Herrscher zu den Päpsten erkennen läßt.25 Bemerkenswert ist der Zeitpunkt dieser byzantinischen Gesandtschaft. Während diese in Compiègne weilte, setzte Abt Fulrad in Italien die donatio, jedenfalls in Teilen, gerade um. Das heißt, die Weigerung Pippins vom Vorjahr, die Gebiete an den Kaiser herauszugeben, wurde vollzogen. Vor diesem Hintergrund gewinnt der Gesandtenaustausch mit Abschluß einer amicitia oder auch die reduzierte Version einer Gesandtschaft Konstantins mit einer Orgel als Geschenk eine fundamentale Bedeutung für die Beziehungen Pippins zum Kaiser. Der Vorgang stellte zwar keinen formellen Friedensschluß dar; aber er kann doch als Bestätigung der 756 in Oberitalien eingetretenen Verhältnisse angesehen werden. Der Streit ist ausgeräumt. Denn erst das macht eine amicitia überhaupt möglich. Der Papst Stephan II. allerdings wurde wohl etwas bedenklich. Denn in einem Brief vom März 757, also kurz vor seinem Tod, bat er Pippin, mit den Griechen so umzugehen, daß Glaube aber auch die Gerechtsame der Kirche nicht gestört würden. Es ging wohl einerseits um die fortdauernde Spaltung in der Bilderfrage, und andererseits um die territorialen Wünsche oder Ansprüche. Zudem bat der Papst, daß Pippin ihn über Verhandlungen mit dem Silentiarius Johannes und über ein Schreiben, das er diesem gegeben habe, unterrichte, ut sciamus qualiter in commune concordia agamus, sicut inter nos et Folradem Deo amabilem constitit.26 Hatte er Sorge, daß Pippin doch die

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Fred. chron. cont., c. 123 (40), S. 186. Ann. regni Franc. ad a. 757. Unten Teil IV, 3. Kapitel. Codex Carolinus, Nr. 11, MGH Epp. III, S. 506f.

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Die Beziehungen zu den oströmischen Kaisern

ihm gerade von Fulrad übertragenen Gebiete des Exarchats an Konstantin V. übergeben könnte? Ob es sich dabei um die bei Fredegar und in den Reichsannalen genannte Gesandtschaft handelte, geht aus dem Text nicht hervor. Jedenfalls muß aber die Gesandtschaft, von der Fredegar und die Annalen berichten, von der zeitlich früheren Gesandtschaft unterschieden werden, von der das Liber Pontificalis für das Jahr 756 vor dem zweiten Sieg über Aistulf Mitteilung macht.27 Später gab auch Stephans II. Bruder und Nachfolger Paul I. in verschiedenen Briefen an Pippin seiner Besorgnis Ausdruck, daß die Griechen mit Desiderius ein Bündnis abschließen könnten oder gar schon abgeschlossen hätten, um dadurch Ravenna und die Pentapolis zurückzugewinnen.28 Der Protasecretis Georgios, der auch bei Pippin war, hätte dies 758, also nach der Rückkehr von Pippin, mit Desiderius verabredet. Ob ein solcher Vertrag geschlossen wurde, ist nicht festzustellen, da entsprechende Nachrichten fehlen. Da es zu dem von Paul I. befürchteten gemeinsamen Vorgehen nicht kam und auch über andere griechische Aktionen gegen die Franken oder den Papst für diese Zeit keine Nachrichten vorliegen, erscheint ein solcher Vertragsschluß zumindest zweifelhaft. Warum es nicht dazu kam, ist auch nicht festzustellen. Nicht ohne Bedeutung ist dann allerdings die Frage, von wem die Initiative zur byzantinisch-fränkischen Kontaktaufnahme ausging. Wenn Pippin die erste Gesandtschaft schickte, wie der Fredegar-Fortsetzer darstellt, war der fränkische König offenbar bemüht, das Verhältnis zu Byzanz nach den Vorgängen der vorhergehenden Jahre seit 754 zu ordnen und zu stabilisieren. Pippins Ausgreifen nach Italien hatte zwar keine erheblichen Folgen, er zog sich eher wieder zurück. Aber die Interessensphären berührten sich jetzt wieder. Das Frankenreich war aus der Isolierung der Krisenzeit nach Dagobert I. herausgetreten. „Außenpolitik“ war damit notwendig geworden und dazu bedurfte es auch rechtlich geordneter Beziehungen. Warum Konstantin V. die Initiative hätte ergreifen sollen, ist weniger klar. Vielleicht wollte er die Lage im Westen stabilisieren. Es war der Höhepunkt des Bilderstreites. 754 hatte das Konzil von Hiereira stattgefunden, das den Bilderkult verurteilt hatte. Wollte Konstantin die Unterstützung Pippins gegen den Papst gewinnen? Nach der Ablehnung im Vorjahr durfte er kaum auf Erfolg hoffen. Glaubwürdiger erscheint daher die Darstellung des Fredegar-Fortsetzers, wonach die Initiative von Pippin ausging, zumal sie zeitgenössischer als die der Annalen ist.

c. Weitere Gesandtschaften Aus fränkischen Quellen erfahren wir bis 767 nichts über weitere Beziehungen zwischen Pippin und Konstantin V.29 Aber Papst Paul I. spricht in seinen Briefen an Pippin von verschiedenen Gesandtschaften, jedoch auf sehr ungenaue Weise, so daß nicht 27 28 29

Wolf, Gesandtschaften, S. 10, Fußnote 65, sieht sie zusammen. Codex Carolinus, Nr. 17, MGH Epp. III, S. 512; Nr. 15 ibid., S. 515. Karl der Große hat zwar im Codex Carolinus auch die kaiserlichen Briefe an seinen Großvater, Vater und sich selbst gesammelt; diese sind aber aus welchen Gründen immer nicht enthalten, Vorspruch Codex Carolinus, MGH Epp. III, S. 476.

Pippin und Byzanz

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klar ist, ob tatsächlich gesandtschaftliche Beziehungen zwischen Konstantinopel und Pippin bestanden. Der Papst blieb weiterhin ständig in Sorge, daß der Kaiser wieder in Italien aktiv werden und dem Papst die aus dem Exarchat erhaltenen Territorien wieder entziehen könnte. Außerdem war es der Höhepunkt des Bilderstreites, in dem der Papst gegen den Kaiser stand. 760 kündigte der Papst dem König an, daß sechs patricii auf 300 Schiffen über Sizilien auf dem Weg nach Rom seien. Welches Anliegen sie hätten, wisse er nicht. Sie seien wohl bestimmt, zum Papst und dann zu Pippin zu reisen.30 Mehr ist nicht zu erfahren. Der Brief datiert von 760, kann also nicht die spätere Delegation zur Synode von Gentilly 767 meinen. In einem weiteren Schreiben, das um 763/764 datiert, warnte der Papst den König vor einem kaiserlichen Gesandten Georgios. Es wird sich um denselben handeln, der schon früher bei Pippin war. Dieser führe, so Paul I., gefährliche und geheime Vorschläge contra sanctam Dei ecclesiam fidemque orthodoxam, Deo sibi contrario,... contra sedis nostrae contraria et vestrae simili modo bei sich.31 Ob es sich um Fragen des Bilderstreites oder territoriale Probleme handelte, ist nicht zu erkennen. In einem Brief vom Frühjahr 764 ist die Rede de missis vero vestris ac nostris, qui ad regiam urbem simul properaverunt. Mit der urbs regia ist nach Auffassung des Editors in den MGH Konstantinopel gemeint.32 Es hätte sich dann um eine gemeinsame fränkisch-päpstliche Gesandtschaft an den Kaiser gehandelt. Von ihnen seien bisher keine Nachrichten, die Pippin wohl vom Papst erbeten hatte, gekommen, was auch mit dem Winterwetter zu tun habe. Was sie in Konstantinopel sollten, ihr Auftrag und der Zweck werden nicht genannt. Es könnte sich um diplomatische Bemühungen im Bilderstreit, aber auch noch einmal in territorialen Streitfragen gehandelt haben.

d. Die Synode von Gentilly 767 Für 767 berichten auch die Reichsannalen erstmals wieder von einer byzantinischen Gesandtschaft zur Teilnahme an einer Synode in Gentilly: Tunc habuit domnus Pippinus rex in supradicta villa synodum magnum inter Romanos et Grecos de sancta Trinitate vel de sanctorum imaginibus.33 Der Fredegar-Fortsetzer berichtet nichts darüber. Zum ersten Mal ist hier in einer fränkischen Quelle von sachlichen, inhaltlichen Fragen zwischen beiden Mächten die Rede. Bezeichnenderweise waren es Fragen des Glaubens, die zu einem erneuten Kontakt führten und vor allem dem Annalisten berichtenswert erschienen. Da das im Nachhinein aufgezeichnet wurde, tritt die Bedeutung der Glaubensfragen für die Zwischen-Mächte-Beziehungen hervor. Dieser Bericht belegt die sich ändernde Stellung Pippins in der Gesamtkirche und damit auch in der Zwischen-Mächte-Ordnung der Zeit. Die fränkische Kirche und der fränkische König nahmen zum ersten Mal über die fränkischen Verhältnisse hinaus im Rahmen der Gesamtkirche eine gestaltende Rolle wahr. Wahrscheinlich versuchte Pip30 31

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Codex Carolinus, Nr. 20, MGH Epp. III, S. 521. Codex Carolinus, Nr. 25, MGH Epp. III, S. 529, , Z. 32–34; dort wird ein Zeitraum zwischen 758 und 763 genannt. Codex Carolinus, Nr. 29, MGH Epp. III, S. 533, 534. Ann. regni Franc. ad a. 767; der Ort war Gentilly.

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Die Beziehungen zu den oströmischen Kaisern

pin, durch die Synode in den bestehenden Streitfragen zu vermitteln. Denn, wie auch aus Briefen Pauls I. an Pippin hervorgeht, waren Gesandte Konstantins, der Spatarios Anthi und der Eunuch Synesius, und die Gesandten bzw. Legaten des Papstes wohl gemeinsam zur Synode gereist. Pippin hob sich damit über die äußere defensio der Kirche hinaus in die innere defensio der fides orthodoxa. Die byzantinischen Gesandten hatten Briefe Konstantins für den Papst und Pippin mitgebracht, deren Inhalt sich wohl auf die byzantinische Auffassung gegen den Bilderkult bezog. Die Synode vertrat im Bilderstreit den päpstlichen Standpunkt. Die Ergebnisse der Synode übersandte Pippin an den Papst wie an den Kaiser.34 Allerdings änderte dieser seine Position nicht.

e. Das erste byzantinisch-fränkische Heiratsprojekt In seinem Protestbrief gegen die langobardische Heirat Karls an Karlmann und Karl erwähnt Papst Stephan III. ein von Konstantin V. betriebenes Heiratsprojekt zwischen dessen Sohn Leon IV. und Pippins Tochter Gisela, das allerdings scheiterte.35 Ob dieser Vorschlag, der in den fränkischen Quellen nicht erwähnt wird, bereits 757 oder anläßlich einer späteren Gesandtschaft Konstantins V. erfolgte, ist unklar. Diese Anfrage sei, so Stephan III., aber abgelehnt worden, neque vos aliae nationi licere copulari, sed nec contra voluntatem apostolicae sedis pontificum quoquo modo vos audere peragere. Stephan III. beruft sich darauf als eine Art „Präjudiz“ gegen die fränkisch-langobardische Heirat. Es könnte ein Zusammenhang mit der Gesandtschaft Konstantins von 767 zur Synode von Gentilly bestanden haben, die dann neben der Klärung in der Bilderfrage auch einen Auftrag in dieser Richtung gehabt hätte. Dabei wäre ein innerer Zusammenhang zwischen beiden Vorhaben nicht auszuschließen, zumal die fränkische Position in der Bilderfrage der byzantinischen nahe, wenn auch nicht so radikal war. Eine solche Heirat hätte für die Karolinger zweifellos eine erhebliche Rangerhöhung bedeutet. Im 10. Jahrhundert wurde im Traktat über das Ämterwesen die Heirat mit den Franken als dem einzigen Volk gerechtfertigt, mit dem die Römer das conubinum haben könnten, da Konstantin I. aus dieser Gegend stamme. Doch für das 8. Jahrhundert waren derartige Pläne trotz der Heirat der Tochter Theodosius I. Galla Placidia mit dem Gotenkönig Athaulf noch unerhört.36 Warum die Ehe nicht zustande kam, wenn es den Plan gab, ist unklar. Ob es wirklich nur an dem Widerstand des Papstes lag oder auch fränkisch-byzantinische Gründe zum Scheitern führten, muß 34

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Codex Carolinus, Nr. 36 und 37, MGH Epp. III, S. 544 ff. Die Briefe werden dort 764–766 datiert; Dölger, Regesten, Nr. 325, datiert ihn ca. 765. Sie wären dann vor der Synode von Gentilly von 767 geschrieben. Der Papst bezieht sich darin aber auf die Diskussionen zwischen den kaiserlichen und den päpstlichen Gesandten de observatione fidei orthodoxe et pia patrum traditione in Gegenwart Pippins. Zwar ist in dem Brief von einer Synode nicht die Rede. Aber es erscheint nicht wahrscheinlich, daß ein derartiges Ereignis der gemeinsamen Diskussion über zentrale Glaubensfragen zweimal kurz hinter einander im Frankenreich stattgefunden hat. Codex Carolinus, Nr. 45, MGH Epp. III, S. 562; dt. Anhang Nr. 10. Dazu u. a. Herrin, Constantinople, S. 100f.; zur dynastischen Heiratspraxis der Byzantiner generell, Macrides, Marriages, passim, insbesondere S. 268ff.

Zum 2. byzantinisch-fränkischen Heiratsprojekt

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dahingestellt bleiben. Eine weitere Nachricht über diesen Heiratsplan liegt jedoch nicht vor. So bleiben Zweifel, ob Konstantin einen derartigen Plan wirklich unterbreitet hat.

I I I. Z u m 2. b y z an t in i sc h- fr än k i s ch en H ei r ats p r o j ek t a. Herrscherwechsel in Franken Karlmann und Karl, die im September 768 ihrem Vater Pippin als Frankenkönige folgten, scheinen den Thronwechsel in Byzanz nicht angezeigt zu haben. Ebensowenig baten sie um Fortsetzung der amicitia. Denn bis 781 erfahren wir nichts über fränkisch-byzantinische Beziehungen.37 Das ist eigentlich überraschend. Es wird zwar auch nichts über eine entsprechende Mitteilung und Bitte an den Papst berichtet. Jedoch hatte in Rom im März 768 ebenfalls ein Wechsel zu Stephan III. stattgefunden. Auch nach dem Tod Karlmanns 771 findet sich keine Mitteilung darüber, daß Karl Beziehungen mit Byzanz aufgenommen hätte. Nach der Eroberung des Langobardenreiches und der Übernahme der langobardischen Königswürde 774 wird ebenfalls nichts über Kontakte mit Ostrom mitgeteilt. Zwar führte Karl der Große von 774 an den Titel eines patricius Romanorum. Doch nichts deutet darauf hin, daß dieser nunmehr von byzantinischer Seite gekommen wäre.38 Karl muß auf die Verleihung durch Stephan II. 754 in Ponthion zurückgegriffen haben. Ob in den Zwischenjahren von 768 bis 781 wirklich keine Austauschbeziehungen zwischen Karl und den drei Kaisern Konstantin V., Leon IV., Konstantin VI. bzw. seiner Mutter, der Kaiserin Eirene, bestanden, muß aufgrund mangelnder Quellenaussagen offen bleiben. Wenn Kontakte bestanden haben sollten, waren sie weder für die Franken noch für die Byzantiner hinlänglich wichtig, um aufgezeichnet zu werden. Karl war offenbar zu sehr mit anderen Angelegenheiten in unmittelbarer Nähe beschäftigt, mit den Aquitaniern, den Sachsen, sowie mit den Langobarden. Allerdings geriet er gerade durch die Übernahme des langobardischen Königreiches in Italien in unmittelbare Nachbarschaft und zu gemeinsamen Grenzen mit dem imperium in Venetien, sowie über Benevent in Süditalien. Auch Byzanz nahm offenbar die Veränderung der Zustände nicht zum Anlaß, mit Karl in Verbindung zu treten. Zwar fürchtete Papst Hadrian I. wohl eine Rückkehr des Adalgis, des Sohnes des Desiderius mit byzantinischer Hilfe. Denn dieser war nach Byzanz geflohen und versuchte gemeinsam mit den langobardischen Herzögen von Friaul, Spoletto und Benevent sowie mit den Griechen die langobardische Königsherrschaft, aber auch die byzantinische Herrschaft in Italien wiederherzustellen. Nach den Reichsannalen von 775 war es nur ein Krieg des Langobardenherzogs Hrod-

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Ganshof, Relations, S. 9, führt das auf einen Verlust an Briefen zurück. Aber auch andere fränkische Quellen berichten nichts. So aber Ohnsorge, Patricius-Titel, passim, für 781, dagegen zu Recht Classen, Karl der Große, S. 22, Anmerkungen 63f.

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Die Beziehungen zu den oströmischen Kaisern

gaud gegen Karl, den dieser gewann. Von Griechen ist dort keine Rede.39 Von ihrer Seite geschah offenbar nichts, zumindest nichts von besonderer Wichtigkeit, das aufzuzeichnen sich lohnte oder notwendig war.

b. Das 2. byzantinisch-fränkische Heiratsprojekt Die Berichte über Beziehungen zwischen Karl dem Großen und den byzantinischen Herrschern Eirene und Konstantin VI. beginnen im Jahr 781 mit einem zweiten Heiratsprojekt auf höchster Ebene. Karls Tochter Rotrud sollte mit dem noch unmündigen Konstantin VI. vermählt werden. 40 Anders als im Projekt Leon IV. – Gisela wurde dieses Vorhaben im ersten Schritt durch die Verlobung auch verwirklicht. Päpstliche Einsprüche gab es diesmal anscheinend nicht. Rotrud wurde sogar auf ihre zukünftige Rolle als byzantinische Kaiserin vorbereitet. Ob darüber hinaus eine allgemeinere auch politische Verbindung ausgehandelt und vereinbart wurde, läßt sich jedenfalls aus den fränkischen Quellen nicht erschließen.41Aber auch dieses Projekt zerschlug sich. Berichte über das Heiratsprojekt enthalten sowohl fränkische als auch byzantinische Quellen.42 Zum Anfang der Verlobung heißt es in den Lorscher Annalen: Et ibi (Rom) disponsata est Hrothrud, filia regis, Constantino imperatori.43 Die Einhardannalen berichten über das Ende: Ipse post haec cum legatis Constantini imperatoris, qui propter petendam filiam suam ad se missi fuerant, locutus est atque illis dimissis Romam reversus... .44 Einhard teilt mit, Karl habe seine Töchter so geliebt, daß er sie im Hause zurückhielt, weil er ohne sie nicht habe leben können.45 In der byzantinischen Weltchronik des Theophanes wird die Verlobung sehr ausführlich geschildert: „In diesem Jahr schickte Eirene den Sakellarios Konstaes mit dem Primikerios Mamalos zu dem Frankenkönig Karl, um seine Tochter, die Erythro hieß, mit ihrem Sohne dem Kaiser Konstantin, zu verheiraten. Nachdem sie sich geeinigt 39

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Codex Carolinus, Nr. 57, MGH Epp. III, S. 582, Nr. 64, ibid., S. 591; Ann. regni Franc. ad a. 775. Von einem “offenen Krieg” zwischen Karl und Leon IV. 775 spricht hingegen Ohnsorge, Kaisertum, S. 305. Ann. Lauresh. ad a. 781, S. 31f.; Breyer, Bilderstreit, S. 110, dort für 782. So anscheinend Venediger, Versuch, S.26. Die Vertragsbedingungen seien „von beiden Seiten beschworen worden“. Die von ihm in Anm. 4 herangezogenen fränkischen Quellen sagen dazu aber nichts, sondern vermelden nur die Verlobung. Die griechische Quelle Theophanes ist ausführlicher. Classen, Karl der Große, S. 30 spricht von einem „Bündnis mit Byzanz“, das Eirene nach der Nachricht des Theophanes im Jahre 781mit dem fränkischen König gesucht und geschlossen habe. Offenbar schließen beide Autoren aus der Verlobung auf ein Bündnis. Das ist aber aus den Quellen weder auszuschließen noch zu belegen. Zur Quellenlage insgesamt Speck, Kaiser, S. 513, Fußnote 126, der sie „ziemlich verwickelt“ nennt. Zu den berichtenden Quellen insgesamt Rochow, Byzanz, S. 234 und S. 249. Zu dem Projekt vor allem aus Eirenes Sicht, Venediger, Versuch, S. 25 ff. Er schreibt der Regentin, die sie damals noch war, die Initiative zu, aber dann auch den Abbruch des Versuchs, S. 35ff. Ann. Lauresh. ad a. 781. Ann. q. d. Einh. ad a. 786. Die Reichsannalen schweigen über den Vorgang völlig. Einhard, Vita Caroli, c. 19.

Zum 2. byzantinisch-fränkischen Heiratsprojekt

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hatten und es zum Verlöbnis gekommen war, blieb der Eunuch und Notarios Elissaios zurück, um Rotrud griechische Sprachen und Literatur zu lehren und sie im byzantinischen Hofzeremoniell zu unterweisen.“46 Über das Ende der Verlobung heißt es: „Die Kaiserin Eirene löste das Abkommen mit den Franken und berief den Protospatharios Theophanes zurück. Sie holte ihrem Sohn eine Braut aus Armeniakon, namens Anna von Amnia, und verlobte sie mit Kaiser Konstantin, obgleich er dies sehr bedauerte und sich dagegen wehrte, da er an der Tochter des Frankenkönigs Karl festhielt, mit der er vorher verlobt gewesen war. Doch die Hochzeit wurde im November der 12. Indiktio vollzogen.“47 Während die fränkischen, sehr lapidaren Berichte die genaueren Umstände völlig außer acht lassen, behauptet Theophanes, die Initiative sei in beiden Phasen, für den Abschluß wie für die Auflösung der Verlobung, von Eirene ausgegangen. Über die Gründe für die Verlobung ebenso wie über die Gründe für ihre Auflösung kann viel spekuliert werden.48 Das allgemeine Umfeld der Verlobung war bestimmt durch die gleichzeitige engere Annäherung Karls des Großen an Hadrian I. bei seinem zweiten Rombesuch. Karl verstärkte dadurch auch seinen Herrschaftsanspruch in Italien, griff jedoch in Süditalien zu diesem Zeitpunkt nicht ein, auch nicht in den beiden langobardischen Herzogtümern Spoletto und Benevent. Dieses blieb „Pufferstaat“ zwischen Karls Bereich und dem verbliebenen byzantinischen Süditalien. Die geplante Heirat sollte das vielleicht sichern. 787 gab es jedoch eine kurze kriegerische Auseinandersetzung zwischen den langobardischen Herzögen von Spoletto und Benevent und den süditalienischen und sizilianischen Griechen, an der die Franken mit einem kleinen Kontingent beteiligt waren.49 Adalgis, der Sohn des Desiderius nahm auf byzantinischer Seite teil. Nach seiner Flucht nach Konstantinopel im Jahr 774 hatte er dort den patricius-Titel erhalten und versuchte nun, mit byzantinischer Unterstützung sein Königtum zu erlangen. Karl seinerseits versuchte, die Oberhoheit über das Herzogtum Benevent zu festigen. Damit wäre er unmittelbarer Nachbar des byzantinischen Süditalien geworden. Zwar war er bereits Grenznachbar des oströmischen Reiches in Venetien und an der Ostküste der Adria. Aber Süditalien war aus byzantinischer Sicht wichtiger und daher bedrohter. Karl dem Großen gelang es, den beneventanischen Herzog Arichis ohne kriegerische Auseinandersetzungen unter seine Oberhoheit zu bringen. Der Herzog mußte Tribut zahlen, zwölf Geiseln stellen, darunter seine Söhne Romuald und Grimoald, und mit seinen Großen Treue schwören.50 Diese Ausdehnung des Machtberei-

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Breyer, Bilderstreit, S. 110. Die Frage ist streitig, wie die Zeitangaben in den Quellen harmonisiert werden können, dazu u. a. Speck, Kaiser, S. 121, der zwei byzantinische Gesandtschaften annimmt. Zur Quelle selbst u. a. Rochow, Byzanz, passim. Breyer, Bilderstreit, S. 120f. Dazu u. a. Speck, Kaiser, S. 516, Fußnote 135, sowie S. 121, 167f.; Classen, Karl der Große, S. 30ff.; Wolf, Heirats- und Verlobungspläne, S. 16f.; ders., Gesandtschaften, S. 11f. Classen, Karl der Große , S. 33. Ann. regni Franc. ad a. 787.

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Die Beziehungen zu den oströmischen Kaisern

ches Karls entgegen der Situation von 781 könnte Eirene zum Bruch der Verlobung veranlaßt haben.51 Mit diesem zweiten Heiratsprojekt wurde deutlicher, konkreter als 767 die Eheschließung als Mittel der Politik in Zwischen-Mächte-Beziehungen eingesetzt.52 Die Anerkennung einer Ebenbürtigkeit der Karolinger kann daraus nicht ohne weiteres geschlossen werden. Doch die Heirat eines byzantinischen Kaisers mit einer fremden Königstochter hatte für das Verhältnis der beiden Familien notwendiger Weise eine politische Dimension. Karl stellte seit 774 eine neue Macht im Westen und vor allem in Italien dar. Eirene konnte zwar nicht hoffen, auf diese Weise die ehemaligen byzantinischen Gebiete zurückzuerhalten. Karl hatte 774 in St. Peter die promissio donationis der früheren byzantinischen Gebiete im Ravennat an den Apostolischen Stuhl bestätigt und sogar erheblich um Venedig und Istrien erweitert. Er hat sie zwar nie ganz vollzogen, stand aber trotzdem mit dem Papst in einer engen Verbindung. Die Kaiserin wird sich aber einiges von dieser Heirat versprochen haben, möglicherweise Unterstützung bei ihren Auseinandersetzungen mit den Arabern oder anderen Völkern, sowie Hilfe bei der Sicherung des Restbesitzes in Italien.53 Für Karl hätte die Heiratsabsprache zur Sicherung seiner italienischen Position führen können. Bemerkenswert ist, daß dieser ganze Vorgang von den Reichsannalen nicht erwähnt wird. Die Einhard zugeschriebene spätere Fassung enthält nur für 786 die Mitteilung über die Auflösung der Verlobung.54 Es ist kaum vorstellbar, daß der Annalist nichts über diese Ereignisse wußte.55 Wurden die Informationen nur deswegen unterdrückt, weil das Vorhaben schließlich doch nicht zur Heirat führte? 781 konnte man das zwar nicht wissen. Aber da der erste Teil wohl erst später, also nach den Vorgängen, von 787 bis 793 verfaßt wurde, wußte der Schreiber um das Scheitern des Planes.56 Man wollte dann wohl nicht mehr davon reden. Das könnte auf schlechte Beziehungen zu der Zeit der Abfassung der Annalen hindeuten. Das war in den 790er Jahren, in denen die Libri Carolini mit ihren Angriffen gegen Konstantin entstanden, wohl der Fall. Das deutet aber auch auf die Bedeutung hin, die das mit dem Heiratsprojekt sicher verbundene

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So Classen, Karl der Große, S. 32. Autoren, die mehr darauf abstellen, daß Karl die Verlobung gelöst habe, bringen dies mit der Nichteinladung der Franken zum Konzil nach Konstantinopel in Verbindung, so z. B. Ohnsorge, Zweikaiserproblem, S. 19, der aber die Meldung des Theophanes gar nicht zur Kenntnis nimmt; dazu auch Wolf, Heirats- und Verlobungspläne, S. 17. Aus den Quellen ist das nicht zu erschließen. Jede Seite nimmt offenbar die Auflösung für sich in Anspruch, was für die jeweilige Auffassung über dieses Verhältnisses nicht ohne Bedeutung ist. Für eine eindeutige Auflösung durch Karl auch Wolf, Gesandtschaften, S. 11f. Er sieht dahinter eine Intrige Hadrians I., der eine fränkisch-byzantinische Konstellation zu seinem Nachteil habe verhindern wollen. So u. a. bereits Ohnesorge, Zweikaiserproblem, S. 18f. Classen, Karl der Große, S. 30. Zu den unterschiedlichen Angaben, Rochow, Byzanz, S. 249. Nach den Gesta sanct. patr. Fontanell., c. XII,1, S. 84f., soll der Kaplan Witbold mit einem weiteren Gesandten um die Mitte des Jahres 785 in dieser Angelegenheit nach Konstantinopel gereist sein; Speck, Kaiser, S. 165. Zum Zeitpunkt, Wattenbach-Levison, Geschichtsquellen, H. 1, S. 250.

Behauptung des Gleichrangs

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Bündnis für die Franken hatte. Auch dieses scheint mit dem Projekt gescheitert zu sein.57

IV. B e h au p t u ng d es Gl ei ch r an g s a. Der Bilderstreit Für die Zeit zwischen 786 und 796 liegen weder Berichte über direkte diplomatische Kontakte noch über nähere Ausgestaltungen des fränkisch-byzantinischen Verhältnisses vor, obwohl in dieser Zeit das zweite Konzil von Nicaea über die Bilderfrage stattfand, das den Iconoclasmus verwarf und die Bilderverehrung wieder zuließ. Die fränkische Kirche war dort nicht unmittelbar selbst durch eigene Mitglieder vertreten. Nach dessen Abschluß 787 übersandte Hadrian I. jedoch die Akten an Karl. Das löste nicht nur einen dogmatischen Streit mit dem Papst aus, sondern konfrontierte den König auch mit dem Universalitätsanspruch der byzantinischen Kaiser. Karl nutzte jedenfalls diese Gelegenheit, um die kaiserlichen Ansprüche abzuweisen und seinen Gleichrang mit den Herrschern in Konstantinopel in den Libri Carolini von 791 zu begründen.58

b. Das Konzil von Nicaea 787 786 hatten, wie erwähnt, Konstantin VI. und seine Mutter Eirene die Initiative zur Einberufung eines ökumenischen Konzils ergriffen, um die Bilderfrage endgültig zu entscheiden. Es fand, nachdem der erste Anlauf in Konstantinopel von den Ikonoklasten gesprengt worden war, 787 in Nicaea statt. Hadrian I. hatte der Einberufung zugestimmt.59 Es erging eine Einladung seitens der Kaiser an die drei orientalischen Patriarchen von Alexandrien, Antiochien und Jerusalem sowie an den Patriarchen des Westens, den Papst. Es wurden auch Einladungen an die Bischöfe des oströmischen Reiches gesandt, d. h. an die des Patriarchats von Konstantinopel.60 Die Bischöfe der anderen Patriarchate waren nicht eingeschlossen, da sie nicht mehr im Reich waren, sondern entweder unter islamischer Herrschaft standen oder im Westen angesiedelt waren. So war es wohl auch im Rahmen des VI. ökumenische Konzils 680 gewesen, auf dem der Monotheletismus verurteilt wurde.61 Die fränkischen Bischöfe und Karl waren also nicht eingeladen. Unklar ist, ob die Franken überhaupt von dem Konzil wußten.62 Diese Nichtbeachtung der Franken entsprach zwar wohl dem Herkommen, erwies sich jedoch im Nachhinein als ein religiöser und vor allem politischer Fehler. 57

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Auf diese Lücke der Berichterstattung und ihre Bedeutung geht z. B. Classen, Karl der Große, S. 30ff., nicht ein. MGH LL III, Conc. T. II. Suppl. Dölger, Regesten I, Nr. 341–343. Dölger, Regesten I, Nr. 344. Dölger, Regsten I, Nr. 240, 244f., 246–248. Classen, Karl der Große, S. 35, weist darauf hin, daß Hadrians Briefe an Karl aus dieser Zeit keinen Hinweis enthalten hätten; Hefele, Conciliengeschichte, Bd. 3, S. 228ff.

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Die Beziehungen zu den oströmischen Kaisern

Daher nahmen aus dem Westen nur zwei Legaten des Papstes an dem Konzil teil.63 Sie überbrachten einen Brief des Papstes, in dem dieser die bekannte Position der letzten Päpste zu der Frage der Bilderverehrung darlegte.64 Er wurde auf dem Konzil verlesen und angenommen. Allerdings wurden einige Teile weggelassen, in denen Hadrian I. die Berufung des Patriarchen Tarasius aus dem Laienstande rügte, die Rückgabe der dem Patriarchat von Rom entzogenen Gebiete Süditaliens verlangte und Karl den Großen den Kaisern als Vorbild hinstellte. Am Schluß des genannten Briefes verspricht Hadrian I. dem Kaiser den Beistand des Apostels Petrus zum Triumph und Sieg über die Barbaren, wenn die Verehrung der Bilder wiederhergestellt werde sicut filius et spiritualis compater noster dominus Carolus rex Francorum et Langobardorum ac patricius Romanorum nostris obtemperans monitis, atque adimplens in omnibus voluntates, omnis Hesperie occidueque partis barbaras nationes sub suis prosternens conculcavit pedibus, omnipotentatem illarum domans, et suo subjiciens regno adunavit.65 Karl den Kaisern als Beispiel hinzustellen, war wohl in byzantinischen Augen gewagt. Wichtiger ist, daß Hadrian I. offenbar eine Unterscheidung zwischen dem Reich und dem Herrschaftsbereich Karls machte. Wie weit diese Unterscheidung zum Tragen kam, ob gar eine Gleich- oder Nebenordnung der oströmischen Kaiser und Karls ins Auge gefaßt wurde, kann nicht weiter geklärt werden. Aber eine auch nur ideale Nach- oder gar Unterordnung Karls unter das imperium war nicht mehr im Blick. Eirene und Konstantin VI. hatten zunächst das Konzil eröffnet und dabei eine Sacra an dieses gerichtet, in der Fragen des Verfahrens, aber auch des Inhalts behandelt wurden.66 Auf der siebten Sitzung in Nicaea war der Horos, d. h. die Definition des Konzils zur Bilderverehrung, also die eigentliche Glaubensaussage verabschiedet und von den Legaten des Papstes und den anderen anwesenden Bischöfen etc. unterschrieben worden.67 Auf der achten Sitzung in Konstantinopel waren die Kaiser anwesend. Sie baten die versammelten Mitglieder um die Bestätigung des Horos, der noch einmal verlesen wurde. Nachdem diese durch die Versammelten gegeben war, unterschrieben auch sie. Eirene und Konstantin VI. nahmen als Kaiser offenbar aktiven Anteil an der formellen Eröffnung und Beendigung und an der Beschlußfassung. Danach gingen die Akten nach Rom. Dort hat sie der Papst nicht mehr ausdrücklich bestätigt, er billigte jedoch die Beschlüsse. Sie wurden ins Lateinische übersetzt. Diese Fassung wurde Karl übersandt, wohl damit in Franken die Rezeption beschlossen würde, wie es bereits das 14. Konzil von Toledo im Jahr 680 mit den Beschlüssen des VI. ökumenischen Konzils gegen den Monotheletismus für die westgotische Kirche gemacht hatte.

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Zur Geschichte des Konzils allgemein u. a. Beck, Griechische Kirche, S. 38 ff. Zum Ablauf im einzelnen u. a. Hefele, Conciliengeschichte, Bd. 3, S. 410 ff. Sacrorum conciliorum, XII, Sp. 1055–1075, griechische und längere lateinische Fassung; dazu Haendler, Epochen, S. 24ff.; Ostrogorsky, Rom, S. 75ff.; Classen, Karl der Große, S. 34. Sacrorum conciliorum, XII, Sp. 1075. Sieben, Konzilsidee, S. 378. Hefele, Conciliengeschichte, Bd. 3, S. 439 ff.

Behauptung des Gleichrangs

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c. Ablehnung Dieses Ansinnen, trotz der Nichtbeteiligung am Konzil dessen Ergebnis zu rezipieren, stellte offenbar eine Herausforderung an Karls Selbstverständnis in bezug auf seine Stellung in Kirche und Welt, auf sein Verhältnis zum Kaiser und auch zum Papst dar. Der Streit bekam so neben seiner religiös-dogmatischen Bedeutung eine grundlegende politische Dimension für die Ordnung der Welt. Denn in seiner Reaktion versuchte Karl nicht nur seine inhaltliche Ablehnung, sondern auch seine Position gegenüber dem Kaiser zu definieren. Allerdings geschah das nicht gegenüber diesem selbst, sondern gegenüber dem Papst in den Libri Carolini.68 Denn da es prinzipiell um eine religiös-dogmatische Frage ging, war dafür nach Karls Auffassung allein der Papst zuständig. Schon das war auch eine indirekte Stellungnahme gegen die Kaiser. Denn der Frankenherrscher stärkte für dogmatische Fragen den päpstlichen Primat gegenüber kaiserlichen Ansprüchen.69 Inhaltlich vertrat Karl eine Position, die der Bilderverehrung wesentlich zurückhaltender, wenn nicht ablehnender gegenüberstand, als sie in Nicaea festgelegt und von Hadrian I. gebilligt worden war. Aber Karl beschränkte sich nicht auf eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Beschlüssen von Nicaea. Er griff deren formale Verbindlichkeit für die fränkische Kirche an, indem er die Ökumenizität und Universalität des Konzils bestritt. Er griff zur Begründung einerseits die Zusammensetzung des Konzils und andererseits die von Konstantin VI. und Eirene in Anspruch genommene Position auf dem Konzil an. Da Ökumenizität und Universalität nicht unbedingt mit einer allgemeinen Teilnahme aus allen Teilen der Kirche, sondern wesentlich mit der Stellung des Kaisers für die Einberufung des Konzils und die Sanktionierung seiner Beschlüsse verbunden waren, mischte sich die Frage, ob das 2. Konzil von Nicaea die Stellung eines ökumenischen, und damit auch für die Franken verbindlichen Konzils hatte, mit der grundsätzlichen allgemeinen Frage nach der Universalität und hierarchischen Spitzenstellung des Kaisertums in der Gesamtordnung der Mächte und damit mit der politisch-normativen Frage des Ranges von Kaiser und Königen. Denn nur wenn eine solche gegeben war, konnte trotz des Fehlens der Franken das Konzil als ein universelles angesehen werden. Damit kam aber nicht nur das Verhältnis der fränkischen Kirche zur Gesamtkirche und zum Papst, sondern das Verhältnis des fränkischen Königtums zum Kaisertum zur Sprache. Karl äußerte sich daher bei dieser Gelegenheit sehr grundsätzlich dazu, so daß seine Ausführungen allgemeine Bedeutung für seine Auffassung von diesem Verhältnis haben. Karl bestritt ganz allgemein und grundsätzlich die universelle Stellung des Kaisers im damaligen ordo. Eirene und Konstantin nannte er konsequent orientalem particem ... reges, Konstantin rex eorum, d. h. der Griechen.70 Er bezeichnete konsequent das Konzil als Synode der graeci, der pars orientalis (der Kirche).71 Es ist zwar nicht anzu68 69 70 71

Libri Carolini, MGH LL III, Conc. II/1, Supplementum. Zur Entstehung unten S. 562ff. Libri Carolini, c. VI, MGH LL III, Conc. II/1, Suppl., S. 20 ff. Libri Carolini, Praef., MGH LL III, Conc.II/1, Suppl., S. 3, Z. 7, 26. Damit wird im übrigen auch eine geographische Beschränkung des Konzils ausgedrückt, was gegen dessen Universalität sprechen soll, synodus illis in partibus, Libri Carolini, Praef.

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Die Beziehungen zu den oströmischen Kaisern

nehmen, daß Karl den Kaiser seines Ranges entkleiden wollte. Denn der Begriff imperator wird ebenfalls auf Konstantin angewandt.72 Wohl aber wird in der Bezeichnung Konstantins als rex im Gesamtzusammenhang der Libri Carolini deutlich, daß Karl selbst sich als gleichrangig mit dem Kaiser einstufte. Die Einberufung des Konzils und die Bestätigung seiner Beschlüsse durch den Kaiser genügte also mangels einer universellen Stellung nicht, wenn wesentliche Teile der Kirche und deren Repräsentanten fehlten und nicht mitentscheiden konnten.

V. Mi tk ai s er ? Erst zehn Jahre nach dem gescheiterten byzantinisch-fränkischen Heiratsprojekt setzten wieder Kontaktaufnahmen ein. Im Jahr 797 kam zu Karl ein legatus Nicetae, qui tunc Siciliam regebat, nomine Theoctistus...imperatoris epistolam portans; quem magnifice suscipiens post paucos dies absolvit.73 Konstantin wurde im August des Jahres geblendet und starb. Sollte Karl dem Gesandten eine Botschaft mitgegeben haben, wird sie den Kaiser wohl nicht mehr erreicht haben. Möglicherweise hat Eirene die Nachricht in Empfang genommen. Denn 798 schickte diese ihrerseits eine Gesandtschaft an Karl: Haec tamen legatio tantum de pace fuit.74 Es wird vermutet, daß die italienischen Angelegenheiten, insbesondere in Benevent, bereinigt werden sollten. Andererseits verweist die Mitteilung ausdrücklich auf die Blendung Konstantins, wodurch dieser herrschaftsunfähig wurde. Dessen Tod erwähnen die Annalen nicht. Es könnte sich also auch um eine Vergewisserung Eirenes gehandelt haben, daß daraus keine Folgen für sie oder für das Reich entstünden. Aus dieser Zeit gibt es noch eine andere Meldung: missi venerunt de Grecia ut traderent ei (sc. Karolo) imperium.75 Daß hier ein „Ruf“ auf den Kaiserthron nach Byzanz ergangen sein sollte, erscheint völlig ausgeschlossen. Speck hingegen entwickelt eine andere Hypothese.76 Er geht auf die Möglichkeit ein, daß Eirene als Kaiserin die Befugnis hatte, einen Mitkaiser oder einen gleichberechtigten Kaiser für das Westreich zu erheben. Dieser verabredete Plan wäre dann von Papst Leo III. mit der Kaiserkrönung in Rom durchkreuzt worden. Dies könnte wiederum die Bemerkung Einhards erklären, Karl habe sich gegen die Kaisererhebung durch den Papst gesträubt. Der Hypothese ist nicht weiter nachzugehen, da sie jeglicher Beweise entbehrt. Was mit der Gesandtschaft von 798 wirklich gewollt war, ist nicht mit Sicherheit festzustellen. Immerhin verlief sie freundschaftlich. Karl gab den Gesandten den Bruder des Patriarchen Tarasius mit, der als Kriegsgefangener in Italien lebte. Eine eigene Gesandtschaft schickte er nicht. Das deutet darauf hin, daß Verhandlungen über ein Ab-

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MGH LL III, Conc. II/1, Suppl., S. 3, Z. 36, auch ibid., S. 5, Z. 7. Dazu Bastgen, Capitulare (1911), S. 663; seine Interpretation erscheint aber zumindest überzogen. Libri Carolini, lib. IV, c. XX, MGH LL III, Conc.II/1, Suppl., S. 210, Z. 36. Ann. regni Franc. ad a. 797. Ann. regni Franc. ad a. 798. Classen, Karl, S. 41f., gibt an, daß diese Nachricht aus dem Kloster St. Amand aus den Jahren 798 oder 799 stammt; Speck, Kaiser, S. 326. Ibid., S. 328ff.

Die Kaisererhebung Karls des Großen

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kommen irgendwelcher Art nicht stattfanden oder stattgefunden hatten, schon gar nicht ein Übereinkommen, also ein Vertrag, abgeschlossen worden war oder werden sollte.

V I. D ie K ai se re rh eb u n g K ar l s d es Gr o ß en a. Die Folgen Die Kaisererhebung Karls stellte die Beziehungen zwischen dem „neuen“ Kaiser und den „alten“ Kaisern nicht nur aus heutiger Sicht auf eine neue Grundlage. Es entstand das in der Forschung immer wieder behandelte „Zwei-Kaiser-Problem“.77 Die Wahrnehmung und Darstellung in den zeitgenössischen fränkischen und griechischen Quellen ist jedoch sehr verschieden. Die fränkischen Quellen scheinen das nicht als „Problem“ wahrzunehmen. Sie berichten nichts über eine eigene Kontaktaufnahme Karls mit der noch regierenden Eirene. Sie wurde offenbar weder unterrichtet, noch wurde gar um eine Anerkennung nachgesucht. Aus Karls Sicht war das wohl überflüssig. Denn schon vorher hatte er seine Parität im Westen gegenüber den byzantinischen Kaisern im Osten definiert. Ihre Stellung aber wollte er wohl nicht einnehmen. Jedoch teilen die Reichsannalen für 802 mit, daß Eirene den Spatharius Leo als Gesandten an Karl de pace confirmanda inter Francos et Grecos entsandt habe. Der neuerliche Kontakt ist danach also von der griechischen Kaiserin ausgegangen. Es entsteht der Eindruck, sie habe damit auf die Kaisererhebung Karls reagieren wollen. Die maßgebende griechische Quelle des Theophanes berichtet hingegen von einem Heiratsprojekt zwischen Karl und Eirene, dem dritten also, das aber von Leo III. und Karl dem Großen ausgegangen sei. Einerseits stimmen die fränkischen und die byzantinischen Quellen unabhängig von den Unterschieden ihrer Darstellungen darin überein, daß nach Karls Kaiserkrönung gesandtschaftliche Kontakte fortgeführt und nicht etwa abgebrochen wurden. Andererseits weisen sie jeweils die Initiative der anderen Seite zu. Dadurch bringen sie ihre Vorstellungen über das Grundverhältnis beider Mächte zueinander zum Ausdruck. Denn nicht der Höhere oder doch Machtvollere, sondern der Niedrigere oder doch Schwächere bittet um Frieden oder eine Gewährung.

b. Kaiserkrönung und 3. Heiratsprojekt – Oströmische Quelle Theophanes berichtet über die Vorgänge um 800 zweimal. Allerdings ist seine Darstellung nicht zeitgenössisch, sondern im Jahr 814, d. h. also nach der Anerkennung Karls als Kaiser durch Michael I. und dem – komplizierten – Friedensschluß niedergeschrieben. 78 Das heißt, er wußte, wie es ausgegangen war. Das nötigt zu einer gewissen Bedachtsamkeit bei der Interpretation.

77 78

Dazu u. a. Ohnsorge, Zweikaiserproblem, passim.; Classen, Karl der Große, S. 82 ff. Nach Rochow, Byzanz, S. 40f., liegt die Abfassung in der Regierungszeit Leons V.

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Die Beziehungen zu den oströmischen Kaisern

Für das Weltjahr 6289 (797) teilt Theophanes nach dem Bericht über die Blendung Konstantins den Aufstand gegen Papst Leo III. in Rom mit sowie dessen Flucht zu Karl. Dieser habe ihn wieder auf seinen Thron gesetzt. Theophanes fährt fort: „Seit jener Zeit steht Rom unter der Macht der Franken. Als Belohnung dafür krönte der Papst ihn am 25. Dezember der 9. Indiktio zum römischen Kaiser in der Kirche des hl. Apostels Petrus, nachdem er ihn vom Kopf bis zu den Füßen gesalbt und ihm das kaiserliche Gewand angelegt und die Krone aufgesetzt hatte.“79 Für das Weltjahr 6293 (801) heißt es dann noch einmal: „In diesem Jahr wurde am 25. Dezember der 9. Indiktio der Frankenkönig Karl vom Papst Leon gekrönt.“ Er fährt fort: „Obgleich Karl anfänglich den Plan hatte, mit einer Flotte Sizilien zu überfallen, stand er davon ab, weil er sich viel mehr mit Eirene zu verheiraten gedachte. Er schickte zu diesem Zwekke im folgenden Jahre der 10. Indiktio Gesandte zu ihr.“80 Über beide Vorhaben Karls finden sich in fränkischen Quellen keine Aussagen. Die Darstellung der Kaiserkrönung Karls durch Theophanes wird in der Literatur als eine „Mischung von Furcht und Spott“ bezeichnet.81 Der Spott läge darin, daß der Krönungsvorgang in einer Weise geschildert werde, die deutlich mache, wie unvereinbar sie mit dem byzantinischen Zeremoniell der Kaisererhebung und damit, wie „barbarisch“ sie gewesen sei. Die Furcht läge darin, daß der Plan eines Einfalls in Sizilien daran geknüpft worden sei. Eine Aktion gegen Sizilien wäre ein Akt des Angriffs auf das Reichsgebiet gewesen. Dieser hätte aus byzantinischer Sicht auch als der Beginn eines weitergehenden Anspruchs auf das ganze Reich, also auf die Universalherrschaft verstanden werden können. Nach fränkischer Darstellung zog Karl nach der Kaiserkrönung aber nicht gegen byzantinisches Gebiet, sondern nur gegen das langobardische Herzogtum Benevent, das in einem erneuten Versuch der Oberhoheit Karls unterworfen werden sollte.82 Auch hier besteht also eine grundlegende Differenz der Darstellung. Theophanes deutete wohl die Kaiserkrönung Karls in Rom dem karolingischen Anspruch nach als Krönung zum römischen, nicht etwa zum fränkischen Kaiser. Das heißt nicht, daß Theophanes sich diese Deutung zu eigen machte. Denn später, im Weltjahr 6304 (812), spricht Theophanes im Hinblick auf 812 vom „Frankenkaiser Karl“, zu dem Michael I. eine Gesandtschaft geschickt habe, um Frieden zu schließen.83 Es ist die Gesandtschaft, die Karl in Aachen als basileus akklamieren wird. Theophanes kommentiert den Vorgang nicht. Immerhin könnte aber die Bemerkung, Rom habe seitdem, d. h. seit 800 „unter der Macht der Franken“ gestanden, auf eine Art „Westkaisertum“ hindeuten. Rom als kaiserliche sedes imperii unter fränkischer Herr-

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82 83

Zitiert nach Breyer, Bilderstreit, S. 133. Nach Speck, Kaiser, S. 373ff., hat Theophanes eine römische Quelle abgeschrieben; zurückhaltender Rochow, Byzanz, S. 48. Zitiert nach Breyer, Bilderstreit, S. 136. Classen, Karl der Große, S. 83ff.; anders hingegen Speck, Kaiser, S. 371ff.; sowie Ohnsorge, Kaisertum, S. 300ff. Die von Classen in der Darstellung des Theophanes vermißte Akklamation oder Ausrufung Karls als Kaiser wird von diesem als von Theophanes unterstellt angesehen. Ann. regni Franc. ad a. 801. Breyer, Bilderstreit, S. 164.

Die Kaisererhebung Karls des Großen

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schaft wäre dann Grundlage eines erneuerten römischen Kaisertums des Westens. Theophanes befürchtete aber offenbar mehr, den Ausgriff auf das Gesamtreich. Auch für das dritte Heiratsprojekt von 802 ist zu bedenken, daß Theophanes im Jahr 814 nach dem Abschluß des Friedensvertrages von 812–14 und damit nach der Anerkennung Karls als basileus schreibt. Die „Usurpation“ hatte sich nicht mehr leugnen lassen und wurde auf diese Weise „geheilt“, aber um den Preis der Teilung in ein Ost- und ein Westreich. Der Grund, den Theophanes für das Heiratsprojekt nennt, ist aber gerade die Vereinigung von West und Ost, d. h. die Wiederherstellung des alten römischen Reiches in der Realität. Denn er kommt noch ein zweites Mal auf diesen Plan für 6294 (802) zu sprechen: „Es kamen auch Abgesandte von Karl und dem Papst Leon zur frommen Eirene und baten, daß sie sich mit Karl verheirate und so der Osten und Westen vereint werde. Sie hätte auch eingewilligt, wenn nicht der oft genannte Aetios es verhindert hätte...“84 Im übrigen wurde die Kaiserin in diesem Jahr von Nicephorus gestürzt. Ein solches Heiratsprojekt wäre also, wenn es ein solches wirklich gegeben hat, weit über die früheren Heiratsprojekte hinausgegangen, die lediglich eine dynastische Verbindung begründen sollten. Die Richtigkeit oder Stichhaltigkeit des Berichtes über das Heiratsprojekt zwischen Karl und Eirene wird in der Literatur weithin bestritten.85 Hier kann dazu nichts Definitives beigetragen werden. Aber unabhängig von der Wirklichkeitsnähe der Schilderung, die Theophanes über diese Ereignisse liefert, ist das Faktum, daß er über derartige Vorgänge berichtet, bemerkenswert. Als Alternative zu dem Plan einer Eroberung Siziliens vorgetragen, erschien ihm Karls Initiative wohl als Ausgriff auf die byzantinische kaiserliche Universalherrschaft. Offenbar erwartete man das in Byzanz wie von anderen Usurpatoren auch, obwohl Karl, anders als diese nicht im noch verbliebenen östlichen Reich selbst aufgetreten war, sondern im früheren, aber längst verloren gegangenen Westen des Reiches und auch nach fränkischen und päpstlichen Quellen keine weitergehenden Ansprüche auf das alte Gesamtreich geltend machte. Im Grunde wird hinter der Darstellung des Theophanes das Bewußtsein des Auseinanderklaffens von Anspruch, Idee – Einheit des Westens und des Ostens unter einer Herrschaft – deutlich, das es entweder durch Eroberung des Reiches durch Karl, angefangen in Sizilien, oder durch Heirat zu überwinden galt. Daß dabei die Initiative Karl zugesprochen wurde, ist ohne weiteres einsichtig. Er war nicht nur der Mann, der freien wollte, er war in den Augen des Byzantiners derjenige, der um die Legitimation bemüht sein mußte. Wenn auch die Berichte über dieses Heiratsprojekt unwahr sein mögen, so weist doch die Tatsache, daß sie dann erfunden und wiedergegeben wurden, auf bestimmte Vorstellungen in Byzanz hin. Ob diese nur bei einem Mönch bestanden,86 mag offen bleiben.

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Zitiert nach Breyer, Bilderstreit, S. 137. Z. B. Classen, Karl der Große, S. 84ff.; Wolf, Heirats- und Verlöbnispläne, S. 17; zurückhaltender hingegen Speck, Kaiser, S. 327f. und S. 357f.; ernst scheint es auch Ohnsorge, Zweikaiserproblem, S. 20 und S. 24, zu nehmen, der die Idee dazu der Kurie zuschreibt; ders., Kaisertum, S. 299ff.; zur Literaturlage auch Rochow, Byzanz, S. 273. So Classen, Karl der Große, S. 86.

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Die Beziehungen zu den oströmischen Kaisern

c. Friedensbemühungen 802/803 – Fränkische Quellen Die Reichsannalen berichten, daß Karl, nachdem er den Gesandten Eirenes empfangen hatte, seinerseits mit dem Spatharius den Bischof Jesse von Amiens und den Grafen Helmgaud nach Konstantinopel sandte ut pacem cum ea statuerunt.87 Von einem Vertrag ist jedoch keine Rede. Der Begriff pax ist nicht eindeutig. Ob er einen Vertrag bezeichnen soll, erscheint im Hinblick auf spätere Vorgänge und deren Darstellungen zweifelhaft. Denn diese nennen solche ausdrücklich.88 Andererseits kann die Formulierung des Auftrages statuerunt auch auf Abschluß eines Vertrages hindeuten. Aus fränkischer Sicht könnte damit der allgemeine Ausgleich nach der Kaisererhebung gemeint gewesen sein, eine endgültige Klärung der Verhältnisse und der offenen Fragen, nunmehr auch der Kaiser-Frage. Aber auch auf byzantinischer Seite bestand fortdauerndes Interesse. Denn nach Eirenes Sturz 802 setzte der neue Kaiser Nicephorus diesen Austausch zunächst fort. Er schickte seinerseits mit den zurückkehrenden Gesandten Karls eine eigene Gesandtschaft mit, nam Herenam post adventum legationis Franciae deposuerunt.89 Sie hatten also den Herrscherwechsel selbst miterlebt.90 Auch hier werden die Namen der griechischen Gesandten genannt: Michahel episcopus, Petrus abbas et Calistus candidatus. Die Annalen fahren fort: Qui venerunt ad imperatorem in Germania super fluvium Sala, in loco qui dicitur Saltz, et pactum faciendae pacis in scripto susceperunt.91 Zum ersten Mal ist hier von einem schriftlichen Friedensvertrag die Rede. Außerdem erhielten die Gesandten einen Brief des Kaisers. Beide Schriftstücke sind nicht überliefert.92 Die Gesandten kehrten über Rom zurück. Von einer eigenen Gesandtschaft Karls, die sie begleitet hätte oder ihr gefolgt wäre, ist jedoch nicht die Rede. Das ist überraschend; denn eine solche hätte den Üblichkeiten entsprochen, um zum endgültigen Abschluß mit Nicephorus zu kommen. Diese schriftliche Vertragsfassung von Aachen stellte offenbar auch noch nicht den endgültigen Abschluß des Vertrages dar. Wie Karl in seinem überlieferten zweiten Schreiben an den byzantinischen Kaiser von 810 erklärt, habe er immer sive per legatum sive per epistolam auf Antwort auf seine Schreiben von 803 gewartet. 93 Das muß dahin verstanden werden, daß es sich bei der Friedensvertragsschrift von 803 um ein von Karl wahrscheinlich in Verhandlungen mit den Gesandten erstelltes Vertragsdokument handelte, also nicht um ein ihm von Nicephorus übersandtes Exemplar, das er nur noch bestätigt hätte. Vielmehr mußte der byzantinische Kaiser seinerseits noch die Zustimmung erklären. Die mußte aber dann an Karl zurückgebracht werden, entweder durch eigene Gesandte oder durch eine neuerliche Gesandtschaft des griechischen Kaisers. Dazu kam es aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

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Ann. regni Franc ad. a 802. Ann. regni Franc. ad a. 803 pactum pacis in scripto und ad a. 812 scriptum pacti. Ann. regni Franc. ad a. 803. Breyer, Bilderstreit, S. 141. Ann. regni Franc. ad a. 803. Es ist anzunehmen, daß auch dieser, wie der spätere Brief, bereits die Anrede frater oder fraternitas enthalten hat. Epp. var. Car., Nr. 32, MGH Epp. IV, S. 547, Z. 15ff.

Krieg

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Die Forschung nimmt bisher an, entsprechend dem genannten zweiten Brief, Nicephorus habe den Kontakt nicht weitergeführt, weil er Karl nicht als gleichberechtigten Kaiser anerkennen wollte.94 Aber zum einen wird dabei nicht dieses soeben dargestellten Umstandes gedacht, daß Karl wahrscheinlich keine eigene Gesandtschaft zur Entgegennahme der byzantinischen Urkunde nach Konstantinopel entsandte. Das Fehlen einer Nachricht darüber kann kein bloßes Versehen sein; denn gerade über diese Gesandtschaften wurde sehr genau mit Nennung von Namen und Titeln der Gesandten berichtet. Eine ergebnislose Gesandtschaft, d. h. die ausdrückliche Weigerung des Nicephorus, die ihm übersandte Urkunde zu bestätigen, wäre wegen des damit verbundenen Affronts wohl nicht unbemerkt übergangen worden. 95 Zum anderen gehen die anschließenden, eine kriegerische Auseinandersetzung auslösenden Übergriffe auf Venetien und Dalmatien von den Franken aus. Es spricht zwar viel für die allgemein akzeptierte These, daß Nicephorus die Verhandlungen nicht fortführen wollte. Aber Karls Position ist zumindest nicht eindeutig zu bestimmen. Er bemühte sich anscheinend auch nicht darum. Zunächst kam es weder zu neuen Verhandlungen noch zu bewaffneten Auseinandersetzungen.96 Ein „Kriegszustand“ war durch das vorläufige Scheitern einer Verständigung und eines Ausgleichs keineswegs „eröffnet“. Die Lage blieb zwar ungeklärt, aber zunächst wie bis dahin ein Friedenszustand. Franken und Byzanz waren jedoch wieder auseinander gerückt. Aber dann kam es doch zum Krieg, wenn auch in einem recht beschränkten Umfang.

V II . K r i eg a. Karls Ordinatio für Venetien und Dalmatien Für die nachfolgenden Ereignisse liegen wiederum nur fränkische Quellen vor. Nach dem Gesandtentausch von 802/3 erwähnen die Reichsannalen erst wieder für 806 zwei miteinander verknüpfte, die Beziehungen zu Byzanz betreffende Vorgänge. Zum einen erschienen 806 venezianische und dalmatinische Gesandte bei Karl, der eine ordinatio für Venedig erließ. Wohl daraufhin sandte Kaiser Nicephorus eine Flotte cui Niceta pratricius praeerat, ad reciperandam Dalmatiam. Die Griechen werden zudem als adversarii bezeichnet.97 Venetien war zu dieser Zeit jedenfalls nominell byzantinisch. Dalmatien war im 9. Jahrhundert ein eigenes byzantinisches Thema. Karl hatte 806 offenbar beide Landstriche unter seine Hoheit gebracht. Auch die Gegenküste Italiens und damit die nördliche Adria standen nunmehr unter Karls Oberhoheit. Er hatte dadurch den Nordteil der Adria aus byzantinischer Hoheit gelöst und kaiserlich-fränkischer Herrschaft unterstellt. Es wird nicht berichtet, wann und wie das geschehen war.

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Z. B. Classen, Karl der Große. S. 87; Ganshof, Relations, S. 48. Generell Ganshof, Relations, S. 45. So aber Harnak, Beziehungen, S. 44. Ann. regni Franc. ad a. 806.

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Die Beziehungen zu den oströmischen Kaisern

b. Seekrieg Daß der byzantinische Kaiser das nicht hinnehmen wollte, ist verständlich. Die Entsendung einer Flotte in demselben Jahr 806 eröffnete den ersten wirklichen Krieg zwischen den beiden Kaisern; allerdings wurde er auf karolingischer Seite von dem König von Italien, Pippin, geführt. Einzelheiten der ersten Phase des Krieges werden in fränkischen Quellen nicht berichtet. Es scheint aber zunächst nicht zu größeren Schlachten oder dergleichen gekommen zu sein. Der Krieg blieb auf Nordostitalien beschränkt. Das fränkische Kernreich, vor allem Karl selbst, waren nicht involviert, ebensowenig weitere byzantinische Gebiete. 807 kam es jedoch nach den Reichsannalen zu einem Waffenstillstand: Niceta patricius, qui cum classe Constantinopolitana sedebat in Venetia, pace facta cum Pippino rege et indutiis usque ad mensem Augustum constitutis statione soluta Constantinopolim regressus est.98 Niceta hatte also offenbar Venedig zurückerobert. Ob Niceta auch einen Friedensvertrag aushandelte, aber mangels Kompetenz nicht abschloß,99 sondern mit diesem nach Konstantinopel reiste, muß offen bleiben, ebenso ob er zumindest einen Friedensvorschlag Pippins mitnahm. Dies erscheint aber zweifelhaft. Denn die Oberhoheit lag bei Karl, nicht bei Pippin. Jedoch lag dort immer noch der Vorschlag Karls von 803. Es kam noch nicht zum Friedensschluß. Pax facere kann jedoch auch Beendigung der Kampfhandlungen, also den Waffenstillstand bedeuten. Pax bezeichnet durch die Befristung hier zunächst nur das Ende der Kampfhandlungen, einen Waffenstillstand, nicht die endgültige Regelung. Insofern ist Cessis Argumentation, die an die Unterscheidung von pace facta und indutiis constitutis anknüpft, nicht zwingend. Cap. 2 des pactum Veneticum Hlotharii verweist auf ein früher in Ravenna geschlossenes pactum. Ob es sich dabei um den in den Annalen für 807 genannten Vertrag handelt, muß letzten Endes wiederum offen bleiben. 100 Allerdings findet sich keine weitere Nachricht in den Annalen über einen derartigen Vertrag von Ravenna. Denn der Krieg wurde im Winter 808/809 mit einer neuen Flotte aus Byzanz wieder aufgenommen.101 Sie landete wiederum in Venedig. Es kam zu kleineren Seegefechten bei Comachio, die die Franken gewonnen haben sollen. Danach verhandelte der neue byzantinische Flottenführer Paulus erneut mit Pippin de pace constituenda, quasi sibi hoc esset iniunctum. Daran wurde er aber von den venezianischen Dogen gehindert.102 Die fränkische Flotte fuhr nach Dalmatien weiter, verwüstete dort die Küste, wurde aber von der byzantinischen Flotte wieder vertrieben. Dalmatien blieb also byzantinisch, Venetien, anscheinend unter Einschluß des wiedergewonnenen Venedig, fränkisch. Über weitere Kampfhandlungen wird trotz des Scheiterns des Waffenstillstandes nichts mehr berichtet. 810 schickte Nicephorus eine Gesandtschaft an Pippin, wohl um nun endgültig Frieden zu schließen. Pippin war aber gestorben. Die Gesandtschaft wurde nach Aachen zu Karl geleitet. Die Reichsannalen berichten hierzu: legationes audivit pacem98 99 100 101 102

Ann. regni Franc. ad a. 807. So Cessi, Pacta I, S. 125, dort vor allem Fn. 4. MGH LL II, Capit. II/1, Nr. 233, S. 130; so Cessi, Pacta I, S. 171 ff. Ann. regni Franc. ad a. 809. Dazu Harnak, Beziehungen, S. 50.

Frieden

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que cum Niceforo imperatore et cum Abulaz rege Hispanae fecit. Nam Niceforo Venetiam reddidit... .103

VI II . F r i ed en a. Die ersten Schritte Was von Nikephoros wohl nur als Bereinigung lokaler Streitpunkte gedacht war, wurde von Karl als Chance zur Gesamtregelung begriffen.104 Dem diente auch die Aufgabe oder Rückgabe Venedigs. In einem Brief an Nikephoros, den anders als 803 diesmal eine eigene fränkische Gesandtschaft überbringen sollte, die der griechischen folgte, verwandte Karl die Bezeichnung fraternitas.105 In diesem Brief geht Karl zunächst darauf ein, warum er die Gesandten zu sich hat kommen lassen, nachdem Pippin gestorben war, und zwar des Friedens wegen, den diese Gesandtschaft bringen sollte. Karl knüpft zudem an die abgebrochenen Verhandlungen des Jahres 803 an. Er habe immer auf eine Antwort auf seinen Vorschlag gewartet. Nun sei es dahin gekommen. Unter Bezugnahme auf die damaligen mündlichen wie schriftlichen Vorschläge sowie das, was an seinen Sohn Pippin geschrieben worden sei, soll mit den Gesandten über den Frieden verhandelt werden. Hier wurden offenbar inhaltliche Leitlinien für die Verhandlungen in Byzanz gegeben, also der Rahmen abgesteckt, in dem eine Einigung möglich war. Da das Schreiben, anders als 803, nicht der byzantinischen Gesandtschaft, sondern der eigenen Verhandlungsgesandtschaft mitgegeben wurde, kann es als eine Vollmacht angesehen werden. Denn es heißt am Ende: Propter quod nil morantes, sed absque omni cunctatione ac dubietate penitus abiecta legatos nostros praeparavimus ad tuae amabilem fraternitatis amorem dirigendos.106 Als die fränkische Gesandtschaft in Byzanz eintraf, war nicht nur Nikephoros gefallen, sondern auch sein Sohn Staurakios war gestorben. Kaiser war Michael I.

b. Der Bericht zu Friedensschluß und „Anerkennung“ Der neue byzantinische Kaiser führte aber die Verhandlungen durch und schickte 812 seinerseits Gesandte nach Aachen, die den Durchbruch brachten. Ob sie bereits einen urkundlichen Vertragstext mitbrachten, der in Konstantinopel ausgehandelt worden war, oder nur eine Vertragskonzeption, die noch zu Ende zu bringen war, kann nicht geklärt werden. 107 In Aachen aber kam es zu einer schriftlich vereinbarten und festgelegten Vertragsurkunde Cum quibus et suos legatos direxit...et per eos pacem a Niciforo inceptam confirmavit. Nam Aquisgrani, ubi ad imperatorem venerunt, scriptum pacti ab eo in ecclesia suscipientes more suo, id est Greca lingua, laudes ei dixerunt, impera103 104 105 106 107

Ann. regni Franc. ad a. 810. Classen, Karl der Große, S. 93ff. Epp. var. Car., Nr. 32, MGH Epp. IV, S. 546, Z. 35. Ibid., S. 548, Z. 3–5. Ganshof, Relations, S. 48f., nimmt einen mündlichen Vertragsabschluß in Byzanz an.

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Die Beziehungen zu den oströmischen Kaisern

torem eum et basileum appellantes. Et revertendo Romam venientes in basilica sancti Petri apostoli eundem pacti seu foederis libellum a Leone papa denuo susceperunt.108 Dieser Bericht über den zentralen fränkisch-byzantinischen Ausgleich in Aachen umfaßt drei Abschnitte. 109 Zunächst wurde ein schriftlicher Vertrag ausgefertigt, dessen Urkunde in der Kirche den Gesandten übergeben wurde. Danach erfolgten deren laudes more suo. Karl wurde, so der Text der Reichsannalen, als imperator und basileus akklamiert, also mit dem bis dahin üblichen byzantinisch-griechischen Titel. Mit den laudes war wohl die Anerkennung des Gleichranges Karls durch die Gesandten ausgesprochen. Zwar befindet sich der Bericht über die laudes nur in der fränkischen Quelle. Aber er gilt als authentisch. Ludwig war zu der Zeit noch nicht Mitkaiser. Das wurde er erst 813, ein Jahr nach der Anerkennung Karls.110 Danach zogen die byzantinischen Gesandten mit der Vertragsurkunde über Rom, wo sie diese noch einmal von Leo III. empfingen, nach Konstantinopel zurück. Die ersten beiden Teile bilden eine Einheit. Aber die Schilderung der Reihenfolge ist nicht ohne Bedeutung. Der Abschluß des Friedensvertrages ging also den laudes der byzantinischen Gesandten voraus. Die Anerkennung als imperator und basileus setzte den inhaltlich-sachlichen Ausgleich voraus. Leider ist der Inhalt des Vertrages nicht bekannt, wenn auch Teile aus späteren Quellen rekonstruierbar sind.

c. Vertragsschluß Zwar nahmen die byzantinischen Gesandten die von Karl übergebene Friedensvertragsurkunde mit. Aber das war nicht schon der endgültige Vertragsschluß, da es der Bestätigung des oströmischen Kaisers bedurfte. Es schloß sich ein längeres Hin und Her von Gesandtschaften an, das erst 815 ein endgültiges Ergebnis brachte. Allerdings ging es dabei nicht um Inhalte, sondern um den Austausch der jeweiligen Pactumsurkunden, die jede Seite für den anderen ausstellen mußte. Durch den Herrscherwechsel zunächst in Konstantinopel, dann in Aachen zog sich dieser Prozeß über drei Jahre hin. Der byzantinischen Gesandtschaft folgte 813 eine eigene Gesandtschaft Karls des Großen nach Konstantinopel propter pacem cum Michaele imperatore confirmandam.111 Sie hatte den bereits erwähnten Brief an Michael bei sich.112 Karl bittet Michael darin, ihm durch diese Gesandten eine von ihm unterzeichnete und von seinen Großen bekräftigte und unterzeichnete Urkunde des Vertrages überbringen zu lassen. Zwar hatte Leon V. Michael, als die Gesandtschaft Karls in Konstantinopel ankam, gestürzt. Jedoch nahm er den Faden auf und schickte eigene Gesandte gemeinsam mit den fränkischen, die Karl an Michael gesandt hatte, an den fränkischen Hof.113 Die

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Ann. regni Franc. ad a. 812. Z. B. Classen, Karl der Große, S. 94. Ann. regni Franc. ad a. 813. Ann. regni Franc. ad a. 813. Epp. var. Car., Nr. 37, MGH Epp IV, S. 556; dt. Anhang Nr. 3. Ann. regni Franc. ad a. 814.

Beziehungen Ludwigs des Frommen zu den oströmischen Kaisern

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griechischen Gesandten überbrachten den nunmehr von Leon V. ausgefertigten Friedensvertrag et per eos descriptionem et confirmationem pacti ac foederis misit. Der Bericht der Reichsannalen für das Jahr 814 läßt nicht klar erkennen, ob diese Karl noch lebend antrafen oder nicht. Er starb anfangs des Jahres. Denn es heißt, daß Ludwig nach seiner Ankunft in Aachen zunächst die Gesandtschaften, die noch zu seinem Vater gekommen seien, empfangen und verabschiedet habe. Alias deinde simili modo ad patrem quidem missas, ad se vero venientes susscepit. Inter quas praecipua fuit legatio de Constantinopoli directa. Sie scheinen also Karl nicht mehr erreicht zu haben. Aber auch wenn das der Fall gewesen sein sollte, und sie ihm Leons V. Urkunde noch übergeben haben, mußte Ludwig nach Karls Tod seinerseits den Vertrag bestätigen. Er schickte daher nicht nur die byzantinischen Gesandten, nachdem er sie empfangen und dabei die Urkunde Leons V. entgegengenommen hatte, zurück, sondern sandte seinerseits wiederum eine eigene Gesandtschaft ob renovandam secum amicitiam et praedictum pactum confirmandum. Wie das geschah, durch eine eigene Urkunde oder Bestätigung der ihm von Leon V. übergebenen Urkunde, wird nicht berichtet. Überraschend wird hier zum ersten Mal von einer amicitia gesprochen, die von dem pactum unterschieden wurde. Ob, wann und wie die amicitia begründet sein könnte, läßt sich nicht feststellen. In den beiden Briefen Karls an Nikephoros und Michael ist von einer solchen nicht die Rede. Die Reichsannalen haben sie vorher nicht erwähnt. Ebensowenig enthalten frühere Berichte über die Beziehungen zwischen Karl und byzantinischen Herrschern Informationen über eine solche. Wahrscheinlich ging der Annalist von dem Bestehen einer amicitia aus, da 812 der Ausgleich zwischen Karl und Byzanz hergestellt worden war. Erst 815 brachten die fränkischen Gesandten die von Leon V. übergebene Vertragsurkunde zurück: Nordbertus episcopus et Richoinus comes de Constantinopoli regressi descriptionem pacti, quam Leo imperator eis dederat, detulerunt.114 Diesmal hat Leon V. offenbar ein eigenes Schriftstück, d. h. eine von ihm ausgestellte Urkunde übersandt. Damit war die vertragliche Bindung zwischen Ludwig dem Frommen und Leon V. hergestellt. Das gesamte Verfahren folgte offenbar einem bestimmten rechtlichen Muster, das sich aus der Stellung der beiden Vertragspartner, den Herrschern, ergab.

I X . Bezie h u ng en L u d wi gs d es F r o mmen z u d en o s tr ö mi s ch en K ai s er n a. Grenzprobleme in Dalmatien Der endgültige Ausgleich zwischen Byzanz und den Franken hatte sich über den Thronwechsel von Karl dem Großen zu Ludwig dem Frommen hingezogen. Am Ende standen eine amicitia zwischen Ludwig und Leon V. sowie ein pactum. Der so geordnete Friedenszustand mußte sich erstmals 817 bewähren. In diesem Jahr erschien ein Gesandter Leons V. mit Namen Nikephoros in Aachen pro Dalma-

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Ann. regni Franc. ad a. 815.

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Die Beziehungen zu den oströmischen Kaisern

tinorum causa.115 Dalmatien selbst war 812 an Byzanz zurückgegeben worden. Es ging offenbar um Grenzstreitigkeiten an der Grenze der Friaulischen Mark: Legatio autem excoepta amicitia et societate, erat de finibus Dalmatorum, Romanorum et Sclavorum.116 Zu einer Regelung kam es zunächst nicht, denn der fränkische Befehlshaber der Mark, Cadolah, mußte erst nach Aachen kommen. Dieser verhandelte dann mit Nikephoros, den man gebeten hatte, auf ihn zu warten. Aber man kam zu keinem Ergebnis, et quia res ad plurimos et Romanos et Sclavos pertinebat neque sine illorum praesentia finiri posse videbatur wurden die beiden Unterhändler und ein weiterer fränkischer Teilnehmer namens Albegar nach Dalmatien entsandt. Ob und wie die Sache geregelt wurde, wird nicht berichtet.117 Später im Jahr kam in derselben Angelegenheit eine zweite Gesandtschaft Leons V., die Ludwig in Ingelheim empfing. Er sandte sie ohne nähere Nachrichten zurück.118

b. Noch einmal: Bilderstreit In Byzanz war, wie erwähnt, unter Leon V. und nach seinem Sturz unter Michael II. der Ikonoklasmus wiederbelebt worden. Das führte erneut zu einem diplomatischen Kontakt mit Ludwig, der von Michael II. und seinem Mitkaiser Theophilos durch eine Gesandtschaft mit einem Brief eingeleitet wurde, der in vielerlei Hinsicht bemerkenswert ist. Ludwig traf im Jahre 824 Gesandte Michaels in Rouen.119 Sie brachten auch den Patriarchen von Venedig, Fortunatus, mit, der 821 nach Konstantinopel geflohen war, weil er von fränkischer Seite beschuldigt worden war, einen aufständischen Befehlshaber namens Liudewit unterstützt zu haben.120 Er erschien jedoch als Gesandter; denn als solcher wird er von den byzantinischen Kaisern in ihrem Brief aufgeführt. Es erscheint daher zweifelhaft, daß es sich um die Auslieferung eines Flüchtlings handelte.121 Jedoch wurde er von Ludwig für seine Flucht zur Rechenschaft gezogen, zumal die Gesandten nichts zu seinen Gunsten sagten.122 Es ist nicht auszuschließen, daß die gegenseitige Auslieferung von Flüchtlingen im Vertrag von 812/815 vereinbart war. Darauf deuten Regelungen im späteren Pactum Veneticum Lothars I. von 840 hin. Die Gesandten imperatoris litteras et munera deferentes, pacis confirmandae causa se missos esse dicentes...; inter caetera tamen ad legationem suam pertinentia quaedam 115 116 117

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Ann. regni Franc. ad a. 817; Anonymus, Vita Hludowici, c. 27. Anonymus, Vita Hludowici c. 27. Gasquet, L`Empire, S. 320, meint, die Angelegenheit sei „à la satisfaction de toutes les parties“ gelöst worden. Aber das geht aus den Texten nicht hervor, sondern kann allenfalls daraus erschlossen werden, daß nichts weiter berichtet wird. Ann. regni Franc. ad a. 817; Dölger, Regesten I, Nr. 398. Ann. regni Franc. ad a. 824; Concilium Parisiense, MGH LL III, Conc. II/1, S. 473–551, Nr. 44; dazu Haendler, Epochen, S. 45ff. Ann. regni Franc. ad a. 821; Simson, Jahrbücher, S. 174ff. Venedig war damals nicht Sitz des Patriarchen, sondern Grado. Dieses aber lag im fränkischen Herrschaftsbereich. Ann. regni Franc. ad a. 824,: pro Fortunato nihil locuti sunt;... Fortunatum etiam de causa fugae ipsius percontatus ad examinandum eum Romano pontifici direxit.

Beziehungen Ludwig des Frommen zu den oströmischen Kaisern

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de imaginum veneratione protulerunt, propter quae se Romam ire atque apostolicae sedis praesulem consulere debere dixerunt.123 Warum über die Festigung des Friedens gesprochen werden sollte, ist aus den Annalen nicht ersichtlich. Der Brief der beiden Kaiser an Ludwig enthält jedoch die Anzeige und Gründe der Thronbesteigung.124 Michael II. schildert die Vorgänge, die zu seiner Erhebung zum Kaiser geführt haben, sowie die anschließenden internen Kämpfe und seine Siege. An der Ermordung Leons V. bestreitet er jede Mitschuld. Er erklärt die Verzögerung der Anzeige der Thronbesteigung mit den Wirren, also einer Art Entschuldigung. Nach der Wiederherstellung von Friede und Einheit wendet er sich mit diesem Brief an Ludwig durch seine namentlich genannten Gesandten, zu denen eben auch der erwähnte Fortunatus zählte. Im Text heißt es dann: Et non tantum per has syllabas, sed et per ipsos viros adnuntiamus vestrae gloriae omnia, quae praeposita sunt, ut tam per eos quamque et per missos vestros iterum scire possimus vestrae dilectionis sanitatem simulque fidelium vestrorum incolomitatem necnon et omnium rerum vestrarum apud vos consistentum prosperitatem. Porro nunc per has nostras veras et fideles syllabas corroboramus et confirmamus priorem pacem et amicitiam inter vos et nos constitutam, deprecantes mediatorem eiusdem pacis Dominum, qui dixit: Pacem meam do vobis, pacem meam relinquo vobis (Joh. 14, 27), eandem pacem et caritatem splendidiorem et robustiorem facere et ostendere temporibus et postestatibus praeteritis, quoniam et nos sic tenemus et speramus, quod et vestra gloriosissima potestas ita consentiat sicut et nostra. Caritas enim et pax utramque potestatem secundum dominicam vocem potest et servatrices mandatorum eius efficere.125 Der Brief ist funktional als eine Bestätigung der amicitia nach einem Herrscherwechsel anzusehen, mag dieser auch bereits vier Jahre zurückliegen. Er war zudem, so scheint es, ein Werben um Ludwig. Michael II. und Theophilos, Mitkaiser seit 820, erwarteten i. ü. eine Gegengesandtschaft Ludwigs (missi vestri), die auch Nachrichten über Ludwigs Wohlergehen nach Konstantinopel bringen sollte. Die Bestätigung des Friedens verwendet bekannte Begriffe: pax, caritas, amicitia. Sie sollten nicht nur Ludwig selbst, sondern auch seine fideles umfassen. Diese Formulierungen erwähnen zwar weder das pactum von 812/815 noch ein foedus, das also auch nicht bestätigt wird. Aber das kann mit dem Ziel und Zweck der Gesandtschaft zusammenhängen, dem Bilderstreit. Grundlage für ein Zusammenwirken in dieser Frage war wohl kaum das pactum, sondern bildeten die ausdrücklich bestätigte pax und die allgemeine, inhaltlich unspezifische und daher offene amicitia. Irritationen hat in der Literatur die Anrede hervorgerufen: Michahel et Theophilus, fideles in ipso Deo imperatores Romanorum, dilecto et honorabili fratri Hludowico, glorioso regi Francorum et Langobardorum et vocato eorum imperatori.126 Wurde die Anrede als Kaiser damit verweigert, und die Parität, die Karl der Große erlangt hatte

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Ann. regni Franc. ad a. 824. Dölger, Regesten I, Nr. 408; der Brief ist abgedruckt in: Concilium Parisiense, MGH LL III, Conc. II/1, Nr. 44, S. 475–480; dt. Anhang Nr. 4. Ibid., S. 478, Z. 23–33. Ibid., S. 475, Z. 30–32.

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Die Beziehungen zu den oströmischen Kaisern

und vielleicht auch von Leon V. 815 und 817 gegenüber Ludwig beibehalten worden war, wieder zurückgeschraubt?127 Ob Ludwig das hingenommen hat, ist nicht eindeutig festzustellen. Vieles spricht aber dafür. Es wird von keinem Protest berichtet, der verständlich wäre. Ludwig ging auf die Anfrage Michaels ein: Quos cum legatione eorum audita ac responso reddito absolveret, Romam, ut se velle dicebant, ducere iussit.128 Er ließ die Gesandten also nach Rom führen, was bedeutet, daß sie begleitet wurden. Was Ludwig veranlaßte, nicht auf einer Parität auch in der Anrede zu bestehen, bleibt offen. Bemerkenswert ist jedoch, daß Michael II. und Theophilos sich nicht direkt an den Papst wandten, was 100 Jahre vorher und noch 787 der Fall gewesen war, sondern den Weg über Ludwig nahmen. Einerseits erhofften sie sich wohl Unterstützung ihrer Position durch den Frankenherrscher beim Papst. Die zurückhaltende fränkische Position gegenüber den Beschlüssen von Nicaea wird bekannt gewesen, vielleicht auch überinterpretiert worden sein.129 Andererseits könnten Michael und sein Mitkaiser Ludwig als einen Oberherrn des Papstes angesehen haben.130 Der Weg zum Papst scheint sich für die byzantinischen Kaiser nicht mehr als ein direkter Weg dargestellt zu haben. Dazu steht allerdings die Anrede in einem gewissen Widerspruch, da sie Rom nicht einbezieht.131 Ludwig ließ nicht nur die Gesandten Michaels II. und seines Mitkaisers Theophilos, begleitet von eigenen Gesandten nach Rom zu Papst Eugen II. führen. Er berief mit Zustimmung des Papstes auch eine Synode nach Paris ein, auf der noch einmal der fränkische Standpunkt in Form einer Zitatensammlung, dem Libellus synodalis Parisiensis, formuliert wurde. Ein Auszug aus dieser Schrift wurde Eugen II. übersandt, begleitet von einem Brief Ludwigs, in dem dieser eine gemeinsame Gesandtschaft nach Byzanz vorschlug. Man kann darin den Versuch Ludwigs des Frommen sehen, nunmehr als westlicher Kaiser deutlicher noch als 767 Pippin als fränkischer König in Gentilly eine Vermittlerrolle zwischen den byzantinischen Kaisern und dem Papst wahrzunehmen. Ludwig wollte und konnte wohl nicht einfach entscheiden. In dogmatischen Fragen mußte er die Hoheit des Papstes anerkennen.

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Die Interpretationen in der Literatur reichen von „Beleidigung“ bis zu einer positiven Erklärung; dazu Haendler, Epochen, S. 46ff., der sich eher der zweiten Meinung anschließt. Ann. regni Franc. ad a. 824. Haendler, Epochen, S. 47 meint: „Man möchte meinen, daß jener Brief nach Durchsicht der Libri Carolini geschrieben sei!“ So auch wohl Hauck, Kirchengeschichte, S. 498. Dazu Haendler, Epochen, S. 46.

Folgerungen

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c. Gesandtschaftsaustausch nach 824 Auch nach 824 tauschten die Herrscher des Westens und des Ostens Gesandtschaften. Gesandtschaften kamen von Byzanz nach Aachen und gingen von hier nach dort: 827,132 828,133 833,134 839.135 Für 827 heißt es propter foedus confirmandum. Für 838/39 berichten die Annalen von St. Bertin mehr. Die griechischen Gesandten brachten Geschenke und einen Brief, quorum legatio super confirmatione pacti et pacis atque perpetuae inter utrumque imperatorem eisque subditos amicitiae et caritatis agebat. Bestätigt wurde das Bisherige; die Untertanen wurden einbezogen. Außerdem bat Theophilos Ludwig um friedliche Durchreise und Schutz für Gesandte der Rus‘, die bei ihm waren und nun in ihr Reich zurückkehren wollten. Ludwig fürchtete allerdings, sie seien Spione und ordnete eine nähere Untersuchung an. Theophilos wurde das mitgeteilt und im Falle ihrer Ehrlichkeit die Erfüllung der Bitte versprochen. Ob 827, oder auch später, ein Bündnis nicht gegen den Kalifen, aber gegen die Sarazenen abgeschlossen wurde, muß offen bleiben. Es gibt keine Mitteilungen über gemeinsame Aktionen. Nach Darstellungen der historischen Forschung soll es allerdings weitreichende gemeinsame militärische Pläne gegeben haben. Andererseits wird auch die Meinung vertreten, die Gesandtschaft von 839 sei zwar zum Abschluß eines Bündnisses gegen die Sarazenen nach Ingelheim gekommen, aber ohne großen Erfolg wieder abgezogen. 136 Aber jenseits des untersuchten Zeitraums kam es 842 zu einer Bitte Kaisers Theophilos an Lothar I. um Unterstützung gegen die Araber und zu einem neuen Heiratsprojekt.137 Dabei wurde vielleicht ein Bündnis zwischen Theophilos und Lothar I. abgeschlossen, das, da Theophilos 842 starb, aber zu keinen gemeinsamen Aktionen führte.138 Es könnte ein Zusammenhang mit der Gesandtschaft von 839 bestehen.

X. F ol g er u n g en Die normativen Formen, Institute und Strukturen, die die Beziehungen zwischen den fränkischen Herrschern und den oströmischen Kaisern gestalteten, sind später in den Einzelheiten und Zusammenhängen zu erörtern. Hier sind einige allgemeine Hinweise zu geben. Da erst 812/15 trotz mehrfacher Bemühungen ein pactum zwischen Karl dem Großen bzw. Ludwig dem Frommen und Michael I. bzw. Leon V. zustande kam, beruhten 132 133 134 135 136

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Ann. regni Franc. ad a. 827, von Byzanz nach Aachen. Ann. regni Franc. ad a. 828, von Aachen nach Byzanz. Ann. Bertiniani, ad a. 833. Ann. Bertiniani, ad a. 839. So Dölger, Byzanz, S. 331; Ohnsorge, Kaiserbündnis, passim, begründet auf Grund eines Textstückes des sog. „Kaiserbriefes aus St. Denis“ ein Bündnis für 842. Dölger, Regesten I, Nr. 443; die Ann. Bertiniani ad a. 842 berichten jedoch nur von Gesandten der Griechen, die Lothar in Trier empfing, ohne nähere Angaben über ihren Auftrag. Ohnsorge, Kaiserbündnis, S. 152, der Ludwigs Abstinenz auf seine internen Schwierigkeiten zurückführt.

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Die Beziehungen zu den oströmischen Kaisern

die Beziehungen zwischen den karolingischen und den oströmischen Herrschern bis dahin auf allgemeinen normativen Grundlagen. Der Bericht des Fredegar-Fortsetzers über das Zustandekommen einer amicitia zwischen Pippin und Konstantin V. 757 zeigt jedoch, daß auch ohne ausdrücklichen Vertragsabschluß sich das Verhältnis vertiefte. Austausch von Gesandten, Überbringung von kostbaren Geschenken, Teilnahme griechischer Vertreter an der Synode von Gentilly 767, schließlich das erste Heiratsprojekt zeigen, daß auch ohne pactum oder foedus i. e.S. eine derartige Verdichtung möglich und erwünscht war. Das alles trat zudem nach und daher wohl trotz der Wegnahme des Exarchats etc. durch Pippin ein. Auch sonst waren die Beziehungen mit Ausnahme der wenigen Jahre von 806 bis 810 im großen und ganzen friedlich, wenn auch nicht ohne Spannungen. Selbst in diesen Jahren fanden keine größeren kriegerischen Aktivitäten, sondern inhaltlich und räumlich begrenzte Auseinandersetzungen um Venetien und Dalmatien statt. Diese Friedlichkeit ist umso überraschender, als Pippin und Karl der Große über wesentliche Teile des byzantinischen Gebietes in Norditalien zugunsten des hl. Petrus oder Apostolischen Stuhles verfügt, es seit 774 zum Teil selbst unter eigene Herrschaft gebracht hatten. Es scheint, daß der normative Normalzustand zwischen zwei Mächten der Friedens- und nicht der Kriegszustand war. Die Form des Abschlusses des Vertrages von 812 und der offenbar problemlose Austausch von Gesandtschaften auch vor 812 deuten auf eine allgemeine normative Grundlage für den Umgang miteinander. Grundlegend war trotz des Streites um die Bilderverehrung wohl die gemeinsame christliche Religion. Jedenfalls bot sie die Grundlage, auf der die Bemühungen um eine Gesamtregelung gesucht wurden.139 Trotzdem blieb bis 812 das Verhältnis mangels einer festen rechtlichen Regelung grundsätzlich ungeklärt. So gab es zwischen Karl dem Großen und den oströmischen Kaisern ein mehrfaches Auf und Ab zwischen Heiratsprojekten und – begrenzten – kriegerischen Auseinandersetzungen. Von einer amicitia wird für diesen Abschnitt bis 814 in den Quellen nicht berichtet. Mit der Übernahme der langobardischen Königskrone war Karl unmittelbarer Nachbar byzantinischer Herrschaftsgebiete geworden. Das erschwerte die Lage. Eine bloße Fortführung der älteren amicitia ist nicht ohne weiteres anzunehmen. Nach den päpstlichen Quellen hat es sogar feindliche Aktionen, oder doch Drohungen damit gegeben. Da keine schriftlichen Zeugnisse darüber vorliegen, läßt sich nicht feststellen, ob die oströmischen Kaiser gegenüber Pippin und zunächst auch gegenüber Karl dem Großen wie mit den Merowingerkönigen an dem Schema pater-filius festhielten. Weder die kostbaren Geschenke einer Orgel u. a. noch die beiden ersten Heiratsprojekte müssen zwingend als Änderung der grundsätzlichen byzantinischen Auffassung gedeutet werden. Einem byzantinischen Kaiser blieb gar keine Wahl, als „unter Stand“ zu heiraten, sei es nach außen, sei es nach innen. Denn er hatte nach seiner Auffassung keinen Gleichrangigen neben sich. Karl der Große hingegen vertrat seinen Anspruch auf Gleichrangigkeit auf allen Ebenen, theologisch, politisch, dynastisch und rechtlich. 812 hatte er Erfolg. Das Nebeneinander des lateinischen und des griechischen Begriffes imperator und basileus 139

Brief Karls des Großen an Nicephorus, Epp. Var. Nr. 32, MGH Epp. IV, S. 546, dt. Anlage Nr. 2.

Folgerungen

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drückt Gleichrang aus. Zum einen werden beide Begriffe gleichgesetzt. Zum anderen war der Titel basileus bis dahin eindeutig nur dem byzantinischen Kaiser zugeordnet. Mit den laudes war die Anerkennung Karls als gleichberechtigter imperator et basileus vollzogen. Ob diese Anerkennung selbst Bestandteil des Vertrages oder dessen Folge bzw. in Wirklichkeit dessen Voraussetzung war, kann nicht festgestellt werden. Jedenfalls war damit nicht nur der konkrete Friede nach den kriegerischen Auseinandersetzungen von 806 bis 810 wiederhergestellt, sondern der grundsätzliche Ausgleich vollzogen und das Verhältnis auf eine verläßliche, dauerhafte rechtliche Basis gestellt. Die Anerkennung des „Herrschernamens“ und damit des Ranges war dafür eine Voraussetzung. Denn der 812 von Karl dem Großen erreichte Stand der normativen Gestaltung der Beziehungen der Herrscher des Westens und des Ostens blieb unter Ludwig – und auch danach – erhalten und erhielt eine gewisse Normalität. Grundlage dafür war zum einen stets das pactum, zum anderen aber auch die amicitia, die mehrfach nebeneinander genannt, also unterschieden werden. Das Verhältnis von amicitia und pactum ist später zu klären.140 Zwar wurden die Beziehungen nach 815 mehrfach auf die Probe gestellt, durch die dalmatinischen Grenzprobleme, erneut durch den Bilderstreit, durch die Gesandtschaft der Rus, durch die eigentümliche Anrede Ludwigs durch Michael II. und Theophilus. Aber sie waren offenbar stabil genug, um diese auf friedliche Weise durch Ausgleich zu lösen. Der Bericht des Biographen Ludwigs des Frommen über die Gesandtschaft Leons V. wegen der dalmatinischen Grenzstreitigkeiten nennt ausdrücklich die amicitia und außerdem eine societas zwischen ihnen als Grundlage dafür, daß sich der byzantinische Kaiser an Ludwig zur gütlichen Regelung wendet.141 Dabei wird auch etwas über Streitschlichtungsverfahren deutlich. Denn als Verfahren wurde, so könnte man die Nachrichten interpretieren, die Einrichtung einer gemeinsamen „Kommission“ gewählt, die die Fakten untersuchen und danach einen Ausgleich treffen sollte und auch getroffen hat. Ungewöhnlich ist, daß die Byzantiner als Römer bezeichnet werden und daß Byzanz nur durch einen Gesandten vertreten gewesen sein soll, da sich Gesandtschaften in der Regel aus zwei Mitgliedern zusammensetzten. 824 zeigten die Kaiser des Westens und des Ostens in der Bilderfrage ein gemeinsames Bemühen um die Einheit der Christenheit. Sie bildete die tiefere gemeinsame Grundlage ihrer Beziehungen, deren Bewahrung offenbar beiden anvertraut war und für die sich beide verantwortlich fühlten.

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Unten Teil IV, 3. Kapitel. Anonymus, Vita Hludowici, cap 27.

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Beziehungen zum Papsttum

2. Ka pit el: B e zie h u n ge n zum Pa pst t um E i n fü h r u n g Entsprechend der religiös-kirchlichen und weltlich-herrscherlichen Doppelstellung des Papsttums waren die Beziehungen zwischen den Karolingern und den Päpsten auch doppelter Art. Das Papsttum bot den karolingischen Herrschern zunächst einen geistlich-institutionellen Orientierungsort, dem diese sich seit Karl Martell durch die Kirchenreform unter Bonifatius und danach mehr und mehr in geistlich-religiöser Hinsicht verbanden. Dadurch konnten sie die fränkische Kirche aus der merowingischen Abkapselung befreien und ihr den Anschluß an den weiteren, allgemeinen christlichen Raum geben.1 Der zweite Schritt war die Anfrage Pippins bei Papst Zacharias wegen der Königsfrage, die Suche nach einer neuen Legitimation für die Königsherrschaft der Karolinger. Wegen der langobardischen Bedrohungen des Papsttums kam es schließlich in einem dritten Schritt zu weltlich-bündnishaften Bindungen. Daraus erwuchs im Laufe des hier untersuchten Zeitraums von Pippin bis Lothar I. nach und nach auch eine engere institutionelle Bindung. So entstand eine Zwischen-Mächte-Beziehung sehr eigener Art. Denn sie hatte stets zwei eng miteiander verknüpfte Ebenen, die religiös-kirchliche und die weltlich-herrscherliche. Beide beeinflußten sich gegenseitig und waren für die karolingische Dynastie gleichermaßen von Bedeutung für ihre Stellung zu den Päpsten, aber auch in der gesamteuropäischen Ordnung.

I . Ki r ch en r efo r m a. Reformen Die Kirchenreform bildete ein ständiges zentrales Anliegen der Karolinger.2 Sie war ein begründender Teil ihres Herrschaftsverständnisses, das auf eine christliche Herrschaft und ein christliches Reich gerichtet war. Sie wurde auf einer Vielzahl von Synoden vorangetrieben und durch eine Fülle von Kapitularien festgeschrieben. Oft waren die Synoden gleichzeitig allgemeine Reichsversammlungen oder schlossen sich an diese an.3 Die karolingischen Herrscher selbst nahmen sich der Reformen an, versuchten, sie durchzusetzen und zu verwirklichen. So wurde Karl gelegentlich als rex et sacerdos angesprochen.4

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Angenendt, Ex occidente lux, S. 38 ff. Zum folgenden vor allem Ewig, Abwendung, S. 3ff., Zeitalter 62ff., Kulmination, S119 ff.; Kempf und Jungmann, Kirchenverfassung, S. 294 ff.; alle mit weiterführender Literatur; früher bereits Waitz, Verfassungsgeschichte, an verschiedenen Stellen; Angenendt, Frühmittelalter, S. 268ff., 288ff., 317ff., 366ff., 376ff. Zu den Capitularien: Ganshof, Kapitularien III. Teil, 1. Kap. II b). Angenendt, Rex et Sacerdos, passim.

Kirchenreform

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Auf Einzelheiten der Reformen braucht hier nicht eingegangen zu werden. Sie betrafen die Bistumsorganisation, die Klöster, die Bildung des Klerus, die Liturgie und das allgemeine religiöse Leben. Nach außen gewendet wurde die Mission gestärkt. Der organisatorische Ausbau der Bistümer vollzog sich zum einen innerhalb des „alten“ Frankenreiches, zum anderen in den wieder- oder neugewonnenen Gebieten Alamannien, Hessen, Thüringen, Friesland und schließlich durch zahlreiche Neugründungen von Bistümern in Sachsen. Den Abschluß bildete die Durchsetzung der Metropolitanverfassung.5 Durch sie wurde die Anbindung an Rom erreicht. Denn die Erzbischöfe bedurften der Bestätigung des Papstes durch die Verleihung des Palliums, das ihnen erst nach Ablegung des Glaubensbekenntnisses übergeben wurde. Treibende Kraft war Bonifatius. Zwar konnte er selbst sich mit seinen Reformbestrebungen nicht gegen den Widerstand insbesondere der gallofränkischen Kirche durchsetzen. Aber er hat doch die Weichen der künftigen Entwicklung der fränkischen Kirche in Richtung Rom gestellt und damit die Grundlagen für die Verbindung zwischen dem Frankenreich und dem Papsttum gelegt.6 Parallel zur Neuordnung und Reform der Bistümer verlief eine Welle der Neugründungen von Klöstern. Nach und nach wurde, vor allem durch Ludwig den Frommen, die benediktinischen Regel verbindlich eingeführt.7 Diese wurde als „römische Regel“ angesehen. Nicht nur, aber vor allem für Klöster spielte die Heiligen- und Reliquienverehrung eine wesentliche Rolle. Der Reliquienkult führte zu einem ständig steigenden „internationalen“ Verkehr zur Übersendung, zum Austausch und Aufsuchen, sogar zum Raub von Reliquien, wiederum möglichst von römischen Heiligen, insbesondere Märtyrern.8 Die Klöster nahmen in den Zwischen-Mächten-Beziehungen zudem eine eigene Rolle wahr. Sie waren neben den Bistümern in der Mission in den neu erworbenen germanischen Gebieten tätig. Sie wurden zu geistigen Zentren besonders wirksamer und dauerhafter Art und entwickelten sich zu vorzüglichen Trägern der „karolingischen Renaissance“. Sie bildeten, neben der Hofschule, Personal für die Herrschaftsführung der Könige aus. Ihre Äbte spielten in der Reichsorganisation, auch als Gesandte eine erhebliche Rolle.9 Es bestanden Gebetsverbrüderungen zwischen Klöstern nicht nur im Reich, sondern darüber hinaus nach England und wohl auch nach Italien. So entstand ein auch politisch nutzbares Netzwerk, dessen sich u. a. Alcuin im Interesse Karls des Großen bediente.

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Angenendt, Frühmittelalter, S. 322; Ewig, Zeitalter, S. 84f. Das hebt insbesondere Angenendt, Frühmittelalter, S. 275f., hervor. Capitulare ecclesiasticum, MGH LL II, Capit. I, Nr. 138, S. 275; dazu Angenendt, Frühmittelalter, S. 366f. Zur Überführung von Reliquien z. B. die Bemühungen Einhards um die Gebeine der Heiligen Marcellinus und Petrus für Seligenstadt, MGH Epp. V, Nr. 10, S. 113, Brief an Ludwig den Frommen. Allgemein dazu Angenendt, Frühmittelalter, S. 340 f.; Schieffer, Reliquientranslationen, passim; Herbers, Stadt Rom, S. 602 mit weiteren Nachweisen. Angenendt, Frühmittelalter, S. 324f.

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Beziehungen zum Papsttum

Die Hebung der Bildung und der Moral der Priester auch außerhalb der Klöster war zur Verankerung des Glaubens und der Verchristlichung des Reiches unerläßlich. Schon zu Pippins Zeiten, doch verstärkt unter Karl und Ludwig bemühte man sich nicht nur um die Disziplin des Klerus, sondern auch um die Hebung seiner Bildung, insbesondere des höheren Klerus.10 Ziel war in erster Linie die Vermittlung der Kenntnisse des Glaubens, der liturgischen Handlungen und der Gebete. Maßgebend waren dabei die liturgischen Vorgaben aus Rom, wenn es auch karolingische Ergänzungen gab. Karl war sehr bemüht, entsprechende Bücher aus Rom zu erhalten. Erst durch diese erfolgreichen Bildungsbemühungen wurde es theologisch und intellektuell möglich, daß die Reichskirche auf die großen theologischen Diskussionen der Gesamtkirche im Bilderstreit, im Adoptionsstreit und in den Auseinandersetzungen um die Processio des Heiligen Geistes wesentlichen Einfluß nahm. Diese Vorgänge aber gewannen erhebliche „internationale“ Bedeutung für die Beziehungen des Frankenreiches zu anderen Mächten, vor allem im Verhältnis zu Byzanz, da sie die Gesamtkirche betrafen. Die Reform des religiösen Lebens des Volkes durch Verbesserung von Predigt und Katechese, aber auch der Feier des Gottesdienstes setzte gute, gesicherte Formen der Liturgie, der Bibeltexte, der Gebete etc. voraus. Bereits unter Pippin begann die von Karl und Ludwig als sehr persönliches Werk durchgeführte Liturgiereform. Gerade zu diesem Zweck wurden die grundlegenden liturgischen Texte aus Rom bezogen, was zur Romanisierung und damit Latinisierung der Liturgie führte.11 Auch für die Reform des Kirchenrechts wurden römische Grundlagen verwendet.12 Für beide Vorgänge war unter Karl dem Großen der Angelsachse Alcuin die treibende Kraft. Insgesamt bildete die Reform der Kirche eine der Grundlagen der inneren Festigung des Reiches und damit eine Voraussetzung auch der stärkeren Stellung nach außen. Denn die wachsende Bindung der fränkischen Kirche an die sich universal verstehende und agierende Papstkirche schlug sich in einer zunehmenden Mitwirkung innerhalb derselben nieder. Stephan III. lud die fränkischen Könige ein, Bischöfe aus der fränkischen Kirche zu einem von ihm einberufenen Konzil nach Rom zu entsenden.13 Konstantin V. entsandte eine Gesandtschaft zur Synode von Gentilly über die Bilderfrage.14 Durch die Libri Carolini und auf der Synode von Frankfurt 794, auf der auch der englische und der spanische Episkopat vertreten waren, griff Karl der Große mit Nachdruck in den Bilderstreit und in den Streit um den Adpotianismus ein, die beide die ganze universale Kirche betrafen. 10 11

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Dazu Riché, Welt, S. 230ff.; Ewig, Zeitalter, S. 86ff., 193ff. Ewig, Abwendung, S. 23f. und S. 85ff.; Angenendt, Frühmittelalter, S. 327ff., zur römischen Liturgie ibid., S. 245 ff.; Fleckenstein, Karl der Große und seine Hofgelehrten S. 36 f. zur Vorbereitung der Epistola generalis zu den Homelien um 786 durch Paulus Diaconus; diese MGH LL II, Capit. I, Nr. 30, S. 80 f. So beruhte die Admonitio generalis Karls des Großen an den Klerus von 789, MGH LL II, Capit. I, Nr. 22, S. 52ff., auf einer von Papst Hadrian I. dem König übergebenen Kirchenrechtssammlung, die Dionysius Exiguus um 500 zusammengestellt hatte, Ewig, Zeitalter, S. 84; zuletzt Fleckenstein, Karl der Große und seine Hofgelehrten, S. 35 f. Vita Stephani III., Liber Pontificalis I, S. 473 f. Ann. regni Franc. ad a. 767.

1. Anlauf: Gregor III. und Karl Martell

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b. Weltliche Herrschaft und Kirche Bereits auf der religiös-kirchlichen Ebene trat eine Ambivalenz des Verhältnisses von weltlicher Herrschaft und Kirche zutage. Einerseits wurden die Reformen gemäß dem Verständnis der karolingischen Herrscher von ihrer Herrschergewalt, das ganze Heil der Menschen und dafür den Glauben zu stärken und zu fördern, maßgeblich von ihnen durchgeführt und vorangetrieben. Sie besetzten die Bischofssitze und Abtsstühle mit ihren Vertrauten. Sie beriefen die Synoden der Reichskirche, auf denen die Reformen beschlossen wurden, und bestätigten die Beschlüsse als „Reichsgesetze“.15 In besonders deutlicher Weise demonstrierten die Libri Carolini, die 791 als Antwort auf das ökumenische Geltung beanspruchende Konzil von Nicaea und die dort 787 gefundene Einheitsformel im Bilderstreit zwischen Byzanz und Rom abgefaßt wurden, diese Auffassung Karls von seiner Herrschaftsaufgabe.16 Auch in anderen innerkirchlichen Fragen wahrte gerade Karl eine eigene Position, so im Streit um den Adoptionismus und in den Auseinandersetzungen um die Processio des Heiligen Geistes in der Formel patre filioque. Alcuin wies Karl sowohl die Sorge für gute Predigt und Unterweisung wie auch die defensio gegen Heiden und Ungläubige zu. 17 Andererseits hielten die Päpste ihrerseits nicht nur an ihren geistlich-religiösen Ansprüchen gegenüber den Karolingern fest.18 Sie nutzten die religiös-kirchliche Bindung zu Einwirkungen auf die Herrscher und das Reich, sowohl in dieser Sphäre als auch in der weltlichen, um sie als defensor ecclesiae zu gewinnen. Sie mahnten die fränkischen Könige und erinnerten sie stets daran, daß sie letzten Endes durch die päpstliche Salbung dem hl. Petrus ihre Stellung verdankten. Es war der Papst, der wiederum in die weltliche Ordnung eingriff, als er Karl zum Kaiser erhob. Alle Päpste hielten stets an der Anrede „filius“ fest. Die Könige und Kaiser benutzen entsprechend die Anrede „pater“. Das weltliche Verhältnis verschob sich jedoch im Laufe der Zeit zugunsten der Karolinger.

II. 1. A n la u f: G re go r I I I . u n d K ar l Mar tel l a. Der Papst unter Druck Bereits zur Zeit Papst Gregors III. und Karl Martells hatte sich 739 zum ersten mal eine Option auf diesen Wandel angedeutet. Gregors III. Vorgänger Gregor II. hatte im Bilderstreit Kaiser Leon III. gegenüber deutlich gemacht, daß dieser keinen einfachen Zugriff mehr auf ihn hätte, um ihn zum Einlenken in der religiös-dogmatischen Frage 15 16

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Die Beschlüsse finden sich in MGH LL III, Conc. II/I Concilia aevi Karolini 1 und 2. In den Libri Carolini wurde im übrigen gleichzeitig die ständige und unter Karl verstärkte Bindung an Rom hervorgehoben, u. a. Lib. I, cap. VI , MGH LL III, Conc. II. suppl., S. 20. Alcuini epp., Nr. 41, MGH Epp. IV, S. 84f; ähnlich weitere Briefe Alcuins an Karl um 798, Nr. 136, S. 207 ff. und Nr. 141, S. 282 f. Angenendt, Karl der Große, S. 276.

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Beziehungen zum Papsttum

zu zwingen. Er könne sich an andere Mächte um Schutz gegen kaiserliche Gewalt wenden.19 Zwar entzog Leon III. daraufhin Süditalien der Jurisdiktion der römischen Kirche. Aber als 739 der Langobardenkönig Liutprand Rom belagerte, waren die Kaiser nicht in der Lage, ihren Herrschaftsbereich in Italien wirksam zu verteidigen und damit den Dukat von Rom und den Papst gegen die Bedrohung zu schützen. So konnte von ihnen auch kein wirksamer Druck in der Bilderfrage mehr auf den Papst ausgeübt werden.

b. Gesandte an Karl Martell Im Gegenteil, da der Exarch keine Hilfe leisten konnte, schlug Gregor III. eine neue Richtung der Politik ein. Er beauftragte zweimal Gesandte, Karl Martell die Loslösung Roms aus dem byzantinischen Reichsverband und die Schutzherrschaft über Rom anzubieten und ihn um Hilfe gegen die Langobarden zu bitten.20 Zwar wird das Hilfeersuchen bei Fredegar nicht erwähnt, aber darum ging es dem Papst mit dem Angebot. So wird dies in den Annales Mettenses priores, wenn auch im Rückblick, aber doch aus dem tradierten Verständnis, hervorgehoben: Epistolam quoque decreto Romanorum principum sibi predictus presul Gregorius miserat, quod sese populus Romanus, relicta imperatoris dominatione, ad suam (Karls) defensionem et invictam clementatiam convertere voluisset.21 Das epochal Neue dieses Vorgangs, der Vorschlag einer Art renversement des alliances in zweifache Richtung, eine Abkehr des Papstes von Byzanz zu einer Verbindung mit den Franken und eine Abkehr der Franken von den Langobarden durch dieses neue Bündnis von Papst und Frankenherrscher, und daher von sehr grundsätzlicher Bedeutung für die bestehende europäische Ordnung, war den Chronisten nicht verborgen geblieben. Karl Martell folgte dem Angebot trotz der freundlichen Aufnahme der päpstlichen Gesandten nicht.22 Er war mit den Langobarden verbündet und zum renversement des alliances noch nicht bereit, wohl auch noch nicht in der Lage. Es scheint aber doch möglich, daß Karl auf den zweiten Brief Gregors III. von Ende 739/740 hin mäßigend auf Liutprand eingewirkt und dessen Vorgehen gegen Rom gebremst hat.23

c. Gesamtperspektive Trotzdem brachte diese Episode eine neue Perspektive der europäischen Ordnung ins Spiel, die endgültige Loslösung des Papsttums von Byzanz und seine Westwendung. 19 20

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Haendler, Rückwirkungen, S. 131ff. Gregor III an Karl Martell, Codex Carolinus, Nr. 1 und 2, MGH Epp. III, S. 476 und 477; Fred. chron. cont., c. 22 (110), S. 178f.: Eo etenim tempore bis a Roma sede sancti Petri apostoli beatus papa Gregorius claves venerandi sepulchri cum vincula sancti Petri et muneribus magnis et infinitis legationem, quod antea nullis auditis aut visis temporibus fuit, memorato principi destinavit, eo pacto patrato, ut a partibus imperatoris recederet et Romano consulto praefato principe Carlo sanciret. Ann. Mett. prior. ad a. 739, S. 31, Z. 3–6. Fred. chron. cont., c. 22 (110); dazu ausführlich Noble, Republic, S. 44 ff. Noble, Republic, S. 45 f.

Dynastiewechsel und Papsttum

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Gregor III. suchte nicht nur einen Bundesgenossen außerhalb des bisherigen Aktionsfeldes, was schon erhebliche Veränderungen hervorrufen mußte. Er war weitergehend bereit, grundsätzliche politische Veränderungen in Italien herbeizuführen. Die tiefe Entfremdung wegen des Bilderstreites zwischen Rom und Byzanz wird dazu beigetragen haben. Allerdings ist das in fränkischen Quellen behauptete Angebot des Papstes, ut a partibus imperatoribus recederet et Romano consulto praefato principe Carlo sanciret, zurückhaltend zu interpretieren. 24 Romano consulto wird z. T. im Sinne des Angebots des römischen Konsulats verstanden. Es kann aber auch als Beratung mit den Römern interpretiert werden, was wahrscheinlicher ist. Die allmähliche Lösung von Byzanz war, wie bei seinen Vorgängern, das politische Ziel Gregors, aber nicht, um sich in eine Abhängigkeit von den Franken zu begeben. Gregors Nachfolger Zacharias (741–752) konnte, obwohl selber Grieche und nicht wie jener Römer, die Selbständigkeit des Handelns ein Stück weiter treiben und aus eigener Machtvollkommenheit 742 mit Liutprand einen Waffenstillstand schließen und später die friedliche Aufgabe der 743 erneut eroberten Stadt Ravenna erreichen.25 Er beanspruchte sie wohl bereits für St. Peter als ein der päpstlichen Herrschaft zugehöriges Gebiet. Noch allerdings gab es den Exarchen.

I II . Dy n a st ie wech s el u n d P ap s ttu m Die dauerhaft tragende Grundlage für die Verbindung zwischen Papsttum und karolingischer Dynastie wurde endgültig durch die Mitwirkung der Päpste beim Dynastiewechsel, also auf der weltlich-herrscherlichen Ebene gelegt. Aus heutiger Sicht erscheinen das positive Votum des Papstes Zacharias 750 und die päpstliche Salbung Pippins und seiner Söhne in Verbindung mit der Festlegung auf die karolingische Dynastie durch Stephan II. 754 als eine Einheit. Diese päpstliche Mitwirkung war absolut neu. Sie verknüpfte zwar die religiöskirchliche mit der weltlich-herrschaftlichen Sphäre inhaltlich wie institutionell, war aber gerade nicht einer monistischen, sondern der dualistischen Struktur des Verhältnisses der beiden Sphären geschuldet. Denn nur durch die Trennung war es möglich, daß Zacharias I. kraft seiner geistlichen Autorität eine Art Schiedsrichterfunktion zwischen der alten Dynastie und dem Prätendenten übernehmen konnte. Zwar war diese päpstliche Mitwirkung am Dynastiewechsel ein geistlich-religiöser Vorgang. Es war somit zunächst ein besonderes geistliches Band entstanden. Gewiß ging es Papst Zacharias auch um die Verwirklichung des „Ordogedankens der Väter“.26 Aber er wird auch politisch gedacht haben. Jedenfalls war nun eine Verbindung zwischen fränkischen Herrschern und Papsttum geknüpft, die die Grundlage für zukünftiges Zusammenwirken auch in der weltlich-politischen Sphäre bilden konnte. Das Papsttum hatte sich nach Westen orientiert, die karolingische Dynastie hatte sich

24

25 26

Fred. chron. cont., c. 22 (110), S. 179, Z. 2f.; dazu Noble, Republic, S. 47f., mit weiteren Nachweisen. Vita Zacharii, Liber pontificalis I, S. 427; ibid., S. 430f.; Noble, Republic, S. 50ff. Ewig, Abwendung, S. 22.

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Beziehungen zum Papsttum

über die petrinisch-päpstliche Autorität in den größeren Ordnungszusammenhang der christianitas eingebracht. Ob Zacharias dabei an weitere Schritte zur Verdichtung der Beziehungen, etwa auf der Linie Gregors III., dachte, ist nicht überliefert. Es ist jedoch nicht unwahrscheinlich. Auch er wird geahnt, wenn nicht gewußt haben, daß die Langobardengefahr nicht vorbei war. Der neue Langobardenkönig Aistulf bereitete sich seit 750 auf die Wiederaufnahme der Expansionspolitik vor.27 Unter Zacharias‘ Nachfolgern wurde die weltliche Dimension der im kirchlichen Bereich und im Dynastiewechsel begründeten Verbindung dominant, die schließlich zu der völligen Neuordnung im ehemaligen westlichen Teil des alten Römischen Reiches und seines Verhältnisses zum östlichen Reichsteil führte.

IV. 2 . An l au f : S tep h an I I . u n d P i p p i n a. Grundlegung Die Geschichte der Begegnung Pippins und Stephans II. und ihrer Folgen ist schon häufig erzählt und hin und her gewendet worden.28 Denn mit ihr beginnt eine völlig neue Bestimmung des Verhältnisses des fränkischen Königtums und des Papsttums, aber auch der Ordnung Europas, deren politisch-rechtliche Auswirkungen erst im Jahre 1870 mit dem Untergang des Kirchenstaates zu Ende gingen. Deswegen muß diese Geschichte auch hier im Hinblick auf eben diese Ordnung noch einmal erzählt und noch einmal hin und her gewendet werden. Die nachfolgende Darstellung der Ereignisgeschichte betrachtet die Zeit von 753 bis 756 als ein Kontinuum, da die Vorgänge 755 und 756 die unmittelbare und gewollte Folge der Vorgänge in Ponthion und Quierzy sind, sie ausbauen und zum Ziel führen. Auf spätere Ereignisse, insbesondere den Besuch Karls des Großen in Rom 774 wird hingegen insoweit ausdrücklich getrennt eingegangen. Da die rechtliche Deutung der Vorgänge in der Literatur noch immer umstritten ist, wird der Verlauf der Ereignisse recht detailliert aus den fränkischen und päpstlichen Quellen erschlossen, wenn auch das schon mehrfach geschehen ist. In beiden Quellenmassen sind die zeitnahen Quellen und die später verfaßten Quellen zu unterscheiden. Das ist insofern bedeutsam, als die späteren Quellen aus ihrer Rückerinnerung und Perspektive verfaßt sind, somit noch stärker als die zeitnahen Quellen rechtliche Deutungen der früheren Ereignise enthalten, eventuell auch einer gesteuerten und beabsichtigten Festlegung dienen sollen. Die Vorgeschichte des Besuches Stephans II. in Francien wird nur in der Vita Stephani berichtet. Die fränkischen Quellen setzen erst mit der Ankunft des Papstes ein.

27 28

Schmidinger/Enzensberger, Italien, S. 388, durch ein neues Heeresgesetz. Zu nennen sind u. a. Caspar, Pippin und die römische Kirche; Haller, Karolinger und das Papsttum; Schramm, Versprechen; Jarnut, Ouierzy und Rom; Drabeck, Vertäge; Fritze, Papst und Frankenkönig; Classen, Karl der Große.

2. Anlauf: Stephan II. und Pippin

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b. Die Lage 751 hatte König Aistulf das Exarchat und Ravenna erobert und urkundete dort noch zur Zeit des Papstes Zacharias. 753 bedrohten die Langobarden wiederum Rom. Kaiser war Konstantin V., der u. a. den Bilderstreit weiter trieb. Der Exarch war inzwischen aus Italien verschwunden, militärische Hilfe vom Reich war daher auch dieses mal nicht zu erwarten. Die Bedrohung für den Dukat von Rom, Teil des langobardischen Reiches, und für den Papst, langobardischer Bischof zu werden, war vielleicht noch größer als 739. Der neue Papst Stephan II. bemühte sich zunächst, wie sein Vorgänger Zacharias, mit eigenen Mitteln um Frieden und suchte den direkten Ausgleich mit Aistulf. Er sandte den Primicerius Ambrosius zu Aistulf mit Geschenken ob pacis ordinandum atque confirmandum foedera.29 Es wurde ein erster päpstlich-langobardischer Vertrag und Bund auf 40 Jahre geschlossen, aber bereits nach vier Monaten von langobardischer Seite wieder gebrochen. Es kam zu Tributzahlungen des Papstes an Aistulf und einem erneuten Versuch, ein foedus pacis abzuschließen. Dies waren ausschließlich Bemühungen des Papstes aus eigener Initiative. Jedoch schickte Kaiser Konstantin V. außerdem den Silentarius Johannes zu Stephan II. mit der iussio, sich in Begleitung des Silentarius zu Aistulf zu begeben und von ihm die Rückgabe des Exarchats und anderer Eroberungen zu verlangen. Stephan II. schickte daraufhin seinen Bruder, den späteren Papst Paul I., nach Ravenna. Aber es ist bereits zu diesem Zeitpinkt nicht ganz klar, für wen Stephan II. die Aufgabe Ravennas von Aistulf forderte, ob gemäß der iussio für den Kaiser oder für sich selbst.30 Die Gesandtschaft Pauls war erfolglos. Für das Verhältnis des Papstes zum Kaiser ist dieser Vorgang doppeldeutig. Einerseits sah der Kaiser den Papst noch als seinen Untergebenen, den Exarchat noch als byzantinisch an. Andererseits mußte er aber angesichts seiner eigenen militärischen Schwäche den Papst als die einzige relevante politische Macht anerkennen, durch die bei dem langobardischen König eine Aufgabe der Eroberungen zu erreichen war.

c. Kontaktaufnahme mit Pippin Da die Gefahr drängender wurde et dum ab eo nihil hac de re obtineret, cernens praesertim et ab imperiale potentia nullum esse subveniendi auxilium; tunc quemadmodum praedecessores eius beate memoriae domni Gregorius et Gregorius atque domnus Zacharias beatissimi pontifices Carolo excellentissime memorie regi Francorum direxerunt, petentes sibi subveniri propter oppressiones ac invasiones quas et ipsi in hac Romanorum provincia a nefanda Langobardorum gente perpessi sunt, ita et modo et ipse venerabilis pater, divina gratia inspirante, clam per quendam peregrinum suas misit litteras Pippino, regi Francorum, nimio dolore huic provinciae inherenti conscriptas.31 Die Anknüpfung an die früheren Vorgänge ist eindeutig. Bemerkenswert ist die For29 30 31

Vita Stephani II., Liber pontificalis I, S. 441. Noble, Republic, S. 41f. Vita Stephani II., Liber pontificalis I, S. 444 f.

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Beziehungen zum Papsttum

mulierung divina gratia inspirante. Die erneute Wendung zu den Franken ging also auf göttliche Eingebung zurück, war damit von höchster Stelle abgesichert, gewissermaßen im weltgeschichtlichen Heilsplan festgelegt. Es erschien ein Zeichen am Himmel, quasi globus igneus ad partem australem declinans, a Galliae partibus in Langobardum partes. Die Darstellung wurde ex post verfaßt, also nach dem Sieg Pippins über Aistulf, d. h. dem Erfolg der Eingebung. Gerade in diesem erwies sich wohl ihr göttlicher Ursprung. In dem Brief, der heimlich abgeschickt wurde, da der Papst noch mit Aistulf verhandelte, bat Stephan II. Pippin um Gesandte, die ihn ins Frankenreich begleiten sollten. Pippin folgte dieser Aufforderung. Er schickte den Bischof Chrodegang von Metz, nach Bonifatius der führende fränkische Kirchenreformer, und den dux Autcharius nach Rom. Mit diesen begab sich Stephan II. zunächst noch einmal selbst nach Pavia zu Aistulf in Begleitung auch des Silentarius, der inzwischen (753) ohne Hilfe des Kaisers, aber mit einer neuen iussio zurückgekehrt war.32 Anders als Zacharias bei Liutprand gelang es Stephan bei Aistulf nicht, ihn zur friedlichen Räumung Ravennas zu bewegen.

d. Reise nach Francien Nach dem Mißerfolg brach Stephan II. in Begleitung der fränkischen Gesandten, aber ohne den Silentarius Johannes von Pavia, ohne vorherige Rückkehr nach Rom, zu Pippin auf. Ob der Silentarius die Reise guthieß, sie gar stützte und fränkische Hilfe für das Imperium zu erhalten hoffte, den Papst also entsprechend „instruierte“, muß offen bleiben. Oder war der Papst schon so selbständig, daß er ohne Zustimmung aus Konstantinopel diesen Weg gehen konnte? Aistulf stimmte nach Zögern der Reise zu.33 Der Silentarius kehrte mit einem eigenen Gesandten des Papstes nach Konstantinopel zurück. Sie sollten den Kaiser noch einmal zum Eingreifen auffordern. Stephan II. handelte also parallel zu seiner Frankenmission noch immer auch im Rahmen des Reiches. Gleichzeitig verlangte er aber, daß der Kaiser die Bilderverehrung wiederherstellen solle. Der Papst selbst wollte sich weiter dafür einsetzen, ut dominicas quas abstulerat redderet oves et propria propriis restitueret.34 Aber in beiden Forderungen blieb er erfolglos.

e. Die Begegnung in Ponthion und St. Denis Nach dem Bericht der Fredegarchronik sandte Pippin dem Papst seinen Sohn Karl zum Empfang entgegen, der ihn nach Ponthion geleitete. Dort habe er Pippin und den Franken Geschenke gebracht auxilium petens contra gente Langobarorum et eorem rege Aistulfo, ut per eius adiutorium eorum oppressionibus vel fraudulentia de manibus 32 33 34

Zu dem weiteren Ablauf ausführlich Noble, Republic, S. 78ff. Noble, Republic, S. 80. Vita Stephani II., Liber pontificalis I, S. 446, Z. 7f. Noble, Republic, S. 74, sieht darin die verbrämte Formulierung eines eigenen Anspruchs auf den Exarchat.

2. Anlauf: Stephan II. und Pippin

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eorum liberaret, et tributa vel munera quod contra legis ordine ad Romanos requirebant, facere desisterent. Pippin geleitete ihn daraufhin zur Überwinterung nach St. Denis. Von einer Zusage Pippins zu diesem Zeitpunkt wird nichts gesagt.35 Die Reichsannalen erwähnen für das Jahr 753 in wesentlich knapperer Darstellung nur Eodemque anno Stephanus papa venit in Franciam, adiutorium et solatium quaerendo pro iustitiis sancti Petri.36 Weiter erfährt man von der Salbung Pippins und der beiden Söhne Karl und Karlmann durch den Papst und dem Zug Pippins nach Italien gegen Aistulf.37 In beiden Quellen ist weder direkt noch indirekt von dem Abschluß eines Bündnisses oder ähnlichem die Rede. Die überarbeitete Fassung der Reichsannalen für 753, die sogenannten Einhardannalen, ist hingegen ausführlicher. Sie beginnen den Bericht Eodem anno Stephanus papa venit ad Pippinum regem in villa quae vocatur Carisiacus, suggerens ei, ut se et Romanam ecclesiam ab infestatione Langobardorum defenderet.38 Anders als in den beiden erstgenannten Berichten wird ausdrücklich von „Verteidigung“ und nicht nur von „Hilfe“ gesprochen. Diese Bitte wurde von Pippin erfüllt, Stephanus papa postquam a rege Pippino ecclesiae Romanae defensiones firmitatem accepit, und danach salbte der Papst den König und seine Söhne ipsum sacra unctione ad regiae dignitatis honorem consecravit... 39 Die Formulierungen enthalten eine Zweiseitigkeit und deuten auf den Abschluß eines Vertrages hin, auch wenn Begriffe wie foedus oder pactum nicht verwendet werden.40 Zu bedenken ist aber, daß dieser Bericht erst nach 788, also wesentlich später abgefaßt worden ist.41 Es ist anzunehmen, daß er die Deutung der Vorgänge in Ponthion im Rückblick aus der Sicht der Zeit Karls des Großen wiedergibt. In dieser Zeit war, wie zu zeigen ist, der Abschluß eines Bündnisses unstrittig. Noch ausführlicher ist der Bericht der älteren Metzer Annalen, die aber noch später um 805 entstanden sind.42 Der Papst wurde von Pippin mir großen Ehren empfangen. Er brachte Geschenke für den König wie die Optimaten mit, die offenbar zum Empfang und am Hofe versammelt waren. Er warf sich zur Erde nieder per misericordiam Dei omnipotentis et meriat beatorum apostolorum Petri et Pauli Pippinum regem obsecrat, ut se et populum Romanum de manu Langobardorum et superbis regis Heistulfi servitio liberaret. Er wollte sich nicht eher wieder erheben quam sibi predictus rex Pippinus cum filiis suis et optimatibus Francorum manum porrigerent et ipsum pro indicio suffragii futuri et liberationis de terra levaret. Gegenüber den anderen Berichten ist in diesem vor allem zweimal die Rolle der optimates hervorgehoben, die schon beim Empfang dabeigewesen sein sollen. Da der Papst bei Hofe empfangen wurde, ist das plausibel. Die Annalen fahren fort Tunc rex Pippinus omnem pontificis voluntatem adimplens führte er ihn zum Kloster St. Denis. 35 36 37 38 39 40 41

42

Chron. Fred. cont., 36 (119). Ann. regni Franc. ad a. 753. Ann. regni Franc. ad. a. 754. Ann. q. d. Einhardi ad a. 753. Ann. q. d. Einhardi ad a. 754. So wohl die heute allgemeine Auffassung, Drabeck, Verträge, S. 15 ff. mit Belegen. Zur Geschichte der Entstehung der Reichsannalen und ihrer Fassungen Wattenbach-Levison, Geschichtsquellen, II. Heft, S. 247 ff. Ann. Mett. Priores ad a. 754.

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Beziehungen zum Papsttum

In der Gesamtschau lassen die fränkischen Quellen erkennen, daß ein Vertrag oder Bündnis abgeschlossen wurde, auch wenn die Begriffe pactum oder foedus selbst in den späteren Darstellungen der Vorgänge nicht auftauchen. Der Papst erbat Hilfe und der König gewährte sie. In der Vita Papst Stephans II., die kurz nach seinem Tod zur Zeit seines Bruders und Nachfolgers Paul I. entstanden sein dürfte, werden verschiedene Stadien des Besuches unterschieden. Am 6. Januar 754 bat Stephan II. den König unter Tränen, ut per pacis foedera causam beati Petri et reipublice Romanorum disponeret.43 Der Papst erbat also den Abschluß eines Vertrages. Die Reaktion Pippins bestand Qui de praesenti iureiurando eundem beatissimum papam satisfecit omnibus eius mandatis et ammonitionibus sese totis nisibus oboedire, et ut illi placitum fuerit exarchatum Ravennae et reipublice iura seu loca reddere modis omnibus. Pippin erfüllte die Bitte, satisfecit, schloß danach ein Bündnis mit dem Papst ab. Dabei versprach er durch Eid zweierlei, zum einen, dem Papst Genugtuung zu verschaffen und ihm in allen Aufträgen zu gehorchen und außerdem, das Exarchat von Ravenna und die Rechte oder Orte der res publica zurückzugeben. Nach dem päpstlichen Bericht fand das alsbald nach der Ankunft des Papstes bei Pippin statt. Von päpstlichen Leistungen oder Versprechungen oder einem Eid verlautet nichts. Danach wurde der Papst nach St. Denis geleitet, wo er später die Salbung Pippins und seiner Söhne Karl und Karlmann vorgenommen habe. Zwar erwähnt nur die päpstliche Quelle ein pactum oder foedus zwischen Pippin und Stephan II. Aber die Art der Darstellungen in den fränkischen wie den päpstlichen Quellen lassen den Schluß zu, daß sie darin übereinstimmen. Hinsichtlich der Form besteht aber Ungewißheit. Nur die päpstlichen Quellen erwähnen einen Eid Pippins. Ein päpstlicher Eid fehlt auch dort. Unklar ist weiterhin, ob ein schriftlicher oder mündlicher Vertrag abgeschlossen wurde. 755 beruft sich Stephan II. zwar in einem Brief an Pippin und seine Söhne auf eine donacionis paginam, durch die sie bestätigt hätten, beati Petri sanctaeque Dei ecclesiae rei publice civitates et loca restituenda. Sie wird in einem weiteren Brief auch als cyrographum bezeichnet.44 Aus den Briefen geht nicht hervor, wann und wo dieses Schriftstück ausgestellt wurde. Auch ist unklar, ob dieses Schriftstück den ganzen Vertrag oder nur das Schenkungsversprechen enthielt. Auch die Pflichten der Vertragspartner sind nicht eindeutig bestimmt. Die Quellen stimmen darin überein, daß Pippin die Rechte des Papstes wiederherstellen soll. Die päpstliche Quelle fügt hinzu, daß der König dem Papst bestimmte Gebiete des Exarchats übertragen soll. Über Pflichten des Papstes ist in keiner Quelle etwas gesagt. Gehörte die nach Abschluß des Vertrages erfolgte Salbung Pippins und seiner Söhne und damit die nochmalige Bestätigung der Dynastie zu diesen Pflichten? Das ist anzunehmen, aber nicht gewiß. Schließlich bleibt die Zeitdauer offen. War es ein adhocBündnis oder eine auf Dauer angelegte Verbindung? Spätere Entwicklungen deuten darauf hin, werden jedoch zunächst an dieser Stelle bewußt nicht herangezogen. Da der gesamte Vorgang auch in seinen Weiterungen bis zur Erneuerung der promissio durch Karl den Großen 774 über das konkrete Bündnis hinaus erhebliche allgemeine Fragen für eine rechtliche Ordnung der Beziehungen zwischen den Mächten 43 44

Vita Stephani II., Liber pontificalis I, S. 447f. Codex Carolinus, Nr. 6, dt. Anhang Nr. 5, und 7, MGH Epp. III, S 489, 491.

2. Anlauf: Stephan II. und Pippin

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aufwirft, die in der Literatur bisher noch nicht behandelt wurden, ist darauf in den speziell rechtlichen Zusammenhängen einzugehen.45

f. Fortgang Auch der weitere Fortgang ist aus den fränkischen und päpstlichen Quellen nicht eindeutig zu erschließen. Er hat eine interne fränkische Seite, die Zustimmung zum Bündnis und den endgültigen Beschluß zum Kriegszug gegen Aistulf durch die fränkischen Großen, und die äußere Seite, das Vorgehen Pippins und des Papstes gegen Aistulf. Beide sind eng miteinander verwoben, haben aber verschiedene Funktionen. Nach dem Fortsetzer der Fredegarchronik schickte Pippin unmittelbar nach der Begegnung in Ponthion und der Anweisung des Klosters St. Denis bei Paris an Stephan II. zur Überwinterung Gesandte an Aistulf, die ihn aufforderten, die Gerechtsame des Papstes wieder herzustellen.46 Nach dem Fehlschlag der Gesandtschaft berief Pippin zum 1. März 754 einen Hoftag auf das Hofgut Bernacum, nicht nach Quierzy, ein, sicut mos Francorum est, um dort mit den Großen über einen Kriegszug gegen Aistulf in Gegenwart des Papstes Rat zu halten.47 Offenbar kam ein Beschluß zum Krieg gegen Aistulf zustande; denn in dem Bericht heißt es weiter, der König sei mit dem Papst und allen Völkerschaften in den Krieg gezogen.48 Nach der päpstlichen Darstellung gingen die Bündnispartner nach der Überwinterung des Papstes in St. Denis gemeinsam zu einem Hoftag in Quierzy, wo der Kriegszug trotz eines Einspruchs Karlmanns, der auf Veranlassung Aistulfs durch seinen Abt dorthin geschickt worden sei, beschlossen wurde. Erst jetzt, also nach den positiven Beschlüssen von Quierzy, sandte Pippin eine Gesandtschaft an Aistulf.49 Die Reichsannalen berichten gar nichts von einer Reichsversammlung, weder in Bernacum noch in Quierzy. In den Einhardsannalen heißt es zwar für das Jahr 753, Stephan II. venit ad Pippinum in villa quae vocatur Carisiacus. Aber es wird keine Reichsversammlung erwähnt. Jedoch berichten beide über die Intervention Karlmanns, quasi ad conturbandum petitionem apostolicam.50 Das Schweigen dieser Quellen über eine Hofversammlung spricht nicht gegen eine solche. Denn zum einen müßte Karlmanns Intervention auf einem Hoftag stattgefunden haben, um Wirkung zu entfalten. Außerdem ist schwer vorstellbar, daß die zum Heeres- und Kriegsdienst verpflichteten Großen und Freien ohne Kriegsbeschluß Pippin in einen derartigen Krieg gefolgt wären. Da Einhard in seinem Rückblick auf die Ereignisse behauptet, Pippin habe zunächst Schwierigkeiten gehabt, sich gegen einige fränkische Große, cum quibus consultare solebat, durchzusetzen, die sogar gedroht haben sollen, den König zu verlassen und

45 46 47

48 49 50

Unten S. 386ff., 542ff. Fred. chron. cont., c. 36 (119), S. 183, Z. 20–23. Fred. Chron. cont, Nr. 37 (120). Wenn die Reichsversammlung vor der Gesandtschaft stattgefunden hat, könnten die Großen sie verlangt haben. Ann. Mett. ad a. 754, MGH SS I, S. 332 Z. 10. Vita Stephani II., Liber pontificalis I, S. 449. Ann. regni Franc. ad. a. 746; Fred. chron. cont., c. 30 (116), S. 181. Ann. regni. Franc. ad a. 754.

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Beziehungen zum Papsttum

nach Hause zurückzukehren,51 wird in der Literatur zur Harmonisierung der unterschiedlichen Darstellungen in den fränkischen und päpstlichen Quellen angenommen, es habe zwei Versammlungen gegeben, eine erste in Bernacum, auf der Pippin und der Papst mit ihrem Anliegen gescheitert seien. Denn es bestand anscheinend eine den Langobarden nahestehende von Karlmann unterstützte Adelsgruppe, die das renversement des alliances nicht mitmachen wollte. Daher sei eine zweite Versammlung in Quierzy notwendig geworden, auf der dann das Bündnis bestätigt, die promissio donationis auch von den Großen unterschrieben und die Beschlüsse zum Kriegszug nach Italien gefaßt worden seien. Zur Begründung wird auf die späteren Berichte von 774 zurückgegriffen.52 Karlmann hatte wohl für sein Herrschaftsgebiet seinen Sohn Drogo als Nachfolger vorgesehen und Pippin anvertraut. Diesen Anspruch drängte Pippin zurück. Die zu Drogo haltenden Franken spielten wahrscheinlich auch die langobardische Karte. Interne oppositionelle Kräfte gegen Pippins Anspruch der Alleinherrschaft könnten mit Aistulf Kontakte gepflogen haben. Es könnte aber auch sein, daß bereits Einhard die unterschiedlichen fränkischen und päpstlichen Berichte harmonisieren wollte. Im vorliegenden verfassungsgeschichtlichen Zusammenhang ist es jedoch unerheblich, ob eine oder zwei Reichsversammlungen stattfinden mußten. Von Bedeutung ist für die verfassungsgeschichtliche Klärung, daß die Zustimmung der optimates eingeholt und in allen Quellen hervorgehoben wurde. Der Inhalt der von Pippin an Aistulf gestellten Forderungen allerdings bleibt unklar, da die fränkischen Quellen und die päpstliche Quelle die Ansprüche des Papstes unterschiedlich formulieren. Aber in beiden Quellenarten geht es allein um päpstliche, nicht um kaiserliche Rechte und Ansprüche.

g. 1. Langobarden-Krieg und Friedensschluß 755 Da auch eine zweite Gesandtschaft Pippins an Aistulf nach dem Alpenübergang, von der das Liber Pontificalis und die Metzer Annalen berichten, erfolglos war,53 begann der Krieg. Pippin war siegreich. Aistulf bat daher durch die fränkischen Großen um Frieden, versprach die Unterwerfung unter die dicio Pippins, die Wiedergutmachung dessen, was er gegen den Apostolischen Stuhl getan hatte und verzichtete für die Zukunft auf jedes feindliche Handeln gegen diesen. Er leistete Eide und stellte zur Sicherung Geiseln.54 Die Reichsannalen sind wieder knapper. Aistulf habe incluso … in Pavia civitatem iustitiam sancti Petri ... faciendi versprochen. Die Einhardannalen formulieren etwas abweichend, Aistulf habe geschworen und 40 Geiseln gegeben pro reddenda sanctae Romanae ecclesiae iustitia.55 51 52 53

54 55

Einhard, Vita Caroli c. 6. Jarnut, Quierzy, S. 271f. Vita Stephani II., Liber Pontificalis I, S. 449, Z. 15; Ann. Mett. ad a. 754, MGH SS I, S, 332, 17. Fred. Chron. cont. 37 (120). Ann. regni Franc. ad a. 755.

2. Anlauf: Stephan II. und Pippin

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Die nachträglich entstandenen Metzer Annalen erwähnen zwar einen Tribut, nicht aber die Unterwerfung Aistulfs unter Pippins ditio. Diese dürfte aber Voraussetzung des Tributes gewesen sein. In territorialer Hinsicht berichten sie zudem über eine Übergabe der Pentapolis und anderer Gebiete, die vor dem Krieg zum Exarchat und nicht zu den päpstlichen Gebieten des Patimonium Petri gehörten, an den Papst. Sie „wissen“ anscheinend mehr über das, was wirklich geschah oder projizieren spätere Vorgänge zurück. Die Vita Stephani berichtet weitergehend vom Abschluß eines schriftlichen römisch-fränkisch-langobardischen foedus. Pippin habe auf Ermahnung des Papstes hin Frieden geschlossen.56 Es wurde danach ein dreiseitiger schriftlicher Vertrag geschlossen, als dessen Bestandteil ebenfalls schriftlich die von Aistulf zurückzugebenden Städte, u. a. Ravenna, aufgezählt waren und bestätigt wurden. Die Unterschiede der Berichte in den fränkischen und päpstlichen Quellen über den Friedensschluß sind, so ist zu vermuten, den unterschiedlichen Interessen an diesem Friedensschluß zuzuschreiben.

h. 2. Langobarden-Krieg und erneuter Friedensschluß 756 Der Friedensschluß von Pavia im Jahre 755 bedeutete jedoch nicht Frieden und Lösung des Streites. Noch in demselben Jahr richtete Stephan II. einen erneuten Hilferuf an Pippin. Aistulf habe nicht zurückgegeben, was er unter Eid versprochen habe, nec unius enim palmi terrae spatium beato Petro sanctae Dei ecclesiae, rei publice Romanorum, reddere passus est. Der Papst beruft sich darauf iustitiam beati Petri, in quantum potuistis, exigere studuitis et per donacionis paginam restituendum confirmavit bonitas vestra. Von wann diese donacionis pagina stammt, wird nicht gesagt. Es könnte, wie die Forschung wohl einhellig annimmt, eine in Bernacum oder Quierzy, je nach Lesart der Reichsversammlungen, erstellte Liste sein. Es könnte sich im Hinblick auf die erläuterte Darstellung der Absprachen im Liber Pontificalis auch um die Liste Aistulfs als Bestandteil des Vertrages von 755 handeln, die Pippin als Vertragspartner mit seinen Großen, die den Frieden vermittelt hatten, ebenfalls unterschrieben hatte. Denn es ist der Papst, der die Mahnung unter Bezugnahme auf diesen Vertrag ausspricht, der mit der Liste in seinem Besitz war. Mochte die Nichterfüllung der Übergabeversprechen von Aistulfs Seite zunächst noch als bloßer Versuch erscheinen, die Erfüllung hinauszuzögern, so wirft Stephan II. ihm jedoch im Febuar 756 endgültig Bruch des Vertrages und seiner Eide vor und ruft zudem die Hilfe Pippins gegen erneute Angriffe Aistulfs auf das Gebiet des Dukates von Rom an.57 Die fränkischen Quellen, Fortsetzer der Fredegarchronik, Reichsannalen und Metzer Annalen stellen in unterschiedlicher Weise ebenfalls die Verletzung bzw. Nichteinhaltung der Versprechen, die Aistulf 755 abgegeben habe, als Gründe für den neuen Krieg heraus.58

56 57 58

Vita Stephani II., Liber pontificalis I, S. 451. Codex Carolinus, Nr. 8, MGH Epp. III, S. 494. Chron. Fred. cont. 38 (121). Ann. regni Franc. ad a. 756.

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Beziehungen zum Papsttum

Zwar versuchte Kaiser Konstantin VI. noch vor Ausbruch der Kampfhandlungen, Pippin durch die erwähnte Gesandtschaft, auch durch Geschenke, zu bewegen, Ravenna und die anderen Städte des Exarchats nach der Eroberung an ihn zu übergeben. Pippin lehnte jedoch, wie dargelegt, zugunsten des Papstes ab.59 Nach der erneuten Belagerung und Eroberung Pavias wurde der dreiseitige Vertrag von 755 erneuert und eine zweite, erweiterte Liste der an den Papst zu übertragenen Städte als Teil des Vertrages angefertigt, die dann im kirchlichen Archiv aufbewahrt wurde. Deren Aussteller wird zwar im Liber nicht genannt, dürfte aber wie im Vorjahr Aistulf gewesen sein. Pippin und seine Großen werden sie bestätigt haben. Sie konkretisiert in jedem Fall die Verpflichtungen Aistulfs zur Heraus- und Übergabe.60 Es wird weitergehend auch der Vollzug der Übergabe mitgeteilt. Die Städte wurden nach der Eroberung durch Pippin in dessen Auftrag durch den fränkischen Abt Fulrad gemeinsam mit einer Gesandtschaft des Aistulf begangen und durch Übergabe der Schlüssel von dem Abt übernommen. Dieser gab sie durch Schlüsselübergabe der einzelnen, in der Urkunde aufgezählten Städte an den Papst weiter. Schlüssel und diese Liste der tatsächlich übergebenen Städte wurden dann in der confessio der Peterskirche niedergelegt und aufbewahrt.

i. Stand 756 Aus fränkischer wie aus päpstlicher Sicht überbrachte der Papst 753 keine kaiserliche Bitte um Hilfe, sondern handelte für sich und die ihm anvertraute Kirche. Pippin eilte also nicht dem Reich zur Hilfe, wurde nicht in dessen Interesse tätig und schon gar nicht sein Bündnispartner. Die Übergabe Ravennas und der anderen civitates, die zuvor zur byzantinisch-kaiserlichen Herrschaft gehört hatten, dieser aber durch Eroberung durch Aistulf entzogen worden waren, an den Papst trat für diesen immer mehr in den Vordergrund. Dafür werden rechtliche Verpflichtungen Pippins herangezogen. Das geschah aber erst und nur in Teilen 756, nachdem Pippin das Exarchat seinerseits von Aistulf erobert hatte. Andere, vor allem vor dem Eroberungszug Aistulfs bereits langobardische Gebiete werden nicht genannt und auch nicht übergeben. In seinem ersten Brief des Jahres 755 wählte Stephan II. die bemerkenswerte Formulierung für das Schenkungsversprechen quam eidem protectori vestro, domino nostro Beato Petro offere iussistis.61 Der Begriff offere deutet wiederum auf eine religiöskirchliche Dimension der territorialen Zusagen Pippins. Sie werden zu einem offertorium an den Apostelfürsten. Damit hängt wohl auch die Niederlegung der Listen von 756 an der confessio von St. Peter zusammen.62 Eine solche wird auch 774 vorgenommen. Die Vermutung, Stephan II. könnte zur Begründung seiner territorialen Forderungen über das Patrimonium Petri, die Stadt Rom und den Dukat hinaus auf die Groß59 60 61 62

Oben S. 112. Vita Stephani II., Liber Pontificalis I, S. 453. Codex Carolinus, Nr. 6, MGH Epp. III, S. 489 f. Z. 42 f.; dt. Anhang 5. Dazu Angenendt, Offertorium; ders. Cartam offere.

Fortgang

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fälschung des Constitutum Constantini zurückgegriffen haben, scheitert bereits daran, daß diese wahrscheinlich erst später entstand und noch später genutzt wurde.63 Die Fälschung diente vielleicht eher der nachträglichen Legitimierung „von alters her“ für die entstandene Situation und als vorwegnehmende Grundlegung für zukünftige Ansprüche.64 756 schien das unmittelbare Ziel des Vertragsverhältnisses zwischen Papst und Frankenkönig von 753/754 erreicht. Pippin hatte seine Verpflichtungen weitgehend erfüllt. Die langobardische Bedrohung war beendet, Ravenna und andere Städte waren dem Papst übergeben. Jedoch hielten die Nachfolger Stephans II. an einem foedus mit Pippin und seinen Söhnen in der ein oder anderen Weise fest. Es bildete die Grundlage für die Beziehungen zwischen den Päpsten und den beiden Nachfolgern Pippins und weit darüber hinaus.

V. F o r tg an g Nach dem Tode Stephans II. berichten die fränkischen Quellen bis 773, der Ankunft einer Gesandtschaft Hadrians I. bei Karl dem Großen mit einem Hilfeersuchen gegen Desiderius, also über fast zwanzig Jahre mit der Ausnahme der Synode von Gentilly, nichts mehr zum Verhältnis der fränkischen Könige mit den Päpsten, weder zu Stephans unmittelbaren Nachfolger Paul I., noch zu dessen Nachfolgern Konstantin II. und Stephan III. Jedoch waren diese Beziehungen, wie ein intensiver Briefverkehr belegt, eng und wurden auf vielfache Weise gestärkt. Warum die Annalen darüber nicht berichten, muß offen bleiben. Es kam nicht zu besonderen äußeren Aktionen Pippins in Italien. Die Beziehungen betrafen jedoch nicht nur die bereits behandelten Fragen der Kirchenreform, sondern gerade auch politische Probleme, insbesondere das Verhältnis zu den Langobarden. Die Päpste Paul I., Konstantin II., Stephan III. und Hadrian I. baten in ihren Briefen an die karolingischen Könige immer wieder um Beistand, Schutz und Hilfe gegen diese, um Erfüllung der promissio donationis und darum, das durch Stephan II. begründete Verhältnis fortsetzen zu wollen. Diese Briefe lassen die normative und inhaltliche Struktur dieses Verhältnisses jedenfalls aus der Sicht der Päpste deutlicher hervortreten.

a. Ausgangspunkt Einige der Päpste verwenden in ihren Briefen für das Verhältnis den Begriff foedus, das sie mit Pippin und seinen Söhnen fortsetzen wollen. Sie gingen also von dem Fortbestand des Bündnisses von 753/53 auch nach 756 aus. Von einer schriftlichen Grundlage desselben ist aber, wie bereits bemerkt, nirgendwo die Rede. Foedus steht jedoch stets in engem Zusammenhang mit anderen Begriffen, dilectio, concordia, caritas, amicitia, 63

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Insbesondere Ullmann, Machtstellung, S. 88 ff. So u. a. Fuhrmann, Papsttum, S. 263 ff., auch in Auseinandersetzung mit anderen Thesen. Fuhrmann, Papsttum, S. 275 und S. 286; Bertolini, Origini, S. 252; Angenendt, Frühmittelalter, S. 286.

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fides. Diese werden auch ohne Bezugnahme auf ein foedus von den Päpsten verwendet. Offenbar haben diese das Bündnis in einem wesentlich weiteren Sinne verstanden, als nur als ein Bündnis zur Abwehr langobardischer Angriffe und zur Sicherung der iustitias der Kirche und der Päpste. Die Briefe der Päpste bringen eine neue inhaltliche Entwicklung des Verhältnisses zu einer allgemeinen defensio ecclesiae zum Ausdruck. Zudem wird die Gegenseitigkeit des Bündnisses, die zunächst unter Stepahn II. weniger hervortritt, deutlicher zum Ausdruck gebracht. Leider haben wir nur die päpstlichen Briefe an die Könige als Quelle zur Verfügung, nicht deren Schreiben an die Päpste. Aber da einige der päpstlichen Briefe auch Antwortschreiben auf Briefe Pippins waren, läßt sich auch über dessen Vorstellungen jedenfalls indirekt einiges erschließen.

b. Donatio und defensio Zunächst ist der Begriff der defensio noch eng mit der Wiederherstellung der päpstlichen Rechte und den territorialen Zusagen verbunden. In den Briefen Stephans II. und Pauls I. werden die Mahnungen, die donatio zu realisieren, mit einer allgemeinen Aufforderung zur defensio der Kirche verbunden. So enthält der zweite Brief Stephans II. von 755 folgende Formel: et vos beato Petro polliciti estis eius iustitiam exigere et defensionem sanctae Dei ecclesiae procurare et, ut vere fideles Deo, pura mente pro defensione Dei ecclesiae dimicandum properastis.65 Die Durchsetzung der Abkommen von Pavia und damit die Erfüllung der Territorialzusagen Pippins von Ponthion bis Pavia 756 fielen somit in den Bereich der defensio sanctae ecclesiae. In diesen Briefen scheint auch die Gegenleistung auf, der Schutz des hl. Petrus und des Christus selbst; wenn sie ihre Verpflichtung erfüllen, eritis semper victores et fortissimi super vestros inimicos und sie werden lange herrschen. Von eigenen päpstlichen Gebeten für Pippin und die Franken ist jedenfalls zunächst nicht die Rede. Die Päpste betonen jedoch, abgesehen von der rechtlichen Verpflichtung zur donatio, für die Verteidigung, die defensio ecclesiae, die religiöse Grundlegung ihres Verhältnisses. Stephan II. beruft sich auch nach 756 nicht auf einen Vertrag, sei es von Ponthion, sei es von 755/756, sondern stets auf die Salbung als besonderes Band zwischen dem hl. Petrus und Pippin und seinen Söhnen und beschwört den König, um Gottes und des hl. Petrus willen um die Hilfe, verbunden mit Drohungen, diese könnten sonst ihrerseits ihren Schutz für ihn und die Franken zurückziehen. Er bezieht sich sodann auf ein sie verbindendes caritatis vinculum. Das könnte zwar auf eine in Ponthion geschlossene amicitia hindeuten, wird jedoch nicht näher ausgeführt. Gott, der den König und seine Söhne unter seinen Schutz genommen habe, habe ihm das ganze Volk von Rom anvertraut. Er müsse sich dafür vor Gottes Gericht verantworten und daher so handeln, daß er eines Tages sagen könne, Gott und dem hl. Petrus in Treue gedient und die Kirche verteidigt und befreit zu haben. In dem zweiten Brief, den er als Brief des Apostels Petrus selbst erscheinen ließ, wurden Pippin und seine Söhne adoptivos filios genannt, die der Apostelfürst zur Verteidigung und Befreiung der ihm von Gott anvertrauten römischen Kirche aufrufe. In dem Brief wird deutlich, daß für Stephan II. die Verknüpfung in der reli65

Codex Carolinus, Nr. 7, MGH Epp. III, S. 491, Z. 26ff.

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giös-kirchlichen Sphäre für das gegenseitige Verhältnis bestimmend war, soweit es sich nicht um die territorialen Zusagen handelte. Das macht die Vielschichtigkeit der normativen Strukturen dieses Verhältnisses deutlich. In dem letzten überlieferten Brief Stephans II. an Pippin nach dem zweiten Sieg dankte er dem König, aber vor allem Gott, der den König geführt habe. Er bittet Gott um weiteren Segen für den König und seine Söhne. Aber von irgendwelchen rechtlichen Bindungen ist auch darin nicht die Rede. Nicht nur fehlen foedus, pactum, promissio, sponsio, als Rechtsbegriffe, sondern auch amicitia, caritats vinculum, concordia und ähnliche. Jedoch fordert der Papst Pippin auf, das begonnene Werk zu Ende zu bringen, für die völlige Erhebung, exaltatio, der Kirche und die Befreiung und Sicherheit des Volkes und dafür auch für die vollständige Ausführung der territorialen Regelungen von Pavia zu sorgen. Man erhält den Eindruck, daß für Stephan II. außerhalb des kirchlichen Bandes nur diese territorialen Zusagen aus dem zweiten Vertrag von Pavia ein rechtliches Band darstellen. Eine weitere Bitte, wegen des plötzlichen Todes Aistulfs der Erhebung des Desiderius zum neuen König der Langobarden zuzustimmen, falls dieser sich zur Einhaltung der Verträge von Pavia verpflichte, beruhte hingegen wohl auf den Verträgen von Pavia und vielleicht auf Pippins ditio über die Langobarden. Zuletzt bat Stephan II. den fränkischen König jedoch über die Erfüllung der territorialen Versprechungen hinaus, ihn in der Auseinandersetzung mit den Griechen im Bilderstreit zu unterstützen. Der katholische Glaube solle durch ihn integra et inconcussa fortdauern. Er stellt diese Unterstützung gegen die pestifera malitia auf dieselbe Stufe wie den Schutz gegen Aistulf. Nur geht es dieses Mal um die Seelen. Aus dem Bündnis kann diese Aufgabe nicht erschlossen werden, wie immer es interpretiert wird. Sie läßt sich nur aus der kirchlichen Sphäre und Verbindung begründen. Sie bleibt aber angesichts der politischen Bedeutung des Bilderstreites und des caeseropapistischen Anspruchs des Kaisers in diesen Fragen nicht in dieser Sphäre, sondern wird, wenn auch noch nicht jetzt, so doch ungefähr fünfunddreißig Jahre später, für Karl in den Libri Carolini hochpolitisch werden. Die Bitte läßt erkennen, wieweit der Inhalt der Verbindung zwischen Frankenkönig und Papst inzwischen reichte. Stephan II. redete Pippin ab 754 als spiritalis compater an.66 Wie es zu dieser ersten Kompaternität zwischen Pippin und Stephan II. kam, ist offen. Grundlage könnte eine Firmung der Söhne Pippins durch Stephan II. gewesen sein oder aber auch deren Königssalbung 754. Allerdings ist dann schwierig zu erklären, aus welchem Grund der ebenfalls gesalbte Pippin als spiritalis compater angeredet wurde; er wäre dann ja auch spiritalis filius gewesen.67 Ob der fränkische König dieselbe Anrede gegenüber dem Papst gebraucht hat, ist nicht festzustellen.

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Codex Carolinus, Nr. 6, MGH Epp. III, S. 488, dt. Anhang Nr. 5. In der Papstvita und in den fränkischen Quellen findet sich nichts dazu; zur Suche nach der Begründung Angenendt, Bündnis, S. 41ff. Angenendt, Bündnis, S. 43, neigt zur Firmung; wohl auch Fried, Weg, S. 240; kritisch hingegen Engels, Bündnis, S. 33, der eher auf die Königssalbung selbst abstellen will.

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c. Papstwechsel Der nach Stephans II. Tod 757 zum Papst gewählte Bruder Paul I. versicherte bereits in seiner Wahlanzeige an Pippin, daß er in ea fide et dilectione et caritatis concordia atque pacis foedera verbleiben wolle, die sein Bruder mit ihm abgeschlossen habe.68 Zwar ist eine ausdrückliche Reaktion Pippins nicht überliefert. Aber die weiteren Ereignisse und Verhaltensweisen belegen, daß Pippin seinerseits ebenfalls dieses foedus erneuerte. Die vom Papst gewählten Begriffe haben einen normativen Gehalt, gehören aber nicht alle der rechts-normativen, sondern z. T. der religiös-normativen Sphäre an. Jedoch bezeichnete der Begriff fides im römischen Recht den zentralen Inhalt eines Vertrages.69 In späteren Briefen erwartete Paul I. dasselbe auch von Pippin. Auch zwischen diesem Papst und Pippin wurde nach längerem Bemühen Pauls I. wieder eine compaternitas begründet. Pippin übersandte ihm in einem symbolischen Akt das Taufkleid seiner Tocher Gisela und bestellte ihn so symbolisch zum compater. Daher ist davon auszugehen, daß auch der König diese Bindung wünschte. Für Paul I. stellte sich, wie Angenendt ausführlich begründet hat, diese Erneuerung der Kompaternität als die eigentliche Erneuerung, als die Erfüllung der in der Wahlanzeige erbetenen und gewünschten Fortsetzung des Bundes zwischen Pippin und Stephan II. dar.70 Für die normativen Inhalte der zwischen Pippin und dem Papsttum bestehenden Beziehungen sind die zweiunddreißig erhaltenen Briefe Pauls I. an den König von grundlegender Bedeutung.71 Wiederholt wird die Verbindung zwischen Papst und König in diesen Briefen mit den Begriffen fides, dilectio, caritatis dilectio, einmal auch mit amicitia bezeichnet. Dabei ist immer deutlich, daß es sich nicht um eine persönlichindividuelle Bindung zwischen Papst und König handelt, sondern die Familie des Königs, seine Großen und sein ganzes regnum in diese Beziehung einbezogen sind.72 Da diese Begriffe auch in anderen Beziehungen auftauchen, so in einem Brief Karls an den König von Mercien Offa73, ist auf deren allgemeine Bedeutung erst später einzugehen.74 Die wiederholte Versicherung Pauls I. gegenüber Pippin, daß nichts ihn a vestro amore et caritate atque dilectione trennen könne, wie die Zusicherung, in die dilectio und caritas des Königs völliges Vertrauen zu haben, könnte als eine inhaltliche Erweiterung des ursprünglich beschränkteren Bündnisses von Ponthion verstanden werden. Jedenfalls gehen sie weit über die in den älteren Quellen enthaltenen Formulierungen

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April/Mai 757, Codex Carolinus, Nr. 12, MGH Epp. III, Teil 1, S. 507, dt. Anhang Nr. 6. Unten S. 422ff. Codex Carolinus, Nr. 14, MGH Epp. III, S. 511; dazu Angenendt, Bündnis, S. 57ff. Codex Carolinus, Nr. 12–43, MGH Epp. III, S. 507ff., Nr. 12, 29, 42 dt. Anhänge 6–8. So richten sich päpstliche Briefe an Pippin, seine Söhne Karl und Karlmann sowie an alle Bischöfe, Äbte, Priester, Mönche, Herzöge, Grafen und das ganze Heer, z. B. Stephan II. Februar 756, Codex Carolinus, Nr. 9., auch der Brief des Apostels Petrus ibid., Nr. 10, MGH Epp. III, S. 498 und 501. 796, Alcuni epp., Nr. 100, MGH Epp. IV, S. 144, dt. Anhang 1. Unten S. 482ff.

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hinaus. So bezeichnet der Papst verschiedentlich fides, dilectio und caritas als Inhalt des Versprechens Pippins wie auch seiner sponsio.75 Paul I. übersandte Pippin noch vor seiner Weihe die Anzeige seiner Wahl.76 Dies war in sich ein bemerkenswerter Vorgang. Denn das war bis dahin nur gegenüber dem Kaiser bzw. dem Exarchen der Fall gewesen. Schon Pippin rückte also in gewisser Weise an dessen Stelle, allerdings ohne dessen Bestätigungsrecht. Der neugewählte Papst erklärte, pacis foedera zwischen Stephan II. und Pippin mit ihm fortsetzen zu wollen. Er redet den König nicht nur als patricius Romanorum an, sondern nennt ihn im Text noster post Deo auxiliator et defensor rex. Diese Bennung wird auch in vielen folgenden Briefen verwendet, aber auch erweitert um liberator, protector.77 Diese Benennungen bezeichnen grundlegend und umfassend die rechtliche Stellung Pippins in dem Verhältnis zum Papsttum. Das Antrittsschreiben schließt mit dem eigenen Versprechen, für Pippin, seine Söhne und die Königin um Gottes clementia zu beten, aber: ut semper tuum auxilium et firmissima protectio extendatur super nos. Die Gegenseitigkeit, die bei Stephan II. nicht greifbar wird, ist nicht nur mit dem Begriff pacis foedera, sondern auch mit dieser Art Gegenleistung eindeutig ausgedrückt. In späteren Briefen wird die dem Bündnis innewohnende Gegenseitigkeit auch immer wieder ausformuliert. Sie bestätigen, daß es sich aus päpstlicher Sicht bei Pippins Versprechen im Grunde um ein Versprechen an den hl. Petrus als Vertragspartner handelt. 78 In einem dieser späteren Briefe beschreibt der Papst die Gegenseitigkeit des Inhaltes mit einer alten, bereits im Alten Orient und in der Antike benutzten Formulierung für ein gegenseitiges Bündnis Quapropter – testatur veritas, quia – ubi vestros amicos agnoverimus, tamquam amicos et fideles sanctae Dei ecclesiae oblectare et amplectere cupimus et, ubi vestros inimicos invenerimus, veraciter tamquam inimicos sanctae Dei ecclesiae et nostros proprios ita eos respuimus atque persequimur, quia vestri amici sanctae Dei ecclesie et nostri existunt et hi, qui inimicitias contra vos machinantur, profecto inimici sanctae Dei ecclesiae et nostri esse conprobantur. Es kann dahin gestellt bleiben, ob dies auch die Formulierung des Versprechens oder sogar eines Eides zwischen den Partnern wiedergibt, oder nicht.79 Auch Pauls Nachfolger Stephan III. benutzte eine ähnliche Formel später in einem Brief an Karl und Karlmann, in dem er sie vor der langobardischen Eheschließung warnte. Die Formulierung drückt den allgemeinen Inhalt der amicitia aus.80 M. E. kann damit ein einseitiges Verteidigungsversprechen Pippins, das neben einer amicitia oder dem foedus pacis zwischen dem Frankenkönig und dem Papst bzw. dem hl. Petrus bestanden haben könnte, ausgeschlossen werden. Die Verteidigungsaufgabe Pippins für die sancta Dei ecclesia war aus päpstli-

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Codex Carolinus, Nr. 21, MGH Epp. III, S. 522, 523 Z. 18 ff. Zur Bedeutung der fides im Vertragsrecht unten S. 422ff. April/Mai 757, Codex Carolinus, Nr. 12, MGH Epp. III, S. 507, dt. Anhang Nr. 6. Z. B. Codex Carolinus, Nr. 19, MGH Epp. III, S. 519, S. 520, Z. 8; Nr. 20, ibid., S. 520, S. 522 Z. 5ff. Zwischen 764 und 766, Codex Carolinus, Nr. 34, MGH Epp. III, S. 541; Nr. 36, ibid. S. 543, 545, Z. 17–29; Nr. 37, ibid., S. 547, 548, Z. 35ff. Dazu Drabek, Verträge, S. 91. Unten S. 658f.

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cher wie aus fränkischer Sicht Bestandteil eben dieses umfassenden Bundes mit gegenseitigen sponsiones.81 Die Gegenseitigkeit des Verhältnisses zwischen Papst und König wird auch in anderen Zusammenhängen von Paul I. hervorgehoben, so im Zusammmenhang mit dem Streit um den Bilderkult.82

d. Defensio ecclesiae nach außen Paul I. bezeichnet in seinen Schreiben an Pippin die Pflichten des Königs mit dem Begriff der defensio in verschiedenen Variationen. Für sich verspricht er immer wieder die Erneuerung des Gebetes. So drückt die Anhäufung der Begriffe defensor, auxiliator, liberator, protector für Pippins Stellung in dem Bündnis die sehr große Bandbreite dessen aus, was Paul I. zu den Aufgaben des Königs gegenüber der Kirche, ihm gegenüber und gegenüber dem Volk zählt. An erster Stelle steht auch bei Paul I. noch die Erfüllung der territorialen Zusagen. Auch der Senat von Rom erinnerte Pippin an sein Versprechen, pollicitatio, und bittet, für die Übergabe der versprochenen Gebiete zu sorgen ut perfecta sanctae Dei ecclesiae exaltatio et fidei nostrae orthodoxae omniumque nostrum profligetur defensio.83 Es wird zwischen Verteidigung, defensio, Erhebung, exaltatio, der Kirche und des Glaubens und Übergabe der versprochenen Territorien ein enger Zusammenhang hergestellt. Diese gelten nicht einer irdischen Machtstellung, sondern der Sicherung der Kirche und ihrer Aufgabe, den rechten Glauben zu bewahren. Die Bitte, sich bei Desiderius für die Herausgabe einzusetzen, gründet sich zunächst auf dessen Pflicht aus den Verträgen von Pavia und seinen eigenen Versprechen, die er im Laufe der Zeit häufiger erneuert hatte und immer wieder nicht einhielt.84 Pippin wird um Unterstützung als defensor et auxiliator, auch als liberator gebeten, weil er damit das erfülle oder in dem bleibe, was er dem hl. Petrus und Stephan II. versprochen habe. Aber anders als Stephan II. und der hl. Petrus in ihren Briefen um Hilfe und Unterszützung von 756 stützt sich Paul I. bei seinem Hilferuf gegen Desiderius offenbar auf das Bündnis. Der langobardische König war in die Pentapolis, die seit 756 unter päpstlicher Herrschaft stand, eingefallen und hatte diese sowie die Herzogtümer Spoletto und Benevent, die ebenfalls allmählich in päpstliche Abhängigkeit gekommen waren, mit Feuer und Schwert verwüstet und sich sogar mit den „Griechen“, d. h. den süditalienischen Vertretern Ostroms, gegen den Papst verbündet.85 Paul I. schreibt Unde petimus te,..., ut iubeas perfectam liberationem sanctae Dei ecclesiae ... et ita id, quod ... beato Petro pollicitus estis , firmiter permanere. Er möge die Kirche und das

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So wohl auch Drabek, Verträge, S. 15 ff. gegen die ältere Forschung, die sehr eigentümliche Doppelkonstruktionen vertrat. 764–766, Codex Carolinus, Nr. 37, MGH Epp. III, S. 547, 548 Z. 37 ff. Codex Carolinus, Nr. 13, MGH Epp. III, S. 510, Z. 13f. Codex Carolinus, Nr. 17, MGH Epp. III, S. 514, 515 /516; Nr. 19 i. V. m. Nr 20, ibid., S. 519 ff. Codex Carolinus, Nr. 14–17, MGH Epp. III, S. 511 ff, insbesondere Nr. 17, S. 514, 515.

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Volk de hostium incursione eruere. Das richtete sich wohl gegen das Bündnis des Langobardenkönigs mit den Byzantinern und gegen einen befürchteten Angriff unter Umständen von Norden und Süden. Es könnte sein, daß diese versuchten, die Oberhoheit über das römische Dukat und den Papst wieder herzustellen, oder doch seiner habhaft zu werden, um ihn nach Konstantinopel zu bringen. Man befand sich mitten im Bilderstreit. Das Versprechen, das Pippin dem hl. Petrus und Stephan II. gegeben hatte, umfaßte somit nach der Interpretation Pauls I. die defensio sanctae Dei ecclesiae in jeder Hinsicht. 764 formulierte der Papst, daß Pippin dem hl. Petrus und seinem Stellvertreter Stephan II. versprochen habe defensionem et auxilium sanctae Dei ecclesiae vel eius peculiaris populi inpertiendi.86 Die Pflicht zur defensio ist danach Inhalt des Vertrages von Ponthion, wie es auch die sogenannten Einhardannalen, aber im Nachhinein, formuliert haben. Nach Pauls I. Auffassung endete somit die Verteidigungspflicht nicht mit dem Sieg über Aistulf 756, sondern setzte sich fort. Ob das eine gegenüber den älteren Texten erweiternde Interpretation darstellt, oder deren ursprünglichen, aber in den Quellen nicht mitgeteilten Gehalt wiedergibt, darf offen bleiben. Denn, wenn auch von Pippin keine unmittelbaren Äußerungen vorliegen, so gibt der Papst in Briefen an Pippin, und daher wohl grundsätzlich unverfälscht wieder, was Pippin ihm über seine Auffassung von seinen Pflichten geschrieben hat. Et eis denique a vobis directis syllabis nos certos et in omnibus reddidistis, vos paratos adesse in adiutorium et defensionem sanctae Dei ecclesiae, in quibus necessitas ingruerit, atque in ea vos fide et dilectione firmiter esse permansuros, quam beato Petro apostolorum principe atque beatissime domno et germano meo Stephano ... polliciti estis ... In einem zweiten Brief heißt es: Ad vero ... per easdem honorabiles vestras syllabas certissimam nobis solite pollicitationis fiduciam contulistis: vos firma perseverantia decertaturos fore ad defensionem sanctae Dei ecclesiae et universi populi Romani atque totius provintiae, iuxta id quod polliciti estis beato Petro et eius vicario...et in ea vos sponsionis fide permansuros.87 Auch für den König war also die defensio der Kirche insgesamt die zentrale Verpflichtung.

e. Defensio ecclesiae nach innen Durchsetzung der Rückgabe der Gebiete durch Desiderius und Abwehr von Feinden, die in das päpstliche Gebiet eindrangen, erschöpften die Aufgabe der defensio aber auch für Paul I. nicht. Dazu gehörte wiederum auch die Abwehr der Häresie und der Häretiker. Als solche erschienen wiederum die Griechen, die den Bilderkult ablehnten. Das war 754 in Ponthion bei dem Abschluß des Bündnisses wohl nicht intendiert. Aber schon Stephan II. hatte, wie erwähnt, eine Bitte um Unterstützung seiner Position an Pippin gerichtet. Zur Zeit Pauls I. eskalierte die Auseinandersetzung mit Konstantinopel. Der Papst nannte die Giechen inimici sanctae Dei ecclesiae, sie waren haeretici. Pippin hingegen 86 87

Codex Carolinus , Nr. 29, MGH Epp. III, S. 534, Z. 23/24, dt. Anhang Nr. 7. 761/762, Codex Carolinus, Nr. 21, MGH Epp. III, S. 523, Z. 5–9; ibid., Nr. 22, MGH Epp. III, S. 525, Z. 23–28.

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war orthodoxus rex.88 Er wurde zum Verteidiger, firmus protector et defensor, des rechten Glaubens gemacht, indem er gegen die Griechen ziehen sollte, ab inimicorum insidiis erepta et orthodoxa christianorum fides ab inpugnatoribus defensa. Weiter heißt es: Sed tu, bone, potentissime rex, viriliter sicut vere orthodoxus eisdem impiis resistere hereticis (die Griechen) atque solite sanctam Dei ecclesiam et christianorum orthodoxam fidem tuo a Deo protecto solito auxilio atque congruo disposito defendere digneris.89 Diese Aufgabe sollte zwar auch zunächst politisch, u. U. aber auch militärisch wahrgenommen werden. Sie hatte eine andere Dimension als der Schutz gegen Angriffe und Bedrohung, wie sie von den Langobarden ausging. In einem anderen Brief verweist Paul I. auf das Band caritatis dilectione, dessen Einhaltung der König mit seinen Großen und dem ganzen Volk der Franken dem hl. Petrus, Stephan II. und seinen Nachfolgern in alle Ewigkeit versprochen habe, auch pro exaltatione sanctae Dei ecclesiae et fidei orthodoxe defensione. Das bezieht sich wohl auf die Versammlung in Quierzy und geht über die älteren Berichte, die zu einem besonderen Engagement der Großen schweigen, hinaus. Da Paul I. als ranghohes Mitglied des Hofes seines Bruders in Rom an den Vorgängen unmittelbar beteiligt, vielleicht auch bei dem Besuch seines Vorgängers in Franken anwesend gewesen war, ist davon auszugehen, daß er den Sachverhalt richtig wiedergibt. Der Papst versichert seinerseits auch in diesem Zusammenhang, nulla nos rerum qualitas ab eadem caritatis confirmatione potens poteri separare. Daher sind seine und Pippins Gesandte gemeinsam gegen den Ikonoklasmus in Konstantinopel vorstellig geworden.90 In Erfüllung oder Wahrnehmung dieser Aufgabe der Verteidigung des rechten Glaubens hatte Pippin die Synode von Gentilly inter Romanos et Graecos de sancta Trinitate vel de sanctorum imaginibus einberufen, auf die Paul I. ausführlich brieflich eingeht.91 Jedoch zog der Papst in diesem Zusammenhang nicht nur das Defensionsversprechen heran, sondern griff höher: protector vester dominus Deus noster, qui vos regnare iussit et sanctam ecclesiam ad defendendum vobis commisit.92 Das Amt des rex aber beruhte, jedenfalls auch, auf der Salbung, die die Erwählung bestätigte. So brachte der Papst die Berufung und Erwählung Pippins zum König durch Gott in der Salbung durch den hl. Petrus und seinen vicarius, Stephan II., ebenfalls immer wieder als Begründung der defensio in seine Argumentation ein.93 Verpflichtung aus Versprechen und Auftrag aus religiöser Erwählung standen nebeneinander. Im Ergebnis läßt sich also feststellen, daß sowohl Paul I. als auch Pippin von einer umfassenden Pflicht Pippins zur Verteidigung der Kirche in allen Hinsichten ausgingen. Die sponsio Pippins hatte sich somit im Verständnis beider somit nicht nur auf die donatio der Territorien bezogen, wurde jedenfalls jetzt von beiden wesentlich weiter interpretiert, da die Umstände der erneuten Bedrohung durch Desiderius und die 88 89 90 91 92 93

Codex Carolinus, Nr. 32, MGH Epp. III, S, 538, 539 Z. 5; Nr. 36, ibid., S. 544, Z. 12; u. a. Codex Carolinus, Nr. 32, MGH Epp. III, S. 538, Z. 16f., S. 539, Z. 11–14. Codex Carolinus, Nr. 37, MGH Epp. III, S. 547, 548 a. E. Ann. regni Franc. ad a. 767; Codex Carolinus, Nr. 36, 37, MGH Epp. III, S. 544, S. 547. Codex Carolinus, Nr. 36, MGH Epp. III, S. 544, Z. 31f. So bereits in einem der ersten überlieferten Briefe Codex Carolinus, Nr. 16, MGH Epp. III, S. 513, Z. 26ff., und dann immer wieder, z. B. Nr. 33, ibid., S. 540, für Pippin, wie für die Söhne Karl und Karlmann.

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Herausforderung des Bilderstreites das wohl nahelegten. Jedoch blieb die Durchsetzung der territorialen Versprechungen Pippins an Stephan II. als ein zentraler Teilinhalt in diese eingeschlossen. Die Gegenseitigkeit der Verpflichtungen wird insbesondere durch das fürbittende Gebet des Papstes und des ganzen Volkes der römischen Kirche realisiert. Es galt nicht nur Pippin. Es betraf auch nicht sein persönliches Wohlergehen, jedenfalls nicht allein. Es galt dem König, seiner Familie, und der gens Francorum. Es richtete sich auf den Sieg über die Feinde, die Erhaltung, Ausdehnung und stetige Erhöhung des Reiches, sowie um eine lange und glückliche Regierungszeit Pippins und seines Geschlechts. In der Antwort auf einen Brief Pippins heißt es: Unde domini Dei nostri una cum universo populo nobis commissio imploramus clementiam, ut sua vos protegat gratia et, victoriam vobis de celo ministrans, cunctas barbaras nationes vestris subiciat vestigiis et longeviter regni gubernacula faciat promereri una cum dulcissima vestra coniuge, excellentissima regina, spiritale nostra commatre, et vestris nostrisque amantissimis natis, domno Carolo et Carlomanno potentissimis regibus, et domna Gisila, idem excellentissima, et vitae eternae cum electis Dei concedat gaudia.94 Derartige Formulierungen wiederholen sich in verschiedenen Varianten.95 Das Gebet des Papstes, was letzten Endes heißt, des hl. Petrus als Fürsten der Apostel, dem die Schlüssel des Himmels anvertraut sind, war eine wichtige Stütze für das Reich und Pippins Königtum. Es war daher eine völlig adäquate Gegenleistung. Denn es war kein privates Gebet des Papstes. Es war öffentliches, liturgisches Gebet der Kirche während des Gottesdienstes vor und mit dem ganzen Volk, das der Papst immer wieder als Mitbetende nannte.96

f. Wechsel auf beiden Seiten 768 traten auf beiden Seiten Wechsel der Partner ein. In Franken folgten Karlmann und Karl ihrem Vater Pippin. In Rom folgte zunächst Konstantin II. und nach dessen Absetzung wegen unkanonischer Wahl Stephan III. Konstantin II. bat den fränkischen König caritatem et amicitiam, quam...cum predecessoribus nostris habuistis, mit ihm fortzusetzen.97 Er verwendet zwar statt pacis foedus den Begriff amicitia, aber auch dieser Begriff bezeichnet, wie noch vergleichend näher zu erläutern sein wird, eine vertragliche, vor allem gegenseitige Bindung, gleich ob nach päpstlicher oder nach fränkischer Vorstellung.98 94 95 96

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Codex Carolinus, Nr. 24., MGH Epp. III, S. 528, Z. 25ff. z. B. Codex Carolinus, Nr. 35, MGH Epp. III, S. 542, 543 a. E.; Nr. 36, ibid., 544, 547 a. E. Dazu Angenendt, Bündnis, S. 45ff., der allerdings die „geistlichen Gegengaben“ der Päpste auf die compaternitas bezieht. In den angeführten Texten der Briefe Pauls I. ist aber das Gebetsversprechen auf den Bund insgesamt bezogen. Angenendt zählt neben dem Gebet auch noch eine Fülle weiterer „geistlicher Gegengaben“ für die fränkischen Könige auf, Stiftungen von Lichtern in St. Peter, Wohltätigkeitsstiftungen u. a. Zum Gebet im Kriege unten S. 497ff. Codex Carolinus, Nr. 98, MGH Epp. III, S. 649, noch deutlicher werden die drei Elemente nebeneinandergestellt in dem Brief Nr. 99, ibid., S. 651f. Unten S. 675ff.

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Stephan III. stand vor denselben inneritalienischen Problemen wie seine beiden Vorgänger. Aber in Franken schien sich mit dem Herrscherwechsel 768 und einem karolingisch-langobardischen Heiratsprojekt zwischen einem der beiden jungen Könige und einer Tochter des Langobardenkönigs Desiderius erneut ein Wechsel in der fränkischen Politik anzukündigen, der nach Auffassung des Papstes gegebenenfalls zu einem Bruch des Bündnisses zwischen dem hl. Petrus, d. h. dem Apostolischen Stuhl und den Frankenkönigen hätte führen können. Um das Projekt und den erneuten renversement des alliances zu verhindern, mußte der Papst das Bündnis inhaltlich näher fassen.99 In seinem ausführlichen Mahnschreiben an die beiden neuen Könige Karl und Karlmann gegen das Heiratsprojekt hob der neue Papst mit einer ähnlichen Formulierung wie schon Paul I. ausdrücklich hervor, daß beide Seiten gegenseitig die sponsio abgegeben haben, Freund der Freunde und Feind der Feinde des anderen zu sein, ita vos beato Petro et praefato vicario eius vel eius successoribus spopondisse, se amicis nostris amicos esse et se inimicis inimicos; sicut et nos in eadem sponsione firmiter dinoscimur permanere. Et quomodo nunc contra animas vestras agere contenditis et cum nostris inimicis coniunctionem facere vultis, dum ipsa periura Langobardorum gens, semper ecclesiam Dei expugnantes et hanc nostram Romanorum provintiam invadentes, nostri esse conprobantur inimici?100 Damit ist der Kern des Verhältnisses der karolingischen Frankenkönige mit den Päpsten bezeichnet. Das Freundschaftsbündnis war mit dem hl. Petrus selbst abgeschlossen und galt daher gegenüber jedem Nachfolger von Stephan II. an.101 Der Papst betonte aber auch die Erneuerung der Versprechen der Könige ihm gegenüber nach dem Tode Pippins. Beide Könige hätten fides dicere, aber auch fidelitatem ... et oboedientiam ... et caritatem gegenüber dem Apostolischen Stuhl versprochen. Die sponsio der beiden Könige wird also sehr weit gefaßt. Das Versprechen deckt das gesamte Verhältnis zwischen Papst und Königen in jeder Hinsicht. Die Heirat würde einen Bruch der sponsio, der fides oder fidelitas, der caritas und dilectio, aber auch der oboedientia bedeuten. Wenn sie ihren Versprechen folgen wollten, müßten sie vielmehr dafür sorgen, daß die Langobarden, die Stephan III. als „unsere Feinde“ bezeichnet, das Eigentum der Kirche und der res publica zurückgeben. Der Begriff defensio oder ähnliche tauchen in diesem Brief allerdings nicht auf. In dem Protestbrief gegen die Heirat an Karl und Karlmann werden verschiedene Gründe gegen dieselbe geltend gemacht.102 Die Franken dürften sich nicht mit den Angehörigen einer fremden Nation geschlechtlich vereinigen. Das sei gegen Gottes Weisung und würde die reine fränkische Nation in Gefahr bringen, verschmutzt zu werden. Auch hätten die Vorfahren nie eine Fremde geheiratet, sondern stets aus der fränkischen gens ihre Ehegatten gewählt. Der Papst verweist zudem auf das erste fränkisch-byzantinische Heiratsprojekt. Ihr Vater Pippin habe nicht contra voluntatem apostolice sedis handeln wollen. 99 100 101 102

Dazu Classen, Karl der Große, S. 12 ff. Codex Carolinus, Nr. 45, MGH Epp. III, S. 562, Z. 3ff., dt. Anhang Nr. 10. Codex Carolinus, Nr. 45, MGH Epp. III, S. 560, 562 Z. 3 ff. Codex Carolinus, Nr. 45, MGH Epp. III, S. 560ff.

Karl der Große und Hadrian I.

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Des weiteren wird geltend gemacht, daß die Franken ein geheiligtes Volk seien und sie, die Könige, mit dem heiligen Öl durch den Stellvertreter des hl. Petrus gesalbt und so durch himmlischen Segen besonders geheiligt seien. Es wird also eine besondere religiös begründete Stellung hervorgehoben, die die beiden Könige bei ihren Handlungen gerade in diesem persönlichen wie öffentlichen Bereich mit erheblichen politischen Auswirkungen auch im Verhältnis zum Papsttum zu beachten haben. Im Anschluß erinnerte der Papst an die immer wieder erneuerten Versprechen Pippins, aber auch der beiden Adressaten selbst, Zusagen gegenüber seinen Vorgängern in Briefen und durch Gesandte, fidelitatem, oboedientiam und inlibatam caritatem gegenüber der hl. Kirche et omnium apostolicae sedis pontificum zu halten. Außerdem erinnert der Papst an das Versprechen, dafür zu sorgen, daß die Langobarden propria sanctae Dei ecclesiae Romane rei puplicae reddere. Diese hätten aber alle Versprechen nicht gehalten und hörten nicht auf nos cotidiae adfligendo et obprimendo. Die territorialen Zusagen und die „Garantenstellung“ für die Einhaltung der Zusagen Aistulfs und des Desiderius selbst verpflichten danach auch die beiden Söhne, die 754 in Quierzy bereits mit eingebunden waren, auch weiterhin. Ihre volle Realisierung sah Stephan III. durch den Allianzwechsel selbstverständlich gefährdet. Bemerkenswert ist, daß Stephan III. neben fidelitas auf oboedientia, also Gehorsam gegenüber der Kirche verweist. Diese ist geistlich begründet und geht über eine gleichgeordnete Bündnisverpflichtung weltlicher Art weit hinaus. Die Verwendung dieses Begriffs durch den Papst zeigt, daß die pater – filius Anrede zwischen Papst und König nicht nur formellen Charakter hat, sondern jedenfalls aus der Sicht des Papstes ein Element der geistlichen Unterordnung des Königs birgt. Weder mit Konstantin II. noch mit Stephan III. wurde eine Kompaternität begründet.

VI . Ka rl d e r Gr o ß e u n d H ad r i an I . a. 1. Besuch Karls in Rom Nach dem Antritt der Alleinherrschaft Karls 771 und der Wahl Hadrians I. 772 zum Papst hat es anscheinend zunächst keine engeren oder dichteren Kontakte gegeben. Anders als für Paul I. ist für den neuen Papst keine Wahlanzeige überliefert. Erst für 773 vermelden die Reichsannalen den Besuch eines Gesandten Hadrians I. in Diedenhofen, wo Karl überwinterte, der den König und die Franken bat, pro Dei servitio et iustitia sancte Petri seu solatio ecclesiae gegen Desiderius nach Italien zu kommen. Karl beriet sich wie Pippin 754 mit den Großen, et sumpto consilio der Bitte zu folgen, brach man nach einer Reichsversammlung in Genf in zwei Heeressäulen nach Pavia auf.103 Der junge fränkische König zog propter defensionem sanctae Dei Romanae ecclesiae nach Italien. Die Annalen berichten zwar weiter, er habe Ostern in Rom verbracht, aber nichts über das, was dort geschah. Maßgebend für den Zug, der anscheinend ohne große berichtenswerte Schwierigkeiten beschlossen wurde, war

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Ann. regni Franc. ad a. 773.

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wohl auch, daß Desiderius den Papst immer stärker bedrängte, die Söhne Karlmanns zu fränkischen Königen zu salben, die bei ihm mit ihrer Mutter Zuflucht gefunden hatten. Das hätte schwere Bedrängnisse für Karl und Unruhen im Frankenreich hervorgerufen. Hadrian I. verweigerte die Salbung, da er nicht a caritate et dilectione Caroli magnis regis getrennt werden wollte. 104 Auch die Vita Hadriani berichtet über dessen Beistandsersuchen von 773 gegen Desiderius.105 Dieser war danach in das Exarchat eingedrungen und hatte mehrere Städte seiner Herrschaft unterstellt; zudem war er in das engere Gebiet Roms eingefallen, hatte es verwüstet, Bewohner getötet und große Beute gemacht. Hadrian berief sich für seinen Hilferuf an Karl auf das Beispiel Pippins, seine, Hadrians, Weigerung, die Söhne Karlmanns zu salben und auf das, was er, Karl, mit seinem Vater und Bruder dem hl. Petrus versprochen habe, ut ea quae beato Petro ... pollicitus est adimplere et redemptionem sanctae Dei ecclesiae perficere, seu universa quae, abstula sunt a perfido Langobardorum rege, tam civitates et reliquas iustitias suo certamine reddere beato Petro principi apostolorum fecisset. Zwar wird der Begriff pacis feodera nicht benutzt. Aber Hadrian I. machte danach nicht, wie Stephan II. 755 die religiös-kirchliche Grundlage ihrer Verbindung, sondern das Versprechen Pippins und Karls selbst von 754, also die Rechtsbindung geltend. Dieses galt somit nach Hadrians Vorstellung nach wie vor. Das Liber berichtet, anders als die fränkischen Quellen, wiederum von zwei Gesandtschaften, die Karl nach Absprache mit Hadrian nach Pavia zu Desiderius entsandt habe, um eine friedliche Lösung des Konfliktes herbeizuführen. Aber sie hatten ebensowenig Erfolg wie Pippins Versuche gegenüber Aistulf zwanzig Jahre zuvor. Daher wurde auch gegen ihn der Krieg eröffnet. Die Vita berichtet zudem, die Spolettiner hätten sich von Desiderius lösen und dem Papst unterwerfen wollen. Dieser setzte als Herzog Liutprand ein. Et ita, Deo annuente, praedictum ducatum Spoletinum generaliter suo certamine isdem praecipius pontifex sub iure et potestate beati Petri subiugavit. Das gleiche geschah offenbar in Tuscien, wo sich einige langobardische Städte dem Papst unterwarfen.106 Hadrian dehnte also seinen Herrschafstbereich schon vor Karls Ankunft in Rom aus. Anders als die Reichsannalen stellt die Vita Hadriani sehr ausführlich die Vorgänge in Rom Ostern 774 dar. Der Besuch Karls schien zunächst Überraschung, wenn nicht gar Unruhe bei Hadrian ausgelöst zu haben.107 Als sich der König den Grenzen Roms am Ostersamstag näherte, wurde er von einer Delegation des Papstes 30 Meilen vor der Stadt empfangen.108 Diese 30 Meilen bezeichneten die Entfernung, in der der Exarch oder der patricius als Vertreter des Kaisers begrüßt wurde. Die erste Begegnung mit Hadrian I. selbst fand erst in St. Peter statt. Karl wohnte nicht in Rom selbst, schon gar nicht auf dem Palatin, dem Sitz des Exarchen. Er wurde diesem also nicht gleichgestellt. Hadrian I. war offenbar streng darauf bedacht, nicht die fränkische Oberho-

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Vita Hadriani, Liber Pontificalis I, S. 488; Classen, Karl der Große, S. 16f. Vita Hadriani, Liber Pontificalis I, S. 491 ff.; Ann.regni Franc. ad a. 773. Zu dem Besuch Classen, Karl der Große, S. 17 ff. Vita Hadriani, Liber Pontificalis I, S. 495 f. Fried, Weg, S. 249. Vita Hadriani, Liber Pontificalis I, S. 496 ff., auch zum weiteren Verlauf des Empfangs.

Karl der Große und Hadrian I.

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heit an die Stelle der alten byzantinischen treten zu lassen, von der er sich entschieden löste. Der Papst ehrte den patricius Romanorum. Aber dieser Titel reichte keineswegs aus, um ihm Rechte in der oder gar auf die Stadt zu verleihen. Zwei Vorgänge während des Besuches bestimmten die weitere rechtliche Struktur des Verhältnisses Hadrians I. und Karls: Der Austausch von Sicherheitseiden am Grab des hl. Petrus unmittelbar nach der Ankunft des Königs und die Erneuerung der Pippinschen promissio donationis durch diesen am Ostermittwoch. Bestimmt war dieser Aufenthalt auch durch gemeinsame Gottesdienste der Osterfesttage in den entsprechenden römischen Kirchen, in denen auch die Königslaudes zu Ehren Karls, also eine religiös – liturgische Ehrung und Erhöhung des Königs gesungen wurden. Die Eide wurden gegenseitig geleistet. Ihr Inhalt wird aber nicht wiedergegeben. Et descendentes pariter ad corpus beati Petri tam ipse sanctissimus papa quamque antefatus excellentissimus Francorum rex cum iudicibus Romanorum et Francorum, seseque mutuo per sacramentum munientes, ingressus est continuo Romam cum eodem pontifice ipse Francorum rex cum suis iudicibus et populo. Die Eide hatten wohl einen doppelten Inhalt. Zum einen werden darin „Sicherheitseide“gesehen, also das eidliche Versprechen, während des Besuches Frieden zu halten und sich gegenseitig Sicherheit vor Angriffen oder Übergriffen etc. zuzusichern. Karl sagte wohl vor allem zu, die Stadt nicht in seine Gewalt zu bringen. Erst nach dem Austausch der Eide durfte Karl zum Gebet in die Stadt. Außerdem werden diese Eide als Bestätigungen und Bekräftigungen des älteren Bündnisses zwischen dem hl. Petrus und den Frankenherrschern verstanden.109 Eine Bezugnahme darauf findet sich im Text jedoch nicht. Die Bestätigung der donationis promissio seines Vaters folgte, zeitlich deutlich von diesen Eiden getrennt, in höchst feierlicher Form am Ostermittwoch, quarta feria, in St. Peter.110 Karl entsprach damit einer dringenden und mehrfachen Bitte Hadrians. Ob er einer Verpflichtung aus dem Vertrag vom Ostersamstag nachkam, muß zunächst offen bleiben. Die Vita stellt den Vorgang in zwei Schritten dar. Karl der Große ließ sich zunächst das Versprechen, promissionem illam, das Pippin und Karl selbst zusammen mit seinem Bruder Karlmann und allen fränkischen Großen unterzeichnet hatten, vorlegen und vorlesen, bei dem es sich wohl um das genannte cyrographum gehandelt hat.111 Danach befahl er nach diesem Vorbild, ad instar, eine neue promissio donationis durch seinen Capellanus und Notar Etherius, d. h. durch seinen obersten Rechtsbeamten, auszustellen, die der König mit eigener Hand unterschrieb, propria sua manu eam ipse christianissimus Francorum rex eam corroborans. Auch alle anwesenden fränkischen Bischöfe, Äbte, Führer (duces) unterschrieben sie. In dem päpstlichen Bericht folgt die Beschreibung der Grenzlinie quer durch Italien sowie der versprochenen Gebiete. Ein Exemplar wurde auf dem Altar der confessio hinterlegt, eines unter das Evangeliar auf dem Petrusgrab und ein drittes, nun aber vom päpstlichen scrinium geschriebenes Exemplar erhielt Karl. Die Erneuerung der donatio durch Karl erscheint in der Vita als ein einseitiger Akt des fränkischen Königs, dem kein entsprechender Akt des Papstes gegenübersteht. 109 110 111

Classen, Karl der Große, S. 18; Drabeck, Verträge, S. 23. Zum Inhalt i. e. unten S. 191f. Vita Hadriani I., Liber Pontificalis, I, S. 497.

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Die Geschichtswissenschaft versucht, den Inhalt der Urkunde von 754 aus der Beschreibung der donatio Karls des Großen in Rom 774 zu rekonstruieren. Das erscheint jedoch vor allem wegen des sehr weiten territorialen Umfanges der promissio Karls, der nicht nur das Exarchat sondern auch noch byzantinische Gebiete wie Venedig und Istrien sowie langobardische Gebiete umfaßt, zweifelhaft.112 Im weiteren Verlauf ihrer Beziehungen mußte aber auch Hadrian I. mehrfach bei Karl dem Großen die Erfüllung seines Versprechens von 774 anmahnen. In einem Brief hielt er dem König das Verhalten Konstantins entgegen, et sicut temporibus beati Silvestri Romani pontificis a sanctae recordationis piissimo Constantino, magno imperatore, per eius largitatem sancta Dei ecclesia catholica et apostolica Romana elevata atque exalta est et potestatem in his Hesperiae partibus largire digantus est, ita ... .113 Es könnte sich dabei um eine Anspielung auf das Constitutum Constantinum handeln, das um diese Zeit entstanden ist. Das ist jedoch in der Literatur umstritten.114

b. Fortgang Die Verbindung Karls und Hadrians I. gestaltete sich in dessen 23jährigem Pontifikat besonders eng. Der Codex Carolinus enthält 49 Briefe des Papstes, die bis auf zwei alle an Karl den Großen gerichtet sind. Hadrian I. hatte außer der Rückforderung oder Forderung nach Übergabe der versprochenen Gebiete verschiedene Anlässe, Beschwerden über den Erzbischof von Ravenna, der sich nicht in die Unterordnung unter den Papst begeben wollte;115 Bitten an den König, nach Rom zu kommen;116 Austausch von Nachrichten; Antworten auf Briefe oder Botschaften Karls;117 Warnungen vor den langobardischen Aktionen gegen Franken und Papst;118 Beschwerden über Kontakte fränkischer Botschafter mit Spoleto und Benevent am Papst vorbei, was wohl Argwohn hervorrief;119 die Meldung vom Tod des Kaisers Konstantin V., der eine entscheidende Wende im Bilderstreit und in den Beziehungen zu Byzanz ermöglichte;120 immer wieder Meldungen über feindliche Aktionen der Griechen, wie die Bewegungen von Schiffen, deren Besatzungen Sklaven an den Küsten einfingen, z. T. mit

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Drabek, Verträge S. 24 ff, sie erklärt auf S. 25 ausdrücklich, es gäbe keinen Grund „den Wert dieser zeitgenössischen Quelle in Frage zustellen.“ Codex Carolinus, Nr. 60, MGH Epp. III, S. 586ff., S. 587, Z. 9ff. Fuhrmann, Papsttum, S. 281ff. Codex Carolinus, Nr. 49, Nr. 54, MGH Epp. III, S. 568; S. 577. Codex Carolinus, Nr. 51, MGH Epp. III, S. 572; Nr. 52; ibid., S. 574; Nr. 56, ibid., S. 581. Codex Carolinus, Nr. 52, MGH Epp. III, S. 573. Codex Carolinus, Nr. 54, MGH Epp. III, S. 576, (vor dem Aufstand des Hrodgaud); in diesem Brief bezeichnet er Karl als defensor und protector; Nr. 57, ibid. S. 582. Codex Carolinus, Nr. 56, MGH Epp. III, S. 581; als Einleitung dazu beruft sich Hadrian auf das vinculum caritatis, die dilectionis concordia und alternum amicitiae amorem. Das Verhalten der Gesandten widerspricht nach Auffassung Hadrians wohl dieser Verbindung. Codex Carolinus, Nr. 58, MGH Epp. III, S. 583.

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Hilfe von Langobarden, gegen die er, der Papst, versucht hat, vorzugehen;121 oder echte Angriffe gegen das päpstliche Territorium;122 die Bitte, den neugeborenen Sohn Karls, Pippin, in Rom durch den Papst am Osterfest 778 taufen zu lassen, um so eine compaternitas zu begründen;123 die Übersendung von Reliquien;124 Fragen des Klosterlebens.125 Sie umfaßten also Anliegen der religiös-kirchlichen wie der weltlichen Sphäre der Beziehungen. Allerdings hatte der Papst mit seinen immer wieder wiederholten Bitten um die Übergabe der versprochenen Gebiete nur begrenzten Erfolg. Karl erfüllte das Versprechen nie vollständig. Nach der Übernahme des Langobardenreiches unter seine eigene Herrschaft war er von einigen der Territorialforderungen unmittelbar selbst betroffen. Das stärkte wohl die Zurückhaltung, sein neu gewonnenes Herrschaftsgebiet zugunsten des päpstlichen Gebietes zu verkleinern.

c. 2. Besuch Karls in Rom Der 2. Besuch im Jahr 781 war zum einen durch die Taufe Pippins sowie die Salbung und Krönung der Söhne Pippin und Ludwig zu Königen von Italien bzw. Aquitanien durch den Papst geprägt.126 Durch diese Taufe wurde die compaternitas zwischen Hadrian I. und Karl dem Großen begründet. Die Anrede in den Briefen wurde um spiritalis compater erweitert. Mit der Salbung und Krönung der beiden jüngeren Söhne wurde die Dynastie noch einmal gefestigt und gestärkt, von besonderer Bedeutung wohl für Italien. Es läßt sich den Quellen nicht entnehmen, ob die beiden Söhne vorher von Karl zu Königen erhoben und dies von den Großen bestätigt wurde. Der älteste Sohn Karl erhielt kein Unterkönigreich und damit auch keine eigene Erhöhung und Salbung. Er war wohl für die Nachfolge des Vaters vorgesehen. Es wurden zum anderen territoriale Fragen geregelt. Hadrian I. verzichtete auf Terracina, Tuszien und die Oberhoheit über Spoletto. Er erhielt die Sabina und, eventuell

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Codex Carolinus, Nr. 59, MGH Epp. III, S. 584f.; eingeleitet wird dieser Brief, der keine direkte Bitte um Hilfe enthält, mit der Versicherung des Gebetes des Papstes zusammen mit den Bischöfen, Priestern, Klerikern, dem Senat und dem ganzen Volk, daß Gott vobis indesinenter victorias tribuat et vestrum dilatet regnum ad exaltationem spiritalis matris vestrae, sanctae Dei Romane ecclesiae, et salutem populi nobis a Deo commissi, quia vestra exaltatio nostra est letitia verbunden mit dem Vertrauen in vestro fortissimo regno. Übrigens hatte Hadrian I. die griechischen Schiffe im päpstlichen Hafen von Ceutum cellensium festhalten und die Bemannung ins Gefängnis werfen lassen. Codex Carolinus, Nr. 64, MGH Epp. III, S. 591. Codex Carolinus, Nr. 60, MGH Epp. III, S. 586; hier wird um Hilfe gebeten. Codex Carolinus, Nr. 65, MGH Epp. III, S. 593. Codex Carolinus, Nr. 66, 67, MGH Epp. III, S. 594ff. Es gibt dafür keine Schilderung in der Vita Hadriani, die nach 774 nur noch über Kirchenbauten durch den Papst etc. berichtet. Es ist daher nicht festzustellen, ob Karl dieses Mal in der Stadt übernachtet oder wieder bei St. Peter Quartier genommen hat. Zum Besuch Ann. regni Franc. ad. a. 781; dazu insbesondere Classen, Karl der Große, S. 28ff., mit weiteren Verweisen.

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aber erst 787, die südliche Toskana mit Viterbo, Soana, Grossetto, Rosella und Populonia.127 Damit war der Kirchenstaat festgelegt. Bei diesem Besuch wurde aber nicht nur das bilaterale Verhältnis weiterentwickelt. Hadrian I. vermittelte zwischen Karl und Tassilo.128 Er führte damit die zukunftsträchtige Aufgabe der Päpste weiter, die bereits andere Päpste vor ihm wahrgenommen hatten, auf Grund ihrer geistlichen Stellung in der europäischen Ordnung zwischen verfeindeten Herrschern zu vermitteln. Die von Karl auf dieser zweiten Romfahrt geschlossene Verlobung seiner Tochter Rotrud mit dem jungen Kaiser Konstantin VI. bedeutete zwar für Hadrian I., daß Pläne gegen Süditalien nicht mehr durchführbar waren. Aber es führte auch zum Frieden für den „Kirchenstaat“, der über Jahre nicht mehr von den Griechen gefährdet war. Da damit die territorialen Fragen, jedenfalls weitgehend, geregelt waren, traten in den Briefen Hadrians I. an Karl die kirchlichen Angelegenheiten mehr und mehr in den Vordergrund. Mehrmals schreibt er aber auch wegen der Bekehrung der Sachsen.129

d. 3. Besuch Karls in Rom Karl fuhr nach dem Bericht der Reichsannalen 787 nach Rom „zum Gebet“, aber auch, um die italischen Angelegenheiten zu ordnen.130 Bilaterale Angelegenheiten werden nicht erwähnt. Karl versuchte, Benevent zu unterwerfen. Aber es gelang nur halb. Auch das war Hadrian I. nicht ganz recht, da er diesen Raum nach wie vor für seine Oberherrschaft reklamierte. Ihm wurde nur ein kleiner Grenzstreifen des Herzogtums übertragen. Die erhoffte Größe hatte er nicht, aber der Papst erhielt eine feste politisch-herrschaftliche Grundlage.131 Grundlegende Bedeutung hatte auch für Hadrian die Aufgabe des Heiratsprojekts zwischen Rotrud und Konstantin.132 Denn damit endete auch ein möglicherweise eingegangenes griechisch-fränkisches Bündnis. Die Auseinandersetzung des Papsttums mit den Griechen in Süditalien begann erneut. Nicht von ungefähr setzte jetzt die Zählung der Jahre durch Hadrian I. nach Christi Geburt an Stelle der Zählung nach Kaiserjahren ein.133

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Ewig, Zeitalter, S. 70. Ann. regni Franc ad a. 781. Codex Carolinus, Nr. 76 und 77, MGH, Epp. III, S. 607 ff. Ann. regni Franc. ad. a 786 und 787 ; die Ann. q. d. Einhardi ad a. 786, sind einseitig deutlicher: Rex pace undique parta statuit proficisci et partem Italiae, quae nunc Beneventus vocatur, adgredi conveniens esse arbitratus, ut illius regni residuam portionem suae potestati subiceret, cuius caput in capto Desiderio rege maioremque partem in Langobardia iam subacta tenebat. Classen, Karl der Große, S. 29, hält eine Verzichtsurkunde Hadrians für möglich; ausführlich zu den territorialen Regelungen 781 und 787 Noble, Republic, S. 153ff. Ob wegen Karl oder Eirene ist, wie dargelegt, strittig, oben S. 118ff. Classen, Karl der Große, datiert auf 781/82, allerdings nach einer quellenlosen Pause.

Karl der Große und Hadrian I.

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e. Dogmatische Fragen Nach dem dritten Besuch traten dogmatische Fragen in den Vordergrund der Beziehungen zwischen dem Papst und dem fränkischen König. Besondere Bedeutung hatte der Konflikt mit Byzanz um den Bilderkult. Andere dogmatische Fragen, vor allem der in Spanien vertretene Adoptianismus des Erzbischofs Elipandus von Toledo traten hinzu. Gemäß seinem grundlegenden Herrschaftsverständnis wandte sich Karl in dieser Periode anscheinend trotz der fortdauernden Auseinandersetzungen mit den Sachsen und auch mit den Awaren verstärkt inneren religiös-kirchlichen Problemen zu. Die Beilegung des Bilderstreites durch das Zweite Konzil von Nicaea von 787 beruhigte zwar das Verhältnis zwischen dem Kaiser und dem Papst. Aber sie löste nicht nur Spannungen zwischen Karl und Konstantin VI., sondern auch zwischen Karl und Hadrian I. aus, da dieser die Beschlüsse bestätigt und sie in lateinischer Übersetzung dem König übermittelt hatte, damit sie auch in der fränkischen Kirche angewandt werden konnten. Die Libri Carolini wandten sich jedoch nicht nur gegen die Form der kaiserlichen Verlautbarungen, sondern auch in der Sache gegen die Beschlüsse von Nicaea II, obwohl sie Hadrians Zustimmung gefunden hatten. Die Frankfurter Synode fand sogar nach Absprache und unter Billigung des Papstes statt, der wie nach Nicaea zwei Legaten entsandte.134 Die Einberufung ging jedoch vom fränkischen König aus. Bischöfe aus allen westlichen Ländern, aber anscheinend nicht, wie 767 in Gentilly, aus dem byzantinischen Reich, waren anwesend. Karl führte den Vorsitz, anders als in Nicaea, wo er den beiden päpstlichen Legaten zugestanden worden war, und griff in die Diskussionen ein. Er nahm also eine ähnliche Stellung ein, wie die oströmischen Kaiser in Nicaea. Inhaltlich wurden neben der Bilderfrage der Adoptianismus und die processio des Heiligen Geistes im Glaubenbekenntnis behandelt. Der in Spanien entstandene Adoptianismus betraf nur die westliche Kirche. Hingegen gingen die Fragen des Bilderkultes und der processio des Heiligen Geistes die ganze Kirche an. Anders als in der Bilderfrage stimmten Papst und König in den beiden anderen dogmatischen Fragen überein. Der Adoptianismus wurde einhellig als häretisch verurteilt. Die processio-Formel wurde gebilligt. Aber auch die adoratio der Bilder wurde mit Zustimmung der päpstlichen Legaten als Häresie verurteilt.135 Zwar bestätigte Hadrian I., dem die Akten der Synode zur Bestätigung übersandt wurden, auch diese Beschlüsse. Jedoch ist zweifelhaft, ob der Papst damit die Beschlüsse von Nicaea II nachträglich verwarf. Er versuchte wohl noch, die Balance zwischen Byzanz und Aachen zu halten, so daß keine größeren oder

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Fleckenstein, Karl der Große und seine Hofgelehrten, S. 41 ff. Zu dem Konzil und seinen verschiedenen Aspekten die Aufsätze in: Berndt, Frankfurter Konzil, 2 Bde. Die Beschlüsse des Konzils vom Juni 794, MGH LL III Conc., II/1. Nr. 19, S. 110ff, S. 165. Die Beschlüsse betrafen aber auch noch innere fränkische Angelegenheiten, z. B. der Kirchenordnung.

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schwerwiegenderen Friktionen im Verhältnis zwischen dem Papst und dem fränkischen König die Folge waren.136 Aber er rückte doch Karl näher.137 Am Ende des Pontifikats Hadrians I., der 795 starb, hatte dieser zwar in weltlichen Dingen auch formell eine von Byzanz unabhängige Stellung erlangt, ein eigenes gefestigtes Herrschaftsgebiet erworben und so auch politisch die eigene Machtbasis für das Papsttum gestärkt. Eine neue formelle Abhängigkeit von den Franken war hingegen vermieden worden. Das bestehende Bündnis beruhte äußerlich auf Gleichheit und Gegenseitigkeit. Der Papst war also auch in weltlichen Dingen sein eigener Herr, eine eigenständige, unabhängige weltliche Macht. Aber inhaltlich-tatsächlich war das Verhältnis doch zugunsten Karls des Großen verschoben worden.138 Zwar konnte sich Hadrian I. gegen Angriffe von außen wehren, aber nur bis zu einem gewissen Grade. Er blieb vom fränkischen Schutz abhängig. Eine eigene Politik gegenüber Byzanz war selbst im religiös-dogmatischen Bereich kaum möglich. Andererseits sind von Hadrian I. sehr viele Beiträge zur inneren Kirchenreform im fränkischen Reich beigesteuert worden. Auch war die Verläßlichkeit der Unterstützung des Königs durch den Papst eine wesentliche Grundlage für dessen Erfolge in Italien, auch gegenüber Byzanz. Karl bezeichnete ihn nach seinem Tode ausdrücklich als delictessimus pater und fidelissimus amicus.139

V II . Ka rl d er Gr o ß e u n d L eo I I I . a. Bestätigung des pactum Leo III., 796 als Nachfolger Hadrians gewählt, hatte Karl durch Gesandte seine Wahl und die Versicherung seiner fidelitas angezeigt. Sie war verbunden cum muneribus und den claves ... confessionis sancti Petri et vexillium Romanae urbis.140 Dieser antwortete ausführlich und übersandte ihm die ursprünglich für Hadrian bestimmten Geschenke. Er erneuerte das Bündnis Sicut enim cum beatissimo patre praedecessore vestro, sanctae paternitatis pactum inii, sic cum beatitudine vestra eiusdem fidei et caritatis inviolabile foedus statuere desidero.141 Diese Stelle ist in mehrfacher Hinsicht für das Verständnis des Bündnisses zwischen den Päpsten und den karolingischen Herrschern seit Ponthion von Bedeutung. Denn Karl beschrieb den Inhalt des foedus näher Nostrum est: secundum auxilium divinae pietatis sanctam undique Christi ecclesiam ab incursu paganorum et ab infidelium devastatione armis defendere foris, et intus catholicae fidei agnitione munire. Vestrum est, sanctissime pater: elevatis ad Deum cum Moyse mani136

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Classen, Karl der Große, S. 35, weist darauf hin, daß Hadrians Briefe an Karl aus dieser Zeit keinen Hinweis auf die Verhandlungen mit dem Kaiserhof über die Beendigung des Bilderstreites enthalten; Hefele, Conciliengeschichte, Bd. 3, S. 228ff. So Fleckenstein, Karl der Große und seine Hofgelehrten, S. 45; Auzépy, Francfort et Nicée II, S. 299. Ähnlich Classen, Karl der Große, S. 39. Gratulationsschreiben an Leo III., Alcuini epp., Nr. 93, MGH Epp. IV, S. 136. Ann. regni Franc. ad. a. 796. Alcuini epp., Nr. 93, MGH Epp. IV, S. 136.

Karl der Große und Leo III.

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bus nostram adiuvare militiam, quatenus vobis intercedente Deo ductore et datore populus christianus super inimicos sui sancti nominis ubique semper habeat victoriam, et nomen domini nostri Jesu Christi toto clarificetur in orbe. Diese Äußerung stellt die gegenseitigen korrespondierenden Pflichten der Verteidigung und des Fürbittgebetes deutlich heraus. Darüber hinaus enthält sie eine zentrale Aussage über Karls Verständnis seiner Rolle für und in der Kirche und das eigentliche Ziel eines Krieges und Sieges. Diese normativ sehr genau formulierte Darstellung des Bündnisses zwischen Papst und fränkischem König ist zwar ausdrücklich nur auf ein pactum mit Hadrian I. rückbezogen. Es könnten damit die Eide am Karsamstag an der confessio von St. Peter gemeint sein. Denn von der donatio vom Ostermittwoch ist in dem Brief keine Rede. Aber es darf wohl bis Ponthion zurückgedacht werden. Schließlich war Karl selbst, wenn auch noch als Knabe, an den Vorgängen dort persönlich beteiligt. Die defensio der Kirche umfaßt nunmehr alles, was seitens des Königs geschehen kann, um die Kirche vor jeder Anfechtung zu schützen, komme sie von außen oder von innen. Karl bekräftigte damit noch einmal nachdrücklich sein Vorgehen in den beiden Glaubensstreitfragen, dem Bilderstreit und dem Adoptianismus zur Zeit Hadrians als Teil eben dieser Aufgabe der defensio sanctae Dei ecclesiae. Sie bezieht sich aber auch auf den Papst persönlich, wie die Ereignisse des Jahres 799 zeigen werden. Ob es sich um eine Erneuerung oder nur um eine Bestätigung des grundsätzlich mit dem hl. Petrus geschlossenen Bündnisses für den neuen Nachfolger handelt, kann zunächst offen bleiben. Dieser Brief, der inhaltlich in engem Zusammenhang mit dem eingangs zitierten, fast gleichzeitigen Brief Karls an König Offa von Mercien steht und wie dieser von Alcuin formuliert sein dürfte, enthält Karls Auffassung des Verhältnisses in seiner zentralen Struktur, bringt es „auf den Punkt“. Für eine Einseitigkeit eines Verteidigungsversprechens neben dem hier benannten Verhältnis findet sich kein Hinweis. Vielmehr ist die Gegenseitigkeit des Verhältnisses sehr eindeutig formuliert. Es wird ausdrücklich nicht nur von einem pactum, sondern von einem fidei et caritatis inviolabile foedus gesprochen. Caritas aber korrespondiert mit amicitia wie mit foedus, wie sich u. a. aus dem genannten Brief an Offa ergibt. Das Verteidigungsversprechen der Frankenkönige ist Bestandteil des pactum, des foedus oder der amicitia. Die korrespondierende Leistung der Päpste ist das Gebet. Fritze hat die Frage gestellt, ob das von Karl „erwünschte“ oder „erstrebte“ Bündnis auch zustande gekommen sei.142 Eindeutige Aussagen fehlten. Aber es gäbe doch Hinweise, daß dies der Fall sei. Es erscheint jedoch bereits fraglich, ob Karl das Bündnis allein von sich aus als erster erstrebt oder angeboten hat. Denn sein Brief ist die Antwort auf die Wahlanzeige Leos III. Es ist daher nicht auszuschließen, daß dieser, wie schon vor ihm Paul I. und der Gegenpapst Konstantin II.,143 um Fortsetzung des Bündnisses gebeten hatte, wenn auch Karl der Große eine solche Aufforderung nicht ausdrücklich erwähnt. Zwar enthält das möglicherweise dem Papst zugeschriebene „Wahldekret“ nichts, aber begleitende Briefe könnten eine derartige Bitte enthalten haben.144 Zum anderen, wie erklärt 142 143 144

Fritze, Papst, S. 46ff. Codex Carolinus, Nr. 98, MGH Epp. III, S. 649. Zu der Zuschreibung dieses Wahldekrets Classen, Karl der Große, S. 42.

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Beziehungen zum Papsttum

sich, daß sich Leo III. in seinen Auseinandersetzungen mit inneren Gegnern an den König um Hilfe wandte, wenn nicht ein entsprechendes Bündnis bestand und dieser Vorgang wie selbstverständlich berichtet wird? Von den territorialen Zusagen oder Fragen ist in der Regierungszeit Karls des Großen keine Rede mehr, auch nicht seitens Leos III. Sie scheinen mehr oder weniger erledigt zu sein. Zwar hatte Karl keineswegs die donatio von 774 in vollem dort beschriebenen Umfange erfüllt. Aber er hatte noch einiges zu den bis dahin erfolgten Übertragungen der Aistulf 755/56 und Desiderius 774 abgenommenen Gebiete hinzugegeben. Andere Probleme schienen wichtiger. Eine Kompaternität wurde zwischen Leo III. und Karl nicht begründet. Es gibt auch danach keine mehr zwischen Frankenherrschern und Päpsten.

b. Leo III. in Paderborn Leo III. war 799 einem inner-römischen Aufstand zum Opfer gefallen.145 Er flüchtete sich zu den fränkischen Gesandten, die sich bei St. Peter aufhielten. Über Spoletto reiste er, geleitet von Gesandten, die Karl ihm zugesandt hatte, nach Paderborn zum Frankenkönig. Dort suchte er offensichtlich um Hilfe gegen seine Widersacher nach. Diese entsandten ihrerseits ebenfalls Boten an Karl, um ihre Anklagen gegen Leo vorzutragen. Der König wurde also von beiden Seiten als Vermittler, wenn nicht gar als Richter angesehen. Ob diese Aufgabe oder Zuständigkeit dem patricius Romanorum zustand, war jedoch zweifelhaft.146 Karl traf auch zu diesem Zeitpunkt noch keine Entscheidungen. Der Papst, der mit allen Ehren empfangen und angehört worden war, wurde danach von fränkischen Gesandten nach Rom zurückbegleitet.147 Die Gesandten Karls untersuchten dann jedoch die Angelegenheit vor Ort, zogen also Hoheitsrechte an sich, die früher vom Kaiser bzw. dem Exarchen wahrgenommen worden waren. Eine Rechtsbasis ist dafür schwerlich auszumachen. Zwar führte der fränkische König den Titel eines patricius Romanorum. Aber ein oströmischer patricius hatte, anders als der Exarch, derartige Zuständigkeiten wohl nicht. Sollte sie ein „päpstlicher“ patricius haben? Dafür gibt es keine Hinweise: Es stellte sich aber für den fränkischen König die Frage, ob er selbst nach Rom ziehen sollte, um die Ordnung wieder herzustellen. Alcuin drängte in mehreren Briefen.148 War das eine Vorwegnahme kaiserlicher Rechte? Heute wird angenommen, daß in Paderborn auch bereits über die Kaisererhebung verhandelt worden sein könnte. Es läßt sich nicht beweisen. Zwar wird das Preisepos auf Karl und Leo III. heute überwiegend nach 800 datiert. Aber 145

146 147

148

Vita Leonis, Liber pontificalis II, S. 4ff.; Ann. regni Franc. ad a. 799; angeblich sollen dem Papst die Augen ausgestochen und die Zunge herausgerissen worden sein, die dann auf wundersame Weise wiederhergestellt wurden. Zu den Darstellungen der Ereignisse in den Quellen, Becher, Karl der Große und Papst Leo III., passim. Kritische Auseinandersetzung mit den Quellen Fried, Papst Leo III., passim. Kritisch aus byzantinistischer gegen die mediävistische Sicht Chrysos, Ereignis, S. 7 ff. Zu den Ereignissen in Paderborn die Aufsätze von Henry Mayr-Harting, Evangelos Chrysos, Klaus Herbers, Achim Thomas Hack, in Stiegemann (Hg.), Kunst und Kultur, Beiträge S. 2–33. Alcuini epp., Nr. 177, MGH Epp. IV, S. 292; Nr. 178, ibid. S. 294.

Karl der Große und Leo III.

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anderserseits wies Alcuin in diesem Jahr auf die herausgehobene, ja einzigartige Stellung Karls hin.149 Jedenfalls begann sich die weltliche Stellung des Königs zum Papsttum zu wandeln.

c. 4. Besuch Karls in Rom Karl unternahm schließlich den vierten Romzug, von dem er als Kaiser zurückkehren sollte. Dieses mal kam ihm der Papst selbst 12 Meilen vor der Stadt entgegen. Schon damit war eine Vorbedeutung auf die kaiserliche Stellung Karls gegeben. Aber auch jetzt nahm Karl wohl wieder bei St. Peter Wohnung. Es gab eine erneute Untersuchung der Vorwürfe gegen Leo III., der sich nach fränkischem, nicht nach römischen Recht durch einen Eid am 23. Dezember 800 von allen Vorwürfen in der Basilika von St. Peter reinigte.150 Ein Prozeß wurde gegen Leo III. nicht geführt, weil das gegen einen Papst nicht zulässig erschien: apostolicam sedem iudiciariam esse, non iudicandam.151 Am 25. Dezember 800 folgte dann die Kaisererhebung durch Leo III. Einige Tage später hielt der neue Kaiser Gericht über die Widersacher des Papstes und verurteilte sie als Majestätsverbrecher. Karl wurde damit als höchster Gerichtsherr in Rom tätig. Das war bis dahin nicht der Fall. Hadrian I. hatte Paulus Arifatus noch nach Konstantinopel geschickt bzw. schicken wollen. Mit Karls Richtertätigkeit wurde eine Schutzhoheit über Rom deutlich. In byzantinischen Augen war das wohl eine Usurpation.152 Aber der oströmische Kaiser hatte seinerseits den notwendigen Schutz Roms und des Papstes schon seit Beginn des 8. Jahrhunderts nicht garantieren können. Karl blieb zunächst fünf Monate in Rom, ordnete dort die Angelegenheiten der Stadt, nahm auch sonst Regierungsgeschäfte wahr. Auch wurden die Papsturkunden fortan nach seinen Regierungsjahren datiert und sein Name und Titel erschienen auf den Münzen. Jedoch gab es nach Karls Abreise im Frühjahr 801 keinen kaiserlichen Statthalter oder ständigen Vertreter. Auch hat sein Sohn Pippin als König von Italien wohl keine Rechte gegenüber dem Papst erhalten.

d. Fortgang Im Winter 804 kam der Papst ins Frankenreich. In Quierzy, dem Ort des ersten Vertrages zwischen einem Papst und einem karolingischen König, wurde das Weihnachtsfest gefeiert. Die Ortswahl könnte ihre eigene Bedeutung haben. Danach zogen Kaiser und Papst nach Aachen.153 Warum Leo III. zum Kaiser reiste, ist unbekannt. Vermutet wird, er habe die Bestätigung des Constitutum Constantini durch Karl erlangen wol149 150 151 152 153

Alcuini epp., Nr. 174, MGH Epp. IV, S. 287, dt. Anhang 13. Epp. Leonis III. Papae, Nr. 6, MGH Epp. V, S. 63f.; Vita Leonis, Liber pontificalis II, S. 7. Alcuni epp., Nr. 179, MGH Epp. IV, S. 297, Z. 24. Chyros, Ereignis, S.10 f. Ann. regni Franc. ad. a. 804; Classen, Karl der Große, S. 88, deutet diesen Ablauf dahin, daß Karl habe verhindern wollen, daß der Papst in Aachen feierlich auftrete: „Der römische Ursprung in Karls Kaisertum wurde weiter in den Hintergrund gedrängt“.

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Beziehungen zum Papsttum

len, der diese aber verweigert habe.154 Wenn das so gewesen ist, könnte das bedeuten, daß der neue Kaiser die dem Papsttum in dem Constitutum behauptete völlige Unabhängigkeit vom Kaiser nicht habe einräumen wollen. Aber die Bestätigung des Constitutum hätte auch bedeutet, daß erhebliche weitere Teile Italiens, die zum Königreich Italien gehörten, dem Papst hätten übertragen werden müssen. Dies hatte, wie erwähnt, Karl aber schon Hadrian I. gegenüber abgelehnt. In späteren Jahren wirkte der Papst seinerseits bei zwei wichtigen Reichsakten mit. Er bestätigte die Divisio regnorum von 806155 und ebenso den Text des Friedensvertrages zwischen Karl dem Großen und dem oströmischen Kaiser Michael von 812.156 Das Verhältnis zwischen dem Papsttum und Karl hatte sich im Laufe seiner Herrschaft nicht unerheblich gewandelt. Zwar gehörte Rom nach der Kaisererhebung nicht zum unmittelbaren Herrschaftsbereich des Kaisers. Der Papst wahrte eine innere Selbständigkeit. Gerade dafür hatten die Sicherung des Dukats und die Übertragung weiterer Herrschaftsgebiete durch Karl 774 und 781 gesorgt. Die Päpste übten darin eigene, nicht vom Kaiser übertragene oder gar abgeleitete Herrschaft aus. Der „Kirchenstaat“ wurde nicht zur Untereinheit im Herrschaftsbereich der Karolinger, wie es die beiden Unterkönigreiche Aquitanien und Italien waren. Aber Karls kaiserliche Rechte reichten in die inneren Angelegenheiten des Papsttums selbst hinein. Von einer außenpolitischen Handlungsfähigkeit kann wohl auch nicht mehr gesprochen werden. Karl beschränkte sich jedoch noch auf das Richteramt. Seine Nachfolger gingen weiter.

V III. L u d wi g d er F ro m me u n d L o th ar I . u n d d as P ap s ttu m a. Der Beginn Nach dem Herrscherwechsel im Frankenreich von 814 wird weder in fränkischen noch in päpstlichen Quellen von einer Bestätigung oder Erneuerung der älteren Rechtserklärungen durch Ludwig den Frommen gegenüber Leo III., der noch bis 816 regierte, oder von einem Gesandtenaustausch berichtet, so daß sich nicht feststellen läßt, ob bereits zum Herrschaftsantritt Ludwigs eine Bestätigung oder Erneuerung des alten foedus stattgefunden hat. Jedoch hatte Ludwig, als er die Nachfolge seines Vaters antrat, von Anbeginn die kaiserlichen Rechte inne, wie sein Vater sie hatte, die insbesondere im Verhältnis zu Rom und zum Papst Bedeutung hatten. Das wirkte sich alsbald aus. Ludwig wurde noch 815 in einem erneuten internen römischen Konflikt um Leo III. tätig. Er ordnete eine Untersuchung in Rom an, zu der er seinen Neffen, den noch von Karl dem Großen als König von Italien eingesetzten Sohn Pippins, Bernhard, nach Rom entsandte.157 Dieser unterrichtete den Kaiser durch ein Mitglied seiner Gruppe über die Ergebnisse der Untersuchung. Maßnahmen irgendwelcher Art wurden jedoch nicht ergriffen, da

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Dazu Classen, Karl der Große, S. 89ff. Ann. regni Franc. ad. a. 806. Ann. regni Franc. ad. a. 812. Ann. regni Franc. ad a. 815.

Ludwig der Fromme und Lothar I. und das Papsttum

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sich der Papst seinerseits durch eigene Gesandte rechtfertigte. Ob dazu erneut, wie 800, ein Reinigungseid geleistet wurde, wird nicht berichtet. Leos Nachfolger Stephan IV. zeigte 816 seine Wahl und Weihe Kaiser Ludwig dem Frommen an und ließ zudem das römische Volk Ludwig Treue schwören.158 Damit war ein neues direktes rechtliches Band hergestellt worden, wie es bis dahin zwischen Römern und dem fränkischen Herrscher nicht bestanden hatte. Der Treueid, den die Franken gegenüber Karl 802 abgelegt hatten, war von den Römern nicht geleistet worden. Echte Selbständigkeit war damit nicht mehr vereinbar.

b. Papstbesuch 816 Bereits 816 kam Stephan IV. auch selbst zu Ludwig, der ihn in Reims empfing.159 Dieser Besuch war durch zwei Vorgänge bestimmt. Der Papst krönte Ludwig noch einmal mit einem Diadem. Von einer Salbung wird nicht berichtet. Zum zweiten wurde nach Austausch von Geschenken und gemeinsamen Gastmählern Freundschaft geschlossen, amicitia vicissim firmissim robere constituta, und es wurden Anordnungen für die heilige Kirche, d. h. die römische Kirche getroffen. Der Liber pontificalis berichtet, daß Stephan IV. pro confirmanda pace et unitate sanctae Dei ecclesiae in die Francia gereist sei.160 Von einem pactum ist aber in beiden Quellen nicht ausdrücklich die Rede. Das schließt den Abschluß bzw. die Erneuerung des bestehenden pactum aber nicht aus, da offenbar Vereinbarungen getroffen wurden. Stephan IV. starb alsbald nach seiner Rückkehr nach Rom.

c. Pactum Hludovicianum 817 Zum Nachfolger wurde Paschalis I. gewählt. Die Reichsannalen berichten, daß er zunächst excusatoriam ... litteram an Ludwig geschickt und erklärt habe, gegen seinen Willen zum Papst gewählt worden zu sein. Durch eine zweite Gesandtschaft habe er um Erneuerung und Bestätigung des mit seinen Vorgängern abgeschlossenen pactum gebeten. Das sei dem Leiter der Gesandtschaft gewährt worden.161 Dieses Pactum Hludovicianum ist in einer einseitigen Urkunde Ludwigs des Frommen erhalten.162 Eine Gegenurkunde des Papstes Paschalis fehlt. Es handelt sich ein158 159 160

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Thegan, Vita Hludowici, c. 16, MGH SS II, S. 539f. Ann. regni Franc. ad. a. 816. Vita Stephani IV, Liber pontificalis.II, S. 49. Von einer schriftlichen Urkunde ist bei Ermoldus Nigellus die Rede, Buch 2, Verse 393 ff.; Hahn, Hludovicianum, S. 23, hält das für vertrauenswürdig. Ann. regni Franc. ad a. 817: Missa tamen alia legatione pactum quod cum praecessoribus suis factum erat etiam secum fieri et firmari rogavit. Hanc legationem Theodorus nomenclator et detulit et ea, quae petierat, impetravit. MGH LL II, Capit. I, Nr. 172, S. 352, dt. Anhang Nr. 16. Die nachfolgende Darstellung beruht weitgehend auf der ausführlichen, detaillierten Untersuchung des pactum, durch Hahn, Hludovicianum, S. 15–135, die außer historischen und diplomatischen gerade auch die rechtsgeschichtlichen Aspekte grundlegend erörtert. Sie faßt einerseits ältere Forschungsergebnisse zusammen und führt diese andererseits mit eigenen Ergebnissen weiter.

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Beziehungen zum Papsttum

deutig um eine Erneuerung der älteren Urkunden, die die fränkischen Herrscher den Päpsten ausgestellt hatten. Es wird allgemein als mehr oder weniger inhaltsgleich mit dem wahrscheinlichen pactum von 816 mit Stephan IV. angesehen.163 In den Reichsannalen ist diesmal keine Rede von einer amicitia zwischen Ludwig und Paschalis, jedoch wird diese von dem als Anonymus oder auch Astronomus bezeichneten Autor in seiner Ludwig-Biographie neben dem pactum erwähnt.164 Man darf also davon ausgehen, daß 816 und gewiß 817 Ludwig mit den beiden Päpsten ein pactum und eine amicitia abgeschlossen hat. Auf die rechtliche Bedeutung ist wiederum weiter unten einzugehen. Das Pactum bezeichnet sich selbst als pactum confirmationis.165 Aber auch der Begriff decretum confirmationis wird verwendet. Es ist zwar eine einseitige kaiserliche Urkunde. Aber sie gibt die kaiserlichen Zusagen innerhalb eines Vertrages mit Stephan IV. bzw. Paschalis I. wieder, wie sich aus den Berichten über das Zustandekommen eines pactum ergibt. In den Absätzen 1 und 6 bestätigt Ludwig dem hl. Petrus durch den Papst Paschalis und seine Nachfolger folgendes: Has omnes suprascriptas provincias, urbes et civitates...usque in finem seculi eo modo confirmamus, ut in suo detineant iure, principatu ac ditione. Die Benennungen und Aufzählungen sind sehr differenziert. Es handelte sich dabei zum einen um den ducatus von Rom und zum anderen um die Gebiete, die Pippin und Karl der Große den Päpsten übertragen hatten. Zudem wird eine Unterscheidung zwischen verschiedenen donationes Pippins und Karls gemacht. Das deutet darauf hin, daß die Rechtsgrundlagen für den Besitz der Päpste verschieden sind, von alten „römischen“ Rechten über Pippins donatio zu Karls donationes, die mindestens zwei Tranchen hatten. Offenbar war dies auch für die Bestätigung von Bedeutung. Absatz 7 bestätigt als decretum confirmationis andere, dem hl. Petrus bzw. den Päpsten übertragene Rechte an Zehnten, Pensionen und weiteren donationes. Die Bestätigungen werden in zweifacher Weise in Absatz 8 weiter abgesichert. Zum einen erklärt Ludwig, ut neque a nobis neque a filiis vel successoribus nostris per quodlibet argumentum sive machinationem in quacumque parte minuatur vestra potestas, aut vobis ... aliquid subtrahatur, de suprascriptis videlicet provinciis... necnon et pensionibus. Außerdem verspricht Ludwig, nos defendere...ad hoc, ut omnia ea in illius ditione ad utendum fruendum atque disponendum firmiter valeant obtineri. Darüber hinaus erklärt der Kaiser: nullamque in eis nobis partem aut potestatem disponendi vel iudicandi substrahendive aut minorandi vendicamus, nisi quando ab illo qui eo tempore huius sanctae ecclesiae regimen tenuerit rogati fuerimus. Schließlich werden Fragen der Auslieferung flüchtiger Straftäter und das Asyl für Unterdrückte geregelt. Der Kaiser behält sich für alle Flüchtlinge, auch aus dem ducatus, die intercessio vor. Für die von den potentes Unterdrückten beansprucht er zudem das Recht, Asyl zu gewähren. 163 164

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Z. B. Drabek, Verträge, S. 34. Anonymus, Vita Hludowiciani, c. 27, S. 621: Huius legationis baiulus fuit Theodorus nomenculator, qui negotio peracto et petitis impetratis, super confirmatione scilicet pacti et amicitiae more praedecessorum suorum, reversus est. Dazu Hahn, Hludovicianum, S. 40ff.

Ludwig der Fromme und Lothar I. und das Papsttum

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Die rechtliche Bedeutung der Bestimmungen des Pactum Hludovicianum ist differenziert. Potestas, ditio, principatus und ius sind Begriffe mit unterschiedlichem Inhalt. Nach allgemeiner Auffassung sei die kaiserliche Oberhoheit, wie schon zu Karls Zeit, bestehen geblieben; sie sei sogar gerade durch die letztgenannten Bestimmungen eher verschärft worden.166 Der Begriff principatus ist im römischen Recht für die kaiserliche Herrschaft verwendet worden. Ditio bedeutet in den Annalen i. d. R. die Herrschaft der fränkischen Könige und Kaiser über unterworfene Völker, z. B. Sachsen und Awaren, die sich nach der Niederlage der ditio der Franken unterordnen. Auch Aistulf hatte sich 755 und erneut 756 der dicio Pippins unterworfen. Jedoch war der Inhalt i. e. offen. So sollte die kaiserliche Gerichtsbarkeit im Herrschaftsbereich des Papstes nur auf dessen ausdrückliche Bitten ausgeübt werden. Neu war die Regelung der Papstwahl in c. 9 des Pactum. Dies stellte, auch wenn sie auf Vereinbarungen mit Stephan IV. oder Paschalis I. beruhten, eine deutliche Manifestation kaiserlicher Hoheit dar. Die Papstwahl sollte ohne irgendeine Einmischung von außen, von Franken, Langobarden aut de qualibet gente homo sub nostra potestate constitutus, nur von den Römern selbst erfolgen. Zwar entsprach das der bereits auf der Synode von 769 im Lateran unter Beteiligung fränkischer Bischöfe festgelegten Papstwahlordnung, wurde aber nun vom Kaiser noch einmal bestätigt und eingeschärft. Nach der Weihe sollten Gesandte dem Kaiser oder seinen Nachfolgern die Wahlanzeige überbringen. Damit wurde ein Problem geregelt, das sich bei Stephan IV. wie bei Paschalis I. gestellt hatte. Es handelte sich um die Frage, ob die Weihe, wie unter byzantinischer Herrschaft, erst nach vollzogener Wahlanzeige und Bestätigung des Kaisers vorgenommen werden durfte. Beide waren ohne diese geweiht worden. Das Schreiben, das Paschalis I. danach an Ludwig übersandt hatte, wird nach fränkischer Lesart als „Entschuldigungsschreiben“ für dieses Verfahren gedeutet.167 Zwar nahm Ludwig die kaiserlichen Rechte dem Grunde nach in Anspruch, schöpfte sie aber nicht voll aus. Trotz des Verbots an Nicht-Römer, auch aus den päpstlichen Gebieten selbst, an der Wahl teilzunehmen, setzte Einfluß von außen ein. Wala, Abt von Corbie und Berater Lothars I. in Italien, half recht nachdrücklich bei der Wahl des nächsten Papstes Eugens II. 824 nach. Schließlich sollte nach den Bestimmungen des Pactum Hludovicianum der neugewählte Papst durch seine Gesandten mit dem Kaiser, bzw. dessen Nachfolgern amicitia, caritas und pax knüpfen, socient, wie sie zwischen seinem Vater und Großvater und den Päpsten bestanden. Es schrieb also die ständige Erneuerung der amicitia vor. Inhaltlich-normativ ist das Pactum Ludwigs zwar enger gefaßt als das umfassende Verhältnis, wie es sich seit 754 entwickelt hatte, da es einerseits nur die Bestätigungen der territorialen Regelungen seiner beiden Vorgänger verbunden mit weiteren Zusagen, und anderseits Regelungen in bezug auf die Papstwahl und die Wahlanzeige enthielt. Über ein foedus oder die defensio et exaltatio ecclesiae finden sich keine Bestimmungen. Aber durch die Erneuerung der amicitia, caritas und pax zwischen Kaiser 166

167

Hahn, Hludovicianum, S. 59, S. 62, S. 86ff. mit Verweisen auf ältere Literatur. Der englische Begriff „protectorate“, den Partner, Lands, S. 48, für das Verhältnis verwendet, ist jedoch nicht im modernen völkerrechtlichen Sinne zu verstehen. Hahn, Hludovicianum, S. 28.

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Beziehungen zum Papsttum

und Papst war auch deren inzwischen weit entwickelter normativer Inhalt umfaßt. Denn diese drei Begriffe bezeichnen, wie zu zeigen sein wird, einen weiten umfassenden offenen Inhalt für das Verhältnis zwischen den derart verbundenen Mächten. Die Päpste übten nach innen nach wie vor weitgehende eigene Herrschaft aus. So ist von allgemeiner kaiserlicher Gesetzgebung ebensowenig die Rede, auch nicht von Kontrolle oder gar Bestätigung der päpstlichen Gesetze, wie von einer generellen Gerichtshoheit, gar durch kaiserliche Richter. Das Hludovicianum verbürgte im Gegenteil dem Papst ius, principatus und ditio in Bezug auf die ihm zugeordneten Territorien und untersagte die Einmischung in seine Jurisdiktion. Damit unterschied sich die Stellung des päpstlichen Herrschaftsgebietes im kaiserlichen Gesamtherrschaftsbereich doch grundlegend von den Unterkönigreichen Aquitanien und Italien. Für dieses erließ Ludwig zunächst allein, später zusammen mit Lothar I., vielfach Capitularien, was für Rom nie der Fall war. Es ist daher zu eng, wenn das Pactum Hludovicianum in der Literatur den iurisdiktionellen Immunitätsgewährungen Ludwigs gegenüber den fränkischen Kirchen gleichgesetzt wird.168 Jedoch ist eine allgemeine Verstärkung der kaiserlichen Oberhoheit insbesondere durch die Gebote der Wahlanzeige und der Erneuerung der amicitia nicht zu übersehen.

d. Constitutio Romana 824 Diese verstärkte sich noch einmal 824. In diesem Jahr mußte eine erneute kaiserliche Untersuchung in Rom gegen Papst Paschalis I. geführt werden, der beschuldigt wurde, hinter der Tötung frankenfreundlicher päpstlicher Amtsträger zu stehen.169 Dies hatte weiterführende Folgen, den Erlaß der Constitutio Romana durch Lothar I.170 Allem Anschein nach wollten römische Kräfte, vielleicht sogar der Papst selbst, sich durch dieses gewaltsame Vorgehen gegen die Vertreter des Kaisers aus dessen Oberherrschaft lösen. Die von Gesandten Ludwigs des Frommen danach durchgeführte Untersuchung verlief zwar im Sande, aber die Vorgänge erschienen dem Kaiser wohl doch als Warnung. Nach dem Tod Paschalis‘ I. kam es zu einer zwiespältigen Wahl, die aber dann, wie erwähnt, wohl mit Nachhilfe des wieder in Gnaden aufgenommenen Abtes von Corbie, Wala, eines Onkels Ludwigs, zugunsten Eugens II. entschieden wurde.171 Ludwig entsandte Lothar:...Hlotharium filium imperii socium Romam mittere decrevit, ut vice sua functus ea, quae rerum necessitas flagitare videbatur, cum novo pontifice populoque Romano statueret atque firmaret.172

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Z. B. Fried, Weg, S. 344; Angenendt, Frühmittelalter, S. 378; Hahn, Hludovicianum, S. 128f. Ann. regni Franc. ad a. 823 und 824. Vorher hatte Lothar im Anschluß an seine eigene Kaiserkrönung durch Paschalis in einem Rechtsstreit des Papstes gegen das Reichskloster Farfa in der Sabina um Abgaben gegen die Ansprüche des Papstes zugunsten des Klosters entschieden, Hahn, Hludovicianum, S. 71ff., auch dies wiederum eine Manifestation kaiserlicher Oberherrschaft. Constitutio Romana, MGH LL II, Cap. I, Nr. 161, S. 322. Ewig, Kulmination, S. 129. Ann. regni Franc. ad a. 824.

Ludwig der Fromme und Lothar I. und das Papsttum

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Bei diesen Besuch erließ Lothar, Mitkaiser seit 817, aber wohl nach Absprache und Zustimmung Ludwigs, die Constitutio Romana. Von einer Zustimmung fränkischer, italienischer oder römischer Großer, auch des Papstes läßt der Text nichts erkennen. Lothar handelte offenbar allein aus kaiserlichem Recht. Die Constitutio erscheint daher nach außen auch eindeutig als einseitiger Akt der Kaiser, nicht mehr wie das Hludovicianum als pactum zwischen dem Kaiser und dem Papst. Die Eingangsworte lauten Constitutum habemus...; und fast jeder Paragraph beginnt mit volumus ... In der Literatur wird trotzdem von einem Vertragswerk 824/25 gesprochen.173 Aber es fehlt an zeitgenössischen Berichten über dessen Abschluß. Die Constitutio verwendet den Begriff anders als das Pactum Hludovicianum und auch das spätere pactum veneticum Lotars I. von 840 gerade nicht. Erst aus Rückschlüssen aus dem Ottonianum von 962 wird daher die Auffassung von einem Vertragswerk begründet. Die Zulässigkeit eines solchen Rückschlusses erscheint angesichts des Wortlautes, der in diesem Fall überliefert ist, jedenfalls zweifelhaft. Das gilt auch vom Inhalt der Constitutio her. Denn dieser hob die Stellung des Kaisers stärker hervor als bisher. Die dem besonderen Schutz des Papstes oder des Kaisers unterstehenden Personen wurden für inviolabiliter erklärt. Es wurde in cap. 5 jedem Einwohner Roms das Recht eingeräumt, das Recht zu wählen, nach dem er leben wollte, d. h. das Personalitätsprinzip wurde eingeführt oder doch bestätigt, wodurch das römische Recht zurückgedrängt und dem fränkischen und lombardischen Recht auch in Rom Geltung verschafft wurde. Ferner wurde in cap. 4 ein Kontrollgremium aus je einem fränkischen und einem päpstlichen missus eingesetzt, das die Verwaltung und Rechtsprechung überwachen und darüber jährlich an den Kaiser berichten sollte. Diese Bestimmungen waren augenscheinlich Reaktionen auf die erwähnten Vorgänge von 823. Der von Eugen II. abgenommene Treueid der Römer wurde vorgeschrieben. Auch die Wahl eines Papstes wurde der kaiserlichen Einflußnahme stärker als im Pactum Hludovicianum unterworfen. Zwar durfte an der Wahl nach wie vor kein NichtRömer, also auch nicht der Kaiser, teilnehmen oder auf sie einwirken. Aber die Weihe durfte ab jetzt nur vorgenommen werden in praesentia missi domini imperatoris et populi, wie es in der der Constitutio angefügten Eidesformel der Römer heißt.174 Noch deutlicher als bisher kam in der Constitutio die Inanspruchnahme kaiserlicher Herrschaft über das Papsttum und dessen Herrschaft auch für Rom und den Dukat zum Ausdruck. Der Inhalt der Constitutio ist ausschließlich auf die Regelung innerer Verhältnisse Roms gerichtet. Sie hat einen quasi „verfassungsrechtlichen“ Charakter. Das schließt ein pactum i. S. einer in dieser Urkunde einseitig verlautbarten Vereinbarung nicht aus. Aber da keinerlei Gegenleistung der Kaiser in Form von Schutzversprechen oder anderen Verpflichtungen oder Versprechen der Kaiser darin enthalten ist, bestehen Zweifel, die Constitutio als einseitige Urkunde einer Vereinbarung anzusehen. Sie trägt eher die Züge einer hoheitlichen Anordnung.

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Fritze, Papst, S. 16, mit Verweisen; Drabek, Verträge, S. 44. Für den unmittelbaren Nachfolger Eugens II., Valentinus, der nur 40 Tage regierte, war die Bestimmung offenbar noch nicht eingehalten worden, Ann. regni Franc. ad a. 827.

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Beziehungen zum Papsttum

e. Die außenpolitische Bedeutung des Papsttums Wie sich die neue Stellung des Papstes auf seine außenpoltischen Aktivitäten auswirkte, ist schwer festzustellen. Anders als etwa für Hadrian I. wird darüber nichts berichtet. Eigene Beziehungen oder Betätigungen der Päpste scheint es nicht gegeben zu haben, auch nicht mehr mit Byzanz. Im Gegenteil, im Jahr 824 schickte, wie dargelegt, der byzantinische Kaiser Michael II. Gesandte an Ludwig, einerseits pacis confirmandae causa, andererseits aber auch de imaginum veneratione.175 Sie wollten zwar auch noch zum Papst, aber sie sprachen zuerst beim Kaiser vor. Er war für sie offenbar der maßgebende außenpolitische Partner, selbst in einer religiös-kirchlichen Frage. Der „diplomatische“ Weg zum Papst mußte über den Kaiser gehen, obwohl der Papst für diese religiös-dogmatische Frage die eigentlich zuständige Stelle oder Person war. Aber der Zugang von außen zu ihm ging anscheinend nur noch über den Oberherrn. So war am Ende ein Zustand im Verhältnis zwischen den karolingischen Kaisern und den Päpsten eingetreten, der dem ähnlich war, wie er vor der allmählichen Herauslösung des Papsttums aus der oströmischen Hoheit zwischen diesem und den byzantinischen Kaisern bestanden hatte, und aus dem sich das Papsttum doch gerade mit Hilfe der Karolinger hatte lösen wollen. Die Anfang des 8. Jahrhunderts einsetzende wachsende außenpolitische Selbständigkeit des Papsttums war wieder verloren gegangen. 840 schloß Lothar I. als Kaiser das pactum veneticum auch für die päpstlichen Gebiete ab. Aber die Päpste hatten nunmehr doch eine eigene, wenn auch noch abhängige Herrschaftsbasis gewonnen und damit ein gewisses eigenes politisches Gewicht. Das nutzte ihnen in späteren Auseinandersetzungen mit den weltlichen Mächten erheblich.

f. Religiös-kirchliche Sphäre Auch für Ludwig den Frommen war die Kirchenreform wie für seinen Großvater und seinen Vater ein zentrales Anliegen. Er hielt mehrfach Reformsynoden ab, reformierte Klöster und Orden, insbesondere durch Benedikt von Aniane, der die Regel des Ordensgründers Benedikt von Nursia weitgehend durchsetzte. Das geschah stets in Abstimmung mit dem jeweiligen Papst. Die Päpste ordneten die kirchliche Organisation der von den Franken ausgehenden und voran getriebenen Skandinavienmission.176 In all diesen Aufgaben war der Papst letztentscheidende Person. Er handelte als Oberhaupt der Kirche, formell unabhängig von kaiserlicher Entscheidung, wenn auch inhaltlich kaiserliche Einflußnahme stets wirksam war. Daraus resultierte auch Respekt und Verehrung des Kaisers für den Papst, wie sie von Ludwig in der Begegnung mit Stephan IV. in Reims 816 gemäß dem Vorbild seines Großvaters Pippin mit Stephan II. 754 in Ponthion ausgedrückt wurde. Insgesamt wahrte der Papst in der religiös-kirchlichen Sphäre, anders als in der weltlichen, seine eigenständige, besondere Stellung. Dies galt trotz der kaiserlichen 175 176

Ann. regni Franc. ad a. 824; oben S. 134ff. 822 bestellte Paschalis I. den Erzbischof von Reims zum Delegaten für die Skandinavienmission, Ewig, Kulmination, S. 131.

Salbung – Patricius Romanorum

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Kontrollrechte bei der Papstwahl. Der Papst trat daher insoweit immer aus eigenem Recht dem fränkischen Herrscher gegenüber und stellte weiterhin eine eigene Macht dar. Denn obwohl diese religiös-kirchlich begründet war, war sie doch auch politisch wirksam.

g. Die Begegnung auf dem „Lügenfeld“ Das zeigte sich in der Begegnung auf dem Lügenfeld 833. Diese letzte Begegnung Ludwigs mit einem Papst, Gregor IV., war konflikthaft, da sie in die Auseinandersetzung des alten Kaisers mit seinen Söhnen eingebunden war.177 Der Papst ermahnte den Kaiser zwar auf der Grundlage seiner religiös-kirchlichen Stellung, die Bestimmungen der Ordinatio Imperii von 817 über die Nachfolgeregelung einzuhalten und mit seinen Söhnen Frieden zu schließen. Denn diese Regelungen waren seinerzeit kirchlich bestätigt worden, waren Teil der Reichsordnung eines christlichen Reiches. Ihre Aufhebung oder Veränderung durch den Kaiser bedeuteten daher auch, falls sie rechtswidrig sein sollten, gleichzeitig einen Verstoß gegen kirchliches Recht. Der Papst versuchte, zwischen den Parteien zu vermitteln. Ludwig empfing ihn licet indecentius quam debuit, was der Papst sich aber selbst zuzuschreiben habe. Denn er war auf Veranlassung Lothars I. gekommen, aus Ludwigs Sicht also nicht eigentlich unparteiisch. Ob Gregor IV. auch den Kirchenbann gegen den Kaiser erwog, muß offen bleiben. Gregors Vorgehen gehörte nach Grundlage und Inhalt der religiös-kirchlichen Sphäre an. Aber es zielte auf die weltlich-herrschaftliche Sphäre und seine Folgen waren dort angesiedelt.

I X. S al b u n g – P atr i c i u s Ro ma n o r u m Zwei Elemente gab es in dem Verhältnis zwischen Karolingern und Päpsten, die dieses in besonderer Weise gegenüber ihrem Verhältnis zu anderen Herrschern prägten: die Salbung zu Königen durch die Päpste und das ebenfalls durch die Päpste mit dem Titel Patricius Romanorum verliehene Patriziat.

a. Salbung Die Salbung bildete in den Augen der Päpste die Grundlage des Verhältnisses zwischen den karolingischen Herrschern und den Päpsten. Durch diese habe Gott die Herrscher in besonderer Weise erwählt und erhoben, sei der hl. Petrus zu ihrem Beschützer und Fürbitter geworden.178 Die Päpste leiteten aus der Salbung zwar nicht unmittelbar Pflichten der karolingischen Herrscher her. Aber sie wiesen, wie in verschiedenen Zitaten aus Briefen gezeigt, immer dann auch auf sie und die durch sie 177 178

Anonymus, Vita Hludowici, c. 48. Codex Carolinus, Nr. 21, MGH Epp. III, S. 523, Z. 12; Nr. 24, ibid., S. 527, 528 Z. 40; Nr. 32, ibid., S. 538, 539 Z. 20. Nr. 33, ibid., S. 540; dazu auch der Brief Pauls I. an Pippin Nr. 36, ibid., S. 544ff.

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Beziehungen zum Papsttum

vermittelte Gnade hin, wenn sie Schutz und Verteidigung nicht nur gegen äußere Feinde, sondern auch gegen Häretiker, so im Bilderstreit gegen die „Griechen“, erbaten oder forderten. Durch die Salbung sind sie nach der Auffassung der Päpste zu den Defensoren, Auxiliatoren, Opitulatoren und Liberatoren der Kirche bestellt worden. In eigentümlicher, aber nachdrücklicher Weise wurde diese Sonderbindung in dem Brief Stephans II. zum Ausdruck gebracht, den er als einen Brief des Apostels Petrus selbst an Pippin richtete. Die Frage ist erörtert worden, ob die Salbung Pippins und die seiner Söhne Karl und Karlmann zu Königen eine Gegenleistung Stephans II. für den Beistand gegen Aistulf gewesen sei oder nicht. Die Unterschiede in den oben wiedergegebenen Darstellungen des Ablaufes in den fränkischen und päpstlichen Berichten geben für beide Deutungen Raum. Die Bedeutung der Salbung ist in der Literatur umstritten. Auch die Salbung hatte, wie fast alles in den Beziehungen zwischen Päpsten und Karolingern, zwei Dimensionen: eine geistlich-religiöse und eine, jedenfalls indirekte weltlich-herrscherliche. Die erste Dimension verlieh durch ihren sakramentalen Charakter dem Königtum der Karolinger Sakralität. Sie werden zu „königlichen Priestern“.179 Allerdings ist die religiösgeistliche Herkunft schwer auszumachen. Sie könnte auf alttestamentliche Königssalbungen zurückgehen. Vor allem aber wird sie auf eine Verbindung zu Christus selbst als rex et socerdos und die auf ihn bezogenen Tauf- und Firmsalbungen zurückgeführt. Diese aber waren wiederum gerade in Rom enstanden.180 Die Königssalbung war bis dahin für christliche Herrscher auch keineswegs allgemein üblich, kam wohl nur bei den Westgoten vor.181 In der Salbung gründete die innere Legitimität der karolingischen Herrschaft. Die Quellen lassen aber einen Dissens darüber erkennen, ob sie deren Königtum auch begründet. Die ältere Fassung der Reichsannalen formuliert confirmavit Pippinum unctione sancta in regem et cum eo inunxit duos filios eius ... in regibus. Für Pippin bedeutet die päpstliche Salbung also eine Bestätigung, Bekräftigung. In der späteren Fassung der Reichsannalen lautet der Bericht ipsum sacra unctione ad regiae dignitatis honorem consecravit. In der Chronik von Moissac heißt es Stephanus ...principem Pippinum regem Francorum ac Patricium Romanorum oleo unctionis perunxit. Die Metzer Annalen benutzen eine ähnliche Formulierung. Die letzten drei Berichte verbinden somit mit der päpstlichen Salbung die Königswürde für Pippin und seine Söhne. Die Chronik nennt ihn sogar noch „princeps“, den Titel vor 750. Das ist verwunderlich. Denn Pippin war 751 von den Franken zum König erhoben und auch gesalbt worden. Das berichten alle vier Quellen. Die erste Salbung tritt anscheinend zu dieser Erhebung more Francorum hinzu. Die Eigentümlichkeit dieser Berichte kann sich aus ihrer Entstehungszeit erklären lassen. Alle drei Quellen sind nicht zeitnah, sondern wesentlich später abgefaßt bzw. kompiliert. Dabei stützen sich die beiden letzgenannten u. a. auch auf die sogenannten Einhardannalen, unterscheiden sich aber gerade hier durch die Erwähnung des patricius Romanorum. 179 180 181

Angenendt, Karl der Große, S. 269; ders. Rex et sacerdos, 107 ff. Dort auch Quellentexte. Dazu Angenendt, Rex et socerdos, S. 103 ff. Angenendt, Rex et socerdos, S. 100.

Salbung – Patricius Romanorum

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Da könnte aber eine Formulierung wirksam geworden sein, die die Metzer Annalen Hadrians I. Hilfeersuchen von 772 zuschreiben quoniam illum predecessor suus beatae memoriae Stephanus papa unctione sacra liniens in regem ac patricium Romanorum ordinarat.182 Schon die Vita Stephani berichtet reges uncti sunt,183 und in einem Hilferuf Stephans II. an Pippin von 756 heißt es Adiuva nos et auxiliare nostri sub magna velocitate, christianisssimae: sic adiutorium sumas a Deo omnipotente, qui te unxit super turbas populorum per institutionem beati Petri in regem.184 Es könnte also die päpstliche Sicht der Salbung gewesen sein, die auch die späteren fränkischen Quellen aufgenommen haben. Denn es entsprach ursprünglich wohl nicht fränkischer Sicht. Das karolingische Königtum Pippins wie seiner Söhne war durch Erhebung oder Zustimmung der Großen zum König begründet worden. Lag hier ein grundlegender, vielleicht aber als solcher noch gar nicht bewußter Dissens zwischen päpstlicher und fränkischer Auffassung vor, dessen Folgen erst wesentlich später eintraten? Auflösen läßt er sich wohl auch nicht völlig dadurch, daß die Salbung und damit die Bestellung zum König auf Gott oder Christus selbst zurückgeht, der König dei gratia erwählt ist, die durch Petrus vermittelt und den Papst nur vollzogen wird.185 Die Salbung durch den Papst band die Dynastie religiös an den hl. Petrus, den Apostelfürsten, d. h. an das Papsttum. Daraus folgerten die Päpste, wie gezeigt, eine Pflicht zur Verteidigung gegen äußere Feinde. Wenn sie ursprünglich eine Gegenleistung Stephans II. gewesen sein sollte, so erwies sie sich in der Folge als das stärkste Band zwischen den karolingischen Königen und den Päpsten. Die Weigerung Hadrians I., die Söhne Karlmanns zu Königen zu salben, macht deren konstitutive Wirkung ex negativo deutlich. Die Königssalbung setzte sich in der Kaisersalbung Karls, Ludwigs und Lothars fort. Die Päpste holten sie sogar nach. Zwar haben wir nach den Papstbriefen keine weiteren Quellen über deren Verständnis mehr, insbesondere nicht für die Zeit Ludwigs. Aber das dürfte sich nicht geändert haben.

b. Patricius Romanorum In den Briefen an Pippin und später an Karl den Großen nach 754 reden zwar die Päpste diese auch immer mit dem Titel patricius romanorum an. Aber erst Karl der Große hat ihn ab 774 auch selbst geführt. Zeitnahe Berichte über eine Verleihung gibt es jedoch weder in den fränkischen Quellen noch in der Vita Stephani. Die Verleihung des Titels eines patricius Romanorum, die wohl durch Stephan II. an Pippin und seine Söhne im Zusammenhang mit der Salbung stattgefunden hat, sollte aus päpstlicher

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Ann. Mett. prior. ad. a. 773, S. 59. Aber diese Annalen sind geschrieben, nachdem Karl der Große den patricius Romanorum in seinen Titel aufgenommen hatte. Für 754 wird er dort nicht gebraucht. Vita Stephani II, Liber pontificalis I. S. 448. Es sind die beiden Söhne mit einbezogen. Stephan II. an Pippin 24. Februar 756, Codex Carolinus, Nr. 8, MGH Epp. III, S. 494 ff, S. 496. Angenendt, Rex et socerdos, S. 108 f. mit Nachweisen aus den Briefen der Päpste an Pippin.

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Beziehungen zum Papsttum

Sicht die fränkischen Könige in einer formal-rechtlichen Weise an den päpstlichen Stuhl binden. Der Zusammenhang von Salbung und Verleihung des Patriziats bringt die Verknüpfung der beiden Sphären in diesem Verhältnis besonderes deutlich zum Ausdruck. Beide gehen aber vom Papst aus. Umstritten ist, woher diese Würde kam, vom Kaiser vermittelt durch den Papst oder vom Papst selbst unmittelbar, und was der Titel inhaltlich-normativ bedeutete, ob er ein Amt mit bestimmten Aufgaben gegenüber dem Papsttum oder gar innerhalb seiner Ordnung bezeichnete. Schließlich ist unklar, warum erst Karl der Große ab 774 nach seinem ersten Rom-Besuch den Titel selbst führte.186 Am nächsten liegt es, nach Konstantinopel zu schauen, wo der Titel durchaus gang und gäbe war. Dort bezeichnete patricius ohne weiteren Zusatz im 8. Jahrhundert nur noch ein Ehrenamt. Aber davor hatte er einen realen Inhalt. Er bezeichnete ein Hofamt in der Verfassungsordnung des Reiches. Ein solches konnte nur vom Kaiser verliehen werden, keinesfalls vom Papst, der daran wohl auch kaum ein Interesse hatte. Der kaiserliche Titel hatte zudem keinen Zusatz. Die fränkischen Könige wurden jedoch zu patricii Romanorum erhoben oder ernannt. Das war derselbe Zusatz, der dem Begriff res publica in Verbindung mit der sancta Dei ecclesia hinzugefügt wurde. Daher liegt die Annahme nahe, daß Stephan II. durch die Verknüpfung des Begriffs patricius mit diesem Zusatz Romanorum eine Beziehung des patricius-Amtes der karolingischen Könige zu der sancta Dei ecclesia und der res publica Romanorum herstellen wollte, eine Übertragung vom byzantinischen Imperium auf die römische Kirche und res publica als weltlicher Herrschaftsbereich des Papstes.187 Die Verbindung mit der päpstlichen Salbung läßt eigentlich nur die Deutung zu, daß Stephan II. aus seiner eigenen Stellung diese Würde an Pippin und seine Söhne verliehen hat. Es ist den Autoren zu folgen, die die Verleihung des Titels patricius Romanorum an Pippin und seine Söhne Karlmann und Karl durch Stephan II. als eine päpstliche Neuschöpfung aus byzantinischer Tradition ohne kaiserlichen Auftrag ansehen.188 Nach den Vorgängen in Francien, die nur Beziehungen zwischen Papst und König zum Inhalt hatten, machte es keinen Sinn anzunehmen, daß der Papst nun einen kaiserlichen Titel in byzantinischem Auftrag verlieh. Was dieser Titel inhaltlich bedeuten sollte, bleibt unklar. In den päpstlichen Briefen tritt eine Berufung darauf nicht auf. Ob und inwieweit damit Rechte in Rom verbunden sein sollten, ist nicht festzustellen. Mit dem ihn bei weitem übersteigenden Kaisernamen, der zudem Recht in Rom begründet ist, verschwindet er.

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Zur umfangreichen Literatur zuletzt Engels, Bündnis, S. 34, Fußnote 70; vor allem Déer, Patricius-Romanorum-Titel passim; Ohnsorge, Patricius-Titel; Noble, Republic, S. 278ff. So u. a. Miller, Revolution, S. 125, wenn auch dessen These, Stephan II. sei „in the capacity of head of State“ Pippin gegenübergetreten, übertrieben ist. So u. a. Noble, Republic, S. 279, mit weiteren Verweisen.

Promissio donationis

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X. Pr om issi o d o n a ti o n i s

a. Grundfragen Die Analyse der Texte, insbesondere der Papstbriefe hat zwar gezeigt, daß das Verhältnis zwischen den Päpsten und den karolingischen Herrschern nach seinen Grundlagen und Inhalten alle Bereiche der Beziehungen umfaßte. Jedoch hatte die Umsetzung und Festigung der territorialen Regelungen der Verträge von 754 bis 756 und 774 zugunsten des Apostolischen Stuhles erhebliche Bedeutung. Daher soll deren Inhalt noch einmal genauer untersucht werden. Besteht an der Pflicht Pippins, und später Karls, für die Übertragung ehemals von den Langobarden und davor von Byzanz gehaltener Territorien an den hl. Petrus, also den Apostolischen Stuhl Sorge zu tragen, kein Zweifel, so sind Einzelheiten umstritten. Zwar wurde schon auf einzelne Schritte oder Elemente der promissio donationis Pippins und ihrer Umsetzung durch ihn selbst und Karl eingegangen, aber eine zusammenfassende Erörterung erscheint für die Klärung hilfreich. Diese Pflicht war eine vertragliche Pflicht, die sich in den drei Verträgen von Quierzy 754, Pavia 755 und 756 nach und nach konkretisierte, 774 von Karl erneuert und bestätigt eventuell inhaltlich sogar erweitert und schließlich von Ludwig 817 noch einmal in unserer Periode aufgenommen wurde. Pippin reagierte auf das Bündnisangebot Stephans II. durch ein Versprechen, ob eidlich oder nicht, kann vorerst offen bleiben, das die Vita Stephans II. dahin konkretisiert, Pippin habe dem Wunsch des Papst eidlich Genüge geleistet, omnibus eius mandatis mit Nachdruck zu gehorchen et illi placitum fuerit exarchatum Ravennae reipublice iura seu loca reddere modis omnibus. Zum einen geht es um Rechte und Orte, also zwei verschiedene Inhalte. Zum anderen sollen sie zurückgegeben werden. Der Begriff reddere scheint anzudeuten, daß es in der päpstlichen Sicht darum ging, zurückzuholen, was dem Papst bzw. der respublica zustand. Das kommt auch in der weiteren Darstellung immer wieder zum Ausdruck, wenn formuliert wird restituenda iura oder propria ... redidisset. Das wird bis 774 so bleiben. Aus der Situation ist das auch einsichtig. Denn Aistulf hatte sowohl das Exarchat als auch Teile der respublica erobert und seinem Herrschaftsbereich einverleibt. Aber er hatte das Exarchat nicht dem Papst, sondern dem Kaiser von Konstantinopel weggenommen. Über eine Verteidigung im Sinne einer Wiederherstellung der Verhältnisse vor Aistulfs Angriff und Eroberungen ginge dieser Inhalt der Verpflichtung Pippins also eigentlich hinaus. Allerdings wird im weiteren berichtet, daß Pippin von Aistulf zweimal durch Gesandte die Herausgabe propria sanctae Dei ecclesiae reipublice Romanorum, also nicht Teile des Exarchats verlangt habe. Erst für den Abschluß des dreiseitigen römisch-langobardisch-fränkischen schriftlichen foedus pactum nach der Niederlage Aistulfs 754 wird berichtet, spopondit ipse Aistulfus cum universi sui iudices sub ... sacrameto, atque in eosdem pacti foedere per scriptam paginam adfirmavit se illico rediturum civitatem Ravennatium cum diversis civitatibus.189 Das entspricht aber wiederum der Wiedergabe der eidlichen Zusicherung Pippins in Ponthion, nicht nur die iura seu loca der rö189

Vita Stephani II., Liber pontificalis I, S. 451. Zur rechtlichen Grundlage der promissio donationis unten S. 546ff.

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mischen res publica, sondern auch das Exarchat zurückzugeben, erweitert allerdings, worauf bereits hingewiesen wurde, um weitere civitates. In den Quellen, die über die Vorgänge in Ponthion und Quierzy berichten, ist also von einer donatio Pippins keine Rede. Ist diese also bereits Bestandteil der Antwort Pippins auf das Bündnisangebot und damit Teil desselben, oder gehört sie erst zum foedus pactum von Pavia? Dann bezöge sich Pippins Bündnispflicht von Ponthion nur auf die Verteidigung gegen Aistulf. Enthält sie eine donatio oder nur die Gewährleistung oder Garantie, daß Aistulf seinem Versprechen nachkommt? Über päpstliche Bündnispflichten wird in der Vita Stephani hingegen nichts gesagt. Zumindest diese Zusage ist in einer schriftlichen Urkunde formuliert und festgelegt worden, ob schon in Ponthion oder später muß wohl offen bleiben, ebenso ob sie noch mehr als diese Zusagen enthielt. Der übliche Rückschluß vom Pactum Hludovicianum und späteren Texten ist nicht völlig überzeugend, weil er die unterschiedlichen Verhältnisse 754 und 816 nicht berücksichtigt.

b. Quierzy 754 Geht man aber von einer promissio donationis schon 754 in Ponthion oder Quierzy aus, so ist doch deren Inhalt aus den Quellen zu 754 bis 756 nicht genau zu erfassen. Die Berichte sowohl der fränkischen als auch der päpstlichen Quellen für die Vorgänge von 754 bis 756 lassen jedoch nicht erkennen, daß Pippin Stephan II. mehr als das Exarchat Ravenna versprochen hat. Er wäre damit auch weit über die Anliegen Stephans II., wie sie in den päpstlichen Quellen dargelegt werden, hinausgegangen. Die fränkischen Quellen besagen dazu nichts Gewisses. In der Fortsetzung der Fredegarchronik wird berichtet, daß Pippin vor dem Krieg Gesandte an Aistulf mit der Aufforderung entsandt habe, ut propter reverentia beatissimorum apostolorum Petri et Pauli partibus Romae hostiliter non ambularet, et superstitiosas hac impias vel contra legis ordine causas, quod antea Romani numquam fecerant, propter eius petitione facere non deberent. Die Stelle spricht also nur von dem Gebiet Roms selbst. In den Reichsannalen heißt es lediglich, Pippin habe iustitiam beati Petri apostoli verschaffen wollen. Auf das Ravennat etc. bestand aber kein päpstlicher Anspruch. Jarnut führt diese unklaren, das Exarchat und andere italienischen Gebiete aussparenden Berichte der fränkischen Quellen auf eine Verschleierungstaktik zurück, weil Pippin es mit einer sehr starken Adelsopposition zu tun gehabt habe, die seine Neuausrichtung der Langobardenpolitik nicht habe mitvollziehen, sondern an der alten langobardenfreundlichen Politik habe festhalten wollen.190 Maßgebend aber ist, daß die päpstliche Quelle, die Vita Stephani, die keine Rücksicht auf fränkische Querelen zu nehmen brauchte, einerseits die Rechte der Kirche benennt und andererseits nur vom Exarchat Ravenna spricht. Die Berichte sind auch hier nicht ganz eindeutig. Denn über die Absprache in Quierzy heißt es, Pippin habe auch die „Rückgabe“ des Exarchats Ravenna versprochen, ut illi placitum fuerit exarchatum Ravennae et reipublice iura seu loca reddere modis omnibus.191 Dann aber be190 191

Jarnut, Quierzy, S. 267 ff. Vita Stephani II., Liber pontificalis I, S. 444 f.

Promissio donationis

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richtet die Vita Stephans II., vor dem endgültigen Zug von den Klausen gegen Pavia habe der fränkische König noch einmal Gesandtschaften an Aistulf entsandt, die den Auftrag hatten, den langobardischen König aufzufordern, proprietas sancte Dei ecclesie reipublice restituendi iura, bzw. propria sanctae Dei ecclesiae reipublice Romanorum reddidisset. Das stimmt mit den fränkischen Quellen im wesentlichen überein.

c. Pavia 755 In dem nach der päpstlichen Quelle schließlich nach dem Sieg Pippins geschlossenen dreiseitigen fränkisch-päpstlich langobardischen Friedensvertrag versprach Aistulf mit seinen Großen sub terribili et fortissimo sacramento atque in eodem pacti foedere per scriptam paginam adfirmavit se ilico redditurum civitatem Ravennatium cum diversis civitatibus , also das, was er seit 751 besetzt bzw. erobert hatte. Man kann darin eine Konkretisierung der promissio von Quierzy sehen, wie sie sich aus der nunmehr gegebenen Lage ergibt. Als Teil des Vertrages beruht diese Liste der mit Ravenna zurückzugebenden Städte aber gewiß auf gegenseitiger Absprache aller drei Partner. Bemerkenswerter Weise wird von den reipublice iura seu loca, deren Rückerstattung Pippin in Quierzy auch versprochen hatte, nichts mehr gesagt. So ist nicht klar, ob auch sie in der Liste enthalten waren. Deren Rückgabe verstand sich vielleicht von selbst. Im Zentrum stand ganz offenbar das Exarchat Ravenna. Aber Venedig und Istrien waren nicht umfaßt. Aistulf hatte sie nicht besetzt und sogar den von Liutprand geschlossenen Grenzvertrag erneuert. Die Briefe Stephans II., die er nach dem Vertragsschluß von Pavia an Pippin gerichtet hat, verweisen inhaltlich unbestimmt auf donationis paginam beati Petri sanctaeque Dei ecclesiae re publice civitates et loca restituenda und auf ein Cyrograph Pippins Sciatis enim, quia sicut cyrographum vestram donationem princeps apostolorum firmiter tenet; et necesse est, ut ipsum cyrographum expleatis, ne, dum iustus iudex ad iudicandum vivos et mortuos et saeculum per ignem advenerit in futuro iudicio, isdem princeps apostolorum eundem cyrographum demonstrans nullum habere firmitatem districtas cum eo faciatis rationes. 192

d. Pavia 756 Genaueren Aufschluß über den Inhalt der territorialen Versprechungen Pippins gibt die Schilderung der Vorgänge des Jahres 756 nach dem zweiten Krieg und Sieg Pippins gegen Aistulf. Im Friedensvertrag wird wiederum eine schriftliche Liste erstellt, in der zunächst auf die ältere Liste von 755 Bezug genommen, diese dann aber um die Burg Comachio erweitert wird. Es lagen also nunmehr drei sich ergänzende Dokumente vor, die promissio von Quierzy und die beiden Listen von Pavia 755 und 756. Aber auch in dem neuen oder erneuerten Vertrag waren langobardische Gebiete offenbar nicht eingeschlossen. An den Vertragsschluß schloß sich diesmal jeweils vor Ort eine Übergabe namentlich aufgezählter Städte, an der Spitze Ravenna, durch langobardische Gesandte an den Beauftragten Pippins, den Abt Fulrad an, der diese dann durch 192

Codex Carolinus, Nr. 6 und 7, MGH Epp. III, S. 488, 489, Z. 33 und S. 490, 492, Z. 35.

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Übergabe der Schlüssel an den Papst weitergab. Auch darüber wurde nach dem Bericht der Vita Stephani eine schriftliche Liste erstellt, die, wie erwähnt, zusammen mit Schlüsseln der Städte an der confessio in St. Peter hinterlegt wurde. Diese Orte lagen alle im Exarchat Ravenna. Die Übergabe war anscheinend nicht erschöpfend, jedenfalls nicht in den Augen der Päpste. Es scheint eine Diskrepanz zwischen der vereinbarten Liste von 756 und den übergebenen Orten bestanden zu haben. Denn die Päpste mahnten Pippin auch weiterhin, auf die langobardischen Könige, nach Aistulfs Tod auch auf Desiderius einzuwirken, ihre territorialen Versprechen zu erfüllen. Es bestand also offensichtlich eine Korrespondenz der Pflichten der langobardischen und der karolingischen Könige gegenüber den Päpsten, bzw. dem Apostolischen Stuhl, die ihre Begründung nur in den Verträgen von 755 und 756 gehabt haben kann. Daraus erklärt sich wohl, daß Stephan II. und seine Nachfolger immer wieder die volle Erfüllung des territorialen Versprechens von Quierzy anmahnten. Jedoch stellte die Liste der dem Papst durch Fulrad übergebenen Städte zugleich insoweit eine dauerhafte Festlegung des neuen Umfangs der päpstlichen Territorien auf alle Zukunft hin dar, gerade im Hinblick auf das frühere Exarchat Ravenna und die Pentapolis. In einer Auseinandersetzung, die Hadrian I. zu Anfang der neunziger Jahre mit Karl über die Hoheitsgewalt in Ravenna hatte, beruft er sich ausdrücklich darauf, dieses Gebiet sei von Pippin in scriptis in integrum concessum, was Karl selbst nachdrücklich bestätigt habe.193 Die Übergabe durch Pippin war also die eigentliche, ursprüngliche Grundlage der Hoheitsrechte des Papstes im Ravennat. Insgesamt läßt sich also wohl festhalten, daß selbst die an der donatio hoch interessierten päpstlichen Quellen von 754 bis 756 zu der Pippinschen promissio donationis nur das Exarchat Ravenna ohne Venedig und Istrien benennen. Von päpstlicher Seite werden beide auch später nie genannt. Auch langobardische Gebietsteile werden nicht in irgendeiner auch nur versteckten Stelle erwähnt. Das mag nicht ausschließen, daß auch solche von Pippin versprochen wurden. Aber es läßt sich nicht belegen und ist eher unwahrscheinlich, da jedenfalls die päpstlichen Quellen interessiert waren, die päpstlichen Forderungen an Pippin möglichst konkret zu machen. Zudem wäre ein weitergehender Inhalt der promissio Pippins von Quierzy nicht nur gegenüber den Franken durch die fränkischen Berichte, sondern auch gegenüber den Römern in den römischen Berichten über zwei Jahrzehnte geheimgehalten worden.

e. 757 757 versprach Desiderius, der Aistulfs Verpflichtungen ausdrücklich übernommen hatte, über Fulrad dem Papst weitere Städte zu übertragen, darunter Ferrara und Immola.194 Später kam noch Bologna dazu. Alle lagen im Exarchat und nicht im langobardischen Königreich, waren aber offenbar noch von den Langobarden besetzt. Die Grenzen des in der Vita Stephani umrissenen Versprechens wurden auch dieses mal 193 194

Codex Carolinus, Nr. 94, MGH Epp. III, S. 632, 635 Z. 20. Brief Stephans II. an Pippin März/April 757, Codex Carolinus, Nr. 11, MGH Epp. III, S. 506.

Promissio donationis

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nach wie vor nicht überschritten. Aus einem späteren Brief Pauls I. an Pippin geht allerdings hervor, daß Desiderius diese Versprechungen nicht eingehalten zu haben scheint.195

f. Rom 774 Eine gründliche Lektüre des Berichtes der Vita Hadriani über die Vorgänge am Mittwoch nach Ostern 774 in der confessio von St. Peter zeigt, daß der Rückschluß von dem Inhalt der promissio donationis Karls in Rom 774 auf den Inhalt der Urkunde Pippins von Quierzy 754 nicht zwingend ist. Stutzig macht, wie bereits dargelegt, der Umfang der Gebiete, die Karl dem Papst verspricht. Er geht über das Ravennat bei weitem hinaus. Es liegt daher m. E. entweder eine Erweiterung der promissio Pippins von 754 durch seinen Sohn und Nachfolger oder eine bewußte oder unbewußte übertreibende „Ungenauigkeit“ im Bericht des Liber vor. Eine Erweiterung der Pippinschen donatio durch Karl wird in der Literatur jedoch aus zwei Gründen ausgeschlossen. Zum einen wird auf die Formulierungen des Berichtes der Vita Hadriani verwiesen. Nachdem Karl sich die Urkunde Pippins aus Quierzy, die in Rom aufbewahrt wurde, hatte vorlesen lassen, befahl er seinem Notar Etherius ad instar anterioris seine Urkunde neu zu verfassen. Er unterschrieb diese eigenhändig und ließ sie danach auch von seinen Großen unterschreiben. Zum anderen verbiete „auch die politische Situation im Frühjahr 774“ die Annahme einer Erweiterung.196 Diese Argumentation überzeugt nicht. Karl versprach civitates et territoria beato Petro easque praefato pontifici contradi spopondit per designatum confinium, sicut in eadem donationem continere monstratur. Diese wird dann beschrieben a Luni cum insula Corsica, deinde in Suriano, deinde in monte Bardone, id est in Verceto, deinde in Parma, deinde in Regio; et exinde in Mantua atque Monte Silicis, simulque et universum exarchatum Ravennatium, sicut antiquitus erat, atque provincias Ventiarum et Istria; necnon et cunctum ducatum Spoletinum seu Beneventum.197 Diese Gebiete umfassten nicht nur ehemals päpstliche und kaiserliche Gebiete, die zunächst Aistulf seiner Herrschaft unterworfen hatte, 756 an Stephan II. übertragen und nunmehr erneut von Desiderius erobert worden waren, insbesondere des Dukats von Rom und des Ravennats. Es wurden vielmehr in dieser Aufzählung nach wie vor kaiserliche Gebiete, wie Venedig und Istrien, und nach wie vor langobardische Gebiete in der Toskana, die nach dem langobardisch-byzantinischen Vertrag von 680 den Langobarden zugefallen und Aistulf 756 verblieben waren, in der neuen promissio genannt. Jedoch bleibt für die These, 774 sei das Versprechen von 754 inhaltlich-territorial wiederholt und bestätigt worden, die ausdrückliche Bezugnahme des Berichtes auf die ältere Urkunde vor dem Beginn der Beschreibung der Grenzlinie. Das scheint eine inhaltliche Übereinstimmung anzuzeigen. Legt man das mit Stimmen der Literatur zugrunde, würde das in der Tat bedeuten, daß Pippin bereits 754 in Quierzy dem hl. 195 196 197

Codex Carolinus, Nr. 17, MGH Epp. III, S. 516 f. Jarnut, Quierzy, S. 278; ihm folgt Drabek, Verträge, S. 14. Vita Hadriani I., Liber Pontificalis I, S. 498.

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Petrus und seinem vicarius Stephan II. langobardisches sowie byzantinisches Gebiet versprochen habe. Dann aber bleiben die genannten Widersprüche nicht nur zum tatsächlichen Geschehen, sondern auch zu den älteren päpstlichen Texten. Es besteht bereits eine Diskrepanz in den päpstlichen Berichten in Bezug auf die hinterlegten Urkunden. In der Vita Stephani wird nur die Hinterlegung der Listen aus dem Vertrag des Jahres 756 zusammen mit den Schlüsseln der an Fulrad übergebenen civitates berichtet, nicht aber von einer Hinterlegung der promissio von Quierzy. Die Vita Hadriani geht hingegen von der Hinterlegung dieser Urkunde aus, die Karl dann vorgelegt und vorgelesen wird. Eine Erklärung für diese Differenz ist notwendig spekulativ. Aber diese ist bemerkenswert und gebietet eine gewisse Vorsicht gegenüber allen nicht genau belegbaren Schlüssen. Einwände ergeben sich aber auch aus der tatsächlichen Lage 754–756. Pippin hat 756 nicht nur einen wesentlich kleineren Teil der 774 genannten Gebiete auf den hl. Apostel Petrus und seinen Stellvertreter Stephan II. übertragen, nicht einmal das gesamte Ravennat. Er konnte über weitere Gebiete gar nicht verfügen, da er die Toskana etc. etc. nie in Besitz genommen, d. h. erobert hatte. Die Quellen erwähnen nur Pavia. Hatte er aber wenigstens 754 mit Stephan II. entsprechende, d. h. sehr viel weitergehende kriegerische Pläne entwickelt und verabredet, die auf die Eroberung und Unterwerfung ganz Norditaliens zu Lasten Aistulfs hinausliefen, um sein Versprechen zu erfüllen? Dafür gibt es keine Belege in den zeitnahen fränkischen und päpstlichen Berichten. Sie können nur rückblickend aus dem Bericht der Vita Hadriani von 774 selbst entwickelt werden. Weil es diesen Text gibt, habe es auch die entsprechenden Absichten gegeben.198 In diesem Sinn könnte die Darstellung in der Fredegarchronik gedeutet werden, Pippin habe 755 wie 756 Aistulf auf Intervention der fränkischen Großen Leben und Reich belassen. Im Umkehrschluß könnte das als versteckter Hinweis gedeutet werden, er habe eigentlich vorgehabt, ihm beides, jedenfalls größere Teile des eigenen Reiches, zu nehmen. Würde man dieser Argumentation folgen, müßte man annehmen, daß die fränkischen Großen ein doppeltes Spiel gespielt hätten. Denn da diese nach dem Bericht der Vita Hadriani in Quierzy zusammen mit Karl und Karlmann die promissio Pippins, wohlgemerkt mit dem angeblichen weitgefaßten Inhalt, wie er 774 zutage getreten sein soll, unterschrieben hatten, wären nicht nur Pippin und seine Söhne, sondern auch die fränkischen Großen in Pavia 755 wie 756

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So versucht Jarnut, Quierzy, S. 281, den Inhalt der bereits Pippin zugeschriebenen weitgefaßten Promissio mit „Intentionen der beiden Vertragspartner“ Pippin und Stephan II. zu harmonisieren. Diese aber leitet er aus seiner Interpretation ihrer jeweiligen politischen Lage und den daraus sich ergebenden von ihm formulierten Interessen ab, die dann bestimmte Politiken gegenüber den Langobarden und Ostrom erforderlich gemacht hätten. Daraus wird dann gefolgert, daß in dem vom unterstellten pippinschen Text „formulierten Programm“ des fränkischen Königs „die Bestimmungen ... äußerst bedachtsam getroffen worden“ seien, „um die Interessen beider Vertragspartner so weit wie möglich zu berücksichtigen“. Immerhin sind diese Darlegungen sprachlich wie grammatikalisch weitgehend als Möglichkeiten formuliert.

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davon wiederabgerückt. Jarnut führt die Nichterfüllung auf die Adelsopposition zurück.199 Haben die Franken bewußt und gewollt bereits in den Verträgen von 755 und 756 die Erfüllung der territorialen Zusagen des Vertrages von Quierzy von 754 abgelehnt, wären also unzuverlässige Vertragspartner gewesen? Zwar erfüllten sie am Ende im Vollzug selbst die inhaltlich engere promissio tatsächlich nicht vollständig, aber es ist nicht anzunehmen, daß bereits in Quierzy ein solcher Vorbehalt bestand. Sollte gar der Papst selbst in dem dreiseitigen Verträgen von 755 und 756 auf seine Ansprüche aus dem weitergehenden Vertrag von Quierzy verzichtet haben? Denn, wie oben dargelegt, geben die älteren päpstlichen Quellen selbst einen wesentlich engeren territorialen Bestand für die Rückgabe oder Übertragung an. Im ersten Brief Stephans II. von 755 heißt es eindeutig quod per vinculum sacramenti pollicitus est, propria vestra voluntate pro donationis paginam beati Petri sanctaeque Dei ecclesiae rei publice civitates et loca restituenda confirmastis.200 Das stimmt überein mit der päpstlichen Darstellung des Vorgangs in Ponthion, wonach Pippin die Rück- oder Übergabe des Exarchats von Ravenna und iura seu loca der respublica unter Eid versprochen habe. In beiden Mahnbriefen von 755 beklagt Stephan II. auch nur, daß Aistulf seine in Pavia in dem dreiseitigen Vertrag gegebenen und beschworenen Übergaben nicht einhalte, die aber nach den Quellen für 754 bis 756 weder langobardische noch byzantinische Gebiete außerhalb Ravennas und der Pentapolis umfaßt hatten. Pippin soll wegen seiner donatio dafür, aber auch nur dafür sorgen. Die neue Urkunde Karls geht hingegen nach der Beschreibung in der Vita Hadriani inhaltlich weit über die Berichte der zeitnahen Quellen hinaus. Von langobardischen Gebieten in Tuscien war nach 756 seitens Stephans II. nie die Rede. Selbst die erst um 805, also nach der promissio Karls verfaßten Metzer Annalen nennen als zu übergebende Territorien nur Ravenna und die Pentapolis. Venedig könnte zwar eventuell theoretisch als Bestandteil des Exarchats mit im Versprechen Pippins gemeint gewesen sein. Aber dagegen sprechen die anderen Formulierungen, die nur Ravenna und die Pentapolis nennen, da nur sie von Aistulf seit 751 besetzt waren, sowie die beginnende Loslösung des Dukats von Venedig vom Exarchat. Es ist also höchst fraglich, ob die pagina oder das cyrograph, das Stephan II. für Ponthion bzw. Quierzy erwähnt, inhaltlich soweit ausgedehnt war, wie es die Vita Hadriani für Venedig beschreibt. Auch Venedig wurde nie von den Päpsten eingefordert. Haben die alten Quellen nur verschleiert? Ist Karl weiter gegangen, weil er in der neuen Situation in Rom 774 dringend die Unterstützung des Papstes brauchte oder von der besonderen Feierlichkeit überwältigt war? Die promissio Karls umfaßte schließlich ganz Mittel- und Süditalien, ausgenommen Kalabrien, Neapel und Sizilien. Hätte Pippin diese wirklich 754 in Quierzy zusammen mit den fränkischen Großen durch Unterschrift und Eid versprochen, hätte er sie zunächst einmal erobern müssen, bevor er sie dem Papst hätte übergeben können. Er hätte also gegen die südlichen langobardischen Herzogtümer und u. U. Ostrom Krieg führen müssen. Auch insofern hätte der König mit Stephan II. weitgehende

199 200

Jarnut, Quierzy, S. 285. Codex Carolinus, Nr. 6, MGH Epp. III, S. 488, S. 489 Z. 32 ff., dt. Anhang Nr. 5.

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kriegerische Pläne entwickelt und verabredet haben müssen, um sein Versprechen zu erfüllen. Dafür gibt es aber erst recht keine Belege, und dies stellt eine aus mehreren Gründen unhaltbare Spekulation dar. Es war für Pippin bereits schwierig, den Krieg gegen Aistulf zur Rückgewinnung des von diesem besetzten Exarchats ohne Venedig und Istrien gegen inneren fränkischen Widerstand durchzusetzen. Weitere Kriege zugunsten des Papstes gegen die Herzogtümer und Ostrom hätten nur gegen Widerstand im eigenen Land geführt werden können, zumal Pippin zu Hause Schwierigkeiten mit Waifar und den Bayern hatte. Deshalb kam er wohl auch nach 756 trotz mehrfacher Bitten der Päpste nicht wieder nach Italien. Auch insofern stellten die Päpste i. ü. nach 754/56 keine Ansprüche an Pippin. Da also die tatsächlichen Verhältnisse 754/756 mit einer weiten promissio Pippins nicht vereinbar sind und nicht anzunehmen ist, daß er ein politischer Dummkopf, Hasardeur oder Hochstapler war, ist es insgesamt methodisch zumindest höchst zweifelhaft, von dem wiedergegebenen Inhalt der promissio Karls von 774, von der es ebensowenig eine Urkunde gibt, wie von der pagina Pippins, auf den Inhalt und den territorialen Umfang der früheren Versprechen zurückzuschließen. Der Bericht der Vita Hadriani stützt auch nach den Formulierungen den Rückschluß von Karls promissio von 774 auf den territorialen Umfang der promissio Pippins von 754 kaum. Denn er sagt nur, Pippin und die Großen hätten dem Papst verschiedene Städte und Gebiete in Italien versprochen, ohne konkrete Angaben oder Benennungen zu machen. Das scheint eine sehr vorsichtige Formulierung zu sein und geht selbst nicht notwendig von einer Übereinstimmung beider Dokumente von 754 und 774 aus. Insgesamt liegt es daher näher anzunehmen, daß Karl der Große eine erhebliche Erweiterung seiner promissio donationis gegenüber der seines Vaters vorgenommen hat. Seine politische Situation, wie vor allem seine politischen Absichten waren wohl ganz andere als die seines Vaters zwanzig Jahre früher. Wahrscheinlich stand schon fest, daß er das Königreich der Langobarden nach einer Niederlage des Desiderius übernehmen wollte. Es läßt sich zwar aus den Quellen nichts dafür entnehmen, ob dieses Vorgehen zwischen Karl und Hadrian I. in Rom vereinbart worden war. Aber es kann vermutet werden, wenn man sich den Umfang des neuen Versprechens vor Augen führt, das erhebliche langobardische Gebiete umfaßte. Zudem hatte, wie dargelegt, Hadrian I. bereits seine Hoheit nach Spoletto und Tuscien ausgedehnt. Es ging also wohl auch darum, diese Entwicklungen unter die Garantie Karls zu stellen, der dann allerdings größere Teile doch für sich behielt.201 Der hier vertretenen Auffassung, Karl habe die promissio seines Vaters erheblich erweitert, steht auch nicht entgegen, daß Karl die neue Urkunde Ad instar anteriores errichtete. Das heißt jedoch zunächst lediglich „nach dem Muster, dem Modell oder

201

Schieffer, Zeit, S. 103, schließt hingegen aus der Weite des Schenkungsurkunde Karls, daß mit einem Fortbestand des Langobardenreiches gerechnet wurde; das habe sich aber schlagartig mit der Eroberung Pavias geändert, so daß Karl selbst Interesse an dem langobardischen Königreiche entwickelt habe. Mir erscheint diese Deutung zwar zweifelhaft. Aber beide Schlußfolgerungen sind nicht eindeutig zu belegen.

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dem Vorbild“ der älteren Urkunde.202 Ob sich das Vorbild auf die Form oder auch den Inhalt bezieht, ist damit noch nicht gesagt. Der Satz über die Ausstellung der Urkunde Karls beginnt Et propria voluntate, bono ac libenti anima , aliam donationis promissionem ad instar anterioris ipse antedictus ... Carolus Francorum rex ... . Diese Formulierung kann sehr gut dahingehend verstanden werden, daß Karl aus freiem und gutem Willen inhaltlich ein neues territoriales Versprechen gegeben und beurkundet hat, das über Pippins Zusagen weit hinausging. Das würde mit den dargelegten früheren Berichten harmonieren, während die andere Deutung zu Fragen und Schwierigkeiten führt. Unterstellt man Pippin und Stephan II. aber die weitreichenden expansionistischen kriegerischen Pläne, deren Umsetzung erst die Verwirklichung der weitreichenden promissio ermöglicht hätten, dann aber an der Adelsopposition gescheitert sind, wäre Karl im Grunde nur der Vollstrecker des ursprünglichen Planes seines Vaters gewesen. Das erscheint zumindest zweifelhaft. Karl selbst hatte zunächst einen Seitenwechsel zu Desiderius hin vollzogen und eine seiner Töchter geheiratet. Das Vorhaben hatte zwar die Empörung Stephans III. hervorgerufen; der Papst konnte es aber nicht verhindern. Karl wechselte jedoch erneut die Seiten, und zwar nach Beginn des neuen Pontifikats Hadrians I. Dieser betrieb eine wesentlich kräftigere und gezieltere antilangobardische Politik, zumal nunmehr Desiderius wieder den Papst bedrängte. Als Karl auf Wunsch des Papstes nun seinerseits kriegerisch gegen Desiderius vorging, versuchte Hadrian gleichzeitig das Herzogtum Spoletto unter seine Oberhoheit zu bringen. Er wurde also selbst politisch kriegerisch aktiv. Hadrian I. hatte ganz offenbar ein viel weitergehendes Interesse in Bezug auf die Ausschaltung der Langobarden und vielleicht sogar der oströmischen Kaiser aus Italien als Stephan II. zwanzig Jahre früher. Warum aber könnte Karl die promissio Pippins so erheblich erweitert haben? Die Suche nach einer Antwort bleibt in gewisser Weise Spekulation. Aber entgegen Jarnuts Auffassung war die politische Lage für Karl durchaus geeignet, dem Papst auch die Übertragung langobardischen Gebietes zu versprechen. Zwar war der Sieg über Desiderius noch nicht erreicht und vielleicht auch noch nicht sicher. Aber Karl rechnete natürlich damit. Es ist wohl nicht völlig unbegründet anzunehmen, daß schon bei seinem Besuch in Rom die Absicht oder doch die Überlegung bestand, die langobardische Königskrone zu übernehmen, und daß Karl darüber mit dem Papst gesprochen hatte. Dieser könnte, so kann weiter vermutet werden, als Gegenleistung für die Zustimmung diese Übertragung langobardischen Gebietes und auch Venedigs und Istriens verlangt haben. Es bleibt noch einmal jener Satzteil im Bericht von 774, der auch inhaltlich auf die ältere Urkunde verweist. Schon im vorhergehenden Text war unpräzise von diversis civitatibus ac territoriis istius Italiae provinciae in der promissio Pippins die Rede. Man wird bestimmt nicht von Unkenntnis des Verfassers sprechen können. Aber eine Rückführung auf die Pippinsche Urkunde war zumindest argumentativ hilfreich. Karl

202

J. F. Niermeyer, Mediae Latinitatis Lexikon Minus Bd, 2 M–Z, S. 714 mit weiteren Beispielen.

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mußte, so auch Jarnut, gedrängt werden, die neue promissio abzugeben. Es fiel ihm vielleicht leichter, dieses Versprechen mit einem so weitgehenden Inhalt zu füllen, wenn er es auf die ältere promissio seines Vaters zurückführen konnte, die er zudem selbst bereits unterzeichnet hatte. Oder dem Papst lag daran, es so darzustellen. Denn das Vorhaben des Königs und des Papstes war nun wirklich außergewöhnlich, ja revolutionär. Seit der Errichtung des langobardischen Königreiches war ein solcher grundlegender Umsturz der territorialen und rechtlich-politischen Verhältnisse in Italien nicht mehr vorgekommen. Die etablierte Ordnung wurde völlig verändert. Der Papst, der doch wohl der Hüter der Ordnung sein sollte, wirkte zumindest daran mit, ein christliches regnum in seinem selbständigen Status aufzuheben und territorial erheblich zu beschneiden. Der Anschluß an ein älteres Dokument konnte da eine etwas solidere Basis geben. Offen bleibt dann jedoch immer noch die Frage, wie Karl sein Versprechen hinsichtlich Venedig, Istrien und anderer nach wie vor oströmischer Gebiete erfüllen wollte. Plante er wirklich, gegen Eirene und Konstantin VI. Krieg um Italien zu führen? Die fränkischen Quellen schweigen in dieser Zeit zu den Beziehungen mit Ostrom. Bestand eine offene, ungewisse Lage? Es ist daher auch nicht auszuschließen, daß der Bericht des Liber pontificalis über Karls promissio am Mittwoch nach Ostern 774 bewußt oder unbewußt im päpstlichen Interesse übertreibt. Die fränkischen Quellen dieser Zeit schweigen über Beziehungen zu den oströmischen Kaisern. Hadrian I. allerdings befürchtete langobardisch-byzantinische Angriffe von Süden her.203 Die Verhälnisse mit Spoletto und Benevent blieben schwierig.

g. Reims 817 Die eindeutigsten inhaltlich-territorialen Bestimmungen enthält kraft seines Charakters als rechtliche Urkunde das Pactum Hludovicianum von 817.204 Ludwig will dem hl. Petrus und dem Papst Paschalis I. für sich und für alle Nachfolger all das bestätigen, was sie und die Vorgänger des Paschalis bisher in ihrer potestas und dicio gehabt hätten. Das Territorium umfaßte zum einen die Stadt Rom und den Dukat, Teile Campaniens, das Exarchat, so wie Pippin und Karl es per donationis paginam übergeben hatten, restituerunt, das Territorium von Sabina, sicut a ... Karolo ... beato Petro apostolo per donationis scriptum concessum, Teile der langobardischen Toskana, auch die Inseln Korsika, Sardinien und Sizilien. Auf die viel weiterreichenden Inhalte der Urkunde von 774 wird nicht verwiesen. Von Venedig und Istrien ist selbstverständlich keine Rede mehr, da sie von Karl unter oströmische Herrschaft zurückgegeben worden waren. Bemerkenswert ist, daß Ludwig nur in bezug auf das Exarchat auf die vorhergehenden donationes Pippins und Karls des Großen Bezug nimmt und für die Sabina auf eine solche Karls. Das bestätigt eher die These, daß in Quierzy nur über das Exarchat verhandelt und beschlossen wurde. Gegenüber der promissio Karls erscheinen die beiden Inseln Sardinien und Sizilien neu. Sardinien scheint zu dieser Zeit ein selbständiges arabisch dominiertes Gemeinwesen gewesen 203 204

Codex Carolinus, Nr. 57, MGH Epp. III, S. 282, Nr. 64, ibid., S. 591. MGH LL II, Capit I, Nr. 172, S. 352; dt. Anlage 16.

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zu sein. Sizilien war ein oströmisches Thema, bevor es ungefähr zehn Jahre später unter arabische Herrschaft kam. Was Ludwig veranlaßt haben könnte, diese beiden Inseln dem Papst zu übertragen, muß offen bleiben. Er war gewiß nicht bereit, dafür Kriege vor allem gegen Ostrom zu führen. War es eine Art „virtueller“ Übertragung?

h. Ergebnis Es zeigt sich, daß die Quellen eindeutige Aussagen nicht zulassen. Sie sind in sich zu offen und mehrdeutig. Jede Interpretation gerät in gewisse Schwierigkeiten innerhalb des Gesamtcorpus. Aber mir scheint die Auffassung, in Quierzy und Pavia 755 und 756 sei von Pippin nur das Exarchat von Ravenna mit diversis civitates dem Papst versprochen und übergeben worden, sowohl quellenbezogen als auch nach den politischen Umständen plausibler zu begründen, als der Rückschluß aus dem Bericht von 774, Pippin habe bereits 754 dem Papst weite Teile Norditaliens zwischen Korsika und Istrien versprochen. Dabei könnte von Quierzy über Pavia 755 zu Pavia 756 eine stufenweise Konkretisierung des Versprechens durch Listen und schließlich die Übergaben von 756 und das Versprechen des Desiderius von 757 erfolgt sein. Das Versprechen Karls von 774 erscheint eher als ein neuer, wenn auch überzogener Ansatz der territorialen Ordnung Italiens. Aber die vorgetragenen Argumente bleiben Deutungs- und Erklärungsversuche aus heutiger Sicht. Letzten Endes muß die Frage, was Pippin in Quierzy wirklich versprochen hat, wohl weiterhin dem Disput überlassen bleiben. Eine Stütze findet die hier vertretene Auffassung in den Annales Mettenses Priores, die zwar erst längere Zeit nach den Ereignissen von 754 entstanden sind, aber gerade dadurch die Überlieferung der fränkischen Ansicht widerspiegeln. Ihr Verfasser hätte zudem auf frühere Verschleierungen keine Rücksicht mehr zu nehmen brauchen. Die Gesandten Pippins und Aistulf führen folgendes Gespräch: Illi vero missi permittebant non aliter domnum Pippinum a finibus Langobardiae esse profecturum, nisi prius Heistulfus iustitiam sancto Petro faceret. Heistulfus autem requsivit, quae illa iusticia esset. Cui legati responderunt: Ut reddas ei Pentapolim, Narnias et Cecanum et omnia unde populus Romanus de tua iniquitate conqueritur.205 Die zentrale rechtliche Frage, auf welcher Rechtgrundlage die promissiones und die Übergabe der Städte an die Päpste beruht haben könnten, wird in Zusammenhang mit der Erörterung der Folgen eines Krieges, insbesondere der in seinem Gefolge herbeigeführten Veränderungen von Herrschaftsbeziehungen zu behandeln sein.206

205 206

Ann. mett. prio. ad a. 754. Unten, S. 542ff.

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Beziehungen zum Papsttum

X I . F az i t a. Normative Breite Die normativen Grundlagen des Verhältnisses der karolingischen Herrscher von Pippin bis Ludwig den Frommen mit den Päpsten waren zunächst sehr breit im religiöskirchlichen wie im weltlichen Bereich angelegt. Sie waren unter Pippin und Karl dem Großen nicht scharf zu trennen, sondern bedingten und ergänzten sich gegenseitig. Deutlicher als in den Berichten der fränkischen Chroniken und Annalen und den Viten der Päpste werden diese Verwobenheiten von Kirchenbindung, compaternitas und Verträgen in den Briefen der Päpste. Aber diese verschiedenen, jedoch verbundenen normativen Grundlagen lassen klar erkennen, daß für die Karolinger der Schutz und die Erhebung der universalen und insbesondere der römischen Kirche in fast allen äußeren und inneren Dimensionen, und für die Päpste der besondere Schutz und die Erhebung der karolingischen Dynastie und des regnum Francorum über alle andere in allen äußeren, aber auch inneren Dimensionen durch Gott und den hl. Petrus im Zentrum des Verhältnisses zwischen Karolingern und Päpsten standen. Schutz und Verteidigung auch mit militärischen Mitteln und feierliches, liturgisches, öffentliches fürbittendes Gebet waren gleichwertige gegenseitige Leistungen. Denn die Kirche bedurfte des weltlichen Schutzes. Herrschaft hatte ihre letzte Legitimation in der Erwählung durch Gott. Sie konnte daher nur im Auftrage Gottes geübt und nur mit seiner Hilfe auch zum Erfolg geführt werden. Das widersprach dem grundsätzlichen christlichen Dualismus der geistlich-religiösen und der weltlich-herrscherlichen Sphäre keineswegs. Denn beide haben nach mittelalterlicher Vorstellung ihren Ursprung und Halt in Gott. Daher fordert dieser nicht absolute Trennung, wie sie in den modernen Staaten und auch im Völkerrecht der Gegenwart strukturell weitgehend realisiert ist. Zu ihm gehören im Mittelalter vielmehr eine vielfältige Verknüpfung, gegenseitige Stützung und Einwirkungen, da beide Sphären das öffentliche Gemeinwesen konstituieren. Die Gefahr der Übermächtigung der einen Sphäre durch die andere ist dabei allerdings immer gegeben gewesen, hat sich auch immer wieder in der einen oder der anderen Richtung verwirklicht und in späterer Zeit zu heftigen grundlegenden Auseinandersetzungen weit über den Investiturstreit hinaus geführt. Das karolingisch-päpstliche Verhältnis bildete insofern gewiß ein besonderes Zwischen-Mächte-Verhältnis, weil durch die grundsätzlich religiös-kirchliche Stellung des Papstes diese Sphäre eine grundlegende und vorrangige, strukturelle Bedeutung für dieses Verhältnis hatte. Manchesmal scheint der grundsätzliche Dualismus der geistlich-religiösen und der weltlich-herrscherlichen Sphäre gegen Null zu tendieren und jedenfalls in der Sicht der Päpste die erste die zweite aufzusaugen. In der Realität war das nicht der Fall. Es wird sich aber zeigen, daß auch in den anderen Zwischen-Mächte-Beziehungen der Karolinger die religiös-geistliche oder kirchliche Sphäre ebenfalls eine mitbegründende, wenn auch nicht so dominante Rolle spielte.

Fazit

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b. Verlagerung Hatte die Beziehung zwischen Kaiser und Papst ihren Zwischen-Mächte-Charakter, wenn auch langfristig seit der Kaisererhebung Karls verloren? In gewisser Weise ist eine Unterordnung eingetreten. Als Kaiser konnten Karl und seine beiden Nachfolger kaiserliche Rechte geltend machen, aber keine fränkisch-königlichen. Prinzipiell blieb der „Kirchenstaat“ von den Franken und vor allem vom Unterkönigreich Italien unabhängig. Er wurde nicht eingegliedert. Er war päpstlich und kaiserlich, nicht fränkisch oder „italisch“. Karl hat in Rom, soweit zu sehen, kein Recht gesetzt. Von anderen Akten der Oberhoheit ist für Karls Kaiserzeit nach 801 auch nicht die Rede. Er forderte von den Römern 802 auch nicht den Treueid, den in diesem Jahr erneut alle seiner Herrschaft unterworfenen freien Männer leisten mußten. Allerdings soll er missi auch in das päpstliche Italien entsandt haben.207 Die intensivierte Kirchenreform griff nicht auf das Papsttum und die ihm unterstellten Gebiete über. Insofern erhielt sich zunächst eine selbständige Position. Das Kaisertum schuf so zwar eine neue normative Struktur für das Verhältnis zwischen den karolingischen Kaisern und den Päpsten. Es ersetzte aber zunächst nicht grundsätzlich die Bündnisstruktur, wie das Pactum Hludovicianum und seine Entstehung zeigen. Unter Ludwig scheint allmählich eine Verdeutlichung der Grundlagen des Verhältnisses, aber auch eine Verlagerung auf die kaiserlichen Befugnisse eingetreten zu sein. Die umfassende Aufgabe der defensio der Kirche und des Glaubens blieb zwar bestehen. Aber sie wurde von einer Bündnispflicht, als welche sie Karl der Große in seinem Brief an Leo III. anläßlich der Erhebung zum Papst, also vor der Kaiserkrönung formuliert hatte, eher zu einer einseitigen kaiserlichen Aufgabe. Die zwar von Lothar I., aber im Auftrag Ludwigs erlassene Constitutio Romana brachte eine Verstärkung der Regelungen der kaiserlichen Position in Rom vor allem hinsichtlich der Rechtsprechung, der Papstwahl und des Treueides für die beiden Kaiser Ludwig und Lothar.208 Anders als 817 für das Hludovicianum waren ihrem Erlaß offenbar keine zweiseitigen Verhandlungen vorhergegangen, jedenfalls wird davon nirgendwo etwas berichtet. Die durch sie weitergeführte Verlagerung erklärt sich zwar aus den Umständen ihres Erlasses nach erneuten Unruhen. Es fand durch den Treueid der Römer an den Kaiser sogar eine gewisse Eingliederung des „Kirchenstaates“ in das karolingisch-kaiserliche Großreich, jedoch mit einem eigenen status statt.209 Denn nach wie vor hatte der Papst seine ursprüngliche, nicht vom Kaiser abgeleitete Herrschaft inne. Der Kaiser war zwar oberste Appell- und Ordnungsinstanz, aber es fehlte an einer direkten Gesetzgebung der Kaiser in Rom und anderer direkter Herrschaftsakte im normalen Gang der alltäglichen Dinge. Jedoch ging die außenpolitische Handlungsfähigkeit des Papstes weitgehend verloren. Die Schutzaufgabe des Kaisers für den Apostolischen Stuhl erfaßte auch die Außenbeziehungen. In das Pactum Veneticum Hlotharii, das Kaiser Lothar I. 840 mit dem Dogen Petrus und den Venezianern abschloß, werden nicht nur die dem venzia-

207 208 209

Classen, Karl der Große, S. 81, aber ohne Belegstellen. MGH LL II, Capit. I, Nr. 161, S. 322. Ewig, Kulmination, S. 130.

200

Beziehungen zum Papsttum

nischen Dukat benachbarten kaiserlichen, sondern auch die päpstlichen Gebiete des Ravennats u. a. einbezogen. Es gibt aber keinen Hinweis auf eine Beteiligung des Papstes. So wird man wohl feststellen müssen, daß die ursprüngliche Zwischen-Mächte-Beziehung zwischen karolingischen Herrschern und Päpsten sich am Ende stark einseitig zugunsten einer Hoheit der Kaiser entwickelt hat.

c. Pactum und amicitia Der Durchgang durch die Entwicklung der Beziehungen zwischen den karolingischen Herrschern und den Päpsten von Pippin bis Ludwig dem Frommen hat zwar die vorherrschende Auffassung bestätigt, daß es eine ständige vertragliche Bindung zwischen den Frankenherrschern und den Päpsten gegeben hat. Jedoch wird in der geschichtswissenschaftlichen Analyse diese vertragliche Bindung nach pactum und amicitia differenziert. In Ponthion sei zunächst durch gegenseitige Eidesleistung eine amicitia geschlossen worden, der das schriftliche pactum gefolgt sei. Das pactum oder pacis foedus sei somit von der voraufgehenden und zugrundeliegenden amicitia dergestalt zu unterscheiden, daß es in seinen durchaus unterschiedlichen Fassungen die schriftliche Festlegung bestimmter Inhalte sei, also nicht die amicitia als Ganze umfasse.210 Es wird daraus auf zwei Verträge geschlossen, der erste eidlich-mündlich, der zweite schriftlich geschlossen. Eine ältere Auffassung unterscheidet, wie erwähnt, eine amcitia als „fränkische Schwurfreundschaft“ und ein einseitiges karolingisches Schutzversprechen für den Papst. Der Begriff amicitia wird in den Quellen für das Verhältnis zwischen den fränkischen Herrschern und den Päpsten selten verwendet. Zum ersten Mal wird er von Paul I. in einem Brief an Pippin gebraucht, in ea caritate atque amicitia permanere.211 Paul I. bezieht sich dort zudem auf die Salbung. Auf die amicitia wird auch in der Wahlanzeige Konstantins II., also wiederum von päpstlicher Seite, abgestellt. Jedoch wird von fränkischer Seite ein enger Zusammenhang sowohl im Bericht der Reichsannalen über die Verhandlungen Ludwigs mit Stephan IV. in Reims und der Schlußbestimmung des Pactum Hludovicianum hergestellt, bei einer neuen Papstwahl die amicitia immer wieder zu erneuern. Daraus ergibt sich einerseits, daß das Bündnis jedenfalls 817 als amicitia von Anfang an verstanden wurde. Zum anderen bestand danach ein enger wechselseitiger Zusammenhang zwischen pactum und amicitia. Das pactum erscheint als ein Element der amicitia, deren stetige Erneuerung wiederum durch das pactum festgelegt wird. Es liegt nach dem Blick auf die verschiedenen Elemente pactum, amicitia, Salbung, patricius Romanorum, Kaisertum näher, nicht von zwei verschiedenen Verträgen, sondern von einem normativen Gesamtverhältnis zu sprechen, in dem vertragliche Beziehungen verschiedener Art mit anderen Beziehungsformen zusammenwirkten, wenn auch die vorstehend geschilderte Entwicklung in Richtung auf eine beschränkte und 210

211

Drabek, Verträge, S. 21, 27, 99ff.; insoweit zustimmend Fried, Besprechung, HZ 227 (1978), S. 667. Codex Carolinus, Nr. 24, MGH Epp. III., S 527, 528 Z. 37.

Die fränkisch-langobardischen Beziehungen

201

sehr lockere kaiserliche Hoheit bedacht werden muß. Diese schloß, jedenfalls in ihrer sehr offenen Form, vor allem die amicitia zwischen Papst und Kaiser nicht aus. Da der Begriff amicitia auch für andere Zwischen-Mächte-Verhältnisse mit Offa, oströmischen Kaisern und auch Harun al-Rashid gebraucht wird, erscheint er als ein allgemeiner Begriff für bestimmte Inhalte der Beziehungen zwischen Mächten. Er ist als solcher später zu erörtern.212

212

Unten Teil IV, 3. Kapitel.

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Beziehungen zu anderen christlichen Mächten

3 . Kapi t el: B e zieh u n ge n zu a nde re n c hrist lic he n M ä c ht e n E i n fü h r u n g Die Beziehungen der Karolinger zu den anderen christlichen Mächten, dem langobardischen Königreich, den langobardischen Herzogtümern Spoletto und Benevent, den Königreichen in England, zum asturischen Königreich und zum Dukat von Venedig bzw. deren jeweiligen Königen, Fürsten und Völkern waren in dem Jahrhundert des karolingischen Großreiches von unterschiedlicher Intensität, Dauer und Festigkeit. Sie geben im Hinblick auf ihre normative Gestaltung eine bemerkenswerte Variationsbreite.

I. Di e fr än k i sc h -l an g o b ar d i s ch en B ez i eh u n g en a. Einführung Zwar endeten die Beziehungen zwischen Franken und Langobarden 774 mit der Vertreibung des langobardischen Königs Desiderius und der Übernahme der langobardischen Königskrone durch Karl den Großen. Aber zum einen ist dieser Vorgang selbst von Interesse für die Analyse und Darstellung der Zwischen-Mächte-Beziehungen im 8. und 9. Jahrhundert. Zum anderen ging dieser Übernahme eine längere Zeit wechselnder, auch normativ in verschiedener Weise geordneter Beziehungen voraus. Seit 754 waren, wie bereits dargelegt, diese eng verknüpft mit den Beziehungen der karolingischen Herrscher Pippin und Karl mit den Päpsten. Aber es waren auch andere Einflüsse wirksam. Sie sind in jedem Fall in ihrer Eigenheit zu begreifen.

b. Merowinger Zum besseren Verständnis des Verhältnisses zwischen den karolingischen und den langobardischen Herrschern im 8. Jahrhundert bis 774 sei zunächst auf die älteren Vorgänge eingegangen. Während der Eroberung Italiens durch die Langobarden seit dem 6. Jahrhundert schwankten, wie bereits dargelegt, die Merowinger zwischen Bündnissen mit den Kaisern gegen sie und Übereinkommen mit ihnen. Nach dem bereits erwähnten Bündnis König Childeberts II. mit Kaiser Mauricius, das für diesen ergebnislos und teuer war, kam es 589 und 590 erneut zu kriegerischem Vorgehen der Franken in Italien im Bündnis mit dem neu eingesetzten Exarchen von Ravenna.1 Jedoch versuchten die langobardischen Könige Authari und seine Nachfolger wiederum, zu einem Ausgleich mit den Franken zu kommen. Im Jahr 591 wurde ein Friedens- und Bündnisvertrag abgeschlossen, der allerdings die Tributzahlungen der Langobarden und damit eine gewisse, aber sehr lockere Hegemonie der Franken erneuerte. Es wurde sogar eine eheliche Verbin1

Jarnut, Geschichte, S. 41.

Die fränkisch-langobardischen Beziehungen

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dung des Königs Adaloald mit der Tochter Theudeberts II. geplant, die aber nicht zustande kam. In den Jahren 616/17 kam es jedoch zum Ende des Tributs.2 Seither herrschte wohl für längere Zeit ein Friedens- und Bündniszustand zwischen beiden Reichen. Die Langobarden zogen mit den Franken gegen Samo von Mähren und waren, anders als die Franken, siegreich.3 Im Zusammenhang mit innerlangobardischen Auseinandersetzungen zwischen dem König Grimoald und dem von ihm vertriebenen Perctarit, der zu den Franken geflohen war, fiel 662/63 noch einmal ein fränkisches Heer in Italien ein, wurde aber geschlagen. Es kam um 670 zu einem neuen Friedensschluß. Danach griffen die merowingischen Könige nicht mehr in Italien ein.

c. Karolinger Unter dem langobardischen König Liutprand und Karl Martell wandelte sich das Verhältnis erneut in ein Bündnis. Die Langobarden unterstützten den Hausmeier bei der Eroberung der Provence.4 Vor allem aber veranlaßte Karl den langobardischen König Liutprand, seinen Sohn Pippin zu adoptieren, der auf diese Weise zu einem Königssohn erhoben wurde.5 Vielleicht war dies von Karl Martell als Weg zur Königsherrschaft der Karolinger im Frankenreich gedacht. Da jedoch, wie dargelegt, nach dem Tode Liutprands seine Dynastie von den Friauler Herzögen abgelöst wurde, war die enge quasi-verwandtschaftliche Verbindung zwischen dem inzwischen nach dem Tode seines Vaters selbst zum Hausmeier in Neustrien aufgestiegenen Pippin und der langobardischen Herrscherfamilie gelöst. Da ab 754 die fränkisch-langobardischen Beziehungen eng mit den fränkisch-päpstlichen Beziehungen verwoben waren, ja von diesen her bestimmt wurden, waren sie bereits auch Gegenstand ihrer Darstellung.

d. Pippin und Aistulf Ob und wieweit gerade diese innerlangobardische Ablösung der Dynastie, die Pippin aufgenommen hatte, diesen mit zu seiner Intervention gegen Aistulf und die Langobarden bestimmte, ist unklar. Immerhin hat Pippin seine Siege über Aistulf nicht dazu genutzt, Hildeprand wieder auf den Thron zurückzuführen. Aber eine gewisse Spannung zwischen Pippin und Aistulf könnte entstanden sein, die den fränkischen König geneigter machte, dem Aufruf Stephans II. zu folgen. Aus den bisherigen Beziehungen und dem fränkisch-langobardischen Verhältnis im Epochenjahr 754 läßt sich ein eigenes, allerdings nicht unbedingt dringendes Interesse Pippins an einer Intervention in Italien gegen die Langobarden gewinnen. Sowohl 755 als auch 756 wurde Aistulf besiegt, aber noch nicht gestürzt. Pippin habe den Bitten seiner Großen nachgegeben und dem langobardischen König großzü2 3

4 5

Fred. chron. cont., c. 45, S. 143. Fred. chron. cont., c. 68, S. 154f.; Jarnut, Geschichte, S. 57; die Franken setzten sich auch für die Königin Gundeberga ein, Fred. chron. cont., c. 51, S. 145f., c. 70/71, S. 156f. Paulus Diaconus, Historia, lib. 6, c. 53 und 54. Wolf, Nochmals zur „Adoption“ Pippins d. J, passim.

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Beziehungen zu anderen christlichen Mächten

gig Leben und Königreich belassen. Da er in den Verträgen nicht nur dem Papst die eroberten Gebiete herausgeben, sondern sich außerdem der dicio Pippins unterordnen, ihm Tribut zahlen, Geiseln stellen und sich 756 sogar dem Gerichtsspruch der fränkischen Großen wegen des Bruchs des Vertrages von 755 unterwerfen mußte, war eine, wenn auch lockere, fränkische Oberhoheit etabliert.

e. Desiderius Aistulf starb wenig später bei einem Jagdunfall. Die Oberhoheit Pippins zeigte jetzt darin ihre Bedeutung, daß, nach einer vorläufigen Rückkehr Rachtis, des Bruders und Vorgängers Aistulfs, auf den Thron, die Erhebung des Herzogs von Tuszien, Desiderius, zum neuen König und damit einer neuen Dynastie seiner Zustimmung bedurfte, una cum consensu...rege Pippino. Auch hier ist die Vita Stephani ausführlicher. Desiderius mußte schriftlich und unter Eid gegenüber dem Bruder des Papstes und späteren Papst Paul und dem Abt Fulrad als Vertreter Pippins versprechen, die territorialen Zusagen von Pavia zu erfüllen. Danach stimmte der Papst der Erhebung des Desiderius zu,6 so daß er nach dieser Darstellung mit Beistand des Papstes die Königswürde erlangt hat, aber unter gleichzeitiger Anerkennung der Verpflichtungen aus den Verträgen Aistulfs von 755/756. Das römisch-fränkisch-langobardische Dreiecksverhältnis zeigte in diesen unterschiedlichen Berichten seine Probleme. Aber noch waren die Langobarden weitgehend unabhängig. Desiderius wußte sich schnell wieder politischen und kriegerischen Spielraum zu verschaffen. Das führte zu den bereits behandelten weiteren Hilferufen, insbesondere Pauls I. Denn Stephan II. starb nur einen Monat nach der Erhebung des Desiderius im April 757. Dieser erfüllte jedoch nicht nur seine Zusagen nicht, sondern nutzte die Schwäche des Papsttums beim Übergang zu Paul I., um in Benevent und Spoletto zu intervenieren, ihm ergebene Herzöge einzusetzen und so die beiden Herzogtümer wieder seiner Königsherrschaft zu unterwerfen.7 Er ließ seinen Sohn Adalgis zum Mitkönig erheben und sicherte so seine Dynastie. Desiderius gab zwar 757 einige civitates, u. a. Ferrara und Faenza, an den Papst heraus, behielt aber den überwiegenden Teil der noch in langobardischem Besitz befindlichen Gebiete, die Stephan II. zugesagt worden waren. Auch versuchte er, mit den süditalienischen und sizilischen Amtsträgern gegen den Papst und die Franken Bündnisse zu schließen. Pippin entsandte auf Grund der Hilferufe Pauls I. 760 Gesandte an Desiderius. Diese vereinbarten wohl mit ihm, daß er die iustitias des hl. Petrus herausgeben wolle. Genannt werden patrimonia, iura, loca atque fines et territoria deversarum civitatum des Papstes.8 Es ging also nicht nur um Territorien. Pippin kam damit zwar seinen vertraglichen Pflichten gegenüber dem Papst nach, stützte sich aber wohl auch auf seine oberherrlichen Rechte gegenüber Desiderius. Desiderius baute jedoch seine Machtstellung immer mehr aus, ohne daß die Franken zunächst direkt intervenierten. Dazu gehörten auch erste Heiratsverbindungen; so

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Fred. chron. cont., c. 39 (122), Vita Stephani II., Liber pontificalis. I, S. 455. Jarnut, Geschichte, S. 117f. Brief Pauls I. an Pippin 760, Codex Carolinus, Nr. 19, MGH Epp. III, S. 519.

Die fränkisch-langobardischen Beziehungen

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heiratete 763 der Bayernherzog Tassilo die Tochter des Desiderius, Liutperga.9 Als 767 Paul I. starb, versuchte Desiderius, zunächst Konstantin II., einen ihm getreuen Kandidaten als Papst durchzusetzen, scheiterte jedoch schließlich. Vielmehr wurde Stephan III. als Kandidat der anti-langobardischen Partei zum Papst gewählt.10

f. Heiratsverbindung Der Tod Pippins 768 und der Übergang der Herrschaft auf dessen Söhne Karl und Karlmann schien, wie dargelegt, zunächst zu einem erneuten renversement des alliances zu führen. Die Witwe Pippins, Bertrada, vermittelte eine Heirat Karls mit einer weiteren Tochter des Desiderius, so daß es dadurch wiederum zu einem fränkisch-langobardischen Bündnis kam.11 Diese Heirat ist im Kontext der Auseinandersetzungen zwischen den beiden fränkischen Brüdern einzuordnen. Karlmann war bereits mit einer anderen Tochter des Desiderius verheiratet.12 Da diese neue Verbindung das Verhältnis der karolingischen Dynastie zum Apostolischen Stuhl berührte, kam es zu dem Protestbrief Stephans III.13 Zwar kam die Heirat trotz dieser Proteste wohl 770 zustande. Desiderius war für einen Moment zu höchster Machtfülle aufgestiegen. Stephan III. mußte sich um 771 zum Ausgleich mit Desiderius bequemen.14 Jedoch war die neue Verbindung zwischen den Karolingern und dem langobardischen Königshaus nur von kurzer Dauer. Der Versuch des Desiderius, sich nach Karlmanns Tod 771 zugunsten der Söhne, seiner Enkel, auch mit Hilfe Hadrians I. in die inneren Angelegenheiten der Nachfolge im Frankenreich einzumischen, brachte wohl den endgültigen Bruch mit Karl.15 Dieser verstieß seine langobardische Frau und heiratete die Alemannin Hildegard.16 Hadrian I. verweigerte nicht nur die Königssalbung der Söhne Karlmanns, sondern bestand zudem nachdrücklich gegenüber Desiderius auf der Erfüllung der von Aistulf und ihm selbst zu Beginn seiner Regierung gegenüber Pippin und Stephan II. gegebenen Versprechen, die von den Päpsten beanspruchten Gebiete herauszugeben.17 Er schaltete außerdem die langobardische Partei in Rom aus und berief die unter Stephan III. exilierten römischen profränkischen Amtsträger zurück. 9

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Hier kann offen bleiben, ob diese auch für Tassilo ein Weg war, sich von der fränkischen Oberhoheit zu lösen, Fried, Weg, S. 243 will eine Zustimmung Pippins und Karls zu dieser Verbindung nicht ausschließen. Vita Stephani III., Liber pontificalis I, S. 468ff. Zu diesem Heiratsprojekt, Ary, Politics, passim. Oben S. 164f. Die Reichsannalen verschweigen diesen Vorgang. Wir kennen diese Ereignisse nur zum Teil aus dem Brief Stephans III. an Karl und Karlmann, Codex Carolinus, Nr. 45, MGH Epp. III., S. 560; i. ü. dazu Jarnut, Geschichte, S. 119; Schieffer, Karolingerreich, S. 549, mit weiteren Verweisen; Fried, Weg, S. 246f.; ausführlich Wolf, Qualität passim, insbes. S. 405 ff. Anm. 12, dt. Anhang Nr. 10. Schieffer, Karolingerreich, S. 549. Ann. regni. Franc. ad a. 771. Fried, Weg, S. 247f. Vita Hadriani I., Liber pontificalis I, S. 493.

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g. Rex Francorum et Langobardorum Anders als Pippin 755 vertrat Karl der Große 774 in der nachfolgenden Auseinandersetzung mit Desiderius wegen dessen Unterstützung der Ansprüche der Söhne Karlmanns auch ein persönliches Interesse. Immerhin ging es um die Wahrung seiner Alleinherrschaft im fränkischen Gesamtreich. Die Wiederaufnahme der Eroberungspolitik durch Desiderius gegen das Exarchat von Ravenna, das Dukat von Rom und die urbs selbst18 veranlaßte Karl den Großen nach entsprechender Beratung mit den Großen auf Bitten Hadrians nach einer Reichsversammlung 773 in Genf zum Marsch nach Italien. In den Berichten die Reichsannalen heißt es knapp, der Krieg sei pro Dei servitio et iustitia sancti Petri seu solatio ecclesiae unternommen worden. Die später abgefaßten sogenannten Einhardannalen berichten bellum sibi contra Langobardos pro defensione Romanorum.19 Zwar erreichte Karl recht zügig Pavia. Aber die Stadt widerstand zunächst der Belagerung. Jedoch fielen mehrere Herzogtümer, darunter auch Spoletto, von Desiderius ab. Deren duces unterstellten sich allerdings nicht dem fränkischen König, sondern dem Papst.20 Auf Karls Romzug und seine erneuerte promissio donationis wurde schon eingegangen.21 Nach seiner Rückkehr wurde Pavia im Juni 774 erobert. Desiderius wurde gefangengenommen und mit seiner Frau nach Franken geschickt.22 Ein neuer langobardischer König wurde nicht erhoben. Karl übernahm selbst den Titel des rex Langobardorum neben dem des rex Francorum und erhielt auf diese Weise die unmittelbare eigene Königsherrschaft im Langobardenreich. Von einem Einsetzungsakt wird nichts berichtet.23 Formell wurde, wie bereits dargelegt, das langobardische Königreich dem Frankenreich aber nicht völlig eingegliedert, sondern blieb jedenfalls dem Namen nach als eigenes Königtum im Herrschaftsbereich Karls des Großen erhalten. Seine Unabhängigkeit und Eigenständigkeit hatte es jedoch verloren. Später wurde es zu einem Teilkönigreich unter dem Sohn Karls, Karlmann, der 781 von Hadrian I. auf den Namen Pippin getauft, anschließend zum König gesalbt und gekrönt wurde.24 806 wurde es in der Divisio regnorum um einige Gebiete erweitert. Karl behielt den Titel rex Langobardorum aber bei. Erst Ludwig der Fromme gab diesen auf. Erst damit war eigentlich das langobardische Königtum auch dem Namen nach verschwunden. Der Sohn und Mitkönig des Desiderius, Adalgis, hatte sich mit Karlmanns Familie nach Verona begeben. Dort fiel diese in die Hände Karls, der auch sie ins Frankenreich brachte. Man hörte später nichts mehr von ihr. Adalgis floh nach Konstantinopel. Sei-

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Sehr knapp Ann. regni Franc. ad a. 774; ausführlicher Vita Hadriani, Liber pontificalis I, S. 491. Ann. regni Franc. ad a. 773; Ann. q. d. Einhardi ad a. 773. Vita Hadriani, Liber pontificalis I, S. 495ff. Oben S. 167f., 191. Ann. regni Franc. ad. a. 774; Vita Hadriani, Liber pontificalis I, S. 499. Classen, Karl der Große, S. 21. Ann regni Franc. ad a. 781.

Die fränkisch-langobardischen Beziehungen

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ne von Hadrian I. ständig befürchtete Rückkehr mit der Unterstützung der Byzantiner erfolgte erst 787.25 Im Jahre 775 kam es zu einem Aufstand des langobardischen Herzogs Hrodgaud von Friaul. Fraudivit fidem suam et omnia sacramenta rumpens et voluit Italiam rebellare, heißt es in den Reichsannalen. Die Erhebung war also in fränkischen Augen ein Treubruch, eine Rebellion. Hrodgaud wurde getötet. Das führte zu einer stärkeren, unmittelbaren Herrschaft der Franken.26

h. Benevent und Spoletto Mit der Übernahme der langobardischen Königskrone fielen auch die Herzogtümer Benevent und Spoletto unter Karls Oberhoheit. Jedoch erhob Hadrian I. auf beide Ansprüche. Es gelang nur begrenzt, sie dem direkten fränkischen Herrschaftsbereich einzufügen. Insbesondere Benevent behielt ständig eine mehr oder weniger weitgehende Selbständigkeit bis hin zur Unabhängigkeit. 787 versuchte sich Herzog Arichis, ein Schwiegersohn des Desiderius, gegenüber Karl zu behaupten. Er mußte aber seine Söhne und weitere Geiseln dem fränkischen König übergeben.27 Nach dem Tode des Arichis setzte Karl der Große dessen Sohn Grimoald, entgegen dem Rat Hadrians I., als Herzog ein. Zunächst hielt dieser auch zu Karl gegen die Byzantiner, mit denen auch der Sohn des Desiderius Adalgis zurückgekehrt war. Grimoald schlug diese vernichtend mit nur geringer fränkischer Unterstützung. Dann aber begann er, sich von den Franken zu lösen und eine unabhängige Stellung zwischen Aachen und Byzanz anzustreben. Das war auch durch einige Interventionen des italienischen Königs Pippin in den folgenden Jahren nicht zu verhindern.28 So blieb im Herzogtum Benevent ein Rest langobardischer Herrschaft mit prekärer Selbständigkeit erhalten.

i. Fazit Das Verhältnis der Karolinger zu den Langobarden war seit 753 wesentlich durch ihr Verhältnis zum Papsttum und den Päpsten bestimmt. Von diesen kam jedenfalls ursprünglich der Anstoß zur fränkischen Langobardenpolitik unter Pippin. Das spätere Vorgehen Karls lag in der Konsequenz dieses ersten Schrittes, wenn er auch wegen der Söhne Karlmanns ein eigenes Interesse an der Ausschaltung ihres Schutzherrn Desiderius hatte. Mit der Übernahme der Königsherrschaft des Langobardenreiches durch den fränkischen König in Italien war der Westen weitgehend, ausgenommen vor allem Spanien, wieder unter einer Herrschaft vereint. Das hatte wiederum Konsequenzen für die Gestaltung des Verhältnisses des fränkischen Königs zum Papsttum und seinem weltlichen Herrschaftsbereich, aber auch für das Verhältnis zu Byzanz, mit dem es, worauf schon 25 26 27 28

Classen, Karl der Große, S. 33. Ann. regni Franc. ad a. 775 und 776. Ann regni. Franc. ad a. 787. Classen, Karl der Große, S. 33f.

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hingewiesen wurde, nunmehr in Venetien und Istrien, aber auch im Süden gemeinsame Grenzen hatte. Außerdem war damit das Frankenreich politisch zu einer dem Inhalt nach bereits imperialen Macht aufgestiegen. Denn es gelang den karolingischen Königen und Kaisern bis Lothar I., ihrer Herrschaft in Italien für längere Zeit Stabilität zu verleihen.29 Sie verfügten nunmehr direkt oder, was Rom betrifft, indirekt über die alten sedes imperii des Westens.

I I. D ie f rä n k is ch - en g l i s ch en B ez i eh u n g en a. Einführung Zur Zeit Pippins wird in den fränkischen Quellen über Kontakte politischer Art mit englischen Königen nichts berichtet. Das heißt nicht, daß es solche nicht gab. Aber sie schienen den fränkischen Annalisten wohl nicht von hinreichender Bedeutung. Jedoch bestanden durch die angelsächsischen Missionare, insbesondere Willibrord und Bonifatius, sehr intensive religiöse Beziehungen. Auch der führende Berater Karls des Großen, Alcuin, stammte aus England. Andere Kirchenmänner, wie der erste Bischof von Münster, Ludger, waren Engländer.30 Karl nahm allgemein von den 780er Jahren an Interesse an den englischen Vorgängen. Vor allem unterhielt er Beziehungen mit Offa von Mercien. Außerdem bestanden auch Kontakte der Franken mit Northumbrien. Nach Karls Tod, zur Zeit Ludwigs des Frommen, brachen die Verbindungen offenbar ab. Fränkische Quellen für die Beziehungen sind vor allem Briefe, die Karl der Große und Alcuin nach England sandten. Das bedeutendste Schreiben ist der eingangs zitierte Brief Karls des Großen an Offa aus dem Jahre 796.31 Dieser Brief ist zwar nicht der erste, der überliefert worden ist; der erste stammt aus dem Jahr 793.32 Ihm kommt jedoch für diese Untersuchung eine auch allgemeine Bedeutung zu, da er grundsätzliche, auch rechtliche Aussagen zum Verhältnis zwischen christlichen Königen enthält. Er wird daher immer wieder herangezogen werden. Briefe Offas sind nicht überliefert. Die Reichsannalen geben nur in sehr begrenztem Maß Auskunft über diese Verbindungen. Es wird fast nichts über fränkisch-englische Vorgänge berichtet. Vor allem fehlen völlig Mitteilungen über Gesandtschaften, obwohl Briefe ausgetauscht wurden, die von Gesandten oder zumindest Boten überbracht worden sein müssen. Nur für das Jahr 808 wird von der Rückführung des vertriebenen northumbrischen Königs 29 30

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Classen, Karl der Große, S. 22. Zur von England ausgehenden Mission auf dem Kontinent ausführlich Levison, England, 45ff. Auch Story, Connections S. 19ff. legt für diese Zeit das Gewicht der Beziehungen auf die religiös-kirchliche, nicht auf die politisch-weltliche Sphäre. Diese treten in ihren Untersuchungen aber für die Zeit Karls des Großen und Offas von Mercien deutlicher hervor, Levison, England, S. 111ff.; Story, Connections, S. 135ff. Alcuini epp., Nr. 100, MGH Epp. IV, S. 145, dt. Anhang Nr. 1. Alcuini epp., Nr. 87, MGH Epp. IV, S. 131; Karl bezeichnet in diesem Schreiben Offa als frater et amicus und sandte ihm einen in Köln lebenden englischen Priester, der das Abstinenzgebot verletzt hatte, damit er durch seinen Bischof abgeurteilt werde.

Die fränkisch-englischen Beziehungen

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berichtet. Ein Grund für das Schweigen der Quellen ist nicht ersichtlich. Die Beziehungen, insbesondere zu Offa, waren einerseits nicht bedeutungslos, andererseits keineswegs völlig konfliktfrei. Zu echten Auseinandersetzungen kam es allerdings nicht. Die Beziehungen politischer Art zwischen Mercien und den Karolingern begannen oder verdichteten sich zur Greifbarkeit um 784 nach der Ausdehnung und Festigung der Hegemonie Offas über die kleineren englischen Königreiche. Sie hatten drei Ebenen: die kirchliche, die dynastische und die ökonomische. Fragen der Herrschaft, also politische Fragen i. e. S., spielten nur am Rande eine Rolle. Die drei anderen Ebenen waren aber derart miteinander verwoben und wirkten aufeinander ein, daß sie insgesamt eine im weiteren Sinne politische Dimension dieser Beziehungen formten.

b. Religiös-kirchliche Beziehungen Seit dem Ende des 7. Jahrhunderts wirkten englische Missionare in Franken, prägten und gestalteten die fränkische Kirche wesentlich. Insbesondere begründeten sie deren Rombindung. So entstand kirchlich eine Art Dreiecksverhältnis.33 Zu nennen sind Willibrord und vor allem Bonifatius, der „Apostel der Deutschen“. Sie missionierten die Friesen, Thüringer, Sachsen und andere im Auftrag des Papstes und unter dem Schutz und der Förderung der Karolinger seit dem Hausmeier Pippin dem Mittleren. Sie reformierten aber auch die fränkische Kirche selbst und banden sie stärker an Rom. Zur Zeit Karls lebten mehrere englische Priester mit hohem Rang in Franken: Lullus als Erzbischof von Mainz, Ludger als Abt von Verden und Bischof von Münster, Gervold als Abt von St. Wandrille u. a. Der bedeutendste und einflußreichste aber war zweifellos der northumbrische Mönch und Gelehrte aus der Yorker Kathedralschule Alcuin.34 Er war Lehrer an der Palastschule, Mitglied der „Akademie“, Berater und Freund Karls. Er wurde später Abt von St. Martin in Tours. Es dürfte kein Zufall sein, daß die Intensivierung der Beziehungen zwischen Karl und Offa gerade zu der Zeit begann, als Alcuin um 782 an den Hof Karls kam. Es ist anzunehmen, daß er wesentlich zu ihrer Entwicklung beigetragen hat.35 Seine Rolle für die fränkisch-englischen Beziehungen ist kaum zu überschätzen. Er stand in ständigem Briefkontakt mit Offa und anderen englischen Königen, mit Erzbischöfen, Bischöfen und Äbten. Er vermittelte zwischen Karl und Offa. Konkret wurden diese Beziehungen in Gebetsverbrüderungen36 und auch im Aufruf zum Gebet für Karl.37 Nicht nur der Glaube, auch die institutionelle Kirche umfaßte die verschiedenen Königreiche. Karl entsandte 786 mit den päpstlichen Legaten einen eigenen Gesandten, Abt Wigbod, zu den Synoden in Northumbrien und Mercien, die auf päpstliche

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Angenendt, Frühmittelalter, S. 268 ff. Die religiös-kirchlichen Bindungen stehen im Zentrum der Darlegungen Levisons, England and the Continent. Seaman, History, S. 17. Loyn, Governance, S. 27. Councils, S. 400, 434, 439; zu Gebetsverbrüderungen generell Angenendt, Religiosität im Mittelalter, S. 712ff. Alcuin an englische Bischöfe, Alcuini epp., Nr. 104, MGH Epp. IV, S. 150.

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Vorschläge hin Reformen der englischen Kirche beschlossen.38 Er sandte Offa die Akten des II. Konzils von Nicaea, um ihn in dessen Verurteilung mit einzubeziehen.39 Eine Delegation englischer Bischöfe war auf der Synode von Frankfurt von 794 anwesend, war also in die Verurteilungen des Adoptianismus und der Bilderthesen des Konzils von Nicaea und die Beschlüsse zur Reform der Kirche einbezogen.40 Karl hat seinerseits wahrscheinlich auch Offas Wunsch bei Hadrian I. unterstützt, das Erzbistum Canterbury zu teilen und in Mercien mit Lichfield ein eigenes Erzbistum zu errichten.41 Die kirchlich-religiösen Beziehungen boten nicht nur einen inhaltlichen, sondern auch einen institutionellen Rahmen der Verbindung und Ordnung der gegenseitigen Verhältnisse und Beziehungen. Dieser ermöglichte ständigen Kontakt, Briefwechsel auf verschiedenen Ebenen, gab Ansatzpunkte für Vermittlung auch in weltlichen Angelegenheiten über eine Vielzahl von „Ansprechpartnern“. Die lebhafte Korrespondenz Alcuins ist dafür ein beredtes Zeugnis. Für keine andere karolingische ZwischenMächte-Beziehung ist das durch die überlieferten Dokumente so gut greif- und belegbar. In diesen institutionellen Rahmen ordnete sich auch der Schutz für englische Pilger auf ihrem Zug nach Rom ein, den Karl ihnen in dem erwähnten Brief an Offa einräumte.42 In diesem institutionellen Rahmen stehen auch zwei eher politische Vorgänge, ein Brief Karls an den Erzbischof von Canterbury über die englischen Flüchtlinge im Frankenreich und die genannte Rückführung des northumbrischen Königs Eardwulf im Jahr 808 durch eine gemeinsame Gesandtschaft mit Papst Leo III.

c. Beziehungen im dynastischen Bereich Die dynastischen Beziehungen kamen, anders als die kirchlichen, über einen Versuch um 789 zur ehelichen Verbindung zwischen Offas Sohn und einer Tochter Karls nicht hinaus. Zwar forderte Karl eine Tochter Offas für seinen Sohn; er selbst war aber nicht bereit, seine Tochter an Offas Sohn zu geben. Offas Ansinnen führte über die Weigerung hinaus zu einer heftigen Reaktion Karls. Er schloß die fränkischen Häfen für englische Kaufleute. Daraufhin verhängte Offa ein Embargo für fränkische Kaufleute in englischen Häfen.43 Eigentümlicherweise finden sich dazu in den Annalen keine 38

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Wallace-Hadrill, Charlemagne, S. 685f.; Councils, S. 443ff.; dazu auch der Bericht der päpstlichen Legaten ibid.; sowie Alcuini epp., Nr. 3, MGH Epp. IV, S. 19ff. Die Entsendung der päpstlichen Legaten selbst hat wohl ihren Grund darin, daß Hadrian I. ein oder zwei Jahre vorher durch ein Gerücht erschreckt worden war, Offa habe Karl den Vorschlag gemacht, ihn, den Papst, abzusetzen. Zwar hatte Karl das auf Anfrage Hadrians dementiert, Brief Hadrians an Karl, Councils, S. 440ff. Aber der Papst hatte wohl das Gefühl, daß er sich nachdrücklich um die englische Kirche kümmern müsse. Councils, S. 468. Councils, S. 481; dazu Wallace-Hadrill, Charlemagne, S. 690f. Councils, S. 444f. Alcuini epp., Nr. 100, MGH Epp. IV, S. 144ff.; dt. Anlage Nr. 1. Gesta sanct. patr. Fontanell., c. 2, S. 86f.; dazu Wallace-Hadrill, Charlemagne, S. 688f.; Stenton, England, S. 218. Die Initiative ging von Karl aus. Wallace-Hadrill deutet Offas „Gegenforderung“ so: „It may be that he planned to keep what amounted to a Carolingian hostage

Die fränkisch-englischen Beziehungen

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Berichte. Offas Reaktionen zeigen, daß er sich Karl gegenüber als gleichrangig und gleichberechtigt und keineswegs als subditus oder servus ansah, wie Einhard später vorgibt.44 Ob Karl das Verhältnis anders ansah, ob auch hier die wiederum von Einhard berichtete Eigenart im Spiel war, daß Karl seine Töchter stets bei sich haben wollte,45 oder ob ein anderer Grund die Reaktion herbeiführte, ist nicht zu klären.46 Vielleicht erschienen dynastisch-familienrechtliche Verbindungen Karl nicht funktional hinreichend geeignet, um auch engere politische Verbindungen herzustellen. Auch mit dem oströmischen Kaiserhaus kamen solche, wie dargelegt, nicht zustande. Dazu mag auch beigetragen haben, daß in einem wie im anderen Fall die dynastische Nachfolge keineswegs gesichert war. Herrscherstürze einschließlich Mord schienen in England noch üblicher als im merowingischen Frankenreich. Vielleicht war dies der wahre Grund für die Weigerung Karls, seine Töchter in ferne Länder zu verheiraten. Alcuin geht zwar auf die Spannungen und den Bruch in seinen Briefen ein, läßt aber über die Gründe Diskretion walten. Ihm liegt daran, den Frieden wiederherzustellen, er rechnet offenbar damit, selbst mit der Mission beauftragt zu werden.47 Der Ausgleich ist aber wohl erst – ohne dynastische Verbindungen – im Jahr 791 gelungen.48 Allerdings kann die Spannung mit dem vorübergehenden Bruch auch einen mehr „politischen“ Grund gehabt haben.

d. Wirtschaftliche Beziehungen In diesem Vorgang und vor allem in der Beendigung der gegenseitigen Abschottung wird deutlich, daß Handelsbeziehungen von Gewicht bestanden, so daß es sich lohnte, die geschlossenen Häfen wieder zu öffnen. Die Bedeutung des Handels trat ferner darin hervor, daß Offa um 791 sein Münzwesen reformierte und dem fränkischen anglich.49 Gewiß war das Frankenreich der politisch wie wirtschaftlich stärkere Raum. Aber die Franken erhielten auch Waren aus England. Karl selbst mahnte in seinem Brief an Offa die Einhaltung bestimmter Qualitätsmerkmale für Textilien an und versprach andererseits, sich um von Offa erbetene „schwarze Steine“ zu bemühen.50

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at his own court, in case Charlemagne were tempted to use the added power that the Mercian princess would give him to influence Offa‘s enemies in England or elsewhere.“ Einhard, Vita Caroli, c. 16. Einhard, Vita Caroli c. 19. Dazu u. a. Wallace-Hadrill, Charlemagne, S. 688f. Alcuini epp., Nr. 7, MGH Epp. IV, S. 32 Z. 25–28: Aliquid enim dissensionis, diabolico fomento inflammante, nuper inter regem Karolum et regem Offan exortum est, ita ut utrimque navigatio interdicta negotiantibus cessat. Sunt qui dicunt nos pro pace esse in illas partes mittendos. Ibid., Nr. 9, S. 35, Z. 19–21, an Adalhard, Abt von Corbie: Et si ullatenus scire possis, quae sit causa huius dissensionis inter olim amicos, mihi noli abscondere. Pacis enim seminatores sumus inter populos christianos. Gerade in diesem Satz wird Alcuins Grundhaltung besonders deutlich. So Wallace-Hadrill, Charlemagne, S. 689. Wallace-Hadrill, Charlemagne, S. 689f., mit Nachweisen. Alcuini epp., Nr. 100, MGH Epp. IV, S. 145; dt. Anhang Nr. 1. Zum Handel u. a. Stenton, England, S. 219f.; Fisher, Age, S. 192ff.; Handelsgüter waren Wolle, Wolltextilien, Wein, Glas, Töpferware.

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Beziehungen zu anderen christlichen Mächten

Zudem bestanden byzantinisch-englische Handelsbeziehungen, die sich jedenfalls in Teilen durch fränkisches Gebiet vollzogen, da insbesondere das Mittelmeer zu unsicher gewesen zu sein scheint.51 Mit dem Handel stellten sich, wie bereits bemerkt, eine Reihe grundlegender rechtlicher Probleme ein: Zutrittsrechte, Durchzugsrechte und Rechtsschutz für die Kaufleute, Zollrechte auf die Waren etc. Allgemein sicherte Karl der Große, wie noch darzulegen sein wird, Rechtsschutz auf Gegenseitigkeit zu.52

e. Politische Beziehungen Politische Probleme im engeren Sinne ergaben sich dadurch, daß Gegner Offas im Frankenreich Zuflucht suchten und fanden.53 Einerseits nahm Karl diese auf, andererseits setzte er sich für deren Rückkehr ein. Da die ersten Interventionen zugunsten englischer Flüchtlinge vor der Kaisererhebung lagen, sind sie nicht einer irgendwie gearteten kaiserlichen Stellung zuzuschreiben. So kam 789 der von Offas Favorit Beorhtric vertriebene König Egbert von Wessex an den Hof Karls. Auch dieser Vorgang mag zu der Spannung und dem vorübergehenden Bruch zwischen Karl und Offa beigetragen haben. Erst nach dem Tode Beorhtrics kehrte Egbert nach Wessex zurück. Ob dabei fränkische Unterstützung mitwirkte, ist nicht bekannt. Zweifelhaft ist, ob Egbert drei oder 13 Jahre blieb. Die Reichsannalen sprechen von drei Jahren.54 Das würde bedeuten, daß er bereits 791 das Frankenreich verließ, vielleicht als eine Bedingung für die Wiederherstellung der Beziehungen zwischen Offa und Karl.55 Im anderen Fall wäre er erst 802 nach Wessex zurückgekehrt. Das Problem der englischen Exilanten am Hofe Karls bzw. in Franken muß für Offa so erheblich und damit für die Beziehungen belastend gewesen sein, daß Karl selbst es für notwendig hielt, ihn durch den Erzbischof von Canterbury zu beruhigen. Er habe die aus der Heimat aus Todesfurcht Geflohenen aufgenommen propter reconciliationem, non propter inimicitias. Er bat jedoch den Erzbischof, sich bei Offa für die Rückkehrmöglichkeit der Vertriebenen einzusetzen.56 Auch in anderen Fällen zeigte Karl „Anteilnahme“ an politischen Vorgängen. So war er sehr erregt über die Ermordung oder in Offas Augen Hinrichtung des northumbrischen Königs Aethelred im Jahre 796. Northumbrien stand in Abhängigkeit von Offa. Alcuin berichtete dem König selbst von Karls Zorn.57 Gravierende Auswirkungen hatte der Vorfall nicht. Nach Alcuins Darstellung wurden keine Maßnahmen ergriffen, da er sich mäßigend eingeschaltet hatte.58 Eine Warnung war dies jedoch in 51 52 53 54 55 56 57

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Dazu eingehend Lopez, Problème, für unsere Zeit insbesondere S. 148 ff. Unten S. 239f. Ausführlich zu den einzelnen Fällen, Story, Connections, S. 135 ff. Stenton, England, S. 218. Einen möglichen Zusammenhang sieht auch Wallace-Hadrill, Charlemagne, S. 689. Alcuini epp., Nr. 85, MGH Epp. IV, S. 128, Z. 18, Story, Connections, S. 137 ff. Alcuini epp., Nr. 101, MGH Epp. IV, S. 147, Z. 13-16: Qui, rectracta donorum largitate, in tantum iratus est contra gentem – ut ait: ‘illam perfidam et perversam et homicidiam dominorum suorum’, peiorem eam paganis estimans – ut omnino, nisi ego intercessor essem pro ea, quicquid eis boni abstrahere potuisset et mali machinare, iam fecisset. Alcuini epp., Nr. 85, MGH Epp. IV, S. 128.

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jedem Fall, auch wenn Alcuin Offa der Freundschaft Karls versicherte.59 Offa verstarb im selben Jahr. Massiver war ein Eingriff Karls in englische Verhältnisse im Jahr 80860 mit der bereits erwähnten Rückführung des northumbrischen Königs Eardwulf in sein Königreich.61 Dieser war, gerade auch unter aktiver Teilnahme des Erzbischofs von York, von seinem Thron vertrieben worden und suchte bei Karl Zuflucht und wohl auch Unterstützung. Die Zeitangaben dieses Vorfalls schwanken zwischen 806 und 808.62 Karl sandte Eardwulf weiter nach Rom zu Leo III. Dieser wirkte seinerseits auf den Yorker Erzbischof ein, daß dieser seinen Widerstand gegen Eardwulf aufgab. Auch der Nachfolger Offas, Cenwulf, akzeptierte die Rückkehr des northumbrischen Königs. Dieser wurde von einer gemeinsamen Gesandtschaft des Papstes und des Kaisers auf seinen Thron zurückgeführt. Da Leo III. sich in diesem Fall ausdrücklich auf die kaiserliche Stellung Karls bezieht, scheint diese diesmal der Intervention jedenfalls ein zusätzliches Gewicht gegeben zu haben.63 Die Konzeption eines einheitlichen populus christianus, für das Karl mit dem Papst verantwortlich sei,64 könnte hier eine maßgebliche Rolle gespielt haben. Andererseits nannte der Papst Eardwulf einen vester semper fidelis. Sollte Eardulf wirklich ein Vasall gewesen sein, was aber keineswegs sicher, eher unwahrscheinlich ist, da in den fränkischen Quellen nirgendwo von der Begründung einer Vasallität die Rede ist, hätte hingegen die Schutzpflicht des Lehnsherren ins Spiel kommen können.65

f. Amicitia, pactum Zwar war Offa von Mercien nicht der einzige König mit dem Karl der Große Beziehungen auf den britischen Inseln unterhielt, aber in dieser Zeit der mächtigste und bedeutendste. Daher stand der politische Kontakt mit ihm allgemein im Vordergrund.66

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Alcuini epp., Nr. 101, MGH Epp. IV, S. 147, Z. 3f.: Sciat veneranda dilectio vestra, quod dominus rex Carolus amabiliter et fideliter sepe mecum locutus est de vobis; et in omnino habetis fidelissimum amicum. Ann. regni Franc. ad a. 808: Interea rex Nordanhumbrorum de Brittania insula, nomine Eardulf, regno et patria pulsus ad imperatorem ... venit et patefacto adventus sui negotio Romam proficiscitur; Romaque rediens per legatos Romani pontificis et domni imperatoris in regnum suum reducitur. Außerdem ein Brief Leos III. an Karl, Leonis III. papae epp., Nr. 2, MGH Epp. V, S. 89ff.; vgl. Hampe, Wiedereinsetzung, S. 352-359. Story, Connections, S. 145 ff. gibt eine eingehende Analyse des Vorganges, auf die hier verwiesen sei. Hampe gibt 808 mit guten Gründen den Vorzug. Leonis III. papae epp., Nr. 2, MGH Epp. V, S. 90, Z. 11: Pro qua re vestra imperialis defensio ubique multipliciter resonat. So auch Wallace-Hadrill, Charlemagne, S. 696. So wohl Story, Connections, S. 166. Insofern könnte Einhards Behauptung Bedeutung gewinnen, die „schottischen Könige“ hätten sich als subditos et servos bezeichnet, Vita Caroli, c. 16. Wallace-Hadrill, Charlemagne and Offa, passim; Story, Connections, 169 ff. Sie weist zudem darauf hin, daß der Aufstieg der Mercischen Suprematie und der Dynastie der Karolinger bis in die zwanziger Jahre des neunten Jahrhundert fast gleichzeitig vonstatten ging

214

Beziehungen zu anderen christlichen Mächten

In seinem Brief an Offa von 796, mit dem er auch auf nicht erhaltene Briefe des Königs von Mercien verwies, bezog sich Karl zur Wiederaufnahme der Beziehungen auf ein älteres Übereinkommen und wollte ein Bündnis wieder bestätigen, Unde et nos, ..., antiqui memores inter nos pacti, has vestre reverentiae litteras dirigere, curavimus, ut foedus , in radice fidei firmatum, floreret in fructu caritatis.67 Nachrichten über Abschluß und andere Details des pactum und foedus finden sich weder in den Annalen noch in anderen Quellen, auch nicht in Alcuins Briefen an Offa. Er erwähnt ein solches pactum oder foedus nirgendwo. Es muß vor dem Abbruch der Beziehungen wegen des gescheiterten Heiratsprojekts oder auch in Zusammenhang mit diesem geschlossen worden sein. Im übrigen ist zu vermuten, daß der Entwurf zu diesem Brief von Alcuin stammt, da dieser, wohl gleichzeitig, seinen Brief an Offa schrieb, in dem er Karls guten Willen diesem gegenüber unterstrich und um Aussöhnung bemüht war.68 Die von Karl in diesem Brief angesprochenen Gegenstände erstrecken sich auf Fragen des Glaubens, der Behandlung der Pilger, der Kaufleute, der Flüchtlinge, des Handels, der Fürbitte für Hadrian I., der Verleihung des Palliums an einen Bischof von Mercien. Schließlich übermittelte Karl Geschenke aus dem Awarenschatz. Eine Fülle möglicher gegenseitiger Beziehungen in Friedenszeiten ist abgedeckt. Es fehlt allerdings jede Bezugnahme auf konkrete Bündnispflichten gleich welcher Art. Vielmehr erscheinen amicitia, foedus und vinculum caritatis als der allgemeine Rahmen oder die Grundlage, um nach der Auflösung der nodos inimicitiae alle gemeinsamen Probleme auf friedliche Weise zu bewältigen. Darin ist dieses Verhältnis nach seiner normativen Grundstruktur dem Verhältnis der Karolinger zum Apostolischen Stuhl verwandt. Man hat für die konkreten Inhalte des Briefes, insbesondere bezüglich der Pilger und der Kaufleute, eine dem Brief vorhergehende Vereinbarung als dessen Grundlage behauptet, die dann im Briefe formuliert worden sei.69 Dafür gibt es jedoch keine Belege. Das erwähnte pactum oder foedus ist, wie dargelegt, ganz allgemein gehalten und vor allem älter. Eine konkrete Vereinbarung über Einzelfragen war wahrscheinlich auch nicht notwendig. Karl verwies im Grunde auf die allgemeinen Regeln des Fremdenrechts, wie später zu zeigen sein wird.70

II I. D ie f rä n k is ch - as tu r i s ch en B ez i eh u n g en Die Meldungen der fränkischen Quellen zum Verhältnis der fränkischen Herrscher zu Alfons II. von Asturien sind spärlich. Es gibt verschiedene Aussagen über Beziehungen, die eine formalisierte Form angenommen zu haben scheinen. Asturische Quellen machen darüber keine Angaben.71

67 68 69

70 71

Alcuini epp., Nr. 100, MGH Epp. IV, S. 144, 145; dt. Anlage 1. Zitat Anm. 59. So u. a. Ganshof, L‘étranger, S. 30f.; Stenton, England, S. 219: „the first commercial treaty in English history.“ Unten S. 294ff. Zu diesen Barrau-Dihigo, Récherches, S. 5ff.

Die fränkisch-asturischen Beziehungen

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Wohl im Jahr 795 sandte Alfons II., bedrängt von den spanischen Sarazenen, Gesandte an König Ludwig nach Toulouse pro amicitia firmanda...cum donis. Sie wurden von Ludwig aufgenommen und in Frieden entlassen, pacifice remisit.72 Diese Formulierung kann als Zustimmung zu Alfons Anliegen verstanden werden. Zwar wird in dem Bericht nicht ausdrücklich gesagt, daß eine amicitia abgeschlossen wurde, aber er darf dahin verstanden werden, daß Ludwig das Anliegen des asturischen Königs nicht ablehnte. Pax war zudem ein auch rechtlicher Zustand, der gerade durch eine amicitia begründet werden konnte. Eine normativ bestimmte Verbindung ist zwar anzunehmen, aber kein Vasallitätsverhältnis, wie es Einhard andeutet.73 Vielmehr handelte es sich um ein Verhältnis gegenseitiger, gleichgeordneter Pflichten. Alfons ging es wohl um aktuelle Hilfe. Denn nach einer längeren Ruhepause hatten 791, kurz nachdem er die Herrschaft übernommen hatte, die Angriffe der Araber erneut begonnen. Ob die amicitia um ein foedus oder pactum foederis ergänzt wurde, oder ein solches einschloß, kann aus den Quellen nicht geklärt werden. Es wird auch nichts über gemeinsame Aktionen Asturiens und der Karolinger in Spanien berichtet, woraus sich auf ein Bündnis schließen ließe. Ungewiß ist, ob bereits vor dieser Gesandtschaft des asturischen Königs Beziehungen irgendwelcher Art zwischen ihm oder seinen Vorgängern und den fränkischen Herrschern bestanden haben. Nachrichten darüber fehlen. Es ist aber anzunehmen, daß im Streit um den von Karl intensiv bekämpften, bereits mehrfach erwähnten Adoptianismus die ersten Beziehungen entstanden.74 Asturien war bemüht, sich kirchlich von Toledo, das im arabischen Herrschaftsbereich lag, zu lösen und eine eigene Kirchenorganisation aufzubauen. Die Auseinandersetzungen entluden sich im Streit um den Adoptianismus. Gegen dessen Vertreter Elipandus von Toledo wandte sich der asturische Abt Beatus von Liébana mit der nachdrücklichen Rückendeckung durch Alcuin und Karl den Großen. Alcuin richtete Briefe an Beatus und stand hinter der Verurteilung des Adoptianismus auf der Frankfurter Synode 794, zu der er Karl immer wieder drängte.75 In das Blickfeld der Franken dürfte Asturien bereits beim ersten Spanienzug Karls im Jahr 778 geraten sein. Kriegerische Zusammenstöße zwischen Franken und Westgoten, aber auch der Austausch friedlicher Beziehungen sind anhand der fränkischen Quellen für diese Zeit aber noch nicht zu belegen. Da Asturien das einzige christliche Reich auf spanischem Boden war, bestand nach der Festsetzung der Franken in Nordspanien eine Art „Interessengemeinschaft“ in der Abwehr der Araber, aber u. U. auch territoriale Konkurrenz. Ludwig war als Unterkönig Aquitaniens seit 781 mit der Sicherung des Reiches gegen die spanischen Sarazenen betraut. Ihm konnte also die Hilfe des spanischen christlichen Königs potentiell bedeutsam gewesen sein.

72 73 74 75

Anonymus, Vita Hludowici, c. 8. Einhard, Vita Caroli, c. 16., Zitat oben S. 1. In dieser Richtung Barrau-Dihigo, Récherches, S. 159. Lacarra/Engels, Mauren und Christen, in: Handbuch I, S. 1008 f. Auch Défourneaux, Charlemagne, S. 184, unter Berufung auf Albornoz, ibid., S. 177, Fußnote 1. Allerdings bestreitet er dessen Thesen, Theodulf von Orleans habe als Delegierter Karls an einer Synode von Oviedo teilgenommen.

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Beziehungen zu anderen christlichen Mächten

Alfons II. schickte einige Jahre nach der Gesandtschaft von 795 anscheinend zweimal Geschenke an Karl, zum einen ein „Zelt von wunderbarer Schönheit“, zum anderen maurische Gefangene, Panzer und Maulesel, die er bei einem Sieg und der Plünderung Lissabons an sich gebracht hatte.76 Es handelte sich in beiden Fällen um Kriegsbeute. Die fränkischen Berichte enthalten aber keine Nachrichten über Geschenke Karls, wie er sie aus der Awarenbeute an den Papst und an Offa sandte.77 Es wäre jedoch höchst verwunderlich, ja schon negativ für die Beziehungen, wenn Karl Alfons keine Gegengabe hätte zukommen lassen. Denn die Übersendung von Geschenken kann als eine Bestätigung für das Bestehen einer amicitia angesehen werden. Waren die Geschenke des asturischen Königs in Wahrheit Tribute, oder sollten sie in den fränkischen Berichten als solche nach außen erscheinen, um so doch ein Vasallitätsverhältnis anzudeuten? Nach diesen beiden Nachrichten gibt es in den fränkischen Quellen keine weiteren Berichte über politische Beziehungen zwischen dem noch bis 842 regierenden Alfons II. und Karl oder Ludwig mehr. Zwar bekämpften beide weiterhin spanische und islamische Fürsten. Aber sie taten es anscheinend nicht als Bündnispartner.

IV. Di e fr än k i sc h -v en ez i an i s ch en B ez i eh u n g en a. Ausgangslage Da Venedig zunächst als byzantinischer Dukat unangefochten von der fränkischen Neuordnung Italiens bestehen blieb, waren unmittelbare Beziehungen zwischen Venedig und den Karolingern zunächst kaum vorhanden. Es trat erst um 800 als direkter Partner der Franken in Erscheinung. Da die Stadt zu mehr Selbständigkeit strebte, entwickelte sie jedoch in diesen Auseinandersetzungen auch eine eigene politische Stellung. Es gab eine mehr Byzanz und eine mehr den Franken zuneigende Partei. Das führte zu erheblichen inneren Spannungen und Umstürzen, sowohl im kirchlichen, als auch im weltlichen Bereich. Daher sind die fränkischen Beziehungen zu Venedig eng mit denen zu Konstantinopel verwoben. Das zeigte sich in den bereits erwähnten Vorgängen zwischen 806 und 810. Die Gesandtschaft aus Venedig und Dalmatien von 806 war prominent besetzt, Statim post natalem Domini venerunt Willeri et Beatus duces Venetiae necnon et Paulus dux Iaderae atque Donatus eiusdem civitatis episcopus legati Dalmatarum ad praesentiam imperatoris cum magnis donis. Et facta est ibi ordinatio ab imperatore de ducibus et populis tam Venetiae quam Dalmatiae.78 Offenbar hatte die fränkische Partei die Oberhand gewonnen. Denn es wird nichts von einer militärischen Eroberung Venedigs durch Pippin berichtet; sie ist auch eher unwahrscheinlich. Folgt man den Reichsannalen, so sind venezianische Gesandte im Jahre 806 zu Karl gekommen. Ob sie sich ihm unterworfen 76 77 78

Ann. regni Franc. ad a. 798. Ann. regni Franc. ad a. 796. Ann. regni Franc. ad a. 806.

Die fränkisch-venezianischen Beziehungen

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haben, bleibt offen. Denn es fehlt jeder Hinweis auf eine deditio, eine commendatio, eine Bitte um Frieden oder was sonst an Begriffen bzw. Formeln gebraucht wurde, um eine Unterwerfung unter Karls Oberhoheit auszudrücken. Die Dogen von Venetien hatten schon vorher verschiedentlich Anlehnung an die Franken gesucht.79 Ihre Gesandtschaft brachte Geschenke mit. Welche Funktion diesen zukam, ist nicht feststellbar. Sie können eine Art Tribut gewesen sein, das ist aber keineswegs sicher. Indem Karl die internen Verhältnisse regelte, nahm er kaiserliche Herrschaftsakte vor. Damit waren zum ersten Mal Teile byzantinischen Reichsgebietes von Karl in Anspruch genommen worden. Dieser Besuch führte somit zwar zu einer Eingliederung Venedigs in den Herrschaftsbereich Karls. Jedoch wurde Venedig in der Divisio Regnorum von 806 nicht erwähnt. Dort wird Italiam vero, quae et Longobardia dicitur zusammen mit Bayern Pippin als regnum zugewiesen.80 Venetien gehörte aber nie zum langobardischen Herrschaftsgebiet. Ob Karl Venedigs Stellung im Hinblick auf sein Verhältnis zu Byzanz offenhalten wollte, ist ungewiß. Die in den Annalen genannte ordinatio ist nicht erhalten.

b. Kriegerische Verwicklungen Die nachfolgenden Kriegshandlungen von 806 bis 809 zwischen den Flottenbefehlshabern des oströmischen Kaisers Nicephorus und Pippin, einschließlich der beiden Bemühungen um Waffenstillstände 807 und 809, in denen es dem oströmischen Kaiser um die Wiedereroberung Dalmatiens und wohl auch Venetiens ging, wurden bereits dargestellt.81 Für das fränkisch-venezianische Verhältnis bemerkenswert ist der Bericht der Reichsannalen über die Bemühungen um einen Waffenstillstand im Jahre 809 im Hinblick auf die beiden venezianischen Dogen. Denn es waren die beiden Dogen, die 806 bei Karl erschienen waren, die nunmehr die Verhandlungen, die der kaiserliche Flottenführer Paulus 809 mit Pippin wegen eines Friedens- oder Waffenstillstandsvertrages führen wollte, verhinderten.82 Warum sie das taten, ist dem Bericht der Annalen nicht zu entnehmen. Fürchteten sie, in eine zu große Abhängigkeit von Pippin zu geraten? Dann mißlang das Manöver gründlich. Denn dieser ging daraufhin gegen Venedig zu Wasser und zu Lande vor und unterwarf es, was eher gegen eine frankenfreundliche Deutung des Verhaltens der Dogen zu sprechen scheint. Die Annalen sehen in der Behinderung der Verhandlungen offenbar eine perfidia. Jetzt heißt es: subiectaque Venetia ac ducibus eius in deditionem acceptis.83 Pippin mußte sich jedoch zurückziehen, als Paulus sich erneut näherte. Insgesamt war Venetien ab 806 in den Herrschaftsbereich der Karolinger einbezogen. Byzanz machte seine Ansprüche jedoch geltend, mit wechselndem Erfolg. Pippin 79 80 81 82 83

Classen, Karl der Große, S. 91f.; Harnak, Beziehungen, S. 45ff. MGH LL II, Cap. I, S. 126, Nr. 45, c. 2. Auch Dalmatien fehlt. Ann. regni franc. ad a. 806, 807, 809. Ann. regni Franc. ad a. 809. Ann. regni Franc. ad a. 810; bei diesem Angriff soll der Rialto besiedelt und so zum Kern Venedigs geworden sein.

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Beziehungen zu anderen christlichen Mächten

gelang keine dauerhafte Eingliederung in das regnum Italiae, falls er oder Karl der Große das überhaupt beabsichtigten. Dieser gab Venedig und Dalmatien sehr schnell auf, als sich 810 durch die Friedensgesandtschaft des Nicephorus an Pippin die Möglichkeit zum Ausgleich mit Byzanz ergab.84

c. Pactum Veneticum Hlotharii 840 Danach scheint eine gewisse Normalisierung der Beziehungen eingetreten zu sein, die auch normativ geordnet war. Denn wahrscheinlich enthielt der Vertrag von 812/814 zwischen den karolingischen und den oströmischen Kaisern auch Regelungen, die Venedig betrafen, das formell wieder unter byzantinischer Oberherrschaft stand. Jedoch fehlen in den Annalen etc. Berichte zu diesen Beziehungen. Vor allem entwickelten sich die bilateralen Beziehungen auf dem Gebiet des Handels und anderen Austausches fort. Trotz der formellen Zugehörigkeit des Dukats Venetien zum byzantinischen Herrschaftsbereich konnte sich Venedig mehr und mehr verselbständigen und eine eigene Politik betreiben, die es auch rechtlich selbst umzusetzen vermochte. So stellte Kaiser Lothar I. am 8. März 840 auf Bitten des Dogen Petrus, suggerente ac supplicatione Petro gloriosissimo duce Venetiorum in Pavia eine Urkunde über ein pactum aus, das Vereinbarungen zwischen den Venezianern und ihren Nachbarn aufzeichnete und feststellte.85 Ob vorher Vereinbarungen über oder gar mit Venedig getroffen worden waren, ist streitig.86 Außerdem erließ Lothar im September 840 ein Praceptum für den Dogen von Venedig, den Patriarchen und die Venezianer, in dem der Kaiser Rechte bestätigte, die die Venezianer temporibus avi nostri Karoli per decretum cum Graecis sanccitum possiderunt.87 Das Praeceptum kann als Ergänzung zum pactum vom März angesehen werden. Von venezianischer Seite ist keine entsprechende Urkunde überliefert. Die Frage, ob es eine solche gegeben hat, kann hier jedoch offen bleiben. Denn die Gegenseitigkeit des Vertrages ergibt sich bereits aus dieser kaiserlichen Urkunde. Denn zum einen wird festgestellt, daß das pactum auf Bitte der Dogen festgestellt und aufgezeichnet wurde; zum anderen mußten es auch die Venezianer beschwören. Vor allem enthält die kaiserliche Urkunde Rechte und Pflichten beider Seiten sowie gegenseitige Rechte und Pflichten. Gegenstand des pactum waren die Beziehungen zwischen dem Dukat und den ihm benachbarten oberitalienischen Gebieten inter Veneticos et vicinos eorum constituit ac describere iussit, ut ex utraque parte de observandis hiis constitutionibus sacramenta dentur et postea per observationem harum constitutionum pax firma inter illos perseveret. Es handelte sich bei den „Nachbarn“ einerseits um Gebiete unter Lothars unmittelbarer Herrschaft, Istrien, Friaul u. a., und andererseits um Gebiete, die zum 84 85

86 87

Ann. regni Franc. ad a. 810. MGH LL II, Cap. II/1, Nr. 233, S. 130; dt. Anhang Nr. 17; dazu ausführlich: Fanta, Verträge, passim; Cessi, Pacta I und II, passim; knapper: Wielers, Beziehungsformen, S. 14ff., die allerdings auf die Streitfragen zwischen den beiden ersten nicht eingeht. Dazu unten S. 398. MGH LL II, Cap. II/1, Nr. 234, S. 136, dt. Anhang 18.

Folgerungen

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päpstlichen Herrschaftsbereich gehörten, vor allem das alte Exarchat Ravenna. Für die venezianische Seite wurden alle zum Dukat gehörenden Gebiete einbezogen. Das pactum bildete also einen regional beschränkten Vertrag. Eher versteckt bestätigte der Vertrag in Kap. 26 die Grenze, wie sie von Liutprand, also hundert Jahre früher, mit dem damaligen Dogen Paulutius vereinbart und von Aistulf später erweitert worden war. Das pactum wurde auf fünf Jahre befristet, aber anschließend wohl immer wieder erneuert. Es bildete die Grundlage für die Regelung der Beziehungen Venedigs mit dem imperium occidentale für lange Jahrhunderte, wenn es auch immer wieder angepaßt und verändert wurde. Es markiert zudem den Beginn der Beziehungen zu einer neuen aufsteigenden Macht, die nicht zuletzt wegen der in diesem pactum eingeräumten Rechte erhebliche Bedeutung gewinnen sollte. Die Zwei- und Gegenseitigkeit des pactum zeigt sich inhaltlich deutlich in den 35 Kapiteln des dispositiven Teils der Urkunde. Sie enthalten sowohl Pflichten der Venezianer als auch der unter Lothars Herrschaft stehenden italienischen Nachbarn, als auch gegenseitige. Die Urkunde gibt wohl einen Stand entwickelter gewachsener Regelungen wieder, die ergänzt und fortgeschrieben werden. Es können inhaltlich drei Abschnitte unterschieden werden. Sie werden in der Literatur verschiedenen Ursprüngen zugeordnet. Nur ein Teil stamme von Lothar selbst.88 Die Inhalte sind später im einzelnen zu behandeln.89 Der erste Teil der Kap. 1–8 enthält gegenseitige Sicherheits- und Garantieabreden der Vertragspartner zur Bewahrung des Friedens und der Sicherheit der Gebiete der Partner, aber auch in der Region insgesamt. Der zweite Abschnitt der Kap. 9-24 regelt Beziehungen zwischen Einwohnern der jeweiligen Gebiete, bzw. in bezug auf sie. Im dritten Teil geht es um Rechte der Venezianer auf ihrem eigenen Gebiet, aber auch dem der Nachbarn, z. B. Holzeinschlag, Weide. Bemerkenswert ist, daß bei all diesen Rechten immer auf Gewohnheit und Herkommen verwiesen wird. Es folgen noch weitere Regelungen von geringerem Interesse. Der Handel ist das bestimmende Element dieser Beziehungen, gewiß eine einmalige, aber dauerhafte Sonderlage.

V. Fo l g er u n g en Insgesamt lassen auch die Berichte und Nachrichten über die Beziehungen zu den vier christlichen Mächten bzw. ihren Herrschern ein ganzes Spektrum der Inhalte und Gestaltungen im Krieg wie im Frieden und der dabei verwendeten normativen Institute erkennen. Die Dichte und Intensität sind jeweils verschieden. Ihre normative Gestaltung umfaßt Gesandtschaften, Bündnis, Vertrag, amicitia, aber auch Krieg, dicio, Übernahme oder Unterwerfung, rechtsprechende Elemente. Es sind normative Strukturen deutlich erkennbar, denen später näher nachzugehen ist. In dem Brief Karls an Offa werden die Vorstellungen über die allgemeinen Grundlagen der konkreten Beziehungen des Friedens über dieses bestimmte Verhältnis hin88 89

Dazu eingehend Cessi, Pacta. Unten S. 417ff.

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Beziehungen zu anderen christlichen Mächten

aus formuliert. Sie gründen in einer in Christus begründeten Einheit der Gläubigen, die die Trennung der Länder und Völker überwölbt, eines allgemeinen in Christus begründeten Friedens, einer verbindenden sancta caritas und dilectio. Diese Vorstellungen eines allgemeinen christlichen ordo tragen dem Grunde nach die Beziehungen zwischen den karolingischen Herrschern und den Franken mit den anderen christlichen Mächten. Aber das schloß, wie im folgenden Kapitel zu zeigen sein wird, normativ geregelte friedliche Beziehungen mit nicht-christlichen Mächten nicht aus.

Die fränkisch-dänischen Beziehungen

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4 . K ap i t el : B e zieh u n ge n zu n ic ht c hrist lic he n M ä c ht e n E i n fü h r u n g In der karolingischen Epoche änderte sich die Politik zu nichtchristlichen Mächten. Zwar verfolgte auch Karl der Große noch eine Eroberungspolitik gegen nichtchristliche Nachbarn, vor allem gegen die Sachsen, in Nordspanien und gegenüber den Awaren. Jedoch wurde andererseits gegenüber Dänen, Slawen und Arabern, auch in Spanien, eine Politik geordneter Beziehungen geführt, die sich auch rechtlicher Instrumente des Vertrages und des neueren Lehnsrechtes bediente. Das schloß Krieg nicht aus. Aber sie erscheinen in den – notabene – fränkischen Quellen, anders als die Kriege gegen Sachsen, Awaren, Friesen als Abwehrkriege seitens der Franken, die in der Regel in vertragliche Verhältnisse übergeführt wurden. Christlichkeit oder NichtChristlichkeit bildete also keine grundsätzliche normative Scheidelinie für friedliche Beziehungen.

I. Di e fr än k i sc h -d än i s ch en B ez i eh u n g en a. Karl der Große Nachdem 803 die Eingliederung Sachsens abgeschlossen war und damit die Dänen und das karolingische Reich endgültig unmittelbare Nachbarn geworden waren, kam es zu ständigen Begegnungen, die in irgendeiner Weise geordnet werden mußten. So ist von diesem Zeitpunkt an fast jährlich in den Annalen von den Dänen die Rede. Vorher wird nur vereinzelt von Gesandtschaften in die ein oder andere Richtung berichtet. Für das Jahr 782 erwähnen die Reichsannalen Gesandte eines regis Nordmanni, Sigifrid. Sie erschienen auf dem Hoftag, ubi Lippia consurgit.1 Über den Zweck wird nichts mitgeteilt. Der Grund war wohl, daß Widukind in die Nordmannia geflohen war2, und die Dänen ihrerseits fürchteten, von Karl mit Krieg bedroht zu werden. Denn offenbar konnten sich die Sachsen nach einer Niederlage immer wieder auf dänisches Gebiet zurückziehen, von ihrem Gebiet aus auch immer wieder neue Aufstände beginnen3 – eine nicht erst im 20. Jahrhundert erfundene Taktik von Rebellen gegen eine Fremdherrschaft. Dagegen wollte Karl vielleicht vorgehen. Wesentlich später, im Jahr 798, ist anscheinend eine Gesandtschaft Karls an König Sigifrid entsandt worden. Wir erfahren aber lediglich indirekt davon; die nördlich der Elbe wohnenden Sachsen nahmen bei der Rückkehr den Gesandten Gottschalk gefan-

1

2 3

Ann. regni Franc. ad a. 782; in den Ann. q. d. Einhardi ad a. 782, werden sie Dänen genannt. Ann. regni Franc. ad a. 777. Ann. q. d. Einhardi ad a. 782; Jankuhn, Karl der Große, S. 699; Zettel, Karl der Große, S. 15f.; Abel-Simson, Jahrbücher, S. 448, auch für das Jahr 783.

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Beziehungen zu nichtchristlichen Mächten

gen und töteten ihn wie auch Gesandte an sie selbst. Über den Zweck dieser Gesandtschaft wird nichts berichtet.4 Nach Berichten der Reichsannalen kam der Dänenkönig Godofrid 804 zu Verhandlungen mit Karl nach Sliesthrop (Schleswig), einen Handelsplatz an der Schlei in confinio regni sui et Saxoniae.5 Der Dänenkönig wurde von seiner Flotte und seinem Heer begleitet; er wollte offenbar auf diese Weise gegenüber Karl seine Macht demonstrieren. Auch später weisen die Annalen verschiedentlich auf diese Absicht hin.6 Einhard behauptet, Godofrid habe ganz Germanien unterwerfen und nach Aachen marschieren wollen.7 Verhandlungen aus einer „Position der Stärke“? Es handelte sich aber nicht um ein Herrschertreffen.8 Denn nach dem Bericht erschien Godofrid nicht selbst beim Kaiser, sondern schickte Gesandte, die übermitteln sollten, quicquid voluit. Was übermittelt wurde, wird nicht näher mitgeteilt. Karl seinerseits sandte ebenfalls nur eine Gesandtschaft an Godofrid pro perfugis reddensis. Es werden wohl sächsische Flüchtlinge gemeint sein. Die Ergebnisse dieses Gesandtschaftsaustausches sind nicht überliefert. Es kam also wohl zu keinem Abkommen zur Regelung des gegenseitigen Verhältnisses. Im Jahr 808 trat die erste kriegerische Verwicklung ein. Godofrid überfiel die Abodriten, die mit den Franken verbündet waren.9 Karl hatte diesen im Rahmen einer Umsiedlungsaktion der Sachsen nach Franken das Land nördlich der Elbe, das ursprünglich von Sachsen bewohnt war, zur Besiedlung sowie zur Verteidigung und Sicherung überlassen.10 Deshalb war, auch wenn Godofrids Angriff nur den Abodriten galt, doch das Reich von diesem dänischen Vorgehen gegen diese betroffen, zumal sie mit Karl verbunden waren. Karl sandte Godofrid daher ein Heer unter der Führung seines ältesten Sohnes Karl entgegen, um ihn zu hindern, in sächsisches Gebiet, d. h. Reichsgebiet, einzufallen.11 Einen „Angriffskrieg“, gar mit der Absicht der Unterwerfung, hat Karl gegen die Dänen nach den Berichten der Reichsannalen offenbar nie geführt. Er beschränkte sich auch später auf Abwehrmaßnahmen. Godofrid zog sich nach schweren Verlusten, die ihm durch die Abodriten zugefügt worden waren, nach Dänemark zurück. Dabei nahm er die Kaufleute von Reric als Geiseln mit. Nach der 4 5

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Ann. q. d. Einhardi ad a. 798, Jankuhn, Karl der Große, S. 700. Ann. regni Franc. ad a. 804, Eodem tempore Godofridus rex Danorum venit cum classe sua necnon et omni equitatu regni sui ad locum, qui dicitur Sliesthorp, in confinio regni sui et Saxoniae. Promisit enim se ad conloquium imperatoris venturum. Z. B. Ann. regni Franc. ad a. 808–810. Sie zeichnen ein durchweg negatives Bild von Godofrid. Einhard, Vita Caroli, c. 14. Aus diesen Stellen hat die Forschung weithin geschlossen, daß Godofrid eine aggressive Politik gegen Karl und das Frankenreich verfolgt habe, zuletzt noch Jankuhn, Karl der Große, S. 703. Aber demgegenüber wertet Zettel, Karl der Große, S. 16ff., die Politik Godofrids eher als eine defensive. Es hat solche außer mit den Päpsten in der Regierungszeit Karls und Ludwigs nicht gegeben. Ann. regni Franc. ad a. 808. Ann. regni Franc. ad a. 804. Ann. regni Franc. ad a. 808. Jankuhn, Karl der Große, S. 700; dazu Zettel, Karl der Große, S. 18ff.

Die fränkisch-dänischen Beziehungen

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Rückkehr errichtete er einen Schutzwall an der Grenze zwischen dem Reich und Sachsen, den Danewerk.12 Im Jahr darauf, also 809, gründete Karl jenseits der Elbe eine Stadt zum Schutz gegen die Dänen.13 Es kam in demselben Jahr erneut zu einem colloquium, das nach dem Bericht der Annalen wiederum auf Initiative Godofrids erfolgte, der das Angebot durch Kaufleute überbringen ließ. Sein Verhalten gegenüber den Abodriten versuchte er damit zu rechtfertigen, daß er ihnen den Bruch des Friedens, foederis inruptionem, anlastete. Die Verhandlungen sollten abermals an der Grenze iuxta terminos regni sui trans Albim durch Bevollmächtigte beider Seiten stattfinden. Aber auch diese Verhandlungen – in den Quellen als colloquium oder negotium bezeichnet – führten trotz vieler Vorschläge nicht zum Ziel.14 Im Jahr darauf spitzte sich die Lage zu, wohl mangels einer rechtlichen Regelung des Verhältnisses. Für 810 berichten die Reichsannalen zwar von Karls Planung eines Kriegszuges gegen die Dänen; doch sie kamen ihm zuvor. Zum ersten Mal griffen sie, allerdings nicht unter der Führung Godofrids, Friesland an und erhoben ein tributum. Karl ging nicht zum Gegenangriff über. Er bot vielmehr ein Heer auf und rückte an die Wesermündung, um Godofrid zu erwarten. Doch bevor es zum Krieg kam, kehrte die normannische Flotte nach Dänemark zurück und Godofrid wurde ermordet.15 Es wird jedoch nicht deutlich gesagt, ob die „Normannen“ Dänen waren und Godofrid, wenn auch nicht ihr Anführer, so doch ihr Auftraggeber war.16 Nunmehr wurde mit Hemming, dessen Neffen und Nachfolger, Frieden geschlossen, Godofrido Danorum rege mortuo Hemmingus filius fratris eius in regnum successit ac pacem cum imperatore fecit.17 Dieser Friedensschluß wurde zunächst nur auf die Waffen beschworen – pax...in armis tantum iurata servatur. Danach handelte es sich um einen vorläufigen Friedensschluß. Dies lag weniger in politischen Schwierigkeiten als im strengen Winter begründet. War es nur ein Waffenstillstand? Es wird nicht gesagt, wer den Frieden auf die Waffen beschworen hat. Der endgültige Frieden wurde nach dem Auftauen der Wege im Frühjahr durch je zwölf vornehme Männer der Dänen und der Franken an der Eider, also wiederum an der Grenze, durch gegenseitige Eide geschlossen, und zwar nach jeweiligem Recht und Brauch der beiden Seiten: congredientibus ex utraque parte utriusque gentis, Francorum scilicet Danorum, XII primoribus super fluvium Egidoram in loco, qui vocatur ..., datis vicissim secundum ritum ac morem suum sacramentis pax confirmatur.18 Von den Franken und von den Dänen werden zehn Namen angegeben. Kolmer vermutet, daß „die Zahl der Teilnehmer und 12 13 14

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Dazu Zettel, Karl der Große, S. 20, mit weiterführender Literatur. Ann. regni Franc. ad a. 809; dazu Jankuhn, Karl der Große, S. 701. Ann. regni Franc. ad a. 809: multisque hinc et inde prolatis atque enumeratis rebus negotio penitus infecto discessum est. Ann. regni Franc. ad a. 810: Nam rex ille vanissima spe victoriae inflatus acie se cum imperatore congredi velle iactabat. Worauf dieses Zögern zurückzuführen ist, bleibt offen. Zettel, Karl der Große, S. 24, nimmt an, ein Angriff Karls auf Dänemark wäre sicher erfolgt, wenn Godofrid nicht ermordet worden wäre. Die Forschung nimmt das allgemein an; a. A. aber Zettel, Karl der Große, S. 23f. Ann. regni Franc. ad a. 810. Ann. regni Franc. ad a. 811.

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Beziehungen zu nichtchristlichen Mächten

deren Ranghöhe genau das Verhältnis beider Seiten zueinander“ ausdrücken sollte.19 Da der endgültige Friedensschluß von besonders bestellten Gesandten vorgenommen wurde, ist anzunehmen, daß die erste Stufe durch die militärischen Führer vollzogen wurde. Hemming sandte noch im selben Jahr Geschenke an Karl und versicherte ihm seine Friedensgesinnung, verba pacifica deferentes. Nach dem Tode König Hemmings 812 kam es zu internen Kämpfen um die Herrschaft und schließlich zu einer Doppelherrschaft von Heriold und Reginfrid. Sie baten Karl um Frieden, pacem petunt, sowie um die Herausgabe eines Bruders, der ebenfalls Hemming hieß. Sie wünschten offenbar die Fortsetzung des Friedensvertrages mit den Franken. Karl kam dieser Bitte im Jahr 813 nach. Der Friede wurde diesmal durch 16 Große von jeder Seite an der Grenze eidlich bekräftigt und der Bruder übergeben. Warum Hemming sich bei Karl aufhielt, wird nicht berichtet. Geiseln waren bei den früheren Gelegenheiten offenbar nicht gestellt worden. Da die beiden dänischen Könige kurz nach dem Friedensschluß von den Söhnen Godofrids gestürzt wurden, 20 wurde der erneuerte Friede jedoch wieder in Frage gestellt.

b. Ludwig der Fromme Der gestürzte König Heriold suchte Schutz und Hilfe bei Ludwig, nachdem ein erster Versuch, die Herrschaft zurückzugewinnen, gescheitert war. Da Ludwig diesen Schutz gewährte, bestimmten die weiteren internen dänischen Auseinandersetzungen um die Königsherrschaft über ein Jahrzehnt das fränkisch-dänische Verhältnis. Denn die Reichsannalen berichten, daß Heriold sich gegenüber Ludwig in die Vasallität begab: Quo facto Herioldus rebus suis diffidens ad imperatorem venit et se in manus illius commendavit. Er wollte mit Hilfe Ludwigs den Thron zurückgewinnen. Ludwig sandte ihn zunächst nach Sachsen und befahl ihm, die Zeit abzuwarten quo ei, sicut petierat, auxilium ferre potuisset.21 Ludwig rüstete auch ein Heer, das nach zwei vergeblichen Versuchen über die Eidergrenze in das Land der Dänen eindrang. Es kam jedoch nicht zur Schlacht. Heriold wurde auch nicht wieder eingesetzt.22 Weitere Angriffe Heriolds selbst waren ebenfalls erfolglos. Ein dadurch veranlaßter Versuch der Söhne Godofrids, mit dem Kaiser Frieden zu schließen, wurde aber von Ludwig als Täuschungsmanöver angesehen und daher zurückgewiesen. Vielmehr gewährte er Heriold weiterhin Beistand.23 819 gelang es, Heriold wieder als König der Dänen zurückzuführen, nachdem zwischen den Söhnen Godofrids Streit ausgebrochen war, zwei sich mit Heriold verbündet hatten und zwei andere verjagt worden waren.24 Da Heriold 823 bereits wieder vertrieben zu werden drohte, bat er Ludwig erneut um Hilfe. Dieser schickte Gesandte nach Dänemark, um die Lage zu untersuchen. Das deutet darauf hin, daß er eine gewisse Hoheit ausübte, die ihren Grund in dem Lehns19 20 21 22 23 24

Kolmer, Eide, S. 181. Ann. regni Franc. ad a. 813. Ann. regni Franc. ad a. 814. Ann. regni Franc. ad a. 815. Ann. regni Franc. ad a. 817. Ann. regni Franc. ad a. 819.

Die fränkisch-dänischen Beziehungen

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verhältnis haben mußte. Heriold kehrte ebenfalls zurück. Doch er übte die Herrschaft offenbar nicht allein aus. Denn die Söhne Godofrids baten den Kaiser 825 auf dem Hoftag in Aachen durch Gesandte um Frieden, dessen Abschluß dieser für Oktober desselben Jahres befahl: In quo conventu inter ceteras legationes...etiam et filiorum Godofridi de Nordmannia legatos audivit ac pacem, quam idem sibi dari petebant, cum eis in marca eorum mense Octobrio confirmari iussit.25 Zwar wird über den Abschluß selbst nicht berichtet, aber im folgenden Jahr kamen wiederum Gesandte der Söhne Godofrids pacis ac foederis causa. Heriold erschien selbst in demselben Jahr in Mainz, um sich mit seiner Frau und vielen Dänen taufen zu lassen.26 Dadurch wurde neben der Lehnsbeziehung eine Patenschaft begründet, die nicht nur religiöse, sondern auch rechtliche Bedeutung hatte. Heriold kehrte noch einmal nach Dänemark zurück. Aber auch dem Kaiser schien seine Lage nicht sicher zu sein, denn er übertrug ihm für den Notfall die Grafschaft Rüstringen wohl als Lehen.27 827 wurde Heriold verjagt. Das führte zu Verhandlungen zwischen Gesandten des Kaisers und der Dänen wiederum im Grenzgebiet: de foedere inter illos et Francos confirmando quam de Herioldi rebus tractandum esset. Der Bericht fährt fort, daß während dieser Verhandlungen Heriold den bestehenden, mit Geiseln gesicherten Frieden gebrochen habe und in die dänischen Lande eingedrungen sei, condictam et per obsides firmatam pacem incensis ac direptis. Das führte zwar zunächst zum Abbruch der Verhandlungen und zu einem Überfall der Dänen auf die Franken. Aber die Dänen boten Entschuldigung und Genugtuung für ihren Überfall an. Vor allem sollte der Frieden erhalten bleiben: Deinde inito consilio, ut ultionem huius facti praevenirent, missa legatione ad imperatorem, quam inviti et quanta necessitate coacti id fecerint, exposuerunt, se tamen ad satisfactionem esse paratos, et hoc in imperatoris esset arbitrio, qualiter ita fieret emendatum, ut de reliquo inter partes pax firma maneret.28 831 wurde das foedus erneut bestätigt: Necnon missi Danorum eadem exorantes venerunt, et foedere firmato, ad propria repedarunt.29 Wodurch diese dänische Gesandtschaft veranlaßt wurde, z. B. durch einen Herrschaftswechsel in Dänemark, wird nicht berichtet. Offenbar wurde kein neuer Friedensvertrag geschlossen, sondern ein bestehendes foedus bestätigt. Seit der Mitte der dreißiger Jahre führten die sich regelmäßig wiederholenden, schweren Einfälle der Normannen in Friesland und anderen Teilen des Reiches zu Schwierigkeiten.30 Die Abwehrkräfte des Reiches reichten nicht aus, diese zu verhindern bzw. wirksam zu bekämpfen. Die ständigen inneren fränkischen Kämpfe zwischen Vater und Söhnen mochten zu den Schwächen beigetragen haben. Neben den normannischen oder dänischen Einfällen standen jedoch ständige Friedensbemühun-

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Ann. regni Franc. ad a. 825. Eingehende ausschmückende Schilderung Ermoldus Nigellus, Carminum, lib. 4. v. 290 ff. Ann. regni Franc. ad a. 826. Ann. regni Franc. ad a. 828. Ann. Bertiniani ad a. 831. Ann. Bertiniani ad a. 834–837, 839.

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gen.31 Der neue dänische König Horich ließ zudem durch Gesandte auf dem Hoftag von Worms 836 erklären, er habe mit den Normanneneinfällen nichts zu tun und bot dem Kaiser nach dem Bericht der Annalen amicitia und oboedientia an, amicitiae atque oboedientiae conditiones mandans. Gleichzeitig führt er Klage wegen der Ermordung von Gesandten an den Kaiser, die bei Köln getötet worden seien. Der Kaiser gewährte insofern Genugtuung und sandte sogar eine Gesandtschaft an Horich: sed nullatenus eorum inportunatibus adsensum praebuisse testatus, de suorum missorum interfectione conquestus est, qui dudum circa Coloniam Agrippinam quorundam praesumptione necati fuerant; quorum necem etiam imperator, missis ad hoc solum legatis, iustissime ultus est.32 Die Formel amicitia et oboedientia ist überraschend. Denn oboedientia deutet auf eine Unterwerfung hin, während amicitia eher ein gleichberechtigtes Verhältnis meint. Stammte sie wirklich von Horich, oder wollte der Annalist dadurch andeuten, daß der dänische König nach fränkischer Auffassung in Abhängigkeit von Ludwig stand? Ob Ludwig das Angebot aufnahm, bleibt hier offen. Im Jahr 839 erschien wiederum eine Gesandtschaft Horichs bei Ludwig mit Geschenken pacis amicitiae que arctuis stabiliusque gratia confirmandae. Ludwig scheint ebenfalls eine entsprechende Gesandtschaft an Horich gesandt zu haben, die einen unauflöslichen Frieden mit ihm abschloß: Sed et legati imperatoris ad Horich pacis gratia directi, receptis sacramentis, indissolubilem pepigerunt.33 Anders als 811 wurde der Frieden durch Austausch von Gesandtschaften von Herrscher zu Herrscher abgeschlossen und nicht durch eine Zusammenkunft zweier Gesandtschaften an einem Grenzort. Bemerkenswert ist die Unauflöslichkeit des Friedensschlusses. Es ist der einzige Fall, für den dies ausdrücklich bekräftigt wird. Für die späteren Jahre wird vor allem von den Einfällen der Normannen in das Reichsgebiet und ihren Verheerungen berichtet. Sie werden auch Horich zugeschrieben. Es kam anscheinend auch zu Tributverträgen der Franken mit den Normannen, wenn diese auch als Geschenke Karls des Kahlen bezeichnet werden.34

c. Mission Neben den politischen Beziehungen entwickelten sich zur Zeit Ludwigs des Frommen missionarisch-kirchliche Beziehungen. Die Dänen waren Heiden. 826 ließ sich König Heriold im Exil in Ingelheim taufen. Ebo von Reims betrieb als Legat in päpstlichem Auftrag von 822 an die Dänenmission. Der eigentliche Missionar aber war Ansgar, der „Apostel des Nordens“. Er wurde später Erzbischof des 831 errichteten Erzbistums Hamburg, dessen Sitz wegen der ständigen Normanneneinfälle 848 in den Bischofssitz Bremen verlagert wurde. Von dort aus wurde die Dänenmission organisiert. So sollten auch Bischöfe in den nordischen Gebieten eingesetzt werden. Ein solcher wurde für Schweden von Ebo und Ansgar geweiht. Es entstand damit eine kirchenrechtliche Verbindung Dänemarks mit dem Frankenreich, die sich allerdings nicht zu einer weltlich31 32 33 34

Ann. Bertiniani ad a. 836, 839. Ann. Bertiniani ad a. 836. Ann. Bertiniani ad a. 839. Ann. Bertiniani ad a. 845.

Die fränkisch-slawischen Beziehungen

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rechtlichen Verbindung verdichtete, zumal die Mission nach dem Tode Ludwigs des Frommen nicht recht vorankam.35 Allerdings war die Mission selbst eine Sache des Reiches.

II. Di e fr än k i sc h -s law i s ch en B ez i eh u n g en a. Beziehungen mit den Abodriten Eng verknüpft mit den Beziehungen zu den Dänen waren die Beziehungen Karls des Großen mit den Abodriten. Der Überfall Godofrids auf diese im Jahre 808 löste, wie erwähnt, die ersten kriegerischen Verwicklungen zwischen Dänen und Franken aus. Jedoch wird, anders als für die Dänen, nicht viel über die Beziehungen zwischen den karolingischen Herrschern und den Abodriten und ihren Fürsten berichtet. Die Reichsannalen berichten für das Jahr 789 von einem Kriegszug gegen die Wilzen über die Elbe, an dem neben Franken auch Sachsen, Sorben und Abodriten beteiligt gewesen seien, ohne aber deren Schutz als Kriegsgrund zu nennen oder sie als foederati zu bezeichnen.36 Die sogenannten Einhardannalen hingegen begründen den Kriegszug damit, daß die Wilzen ihre benachbarten Slawenstämme, qui Francis vel subiecti vel foederati erant, immer wieder angegriffen hätten.37 Diesen Begriff nahm Einhard in seiner Vita Karoli cum Francos olim foederati auf.38 Über das Jahr 795 berichten die Einhardannalen, Karl erwarte Slawen, quos ad se venire iusserat.39 Karl erfuhr, während er wartete, daß die Sachsen Witzinum regum Abodritorum umgebracht hätten. Er zog daraufhin gegen die Sachsen, aber die Ermordung des Abodritenherrschers war offenbar nur ein zusätzlicher Grund für den schon vorher geplanten Kriegszug. Der Poeta Saxo, der jedoch zeitlich erheblich nach den dargestellten Vorgängen auf der Grundlage der Einhardannalen dichtete, bezeichnet die zum Erscheinen befohlenen proceres Sclavorum sibi foedere iunctos, aber auch als subiecti.40 Das Verhältnis war also nicht ganz klar. Für 799 werden Verhandlungen mit den Abodriten und mit den Wilzen berichtet, ohne nähere Auskunft über deren Form, Inhalt und Ziele zu geben.41 Im Jahr 804 wies Karl der Große ihnen Nordalbingien als Wohngebiet zu, das durch die Deportation der dort lebenden, immer wieder aufständischen Nordliudi, die zu den Sachsen gehörten, frei geworden war.42 Die Annales Mettenses priores erwähnen, daß Karl einen Streit um die Führung bei den Abodriten durch die Einsetzung eines Königs Thrasco 35 36

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Zur Missionsgeschichte u. a. Hauck, Kirchengeschichte, 2. Teil, S. 689ff. Ann. regni Franc. ad a. 789; dazu Labuda, Civitas, S. 89 ff.; Friedmann, Untersuchungen, S.51 ff.; Ludat, An Elbe und Oder, S. 15. Ann. q. d. Einhardi ad a. 789. Einhard, Vita Caroli, c. 12; Jäger, Abhängigkeitsverhältnisse, S. 7ff. Ann. q. d. Einhardi ad a. 795. Poeta Saxo Ann. 795, Indict 2, MGH SS I, S. 251, ann. 798, Indict. 5, S. 254, Z. 29 Abodritos denique, Francis qui tunc subiecti fuerant ac foedere iuncti. Ann. regni Franc. ad a. 799. Ann. regni Franc. ad a. 804.

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Beziehungen zu nichtchristlichen Mächten

beendet habe.43 Thrasco, einmal als rex, zum anderen als dux bezeichnet, war offenbar der oberste Abodritenfürst, wenn auch weitere Führer vorhanden waren.44 Er führte die Abodriten in den Krieg mit den Sachsen. Nach der Ermordung Thrascos 810 bestimmte Karl der Große Sclaomir, der künftig gemeinsam mit dem Sohn Thrascos, Ceadragus, regieren sollte.45 Die Abodriten waren jedenfalls in der Vorstellung der Franken rechtlich abhängig von der Oberhoheit Karls. Sie waren offenbar zum militärischen Beistand gegen die Feinde Karls, Wilzen und Sachsen, verpflichtet. Andererseits genossen sie auch seinen Schutz. Durch die Ansiedlung in Nordalbingien, also nördlich des letzten Teiles der Elbe, gerieten sie zwischen Franken, Sachsen und Dänen. Es dürfte kein Zufall sein, daß gerade für die Jahre 804 und 808 über die ersten großen Übergriffe des dänischen Königs Godofrid berichtet wird. Auch hier sollten die Abodriten wohl, wie gegen die Sachsen, die Rolle der Hilfstruppen und des Puffers spielen.46 Im Jahr 815 befahl Ludwig den Sachsen und Abodriten gleichermaßen, sich zum Feldzug gegen die Dänen zu rüsten.47 Das bestätigt zwar zum einen, daß die Abodriten eine Pflicht zur Heerfolge hatten, sagt zum anderen aber nichts über den Rechtsgrund dafür aus. An der Spitze des Heeres stand ein Franke namens Baldrich. Im Jahr 817 kam es zum Abfall des Königs Sclaomir von Ludwig. Die Reichsannalen sprechen von defectio.48 Sie verwenden nicht die Begriffe rebellatio, infidelitas u. ä., die sie für den Abfall der Sachsen, Bretonen und anderer unterworfener Völker gebrauchten. Sclaomir, der seine königliche Herrschaft nicht mit Ceadragus, dem Sohn seines Vorgängers, teilen wollte, schloß eine amicitia mit den Söhnen Godofrids gegen Heriold, der mit Ludwig verbunden war.49 Er weigerte sich außerdem, fürderhin am Hofe Ludwigs zu erscheinen. Das bedeutete nichts anderes als den Versuch, sich aus der Oberhoheit des Kaisers zu lösen.50 Aber Ludwig setzte Sclaomir ab und Ceadragus als König ein. Im Jahr 822 erschienen Gesandtschaften mit Geschenken. Waren die Abodriten inzwischen tributpflichtig geworden? Unter Karl war von Geschenken nie die Rede. Im Jahr 823 schlichtete Ludwig einen Streit um den Thron, verlangte aber von Ceadragus das Erscheinen bei Hofe und eine Rechtfertigung seines Ausbleibens. Das wiederholte sich drei Jahre später. 838 waren die Abodriten mit den Wilzen wieder abtrünning, a fide deficientes. Sie 43 44

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Ann. Mett. prior. ad a. 804. Er wird als Drasco, Thrasco und Thrasico in den Quellen bezeichnet, Hellmann, Karl, S. 715. Hellmann, Karl, S. 716. Zu den Beziehungen Karls zu den abodritischen Fürsten eingehend Friedmann, Untersuchungen, 51ff. Allerdings geht er nicht auf die genannten Begriffe und Formulierungen der Quellen ein. Dazu Ernst, Nordwestslaven, S. 171ff., mit weiteren Hinweisen. Ann. regni Franc. ad a. 815: Iussum est ab imperatore, ut Saxones et Abodriti ad hanc expeditionem praepararentur. Ann. regni Franc. ad a. 817. Damit wird i.ü. der Begriff amicitia inhaltlich ausgedehnt auf jedwedes Bündnis, auch zwischen Heiden und gegen die Franken. Daraus könnte zu schließen sein, daß er der eigentliche Terminus für ein Bündnis unter Gleichen ist, dazu unten S. 690f. Ann. regni. Franc. ad a. 817.

Die fränkisch-slawischen Beziehungen

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wurden bekriegt, besiegt, mußten Geiseln stellen, wovon bis dahin keine Rede war. Zudem versprachen die Abodriten, imperatori subiditos deinceps fore nunciantes.51 819 unterstützten die Abodriten auf Befehl Ludwigs die Rückkehr des 813 gestürzten dänischen Königs Heriold nach Dänemark.52

b. Beziehungen mit den übrigen Slawen Im Unterschied zu den Abodriten werden die Wilzen i.d.R als Feinde sowohl der Franken als der Abodriten angesehen. Der Zug von 789 gegen sie wurde bereits erwähnt. Karl habe sich den Übermut nicht länger gefallen lassen wollen und sie erfolgreich bekriegt. Der König Dragowit unterwarf sich obsides, qui imperabantur, dedit, fidem se regi ac Francis servaturum iure iurando promisit. Quem ceteri Sclavorum primores ac reguli secuti omnes se regis dicioni subdiderunt.53 Das Chronicon Moissiacense geht noch weiter: Et venerunt reges terrae illius cum rege eorum Tranvito ei obviam, et petita pace, tradiderunt terras illas universas sub dominatione eius: et seipsis traditis, rex reversus est in Francia.54 Die Wilzen sind auch in das conloqium sclacvorum von 799 einbezogen. In den Jahren 805 und 806 sandte der Kaiser seinen Sohn Karl gegen die Böhmen. Warum es zu diesem Kriegszug kam, wird nicht berichtet. Ausführlicher als die Reichsannalen stellen die Annales Mettenses priores und das Chronicon Moissiacense die militärischen Abläufe dar. Die Chronik fügt für 806 hinzu: Et ceteri reges ipsorum venerunt ad eum, et promiserunt se servituri domno et pio imperatori, tradideruntque obisdes, sicut ille volebat.55 In diese Zeit fällt das Diedenhofener Kapitular Karls des Großen, das auch Handelsbeziehungen der Franken zu den Slawen belegt.56 Den Kaufleuten, qui partibus Sclavorum et Avarorum pergunt, wurde eine festgelegte Gebietsgrenze für ihren Handel vorgeschrieben, zudem wurde ihnen untersagt, Waffen in die slawischen Gebiete auszuführen.57 Hellmann führt dieses Ausfuhrverbot auf den Böhmenfeldzug zurück, „dessen Ergebnis nicht voll befriedigt haben muß.“58

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Ann. Bertiniani ad a. 838. Ann. regni Franc. ad a. 819. Ann. q. d. Einhardi ad a. 789; die Ann. Mett. prior. ad a. 789, S. 77f., ergänzen, Dragowit habe das Königreich zurückgegeben, asserens se olim ab invicto principe Carolo eandem potestatem vel dominationem consecutum fuisse. Chron. Moissiac. ad a. 789, MGH SS I, S. 298. Chron. Moissiac. ad a. 806, MGH SS I, S. 308. Zum Handel der Franken mit den Slawen Hensel, Slawen, S. 429f. Capitulare missorum in Theodonis villa datum secundum, generale c. 7, MGH LL II, Capit. I/1, Nr. 44, S. 123: Et ut arma et brunias non ducant ad venundandum; quod si inventi fuerint portantes, ut omnis substantia eorum auferatur ab eis, dimidia quidem pars partibus palatii, alia vero medietas inter iamdictos missos et inventorem dividatur. Hellmann, Karl, S. 717.

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Beziehungen zu nichtchristlichen Mächten

Zur Zeit Ludwigs des Frommen erschienen verschiedentlich Slawenfürsten auf den Hoftagen, die Geschenke überbrachten.59 Sie waren offenbar durch die Unterwerfungen zur Zeit Karls des Großen tributpflichtig geworden. Ferner bestand konsequenterweise eine Pflicht der Fürsten, auf den Hoftagen zu erscheinen, was ebenfalls auf Abhängigkeit hinweist. Sie mußten u. U. auch Geiseln gegen perfidia stellen.60 Für 839 wird etwas präziser vom Treueschwur eines sorbischen Königs und Geiselstellung berichtet.61 Von den Sorben geben die fränkischen Quellen erstmals für das Jahr 806 Kunde, und zwar von einem Feldzug des jüngeren Karl in terram Sclavorum, qui dicuntur Sorabi. Bei den Kämpfen wurde der dux Sclavorum, Miliduoch, getötet. Nach dieser Unterwerfung62 schweigen die Quellen bis zu einem zweiten Feldzug der Franken gegen die Sorben, den Ludwig der Fromme 816 anführte und erfolgreich mit einer subiectio beendete.63 Auf dem Hoftag 822, der abgehalten wurde ad utilitatem orientalium partium regni, erschienen Gesandte der Sorben gemeinsam mit den übrigen Slawen, u. a. Abodriten, Wilzen, Böhmen, Mährer, und überreichten Geschenke.64

II I. D ie f rä n k is ch - ar ab i s ch en B ez i eh u n g en a. Einführung Beziehungen zu den arabischen Mächten waren zunächst durch die Nachbarschaft mit dem spanisch-arabischen Emirat von Cordoba gegeben. Nach der Zurückdrängung der arabischen Eroberung in Gallien durch Karl Martell war Südwestgallien, Septimanien, noch in arabischer Hand. Allmählich dehnte sich jedoch das fränkische Herrschaftsgebiet bis 812 unter Karl dem Großen und Ludwig dem Frommen als König von Aquitanien nach Nordspanien bis um Ebro aus. Zum zweiten aber entwickelten sich, wenn auch nur für kürzere Zeit Beziehungen zu den Kalifen nach Bagdad. Die Außenpolitik der Karolinger griff also hier über die durch Nachbarschaft begründeten Beziehungen hinaus. Gerade darin liegt für Fragen nach den normativen Grundlagen der Zwischen-Mächte-Beziehungen im 8. und 9. Jahrhundert trotz der kurzen Zeitspanne dieser Beziehungen ihre Bedeutung, umso mehr als das Kalifat durch den islamischen Glauben außerhalb der christianitas stand.

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Ann. regni Franc. ad a. 822. Außer den Abodriten werden Sorben, Wilzen, Böhmen, Mährer und Prädenecenter genannt. Ann. regni Franc ad a. 826. Von weiteren Gesandtschaften wird für 831 berichtet. Ann. Bertiniani ad a. 839. Ann. regni Franc. ad a. 806: Sclavisque pacatis Karlus cum exercitu regressus in loco, qui dicitur Silli, super ripam Mosae fluminis ad imperatorem venit. Ann. regni Franc. ad a. 816. Ann. regni Franc. ad a. 822.

Die fränkisch-arabischen Beziehungen

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b. Emirat von Cordoba Zwischen 752 und 759 gelang Pippin die endgültige und volle Rückeroberung Septimaniens. Zuletzt fiel Narbonne. Das neuerrichtete Emirat von Cordoba wurde damit auf die Pyrenäen zurückgedrängt. Über weitere Kontakte wird für Pippins Zeit nicht mehr berichtet. 777 erschien nach den fränkischen Quellen der arabische Statthalter von Saragossa in Paderborn bei Karl dem Großen. Im Emirat gab es offenbar interne Auseinandersetzungen. Die Befehlshaber oder Gouverneure der nördlichen Provinzen rebellierten gegen den Emir, suchten sich jedenfalls eine selbständigere Stellung zu verschaffen.65 Die Einhardannalen berichten über den Besuch Venit in eodem loco ac tempore ad regis praesentiam de Hispania Sarracenus...cum aliis Sarracenis sociis suis, dedens se ac civitates, quibus eum rex Sarracenorum praefecerat.66 Diese erst wesentlich später erstellte Nachricht erscheint hinsichtlich der Formulierung dedens se doch zweifelhaft. Ob wirklich eine Unterwerfung stattgefunden hat, ist nicht festzustellen. Aber Karl zog nach Spanien ex persuasione praedicti Sarraceni spem capiendrarum quarundum in Hispania civitatum,67 eroberte Pampeluna, Navarra, scheiterte aber vor Saragossa. Der Rückzug endete in der Katastrophe bei Roncevaux, dem Untergang der fränkischen Nachhut unter dem Grafen Roland von der Bretagne, die in eine von den Basken gestellte Falle geraten war. Den Vorstößen der Franken über die Pyrenäen war zunächst kein dauerhafter Erfolg beschert.68 Es folgten weitere Kämpfe, vor allem um Gerona zwischen 785 und 796. 797 erging eine weitere „Einladung“ zweier arabischer Fürsten an Karl. Die Reichsannalen berichten, daß 797 der Statthalter von Barcelona, Zato, nach Aachen gereist sei: Nam ipse ad palatium veniens domno regi semetipsum cum civitate commendavit.69 Danach hätte er sich als Vasall Karls diesem kommendiert. In den Einhardannalen heißt es: Nam is aestatis initio Aquisgrani ad regem venit seque cum memorata civitate spontanea deditione illius potestati permisit.70 Deditio ist ein dem Kriegsrecht zugehöriger Begriff.71 Damit besteht in den beiden Darstellungen ein Dissens zwischen Vasallität und Unterwerfung. Übereinstimmend heißt es: Barcinona... reddita est.72 Die Stadt war in Wahrheit vorher nie fränkisch. Ihre Belagerung und Einnahme nach Jahren wurde auf diese Weise nach außen gerechtfertigt. Nicht Eroberung, sondern Herstellung des Rechts wurde nachvollzogen. Die Annalen legen also offenbar Wert auf eine rechtfertigende Darstellung des Zugriffs auf nordspanische Städte. Aber Barcelona wurde fränkisch. Ludwig, Unterkönig von Aquitanien, auf dem die Hauptlast der Kämpfe lag, der aber gleichzeitig abhängig von den Weisungen seines Vaters war, eroberte es 65 66 67 68

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Lacarra/Engels, Mauren und Christen, S. 1004. Ann. q. d. Einhardi ad a. 777. Ibid., ad a. 778. Ann. q. d. Einhardi ad a. 778; hierzu und zum folgenden Gerbet, L‘Espagne, S. 98ff.; Collins, Conquest, S. 175ff.; Schieffer, Karolingerreich, S. 551; Boshof, Ludwig der Fromme S. 71 ff. Ann. regni Franc. ad a. 797; dazu Björkmann, Karl, S. 676; Collins, Conquest, S. 210ff. Ann. q. d. Einhardi ad a. 797. Unten S. 537ff. Ann. regni Franc. ad a. 797, Ann. q. d. Einhardi ad a. 797.

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Beziehungen zu nichtchristlichen Mächten

von Toulouse aus im Jahr 801.73 Weitere Gebiete wurden ebenfalls erobert, Lerida, Huesca, später Gerona.74 Um 800 wurde die spanische Mark gegründet. 810 soll der neue Statthalter von Saragossa, Amorez, bereit gewesen sein, se... cum suis omnibus in imperatoris dicionem esse venturum, wozu es aber nicht kam. Dafür wurde mit Abulaz, dem rex Hispaniae, eine pax geschlossen.75 Die Gesandten kamen aus Cordoba. Der genannte König Abulaz muß daher al-Hakam I. gewesen sein, der von 796 bis 822 Emir von Cordoba war, Enkel des Gründers der Dynastie. Die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Franken und Arabern waren also allgemeiner und nicht nur lokaler Art. Die Bedeutung des Begriffs pax ist im vorliegenden Zusammenhang unklar. Meint er wirklich Frieden oder nur Waffenstillstand?76 Da Abulaz Haimricum comitem olim a Sarracenis captum übergab, könnte ein Friedensschluß vorgelegen haben. 77 Andererseits folgen weitere Berichte über Friedensschlüsse in Abständen von jeweils zwei bis drei Jahren. Für 812 berichten die Annalen: Pax cum Abulaz rege Sarracenorum facta.78 Schieffer sieht darin eine Verlängerung des Waffenstillstandes von 810. Es ist aber auch eine andere Deutung in Analogie zum gleichzeitigen Friedensschluß mit Byzanz möglich. Dann wäre 812 die Bestätigung des Friedensschlusses von 810 durch Abulaz erfolgt. Voraussetzung wäre aber, daß der Vertrag in schriftlicher Form abgeschlossen worden wäre. Da aber weder dazu noch zu dem Verfahren berichtet wird, bleibt das Spekulation. Dieser Friedensschluß währte allerdings nur drei Jahre. Die Nachrichten über das Ende sind sehr verschieden. In den Reichsannalen heißt es: Pax, quae cum Abulaz rege Sarracenorum facta et per triennium servata erat, velut inutilis rupta et contra eum iterum bellum susceptum est.79 Hingegen heißt es im Chronicon Moissiacense schon für das Jahr 812: sed fecerunt pacem cum ipso per tres annos.80 Es wäre also von vorneherein nur ein befristeter Friede gewesen. Aber die Chronik betrachtet die Ereignisse aus dem nachhinein, sie ist nicht zeitgenössisch. Derselbe Vorgang wiederholte sich. Im Jahr 817 erschienen Gesandte des Sohnes des Abulaz, des Statthalters von Saragossa Abdirahman, pacis petendae gratia. Sie wurden hingehalten cum tribus mensibus detenti essent.81 Ob es zu einem Friedensschluß kam, ist nicht bekannt. Aber 820 heißt es wieder: Foedus inter nos et Abulaz regem Hispaniae constitutum et neutrae parti satis proficuum consulto ruptum bellum-

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Die Reichsannalen datieren die Unterwerfung auf 801, Ann. regni Franc. ad a. 801; vgl. Björkmann, Karl, S. 677, Fußnote 24; Boshof, Ludwig der Fromme, 74 ff. Gerbet, L’Espagne, S. 98ff. Ann. regni Franc. ad a. 810. So Schieffer, Karolingerreich, S. 552. Ann. regni Franc. ad a. 810. Zu den Ereignissen Buckler, Harunu’l-Rashid, S. 39 ff., der auch den Zusammenhang mit den Beziehungen Karls nach Bagdad herstellt. Ann. regni Franc. ad a. 812. Ann. regni Franc. ad a. 815. Chron. Moissiac. ad a. 812, MGH SS I, S. 309f. Ann. regni Franc. ad a. 817.

Die fränkisch-arabischen Beziehungen

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que adversus eum susceptum est.82 Danach wird von neuen Vereinbarungen nicht mehr berichtet. Die Beziehungen waren eher kriegerischer Art.

c. Beziehungen Pippin – al-Mansur Die erste Nachricht über einen Gesandtenaustausch mit den abbasidischen Kalifen findet sich für 768.83 Zu jener Zeit herrschte al-Mansur in Bagdad: His itaque gestis, nunciatum est regi, quod myssos suos, quos dudum ad Amormuni regi Saracinorum misserat, post tres annos ad Marsiliam reversus fuisset; legationem predictus Amormuni rex Sarracinorum ad praefato rege cum multis muneribus secum adduxerat.84 Die arabischen Gesandten wurden nach Metz begleitet, wo sie den Winter verbrachten. Pippin führte zunächst einen Kriegszug gegen Waifar und begab sich dann nach Sellus: legationem Sarracenorum...ad Sellus castro ad se venire praecepit, et ipsi Saraceni munera, quod Amormuni transmiserat, ibidem presentant. Iterum rex ipsos Sarracinos, qui ad eum missi fuerant, munera dedit et usque ad Marsilia cum multo honore adducere praecepit.85 Die Nachrichten sind dürftig. Die Initiative ist danach von Pippin ausgegangen. Aber warum? Septimanien war seit 759 erobert. Die spanischen Muslime hatten sich unter dem Emirat Abdarrahmans selbständig gemacht, unterstanden also weder der Oberhoheit noch dem Einfluß Bagdads. Aber die Gesandtschaft war offenbar nicht erfolglos. Denn der Kalif erwiderte die Gesandtschaft durch eine eigene mit Geschenken. Ob er daran interessiert war, die Franken als Verbündete zur Wiedergewinnung Spaniens unter seiner Oberhoheit zu gewinnen, ist nicht zu klären, wenn auch nicht auszuschließen. Der Austausch von Geschenken hatte bestimmte Bedeutungen. Daß Pippin die Gesandten al-Mansurs nicht sofort empfing, sagt nichts aus. Das geschah immer wieder, zumal sich der Frankenkönig in Kriegsvorbereitungen gegen Waifar befand. Aber es wird danach nichts über Verhandlungen oder gar deren Gegenstand gesagt. Die Begründung eines engeren Verhältnisses, gar der Abschluß eines pactum, werden nicht erwähnt. Es fehlen sogar so allgemeine Begriffe wie pax oder amicitia. Aber Pippin sandte Geschenke zurück. War das bloße Höflichkeit? In der Literatur ist viel konstruiert worden. Genauere Aussagen lassen sich nicht treffen, da der Austausch folgenlos blieb, jedenfalls über Folgen nichts mehr berichtet wird. Aber es scheint, daß schon Pippin größere Zusammenhänge fränkischer Politik jedenfalls für einen Moment wahrnahm.86

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Ann. regni Franc. ad a. 820. Chron. Fred. cont. 134 (51), S. 191; dazu Borgolte, Gesandtenaustausch, S. 37ff.; Björkmann, Karl, S. 673 mit weiteren Nachweisen. Chron. Fred. cont. 134 (51), S. 191, Z. 21–24. Chron. Fred. cont. 134 (51), S. 192, Z. 4–8. Ausführlich zu diesen Vorgängen, Buckler, Harunu’l-Rashid, S. 4 ff. Er sieht den Grund der Verbindung einerseits in der gleichen Feindschaft gegen die Umayaden in Spanien, andererseits in den Verwicklungen zwischen den drei christlichen Mächten wegen des Bilderstreites, S. 10, ordnet sie also in die allgemeine fränkische Politik gegenüber dem Papst und dem Kaiser in Konstantinopel ein.

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Beziehungen zu nichtchristlichen Mächten

d. Beziehungen Karl der Große – Harun al Rashid Zwar führte Karl ab den siebziger Jahren Krieg in Spanien, aber es dauerte bis in die späten neunziger Jahre, bis er die Kontake mit den Kalifen erneuerte. Für das Jahr 801 berichten die Reichsannalen, daß Karl der Große auf dem Rückweg von Rom die Nachricht von der Ankunft zweier Gesandter Haruns erhielt, die ihrerseits von der bevorstehenden Rückkehr einer fränkischen Gesandtschaft berichteten: Qui Isaac Iudeum, quem imperator ante quadriennium ad regem Persarum cum Lantfrido et Sigimundo miserat, reversum cum magnis muneribus nuntiaverunt; nam Lantfridus ac Sigimundus ambo defuncti erant.87 Die Gesandtschaft Karls hatte sich demnach 797, also lange vor der Kaisererhebung Karls und damit unabhängig von dieser, auf den Weg gemacht. Wiederum ging die Initiative von dem Franken aus. Karl schickte eine Flotte aus, um Isaac mit den Geschenken, unter denen sich ein Elefant mit Namen Abul-Abbas befand, abzuholen. Karl ließ die Gesandten aus dem Morgenland sofort zu sich bringen: Quibus obviam mittens inter Vercellis et Eporeiam eos sibi fecit praesentari.88 Es stellte sich heraus, daß einer ein Gesandter Haruns, der zweite ein Gesandter des Emirs Ibrahim war. Auch hier wird nichts darüber gesagt, was sie wollten. Von Verhandlungen über pax, amicitia, pactum oder ähnlichem ist keine Rede. Es wird nicht einmal berichtet, daß diese Gesandten ihrerseits mit Geschenken wieder entlassen und zurückbegleitet wurden, was aber zweifelsohne der Fall war. Isaac kam 802 im Sommer mit dem Elefanten in Aachen an. Eine weitere Gesandtschaft Karls muß 802 nach Bagdad aufgebrochen sein. Denn für 806 wird über deren Rückkehr auf recht eigentümliche Weise berichtet. Sie fuhren offenbar im dalmatinischen Krieg von 806 durch die byzantinische Flotte, et legati, qui dudum ante quattuor fere annos ad regem Persarum missi sunt, per ipsas Grecarum navium stationes transvecti ad Tarvisiani portus receptaculum nullo adversariorum sentiente regressi sunt.89 Diese Gesandtschaft könnte nach der Rückkehr Isaacs in Begleitung der Gesandten der Araber aufgebrochen sein. Auch diesmal war der Gesandte des Kaisers, Radbert, auf dem Weg gestorben. Dafür kamen ein Gesandter Haruns und zwei Mönche aus Jerusalem im Auftrag des Patriarchen mit. Sie brachten wiederum sehr kostbare Geschenke, die ausführlich geschildert werden: ein Zelt mit besonders schönen Vorhängen, aber auch pallia sirica multa et preciosa et odores atque unguenta et balsamum. Außerdem gehörte eine sehr kostbare und geschickt gebaute Uhr dazu. Das alles wurde nach Aachen gebracht. Imperator legatum et monachos per aliquantum tempus secum retinens in Haliam direxit atque ibi eos tempos navigationis expectare iussit.90 Auch der Annalist sagt ebensowenig wie früher der Fredegar-Fortsetzer etwas über die Gründe der Mission.91 Wir erfahren nichts über Verhandlungen oder gar deren Inhalt, Zweck und Ziel. Die Gründe sind in der allgemeinen politischen wie religiöskirchlichen Situation zu suchen. Zum einen bestanden die Spannungen mit den spani87 88 89 90 91

Ann. regni. Franc. ad a. 801, dazu Borgolte, Gesandtenaustausch, S. 45ff. Ann. regni Franc. ad a. 801. Ann. regni Franc. ad a. 806. Ann. regni Franc. ad a. 807. Dazu u. a. Clot, Harun, S. 136ff.; Borgolte, Gesandtenaustausch, S. 46ff.

Die fränkisch-arabischen Beziehungen

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schen Muslimen fort. Suchte Karl beim Kalifat Unterstützung, eine Art „Genehmigung“ gegen Muslime vorgehen zu dürfen? Zudem bestanden Spannungen Karls mit Byzanz. Es könnten also Bündnisüberlegungen gegen Byzanz die Gesandtschaft veranlaßt haben.92 Es könnte schließlich um die Sicherung der Zugänge zu den heiligen Stätten für die Pilger gegangen sein. Die weitere Entwicklung deutet darauf hin, daß dies das zentrale Anliegen Karls für seine Missionen nach Bagdad gewesen zu sein scheint. So steht in der Vita Karoli Einhards dieser Schutz im Zentrum. Der Biograph geht sehr ausführlich auf diese Beziehung ein: Cum Aaron rege Persarum... talem habuit in amicitia concordiam, ut is gratiam eius omnium, qui in toto orbe terrarum erant, regum ac principum amicitiae praeponeret solumque illum honore ac munificentia sibi colendum iudicaret.93 Hier finden sich nun auch die gängigen Begriffe für die Qualifizierung einer engen friedlichen Beziehung zwischen zwei Herrschern, amicitia und concordia. Für Einhard stand diese Beziehung damit in der Qualität gleich derjenigen zu den griechischen Kaisern, die unmittelbar danach ebenfalls mit dem Begriff amicitia bezeichnet wird. Eine andere Stelle in Einhards Karlsvita macht das Anliegen Karls für diese Kontakte deutlich. Dort wird nicht nur berichtet, daß Karl bedrängten Christen in verschiedenen islamischen Gebieten mit Geld half, in Ägypten, Afrika, Alexandria, Karthago und eben auch Jerusalem, sondern auch ob hoc maxime transmarinorum regum amicitias expectens, ut Christianis sub eorum dominatu degentibus refrigerium aliquod ac relevatio proveniret.94 Karl hatte offenbar auch direkt Verbindung mit dem Patriarchen von Jerusalem aufgenommen. So berichten die Einhardannalen des Jahres 799 Sed et monachus quidam de Hierosolima veniens benedictionem et reliquias de loco resurrectionis dominicae quae patriarcha regi miserat, detulit.95 Er wurde mit Geschenken für die heiligen Stätten und in Begleitung eines eigenen Gesandten zurückgeschickt. Die Gabe von Segen und Reliquien war eine freundschaftliche, religiöse Gabe, die Verbindung, nicht aber Herrschaft zum Ausdruck brachte. Die Reichsannalen wie die Einhardannalen vermelden für das Jahr 800 die Rückkehr einer Gesandtschaft Karls in Begleitung von Gesandten des Patriarchen von Jerusalem zusammen mit fränkischen Gesandten, die Karl in Rom, aber noch vor der Kaisererhebung, antraf. Es waren zwei Mönche vom Kloster des hl. Sabas, qui benedictionis causa claves sepulchri Dominici ac loci calvariae, claves etiam civitatis et montis cum vexillo detulerunt.96 Jerusalem birgt mit dem Grab und dem Ort der Auferstehung Jesu einen besonders heiligen Ort der ganzen Christenheit. Christen, Mönche, Pilger verehrten ihn. In den Klöstern waren häufig auch Franken und andere westliche Mönche.97 Außerdem ka92 93 94

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Zu den möglichen Gründen, Buckler, Harunu’l-Rashid, S. 20 f. Einhard, Vita Caroli, c. 16. Einhard, Vita Caroli, c. 27. Zur Spendentätigkeit für Jerusalem siehe Capitulare missorum Aquisgranense primum, c. 18, MGH LL II, Capit. I, Nr. 64, S. 154, Z. 1: De elemosina mittenda ad Hierusalem propter aecclesias Dei restaurandas. Ann. regni Franc. q d. Einh. ad a. 799, ähnlich die Ann. Lauress. ad a. 799. Ann. regni Franc. ad a. 800. Einer der beiden Mönche, die 806 nach Aachen kamen, der Abt Georg, war in Germanien geboren (cui patria Germania est).

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Beziehungen zu nichtchristlichen Mächten

men immer wieder Pilger aus dem Westen zu den heiligen Stätten.98 Auch deren Schutz mußte Karl angelegen sein. Es gab zwar einerseits eine recht große Toleranz der Kalifen gegenüber Christen, aber andererseits auch immer wieder Überfälle, Mißhandlungen, Raubzüge gegen Klöster und Pilger.99 Dagegen war Schutz nötig, der aber nur durch die dortigen Institutionen selbst sichergestellt werden konnte und mußte. Die abbasidische Regierung und die lokalen muslimischen Behörden mußten die Sicherheit garantieren. Das wollte Karl mit seinen Gesandtschaften bei Harun erreichen. Dazu bedurfte es zwar der amicitia und concordia, nicht aber unbedingt eines pactum. Ob Karl insoweit auch einen Vorteil gegenüber Byzanz erringen wollte, muß aber offen bleiben.100 Jedoch dichtet der Poeta Saxo für 802 curaverat ultro / Eius amicitiae se foedere iungere firmo.101 Worauf sich der Verfasser stützt, ist nicht ersichtlich. Keine zeitgenössische oder auch nur annähernd zeitgenössische Quelle erwähnt ein pactum oder ein foedus.102 Das foedus hätte sich gegen Byzanz richten können. 103 Aber im Jahre 802 bemühte sich Karl um Frieden mit Byzanz. Er suchte, zuerst mit Eirene und dann mit dem neuen Kaiser Nicephorus zu einem Friedensschluß zu kommen. Zunächst begann jedoch 806 der ungefähr vierjährige Krieg um Venedig, nachdem dieses Karl gehuldigt hatte, und um Dalmatien durch einen byzantinischen Flottenangriff auf die Lagunenstadt. Zuvor hatte Nicephorus im Jahre 804 einen allerdings sehr kurzfristigen Frieden mit Harun geschlossen. Wollte er die amici auseinanderdividieren? Andererseits veranlaßte ein erneuter Ausbruch der Feindseligkeiten mit Harun 806 wahrscheinlich den Waffenstillstand Nicetas mit Pippin in Italien von 807. Der arabische Druck wäre dann mitursächlich für die Bereitschaft des oströmischen Kaisers Nicephorus gewesen, mit Karl doch zu einem Ausgleich zu kommen, der schließlich zu dem Vertrag von 812/14 führte. Diese Zusammenhänge deuten aber noch nicht notwendig auf ein Bündnis zwischen dem westlichen Kaiser und dem Kalifen hin. Abgesehen davon, daß die Dichtung des Poeta Saxo erheblich später entstand, übersieht die ihm folgende These eines Bündnisses oder doch einer Verständigung in der Analyse der Beziehungen Karls zu Harun, daß Karl nicht selbst gegen Byzanz kämpfte.104 Die Auseinandersetzungen 806 bis 809 waren kein wirklicher Krieg, sondern eher Scharmützel. Karl ging es um seine Gleichberechtigung mit den byzantinischen Kaisern. Er wollte schon 802 den Ausgleich mit diesen und die Anerkennung seines eigenen Kaisertums. Das Verhältnis des Kalifen zu Byzanz hingegen war ein ganz anderes. Er führte einen aggressiven Krieg gegen Byzanz. Sein Interesse hätte allenfalls eine Verhinderung eines Bündnisses der christlichen Großmächte gegen ihn sein können. Allerdings waren die Verhältnisse 98

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Nicht nur aus dem fränkischen Reich, sondern auch aus England u. a., dazu Musca, Carlo Magno, S. 52ff. Borgolte, Gesandtenaustausch, S. 17ff.; Musca, Carlo Magno, S. 64ff.; Clot, Harun, S. 137ff. Das deutet Buckler, Harunu’l-Rashid S. 27f. an. Poeta Saxo, MGH SS I, ad a. 802 Indict. 9, S. 260, Z. 5f. Der Poeta Saxo schreibt erst in der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts, wohl nach 888, Ebenbauer, Carmen, S. 199, mit Nachweisen. Nachweise bei Musca, Carlo Magno, S. 83. Diese These vertritt aber wohl auch Buckler, Harunu’l-Rashid, S. 26 f.

Die fränkisch-arabischen Beziehungen

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zwischen den drei Mächten am Anfang des 9. Jahrhunderts in einem Klärungsprozeß. Das hätte damals Raum für Bündnisse geboten, und bietet ihn heute für geschichtswissenschaftliche Spekulationen. Ein foedus hätte sich auch gegen den Emir von Cordoba richten können. Da gingen die Interessen beider eher in dieselbe Richtung. Aber von Spanien ist nirgendwo die Rede. Der Begriff amicitiae se foedere bei dem Poeta Saxo erscheint, wenn er denn in einem rechtlichen Sinne gemeint gewesen sein sollte, schon wegen der Zeitferne der Quelle von den Vorgängen nicht als zuverlässig. Insgesamt hatte zwischen 797 und 807, also über ein Jahrzehnt, kontinuierlich ein Austausch von Gesandten zwischen Karl und Harun unter Einbeziehung des Patriarchen von Jerusalem stattgefunden. Das Hin und Her der Gesandtschaften in dieser Zeit zeugt von einer engen, stetigen Verbindung, so wenig auch über Einzelheiten, außer über die Opulenz der Geschenke, berichtet wird. Karl sah offenbar schon vor seiner Erhebung zum Kaiser eine Aufgabe darin, Christen im islamischen Herrschaftsbereich, vor allem in Jerusalem im Rahmen seiner Möglichkeit Schutz zu sichern. Auch dies kann als Inhalt seiner Stellung als defensor ecclesiae und defensor fidei verstanden werden. Nach der Kaisererhebung war diese Aufgabe erst recht Inhalt seiner neuen Stellung. Allerdings kam er damit auch mit den oströmischen Kaisern in Konflikt, deren früheres Herrschaftsgebiet Jerusalem war. Aber zum einen konnten sie den Schutz nicht mehr selbst gewährleisten. Zum anderen waren viele Christen aus dem Westen betroffen. Zum dritten hatte Karl in den Libri Carolini gerade seine eigene, selbständige und gleichberechtigte Stellung als defensor ecclesiae neben dem byzantinischen Kaiser betont. Im Jahr 807 war wohl ein gewisser Abschluß der Verhandlungen erreicht. Die Übertragung des Grabes und Ortes der Auferstehung Jesu, so sie denn stattgefunden hat, könnte als symbolischer Akt der Zusage angesehen werden, die Christen, die dorthin pilgerten oder dort lebten, zu schützen. Für Einhard hat zumindest die Nachricht diese Funktion. Für alle weiteren Inhalte, insbesondere ein Bündnis gegen Byzanz, fehlt es an allem. Schutz der Christen, Sorge und Hilfe für sie im Heiligen Land, waren Zwecke des Bemühens Karls.105 Das war für einen christlichen Herrscher politisches, herrscherliches Ziel. Er begründete damit eine Tradition bis ins 19. Jahrhundert, im Guten, aber auch, wie u. a. mit den Kreuzzügen, im Bösen.106 Karl hatte einen vereinbarten, friedlichen, auf gegenseitiger Achtung beruhenden Ausgleich mit dem Kalifen herstellen können. Danach hat wohl ein starker Zustrom von Mönchen und Nonnen aus dem Frankenreich nach Jerusalem eingesetzt. Auch dieser Zuzug und die dafür gegebenenfalls notwendigen Bau- und Fördermaßnahmen mußten von Harun gebilligt werden.107 Es sind auch Gebetsverbrüderungen zwischen fränkischen und jerusalemischen Konven-

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So auch wohl Borgolte, Gesandtenaustausch, S. 92ff. Diese wirkte soweit, daß nach dem Ersten Weltkrieg das Bemühen Frankreichs, in Syrien etc. das Mandat zu erhalten, mit diesen Bemühungen Karls begründet und sogar ein damals errichtetes „Protektorat“ behauptet wurde, Bréhier, Origines, passim; Borgolte, Gesandtenaustausch, S. 6. Clot, Harun, S. 146f.

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Beziehungen zu nichtchristlichen Mächten

ten begründet worden. So wurden die Mönche der Gesandtschaft aus Jerusalem von 806/07 und der damalige Patriarch Thomas mit deren Kongregationen in das Verbrüderungsbuch des Klosters St. Peter in Salzburg aufgenommen.108 Einhard beschreibt die Karl von Harun großzügig eingeräumte Sonderstellung in Jerusalem, Ac proinde, cum legati eius (Karls), quos cum donariis ad sacratissimum Domini ac salvatoris nostri sepulchrum locumque resurrectionis miserat, ad eum (Harun) venissent et ei domini sui voluntatem indicassent, non solum quae petebantur fieri permisit, sed etiam sacrum illum et salutarem locum, ut illius potestati adscriberetur, concessit; et reverentibus legatis suos adiungens inter vestes et aromata... .109 Die älteren weitgehenden Interpretationen der Literatur, die sogar die Übertragung der Oberhoheit oder jedenfalls eines Protektorates über Jerusalem an Karl durch Harun annahmen, sind inzwischen entweder aufgegeben oder doch ganz erheblich zurückgenommen.110 Das Geschenk Haruns wird heute als symbolische Gabe nur des Grabes und des Ortes der Auferstehung gesehen, nicht als Akt der Herrschaftsübertragung, nicht einmal der Übertragung besonderer Schutzrechte.111 Die Berichte über Gesandtschaften des Patriarchen von Jerusalem in den Annalen stützen eine weitergehende Deutung wohl auch nicht. Die Übergabe von Reliquien und Schlüsseln zu verschiedenen heiligen Stätten in Jerusalem und auch der Stadt einschließlich eines vexilium waren Geschenke, keine Übertragung von Hoheitsrechten, allenfalls die symbolische Zusicherung freien Zugangs. Zu mehr hatte der Patriarch wohl gar keine Befugnis, da er keine eigene weltliche Herrschaft innehatte. So bildet insbesondere die Differenz der Darstellung des Geschenks, das die Doppelgesandtschaft eines Gesandten Haruns mit Jerusalemer Mönchen als Gesandten des Patriarchen Karl überbrachte, ein Gewand, wie die Karlsvita Einhards berichtet, oder, wie es die zeitnäheren Annalen darstellen, kostbare Stoffe, keine hinreichende Grundlage für weitergehende Schlüsse.112 Ob und was Karl von seiner Seite als Geschenke übersandt hat, bleibt unbekannt. Die Quellen enthalten keine entsprechenden Hinweise.

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Liber confraternitatum vetustier, MGH Necrologia II, S. 12, col. 30, Z. 33ff.; zu diesen Aktivitäten u. a. Borgolte, Gesandtenaustausch, S. 97ff., der allerdings darin kein unmittelbares Ergebnis der Verhandlungen sehen will, sondern nur einen lockeren Verbund. Das ist fraglich, denn dies bedeutete eine Stärkung des christlichen Einflusses, die ohne Billigung oder gar Genehmigung durch den Kalifen schlecht denkbar ist. Einhard, Vita Caroli, c. 16. Dazu Borgolte, Gesandtenaustausch, S. 3ff.; so wohl auch Musca, Carlo Magno, S. 31f.; Clot, Harun, S. 144f. Borgolte, Gesandtenaustausch, S. 81ff. So auch Borgolte, Gesandtenaustausch, S. 9ff. Anders Buckler, Harunu‘l-Rashid, Preface; zur Gewandgabe als zeremonielle Gabe ibid. S. 33 „The gift of robes to Charles, then implied the proclamation of overlordship over him“; Karl habe durch die Annahme diese Suzeränität anerkannt, S. 34. Es ist aber kaum anzunehmen, daß Karl, der zu dieser Zeit immer noch um die Gleichstellung mit dem Kaiser von Konstantinopel kämpfte, eine solche Oberhoheit wirklich akzeptierte.

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e. Beziehungen Ludwig der Fromme – al-Mamun Unter Ludwig dem Frommen gestalteten sich die Kontakte mit den Kalifen sporadisch und unzusammenhängend. 831 erschien auf der Reichsversammlung in Diedenhofen, der dritten diesen Jahres, auch eine Gesandtschaft des Kalifen al-Mamun, des Sohnes Haruns. Er hatte nach inneren Auseinandersetzungen 831 die Herrschaft errungen: Ibique ad eum legati Amiralmumminin de Perside venientes, pacem petiverant. Qua mox impetrata, reversa sunt.113 Was mit pax gemeint ist, ist offen. Es war kein Krieg. Eine „Bitte“ um Frieden im engeren Wortsinn ist daher nicht angezeigt. So ist wohl von dem allgemeinen Frieden auszugehen, den der Vater des Kalifen mit Karl begründet hatte. Darauf deutet eine andere, aber spätere Quelle hin: Legati Sarracenorum venerunt ad imperatorem pacem confirmandam et cum pace reversi sunt.114 In der Ludwigs-Vita des „Astronomus“ wird von drei Gesandten, zwei Sarazenen und einem Christen, sowie granda munera berichtet.115 Die Teilnahme eines Christen dürfte wiederum darauf hinweisen, daß es hauptsächlich um deren Probleme ging. Keine Nachricht liegt dieses Mal darüber vor, ob Ludwig seinerseits, sei es vor al-Mamuns Gesandtschaft oder danach, an diesen Gesandte auf den Weg geschickt hat. Es war dies die Zeit des beginnenden internen fränkischen Konfliktes, der Ludwigs Aktivität nach außen auch in diesem Punkt gelähmt haben mag. Es kann aber auch sein, daß es den Annalisten angesichts dieses Konfliktes nicht wichtig genug erschien, darüber zu berichten. Jedenfalls laufen die Berichte nach 831 aus. Auch während Ludwigs Regierungszeit kam es zu Gesandtenaustauschen mit dem Patriarchen von Jerusalem, die gewiß nicht ohne Kenntnis und wohl auch Zustimmung des Kalifen zustande kommen konnten.116 Auch die Gebetsverbrüderungen bestanden fort.

f. Sarazenische Seeräuber Ganz anderer Art waren die „Beziehungen“ zu sarazenischen Seeräubern. Ab 799 häufen sich Berichte über deren Angriffe.117 Sie überfielen vor allem die zum fränkischen Herrschaftsbereich gehörenden Inseln Korsika und Sardinien, aber auch die Küsten und Gebiete des Reiches am Mittelmeer. Sie raubten und brandschatzten, töteten die Bewohner oder entführten sie in die Sklaverei. Die fränkischen Herrscher nahmen ein Schutzrecht für ihre Länder in Anspruch. Seeräuberei war Gewalt, die aber wohl als eine Art Krieg verstanden wurde. Karl und Ludwig sandten daher immer wieder Flotten gegen die Seeräuber aus, die diese auch

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Ann. Bertiniani ad a. 831. Ann. Xant. ad a. 831. Anonymus, Vita Hludowici, c. 46. Zu den Gesandten aus Jerusalem im Jahr 826: Ann. regni Franc. ad a. 826; Anonymus, Vita Hludowici, c. 40; eine undatierte Mission Ludwigs nach Jerusalem, Borgolte, Gesandtenaustausch, S. 110f. Ann. regni Franc. ad a. 799, (Balearen); ad a. 806; ad a. 807; ad a. 809; ad a. 810, ad a. 813; ad a. 828, (Überfälle auf Korsika, Sardinien und Unteritalien).

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Beziehungen zu nichtchristlichen Mächten

erfolgreich bekämpfen konnten.118 828 soll der Graf Bonifacius sogar in Tunesien gelandet sein und dort den Afrikanern einige Treffen mit nicht unerheblichen Verlusten auf beiden Seiten geliefert haben.119 Regeln werden für diese Auseinandersetzungen nicht angegeben. Es waren völlig offene und ungezähmte Kämpfe, in denen es auch keine Friedensschlüsse oder auch nur vereinbarte Waffenstillstände gab. In den Berichten wird kein faßbares, in irgendeiner Form organisiertes Gegenüber, auch kein Herrscher oder Anführer mit Namen genannt. Es ist stets nur von Sarazenen oder Mauren die Rede. Der erste Bericht über Kämpfe mit sarazenischen Seeräubern bezieht sich auf deren Überfälle auf die Balearen im Jahr 798. Sie führten dazu, daß sich die Inselbewohner dem Schutz Karls unterstellten.120 Dieser nahm ihr Schutzbegehren an und übte aktiv seine daraus erwachsene Aufgabe aus. Die Begriffswahl se dediderunt drückt eine Unterwerfung aus. In der Regel wird dieser Begriff mit seinem Substantiv deditio im Anschluß an einen Krieg gebraucht. Hier zeigt sich jedoch, daß er einen allgemeineren Inhalt der Unterwerfung hat.

IV. B u l g ar en Zwar waren die Berührungen mit den Bulgaren unter Ludwig dem Frommen eher episodisch. Aber die Berichte offenbaren einiges über die normativen Grundlagen. Die Bulgaren treten ab 818 in das Blickfeld der Franken bzw. der Annalen. Dieses Reitervolk hatte sich aus dem Osten kommend ab 558 auf dem Balkan, d. h. auf byzantinischem Reichsgebiet, zunächst in Dalmatien und ab dem siebten Jahrhundert südlich der Donau angesiedelt. In langen, heftigen Kriegen mit dem oströmische Reich seit Konstantin IV. errichteten sie ein unabhängiges bulgarisches Reich, was die Kaiser nicht verhindern konnten. Sie zahlten sogar Tribute, um den Frieden zu erhalten. Eine Zeitlang waren Bulgaren und Ostrom aber auch Verbündete gegen die Araber. Ab den fünfziger Jahren kam es erneut zu kriegerischen Auseinandersetzungen bis zu einem dreißigjährigen Friedensschluß im Jahre 814.121 Die Annalen hatten die Auseinandersetzungen des Kaisers Nicephorus und seiner Nachfolger mit den Bulgaren erwähnt, da sich durch den Tod des byzantinischen Kaisers in einer Schlacht mit diesen 811 der Friedensschluß zwischen Karl und Byzanz verzögerte.122 Aber Karl hatte mit ihnen keinen eigenen Kontakt. Für 818 berichten die Reichsannalen, daß Gesandte des Herzogs der Guduskaner Borna und der Timokianer zu Ludwig gekommen seien, qui nuper a Bulgarorum societate desciverant et ad nos-

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Z. B. Ann. regni Franc ad a. 807 eine Flotte unter dem Grafen Burchard nach Korsika, der dort eine Gruppe von Mauren besiegte. Ann. regni Franc. ad a. 828. Ann. regni Franc. ad a. 798, S. 104: Insulae Baleares a Mauris et Sarracenis depraedatae sunt. Ibid. ad a. 799, S. 108: Insulae Baleares... postulato atque accepto a nostris auxilio nobis se dediderent. Hellman, Neue Kräfte, S. 366ff. Ann. regni Franc. ad a. 812.

Bulgaren

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tras fines se contulerant.123 Ob sie sich der Herrschaft Ludwigs unterworfen oder nur eine Art Schutzhoheit erbeten haben, bleibt unklar, da die entsprechenden Begriffe einer Unterstellung, dicio, deditio, commendatio oder ähnliche nicht verwendet werden. Dieser Vorgang hat aber offenbar dazu geführt, daß Ludwigs Herrschaftsbereich nunmehr mit dem der Bulgaren eine gemeinsame Grenze oder ein gemeinsames Grenzgebiet hatte. Daraus entwickelte sich ein kriegerischer Konflikt um die Grenze. Zunächst aber wird von einer Friedensgesandtschaft des Königs der Bulgaren, der namenlos bleibt, an Ludwig im Jahr 824 berichtet, Rex Bulgarorum N. velut pacis faciendae gratia legatos ad imperatorem cum littera misit.124 Die fränkische Reaktion war Überraschung und anscheinend Verwirrung. Der Kaiser schickte die bulgarische Gesandtschaft zusammen mit einem eigenen Gesandten, Machelm, aus Bayern zurück, rei novitate non inmerito permotus ad explorandum diligentius insolitae et numquam prius in Franciam venientes causam. Anscheinend noch in demselben Jahr kamen erneut bulgarische Gesandte, denen Ludwig Boten nach Bayern entgegensandte und sie veranlaßte, dort auf einen Empfang am Hofe zu warten. Hingegen empfing er Gesandte der Abodriten oder Prädenecenter, die in der Nachbarschaft der Bulgaren wohnen sollten, die sich über deren Feindseligkeiten beklagten und Schutz erbaten. Er schickte sie zunächst nach Hause und forderte sie auf, später zugleich mit der bulgarischen Gesandtschaft wiederzukommen. Der Name „Abodriten“ scheint fehlerhaft. Denn diese Slawen hatten ihr Wohngebiet östlich bzw. nördlich der Elbe, nicht auf dem Balkan oder in Pannonien. Es handelte sich aber um eine slawische Bevölkerung. Erst 825 ließ Ludwig diese zweite bulgarische Gesandtschaft nach Aachen kommen. Sie waren wegen der Grenzfestsetzung gekommen, erat enim de terminis ac finibus inter Bulgaros ac Francos constituendis. Ludwig habe sie angehört und sie an ihren König zurückgeschickt missis litteris, prout videbatur, respondit.125 Da der Bulgarenkönig mit der Antwort nicht zufrieden gewesen sei, habe er durch eine dritte Gesandtschaft seine Forderung cum litteris wiederholt, die Grenzen festzusetzen. Für den Fall, daß dies nicht geschehe, habe jeder das Recht, seine Grenzen zu schützen, so gut er könne. Aber Ludwig ließ den Bulgarenkönig letztlich ohne Antwort, weil er Nachrichten erhalten hatte, der Bulgarenkönig sei von seinen Großen gestürzt worden.126 Da somit keine vertragliche Einigung zustande kam, sahen sich die Bulgaren offenbar frei, ihrerseits gegen die angrenzenden Slawen, die wohl unter Ludwigs Schutz standen, kriegerisch vorzugehen, die Herzöge zu verjagen und sie ihrer Herrschaft zu unterwerfen.127 Der weitere Verlauf ist aus den Annalen nicht zu rekonstruieren.

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Ann. regni Franc. ad a. 818. Ann. regni Franc. ad a. 824. Ann. regni Franc. ad a 825. Ann. regni Franc. ad a. 826; Annonymus, Vita Hludowici, c. 39. Wolfram, Geburt Mitteleuropas, S. 273. Ann. regni Franc ad a. 827.

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Beziehungen zu nichtchristlichen Mächten

V. F o l g er u n g en Bevor die ersten Gesandtschaften mit den Dänen, den Emiren von Cordoba, den Kalifen oder den Bulgaren ausgetauscht wurden, bestanden keine besonderen rechtlichen Beziehungen mit ihnen. Da alle vier keine Christen waren, konnte man auch nicht auf religiöse und kirchlich-institutionelle Bindungen zurückgreifen, die gegenüber den englischen Königreichen und Asturien, auch vor einer besonderen Gestaltung der Verbindungen, eine normative Basis boten. Aber es war offenbar selbstverständlich, daß Gesandtschaften auch ohne solche besonderen Beziehungen ausgetauscht werden konnten. Dafür gab es, wie die Genugtuung für die getöteten dänischen Gesandten zeigt, eine normative Grundlage. Dasselbe gilt für den Abschluß von Verträgen. Beides galt auch zwischen Christen und Nicht-Christen. In den Schilderungen der Beziehungen zwischen Karl und Godofrid bis zum ersten Friedensvertrag und zwischen den karolingischen Herrschern und den Kalifen, die nach den zeitnahen Berichten nicht zu einem Vertrag führten, werden bestimmte allgemeine Regeln für den friedlichen Verkehr sichtbar. Dasselbe tritt noch deutlicher bei der Darstellung des Ablaufs der Beziehungen Ludwigs mit den Bulgaren hervor, deren erste Gesandtschaft für die Franken überraschend kam und anscheinend keine Vorkenntnisse bei diesen vorfand, obwohl sie schon länger mit den oströmischen Kaisern Kriege führten und Verträge schlossen. Ihr friedlicher Empfang war nicht selbstverständlich, wie der Umgang mit einer Gesandtschaft der Kiewer Rus zeigt.128 Es wurde also eine allgemeine normative Grundlage vorausgesetzt, die für beide Seiten galt und auf die die Bulgaren sich bei der Entsendung ihrer ersten Gesandtschaft ebenso verlassen konnten, wie früher Karl für seine erste Gesandtschaft an Harun al-Rashid. Aber auch für den Vertragsschluß werden Regeln benannt, die als selbstverständlich anwendbar auch zwischen Christen und Nichtchristen vorausgesetzt wurden. Durch einen Vertrag wurden die Beziehungen zwar rechtlich verfestigt. Der Abschluß der pax mit den Dänenkönigen im Jahr 811 wurde bis 839 immer wieder erneuert, erhielt also trotz wiederkehrender kriegerischer Auseinandersetzungen Dauer. Aber ein Vertrag war, wie die langandauernden Gesandtenaustausche von Pippin bis Ludwig mit den Kalifen zeigen, nicht notwendig für ein friedliches Verhältnis. Zweimal ist von einer Kommendation die Rede, des spanischen Statthalters von Barcelona Zato und des Dänenkönigs Heriold. Das deutet darauf hin, daß das Lehnsrecht oder die Vasalität für die rechtliche Gestaltung der Zwischen-Mächte-Beziehungen herangezogen wurde. Im ersten Fall gehen die Darstellungen jedoch auseinander, so daß für Zato schon die Begründung eines ja stets zweiseitigen Lehnsverhältnisses zweifelhaft ist und vielleicht doch eine Unterwerfung vorlag. Für Heriold hingegen ist die Darstellung genauer. Da er mit der Grafschaft Rüstringen ein beneficium erhielt, spricht alles für ein Lehnsverhältnis. Dadurch gewann Heriold zwar den Schutz des Kaisers, begründete aber auch eine gewisse Verpflichtung diesem gegenüber. Lehnsbeziehungen wurden trotzdem in der Folgezeit bis in die Frühe Neuzeit hinein eine grundlegende Struktur der normativen Ordnung der Zwischen-Mächte-Beziehun-

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Ann. regni Franc. ad a. 839.

Folgerungen

243

gen.129 Bemerkenswerter Weise fand die Kommendation Heriolds vor dessen Taufe statt, war also kein „christliches“ Rechtsverhältnis. Ob durch die Vasallität Heriolds auch eine Oberhoheit Ludwigs über das dänische Königreich begründet wurde, ist jedoch zweifelhaft.130 Insgesamt hatte der Unterschied der Religion zu Heiden oder Muslimen offenbar für die Autoren der Berichte und wohl auch in der Wirklichkeit keine Bedeutung für die rechtlich-normative Gestaltung der Beziehungen. In dem eingangs aufgenommenen Zitat aus Einhards Karlsvita wird sogar von einer amicitia zwischen Karl und Harun berichtet. So deutet auch nichts darauf hin, daß man glaubte, einen Friedensvertrag wie 815 mit dem Emir von Cordoba al-Hakam I. velut inutilis brechen zu dürfen, nur weil er mit einem muslimischen Partner geschlossen worden war, zumal das Chronicon Moissiacense davon ausgeht, daß der Vertrag von vorneherein nur auf drei Jahre geschlossen worden sei. Eine derartige Formulierung findet sich sonst nirgends. Es ist, soweit zu sehen, auch das einzige Mal, daß der Neubeginn des Krieges nach Abschluß eines Friedensvertrages von den Franken ausgegangen sein soll. Das könnte bedeuten, daß der Annalist dieses Vorgehen nicht ohne weiteres billigte. Über die Entwicklung der Beziehungen der Franken zu den Slawen in ihrer Nachbarschaft läßt sich aus den Einzelsteinen der Berichte kein klares Bild zusammensetzen. Die Gründe für die dürftigen Quellenaussagen über die Beziehungen der Franken zu den Slawen werden verschiedener Natur sein. Die Slawen standen geographisch wie politisch am Rande des fränkischen Reiches. Es ging Karl und Ludwig wohl weniger um eine Herrschaftsausweitung, als um die Befriedung der Grenzen, aber auch um Heeresfolge.131 Sie waren zudem politisch in zahlreiche Einheiten nach Völkern oder Stämmen gegliedert und nicht dicht genug organisiert. Sie stellten also keine eigene Macht dar, mit denen regelmäßige Beziehungen aufgebaut und unterhalten werden konnten. Die Bezeichnung der Abodriten als foederati u. a. durch Einhard hebt diese aus der Masse der anderen Slawen in der fränkischen Nachbarschaft heraus. Jedoch ist von dem Abschluß eines foedus nirgendwo die Rede. Verschiedene Autoren nehmen für den Abschluß eines Bündnisses das Jahr 780 an.132 Andere verzichten darauf, ein konkretes Abschlußdatum für einen Vertrag auszumachen. Vielmehr habe es sich um einen Prozeß der Annäherung gehandelt.133 Die Frage kann letztlich offen bleiben.

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Als Herzog von Burgund war noch Karl V. Lehnsmann Franz I. Ebendies wollte der Kaiser in seinen Kriegen mit dem französischen Lehnsherrn abschütteln, Steiger, Bemerkungen, S. 243f. und 247ff. Dazu unten Teil III, 6. Kapitel, S. 454ff. Diese Absicht betont auch Hellmann, Karl, S. 718: „Es stand die Absicht dahinter, dem Reich durch einen Schutzwall und durch eine Anzahl von unterworfenen oder aber locker angegliederten Völkern und Stämmen die Ruhe an der Grenze zu gewährleisten.“ Z. B. Beltz, Vorgeschichte, S. 1; zu den Problemen auch Wagner, Bündnis, S. 90ff.; Ernst, Nordwestslaven, S. 157ff.; Hellmann, Karl, S. 716. Ernst, Nordwestslaven, S. 160.

Te il II I: Z wis ch e n - M ä c h t e - Re c h t A: Gru n d le gunge n 1 . Ka p itel : Mäch te I . Fr ag es tel l u n g Träger der völkerrechtlichen Ordnung der Gegenwart sind die „Völkerrechtssubjekte“. Ihnen werden Rechte und Pflichten des Völkerrechts „zugerechnet“. Sie sind die „Mächte“, deren Beziehungen mit- und zueinander durch das moderne Völkerrecht geordnet und geregelt werden. Völkerrechtssubjektivität befähigt zu vökerrechtlich erheblichem Handeln. Diese rechtliche Fähigkeit knüpft in der Regel an voraufliegende Faktoren, soziale Sachverhalte an, wird aber durch das Recht selbst begründet. Auch heute noch sind unmittelbare, geborene Völkerrechtssubjekte in erster Linie die Staaten; aber andere soziale Sachverhalte werden durch diese primären oder geborenen Völkerrechtssubjekte in zunehmendem Umfang mit unmittelbaren völkerrechtlichen Rechten und Pflichten ausgestattet, internationale Organisationen von Staaten, auch Menschen, und so zu sekundären oder gekorenen Völkerrechtssubjekten.1 Dieser moderne Rechtsbegriff des Völkerrechtssubjekts ist als solcher nicht auf das Frühmittelalter zu übertragen. Denn er stellt eine rechliche Konstruktion dar, die dem auf Organisierung, Institutionalisierung und Positivierung beruhenden modernen Recht zugehört.2 Das Völkerrecht selbst bestimmt, wer seine Subjekte sind, mag es dabei auch an bestimmte soziale Sachverhalte, Staat, Organisation, Mensch anknüpfen. Aber die Frage ist auch für unsere Zeit, wer die „Mächte“ waren, deren Beziehungen normativ geordnet und geregelt wurden. Sind sie der normativen Ordnung vorgegeben, oder ist es auch in unserer Epoche diese, die die Träger bestimmt? Diese Frage ist aus heutiger rechtstheoretischer Sicht gestellt. Sie kann aus rechtsgeschichtlicher Sicht anachronistisch wirken. Denn die Zeit, die sich, wie wiederholt hervorgehoben, überhaupt nicht ausdrücklich mit der normativen Ordnung der Beziehungen zwischen den politischen Mächten beschäftigt hat, hat auch danach nicht gefragt. Aber eben durch solche Fragestellungen unterscheidet sich eine rein geschichtswissenschaftliche von einer rechtsgeschichtlichen Untersuchung, die auch der rechtstheoretischen Anfrage Raum geben muß, ja im Grunde offen oder verborgen immer rechtstheoretisch unterlegt ist, um auf diese Weise die Unterschiede rechtlich-

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2

Hermann Mosler, Die Erweiterung des Kreises der Völkerrechtssubjekte, Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Heft 4 (1961), S. 39–83, erweiterte Fassung ZaöRV 22 (1962) S. 1–48. Allerdings tritt immer deutlicher eine Tendenz hervor, den Menschen als solchen aus der Qualität des Menschseins unmittelbare Völkerrechtssubjektivität zuzusprechen. Aus der Fülle der z. T. sehr strittigen Literatur zur Rechtssubjektivität generell nur Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I, 1. Aufl., München-Berlin 1956, S. 122 ff.

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normativer Ordnung in Zeit und Räumen herausarbeiten zu können. Denn Rechtsgeschichte ist auch Rechtsvergleichung.3 Die Antwort aber ist stets eine rechtsgeschichtliche. In den Quellen werden, wie die Darstellung der Beziehungen im zweiten Teil dieser Untersuchung gezeigt hat, in der Regel Personen genannt, Kaiser, Könige, Herzöge, Fürsten, Päpste u. a., die Verträge schließen, Gesandtschaften entsenden oder empfangen, die Krieg führen. Es sind Personen, die in ihrer politischen Einheit den führenden, leitenden, herrschenden Platz einnehmen. Damit treten sie als die Mächte hervor, die die Beziehungen untereinander und ihre Ordnung tragen. Es erscheinen aber auch allgemeine Bezeichnungen, wie „die Franken“, „die Sachsen“, „die Großen“ (maiores, optimates) etc. Außerdem tauchen Begriffe objektiv-institutionellen Charakters auf, vor allem der Begriff „regnum“, später „imperium“. Auch werden Landesnamen eingesetzt, Francien, Italia etc. Ist also doch der Personenverband als solcher, als organisierte und institutionalisierte Gesamtheit oder Einheit auf einem Territorium der Träger der Handlung, in einer gewissen funktionalen Vorform zur heutigen Völkerrechtssubjektivität des Staates? Aus der Darstellung der Grundzüge der Verfassungsordnung des karolingischen Großreiches ergeben sich bereits einige wichtige Anhaltspunkte. Denn es hat sich gezeigt, daß der König, auch als Kaiser, nach innen nicht „souverän“ im modernen Sinne ist. Das sagt aber noch nichts Endgültiges für unsere Fragestellung aus. Denn andererseits fehlt den Begriffen regnum und imperium in den Quellen eine eindeutige Bestimmtheit, da sie sowohl im subjektiven Sinn der Königsherrschaft als auch im objektiven Sinn als Königreich verstanden werden können. Die folgende Untersuchung bezieht sich auf das Frankenreich und die karolingische Königs- bzw. Kaiserherrschaft. Für die anderen Mächte können nur einige allgemeine Bemerkungen angefügt werden.

I I . Tex te a. Karl der Große Das eingangs zitierte Schreiben Karls des Großen an Offa von Mercien von 796 spricht nur von den Beziehungen Inter regales dignitates et sublimiores saeculi personas foederate in unanimitate pacis amicitiae iura et sanctae caritatis concordiam, benennt also nur die regales dignitates als Träger der amicitia etc.4 Aber im weiteren Verlauf des Briefes geht Karl u. a. auch auf Rechte von Pilgern und Kaufleuten beider Herrschaftsverbände ein, die auf dem älteren pactum beruhten. In dem Brief an Michael I., mit dem Karl den Vertragstext von 812 an den oströmischen Kaiser übersendet, dankt er eingangs dem Herren Jesus Christus, qui nos ineffabile dono beningnitatis suae in tantum divites efficere dignatus ets, ut in diebus nostris 3

4

Für die Völkerrechtsgeschichte haben Schwarzenberger, Historical Models passim. und Conelly, History passim, diesen rechtsvergleichenden Ansatz methodisch in besonderer Weise verfolgt. Alcuini epp., Nr. 100, MGH Epp. IV, S. 145; Anhang Nr. 1.

Texte

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diu quaesitam et semper desideratam pacem inter orientale et occidentale imperium stabiliret ecclesiam suam catholicam ... 5 Es geht um den Friedensvertrag. Frieden soll zwischen den beiden Imperien, nicht nur zwischen Karl und Michael hergestellt werden. Karl schildert zudem, daß seine lateinische Fassung des Vertrages nicht nur von ihm, sondern auch von seinen Großen unterschrieben worden ist und bittet Michael außerdem, seine in griechischer Sprache abzufassende Urkunde ebenfalls von seinen Großen unterschreiben zu lassen. Beide Briefe geben somit keine eindeutige Antwort auf die zu erörternde Frage. In dem Brief an Offa erscheinen die Pilger und Kaufleute als Nutznießer, als Begünstigte, aber nicht als Träger. Sie handeln nicht. Nach der Formulierung des Briefes an Michael I. hingegen sollen die beiden Imperien den Frieden erfahren. Die Kaiser könnten dann als deren Repräsentanten, als „Organ“ handeln. Die beiderseitige Einbeziehung der Großen verweist auf eine Gesamtrepräsentanz des Personenverbandes. Paradisi verwendet in seiner tiefgreifenden Untersuchung ständig den Begriff „stati“ für die Träger der internationalen Ordnung, stellt z. B. l‘Impero gegen die Stati barbarici. 6

b. Einhard Einhard bezieht zwar in dem Zitat aus Kapitel 16 seiner Biographie Karls des Großen, in dem er die Verbindungen Karls zu anderen Mächten beschreibt, diese zunächst auf reges und gentes, nennt dann aber nur die Herrscher Alfons von Asturien, die schottischen Könige, Harun al-Rashid, die Kaiser von Konstantinopel, Nicephorus, Michael I. und Leon V., und nicht die gentes als solche.7 Er sieht anscheinend reges und gentes als Einheit, bezeichnet aber diese nicht näher. Die Begriffe regnum und imperium fehlen jedoch. Die Herrscher der Völker erscheinen als die eigentlichen Gegenüber des Kaisers. Das wird noch deutlicher dadurch, daß er sich nicht mit der Aufzählung begnügt, sondern die Beziehungen in bestimmter Weise personal qualifiziert: durch die Begriffe amicitia, societas, proprium suum für Alfons, subditos et servos für die schottischen Könige, amicitia et concordiam für Harun al-Rashid, amicitia et societas für die drei oströmischen Kaiser. Das deutet daraufhin, daß für Einhard die Verbindungen mit den Herrschern, nicht mit den Völkern oder regna, maßgeblich waren, diese also als die Träger der Rechte und Pflichten, als die „Mächte“ ansah.

c. Fragestellung Als Zurechnungssubjekt kommen für die fränkische Seite zum einen die Herrscher, Könige bzw. Kaiser oder zum anderen das regnum in Betracht. Die Untersuchung der verfassungsrechtlichen Struktur des Gebrauchs der Begriffe regnum und imperium ergab für das Karolingerreich, daß dieser in den hier untersuchten Quellen nicht immer eindeutig ist. Es kommt auf den Zusammenhang an, ob es in einem eher objektiven Sinne als zumindest rudimentär institutionalisiertes Reich, als eigenständiges Gegen5 6 7

Epp. Var. Car., Nr. 37, MGH Epp. IV, S. 556, dt. Anhang Nr. 3. Paradisi, Storia, S. 118 ff. Einhard, Vita Caroli, cap. 16.

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über des Königs oder doch in Unterscheidung vom König oder in einem subjektiven Sinn personaler Herrschaft und Herrschaftsbeziehungen zu verstehen ist.8 Könnte also das regnum Träger der Rechte und Pflichten der Zwischen-Mächte-Beziehungen sein? Als objektive Konstitutionselemente des modernen Staates werden heute in der Drei-Elemente-Lehre Staatsvolk, Staatsgebiet und Staaatsgewalt angesehen. Da das regnum Francorum in unserer Zeit als solches weder ein fränkisch-volkhaftes noch ein rechtlich einheitliches regnum darstellte,9 bleiben übertragen auf das fränkische regnum das Territorium und die Herrschafstorganisation.

II I. Re gn u m – ter r i to r i u m a. Grundlegungen10 Nach Hermogenian gehört zum ius gentium die Gründung der Königreiche, die Unterscheidung von dominia und die Setzung der Gebietsgrenzen.10 Ähnlich definiert Isidor von Sevilla.11 Carl Schmitt hat das Recht allgemein und besonders das Völkerrecht in enger Weise auf die herrschaftliche Ordnung des Raumes, Landnahme, Landverteilung, Abgrenzungen, Besiedlungen bezogen.12 Im modernen Staatsbegriff gehört das Territorium zu den drei konstituierenden Merkmalen. Es definiert den Hoheitsbereich und konstituiert ihn im Territorialprinzip. Gerade dieses galt aber im Frühmittelalter nicht. Es ist daher zweifelhaft, ob das Territorium das regnum im objektiven Sinn als eigene Macht der Beziehungen zu anderen Mächten konstituieren kann. Die Frage nach dem Territorium hat zwei Dimensionen. Zum einen ist zu fragen, wie es als solches in den Quellen im Raum beschrieben, begriffen, umgrenzt wird. Zum anderen ist zu klären, ob und welche rechtliche Bedeutung ihm für die Herrschaft nach innen und, was hier vor allem interessiert, nach außen zugemessen wird. Jedes regnum ist notwendig und selbstverständlich auch territorial bestimmt, umfaßt ein Gebiet, ist räumlich umgrenzt und grenzt an andere. Beziehungen zwischen Herrschern, Mächten, Völkern, seien sie friedlicher oder kriegerischer Art, entstehen zunächst durch Nachbarschaft. Das war, wie in Teil II dargetan, für die fränkischen Herrscher die Regel. Beziehungen zu weiter entfernten Mächten, mit den oströmischen Kaisern vor der Übernahme des Langobardenreiches und im 9. Jahrhundert mit den Kalifen bildeten in unserer Epoche noch die Ausnahme und waren wesentlich schwächer ausgeprägt. Das Territorium bildete selbstverständlich auch damals die notwendige materielle Grundlage der Herrschaft, auch ihren Ort. Sein Umfang war variabel und konnte vergrößert, verkleinert, geteilt, wieder zusammengefaßt werden, wie 746 nach dem Rückzug des Bruders Pippins Karlmann und 771 nach dem Tode des Bruders Karls Karl8 9 10

11 12

Oben Teil I, 1. Kapitel, S. 42ff. Oben S. 45. D. I, I, I, § 5 Ex hoc iure gentium introducta bella, discretae gentes, regna condita, dominia distincta, agris termini positi, ... Isidor definiert Ius gentium est sedium occupatio, aedificatio, munitio, Etym. 5, 6. Schmitt, Nomos, S. 13 ff.

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mann. Aber jedes regnum hatte einen König. Teile, die keinen oder noch keinen König hatten, hießen provincia. Regnum und rex gehörten also auch insofern zusammen. Das läßt wiederum beide Deutungen die subjektive als Köngsherrschaft und die objektive als Königreich zu. Feindliche Einfälle in das Gebiet lösten Krieg aus. Erobertes Territorium wurde bei einem Sieg unterworfen und eingegliedert oder auch verschenkt, im Friedensschluß u. U. zurückgefordert, zurückgegeben. Verschiedentlich berichten die Annalen, ein auswärtiger Fürst habe sich mit seiner patria oder seiner terra unterworfen. Maßgebendes Merkmal des Territoriums nach außen war die Grenze, die mit verschiedenen Begriffen termini, limites, fines, confinium, marca bezeichnet wurde. Es wird mehrfach von Grenzstreitigkeiten, Grenzverletzungen, aber auch von Grenzziehungen oder Grenzfestlegungen berichtet. Heute werden gemäß dem Territorialprinzip durch die Grenzen als räumlich fixierte Linien Hoheitsgebiete auf dem Land und dem Meer abgegrenzt. Die Funktion von Grenzen in unserer Epoche war nicht notwendig dieselbe, wenn auch die Herrschaft an der Grenze ihre Wirksamkeit verlor. In diesem Abschnitt sollen die Konzeptionen zur Grenze in den karolingischen Quellen an Hand der verwendeten Begriffe erhellt werden. Die Frage, ob und wie die von Einhard hervorgehobene Verdoppelung des regnum Francorum durch Karl den Großen rechtlich erfolgte, ist später zu erörtern.13

b. Fines Der Begriff fines kommt in den Quellen häufig und regelmäßig vor. Die Verwendung ist jedoch nicht immer eindeutig politisch oder rechtlich bestimmt. So verwendet Dicuilius den Begriff geographisch und nicht als Abgrenzung im herrschaftlich-rechtlichen Sinn. So werden finire und fines für die Abgrenzungen der Teile Europas verwendet, Provincia Narbonensis finitur ab oriente Alpibus, ab occidente saltu Pyreneo, a septentrione finibus Viennensium et montibus Cebeunicis, a meridie mari Gallico.14 Auch sonst grenzt Dicuilius durch natürliche Gegebenheiten ab. Aber da es sich bei ihm um eine geographische Beschreibung handelt, hat das eine lediglich natürliche Bedeutung und keine rechtliche. Finis oder finire wird hier als „Ende“ oder „enden“ des bezeichneten Gebietes verstanden.15 Anders scheint die Bedeutung der Verwendung des Begriffs in Rechtstexten zu sein. Am Ende des Prologs der Divisio Regnorum von 806 verpflichtet Karl der Große die Söhne eo videlicet modo, ut sua quisque portione contentus iuxta ordinationem nostram, et fines regni sui qui ad alieni gentes extenduntur cum Dei adiutorio nitatur defendere, ... Dies nimmt Ludwig der Fromme im Prolog der regni divisio von 831 fast wörtlich auf, ut singuli iuxta ordinationem nostram et fines regni sui, qui in alieni gentes extenduntur, cum deo adiutorio defendere studeant et pacem ... valeant.16 Beiden 13 14 15

16

Unten Teil III, 8. Kapitel. Dicuilius, Liber de mensura, c. I, 7, S. 46. So findet er sich noch heute in dem französischen Departement Finisterre, das aus finis terrae entstanden ist. MGH LL II, Capit. I, Nr. 45, S. 127; Nr. 194, S. 21.

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geht es wohl um die Grenzgebiete des jeweiligen regnum nach außen, nicht gegeneinander. Für die Grenzen zwischen den regna der Brüder wird in cap. 3 der divisio von 831 terminos gesetzt. Im Pactum Hludowicianum werden Papst Paschalis erneut alle Gebiete, Orte etc., mit namentlicher Aufzählung bestätigt und garantiert, die die Päpste bis dahin unter ihrer potestas und dicio hatten, u. a. auch das Exarchat von Ravenna cum omnibus finibus ac territoriis ad suprascriptas civitates pertinentibus.17 Fines ist auch hier nicht als Grenze, sondern als Grenzgebiet oder doch Grenzzone zu verstehen, das die Städte jeweils umgibt. Wogegen sie aber abgrenzen, geht aus der Darstellung nicht hervor. C. 1 des Pactum Veneticum Lothars I. von 840 enthält die kaiserliche Verpflichtung, et si excursus in finibus vestris Veneciarum factus fuerit, persona ipsa, .... , intra sexaginta dies parti vestre tradatur, ... . Die Venzianer versprechen gem. c. 6 Si autem aliqua scamera aut hostis vel qualiscumque persona per fines nostra contra vos ad vestram lesionem vel ad vestra loca venire temptaverit et ud nostram pervenerit notitiam, mox sine aliqua tarditate vobis nunciabimus, ita ut per nos nullam lesionem habeatis. Durch die Formulierung fines nostri oder fines vestri wird auf das Gebiet der Venezianer Bezug genommen, in das die Flüchtlinge sich begeben haben oder durch das sich die Feinde der kaiserlichen Seite zur Schädigung ad vestra loca begeben wollen.18 Fines kann daher nicht als Bezeichnung einer gemeinsamen Grenze, sondern muß wohl als Bezeichnung für Grenzgebiete oder Grenzzone zwischen ihnen verstanden werden, in manchen Stellen auch des Gebietes allgemein. Es entspricht dem Begriff vestra loca, das für die kaiserlichen Gebiete benutzt wird. C. 4, der eine Regelung über die Gefangenen enthält, beginnt De captivis vero, si inventi fuerint in ducatibus nostris. Damit ist das Herrschaftsgebiet der Venezianer gemeint. Da es in allen drei Bestimmungen um Personen geht, die sich innerhalb des venezianischen Herrschaftsbereiches aufhalten, ist anzunehmen, daß auch mit fines eben dieses gemeint ist. Ähnlich scheint das Verständnis in den erzählenden Werken. Der Fortsetzer der Fredegarchronik berichtet, Karl Martell habe fines regni illius (Burgunds) leudibus suis probatissimis viris industriis ad resistendas gentes rebelles et infideles besetzt.19 Hier geht es wohl um die Sicherung der Grenzzone gegen Bedrohungen von außen. Karl Martell überschreitet die Rhone Gotorum fines penetravit; Pippin wendet sich gegen Burgund fines regionum praeoccupant; Aistulf bricht die Pippin geschworene Treue ad Romam cum exercitu suo veniens, finibus Romanorum prevagans atque regionem illam vastans.20 In allen drei Berichten dringen Karl, Pippin und Aistulf über die Grenzen im Sinne der Grenzzone in das andere Herrschaftsgebiet ein. Als eigenes Grenzgebiet gegenüber u. U. feindlichen Mächten, aber auch als fremdes Grenzgebiet wird fines auch in den Reichsannalen und in anderen Quellen immer wieder gebraucht. 788 kommt Karl nach dem Sturz Tassilos, der sich gegen ihn mit den Awaren verbündet hatte, nach Regensburg et ibi fines vel marcas Baioarium disposunt, 17 18 19

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MGH LL II, Capit. I, Nr. 172, S. 353. Cessi, Pacta Veneta I, S. 144. Chron. Fred. cont c. 14 (108), S. 175, Z. 22. Zu dem Vorgang selbst Staudte-Lauber, Carlus princeps, passim. Chron. Fred. cont. c. 20, S. 177, Z. 24f. c. 24 (110), S. 179, Z. 14 c. 38 (121), S. 185, Z. 2f.

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quomodo salvas Domino protegente contra iamdictos Avaros esse potuissent. Die Gleichsetzung von fines und marcas versteht fines offenbar wie die Mark als Gebiet an der Grenze oder Grenzgebiet. Für 818 wird berichtet, es seien Gesandte von verschiedenen slawischen Völkern im Südosten, die ad nostras fines se contulerant, also wohl in das Gebiet unter fränkischer Herrschaft einwandern wollten oder schon eingewandert seien.21 In einem Schreiben an seine zweite Frau, die Königin Fastrada, berichtet Karl der Große über die Aktivitäten seines Sohnes Pippin, des Königs von Italien, gegen die Awaren von 791 perexerunt infra fines ipsorum.22 Dem byzantinischen Kaiser Nicephorus teilt er 810 mit, er habe seinen Gesandten an den verstorbenen König Pippin zu sich kommen lassen, als er hörte illum in fines regni nostri pervernisse, um den Friedensprozeß als einen allgemeinen Ausgleich zu fördern.23 Hier ist auch noch einmal auf den Bericht der Annalen über den Kriegszug in die spanische Mark einzugehen. Ludwig habe ad sedandos et mitigandos Gothorum atque Hispanorum in illis finibus habitantium animos den Abt Helisada nach Spanien gegen maurische Angriffe geschickt.24 Es handelt sich um die Abwehr motus Hispanicae marcae. Marca und fines werden hier wie in der bereits in bezug auf die Awaren genannten Stelle offenbar gleichsinnig gebraucht. Allerdings kann fines auch i. S. von Grenze eingesetzt werden. Die Gesandtschaft Leons V. 817 verhandelte mit Ludwig auch de finibus Dalmatorum, Romanorum et Sclavorum. Hier könnte die Grenze oder Grenzscheide zwischen den betroffenen Völkern gemeint sein, die die Siedlungsgebiete der drei Völker voneinander schied. Die Bedeutung im Sinne der Scheidung zweier Gebiete hat der Begriff wohl auch in der Darstellung der Gebietszuweisung durch Ludwig den Frommen an seinen Sohn Karl im Jahre 837 maximam Belgam partem id est a mari per fines Saxoniae usque ad fines Ribuariorum totam Frisiam, et per fines Ribuariorum comitatus Moilla, ... Die Aufzählung geht noch weiter und endet et omnia intra predictos fines consistentia tum omnibus ad se pertinentibus, in quacumque regione consistunt.25 Es sind nicht nur Außengrenzen, sondern auch Grenzen innerhalb des Reiches gemeint. Aber das dürfte begrifflich keinen Unterschied machen. Insgesamt lassen die Zitate erkennen, daß mit fines in der Regel die jeweiligen Grenzgebiete innerhalb der Siedlungsgebiete benachbarter Völker bezeichnet werden, nicht eine Abgrenzung oder Grenze zwischen ihnen. Sie beziehen sich gewissermaßen auf „das Ende“ des Siedlungsgebietes, sei es des eigenen, sei es das des Nachbarn. Dem liegt eine räumliche Vorstellung zugrunde, die nicht auf die gemeinsame Linie, sondern auf den Siedlungsbereich abstellt. Jedoch ist auch eine rechtliche Vorstellung damit verbunden. Denn diese Grenzgebiete gehören zum jeweiligen Herrschaftsgebiet. Es ist nicht ohne weiteres erlaubt, in ein benachbartes Grenzgebiet einzudringen. Das pactum veneticum beschäftigt sich

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Ann. regni Franc. ad a. 788 und 818. Epp. Var., Nr. 20, MGH Epp. IV, S. 528, Z. 17f. Epp. Var., Nr. 32, MGH Epp. IV, S. 547, Z. 9. Ann. regni Franc. ad a. 827. Ann. Bertiniani ad a. 837.

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gerade mit der Regelung der daraus entstehenden Probleme zwischen Nachbarn. Militärisches Eindringen bedeutet Krieg. In der Regel wird das Gebiet, auf das sich fines bezieht, mit den Namen der Völker bezeichnet. In Einzelfällen wird auch von den fines regni gesprochen. Es wird aber nie auf einen durch den Herrscher bestimmten Herrschaftsbereich Bezug genommen. Das könnte bedeuten, daß als Grundlage der Raumordnung nicht die Herrschaft des Königs oder Kaisers, sondern der Siedlungsraum des namengebenden Volkes verstanden wird. Dann erhebt sich die Frage, wer oder was „Volk“, Franken, Venezianer, Sachsen, Ribuarier, etc ist. Das definiert sich über die Zugehörigkeit zu demselben Rechtskreis und über die Herrschaft.

c. Marca Auch der Begriff marca bezeichnet nicht eine Grenzscheide oder Grenzzone, sondern zunächst, wie fines, ein eigenes Gebiet am Rande des eigenen Herrschaftsgebietes zum Nachbarn, hat also im Kern dieselbe Bedeutung eines Grenzgebietes, wird aber zum einen nur auf fränkische Grenzgebiete angewendet und bezeichnet zudem ein bestimmt organisiertes Grenzgebiet. Im Bericht der Annalen über die Teilung des Jahres 839 heißt es ducatum Toringiae cum marchis suis, regnum Saxoniae cum marchis suis, ...et (das Land) inter Sequanam et Ligerim cum marcha Brittanica, Aquitaniam et Wasconiam cum marchis ad se pertinentibus, Septimaniam cum marchis suis ...26 Der Begriff marca oder marchia ist nicht lateinischen Ursprungs. Die Begriffe fines und confinium können in manchen Stellen daneben oder an seine Stelle treten, ihn also „übersetzen“. So berichten die Reichsannalen, daß als 773 Karl in Rom Ostern gefeiert habe, die marcia contra Saxones ohne Schutz geblieben und die Sachsen cum magno exercitu super confinia Francorum hergefallen seien.27 Der Begriff bekommt eine spezifische Bedeutung für solche fränkischen Grenzgebiete, die in besonderer Weise organisiert sind, um den Schutz des Reichsgebietes gegen Feinde zu sichern. Diese wurden insbesondere vor den Eroberungen seit Karl Martell im Süden und Osten errichtet. Dazu gehören wohl die in der divisio von 839 genannten Marken. Außer diesen gibt es im Südosten die Friaulische und zwei Pannonische Marken.28 Diese wurden nach dem Sieg über die Awaren und deren Unterwerfung unter fränkische Herrschaft errichtet. Sie waren dem regnum Baiaorirorum Pippins vorgelagert. Ob der Nordgau nördlich der Donau bei Regensburg eine Mark war, ist unklar. Im Norden wurde das von den Abodriten besiedelte Gebiet wohl zu einer Mark entwickelt.29 Unsicher ist auch die Entstehung einer Mark zwischen der Elbe und der Eider, der dänischen Grenze. Immerhin gründete Karl der Große dort 810 die

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Ann. Bertiniani ad a. 839. Die Mark im Süden wird in den Quellen auch die spanische Mark genannt, so z. B. Ann. regni Franc. ad a. 827. Ann. regni Franc. ad a. 773. Ann. q.d. Einh. ad a. 788, und Ann. regni Franc. ad a. 826; dort ist allerdings nicht marca sondern limes gebraucht ... uc Pannonici limitis praefecti; es wird auch termini verwendet ibid., 828 terminos Pannoniae superioris. Waitz, Verfassungsgeschichte III, S. 372.

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Stadt Itzehoe und legte auch sonst Befestigungen an. Bereits vorher hatte der dänische König Godofrid seinerseits an der Eider einen Grenzwall errichtet.30 Als Grenzgebiet in einem allgemeinen Sinne dürfte marca in dem genannten Bericht über den Sachseneinfall in den Annalen 773 zu verstehen sein.31 Marken sind also fränkische Außengrenzräume, die in der Regel als erste gegenüber Feinden gefährdet waren und Schutz brauchten. So beklagte Karl der Große in einem Brief, daß seine Getreuen mancherlei zu leiden haben u. a. paganorum gentium circa marcas nostras sedentia bella continua.32 Von den Marken wird daher in der Regel im Zusammenhang mit Überfällen, Krieg etc. berichtet, so z. B. in dem bereits mehrfach angeführten Bericht von 827 über die Kämpfe in der spanischen Mark. Die Chronik von Moissac berichtet Karolus ... in illa aestate misit scaras ad marchias.33 Andererseits gebietet Karl in einem Kapitular des Jahres 809 De marcha ad praevidendum: unusquisque paratus sit illuc festinanter venire, quandocumque necessitas fuerit. Die Sorge für die Bewachung und den Schutz der marca findet sich immer wieder in den Capitularien.34. Die organisierten Marken dienen aber nicht nur dem Schutz des Reiches, sondern auch als Aufmarschbasis für die Franken. Die Abgrenzung zum nicht-fränkischen Gegenüber ist nicht genau festgelegt, sondern fließend, und verändert sich häufiger. Die besondere Aufgabe der organisierten Marken für Verteidigung und auch Angriff ordnet sie in das Kriegssystem der karolingischen Herrscher ein. Auf sie ist daher im Zusammenhang mit dem Kriegsrecht näher einzugehen.35

d. Confinium Die drei Begriffe confinium, termini, limites beziehen sich in der Regel hingegen auf die Grenze zwischen zwei Herrschaftsverbänden. Das ist aber nicht immer eindeutig. So wird in den Reichsannalen von 773 für die Abgrenzung zwischen fränkischem und sächsischem Gebiet die Formulierung confinia Francorum verwendet. Confinium ist hier eindeutig der Grenzraum oder die Grenzzone, in dem diese wohnen. Die Bewohner des von den Sachsen überfallenen fränkischen Gebietes, die im älteren Bericht als confiniales bezeichnet werden, waren aber gerade in diesem Falle keine Franken, sondern Hessen, Thüringer etc.36 Die überarbeitete Fassung der Einhardannalen benutzen terminos Hassorum, die zum Frankenreich gehörten. 30

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Ann. regni Franc. ad a. 809, dazu S.Kreiker/Chr. Lübke, Art. Mark, -grafschaft, LMA, Bd. VI, Sp. 301 ff.; Ann. regni Franc. ad a. 808. Anders wohl Werner, Missus, S. 214, Fußnote 91. Brief Karls des Großen an Bischof Gaerbald 809, MGH LL II, Capit. I, Nr. 124, S. 245, Z. 38f. Chron. Moiss. ad a. 809, S. 308, Z. 37f., ähnlich ad a. 812, S. 309, Z. 24; ibid., 814, S. 311, Z. 22f.; dazu Waitz, Verfassungsgeschichte III, S. 370. Capit. cum primis constituta, c. 1, MGH LL II, Capit. I, Nr. 52, S. 139, Z. 25f.; capit. cum primis conferenda, c. 9, ibid. 51, S. 138, S. 139. Z. 3; capit. Baiwaricum, ca. 810, c. 9, ibid., S. 159, Z. 13f.; capit. missorum italicum, c. 3, 4, 8, ibid., Nr. 99, S. 206, Z. 25ff., Z. 36; capit. Missorum 821, c. 4, ibid., Nr. 148, S. 300, Z. 36f. Unten Kapitel 7. Ann. regni Franc. ad a. 773.

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Die Verwendung der Begriffe ist wohl zeitlich bedingt, drückt also eher stilistische, nicht eigentlich inhaltliche Unterschiede aus. Die Verhandlungen im Jahre 804 mit den Gesandten des Dänenkönigs Godofrid fanden in confinio regni sui et Saxoniae statt, in loco, qui dicitur Holdunsteti (Hollenstedt).37 Ähnlich wird 827 in confinibus Nordmannorum tam de foedere inter illos et Francos confirmando quam de Herioldi rebus verhandelt.38 Im ersten Bericht ist eindeutig die gemeinsame Grenze beider, des dänischen Köngreiches und der Sachsen gemeint. Im zweiten Bericht ist das zwar weniger deutlich. Aber es sollte wohl kein fester Ort angegeben werden, sondern nur, daß die Verhandlungen an der Grenze oder im Grenzraum und nicht etwa in Aachen oder am Hofe Ludwigs, aber auch nicht an dem des dänischen Königs stattfanden. Die Verhandlung an der Grenze ist weit verbreitet. Auch hier muß somit die gemeinsame Grenze, nicht das Grenzgebiet auf der einen oder anderen Seite gemeint sein. Denn es geht gerade darum, auf „neutralem“ Gebiet zu verhandeln. Die Einhardannalen berichten, daß 790 durch eine Gesandtschaft der Hunnen bei Karl und eine Gegengesandtschaft Karls bei den Hunnen de confiniis regnorum suorum verhandelt worden sei. Jedoch kam es nicht zu einer Einigung, woraus in der Sicht des Verfassers einige Jahre später der Krieg entstanden sei.39 Diese Formulierung meint mit dem Begriff die Grenze als Scheide, nicht als Gebiet, und macht zudem in besonderer Weise deutlich, daß diese auf beide Reiche in ihrem nachbarschaftlichen Nebeneinander bezogen ist. Darauf stützt sich dann auch der Poeta Saxo in seinem Bericht über den Gesandtenaustausch mit den Hunnen in Worms nam maxima causa/Hos inter populos litem commovit atrocem/Dum quo regnorum confinia certa suorum / Esse loco veteri debent iure statuta, / Ingenti studio disceptaretur utrimque.40 In der Darstellung der Gespräche über die Grenzprobleme in Dalmatien zwischen Leon V. und Ludwig dem Frommen in den Annalen von 817 wird nicht wie in der Vita Ludwigs des Anonymus der Begriff fines, sondern confinium gesetzt. Cadolah, ad quem illorum confinium cura pertinebat, sei nicht in Aachen gewesen.41 Einhard beschreibt die Erweiterung des Reiches in Italien, wie bereits zitiert, bis Calabrien in qua Graecorum et Beneventorum constat esse confinia.42 Confinium wird auch in der Vita Hadriani, also einer päpstlichen Quelle, in dem Bericht über die neue promissio donationis Karls des Großen gegenüber Hadrian I. bei seinem ersten Rombesuch 774 verwendet. Damit wird die Grenze bezeichnet, die die donatio Karls begrenzt, ubi concessit easdem civitates et territoria ... spopondit per designatum confinium.43

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Ann. regni Franc. ad a. 804. Ann. regni Franc. ad a. 827. Ann q. d. Einh. ad a 790. Poeta Saxo ad 790, indict. 12, v. 6 ff., MGH SS I, S. 246. Ann. regni Franc. ad a. 817. Einhard, Vita Caroli, c. 15. Vita Hadriani, Liber pontificalis, I, S. 498.

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Confinium bezeichnet aber nicht nur eine Außengrenze, sondern kann auch, wie termini und fines, die Grenze zwischen zwei Gauen meinen, wie in der Teilungsordnung von 806 usque Hrenum fluvium in confinio pagorum Chletgowe et Hegowe.44 Anders als fines bezeichnet confinium in der Regel der Verwendungen die Grenze zwischen zwei benachbarten regna oder Siedlungsgebieten, nicht ein Grenzgebiet des einen oder anderen Nachbarn innerhalb seines Herrschaftsgebietes. Der Begriff bezieht sich also gerade auf das Aneinandergrenzen, das Zusammenstoßen und Unterschiedensein. Diese Grenze muß nicht eine Linie, ein konkreter vorher festgelegter Ort sein. Es wird in der Regel eine Grenzzone sein. Maßgebend ist die rechtliche Funktion der Scheidung zwischen den Nachbarn. Der Begriff bezeichnet eindeutiger als fines die Scheidung zwischen Rechts- und Herrschaftsgebieten.

e. Termini – limites Der Begriff terminus tritt, soweit festzustellen ist, erst im 9. Jahrhundert auf. Er ersetzt anscheinend als „modernerer“ Begriff vor allem confinium, aber auch fines. Das verunklart zwar seinen Inhalt. Aber in der Regel bezeichnet auch er wie confinium die Grenze zwischen zwei Nachbarn oder die Abgrenzung zum fränkischen Nachbarn. In der divisio von 806 heißt es in c. 2 am Ende nach der Beschreibung des Reichsteiles, der an Pippin fallen sollte: quicquid intra hos terminos fuerit et ad meridiem vel orientem respicit una cum ducatu Curiensi et pago Durgawe Pippino dilecto filio nostro. Für den dritten, an Karl zugewiesenen Teil bestimmt c. 3 Quicquid autem de regno nostro extra hos terminos fuerit. Terminos bezeichnet in diesen Stellen die jeweiligen Außengrenzen der beiden neuen regna. Schon in c. 1 wird die Grenze zwischen dem regnum für Ludwig, Aquitanien, und Italien bestimmt per terminos Italicorum montium. C. 2 der Regni Divisio von 831 statuiert ut nullus eorum fratris sui terminos vel regni limites invadere praesumat.45 Auch in den Annalen wird der Begriff termini mehrfach verwendet. In den Einhardannalen heißt es Nam is fluvius (Enns) inter Baioarirorum atque Hunorum terminos medius currens, certus duorum regnorum limes habebatur. Terminos muß hier i. S. von Grenze zwischen den beiden Königreichen verstanden werden, während limes den Fluß als Grenzlinie, wenn auch mit der ganzen Breite bezeichnet. 808 bedroht Godofrid die Saxoniae terminos. 809 schlägt er vor, ut conventus comitum imperatores atque suorum iuxta terminos regni sui trans Albiam fieri.46 Der Bulgarenkönig läßt Ludwig dem Frommen mitteilen, ut sine morarum inter positione terminorum definitio fieret vel si hoc non placeret, suos quisque terminos sine pacis foedere tueretur. Nach dem Angriff der Bulgaren im Jahr darauf wurden der dux oder Präfekt der friaulischen Mark zur Rechenschaft gezogen cum propter eius ignaviam Bulgarorum exercitos terminos Pannoniae superioris inpane vastasset.47

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Divisio Regnorum, c. 2, MGH LL II, Capit. I, Nr. 45, S. 126. Cap. Nr. 194, MGH LL II, Capit. II/1 , S. 20. Ann. regni Franc. ad a. S. 808 und 809. Ann. regni Franc. ad a. S. 826 und 828.

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Nach Einhard hatten die Kämpfe gegen die Sachsen ihren Ursprung, oder jedenfalls einen ihrer Ursprünge oder Gründe darin termini videlicet nostri et illorum poene ubique in plano contigui, praeter pauca loca, in quibus vel silvae maiores vel montium iuga interiecta utrorumque agros certo limite disterminant.48 Daher kam es immer wieder zu Überfällen. Auch in den Einhardannalen für 774 lautet die Darstellung eines Überfalls der Sachsen contiguos sibi Hassorum terminos ferro et ignis populantur. Der Begriff termini findet sich auch in anderen zeitgenössischen Texten. Sie sind nicht im einzelnen aufzuführen, zumal spätere Texte häufig auf früheren beruhen. Beispiele mögen genügen. So setzt der Autor der Fulda-Annalen in seiner Darstellung der Gesandtschaft des Bulgarenkönigs von 825, sie sei de terminis ac finibus inter Francos et Bulgaros constituendis nach Aachen geschickt worden.49 Der Begriff ersetzt z. Β. in den Einhardannalen die Begriffe fines oder confinium in der älteren Fassung der Annalen. So heißt es in der älteren Fassung der Annalen für den Überfall der Sachsen auf das fränkische Gebiet Saxones exierunt cum magno exercitu super confinia Francorum.50 Hier könnte ein Begriffswechsel vorliegen. Jedoch verdrängt er die älteren Begriffe nicht, wie die Verwendung von fines und confines in den jüngeren Annalen nach 800 für die Grenzen zu Dänemark zeigt. Er drückt aber doch wohl klarere Vorstellungen aus über die Grenze als Scheide zwischen Nachbarn, nicht im Sinne von eigenen Gebieten am Rande zum Nachbarn. Gleichsinnig mit termini wird vereinzelt der Begriff limes oder meist in der Mehrzahl limites verwendet. So sendet Ludwig 827 Truppen mit drei Heerführern in die spanische Mark ante quorum adventum (der fränkischen Truppen) Aizo ... multa eiusdem limitis custodibus adversa intulit.51 Hier handelt es sich eindeutig um Wächter an der Grenze der spanischen Mark zum sarazenischen Herrschaftsgebiet. Gegen ein zweites sarazenisches Heer, das Azio zur Hilfe eilt, sendet er seinen Sohn Pippin und andere mit einem weiteren Heer, um die regni sui terminos tueri.52 Der Begriff limites wird aber auch für andere Mächte verwendet. Die Annalen von 817 bezeichnen den Dänen Gluomi als custos Normanici limites.53 Grenzen, ob als confinium oder termini bezeichnet, und Grenzziehungen erfüllen eine normative Funktion. Denn sie scheiden regna oder andere Hoheitsgebiete. Aber sie waren weder historisch noch natürlich zwingend, sondern disponibel. Daher gab es zwischen benachbarten politischen Einheiten immer wieder Verhandlungen um die Grenzziehungen, u. U. Streit bis hin zum Krieg. Ihre Vereinbarung kann dementsprechend Frieden wahren. Das wurde in besonderer Weise in den letztlich ergebnislosen Verhandlungen zwischen Ludwig dem Frommen und dem Khan der Bulgaren deutlich dargestellt. Ihre Verletzung führte in der Regel zum Kriege. Aber Einhards Darstellung des Beginns der Sachsenkriege deutet darauf hin, daß es dabei um den Schutz

48 49 50 51

52 53

Vita Caroli, c. 7. Ann. Fuld. ad a 825. Vita Caroli, c. 7; Ann. q. d. Einh. ad a. 774; Ann. regni Franc. ad a. 774. Ann. regni. Franc. ad a. 827. Der Begriff limites custodes taucht auch in den Ann. q. d. Einh. ad a. 793 sowie ad. a. 810 auf. Ann. regni Franc. ad a. 827. Ann. regni Franc. ad a. 817.

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der Menschen und ihrer Habe, nicht um die „territoriale Unversehrtheit“ als solche ging. Der Schutz der Menschen war zentrale Aufgabe des Königs.

f. Natürliche Grenzen – Historische Grenzen Die verschiedenen karolingischen Erbanordnungen von 806, 817, 831 und 839 machten es notwendig, im fränkischen Gesamtreich für die Teilungen des Gesamtreiches zwischen den Teilreichen der Söhne Abgrenzungen zu ziehen. Das gleiche war für die Zuweisung der ehemals langobardischen Gebiete an die Päpste notwendig, die aber nur für die Linienziehung in der promissio donationis Karls von 774 in den päpstlichen Quellen näher faßbar ist. Diese Teilungen wie die Linienziehung von 774 folgten einerseits historischen andererseits natürlichen Vorgaben oder Maßstäben. Die Beschreibung der termini der den Söhnen zugewiesenen regna Aquitanien und Italien in der Divisio Regnorum Karls des Großen erfolgte auf dreifache Weise. Ludwigs Teilreich soll umfassen Aquitanien, Waskonnien, et quidquid inde ad occidentem atque Hispaniam respicit, sodann namentlich genannte Orte und Gaue und weiter montem Cinisium, vallem Segusianum usque ad clusas et inde per terminos Italicorum montium usque ad mare... Es werden also Linienziehung und Rückgriff auf bestehende politische Einheiten miteinander verknüpft. Pippins Teil soll bestehen aus Italien, quae et Langobardia dicitur, Bayern, sicut Tassilo tenuit, außerdem u. a. Alamania partem quae in australi ripa Danubii fluminis est, et de ipso fonte Danubii currente limite usque ad Rhenum, in confinio pagorum ... et inde per Hrenum fluvium sursum versus usque ad Alpes ... Ähnlich wird die Teilung des Reiches durch Ludwig den Frommen 839 u.a durch Aostatal, am Genfer See, entlang der Rhone, und später der Maas und der Seine bis zum Meer gezogen.54 Die Abgrenzungen zwischen den partes regni der Söhne folgen, soweit nicht historische Gebiete genannt werden, natürlichen Gegebenheiten. Diese Abgrenzungen betreffen zwar innerfränkische Grenzen. Aber sie enthalten ein allgemeines Prinzip der Grenzbestimmung. Besonders Flüsse bilden Grenzscheiden. So bestimmt auch Einhard die übernommenen wie die hinzugewonnenen Herrschaftsgebiete Karls des Großen innerhalb des Gesamtreiches durch die Flüsse Rhein, Loire und Saale und nach außen durch Donau und Ebro. Die Enns fluvius ... medius ... currens zwischen den Franken und Awaren ist certus ... limes zwischen den beiden regna der Bayern und der Hunnen. Im Norden erscheint mehrfach die Eider als Grenze des Königreichs Dänemark.55 Sie ist aber anscheinend nicht gleichzeitig die Grenze des Frankenreichs. Denn dieses scheint seine Begrenzung in unserer Epoche an der Elbe, wiederum einem Fluß, zu haben. Denn Karl der Große hatte 804 die trans albiam wohnenden Sachsen ins Innere Frankens umgesiedelt und das Land den verbündeten, aber nicht seiner unmittelbaren Herrschaft unterstehenden Abodriten übergeben.56 Dadurch entstand mit der Eider eine Grenze zwischen dänischem und fränkischem Einflußgebiet, gewissermaßen als zweite Grenze in einem politischen Verständnis. Zu Beginn der Sachsenkriege 54 55 56

MGH LL II, Capit. II/1, Nr. 200, S. 58; Ann. Bertiniani ad a. 839. Ann. regni Franc. ad a. 811. Ann. regni Franc. ad a. 804.

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scheint die Weser die erste Grenzlinie gewesen zu sein, die dann bis zur Elbe vorgeschoben wurde. In Spanien bildete gegen Ende unserer Epoche der Ebro die Grenze gegen das Emirat von Cordoba. Zwar haben Flüsse einen linearen Charakter, stellen aber keine Grenzlinie dar, sondern mehr oder weniger breite, zudem variierende Grenzbänder oder Grenzzonen. Denn die damals völlig unregulierten Flüsse hatten häufig eine erhebliche Breite, mehrere Betten bzw. Arme, Inseln, Überflutungsbereiche von häufig erheblicher Ausdehnung, so daß die Ufer oft nicht exakt feststellbar waren, auch durch Abbrüche oder Anschwemmungen wechseln konnten. In diesem Grenzband wohnten häufig auch Menschen in den Auen, auf Flußinseln etc. Dadurch scheint ihre Funktion als Grenzscheide eigentlich erschwert, weil es ständig Streit über den genauen Verlauf der Grenze hätte geben können. Darüber wird aber nichts berichtet. Neben den Flüssen werden weitere naturorientierte Gegebenheiten zu Abgrenzungen benutzt, Gebirgskämme, Täler, das Meer. Aber sie bildeten keineswegs notwendige oder vorgegebene Grenzen oder wurden im Sinne späterer Theorien von den „natürlichen Grenzen“ als solche angesehen. Weder wurden sie als solche in Anspruch genommen noch von daher als Gebietsgrenzen begründet. Sie bildeten, wie die Enns, einen certus limes, da sie übersichtlich, relativ leicht bestimm- und erkennbar waren. Sie hatten historisch diese Funktion erhalten, konnten sie historisch wieder verlieren. Gerade die Teilungen zwischen 742 und 839 orientierten sich nicht immer an überkommenen oder auch denselben Grenzen. Flüsse wie Gebirge konnten überwunden werden und jedenfalls in bezug auf Herrschaft den abgrenzenden Charakter nie erhalten oder aber wieder verlieren. So wurden in bezug auf Bayern und Italien die Alpen in der divisio imperii von 806 gerade nicht zur Grenze. Beide Reichsteile mit zudem sehr unterschiedlicher Geschichte bildeten zusammen das Herrschaftsgebiet Pippins.57 Auch die Pyrenäen bildeten allenfalls eine interne Grenze zwischen dem regnum Aquitaniae und der spanischen Mark. Aber dies war keine Herrschaftsgrenze; denn beide bildeten einen einzigen Herrschaftsbereich sowohl unter Ludwig dem Frommen als auch unter seinen Söhnen Pippin und Karl als Königen von Aquitanien. Auch Rhone, Rhein, Seine, Donau waren keineswegs immer und durchgängig Herrschaftsgrenzen. So folgte die Teilung von 839 zwar in Teilen Rhone und Rhein, in anderen Teilen übersprang sie diese auch. Die spätere aber Jahrhunderte überdauernde Teilung von 880 beachtete weder den Rhein noch die Maas oder die Loire, die vorher zeitweise gewisse Grenzfunktionen hatten. Zwar werden in den Teilungsordnungen auch die Küsten genannt. Ob und inwieweit das Meer selbst und nicht nur die Inseln, wie u. a. die Balearen, als Teil des Herrschaftsbereiches in Anspruch genommen wurde, läßt sich aus den Quellen nicht erschließen. Karl der Große hatte Flotten auf den Meeren fahren, die u. a. im Mittelmeer die Sarazenen und später in Nord- und Ostsee die Normannen abwehren sollten. Auch dienten die Marken nicht nur dem Schutz des Landes, sondern auch des Meeres.58 Das dürfte aber auf die Abwehr der Angriffe der Sarazenen und Normannen vom Meere her gegen die Küsten und auch das Landesinnere gerichtet gewesen sein. 57 58

Divisio, c. 2, MGH LL II, Capit. I, Nr. 45, S. 127. Dazu Wolfram, Geburt, S. 193. MGH LL II, Capit. I, Nr. 51, c. 9, S. 138, Z. 3.

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Eine ausdrückliche neue, daher auch künstliche Abgrenzung zwischen Herrschaftsgebieten wurde jedoch für die Übertragung der dem Apostelfürsten Petrus bzw. den Päpsten übergebenen Gebieten in Mittelitalien gezogen. Es ist der einzige Fall in dieser Zeit, in dem außerhalb des fränkischen Gesamtreiches eine solche Grenzziehung oder Abgrenzung als eine neue Zwischen-Mächte-Grenze, dazu für ein neues politisches Gebilde, beschrieben wird. Die Schilderung der an Stephan II. zu übergebenden Gebiete für 754 und 755 begnügte sich noch mit der Bezeichnung der zu übergebenen civitates, die im einzelnen aufgezählt werden.59 Die danach den Verträgen beigegebenen Listen sind nicht überliefert. In der Erneuerung 774 wird hingegen eine neue Grenzlinie gezogen, deren Elemente einerseits aus einer Art „Linie“ und andererseits in der Bezeichnung bestimmter traditioneller herrschaftlich organisierter Gebietseinheiten bestanden.60 Karl bemühte sich, das übertragene Gebiet jedenfalls in einem Teil durch eine Linie zu beschreiben, die keiner „natürlichen“ Grenze folgte. Es soll sich vielleicht um einen alten Straßenzug gehandelt haben, oder auch um eine ältere historische Grenzlinie.61 In dem Pactum Hludovicianum kehrte Ludwig der Fromme wieder zu der herkömmlichen Aufzählung der Territorien, Städte mit den dazu gehörenden Grenzgebieten, Territorien etc. zurück.62 Grundsätzlich waren Grenzziehungen also nicht vorgegeben. Nach innen bildeten historische Gegebenheiten, vielleicht entgegen modernen Erwartungen, keine zwingenden Vorgaben, ebensowenig natürliche Gegebenheiten. Was Karl der Große 806 geordnet hatte, wurde 817 von Ludwig nur in Teilen übernommen. Nach außen fehlt es an hinreichenden Beispielen. Aber der einzige nachvollziehbare Vorgang zur Abgrenzung der promissio donationis Karls gegenüber Hadrian I. ist auch nicht historisch vorbestimmt. Grenzziehungen folgten unterschiedlichen Kriterien und Zielen. Raum war somit auch historisch disponibel. Das Territorium hatte anscheinend aus sich heraus keine feste rechtliche Form oder Struktur.

g. Entstehen und Untergang eines regnum Das zeigte sich sowohl in der Entstehung wie im Untergang eines regnum. Denn beides hängt eng mit dem Vorhandensein eines rex zusammen, ist an diesen gebunden. Den regna fehlte trotz historischer Rückbindungen eine eigene territoriale und damit eine hinreichende objektiv-institutionalisierte Bestimmtheit. Sie setzten sich aus verschiedenen Teilen zusammen, die immer wieder neu gemischt wurden. Schon die Einsetzungen Pippins und Ludwigs sowie ihre Salbung durch Hadrian I. zu reges der regna Italien und Aquitanien in Rom 781 enthielt trotz ihrer historischen Ansätze eine territoriale Neuordnung nach dem Willen Karls des Großen. Von einer Zustimmung der Großen wird, anders als später für die Divisio regnorum, für diese Einsetzung nicht berichtet. Ein regnum Aquitanien gab es vorher nicht. Es war bis zur Unterwerfung des letzten aquitanischen Herzogs Hunold ein Herzogtum. Ein regnum 59 60 61 62

Vita Stephani II., Liber Pontificalis, I, S. 453 f. Vita Hadriani I., Liber Pontificalis, I, S. 498; oben S. 191. Classen, Karl der Große, S. 20 mit Verweisen auf ältere Literatur. Pactum Hludovicianum, MGH LL II, Capit. I, Nr. 172, S. 252; dt. Anhang 16.

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Italia bestand als solches auch nicht, sondern nur das regnum der Langobarden. Die Überarbeitung der Reichsannalen, die Einhardannalen setzen statt rex in Italia die korrektere Bezeichnung in Langobardia. Pippin führte den Titel eines rex gentis Langobardorum.63 Jedenfalls für Aquitanien konstituierte die Bestellung der Könige offenbar das Königreich. Aber das gilt cum grano salis auch für Italien. In den Teilungsberichten der Annalen wie auch in den Erbordnungen Karls und Ludwigs, die allerdings mit Zustimmung der Großen ergingen, werden in der Regel die Teile totius regni oder universi imperii in den genannten Quellen zunächst als dessen jeweilige partes oder portiones, danach aber ebenfalls jeweils als regnum bezeichnet.64 Die Divisio regnorum legte die Einheit totius regni oder imperii vel regni nostri zugrunde und teilte dieses in drei Teile, trina portione. Diese werden den Söhnen als reges zugewiesen. Erst in c. 6 der Divisio werden die Teile dann jeweils als regnum bezeichnet. Auch hier geht offenbar die Bestellung der Könige der Konstituierung des regnum vorauf. Die Ordinatio Imperii wollte zwar die Einheit des Reiches gerade nach außen durch die Bestellung Lothars als Kaiser und alleinigen oder doch vorrangigen Repräsentanten des Ganzen in Krieg und Frieden bewahren.65 Jedoch wurden auch die beiden anderen Söhne Ludwigs des Frommen, Pippin und Ludwig, zu Königen bestellt und ihnen eigene, definierte Reichsteile zugeteilt, die später nicht nur mit ihren Namen Aquitanien und Bayern, sondern auch als regnum bezeichnet wurden.66 Durch den eigenen König wurden ihre Reichsteile somit zu eigenen regna innerhalb des Gesamtreiches. Der rex machte das regnum.67 Zwar gewannen die Könige dieser Teilreiche innerhalb des Gesamtreiches weder zur Zeit Karls noch zur Zeit Ludwigs einen eigenen selbständigen Handlungsraum nach außen, wenn auch Karls Söhne Ludwig und Pippin Kriege in Spanien bzw. in Italien führten. Aber nach dem Scheitern des Ordnungskonzepts der Ordinatio Imperii und dem Tod Ludwigs des Frommen bildeten diese reges mit ihren regna den Ursprung der weiteren Differenzierung der europäischen politischen Ordnung, mochte auch die Vorstellung eines einheitlichen Frankenreiches in den zwei regna Westfranken und Ostfranken noch ein bis zwei Jahrhunderte fortbestehen.68 Hingegen entstanden nur wenige neue Reiche oder regna nach „alter“, von den Germanen lange geübter Art, durch Einfälle neuer Völker und deren politischer Organisation in dem erobertern Gebiet. Auf dem Balkan drängte das Reich der Bulgaren auch nach Norden. Im Osten entstand das Reich der Rus. In beiden Fällen stellten sich für den fränkischen Herrscher Ludwig den Frommen und die Franken offenbar Probleme, wie sie sich ihnen gegenüber verhalten sollten. Ihre Gesandtschaften wur63 64

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Z. B. Capitulare zwischen 782 und 786, MGH LL II, 1, Nr. 91, S. 191. Ann. q. d. Einh. ad a. 769 für das regnum Karlmanns; die Reichsannalen haben dafür Francia. MGH LL II, Capit. I, Nr. 136, cap. 6 bis 8, S. 271f. Z. B. Ann. Bertiniani ad a. 832. Bereits Isidor hatte das regnum vom rex her definiert, Regnum a regibus dictu, nam sicut reges a regendo vocati, ita regnum a regibus, Ethym. lib IX, c. III, 1. Dazu insbesondere Brühl, Deutschland – Frankreich.

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den jedenfalls zögerlich behandelt.69 Zu dauerhaftem Kontakt kam es noch nicht. Es zeigte sich, daß die politische Ordnung im Westen Europas inzwischen ein festes Gefüge angenommen hatte, im Osten und Südosten aber noch alles im Fluß war. Ein Sonderfall war die Entwicklung des Dukats von Rom zu einem eigenen politischen päpstlichen Herrschaftsgebilde, das i. ü. nie als regnum bezeichnet wurde. Es ist auch fraglich, ob es einem solchen im 8. und 9. Jahrhundert bereits gleichstand. Jedenfalls entstand es durch ein „internationales“ Zusammenwirken und durch Rechtsakte des Zwischen-Mächte-Rechts, durch Verträge und vor allem die donatio von Land und Städten. Diese rechtlichen Vorgänge veränderten die politische Ordnung Italiens grundlegend und bestimmten sie für über elfhundert Jahre, von 756 bis 1870. Umgekehrt ging ein regnum unter, wenn es keinen eigenen rex mehr hatte, wie das regnum König Karlmanns nach desen Tod 771 und der Erhebung Karls zum König auch für dieses. Das galt im Prinzip auch für die Herzogtümer Aquitanien und Bayern mit dem ersatzlosen Abtritt ihrer Herzöge. Sie verloren ihren Charakter als eigene Herrschaftseinheiten und wurden zu provincias innerhalb des Reiches. Zwar führte Karl ab 774 auch noch nach der Kaiserkrönung den Titel oder Namen eines rex Langobardorum, aber ein regnum Langobardorum wird in den Quellen nicht mehr erwähnt, auch nicht in den eigenen Kapitularien für Italien. Wird Pippin nach seiner Erhebung 781 auch zunächst noch als rex gentis Langobardorum, aber nicht eines regnum Langobardiae bezeichnet, so verschwindet dieser Bezug später. Er wird, wie seine Nachfolger Bernhard und Lothar, als rex Italiae bezeichnet, deren neues regnum nunmehr regnum Italiae heißt.70

h. Ergebnis Damit läßt sich daraus, daß das Territorium des regnum Francorum nach außen durch seine Grenzen bzw. Grenzgebiete gegenüber den Territorien anderer Herrschaftsträger abgegrenzt und definierbar war, nicht der normativ-rechtliche Schluß ziehen, es habe sich um „Staatsgebiet“ im modernen Sinn als Konstitutionsmerkmal des regnum Francorum und rechtlichen Bezugspunkt der Radizierung von Herrschaft wie der Zwischen-Mächte-Ordnung gehandelt. Dagegen spricht zwar nicht notwendig, daß es dem regnum an innerer Geschlossenheit und Gleichmäßigkeit des Rechts fehlte, da dieses nicht territorial, sondern personal bestimmt war. Denn personal-rechtliche Vielfalt galt noch lange für den frühmodernen Staat. Das regnum müßte sich jedoch über diese Grenzen und das Territorium als rechtliche Einheit konstituieren, die Königsherrschaft im Gebiet radiziert sein, wie das in der Gegenwart für die „Gebietshoheit“ gegeben ist. Eben das war aber nicht der Fall. Zwar beschreiben – oft neue – Grenzen die neuen regna, bezog sich der Köngsbann auf das Herrschaftsgebiet, galten die Kapitularien nur im Gebiet des regnum. Aber daraus erwächst nicht die Herrschaft. Vielmehr konstitu69 70

Oben S. 241. MGH LL II, Capit. I, Nr. 91, S. 191; Ann. regni Franc. ad a. 809, 810; 814, 815; Ordinatio Imperii, cap. 17, MGH LL II, Capit. I, Nr. 136, S. 270, 273; Anonymus, Vita Hludowici, cap. 55; Ann. qui dic. Einh. ad a. 781 in bezug auf die Einsetzung Pippins als König.

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iert die Wahrnehmung von Herrschaft einen Ort, ein Territorium als Herrschaftsgebiet. So wird in der Ausstellung einer Urkunde an einem eroberten Ort, z. B. durch Aistulf in Ravenna 756 oder durch Karl den Großen in Paderborn 799, ein Akt gesehen, durch den der Aussteller der Urkunde seine Herrschaft über diesen Ort manifestiert. Zwar ist das nicht zwingend. Karl der Große wollte und konnte 774 in St. Peter durch die Erneuerung der Schenkungsurkunde wohl kaum einen Herrschaftsanspruch über Rom dokumentieren. Aber anders war es mit dem Erlaß der Constitutio Romana durch Lothar I. im Jahr 824, durch die gerade die kaiserlichen Rechte über Rom zum Ausdruck gebracht wurden. So machte die Köngsherrschaft das regnum auch im objektiven Sinn. Dieses, gegenüber der Gegenwart umgedrehte Verhältnis von Herrschaft und Herrschaftsgebiet beruht auf dem Personalprinzip königlicher Herrschaft. Diese stand einerseits dem König als Person zu. Zum anderen wurde seine Herrschaft stets auf die Menschen als Angehörige ihrer Rechtsgemeinschaft bezogen, nicht als Bewohner des Gesamtterritoriums oder auch eines Teilgebietes. Das waren zunächst die Franken des regnum Francorum, dann die diesem regnum durch die Herrschaft des Königs nach und nach eingefügten anderen Völker. So ging den Gebietszuweisungen in den Teilungsordnungen die Erhebung der Söhne zu Königen vorauf. Zudem wurden, wie gezeigt, bei den Gebietszuweisungen sehr verschiedene Kriterien angewendet, wurden die Gebiete auch wiederholt neu zugeschnitten. Insgesamt kann aus heutiger Sicht das regnum als organisiertes Herrschaftsterritorium nicht als Träger der Beziehungen zwischen politischen Mächten, also als „Macht“ rekonstruiert werden. Es ist zweifellos Bezugspunkt des Handelns des Herrschers, sowohl als räumlicher Rahmen oder Ort wie auch als Gegenstand königlicher Herrschaft und bildete damit die materielle Grundlage des regnum im subjektiven Sinne als Königsherrschaft. Da deren Wahrnehmung oder Ausübung aber an die Zustimmung oder doch Mitwirkung der Großen gebunden war, nicht nur bei der inneren Gesetzgebung, sondern für unseren Zusammenhang bestimmend, auch in außenpolitischen Akten, könnte darin eine personale Institutionalisierung oder Objektivierung des regnum als Verbund von rex und optimates liegen und diesen Verbund zum Zurechnungssubjekt der normativen Ordnung der Zwischen-Mächte-Beziehungen gemacht haben. Es kommt also auch auf die personale Struktur von Herrschaft und Herrschaftsbeziehungen an.

IV. He rr sc h af ts o rg an i s ati o n fü r K r i eg u n d F r i ed en a. Rex Nach den Berichten der Annalen und Chroniken, den oben angeführten Briefen Karls und den Darstellungen Einhards trat stets der fränkische Herrscher, der rex, den anderen Mächten als derjenige gegenüber, der die Beziehungen mit ihnen im allgemeinen wie im besonderen aktiv führte und bestimmte. Umgekehrt gilt dasselbe für die auswärtigen Herrscher in ihren Beziehungen zu den fränkischen Herrschern und dem regnum. Die Zwischen-Mächte-Beziehungen waren nach diesen Quellen im Zentrum

Herrschaftsorganisation für Krieg und Frieden

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in den Herrschern personalisiert und auf sie konzentriert. Jedoch darf auch für die Führung und Gestaltung der Beziehungen zu anderen Mächten der von Karl wie von Ludwig benutzte Begriff potestas keineswegs als „Staats“gewalt oder gar „Souveränität“ verstanden werden, die bei ihnen konzentriert gewesen wäre, wie bereits in den Erörterungen zur Verfassung des Frankenreiches dargelegt wurde.71 Seine Aufgaben und Tätigkeiten werden vielmehr mit den Begriffen rector, cura, administratio beschrieben. Zur cura oder administratio des Königs gehörte, neben der Wahrung der Gerechtigkeit nach innen, der Schutz vor den Feinden und die Sicherung des Friedens.72 In dem Lobgedicht auf Karl und Leo III., dem „Paderborner Epos“ heißt es über Karl rex iustus in alto/Dans leges patriis, et regni foedera firmat.73 Es oblag also ihm, die besonderen normativ gestalteten Verbindungen abzuschließen, die Verträge, Bündnisse, amicitiae und andere. Daraus folgt noch nicht zwingend, daß er als Person auch der eigentliche Träger dieser Verbindungen gewesen wäre. Deren Ausrichtung auf die Person der Herrscher zeigt sich bei deren Tod oder Sturz. Diese führten zum Ende der rechtlichen Bindungen, der Verträge, der Bündnisse, der amicitiae etc. Das galt auch umgekehrt, wenn der Partner starb oder auch seine herrscherliche Stellung durch Sturz verlor, der Papst, der oströmische Kaiser, etc. Der fränkisch-byzantinische Vertrag von 812 trat wegen der Herrscherwechsel zwischen 813 und 814 auf beiden Seiten erst nach mehrmaligem Hin und Her zwischen Aachen und Byzanz in Kraft, als auf beiden Seiten herrscherliche Partner vorhanden waren. Bestehende Verträge, eine amicitia, aber auch einseitige Akte des fränkischen Herrschers, wie die promissio donationis Pippins für die Päspste und das pactum veneticum etc., bedurften jeweils der Erneuerung durch den neuen karolingischen Herrscher, bzw. der Bitte um Erneuerung durch den Nachfolger des Partners. Es bedurfte also des Herrschers, um vertragliche und andere Bindungen eines besonderen Verhältnisses herzustellen, aufrechtzuerhalten und zu erneuern. Zwar wurden in der Regel die rechtlichen Verbindungen von oder mit dem Nachfolger ohne weiteres erneuert, mit den oströmischen Kaisern, den Päpsten, denen in der Constitutio Romana die Bitte um Erneuerung der amicitia bei einem Papstwechsel sogar zur Pflicht gemacht wurde, aber auch die promissio donationis gegenüber den Päpsten und das pactum veneticum gegenüber den Venezianern. Es wurde also Kontinuität hergestellt, wobei sich der Nachfolger auf seine Vorgänger berief. Aber die Erneuerung erscheint nicht als reine Formalie, zumal mit dieser auch Änderungen verbunden sein konnten. Sie zeigt die personale Ausrichtung und Zurechnung der normativen Verbindungen an, die sich aber nur auf den König oder Kaiser und deren jeweilige Partner beziehen konnten.

71 72 73

Oben S. 33f. Scharff, Kämpfe, S. 15 ff. zu Krieg in den Fürstenspiegeln und Mahnbriefen. Beumann, Paderborner Epos, S. 90, Z. 449.

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b. Optimates So erscheint der rex als Träger der Rechte und Pflichten der normativen Ordnung der Zwischen-Mächte-Beziehungen. Da sich jedoch aus den Quellen ebenfalls ergibt, daß alle karolingischen Herrscher von Pippin bis Ludwig den Frommen bei der Führung der Beziehungen mit anderen Mächten, vor allem für Kriegführung wie u. U. auch für Friedensschlüsse von Beratung über Mitentscheidung, Hilfe insbesondere im Kriege, bis zu Unterschriften und Beeidigungen der Verträge und anderer außenpolitischer Rechtsakte an die Mitwirkung der Großen auf den Reichsversammlungen und auch außerhalb derselben zurückgebunden waren, ist zu fragen, was dies für die Trägerschaft der normativen Ordnung der Zwischen-Mächte-Beziehungen bedeutete. Diese Mitwirkung der Reichsversammlungen war gemäß der Verfassungsordnung durch Gewohnheit und Herkommen normativ festgelegt und somit grundsätzlich unumgänglich. Insbesondere für einen Krieg war im allgemeinen ein Beschluß der Reichsversammlung erforderlich, da diese ursprünglich Heeresversammlung war und die Freien die Last der Kriegführung zu tragen hatten. Ihre Zustimmung war keineswegs immer oder auch nur leicht zu erlangen. 754 konnte Pippin nur nach Widerstand die Zustimmung zu dem Bündnis mit Papst Stephan II. und den Zug gegen den Langobardenkönig durchsetzen.74 Einige wollten nach einem Bericht Einhards in der Vita Caroli die Reichsversammlung verlassen, nicht nur ein erheblicher Affront, sondern auch die Verweigerung der Unterstützung.75 Auch Karl holte für seinen Zug gegen Aistulfs Nachfolger Desiderius nicht ohne Widerstände im Jahre 773 den Beschluß einer Reichsversammlung ein.76 Der Krieg gegen Spanien 778 folgte auf eine Reichsversammlung im Vorjahr in Paderborn, auf der Gesandte der Sarazenen erschienen waren und durch ihre Berichte den Feldzug veranlaßt hatten. Auch hier ist anzunehmen, daß eine Beratung und sogar eine Beschlußfassung erfolgte.77 Eingehende Beratungen und Beschlußfassungen verbunden mit einer dreitägigen Gebetsliturgie des Königs und aller Versammelten gingen im Jahre 791 in Regensburg dem Beginn des Krieges gegen die Awaren vorauf.78 Auch für die eher „internen“ Kriege gegen Aquitanien und Bayern wurden Beschlüsse der Reichsversammlungen gefaßt.79 764 lehnte Pippin andererseits per consilio Francorum et procerum suorum einen Friedensvorschlag Waifars von Aquitanien ab.80 Dem Anfang des Krieges Karls des Großen gegen die Sachsen im Jahre 772 ging eine Versammlung in Worms voraus. Zwar wird nichts über einen entsprechenden Beschluß auf dieser Versammlung berichtet. Ein solcher ist aber anzunehmen, wie es

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Zum Widerstand des Adels gegen Pippins Italienfeldzug, der vom eigens aus Italien angereisten Karlmann gestärkt wurde, Ann. q. d. Einhardi ad a. 753. Einhard, Vita Caroli, c. 6. Ann. regni Franc. ad a. 773. Ann. regni Franc. ad a. 777 und 778. Ann. regni Franc. ad a. 791. Ann. regni Franc. ad a. 760, Vorgehen gegen Herzog Waifar von Aquitanien; Ann. regni Franc. ad a. 764, und Ann. q. d. Einhardi ad a. 764. Fred. chron. cont., c. 47 (130).

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auch für einen neuerlichen Kriegszug gegen die Sachsen im Jahre 776 mitgeteilt wird.81 Später allerdings entfielen derartige Beschlüsse, zwar nicht immer, aber häufig, wenn es sich um einen Gegenschlag gegen sächsische Friedensbrüche handelte. Für die Regierungszeit Ludwigs des Frommen finden sich ebenfalls Berichte über die Beschlußfassung der Reichsversammlung über Feldzüge.82 Die Mitwirkung der Großen bei den Friedensschlüssen vollzog sich anscheinend nicht auf der Reichsversammlung. Jedenfalls fehlen Berichte darüber. Aber sie vermittelten die Friedensschlüsse Pippins mit Aistulf 755 und 756. Da die fränkischen Quellen nichts über einen Vertragsschluß berichten, fehlen Hinweise auf eine mögliche Mitwirkung durch Unterzeichnung. In der päpstlichen Quelle steht nichts darüber. Dies war aber bei dem Friedensvertrag Karls des Großen mit Michael I. von 812 der Fall.83 Schriftlich niedergelegte Grenzregelungen unterlagen wohl auch sonst dem Votum und vor allem der Unterzeichnung durch die Großen, wie 774 die Erneuerung der promissio donationis durch Karl, die sie auch beeideten. Eine solche fand daher wohl wiederum für das Pactum Hludovicianum durch die drei Söhne, zehn Bischöfe, acht Äbte, fünfzehn Grafen und drei weitere Würdenträger des Hofes statt.84 Auch der Vertrag mit Michael I. hatte höchst wahrscheinlich Grenzregelungen zum Inhalt. Die Unterschriften der Großen waren wahrscheinlich auch deshalb erforderlich. Da auch die Großen oder Gesandten der nicht zum fränkischen Herrschaftsverband gehörenden, aber unter Oberhoheit stehenden Völker, z. B. Awaren, Slawen, u. a., häufig zu den Reichsversammlungen geladen wurden und unter der Sanktion der infidelitas erscheinen mußten, wobei sie wahrscheinlich auch Tribute oder „Geschenke“ mitbrachten, diente die Reichsversammlung auch der Manifestation der Oberherrschaft „der Franken“ über umliegende Völker.85 Die Mitwirkung der Großen scheint aber nicht alle Akte auswärtigen Handelns erfaßt zu haben. Nicht jeder Krieg bedurfte deren Zustimmung, insbesondere wohl nicht die fortlaufenden Kriege gegen die Sachsen. Sie erscheinen zunehmend als eine Art Strafaktion gegen rebelles. Aber auch die Constitutio Romana Lothars I. von 824 wie dessen Pactum Veneticum scheinen ohne Mitwirkung der optimates ergangen zu sein, jedenfalls fehlt es an entsprechenden Wiedergaben oder Hinweisen in den beiden Texten oder an anderen Mitteilungen. Vor allem erfolgten die meisten Erneuerungen von Verträgen, amicitiae oder anderen besonderen rechtlichen Verbindungen ohne solche Mitwirkungen. 81 82 83

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Ann. regni Franc. ad a. 772 und 776. Ann. regni Franc. ad a. 820, 821, gegen Liudevit. Brief Karls des Großen an Michael I., Epp. Var. Car., Nr. 37, MGH Epp. IV, S. 555, dt. Anhang Nr. 3. Pactum Hludovicianum, a. E., MGH LL II, Capit. I, Nr. 172, S. 352, S. 355, Z. 11/12. Z. B. Ann. regni Franc. ad a. 823, bez. des Abodritenfürsten Ceadragus; 826 werden Ceadragus, aber auch der Sorbenfürst Tunglo, geladen und bei Nichterscheinen ihnen Strafen für Treulosigkeit (perfidia) angekündigt, ibid., ad a..826. Die Ann. regni Franc ad a. 822 berichten von einer Reichsversammlung in Frankfurt a. Main, auf der vor allem die Angelegenheiten der östlichen Teiles des Reiches behandelt wurden und Gesandtschaften der Abodriten, Sorben, Wiltzen, Böhmen, Mähren, Prädenecentern (östliche Gruppe der Abodriten) und Awaren mit Geschenken, d. h. wohl mit Tributen erschienen.

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Da die Reichsversammlungen als solche keine „Dauer“ hatten, sondern jede für sich stand, bildeten die Berater am Hofe innerhalb und außerhalb der Hokapelle eine festere und vor allem auch stetigere Gruppe.86 Dabei spielten die von Althoff ausführlich erörterten Verbände von Verwandten, Freunden und Getreuen mit und um den jeweiligen Herrscher, die seine Herrschaft stützten, sie aber auch gefährden konnten, entgegen Hincmars Idealbild eine zentrale Rolle.87 Aber ihr Einfluß im Hinblick auf die Führung und Gestaltung der Beziehungen zu anderen Mächten im einzelnen ist aus den Quellen nur in seltenen Fällen und ansatzweise oder indirekt zu entnehmen, z. B. aus Briefen Alcuins, sei es an Karl selbst, sei es an auswärtige Adressaten, wie König Offa, Papst Leo III. oder Bischöfe in England aber auch im Reich. Aber diese waren in erster Linie aus religiös-kirchlichem Antrieb und Interesse geschrieben. Formale Akte werden nicht berichtet. Ihr Einfluß beruhte wohl auf informeller Beratung und Unterstützung oder deren Verweigerung. Der König hatte also für die Führung der Beziehungen zu anderen Mächten zwar seine Herrschaftsgewalt zur Verfügung. Aber der Blick auf die rechtliche Bindung an die Reichsversammlung, wie auf die strukturell-personale Einbettung in die Adelsgruppen und seine Berater hat gezeigt, daß er in ihrer Ausübung oder Wahrnehmung auch nach außen in einen normativen Rahmen eingebunden war, der sein Handeln konditionierte. Grundsätzlich mußte durch formelles oder informelles Zusammenfinden mit den Großen nach bestimmten Regeln, in concreto ein personaler Verbund von Herrscher und Großen als eine konkrete Handlungseinheit gegenüber dem Dritten hergestellt werden. Jedoch hatte der König von Pippin bis zu Ludwig dem Frommen gegenüber den rechtlichen Bindungen an die Reichsversammlungen der Großen und den strukturellen Einbindungen in den Hof und die herrschaftsstützenden Gruppen vier Vorteile, die allerdings weniger normativer als herrschaftlicher Art waren. Er hatte durch Thronerhebung und Salbung eine gegebene und grundsätzlich unbestrittene hervorgehobene Stellung gegenüber den anderen Kräften im Reich. Sie verlieh dem König grundsätzlich ein überpersönliches Ansehen. Zwar war seine Stellung nicht unantastbar und unverlierbar, wie die Auseinandersetzungen um Ludwig den Frommen in den dreißiger Jahren des 9. Jahrhunderts bis hin zu seiner vorübergehenden Absetzung zeigen. Jedoch mußten sehr gravierende Bedingungen für ein derartiges Vorgehen gegen den König oder Kaiser gegeben sein. Der zweite Vorteil bestand in der Stetigkeit, Dauerhaftigkeit seiner personalen Präsenz und Herrschergewalt vor allem gegenüber den Reichsversammlungen, die seinem Handeln vor allem Kontinuität verlieh. Der karolingische König war nicht nur derjenige, dem die stetige Sorge für das Reich aufgetragen war, der es als rector zu leiten, pax et iustitia nach innen und außen zu sichern hatte. Er war vor allem derjenige, der, wenn er es wollte, bereitstand und jederzeit in der Lage war, die Initiative zu ergreifen, zu führen, Ziele zu bestimmen, zielgerichtete Handlungsoptionen zu entwickeln. Das ermöglichte Berechenbarkeit und vor allem Verbindlichkeit in der Zeit. Da zudem 86

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Keller, Struktur, S. 125 ff., der auch bestimmte Personen dieser Berater benennt, die z. T. über Jahre am Hofe anwesend waren. Althoff, Verwandte, S. 155 ff.

Folgerungen

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grundsätzlich alle Herrschaft nur personal und nicht insitutionell konstituiert war, lag die Führung der Beziehungen mit anderen Mächten notwendig in den Händen der Könige. Zum dritten hatte er im Hof und in der Hofkapelle ein Instrument für kontinuierliches herrscherliches Handeln zur Verfügung, das allerdings in der Regel mit Angehörigen des Adels besetzt war. Er hatte zum vierten den Vorteil, Huld zu schenken, und zwar sehr konkret in Ämtern, Geschenken, Land etc. Das konnte auch die Beute sein, die ein Krieg seinen Getreuen einbrachte.

V. Fo l g er u n g en Grundsätzlich ist die normativ-rechtliche Ordnung der Zwischen-Mächte-Beziehungen aus der Sicht der fränkischen Quellen personal bestimmt und getragen. Wie jede Person im Rechtssinn in dieser Zeit waren auch die Könige als Person durch ihr Königsein konstituiert und von anderen Personen unterschieden. Der König und der Mensch Karl können rechtlich nicht voneinander abgehoben werden. Zu ihrem Königtum gehörte auch das außenpolitische Handeln. Daher sind die Berichte über die außenpolitischen Vorgänge und deren normative Gestaltungen auf den Herrscher und auf seine Partner bezogen. Fällt er durch Tod weg, tritt der Nachfolger an seine Stelle und die besonderen normativen Beziehungen sind bis zur Erneuerung durch diesen in der Schwebe, mag auch die überkommene Situation in praktischer Hinsicht zunächst fordauern, wie es wohl trotz der langen Periode nach dem Thronwechsel in Byzanz nach der Ermordung Leons V. von 820 bis 824 der Fall war. Auch die Mitwirkung der optimates bei der Führung der Außenpolitik ist eine personale, ihrer je eigenen persönlichen Stellung geschuldet. Sie ist zwar durch die innere Ordnung bedingt, wirkt aber in mehrfacher Weise nach außen. Die Großen können konkret in die Regelung der Beziehungen mit dem Partner eingreifen und sie mitbestimmen. Sie können eine Regelung selbst durch ihre Unterschrift gegenüber dem auswärtigen Partner mittragen. Sie wurden aber auch selbst zu Adressaten auswärtiger Herrscher, sei es auf Grund derartiger Mitwirkungen, sei es kraft ihrer allgemeinen Stellung. So wandte sich, folgt man dem Bericht des Fortsetzers der Fredegarchronik, Stephan II. 754 selbst in Bernacum an die von Pippin einberufene Versammlung der Großen, nach dem päpstlichen Bericht in Quierzy, um die Unterstützung für den Kriegszug gegen Aistulf zu erlangen.88 Später richteten er und seine Nachfolger ihre Briefe zwar an Pippin und seine Söhne, bezogen aber auch immer die Großen mit ein, die sie durch die auch von ihnen unterschriebenen und beschworenen donatio promissio offenbar für mitverpflichtet hielten.89 Berichte des Liber Pontificalis verweisen stets ausdrücklich auf die Teilnahme der Großen in Pavia 755 und 756 sowie in Rom 774. Insgesamt erschien in dieser Epoche dreimal ein Papst auf einer Reichsversammlung, nach Stephan II. kamen 799 Leo 88 89

Fred. chron. cont., c. 37 (120), S. 183; Liber Pontificalis I, S. 448. Z. B. Brief Stephans II. v. (24. Februar ?) 756, Codex Carolinus, Nr. 9, MGH Epp. III, S. 498.

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III. nach Paderborn90 und 816 Stephan IV. nach Reims.91 Auch die auswärtigen Gesandten, die auf den Reichsversammlungen empfangen wurden, dürften die Gelegenheit gesucht und genutzt haben, über Bitten um kriegerische Unterstützung, über ein Bündnisangebot,92 um Schutz gegen Feinde, um Friedensbitten, oder um die „Befestigung der Freundschaft“ mit den Teilnehmern der Reichsversammlung zu beraten, wenn auch in den Quellen über direkte Beratungen der Gesandten mit den Mitgliedern der Reichsversammlung nicht im einzelnen berichtet wird. Aber nichts in den Quellen läßt die optimates als unmittelbare Träger von Rechten und Pflichten aus der „internationalen“ normativen Ordnung, Vertragspartner, als Partner einer amicitia des Königs mit einem anderen Herrscher, als Adressaten einer dicio erscheinen, weder als Personen, noch als corpus neben oder als Handlungsverbund mit dem König. Zwar wurden die Großen vor allem von den Päpsten auf Grund ihrer Zustimmungen und Unterschriften für die Erfüllung der promissio donationis Pippins in Anspruch genommen. Aber Adressaten waren die Großen in ihrer Gesamtheit. Ihre Stellung erscheint in diesen Briefen eher als die von Garanten, nicht als die von unmittelbar persönlich Verpflichteten. Sie hätten die promissio auch gar nicht erfüllen können. So könnte auch die Unterschriftsleistung für den fränkisch-byzantinischen Vertrag von 812 gedeutet werden. Die Großen stellten mit ihrer Unterschrift gegenüber den Partnern der Verträge und Verbindungen gewissermaßen sicher, daß der König nicht für sich, sondern in der cura und potestas seiner personalen Herrscherstellung handelte, das Reich gewissermaßen „hinter ihm“ stand. Das stärkte auch nach außen ohne Zweifel Verbindlichkeit und Verläßlichkeit königlichen Handelns. Der politisch und auch verfassungsrechtlich gebotene Handlungsverbund von König und Großen, so notwendig er für das außenpolitische Handeln war, muß von der Trägerschaft der rechtlichen Ordnung der Zwischen-Mächte-Beziehungen unterschieden werden. Da dieser Verbund immer wieder neu in den und für die einzelnen Vorgänge begründet wurde, dabei auch immer wieder verschieden handelte, hatte er nicht die institutionalisierte, überpersonale Dauer, die auch damals für eine rechtliche Trägerschaft notwendig war. Er zeigte sich nach außen nicht als allgemeine institutionelle objektive Einheit wie der moderne Staat, sondern immer nur konkret in dem personalen Verbund des jeweiligen Handelns von König und Großen, zudem dieses Handeln in dem sehr offenen, ausfüllungsbedürftigen und im einzelnen immer wieder neu zu justierenden Verfassungsrahmen auch immer nach neuen Konstellationen gehandhabt werden konnte. Sieht man auf die beiden Grundsituationen der Beziehungen zu anderen Mächten, auf Krieg und Frieden, so sind diese insoweit bereits von vorneherein verschieden strukturiert. Krieg war nur mit Unterstützung aller möglich. Hier war der Handlungsverbund zwischen König und Adel wegen des auxilium des Adels notwendig und dicht bis zum Ende des Krieges, u. U. einschließlich des Friedensschlusses. Im Frieden waren die Handlungsmöglichkeiten des Königs wesentlich größer, z. B. zur Aufnahme von Beziehungen durch den Austausch von Gesandten, zum Abschluß von 90 91 92

Ann. regni Franc. ad a 799. Ann. regni Franc. ad 816; Schlußformel, MGH LL II Capit. I, Nr. 172, S. 352. So z. B. das Angebot dreier sarazenischer Gesandter Ebu el Arabi, ein Sohn des Jussef und sein Eidam auf der Reichsversammlung in Paderborn 777, Ann. regni Franc. ad a. 777.

Andere Mächte

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Verträgen, zur Begründung einer amicitia etc. In der Epoche Karls des Großen war zudem die Stellung des Königs gegenüber den Großen gewiß wesentlich stärker als in der Pippins und wiederum anders in der Ludwigs des Frommen vor, in und nach der inneren Krise. Es hing von den Umständen ab, auch von der allgemeinen Bedeutung der konkreten Anforderung, den Spielräumen, den der König in concreto hatte. Der Handlungsverbund konnte daher als je konkrete Erscheinung eines objektiven regnum kein Adressat von Forderungen, Ansprüchen, etc. von außen sein. Das war nur der König. Ist somit der König bzw. der Kaiser auch der personale Träger der Beziehungen mit den anderen Mächten, wie er in den Quellen auch immer wieder benannt wird, so ist der fränkische personale Herrschaftsverband, sind seine Völker wie deren Große durch die cura des rex in die Beziehungen einbezogen. Das stellte zwar keine organschaftliche Vertretung im modernen Sinne durch den König dar, kann jedoch als eine in einem sehr weiten Sinne verstandene Repräsentation angesehen werden, d. h. als Vergegenwärtigung der Gesamtheit in und durch den König gegenüber den anderen Herrschern, die nur durch und in ihm erfolgte.93 Das galt auch für den Kaiser und das imperium. Zwar hieß es im Titel Karls des Großen imperium romanum gubernans, aber außer dem Kaiser waren keine weiteren Institutionen des Römischen Reiches, kein Senat, keine Volksversammlung, keine Ämter oder Titel wieder hergestellt worden. Das imperium romanum trat nur im und durch den Kaiser in Erscheinung.

VI . An d er e Mäch te Der Versuch der Rekonstruktion der Trägerschaft in den Beziehungen zwischen den Mächten erfaßt nur die fränkische Macht. Für die anderen im ersten Teil erörterten Mächte wäre eine noch weitergehende Untersuchung notwendig gewesen. Die hier ausgewerteten Quellen lassen jedoch den begründeten Schluß zu, daß für die Partner der karolingischen Herrscher nichts grundsätzlich anderes galt. Die inneren Ordnungen waren z. T. noch stärker auf den Herrscher zugeschnitten, vor allem in Byzanz. Ein merkwürdiges Zeugnis der Übertragung fränkischer Vorstellung stellt daher die Bitte Karls des Großen in seinem Brief an Michael I. von 812 dar, auch er möge seine zudem auf griechisch zu verfassende Vertragurkunde von seinen iudices unterschreiben lassen. Karl ging hier eindeutig von seinen Verhältnissen aus, ohne die Ordnung in Ostrom zu kennen oder doch zu berücksichtigen. Das Liber Pontificalis nennt stets nur die Päpste als Handelnde, wenn auch für den ersten Besuch Karls in Rom die römischen Großen zusammen mit dem Papst am Karsamstag Sicherheitseide leisteten. Nach dem Selbstverständnis war allein der Papst die „Macht“, d. h. der Träger der Beziehungen. Allerdings stand hinter ihm stets der hl. Petrus als der eigentliche Träger, als dessen vicarius sich der Papst verstand. So sollten durch den Krieg gegen Aistulf die iustitias sancti Petri wiederhergestellt werden. Ihm war, wie es in den Briefen immer wieder heißt, die promissio donationis gegeben. Als 93

Zum Begriffsgebrauch in dieser Epoche Hofmann, Hasso, Repräsentation. Studien zur Wort- und Begriffsgeschichte von der Antike bis ins 19. Jahrhundert, Berlin 1974, S. 102ff.

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Mächte

zu schützende und zu verteidigende Einheit erscheint zwar die sancta Dei ecclesia. Aber auch sie ist, wie das regnum, nicht Träger, sondern die „Begünstigte“. Im Falle des Todes eines Papstes und der Neuwahl mußte das bestehende Verhältnis auch aus päpstlicher Sicht ausdrücklich erneuert oder bestätigt werden. Allgemein lassen die hier ausgewerteten fränkischen Quellen erkennen, daß in fränkischer Wahrnehmung für die auswärtigen Mächte immer nur die Herrscher als die rechtlich maßgebenden Partner angesehen wurden. Das gilt für die anderen christlichen Mächte ebenso wie für die nichtchristlichen Mächte. Briefe werden an Offa, Nicephorus, Michael I. gesandt. Gesandtschaften richten sich an diese, Alfons von Asturien, Godofrid und Harun al-Rashid oder kommen von diesen zu Pippin, Karl und Ludwig. Verträge werden mit den Herrschern geschlossen. Zwar freut sich Karl in seinem Brief an Michael I. über den Frieden, der dank Christi Gnade und Hilfe nunmehr zwischen dem imperium orientalis und dem imperium occidentalis möglich geworden sei. Doch damit ist nicht der Vertrag gemeint, sondern der Friedenszustand als solcher, der gemäß der herrscherlichen Aufgabe, den Frieden zu sichern, den Menschen zugute kommen muß. Auch hier war im Falle eines Herrscherwechsels die ausdrückliche Erneuerung oder Bestätigung der Verträge etc. notwendig. So gilt auch für die Partner der karolingischen Könige und Kaiser, daß sie, einschließlich des Papstes, als die Träger der „internationalen“ Beziehungen der Zeit angesehen werden. Sie sind es aber nicht als Organe ihres Herrschaftsverbandes, als capo di stato, sondern in ihrer personalen Stellung als Herrscher, Kaiser, König, Papst, Herzog etc. Das gilt unabhängig davon, ob sie in ihren konkreten Handlungen an die personale Mitwirkung anderer in dem jeweiligen Personalverband rechtlich und sozial gebunden sind oder autokratisch handeln können. Mit anderen Worten, das Recht der Zwischen-Mächte-Beziehungen ist im Frühmittelalter ein Recht zwischen Personen, nicht zwischen organisierten oder institutionalisierten Einheiten. Die moderne rechtstheoretische Konstruktion der Rechtssubjektivität durch „Zurechnung“ von Rechten und Pflichten an ein „soziales Substrat“, sei es ein Mensch oder eine soziale Einheit anderer Art, erfaßt diese personale Struktur der normativen Ordnung der Beziehungen zwischen den politischen Mächten in unserer Zeit nicht. Denn sie läßt die personale Verankerung oder Radizierung der Ordnung außer sich, will sie gerade unter den Bedingungen einer institutionalisierten objektiven Rechtordnung und Staatlichkeit der Gegenwart außer sich lassen. Das gilt umso mehr, als ein vom rex gelöstes vorgegebenes regnum oder imperium für unsere Epoche jedenfalls nach außen nicht faßbar oder darstellbar ist.

Strukturen des gegenwärtigen Völkerrechts

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2. Ka pit e l: Re c ht I. F ra ges tel l u n g en Zwar hat sich in den Erörterungen der Beziehungen der karolingischen Herrscher zu anderen Herrschern gezeigt, daß die karolingischen Herrscher rechtliche Instrumente zur normativen Gestaltung ihrer Beziehungen zu anderen Mächten einsetzten, gerade auch um sie auf Dauer zu stellen. Aber damit ist noch nicht die Frage beantwortet, wie dieses Recht im fränkischen Rechtsdenken verankert war. Denn zunächst ist Recht, sei es Volksrecht, sei es Königsrecht, personal auf die jeweiligen Rechtsgemeinschaften und Rechtsgenossen bezogen. Wie also ist ein Sprung in ein Recht zwischen verschiedenen Mächten, die nicht ohne weiteres bereits eine gegebene Rechtsgemeinschaft bilden, zu begründen? Läßt sich die Vorstellung von einer, die einzelnen Rechtsgemeinschaften übergreifenden gemeinsamen Rechtsordnung, die unbefragt aber als selbstverständlich in einer allgemeinen „Natur der Sache“ oder/und auf Herkommen ruhend vorausgesetzt wurde, erkennen oder doch rekonstruieren? Oder handelt es sich nur um „fränkisches Recht“ für diese Beziehungen? Um einen Maßstab zur Beurteilung der strukturellen und funktionalen Eigentümlichkeiten dieser frühen Rechtsnormativität der damaligen Zwischen-Mächte-Beziehungen zu gewinnen, erscheint es hilfreich, das gegenwärtige Recht der ZwischenMächte-Beziehungen, d. h. das moderne Völkerrecht in seinen Grundstrukturen zu skizzieren. Es geht dabei wiederum nicht darum, Völkerrecht im modernen Sinn, Parallelen, Ähnlichkeiten oder funktionale Adäquanzen zu suchen und aufzuspüren, sondern zu vergleichen und aufzudecken, ob und welche Unterschiede zwischen der frühmittelalterlichen und der gegenwärtigen Ordnung bestehen, da sie aus den vorhandenen Quellen rekonstruiert werden muß.

II. St ru k t u re n d e s ge gen w är ti g en Vö l k er r ech ts a. Universalität Das gegenwärtige Völkerrecht ist eine gemeinsame Rechtsordnung aller souveränen Staaten der Welt. Da seit dem Ende der Dekolonialisierung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts alle Völker jedenfalls formal nach dem europäisch/amerikanischen Modell des souveränen Staates organisiert sind, bildet das gegenwärtige Völkerrecht nicht mehr nur eine globale, sondern auch eine universelle Rechtsordnung.1 Sie unterscheidet sich damit grundlegend von dem „Völkerrecht der zivilisierten Staaten“ des 19. Jahrhunderts, das zwar global galt, aber nicht universell war. Denn es teilte die Welt in drei Zonen ein, die zivilisierten Staaten Europas und Amerikas, die halbzivilisierten Staaten Asiens und die nicht-zivilisierten oder barbarischen Völker. Nur die beiden ersten Kate1

Verdroß/ Simma, Universelles Völkerrecht, S. 18 ff. Zur Universalität des Völkerrechts und im Völkerrecht, die verschiedenen Beiträge in Marauhn/ Steiger (Hrsg.), Universality.

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gorien gehörten abgestuft zur Völkerrechtsgesellschaft. Die dritte Kategorie wurde von den Staaten der ersten Kategorien als Kolonien ihrer Herrschaft unterworfen.2 Diese Universalität ist zunächst eine formale. Daher umfaßt das gegenwärtige Völkerrecht alle Staaten unabhängig von ihrem tatsächlichen Zustand und ihren inneren Strukturen. Zwar entsprechen einige dieser Staaten, insbesondere in Afrika, tatsächlich nicht oder nicht in hinreichendem Maße den Anforderungen eines modernen Staates. Insbesondere fehlt ihnen eine effektive Staatsgewalt auf dem gesamten Staatsgebiet, so daß sie nicht in der Lage sind, der Bevölkerung die unabdingbaren Grundlagen an Schutz für Leib und Leben, Sicherheit der Heimat, materielle Existenzsicherung etc. zu gewährleisten, also die Grundaufgaben eines Staates zu erfüllen.3 Aber formal gelten auch sie nach außen als Staaten im Sinne des Völkerrechts, es sei denn, sie seien völlig zerfallen und nicht mehr handlungsfähig.

b. Geltung Die Geltung des universellen Völkerrechts beruht auf dem grundsätzlichen Konsens der Staaten, daß Recht zur Sicherung des Friedens und zur Regelung ihrer Beziehungen geboten und notwendig ist und daher zwischen ihnen dem Grunde nach gelten soll. Diese Grundlegung des Völkerrechts in einem allgemeinen grundlegenden Konsens ist zwar umstritten.4 Aber eine andere ist nach der Verwerfung eines vorgegebenen universellen Naturrechts in einer pluralistischen Welt souveräner Staaten nicht erkennbar. Andererseits entspricht sie der universellen Bekundung aller Staaten in ihren öffentlichen Äußerungen. Dieser grundlegende Konsens umfaßt nicht die Geltung der einzelnen Normen des Völkerrechts, auch nicht des Gewohnheitsrechtes. Die Geltung der einzelnen Normen muß jeweils für diese festgestellt werden. Das kann auch ein allgemeiner Konsens sein, der auf bestimmte Weise zum Ausdruck kommt, z. B. durch die übereinstimmende ständige Übung.

c. Rechtsquellen Für die Rechtsquellen des Völkerrechts der Gegenwart wird in der Regel auf Art. 38 Abs. 1 des Statuts des Internationalen Gerichtshofes zurückgegriffen. Dort werden das Vertragsrecht, das Gewohnheitsrecht, die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Kul-

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Steiger, Ius belli, S. 80 ff. Zur Ausdehnung des europäischen Modells des modernen souveränen Staates und den daraus sich ergebenden Krisen allgemein Wolfgang Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, 2. Aufl. München 2000, S. 480 ff.; zu den failing states u. a. Daniel Thürer/Matthias Herdegen/ Gerhard Hohloch, Der Wegfall effektiver Staatsgewalt: „The failed state“, Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Bd. 34, Heidelberg 1996. U. a. Cavalhar, Rights, S. 134 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I/1, S. 35 ff. Allerdings betonen auch diese einerseits die Notwendigkeit einer Rechtsordnung und andererseits den Willen, die Wertvorstellungen, die Rechtsüberzeugungen etc. der Staatenwelt, also Konsenselemente, als gewissermaßen kombinierte Geltungsgrundlage des Völkerrechts.

Strukturen des gegenwärtigen Völkerrechts

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turvölker, d. h. der verschiedenen nationalen Rechtsordnungen aller Staaten, nicht mehr nur bestimmter, vor allem europäisch geprägter Rechtskulturen, und als Hilfsquellen die Rechtsprechung und die Lehre genannt. Da diese Bestimmung unverändert aus dem Statut des Ständigen Internationalen Gerichtshofes von 1920 übernommen worden ist, ist sie unvollständig geworden. Denn inzwischen sind weitere Rechtsquellen hinzugetreten, vor allem die verschiedenen Formen von Beschlüssen universaler und regionaler Staaten- oder Regierungsorganisationen. So hat der Sicherheitsrat inzwischen eine gewisse Rechtssetzungskompetenz im Rahmen des Kapitels VII der Satzung der Vereinten Nationen erworben.5 In besonderer Weise hat die Europäische Gemeinschaft seit ihrer Gründung 1957 und in der Wandlung zur Europäischen Union 1994 eine ausgedehnte und ständig inhaltlich erweiterte und verfahrensmäßig ausgebaute Rechtssetzungskompetenz im Rahmen ihrer ebenfalls wachsenden Aufgaben erhalten.6 Der Wortlaut des Art. 38 Abs.1 Statut IGH scheint einen Vorrang des Vertragsrechts vor dem Gewohnheitsrecht zu etablieren. Das liegt aber an der Funktion dieser Vorschrift, die die Rechtsgrundlagen für die Entscheidung eines Streitfalles durch das Gericht festlegt. Aber auch dafür ist dieses Rangverhältnis nur bedingt zutreffend. Zwar geht zwischen zwei Streitparteien vor dem Gericht eine spezielle vertragsrechtliche Bindung einer gewohnheitsrechtlichen Regelung in der Regel vor. Aber damit ist das Verhältnis beider Rechtsquellen selbst dafür nicht hinreichend und umfassend erfaßt. Denn die Frage, ob ein gültiger Vertrag zwischen den Streitparteien zustande gekommen ist, beurteilt sich für Verträge, die bis zum In-Kraft-Treten der Wiener Vertragsrechtskonvention von 1969 im Jahre 1985 geschlossen wurden, nach älteren gewohnheitsrechtlichen Regeln.7 Das ist auch heute noch der Fall für die Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen, zwischen diesen und zum dritten für Verträge zwischen Staaten, von denen mindestens einer der WVRK nicht beigetreten ist. Zudem bindet die WVRK in Art. 53 nunmehr die Gültigkeit eines Vertrages daran, daß er nicht in Widerspruch zu einer Norm des ius cogens steht. Derartige Normen gehören aber prinzipiell dem Gewohnheitsrecht an. Andererseits binden zwar Verträge grundsätzlich nur die Parteien, stellen also keine allgemeinen völkerrechtlichen Normen dar. Aber es ist heute anerkannt, daß aus universellen Verträgen, aber auch aus einer Vielzahl gleichartiger Verträge allgemeine Normen des Gewohnheitsrechts erwachsen können. So hat der Internationale Gerichtshof in seinem Urteil von 1986 im Streitfall zwischen Nicaragua und den Vereinigten Staaten über deren Interventionen im nicaraguanischen Bürgerkrieg durch Unterstützung der Aufständischen festgestellt, daß das allgemeine Gewaltverbot des 5

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U. a. Eckart Klein, Die Vereinten Nationen und das Völkerrecht, in: Helmut Volger (Hrsg.), Grundlagen und Strukturen der Vereinten Nationen, 2006, S. 21–66, mit weiteren Nachweisen. Für die Anfänge Heinhard Steiger, Staatlichkeit und Überstaatlichkeit, Berlin 1966, S. 67 ff.; für die Entwicklungen seitdem u. a. Gert Nicolaysen, Europarecht I, Die Europäische Integrationsverfassung, 2. Aufl. Baden-Baden 2002, S. 269 ff.; Jürgen Bast, Handlungsformen, in: Armin v. Bogdandy (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, Theoretische und dogmatische Grundzüge, Berlin etc. 2003, S. 479 ff. Bundesgesetzblatt (BGBl) 1985 II, S. 927.

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Art. 2 Abs. 4 Satzung der Vereinten Nationen zu einem gewohnheitsrechtlichen ius cogens geworden sei.8 In diesem Fall zeigt sich die Bedeutung internationaler Gerichte oder Entscheidungsinstanzen für die Fortentwicklung des Gewohnheitsrechtes. Denn die eigentliche Schwierigkeit im Hinblick auf das Gewohnheitsrecht besteht darin, in einem Streitfall festzustellen, ob ein von der einen oder der anderen Seite behaupteter Rechtssatz des Gewohnheitsrechtes wirklich besteht, d. h. ob es eine entsprechende Staatenpraxis von einigermaßen allgemeiner Ausdehnung und eine dazu gehörige Rechtsüberzeugung gibt. Durch Einigung oder Entscheidung, auch internationaler Organe einschließlich internationaler Gerichte kann eine ungewisse Norm zu einer gewissen Norm werden. Diese Verbindung von Gericht bzw. autoritativer Entscheidungsinstanz und Rechtsentwicklung ist für das Völkerrecht relativ neu.

d. Objektive Rechtsordnung Das gegenwärtige moderne Völkerrecht ist eine objektive Rechtsordnung, d. h. sie gilt als solche für alle ihre Rechtssubjekte. Das gilt aber nur für das Gewohnheitsrecht, da Verträge nur die Partner binden. Der Rechtscharakter des Völkerrechts wird hier vorausgesetzt. Die dagegen vorgebrachten Einwände der sogenannten Völkerrechtsleugner aus älterer oder der legal realists aus neuerer Zeit bleiben hier unerörtert.9 Zwar sind auf fast allen zentralen Gebieten des Völkerrechts inzwischen multilaterale Verträge geschlossen worden, aber auch sie binden nur die Vertragspartner. Nur wenige umfassen derzeit alle Staaten der Welt. Auch für die durch sie geregelten Angelegenheiten kann daher eine allgemeine universelle Regelung nur durch Gewohnheitsrecht erreicht werden, das sich allerdings, wie bereits dargelegt, u. U. aus einem solchen Vertrag entwickeln kann. Der objektive Charakter des Völkerrechts zeigt sich in verschiedenen Hinsichten. Neu entstehende Staaten, die in die Völkerrechtsgesellschaft eintreten, sind von vorneherein und ohne weiteres an diese Rechtsordnung gebunden.10 Nach der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofes enthält das Völkerrecht Verpflichtungen erga omnes.11 Es handelt sich dabei um für den Bestand und das Funktionieren dieser allgemeinen Ordnung grundlegende Pflichten. Werden sie durch einen Staat gegenüber einem oder mehreren anderen Staaten verletzt, so können nicht nur die betroffenen, sondern alle, also auch die nichtbetroffenen Staaten deren Einhaltung einfordern und gegebenenfalls Maßnahmen gegen den Rechtsverletzer ergreifen.12 Auch das bereits erwähnte Institut der zwingenden oder peremptorischen Normen des Völkerrechts, 8

9

10 11 12

Cour Internationale de Justice /International Court of Justice, (CIJ/ICJ), Arrêts, avis consultatifs et ordonnances/Judgments, Advisory Opinions and Orders, 1986, S. 14–546, S. 100 f., par. 190. Dazu Jochen Frowein, Art. Jus cogens, EPIL, vol 3, S. 62–69 mit weiteren Nachweisen; Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht; Hannikainen, Peremptory Norms. Zu den „Völkerrechtsleugnern“ seit Thomas Hobbes, John Austin, Adolf Lasson u. a. Verdroß, Völkerrecht, S. 107 ff.; als Vertreter der legal realists u. a. Goldsmith/ Posner, Limits of International Law. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I/1, S. 132f. Barcelona traction Case Endurteil, CIJ/ICJ, Recueil/Reports 1970 S. 3 . S. 32, par. 33 ff. Jochen Frowein, Art. Obligations erga omnes, EPIL Bd. III, S. 757–759.

Strukturen des gegenwärtigen Völkerrechts

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die in einer engen Beziehung zu den Verpflichtungen erga omnes stehen, bestätigt die Objektivität der allgemeinen Völkerrechtsordnung. Wenn auch keineswegs alle Normen zu der einen oder anderen Kategorie gehören, so sind auch die in der Mehrzahl durch Vertrag abdingbaren allgemeinen Normen objektiv bindend, wenn sie nicht abbedungen werden. Erst auf Grund dieses objektiven Rechts haben die Staaten und gegebenenfalls andere Rechtssubjekte einschließlich der Menschen subjektive Rechte und Pflichten. Das gilt auch für vertragliche Rechte und Pflichten, obwohl sie auf dem Willen der vertragschließenden Partner beruhen. Denn ihre vertragsrechtliche Verbindlichkeit erhalten sie durch das objektive allgemeine Vertragsrecht, sei dieses nun gewohnheitsrechtlich oder durch Vertrag geregelt.13

e. Völkerrecht – Staatsrecht Die rechtliche Ordnung der internationalen Beziehungen ist strukturell zweistufig auf der internationalen völkerrechtlichen und der nationalen staatsrechtlichen Ebene angelegt. Das Verhältnis beider Ebenen zueinander ist zwar nach wie vor heftig umstritten. Aber beide Ebenen umfassen eindeutige, rechtlich konkret ausgeformte Rechtssätze, die der ein oder anderen Ebene zuzuordnen sind. Das nationale Recht ist in zunehmendem Umfang vom Völkerrecht abhängig, von Verträgen, die ein Staat mit anderen abgeschlossen hat, aber auch von Gewohnheitsrecht, das sich auf der internationalen Ebene bildet. Dieses allerdings wächst u. U. aus der internen Staatenpraxis dergestalt heraus, daß die Praxis einiger Staaten nach innen nach und nach von anderen übernommen und so zu einem völkerrechtlichen Gewohnheitsrecht wird.14

f. Positivität des Rechts In der Literatur wird immer wieder die Frage erörtert, ob diesem gemeinsamen positiven Völkerrecht bestimmte allgemeine inhaltliche Grundsätze, Grundwerte, Grundstrukturen voraufliegen oder voraufliegen müssen, insbesondere die Menschenrechte von Freiheitsrechten über soziale Grundrechte bis zu den Gruppenrechten verschiedener Kategorien, demokratische Staatsstrukturen, internationale Solidarität, etc. Insbesondere für das Gewohnheitsrecht ist diese Frage von Erheblichkeit. Da diese aber weithin im allgemeinen, wie im einzelnen strittig sind, ist die Einigung auf positives Recht oder dessen Anerkennung eine Strategie, diese Streitigkeiten zu umgehen und die Rechtsordnung davon weitest möglich unabhängig zu entwickeln. Das ist möglich, weil einerseits sich die zwischenstaatlichen Beziehungen auf fast alle Sachgebiete des Zusammenlebens der Völker und Staaten, insbesondere der wirtschaftlichen Bezie13

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Für Samuel Pufendorf, Christian Thomasius u. a. begründeten Verträge hingegen kein Völkerrecht, da es an einer allgemeinen rechtsbegründenden Norm fehle, dazu Steiger, Art. Völkerrecht 1, S. 116f. So entstand in der Frühen Neuzeit das Prisenrecht. In der Gegenwart hat das Bundesverfassungsgericht die Immunität eines Staates gegen Zivilklagen aus der Praxis anderer nationaler Gerichte entwickelt, Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 16, Nr. 5, S. 28–64.

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hungen ausgedehnt und immer mehr globalisiert haben, und andererseits die internationale Rechtsordnung dem Rechnung getragen und sich zunehmend an den Sachbedingungen orientiert hat. Dabei ist insbesondere seit dem zweiten Weltkrieg eine erhebliche inhaltliche Ausdehnung und Verdichtung der Völkerrechtsordnung eingetreten, wenn auch vor allem durch möglichst weltweite Verträge und weniger durch Gewohnheitsrecht. Da jedoch immer wieder und seit einigen Jahren wieder verstärkt grundlegendere Dissense hervor treten, wächst den Fragen nach den allgemeinen Grundlagen der gegenwärtigen Völkerrechtsordnung sowie in der praktischen Politik zunehmend Gewicht zu. Zwar bedarf die formale Universalität des Völkerrechts auch der Grundlegung in einer materiellen Universalität seiner Inhalte, d. h. einer Akzeptanz zumindest seiner tragenden Grundlagen durch alle Staaten. Aber diese können nicht einseitig festgelegt und definiert werden, sondern müssen sich innerhalb der Völkerrechtsordnung selbst entwickeln. Moderne theoretische Ansätze, innerhalb der völkerrechtlichen Staatengesellschaft materielle Unterscheidungen zwischen den Staaten nach der Legitimität ihrer Ordnung und Herrschaft oder anderen materiellen Kriterien zu treffen, sind geeignet, die mühselig erreichte formale Universalität des Völkerrechts wieder zu zerstören. Das galt für Unterscheidungen nach der Gesellschaftsordnung in der sowjetischen Völkerrechtslehre, aber gilt ebenso für Unterscheidungen nach der Anerkennung der Menschenrechte und der liberal-demokratischen Staatsordnung.15

II I. L i te rar i s ch e S p u r en s u ch e a. Ansätze Die Suche nach einer allgemeinen gemeinsamen Rechtsordnung der Zwischen-Mächte-Beziehungen in unserer Epoche könnte an den Begriff des „Gewohnheitsrechts“ anknüpfen. Da das heutige allgemeine und gemeinsame Völkerrecht trotz der Zunahme universeller Verträge auf allen Sachgebieten dem Grunde nach noch immer auf Gewohnheitsrecht beruht, könnte der Schluß naheliegen, daß über diese Rechtserscheinung, die in unserer Epoche die Rechtsordnung wesentlich grundlegender trug als die heutige, auch für sie eine gemeinsame Rechtsordnung aufgefunden werden kann. Aber Zweifel erheben sich wiederum aus der Bindung des heutigen Völkergewohnheitsrechts an die politische Grundeinheit des modernen, in seinen allgemeinen Strukturen prinzipiell gleich geordneten institutionellen, anstaltsmäßigen, souveränen Staates als Träger dieser Rechtsordnung. Die Ergebnisse der Erörterung der grundlegend anderen personal geprägten Trägerschaft der normativen Ordnung der Beziehungen zwischen den politischen Mächten in unserer Epoche im vorhergehenden Kapitel führen auch insoweit zu anderen Strukturen oder Anknüpfungen einer gemeinsamen 15

Steiger, Begründung, S. 429 ff. Auch die neuere Unterscheidung zwischen decent states und out-law states durch John Rawls nach den Kriterien des liberalen und demokratischen Staates ist geeignet, die Staatenwelt in zwei Kategorien zu spalten und so die Universalität der Völkerrechtsgesellschaft zu gefährden, Law of Peoples, S. 59 ff.

Literarische Spurensuche

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Rechtsordnung zwischen ihnen. Auch ist „Gewohnheitsrecht“ der Gegenwart nicht ohne weiteres mit „Gewohnheitsrecht“ der frühmittelalterlichen Epoche gleichzusetzen. Zudem setzt auch Gewohnheitsrecht die Vorstellung eines allgemeinen Rechts für die durch dieses Recht gebundenen oder verbundenen Mächte voraus. Daher ist zunächst auf literarische Spurensuche zu gehen, ob sich Vorstellungen über eine allgemeine Ordnung der Zwischen-Mächte-Beziehungen auffinden lassen. Dazu ist zunächst auf ältere Aussagen des westgotischen Bischofs Isidor von Sevilla zurückzugreifen, der sich am Übergang von Antike zum Frühmittelalter noch einmal unter Aufnahme römischer Bestimmungen mit allgemeinen Definitionen des ius naturale, ius gentium, ius militare und ius civile befaßt hat. Sie werden zwar in den Quellen des karolingischen Zeitalters nicht zitiert. Aber es ist nicht auszuschließen, daß sie zwar in unserer Epoche nicht weiter behandelt wurden, aber sehr wohl bekannt waren, da Isidors Ethymologiae auch sonst herangezogen wurden. Zum anderen lassen die Darstellungen der Quellen Vorstellungen über eine solche Normativität jedenfalls mittelbar vermuten.

b. Isidor von Sevilla Isidor unterscheidet pax durch concordia und pax durch fedus. Diese Unterscheidung liegt auf zwei Ebenen. Sie verweist auf die Grundstruktur der Ordnung der Welt in unserer Epoche. Pax durch concordia ist pax durch personale Übereinstimmung, vor allem aber nicht nur durch Religion. Pax durch foedus ist durch Recht gemachter Frieden. Dieser gemachte Frieden steht bei Isidor in enger Verbindung zum bellum: Quatuor autem in bello geruntur: pugna, fuga, victoria, pax. Pacis vocabulum videtur a pacto sumptum16. Pax wird also bereits ethymologisch als Vereinbarung, Übereinkommen gedeutet. Sie muß damit hergestellt werden, aber eben nach einem Krieg. Das ist verständlich, denn dieser zerbricht den Frieden. Es heißt weiter: Posterius autem pax accipitur, foedus primum initur. Foedus est pax, quae fit inter dimicantes, vel a fide, vel a faecialibus, id est, sacerdotibus dictum. Per ipsos enim fiebant foedera, sicut per saeculares bellas. Alii foedera dicta putant a porca foede et crudeliter occisa, cujus mors optabatur ei qui a pace resilisset. Virgilius: Et caesa jungebant foedera proca. Foederis partes induciae. Frieden durch foedus ist eindeutig Friede durch Übereinkunft. Isidor bezieht sich aber nicht nur auf das ältere römische Fetialienrecht, sondern auch auf das spätere ius gentium der römischen Praetoren.17 Denn er ordnet die paces, foedera und induciae dem ius gentium zu, das von ihm zum letzten Mal in der ausgehenden Antike ausdrücklich genannt und sehr klar als das Recht zwischen Völkern begriffen wird: Jus gentium est sedium occupatio, aedificatio, munitio, bella, captivitates, servitutes, postliminia, foedera, paces, induciae, legatorum non violandorum religio, connubia inter alieni gentes prohibita; et inde ius gentium, quod eo jure omnes fere gentes utuntur.18 Diese Begriffsbildung nimmt einerseits wohl den ersten, „völker16 17 18

Isidor, Ethymologiarum, lib. XVIII, c. 1, 11. Zu diesem Kaser, Ius gentium, passim. Isidor, Ethymologiarum, lib. V, c. 6.

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rechtlichen“ Teil der Definition des ius gentium bei Hermogenian auf, läßt aber deren zweiten „zivilrechtlichen“ Teil weg und fügt dafür foedera, paces, induciae und die Unverletzbarkeit der Gesandten an.19 Es wird damit eine Definition gegeben, die wesentliche Inhalte auch des modernen Völkerrechts enthält. Die Regelung des Krieges, der auch für Isidor kein nur natur- und gewalthaftes Geschehen ist, Bündnisverträge, Friedensverträge und Gesandtschaftsrecht machen nach wie vor den Kernbereich desselben aus. Die Definition des ius gentium steht bei Isidor, wie bei den römischen Philosophen und Juristen vor und nach der Zeitenwende in engem Zusammenhang mit der des ius naturale einerseits, der des ius civile andererseits. Ius autem naturale [est], aut civile, aut gentium. Ius naturale [est] commune omnium nationum, et quod ubique instinctu naturae, non constitutione aliqua habetur; ut viri et feminae coniunctio liberorum successio et educatio; communis omnium possessio, et omnium una libertas, adquisitio eorum quae caelo, terra marique capiuntur. Item depositae rei vel commundatae pecuniae restitutio, violentiae per vim repulsio. Nam hoc, aut si quid huic simile est, numquam iniustum [est], sed naturale aequumque habetur.20 Das ius naturale ist nach Isidor ein allen Nationen gemeinsames Recht, das nicht auf Satzung, sondern auf natürlicher Einsicht oder Eingebung beruht. Isidor beschränkt das ius naturale auf die menschlichen Beziehungen, hat also die Formel des Ulpian, der dieses Recht auf alle lebendigen Wesen bezog, aufgegeben. Naturrecht wie ius gentium gelten zwar für alle Völker. Aber für das Naturrecht liegt die Begründung der Geltung im Menschen selbst, seinem instinctum. Für das ius gentium benennt Isidor, wie Ulpian und Gaius, den Gebrauch bei allen Völkern. Es ist damit geltendes positives Recht. Auch die Inhalte unterscheiden sich grundlegend. Zum Naturrecht gehören die allgemeinen menschlichen Beziehungen zwischen Mann und Frau, Zeugung und Erziehung der Nachkommenschaft etc. Das Schwergewicht der Rechtsinstitute und Rechtsverhältnisse des ius gentium liegt eindeutig auf solchen, die die Beziehungen von Völkern verschiedener politischer Organisationen untereinander betreffen. Auch das conubium als besondere Form der Beziehung von Mann und Frau greift über die Herrschaftsbereiche hinaus. Die in Hermogenians Bestimmung noch aufgenommenen privatrechtlichen Rechtsverhältnisse emptio et venditio sowie locatio et conductio sind hingegen ausgeschieden. Damit liegt bei dem westgotischen Bischof eine deutliche Ausrichtung des Begriffs auf die Zwischen-Mächte-Beziehungen vor. Durch den Gebrauch durch fast alle Völker als Grundlage seiner Geltung erscheint ius gentium als ein verallgemeinbares Recht bei allen Völkern. Dadurch unterscheidet es sich vom ius civile, das immer nur ein eigenes Recht eines jeden Volkes ist, populus

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20

Dig. 1,1,5. Zu der Begriffsentwicklung in diesem Zeitraum: Steiger, Völkerrecht 1, S. 100ff. Der zweite Teil der Definition Hermogenians nennt, commercium, emtiones etc. Zur Unterscheidung dieser beiden Dimensionen des römisch-rechtlichen Begriffs ius gentium, Kaser, Ius gentium, passim. Isidor, Etymologiarum, lib. V, cap. 4.

Literarische Spurensuche

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vel civitas sibi proprium humana divinaque causa constituit.21 Aber auch dieses von allen Völkern geübte ius gentium ist zwar verallgemeinbares Recht, aber weder bei den Römern noch von Isidor, wiederum im Unterschied zum Naturrecht, als ein unmittelbar geltendes gemeinsames übergreifendes Recht der Völker wie das moderne Völkerrecht verstanden worden. Die Römer definierten es in der Anwendung für sich durch den praetor, also als „römisches Recht“. Isidors Rechtserfahrung und auch Rechtsvorstellung war im Recht des westgotischen Königreichs angesiedelt. Dort standen die romani und germani in je eigenen personalen Privatrechtskreisen nebeneinander, wie in allen anderen germanischen Reichen auf früherem römischen Boden. Schon innerhalb desselben Herrschaftsbereiches gab es also keine unmittelbare gemeinsame Rechtsordnung. Insofern kann ius gentium in dieser Zeit nur bedingt mit „Völkerrecht“ im heutigen Sinne übersetzt werden. Es ist aber verwandt mit einer Rechtsquelle desselben, nämlich den „Allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Kulturvölker“. Seine Geltung und Anwendbarkeit für alle beruht auf der Gleichheit oder doch Parallelität der Normen, die bei allen gelten und von allen Völkern zunächst für sich angewandt werden und daher auch untereinander angewandt werden können. Es ist gewissermaßen eine Gemeinsamkeit zweiter, mittelbarer Stufe. Neben das ius naturale und das ius gentium tritt bei Isidor das ius militare als drittes für die Zwischen-Mächte-Beziehungen bedeutsames Rechtsgebiet hinzu. Ius militare est belli inferendi sollemnitas, foederis faciendi nexus, signo dato egressio in hostem vel commissio. Item signos dato receptio; item flagitii militaris disciplina, si locus deseratur; item stipendiorum modus, dignitatum gradus, praemiorum honor, veluti cum corona vel torques donantur. Item praedae decisio, et [pro] personarum qualitatibus et labori iusta divisio; item principis portio.22 Dieser Begriff deckt zwei Bereiche ab, zum einen Fragen der Regelungen für den Krieg und die Kriegsführung, die daher auch in der Inhaltsbestimmung des ius gentium erscheinen, zum anderen Fragen der militärischen Organisation selbst, die dem je eigenen Bereich angehören. Warum der Begriff des ius gentium und die Darlegungen zu dem Zusammenhang mit dem ius naturale trotz Kenntnis der Isidorianischen Etymologiae und der häufigen Zitierungen anderer Stellen verloren ging, ist hier nicht zu untersuchen. Er erscheint erst im 11. Jahrhundert wieder, aber zunächst in ganz anderen Bedeutungen.23

c. Fränkische Quellen In der karolingischen Zeit tauchen die Begriffe ius gentium oder der ciceronische Begriff ius belli ac pacis ebensowenig auf, wie der Begriff ius militare. Ius civile fehlt ebenfalls. Allein daraus ist nicht bereits zwingend zu schließen, daß es die damit bezeichneten Inhalte nach fränkischer Rechtsvorstellung nicht gegeben hätte. Das Fehlen dieser Begriffe und Zusammenhänge in der Literatur kann auch nur bedeuten, daß in der Vor21

22 23

Isidor, Ethymologiarum, lib. V, c. 5. Zum römischen Recht Ulpian D. 1, 1, 1, § 4; Gaius, D. 1, 1, 1, 9. Isidor, Ethymologiarum, lib. V, cap. 7. Steiger, Art. Völkerrecht 1, S. 103 f.; Köbler, Recht, S. 71.

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stellung der Zeit derartige Verbesonderungen oder Differenzierungen nach einzelnen Rechtsmaterien innerhalb des Rechts keinen Raum hatten, zumal die literarische und wissenschaftliche Tradition zum römischen Rechtsdenken im Frankenreich, anders als im Westgotenreich, abgebrochen war. In der „Karolingischen Renaissance“ wandte sich die intellektuelle Elite anscheinend zunächst anderen, vor allem religiösen und literarischen, nicht aber rechtlichen Fragen zu. Jedoch fehlt nicht nur im allgemeinen Schrifttum jeder Hinweis auf Vorstellungen einer allgemeinen rechtlichen Ordnung für die Zwischen-Mächte-Beziehungen. Auch in den wenigen Zeugnissen über rechtliche Elemente der Zwischen-Mächte-Beziehungen wird lediglich auf konkrete vertragliche Beziehungen abgestellt. Am Beginn seines Briefes an König Offa von Mercien hob Karl der Große in doppelter Weise auf die vertragliche Bindung zwischen ihnen ab, aus denen pacis amicitiae iura zwischen ihnen bestünden, nicht aber auf eine allgemeine rechtliche Ordnung.24 Die iura erwuchsen offenbar aus der amicitia, also einem konkreten Rechtsverhältnis, in der beide als regales dignitates et sublimores saeculi personas foederate zueinander standen. Außerdem erinnerte Karl an ein altes pactum zwischen ihnen. In den Briefen des Kaisers an die Kaiser in Konstantinopel, Nicephorus und Michael I., ist ebenfalls nicht von allgemeinen Rechtsnormen die Rede. Alle drei Briefe enthalten allerdings Hinweise auf allgemeine religiöskirchlich begründete Grundlagen des Friedens zwischen ihnen. So taucht in dem Brief an Offa der Begriff der concordia auf, die Isidor als ersten Grund des Friedens genannt hatte. Sie hat ihren Grund in der sancta caritas. Das verweist auf wiederum die andere, nicht-rechtliche Dimension oder Ebene der allgemeinen Ordnung.

I V. Re ch t i m F r an k en r ei ch a. Volksrechte Da sich eine besondere Vorstellung über eine „internationale“ Rechtsordnung nicht festlegen läßt, muß auf die allgemeinen Rechtsvorstellungen abgestellt werden. Die Frage ist, ob sich von der unmittelbaren Rechtserfahrung und damit Rechtsvorstellung der Franken überhaupt ein Zugang zu der Vorstellung eines übergreifenden ZwischenMächte-Rechts eröffnen konnte. Ihre Erfahrung wie ihre Erwartungen an das Recht als Sicherung des Friedens waren zunächst nach innen und nicht nach außen gerichtet. Da jedoch gemäß dem herrschenden Personalitätsprinzip eine Pluralität der Rechte in ihrem eigenen Herrschaftsbereich bestand, in dem mehrere Volksrechte der fränkischen, sächsischen, westgotischen, burgundischen, romanischen, langobardischen Rechtsgemeinschaften nebeneinander standen, könnte zur Bewältigung dieser Verschiedenheiten in einem Herrschaftsbereich eine entsprechende Praxis und Erfahrung entwickelt worden sein, die sich auf Zwischen-Mächte-Beziehungen übertragen ließe.25 Denn selbst innerhalb ihrer Gebiete war das Recht kein einheitliches. Außerdem gab es Ortsrechte. Es bedurfte jedoch einer Fülle von Regeln, um im Falle der Rechts24 25

Alcuini epp., Nr. 100, MGH Epp. IV, S. 144, dt. Anhang Nr. 1. Zum folgenden vor allem Brunner, Rechtsgeschichte, Bd. 1, S. 376ff.; Conrad, Rechtsgeschichte, Bd. 1, S. 128ff.; Einzelnachweise werden daher nicht gegeben.

Recht im Frankenreich

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verschiedenheiten zu rechtlichen Entscheidungen zu kommen.26 Diese Regeln waren, ähnlich den heutigen Regeln des sogenannten „internationalen Privatrechts“, selbst Teile der Volksrechte. Es fand zwar ein inhaltlicher Austausch- und damit gewisser Angleichungsprozeß statt, vor allem soweit königliche Gerichtsbarkeit in die Rechtssicherung involviert war, so wenn vom fränkischen Recht beeinflußte Grafen, d. h. königliche „Beamte“, den Vorsitz im Ding übernahmen, wenn das Königsgericht angerufen wurde, oder königliche Anweisungen über die missi in die Rechtsprechung einflossen. 27 Jedoch bestanden offenbar erhebliche Schwierigkeiten der konkreten Rechtsfindung in Fällen unterschiedlicher Personalrechte der Streitbeteiligten. Das macht ein heftiger Angriff des Erzbischofs von Lyon Agobard im 9. Jahrhundert gegen diese Rechtszersplitterung im Frankenreich deutlich. Er forderte Ludwig den Frommen ausdrücklich auf, um des ordo und der concordia christiana im Reich willen eine Rechtseinheit auf der Grundlage des fränkischen Rechts herzustellen.28 Soweit zu sehen, ist dieser Brief die einzige jedenfalls überlieferte gründlichere Auseinandersetzung mit der geltenden pluralen Rechtsordnung, aber nicht aus prinzipiell rechtlicher, sondern aus religiös-kirchlicher Begründung. In Christus, im Glauben und in der Taufe sind alle eins geworden. Christus hat alle Völker, Männer und Frauen, Freie und Sklaven, Hohe und Niedrige durch sein Kreuz, die eine Taufe, die eine Predigt und die eine Eucharistie zu einem Leib in uno corpore zusammengeführt, in einer Hoffnung, einem Glauben, einer Liebe unter einem Vater. Diesen Werken Gottes für die Einheit widerspräche die Verschiedenheit des Rechtes si non huic tante divine operationis unitate aliquid absistat tanta diversitas legum, quanta non solum in singulis regionibus aut civitatibus, sed etiam in multis domibus habetur. Nam plerumque contingit, ut simul eant aut sedeant quinque homines, et nullus earum communem legem cum altero habeat externis in rebus transitoriis, cum interibus in rebus perhennibus una Christe lege teneantur. Agobard nimmt hier am Personalitätsprinzip des Rechts im karolingischen Herrschaftsbereich Anstoß. Da alle einen Vater haben und untereinander Brüder sind, ist es nach seiner Auffassung mit dem göttlichen Gesetz nicht vereinbar eo quod alterius legis sint secundum seculum, qui unius legis esse deberent secundum Deum. Göttliches Gesetz wird hier gegen weltliches Gesetz gestellt. Ludwig soll vor allem die Burgunder zum fränkischen Recht führen. Denn der Erzbischof wollte vor allem das burgundische Recht des arianischen und daher häretischen Königs Gundobad aufgehoben wissen. Er machte aber auch die sehr praktischen Folgen dieser Rechtsverschiedenheiten deutlich. Auf Grund des Gesetzes Gundobads werde das Zeugnis gegeneinander nicht anerkannt, selbst wenn das Vergehen auf offenem Markt geschehe. Vielmehr wird auf das Gottesurteil verwiesen. Das führe zu Angriffen auch auf Schwache und Greise aus nichtigstem Anlaß, zu ungerechtem Totschlag u. a. Er faßt zusammen: Hic est pessimus error et ordo confusus, ut pro talibus perversitatibus et scriptura veritatis contempantur, et concordia christiana disperat, et de Deo, qui natura bonus est, tam indigne sentiatur, ut favent rapacibus et adversetur miserisis. 26 27 28

Dazu i. e. Brunner, Rechtsgeschichte, Bd. 1, S. 383ff. Einhard, Vita Caroli, cap. 29; dazu Brunner, Rechtsgeschichte, Bd. 1, S. 406, 422. Agobardi epp., Nr. 3, MGH Epp V, S. 159 ff.

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Ein Hinweis auf das Fehlen einer Vorstellung einer allgemeinen übergreifenden Rechtsordnung ist auch die prinzipielle Rechtsstellung des Fremden im fränkischen Volksrecht. Der Fremde war zunächst in diesem rechtlos.29 Erst durch einen besonderen Schutzherren oder subsidiär durch Königsschutz und Königsfriede,30 wurde er nach fränkischem bzw. Königsrecht behandelt. Recht mußte also offenbar zugebilligt, gegeben werden. Man mußte in die Rechtsgenossenschaft aufgenommen werden und ein Rechtsband mußte begründet werden. Es bestand nur mit den Rechtsgenossen oder im Herrschaftsverband von selbst. Daraus kann auf die Auffassung geschlossen werden, daß mit anderen Rechtsgemeinschaften zunächst keine übergreifende gemeinsame Rechtsgemeinschaft bestand. Es erscheint notwendig, dies ganz zuzuspitzen, um die Problematik zu begreifen, die durch die Auflösung des einheitlichen Rechtsraums des römischen Reiches jedenfalls im Westen in eine Pluralität von Rechtsgemeinschaften und neuen Herrschaftsverbänden für einen geordneten, rechtlich zu regelnden Zusammenhang von Beziehungen zwischen Völkern und Mächten entstanden war. Obwohl diese Problemlage schon seit mehr als drei Jahrhunderten bestand, war es auch in unserer Epoche noch nicht zu einer ausdrücklichen, reflektierten Ausbildung der Vorstellung einer gemeinsamen Rechtsordnung gekommen. Von den Volksrechten her gab es somit keinen unmittelbaren Zugang zu der Vorstellung oder gar Konzeption eines gemeinsamen Rechtes der Zwischen-Mächte-Beziehungen. Sie bildeten partikulare Rechte für die zugehörigen Rechtsgenossen. Eine auch Rechtsfremde übergreifende Rechtsordnung war damit nicht verbunden. Das galt auch für Agobard trotz seines Ansatzes einer Gemeinschaft im göttlichen Recht. Denn er unterschied davon den weltlichen Raum sehr deutlich, dessen Rechtszersplitterung er zwar beklagte, die aber nach seiner Auffassung nur durch gemeinsames Recht des Kaisers zu überwinden war. Die Gemeinschaft im göttlichen Recht bestand allerdings über das Frankenreich hinaus, was Agobard jedoch nicht thematisierte.

b. Königsrecht Neben den Volksrechten gab es im Frankenreich aber auch das Königsrecht. Dieses konnte der König kraft seines Friedens- und Königsbannes, wenn auch mit Zustimmung der Großen erlassen oder doch zumindest in die Rechtsordnung einbringen.31 Ob und wieweit es dann wirklich zur Geltung und Wirksamkeit gelangte, d. h. insbesondere, von den Gerichten angewendet wurde, hing wesentlich von sozialen Fakto-

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Dazu Brunner, Rechtsgeschichte, Bd. 1, S. 399; Conrad, Rechtsgeschichte, Bd. 1, S. 119f.; Köhler, Fremde, Sp. 1266–1270; Thieme, Fremdenrecht, Sp. 1270–1272; Ganshof, L’étranger. Z. B. Lex Baiwariorum IV, 31, MGH LL I, Bd. V/II, S. 335ff.; hier war es (zunächst) der Herzogsfriede; Ganshof, L’étranger, S. 22, führt diese Regelung auf ein Edikt eines merowingischen Königs aus dem 7. Jahrhundert zurück; Capitulare missorum generale, c. 27, MGH LL II, Capit. I, S. 96, Nr. 33. Zur Banngewalt Brunner, Rechtsgeschichte, Bd. 1, S. 406ff.; Conrad, Rechtsgeschichte, Bd. 1, S. 134f.

Recht im Frankenreich

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ren unterschiedlichster Prägung ab. Die moderne Vorstellung, das von den zuständigen Organen kompetenzgemäß gesetzte Recht erlange eben dadurch seine Geltung und Wirksamkeit, läßt sich auf das Königsrecht der fränkischen Könige so nicht übertragen. Auch Königsrecht mußte bei und von den Rechtsgenossen und in die Rechtsgewohnheiten aufgenommen werden. Daraus erklären sich wohl auch die ständigen Wiederholungen mancher Regelungen, z. B. des Verbotes der Waffenausfuhr. Das Königsrecht schlug sich vor allem in den Kapitularien nieder, die auf den Hoftagen und Reichsversammlungen, aber auch den Synoden beschlossen wurden.32 Sie enthielten allgemeines Recht für den gesamten Herrschaftsverband, oder auch Teile desselben, vor allem für das regnum Italiae. Auf diese Rechtssetzung braucht im einzelnen nicht eingegangen zu werden. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Kapitularien auch Regeln für den Verkehr der Bewohner des Frankenreiches mit dem „Ausland“ enthielten, z. B. und wiederholt Ausfuhrverbote für Rüstungen und Waffen, aber auch für das Verhalten gegenüber Fremden, insbesondere Gesandten. Der König gewährleistete mit dem Königsrecht den Frieden im ganzen Reich als einen Rechtsfrieden mit Rechten und Pflichten. Der Königsfrieden war zwar zunächst nichts anderes als der Frieden der Rechtsgemeinschaft der Franken. Indem aber mehrere Volksrechtsgemeinschaften mit ihnen unter einem Herrscher in ihrer jeweiligen Eigenständigkeit des Rechts vereint wurden, wurde der ursprüngliche fränkische Königsfrieden zum allgemeinen Reichsfrieden als Rechtsfrieden für alle.33 Zum ersten Mal kam dieser umfassende Friede in einem Edikt König Guntrams von 585 zum Ausdruck. Im ganzen Reich sollten sich pacis et concordia iura entwickeln.34 Die umfassende Sorge für die Rechtswahrung im ganzen Reich wurde von Pippin, Karl dem Großen und Ludwig dem Frommen immer wieder betont. Scharf trennen lassen sich Königs- und Volksrechte wohl weder begrifflich35 noch erst recht in der Rechtsverwirklichung. Denn auch die Verwirklichung des Volksrechtes war Königspflicht. Aber mit der Banngewalt war dem Herrscher eine Möglichkeit der Rechtsfortbildung wie auch der selbständigen Rechtsbildung gegeben. Die im Lobgedicht Carolus magnus et Leo papa benannte Aufgabe des Königs, durch Gesetze nach innen und Verträge nach außen Gerechtigkeit herzustellen, verbindet diese mit dem Rechtsbann des Königs, und verankert so das äußere Recht in dessen allgemeinen Herrschaftsaufgaben der Rechtswahrung und -sicherung. Das ist aber noch kein übergreifender, sondern ein fränkischer Ansatz. Zwar erscheinen die rechtliche Ordnung der Zwischen-Mächte-Beziehungen und deren Verhältnisse als eine Entsprechung der rechtlichen Ordnung der inneren Verhältnisse durch den Herrscher. Daraus läßt sich aber noch nicht ableiten, daß es eine Vorstellung über eine allgemeine gemeinsame normative Ordnung rechtlicher Art für die Zwischen-Mächte-

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Auf Einzelheiten der Zustimmungsbefugnisse braucht hier nicht eingegangen zu werden, dazu u. a. Waitz, Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 558ff.; und Brunner-Schwerin, Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 171ff.; Conrad, Rechtsgeschichte, Bd. 1, S. 100. Brunner-Schwerin, Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 62; Kaufmann, Frieden, Sp. 1282. Guntchramni regis edictum, MGH LL II, Cap. I, Nr. 5, S. 12, Z. 9; vgl. auch Chlotharii II. edictum, MGH, LL II, Capit. I, Nr. 9 c. 11, S. 20. Anders wohl Brunner, Rechtsgeschichte, Bd. 1, S. 134f.

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Beziehungen gegeben hätte. Denn vom König konnte eine solche nicht ausgehen, auch nicht vom Kaiser, der sich selbst nicht als Universalherrscher sah und schon gar nicht von anderen so gesehen wurde.

c. Ius Der Begriff ius taucht in dem Schrifttum unserer Epoche nur vereinzelt auf.36 Selbst in dem genannten Brief Agobards kommt er nicht vor. Bei einer kaiserlichen Untersuchung zweier Beauftragter Ludwigs des Frommen gegen Paschalis I. wegen Tötung des Theodorus wurde von dem Papst geltend gemacht, der Primicerius der Kirche sei wegen Majestätsbeleidigung verurteilt und rechtens hingerichtet worden velut majestatis reos condemnabat, iure caesos pronuntiavit.37 In c. 4 des Capitulare Missorum Generale von 802 wurde im Zusammenhang mit dem Treueid, der den Untertanen auferlegt wurde, u. a. verboten, das durch Besitzerwerb oder -übertragung Erlangte zu entziehen, neque terram nihilque quod iure potestativo permaneat nullatenus contradicat neque abstrahere audeat.38 Der Autor der Vita Hludowici berichtet von der ersten Reichsversammlung des neuen Kaisers in Aachen 814 et per universas regni sui partes fideles ac creditarios a latere suo misit, qui aequi iuris tenaces existentes perversa corrigerent, omnibusque congruum ius aequo libramine penderent.39 In den Annalen wird dasselbe mit der Formel ad iustitias faciendas ausgedrückt.40 Der Biograph berichtet weiter, der Kaiser habe aus Gnade den Sachsen und Friesen ihr Erbe zurückgegeben, das sein Vater ihnen rechtmäßig wegen ihrer Untreue, ob perfidiam entzogen habe, Saxonibus et Frisonibus ius paternae hereditatis ... restituit.41 An allen angeführten Stellen wird der Begriff ius konkret für eine Rechtsinstitution des geltenden positiven Rechts gebraucht, Majestätsbeleidigung, Besitzübertragung, die Herstellung der konkreten Rechtsverhältnisse, Erbrecht. Es bezeichnet nicht das Recht als allgemeine rechtliche Ordnung. Das unterscheidet die fränkischen Stellen in gewisser Weise von einer päpstlichen Quelle der Epoche, einem Brief Hadrians I. an Karl den Großen. Dort heißt es si in rebus secularibus suum cuique ius et proprius ordo servandus est, quanto magis in ecclesiasticis disposicianibus nulla debet induci confusio...42 Ius wird mit der überlieferten Gerechtigkeitsdefinition suum cuique verknüpft. Die Formulierung ist generell und sagt Grundsätzliches über das Recht aus: es gibt suum cuique und ist mit dem proprius ordo verknüpft. Insofern macht Hadrian I. eine allgemeine Aussage über Recht. Aber gemeint ist auch hier das konkrete, positive gegebene Recht. Danach bestimmt sich 36

37 38 39 40 41 42

Allgemein hat Gerhard Köbler die rechtliche Begrifflichkeit im Frühmittelalter gründlich untersucht, Recht S. 43 ff. Bereits diese allgemeine Untersuchung zum fränkischen Recht als solchem zeigt für unsere Zeit, daß die Belege der allgemeinen Rechtsbegriffe ziemlich selten sind. Ann. regni Franc. ad a. 823. MGH LL II, Capit. I, Nr. 33, c. 4, S. 92. Anonymus, Vita Hludowici, c. 23; der Begriff wird auch im c. 24 wieder verwendet. Ann. regni Franc. ad a. 814. Anonymus, Vita Hludowici, c. 24. Codex Carolinus, Nr. 93, MGH Epp III, S. 631, Z. 9ff.

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das, was jedem zusteht. Eben dieses soll in weltlichen Dingen gesichert sein. Daraus ergibt sich dann wohl auch der proprius ordo, wobei allerdings offen ist, was mit proprius gemeint ist. Der Papst läßt sich hier nicht auf rechtsphilosophische Erörterungen ein. Das ist nicht der Sinn des Briefes. Im Gegenteil, er wählt gerade die Gewißheit und das Gegebensein des Rechts und des proprius ordo im weltlichen Bereich als Ausgangund Vergleichspunkt für die kirchlichen Angelegenheiten, an denen ihm eigentlich liegt. Auch hier ist also nicht von ius im Sinne einer allgemeinen Rechtsordnung die Rede. Eine eher allgemeine Bedeutung hat die in einem Synodaldekret um 800 verwendete Formulierung et concordiam pacis inter se perpetuo iure firmare.43 Sie steht in Zusammenhang mit der Konstituierung der Synode in Frieden und Eintracht ihrer Teilnehmer. Das ewige Recht ist wohl das göttliche Recht. Diese Formel ist, soweit zu sehen, singulär. Aber sie läßt ein übergreifendes Verständnis von Recht erkennen. Ob sie von der engen Gruppe der Synodalen auf die Ordnung der Beziehungen zwischen den Mächten übertragbar ist, hängt von der Bedeutung von pax und concordia in diesen Beziehungen ab.

d. Iura Der Begriff iura wird ebenfalls selten aber doch etwas häufiger als ius in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet. Das Concilium vernense spricht 755 von den sanctissima iura und iura canonica.44 In dem Brief Karls des Großen an König Offa von 796 hebt der fränkische König die pacis amicitiae iura zwischen den verbündeten Herrschern hervor.45 Der Freund und Biograph Karls des Großen Einhard wirft in seiner Vita Caroli bei der Schilderung der langwierigen Kämpfe mit den Sachsen diesen vor nostraeque religioni contrarii neque divina neque humana iura vel polluere vel transgredi inhonestum arbitrabantur.46 Im weiteren Verlauf der Darstellung hält Einhard den Sachsen Einfälle über die Grenzen mit Mord, Raub, Brandstiftungen vor. Ganz am Ende unserer Epoche findet sich der Begriff iura naturae. Hlotarius, comperto genitoris obitu, ab Italia Gallias ingressus, iura naturae transgressus, imperatorio elatus nomine, in utrumque fratrem, Hludowicum videlicet et Karolum, hostiliter armatur47. Der Verfasser meint mit den iura naturae offenbar die Rechte oder Gesetze aus der brüderlichen Verwandtschaft, gegen die Lothar durch seinen Kampf gegen seine Brüder verstoßen habe. Die Verwendung des Begriffs iura ist durch Konkretheit und Allgemeinheit gekennzeichnet. Denn iura bezeichnet nicht nur einfach die Mehrzahl von einzelnen Rechten oder Recht. In allen Stellen wird in der einen oder anderen Weise eine Gesamtheit, aber auch eine Einheit von Recht erfaßt. Zwar besteht diese Gesamtheit aus iura i. S. einzelner Rechtsregeln, aber sie werden gerade nicht einzeln benannt. Denn es 43 44 45 46 47

MGH LL III, Conc. II/1 Nr. 24, c. 1, S. 207 Z. 18ff. MGH LL II, Capit. I, Nr. 14, S. 33, Z. 21 und 32. Alcuini epp., Nr. 100, MGH Epp. IV, S. 144, dt. Anhang Nr. 1. Einhard, Vita Caroli, c. 7. Ann. Bertiniani ad a. 840.

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kommt offenbar darauf an, sie als Gesamtheit zu erfassen und an den Adressaten zu richten. Die einzelne Regel ist in diesen Äußerungen unerheblich. Vielmehr soll eine allgemeine Aussage über die Rechtskategorie gemacht werden. Jede dieser Gesamtheiten ist auf eine bestimmte Rechtskategorie bezogen, göttliches, natürliches, menschliches, kanonisches Recht, aber auch das Recht der amicitia, d. h. einer besonderen Beziehung zwischen den Partnern. Diese iura sind vorgegeben, auch die iura humana. Damit erlangen sie Allgemeinheit jenseits einzelner Rechtsgemeinschaften, insbesondere die iura divina und die iura naturae, also wie die Aussage Einhards zeigt, nicht nur für die Franken, sondern auch für die Sachsen, die zu Beginn der Sachsenkriege noch nicht, jedenfalls nicht vollständig zum Herrschaftsbereich Karls gehörten. Auch Karls Hinweis auf die pacis amicitiae iura verweist auf einen allgemeinen Charakter derselben; Karl braucht sie nicht aufzuzählen, sondern kann auf sie unspezifisch als eine Gesamtheit verweisen, die auch Offa kennt, weil sie einer amicitia eigen sind. Während der Begriff ius nicht für Zwischen-Mächte-Beziehungen auftaucht, werden die Kategorien der iura divina et humana und die amicitiae iura in zwei Zusammenhängen gerade für diese verwendet. Denn auch das Verhältnis zu den Sachsen ist solange der Krieg andauert noch als Zwischen-Mächte-Verhältnis anzusehen. Zwar sind diese Stellen sehr vereinzelt. Sie enthalten auch keine spezifischen Aussagen. Aber sie lassen erkennen, daß dem fränkischen Rechtsdenken die Vorstellung allgemeiner Rechtskategorien mit übergreifendem Charakter nicht fremd war. Es werden in beiden Fällen auch bestimmte Schlußfolgerungen daraus gezogen. Die Verletzung dieser Rechte durch die Sachsen rechtfertigte den Krieg gegen sie. Hingegen stützte Karl auf die amicitiae iura die Erneuerung der allgemeinen Beziehungen mit Offa mit bestimmten Rechtsfolgen auch für Pilger, Kaufleute u. a.

e. Lex Der Begriff lex bezeichnet ein bestimmtes, aber allgemein formuliertes gegebenes oder gesetztes Recht. So wird von der lex domini in bezug auf alttestamentarische Rechtsweisungen gesprochen.48 Auch der Begriff lex divina taucht auf.49 Diese beiden Begriffe bezeichnen per se den fränkischen Rechtskreis übergreifende Gesetze, da sie als göttliche für alle, jedenfalls für alle Christen, gelten. Das ist anders mit dem säkularen, weltlichen lex-Begriff. Dieser wurde in verschiedenen Zusammenhängen verwendet. Nach dem Bericht über die Bitten Papst Stephans II. an Pippin um Unterstützung gegen Aistulf in der Fredegarchronik wirft der Papst dem König der Langobarden vor, er habe contra legis ordine von den Römern Tribute bzw. Geschenke eingefordert.50 Es wird nichts Näheres zum Inhalt dieser gesetzlichen Ordnung ausgeführt. Aber aus dem Zusammenhang der Darstellung des gesamten Vorganges muß geschlossen werden, daß die Formel nicht eine allgemeine Ordnung 48 49

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Z. B. Admonitio Generalis v. 789, MGH LL II, Capit. I, Nr. 22, c. 64 und 65, S. 58. Z. B. Cap. Hlud MGH LL II, Capit. II/1, Nr. 196 S. 28, Nr. 197 S. 54, Nr. 243, S. 160 in bezug auf das Eherecht; Conc. Paris v. 829, MGH LL III, Conc. II, Conc. Caro. I/II, Nr. 50, S. 632, Z. 9; 639, Z. 20; u. a. Chron. Fredegar cont, 36 (119), MGH SS II, S. 183.

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bezeichnet, sondern die konkrete rechtliche Stellung Roms und des Dukats, d. h. dessen und des Papstes Rechte zusammenfassend benennen will. Lex wird zudem für die besonderen, geschriebenen Volksrechte verwendet, lex Ribuaria, lex Salica 51 etc. Aber auch sonst bezeichnet der Begriff lex die Aufzeichnungen der Volksrechte. So schärft Karl der Große ein ut iudices secundum scriptam legem iuste iudicent, non secundum arbitrium suum.52 Auch Agobard bezieht den Begriff lex auf die geschriebenen Volksrechte. Sie soll Ludwig der Fromme zusammenfassen.53 In bezug auf diese Volksrechte wird in einer sehr eigentümlichen Formulierung vor Bestechung gewarnt ut illae disciplinae, quae propter legem conservandum sunt constitutae, propter praemium non dimittantur.54 Mit disciplinae ... constitutae ist wohl keine Wissenschaft, sondern sind die Kenntnisse gemeint, die ein Richter hat. Sie dienen dazu, die Gesetze, oder das Gesetz zu bewahren, d. h. zu verwirklichen. Die lex erscheint damit wiederum als die konkrete, u. U. schriftliche Regelung. Eine lex kann zwar, wie die lex divina, übergreifenden allgemeinen Charakter haben. Aber das ist nicht ihr Spezifikum, wie die Verwendung des Begriffs für die aufgezeichneten Volksrechte zeigt. Gemeint sind bestimmte Rechtsregeln, die auf eine Setzung zurückgehen oder doch eine bestimmte, auch schriftlich fixierte Form haben.

f. Mos – consuetudo Die Begriffe mos und consuetudo werden üblicherweise als „Gewohnheit“ oder „Gewohnheitsrecht“ verstanden. Gerade dieses konstituiert in der Gegenwart, wie dargelegt, trotz universeller Verträge mangels einer Rechtssetzung noch weitgehend das allgemein universell geltende Völkerrecht im Sinne einer objektiven Rechtsordnung. In der rechtsgeschichtlichen Literatur wird dem Gewohnheitsrecht im Frühmittelalter sehr viel Raum gewidmet.55 Aber sie bezieht sich nur auf das Gewohnheitsrecht der jeweiligen Rechtsgemeinschaften, für unsere Zeit vor allem auf die Franken und die Bayern. Es gehört danach zum Gebiet der Volksrechte, eröffnet also gerade keinen Zugang zu einer übergreifenden Rechtsordnung der Zwischen-Mächte-Beziehungen. Jedoch taucht der Begriff mos einige wenige Male auch für diese auf. So berichten die Reichsannalen, der Abschluß des mündlichen Friedensvertrages mit den Dänen im Jahre 811 sei von jeder Seite secundum ritum ac morem suum beschworen worden.56 Aber gerade diese Formulierung betont die jeweilige Eigenheit der mos der Franken und der mos der Dänen, geht also gerade nicht von einer gemeinsamen übergreifenden Gewohnheit aus. Trotzdem ist gerade diese Darstellung von grundlegender Bedeutung.

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Lex Ribuaria, MGH LL I, Leg. Nat. Germ. III/II; Lex Salica, MGH LL I, Leg. Nat. Germ. IV/II. Cap. Miss. Gen., MGH LL II, Capit. I/1, Nr. 33, c. 26, S. 96. Agobardi epp., Nr. 3, c. 4, MGH Epp. V, S. 158, 159. Duplex legationis edictum, v. 23. März 789, MGH LL II, Capit. I, Nr. 23, c. 22, S. 64. Dazu u. a. Brie, Lehre; Végh, Ex pacto ius; H. Krause, Art. Gewohnheitsrecht, HRG Bd.1. 1.Aufl., Sp. 1675–1684. Ann. regni Franc. ad a. 811.

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g. Iustitiam facere Die Bedeutung des Rechts in allgemeiner Hinsicht für die Ordnung des Frankenreiches wird in den relativ häufigen Ermahnungen und Vorhaltungen deutlich iustitiam facere oder dare, die sich in verschiedenen Zusammenhängen an den Herrscher richteten. Aber diese selbst unternahmen es als zentrale Herrscheraufgabe, in den Kapitularien immer wieder den Grafen etc. einzuschärfen, das Recht zu verwirklichen. Pippin wandte sich in einem Kapitular von 754/55 an alle ut omnes iusticiam facient, tam publici quam ecclesiastici.57 Er sicherte jedem zu, zum Palast kommen zu können, und pro causa sua Appell gegen Entscheidungen der Racemburgen wie der Grafen zu führen. Karl der Große bestimmte in dem Kapitular von Herstal 779 si comes in suo ministerio iustitias non feceris, misso nostro de sua casa soniare faciat usque dum iustitiae ibidem facta fuerint. Ähnliches wird für eine Rechtsverweigerung durch einen Vasall geregelt.58 Die Stellen lassen sich vermehren.59 Die Gewährleistung der iustitia Ludwigs des Frommen bei seinem Regierungsantritt im Jahre 814 wurde bereits erwähnt. Alle Stellen verweisen auf die Gewährleistung des Rechts in konkreten Streitfällen. Iustitia hat nicht eine allgemeine Gerechtigkeit schlechthin zum Inhalt, sondern das konkrete Recht, das vor den Gerichten eingefordert wird. Dazu werden die Richter von den Königen immer wieder ermahnt und angehalten. Auch aus der Verwendung dieses Begriffs läßt sich somit nicht auf die Vorstellung oder das Vorhandensein einer allgemeinen objektive Ordnung schließen. Zwar soll iustitia in einem allgemeinen Sinn gegeben werden. Aber was diese im konkreten Fall ausmacht, ergibt sich aus dem jeweils anzuwendenden Volks- oder Königsrecht. Mit eben diesem Inhalt wird iustitia oder die unkorrekte Bildung der Mehrzahl iustitias auch für Zwischen-Mächte-Beziehungen angewandt. Nach den Berichten der Reichsannalen bittet Stephan II. Pippin um Hilfe gegen den Langobardenkönig Aistulf 754 pro iustitiis sancti Petri.60 Schon der Wortlaut macht deutlich, daß es um die Wiederherstellung der konkreten Rechte des hl. Petrus und nicht darum ging, ihm in allgemeiner Weise Gerechtigkeit zu verschaffen. In diesem engen konkreten Sinne verwenden auch die Päpste selbst in ihren Briefen an die fränkischen Könige den Begriff iustitia, wenn sie diesen gegenüber in den Auseinandersetzungen mit Aistulf und später auch Desiderius die Wiederherstellung der iustitiam sancti Petri oder iustitam sui principis apostolorum einfordern.61 Es liegt zwischen beiden ein gemeinsamer Sprachgebrauch mit ein und demselben Begriffsinhalt vor.

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MGH LL II, Capit. I, Nr. 13, c.7, S. 31. MGH LL II, Capit. I, Nr. 20, c. 21, S. 46. Insbesondere Cap. Miss. Gen. von 802 c. 25, MGH LL II Capit. I, Nr. 33, S. 91. Ann. regni Franc. ad. a. 754, auch 755. Z. B. Stephan II. an Pippin 755, Codex Carolinus, Nr. 6, MGH Epp. III, S. 488, S. 489, Z.112; Nr. 7, ibid., S. 490, 491, Z. 18; Paul I. an Pippin 760(?), Codex Carolinus, Nr. 12, ibid., S. 520, 521 Z. 24 ff. bezeichnet mit dem Plural iustitias die Rechte des hl. Stuhls auf die von Pippin 756 übergebenen Städte etc., die Desiderius aber wieder bedrängte oder entzogen hatte.

Rechtsgewohnheiten

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V. R ec h ts gew o h n h ei ten a. Allgemeine Bedeutung Die jüngere deutsche Rechtsgeschichtsschreibung hat die ältere Vorstellung von Gewohnheitsrecht im Sinne einer allgemeinen, objektiven, geltenden Rechtsordnung für das Mittelalter erheblich relativiert.62 Statt dessen wird zunehmend der Begriff der „Rechtsgewohnheiten“ eingeführt und verwendet. Seine Bedeutung soll gerade darin liegen, sie als „Bestandteile einer Kultur zu begreifen, in der Rechtsentwicklung und gerichtliche Streitentscheidung weithin noch nicht durch Gesetzgebung und Rechtswissenschaft vorgeprägt sind und nicht auf den damit verbundenen, schriftlichen Darstellungsweisen des Rechts als Gesetz, als Begriff und als System beruhen.“63 Unterscheidendes Merkmal der Rechtsgewohnheiten gegenüber dem Gewohnheitsrecht ist ihr Mangel an systematischer Geschlossenheit, an klarer Begrifflichkeit. Faßt man die Ergebnisse der neueren Forschungen und Erkenntnisse über den Rechtsbegriff im Frühmittelalter zusammen, so ergibt sich folgendes Bild für das Recht des Alltages der Menschen.64 Es ist orales, nicht literales Recht, auch dort nicht, wo es aufgeschrieben ist; in welcher Weise auch immer. Selbst die leges gelten nur als consuetudo in scriptis redacta. Es besteht jeweils nur im Konsensus zwischen den Menschen. Entsteht ein Konflikt, so zerbricht es in diesem Konflikt in zwei Rechtsmeinungen. Damit zerbricht aber auch der Friede, der im Recht besteht. Recht und Frieden müssen dann wieder gewonnen, wieder hergestellt werden. Das geschieht im Gericht, im Ding, oder auch über die rechte Fehde. Die Streitenden müssen sich im Ding dem Urteil „geloben“, müssen es annehmen, es konsentieren. Von den Dinggenossen wird das Recht in deren Rechtsgespräch an Hand auch von Gewohnheiten, eben Rechtsgewohnheiten, „gesonnen“ und dann im Urteil festgehalten. Urteil und Konsens begründen das Recht, stellen es (wieder) zwischen den Streitenden her, schaffen so den Rechtsfrieden. Das entscheidende Merkmal dieser Sicht ist, daß im Urteil nicht eine voraufliegende, gegebene, überkommene oder gar gesetzte allgemeine Norm auf den Fall angewandt, konkretisiert wird, also auch keine gewohnheitsrechtliche Norm, sondern daß im konsentierten Urteil das (zerbrochene) Recht zwischen den Streitenden (wieder) hergestellt wird. Es gibt also nach dieser Auffassung nicht zwei Ebenen des Rechts, die abstrakte, objektive Ebene und die konkrete Anwendungsebene. Wenn sich die Urteiler und das Urteil an Gewohnheiten orientieren, stellen diese, anders als das Gewohnheitsrecht, kein Normensystem dar, dessen Geltung auf Übung und Rechtsüberzeugung beruht und vorgegeben ist. Die Rechtsgewohnheit erhält hingegen Rechtsgeltung erst dann und nur dann, wenn sie in einem konkreten Fall wiederaufgenommen wird 62 63 64

Dazu die Aufsätze in dem Sammelband Gerhard Dilcher u. a. (Hrsg.), Gewohnheitsrecht. Schulze, Gewohnheitsrecht, ibid., S. 13. Die folgende Darstellung stützt sich vor allem auf Kroeschel, Rechtsgeschichte II, S. 84 ff.; ders., Rechtsbegriff, S. 314 ff.; ders., „Verfassungsgeschichte“; S. 74 ff.; Dilcher, Rechtsgewohnheit, in: ders. u. a. (Hrsg.), Gewohnheitsrecht, S. 23 ff.; Weitzel, Gewohnheitsrecht 2 ibid., S. 70 ff., insbes. S. 85 f.; ders. Dinggenossenschaft, S. 56 ff.; Schulze, „Gewohnheitsrecht“, passim; Köbler, Recht, S.195 ff.

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und wirkt daher auch nicht darüber hinaus. „Gewohnheiten“ sind also keine allgemeinen Normen sondern „Vorbilder“, denen im Urteil von den Urteilenden gefolgt werden kann, „Vorschläge“, die angenommen, aber auch verworfen werden können. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Gericht und Recht. Allerdings ist auch die Fehde in den Zusammenhang des Rechts eingebunden. Denn sie ist im „zerbrochenen Recht“, d. h. dem Konflikt, in dem jede Seite ihre Rechtsmeinung hat, ein, wenn auch „subsidiäres“, im Gegensatz zum Gericht stehendes rechtliches Mittel zur Durchsetzung der eigenen Rechtsmeinung bzw. Wiederherstellung des Rechts im Sühnevertrag.65 Der Gang zum Gericht, zum Ding ist also nicht unbedingt obligatorisch, wird aber von Herrschern immer wieder durchzusetzen versucht.66 Im Ding gilt Verfahren, d. h. gelten Verfahrensnormen. Streitig ist, ob es auch materiellrechtliche Normen gibt, was also „Norm“ überhaupt heißt. Weitzel unterscheidet „Geltung“, die er nur dem im Urteil auf konkret-konsentierter Grundlage gebotenem Recht zuweist, und „Leben“, in dem er „alle unterhalb des ‚gebietbaren Rechts‘ bleibenden Wirkungsweisen des schriftlosen Rechts“ zusammenfaßt.67 Er will sie generell „genetisch“ den Normen zuordnen, die aber doch gegenüber dem, was heute unter Normen und Normativität verstanden wird, andersartig sind. Rechtsgewohnheiten in diesem Sinne beziehen ihren Normcharakter nicht aus abstrakter Geltung, sondern aus der Regelhaftigkeit, anschauungsgebenden Verallgemeinerung im Bewußtsein, als Rechtsvorstellungen, die zunächst „gelebt“ werden und dann im Streit im gebotenen Urteil konkret Geltung erlangen. Im Verfahren und konsentierten Urteil sind somit auch materielle Rechtsvorstellungen oder Rechtsgewohnheiten präsent. Es handelt sich also nicht um „Recht durch Verfahren“ im Sinne moderner Rechtssoziologie, wenn auch eine gewisse Nähe besteht.68 Dieses Recht unterscheidet auch nicht nach Gewohnheiten des Rechts, der Religion, Moral, Sitte. Denn alles dies kann im konsentierten Urteil der Dinggenossen aufgenommen werden. Recht in diesem Sinn ist also an die Dinggenossen, ist an das Volk gebunden. Rechtsgewohnheiten gibt es in den Volkskreisen. Damit ist bereits das besprochene Problem der Rechtseinheit in dem rechtspluralen regnum der Karolinger nicht aufgehoben, sondern eher verschärft. Auch auf diesem Wege wird direkt keine Tür zu einer gemeinsamen Normativität der Beziehungen zwischen den Mächten geöffnet.

b. Rechtsgewohnheiten und Zwischen-Mächte-Normativität Zu prüfen ist jedoch, ob und inwieweit sich die Grundthese, die dem Konzept der „Rechtsgewohnheit“ zugrunde liegt, auf die Konstruktion einer gemeinsamen Normativität der Beziehungen zwischen den Mächten übertragen läßt. Orientieren sich die Akteure bei der normativen Gestaltung dieser an Gewohnheiten, Vorbildern, Vorschlägen, die sie aus Geschichte, früherer Praxis, religiöser Vorgabe u. a. gewinnen und 65

66 67 68

Brunner, Rechtsgeschichte Band 1, S. 106 ff.; Weitzel, Dinggenossenschaft, S. 139 ff.; Erich Kauffmann, Art. Fehde, HRG Bd. I, 1. Aufl., Sp. 1083–1093, Sp. 1086 ff. Weitzel, Dinggenossenschaft, S. 141 f. Weitzel, Gewohnheitsrecht 2, S. 77. Luhmann, Legitimation, passim; ders. Recht der Gesellschaft, S. 208 ff., 260 ff.

Rechtsgewohnheiten

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dann konkret in bestimmten normativen Akten als die jeweils „gebotene“, d. h. geltende und anzuwendende Normativität realisieren? Außerhalb der wenigen Verträge kann sich eine allgemeine Normativität nur aus gelebten Gewohnheiten darstellen, die konkrete, im Einzelfall normierende Kraft entfalten können, im Kriegsrecht, im Gesandtschaftsrecht, im Fremdenrecht etc. Aber selbst für Verträge fragt sich, ob für sie nicht dasselbe gilt wie für das Königsrecht, daß sie erst in der Anwendung, im Vollzug wirklich Norm werden. Allerdings liegt ein anderer Normbegriff vor, nicht der einer allgemeinen und abstrakten Regel, sondern einer konkreten Regelung für die jeweils Beteiligten, ähnlich der Individual-Norm im Sinne Kelsens,69 aber nicht als letzte Stufe in einem normenkonkretisierenden Stufenbau, sondern als einzige Norm. Solche konkret werdende Regelung aus Gewohnheit könnte gerade im Zwischen-Mächte-Verkehr einer noch zu sich selbst findenden, sich normativ neu konstituierenden und gestaltenden, nicht ausdifferenzierten MächteGesellschaft Normativität sichern. Dagegen spricht jedoch, daß auch und gerade die Rechtsgewohnheit letzten Endes an Ding und Gericht gebunden ist und dort zum „gebotenen“ Recht wird. Im Richterspruch entfaltet sie ihre konkrete Normativität. Dieses aber fehlt weitestgehend im Zwischen-Mächte-Verkehr. Das zwar in der Fredegarchronik, nicht aber in den Reichsannalen berichtete iudicium der fränkischen Großen über Aistulf nach dem zweiten Langobardenkrieg 756 ist singulär.70 Jedoch könnten u. U. andere Regulatoren an die Stelle von Ding und Gericht treten, Krieg im Sinne von Fehde, Friedensschluß oder andere Verträge, Unterwerfung, zweiseitige oder einseitige Erklärungen, z. B. in Briefen, etc. Aber es wird stets darauf zu achten sein, Vorgänge nicht in diese Richtung überzuinterpretieren, vor allem wenn sie, wie Briefe, einer Form, eines Verfahrens entbehren. Als Gewohnheiten, Vorbilder, Vorschläge kommen das traditionelle römische Recht, auch vorhergehende Übungen der Merowinger, sowie religiös-christlich-kirchliche Normen in Betracht. Diese wären aber im Verhältnis zu den arabischen Herrschern nicht anzuwenden. Jedoch wird in den Quellen über Verträge und Gesandtschaften mit diesen berichtet. Vielleicht wird aber auch von den anderen Mächten auf der Zwischen-Mächte-Ebene auf eine „gemeinsame“ Normativitäts- oder Rechtsordnung verzichtet und Normativität jeweils im konkreten Vorgang begründet, die dann in einem allgemeinen, wenn auch unbestimmten „Normativitätsbewußtsein“ als kulturelle Gegebenheiten abgesichert wäre. Schließlich kannten und besaßen alle Mächte Recht in irgend einer Weise. Es kann aus heutiger Sicht als eine Art des von allen Völkern je für sich angewandten Rechts verstanden werden, also eine Art ius gentium, das aber als solches nicht reflektiert und daher auch nicht begrifflich erfaßt wurde. Werden aber pactum, foedus, amicitia, Gesandtschaftsrecht, deditio etc. wirklich nur als Gewohnheit, Vorbilder, Vorschläge wahrgenommen und angewandt? Die im zweiten Teil geschilderte Praxis könnte so zu deuten sein. Aber sie zeigt doch auch Stetigkeit, Wiederholung, eine gewisse Gleichförmigkeit, auch eine gewisse Sicherheit

69 70

Kelsen, Rechtslehre, S. 74, 242 ff. Chron. Fred. cont. (121).

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der Autoren in der Anwendung. Das deutet doch auch darauf hin, daß eine gewisse Vorstellung von allgemeinerer Normativität für diese Beziehungen bestehen könnte.

c. Spielregeln? Inzwischen gehen vor allem Auffassungen in der Geschichtswissenschaft soweit, daß gerade für die Lösung von Konflikten zwischen Mächten nicht mehr, oder nicht mehr in erster Linie Recht, sondern andere Arten von Regeln, Ritualen, Spielregeln, Symbolen, aber auch Begründungen von Verbindungen etc. maßgeblich werden.71 Allerdings wird das für eine spätere Zeit dargetan, könnte aber auch für unsere Zeit gelten. Aber Verträge und ihr Abschluß, deditio und Unterwerfungen unter die dicio u. a. sind nicht nur Spielregeln. Sie traten also nicht vollständig an die Stelle des Rechts.72 Auch Spielregeln sind Normen. Es kann nur im Einzelfall geklärt werden, ob eine Spielregel oder eine andere, auch rechtliche Norm in Frage steht, um Verhalten zu steuern und Verhältnisse zu gestalten. Auch die gegenwärtigen Regelungen internationaler Beziehungen kennen derartige Normen, rules of comity, die zwar Verhalten steuern, aber doch keinen Rechtscharakter haben.73 Antworten oder Klärungen kann es, wenn überhaupt, nur aus den Quellen und deren Interpretation geben. Aber das stellt zweifache Probleme: Die Quellen und deren Interpretation.

d. Iustitia et pax In einigen Quellen, insbesondere in den Fürstenspiegeln, wird dem Herrscher die zentrale Aufgabe zugewiesen für pax et iustitia zu sorgen, nicht nur nach innen, sondern auch nach außen.74 Die zitierte Stelle aus dem Loblied auf Karl den Großen ist auch von dieser Vorstellung getragen. Jedoch ist pax, wie zu zeigen sein wird, selbst ein umfassender und eben dadurch vieldeutiger Begriff. Er hat zum einen einen konkreten rechtlichen Charakter als pax facta, wie bei Isidor. Zum anderen aber ist er ein Begriff des allgemeinen ordo der Welt und ist als solcher eng verbunden mit den religiöschristlichen Grundlagen dieses ordo. Zwar ist gerade darin die frühmittelalterliche, die einzelnen Herrschaftseinheiten oder Mächte übergreifende Einheit grundgelegt. Aber das ist nicht mehr eine rechtliche, oder nur rechtliche Einheit, sondern inhaltlich religiös und institutionell kirchlich überwölbende Gemeinsamkeit. Das öffnet, wie schon die Rede von der pacis concordia die zweite Ebene der Ordnung der Zwischen-Mächte-Beziehungen.

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Althoff, in mehreren Aufsätzen in ders.: Spielregeln S. 21 ff., 57 ff.; kritisch dazu Steffen Patzold, Konflikte, in: Goetz, Mediävistik, S. 198 ff. Hier setzt die rechtsgeschichtliche Kritik an: Jürgen Weitzel, Besprechung, in: ZRGgerm. 117 (2000) S. 689–702. Peter Macalister-Smith, Art. Comity , in: EPIL Bd. 1, S. 671–674. Sedulus Scotus, Liber de rectoribus christianis, Migne PL 103, Sp. 294ff., c. XVII, Sp. 324.

Folgerungen

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VI . Fo l g er u n g en Der Versuch, aus den in den Quellen verwendeten Begriffen eine Vorstellung von einer allgemeinen übergreifenden gemeinsamen rechtlichen Ordnung der Zwischen-Mächte-Beziehungen zu rekonstruieren, bringt zwar nur einige, aber nicht unerhebliche Hinweise. In den Begriffen der Rechtsgesamtheiten iura divina, iura naturae und iura humana scheinen Ansätze für derartige Konzeptionen auf. Aber sie werden höchst vereinzelt gebraucht und werden zudem nicht näher ausgeführt. Auf eine allgemein verbreitete und geteilte Vorstellung in dieser Richtung kann daraus nicht geschlossen werden. Der Begriff iustitiam/iustitias facere führt etwas weiter, weil er mit einem bestimmten Inhalt in fränkischen wie päpstlichen Quellen für gestörte Verhältnisse zwischen Mächten verwendet wird. Sie deuten also auf Vorstellungen allgemeinerer Ordnungsnormen. Aber ausgebaut, entwickelt, reflektiert wird das nicht. Fränkisches Rechtsdenken in unserer Epoche ist konkret, nicht konzeptionell oder gar abstrakt. Selbst dort, wo es um Reform geht, wird auf die gegebenen Gesetze, auf die konkreten Verhältnisse und Schwierigkeiten des positiven Rechts abgestellt. Zwar werden göttliches und menschliches Recht unterschieden. Aber immer handelt es sich um ganz bestimmte Gesetze, Rechte; das gilt auch für die einzige Verwendung des Begriffes iura naturae. Recht ist im Rechtsdenken, in der Rechtsvorstellung das geltende, positive göttliche oder menschliche Recht. Über Recht als abstrakte Erscheinung, in allgemeiner Hinsicht unabhängig von den gegebenen positiven Gesetzen und Rechten wird nicht nachgedacht. Hier ist nicht zu erörtern, warum das in dieser Zeit so ist. Aber es erklärt, warum auch solche Begriffe wie ius naturae, ius naturale oder ius gentium nicht oder nur sehr vereinzelt auftauchen; denn in der Tradition, auch noch bei Isidor von Sevilla waren sie allgemeine, kategoriale Begriffe über dem positiven, gegebenen Recht. Da die fränkischen Herrscher in ihren konkreten Beziehungen zu anderen Mächten Normen folgten und Rechtsinstrumente anwandten, steht auch insofern der Mangel an theoretischer Reflexion der Annahme eines entsprechenden Rechts nicht entgegen. Das Bewußtsein bzw. die Vorstellung von einer gemeinsamen rechtlichen Ordnung scheint bestanden zu haben. Denn in den Quellen ist immer wieder von rechtlichen Instrumenten zur Ordnung der Beziehungen die Rede. Aber für deren Konkretisierung war anscheinend die Rechtspraxis selbst Grundlage und Gestaltung einer solchen Ordnung zugleich, die sie also nicht nur, wie in der Gegenwart, ausfüllt, konkretisiert, weiterentwickelt, sondern u. U. allererst im jeweiligen konkreten Akt konstituiert. Zu bedenken ist, daß vieles neu war und neu geordnet werden mußte. Zwar gab es Herkommen und Vorbilder im Gesandtschaftsrecht, im Vertragsrecht, für die amicitia etc., so daß nicht immer alles neu erfunden oder gefunden werden mußte. Jedoch bedurfte es der Anpassungen an die neuen Verhältnisse. Allmählich führte das zu gemeinsamen, länger dauernden Übungen oder Gewohnheiten der politischen Mächte in ihren Beziehungen, und damit zu Gewohnheitsrecht.

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Allgemeine Verkehrsbeziehungen

B : Verk e h rsb e zie hunge n 3. K ap it el: Allge me in e Ve rke hrsbe zie hunge n I. Gr u n d l ag en Die Verkehrs- und Austauschbeziehungen mit den auswärtigen Völkern beruhten vor allem auf Religion und Handel. Missionare und Pilger aus anderen Ländern kamen in das Frankenreich oder reisten durch es hindurch, insbesondere nach Rom, aber wohl auch ins Heilige Land. Kaufleute reisten von außerhalb in das Frankenreich, von diesem in andere Länder oder durchquerten es. Es gab offenbar zudem stets Flüchtlinge aus anderen Herrschaftsgebieten im Frankenreich, z. B. den englischen Königreichen oder Dänemark. Für sie alle galt zunächst das allgemeine fränkische Fremdenrecht in Bezug auf Einreise, Aufenthalt, Durchreise, Ausreise, ausgeübte Tätigkeit und deren rechtliche Wirkungen etc. Für die drei genannten Gruppen bestanden weitere, besondere Regelungen. Komplikationen entstanden, wenn z. B. Kaufleute das Pilgerkleid nutzten, um ihre wahren Absichten zu verschleiern und Zölle zu sparen. Die Flüchtlinge stellten auch damals eine Belastung dar. Das allgemeine Fremdenrecht, wie das besondere Recht für Pilger, Kaufleute, Gesandte war damals wie heute zunächst internes Recht. Die Volksrechte enthielten dazu einige Regelungen. Aber es war vor allem Königsrecht. So finden sich in Kapitularien eigene Bestimmungen, insbesondere für Pilger und Kaufleute bzw. Handel. Aber da Pilgerschaft und Handel grenzüberschreitend waren, wurden auch Vereinbarungen zwischen den Mächten geschlossen, die allerdings jedoch nur in zwei Fällen überliefert sind, beschreibend in dem Brief Karls an Offa und textlich im Pactum Veneticum Lothars I. von 840.1 Diese wenigen Quellen können nur Anhaltspunkte geben. Ein Gesamtbild über diese Austauschbeziehungen und ihr Recht läßt sich daraus nur in einer Art weitem Rahmen gewinnen.

II . Fr emd en r ech t a. Fremder „Fremder“ war, wer nicht der Herrschaft des fränkischen Königs unterworfen war, sei es als Franke, sei es als Zugehöriger eines anderen Volkes innerhalb des Frankenreiches und seines jeweiligen Rechtskreises. Ganshof nennt sie „Reichsausländer“, im Unterschied zum „Stammesfremden“. Dieser Begriff bezeichnet die Angehörigen der Rechtsvölker innerhalb des Frankenreiches zueinander. Bezugspunkt der Begriffsbestimmung ist also die Königsherrschaft.2 Die Rechtskreise der verschiedenen Reichs1 2

Ganshof, L‘étranger, S. 8f. Ganshof, L’étranger, S. 5ff.

Fremdenrecht

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völker, Franken, Alemannen, Burgunder, Bayern, Romanen, Sachsen, Langobarden etc. wurden, wie dargelegt, im Reich gegenseitig anerkannt.3 Jeder trug sein Personenstatut mit sich in den verschiedenen Teilen des Reiches und wurde danach rechtlich behandelt. Der Personalrechtsstatut des Fremden, z. B. eines Engländers, eines Dänen etc. wurde hingegen nicht ohne weiteres anerkannt. In der rechtsgeschichtlichen Literatur wird daher weitgehend die Auffassung vertreten, daß Reichsfremde dem Grundsatz nach im Frankenreich rechtlos gewesen seien, versklavt, verkauft und sogar sanktionslos getötet werden konnten.4 Belege für diese Annahmen sind jedoch offenbar selten. Brunner nennt neben einem Text aus dem 9. Jahrhundert die Versklavung Schiffbrüchiger. Zunächst habe gegen die Rechtlosigkeit nur die Aufnahme in das Gastrecht eines Rechtsträgers im Frankenreich, also eines Angehörigen eines der Rechtsvölker, eines patronus geschützt. Der Fremde lebte dann nach dessen Recht. Der Schutzherr mußte aber auch für den Fremden gerade stehen. Ihre Fähigkeit, Rechtsgeschäfte tätigen zu können, was insbesondere für Kaufleute bedeutsam war, war daher nach Volksrechten wohl prekär.

b. Königsrecht In unserer Epoche standen die Fremden jedoch seit langem allgemein unter dem königlichen Schutz oder Frieden. Bereits die merowingischen Könige und erst recht die karolingischen gewährten einen allgemeinen Schutz für alle Fremden in ihrem Herrschaftsgebiet, der nach Auffassung in der Rechtsgeschichte jedoch nur subsidiären Charakter hatte. In der Lex Baiwariorum, die nach Ganshof wahrscheinlich eine ältere merowingische Bestimmung wiedergibt, heißt es: Nemo enim ausus sit inquietare vel nocere peregrinum, qui alii propter Deum, alii propter necessitatum discurunt. Tamen una pax omnibus necessarea est.5 Es wird für Schädigung aller Art ein Wergeld von 160 solidos festgesetzt, das an den Fiscus, also den Herzog zu zahlen ist. Art. 31 enthält eine Wergeldfestsetzung von 100 solidos in Gold bei Mord. Zwar werden zunächst Pilger, peregrini propter Deum genannt. Aber die Bestimmung bezieht sich ebenso auf alle Fremden alii propter necessitatem. In dem großen Capitulare missorum generale Karls des Großen von 802, das gewissermaßen das kaiserliche Programm darstellt, werden zunächst die peregrini neben den Kirchen, Witwen und Waisen unter kaiserlichen Schutz gestellt. Ut sanctis ecclesiis Dei neque viduis neque orphanis neque peregrinis fraude vel rapinam vel aliquit iniuriae quis fecere praesumat; quia ipse dominus imperator, post Domini et sancti eius, eorum protector et defensor esse constitutus est. Dafür wird auch der in diesem Kapitular erneut angeordnete Treueid eines jeden Untertanen ausdrücklich in Anspruch ge-

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Oben S. 280ff. Brunner, Rechtsgeschichte I, S. 399f.; Conrad, Rechtsgeschichte I, S. 119f.; Ganshof, L’étranger, S. 19f. Lex Baiwariorum tit. III, c. XXXI, De peregrinis transeuntibus viam, MGH LL I, t. V pars II, S. 335.

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Allgemeine Verkehrsbeziehungen

nommen.6 In einer weiteren Bestimmung werden pax und defensio des Kaisers für die festgehalten qui ad suam clementiam festinant, aliquo nuntiare cupientes sive ex christianis sive ex paganis, aut propter inopia vel propter famen suffragantia quaerunt, ut nullus eos sibi servitio constringere vel usurpare audeant neque alienare, neque vindere. Hier wird ein damnum pati vitam, also die Todesstrafe angedroht.7 Dieser Schutz ist somit umfassend für alle, gleichgültig, woher sie kommen, ob sie Christen oder Heiden sind. Auch die Gründe der Schutzsuche sind sehr weit gefaßt. Der Kaiser will offenbar seiner Aufgabe, den Fremden Frieden und Recht zu geben, im weitesten Umfange gerecht werden. Allerdings äußert Ganshof Zweifel an der Wirksamkeit dieser Regelung königlichen bzw. kaiserlichen Schutzes. Das würde dem Konzept der Rechtsgewohnheit entsprechen. Vom abstrakten Prinzip der Rechtlosigkeit blieb im Grunde jedoch nichts mehr übrig. Bemerkenswert ist die von Karl dem Großen herangezogene Grundlegung dieses königlichen Schutzes und Friedens. Er gewährte Frieden und Schutz Christo propitio, nicht nur für die christlichen, sondern auch für die heidnischen Fremden. Der allgemeine Königsschutz der Fremden beruhte also letztlich nicht auf einem übergreifenden gemeinsamen Rechtssatz der Mächte oder dergleichen, sondern war rechtlich allein positive fränkische Setzung. Aber Karl griff auf eine vorgegebene „Norm“, nämlich Christi Gebot, zurück, das alle Menschen umfaßte. Eine allgemeine religiöse Norm übernahm eine die Reiche übergreifende Funktion. Selten wird dies so deutlich wie hier. Ebensowenig wie heute bestanden damals allgemeine Rechte auf freie Einreise und Aufenthalt. Ob Fremde sich völlig frei im gesamten Reich bewegen konnten, ist nicht festzustellen. Es gab jedoch z. T. strikte Vorschriften. Es wurden Meldepflichten und sonstige Kontrollen über den Weg der Fremden im Frankenreich festgelegt.8 So schreibt Karl der Große 803 vor De fugitivis ac peregrinis, ut distringantur, ut scire possumus qui sint aut unde venerint.9 Da der König gewissermaßen der mundher oder patronus des Fremden wurde, geht die allgemeine Meinung der Literatur, abgestützt durch ein allerdings angezweifeltes Privileg Karls des Großen, dahin, daß die Fremden unter Königsschutz in der Regel dem fränkischen Recht unterstellt wurden.10 Das würde bedeuten, daß die Geschäfte fremder Kaufleute im Reich nach fränkischem Recht abgewickelt wurden, soweit nicht über einen vorrangigen Schutzherrn in anderen Rechtsgemeinschaften ein anderes Volksrecht anzuwenden war. Auf der Grundlage dieses allgemeinen königlichen bzw. kaiserlichen, durch internes fränkisches Königsrecht gewährten Schutzes bauten weitere Privilegien für bestimmte Gruppen auf, die dann z. T. durch Zwischen-MächteRecht ergänzt und abgesichert wurden. 6 7 8 9

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Capitulare missorum generale, c. 5 und 9 a. E., MGH LL II Cap. I, Nr. 33, S. 93. C. 30, ibid., 96f.; dazu Ganshof, L’étranger, S. 24f. Ganshof, L’étranger, S. 27 mit Nachweisen. Capitulare Missorum 803, c. 6, MGH LL II, Capit. I Nr. 40, S. 114 wiederholt und bestätigt Capitulare missorum generale 805, c. 14, ibid., Nr. 122, S. 125; Meldepflichten für Aachen schreibt Ludwig der Fromme 820 vor, Capitulare de disciplina Aquisgranensis, c. 1, MGH LL II Capit. I, Nr. 146, S. 298. Ganshof, L’étranger, S. 25 f.

Beziehungen aus Gründen der Religion

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III. B e zi eh u n g en au s Gr ü n d en d er Rel i g i o n a. Allgemeines Aus Gründen der Religion wurde das fränkische Reich zur Zeit der Merowinger wie zur Zeit der Karolinger aus verschiedenen Zielen von Fremden besucht. Das waren zunächst vor allem die Missionare aus Irland und England. Daneben traten mehr und mehr die Pilger, peregrini propter Deum. Unter Karl dem Großen kamen verschiedene Fremde als Gelehrte an den Königs- bzw. Kaiserhof. Sie missionierten zwar nicht mehr; aber sie sollten an dem geistigen Aufbruch gerade auch in religiöser Hinsicht teilnehmen und ihn befördern. Zu ihnen zählte auch der Yorker Mönch Alcuin. Damit sie im Frankenreich leben und wirken konnten, bedurften sie eines besonderen königlichen Schutzes.

b. Missionare und Gelehrte 723 stellte Karl Martell den englischen Missionar und Bischof Bonifatius unter seine munde burdis et defensio.11 Dieser wurde damit in eine besondere Schutzgewalt, einen Sonderfrieden Karl Martells genommen, der diesen zum Schutz verpflichtete. Aber auf Seiten des Bonifatius trat damit wohl auch eine gewisse Unterwerfung unter Karl Martells Vormundschaft ein.12 Genaueres über Rechte und Pflichten beider Seiten ist aber nicht bekannt. Ob auch andere Missionare oder auch die fremden Mönche u. a. am Hofe Karls des Großen, wie vor allem Alcuin, unter die munde burdis des Königs gestellt worden waren, läßt sich nicht feststellen, da entsprechende Quellen nicht vorliegen. Vieles spricht dafür, da sie dem König persönlich eng verbunden waren, auch hohe Ämter in der fränkischen Hierarchie einnahmen. Alcuin wurde sogar Abt in Tours. Aber man kann es nur vermuten.13 Vielleicht war es nicht mehr notwendig.

c. Pilger Pilgern, peregrini propter Deum, wurden in fränkischen Rechtsquellen verschiedentlich Schutz, Freiheit und Ungestörtheit des Weges zugesagt. Sie sollten ferner frei von Abgaben sein.14 Dies waren einseitige Akte des Königs-, nicht eines allgemeinen ge11 12 13 14

Nachweis bei Ganshof, L’étranger, S. 28. Art. Mundburt, (ohne Autor), DRW, Bd. IX, Heft 7/8, S. 977f. Ganshof, L’étranger, S. 28f. Pippini regis capitulare, c. 4, MGH LL II, Capit. I, Nr. 13, S. 32: Et de peregrinos similiter constituimus qui propter Deum ad Romam vel alicubi vadunt, ut ipsos per nullam occasionem ad pontes vel ad exclusas aut navigio non deteneatis, nec propter scrippa sua ullo peregrino calumniam faciatis, nec ullum theloneum eis tollatis; Concilium Vernense, c. 22, MGH LL II, Capit. I Nr. 14, S. 37; besonders deutlich Pippini Italiae regis capitulare, c. 10; MGH LL II, Capit. I, Nr. 91, S. 193: De advenas et peregrinos qui in Dei servitio Roma vel per alia sanctorum festinant corpora, ut salvi vadant et revertant sub nostra defensione; et qui ex ipsis peregrinis ausus fuerit occidere, LX solidos componat in palatio nostro; dazu auch Ganshof, L’étranger, S. 32ff.

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Allgemeine Verkehrsbeziehungen

meinsamen Rechts, wenn es auch in anderen Königsrechten ähnliche oder gleiche Regeln gegeben haben dürfte. Die Pilgerschaft nach Rom war eine neuere Erscheinung. Der königliche Sonderfriede stellte dafür ein Regelungsinstrument dar. Das Kapitular des Königs Pippin von Italien von 782/786 enthält die notwendigen Elemente: die Schutzerklärung, die Wergeldfestsetzung und die königliche Berechtigung an dem Wergeld. Zudem legte Karl der Große fest, daß den Pilgern das hospitium zugesichert werde, Unterkunft, Essen und Trinken durften ihnen nicht verwehrt werden.15 Die Pilger standen demnach nicht nur unter einem besonderen Frieden des Königs; sie genossen mit dem hospitium einen darüber hinausgehenden Schutz und Unterhalt. Dieser ließ sich aus dem herkömmlichen Recht offenbar nicht begründen. Denn in beiden Stellen berief sich Karl der Große auf das Evangelium (Matth. 18,5,25,35) und den Brief des Apostels Paulus an die Hebräer (13.2). Damit handelte es sich um die lex divina.16 Es war ein neues aus dem Christentum erwachsenes Problem, das aber auch auf seiner Grundlage mit den herkömmlichen entsprechend angepaßten Mitteln gelöst wurde. Da Pilger aus anderen Ländern außerhalb des fränkischen Herrschaftsbereiches aber häufig durch dieses ziehen mußten, um z. B. nach Rom zu gelangen, wurde die Rechtsstellung der Pilger ein Problem der Zwischen-Mächte-Beziehungen, das der rechtlichen Absicherung auch auf dieser Ebene bedurfte. In dem bereits mehrfach erwähnten Brief Karls des Großen an Offa von Mercien wurde den Pilgern aus dessen Herrschaftsbereich der Schutz in besonderer Weise zugesagt. De peregrinos vero, qui pro amore Dei et salute animarum suarum beatorum limina apostolorum adire desiderant, sicut olim, perdonarimus, cum pace sine omni pertubatione ut vadant suo itinere, secum necessaria portantes. Allerdings durften sie keinen versteckten Handel treiben, dann wurden sie zu Zöllen herangezogen.17 Pax war nicht ein allgemein friedlicher Weg, es war der besondere Rechtsfriede unter dem Schutz des Königs. Was trug eine derartige besondere Zusage Karls gegenüber Offa dazu bei, obwohl das fränkische Königsrecht zu der Zeit bereits Schutz wie hospitium gewährte? Der mercische König war wahrscheinlich an einer festen rechtlichen Absicherung des Landweges interessiert, zumal der Seeweg nach Rom durch das Mittelmeer, auch wegen der Seeräuber und Sarazenen, zu unsicher war. Da das Fremdenrecht eigene Sache der Franken war, war eine Zwischen-Mächte-Absicherung hilfreich und wohl geboten, zumal nach der vorhergehenden Abschottung des Frankenreiches gegenüber der Insel. Ob diese Regelungen Bestandteil des in dem Brief erwähnten älteren pactum waren, ist aus dem Brief nicht ersichtlich. Wohl aber handelte es sich von Seiten Karls um eine verbindliche Zusage innerhalb des bestehenden Rechtsverhältnisses der pax amicitiae. Daraus erwuchsen in Verbindung mit dem fränkischen Recht wohl auch den Pilgern selbst Rechte. Insoweit bestimmte das konkrete Zwischen-Mächte-Recht die Stellung der Menschen. Aber das läßt sich nicht nachprüfen. 15

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Admonitio generalis, c. 75, MGH LL II, Capit. I, Nr. 22, S. 60; Capitulare missorum, c. 27, MGH LL II Capit. I, Nr. 33, S. 96. Diese christliche Begründung betont auch Paradisi, Storia, S. 387. Alcuini epp., Nr. 100, MGH Epp. IV, S. 144, dt. Anhang 1; zu diesem Briefteil Paradisi, Storia, S. 387ff.

Handel

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Dieses Ineinandergreifen von Verpflichtungen auf der Ebene des Zwischen-Mächte-Rechts und der Ebene des internen Rechts zeigt die neue Position des Frankenreiches. Es stellt ebenso eine höhere Entwicklungsstufe der rechtlichen Ordnung der Zwischen-Mächte-Verhältnisse dar.

I V. H an d el a. Ansatz Auch für das Recht des Handels und der Kaufleute bedurfte es einerseits innerfränkischer und andererseits vereinbarter Regelungen, zumal, wie oben dargelegt, der Fernhandel in unserer Epoche Bedeutung hatte und zunahm. Die innere Verknüpfung beider Rechtsebenen wird wiederum in dem Brief Karls des Großen an Offa deutlich. Den mercischen Kaufleuten wurde zugesichert ex mandato nostro ut protectionem et patrocinium habeant in regno nostro legitime iuxta antiquam consuetudinem negotiandi. Et si in aliquo loco iniusta affligantur oppressione, redament se ad nos vel nostros iudices et postea piam intebimus iustitiam facere. Similiter et nostris; si aliquid sub vestra potestate iniusti patiantur, redament se ad vestrae equitatis iudicium, ne aliquia inter nostros alicubi oborri possit pertubatio. Man hat dies einen „ersten Handelsvertrag der westlichen Geschichte“ genannt.18 Karl wollte die alte Gewohnheit des Handeltreibens auch auf die mercischen Kaufleute anwenden. Es ist anzunehmen, daß damit die Verhältnisse vor der Schließung der Häfen im Gefolge des Abbruchs der Beziehungen wegen der gescheiterten Eheprojekte gemeint sind. Aber es wurden keine besonderen Rechte eingeräumt, sondern die herkömmlichen, die für alle galten.19 Es wurden zwar bestimmte Rechte benannt: protectio und patrocinium des Königs, d. h. der Königsschutz.20 Dieser wurde dahin konkretisiert, daß die Kaufleute Zugang zu den Gerichten bzw. zum Königsgericht, letzten Endes zum König selbst, haben sollten. Diese Rechte sollten auf Gegenseitigkeit beruhen. Es kann daher angenommen werden, daß sie schon Inhalt des pactum antiquum waren und in diesem Brief noch einmal rechtlich bestätigt bzw. erneuert wurden. Ausführlicher war der Handel zwischen Venedig und dem italienischen Königreich unter Einschluß der päpstlichen Gebiete Oberitaliens durch das Pactum Veneticum Lothars I. von 840 geregelt. Auf dessen Einzelheiten ist deshalb geschlossen einzugehen.

b. Consuetudo antiqua Was aber ist die alte Gewohnheit für Kaufleute beim Handel, dessen Aufrechterhaltung international zugesagt wird? Die Rechte und Pflichten betrafen zum einen die 18 19 20

Wenskus, Kleinstaaten, S. 503; ausführlich Paradisi, Storia, S. 385ff. So nachdrücklich auch Ganshof, L‘étranger, S. 30. Die beiden Begriffe können wohl so zusammengefaßt werden; dazu auch Wielers, Beziehungsformen, S. 40ff.

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Kaufleute selbst, vor allem das Zahlen von Zöllen, zum anderen den Handel, d. h. Verkauf und Kauf von Waren, wie etwa Ausfuhrverbote. Es handelte sich stets um fränkische consuetudo, also fränkisches Recht, und zwar wohl in erster Linie um Königsrecht. Die rechtstheoretischen Fragen, die sich mit dem Begriff antiqua consuetudo verbinden, sollen hier nicht behandelt werden.21 Es geht an dieser Stelle vielmehr um den Inhalt.22 Außerhalb des fränkischen Herrschaftsbereiches enthält die Lex Visigothorum an verschiedenen Stellen diesbezügliche Ausführungen. In Kap. XI, Tit. III werden u. a. Regelungen für überseeische Kaufleute getroffen. Sie betreffen den Verkauf gestohlener Waren, den Gerichtsstand bei Streit zwischen den auswärtigen Händlern, das Ausfuhrverbot von i. d. R. unfreien Tagelöhnern (mercennarii), deren Anstellung und Bezahlung.23 Allerdings können solche Regelungen nicht ohne weiteres auf das Frankenreich übertragen werden, zeugen aber wiederum davon, daß auch in anderen Rechten derartige Regelungen bestanden. Innerhalb des fränkischen Reiches waren Pippin und seine Nachfolger offenbar bestrebt, die Zollpflicht nicht zu erhöhen oder zu erweitern, sondern eher einzuschränken. Pippin stellte Lebensmittel, die nicht zu Handelszwecken mitgeführt wurden, ausdrücklich von Zöllen frei. Karl wiederholte diese Freistellung nachdrücklich.24 Vor allem aber sollten keine neuen Zölle, keine Erhöhung und keine neuen Zollstellen eingeführt werden.25 Auch hier wird auf die antiqua consuetudo verwiesen.26 Zölle waren danach offenbar überkommene Rechte. Es waren nicht nur Grenzzölle, sondern Fluß-, Paß-, Brücken- und Wegzölle innerhalb des Reiches zu entrichten. Wagengeld, Lastgeld, Saumgeld, Bootsgeld, erfaßten nicht nur den Außen-, sondern auch den Binnenhandel. Von diesen Zöllen und Abgaben konnten durch besondere Privilegien Befreiungen erteilt werden.27 So erlangten u. a. Bischöfe und Äbte Befreiungen von Zöllen für deren Handel, der oft auch Fernhandel war. Ferner durfte niemand gezwungen werden, eine Zollbrücke zu überschreiten, um den Zoll einnehmen zu können, wenn der Flußübergang an anderer Stelle billiger war.28 Generell läßt sich aber nicht feststellen, daß die fremden Kaufleute als solche privilegiert waren.29 21 22 23 24

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Dazu Köbler, Recht, S. 121ff. Mehr dem ersten und kaum dem zweiten wendet sich hingegen Paradisi, Storia, S. 389ff., zu. Leges Visigothorum, MGH LL I, Legum Nationum Germanicarum I, S. 404ff. Pippini regis capitulare, c. 4, MGH LL II, Capit. I, Nr. 13; S. 32, Capitulare missorum in Theodonis villa datum secundum, generale, c. 13, MGH LL II Capit. I, Nr. 44, S. 124f. Capitulare Mantuanum, c.8, MGH LL II Capit. I, Nr. 90, S. 190f. Es wird für ungerechtfertigt erhobene Zölle der Einsatz des Bannes angedroht. Das Verbot illegaler Zölle mußte aber offenbar immer wieder eingeschärft werden, z. B. Admonitio ad omnes regni ordines, c. 21, MGH LL II, Capit. I, Nr. 150, S. 306, wo diese Wiederholung besonders hervorgehoben wird. Siehe auch Ansegius, Abb. Capit, c. 19, MGH LL II, Capit. I S. 418; auch ibid. c. 29, S. 441. Ganshof, L‘étranger, S. 31. Ludwig der Fromme, Capitula legibus addenda 818/819, c. 12, MGH LL II, Capit. I, Nr. 139, S. 280. Für die Erhebung von Zöllen auf dem Weg zum König wird ein Wergeld von 60 solidos festgesetzt. Ganshof, L’étranger, S. 29.

Handel

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Ludwig der Fromme erließ 818 zugunsten von Kaufleuten, die den Hof versorgten, ein praeceptum negotiatorum, das ihnen Königsschutz gewährte und Zollfreiheiten bis auf die Abgaben in den Seehäfen und auf den Gebirgspässen gewährte.30

c. Innere Handelsregulierungen Handelsregulierungen gab es u. a. für die Orte, über die der Fernhandel aus dem Reich oder in dasselbe heraus abgewickelt werden durfte, aber auch für Waren, die ausgeführt oder eingeführt wurden. In dem bereits erwähnten Capitulare missorum in Theodonis von 805 wurden für Kaufleute, quae partibus scalvorum et avurorum pergunt, bestimmte Grenz- oder Übergangsorte festgelegt, quosque procedere cum suis negotiis debeant.31 Auch für den Seehandel fand dieses System Anwendung. Lothar schärfte ein, daß Seehandel nisi ad portura legitima, secundum more antiquo stattfinden dürfe.32 Im Falle der Zuwiderhandlung wurde der Verlust der gesamten Ware verfügt. Diese Anordnung galt für die Mittelmeerhäfen, denn Lothar handelte hier als Kaiser für Italien. Maßgebend ist die mos antiqua. Für die Nordsee- bzw. Kanalhäfen sind derartige Bestimmungen nicht überliefert, können aber bestanden haben. Auch in diesen Fällen handelte es sich wohl um Rechte und Privilegien der betreffenden Orte wie bei den Zollstätten. Aber auch andere Zwecke der Handelskontrolle dürften eine Rolle gespielt haben. Im Capitulare Haristallense c. 20 von 779 erscheint zum ersten Mal das Verbot, Waffen auszuführen, De brunnias, ut nullus foris nostro regno vendere praesumat.33 Es kann aber älter sein. In dem bereits zitierten Kapitular Karls von 805 wird in c. 7 das Verbot der Ausfuhr von Waffen wiederholt und ein Verstoß mit dem Verlust der gesamten Handelsware bedroht. Die eine Hälfte sollte dem Hof zufallen, die andere zwischen dem missus und dem Entdecker geteilt werden. Das Ausfuhrverbot für Waffen wurde, wie erwähnt, auch später immer wieder eingeschärft, was darauf schließen läßt, daß es, aus welchen Gründen auch immer, nicht wirklich durchgesetzt wurde.34 Für den Handel mit Sklaven bestand u. a. die Regel, daß Christen im Reich nicht als Sklaven verkauft werden sollten.35

d. Gerichtszugang Der Zugang zum Gericht wird zwar nirgendwo in den Kapitularien oder in den Volksrechten erwähnt. Die Lex Visigothorum verweist die Überseekaufleute bei einem Streit

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Riché, Welt, S. 135 f. Capitulare missorum in Theodonis villa datum secundum, generale, c. 7, MGH LL II, Capit. I, Nr. 44, S. 123. Memoria colonnae comitibus data, MGH LL II, Capit. I, Nr. 158, S. 313, c. 17, S. 319. MGH LL II Capit. I, Nr. 20, S. 51. Danach immer wieder: Capitulare missorum, c. 7, MGH LL II, Capit. I, Nr. 40, S. 115; Capitulare Boboniense, c. 10, ibid., Nr. 74, S. 167; Capitulare Mantuanum, c. 7, ibid. Nr. 90, S. 190. So u. a. c. 3 des Pactum Veneticum, das wohl eine allgemeine Regel enthielt, MGH LL II, Capit. II/1, Nr. 233, S. 130, S. 134, dt. Anhang Nr. 17.

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untereinander an eigene Richter. Aber wie erwähnt, wird im Frankenreich jedenfalls subsidiär fränkisches Recht und Gerichtszugang zum Königsgericht für die unter dem Königsschutz stehenden fremden Kaufleute gegolten haben. Den mercischen Kaufleuten wurde dieser Zugang ausdrücklich als Privileg unter der Bedingung der Gegenseitigkeit eingeräumt. So entwickelte sich in diesem Punkt die jeweilige innere Regelung zu einem gemeinsamen Rechtsstandard des Kaufleuterechts.

e. Pactum Veneticum Die im Brief an Offa genannten Regelungen sind allgemein und zudem dürftig. Wesentlich eingehender werden Fragen zum Handel im Pactum Veneticum Lothars I. von 840 geregelt.36 Die Urkunde umfaßt 35 capitula. Sie befaßt sich nicht nur mit Fragen des Handels und der Behandlung der Kaufleute, sondern auch mit der Beistandspflicht gegen die Slawen und mit Regelungen über die Auslieferung von Flüchtlingen. Wie bereits dargelegt, enthielt das pactum wahrscheinlich eine Reihe von Regelungen aus älteren Rechtsinstrumenten, vor allem auch des Friedensvertrages zwischen Karl dem Großen und den griechischen Kaisern Nicephorus, bzw. Michael I. Das könnte vor allem für die handelsrechtlichen Regelungen zutreffen. Da Venedig seit 810 wieder zum Herrschaftsbereich der byzantinischen Kaiser gehörte, mußten der Zugang und die Möglichkeiten im Lande bzw. auf den Flüssen und auf dem Meer für beide Seiten, d. h. für Venedig einerseits und die oberitalienischen Städte andererseits bzw. das ganze Frankenreich geregelt werden. Einen freien und offenen Zugang gab es für Kaufleute anscheinend nicht, jedenfalls war er nicht geboten. Auch ihre freie Bewegung innerhalb des Frankenreiches war nicht ohne weiteres gegeben. Man muß wohl von gegenseitig geschlossenen Bereichen ausgehen. Die Pactums-Urkunde wurde zwar von Lothar I. ausgestellt, beruhte aber auf vorhergegangenen Abreden beider Seiten, d. h. der Venezianer und der umgebenden kaiserlichen und päpstlichen Nachbarorte. Es können inhaltlich drei Abschnitte unterschieden werden. Sie werden in der Literatur verschiedenen Ursprüngen zugeordnet. Nur ein Teil stamme von Lothar selbst.37 Da die Pactums-Urkunde neben der des Pactum Hludovicianum den einzigen Pactums-Text darstellt, ist sie später im einzelnen zu analysieren. 38 Hier soll lediglich auf die Handelsregelungen eingegangen werden. Eine erste Handelsregelung enthält c. 3. Christen aus dem Dukat sollen nicht als Sklaven gekauft oder verkauft werden. Die zentralen Regelungen für den Handel sind in c. 16 und 17 enthalten. Sie enthalten die Vereinbarungen über Zölle und Abgaben. Vor allem statuieren sie das freie und ungehinderte Befahren der Flüsse auf kaiserlichem und päpstlichen Gebiet durch die Venetianer und des Meeres durch die kaiserliche Seite. Kapitel 16 legt fest, daß der Handel zwischen den Parteien erlaubt sei, und die Kaufleute nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit gleicher Rechte ihre alten Rechte bewahren. In Kapitel 17 wird den Kaufleuten Venedigs der Zugang durch die Häfen Lothars und die Flüsse gewährleistet, wobei das ripaticum, das heißt der Küstenzoll, 36 37 38

Anmerkung 35. Dazu eingehend Cessi, Pacta. Unten S. 417ff.

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und der transiturus, auf Flüssen, d. h. der Flußzoll, nur nach alter Gewohnheit erhoben werden dürfen. Auch wird Rechtsschutz bei Hinderung gewährt. Es wird den homines vestri (Venedigs) erlaubt per terram ambulandi vel flumina transeundi, ubi voluerint. Im Gegenzug wird ein solches Recht homines nostri (Lothars) per mare eingeräumt. Die Regelungen über Handel und Zugang wurden ergänzt durch Regelungen über die Durchsetzung des Rechts. Kapitel 19 betrifft die Rechtsprechung. Dabei wurde offenbar auf eine schnelle Entscheidung Wert gelegt. Denn ein Urteil soll binnen einer Frist von 14 Tagen ergehen. Zur Durchsetzung der Rechtsprechungspflicht hat der Rechtssuchende ein Pfändungsrecht gegen den säumigen Richter. Kapitel 23 ff. betreffen die Rechte Venedigs zur Schiffahrt, Weidenutzung etc. auf den Gebieten der kaiserlichen Seite. Es handelt sich dabei insbesondere für die Venezianer um eine zentrale Bestimmung, weil sie den freien Zugang zum Landhandel eröffnet.

f. Seerecht In Kapitel 17 des Pactum Veneticum werden Grundsätze seerechtlicher Regelungen sichtbar. Das Meer, nicht nur die Häfen, scheint, wie das Land und seine Flüsse, als geschlossenes, der Herrschaft der Küstenmacht Byzanz, bzw. Venedigs, unterworfenes Gebiet angesehen worden zu sein. Es wird vertraglich für die Kaufleute etc. der anderen Seite freigegeben.39 Hier scheint das mittelalterliche Recht, oder doch das Verhalten der Beteiligten von dem römischen Grundsatz, daß das Meer res nullius und daher für alle offen zugänglich sei, abzuweichen, jedenfalls für die Adria. Das Meer konnte in der damaligen Zeit offenbar ebenso der Herrschaft unterworfen werden wie das Land. Denn in dem letzten Satz geht es offenbar nicht um den Zugang zu den Häfen oder nur um diesen, sondern um das Befahren des Meeres selbst. Das unterscheidet die Situation von der Offas. Aus dem Brief Karls des Großen an diesen ergibt sich nur eine Regelung für die Häfen des Frankenreiches, die wieder für englische Kaufleute geöffnet werden, allerdings auch hier wiederum nach alter Gewohnheit. Zwar bekämpfte Karl der Große die Sarazenen als Piraten. Da diese, wie die Wikinger, aber vor allem auch die Küstenstriche zum Teil bis weit ins Landesinnere überfielen und beraubten, handelte es sich dabei zumindest ebenso sehr um den Schutz des Landes und seiner Landbevölkerung wie der Schiffahrt. Von einem entwickelten oder auch nur in den Grundlagen einigermaßen faßbaren Seerecht kann für unsere Epoche wohl noch nicht gesprochen werden.40

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De ripatico vero et transiturus fluminum stetit, ut secundum antiquam consuetudinem debeamus tollere per portus nostros et flumina et nullum gravamen vel violentiam fatiamus; etsi factum fuerit (et) ad nostram notitiam pervenerit, ab eis fatiamus exinde iustitiam facere. Et homines vestri licentiam habeant per terram ambulandi vel flumina transeundi, ubi voluerint; similiter et homines nostri per mare. Pactum veneticum, MGH LL II, Capit II/1, S. 133, dt. Anhang 17. Die Ausführungen bei Grewe, Epochen, S. 157 setzen auch erst im Hochmittelalter an. Das zeigt erneut, daß das achthundertjährige Mittelalter völkerrechtsgeschichtlich nicht als eine geschlossene Periode behandelt werden kann.

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Allgemeine Verkehrsbeziehungen

V. F l ü ch tl i n g e a. Kategorien Zu unterscheiden sind zwei Kategorien von Flüchtlingen. Die erste setzte sich aus solchen zusammen, die aus politischen, religiösen und anderen Gründen in das Frankenreich oder aus diesem in ein Nachbarland flohen, wie die Frau und Kinder Karlmanns, des Bruders Karls des Großen, zu Desiderius. Politische Flüchtlinge waren i. d. R. Mitglieder des Adels oder der Hierarchie der Kirche, in einigen Fällen auch vertriebene Könige. Die zweite Gruppe umfaßte Sklaven etc., die ihrer Herrschaft weggelaufen waren, oder Personen, die sich in ihrem Land der Gerichtsbarkeit entziehen wollten und im Frankenreich ihre Freiheit zu finden hofften. Beide Kategorien wirkten auf die Zwischen-Mächte-Beziehungen des Frankenreiches ein. In den Rechtsvorschriften und auch den Berichten werden beide Kategorien auch unterschieden. Sie haben unterschiedlichen Status und die Zwischen-Mächte-Regelungen behandeln sie verschieden.

b. Politische und religiöse Flüchtlinge Zur ersten Kategorie gehörten u. a. Flüchtlinge aus England, genauer Mercien, die von dort wegen drohender Todesstrafen in das Frankenreich gekommen waren. Karl der Große hatte sie nach Rom geschickt, um ihren Fall dort entscheiden zu lassen.41 Sie genossen offenbar ein, wenn auch beschränktes, Gastrecht am Hofe Karls des Großen.42 Aber dieser forderte Offa verschiedentlich auf, diese Leute wieder zurückkehren zu lassen. Das kann sich auch auf König Egbert von Wessex beziehen, der 789 Zuflucht und besonderen rechtlichen Schutz am Hofe Karls des Großen nach Vertreibung durch Offa gefunden hatte. Zu nennen ist auch der northumbrische König Eardulf, der zunächst bei Karl und dann beim Papst Zuflucht suchte. Zu einem besonderen rechtlichen Status führte die Asylsuche des gestürzten Dänenkönigs Harald oder Heriold, der zum Vasallen Ludwigs des Frommen angenommen wurde. Auf Grund dieser Bindung und für dessen Wiedereinsetzung führte der Kaiser sogar Krieg gegen die dänischen Könige.43 Unter bestimmten Umständen wurden anscheinend auch Gruppen religiöser Flüchtlinge in das Reich aufgenommen und mit besonderen Privilegien ausgestattet. So gewährten Karl der Große und Ludwig der Fromme einer Gruppe christlicher Spanier Asyl, die offenbar in Spanien unterdrückt worden waren. Sie erhielten Siedlungserlaubnis, fränkischen Rechtsstatus und eine gewisse Autonomie in der Rechtswahrung.44 In allen Fällen war aber nur internes königliches Recht maßgebend. 41 42 43 44

Brief an Offa, MGH Epp. IV Nr. 100, S. 145, dt. Anhang Nr. 1. Einhard, Vita Caroli, c. 21. Oben S. 224f. Praeceptum pro Hispanis Karls des Großen von 812, MGH LL II Cap. I, Nr. 76, S. 169, Ganshof, L’étranger, S. 10 u. S. 34.

Nachbarschaft

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c. Andere Flüchtlinge Für die zweite Kategorie wurden wieder beide Ebenen des internen wie des vereinbarten Zwischen-Mächte-Rechts wirksam. Im internen Recht sah u. a. ein Kapitular Pippins für Italien von 790 in Kapitel 16 vor, daß Flüchtlinge aus Benevent, Spoletto, Romania und der Pentapolis ut redantur et sint reversi ad proprium locum.45 Eine spätere Bestimmung Karls des Großen legte fest, daß Flüchtlinge, die gegen die kaiserliche Anordnung durch das Land zogen und sich versteckten, post praeteritum tempus suscepit aut retinuit bannum dominicum componat.46 Vereinbarte Regelungen finden sich wiederum im Pactum Veneticum von 840. Es enthält ausdrückliche und differenzierte Auslieferungsregeln in den c. 2 und 5 sowie 10 bis 12. Ausgenommen c. 5 gehören sie, folgt man Cessi, zu dem älteren Bestand eines Vertrags von Ravenna von 807 und des fränkisch-byzantinischen Vertrages von 812. C. 2 enthält die allgemeine fränkische Verpflichtung, venezianische Flüchtlinge auszuliefern. Dem korrespondiert c. 5 mit der venezianischen Verpflichtung, fränkische Flüchtlinge zurückzugeben.47 Sie waren mit all ihren Sachen gegenseitig zu überstellen. C. 5 soll aber erst 840 eingefügt worden sein. C. 10–12 betreffen flüchtige Sklaven und Sklavinnen (servi/ancille). Diese Bestimmungen sind als gegenseitige Verpflichtungen formuliert. Der Richter (iudex), der die Auslieferung vollzieht, soll einen Goldsolidus für jeden erhalten. Verweigert er aber die Auslieferung und der Sklave entflieht, hat er 72 solidos zu erlegen. Es werden dann weitere Bestimmungen darüber getroffen, wie bei Zweifeln zu verfahren sei, d. h. wie Beweis zu erbringen ist.48 Die genannten internen wie vereinbarten Auslieferungsregelungen betrafen Flüchtlinge aus bestimmten Gegenden. Ob die Auslieferung derartiger Flüchtlinge eine allgemeine Pflicht war, oder, wie heute, einer Vereinbarung bedurfte, läßt sich endgültig nicht entscheiden. Aber Regelungen über ihren Rechtsstatus im Frankenreich finden sich auch nicht. Blieben sie dort Sklaven? Aber wem „gehörten“ sie?

VI. Nachbarschaft Über die nachbarschaftlichen Austauschbeziehungen ist wenig überliefert. Lediglich wiederum das Pactum Veneticum enthält einige Regelungen über Holzungs- und Weiderechte der Venezianer auf fränkisch-italischem Gebiet in c. 24, 25, 28–30.49

45

46 47 48 49

MGH LL II, Cap.I, Nr. 95, S. 201. Diese internen Regelungen können auf einer vorhergehenden Vereinbarung mit den Herzögen von Spoletto und Benevent etc. beruhen; aber das muß offen bleiben. Ansegisi Capitularium lib. III, cap. 60, MGH LL II, Cap I, S. 424. So überzeugend die Zuordnung Fantas, Verträge S. 104. Fanta, ibid., ordnet jedenfalls dieses Kapitel der venezianischen Seite als Verpflichtete zu. MGH LL II, Capit. II/1, Nr. 233, S. 134f., dt. Anhang 17.

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Allgemeine Verkehrsbeziehungen

VI I . Ami c i ti a Die Gesandtschaft des Kaisers Theophilos an Ludwig den Frommen von 839 diente der Bestätigung pacti et pacis atque perpetuae alter utrumque imperatorem eisque subditos amicitiae et caritatis.50 Man kann daraus auf eine in der amicitia der Herrscher begründete Pflicht schließen, den Untertanen des anderen Frieden zu gewähren, das bedeutete aber auch, sie vor den eigenen Untertanen zu schützen. Die amicitia und mit ihr die caritas, die später eingehender zu erörtern sind, ergriffen danach nicht nur das Verhältnis der Herrscher zueinander, sondern auch deren subditos, also die Angehörigen der dem Herrscher unterstehenden Völker. Das deutet sich auch in dem Brief Karls an Offa an. Es läßt sich nicht erkennen, ob deren Angehörige einen, über den allgemeinen Rechtsstatus des Fremden hinausgehenden, besonderen Status im Herrschaftsbereich des jeweiligen amicus hatten.

VI II . W ü r d i g u n g Grundsätzlich sind die Regelungen für die allgemeinen Verkehrsbeziehungen interner fremdenrechtlicher Art. Aber in zweifacher Hinsicht erwuchs aus ihnen eine Allgemeinheit.

a. Paralleles internes Recht Da neben dem fränkischen königlichen Fremdenrecht auch die angelsächsischen, langobardischen und anderen Königsrechte einen derartigen königsrechtlichen Schutz und Frieden für die Fremden gewährten, kann man rückblickend von einem bei allen Völkern geltenden Fremdenrecht sprechen, das auch gegenseitig geübt wurde. Sie stellten also keine gemeinsamen, wohl aber allgemein verbreitete, gegenseitig anerkannte parallele Regelungen dar. Sie entsprachen damit dem Grunde nach strukturell dem römischen Begriff des ius gentium als des bei allen Völkern geltenden Rechts,51 wenn es auch der Zeit selbst am Begriff und der Reflexion fehlte.

b. Verknüpfungen Die Regelungen der allgemeinen Verkehrsbeziehungen weisen zum zweiten ein Ineinandergreifen der internen Ebene und der Zwischen-Mächte-Ebene auf. Je dichter die Beziehungen und der Austausch wurden, desto weniger reichten die internen Regelungen hin. Um der Sicherheit der Verkehrsbeziehungen willen bedurfte es der Vereinbarungen über die Rechte und Pflichten der beiderseitigen Pilger, Kaufleute und auch Flüchtlinge. Das galt insbesondere für die Handelsbeziehungen. Die bilateralen Ver50 51

Ann. Bertiniani ad.a. 839. Zu dem komplexen Begründungsprozeß aus der natürlichen Vernunft und der allgemeinen Erfahrung, nicht etwa aus „Rechtsvergleichung“ im modernen Sinn, Kaser, Ius gentium, S. 5ff.

Würdigung

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einbarungen sicherten vor allem die Wechselseitigkeit der gewährten Rechte und der Pflichten. Bemerkenswert ist, daß dabei mehrfach auf die alten Gewohnheiten des Handels zurückgegriffen wird. Aber damit sind m. E. keine gemeinsamen, also „internationalen“ Gewohnheiten gemeint, sondern die jeweiligen Gewohnheiten der beteiligten Herrschaftsbereiche, Zugänge zu Lande oder in Häfen, Zölle und Abgaben, die in ihnen erhoben wurden, Durchreiserechte etc. Es bestanden Parallelitäten der Regelungen und Gegenseitigkeiten der Verpflichtung, Kaufleuten, Pilgern etc. die jeweiligen eigenen gewohnheitlichen Rechte einzuräumen. Das gilt gerade auch für das „Handelsrecht“. Da es ein „internationales“ Prinzip der Verkehrs- und insbesondere der Handelsfreiheit nicht gab und ein solches wohl kaum mit der politischen Ordnung der Zeit vereinbar war, kann von einem „internationalen Handels- oder gar Verkehrsrecht“ trotz der erwähnten Zwischen-MächteElemente nicht gesprochen werden. Denn es waren keine vorgegebenen, zumindest nicht als solche wahrgenommenen Bestimmungen, sondern jeweils konkret zwischen zwei Partnern vereinbarte Regelungen. Der Handel blieb rechtlich von den Herrschaftsbereichen bestimmt. Handel war notwendig und erwünscht, aber er mußte kontrolliert werden. Handel war bereits nach innen wegen der damit zu verbindenden Einnahmen ein Privileg. Märkte mußten ausdrücklich zugelassen werden. Das galt erst recht für den Fernhandel. Das zeigen die internen Regelungen deutlich. Aber auch die Form der vereinbarten Regelungen deutet in diese Richtung. So erscheint das Pactum Veneticum als einseitige Urkunde Lothars I., wenn es auch auf einer im Proömium ausdrücklich genannten Vereinbarung mit dem venezianischen Dogen beruht.52 Die den Venezianern gewährten Rechte stellten rechtlich in den Rechtskonstruktionen der Zeit Handelsprivilegien des Kaisers dar. Umgekehrt gilt dasselbe.

c. Gemeinsames allgemeines Handelsrecht? Läßt sich von einem gemeinsamen oder doch allgemeinen Recht der allgemeinen Verkehrsbeziehungen sprechen? Es kann wohl davon ausgegangen werden, daß es übereinstimmende Regeln nicht nur im Fremdenrecht, sondern auch im Handelsrecht auch dort gab, wo vertragliche Regelungen fehlten. Für die überwiegenden Handelsströme, vor allem in den vorderen Orient, gab es solche wohl nicht. Es könnte aber auch an der Überlieferung liegen. Es fehlt an Quellen. Sie mögen Gegenstand der Verhandlungen Karls mit Harun gewesen sein, da sie gerade auch von einem Kaufmann geführt wurden. Aber es wird nichts berichtet. Es bleibt bei dem allgemeinen Frieden, der als solcher Handel ermöglichte, wenn er auch wahrscheinlich nicht ganz sicher war. Andererseits braucht sicherer Handel sichere bekannte Regeln. Insgesamt ist angesichts des gegebenen Fernhandels davon auszugehen, daß nach allgemeiner Ansicht aller Handel grundsätzlich möglich sein sollte. Aber wie er vor sich gehen sollte, war allein den jeweiligen Rechtsverbänden überlassen. Für ein konkretes gemeinsames Recht über die zwischen Herrschaftsverbänden vereinbarten oder eventuell durch consuetudo antiqua etablierten Regeln hinaus gibt es in den überlieferten Quellen keine Anhaltspunkte.

52

Pactum Veneticum, Prooemium, MGH LL II, Capit. II/1, S. 130.

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Politische Verkehrsbeziehungen – Gesandtschaften

4. K ap it el: P olit isch e Ve rke hrsbe zie hunge n – G esa n d t sc ha f t e n* I. G es an d t sc h aften u n d K o mmu n i k ati o n Die fränkischen Herrscher und deren Partner bedienten sich in der Regel für die Kommunikation untereinander der Gesandten im weitesten Sinn des Wortes. Herrschertreffen gab es in dieser Epoche nur wenige. Die fränkischen Herrscher von Pippin bis Lothar I. trafen mehrmals sowohl im fränkischen Herrschaftsbereich wie in Rom mit Päpsten zusammen. Zudem empfingen die karolingischen Herrscher abhängige oder unterworfene Herrscher. 755 und 756 kam es wahrscheinlich in Pavia zu Begegnungen Pippins mit dem langobardischen König Aistulf nach dessen Niederlagen. Der dänische König Heriold traf mit Ludwig dem Frommen bei seiner Taufe und bei seiner Kommendation zusammen, und wohl wieder nach seiner Vertreibung aus seinem Königreich. Arabische Herrscher aus Spanien, Fürsten der Slawen von östlich der Elbe erschienen auf den Hoftagen oder in Aachen.1 In diese Kategorie gehören auch die Begegnungen mit den Herzögen Tassilo von Bayern, Hildebrand von Spoletto, den Dogen Willeri und Beatus von Venedig.2 Diese Herrschertreffen gehören zwar auch noch zu den Zwischen-Mächte-Beziehungen, aber da diese Herrscher unter einer Oberherrschaft der karolingischen Könige bzw. Kaiser standen oder sich bei diesen Treffen stellten, bilden sie innerhalb derselben eine eigene Kategorie. Die Quellen enthalten zahlreiche Berichte über den Empfang fremder Gesandtschaften durch die fränkischen Herrscher oder die Entsendung eigener Gesandtschaften zu fremden Herrschern. Es handelte sich dabei i. d. R. nicht um bloße Boten oder Überbringer von Briefen. Sie hatten weiterführende Aufträge.3 Mit dem politischen Macht- und Bedeutungszuwachs des karolingischen Großreiches und der bewußt betriebenen Außenpolitik vor allem Karls des Großen aber auch Ludwigs des Frommen nahm der gesandtschaftliche Verkehr mit den anderen Mächten erheblich zu. Davon war in der Darstellung der Zwischen-Mächte-Beziehungen im zweiten Teil jeweils ausführlich die Rede. Es waren Gesandtschaften, die ad hoc zu bestimmten Zwecken und Anlässen zwischen den Herrschern verkehrten. Ständige Vertretungen, wie sie heute üblich sind, *

1

2 3

Dieses Kapitel beruht in wesentlichen Teilen auf einer von Frau Dr. Marita Baumgarten während ihrer Tätigkeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin verfaßten Ausarbeitung. U. a. Ann. regni Franc. ad a. 814, 823; dazu Ganshof, Relations, S. 2ff. mit weiteren Aufzählungen S. 3, Fußnote 5. Ann. regni Franc. ad a. 757, 787, 779, 806. So erhielt Angilbert, der 796 den Brief Karls des Großen an Papst Leo III. anläßlich dessen Erhebung zum Papst überbrachte, Alcuini epp., Nr. 93, MGH Epp. IV, S. 136, dt. Anhang Nr. 11, ein Beglaubigungsschreiben, Alcuini epp., Nr. 92, MGH Epp. IV., S. 135; die Gesandten, die 810 bzw. 813, die Schreiben Karls des Großen an die Kaiser Nicephorus Epp. Var. Carol., Nr. 32, MGH Epp. IV, S. 546 und Michael I., Epp. Var. Carol., Nr. 37, MGH Epp. IV, S. 555, dt. Anhang Nr. 2 und Nr. 3, überbrachten, hatten auch den Auftrag zu verhandeln, bzw. die Friedensurkunde von Michael I. entgegenzunehmen.

Gesandtschaften und Kommunikation

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gab es nicht. Auch bei den Gesandtschaften und ihrem Status lassen sich Unterschiede zwischen solchen gleichrangiger und solchen abhängiger Herrscher feststellen.4 Die Kommunikation durch Gesandtschaften vollzog sich im Kern einerseits durch die mündlichen oder schriftlichen Botschaften, die die Gesandten des Entsenders dem Empfänger überbrachten oder von diesem wieder mit zurücknahmen, und andererseits durch den Austausch mit dem Empfänger, vor allem durch die Verhandlungen. Diese Botschaften waren sehr vielfältiger Art, Anfragen, Bitten, Erklärungen, die Geltendmachung oder Ablehnung von Ansprüchen, die Erklärung von Krieg, die Bitte um Frieden etc. etc. Gesandtschaftliche Kommunikation verfolgte insofern einen Zweck, der aber nicht nur politisch sein mußte, sondern auch religiöser, freundschaftlicher oder sonstiger Art sein konnte. Aber die Kommunikation umfaßte damals wie heute eine Fülle von weiteren Elementen und Ausdrucksformen oder -ebenen.5 Schon die Tatsache, daß überhaupt ein Gesandtenaustausch stattfand, signalisierte etwas. Das wird besonders deutlich, wenn der Adressat eigentlich nicht zum unmittelbaren Umfeld und Interessengebiet des karolingischen Herrschers gehörte, so die Entsendung von Gesandtschaften an den Kalifen in Bagdad. Die Auswahl der Personen für die Gesandtschaften sagte etwas über die Wertschätzung des Empfängers durch den karolingischen Herrscher aus. Auf dessen Seite brachten Art und Ort des Empfanges zum Ausdruck, wie er den Absender einordnete und zu dem Kontakt stand. Gemeinsame öffentliche Handlungen während des Aufenthaltes, insbesondere Gastmähler und Austausch von Geschenken, aber auch gemeinsames Gebet, standen neben den eigentlichen Verhandlungen und hatten für die Außendarstellung grundlegende Bedeutung. Gewiß standen die Botschaften, die die Gesandten zu überbringen hatten, und die Gespräche und Verhandlungen im Zentrum der Kommunikation. Aber ihre Wirkungen wurden durch die genannten Elemente wesentlich mitbedingt. Kommunikation durch Gesandtschaften gehört den beiden Dimensionen der Kommunikation an, der zweckgerichteten oder interessierten, ebenso wie der sinnstiftenden oder symbolischen.6 Jedoch sind beide nicht eindeutig zu trennen. Denn auch ein Zweck stiftet Sinn und die Symbolik erfüllt einen Zweck. Diese Kommunikation unterlag Regeln für sich selbst, vor allem durch das Zeremoniell, auch bestimmte Rituale, aber auch zu ihrem Schutz gegen Eingriffe von außen, vor allem durch den Schutz der Gesandten. Die Qualität dieser Regeln oder Normen war aber verschieden. Die Regeln für die Kommunikation selbst, so vor allem das Zeremoniell, die Regeln für die Verhandlungen etc. gehören eher in die Kategorie der sozialen Regeln, die auch den Umständen angepaßt und entsprechend verändert werden können. Ihre Nichtbeachtung kann zwar üble politische Folgen, bis hin zu Krieg haben. Aber sie sind doch flexibel gestaltet und werden mit einer gewissen Offenheit gehandhabt. Die Regeln zum Schutz der Gesandten haben einen rechtlichen Charakter, werden gegebenenfalls durchgesetzt und ihre Verletzung wird formell gegen den 4 5

6

Diese Unterscheidung von zwei Klassen findet sich nicht bei Ganshof. Ich folge hier, ohne auf die Forschungsergebnisse in der sehr umfangreichen Literatur einzugehen, Stollberg-Rillinger, Symbolische Kommunikation, passim, mit vielfachen Verweisen auf theoretische Konzeptionen und den Stand der Forschung. Zu dieser Unterscheidung Stolberg-Rillinger, Kommunikation, S. 497.

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Politische Verkehrsbeziehungen – Gesandtschaften

Täter sanktioniert. Die Tötung eines Gesandten verlangt Genugtuung. Der Erfolg der Kommunikation hängt und hing davon ab, ob und wie diese Regeln beider Kategorien eingehalten werden und wurden. Wurden im Extremfall die Gesandten erschlagen, führte das u. U. zum Kriege; wurden sie schlecht behandelt, scheiterte ihr Auftrag, was u. U. auch zum Kriege führen konnte. Die Einhaltung der Regeln, insbesondere im Zeremoniell, hatte und hat insofern konstitutive Wirkung für den Kommunikationsprozeß zwischen einer Gesandtschaft und deren Empfänger, und letzten Endes zwischen diesem und dem, in dessen Auftrag die Gesandtschaft gekommen war. An Mängeln des Zeremoniells konnte u. U. das ganze Vorhaben scheitern. Diese Kommunikationen bildeten daher keine offenen freien Diskurse. Es ging nicht um bloßen Austausch von Positionen. Sie begründeten durch den Vollzug einen politischen und gegebenenfalls auch einen rechtlichen status für die Teilnehmer und ihr Verhältnis zueinander. Es wurden Situationen hergestellt, Beziehungen und Verhältnisse etabliert, konkretisiert, verändert, Möglichkeiten des Handelns eröffnet und andere geschlossen. Scheiterte die Kommunikation, war meist Krieg die Folge. Bereits die Aufforderung zur Kommunikation durch die Entsendung einer Gesandtschaft war nicht belanglos. Eine Ablehnung, sie zu empfangen, ihre Botschaft zu hören, die Antwort zu verzögern oder gar nicht darauf zu reagieren, konnte Krieg bedeuten. Der Empfänger geriet also politisch und u. U. auch rechtlich in Zugzwang. Wurde die Gesandtschaft angenommen, ihr Auftrag angehört und gegebenenfalls in Verhandlungen eingetreten, also die Kommunikation konkretisiert und fokussiert, konnte schon dadurch ein erheblicher Wandel der Beziehungen eintreten. Das gilt erst recht, wenn Ergebnisse erzielt wurden. Am nachdrücklichsten und mit sehr langfristigen Folgen trat dies durch die laudes der byzantinischen Gesandten für Karl den Großen in der Basilika in Aachen 812 am Ende der Verhandlungen um den Friedensvertrag ein, der zu dem Zeitpunkt zwar fertiggestellt aber noch nicht Kraft gesetzt war. Andere Beispiele sind vor allem die Kriegsgesandtschaften. Also nicht nur Inhalte, sondern die Erfüllung von Normen, die in der Regel keine Rechtsnormen waren, sondern Spielregeln, Rituale, konventionelle Normen z. B. Gastmähler, Austausch von Geschenken etc., waren und sind noch heute für das Gelingen dieser Form einer institutionalisierten Kommunikation Voraussetzung. In unserer Epoche waren ihre Elemente gestützt auf eine lange Tradition stark ausgeprägt. Das war umso notwendiger, als sich der Gesandtenverkehr zwischen den karolingischen Herrschern und den anderen Mächten ausdehnte und verstärkte.

II . Fr än k i sc h e H er r s ch er u n d P äp s te a. Zeremoniell am fränkischen Hof Für die Treffen zwischen den karolingischen Herrschern und den Päpsten gab es in unserer Epoche keine Tradition. Daher mußte das Zeremoniell erst entwickelt werden. Dafür werden Absprachen getroffen worden sein.7 Das Zeremoniell, oder die Rituale,

7

Althoff, Rituale, S. 42.

Fränkische Herrscher und Päpste

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waren im Frankenreich anders als in Rom ausgestaltet. Dort gab es zudem Traditionen in den Begegnungen der Päpste mit oströmischen Kaisern und deren Repräsentanten, den Exarchen. Darin drückten sich unterschiedliche Einschätzungen des Verhältnisses aus. Es gab insgesamt fünf Treffen karolingischer Herrscher von Pippin bis Ludwig dem Frommen und seinen Söhnen mit Päpsten im Frankenreich, 753/54 in Ponthion, 799 in Paderborn, 804 in Reims, 816 erneut in Reims und 833 auf dem Lügenfelde. Denn da es wegen des Reisekönigtums der karolingischen Herrscher keinen zentralen Ort des Hofes gab, fanden die Treffen an verschiedenen Orten im Reich statt. Schon das unterschied die Treffen im Frankenreich von denen in Rom oder auch zwischen Päpsten und oströmischen Kaisern in Konstantinopel. Das Zeremoniell ist von Achim Hack eingehend untersucht, in allen Verästelungen dargestellt und in unklaren Punkten auch in Auseinandersetzung mit der Literatur geklärt worden.8 Er stützt sich sowohl auf fränkische als auch auf päpstliche Quellen.9 Allerdings unterscheiden sich die fränkischen und die päpstlichen Quellen in der Darstellung der Zeremonien im Frankenreich.10 Aus der Zusammenschau dieser Berichte ergibt sich ein Grundschema des Ablaufes. Wenn der König oder Kaiser Nachricht von der Ankunft des Papstes an der Grenze erhielt, sandte er ihm eine Empfangs- und Geleitsgesandtschaft hoher Würdenträger entgegen. Das war auch 753 und 799 der Fall, obwohl Stephan II. und Leo III. bereits in Italien jeweils von einer fränkischen Gesandtschaft begleitet worden waren. Es folgte eine zweite Gesandtschaft unter der Leitung eines Familienmitgliedes, i. d. R. eines Sohnes, 816 des Neffen Ludwigs, Bernhard, der zu der Zeit noch König von Italien war. Diese zweite Gesandtschaft zog dem Papst eine weite Strecke, 753 werden hundert Meilen genannt, entgegen. Schließlich machte sich der König oder Kaiser mit der ganzen Familie und einem sehr großen Gefolge der weltlichen und geistlichen Großen, ein solches begleitete auch den Papst, auf den Weg, um den Papst in dem vorgesehenen Ort zu empfangen oder einzuholen. Er traf dort vor dem Papst ein. Wenn dieser nahte, zog der König oder Kaiser wiederum mit Familie und Großen dem Papst auf einige Meilen entgegen. Eine feste Entfernung scheint es aber nicht gegeben zu haben. Genannt werden zwischen ein und drei Meilen. Es wurde wohl eine große Empfangsaufstellung genommen. Wenn der Papst erschien, stieg der Herrscher vom Pferd, wohl auch der Papst, warf sich mit seiner ganzen Familie und wohl auch den Großen vor ihm in einer vollständigen Proskynese nieder und verehrte ihn, es wird der Begriff adoratio verwendet, auch mit einem Fußkuss. Es wird in einigen Quellen von einer dreimaligen Niederwerfung berichtet. Der Papst verrichtete über das kniende Volk Gebete. Ermoldus berichtet, daß der Papst Ludwig den Frommen demütig auf8

9

10

Hack, Empfangszeremoniell, S. 409 ff. Zum Treffen Karls–Leo III. 799 ders. Zeremoniell passim. Fortsetzer der Fredegarchronik, Reichsannalen, die sogenannten Einhardannalen, die Annales Bertiniani, die Biographien Thegans und des Anonymus über Ludwig den Frommen, die Lobgedichte eines Anonymus auf Karl den Großen und Leo III. und von Nigellus auf Ludwig den Frommen, die Berichte über die betreffenden Päpste im Liber Pontificalis. Für die Zusammenkunft Pippins mit Stephan II., Althoff, Rituale, S.43 ff., der in diesen Unterschieden unterschiedliche Interessen sieht.

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Politische Verkehrsbeziehungen – Gesandtschaften

hob, was aber generell zum Ritus gehört haben wird. König und Papst umarmten und gaben sich den Friedens- und Bruderkuß, wie es für 799 heißt, unter Tränen. Dann wurde vom Papst das Gloria in excelsis Deo angestimmt und wurden geistliche Hymnen Gott zu Ehren gesungen, sowie laudes für Christus und Fürbitten an die Heiligen für König und Papst, das Frankenreich und seine Stände.11 Danach zogen alle unter geistlichen Liedern und Hymnen zu der Pfalz oder dem Hofgut. Ob dabei der König oder Kaiser bei jedem Besuch das Pferd des Papstes, das dieser wieder bestiegen hatte, am Zügel führte, also den sogenannten Stratordienst leistete, ist fraglich. Es wird nur für 753 berichtet und wird auch dafür von Hack in Frage gestellt.12 In den beiden Lobgedichten heißt es, König bzw. Kaiser und Papst seien Hand in Hand zur Pfalz geschritten. Dort fand noch ein Gottesdienst in der Kapelle statt. Später wurden Gastmähler gehalten, zu denen sich König oder Kaiser und Papst wechselseitig einluden. Dabei wurden auch Preisansprachen gehalten sowie große und üppige Geschenke ausgetauscht. Danach begannen in der Regel die Beratungen über die Gegenstände, die den Besuch des Papstes veranlaßt hatten. Darüber gibt es jedoch keine Nachrichten. Auch der Abschied vollzog sich in höchst ehrenvollen Formen. Auf welchen Gründen Unterschiede der Darstellungen auch für die einzelnen Besuche beruhen, die aber nie widersprüchlich sind, sondern sich gegenseitig bestätigen, muß offen bleiben. Unter normativen Gesichtspunkten ist jedoch von Bedeutung, daß dieses Zeremoniell für die erste Zusammenkunft 753 erst entwickelt, d. h. aber, wie Althoff bemerkt, wohl vereinbart werden mußte. Weniger bedeutsam ist hingegen, ob es bei allen Treffen in gleicher Weise tatsächlich vollzogen wurde, inwieweit es Abweichungen in Details gab, ob die jeweiligen Berichterstatter und Autoren den jeweiligen wirklichen Ablauf vollständig wiedergegeben, vielleicht ausgeschmückt und sogar etwas hinzugefügt haben. Letzteres könnte u. U. in den beiden Lobgedichten der Fall sein.13 Maßgeblich ist, daß sich bei allen Autoren das Grundschema feststellen läßt. Das wiederum ermöglicht den Schluß, daß es normativen Charakter hatte, oder ihm ein solcher jedenfalls zugesprochen wurde. Dieses Zeremoniell aber war, jedenfalls in seinem ersten Teil bis zum Gottesdienst, in der Pfalzkapelle eindeutig auf den Papst als Vikar des Apostels Petrus, d. h. also seine geistlich-religiöse Stellung bezogen. Die Einholung, insbesondere ihr zentraler Akt der Begegnung von König und Papst war gottesdienstlicher Art. Zwar wurde der Papst geehrt und adoriert, aber das galt dem Grunde nach dem Apostelfürsten und letztlich Gott selbst. Hier vollzog sich im Grunde kein Herrschertreffen, sondern eine 11

12

13

„Christus vincit, Christus regnat, Christus imperat“, Laudes regiae, Psalter Karls des Großen, Psalle Modulamina, Hrsg. Abtei Königsmünster Meschede anläßlich der Ausstellung „Kunst und Kultur der Karolingerzeit“, Paderborn 1999. Hack erwägt, daß die Nachricht in der Lebensbeschreibung Stephans II. im Liber Pontificalis eine spätere Interpolation in der Papstzeit Pauls I. sein könne, die in Zusammenhang mit der in dieser Zeit entstandenen Fälschung der Konstantinischen Schenkung, in der ebenfalls vom Stratordienst Konstantins die Rede ist, stehen könnte, Empfangszeremoniell, S. 434 ff. Zu diesen Problemen des Verständnisses der verschiedenen Texte ausführlich und differenziert Hack, Empfangszeremoniell S. 409 ff. Zum Karlsepos zuletzt in Auseinandersetzung mit älterer Literatur, Schaller, Aachener Epos, passim; Hack, Zeremoniell, S. 22 ff.

Fränkische Herrscher und Päpste

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religiöse Begegnung, die einen epiphanieartigen Charakter hatte, mochte es danach auch um weltliche Angelegenheiten gehen. Das machen das päpstliche Gebet, das Gloria, die laudes und die geistlichen Hymnen auf der Prozession in die Pfalz und der abschließende Gottesdienst unmißverständlich deutlich. Erst der zweite Teil, der mit dem Gastmahl begann, hatte auch weltlichen Charakter.

b. Treffen in Rom Karl der Große traf in Rom mit den Päpsten Hadrian I. in den Jahren 774, 781 und 786/87 sowie Leo III. im Jahre 800 zusammen. Lothar I. reiste im Jahre 826 im Auftrag seines Vaters Ludwigs des Frommen nach Rom. Eine für das Jahr 837 von Ludwig dem Frommen geplante Romfahrt kam nicht zustande.14 Berichte liegen aber nur für die Einholungen von 774 und 800 vor. Darstellungen späterer Einholungen fränkischer und deutscher Herrscher im Mittelalter können nicht ohne weiteres zurückprojiziert werden. Da Traditionen aus der Verbindung mit den oströmischen Kaisern bestanden, wurden diese offenbar auch auf den Besuch Karls, jedenfalls dem Grunde nach, angewandt. Karl entschloß sich während der Belagerung Pavias 774, Ostern in Rom zu feiern. Die Reichsannalen sprechen von einer Einladung des Papstes.15 Der Liber Pontificalis berichtet wie folgt.16 Als Hadrian I. von seinem Nahen hörte, schickte er ihm in magno stupore et extasi deductus universos iudices als Empfangsgesandtschaft dreißig Meilen vor die Stadt nach Nobas entgegen, die ihn dort mit Bannern einholten. Als er ungefähr eine Meile vor Rom war, empfingen ihn universas scolas militiae sowie Knaben, die Palmen- und Olivenzweige trugen, die laudes sangen und ihm Akklamationen zuriefen. Ihm wurde das Kreuz zur Verehrung entgegengebracht, wie es ausdrücklich heißt sicut mos est exarchum aut patricium suscipiendum, eum cum ingenti honore suscipi fecit. Karl stieg vom Pferde. Dann ging er mit seinen Großen, iudices, zu Fuß zu den Stufen der Petersbasilika. Dort war der Papst mit seinem gesamten Klerus und dem Volk versammelt, um den König und Patricius zu empfangen. Beide umarmten sich und gingen Hand in Hand aus der Vorhalle, atrium, in die Basilika, aula. Vom Klerus und den Anwesenden wurde gesungen Benedictus qui venit in nomine domini. Papst, König und alle anderen begaben sich zur Confessio des hl. Petrus, knieten vor ihr nieder und priesen Gott und den Apostelfürsten und baten Gott auf Fürsprache Petri um den Sieg. Von einer Proskynese und einem Fußkuss Karls bei dem Papst wird nichts berichtet. War Hadrian I. bei dieser Begegnung mehr der Herr Roms als der Bischof der Kirche? Das Zeremoniell des Jahres 800 wich davon an einer entscheidenden Stelle ab. Für diesen Besuch berichten die Reichsannalen ausführlicher. Leo III. kam selbst Karl 12 Meilen vor der Stadt nach Mentana entgegen, hielt gemeinsam mit ihm Mahl und kehrte dann in die Stadt zurück. Dort empfing er den König am nächsten Tag auf den Stufen von St. Peter. Auch hier war das Volk Roms versammelt. Es wurde dem König Lob 14 15 16

Ann. Bertiniani ad a. 837. Ann. regni Franc. ad a. 773. Vita Hadriani, Liber Pontificalis I, S. 496 ff.

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Politische Verkehrsbeziehungen – Gesandtschaften

gesungen und er wurde nach gemeinsamen Gebet und Gesang in die Kirche und wohl auch zur Confessio geleitet.17 Der Empfang vor der Stadt entsprach dem des oströmischen Kaisers Konstans II. 663, dem der Papst Vitalian sechs Meilen entgegenzog. Daher wird in Leos III. Empfang ein Hinweis auf die Erhebung Karls zum Kaiser gesehen. Aber der Bericht der Annalen ist in jedem Fall erst nach der Kaisererhebung Karls entstanden, kennt diese also und könnte daher rückblickend den Empfang durch Leo III. entsprechend konstruiert haben. Auch dieses mal gab es keine Proskynese und keinen Fußkuss für den Papst. Auch dieses Zeremoniell ist wesentlich religiös bestimmt. Jedoch tritt der Papst hier eindeutig als Herr Roms auf. Ein Hauptgeschäft Karls 774 war die Bestätigung der Schenkung Pippins, also der weltlichen Herrscherstellung des Papstes. 800 geht es um die Sicherung eben dieser wackelig gewordenen Herrscherstellung Leos III. durch den fränkischen König. So galten die religiösen Zeremonien auch nicht dem Papst, sondern dem Kreuz, Gott und dem hl. Petrus direkt.

c. Würdigung Obwohl die Treffen der karolingischen Herrscher mit den Päpsten keine Vorbilder in der fränkischen Geschichte hatten, bildete sich sofort ein festes normatives Zeremoniell heraus. Hack hat dargetan, daß seine Grundstruktur weitgehend dem Zeremoniell entsprach, das bei Einholungen eines Papstes durch den oströmischen Kaiser in Konstantinopel, insbesondere bei der Begegnung selbst angewandt wurde.18 Auch dort gab es – vielleicht überraschend – eine Proskynese des Kaisers vor dem Papst. Wie dieses Zeremoniell in das Frankenreich übertragen wurde, läßt sich zwar, so Hack, nicht feststellen. Aber eine Abhängigkeit oder eine Vorbildfunktion wird nicht zu leugnen sein. Ob es, wie bei der Gestaltung der Liturgie und in anderen religiösen Gestaltungen, Hinweise seitens der Päpste gegeben hat, ist möglich aber nicht zwingend. Es kann jedoch festgestellt werden, daß es eine allgemeine, ja gemeinsame normativ wirkende Gewohnheit für das Zeremoniell der Einholung des Papstes gab. In der Unterschiedlichkeit des Empfangszeremoniells für die Einholungen des fränkischen Königs in Rom drückt sich die unterschiedliche rechtliche Situation beider Akteure in Rom gegenüber der in Franken aus. Diese Treffen hatten eher den Charakter von Herrschertreffen. Denn in Rom traten Hadrian I. wie Leo III. dem fränkischen König nicht nur als Papst, wie in Franken, sondern als Herr der Stadt und des Patrimonium Petri, als dux entgegen, unabhängig davon, wieweit sie bereits vom fränkischen Herrscher tatsächlich oder auch rechtlich abhängig waren. Die starke religiöse Prägung der beiden Zeremonielle war vor allem der besonderen religiösen Stellung des Papstes im ordo der Zeit geschuldet. Aber religiöse Riten gehörten ganz allgemein zu den gemeinsamen, öffentlichen Lebensvollzügen der Zeit, da diese sich grundlegend von der religiösen concordia her als Einheit in der christianitas begriff und begreifen konnte. Sie waren daher nicht feierliches Beiwerk, sondern konstitutiv gemeinschaftsbildend. 17 18

Ann. regni. Franc. ad a. 800. Hack, Empfangszeremoniell, S. 426, zur oströmischen Praxis S. 385 ff.

Fränkische Herrscher und Päpste

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Daher war die Beachtung und Einhaltung der Regeln des Zeremoniells Voraussetzung für den Erfolg der Begegnung; denn in ihnen drückten sich die gegenseitige Achtung und Einschätzung der dignitas des Gegenüber sowie ihre amicitia und concordia als Grundlage ihres gemeinsamen Handelns aus. Erst nach ihrem Vollzug fanden die Gespräche und Verhandlungen über die Sachfragen statt, die Hilfeleistung gegen Aistulf, die Bestätigung der Schenkung Pippins, die Hilfeleistung gegen die römische Fronde, die Erhebung zum Kaiser und das kaiserliche Gericht, die erneute Bestätigung der Schenkungen im Pactum Hludovicianum. Sie eröffneten somit die Möglichkeit der Verhandlung und Einigung, waren insofern auch für diese konstitutiv. Aber als Zeremoniell gehören diese Regeln eher in die Kategorie der Spielregeln, im modernen Völkerrecht der comity, weniger des Rechts. Das mindert die Bedeutung für die Gestaltung des Verhältnisses keineswegs. Mißachtung der Regeln konnte erhebliche negative Folgen haben. Aber es war nicht fixiert, sondern beweglich und anpassungsfähig, wie u. a. die Unterschiede bei den päpstlichen Empfängen 774 und 800 zeigen. Die Bedeutung für das Verhältnis zeigte sich negativ in der Begegnung Ludwigs des Frommen mit Gregor IV. im Jahre 833 auf dem Rotfeld im Elsaß.19 Lothar hatte den Papst in der Auseinandersetzung der Söhne mit dem Kaiser aus Rom mitgebracht. Nach der Vita des Astronomus hatte der Kaiser den Papst aufgefordert zu kommen. Dieser soll nach dieser Quelle allerdings erklärt haben, er sei gekommen, um den Kaiser und seine Anhänger zu exkommunizieren, wenn sie nicht den Ansichten der Söhne, die er unterstützte, folgen. Er hätte dann für den Kaiser der Partei seiner Gegner zumindest nahe gestanden. Als der Papst zu Ludwig kam, empfing dieser ihn an der Spitze des Heeres licet indecentius quam debuit, inputans ei quod ipse sibi talem susceptionem praeparavit, qui inusitato modo ad se veniret. Es fehlten wohl Proskynese und Fußkuss, auch Hymnen und Gesänge sowie die Umarmung. Der Kaiser führte den Papst jedoch in sein Zelt, wo man wohl auch gemeinsam Mahl hielt, Geschenke austauschte und der Papst seinen Wunsch zur Friedensvermittlung anbrachte. Er blieb auch einige Tage bei Ludwig, kehrte dann aber zu den Söhnen zurück. Seine Absicht, Frieden zu stiften, konnte er nicht erfüllen. Der Vorgang zeigt, daß sich das Zeremoniell gebührte, debuit, und seine Verletzung schwere Störungen des Verhältnisses signalisierte oder zur Folge hatte. Auch kündigte sich an, was geschehen konnte, wenn ein Papst in weltlichen Auseinandersetzungen Partei ergiff, eine Beschädigung seiner dignitas.

d. Abhängige Herrscher Über das Zeremoniell beim Erscheinen abhängiger Herrscher auf den Hoftagen oder in Aachen wird nur wenig berichtet. Feststeht nur, daß sie regelmäßig vor dem König oder Kaiser zu erscheinen hatten.

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Ann. Bertiniani ad a. 833, Anonymus, Vita Hludowici c. 48; Hack, Empfangszeremoniell, S. 464 ff.

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Politische Verkehrsbeziehungen – Gesandtschaften

II I . B eg r i ffe a. Begriffe in den fränkischen Quellen Für Gesandtschaften der Karolinger an andere Herrscher werden fast ausschließlich die Begriffe missi und legati verwendet; daneben findet sich der Begriff legatio. Der Begriff legatarius, der besonders in merowingischer Zeit verwendet wurde, erscheint in den karolingischen Quellen nicht mehr.20 Vereinzelt findet sich nuntius, der sich jedoch erst im späteren Mittelalter allgemein für Gesandte durchsetzt.21 Der Anonymus gebraucht ihn synonym zu legatus und missus; er bezeichnet also nicht nur einfache Briefboten 22. Wie schon für den Gebrauch anderer Begriffe, z. B. der vier Begriffe terminus, limes, fines, confinium, lassen sich für die Begriffe missus und legatus in den einschlägigen fränkischen Quellen zum Gesandtschaftswesen deutliche zeitliche und autorenabhängige Unterschiede des Gebrauchs feststellen. Diese Wandlungen im Begriffsgebrauch in den karolingischen Quellen lassen auch eine gewisse Entwicklung der Erfassung von normativen Sachverhalten erkennen. In den Kapitularien wird sowohl für Gesandtschaften des Königs bzw. Kaisers innerhalb des Reiches an die Bischöfe, Grafen und andere Große als auch von anderen Herrschern an einen fränkischen Herrscher als Einheit der Begriff legatio verwendet.23 Die einzelnen Gesandten innerhalb des Herrschaftsverbandes werden stets als missi bezeichnet. 24 Für eigene Gesandte nach außen finden sich in den Kapitularien keine Bezeichnungen. In der Ordinatio Imperii Ludwigs des Frommen von 817 taucht der Begriff legati ... ab exteris nationibus auf.25 In den Chroniken und Annalen findet der Begriff des klassischen Lateins legatus insgesamt häufigere Verwendung als der jüngere Begriff missus, mit zeitlichen Differenzen.26 So spricht das älteste hier ausgewertete Quellenwerk, der Fortsetzer der Fredegarchronik, meist von Gesandtschaften (legatio) und daneben gleichermaßen häufig von missi und legati.27

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Menzel, Gesandtschaftswesen, S. 56; Ganshof, Merowingisches Gesandtschaftswesen, S. 167, Anm. 7; ders., Relations, S. 6 mit gründlichen Nachweisen. Menzel, Gesandtschaftswesen, S. 55; F. Trautz, Art. Gesandte, B. Mittel- und Westeuropa, LMA, Bd. 4, Sp. 1367. Anonymus, Vita Hludowici, c. 5, S. 609; vgl. Abel-Simson, Jahrbücher, Bd. 2, S. 15. So aber Löhren, Beiträge, S. 24. Z. B. Legationis Edictum, MGH LL II, Capit. I Nr. 23, S. 62; Cap. Missorum Generale 802, c. 28, ibid., Nr. 33, S. 96; Cap. Missorum specialia, c. 14, ibid., Nr. 34, S. 101; Admonitio ad omnes regni ordines 823–825, c. 18, ibid., Nr. 150, S. 305, u. v. a. Z. B. Admonitio Generalis Karls des Großen v. 789, Prolog, MGH LL II, Capit. I, Nr. 22 S. 54; ibid., Nr. 23, c. 37, S. 34; Cap. Missorum, Nr. 25, ibid., S. 66; Cap. Missorum Generale 802, cap. 28, ibid., Nr. 33, c. 28, S. 96 und c. 40, S. 99; für Ludwig den Frommen, Cap. Missorum 819, c. 23 und 29 etc ibid., S. 291. u. v. a. Cap. 8, MGH LL II, Capit. I, Nr. 136, S. 272. Löhren, Beiträge, S. 24f.; Menzel, Gesandtschaftswesen, S. 56. Fred. chron. cont., cc. 36, 40, 41, 47, 51 (legatio); ibid., cc. 32, 41 (legatus); ibid., cc. 32, 38, 51 (missus).

Begriffe

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Hingegen verwenden die Reichsannalen bis 795 ausschließlich den Begriff missus.28 Legatus und legatio kommen erst von 796 an vor, während der missus-Begriff danach nur noch dreimal gebraucht wird.29 Ebenso finden mehrfach legationes Erwähnung.30 Diese Zäsur stimmt mit dem Wechsel vom missus- zum legatus-Begriff in den Reichsannalen überein.31 Man griff unter dem Einfluß der karolingischen Renaissance auf den älteren, dem klassischen Latein entnommenen legatus-Begriff zurück.32 Insofern war der „neue“ Sprachgebrauch altertümlich. In zwei der drei bereits erwähnten Fälle, in denen nach 795 der missus-Begriff auftaucht, handelt es sich eher um ein stilistisches Mittel, da in den jeweiligen Satzgefügen von weiteren Gesandten bzw. Gesandtschaften die Rede ist, die jeweils als legati bzw. als legatio bezeichnet werden. Jedoch bleiben die Autoren nach 795, auch wenn mehrere Gesandtschaften erwähnt werden, bei der durchgängigen Terminologie legatus und legatio.33 In der späteren Überarbeitung der älteren Reichsannalen, die zwischen 814 und 817 erfolgte, gebraucht der unbekannte Autor fast durchgehend den legatus-Begriff.34 In den Annales Bertiniani, die zunächst nach 829 von einem unbekannten Romanen aus der Gallia Belgica verfaßt und seit 835 von dem Kaplan Ludwigs des Frommen und späteren Bischof von Troyes Prudentius fortgeführt wurden,35 distanzieren sich die Verfasser bereits wieder vom klassischen Terminus legatus und verwenden die beiden Begriffe missus und legatus nebeneinander. In den literarischen Quellen überwiegt ebenfalls der legatus-Begriff. Einhard spricht in der Vita Caroli ausschließlich von legati, bzw. einmal von einer legatio.36 Da die Vita als eines der bedeutendsten Werke der karolingischen Renaissance gilt, obwohl sie erst

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Ann. regni Franc. ad a. 760, 769, 773, 781, 782, 787, 791, 793–795. Ann. regni Franc. ad a. 803, (missi Karls an Nikephoros); ibid., ad a. 807, S. 123 (missus Karls an den Kalifen von Bagdad Harun al Raschid); ibid., 828 (missi des Papstes an Ludwig); siehe auch Ann. regni Franc. ad a. 796–799, 801–804, 806–808, 810–812, 814–827. Ann. regni Franc. ad a. 796, 798, 804, 808, 810, 812, 814, 817, 824–826, 828, 829. Ohne auf die Diskussion um den Zeitpunkt der Abfassung und die Autorenschaft der einzelnen Abschnitte der Reichsannalen eingehen zu wollen, vgl. Wattenbach, Levison, Löwe, Geschichtsquellen H.2, S. 245–254, und die dort angegebene Literatur, kann im Zusammenhang mit der Terminologie den Ergebnissen von Kurze gefolgt werden, der einen Wechsel in der Autorenschaft um 795 aufgezeigt hat. Dazu auch Bloch, Rezension zu Monod, S. 879ff.; vgl. Wattenbach, Levison, Löwe, Geschichtsquellen, S. 252. Ganshof, Relations, S. 6, hat im Zusammenhang mit der häufigeren Verwendung des legatusBegriffes gerade zum Anfang des 9. Jahrhunderts auf den Einfluß der karolingischen Renaissance hingewiesen. Er hat jedoch zur Beweiskraft seiner These keine nähere Untersuchung der Terminologie vorgenommen. Vgl. grundlegend zur karolingischen Renaissance Braunfels (Hg.), Karl der Große, Bd. 2, besonders die Aufsätze von von den Steinen und Brunhölzl. Vgl. Ann. regni Franc. ad a. 796, 799, 815, 816, 819, 822–824, 826. Wattenbach, Levison, Löwe, Geschichtsquellen H. 2, S. 254–256; Ann. q. d. Einhardi ad a. 781, 782, 786, 787, 790, 794–799 (legatus); ibid., ad a. 760, 769, 773, 781, 786 (legatio). Wattenbach, Levison, Löwe, Geschichtsquellen, H. 3, S. 348f. Einhard, Vita Caroli, c. 16.

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Politische Verkehrsbeziehungen – Gesandtschaften

nach 830 verfaßt wurde,37 ist dies besonders bedeutsam. Auch Thegan verwendet ausschließlich legati.38 Im Unterschied zu jenen Autoren setzt der Anonymus in seiner Vita Ludwigs des Frommen, die er zwischen dem Tode Ludwigs des Frommen und dem Jahre 842 verfaßte, wesentlich häufiger den missus-Begriff ein und löst sich wieder vom klassischen legatus-Begriff. Zwar tritt mit der Darstellung der Kaiserzeit Ludwigs ab 817 legatus daneben, jedoch überwiegt weiterhin missus .39 Die Begriffsverschiebungen sind schwer zu interpretieren. Aber einiges spricht dafür, daß der Übergang zu legatus um den Beginn des 9. Jahrhunderts einem Bemühen um mehr Klassizität im Begriff entsprach, aber auch verbunden mit einer präziseren Unterscheidung zwischen den missi nach innen und den legati nach außen ist. Darauf deutet gerade die einzige Verwendung von legati überhaupt in einem Capitular für die Gesandten fremder Mächte in der Ordinatio Imperii. Es ist dieselbe Zeit, in der die Begriffe terminus und limes vor allem für die Außengrenzen eingeführt wurden. Eindeutig läßt sich das nicht belegen, zumal am Ende eine gewisse Rückkehr zu missus stattfand.40 Aber alle Begriffe haben insofern denselben rechlichen Inhalt, als sie die Gesandten den Herrschern zuordnen, wie die häufig für die fränkischen Gesandten benutze Formel missi, legatio oder legati nostri ebenso zeigt, wie die Formeln, die die jeweiligen Gesandten als solche des in der Regel mit Namen genannten Herrschers bezeichnen. Sie stehen also für den entsendenden Herrscher, auch dort, wo sie selbst als Handelnde genannt werden, wie in dem Bericht der Reichsannalen über den Friedensschluß in der Aachener Pfalzkapelle. Michael I. habe seine Legaten an Karl geschickt et per eos pacem a Nicephorum inceptam confirmavit. Nam Aquisgrani, ubi ad imperatorem venerent, scriptum pacti ab eo in ecclesia suscipientes more suo, id est Graeca lingua, laudes ei dixerunt, imperatorem eum et basileum appellantes.41 Gesandte handeln im Auftrag des Herrschers und vertreten ihn rechtlich. Das wird noch deutlicher in den 37 38 39

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Wattenbach, Levison, Löwe, Geschichtsquellen, H. 2, S. 266–277. bes. S. 273ff. Thegan, Vita Hludowici, cc. 9, 16, 30, 32; ibid., c. 14 (legatio). Anonymus, Vita Hludowici, missus: cc. 8, 23, 25–27, 31, 32, 34, 35, 37, 39, 40, 42, 55, 56.; legatus: cc. 27, 34, 35, 37, 41, 46; ibid., cc. 23, 26, 27, 35, 39, 49 (legatio). Für Gesandte innerhalb des Reiches gebraucht Anonymus ebenfalls beide Begriffe, ibid., cc. 51, 54, 55, 59 (missus); ibid., c. 51, 53 (legatus). Grundlegend Krause, Geschichte, S. 193–300, insbes. S, 222 ff.; Löhren, Beiträge, S. 25, vermutet hingegen, gerade die Einrichtung der missi dominici für den eigenen karolingischen Herrschaftsbereich habe maßgeblich dazu beigetragen, daß sich der missus-Begriff auch für Gesandte an auswärtige Mächte durchgesetzt habe. Er bemerkte hingegen nicht die zeitlichen und autorenabhängigen begrifflichen Unterschiede. Auch Waitz, Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 449, hat diese Differenzierung für Gesandte des Innen- und Außenbereichs nicht gesehen: „Es ist auch nicht etwas ganz und gar Verschiedenes, wenn die Gesandte an auswärtige Fürsten oder andere, die einen ähnlichen Auftrag erhalten, z. B. dem Papst oder sonst angesehenen Fremden im Reich als Begleiter beigegeben sind, gleichfalls missi oder legati heissen. Die Worte bezeichnen eben alle, welche irgend einen ausserordentlichen Auftrag von dem König empfangen haben, mochten diese innere oder äussere Angelegenheiten betreffen, ganz vorübergehend oder von längerer Dauer sein und zu einer schon festeren Stellung führen.“ Ann. regni Franc. ad a. 812.

Partner

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Berichten über den Abschluß mündlicher Verträge zwischen fränkischen und dänischen Gesandten an der Elbe und der Eider.42.

b. Begriffe in den päpstlichen Quellen Im Unterschied zu den fränkischen Annalisten und Biographen wird in den päpstlichen Quellen fast ausschließlich der Begriff missus verwendet. Sowohl für die zahlreich bezeugten Gesandten in den bis zum Jahre 791 reichenden Papstbriefen des Codex Carolinus als auch in den zwischen 801 und 814 verfaßten Leonis III. papae epistolae, ferner in den Papstviten des Liber pontificalis wird missus gebraucht. Nur in Ausnahmen erscheint in den Briefen der Päpste der legatus-Begriff.43 Es handelt sich in diesen Fällen um eigene, päpstliche Gesandte. Gewöhnlich werden jedoch auch die eigenen wie die fränkischen und byzantinischen Gesandten in den päpstlichen Quellen missi genannt. Es könnte insbesondere für die älteren Reichsannalen, die nur missus gebrauchen, und vielleicht auch für die späteren Quellen ein Einfluß des päpstlichen Sprachgebrauchs vorliegen. Dann hätte sich aber gerade die karolingische Renaissance klassischer gegeben als die päpstliche Ausdrucksweise.

IV. P ar tn er a. Gesandtschaftsverkehr mit unabhängigen Mächten Wie bei den direkten Herrschertreffen ist auch bei den Gesandtschaften zwischen den Gesandtschaftsbeziehungen mit den Hauptmächten und denen mit den abhängigen Mächten zu unterscheiden. Die Dichte und Regelmäßigkeit von Gesandtschaften sind ein Zeichen der Intensität und Dauerhaftigkeit der Beziehungen. Die Darlegungen der Beziehungen der Karolinger zu auswärtigen Herrschern haben gezeigt, daß es zwar einen sehr ausgedehnten Gesandtenaustausch gab, dieser jedoch unterschiedliche Dichte mit den einzelnen Herrschern und zu den verschiedenen Zeiten hatte. Am intensivsten und regelmäßigsten war zweifellos der Verkehr mit den Päpsten.44 Der Gesandtenaustausch mit Byzanz erscheint nach den überlieferten Quellen geringer.45 Einen Höhepunkt erlebte er zwischen 810 und 815 bei den Verhandlungen zum Friedensvertrag und eine Weile danach. Seltener wird über Gesandte an oder 42 43

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Ann. regni Franc. ad a. 809, 811. Codex Carolinus, Nr. 14, MGH Epp. III, S. 511, quae per nostros legatos; ibid., S. 633, Nr. 94, qui per legatos et epistolas nostras; Epp. selectae Pont. Rom., Nr. 10, MGH Epp. V, S. 68, atque nostrum legatum Leonem exorcistam (Brief des Papstes Paschalis I. an Ludwig den Frommen im Jahre 818); Engelmann, Legaten, S. 125f. Nachweise i. e. bei Ganshof, Relations, S. 8. Prooemium zum Codex Carolinus, ... ut universas epistolas, quae tempore bonae memoriae domni Caroli avi sui necnon et gloriosi genitoris sui Pippini suisque temporibus de summa sede apostolica beati Petri apostolarum principis seu etiam de Imperio ad eos directae esse ..., MGH Epp. III, S. 476.

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Politische Verkehrsbeziehungen – Gesandtschaften

von anderen christlichen Herrschern berichtet, Aistulf, englischen Königen, Alfons. Zu König Offa von Mercien gab es zwar den mehrfach erwähnten Briefkontakt, aber von Gesandten finden sich in den fränkischen Quellen weder in der einen noch in der anderen Richtung Nachrichten. Allerdings starb Offa schon 796. Hingegen wuchs der gesandtschaftliche Verkehr mit den dänischen Königen ab den achtziger Jahren des 8. Jahrhunderts kontinuierlich an. Allerdings kamen mehr Gesandtschaften der Dänen zu Karl dem Großen und Ludwig dem Frommen, als fränkische Gesandtschaften zu den dänischen Königen bzw. zu Zusammenkünften an der Grenze gingen. Alle drei Karolinger unterhielten zwar gesandtschaftlichen Kontakt mit den Kalifen in Bagdad, aber der Höhepunkt war mit dem Austausch zwischen Karl und Harun erreicht. In Zusammenhang mit diesen Gesandtschaften stand der Austausch mit dem Patriarchen von Jerusalem. Weitere, wenn auch nicht kontinuierliche gesandtschaftliche Beziehungen bestanden mit dem Emir von Cordoba und mit den Bulgaren zur Zeit Ludwigs des Frommen. Man muß also von einer gewissen Konzentration des gesandtschaftlichen Verkehrs auf Rom und Byzanz ausgehen. Die Beziehungen zu den Randmächten blieben, ausgenommen zu den dänischen Königen, mehr sporadischer Art, unterlagen gewissen Schwankungen in der Häufigkeit und Intensität. Es ist jedoch nicht auszuschließen, daß nicht über alle Gesandtschaften gleichermaßen berichtet worden ist. So findet sich in den Reichsannalen kein Wort zu den Beziehungen mit Offa. Die Gründe dafür kennen wir nicht. Aber so kann auch in anderen Fällen geschwiegen worden sein. Auch gibt es verschiedentlich nur allgemeine Nachrichten, daß Gesandtschaften bei einem Hoftag oder anderer Gelegenheit erschienen seien, die nicht näher benannt werden.

b. Gesandtschaftsverkehr mit abhängigen Mächten Der Verkehr mit den insbesondere nach Osten und Südosten jenseits der eigentlichen Grenzen ansässigen abhängigen slawischen Völker vollzog sich ebenfalls über Gesandtschaften, die i. d. R. aber einseitig von diesen zu den fränkischen Herrschern geschickt wurden. Sie kamen mehr oder weniger regelmäßig zu den Reichsversammlungen. In einigen Fällen erschienen die Herrscher selbst.46 Die Abordnungen überbrachten Geschenke oder Tribute, versicherten damit oder auf andere Weise ihre Treue,47 baten auch gegebenenfalls um eine Gunst.48 Sie mußten aber u. U. auch Weisungen entgegen nehmen. Sie erschienen freiwillig oder auch auf Anordnung.49 46 47

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Ganshof, Relations, S. 11, insbesondere Fußnoten 33–35, S. 30f. Ann. regni Franc. ad a. 816, Gesandte der Abodriten; 818, Gesandte verschiedener Völkerschaften; 822 desgleichen; 823 desgleichen; Bretonische Gesandte, Ann. regni Franc. ad a. 825. Z. B. 805 zu Karl dem Großen der Capcan der Awaren um Landzuweisung, sein Nachfolger um die Regelung der Oberherrschaft, Ann. regni Franc. ad a. 805. Z. B. Ann. regni. Franc. ad a. 823, In quo inter ceteras barbarorum legationes, quae vel iussae vel sua sponte venerunt, ... Im gleichen Jahr sandte Ludwig Gesandte an den Abodritenfürst Ceadragus um ihn vorzuladen propter ad eum legati directi sunt, cum quibus ille quosdam ex primoribus gentis suae ad imperatorem misit.

Auswahl der Gesandten

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Auch dies sind aber Gesandtschaften in Zwischen-Mächte-Beziehungen. Denn diese Völker standen zwar unter einer gewissen fränkischen Oberherrschaft, waren in diesem Rahmen aber selbständig.

c. Gesandtschaftsverkehr im Frankenreich Der Gesandtenverkehr innerhalb des Frankenreiches ist nur noch sehr bedingt in Zwischen-Mächte-Beziehungen einzuordnen. Er bleibt daher hier außer Betracht. Zwar fand zwischen den Herzögen Waifar und Tassilo und den Königen ein ständiger Austausch von Gesandtschaften statt, aber dieser war von königlicher Seite stets darauf gerichtet, die Oberherrschaft durchzusetzen und Gehorsam zu fordern.50 Auch die Gesandtschaften zwischen Karl dem Großen und später Ludwig dem Frommen und ihren Söhnen nach deren jeweiliger Erhebung zu Königen mit eigenen Unterkönigreichen waren doch mehr auf die Mitteilung väterlich königlicher bzw. kaiserlicher Wünsche an die Unterkönige gerichtet, mochten diese auch eine gewisse Selbständigkeit haben, z. B. bei der Kriegführung in Spanien oder in Italien. Auch die Gesandtschaften zwischen den Söhnen Ludwigs des Frommen in den dreißiger Jahren des 9. Jahrhunderts, die z. T. der Vorbereitung der Aufstände gegen den Vater dienten oder der Abwicklung etc., gehören eigentlich noch nicht in den Rahmen von Zwischen-Mächte-Beziehungen, wenn sie im Grunde auch das Vorspiel für den Gesandtschaftsverkehr nach dem Tode Ludwigs des Frommen darstellen, als sich die Brüder gleichberechtigt gegenüber standen.51

V. A u sw ah l d er Ges an d ten a. Allgemeines Die Gesandten trugen den Verkehr mit den Partnern. Durch sie wurden die ZwischenMächte-Beziehungen erst konkret, da es andere Kommunikationsmittel nicht gab. Da zahlreiche Nachrichten und Berichte über die Personen sowohl der fränkischen als

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Fred. chron. cont. 124 (41), Herausgabe von Kirchengut, das Waifar beschlagnahmt hatte; Ann. regni Franc. ad a. 787, Aufforderung, sich zum König zu begeben. Für Karl den Großen werden zwar solche nicht ausdrücklich berichtet, wohl aber steht er mit Ludwig in Aquitanien und Pippin in Italien ständig in Kontakt; Ludwig der Fromme an Lothar, Ann. Bertiniani ad a. 834 und ad a. 836, mit der Einladung von Gegengesandten Lothars cum quibus tractari de sui honore atque salute possit; Lothar schickte daraufhin den Abt Wala, mit dem dann sicheres Geleit für Lothar zum nächsten Hoftag vereinbart wurde cum quibus de adventu eius tractatum est ac nostra ex parte firmatum, ut incolomis una cum suis ad patris venire praescutiam et deinceps redire potuisset; sed et a suis similiter sacramentum promissum est, eum ad genitoris sui praesentiam statuto placito absque dilatione venturum. Es wurde also ein Vertrag zwischen beiden durch Lothars Gesandte abgeschlossen; da er wegen Krankheit sich entschuldigte, gingen weitere Gesandtschaften hin und her; Gesandte Ludwigs des Frommen an den Sohn Ludwig, Ann. Bertiniani ad a. 839; Gesandtschaften der Brüder, Ludwig an Pippin, ibid., ad a. 834.

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Politische Verkehrsbeziehungen – Gesandtschaften

auch der fremden Gesandten vorliegen, können Einblicke in die konkrete Führung der Beziehungen zu den verschiedenen Mächten gewonnen werden. U. a. waren Person und Rang eines Gesandten auch damals Ausdruck des Gewichts, das den jeweiligen Beziehungen beigelegt wurde. So ist die Auswahl der Gesandten nicht nur kennzeichnend für die Handlungsweise der Franken, sondern ebenso für die Praxis der gerade auch in der Führung der Außenpolitik weiter entwickelten auswärtigen Mächte Byzanz und das Papsttum, die beide einen bedeutenden Einfluß auf das Frankenreich hatten. In diesen Personen bzw. Personengruppen wird die tragende Schicht der Außenpolitik sichtbar. Es ist anzunehmen, daß jedenfalls auf fränkischer Seite sie nicht nur an der Ausführung, sondern auch an der Formulierung derselben am Hofe mitwirkten. Allerdings haben wichtige Berater, wie z. B. Einhard oder Alcuin anscheinend nie Aufgaben als Gesandte wahrgenommen. Die Gesandten waren grundsätzlich ad hoc-Beauftragte, d. h. ihr Auftrag war konkret und zeitlich begrenzt. Ihre Aufgabe bezog sich jeweils nur auf die Durchführung einer bestimmten Mission.52 Es scheint nach den Berichten der Quellen, daß die Mehrzahl der Gesandten nur einmal eine Gesandtentätigkeit übernommen hat.53 Aber auch insoweit muß man von Lücken in den Berichten ausgehen. Die Personen, die nach den Quellen drei oder mehrere Male entsandt wurden, bilden eine kleine Gruppe. Der soziale Stand der Gesandten richtete sich zum einen nach der Wichtigkeit des zu verhandelnden Gegenstandes, zweitens nach der Art des Auftrages, d. h. ob es sich um eine eher politische oder eher kirchliche Mission handelte, und drittens nach der Bedeutung der jeweiligen Macht, mit der man verhandelte oder in Beziehung trat.54 Beispielsweise wurden bei einigen besonders wichtigen Gesandtschaften Verwandte des Herrscherhauses eingesetzt.55 Die Bedeutung der Gesandtschaft zeigte sich ferner in ihrer Größe. In der Regel wurden die Missionen von einem – oder, was häufiger vorkam – von zwei Gesandten ausgeführt, denen Begleiter beigegeben waren. Drei und mehr Personen waren Ausnahmen und deuten in der Regel auf Missionen von besonderer Wichtigkeit hin.

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Krause, Geschichte, S. 195; Rueß, Legaten, S. 35f. Ganshof, Relations, S. 14, hat darauf hingewiesen, daß eine personengeschichtliche Untersuchung der Gesandten wegen der Quellenarmut des Frühmittelalters nicht unproblematisch ist. Beispielsweise wissen wir nicht, ob der Verfasser alle Gesandten, die einer Gesandtschaft vorstanden, genannt hat. Helm, Untersuchungen, S. 400ff. Verwandte des fränkischen Herrscherhauses: Hieronymus, Bruder Pippins, gehörte offenbar dem Laienstand an, vgl. Oelsner, Jahrbücher, S. 425, Anm. 4 (754 an Papst); Remedius germanus, Bischof von Rotomagensis, Bruder Pippins (759/760 an Desiderius); Bertrada, Mutter Karls des Großen (770 an Tassilo); Angilbert, Abt von Saint-Riquier in Centula, Schwiegersohn Karls des Großen, (781ff. an Papst); Graf Hugo von Tours, Schwiegervater Lothars, des Sohnes Ludwigs des Frommen, vgl. Simson, Jahrbücher, Bd. 1, S. 167f. (811 an Byzanz); Bernhard, König von Italien, Neffe Ludwigs (815 an Papst). Verwandter des Papstes: Theodor, Herzog, Neffe des Papstes Hadrian (778, 781 an Karl den Großen).

Auswahl der Gesandten

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b. Fränkische Gesandte – Allgemeine Kriterien Gesandte wurden aus dem Stand der Kleriker wie aus dem weltlichen Adel genommen. Sie waren z. T. dem Hof direkt verbunden, u. a. als Angehörige der Hofkapelle, kamen aber auch von außerhalb. Unter Pippin lag der Anteil der Kleriker unter zwei Drittel, unter Karl dem Großen über zwei Drittel. Ludwig der Fromme, von dem weniger Gesandtschaften bekannt sind, beauftragte Kleriker und Laien wieder in einem etwas ausgewogeneren Verhältnis. Aus dem Laienstand wurden vornehmlich Grafen entsandt, daneben duces und viri illustres. Unter den Klerikern überwogen mit Abstand die Äbte und Bischöfe. Unter ihnen spielten die Kapelläne der Hofkapelle eine überaus bedeutsame Rolle. Besonders Karl der Große hat mehrfach Kapelläne mit Missionen an auswärtige Mächte betraut.56 Auch der am häufigsten als fränkischer Gesandter aufgetretene Abt Fulrad des Hausklosters Saint-Denis57 war Kapellan der Hofkapelle unter Pippin. Er wurde vornehmlich im Verkehr mit dem Papst eingesetzt. Seine Karriere beruhte auf seiner vornehmen Herkunft aus dem fränkischen Hochadel und seiner Vertrauensposition, die er sich am fränkischen Hofe und beim Papst erworben hatte. Faktoren wie diese waren bei der Auswahl der Gesandten maßgebend. Darüber hinaus hatten sich die Kleriker vor allem dadurch unentbehrlich gemacht, daß sie schreib- und lesekundig waren und die lateinische und gar griechische Sprache beherrschten und damit Fähigkeiten aufwiesen, die der adligen Laienbildung i. d. R. fehlten.58 Die Zusammensetzung der Gesandtschaften nach Klerikern und Laien richtete sich zunächst stärker nach dem Gegenstand, der den Anlaß oder Grund der Gesandtschaft bildete. So haben die merowingischen Frankenherrscher in politischen Missionen an56

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Fleckenstein, Hofkapelle hat auch diese Aufgabe der Kapelläne nachvollzogen und zusammengestellt: Kapelläne unter Pippin: Fulrad, oberster Kapellan, Abt von Saint-Denis (zwischen 749 und 760 etliche Male an den Papst), ibid., S.45; Chrodegang, Referendar, Bischof von Metz (755 an Papst), ibid., S. 9, 32, 76; Flaginus, Kapellan (764–766 an Papst), ibid., S. 58f. Unter Karl dem Großen: Witbold, Abt von Saint-Sergius bei Angers (um 780 an Byzanz), ibid., S. 59; Angilbert, Abt von Saint-Riquier (781, 783, 784, 786, 796 an Papst), ibid., S. 66f. (Löhren S. 36); Hitherius, Kanzler und Abt von Saint-Martin in Tours (781, 785 an Papst), ibid., S. 76, 79ff.; Maginarius, Abt von Saint-Denis (781, 785, 787/788 an Papst), ibid., S. 76f.; Riculf, zunächst Diakon, später Erzbischof von Mainz (781 an Tassilo), ibid., S. 59f.; Joseph, zunächst Diakon, später Abt (787 an Papst), ibid., S. 59, 89; Roro, Verbleiben unbekannt (788 an Papst), ibid., S. 59, 87, 104; Fardulf, vermutlich Kapellan, Abt von Saint-Denis (798 an Papst), ibid., S. 106; Hilduin, Erzkapellan, Abt von Saint-Germain des Pres (799 an Papst), ibid., S. 144f.; Zacharias, als Priester von der königlichen Pfalz offenbar Kapellan (799/800 an den Patriarch von Jerusalem), ibid., S. 60; Hrotfrid, Notar und Abt von SaintAmand (808 an den König von Nordanhumbrien Eardulf), ibid., S. 63, 104ff.; Ahmahar, offenbar identisch mit dem Diakon und Kapellan Amalarius (813 an Byzanz), ibid., S. 60. Unter Ludwig dem Frommen: Ratold, Bischof von Verona (831 an Papst), ibid., S. 65, 105, 113. Vgl. die vorangehende Anm.; über die Bedeutung des Klosters Saint-Denis, dessen Äbte durchgehend Kapelläne der Hofkapelle gewesen waren, die wiederum z. T. als Gesandte fungiert hatten, vgl. Fleckenstein, Hofkapelle, S. 108f. Menzel, Gesandtschaftswesen, S. 161ff.; Fleckenstein, Hofkapelle, S. 235.

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Politische Verkehrsbeziehungen – Gesandtschaften

scheinend fast immer Laien mitgesandt. Sowohl Pippin als auch Karl der Große haben rein geistliche und gemischte Gesandtschaften in etwa gleichem Anteil zusammengestellt. Jedoch wurden unter Karl dem Großen gegen Ende des 8. Jahrhunderts die rein geistlichen Gesandtschaften seltener. Es mag sich hierbei allerdings auch um ein Quellenproblem handeln, da rein geistliche Gesandtschaften vorwiegend an den Papst gesandt wurden. Die wichtigste Quelle für die päpstlich-fränkischen Beziehungen, die Papstbriefe des Codex Carolinus, bricht jedoch Anfang des letzten Jahrzehnts des 8. Jahrhunderts ab. Damit verändert sich das Gesamtbild mangels hinreichender Informationen erheblich. Seit Ludwig dem Frommen scheint sich die Entsendung gemischter Gesandtschaften allmählich als Regel durchzusetzen, traten also rein geistliche Gesandtschaften generell zurück.59 Offenbar übernahm man im Gesandtenverkehr byzantinische Gepflogenheiten; denn die Praxis, Gesandtschaften zu mischen, war zuerst in Byzanz üblich geworden,60 während in der Spätantike Kleriker nur in besonderen Fällen zu Gesandtschaften herangezogen worden waren.61 Nur wenige Male hat der nachfolgende Frankenherrscher auch die Gesandten seines Vorgängers mit Missionen beauftragt,62 so daß das Gesandtschaftswesen der Franken in personengeschichtlicher Hinsicht nur eine geringe Kontinuität über die Herrscherwechsel, derer es allerdings in unserer Epoche nur zwei gab, hinaus aufwies.

c. Gesandtschaftsverkehr mit den Päpsten An den heiligen Stuhl haben die Frankenherrscher etwa doppelt so häufig Geistliche wie Laien mit Missionen betraut. Das hängt eindeutig mit den zu behandelnden Gegenständen der Gesandtschaft zusammen, die meist jedenfalls auch im geistlich-religiös-kirchlichen Bereich lagen. Die erste bedeutende Gesandtschaft Pippins an Papst Zacharias von 749 wegen der Königsfrage bestand aus dem Bischof von Würzburg, Burchard, und dem Hofkapellan und späteren Abt von St. Denis, Fulrad, zwei ranghohen und wohl auch einflußreichen Geistlichen.63 Aus dem Klerus setzte Pippin besonders häufig Äbte ein, während sein Sohn neben den Äbten gleichermaßen Bischöfe des Reiches beauftragte, darunter auch Erzbischöfe. Ludwig der Fromme knüpfte in dieser Hinsicht an die Praxis seines Vaters an. Die Kapelläne, die zum Teil Klöstern vorstanden und Bischofssitze einnahmen, wurden im päpstlich-fränkischen Verkehr besonders zahlreich beauftragt. Sie waren wohl besonders qualifiziert, da die Hofkapelle jedenfalls zeitweise nicht nur geistliches, sondern auch politisches Zentrum war, sie also beide Dimensionen der Beziehungen kannten. Für die Kapelläne gilt, daß sie wohl auch an der Politikformulierung mitwirkten. Aus dem weltlichen Adel entsandte Pippin vornehmlich duces und Personen seines Vertrauens oder näheren Umkreises;

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Löhren, Beiträge, S. 32f. Löhren, Beiträge, S. 28, 34; Menzel, Gesandtschaftswesen, S. 161. Helm, Untersuchungen, S. 421. Dodo, comes (762, 767, zweimal 775 an den Papst entsandt); Hugbald, vir inluster (761, 762 an den Papst, 769 in einer den Papst betreffenden Angelegenheit an Ravenna). Ann. regni Franc. ad a. 749.

Auswahl der Gesandten

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in den Quellen werden sie als viri illustres bezeichnet. Karl der Große und sein Sohn Ludwig haben in der Regel Grafen beauftragt. Die Gesandtschaften an den Papst umfaßten in der Regel ein oder zwei, seltener drei Personen. Gesandtschaften von vier und mehr Personen wurden nur bei Anlässen besonderer Wichtigkeit eingesetzt.64 Pippin hat bei seinen zweiköpfigen Gesandtschaften annähernd gleich häufig nur Geistliche oder einen Kleriker zusammen mit einem Laien entsandt. Gemischte Gesandtschaften waren unter Karl dem Großen wiederum seltener, er verwandte häufiger Kleriker. Unter Ludwig dem Frommen scheinen auch im Verkehr mit dem Papst gemischte Gesandtschaften überwogen zu haben. Gesandtschaften, die von drei Personen angeführt wurden, waren selten und meist im Verhältnis von zwei Klerikern und einem Laien zusammengesetzt.65 Über die Gesandten der Päpste an die Frankenherrscher sind wir durch die Arbeiten von Rueß und vor allem Engelmann recht gut informiert.66 Engelmann stellte die Personen, die von den Päpsten entsandt wurden, und den Inhalt ihrer Aufträge zusammen, soweit die Quellen hierüber Auskunft geben. Wie die fränkischen Gesandten hat weit über die Hälfte nur einmal einen Auftrag erhalten. Trotzdem weist das Gesandtschaftswesen der Päpste größere Kontinuität als bei den Frankenherrschern auf. Mehrere Gesandte haben sogar einen Papstwechsel in Rom überdauert und wurden von verschiedenen Päpsten mit Missionen in das Frankenreich betraut.67 Zu beachten ist jedoch, daß den drei Frankenherrschern von 746– 840 zehn Päpste gegenüberstanden. Dennoch waren auch die päpstlichen Gesandten ad hoc-Beauftragte.68 Die Zahl der Teilnehmer einer Gesandtschaft, die in den Quellen namentlich erwähnt werden, schwankt von Papst Stephan II. bis Papst Gregor IV. zwischen einem und vier. Meistens wurden ein oder zwei Gesandte geschickt, während Gesandtschaften in der Größe von drei bis vier Personen Ausnahmefälle waren und auch hier nur bei wichtigen Aufträgen eingesetzt wurden. Die Gesandten der Päpste waren fast ausschließlich Geistliche.69 Bevorzugt wurden Bischöfe, vor allem der kleineren Bistümer um Rom entsandt. Daneben haben von den höheren Geistlichen mehrmals Mitglieder des Siebener Gremiums oder Vorsteher der Titelkirchen, die sich jedoch nicht immer eindeutig identifizieren lassen,70 sowie Ar64

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Die Höchstzahl von immerhin zehn Gesandten erreichte der „Geleitzug“, den Karl der Große Papst Leo III. im Jahre 799 mitschickte. Sie sollten den von den Römern vertriebenen Papst in Rom in seine Ehre und Rechte wiedereinsetzen. Gemäß der Bedeutung dieser Mission entsandte Karl zwei Erzbischöfe, fünf Bischöfe und drei Grafen, Vita Leonis III., Liber pont. II, S. 6f.; vgl. Abel-Simson, Jahrbücher, Bd. 2, S. 186f.; Classen, Karl der Große, S. 47ff. Löhren, Beiträge, S. 37. Rueß, Stellung; Engelmann, Legaten. Wilharius, Bischof von Nomentum; Georg, Bischof von Ostia; Petrus, Presbyter; Pampilus, defensor regionarius; Philipp, Presbyter, später Bischof; Anastasius, cubicularius; Johannes, Bischof von Silva Candida; Theodorus, nomenclator, später primicerius; Quirinus, Subdiakon, später primicerius. Ganshof, Moyen Age, S. 39. Vgl. zur Herkunft der päpstlichen Gesandten Engelmann, Legaten, S. 122–126. Ibid., S. 122f.

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Politische Verkehrsbeziehungen – Gesandtschaften

chidiakone und Diakone Aufträge ausgeführt. Von den niederen Klerikern erscheinen Subdiakone, darunter mehrere Äbte, und je ein Exorzist, ein Bibliothekar und ein mansionarius. Neben diesen Klerikern in geistlichen Stellungen bedienten sich die Päpste häufiger ihrer Kleriker in richterlichen Funktionen (Palatinal- und Regionarkleriker),71 Geistliche aus dem cubiculum (d. h. der Kammerdienerschaft), ferner ihrer Notare und einmal des Vorstehers des päpstlichen Palastes, des superista. In den wenigen Fällen, in denen Geistliche zusammen mit Laien entsandt wurden, handelte es sich ausschließlich um wichtige politische Angelegenheiten, bei denen die Größe der Gesandtschaft und die Herkunft der Gesandten auf die zu verhandelnde Angelegenheit ausgerichtet waren.72 Von drei päpstlichen Gesandten ist bekannt, daß sie aus den päpstlichen in fränkische Dienste übertraten, zwei von ihnen haben sogar fränkische Bistümer erhalten. So scheint der 760 vom Papst entsandte Priester Petrus mehrere Jahre im Frankenreich geblieben zu sein; denn 765 sagte der Papst zu, daß Pippin ihn in seine Dienste nehmen könne.73 Die beiden anderen waren Wilharius, vormals Bischof von Nomentum und anschließend Erzbischof von Sens und Georg, Bischof von Ostia und nachmaliger Bischof von Amiens.74 Beide hatten offenbar ähnliche Vertrauensstellungen zu den Päpsten eingenommen wie beispielsweise die Äbte Fulrad und Maginarius von SaintDenis oder Ulfard und der Kanzler Hitherius von Saint-Martin in Tours unter Pippin und Karl dem Großen.75 Georg war nicht nur mit päpstlichen Missionen an das Frankenreich betraut worden, sondern hat im Jahre 786 gemeinsam mit Theophylakt von Todi im Auftrag des Papstes Hadrian I. eine Reise nach England unternommen, um die Mißstände im Lande, die als Folge dauernder Thronumwälzungen eingetreten waren, eindämmen zu helfen.76

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Rueß, Stellung, S. 32, 38. 756 Bischof Georg von Ostia zusammen mit den römischen Großen Thomaricus und Comita wegen akuter Bedrängnis Roms durch den Langobardenkönig Aistulf, Codex Carolinus, Nr. 8–10, MGH Epp. III, S. 494 ff.; 778 die Bischöfe Philippus und Andreas von Praeneste und Herzog Theodorus, der Neffe des Papstes Hadrian I., wegen der Restitution der päpstlichen Patrimonien, ibid., Nr. 60, 61, S. 585ff.; 781 Diakon Agatho und wiederum Herzog Theodorus wegen der Schenkung der Sabina, ibid., Nr. 68, S. 597f.; 815 Bischof Johannes von Silva Candida, der nomenclator Theodorus und Herzog Sergius wegen eines Verschwörungsfalls in Rom, Ann. regni Franc. ad a. 815, Anonymus, Vita Hludowici, c. 25; 823 nochmals Bischof Johannes von Silva Candida, der Bibliothekar Sergius, Subdiakon Quirinus und der Kriegsoberst (magister militum) Leo wegen des Mordes an zwei früheren päpstlichen Gesandten in Rom (es handelte sich dabei um den soeben genannten nomenclator Theodorus und seinen Schwiegersohn, den primicerius Leo, die angeblich auf Weisung des Papstes geblendet und enthauptet worden waren), Ann. regni Franc. ad a. 823. Vgl. ferner Löhren, Beiträge, S. 34; Rueß, Stellung, S. 38. Codex Carolinus, Nr. 21, MGH Epp. III, S. 524; Nr. 37, ibid., S. 549; vgl. Engelmann, Legaten, S. 18. Vita Stephani III., Liber pontificalis, I, S. 482; vgl. Engelmann, Legaten, S. 7, Anm. 3 und S. 9, Anm. 1. Fleckenstein, Hofkapelle, passim. Alcuini epp., Nr. 3, MGH Epp. IV, S. 20ff.; vgl. Engelmann, Legaten, S. 5ff.

Auswahl der Gesandten

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d. Gesandtschaftsverkehr mit den oströmischen Kaisern In den fränkischen Quellen wird wesentlich häufiger über byzantinische Gesandtschaften berichtet als umgekehrt über Gesandtschaften der Franken an Byzanz. So erfahren wir über die fränkischen Gesandten, die nach Konstantinopel reisten, nur sehr wenig. Insgesamt scheint man sich aber bei ihrer Auswahl ähnlich verhalten zu haben wie bei den Gesandten an den Heiligen Stuhl. Sie kamen allesamt aus dem höheren Klerus und dem adligen Laienstand. Die Frankenherrscher entsandten auf geistlicher Seite ausschließlich Bischöfe und Äbte, auf weltlicher Seite Grafen. Kleriker wurden etwa doppelt so häufig mit Missionen betraut wie Laien. In der Regel haben zwei Personen die Gesandtschaften angeführt, entweder zwei Kleriker oder ein Kleriker und ein Laie. Die wohl wichtigste Gesandtschaft entsandte Karl der Große im Jahre 811, als es zwischen dem Frankenherrscher und dem byzantinischen Kaiser zum Ausgleich kam. Die politische Bedeutung spiegelte sich im Rang und in der Zahl der Gesandten wider: Es waren Bischof Haido von Basel, Graf Hugo von Tours und der langobardische Große Aio von Friaul. Sie waren vornehme Große des Frankenreiches und standen zum Frankenherrscher in einem engen Vertrauensverhältnis.77 Beide Kriterien – sozialer Stand und Hofnähe – bestimmten immer wieder die Auswahl der Gesandten. Die oströmischen Gesandten werden in den fränkischen Quellen fast immer mit Namen und Titel erwähnt.78 Diese Beachtung fanden sie bereits zu Zeiten Pippins. Wie die Franken und die Päpste haben auch die Byzantiner in der Regel einzelne oder zwei Gesandte mit Begleitpersonen in das Frankenreich entsandt. Da die byzantinischen Kaiser im Unterschied zu den Frankenherrschern über eine seit langem ausgebildete Diplomatie verfügten, hatten sie ein geschultes Personal zur Auswahl. Sie entsandten daher überwiegend Laien an den Frankenhof, die eine entsprechende Ausbildung hatten. So scheinen bei den wenigen byzantinischen Gesandtschaften an Pippin nur Laien höheren Ranges mit Missionen betraut worden zu sein. Seit den 780er Jahren waren die von zwei Personen gebildeten Gesandtschaften jedoch fast durchgehend gemischt. Es handelte sich um hohe Würdenträger des Hofes, aus Militär und Verwaltung. Genannt werden patricii, spatarii und protospatarii, silentiarii, primiciarii, sacellarii, Großsiegelbewahrer und Eunuchen. Diese nahmen ganz allgemein wichtige Stellungen in Kirche und Reichsverwaltung ein.79 Daneben erscheint ein als proto a secretis bezeichneter Gesandter mit Namen Georgius, der im Zuammenhang mit dem Vorgehen Pippins gegen Aistulf bei dem fränkischen König byzantinische Gebietsansprüche in Italien durchsetzen sollte.80 Bei diesen Bezeichnungen handelte es sich offenbar ausschließlich um Ehrentitel, mit denen keine Aufgaben verknüpft waren.81 In den Gesandtenverkehr mit den Franken haben die Byzantiner gelegentlich

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Ann. regni Franc. ad a 811; Abel-Simson, Jahrbücher, Bd. 2, S. 459ff. Vgl. zum folgenden Löhren, Beiträge, S. 27ff.; Ganshof, Moyen Age, S. 38f. Ostrogorsky, Geschichte, S. 201ff. Vita Stephani II., Liber pontificalis I, S. 452f.; oben S. 112. Obwohl sich diese Titel von weltlichen Ämtern herleiteten, konnten die Träger auch geistlichen Standes sein, wie das Beispiel des sacellarius Constanz zeigt, der 781 und 785 von der

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Politische Verkehrsbeziehungen – Gesandtschaften

die Statthalter von Sizilien eingeschaltet;82 einmal wurde der ehemalige Statthalter von Phrygien tätig.83 Von den byzantinischen höheren Geistlichen haben Bischöfe, Äbte und Diakone Missionen im Frankenreich ausgeführt, darunter so hochgestellte Kleriker wie der Erzbischof von Ephesus und Protospatar Markus und der Patrizier, Bischof und Metropolit von Chalcedon, Theodosius, die 833 und 839 von Kaiser Theophilos an Ludwig den Frommen geschickt wurden. Beide erschienen auf fränkischen Hoftagen und überbrachten Geschenke und Briefe zur Befestigung des Friedens- und Freundschaftsverhältnisses.84 Es waren die letzten in den Quellen erwähnten Gesandtschaften bis zum Tode Ludwigs des Frommen. Die Verwendung von Personen in hohen politischen und geistlichen Stellungen spricht für die hohe politische Bedeutung, die die Kaiser in Konstantionpel den Beziehungen mit den fränkischen Herrschern zumaßen. Gelegentlich wurden Gesandte mehrfach mit Missionen an die Frankenherrscher betraut; bei einigen von ihnen lassen sich – möglicherweise als Auszeichnung für geleistete Dienste – Standeserhöhungen nachweisen.85 Der wiederholte Einsatz eines Gesandten durch verschiedene Kaiser deutet in Byzanz ähnlich wie beim Papsttum auf eine Kontinuität im Gesandtschaftswesen hin.

e. Gesandtschaftsverkehr mit den Abbasiden und dem Patriarchen von Jerusalem Weder von der Gesandtschaft, die Pippin 765 nach Bagdad entsandte,86 noch von der Gegengesandtschaft des Kalifen, die 768 das Frankenreich erreichte,87 kennen wir Herkunft, Namen und Titel der Gesandten. Von den Gesandten Karls des Großen, die 797 und 802 an den Abbasidenhof reisten, sind die Namen, nicht aber der soziale Stand bekannt. Die Wege für die Kontakte auf höchster Ebene waren u. a. durch die fränkischen Kaufleute und Pilger vorbereitet worden, die in das Heilige Land gereist waren.88 797 brachen die beiden fränkischen Gesandten Lantfried und Sigismund zusammen mit dem Juden Isaak in das ferne Abbasidenreich auf. Isaak war vermutlich Fernhändler und verkehrte am fränkischen Hof. Die Wahl wird auf ihn wegen sprach-

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Kaiserin Eirene an Karl den Großen gesandt wurde. Breyer, Bilderstreit, S. 206, Anm. 1, vermutet, es habe sich um einen höheren Geistlichen gehandelt. Ann. regni Franc. ad a. 797; vgl. Löhren, Beiträge, S. 6. Ann. regni Franc. ad a. 798. Während der Auseinandersetzungen zwischen Ludwig dem Frommen und seinem Sohn Lothar wurden die Gesandten 833 nicht vom alten Kaiser, sondern vom Sohn im Compiègne empfangen. Nach Anonymus, Vita Hludowici, c. 49, seien sie nach Byzanz zurückgekehrt ... traguediamque reportantem pene inauditam remisit. Vgl. Simson, Jahrbücher, Bd. 2, S. 64f. Protospatarius Leo 802, 811; der primicerius und spätere Großsiegelbewahrer Mamalus zusammen mit dem bereits erwähnten sacellarius Constanz 781, 785; Bischof Michael 803, 812; der spatarius und spätere protospatarius Arsafius 810, 812; vgl. Löhren, Beiträge, S. 70. Borgolte, Gesandtenaustausch, S. 37ff. Ibid., S. 40ff. Ganshof, Relations, S. 28f.; Schmid, Aachen, S. 126ff.

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licher und geographischer Kenntnisse gefallen sein. Obwohl er anscheinend nur zu den Begleitpersonen gehört hatte, übernahm er nach dem Tod der beiden fränkischen Gesandten die Führung der Gesandtschaft.89 Ebenfalls unbekannt ist die Herkunft des 802 mit weiteren Personen entsandten Radbert. Sein Weg hatte offenbar über Jerusalem nach Bagdad geführt. Er überlebte die anstrengende Reise nicht und starb auf dem Rückweg um 806/807.90 An den Patriarchen von Jerusalem werden zwei Gesandtschaften genannt. Karl der Große hatte im Jahre 800 den Priester der königlichen Pfalz Zacharias entsandt, für den die Zugehörigkeit zur Hofkapelle angenommen werden kann.91 Erst viel später, in den 30er Jahren des 9. Jahrhunderts, folgte ein Mönch namens Raganarius.92 Die Gesandtschaften der Abbasiden an die Franken93 haben vor allem wegen der Seltenheit und der ungeheuren Pracht der Geschenke in den fränkischen Quellen Erwähnung gefunden.94 Der einzige abbasidische Gesandte, dessen Namen wir kennen, war der 807 zusammen mit zwei Jerusalemer Mönchen ins Frankenreich gelangte Abdallah.95 Daß sein Name in den fränkischen Quellen Erwähnung gefunden hat, unterstreicht die Bedeutung seiner Mission, denn diese Gesandtschaft bildete den Höhepunkt der Beziehungen zwischen Aachen, Jerusalem und Bagdad. Daneben scheinen die zwei Muslime des Jahres 801 als bloße Nachrichtenübermittler fungiert zu haben.96 Auch die 831 ins Frankenreich zu Ludwig dem Frommen entsandten Personen bleiben unbekannt. Es handelte sich um zwei Abbasiden und einen Christen, über den jedoch nicht bekannt ist, ob er aus Bagdad kam oder vom Patriarchen beigeordnet war.97 In der Zusammensetzung der sechs in den Quellen belegten Gesandtschaften zum oder vom Patriarchen in Jerusalem zeichnete sich der Verlauf der Beziehungen zwischen diesem und dem Frankenherrscher im Sinne einer allmählichen Annäherung zwischen beiden deutlich ab. Zu bedenken ist dabei, daß der Patriarch wohl nicht völlig frei handeln konnte, sondern nur mit Zustimmung, mindestens jedoch Kenntnis des Kalifen. Der Patriarch hat ausschließlich Mönche entsandt, die dem lateinisch orientierten Ölbergkloster und dem griechisch ausgerichteten Sabaskloster in Jerusalem angehörten. In den Jahren 800 und später wieder um 836/837 hat der Patriarch jeweils einen Mönch vom Ölberg zusammen mit einem weiteren des Sabasklosters an die Frankenherrscher entsandt.98 Möglicherweise haben auch die beiden Mönche des Jah89

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Ann. regni Franc. ad a. 801, 802; vgl. Ganshof, Relations, S. 20f.; Borgolte, Gesandtenaustausch, S. 47ff. Ann. regni Franc. ad a. 806, 807; Borgolte, Gesandtenaustausch, S. 77ff. Ann. regni Franc. ad a. 799; vgl. ferner Fleckenstein, Hofkapelle, S. 60; Borgolte, Gesandtenaustausch, S. 61. Borgolte, Gesandtenaustausch, S. 110f. Dazu insbesondere Borgolte, Gesandtenaustausch; sowie Schmid, Aachen. Ann. regni Franc. ad a. 807; vgl. Borgolte, Gesandtenaustausch, S. 86ff. Ann. regni Franc. ad a. 807. Borgolte, Gesandtenaustausch, S. 58ff. Ann. Bertiniani ad a. 831; Anonymus, Vita Hludowici, c. 46; Borgolte, Gesandtenaustausch, S. 111ff. Schmid, Aachen, S. 130ff.; Borgolte, Gesandtenaustausch, S. 67ff., 114ff.

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Politische Verkehrsbeziehungen – Gesandtschaften

res 803 beide Hauptklöster vertreten, doch ist in diesem Fall nichts Näheres bekannt.99 Die Gesandtschaft von 807 aber, die den Höhepunkt der Beziehungen zwischen den Franken, dem Patriarchen von Jerusalem und dem Abbasidenreich bildete, bestand aus zwei Ölbergmönchen, darunter der Abt des Klosters und gebürtige Franke Georg. Beide erreichten zusammen mit dem arabischen Gesandten Abdallah das Frankenreich.100 Die sich wandelnde Zusammensetzung der Jerusalemer Gesandtschaften, d. h. die Entsendung von ausschließlich lateinischen Mönchen im Jahre 807 legt den Schluß nahe, daß die Bemühungen Karls des Großen um die Christen im Heiligen Land zu einem günstigen Abschluß gekommen waren.101 Auf das Gesandtschaftswesen bezogen bedeutet das, daß die Auswahl der Gesandten sich nach dem Verhandlungsgegenstand und den vom Absender verfolgten Zielen richtete. Die nachfolgende Gesandtschaft, die zunächst nach Rom ging und vom Papst um das Jahr 808 an den Frankenhof weitergeleitet wurde, bestand wiederum aus zwei lateinischen Mönchen. Nunmehr ging es jedoch um den Streit um die processio des Heiligen Geistes, d. h. die Einfügung der Formulierung filioque in das Niccäanische Glaubensbekenntnis, der in Jerusalem zwischen den lateinischen und griechischen Hauptklöstern entbrandt war. Der Inhalt der Auseinandersetzungen gab den Anlaß zur Aachener Synode im Jahre 809.

f. Sonstiger Gesandtschaftsverkehr Über die Gesandten, die zwischen den Franken und den übrigen, meist kleineren auswärtigen Mächten verhandelten, erfahren wir aus den fränkischen Quellen sehr wenig. Im Unterschied zu den Gesandten an die großen Mächte wird von diesen nur eine Minderheit namentlich erwähnt. Dies zeigt deutlich, wie differenziert die Außenbeziehungen der Franken von den zeitgenössischen fränkischen Autoren wahrgenommen wurden. Name und Titel der fränkischen Gesandten werden meist nur im Zusammenhang mit wichtigen politischen Verhandlungen und Gegenständen genannt, so mehrfach im Verkehr mit den Langobarden, mit dem Bayernherzog Tassilo, mit den Bulgaren und den Dänen. Da es weniger um Repräsentation, sondern in der Regel um die Behandlung und Lösung politischer Konflikte ging, haben die Franken abweichend von ihrer üblichen Praxis etwa gleich häufig Geistliche und Laien entsandt. Rein weltliche Gesandtschaften waren jedoch auch im Verkehr mit diesen Fürsten Ausnahmen.102 Gesandte dieser kleineren auswärtigen Mächte werden in den fränkischen Quellen nur mit Namen, nicht aber mit Titel erwähnt. Da in anderen Zusammenhängen die abgesandten Personen mehrmals als Große (optimates) bezeichnet werden,103 hat es

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Borgolte, Gesandtenaustausch, S. 83ff. Ann. regni Franc. ad a. 807. Schmid, Aachen, S. 130ff.; Borgolte, Gesandtenaustausch, S. 89, 92ff. Ann. regni Franc. ad a. 823, (die Grafen Theothar und Rodmund anläßlich der Vertreibung des Dänenkönigs Heriold). Z. B. Ann. regni Franc. ad a. 805, unum de optimatibus suis (der Hunnenkagan an Karl); Ann. regni Franc. ad a. 811, (Awaren und Slawen an Ludwig); Ann. regni Franc. ad a. 815, omnes

Orte und Zeremoniell

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sich bei den Gesandten dieser Mächte an das Frankenreich ganz offensichtlich ebenfalls um hochstehende Würdenträger und Vertrauenspersonen gehandelt.104 Man entsprach damit der zeitüblichen Herrschaftspraxis, wie sie unabhängig von Größe und Bedeutung der Mächte gehandhabt wurde.

g. Fazit Versucht man ein Fazit, so zeigt sich bei der Auswahl der Gesandten, daß bei den fränkischen Herrschern dafür eine recht breite Schicht von Personen aus dem Klerikerund dem Laienstand zur Verfügung stand. Nur für wenige liegen weitergehende Nachrichten vor, die einige biographische Hinweise erlauben würden.105 Da auch Laien als Gesandte eingesetzt wurden, und zwar in wachsender Zahl und für schwierige Verhandlungen, z. B. über den Friedensschluß mit Byzanz, ist anzunehmen, daß diese eine entsprechende Bildung, nicht nur des Lesens und Schreibens, erworben hatten. Sie scheint in dieser Zeit für den Adel generell höher gewesen zu sein als später. Karls Bildungsanstrengungen, denen er sich auch selbst unterwarf, haben wohl Erfolg gehabt. Damit verlor sich ein Vorteil der Bildung für die Kleriker bis zu einem gewissen Grad. Zwar fehlte es, anders als in Byzanz, wo in der Einrichtung des Logotheten des Dromos eine zentrale Stelle für den diplomatischen Dienst bestand, dem auch Berichte etc. abgeliefert werden mußten, an einer zentralen, organisierten Auswahl und Führung der Gesandten. Das entspricht dem allgemeinen Mangel organisatorischer Durchdringung des karolingischen Hofes. Aber es sammelte sich doch mit der Zeit eine gewisse Erfahrung an, selbst wenn die Personen wechselten. Ob Berichte etc. abgeliefert werden mußten, ist nicht feststellbar. Überlieferungen gibt es nicht. Eine Sammlung etwa, wie der Codex Carolinus, ist wohl nicht angelegt worden. Insofern bleibt Nähe zum Hof, ja zum Herrscher das maßgebende Auswahlkriterium.

V I. O rt e u nd Z er emo n i el l a. Königsorte Da das fränkische Reich in karolingischer Zeit anders als das oströmische keinen ständigen zentralen Sitz der Herrscher hatte, sondern diese vielmehr nach bestimmten Itinerarien im Reich umherzogen, mußten alle Gesandten und gegebenenfalls die Herr-

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orientalium Sclavorum primores et legati (Ostslawen an Ludwig); ibid., ad a. 823, ex primoribus gentis (Abodriten an Ludwig); ibid., ad a. 826, quem primo (Bulgaren an Ludwig). Darunter auch Verwandte des Herrscherhauses: Ann. Bertiniani ad a. 839, (der nicht namentlich genannte Neffe des Dänenkönigs Horich, der als einer der vertrautesten und einflußreichsten Räte des Königs bezeichnet wird). Bei der großen Zahl von Personen, die in den Jahren 811 und 813 von den Dänen und den Franken aufgeboten wurden, handelte es sich nicht um Gesandte, sondern eindeutig um Bürgen, die die Einhaltung der Friedensvereinbarungen sicherstellen sollten, Ann. regni Franc. ad a. 811, XII primoribus; Ann. q. d. Einhardi ad a. 813, primatibus Danorum; vgl. Abel-Simson, Jahrbücher, Bd. 2, S. 465ff. Z. B. für den mehrfach erwähnten Hofkappellan und späteren Abt von St. Denis Fulrad.

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scher selbst zum König bzw. Kaiser dorthin kommen bzw. geleitet werden, wo er sich mit dem Hof aufhielt. Oft kamen sie zu dem jeweiligen Hoftag, oder wurden doch auf einen solchen beschieden. Unter Pippin werden genannt Quierzy, Compiègne, Metz.106 Unter Karl dem Großen vermehren sich die Gesandtschaften und damit auch die Orte. Es werden, außer Aachen, das sich unter ihm zum Hauptort entwickelte, die folgenden genannt: Diedenhofen, Paderborn, Verzency, Worms, Lippeursprung, Italien (Salerno), Frankfurt, Lüne, Heristelle (bei Höxter), Italien, Saltz an der Saale, Hollenstedt107. Bemerkenswert ist, daß viele dieser Orte in den östlichen Reichsteilen und bereits ab 777 zunehmend in Sachsen, vor allem Paderborn, liegen. In der Regierungszeit Ludwigs des Frommen werden, wiederum neben Aachen, genannt: Reims, Compiègne, Ingelheim, Heristal, Frankfurt a.M., Rouen, Saltz, Worms, Diedenhofen.108 Andere Orte wurden nicht genauer bezeichnet. Einen Vorzug unter den genannten Orten scheint die Pfalz in Ingelheim genossen zu haben. Sie trat offenbar zu Ludwigs Zeit in gewisser Weise an die Seite von Aachen. Die Pfalz von Ingelheim war zwar von Karl dem Großen 777 begonnen, aber von Ludwig dem Frommen vollendet worden.109 Sie war daher wohl mehr „seine“ Pfalz als Aachen. Allerdings hielt er sich doch häufig in Aachen auf, wohin er immer wieder zurückkehrte.110 Ob Ingelheim aber der Aachener Pfalz an herrscherlicher Monumentalität gleichkam, erscheint sehr zweifelhaft. Zwar entsprach die Aula regia im kleineren Maßstab der Aachener Aula, hatte aber keine Seitenabsiden. Auch fehlte ihr offenbar eine größere Kirche, jedenfalls bis in ottonische Zeit.111 Fränkische Gesandte an den oströmischen Kaiser gingen regelmäßig nach Konstantinopel, an den Papst nach Rom, an den Kalifen nach Bagdad und an den Patriarchen von Jerusalem nach Jerusalem.

b. Aachen Der Ausbau Aachens zum zentralen Herrschersitz, wenn auch nicht alleinigen Ort der Herrschaftsausübung, war wohl gerade auch durch die wachsende außenpolitische Rolle Karls bereits als König und erst recht als Kaiser geboten. Er bedurfte eines repräsentativen Ortes, an dem sich seine Herrschaft manifestieren konnte. Zwar baute er auch andere Pfalzen in Paderborn, Frankfurt und eben Ingelheim. Aber das Bauprogramm der Pfalz in Aachen sollte nach innen wie vielleicht noch mehr nach außen die Stellung des Königs und Kaisers darstellen. Gerade für den Anspruch Karls auf Gleichrang mit dem oströmischen Kaiser, den er in den Libri Carolini schon vor der Erhebung zum Kaiser erhob, war die architektonische Repräsentation von hoher symbolischer Aussagekraft. Da wir keine Berichte der fränkischen Gesandtschaften aus 106 107 108 109 110 111

Papst Stephan II., Ann. q. d. Einh. ad a. 753, 757, S. 139. Fred. Chron. cont. 134 (51), S. 191. Ann. regni Franc. ad a 773, 777, 799, 779, 781, 790, 782, 786, 794, 795, 797, 801, 803, 804. Ann. regni Franc. ad a. 816, 817, 818, 822, 823, 824, 826, 827, 829, 831, 839. Hubert et al., L’Empire, S. 46. Z. B. Ann. regni Franc. ad a. 825. Sage, Pfalzen, S. 352f.

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Konstantinopel überliefert haben, ist nicht festzustellen, inwieweit von dort Einflüsse auf die Anlage in Aachen ausgingen. Aber es ist nicht auszuschließen, daß Karl im Hinblick auf seinen Anspruch auf Gleichrang eine Parallele schaffen wollte. Sie sollte den glänzenden Rahmen der Herrschaft Karls bilden und den Gesandtschaften die Berufung und Bewahrung Karls durch Gott, seine weitgedehnte Macht, seinen hohen Rang vor Augen führen. So werden schon vor der endgültigen Fertigstellung die wesentlichen Gesandtschaften nach Aachen geleitet112, müssen sogar u. U. dort oder an einem anderen Ort warten, um dort den Herrscher zu treffen.113 Der Bau der Pfalz begann wohl mit der Königshalle oder Aula in den siebziger Jahren des 8. Jahrhunderts.114 Die Palastkapelle folgte später.115 Die Halle bot nach ihrer Form, ihren Ausmaßen einen beeindruckenden Rahmen für herrschaftliche Versammlungen und auch für die Empfänge der Gesandten. Über ihre Ausstattung mit Mosaiken, Säulen, Thron etc. ist leider nichts mehr bekannt. Die Form konnte aber auf Grund des ergrabenen Grundrisses und einiger im heutigen Rathausbau erkennbarer Reste mit großer Wahrscheinlichkeit der Annäherung rekonstruiert werden. Das gilt für die ganze Pfalzanlage.116 Die Aula war danach ein rechteckiger Raum in west-östlicher Richtung mit einer Abside im Westen und zwei Seitenabsiden an der südlichen und an der nördlichen Front. Sie maß ohne die Absiden 47,42 m in der Länge und 20,76 m in der Breite.117 Sie stieg wahrscheinlich auf eine Höhe von 20,75 m.118 Ob das Dach offen oder durch eine Kassettendecke geschlossen war, ist nicht zu klären. Es besteht eine für die Kunst- oder Architekturgeschichte kaum zweifelhafte Anlehnung der Halle an die römisch-kaiserliche Aula Palatina in Trier.119 Karl der Große hat sich 112

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Ann. regni Franc. ad a. 796 Gesandtschaft des neugewählten Papstes Leo III.; 797 Gesandte der Sarazenen aus Barcelona sowie aus Mauretanien, sowie des sizilianischen Statthalters mit einem Brief des byzantinischen Kaisers; 798 Gesandte aus Konstantinopel; Gesandte Königs Alfons v. Asturien; 799 desgleichen; Gesandte des Patriarchen v. Jerusalem, die Gesandten Harun al Rashids; 802 Gesandte Irenes; 804 Leo III. über Reims und Quierzy nach Aachen; 807 Gesandte Harun al Rashids und des Patriarchen v. Jerusalem; 812 Gesandte Michaels I.; 814 Gesandte Kaiser Leons V. unter Ludwig dem Frommen; 817 Gesandte Kaiser Leons V.; 824 sowie 825 Gesandte des Bulgarenkönigs; 836 Gesandte des Dänenkönigs Horich. Ann. regni Franc. ad a. 810, Gesandte aus Konstantinopel und Cordoba, da der Kaiser in Sachsen war; 811 Gesandte aus Pannonien, da Karl der Große an der Kanalküste den Flottenbau inspizierte, die aber auf Vorladung erschienen waren; 825 die 2. Gesandtschaft der Bulgaren, die zunächst in Bayern warten mußte, und dann erst nach einiger Zeit nach Aachen beschieden wurde. Hugot, Königshalle, S. 48, die Festlegungen der Daten schwanken zwischen Beginn 770, 774 und Ende 782–788. Wohl um 787. Sie war um 798 eingewölbt. Das Weihedatum 6. Januar 805 durch Leo III. ist umstritten. Ein Modell befindet sich im Landesmuseum in Bonn. Rekonstruktionszeichnungen finden sich in den Arbeiten von Hugot, Pfalz, sowie Kreusch, Kirche, nach S. 464 und 506. Sie war damit größer als die päpstliche Audienzhalle im Lateranspalast, dem damaligen Sitz des Papstes, Hubert, et al., L’Empire, S. 46. So Hugot, Königshalle, S. 45; andere Berechnungen liegen zwischen 13 und 18,20 m. Hugot, Königshalle, S. 45; Hubert, et al., L’Empire, S. 46. Das gilt nach dessen Auffassung noch stärker für die Pfalz in Ingelheim, die aber kleiner ist.

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durch seinen Pfalzbau in Aachen deutlich in diese römisch-kaiserliche Tradition gestellt, bereits lange vor der Kaisererhebung.120 Sie war zugleich christlich-herrschaftliche Tradition, denn die Trierer Halle stammte aus der konstantinischen Ära der Stadt, also der Ära des Kaisers, der – später – das Christentum im Römischen Reich zuließ, förderte und etablierte, und somit als der erste christliche Kaiser des neuen christlichen Reiches galt, unabhängig von der Frage, ob und wann er selbst Christ wurde. Karl der Große wurde schon vor der Kaisererhebung als neuer Konstantin gepriesen.121 So wurde in der Aula ein königlich-repräsentativer Raum geschaffen, der die Darstellung des karolingischen Herrschaftsanspruches im Westen gegenüber den Gesandten der fremden Mächte deutlicher und nachdrücklicher ermöglichte als in anderen kleineren Pfalzanlagen und erst recht auf Hofgütern.122 Aber nicht nur die Aula, sondern die gesamte Pfalzanlage und vor allem als Gegenpol zur Königsaula die etwas später begonnene Palastkapelle, die als einziger Teil der Pfalz noch erhalten ist, ist als Ort der Gesandtenempfänge zu betrachten.123 Die Kirche spielte eine maßgebende Rolle beim Abschluß des Vertrages Karls des Großen mit den oströmischen Kaisern. Von ihrem Altar wurde die Urkunde aufgenommen und den griechischen Gesandten übergeben. In ihr stimmten diese daraufhin die Laudes für den Kaiser und basileus Karl an. Kirche und Aula gehören zusammen als die beiden Pole der Darstellung der Majestät des Königs für die Gesandten; denn diese Majestät war ebensowenig wie die der byzantinischen Kaiser eine rein weltliche, sondern letztlich im Auftrag Gottes begründet, wie es in den Libri Carolini dargelegt und in der Formel Dei gratia im Herrschertitel ausgedrückt wurde. Aula und Kirche lagen 120 m auseinander.124 Sie waren durch tonnengewölbte Verbindungsbauten mit innerer Breite von 4,70 m aus Bruchsteinen verbunden. Darüber erhob sich ein Obergeschoß. Die Anlage könnte der Garnison gedient haben. Zwischen beiden befand sich auf der Hälfte ein Querhaus, das als ein Torhaus den Eingang zur Anlage bildete, aber evtl. auch als Gerichtshaus diente.125 Es gab also einen äußeren und einen inneren Pfalzhof. Näherten sich die Gesandten der Anlage, sahen sie links die Apsis der Aula oder Basilika, rechts das Atrium der Hofkapelle. Allerdings ist nicht klar, ob dieser äußere Pfalzhof mit Gebäuden der Bediensteten besetzt war, wahrscheinlich ja.126 Sie zogen durch das Torhaus auf einer vermutlich 8 m breiten Straße in den inneren Pfalzhof. Nach Hugot war diese Straße insgesamt vom äußeren Rand 200 m lang und zog sich gerade über den inneren Hof zu dem wahrscheinlich gegenüberliegenden Palast und seitwärts gelegenen weiteren Gebäuden einschließlich einer Badeanlage von nicht 120

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Zwar wurde die Kirche erst 805 geweiht, war also wohl erst dann endgültig fertiggestellt, aber ihre Konzeption lag vor der Kaisererhebung. Ausführlich Fichtenau, Byzanz, S. 32ff. Wenn der Baubeginn in späteren 70ger Jahren liegt, folgt er der Festigung der Herrschaft auch in Italien. Dazu die Zeichnungen bei Kreusch, Kirche, und Hugot, Pfalz insbesondere nach S. 542, die den gesamten Pfalzbereich enthält. So Hugot, Pfalz, S. 567; andere nennen 200 m, Hugot legt ein strenges Rasterschema zugrunde. Hugot, ibid.; Sage, Pfalzen, S. 325. Hugot, Pfalz, S. 543 unter Auswertung einer Stelle bei Einhard, Vita c. 32.

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unbeträchtlichem Ausmaß.127 Diese waren anders als Aula und Kirche nicht aus Stein, sondern wahrscheinlich als Fachwerkgebäude errichtet.128 Der innere Hof wäre dann vielleicht von Bebauung frei gewesen, die den Eindruck gewiß gestört hätte. Links wäre der Blick voll auf die Südwand der Aula mit ihrer Apsis gefallen, die zudem erhöht über dem Hof lag und vielleicht eine offene Säulenhalle aufwies,129 rechts auf die Kirchenanlage, zu der neben der zentralen Palastkapelle noch zwei Seitenbasiliken gehörten und gegenüber die weiteren Gebäude zum Wohnen für den König und seine Familie etc., aber auch ein Gästehaus. Karl der Große hatte aus Ravenna ein Theoderich-Reiterstandbild nach Aachen bringen und wohl in diesem Hof aufstellen lassen.130 Das war nicht bloßer Schmuck, sondern auch die Einstellung in die Herrschertradition, vielleicht bis hin zu Konstantin.131 Die Anlage war für die ankommenden Gesandten offenbar beeindruckend. Mag Notker auch übertreiben bei der Schilderung der Eindrücke, die die Gesandten Haruns 802 hatten,132 so wird es doch ein wirklich herrschaftliches Ensemble gebildet haben. Es war nach Auffassung der Architekturgeschichte insgesamt eine offene Anlage, die sich in die antike Tradition einfügte, die gerade in ihrer Straffheit und Klarheit der Anlage Wirkung erzeugte und beeindruckte.133 Dank ihrer Erhaltung ist die Palastkapelle wohl bekannt und gründlich erforscht, auch im Hinblick auf ihre Vorbilder, sowohl insgesamt als auch in zentralen Details, wenn auch vieles strittig ist.134 Auch mit der Pfalzkapelle, die von antiken römischen aber auch byzantinischen Vorbildern beeinflußt ist, verknüpfte Karl seine Herrschaft mit der antik-christlichen Tradition, wenn auch in der kunst- und architekturgeschichtlichen Forschung über die Vorbilder unterschiedliche Ansichten vertreten werden. Einerseits werden römisch-byzantinische Vorbilder, Palastkirchen, Baptisterien, zentrale Marienkirchen, zentrale Grabkirchen etc. genannt; zum anderen wird auf eine fränkisch-gallische Tradition, die ihrerseits auf hellenistisch-frühchristliche Vorbilder zurückgehe, verwiesen.135 Alle möglichen und genannten Vorbilder haben eine heraus127

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Hugot, Pfalz, S. 571 vermutet ein von Säulen umgebenes Thermalfreibad von ungefähr 22 m × 22 m. Hugot, Pfalz, S. 545. Sage, Pfalzen, S. 324f. Hugot, Pfalz, S. 572 nimmt an in einem Brunnen. Dazu u. a. Fichtenau, Byzanz, S. 48ff.; Schrade, Kuppelmosaik. Notker, Gesta II, c. 8. Sage, Pfalzen, S. 326f.; Hugot, Pfalz, S. 572. Kreusch, Kirche passim; Kühnel, Aachen; Schnitzler, Kuppelmosaik; Schrade, Kuppelmosaik; Schöne, Gestalt; Lehmann, Kaisertum; Bandmann, Vorbilder; Fichtenau, Byzanz, S. 1–25; alle mit weiteren Verweisen auf ältere Literatur. In der ersten Auffassung werden genannt: das Pantheon in Rom, St. Vitale in Ravenna, S. Sergios und Badhos in Konstantinopel, Grabeskirche in Jerusalem, Maria Baldernae in Konstantinopel, Marien Grabeskirche in Gethsemane, Baptisterium im Lateran; neben den Zentralkirchen der zentrale Thronsaal des byzantinischen Kaisers, der sogenannte Chrysotriklinos, vermittelt allerdings durch S. Vitale, Fichtenau, Byzanz, S. 7ff.; die zweite Auffassung kann auf konkrete Vorbilder, die heute noch bekannt sind, nicht verweisen, sondern muß sie vermuten; aber auch andere römische Zentralkirchen auf fränkischem Boden werden genannt, St. Gereon in Köln und die westgotische, im 18. Jhdt. zerstörte Daurade in Toulouse; es könnte auch langobardische Vorbilder in Pavia und Benevent gegeben haben, auch wegen

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ragende Stellung im Zusammenhang mit geistlicher und weltlicher Herrschaft. Karl hat mit der Pfalzkapelle eine Palastkirche geschaffen,136 die seinem herrscherlichen Anspruch entsprach, ihn nach außen deutlich machte und so gerade auch für fremde Gesandte seine herrscherliche Stellung klar betonte. Daß dabei auf Vorbilder, Bekanntes also, verwiesen wurde, das die Gesandten in einen bekannten herrscherlichen Zusammenhang einzuordnen wußten, wirkte nicht als Kopie, sondern verstärkte diese Wirkung. Der Zentralbau scheint dafür unabhängig vom einzelnen Vorbild allgemein von wesentlicher, grundlegender Bedeutung. Karl wollte einen architektonischen Höhepunkt gerade auch in einem sakralen Bauwerk setzen, sich dabei einstellen in die höchsten herrscherlichen christlichen Traditionen. Bandmann sieht zudem in Karls Versuch, verschiedene Vorbilder aus unterschiedlichen Traditionen zusammen zu bringen, die Absicht Karls, „die fränkische Tradition, das neue Bündnis mit Rom und die Rivalität zu Byzanz in gleicher Weise anschaulich“ zu machen.137 Aber nicht nur durch die Anlehnung der Pfalzkapelle an römisch-byzantinische Vorbilder, sondern auch durch die Verwendung von antiken Säulen, die extra aus den christlich-kaiserlichen sedes Ravenna und Rom beschafft wurden, sollte Aachen in gewisser Hinsicht diesen sedes gleichgestellt werden.138 Die Anlage des Throns im Obergeschoß oder der Empore im Westen mit Blick nach Osten war der königliche Hauptort der Kapelle.139 Ihm gegenüber aber steht der geistliche Hauptort, der Salvatoraltar. Beide Räume sind jeweils durch doppelgeschossige Säulenstellungen mit Dreibogenbrücke in ihnen vorgelagerte Räume auch nach hinten geöffnet. Hinter dem Thron befindet sich zudem ein lichtbringendes Fenster. Der Thron war außerdem noch durch zwei freistehende Säulen, wahrscheinlich den noch vorhandenen grünen Porphyrsäulen flankiert, in denen jedenfalls später Reliquien enthalten waren.140 Diese miteinan-

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des Salvatorpatrozinimus; zu allem am ausführlichsten und gründlichsten Brandmann, Vorbilder, passim, der aber auch darauf hinweist, S. 426, daß „hinter diesen möglichen Vorbildbauten, die als Eltern, nähere oder fernere Verwandte und auch als Angesippte der Aachener Pfalzkapelle zu bezeichnen sind ... Traditionen und Rezeptionen der Antike und des frühen Mittelalters stehen, deren Motive Karl im einzelnen nicht mehr bewußt waren, aber gewiß seiner Selbstauffassung entsprachen.“ So wohl überzeugend und in der Forschung anerkannt Schöne, Gestalt, S. 136; Lehmann, Kaisertum, S. 76ff. Bandmann, Vorbilder, S. 425. Im vorliegenden Zusammenhang ist nur darauf abzustellen. Die architektonisch-kunstgeschichtliche, künstlerische und auch technisch-konstruktive Gestaltung und Gestalt bleibt ausgeklammert, bzw. wird nur soweit herangezogen, als es für die politische Bedeutung von Interesse ist. Karl bat um 787 Hadrian, ihm Marmor und andere Bauteile aus dem kaiserlichen Palast in Ravenna, zu dem St. Vitale gehörte, zu überlassen, was dieser liberati animo et puro corde cum nimio amore tat, Codex Carolinus, Nr. 81, MGH Epp. III, S. 614; Einhard, Vita Caroli, c. 26. Es wird vermutet, daß es sich um rote Porphyr-Säulen handelte, die nach römischer Tradition allein für den Kaiser reserviert waren; Kreusch, Kirche, S. 478f.; SchmitzEhmke, Rheinland, S. 6; Fichtenau, Byzanz, S. 21f.; Schrade, Kuppelmosaik, S. 30. Zur Emporenbeschreibung, Schöne, Gestalt, S. 116ff. Kreusch, Kirche, S. 478f.; er identifiziert sie mit von Alcuin in einem Brief an Karl den Großen erwähnten Säulen quae in opere pulcherimo et mirabili ecclesiae, quam vestra dictavit sapientia, statutae sunt, Alcuini epp., Nr. 149, MGH Epp. IV, S. 244, Z. 24.

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der über das freie offene, aber nicht „leere“, sondern erfüllte Oktagon141 kommunizierenden Räume bildeten das funktionale Zentrum des ganzen Baus, in dem Karl der Große mit dem Hof die Gottesdienste feierte,142 an denen auch die jeweils anwesenden Gesandtschaften teilgenommen haben werden, und besondere feierliche Handlungen vornahm. Hier erhob er seinen Sohn Ludwig zum Mitkaiser143, hier vollzogen sich die Übergabe der Vertragsurkunden an die griechische Gesandtschaft und deren laudes für Karl als imperator et basileus.144 Schließlich wurde die Kirche in ihrem Anspruch als Palastkirche durch die Reliquien, die Christus selbst und der Mutter Maria zugeordnet wurden, in ihrer Bedeutung zusätzlich erhöht. Sie kamen aus Konstantinopel und aus Jerusalem, stellten also auch dadurch die Verknüpfung mit der Tradition her.145 Die ursprüngliche innere Ausstattung ist nur z. T. erhalten. Das heutige Kuppelmosaik aus dem 19. Jahrhundert soll zwar das ursprüngliche, Anfang des 18. Jahrhunderts zerstörte karolingische Mosaik wiedergeben. Jedoch ist dieses selbst nicht gesichert. Strittig ist, ob es, wie das heutige Mosaik, eine Darstellung des Pantokrators enthielt, also eine leiblich-menschliche Darstellung Christi, oder gemäß der zurückhaltenden Position Karls in der Bilderfrage das apokalyptische Lamm, also eine symbolische Darstellung.146 Zwar gab es im Mittelalter eine Pantokrator-Darstellung an der dem Thron gegenüberliegenden Seite der Kuppel, aber sie könnte nachkarolingisch sein und das ursprüngliche Lamm im Zenit ersetzt haben.147 Beide Darstellungen waren 141

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Schöne, Gestalt, S. 126 nennt das Oktagon von der Empore aus „ein in einem eigentlichen Sinne unbetretbares, aber gerade darum überaus eindringliches Innen, ... das Nicht-zu-Betretende, ... der Un-Raum des Numimosen“. Zur Bedeutung der herrscherlichen Gottesdienste insbesondere im Krieg, unten S. 497. Dazu Fleckenstein, im Anschluß an ihn insbesondere für die Palastkapelle in Aachen, Schöne, Gestalt, S. 140. Schöne betont zwar Weihnachten und Ostern, die auch in den Reichsannalen besonders hervorgehoben werden. Aber es wird daneben auch weitere besondere Festgottesdienste außer den allgemeinen Gottesdiensten gegeben haben. Zur karolingischen Liturgiereform, u. a. Angenendt, Frühmittelalter, S. 327 ff. Thegan, Vita Hludowici, c. 6. Ann. regni Franc. ad a. 812. Es handelt sich um die sogenannten „Großen Aachener Heiltümer“, ein Gewand der Muttergottes überbracht von der Gesandtschaft Irenes 798, Windeln und Lendentuch Christi, Enthauptungstuch Christi, wohl von einer Jerusalemer Gesandtschaft überbracht, und die sogenannten „Kleinen Aachener Heiltümer“ aus der hl. Familie, dazu u. a. Kreusch, Kirche, S. 502ff. Das Apsismosaik der karolingischen Kirche von Germigny-des-Prés , die in der Nähe von St. Benoit-sur-Loire liegt, zeigt die Bundeslade umgeben von vier Engeln. Die Ausstattung wird Jonas von Orleans zugeschrieben. Dazu einerseits Schnitzler, Kuppelmosaik, S. 17ff., der annimmt und zu belegen sucht, daß es die Anbetung des apokalyptischen Lammes durch die 24 Ältesten dargestellt habe, und nicht des Hochthronenden, wie es eine Zeichnung aus dem 17. Jahrhundert darstellt. Dieser sei vielmehr erst im 12. Jahrhundert in das Mosaik anstelle des Lammes eingefügt worden. Er beruft sich auf kunst- und theologisch-historische Belege. Eine zentrale Rolle spielt die in den Libri Carolini zum Ausdruck kommende Ablehnung der Bilderanbetung durch Karl den Großen. Anderer Ansicht ist hingegen Schrade, Kuppelmosaik, S. 25ff., der nach wie vor

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aber vom Thron aus nicht zu sehen.148 Der zeitliche Herrscher stellte sich unter das Bild der Verherrlichung Christi als des eigentlichen ewigen Herrschers.149 Da aller Wahrscheinlichkeit nach die griechischen Gesandten die laudes für den basileus Karl unter diesem Mosaik vollzogen, wurde auch von außen und nach außen deutlich gemacht, daß auch der basileus nur unter dieser Herrschaft Christi seine Herrschaft inne hatte. Aber es wurde ihnen auch der Anspruch auf Gleichrang des neuen basileus mit dem alten basileus symbolisch vor Augen geführt.150 Die Pfalzkirche wird als capella der Hofkapelle zugeordnet, die nunmehr hier ihren zentralen Ort findet und ihre Mitglieder regelmäßig versammelt.151 Da die oberen Mitglieder der Hofkapelle schon bei Pippin und auch in der Zeit Karls des Großen auch an der Konzeption der Politik Anteil hatten, z. T. wie die Erzkapelläne Abt Fulrad und Bischof Hildebald, oder ihr Mitglied der Laienabt Angilbert als Gesandte tätig waren, wird die Palastkirche auch insofern indirekt zu einem wichtigen Ort der Außenbeziehungen.

c. Grenzorte Verschiedentlich finden Begegnungen mit fremden Gesandtschaften an einer Grenze statt. Das ist zwar eine alte Form der Begegnung, die auch weiter in Übung bleibt.152 Aber in unserer Epoche ist sie relativ selten. Die Herrscher nehmen nie daran teil, sondern schicken ihrerseits Gesandte, die dann die fremden Gesandten an der Grenze treffen. Eigenartiger Weise werden solche Grenztreffen fast nur von Begegnungen mit dänischen Gesandten gemeldet. Sowohl die drei Friedensschlüsse werden an der Grenze vollzogen, als auch verschiedene Verhandlungen werden dort geführt.153 Allerdings empfing Karl der Große gelegentlich Gesandte an Grenzen nach Kriegszügen, um die Unterwerfung entgegenzunehmen.

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ebenfalls aus kunst- wie theologischgeschichtlichen Gründen die Annahme für vertretbar hält, es habe sich doch um den Hochthronenden und nicht um das Lamm, nicht um die symbolische, sondern um die menschliche Darstellung des Christus gehandelt. Schöne, Gestalt, S. 102 nimmt im Zentrum eine Geisttaube als Ursprung der Sphären durchdringenden Lichtstrahlen. Dort auch weitere Ausführungen zur Gesamtgestalt. Schnitzler, Kuppelmosaik, S. 37 unter Berufung auf Buchbrenner. Lehmann, Kaisertum, S. 77f. sieht in der Zentralgestaltigkeit der Kirche und dem Kuppelmosaik einen besonders hohen Anspruch Karls der Stellvertretung Christi oder doch als sein Beauftragter schon vor der Kaiserkrönung. Lehmann, Kaisertum, S. 78 sieht gerade diesen Gleichranganspruch, wie er ungefähr gleichzeitig mit Baubeginn um 792 in den Libri Carolini erhoben wurde, als eine Grundlage dieser Konzeption. So überzeugend Schöne, Gestalt, S. 136ff. Schneider, Verträge, passim. So Annales regni Franc. ad a. 804; zwar lagerte Karl der Große an der Elbe in Hollerstedt, wohin König Godofrid kommen wollte. Aber dieser sandte nur Gesandte und Karl ließ seinerseits eine Gesandtschaft an die sächsisch-dänische Grenze ziehen; 809 kamen Grafen Karls und dänische Große zu Verhandlungen jenseits der Elbe zusammen, die aber ergebnislos endeten.

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d. Zeremoniell bei fränkischen Empfängen Über die Art und Form des Empfangs der auswärtigen Gesandten durch den König bzw. Kaiser wird in den Annalen oder Chroniken im Detail wenig berichtet. Wenn Gesandte an der Grenze erschienen oder gemeldet wurden, wurde dies dem Herrscher mitgeteilt. In besonderen Fällen wurden sie an der Grenze abgeholt oder doch zum Hof, wo immer er sich aufhielt, geleitet. Für die Verpflegung und Unterbringung wurde vom Hofe im Rahmen der Pflicht zur Gastung gesorgt. Nach ihrer Ankunft am Hof wurden die Gesandten in der Regel alsbald vom König oder Kaiser in Audienz empfangen. Zweimal wird jedoch von Abweisungen von Gesandten berichtet. 762 empfing Pippin eine Gesandtschaft Waifars von Aquitanien nicht, die um Frieden bitten wollte und dafür Unterwerfung anbot, aber auch um Rückgabe von Städten bat.154 Im Jahre 816 weigerte sich Ludwig der Fromme, Gesandte der Söhne des Dänenkönigs Godofrid zu empfangen, die um Frieden baten, da man dies für simulatia magis quam veracia hielt.155 Unter Umständen mußten Gesandte aber auch warten. Die Gründe sind verschieden; so konnte es sein, daß der König bzw. Kaiser nicht in Aachen war.156 Ein grundloses Wartenlassen konnte einen schweren diplomatischen Affront darstellen, kam aber auch vor.157 Die fränkischen Herrscher legten ihrerseits erheblichen Wert auf ehrenvolle und freundliche Behandlung ihrer Gesandten und alsbaldige Erledigung der Angelegenheiten.158 Paul I. entschuldigte sich einmal bei Pippin für die längere Zurückhaltung eines fränkischen Gesandten.159 Über den Verlauf der Audienzen berichten die Annalen wenige Einzelheiten. Ob z. B. eine Proskynese oder andere Rituale stattfanden, ist aus den Annalen nicht zu entnehmen.160 Wenn die Gesandten vorgelassen wurden, überreichten sie Briefe und andere Dokumente sowie die mitgebrachten Geschenke, die sie von ihrem Entsender für den fränkischen Herrscher erhalten hatten.161 Die Annalen berichten i. d. R., daß 154 155 156

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Fred. chron. cont 130 (47), S. 190. Ann. regni Franc. ad a. 817. Notker, Gesta II, c. 8 berichtet, die Gesandten Haruns hätten bis Ostern warten müssen, weil sie in der Karwoche ankamen. Ann. regni Francorum, ad a. 824, Ludwig läßt eine zweite bulgarische Gesandtschaft in Bayern warten und schickt eine Gesandtschaft der Abodriten (?) aus dem Grenzgebiet zu den Bulgaren, über die sie sich beschwerten, zunächst zurück, nach dem er sie angehört hatte. Sie sollten mit den Bulgaren wieder kommen. Brief Karls des Großen an Michael I.: eosque, postquam ad te venerint et a te, sicut in tua caritate confidimus, beningne suscepit fuerint, absque non necessaria dilatione absolvere iubeas, ut de illorum reditu et de tuae dilectae fraternitatis rescripto, Domino opitulante, gaudeamus, Epp. Var. Car., Nr. 37, MGH Epp. IV, S. 556, dt. Anhang Nr. 3. Codex Carolinus, Nr. 17, MGH Epp. III, S. 514. Von solchen berichtet aber Notker, Gesta II, c. 6, in Bezug auf eine byzantinische Gesandtschaft. I. ü. erscheinen seine Darstellungen übertrieben. Z. B. Ann. regni Franc. ad a. 797 kommt ein byzantinischer Gesandter imperatoris epistolam portans; 798 byzantinische Gesandte epistolam Herenae imperatricis ferentes; 824 kommen die bulgarischen Gesandten cum litteris; Ganshof, Relations, S. 37f. Zu den besonderen Geschenken gehörten gewiß die Orgel von Konstantin V. für Pippin 757, die kostbaren Geschenke Harun al-Rashids 802 und 807 und die Geschenke Alfons von Asturien 797/98.

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die Gesandten angehört, ihnen die Antwort des fränkischen Herrschers gegeben und sie nach Hause entlassen wurden.162 Es gab also wohl auch mündliche Erläuterungen. Aber es wird auch manchmal hinzugefügt, sie seien in freundlicher; beningne, ehrenvoller, cum magne honore, großartiger ,magnifice‘ Weise empfangen worden.163 In einigen Fällen wird berichtet, daß nach der ersten Anhörung weitere Erkundigungen eingezogen werden mußten.164 War die Mission erfüllt, wurden die Gesandten in manchen Fällen bis zur Grenze zurückbegleitet. Die Rückkehr setzte eine entsprechende Erlaubnis voraus, die auch hinausgezögert werden konnte.165 Die Antwort des fränkischen Herrschers konnte mündlich und auch begleitet von einem Brief erfolgen.166 In der Regel wird die Antwort nicht verweigert. Aber es geschah auch, was dann zum Krieg führte.167 Hincmar von Reims stellt im Zusammenhang mit der Darstellung der Versorgung des Hofes mit den notwendigen Gütern und Bediensteten fest, et ut qualiscunque legatio, sive speculandi sive etiam subdendi gratia veniret, qualiter omnes quidem honeste suscipe potuissent,168 ordnet dies also in die Zwecke der Ordnung des Palastes ein.

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Z. B. Ann. regni Franc. ad a. 827, in Bezug auf die Gesandten Kaiser Michaels II. beningne receptos et audivit et absolvit. Ann. regni Franc. ad a. 798; 799 ein sizilianischer Gesandter ad domnum regem venit atque inde iterum cum magno honore dimissum est; Ann. regni Franc. ad a. 797, der Gesandte des Statthalters von Sizilien, Theosticos, quem magnifice suscipiens post paucos dies absolvit. Die Begriffe sind absolvere, aber auch dimittere, dazu die Zitate in den vorstehenden Fußnoten; Ann. regni Franc. ad a. 800: Rex absolutum Hierosolimitanum monachum reverti fecit, in dem die Entlassung und die Rückkehr geschieden werden. Ann. regni Franc. ad a. 817, Verzögerung der Entlassung der Gesandten des Sarazenenkönigs Abulaz aus Sarragossa cum tribus mensibus detenti essent et iam de reditu desperare coepissent. Ann. regni Franc. ad a. 817, die zur Regelung der Grenzstreitigkeiten in Dalmatien in Aachen weilende byzantinische Gesandtschaft mußte die Ankunft des dortigen fränkischen Statthalters Cadola abwarten. Ann. regni Franc. ad a. 824, die bulgarische Gesandtschaft, die aus ähnlichem Anlaß nach Aachen gekommen war, mußte die Rückkunft der Gesandten Ludwigs des Frommen abwarten, die dieser zwecks Erkundigungen abgesandt hatte. Fred. chron. cont. 134 (51) Begleitung einer Gesandtschaft des Kalifen nach ihrem Empfang durch Pippin bis Marseille; Thegan, Vita Hludowici, c. 9. Nach dem Empfang der byzantinischen Gesandtschaft et ante eos misit missos suos, praeparare eis quicquid desiderabant ad opus eorum, quousque fuissent in regio eius. Ann. regni Franc. ad a. 803; Karl der Große gab den Gesandten des Kaisers Nicephorus eine Friedensurkunde und einen Brief mit; der überlieferte Brief von 811 wurde hingegen von einer eigenen Folgegesandtschaft überbracht; 825 gab Ludwig der Fromme den ersten bulgarischen Gesandten einen Brief an den bulgarischen König mit, der seinerseits seine Gesandten mit einem Schreiben zurücksandte. So gab Ludwig der Fromme der bulgarischen Gesandtschaft von 826 keinen Brief, also wohl auch keine Antwort mehr mit, da er das Gerücht nicht verifizieren konnte, ob der Bulgarenkönig von seinen Großen vom Thron gestoßen und getötet worden oder noch am Leben sei. Er war wohl unsicher, ob er überhaupt noch einen Partner für eine Absprache hatte. Ludwigs Verhalten führte jedoch zum Einbruch der Bulgaren, Ann. regni Franc. ad a. 826, und 827, Ganshof, Relations, S. 45. Hincmar, De ordine, c. V, S. 78, Z. 414 ff.

Orte und Zeremoniell

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Hier hätte sich am ehesten etwas über dieses Zeremoniell finden können, zumal der Erzbischof von Reims ausführlich die Beratungen auf den Reichsversammlungen darstellt, auf denen in der Regel auch die ausländischen Gesandtschaften erschienen.169 Das deutet darauf hin, daß es ein ausgebildetes, regelmäßig angewandtes Zeremoniell, anders als in Konstantinopel, noch nicht gab, jedenfalls es keine so zentrale Rolle spielte, daß darüber berichtet werden mußte.170 Das mag damit zusammenhängen, daß einerseits eine lange Praxis fehlte und andererseits Gesandtschaften trotz der zeitweisen zentralen Bedeutung Aachens nicht regelmäßig und üblicherweise an einem Ort empfangen wurden, sondern an dem jeweiligen Aufenthalt des fränkischen Herrschers und damit nach den dort obwaltenden Möglichkeiten und Gelegenheiten. Immerhin scheint Karl der Große sich für solche Empfänge festlicher als sonst gekleidet zu haben, um die Gesandten ehrenvoll zu empfangen.171 Aber auch in Aachen scheint sich kein festes Zeremoniell herausgebildet zu haben. Ob der Empfang in der Aula oder in der Kirche stattfand, ist wohl vom Inhalt her bestimmt. Nur über die Vorgänge des Jahres 812 ist bekannt, daß sich der Abschluß in der Kirche vollzog. Es ist anzunehmen, daß der erwähnte Altar der Salvatoraltar auf der Empore war, nicht der Marienaltar im Untergeschoß. Denn er war der Zentralaltar. Die byzantinischen Gesandten werden auf der Empore mit dem Hof gestanden haben, während Karl wahrscheinlich auf dem Thron saß, wo ihm die laudes entgegenhallten. Ob er die Krone trug, wie im Jahr später bei der Erhebung Ludwigs zum Mitkaiser, kann nur vermutet werden; die Bedeutung des Vorganges spricht aber dafür, gerade auch die Anrede als basileus. Es scheint Gastmähler in der Aula zu Ehren der Gesandten gegeben zu haben. Es fehlen jedoch zeitnahe Nachrichten für die Zusammentreffen mit Gesandten, wie sie für die Zusammenkunft Ludwigs des Frommen mit Papst Stephan IV. in Reims vorliegen. Erst Notker berichtet von einer Einladung der Gesandten Haruns zu einem Festmahl mit dem Hof.172 Für fränkische Gesandtschaften galten die Verfahren und das Zeremoniell des Empfängers.

e. Empfang in Konstantinopel Der Kaiser begab sich nicht persönlich zu Verhandlungen zu anderen Herrschern. Jedoch kamen Herrscher nach Byzanz, wo sie vom Kaiser in Audienz empfangen und mit ihnen Verhandlungen geführt wurden. Jedoch kamen weder merowingische noch karolingische Herrscher nach Konstantinopel. Es scheint sich eher um Herrscher aus Gebieten gehandelt zu haben, die in größerer oder geringerer Abhängigkeit von Byzanz standen.173 Die Regel war der Verkehr durch Gesandtschaften, durch eigene, die zu fremden Herrschern entsandt wurden, oder mit den fremden, die nach Byzanz ka169 170 171

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Ibid., c. VI und VII, S. 82ff. Ganshof, Relations, S. 37 nimmt ein besonderes Protokoll zwar an, gibt aber keine Belege. Einhard, Vita Caroli, c. 23, Aliquoties et gemnato ense utebatur, quod tamen nonnisi in praecipuis festivitatibus vel si quando exterarum gentium legati venissent. Gesta II, c. 8. Kazdan, Notion, S. 16f.

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Politische Verkehrsbeziehungen – Gesandtschaften

men. Die Zwecke der Gesandtschaften waren sehr verschieden und reichten von der Anzeige der Thronbesteigung über Kriegserklärungen bis zu Verhandlungen über Verträge u. a.174 Auch sie wurden, wie die ausgehenden byzantinischen Gesandten, von byzantinischen Dolmetschern begleitet. Das byzantinische Zeremoniell war eingehend und differenziert entwickelt. Es beruhte auf langer Tradition und folgte ganz bestimmten Grundsätzen und Auffassungen, die sich an den universalen und ausschließlichen Ansprüchen des basileus orientierten. Die ankommenden fremden Gesandtschaften wurden vom Protokollchef empfangen. Ihre Behandlung variierte,175 war aber i. d. R. ehrenvoll. Die fremden Gesandten galten gemäß der Tradition des antiken Zwischen-Mächte-Rechts als „geheiligte Personen“, standen also unter Schutz. Sie wurden auf Reichsgebiet über die Postwege geführt und auf Kosten des Reiches unterhalten. In Konstantinopel wurden sie im Palast untergebracht. Dies war einerseits eine Ehre, andererseits zugleich ein Verfahren, sie von der Stadt, von Begegnungen mit dem Volk fernzuhalten. Auf diese Weise wurden die Gesandtschaften daran gehindert, Informationen vom Zustand des Reiches zu gewinnen, die sie nicht erhalten sollten. So war ihr Verkehr weitgehend auf diejenigen Würdenträger und Beamten beschränkt, die dafür ausgewählt waren. Die Verhandlungen begannen erst nach einer feierlichen Audienz beim Kaiser, die nach strengem Zeremoniell ablief und nicht selten erst nach langem Warten gewährt wurde. Sie fand in einem dafür vorgesehenen Thronsaal statt, der mit allem Prunk ausgestattet war. Der Kaiser thronte hocherhoben über dem gesamten Hofstaat in feierlichem Ornat. Die Annäherung schloß eine dreifache Proskynese ein. Zu einem Gespräch, einer Verhandlung kam es dabei nicht. Der Kaiser zeigte sich den Gesandten und deren Gefolge ohne ein Wort.176 Der Logothet sprach formelle Worte der Begrüßung. Dabei wurden seitens des Gesandten wohl auch sein Beglaubigungsschreiben überreicht und eine zeremonielle Ansprache gehalten. Die Verhandlungen danach wurden entweder vom Kaiser selbst in einfacheren, engeren Audienzen oder von Palastbeamten geführt.

f. Fazit Es bestanden somit nicht unerhebliche Unterschiede in den Zeremonien beim Empfang auswärtiger Gesandtschaften in Aachen und Konstantinopel. Den Franken fehlten gewiß Erfahrungen, Praxis. Die Dürftigkeit der Berichte der Annalen deutet aber auch darauf hin, daß deren Verfasser den Zeremonien nicht, bzw. noch nicht eine grundlegende oder doch herausragende Bedeutung für den Verkehr mit anderen Mächten zumaßen. Erst Notker erzählt im Nachhinein ausführlich über einen im Zeremo174 175

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Bréhier, Institutions, S. 249. Zum Folgenden u. a. Bréhier, Institutions, S. 250ff. Bekannt ist die schlechte Behandlung des Gesandten Ottos I. Luitprand, der sich nicht an das Protokoll gehalten hatte. Treitinger, Kaiser- und Reichsidee, S. 53, sieht in diesem Schweigen und zeremoniellen Sprechen auch einen besonderen Niederschlag der heiligmäßigen Stellung des Kaisers, seiner besonderen Hoheit und Absonderung.

Gegenstände

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niell demütigenden Empfang oströmischer Gesandter durch Karl den Großen.177 Zwar scheint sich im Ansatz so etwas wie ein Verfahren oder Zeremoniell am Karolingischen Hof herausgebildet zu haben, dessen grobe Stationen sind: Empfang, Anhörung, Verhandlung mit dem König bzw. Kaiser oder mit Hofmitgliedern, Entlassung durch den König bzw. Kaiser. Dabei gibt es aber stets Variationen. Ungewiß bleibt, ob einer bestimmten Person die Betreuung der Gesandten am Herrscherhof, sei es in Aachen, sei es sonstwo, oblag, wer für die Audienz sorgte, wie die Gesandten also Zugang zum fränkischen Herrscher fanden. Das alles deutet darauf hin, daß die entsprechenden Formen zu dieser Zeit des Beginns systematischer und gezielter Außenpolitik noch in den Anfängen steckten. In dem Zeremoniell für die Gesandten wurde die dignitas des Herrn der jeweiligen Gesandten anerkannt und auch eingestuft und normativ gesichert. Wurde der rechte Umgang verfehlt, wie anscheinend beim Umgang Ludwigs mit den bulgarischen Gesandten, die er erst warten ließ und mit denen er dann nicht verhandeln wollte, konnte das Krieg bedeuten.

V II . Geg en s tän d e a. Allgemeines In Zentrum der Gesandtschaften steht naturgemäß ihr jeweiliger Gegenstand oder Zweck. Die Gesandtschaft ist erfolgreich, wenn dieser erfüllt wird. Da Gesandtschaften ad hoc kommen und entsandt werden, haben sie in der Regel einen bestimmten Zweck oder Gegenstand, der auch häufig benannt wird. In der Regel wird nur in bezug auf die auswärtigen Gesandtschaften etwas über deren Gegenstand oder Zweck mitgeteilt. Aber gelegentlich finden sich Mitteilungen darüber auch für die fränkischen Gesandtschaften. Diese Gegenstände und Zwecke machen gleichzeitig im Detail und in concreto deutlich, welches die Inhalte, Zwecke und Ziele der fränkischen Außenpolitik sind, bzw. welche Aufgaben und Anforderungen die zunehmende Stärke der Stellung der Frankenherrscher im Mächtegefüge des 8. und 9. Jahrhunderts an sie stellte.178

b. Friedensschluß Eine ohne Zweifel wichtigste Aufgabe von Gesandtschaften war die Bemühung um Herstellung oder Befestigung des Friedens zwischen ihrem Auftraggeber und dem Empfänger. Diese Bemühung war je nach Situation sehr verschieden nach Form und Inhalt. So ging es nicht immer um den Abschluß eines Friedensvertrages. Das war nur der Fall, wenn ein Krieg vorauf gegangen war. Aber auch dann wurde nicht immer ein

177 178

Unten S. 361ff. Zum folgenden auch Ganshof, Relations, S. 21ff.

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Vertrag abgeschlossen. Frieden konnte auch einseitig gewährt werden. Vor allem umfaßte „Frieden“ begrifflich eine viel weiteren Inhalt als Beendigung eines Krieges.179 Der herausragendste Friedensschluß war wohl der mit Ostrom. Nach den Berichten der Reichsannalen hatten drei Gesandtschaften aus Konstantinopel den Zweck, Frieden herzustellen, die Gesandtschaften der Kaiserin Eirene 802,180 des Kaisers Nicephorus von 803181 und desselben von 810.182 Karl der Große sandte eine eigene Gesandtschaft mit dieser byzantinischen Gesandtschaft nach Byzanz eiusdem pacem confirmandae gratia. Da nach 800 wesentliche Fragen im Zusammenhang mit dem Kaisertum Karls des Großen zu klären waren, 810 auch der dalmatinisch-venezianische Krieg voraufgegangen war, bildete der Abschluß eines umfassenden Friedensvertrages, der die Gesamtbeziehungen zwischen beiden Mächten regeln sollte, den Gegenstand dieser gegenseitigen Gesandtschaften. Sowohl 803 wie 810 überbrachten die fränkischen Gesandten einen Brief Karls des Großen an Nicephorus, in dem er den Zweck der Gesandtschaft, einen Friedensvertrag abzuschließen, darlegte und entsprechende Verhandlungen anregte.183 Gesandtschaften zur Erlangung des Friedens werden auch von verschiedenen anderen Nachbarn und insbesondere von den in Abhängigkeit stehenden oder gebrachten Mächten entsandt. Ebenfalls 810, aber auch 816 erreichten Gesandtschaften des Emirs von Cordoba Abulaz Karl den Großen bzw. Ludwig den Frommen pacis faciendae causa, oder pacis petendae gratia.184 816 wurde ein neuer Friedensschluß notwendig, weil der Friedensschluß von 810 im Jahr vorher beendet worden war.185 Ob in all diesen Fällen Verträge geschlossen wurden oder der Friede als einseitiger Akt gewährt wurde, läßt sich aus den Quellen nicht entnehmen. Die Dänen entsandten mehrfach Gesandtschaften, um zu einem Frieden oder zu einem Ausgleich zu kommen. Das erste Mal wird von einer solchen Gesandtschaft für 809 berichtet. Allerdings sind es nach dem Bericht der Annalen Kaufleute, also nicht eine echte Gesandtschaft. Sie bittet um die Zusammenkunft conventus dänischer und fränkischer Gesandter iuxa terminos regni trans Albim ... in quo res invicem gestae proferri et emendatione digna inter partes enumerari potuissent. Es kam zwar zu der Zusammenkunft, aber die Verhandlungen führten zu keinem Ergebnis.186 Auch hier waren kriegerische Auseinandersetzungen vorauf gegangen.187 Nach der Ermordung Godofrids wurde nicht mehr nur durch Gesandte verhandelt, sondern ein Frieden durch Gesandte beider Seiten mit dessen Nachfolger Hemming zunächst vorläufig und dann endgültig auf der Grenze an der Eider durch gegen179 180

181 182 183 184 185 186 187

Zum Begriff pax unten Teil IV, 2. Kapitel „Pax“. Ann. regni Franc. ad a. 802 Herena imperatrix ... misit legatum nomine ... de pace confirmanda inter Francos ac Graecos. Es hatte seit dem letzten Kontakt 798 keinen Krieg, wohl aber die Kaisererhebung Karls des Großen gegeben. Ann. regni Franc. ad a. 804. Sie erhielten die erste Friedensurkunde mit. Ann. regni Franc. ad a. 810, ad faciendae causa ... pacemque cum Niceforo imperatore ... fecit. Epp. var. Car., Nr. 32, MGH Epp. IV, S. 546. Ann. regni Franc. ad a. 810 und 816. Ann. regni Franc. ad a. 815. Ann. regni Franc. ad a. 809. Ann. regni Franc. ad a. 808.

Gegenstände

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seitige Eide geschlossen.188 Das gleiche geschah 813, wiederum durch Gesandtschaften beider Seiten trans Albim fluvium ad confinia Nordmanorum, nachdem die Nachfolger Hemmings missa ad imperatore legatione pacem petunt,189 und wiederum 825.190 Gesandtschaften konnten auch dazu bestellt werden, selbst Verträge zu schließen. Da immer wieder kriegerische Auseinandersetzungen mit den Dänen, auch im Zusammenhang mit den Bemühungen um die Rückführung des vertriebenen Königs Heriold stattfanden, kamen auch wiederholt Friedensgesandtschaften der dänischen Könige zu Ludwig dem Frommen. 817 wurde, wie erwähnt, eine solche abgewiesen, da man den regierenden Söhnen des Königs Godofrid den Friedenswillen nicht glaubte. Über die Inhalte der Friedensschlüsse wird nichts berichtet.191 Einmal boten die Dänen Genugtuung für einen Überfall an.192 Es wird auch sonst von derartigen Gesandtschaften um Frieden berichtet, so von Waifar, dem Herzog von Aquitanien, an Pippin.193 Nicht durch eigene Gesandte sondern durch fränkische Große bittet Aistulf jeweils nach seinen Niederlagen gegen Pippin um Frieden.194 Als Gesandtschaften wird man das aber wohl nicht bezeichnen können. Nicht um einen Krieg zu beenden, sondern um einen solchen zu vermeiden, kam 824 die erste Gesandtschaft des Bulgarenkönigs zu Ludwig den Frommen.195

c. Frieden und Freundschaft Aber auch ohne Kriegszustand, ja bei bestehendem vertraglichen Friedenszustand erschienen auswärtige Gesandtschaften wegen Frieden und Freundschaft, pax et amicitia, bei den fränkischen Herrschern. Auch fränkische Herrscher entsandten Gesandtschaften mit einem solchen Auftrag. Häufig waren diese Gesandtschaften auch noch mit anderen Zwecken verbunden. 798 erreichte eine Gesandtschaft der Kaiserin Eirene Aachen Haec tamen legatio tantum de pace fuit. Eirene hatte Konstantin VI. blenden lassen. Dieser hatte 797 über den Statthalter von Sizilien einen Brief an Karl den Großen gesandt. Das eigentliche Ziel der Gesandtschaft wird jedoch nicht genannt.196 Nach Abschluß des Vertrages von 812 entsandten die byzantinischen Herrscher mehrfach Gesandtschaften ins Frankenreich, so nach der Thronbesteigung Michaels II., um den Frieden zu befestigen und um 188 189 190 191 192 193

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Ann. regni Franc. ad a. 811. Ann. regni Franc. ad a. 812 / 813. Ann. regni Franc. ad a. 825. Ann. regni Franc. ad a. 828; Ann. Bert. ad a. 831. Ann. regni Franc. ad a. 828, ad satisfactionem esse paratos. Fred. chron. cont 124 (41), S. 18f.: Waipfarius princeps Aquitanie per legatos suos pacem supplicans, sacramenta et obsides ibidem donat ... Eine spätere ähnliche Gesandtschaft wurde aber abgewiesen, Fred. chron. cont 130 (47), S. 190. Fred. chron. cont. 120 (37), S. 184 Hec cernens Aistulfus ... pacem per sacerdotes et optimates Francorum petens; dasselbe wiederholte sich ein Jahr später nach der zweiten Niederlage, Fred. chron. cont 121 (38), S. 185. Ann. regni Franc. ad a. 824, Rex Bulgarorum N. velut pacis faciendae gratiae legatos ad imperatorum cum litteris misit. Ann. regni Franc. ad a. 798, 797.

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Ludwigs Vermittlung beim Papst im neu aufgeflammten Bilderstreit in Anspruch zu nehmen; oder auch nur, um den Frieden zu bekräftigen.197 Gegen Ende der Regierungszeit Ludwigs wird von einer Gesandtschaft des Kaisers Theophilus berichtet, die einen Brief und Geschenke überbringt Quorum legatio super confirmatione pacti et pacis atque perpetuae inter utrumque imperatorem eisque subditos amicitiae et caritatis agebat und um Dankgebete der Franken für die Siege der Griechen gegen fremde Völker bittet. Gerade in dieser Bitte drückt sich die amicitia in besonderer Weise aus. Zwischen Karl dem Großen und Harun al-Rashid sowie dem Patriarchen von Jerusalem wurden ebenfalls Gesandtschaften um Frieden und Freundschaft ausgetauscht. Zwar werden die Zwecke in den Berichten nicht bezeichnet. Man kann sich fragen, warum das unterblieben ist. Keine Information? Kein Interesse? Aber die Berichte über die prächtigen Geschenke des Kalifen sind Ausdruck freundschaftlicher Beziehungen, die Einhard in seiner Vita Caroli besonders hervorhebt.198 Ebenso sind die Übersendung der Schlüssel und der Fahne durch den Partriarchen Zeichen des Friedens und der Freundschaft. Desgleichen dürfte die Gesandtschaft Alfons II. von Asturien, die 798 Karl kostbare Geschenke überbrachte, die der asturische König in Lissabon erobert hatte, aus diesem Grunde gekommen sein.199 Selbst von den Dänen kamen im Auf und Ab der Beziehungen gelegentlich Gesandtschaften, die die bestehenden friedlichen Beziehungen ausbauen sollten, so 826 legati quoque filiorum Godofridi regis Danorum, pacis ac foederis causa directi. Ob mit foederis ein Bündnis gemeint war, kann vorerst offen bleiben. Für 839 heißt es Direxit et Horicus missos ad imperatorem ... et cum eo nepotem suum munera gentilitia deferentes, pacis amicitiaeque arctius stabiliusque gratia confirmandae. Sie erhielten nach freundschaftlicher Aufnahme Gegengeschenke.200 All diese Gesandtschaften dienten vor allem dem, wenn auch nicht ständigen, Kontakt und der Aufrechterhaltung der Beziehungen, aber auch immer wieder der Regelung konkreter Probleme im Rahmen der jeweiligen allgemeinen friedlich-freundschaftlichen Beziehung.

d. Bündnisse und Hilfeersuchen Der Abschluß eines Bündnisses im Sinne einer Vereinbarung gegenseitigen Beistandes wird ausdrücklich nur für das Verhältnis der drei karolingischen Herrscher mit den Päpsten berichtet. Allerdings wird verschiedentlich mitgeteilt, es sei ein foedus abgeschlossen worden. Auch wird mehrfach von einer amicitia mit diesem oder jenem Herrscher berichtet. Aber was damit gemeint ist, bleibt i. d. R. offen.

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Ann. regni Franc. ad a. 824 legati imperatoris litteras et munera deferentes, pacis confirmandae causa se missos esse dicentes..., inter caetera tamen ad legationem suam pertinentia quaedam de imaginum veneratione protulerunt; ad a. 828; Ann. Bertiniani ad a. 839. Ann regni Franc. ad a. 801 und 807; Einhard, Vita Caroli, cap. 16. Ann. regni Franc. und Ann. q. d. Einhardi ad a. 798. Ann. regni Franc. ad a. 826; Ann. Bertiniani ad a. 839.

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Der Abschluß des Bündnisses zwischen den karolingischen Herrschern und den Päpsten bzw. dessen Bekräftigungen und Erneuerungen geschahen jedoch nicht durch Gesandte, sondern in direkten Treffen von Papst und Frankenkönig. Aber die Päpste entsandten immer wieder Gesandte, um Hilfe der Frankenkönige gemäß diesem Bündnis anzufordern. Das geschah das erste Mal 756, als Aistulf den Friedensschluß von 755 brach.201 Aus den fränkischen Quellen läßt sich zwar nicht erkennen, wer die internuncii waren. Aber aus den päpstlichen Quellen ergibt sich, daß Stephan II. per murinum iter suos ordinans et ad eum (Pippin) Franciam dirigens missus, die von einem fränkischen Abgesandten begleitet wurden. Sie überbrachten Briefe des Papstes an Pippin, Karl und Karlmann.202 Spätere weitere Ersuchen seitens der Päpste, die Kirche gegen die Langobarden zu verteidigen, fanden über fast 20 Jahre kein Gehör. 772 bat nunmehr Hadrian I. durch Gesandte, die bis Marseille den Seeweg benutzen mußten, weil sie nicht durch langobardisches Gebiet kamen, erneut um Hilfe, jetzt gegen Desiderius: Ibique (nach Diedenhofen) veniens missus domni Adriani apostolici, nomine Petrus, per mare usque ad Massilia et inde terreno ad domnum Carolum regem usque periungens, invitando scilicet supranominatum gloriosum regem una cum Francis pro Dei servitio et iustitia sancti Petri seu solatio ecclesiae super Desiderium regem et Langobardos.203 Nach der päpstlichen Quelle hatten die Gesandten Briefe mit, die aber nicht überliefert sind.204 Danach handelte es sich nicht nur um eine invitatio, sondern Hadrian bezog sich ausdrücklich auf das Verhalten und Vorbild Pippins. Allerdings wird von einer Verteidigungspflicht in dem Bericht des Liber Pontificalis nicht gesprochen, obwohl die Päpste diese sonst immer hervorhoben. Im Brief wird das eventuell aber deutlicher gewesen sein, wenn man die überlieferten Briefe heranzieht und von ihnen auf diesen schließen kann. Hadrian I. hat dann später wohl auch Hilfe Karls gegen Neapolitanische und sizilianische Angriffe, aber auch gegen Benevent in Anspruch genommen.205 Karl der Große nennt und bekräftigt in einem später durch eine Gesandtschaft überbrachten Brief an Hadrians Nachfolger Leo III. die gegenseitigen Bündnisverpflichtungen.206 Ob mit Byzanz Bündnisse geschlossen wurden, ist nicht klar auszumachen. Die Gesandtschaften zwischen Pippin und Konstantin V. von 757 betrafen eine amicitia.207 Die Gesandtschaft der Kaiserin Eirene an Karl den Großen 781 nach Rom hatte wohl auch ein Bündnis zum Gegenstand, daß mit der Verlobung Konstantins VI. mit Karls Tochter Rothraud verbunden wurde.208 In beiden Fällen kam es aber nicht zu Weite201

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Fred. chron. cont. 121 (38), S. 185, hier wird i.ü. der Begriff internuncios verwendet, der sonst nicht erscheint. Vita Stephani II., Liber Pontificalis I, S. 452, dazu die Briefe des Papstes an Pippin vom 24. Februar 756, Codex Carolinus, Nr. 8–10, MGH Epp. III, S. 494ff. In diesem Zusammenhang steht auch der Brief des hl. Apostels Petrus an Pippin, Karl und Karlmann (Nr. 10). Ann. regni Franc. ad a. 773. Vita Hadriani I., Liber Pontificalis, I, S. 493. Ann. regni Franc. ad a. 788. Alcuini epp., Nr. 93, MGH Epp.IV, S. 136, dt. Anhang Nr. 11. Fred. chron. cont. 125, (40). Ann. Lauressh. ad a. 781, nennen aber nur die Verlobung; hier gibt es auch eine griechische Quelle, Theophanes a. m. 6274, S. 455f.; Classen, Karl der Große, S. 30.

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rungen. Eine fränkische Quelle berichtet im Jahre des endgültigen Abschlusses des fränkisch-byzantinischen Vertrages auch über ein byzantinisches Hilfeersuchen gegen Bulgaren und andere Barbaren.209 Ausgeschlossen ist das nicht. Aber die Reichsannalen und andere Quellen schweigen. Hilfeersuchen durch eine Gesandtschaft, aber ohne Bündnis, kamen von den Balearen gegen die Sarazenen. Sie unterwarfen sich dazu der Herrschaft Karls des Großen.210 Abodriten im Südosten erbaten Hilfe gegen die Bulgaren, als diese gerade durch ihre Gesandten mit Ludwig den Frommen über Grenzfragen verhandelten. Sie wurden zunächst vertröstet.211

e. Einforderung des Rechts In einigen Fällen wird von Gesandtschaften fränkischer Herrscher zur Vermeidung eines Krieges berichtet. Es wird durch die Gesandten die Forderung an den Adressaten gestellt iustitias facere, also das Recht wiederherzustellen. Dazu zählen einerseits die Gesandtschaften Pippins an den Langobardenkönig Aistulf von 754 und 755. Zum anderen hatte die Gesandtschaft Hadrians I. und Karls des Großen an Tassilo von 781 das Ziel, die Unterwerfung unter den fränkischen König einzufordern.212 Keine von ihnen hatte Erfolg, so daß es in beiden Fällen zum Kriege kam.213

f. Grenzfragen 790 fanden Grenzverhandlungen zwischen Hunnen oder Awaren und den Franken durch gegenseitige Gesandtschaften während einer Reichsversammlung in Worms statt. Sie führten nicht zum Erfolge, so daß es zum Kriege kam.214 Auch die drei Gesandtschaften, die der bulgarische König 824, 825 und 826 an Ludwig den Frommen sandte, sollten Verhandlungen um den Abschluß eines Friedens- und Grenzvertrages führen.215 Da die Verhandlungen jedoch anscheinend an Ludwigs Verhalten scheiterten, obwohl der bulgarische König vor den Folgen der Nichteinigung gewarnt hatte, brach auch in diesem Fall Krieg aus. Friedlich endete hingegen offenbar die Bemühung um die Klärung der Grenzen in Dalmatien, für die 817 eine Gesandtschaft Kaiser Leons V. zu Ludwig den Frommen 209

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Ann. Lauriss. minores ad a. 814, S. 122: et legati Graecorum auxilium petebant ab eo contra Bulgares et caeteras barbaras gentes. Ann. regni Franc. ad a. 799. Von einer Gesandtschaft wird zwar nicht berichtet; sie ist aber ohne weiteres anzunehmen. Ann. regni Franc. ad a. 824. Ob es wirklich Abodriten waren erscheint zweifelhaft; denn diese siedelten östlich und nördlich der Elbe. Aber es handelte sich wohl um Slawen. Ann. regni Franc. ad a. 781. Cron. Fred. cont. cap. 119 und 120 (36, 37); Ann regni Franc. ad a. 781. Ann. q. d. Einh. ad a. 790 Sed in Wormacia residens legatos Hunorum et audivit et suos vicissim ad eorum principis misit. Agebatur inter eos de confiniis regnorum suorum, quibus in locis esse deberent. Im einzelnen oben S. 240f.

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kam.216 Es wurde unter Beiziehung des dortigen fränkischen Grafen länger verhandelt. Das Ergebnis wird jedoch nicht mitgeteilt.

g. Religiöse Angelegenheiten Ein wesentlicher Inhalt der Gesandtschaften betrifft religiöse Fragen, nicht nur im Austausch mit den Päpsten. Zweimal erschienen byzantinische Gesandtschaften in Franken, 767 bei Pippin und 824 bei Ludwig dem Frommen wegen der Bilderfrage. 217 Im Brief an Offa von Mercien ist auch von der Festigkeit im Glauben sowie von der Bitte um Gebet die Rede. Aus Schweden sollen Gesandte mit der Bitte um Missionare zu Ludwig dem Frommen gekommen sein.218 Aus Jerusalem kam eine Gesandtschaft wegen des Streits um die processio des hl. Geistes.219 Vor allem aber in den Beziehungen mit den Päpsten spielten religiöse und kirchliche Fragen eine zentrale Rolle. Zum einen ging es dabei um Aufbau, Stärkung und Reform der fränkischen Kirche durch Hilfestellungen aus Rom, um die einerseits fränkische Gesandtschaften baten, die andererseits durch päpstliche Gesandtschaften überbracht wurden. Zum anderen ging es um zentrale Fragen des Glaubens, die Auseinandersetzung in der Bilderfrage, den Kampf gegen den Adoptianismus, den Streit um die processio des Heiligen Geistes, die Formel des filioque. Diese Fragen hatten, wie dargelegt, auch eine eminente politische Dimension.220 Zu den Gesandtschaften mit religiösem Inhalt in einem sehr weiten Sinn kann auch die englische Gesandtschaft im Jahre 839 an Ludwig den Frommen gezählt werden, die um freien Durchzug für einen nicht namentlich genannten englischen König und seine Getreuen für eine Pilgerfahrt nach Rom baten. Sie überbrachte gleichzeitig den Bericht über eine Vision eines gottesfürchtigen Presbyters als Mahnung zur Sorge um das Seelenheil der Untertanen.221

h. Sonstige Fragen Die Gegenstände oder Zwecke von Gesandtschaften waren aber weiter gestreut. Nur durch den mehrfach erwähnten Brief, nicht durch einen Bericht über eine Gesandtschaft, sind wir über Gegenstände berichtet, die, so ist aber anzunehmen, eine Gesandtschaft Karls des Großen an König Offa von Mercien verhandelt hat: allgemeiner Friede und Freundschaft, Erneuerung des alten pactum, Durchzugsrechte für Pilger

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Ann. regni Franc. ad a. 817. Ann. regni Franc. ad a. 767 und 824. Vita Anskarii, c. 9, MGH SS II, S. 696. Oben S. 235f. Teilnahme an den Synoden v. Compiègne (757), Gentilly (767), Frankfurt (794), Alligny (822), Worms (829), Ann. regni Franc. ad a. 757, 767, 794, 822, 829. Ludwig der Fromme sandte mit der Gesandtschaft des Kaisers Michael II. 824 eine eigene Gesandtschaft nach Rom, Ann. regni Franc. ad a. 824. Ann. Bertiniani ad a. 839.

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Politische Verkehrsbeziehungen – Gesandtschaften

und Kaufleute sowie deren Zollrechte, im jeweils anderen Land, also bis in konkrete personale und wirtschaftliche Fragen.222 836 forderte der Dänenkönig Horich von Ludwig durch eine Gesandtschaft Genugtuung für die Tötung früherer Gesandter bei Köln. Ludwig seinerseits sandte eine Gesandtschaft für die Genugtuung.223 Gesandtschaften waren auch mit der Behandlung dynastischer Fragen befaßt.224 Stephan III. intervenierte brieflich heftig gegen das fränkisch-langobardische Eheprojekt von 770.225 Das Eheprojekt der Tochter Karls des Großen, Rothraud, mit Konstantin VI. ist durch Gesandte vorbereitet und beendet worden.226 Das dürfte auch für die anderen letztlich allerdings gescheiterten Eheprojekte der Fall gewesen sein. Verschiedentlich wurden von Ludwig dem Frommen Gesandtschaften auf den Weg geschickt, um Erkundigungen einzuziehen, die für seine Entscheidungen wichtig waren. 823 schickte er eine Gesandtschaft nach Dänemark, statum totius regni Nordmannorum diligenter explorantes,227 und ein Jahr später einen gewissen Machelm aus Bayern zum Bulgarenkönig zur Erkundung, was dort vorliege.228 Eine andere Erkundungsgesandtschaft begab sich 826 zu den Abodriten, um herauszufinden, welchen König sie haben wollten.229 Mehrmals wurden Gesandtschaften zu Untersuchungen nach Rom entsandt, weil dort zwischen dem jeweiligen Papst und anderen Parteien Zwistigkeiten bis hin zu Gewalttaten auftraten.230 Diese hatten zwar keine richterliche Gewalt, aber doch eine den Richtern angenäherte Stellung. Im Ergebnis waren sie jedoch nicht sehr erfolgreich. Die abhängigen Herrscher schickten, wenn sie nicht selbst kamen, Gesandte, um sich am Königshof zu zeigen, und sich so der Huld des Frankenherrschers zu vergewissern,231 andererseits um interne Probleme, etwa Thronstreitigkeiten, durch fränkische Intervention zu sichern oder zu regeln.232

i. Fazit Das Spektrum der Gegenstände umfaßte die ganze Breite der Zwischen-Mächte-Beziehungen, wenn auch in unterschiedlicher Dichte. Diese werden ihrerseits gerade 222 223 224 225 226 227 228 229 230 231 232

Alcuini epp., Nr. 100, MGH Epp. IV, S. 144, dt. Anhang 1. Ann. Bertiniani ad a. 836. Dazu Ganshof, Relations, S. 21ff. Codex Carolinus, Nr. 45, MGH Epp. III, S. 560; dt. Anhang Nr. 10. Ann. q. d.. Einh. ad a. 786 und 788. Ann. regni Franc. ad a. 823. Ann. regni Franc. ad a. 824. Ann. regni Franc. ad a. 826. 799 in Bezug auf Leo III., Ann. regni Franc. ad a. 799; ad a. 823 in Bezug auf Paschalis II. Zur „Huld“ Althoff, Huld, mit zahlreichen Verweisen. Ann. regni Franc. ad a. 818, Anonymus, Vita Hludowici, c. 31, Gesandte Sigos v. Benevent überbringen Geschenke und Rechtfertigung wegen der Ermordung des Vorgängers Grimwald. Ann. regni Franc. ad a. 826, Große der Abodriten verklagten ihren Herzog Ceadragus; woraufhin Ludwig der Fromme seinerseits eine Gesandtschaft an die Abodriten entsandte mit der Anfrage, ob Ceadragus ihr König / Herzog bleiben solle.

Verhandlungen und Befugnisse

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durch die Schilderungen der Aufträge der Gesandten erst inhaltlich konkret faßbar. Es zeigt sich wiederum eine gewisse Dauerhaftigkeit, jedenfalls in den Beziehungen mit den oströmischen Kaisern und den Päpsten. Es ist i.ü. nicht sicher, daß die Überlieferung hinsichtlich der Beziehungen zu anderen Herrschern, insbesondere von Seiten der Franken vollständig ist. Es wurde schon darauf verwiesen, daß u. a. über die Beziehung zu Offa in den Annalen nirgendwo berichtet wird, obwohl sie ein gewisses Auf und Ab erlebte. Eine größere Dichte des allgemeinen Austausches mit anderen Mächten, als sich unmittelbar aus den Berichten über die Gesandtschaften und ihre Gegenstände erschließen läßt, ist daher nicht auszuschließen.

VI II . Ver h an d l u ng en u n d B efu g n i s s e a. Verhandlungen am fränkischen Hofe Über die Verhandlungen selbst ist wenig bis nichts bekannt, sowohl für Verhandlungen über Verträge als auch für sonstige Verhandlungen. Es läßt sich weder feststellen, wer diese auf fränkischer Seite konkret mit den Gesandten führte, noch welche Gesandten beteiligt waren, noch wie der Ablauf, das Procedere i. e. gestaltet war. Für Verhandlungen mit Gesandten ist anzunehmen, daß diese erst nach dem Empfang durch den König bzw. Kaiser begannen. Darauf deuten jene Fälle hin, in denen nach diesem Empfang die Verhandlungen ausgesetzt werden, um Erkundigungen einzuziehen oder weitere Personen abzuwarten, so bei den Grenzverhandlungen mit den Gesandten Kaiser Michaels II. 817, mit den bulgarischen Gesandten 824 oder 839, als Ludwig der Fromme über die Gesandten der Rus, die mit oströmischen Gesandten gekommen waren, Erkundigungen einzog.233 Wie lange die Verhandlungen dauerten, hing von der Sache ab, auch von den genannten Verzögerungen. Darüber gibt es nur in dem Fall der Grenzverhandlungen zwischen Ludwig dem Frommen und den bulgarischen Gesandten über die beiderseitige Grenze von 824 bis 826 etwas mehr als spärliche Hinweise.234 Es ist nicht bekannt, ob und in welchem Umfang der fränkische Herrscher diese selbst führte oder durch seine Berater führen ließ.235 In den Annalen werden nur die Begegnungen der Gesandten mit dem jeweiligen fränkischen Herrscher selbst berichtet. Aus dem Brief Karls an Kaiser Nicephorus von 811 geht für diesen Fall hervor, daß er selbst mit dem Gesandten, dem von ihm sehr gelobten Spatarius Arsafius verhandelt hat, allerdings in Gegenwart und wohl auch Mitwirkung verschiedener Mitglieder des Hofes. Auch erfährt man einiges über den Inhalt der Verhandlungen, et audivimus et cum eo de his quae adtulit, quia prudentem animadvertimus, conlocutionem habuimus. Nec inmerito, cum tanta esset non solum in litteris qua detulit, sed etiam in verbis, quae ex ore illius nostris auribus insonuerunt, optatae ac semper optandae pacis copia, ut valde nobis et quibuscumque Deum timentibus huiusmodi legatio placere potuisset. Quae utique tanto fuit caritatis ac pacis sole respersa, ut in palato cordis cuiusque fidelis 233 234 235

Ann. Bertiniani ad a. 839. Oben S. 240ff. Ganshof, Relations, S. 42 läßt die Frage ebenfalls offen.

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Politische Verkehrsbeziehungen – Gesandtschaften

veram possent sapere dulcedinum, possetque iudicari penitus insipiens, cui talia videntur insipida.236 Es wurde über den Abschluß des Friedens in Italien aber auch allgemein verhandelt. Thegan stellt den Austausch mit der oströmischen Gesandtschaft Michaels I. von 814, die noch an Karl den Großen gerichtet war, aber Ludwig den Frommen als Kaiser angetroffen hatte: Ille eos beningne sucipiens, et dona eorum cum gratiarum actione suscepit, et colloquium familiare interim quousque cum eo erant habebat. Non post multos dies magnis honoribus decoravit eos et dimisit ire ad propria.237 Es handelte sich gewiß nicht nur um familiäre Unterhaltungen, sondern um Verhandlungen über deren Gegenstand, die Bestätigung des Abschlusses des Vertrages von 812, die nach dem Tod Karls des Großen durch Ludwig den Frommen erfolgen mußte, und die Fortführung der Beziehungen. Was mit den „nicht vielen Tagen“ gemeint ist, bleibt unbestimmt, eine Woche vielleicht. Der Kaiser hatte jedoch immer das letzte Wort, da er die Gesandten entlassen mußte, ihnen auch u. U. seinerseits Briefe und andere Dokumente wie Friedensurkunden mitgab. Unter Umständen mußten weitere Verhandlungen bei dem Partner stattfinden. Dazu wurde regelmäßig eine fränkische Gesandtschaft mit oder kurz darauf hinterher gesandt.238 Karl der Große bittet Michael I., die fränkischen Gesandten alsbald mit der unterschriebenen Friedensurkunde zurück zu senden.239

b. Verhandlungen an auswärtigen Höfen In Konstantinopel führte der Kaiser wohl in der Regel die Verhandlungen mit fremden Gesandtschaften nicht selbst. Er bestimmte jedoch den politischen Inhalt der Gespräche. Die Verhandlungen dauerten oft lange, wurden von Byzanz gründlich durch Erlangung von möglichst ausführlichen Informationen vorbereitet. Die lang akkumulierte Erfahrung gab Byzanz oft einen gewissen Vorsprung. Die Verhandlungen gingen nicht selten neben militärischen Aktionen einher. Das Ergebnis schlug sich in Verträgen nieder, deren Formen je nach Stellung des Partners verschieden waren.240 Auch die fremden Gesandtschaften wurden in den Verhandlungen von oströmischen Dolmetschern begleitet.

c. Formelle Befugnisse Die Befugnisse der Gesandten wurden vom Gegenstand her bestimmt. Sie waren einerseits formeller Art, andererseits waren sie inhaltlich bestimmt.

236 237 238

239

240

Epp. var. Carol, Nr. 32, MGH Epp. IV, S. 546, dt. Anhang Nr. 2. Thegan, Vita Hludowici, c. 9. Z. B. Ann. regni Franc. ad a. 811, folgen fränkische Gesandte den Gesandten des Nicephorus nach Konstantinopel. Epp. Var. Car., Nr.37, MGH Epp. IV, S. 555 eosque ... absque non necessaria dilatione absolvere iubeas, dt. unten Anhang Nr. 3. Ein große Fülle derartiger Verträge enthält Dölger, Regesten; zum Vertragsrecht, v. Taube, L’Apport, S. 267ff.

Verhandlungen und Befugnisse

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Am weitesten geht zweifellos die Befugnis der Gesandten, Verträge zu schließen. Das galt mehrfach für Gesandte zu den Dänen, die mit deren Gesandten mündliche Verträge schlossen, 811, 813, 825.241 Abschlußvollmacht hatten anscheinend auch die Gesandten Pippins, die 760 mit Desiderius einen Vertrag des Inhalts schlossen, daß dieser bis Ende April die verschiedenen dem Papst zustehenden Rechte und Gebiete herausgeben werde.242 Es ging offenbar, ähnlich wie bei der Mission Fulrads 756, um die Durchsetzung des Vertrages mit Aistulf und dessen Versprechen von 756. Zum Abschluß eines Vertrages könnten auch die Gesandten des Bulgarenkönigs befugt gewesen sein, Rex Bulgarorum N. velut pacis faciendae.243 Da Ludwig der Fromme auf den Wunsch der Bulgaren nicht einging, läßt sich das aber nicht endgültig feststellen. In anderen Fällen hatten die Gesandten offenbar nur eine Verhandlungsvollmacht, bis hin zur Erarbeitung eines fertigen Vertragstextes. Das gilt insbesondere für die Aushandlung des fränkisch-byzantinischen Vertrages, die über mehrere Etappen und Jahre, einschließlich des mehrjährigen Krieges in der Adria, von 802 bis schließlich 814 in Byzanz wie in Aachen lief, deren Verhandlungen immer wieder unterbrochen, wenn nicht abgebrochen und dann erneut aufgenommen wurden. Allerdings gibt es Unterschiede. 810 hatte Nicephorus seine Gesandten nur an Pippin wegen des Friedens in Italien geschickt. Es ist zweifelhaft, ob sie das Mandat hatten, mit Karl dem Großen, zu dem sie geleitet wurden, über das Gesamtverhältnis, insbesondere Karls Kaiserwürde zu verhandeln. In dem erwähnten Brief Karls des Großen an Nicephorus von 811, den dieser seiner Gegengesandtschaft mitgab, ist zwar von einer Verhandlungsvollmacht für seine Gesandten keine Rede, aber diese ist zu unterstellen, da er zum Abschluß eines Friedensvertrages mit dem oströmischen Kaiser kommen möchte, Propter quod nil morantes, sed absque omni cunctatione ac dubitate penitus abiecta legatos nostros praeparavimus ad tuae amabilem fraternitatis amorem dirigendos.244 Ob in Konstantinopel verhandelt worden ist, Nicephorus war inzwischen gefallen, läßt sich aus den Quellen nicht entnehmen. Die zweite oströmische Gesandtschaft, die schon von Michael I. kam, wird dazu Vollmacht gehabt haben. Der schriftliche Text von 812 muß dann das Ergebnis von Verhandlungen dieser Gesandtschaft am fränkischen Hof gewesen sein, mag es auch in Konstantinopel bereits vorbereitende Verhandlungen gegeben haben. Die Gesandten Michaels I. hatten sogar noch die weitere Befugnis, nach Fertigstellung und fränkischer Unterzeichnung des Textes die byzantinische Anerkennung des Kaisernamens Karls des Großen auszusprechen, also wohl den ersten Vollzugsakt des Vertrages vorzunehmen. Die Anerkennung erscheint hier als ein einseitiger Rechtsakt des oströmischen Kaisers durch seine bevollmächtigten Vertreter. Wesentlich enger war anscheinend die Vollmacht der Gesandten des Bayernherzogs Tassilo an Papst Hadrian I. im Jahre 787 gefaßt. Nach dem Bericht der Reichsannalen 241 242

243 244

Ann. ad regni Franc. ad a. 811, 813, 825. Codex Carolinus, Nr. 19, MGH Epp. III, S. 519. Das geschah allerdings nicht, wie aus dem nachfolgenden Brief Nr. 20 hervorgeht, ibid., S. 521. Ann. regni Franc. ad a. 824. Epp. Var. Car., Nr. 32, MGH Epp. IV, S. 54; dt. unten Anhang Nr. 2.

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baten diese, der Bischof von Salzburg Arn und Abt Heinrich, den Papst um Vermittlung eines Friedens245 mit dem gleichzeitig in Rom anwesenden Frankenkönig Karl. Es heißt dann Unde et domnus apostolicus multum se interponens, postolando iamdicto domno rege. Karl der Große erklärte sich zum sofortigen Abschluß des Vertrages bereit Et voluit supradictus domnus rex in praesentia domni apostolici cum ipsis missis pacem firmare. Aber diese hatten dafür offenbar keine Vollmacht; diese scheint sich auf die Bitte um Vermittlung, allenfalls auf die Verhandlung zu beschränken, nicht aber die Aushandlung eines Vertrages umfaßt zu haben. Denn der Bericht fährt fort et rennuentibus supradictis de eorum parte ullam firmitatem facere. König und Papst reagierten äußerst verärgert; der Papst drohte den Bannfluch an, weil er instabilitas vel ruendatia eorum erkannt hätte. Unabhängig von der Frage, ob diese Version des siegreichen fränkischen Königs den Tatsachen entspricht, wird in dieser Darstellung deutlich, daß die Gesandten an ihre Vollmachten gebunden waren und sie nicht überschreiten durften. Verhandlungsbefugnis bestand aber auch in anderen Bereichen. So führten die byzantinischen Gesandtschaften Verhandlungen zur Bilderfrage, zu Grenzfragen in Dalmatien, über das Heiratsprojekt Rothrud – Konstantin. Ob sie dabei auch in der Sache zum Abschluß kommen konnten, wird nicht berichtet. Aber das war wohl doch das Ziel. So wurde u. a. 786 wohl auch die Verlobung vereinbart.246 Vollmachten sind dazu leider nicht überliefert. Die Gesandten konnten befugt werden, Erklärungen, Dokumente mit Unterschriften entgegenzunehmen, so die fränkische Gesandtschaft an Michael I. von 812.247 Bei abhängigen bzw. quasiabhängigen Mächten konnten sie mit Untersuchungsbefugnissen ausgestattet werden, so z. B. die Gesandtschaften Karls des Großen 799 und Ludwigs des Frommen 815 und 823 zur Untersuchung der Vorgänge in Rom oder die Gesandtschaft Ludwigs 826 zu den Abodriten.248

d. Inhaltliche Instruktionen Über inhaltliche Instruktionen ist nur wenig bekannt. Es gibt eine Instruktion im Wortlaut für den Gesandten Karls, den Abt Angilbert, an Leo III., der den bereits mehrfach angeführten Brief des fränkischen Königs an den neugewählten Papst überbrachte. Daraus ergibt sich, daß die Gesandten u. U. weitergehende Instruktionen erhielten, als nur den jeweiligen Brief zu überbringen. Diese Instruktion hat die Form eines Briefes. Er enthält Anweisungen für Gespräche mit dem Papst. Angilbert soll ihn auf die Pflichten des Amtes und vor allem gewisse Mißstände hinweisen, Häresien, Simonie, aber auch die Förderung der Erbauung eines Klosters des hl. Paulus ansprechen, ammoneas eum diligenter de omni honestate vitae suae et praecepui de sanctorum

245 246 247

248

Ann. regni Franc. ad a. 787. Ann. q. d. Einh. ad a. 786, post haec cum legatis Constanini ... locutus est, atque illis dimissis. Brief Karls des Großen an Michael I. Schlußabsatz, Epp. Var. Car., Nr. 37, MGH Epp. IV, S. 555, dt. unten Anhang Nr. 3. Ann. regni Franc. ad a. 799, 815, 823, 826.

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observatione canonum, de pia sanctae Dei ecclesiae subertendae heresi ...249 In dem Brief an Leo ist davon nicht die Rede. Die Instruktion reichte also weiter als eine bloße Erläuterung desselben, sondern enthielt zusätzliche Aufträge. Karl scheint dem neuen Papst nicht ganz getraut zu haben. Weitere Instruktionen sind nicht bekannt. Sie können vielleicht indirekt aus Mitteilungen anderer Art geschlossen werden. So wurden Abt Fulrad und Bischof Burkhard von dem Hausmeier Pippin an Papst Zacharias gesandt interrogando de regibus in Francia.250 Diese Anfrage kann als Instruktion über den inhaltlichen Auftrag der Gesandtschaft verstanden werden, die dazu gewiß Darlegungen machen mußten. Die Inhalte der beiden Briefe Karls an Nicephorus und Michael I. lassen Rückschlüsse auf entsprechende Instruktionen für Karls Gesandte 803, 811 und 812 zu. So sollten die Gesandten an Michael die unterschriebene Vertragsurkunde des oströmischen Kaisers zurückbringen. Auch die Gesandten Ludwigs des Frommen nach Bulgarien im Jahre 824 bekamen einen bestimmten inhaltlichen Auftrag zu erkunden, was es mit der Anfrage des Bulgarenkönigs auf sich habe.251 Aber diese und andere Berichte sind zu ungenau, um Genaueres über die Instruktionen und die damit gezogenen inhaltlichen Grenzen der Befugnisse der Gesandten festzustellen. Es wird für unsere Epoche von fränkischer Seite nichts über die Überschreitung von Instruktionen oder deren Nichtbefolgung berichtet.252

IX. R e c h ts st el lu n g d e r Ges an d ten i n d er Tr ad i ti o n a. Fragestellung Die Regelung der Rechtsstellung der Gesandten einer Macht oder eines Herrschers an eine andere Macht oder einen anderen Herrscher ist von grundlegender Bedeutung für die Erfüllung ihrer Aufgaben bei der anderen Macht oder dem anderen Herrscher, d. h. für das Funktionieren der durch sie hergestellten Kommunikation. Sie müssen eine gewisse Sicherheit für Leib und Leben, Unterhalt und Erreichen ihres Zieles haben, wenn sie den Schutz des eigenen Herrschers, seiner Macht und seines Rechts verlassen haben und sich in den Herrschaftsbereich einer anderen Macht oder eines anderen Herrschers begeben. Dabei ist zu unterscheiden, ob sie sich in dem Herrschaftsbereich des Adressaten der Gesandtschaft befinden, oder ob sie durch ein fremdes Herrschaftsgebiet auf dem Weg zu oder von dem eigentlichen Adressaten der Gesandtschaft ziehen müssen.253 Wegen des hohen Alters dieser Erscheinung oder Einrichtung in den ZwischenMächte-Beziehungen zählen auch die damit verbundenen Normen über Stellung, Auf249 250 251 252 253

Alcuini epp., Nr. 92 und 93, MGH Epp. IV, S. 135 und S. 136. Ann. regni Franc. ad a. 749. Ann. regni Franc. ad a. 824. Löhren, Beiträge, S. 68 gibt hingegen Beispiele aus der byzantinischen Diplomatie. Das war z. B. der Fall bei der Rückkehr der Gesandten der Kiewer Rus vom oströmischen Kaiser in ihre Heimat, die sie durch Ludwigs Herrschaftsgebiet führte und die dessen Mißtrauen erregten.

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Politische Verkehrsbeziehungen – Gesandtschaften

gaben, Befugnisse, Empfang, Rechte dieser Gesandten zu den ältesten Teilen der normativen Regelungen der Zwischen-Mächte-Beziehungen. Daher wird gerade für diesen Bereich eine gewisse Universalität und Kontinuität durch alle Epochen und in allen normativen Regionen der Welt behauptet. Das mag auf einem sehr hohen und daher inhaltsleeren und relativ strukturlosen Niveau zutreffen. Aber für die geschichtlichen konkreten Verhältnisse ist größere Differenzierung vonnöten. Denn das hohe Alter und die weitverbreiteten Erscheinungen des Schutzes der Gesandten bedeuten keineswegs, daß es sie immer und überall gegeben hätte und daß sie sich dort, wo es sie gab und gibt, immer gleich geblieben wären, oder auch nur stets rechtliche Normen gewesen wären. Im Gegenteil, da das Gesandtschaftswesen selbst sich ständig mit den historischen Verhältnissen änderte, neue Formen und Verfahren entwickelte, änderten sich auch die Normen in bezug auf die Gesandten. Die noch kürzlich vorgetragene These, daß the principle of inviolability of the envoy ... can ... be considered chronologically the first rule of international law, ist in dieser sehr abstrakten Formulierung zu undifferenziert und gibt daher kein zutreffendes Bild der für die Stellung der Gesandten relevanten Normen in den verschiedenen Epochen und normativen Regionen.254 Im übrigen erschöpfte sich diese Normativität nie in dieser Norm der persönlichen Unverletzbarkeit, sondern umfaßte die Stellung der Gesandten insgesamt, wie sich auch in unserer Epoche zeigt. Wenn auch Regelungen in bezug auf die Gesandten zwischen verschiedenen politischen Mächten zu den ältesten Beständen normativer Regelung der Zwischen-Mächte-Beziehungen gehören, so unterscheiden sie sich nach Begründungen, Formen und Inhalten erheblich. Daher ist für jede Zeit und für jeden Raum zu prüfen, auf welcher Grundlage sie beruhten, in welcher normativen Ordnung sie verankert waren, wieweit die Unverletzbarkeit der Gesandten reichte, welchen Inhalt sie im einzelnen noch hatte, etc. etc. Nicht einmal der persönliche Schutz von Leib und Leben eines Gesandten im Herrschaftsbereich des Empfängers galt immer und überall auch nur selbstverständlich. Um ihn zu erreichen, wurden sehr verschiedene normative Regelungssysteme entwikkelt, die zunächst anscheinend keineswegs rechtlicher, sondern religiöser Art waren. An diesem Normbereich wird in besonderer Weise deutlich, wie verschieden in den historischen Verhältnissen die normativen Regeln für die Beziehungen zwischen den Mächten waren und sind, auch wenn es sich um die Lösung eines mehr oder weniger gleichen sachlich-inhaltlichen Problems handelt, wie sich Kontinuität und Diskontinuität verbinden. Im Vergleich mit der Antike werden grundlegende Unterschiede der Begründung und des Inhaltes der normativen Regelungen in bezug auf Gesandte zu der normativen Situation in unserer Epoche sichtbar. Aussagen zur Geschichte des Völkerrechts können nur auf der Analyse der konkreten historischen Voraussetzungen der Epochen zutreffend gemacht und dann miteinander in Beziehungen des Vergleichs, der Ähnlichkeit, der Verschiedenheit und vielleicht sogar der Entwicklung gesetzt werden. Diese Verschiedenheiten in den Regelungen bedeuten aber auch Verschiedenheiten im Ergebnis, d. h. in der Stellung der Gesandten einschließlich ihres Schutzes von Leib und Leben auf ihrem Wege zum Adressaten. In einer Aufbruchzeit, in der sich ein grundlegend neuer ordo herausbildet, traditionelle und neuentstehende 254

G. E. do Nascimento e Silva, Artikel: Diplomacy, EPIL Bd. 1, S. 1028, r. Sp.

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Mächte miteinander dauerhafte Beziehungen aufnehmen und sich das Mächtegefüge äußerlich und innerlich strukturell neu gestaltet, wie das in unserer Epoche der Fall war, können auch neue Ansätze zur Ausbildung des Gesandtschaftsrechtes entstehen. Auch der Gesandte ist außerhalb seines eigenen Rechtskreises ein Fremder, an dem Ort seiner Bestimmung, aber auch in den fremden Herrschafts- oder Rechtsbereichen, die er auf dem Weg dorthin durchqueren muß. Das gilt selbst heute. Der Schutz und die Stellung sind in jeder Rechtsordnung oder normativen Ordnung gemäß deren Voraussetzungen und Strukturen gelöst. Regeln zum Schutz der Fremden allgemein und der Gesandten im besonderen müssen zunächst auf interner Ebene gefunden werden.255 Das geschieht in der Regel. In unserer Epoche besteht daran auch kein Zweifel. Dabei können sich Übereinstimmungen im Ergebnis bilden, auch Kontinuitäten und Traditionen entwickeln, insbesondere wenn die Zwischen-Mächte-Beziehungen sich verdichten und der gesandtschaftliche Austausch sich erweitert und selbst strukturell dauerhaft wird. Diese internen Normen gehören dann zunächst zum ius gentium im ursprünglichen Sinne eines parallelen, inhaltlich mehr oder weniger übereinstimmenden Rechtes bei allen Völkern, modern gesprochen, zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Staaten. Sie können sich aber dann zum Recht aller Völker im Sinne eines ihnen gemeinsamen Rechtes entwickeln, wiederum modern gesprochen, zu einem internationalen Recht. Die Fragen nach der Rechtsstellung der Gesandten erschöpfen sich aber nicht nur im Schutz für Leib und Leben. Ihre Behandlung im Allgemeinen und Besonderen war stets von erheblicher Bedeutung. Von dem Zeremoniell beim Empfang war schon die Rede. Auch die Zuerkennung bestimmter Ehrungen, Privilegien für ihre Person, z. B. Benutzung bestimmter Straßen, Geleit, Gastung u. a. waren wichtige Elemente dieser Stellung.

b. Antike In einer sehr sorgfältigen Analyse der Quellen über die Behandlung von Gesandten im klassischen Griechenland kommt Mosley zu dem Ergebnis No reliable source affords good reason for believing that ambassadors of the Greek states had any absolute right to claim diplomatic immunity or inviolability. It was for purely practical reasons that they did not often come to harm.256 Die Behandlung war sehr verschieden und es sind keine Gründe zu erkennen, warum es in den konkreten Fällen zur Beachtung der Unverletzlichkeit kam, oder warum Gesandte gefangengenommen, festgehalten, gar getötet wurden. Bederman hat kürzlich darauf aufmerksam gemacht, daß das Institut der privaten Gastfreundschaft eine erhebliche Bedeutung dafür hatte, ob ein fremder Gesandter oder Bote akzeptiert wurde oder nicht.257 Aber die Tötung oder Verletzung 255

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Das gilt auch für andere Kategorien von Fremden: für Kaufleute, für Teilnehmer an religiösen Festen etc. Mosley, Envoys, S. 83; dazu auch Kienast, Presbeia, Sp. 544f. Bederman, International Law, S. 88 ff. Aber auch sie war letzten Endes religiös abgesichert. Zudem gibt er Beispiele für die rein praktisch-politische Handhabung des Umganges mit Gesandten.

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Politische Verkehrsbeziehungen – Gesandtschaften

von Gesandten konnte zum Krieg führen. Bestanden immerhin gewisse Üblichkeiten, daß die Empfänger fremder Gesandtschaften deren Leib und Leben achteten, so scheinen die bloßen Durchzugsmächte nicht einmal diese Üblichkeit beachtet zu haben.258 Anderes galt für die Herolde. Sie waren sakrosankt. Das wird auf ihre religiösen Aufgaben, aber auch auf ihren mythologischen Ursprung zurückgeführt.259 Mit den religiös-kultischen Aufgaben verbanden sich politische Obliegenheiten, z. B. die Einberufung von Heeresversammlungen u. a. Sie wurden auch als Boten und evtl. auch als Unterhändler an auswärtige Herrscher oder Poleis geschickt. Aber ihr Auftrag war doch formeller als der von Gesandten: Abgabe von Erklärungen, Abschluß von Waffenstillständen zur Bestattung der Toten. Sie konnten aber auch Schutz für Gesandte erwirken, die in ihrer Begleitung waren.260 Der göttliche Schutz war in der Praxis allgemein anerkannt.261 Der geschützte Herold konnte auch Gesandtschaften vorausgehen, um für sie um sicheres Geleit zu bitten; aber das mußte gewährt werden.262 Hier ergibt die Analyse der Praxis Sicherheit für den Herold, der unter göttlichem Schutz steht.263 Sein Zeichen war ein Stab, wie ihn Hermes trägt, mit zwei Schlangen. Seine Tötung stand unter Sühne.264

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Mosley, Envoys, S. 83, Beispiel: Grewe, Fontes I, S. 119. Mosley, Envoys, S. 88f., Keryx sei der Sohn des Götterboten Hermes gewesen. In Sparta walteten die Talthybiaden am Heiligtum eines kultischen priesterlichen Amtes, Kienast, Presbeia, Sp. 507. Mosley, Envoys, S. 89; Kienast, Presbeia, Sp. 507; Bederman, International law, S. 111; Grewe, Fontes I, S. 116. Mosley, Envoys, S. 88. Mosley, Envoys, S. 89. Beispiel bei Grewe, Anmerkung 260, für den Austausch von Gesandtschaften zwischen Athen und Sparta. Mosley, Envoys, S. 88ff. Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S. 29; Herodot, Bücher der Geschichte 7, c. 133ff. berichtet, daß die Spartaner Herolde des persischen Großkönigs Darius I., die die Unterwerfung Spartas durch Erde und Wasser forderten, getötet hätten (491 v. Chr.). Daraufhin sei der vergöttlichte Herold Agammenons, Talthybios, der bei ihnen in einem eigenen Heiligtum verehrt wurde, in Zorn geraten. Seine Nachkommen, die zu der Zeit noch in Sparta lebten, nahmen die Gesandtschaften Spartas wahr. Ihre Opfer hatten nun wegen des Zorns des Talthybios keinen guten Ausgang mehr, ihre Gesandtschaften standen also nicht mehr unter guten Vorzeichen. Der eigene Gott oder „Heilige“ der Spartaner strafte sie, trat damit für den Schutz der fremden Herolde ein. Um den Bann zu brechen, erklärten sich zwei Spartaner bereit, sich Xerxes, dem Nachfolger des Darius als Sühne anzubieten. Er ließ sie aber am Leben und heimkehren. Denn er wolle es nicht den Lakedaimoniern gleich tun. „Jene haben ja die für die gesamte Menschheit gültigen Rechtssatzungen dadurch verschüttet, daß sie Herolde umgebracht haben. Er selbst würde das nicht tun, was er jenen vorwerfe, und auch nicht dadurch, daß er sie als Vergeltung töte, die Lakedaimonier von ihrer Schuld lösen“. Aber der Groll des Talthybios habe trotzdem aufgehört. Der gute Wille genügte offenbar. (Übersetzung v. Walther Santheimer, Reclam Nr. 2206, S. 39). Offen bleiben muß, ob Xerxes wirklich ein solches Menschheitsrecht berufen hat, oder ob nicht vielmehr Herodot eine griechische, ihm daher bekannte und in der Anwendung zwischen Griechen vertraute Norm, die auch gegenüber anderen angewendet werden sollte, zur Menschheitsnorm erhoben hat. Die Athe-

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Da jedoch Herolde und Gesandte ähnliche Aufgaben in den Beziehungen einer Polis nach außen hatten, waren gewisse Unklarheiten in der Darstellung des rechtlichen Status zu verzeichnen. Aber die Unterscheidung bleibt, so the position of ambassadors was thus an anomalous one, yet there was no way of correcting this.265 Der Herold wurde zwar vom Entsenderstaat gestellt. Aber dies wurde, wie der Bericht des Herodot zeigt, vom Empfänger auch anerkannt, weil der oder das Geheiligte, den Göttern Geweihte allgemein respektiert wurde. Danach wäre aber nicht die Unverletzlichkeit des Herolds die normative Regel, sondern die religiöse Norm der Anerkennung und des Schutzes des Geheiligten, den Göttern Geweihten. Auch in der römischen Praxis beginnt der Schutz der Gesandten ebenfalls auf religiöser Grundlage im ius fetiale. Zwar haben wir nur Nachrichten aus römischen Quellen. Aber es ist anzunehmen, daß dieses Recht auch von den umliegenden Stadtgemeinden geübt wurde, vielleicht etruskischen Ursprungs war.266 Die Gesandten der römischen Republik, oratores, legati, nuntii, waren am Anfang die Priester dieser Priestergemeinschaft, der fetiales. Sie nahmen jedoch Ritualhandlungen, nicht Verhandlungen, vor. Als solche standen sie unter religiösen Schutzbestimmungen. Der pater patratus überbrachte die Botschaften in Begleitung des „Grasträgers“.267 Die religiöse Grundlegung wirkte auch fort, als die Gesandten keine Fetialen mehr waren, sondern legati des Senats. Nicht mehr die Stellung in einer Priesterschaft, sondern die Stellung, die Aufgabe, der Auftrag vom Senat für die respublica bestimmten den Schutz. Noch blieb deren Schutz aber religiös begründet. Der Körper des Gesandten galt nunmehr als sanctus, sacer, sacrosanctus.268 Die Tötung beleidigte die Gottheit. Die Römer reagierten auf Verletzungen ihrer Gesandten nachdrücklich, verfolgten aber auch eigene Vergehen gegen fremde Gesandte. Sie setzten also voraus, oder gingen davon aus, daß eine Schutznorm für das Leben der Gesandten nicht nur Bestandteil des römischen Rechts sei, sondern in allen Rechten gelte, also dem ius gentium angehöre.269 Wenn auch einerseits bei Griechen und Römern der Schutz des Gesandten seinen Urgrund im religiösen Bereich hatte und andererseits das Ergebnis mehr oder weniger das Gleiche war, so waren doch Begründung und Konstruktion des normativen Schutzes der Unverletzlichkeit der Gesandten sehr verschieden. Sie spiegelten damit wohl auch unterschiedliche Auffassungen über die Grundlagen der Ordnung der ZwischenMächte-Beziehungen wider. Das ius gentium stellte gerade nicht mehr auf religiöse

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ner hatten i. ü. ebenfalls eine derartige Gesandtschaft umgebracht. Zwar seien ihre Stadt und ihr Land verwüstet worden, aber, meint Herodot, wohl nicht aus diesem Grund. Beispiele bei Mosley, Envoys, S. 89. André Weiss, Art. Fetiales, Jus fetiale, in: Dictionnaire des antiquités grecques et romaines, t. 2, Paris 1896, S. 1095 ff.; Watson, International Law, S. 1 ff. mit Nachweisen aus den Texten bei Cicero, Livius, Dynosios Halikarnassos u. a.; Ziegler, Völkerrechtsgeschichte , S. 40; Kaser, Ius gentium, S. 25ff.; Weiss, ibid., S. 1097. Kaser, Ius gentium, S. 35. So z. B. Livius, Ab urbe condita, XIII, 5, 2; 6, 7; XXI, 25, 7; XXX, 25; u. a.; Tacitus, Annales, I, 42, 2; Caesar, De bel. hisp. 42, 3; Pomponius D. 50, 7, 18 (17). In all diesen Stellen wird ebenfalls der religiöse Charakter hervorgehoben, Gesandte sind iure gentium sancti heißt es u. a. bei Livius.

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Begründungen, sondern auf seine Geltung bei den Völkern, also seine Positivität ab. Es war weitgehend weltliches Recht geworden.270 Es gab auch bestimmte Privilegien. Das römische Recht räumte fremden Gesandtschaften das Recht ein, den cursus publicus, der für amtliche Personen, Boten sowie Truppen vorgesehen war, zu benutzen. Immunität scheint nicht bestanden zu haben.271

c. Römisch-byzantinisch-germanische Spätantike Der Grundsatz der Unverletzlichkeit der Gesandten blieb in der römisch-byzantinisch–germanischen Spätantike weiterhin gültig.272 Der germanische Anschluß an das römische Recht findet sich in der Definition des ius gentium des Westgoten Isidor v. Sevilla ius gentium est ... legatorum non violandorum religio.273 Der Schutz der Gesandten ist also nach dieser Auffassung Teil des ius gentium. Aber es ist religio, also rückgebunden an das göttliche Gebot, das das Gewissen lenkt und bestimmt. Auch von Isidor wird also die Pflicht zur Nichtverletzung der Gesandten religiös verankert und begründet. Der antike Gedanke ist jedenfalls bei den Westgoten in die germanischen Vorstellungen aufgenommen worden. Die römisch-byzantinische Diplomatie entwickelte dementsprechend grundlegende Rechtsregeln für die Gesandten:274 Unverletzlichkeit ihrer Person; Exterritorialität für Gerichtsverfahren, die dem Kaiser vorbehalten waren; eine Form der Beglaubigungsschreiben ebenso wie der Entlassung für die fremden Gesandten; besondere Privilegien für die Mitnahme von Gütern und Waren. Da scheint eine gewisse Kontinuität bis heute zu bestehen.

X. Re ch t ss te ll u n g d er Ges an d ten b ei d en F r an k en Die karolingischen Herrscher haben die Verpflichtung, die besondere Stellung der fremden Gesandten im Reich zu achten, anerkannt und ernst genommen. Es gibt mehrere Berichte über Verletzungen dieser Stellung und deren Folgen. Vor allem aber finden sich, und das hebt dieses Gebiet der Zwischen-Mächte-Beziehungen gegenüber anderen ab, Rechtstexte in den Volksrechten und in den Kapitularien. An keiner Stelle wird jedoch ein Rechtssatz übergeordneten Charakters angeführt. Es wird nicht einmal auf die Bibel, die lex divina Bezug genommen. Andererseits haben die fränkischen Herrscher Gesandte nicht immer freundlich behandelt, sie sogar in Haft genommen.

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Steiger, Religion, S. 23 ff. Bederman, International law, S. 106 ff. D. 50. 7. 18 (Pomp. 37 ad Quint. Muc); dazu u. a. Ziegler, Ius gentium, S. 669f.; Schulz, Entwicklung. Isidor, Etym. 5. 6; dazu u. a. Ziegler, ibid., S. 669f. V. Taube, L’apport, S. 261ff.

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a. Ein Skandal Notker von St Gallen berichtet in seinen gesta Karls des Großen von einem irritierenden Vorgang.275 Gesandte Karls von hohem Rang seien am byzantinischen Kaiserhof erst nach sehr langer Wartezeit ad praesentiam regis perducit et indigne habiti per diversissima loca divisi. Als einige Zeit später Gesandte des Kaisers aus Konstantinopel zu Karl kamen, wurden sie zunächst nach Notkers Bericht in den Alpen herumgeführt, bis sie alles verzehrt gehabt hätten und in erhebliche Not geraten seien. Sie wurden dann zum Hofe Karls geleitet, dort aber wurde mit ihnen ein demütigender Schabernack getrieben. Man stellte sie mehre Male vor verschiedene Höflinge, die in feierlicher Kleidung auf dem Hochsitz saßen, so daß die Gesandten diese jedesmal für den Kaiser hielten und eine Proskynese vollzogen. Man sagte ihnen aber, das sei nicht der Kaiser. Sie wurden sogar mit Schlägen weitergetrieben. Schließlich empfing Karl sie in einem hohen Saal, geschmückt mit Gold und Edelsteinen und umringt von seinen drei Söhnen und den Großen und gewährte ihnen dann doch noch seine Huld. Zwar handelt es sich um eine Erzählung, die erheblich nach der Regierungszeit Karls und damit den geschilderten Ereignissen liegt. Aber sie ist doch nicht bedeutungslos. Hätten sich diese Vorgänge wirklich so abgespielt, so würfen sie ein höchst eigentümliches Licht auf das Verhalten des karolingischen Hofes in gesandtschaftlichen Beziehungen mit anderen Mächten. Denn der Vorgang stellte durch die mehrfachen Demütigungen der Gesandten von deren Irreführungen in den Alpen, über die „Aushungerung“ bis zu den Schlägen am Hofe einen ungeheuerlicher Bruch der Regeln des Umgangs mit Gesandten dar. Er hat fast barbarischen Charakter. Hätte er wirklich stattgefunden, wäre er geeignet gewesen, die Spannungen zwischen Karl und seinem ungenannten byzantinischen Gegenüber nur noch zu erhöhen. Zwar wäre die behauptete schlechte Behandlung der Gesandten Karls in Konstantinopel ebenfalls ein Verstoß gegen die Üblichkeiten und Regeln des diplomatischen Verkehrs gewesen, der entsprechend von Karls Seite hätte beantwortet werden können. Aber das Verhalten der Franken überschritt erheblich das Maß einer „Retorsion“. Indem die Gesandten gedemütigt wurden, wurde der oströmische Kaiser gedemütigt und der Lächerlichkeit preisgegeben. Es widersprach i. ü. den eigenen normativen Vorgaben. Denn diese verlangten, wie mehrfach in Kapitularien festgelegt, die Sorge für das Wohlergehen der fremden Gesandten auf dem Wege zum König, einschließlich deren Gastung. Ludwig der Fromme schärfte diese Pflicht nachdrücklich ein. Was also mag Notker veranlaßt haben, so eine haarsträubende Geschichte in einem für die Öffentlichkeit bestimmten Werk zum Lobe Karls des Großen zu erzählen? Es bestehen zunächst jedoch erhebliche Zweifel, ob sich dieser Vorgang wirklich so abgespielt hat. Aus den zeitgenössischen Quellen ist nichts derartiges zu erschließen, obwohl sie die Spannungen einschließlich des Krieges nach 806 nicht verschweigen. Einhard lobt in seiner Vita Karls eher dessen Verhältnis zu Nicephorus, trotz des Krieges mit diesem, und mit Michael I. Notker nennt den Namen des von ihm stets nur als rex bezeichneten oströmischen Kaisers nicht. Auch macht er keine genaueren Jahrsan275

Notger von St. Gallen, Gesta Karoli Magni, II, c. 6, S. 55.

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gaben. Aus der Bezeichnung Karls als „Kaiser“ können keine Zeiten bestimmt werden, da Notker von ihm, anders als für den byzantinischen Kaiser, nur als imperator spricht. Jedoch sollen noch alle drei Söhne am Empfang dabei gewesen sein. Daher müßte der Gesandtenaustausch vor Pippins Tod 810 stattgefunden haben. Die zeitgenössischen Quellen berichten zwar immer wieder von dem Austausch von Gesandten zwischen Karl und dem oströmischen Kaiserhof. Die letzte Gesandtschaft Karls von 803 an Kaiser Nicephorus scheint nach dem Brief Karls von 810 an Nicephorus jedoch nicht beantwortet worden zu sein. Erst nach dem Tode Pippins wurde der Gesandtschaftsverkehr wieder aufgenommen. In dieser Zeit fand der oberitalienische Krieg um Venedig und Dalmatien statt. Der Austausch, von dem Notker berichtet, müßte also vor 803 stattgefunden haben. Die von Notker geschilderten Vorgänge könnten sich nach dem Bruch der Verlobung Rothruds mit Konstantin VI. abgespielt haben. Denn dieser dürfte für nicht unerhebliche Spannungen gesorgt haben. Er ging aber wohl von Eirene aus. Nach der Erhebung Karls zum Kaiser war man anscheinend zunächst eher um Entspannung bemüht, wie das von byzantinischer, nicht von fränkischer Seite berichtete zweite Heiratsprojekt andeutet. Der Wahrheitsgehalt der Geschichte Notkers ist daher mehr als fraglich. Althoff hat diese Darstellung als „fränkisches Wunschdenken, es den arroganten Byzantinern einmal so richtig zu zeigen“ bezeichnet, aber vor allem unter dem Gesichtspunkt der „Spielregeln rituellen Verhaltens“ analysiert.276 Er hebt hervor, daß „diese aufwendige und phantasiereiche Verformung des Auftritts einer Gesandtschaft am karolingischen Hofe zu einer Groteske“ sich offenbar an ein Publikum gerichtet habe, das für diese „Darstellung ritueller Verhaltensmuster“ hoch empfänglich war. Was wollte Notker dann aber mit dieser zweifelhaften Erzählung erreichen? Die politisch-normative Seite der „Groteske“ ist mit dem Verweis auf die Bedeutung der Rituale nicht erschöpft. Ob Notker mit seiner Schilderung eine politische Tendenz verfolgte, und wenn ja, welche, müßte eingehender geprüft werden. Die Erzählung steht in den gesta im Zusammenhang mit anderen Berichten über Gesandte nach und von Konstantinopel und von anderen Herrschern. Es geht Notker, offenbar ähnlich wie Einhard in c.16 seiner Karlsvita, darum, die auswärtigen Anstrengungen Karls besonders hervor zu heben. Die Parallele ist unübersehbar. Dabei lobt Notker ständig variierend die Klugheit, die Schönheit, die Erhabenheit, Tapferkeit, aber auch die Huld des Kaisers, die diese Gesandten verschiedener Herkunft immer wieder sehr beeindruckt hätten. Es drängt sich daher der Eindruck auf, daß es das Hauptziel des Mönches aus St. Gallen ist, seinen Helden in einem wunderbaren, gewissermaßen überwältigenden Licht gegenüber den Fremden erscheinen zu lassen,277 und außerdem gegenüber dem oströmischen Kaiser seinen Gleichrang herauszustellen und zu beto-

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Althoff, Rituale, S, 39 ff. Am Ende unserer Geschichte empfängt Karl die griechischen Gesandten stehend „an einem hellen Fenster, strahlend wie die Sonne beim Aufgang“, stabat autem gloriosissimus regum Karolus iuxta fenestram lucidissimam, radians sicut sol in ortu suo.

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nen.278 Dafür nimmt er offenbar auch in Kauf, eine Geschichte zu erzählen, die, von außen gesehen, seinem Helden eher zum Nachteil gereichen konnte. Eine Erklärung könnte auch in den Zeitumständen Notkers und dem Zweck des ganzen Werkes liegen, das er für Kaiser Karl III. um 883 verfaßte und diesem seinen Vorfahren als Vorbild hinstellen sollte. Aber dem ist hier nicht näher nachzugehen. Unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt bringt diese Erzählung die Bedeutung der Beachtung der Regeln für die Behandlung einer Gesandtschaft, für das Gelingen des Austausches von Gesandtschaften und der dadurch in Gang gesetzten und fortgeführten Kommunikation zwischen den Mächten deutlich zum Ausdruck. Sie erscheint als ein, wenn auch deftiges Zeugnis für den grundsätzlichen Anspruch aller karolingischen Kaiser, auch Karls III., auf Gleichrangigkeit mit den oströmischen Kaisern, die gerade auch in der Behandlung der Gesandten geachtet werden mußte. Es wäre auf das Verhältnis dieses letzten gesamtfränkischen karolingischen Kaisers, der noch einmal das Reich Karls des Großen fast vollständig vereinigt hatte, zu den oströmischen Kaisern einzugehen, um von dorther eine Erklärung zu versuchen. Aber das liegt außerhalb des hier gezogenen Zeithorizontes.

b. Volksrechte Bestimmungen zum persönlichen Schutz und zur Gastung der Gesandten haben zumindest in einige Volksrechte fränkischer Zeit Eingang gefunden. So wurde die Tötung eines Gesandten mit hohen Wergeldforderungen bestraft.279 Kapitel 38 der Lex Burgundionum setzt für die Verletzung der hospitalitas gegenüber auswärtigen Gesandten, also die Verweigerung des Gastrechts ein Wergeld zu sechs solidos fest.280 Ähnliches bestimmt die Lex Ribvaria.281 Die Lex Salica enthält hingegen keine derartigen Regelungen. Die genannten Bestimmungen scheinen sich nur auf die Gastungspflicht, die Verletzung der hospitalitas zu beziehen. Aber Grundvoraussetzung der hospitalitas ist, daß Leib und Leben geschützt werden. Zudem wird Wergeld i. d. R. für die Tötung bezahlt.282 Der Begriff ist daher wohl über die bloße Gastung hinaus auf die allgemeine Sorge für und um den Gast bezogen. 278

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In einer weiteren Gesandtengeschichte erzählt er, wie ein fränkischer Gesandter durch seine Klugheit einer Falle am Hofe in Konstantinopel entgangen sei und die Höflinge als dumm habe erscheinen lassen. Lex Frisionum, c. 17, 3, MGH LL III, S. 631, S. 671. Lex Burgundionum, c. 38, MGH LL I, Legum Nat. Germ. II/1, S. 69ff., De hospitalitate legatis extranearum gentium et itinerantibus non neganda. § 3 De legatis vero extranearum gentium, ut dictum est, id volumus custodiri: ut ubicumque eos mansio contulerit, unum porcum aut unum vervecem praesumendi habeant facultatum. Et qui fieri probibuerit, VI solidos multae nomine cogatur exsolvere. Im Winter mußten sie gegebenenfalls mit Heu etc. versorgt werden, § 5. Die Bewohner einer villa, Burgunder und Römer, mußten gemeinsam dafür aufkommen. Dazu Löhren, Beiträge, S. 50. Lex Ribuaria, MGH LL I, Legum Nat. Germ. III/2, S. 119, S. 167, c. 68 (65) § 3: Si quis autum legatarium regis vel ad regem seu in utilitate regis pergentum in hospitio suscipere contumpserit nisi emunitas regis hoc contra dixerit, sexa pinta solidos culpabiles iudicetur. Conrad, Rechtsgeschichte I, S. 115.

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c. Kapitularien Auch die Kapitularien der Frankenherrscher enthalten Weisungen über die Behandlung von Gesandten. Im Capitulare missorum generale von 802 heißt es in Kapitel 28: De legationibus a domno imperatore venientibus. Missis directis ut comites et centenarii praevideant omni sollicitudine, sicut gratia domni imperatori cupiunt, ut absque ulla mora eant per ministeria eorum, omnibusque omnio praecepit, quia hoc debiti sunt praevidere, ut ullam moram nusquam patiatur, sed cum omni festinatione eos faciant ire viam suam, et taliter providentiam suam habeant, ut missi nostri disponant.283 Dies bezieht sich zwar nur auf die Gesandten, die vom Kaiser weggingen. Es wird zudem nicht vom Rechtsschutz und dem Schutz von Leib und Leben der Gesandten, sondern nur von der Erleichterung der Reise gesprochen. Diese könnte allerdings den Schutz einschließen. Das gleichzeitig ergangene Capitulare missorum speciale bezieht sich dann ausdrücklich auf den Weg zum und vom Kaiser: De legationibus ad nos venientibus et de missis a nobis directis.284 Noch deutlicher stellt es eine zweite überlieferte Fassung dar: Ut missi ad domnum imperatorem venientes et ab eo directi honorabiliter suscipiantur.285 Wie dargelegt, umfaßt der Begriff missi sowohl eigene wie fremde Gesandte. Karl der Große hatte zudem bereits im Capitulare de villis um 800 nachdrücklich die Pflicht der Grafen und seiner homines ... qui antiquitus consueti fuerunt missos aut legationes soniare festgehalten, um sicherzustellen, daß die Gesandten gut und ehrenvoll zum Königshof gelangen und von ihm zurückkehren konnten.286 Angesichts der Fülle der Gesandtschaften von außerhalb, die unter Karl insbesondere nach der Kaisererhebung zunahm, war wohl ein Problem aufgetaucht, das es zu regeln galt. Daher sind gerade auswärtige Gesandtschaften mit diesen Regelungen erfaßt worden.287 Ludwig der Fromme schärfte im Capitulare legibus addenda von 818/819, also für die Volksrechte, die Gastungspflicht gegenüber den missi und ebenso gegenüber den legationes illuc venientes ein.288 Wie groß das Problem wurde, zeigte seine Admonitio von 823 bis 825.289 Er zählt auf, welche Unbill bis hin zu Raub und offener Gewalt gegen legationes ad nos directas geübt wurde. Sed volumus ut unusquisque fidelium nostrorum procuratores rerum suarum de his specialiter instruat, ut quandocumque et undecumque legatio advenerit, et aut litteras aut missum nostrum viderint, honorifice 283 284 285

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Capitulare missorum generale, c. 28, MGH LL II, Capit. I, Nr. 33, S. 96. Capitularia missorum specialia, c. 14, MGH LL II Capit. I, Nr. 34, S. 101. Capitulare missorum item speciale, c. 53, MGH LL II Capit. I, Nr. 35. S. 104, Zu den Kapitularien, die in ihrer Interpretation umstritten sind, u. a. Eckhardt, Capitularia missorum, S. 498–516. Die Auseinandersetzung betrifft aber eher die missi dominici. Capitulare de villis, c. 27, MGH LL II Capit. I , Nr. 32, S. 85. Damit wollte er wohl auch den freien Zugriff auf die königlichen Güter abwehren, der nur unter Vorweisen eines ausdrücklichen Gastungsbefehls des Kaisers oder der Königin möglich sein sollte. Ebenso auch wohl Löhren, Beiträge, S. 52. Capitulare legibus addenda, c. 16, MGH LL II Capit. I, Nr. 280, S. 284; so auch Löhren, Beiträge, S. 52. Admonitio ad omnes regni ordines, c. 18, MGH LL II Capit. I, Nr. 150, S. 305f., dt. Anhang Nr. 15.

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illum in omni loco imperii nostri propter nostrum et totius regni honorem omnes suscipere valeant. Das Gebot der ehrenvollen Aufnahme richtete sich an alle im Reich. Aber es ist, wie dargelegt, eine Einschärfung, nicht die Aufstellung eines neuen Rechtssatzes. Da Ludwig gerade auch die offene Gewalt gegen die Gesandten und deren Eigentum nachdrücklich rügt, gehört zur ehrenvollen Aufnahme zunächst Schutz von Leib, Leben und Eigentum. Das Recht der Gesandten fremder Mächte auf Versorgung im Reich ruhte in der Königsgastung.290 Es war das Recht des Königs, auf seinem Weg durch das Reich beherbergt und bewirtet zu werden. Es bestand bereits in merowingischer Zeit. In dieser wie in karolingischer Zeit wurde diese Gastung wesentlich aus den Pfalzen genommen. Kirchengut wurde von Karl und Ludwig noch geschont.291 Aber grundsätzlich waren insbesondere die Großen zur Gastung verpflichtet.292 Das Recht, Gastung in Anspruch zu nehmen, stand ferner den missi des Königs zu. Auch die Gastung der Gesandten war, wie die genannten beiden Volksrechte und auch die zitierte Formulierung der Capitularia de villiis zeigen, alte Gewohnheit. Aus fränkischen Überlieferungen ist zu erfahren, daß Karl der Große, nachdem Gesandten des Perserkönigs Harun im Frankenreich mehrfach das Gastrecht verwehrt worden war, alle verantwortlichen Grafen und Äbte absetzte und die betreffenden Bischöfe mit hohen Geldstrafen belegte.293 Bei den litterae in dem Kapitular Ludwigs des Frommen handelte es sich nach dem Gesamtzusammenhang des Textes um Berechtigungsschreiben. Im Text wird nicht gesagt, wer sie ausstellte. Nur hinsichtlich des missus heißt es, daß er noster, also Ludwigs missus, sei. Er ist wohl als Begleiter vorzustellen, der der Gesandtschaft das Geleit gab.294 Er gewährte der Gesandtschaft den Schutz und legitimierte sie offenbar. Aus den berichtenden Quellen ergibt sich, daß den Gesandtschaften immer wieder derartige Geleitpersonen entgegen geschickt wurden.295 Auch den Päpsten wurden seit dem ersten Besuch eines Papstes 753 bei Pippin stets Geleite entgegengesandt. Nicht für Gesandte, wohl aber für einen Gegner wird über die Zusage und Stellung des Geleits berichtet. Im Jahr 785 erklärte sich der Sachsenherzog Widukund bereit, zu Karl zu kommen und sich zu unterwerfen: petentibus illis (Widukind und Abbio), ut credentias haberent, quod inlaesi fuissent, sicut et factum est. Tunc domnus Carolus rex reversus est in Franciam et mittens ad supradictos Widochindum et Abbionem obsides per missum suum Amalwinum. Sie kamen daraufhin und ließen sich taufen, et tunc tota Saxo-

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Dazu Ganshof, Tractoria, S. 69–91; Brühl, Fodrum, S. 7f., 107ff., vor allem. S. 111f.; Classen, Kaiserreskript, S. 141ff., bes. S. 145; Brunner-Schwerin, Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 307ff. Ausführlich Brühl, Fodrum, S. 9ff. Dazu S. 364, Anm. 286. Monachus Sangallensis, c. 8, MGH SS II, S. 725 Z. 30. Es ist unerheblich, ob die Nachricht stimmt. Denn sie macht für diesen Zusammenhang deutlich, wie bedeutsam die Gastung der fremden Gesandten für den Kaiser war und wie maßgeblich sie zum officium der Großen auf deren Weg zum Kaiser gehörte. Dazu B. Koehler, Geleit, HRG, 2. Aufl. Bd. 1,. Sp. 1481–1489. Z. B. den Gesandten Harun al-Raschids, Ann. regni Franc. ad a. 802; oder die Gesandten des Bulgarenkönigs, Ann. regni Franc. ad a. 824.

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nia subiugata est.296 Die litterae hingegen können nach diesem Text vom Entsender wie von Ludwig stammen, hätten danach, modern ausgedrückt, im ersten Fall die Funktion eines Beglaubigungsschreibens oder im zweiten die eines Visums, d. h. einer tractoria. Jedoch verweist der Herausgeber der Kapitularien, Alfred Boretz, in einer Fußnote zu Kapitel 18 der Admonitio auf Kapitel 16 des Capitulare legibus addenda von 818/819.297 Dort heißt es: Si quis litteras nostras dispexerit, id est tractoriam quae propter missos recipiendos dirigitur, aut honores quos habet amittat aut in eo loco ubi praedictos missos suscipere debuit tamdui resideat et de suis rebus legationes illuc venientes suscipiat quousque animo nostra satisfactum habeat. Boretz ist also der Auffassung, daß es sich um Briefe Ludwigs handelte. Auch in der sonstigen Literatur wird angenommen, daß die Gesandten eine tractoria bei sich führten.298 Diese legte den Inhalt des Gastungsrechts fest. Der Begriff tractoria entstammt dem römischen Recht.299 Es hat sich die Ansicht durchgesetzt, daß sich im fränkischen Recht jedoch unter demselben Wort ein anderer Inhalt darstellte.300 Das liegt unter anderem an dem Verschwinden des cursus publicus, auf den sich die römische tractoria bezog. Ludwig der Fromme legte für die missi den Umfang der Gastung nach gewissen Rangstufen allgemein fest.301 Dieses Institut wurde auch auf auswärtige Gesandte ausgedehnt. Neben den bereits genannten Normierungen kann auch auf die Formelsammlung Marculfs hingewiesen werden.302 Auswärtige Gesandtschaften wurden jedoch nicht immer erwartet. So zeigte man sich am Hofe Ludwigs des Frommen überrascht, als 824 die erste Gesandtschaft der Bulgaren mit Briefen des Bulgarenkönigs an den Hof kam.303 Hatten die Gesandten vorher eine tractoria erhalten? Wer erwartet oder von der Grenze gemeldet wurde, dem konnte man einen missus mit einer tractoria entgegensenden. Wer in sein Land zurückkehrte, dem wurden litterae des Königs oder Kaisers mitgegeben.304 Auch wenn in der Admonitio litterae Ludwigs gemeint waren, bleibt die Frage, wie ankommende Gesandtschaften, wie z. B. die bulgarische Gesandtschaft in den Besitz solcher litterae oder einer tractoria kommen konnten. Dazu enthalten die Quellen nichts. Denkbar ist, daß alle Gesandtschaften, die an der Grenze ankamen, von dem zuständigen Gra296 297 298 299 300

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Ann. regni Franc. ad a. 785. MGH LL II, Cap. I, Nr. 139, S. 280, S. 284. Classen, Kaiserreskript, S. 145; Brunner-Schwerin, Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 309f. Ausführlich Ganshof, Tractoria, passim, zum Zusammenhang römisches-fränkisches Recht. So Classen, Kaiserreskript, S. 146, in gewisser Kritik zu Ganshof; Brühl, Fodrum, S. 6, der in Fußnote 8 aber auch auf einen Auffassungswandel Ganshofs hinweist. Capitulare missorum, c. 26, 29, MGH LL II Capit. I, Nr. 14; S. 291, aber auch die Tractoria de coniectu missis dando, MGH LL II Capit. II/1, Nr. 189, S. 10f. Marculfi Formularum, liber I, c. 11, Tractoria ligatariorum vel minima facienda istius instar, MGH, Leg. Sect. Formulae, S. 49. Zu Marculf allgemein Alexandre Jeannin, Formules et formulaires–Marculf et les practiciens du droit au premier Moyen Âge (Ve–Xe siècles), Thèse de doctorat, Lyon 2007. Ann. regni Franc. ad a. 824. Ann. Bertiniani ad a. 839. Hiermit sind aber nicht die erwähnten litterae gemeint, die Briefe an den Empfänger der Gesandten bezeichnen.

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fen gemeldet werden mußten und erst nach Erhalt der litterae zum Hofe weiterreisen durften. Für ein generelles Verfahren dieser Art gibt es aber keine Hinweise; es wird, wie üblich, nur über konkrete Vorgänge berichtet.305 Das Verfahren hätte zudem für die Meldung hin und die litterae zurück Wochen in Anspruch genommen. Daher ist, auf Grund der Tadel und Maßnahmen gegen die säumigen Grafen und Bischöfe anzunehmen, daß diese von sich aus für Sicherheit, Geleit, Gastung etc. zu sorgen hatten. In den genannten Rechtstexten fehlt eine ausdrückliche Gewährleistung des Schutzes vor Angriffen auf Leib und Leben. Zwar nimmt die Admonitio Ludwigs auch auf Leibesverletzungen Bezug, sagt aber nichts Ausdrückliches darüber. Der anschließende Text sorgt sich nur um die Gastung. Allenfalls die allgemeinen Formulierungen könnten auch den Schutz der Sicherheit umfassen. Es ist jedoch auffällig, daß er gar nicht genannt ist. Es gab auch keine besonderen Schutzzeichen mehr, wie es von Gregor von Tours für eine Gesandtschaft Gundowalds an Guntram berichtet wird. Sie trugen geweihte Stäbe iuxta ritum Francorum, ut sciliat non contingerentur ab ullo, sed exposita legatione cum responsu reverberentur.306 Aus karolingischer Zeit wird Derartiges nicht mehr berichtet. Auch sonstige Hinweise auf besondere Schutzzeichen gibt es nicht. Die litterae, evectiones oder tractoriae ersetzten sie nicht. Denn diese gingen vom König bzw. Kaiser aus, jene aber wurden von den Gesandten selbst mitgebracht. Ob und inwieweit die Sitte noch aus vorchristlicher Zeit stammte und religiös begründet war, muß dahingestellt bleiben. Faßt man die Regelungen der Kapitularien zusammen, so kann man zwar eine inhaltliche Reichweite der Aussagen feststellen. Aber ausdrückliche Rechtssätze oder Anordnungen im modernen rechtstheoretischen Sinn enthalten sie, wie in anderen Bereichen, auch hierfür nicht. Sie erscheinen als Einschärfungen, Ermahnungen. Bemerkenswert ist insofern der Eingangssatz der Mahnung Ludwigs in seiner Admonitio von 823 zur anständigen Behandlung der Gesandten: De inhorroratione quoque regis et regni et mala fama in exteras nationes dispersa, propter negligaentiam eorum qui legationes ad nos directas etc. Der schlechte Ruf bei anderen setzte voraus, daß das Verhalten als ungehörig angesehen wurde und gegen das im Verkehr zwischen den Mächten übliche Vorgehen verstieß. Darauf nahm Ludwig Rücksicht, das wollte er abstellen. Aber Ludwig verweist nicht auf ein Rechtsgebot und dessen Verletzung, sondern gibt eine Einschärfung, die als solche allerdings eine Folgepflicht ausspricht. Allenfalls ist eine allgemeine „Primärnorm“ vorausgesetzt. Sie müßte aus anderen Grundlagen konstruiert werden. Es ist dazu auf andere Texte berichtender Art zurückzugreifen.

d. Erzählende Quellen Für das Jahr 836 berichten die Annalen, der dänische König Horich habe durch eine Gesandtschaft bei Ludwig dem Frommen Klage wegen Ermordung seiner Gesandten in Köln erhoben Sed et Horich rex Danorum per legatos suos in eodem placito amicitiae 305

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Notker, Gesta II, c. 8; für eine Glaubwürdigkeit Notkers in diesem Punkt u. a. Löhren, Beiträge, S. 55; offenbar auch Menzel, Gesandtschaftswesen, S. 227. Gregor von Tours, Historiarum libri, lib. VII, c. 32.

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et oboedientia conditiones mandans, se nullatenus eorum importunitatibus ad sensum prebuisse testatus, de suorum ad imperatorem missorum interfectione conquestus est, qui dudum circa Colonium Agrippinam quorundam praesumptione necati fuerant; der Kaiser reagiert quorum necem etiam imperator, missis ad hoc solum legatis, iustissime ultus est. 307 Der im Bericht hergestellte Zusammenhang zwischen Angebot von Freundschaft und Gehorsam einerseits und Beschwerde über den Gesandtenmord andererseits dürfte nicht zufällig sein. Denn die amicitia verlangt auch den Schutz der Gesandten des amicus. Ludwig der Fromme anerkannte offenbar als Herrscher gegenüber Horich eine Verantwortlichkeit für die Tötung und verwies nicht auf die Täter. Worin die Genugtuung bestand, wird nicht gesagt. Es kann eine Art „Wergeld“ gewesen sein. Besonderes Gewicht erhält der Vorgang jedoch dadurch, daß der Kaiser eine eigene Gesandtschaft entsendet, um die Genugtuung zu leisten. Das ist aus fränkischer Sicht ein gewiß bemerkenswerter Vorgang, zumal Horich nicht nur amicitia, sondern auch oboedientia, also eine Art Unterwerfung angeboten hatte. Andererseits berichten die Reichsannalen für das Jahr 798, Sed in ipso paschae tempore Nordliudi trans Albim sedentes seditione commota legatos regios, qui tunc ad iustitias faciendas apud eos conversabantur, conprehendunt, quosdam ex eis statim trucidantes, ceteros ad redimendum reservant.308 Karl der Große beantwortete ihr Vorgehen mit einem erneuten Kriegszug. Dieser war erfolgreich. Die Aufständischen knüpften Friedensverhandlungen an, de pacis tractaverunt, und stellten Geiseln. Die Gesandten waren bei den Nordleuten, wahrscheinlich Sachsen, um über eine Genugtuung zu verhandeln. Wofür sie diese forderten, läßt sich aus den Quellen nicht entnehmen. Aber sie sollten verhandeln. Ihre Festnahme, Tötung bzw. Geiselnahme wird in dieser Situation als „Aufstand“ angesehen und als ein Grund zur Rechtfertigung des Krieges. Das setzt die Vorstellung voraus, daß die Sachsen eine Pflicht zum Schutz von Leib und Leben der Gesandten hatten. Jedoch wird dieser Grundsatz nicht ausdrücklich formuliert. Schon gar nicht wird die rechtliche Grundlage dafür genannt. Es wird also als gegeben und für den Leser verständlich vorausgesetzt. Es erhebt sich für uns jedoch die Frage nach den Gründen. Es bleiben aber auch Ungewißheiten, insbesondere, wenn unbekannte Gesandtschaften auftauchten oder gar nur auf der Durchreise waren, wie das Verhalten Ludwigs des Frommen gegenüber der Gesandtschaft der Rhos zeigt, um deren Durchzug und Schutz auf ihrem Weg zurück nach Kiew Kaiser Theophilos Ludwig gebeten hatte. Ludwig gewährte den Durchzug zunächst nicht, da er sicher gehen wollte, daß es sich nicht um Kundschafter handele.309 Sie werden wohl nicht eingekerkert worden sein. Aber, so teilt der Kaiser dem oströmischen Kaiser brieflich mit, erst si fideles invenirentur, et facultas absque illorum periculo in patriam remeandi daretur, cum auxilio remittendos. Sonst würden sie an ihn zurückgeschickt. Einerseits genießen also Kundschafter keinen Schutz. Der Verdacht berechtigt zum Festhalten und Nachforschen, zumal bei Durchreisenden. Andererseits werden Gesandte vor Gefahren ge307 308 309

Ann. Bertiniani ad a. 836; vgl. Simson, Jahrbücher, Bd. 2, S. 159. Ann. regni Franc. ad a. 798. Ann. Bertiniani ad a. 839.

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schützt und ihnen Hilfe, d. h. sicheres Geleit gewährt, selbst auf der Durchreise. Aber das geschieht nicht ohne weiteres, selbst wenn eine befreundete Macht Fürsprache leistet. Im Verkehr zwischen den Päpsten und den karolingischen Herrschern gab es, solange das Langobardenreich noch bestand, immer wieder Schwierigkeiten für päpstliche Gesandte durch langobardisches Gebiet zu Pippin oder Karl zu gelangen. Der Landweg durch dieses war für die päpstlichen Gesandten nicht immer sicher. Einmal hatte Papst Paul I. seinen Gesandten, die am Frankenhof um Beistand nachsuchen sollten, zwei Briefe unterschiedlichen Inhalts mitgegeben. Neben einem langobardenfreundlichen Brief überbrachten sie einen weiteren, der die eigentlichen Anliegen des Papstes enthielt. Diese Schutzmaßnahme gründete auf der mißlichen Erfahrung, daß die päpstlichen Gesandten bei früheren Reisen an den fränkischen Hof von den Langobarden an der Weiterreise gehindert und die Briefe aufgebrochen worden waren.310 Ein ähnlicher Fall hatte sich im Zuge der Streitigkeiten zwischen dem Papst und dem Erzbischof von Ravenna ereignet. Auch hier waren die päpstlichen Gesandten aufgehalten und die für den Frankenherrscher bestimmten Briefe geöffnet worden.311 Um den Gefahren der Reise über Land zu entgehen, wurde gelegentlich der Seeweg gewählt. Aber auch hier konnte man sich nicht in Sicherheit wähnen. 773 nahm der Gesandte Hadrians I. an Karl den Großen, der diesen gegen Desiderius zur Hilfe holen sollte, das Schiff.312

e. Rechtliche Grundlagen Es gab, so lassen sich die Einschärfungen der Kapitularien und die Beispiele zusammenfassen, zwar die allgemeine Auffassung, Gesandte seien an Leib und Leben zu schützen und zu gasten. Dafür stand der Herrscher ein. Daher ist der Bericht Notkers über die Behandlung einer nicht näher festgelegten byzantinischen Gesandtschaft zur Zeit Karls des Großen reichlich unwahrscheinlich. Aber eine rechtliche Grundlage und eine genauere Aussage über den Umfang dieser Pflicht, also eine „Primärnorm“, wird auch in den erzählenden Quellen nicht angegeben. Insbesondere wird nicht auf die Volksrechte oder die Kapitularien verwiesen, wie das heute geschehen würde. Recht erscheint nicht einmal, anders als bei Verträgen, als ausdrückliches Argument, auch nicht als Rechtsbruch. Lediglich einmal wirft Einhard den Sachsen den Bruch neque divina neque humana iura vor, aber dies ganz allgemein und nicht in Bezug auf die Tötung von Gesandten.313 Aber offenbar liegt eine normative Vorstellung nicht nur den Kapitularien, sondern auch den genannten Berichten zugrunde. Denn die Folgen, Krieg, deuten wiederum darauf hin, daß auch bei den Autoren der Berichte wie bei den Verfassern der Kapitularien eine allgemeine Vorstellung besteht, daß Schutz der Gesandten geboten ist. Aber es wird sich nach dem oben Gesagten nicht um eine Stufenfolge von einer abstrakten zu einer konkreten Norm handeln. 310 311 312 313

Codex Carolinus, Nr. 16, 17 , MGH Epp. III, S. 513 und 514. Codex Carolinus, Nr. 55, MGH Epp. III, S. 578. Ann. regni Franc. ad a. 773. Einhard, Vita Caroli, cap. 7.

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Politische Verkehrsbeziehungen – Gesandtschaften

Die Suche nach den rechtlichen Grundlagen erweist sich als schwierig. Ältere Formen sakralen Ursprungs hatten sich verloren. Ein Bezug auf göttliches Recht findet sich in den Quellen nicht. Zitate aus der Bibel zum Fremdenrecht oder Gesandtenschutz werden nicht aufgenommen. Auch von einer Heiligkeit der Gesandten ist nirgendwo die Rede. Die Normen sind in den weltlichen Bereich übergegangen. Einen innerfränkischen rechtlichen Ansatz bieten der allgemeinen Königsfrieden im Frankenreich und der besonderen Königsfrieden für diejenigen, die sich an den Hof begeben. Er gewährte allgemeinen Schutz. Er kam nicht nur allen Untertanen, sondern nunmehr auch allen Fremden zu. Diese waren in unserer Epoche nicht mehr generell rechtlos, wie vielleicht noch in germanischer Zeit. Hinzu trat als zweites der Sonderfriede des Königshofes.314 Er umfaßte zugleich alle, die sich auf dem Weg zum und vom Königshof befanden.315 Dies galt zunächst für die Untertanen, die beispielsweise Recht am Königsgericht suchten, das bei Hofe gehalten wurde. Das galt auch für die, die zur Reichsversammlung gingen. Der Sonderfriede sollte die Fehde einschränken, indem der Weg zum Königsgericht gesichert wurde. Es kann angenommen werden, daß dieser Sonderfriede auch für die Gesandten der fremden Mächte wie für die der unterworfenen Völker herangezogen wurde. Die Tötung der dänischen Gesandten in Köln war daher rechtlich eine Verletzung des Königsfriedens. Diese Frieden waren aber offenbar nicht immer hinreichend, um der besonderen Situation der Gesandten gerecht zu werden, die keine „gewöhnlichen“ Fremden waren, hinter denen zudem ihre Auftraggeber standen. Darauf reagierten die Ermahnungen, vor allem Ludwigs des Frommen, die Gesandten fremder Völker zu achten und ehrenvoll zu behandeln. Der Königsfrieden umfaßte wohl nicht die Gastung der fremden Gesandten. Diese beruhte letzten Endes auf der hospitalitas, auf die Ludwig der Fromme nachdrücklich hinweist. Sie oblag dem König, dessen Gäste die fremden Gesandten in erster Linie waren. Auch sie umfaßt selbstverständlich an erster Stelle den Schutz für Leib und Leben des Gesandten. Aber Gastfreundschaft ist nicht eigentlich und keinesfalls ausschließlich eine rechtliche Kategorie, sondern hat auch mit caritas, also einer religiösen Kategorie zu tun. Insgesamt läßt sich aus heutiger Sicht rekonstruieren, daß fränkisches Fremdenrecht, Königsfrieden, Königsschutz und fränkisches Gastungsrecht aus der hospitalitas den Schutz und Erhalt der Gesandten im fränkischen Herrschaftsgebiet normativ trugen. Es war zunächst die Anwendung allgemeiner fränkischer rechtlicher Institute auf diese, zumindest nach Umfang und allgemeiner Bedeutung drängende Problematik, die aus dem zunehmenden politischen Gewicht des Karolingerreiches nach außen hin erwuchs. Es rückte mehr und mehr ins Zentrum, und damit wuchs der Zustrom der Gesandten.

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Brunner-Schwerin, Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 61, mit Nachweisen im alamannischen und langobardischen Recht, ferner ibid., S. 694. Capitulare Haristallense, c. 17, MGH LL II, Capit. I, Nr. 20, S. 51: De iterantibus, qui ad palatium aut aliubi pergunt, ut eos cum collecta nemo sit ausus adsalire. Et nemo alterius erbam defensionis tempore tollere praesumat, nisi in hoste pergendum aut missus noster sit; et qui aliter facere praesumit, emendet.

Rechtsstellung der Gesandten bei den Franken

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f. Würdigung Zwar bestand die gemeinsame normative Vorstellung bei allen Mächten, daß die Gesandten fremder Mächte grundsätzlich Schutz für Leib und Leben bei dem Empfänger genossen und dieser verpflichtet war, dafür zu sorgen, daß Schutz realisiert wurde. Verletzungen verlangten Genugtuung, rechtfertigten notfalls die Anwendung kriegerischer Gewalt. Aber haben sich diese zu einem „übernationalen“ oder „internationalen“ gemeinsamen Recht ausgeformt? Da wie stets in den Texten der Berichte über konkrete Fälle hinaus Berufungen auf ein allgemeines oder doch bei allen Völkern geltendes Recht fehlen, ist das eher zweifelhaft. Ludwig der Fromme nennt nur das Ansehen bei anderen Mächten, beruft sich nicht auf Normen, weder auf rechtliche noch auf religiöse, wie caritas. Die konkreten, feststellbaren Normen, die diesen Schutz sicherten und weitergehende Privilegien, wie Geleit, Gastung, Empfang bei und Aufenthalt am Hofe etc. gewährten, waren interner und daher weitgehend einseitiger Art und sowohl nach Begründung wie nach Inhalt sehr verschieden. So umfaßten die Verpflichtungen für die Franken nicht nur den Schutz von Leib und Leben der Gesandten, sondern auch deren Versorgung auf ihrem Weg innerhalb des Reiches mit Unterkunft und Verpflegung zum und vom König bzw. Kaiser. Es handelte sich also eher um eine Pflicht zur allgemeinen Sorge für die Gesandten.316 In Konstantinopel wurden die fremden Gesandten in der Regel nach ihrer Ankunft im Palast untergebracht und dort ebenfalls versorgt. Zunächst bestand also auch insofern, wie beim allgemeinen Fremdenrecht, nur paralleles Recht „bei allen Völkern“. Vereinbarungen gab es nicht. Man war sich bewußt, daß Sicherheit der Gesandten und das Vertrauen und die Verläßlichkeit Grundvoraussetzung des Zwischen-Mächte-Verkehrs durch Gesandte war. Aber näher könnte die Vorstellung liegen, daß Gesandte als Repräsentanten ihres Herrn und seiner dignitas angesehen wurden. Er wurde in ihnen geachtet und geehrt oder mißachtet und verletzt. Ihre Sicherheit, Gastung und Schutz wurden um seinetwillen gesichert und bei Mißachtung geahndet. Das zeigte sich auch im Zeremoniell, das mit den Schutznormen schon deswegen zusammen gesehen werden muß, weil auch seine Verletzung Sanktionen hervorrufen konnte. Überlieferung und Gewohnheit traten hinzu. So waren die konkreten Normen eindeutig internes Recht. Da sie auf den Zwischen-Mächte-Verkehr bezogen waren, bildeten sie funktional ein internes Zwischen-Mächte-Recht. Seine Einhaltung und Beachtung war funktional auf dieser Ebene erfordert und wurde daher auch auf dieser durch die Franken wie von den Franken eingefordert. Insofern kann von einer gemeinsamen, jedoch sehr allgemeinen normativen Grundlage auf der Zwischen-Mächte-Ebene gesprochen werden. Diese bestätigt sich zudem gerade darin, daß sie auch im Verhältnis zu den seinerzeit noch heidnischen Dänen oder den muslimischen Herrschern Harun al-Raschid und Abulaz trug. Dies macht weiterhin in besonderer Weise ihre Säkularität deutlich. Jedoch zeigt sich, daß die Unterscheidung zweier gestufter Rechtsebenen, wie sie der gegenwärtigen rechtlichen Ordnung der internationalen Beziehungen zugrunde liegt, auf unsere Epoche nicht paßt. Denn das Recht oder die Gewohnheit traten erst 316

Von einer cura spricht auch Paradisi, Storia, S. 99.

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Politische Verkehrsbeziehungen – Gesandtschaften

und nur auf der konkreten internen Ebene und im praktischen Vollzug als Ausdruck und Konstituierung der Normativität hervor. Sie werden erst darüber überhaupt faßbar. Es ist ein Normbildungsprozeß von unten nach oben in den jeweiligen Anwendungsfällen, rückgebunden an eine allgemeine normative Vorstellung über das Gebotene. Allenfalls beschränkte sich die allgemeine Ebene auf sehr unbestimmte, allgemeine Rechtsgrundsätze. Allgemein stellte das fränkische Gesandtschaftsrecht eine spezifische Ausgestaltung des Fremdenrechts dar, das für die Aufgaben des Schutzes und der Gastung der Gesandten funktionsgemäß angepaßt wurde. Es bildete also noch kein eigenes Sonderrecht der Gesandten, wie das im heutigen Völkerrecht der Fall ist.

Placitum, pactio, pactum

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C : Inst i tu t e d e r Z wisch e n -M ä c ht e -Ve rbindunge n 5 . Kap it el: Placit u m , pact io, pact um I . Beg r i ffe a. Quellenbegriffe Aus dem Jahrhundert zwischen 741 und 840 sind zwei als pactum bezeichnete Texte im Wortlaut überliefert, das Pactum Hludovicianum Ludwigs des Frommen von 817 und das Pactum Veneticum Hlotharii von 840.1 Aber wie im zweiten Teil dargestellt worden ist, wird in den fränkischen wie den päpstlichen historiographischen Quellen mehrfach von dem Abschluß eines Vertrages berichtet. Die für diese eingesetzten Begriffe sind verschieden, pactio, placitum, pactum.2 Auch wird der Begriff foedus verwendet, aber stets in Verbindung mit pactum.3 Daraus ergibt sich die Frage nach dem Verhältnis beider Begriffe. Außerdem tauchen societas, amicitia als weitere Begriffe zur Kennzeichnung eines Zwischen-Mächte-Verhältnisses auf. Dabei ist aber nicht ohne weiteres klar, ob damit die Verträge selbst oder deren Gegenstand oder Inhalt bezeichnet werden sollen.

b. Römisches Recht Da es sich um lateinische Begriffe handelt, liegt es nahe, zunächst nach der römischrechtlichen Begriffsprägung zu fragen.4 Pactio bezeichnete ein Übereinkommen, einen Vergleich. Pactum hatte ebenfalls die Bedeutung Vertrag.5 Placitum meinte hingegen das Zusammenkommen. Sie wurden im Zivil- wie im Zwischen-Mächte-Recht verwendet. Pactio und pactum gehörten nicht dem römischen ius strictum an, sondern betrafen im Zivilrecht formlose Verträge und solche, die nicht bereits ein spezifisches Rechtsgeschäft bezeichneten. Zunächst konnten pacta wohl im Prozeßrecht im Sinne eines Vergleiches abgeschlossen werden. Im klassischen Zivilrecht begründete das pactum nudum keine Rechtsverbindlichkeit, konnte aber vom Prätor im Rahmen des ius honorarium durchgesetzt werden. Im Kaiserrecht wurde es dann klagbar. War ein pactum mit einem anderen Vertrag verbunden, ein pactum adjectum, war es auch im ius civile klagbar.6 Das

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MGH LL II, Capit. I, Nr. 172, S. 352. MGH LL II, Cap. II/1, Nr. 233. S. 129. Dazu auch Ganshof, Traités, S. 163 f. Zu den Begriffen u. a. Kolmer, Eide, S. 168 ff. Im folgenden geht es nur um die Verwendung dieser Begriffe im römischen Recht, nicht um die allgemeinen Fragen einer Vertragslehre im römischen Recht, dazu ausführlich Baldus, Vertragsauslegung, S. 213 ff. Georges, Handwörterbuch, Bd. 2, Sp. 1431; ausführlich Condanari-Michler, Art. pactum, passim. Edictum,Titel IV De pactis, zu dessen Überschrift Condanari–Michler, Pactum, Sp. 2131 ff.

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Placitum, pactio, pactum

wurde aus der bona fides eines solchen Vertrages begründet.7 Ulpian ordnete den Titel IV des Edikts dem ius naturalis zu. Quid enim tam congruum fidei humanae, quam ea quae inter eos placuerunt, servare? Pactum autem a pactione dicitur; inde etiam pacis nomen appellatum est. Et est pactio duorum pluriumve in idem placitum consensus.8 Im übrigen fächerte sich das Institut in mehrere Erscheinungen auf.9 In den Zwischen-Mächte-Beziehungen bezeichnete der Begriff pactum ebenfalls formlose Abmachungen oder Vereinbarungen, für die kein eigener Begriff eines Rechtsgeschäftes vorgesehen war. Pacta wurden während oder zum Abschluß eines Krieges abgeschlossen, z. B. in Bezug auf die Gefangenen.10 In dem Zitat Ulpians wurde der Begriff mit dem der pax in Verbindung gebracht. Gaius verwendete pactio zum Abschluß einer pax.11 Livius und Sallust bezeichneten Zwischen-Mächte-Vereinbarungen oder ihren Abschluß, die keinen vorgegebenen Gegenstand, wie amicitia, deditio, indutia hatten, als pactum bzw. pascisci.12 Er konnte auch von einem Feldherren abgeschlossen werden. Foedus, ein nur für die Zwischen-Mächte-Beziehungen verwendeter Vertragstyp, war der förmliche, zunächst durch die Fetialen nach den Riten des ius fetiale und durch deren Eid, später durch den Senat mit Zustimmung der Volksversammlungen geschlossene Vertrag zwischen zwei Mächten. Es war ein mündlicher Vertrag, dessen Text schriftlich auf Tafeln aus Kupfer festgehalten wurde.13 In der Kaiserzeit war der Abschluß eines Zwischen-Mächte-Vertrages Sache des Kaisers, sei es mit der zunächst einzigen auswärtigen Macht, den Persern, sei es mit den gegen das römische Reich anbrandenden und in dieses eindringenden germanischen Völkern, die zu foederati gemacht wurden.14 Das foedus verlor dabei seinen formalen Charakter und wurde formlos abgeschlossen. Auch im römischen Recht ist noch umstritten, ob amicitia, deditio, societas vertragliche Beziehungen darstellten.15 Am Ende der Antike definierte Isidor von Sevilla noch einmal pactum dicitur inter partes ex pace conveniens scriptura, legibus ac moribus conprobata; et dictum pactum quasi ex pace factum, ab eo, quod placeat. Placitum quoque similites ab eo, quod placeat.16 Pactum ist danach jedenfalls schriftlich. Wie bei Ulpian besteht auch für Isidor nicht nur ein terminologischer, sondern ein innerer und funktionaler Zusammenhang zwischen Frieden und Vertrag. Vertrag schafft Frieden.

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Sohm, Institutionen, S. 565 ff. Dig. 2, 14, 1, pr. §§ 1, 2. Condanari-Michler, Pactum Sp. 2137 ff.; Sohm, Institutionen, 566 ff. Dig. 49, 15, 12 pr. In bello postliminum est ; in pace autem his, qui bello captis erant, de quibus nihil in pactis erat comprehensum. Gaius, Inst. III, 94. Nachweise bei Baldus, Vertragsauslegung. S. 213 f. Ziegler, Völkerrecht, S. 90 ff; ders. Völkerrechtsgeschichte, S. 48 ff. Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S. 58. Baldus, Vertragsauslegung, S. 218 ff., 232 ff.; Ziegler, Völkerrecht, S. 82 ff. Isidor, Ethymologiae lib. 5, cap. 24; v. 18 f.

Begriffe

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c. Placitum Vor allem in älteren fränkischen Quellen taucht der Begriff placitum häufiger auf. Er ist inhaltlich recht weit und unbestimmt. Bei Ulpian war der Begriff offenbar auf die Verhandlung bezogen, aus der das pactum hervorging. In den fränkischen Quellen wird er in verschiedenen Zusammenhängen verwendet.17 Er kann je nach dem Kontext Gericht, innerfränkische Reichsversammlung oder Synode,18 Zwischen-Mächte-Verhandlungen19 oder auch das Ergebnis derselben nämlich, Beschlüsse, Gerichtsurkunden, Übereinkunft, Verabredung oder Vertrag bzw. deren Bestätigung durch Beschluß bedeuten.20 Jedenfalls wird in diesem Sprachgebrauch der enge Zusammenhang zwischen Zusammenkunft, Verhandlung und Ergebnis, der Übereinkunft deutlich. Placitum i. S. von Vertrag kann sehr enge Inhalte haben, wie die Übergabe einer Burg, aber auch weiter gefaßte, wie die Verbindung Tassilos mit Karl. Er kann auch mit pactum gleichbedeutend verwendet werden, so pacta vel placita que per scripturam ... facta sunt.21 Der Begriff wird auch in der Vita Stephani gebraucht, wo er den Vertrag des Papstes mit Pippin von 754 in Quierzy bezeichnet, illi placitum fuerit exarchatum Ravennae et reipublice iura seu loca reddere ...22

d. Pactio/pactum In der älteren merowingischen Literatur, so bei Gregor von Tours, wird zunächst pactio verwendet, z. B. für die Abkommen zwischen Aildebert und Guntram, den Vertrag von Andelot.23 Es handelte sich hierbei zwar um einen Vertrag zur Abgrenzung der Herrschaftsbereiche der beiden Frankenkönige, aber doch innerhalb der einen Frankenherrschaft. Nur durch Übereinkunft waren derartige Regelungen auf friedliche Weise möglich. Dies ist ein Musterbeispiel für die Unmöglichkeit der präzisen Ab17

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Zur vielfältigen Bedeutung Weitzel, Art. placitum, LMA 6, Sp. 2195; Art. placitus, MLLM, Bd. 2, S. 1044 ff. Dort wird auf mehrfache Verwendungen bei Gregor von Tours, aber auch in den älteren germanischen Gesetzbüchern verwiesen. Z. B. Fred. chron. cont., c. 47 (130); Ann. regni Franc. ad a. 763, ad a. 764; ad a. 81; Hincmar v. Reims, De ordine, cap. VI, (29ff.), S. 82ff.; Waitz, Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 554ff.; Althoff, Art. Versammlung, LMA 8, Sp. 1579 f. So z. B. Ann. regni Franc. ad a. 772: Tunc super Wisoram fluvium venit ... rex et ibi cum Saxonibus placitum habuit et recepit obsides XII ...; ibid., ad a. 786: ... et cum missis imperatoris placitum habendi de convenentiis eorum quod ita factum est. Z. B. Ann. regni Franc. ad a. 743: Carlomannus ... coepit castrum, quod dicitur Hoohseoburg, per placitum et Theodericum Saxonem placitando conquisivit. Ibid., ad a. 761, in alverno alia multa castella coepit per placitum; ibid., ad a. 776, et iniqua placita Francos exinde (aus der Eresburg) suadentes exiendo; ibid., ad a.788, ... confessus est se dixisse (Tassilo), etiamsi decem filios haberet, omnes voluisset perdere, antequam placita sic manerent ... Ann. q. d. Einhardi ad a. 747: Proelium tamen non est inter eos (Pippin und Griffo) comissum, sed ex placito discesserunt. Lex Visigothorum, zitiert nach Niermeyer, Anm. 17. Vita Stephani II., Liber pontificalis, I, S. 448. Gregor von Tours, Historiarum libri, lib. VII, c. 14, insbesondere lib. IX, c. 20; Drabek, Merowingervertrag, S. 37 f.

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grenzung von „Innen“ und „Außen“, von „Unabhängigkeit“ und „Abhängigkeit“, von „rechtlich“ und „völkerrechtlich“, die die Anwendung dieser Kategorien für diese Zeit fragwürdig erscheinen läßt. Beim Vertrag von Andelot handelte es sich um eine schriftliche Urkunde. Denn Gregor von Tours berichtet an der zweiten Stelle in bezug auf den Vertrag von seiner Verlesung und gibt den Text wörtlich wieder. Aber bereits für einen Vertrag zwischen Chlothar II. um 617/618 und den Langobarden wird pactum neben die Eidschwüre gesetzt amicitiam perpetuam cum Langobardis sacramentis et pactis firmavit.24 In den fränkisch-karolingischen Quellen begegnet der Begriff pactum zum ersten Mal erst in dem Glückwunschschreiben Karls des Großen an Leo III. zu dessen Wahl, in einem Brief an den Erzbischof von Canterbury und in dem Brief an König Offa von Mercien. Im erstgenannten geht es um die Erneuerung des pactum, das Karl mit Leos Vorgänger Hadrian I. 774 abgeschlossen hatte, Sicut enim cum beatissimo patre, praedecessore vestro, sanctae paternitatis pactum inii, sic cum beatitudine vestra ... foedus statuere desidero.25 An Athilhard schreibt Karl Sed quanto longiare spatio humana dividitur conversatio, tanto probatiore fide pietatis pactum inter amicos servire debebit.26 Gegenüber Offa wünscht er die Wiederbelebung eines früheren, aber nicht näher bestimmten Vertrages Unde et nos, frater dilectissime, antique memores inter nos pacti, has vestre reverentiae litteras dirigere curavimus, ut foedus, in radice fidei firmatum, floreret in fructu caritatis.27 In den Briefen an Leo III. und Offa werden pactum und foedus offenbar gleichsinnig gebraucht. Da vermutet wird, daß diese Briefe von Alcuin entworfen wurden, könnte dieser neue Begriffsgebrauch auf die allgemeinen Bemühungen um die lateinische Sprache in der karolingischen Renaissance zurückgehen. Dafür könnte auch sprechen, daß in der Folge der Begriff pactum auch in der neuen Redaktion der Reichsannalen im Jahr 803 bei der Darstellung der ersten Bemühungen um eine vertragliche Regelung mit Byzanz nach der Kaisererhebung Karls verwendet wird. Von da an wird er stetig eingesetzt. Karl gab danach den Gesandten des Kaisers Nicephorus ein pactum faciendae pacis in scripto mit.28 Zwar scheiterte dieser erste Versuch einer vertraglichen Regelung. Aber als 810 die Bemühungen zunächst mit Nicephorus wieder aufgenommen und dann mit dessen Nachfolger Michael I. fortgeführt wurden, fertigte Karl der Große 812 das scriptum pacti aus, das die Gesandtschaft Michaels entgegennahm und über Rom nach Byzanz brachte. In dem Brief, den Karl der Große durch seine Gesandten gleichzeitig an Michael überbringen ließ, wurde der byzantinische Kaiser gebeten, seinerseits die pacti seu foederis conscriptionem den Gesandten Karls zu übergeben, damit diese sie Karl überbringen könnten.29 Zwar wurde Michael I. gestürzt, aber sein Nachfolger Leon V. übersandte 813 die gewünschten descriptionem et conformationem pacti et foederis. Karls Nachfolger Ludwig der Fromme sandte seinerseits Gesandte an den oströmischen Kaiser mit dessen Gesand-

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Fred. chron. 45, S. 144. Alcuini epp., Nr. 93, MGH Epp. IV, S. 137, Z. 26, dt. Anhang 11. Alcuini epp., Nr. 85, MGH Epp. IV, S. 128, Z. 6. Alcuini epp., Nr. 100, MGH Epp. IV, S. 145, Z. 8, dt. Anhang. 1. Ann. regni Franc. ad a. 803. Epp. var., Nr. 37, MGH Epp IV, S. 555, S. 556, Z. 28.

Begriffe

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ten zurück, praedictum pactum confirmandum. Auch 815 ist von der Überbringung des pactum Kaiser Leons V. an Ludwig den Frommen die Rede. 827 heißt es hingegen nur, Gesandte Kaiser Michaels II. seien propter foedus confirmandum gekommen.30 Für 814 berichten die Annalen außerdem, daß der neue Kaiser Ludwig cum Grimouldo Beneventanorum duce pactum fecit atque firmavit.31 Es handelte sich dabei um die Erneuerung eines älteren Vertrages Karls des Großen mit Grimuald von 812.32 Dort wird allerdings lediglich gesagt, daß der alte Kaiser mit dem Herzog Frieden gemacht, pax... facta, habe, der einen Tribut zahlen mußte. Von einem pactum ist zwar nicht die Rede, ein solches ist aber anzunehmen. Auch für das Vertragsverhältnis mit den Päpsten wird dieser Sprachgebrauch in die Darstellungen der Reichsannalen übernommen. So heißt es in den Annalen für 817 anläßlich der Erneuerung mit dem neuen Papst Paschalis I.: pactum, quod cum praedecessoribus suis factum erat, etiam secum fieri et firmari rogavit.33 Dies bezieht sich auf die erste bekannte schriftliche Fassung des Vertrages, der sich zudem selbst als pactum bezeichnet, das Pactum Hludovicianum: Ego Hludowicus ... statuo et concedo per hoc pactum confirmationis nostrae ...34 Rechtsbezeichnung und darstellender Sprachgebrauch sind also identisch. Pactum ist in den fränkischen Quellen ein eindeutiger Rechtsbegriff für Zwischen-Mächte-Verträge. Das zeigt sich auch in der Bezeichnung der Übereinkunft Lothars I. mit dem Dogen von Venedig, Petrus, von 840 Lotarius ... hoc pactum ... inter Veneticos et vicinos eorum constituit ac describere iussit ... 35 Der Begriff pactum wird in den päpstlichen Quellen bereits früher und ebenfalls regelmäßig und stetig verwendet. Aber es gibt einen Unterschied. In den Reichsannalen wird der Begriff zwar mehrfach für die schriftliche Vertragsurkunde gesetzt, insbesondere für die pacta zwischen den fränkischen Herrschern mit den Päpsten und den oströmischen Kaisern. In anderen Fällen bleibt offen, ob das pactum schriftlich oder mündlich abgeschlossen wurde. In den päpstlichen Quellen wird hingegen stets ein schriftlicher Vertrag genannt. In der Vita Stephani II. wird von einem pactum scriptum inter Romanos, Francos et Langobardos berichtet, ebenfalls einem foedera pactum, das nach Pippins erstem Sieg über Aistulf geschlossen worden sei.36 Auch für das pactum Karls mit Hadrian wird mitgeteilt, daß es schriftlich abgefaßt worden sei. Das Überraschende ist, daß die päpstlichen Quellen auch für das Verhältnis der Franken zu den Langobarden nach der Niederlage Aistulfs ein schriftliches pactum, also einen Vertrag behaupten, an dem die Römer als dritte Partei beteiligt seien. Die fränkischen Quellen wissen davon nichts, sondern berichten von einseitigen Versprechen, Eidschwüren und Geiselstellungen durch Aistulf.37 Diese Diskrepanz ist nicht entscheidbar. Die fränkische wie die päpstliche Seite haben je ihr Interesse an der jeweiligen Darstellung. Anders wird es sich mit den Darstellungen zum pactum zwi30 31 32 33 34 35 36 37

Ann. regni Franc. ad a. 827. Ann. regni Franc. ad a. 814. Ann. regni Franc. ad a. 812. Ann. regni Franc. ad a. 817. Pactum Hludowici, MGH LL II, Capit. I, Nr. 172, S. 352, Z. 9f., dt. Anhang Nr. 16. Pactum Hlotarii, MGH LL II, Capit. II/1, Nr. 233, S. 130, Z. 24–27, dt. Anhang Nr. 17. Vita Stephani II., Liber pontificalis, I, S. 451. Fred. chron. cont., 37 (120).

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schen Karl und Hadrian von 774 verhalten. Dieses ist unbestritten, und es ist auch schriftlich im pactum Hludowicianum überliefert. Zwar sprechen schon ältere päpstliche Quellen von einem cyrographum Pippins, aber bezogen auf die donatio.38 Auf die dabei eingehaltene Form ist zurückzukommen. Abgesehen von den genannten Differenzen der Darstellung der Ereignisseite besteht eine grundsätzliche begriffliche Übereinstimmung der beiden Quellengattungen. Das ist auch nicht erstaunlich, da mit dem pactum die Franken gerade ihren eigenen Bereich verlassen und die Beziehungen mit anderen Mächten konkret regeln.

e. Pactum – pax facta Pactum steht in engem Verhältnis mit pax, Frieden. Ob damit ohne ausdrückliche Bezugnahme die älteren Definitionen vor allem Isidors zugrundegelegt wurden, muß aber offen bleiben. Es wird eine pax facta begründet. Das wirft mehrere Fragen auf.39 Gibt es einen allgemeinen, nicht „gemachten“, sondern vorausgesetzten Frieden? Was zeichnet die pax facta aus? Wird eine solche nur nach einem Krieg oder auch unabhängig von einem solchen „gemacht“? Bedarf es zur Herstellung des Friedens, insbesondere zur Beendigung eines Krieges immer notwendig eines pactum? Wie ist es mit der Dauer einer pax facta bestellt? Auch pax bezeichnet ein Verhältnis zwischen den betreffenden Mächten. Jedoch hat pax in den Quellen einen sehr weiten, unbestimmten Inhalt. Der Begriff umfaßt sowohl die geistlich-religiöse als auch die politisch-weltliche Sphäre der ZwischenMächte-Beziehungen. Das Verhältnis beider Sphären zueinander bestimmt grundlegend die Gestaltung der pax in der Zwischen-Mächte-Ordnung der Zeit. Pax reicht daher von dem konkreten Ruhen der Waffen in einem Waffenstillstand, indutia,40 über die pax als besonderes rechtlich gestaltetes Vertragsverhältnis durch ein pactum, das häufig mit einem foedus verbunden war,41 und die pax durch Eingliederung in den Herrschaftsverband nach einer Friedensbitte, pax petere, bis zu der pax et concordia caritatis, wie u. a. das Zitat aus dem Brief Karls des Großen an Offa zeigt. Dieses breite Spektrum ist bei der Interpretation der Textstellen zu bedenken.42 Was gemeint ist, läßt sich nur aus dem Kontext entnehmen, in dem von pax die Rede ist. Die durch ein pactum hergestellte pax facta wurde nach einem Kriege abgeschlossen, setzte aber einen solchen nicht notwendig voraus. Das war vor allem für die pax facta mit den Päpsten der Fall, mit denen auch vor den Verträgen von 754 friedliche intensive, wenn auch vor allem religiös-spirituelle Beziehungen bestanden hatten. Aber auch mit Offa von Mercien hatte es keinen Krieg, allerdings wegen des Schei-

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Brief Stephans II., Codex Carolinus, Nr. 7, MGH Epp. III, S. 491, 492, Z. 36, Sciatis enim, quia sicut cyrographum vestram donationem princeps apostolorum firmiter tenet. Zu diesen vor allem Wielers, Beziehungsformen, S. 4 ff. Ann. regni Franc. ad a. 807 Niceta patricius qui cum classe Constantinopolitana sedebat in Venetia pace facta cum Pippino rege et indutiis usque ad mensem Augustum constitutus... So nach den päpstlichen Quellen 754 zwischen Pippin, Stephan II. und Aistulf, Vita Stephani II., Liber Pontificalis, I, S. 451. Zu pax als grundlegender Inhalt des ordo Teil IV, 2. Kapitel.

Verhandlungen und Abschluß

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terns der Heiratsprojekte einen Abbruch älterer, durch ein pactum bestimmter Beziehungen gegeben. Es konnte somit entweder die Herstellung eines durch Krieg fehlenden Friedens, die Vertiefung und Konkretisierung eines bestehenden oder eine Erneuerung eines älteren Friedenszustandes durch ein pactum vereinbart werden. Eine genauere Analyse derartiger Friedensverträge im weitesten Sinne des Wortes ist später vorzunehmen.43

II . Ver h an d l u ng en u n d A b s ch l u ß a. Allgemeines In unserer Zeit wird nur über wenige Vertragsabschlüsse genauer berichtet. Zur Ergänzung werden daher auch ältere merowingische Quellen und jüngere Quellen des 9. Jahrhunderts in zeitlicher Nähe zu unserer Epoche herangezogen. Noch weniger ist, wie bereits erwähnt, über Verhandlungen zu erfahren. Der Form des Abschlusses nach wurden Verträge mündlich oder schriftlich geschlossen. Bei mündlichen Verträgen entstehen der Vertrag und seine Verbindlichkeit durch einen mündlichen Akt, meist, aber nicht immer, durch einen Eid. Schriftliche Verträge sind solche, für die die Schriftform mit Unterschrift den Vertrag selbst darstellt, also die Verbindlichkeit der Abreden begründet. Es gab aber auch eine Hybridform des mündlichen Abschlusses verbunden mit der Aufzeichung des Textes in Urkunden.44 Es ist daher im Einzelfall nicht immer ohne weiteres festzustellen, ob ein Vertrag mündlich oder schriftlich geschlossen wurde. Paradisi behauptet, die Germanen hätten die byzantinische schriftliche Abschlußfrom übernommen, belegt das aber nur mit oströmisch-germanischen Beispielen. Untereinander blieb es bei den Germanen jedenfalls zunächst bei der mündlichen Form, wie u. a. für den ostgotisch-fränkischen Vertrag zwischen Theoderich und Childebert, der durch Eid zustande kam.45 Welche Abschlußform gewählt wurde, hing wohl von der Komplexität der Materie ab. In den Fällen eines nur mündlichen Vertragsschlusses handelte es sich um die Regelung einfacher Verhältnisse. Der Friede wurde wiederhergestellt, eine amicitia abgeschlossen, allenfalls ein einfaches Bündnis eingegangen oder eine Unterwerfung vollzogen. Es wurden keine komplizierten Regelungen über Grenzen, Verteilung von Land und Leuten, Beistandspflichten oder sonstige Rechte und Pflichten, z. B. über Handel, Fremdenrecht etc. getroffen. Dazu eignete sich die knappe Form des bloß mündlichen Versprechens wohl nicht, oder nur schwerlich. Der Eintritt der Franken in eine komplexere politische Welt war jedoch schon unter den Merowingern mit ein43 44

45

Unten S. 415ff. So für die merowingischen Verträge Ganshof, Traités, S. 182: Le traité était un acte verbal. Cependant, le texte du traité était normalement mis en écrit. Ähnlich wohl auch Drabek, Merowingervertrag, S. 40, die über die königlichen Pakte sagt: „Ihr Aussehen ist...durch ihr Wesen als protokollarische Niederschrift über mündlich getroffene und beschworene Vereinbarungen bestimmt.“ Gregor von Tours, Historiarum libri, lib. III, cap. 15 a. A. Zu weiteren Verträgen Paradisi, Storia I, S. 194 ff., mit Beispielen für Verträge Ostroms mit Franken, Goten etc.

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fachen Formen allein nicht mehr zu bewältigen. Es bedurfte weiterer, schriftlicher Formen des Abschlusses, unbeschadet der Frage, ob diese nur eine Aufzeichnung oder den eigentlichen Vertrag darstellten. Die schriftliche Form konnte Ergänzungen und nähere Ausführungen der einfacheren mündlichen Grundvereinbarung, aber auch das ganze Vertragsverhältnis enthalten. Bei mündlichen wie bei schriftlichen Verträgen spielte der Eid eine wesentliche, jedoch unterschiedliche Rolle. Er konnte insbesondere bei mündlichen Verträgen den Vertragsschluß selbst darstellen, ihn bei schriftlichen aber auch nur bekräftigen. Das ist aber im Einzelfall schwer zu bestimmen. Außerdem konnte der Vertragsschluß von bestimmten Riten begleitet sein. Über Vertragsverhandlungen, die, wie dargelegt, ausgenommen mit den Päpsten mindestens auf einer, aber oft auch auch beiden Seiten durch Gesandte geführt wurden, wird nur in wenigen Fällen und dann nur für schriftliche Verträge berichtet. Dabei werden auch nur die äußeren Abläufe, nicht aber die Inhalte dargestellt. Auf die verschiedenen Aufgaben und Funktionen der Gesandten bei Vertragsverhandlungen und Vertragsabschlüssen wurde bereits eingegangen.

b. Mündliche Vertragsabschlüsse Es liegen aus der hier behandelten Epoche mehrere Berichte über mündliche Vertragsabschlüsse vor. Sie betreffen Friedensschlüsse mit den Dänen 811, 813, 825, 831 und 839.46 Für den Abschluß einer amicitia zwischen Pippin und Konstantin V. im Jahre 757, vielleicht der erste karolingische Vertrag mit Byzanz in unserer Epoche, ist unklar, ob dieser mündlich oder schriftlich abgeschlossen wurde.47 Laut dem Bericht des Fortsetzers der Fredegarchronik versprachen sie sich amicitias et fidem per legatos eorum vicinsim inter se. Da eine amicitia geschlossen wurde, könnte es sich um einen mündlichen Vertragsschluß gehandelt haben. Über die Form verlautet nichts. Das ist zwar eine schmale textliche Basis, aber die Detailanalyse der Friedensschlüsse mit dänischen Königen läßt durch Vergleiche mit älteren Verträgen aus der Merowingerzeit allgemeinere Aussagen zu. Im Jahr 811 wurde nach längeren Auseinandersetzungen zwischen Karl dem Großen und dem Dänenkönig Hemming eine pax, das heißt eindeutig ein Friedensvertrag geschlossen.48 Der Abschluß vollzog sich in zwei Stufen. Da nach dem Bericht der Annalen wegen des kalten Winters das Hin- und Herreisen nicht möglich war, wurde der Vertrag im Herbst 810 nur vorläufig auf die Waffen beschworen, in armis tantum iurata servatu. Aus dem Gesamtkontext ergibt sich, daß dieser Vorgang noch keinen Friedensschluß darstellte, sondern nur vorläufig war, eine Art Waffenstillstand oder Vorfrieden. Der Begriff pax kann auch diesen erfassen. Als der Frühling 811 gekommen und die Wege wieder offen waren, trafen sich ex utraque parte utriusque gentis, Francorum scilicet et Danorum, XII primoribus super fluvium Egidoram in loco, qui vocatur (Name fehlt), datis vicissim secundum ritum ac morem suum sacramentis pax 46 47 48

Dazu Ganshof, Treaties, S. 26ff. Fred. chron. cont. 123 (40), S. 186. Ann. regni Franc. ad a. 811; die Namen der Großen beider Seiten werden genannt.

Verhandlungen und Abschluß

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confirmatur. Über Verhandlungen wird nichts berichtet. Diese zweite Stufe des Friedensschlusses wird in den Annalen als eine Befestigung oder Bekräftigung des Friedens dargestellt: pax confirmatur. Auch für den erneuten Friedensschluß von 813 heißt es iuramentis utrimque facta pax confirmata. Wegen des Wechsels der dänischen Herrscher zu den neuen Königen Heriold und Reginfried bedurfte es eines Neuabschlusses bzw. einer konstitutiven Erneuerung. Die Eide stellen diese Vertragserneuerung selbst dar. Die Erneuerung wurde durch eine dänische Gesandtschaft erbeten, die 812 an Karl entsandt worden war. Von der Reichsversammlung in Aachen des Jahres 813 aus wurden dann Gesandte an die Grenze geschickt, um den Frieden abzuschließen. Je sechzehn Große von beiden Seiten trafen sich an einem vorher bestimmten, dieses Mal aber nicht genannten Ort. Ob vorher auf der Reichsversammlung Verhandlungen stattgefunden hatten, ob die fränkischen Großen dabei mitberieten, kann angenommen werden, muß aber offen bleiben. An diesen Vertragsabschlüssen ist mehreres bemerkenswert. Zunächst handelte es sich beide Male um ein Treffen an der Grenze. Das war ein häufiges, ja fast übliches Verfahren, gerade bei mündlichen Verträgen.49 So hatten u. a. Chlodwig und der Gotenkönig Alarich eine amicitia an dem Grenzfluß, der Loire geschlossen.50 Das Treffen an der Grenze drückt einen Gleichrang der Parteien aus.51 Der Vertragsschluß wurde 811 wie 813 von Gesandten vorgenommen, nicht von den Herrschern selbst. Sie waren von diesen damit beauftragt. Von fränkischer Seite waren es Grafen, von dänischer u. a. zwei Brüder des Königs und andere Männer von besonderem Ansehen. Es gab also eine Art Vertretung des Herrschers im Willen. Der Friedensschluß kam unmittelbar durch deren Eide zustande. Von einer Bestätigung oder Ratifikation durch den Herrscher wird ausdrücklich nichts berichtet. Ganshof ist allerdings der Auffassung, daß Karl auf einer Reichsversammlung nach dem Friedensschluß 811 den Vertrag bestätigt haben könnte und Hemming dies durch eine Gesandtschaft übermittelt habe, die im November zu Karl kam mit Geschenken et verba pacis deferentes.52 Das mag sein, muß aber offen bleiben. Für den Vertragsschluß von 813 fehlen selbst derartige „indirekte“ Hinweise.53 Es bedurfte wohl eher keiner „Ratifikation“. Überraschend ist die Zahl der auf beiden Seiten beteiligten Gesandten. Für eine einfache Vertretung hätten ein oder zwei Legaten genügt. 12 bzw. 16 hochrangige Angehörige der jeweiligen Adelsschicht, die für 811 zudem für beide Seiten mit Namen genannt werden, scheinen mehr darzustellen als nur Vertreter der Herrscher. Sie erscheinen eher als Repräsentanten der Herrscher und der Reiche, bzw. deren politisch tragender Schicht. Es ist diese Anzahl nicht nur eine Frage der Bedeutung des Vertra49 50 51

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Allgemein R. Schneider, Verträge, passim. Gregor von Tours, Historiarum libri, lib. II, cap. 35. Dazu allgemein Schneider, Verträge, passim; Wielers, Beziehungsformen, S. 11. Eines der bekanntesten Beispiele ist der Vertrag zwischen dem ostfränkischen König Heinrich I. und dem westfränkischen König Karl III. im Jahre 921 auf einem Schiff im Rhein, der damaligen Grenze zwischen beiden fränkischen Reichsteilen, bei Bonn. Ganshof, Treaties, S. 27. Ann. regni Franc. ad a. 813.

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ges und der Einschätzung des Partners.54 Es ist ein Beleg für die Stellung des Adels in den beiden Herrschaftsverbänden. Am bemerkenswertesten ist die Form des Abschlusses des Vertrages. Beide Seiten leisteten Eide, durch die der Vertrag geschlossen wurde. Der Eid ist aber eine religiösrechtliche Handlung. Das ist dann nicht problematisch, wenn beide Partner eines Vertrages derselben Rechtsgemeinschaft oder doch demselben Glauben angehören, wird es aber, wenn das nicht der Fall ist. Dies war für die Verträge der Franken mit den Dänen von 811 und 813 gegeben. Die Franken waren Christen, die Dänen zu jener Zeit noch Heiden. Der Bericht der Annalen beschreibt für 811 den Abschluß so: datis vicissim secundum ritum ac morem suum sacramentis pax confirmatur. Für 813 wird zur Form der Eide nichts gesagt; sie dürften aber in der gleichen Weise vorgenommen worden sein. Es gab für dieses Vorgehen Vorbilder in merowingischer Zeit. Für einen Vertrag Dagoberts mit den Sachsen im Jahr 632 heißt es Saxones, qui uius peticionebus suggerendeum venerant, sacramentis, ut eorum mus erat, super arma placata pro universis Saxonebus firmant.55 Wie ritus und mos jeweils bei Dänen und Franken ausgestaltet waren, wird zwar nicht gesagt. Es ist zu vermuten, daß die Dänen, wie die Sachsen 632, auf ihre Waffen durch Hochhalten schworen,56 während die Franken als Christen auf das Evangelium den Eid leisteten.57 Dieser Schwur nach je eigenem ritus und mos bedeutet, daß die Verbindlichkeit der beiden Eide nur aus dem je eigenen Recht, ritus, mos erwächst, nicht aus dem Recht des anderen und auch nicht aus einem gemeinsamen Recht.58 Wohl aber wird dieses gegenseitig anerkannt. Ritus und mos des anderen haben ebensolchen verbindlichen Rang wie das eigene. Hier wird das Personalitätsprinzip des Rechts jener Epoche, wie es allgemein die Rechtsordnung im Frankenreich bestimmte, auch für das Zwischen-Mächte-Recht wirksam. Auch dort galt aber, jedenfalls weitgehend, gegenseitige Akzeptanz. Aber der Schluß wäre verfrüht, diese gegenseitige Anerkennung als eine Art „völkerrechtliches allgemeines Rechtsprinzip“ der Epoche anzusehen. Durch den Bezug auf mos wird auch die Rechtsbindung der jeweiligen Eide ausdrücklich festgestellt. Für 825 wird noch einmal über einen Friedensschluß zwischen Ludwig dem Frommen und den Dänen berichtet.59 Die Söhne des Dänenkönigs Godofrid hatten Gesandte nach Aachen zum Kaiser geschickt. Er hörte sie auf der Reichsversammlung an ac 54 55

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So m. E. zu eng Wielers, Beziehungsformen, S. 12. Fred. chron. IV, c. 74, S. 158, Z. 20f. Die Sachsen, die den Franken tributpflichtig waren, hatten Dagobert Unterstützung gegen die Wenden gegen Erlaß bzw. Kürzung des Tributs eines Zinses für 500 Kühe angeboten. Dagobert schloß nach Beratung mit seinen Großen einen entsprechenden Vertrag. So noch 873 iuxta ritum gentis suae per arma sua, Ann. Fuld. MGH SSI, S. 386, Z. 22.; auch im Vorvertrag wurde so geschworen, anscheinend von beiden Seiten, Ann. regni Franc. ad a. 811; dazu Brunner, Rechtsgeschichte 1, 12 S. 258; Wielers, Beziehungsformen, S. 13. Im Eid zum jedoch schriftlichen Vertrag von Andelot wird folgende Formel wiedergegeben: per Dei omnipotentes nomen et inseparabilem Trinitatem vel divina omnia ac Tremendum diem iudicii, Gregor von Tours, Historiarum libri, lib. IX, c. 20. Ähnliche Probleme stellten sich bereits für die stets religionsverschiedenen Mächte im Alten Orient, die immer verschiedene Götter hatten. Dazu Steiger, Religion, S. 13 ff. Ann. regni Franc. ad a. 825.

Verhandlungen und Abschluß

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pacem, quam idem sibi dari petebant, cum eis in marca eorum mense Octobri confirmari iussit. Er wird, wie schon 811 und 813 Karl der Große, mehrere Große als Legaten mit „Vollmacht“ zum Abschluß durch Eid an die Grenze gesandt haben. Auf der Reichsversammlung 826 erschienen wiederum dänische Gesandte pacis ac foederis causa. Ganshof nimmt aus dieser Stelle an, daß beide Seiten den Vertrag ratifiziert hätten.60 831 kamen dänische Gesandte zur Reichsversammlung in Ingelheim et foedera firmato kehrten sie nach Hause zurück. Über die Form des Abschlusses wird nichts berichtet. 839 schickte der Dänenkönig Horich Gesandte an Ludwig den Frommen, munera gentilitia deferentes, pacis amicitiaeque arctius stabiliusque gratia confirmandae. Ludwig entsandte darauf hin eine eigene Gesandtschaft pacis gratia, die receptis sacramentis indissolubilem pepigerunt.61 Sie werden auch selbst einen Eid geleistet haben. Da die Verträge jeweils durch Eide der Gesandten beider Seiten selbst geschlossen wurden, erhebt sich das Problem, wer „Vertragspartner“ wurde; denn Eide sind eine höchstpersönliche Sache. Wurden die Eide der Gesandten den jeweiligen Herrschern beider Seiten, die sie entsandt und beauftragt hatten, zugerechnet? Darauf ist zurückzukommen. Der Poeta Saxo berichtet für 803 von einem Friedensvertrag zwischen Franken und den Sachsen, der in Saltz abgeschlossen worden sein soll: Nobilis hic annus longi certamina belli/Tandem Saxones inter Francosque peracti/Firmo perpetuae conclusit foedere pacis62 Details über die Form und die Akteure werden nicht mitgeteilt. Zwar wird in der Literatur der Abschluß dieses Vertrages bestritten.63 Sollte das jedoch der Fall gewesen sein, wäre er auch mündlich geschlossen worden. Über die Form und andere Details des Abschlusses wird allerdings nichts mitgeteilt. Immerhin ging der Krieg zwischen Franken und Sachsen 803 wirklich endgültig zu Ende. Der Poeta Saxo war, so eine mögliche Interpretation, anscheinend der Auffassung, daß für die Herstellung des Friedens in jedem Fall ein Vertrag erforderlich sei. Das ließe auf eine allgemeine Grundstruktur des Friedens als pax facta schließen, die nicht nur durch Sieg und Unterwerfung, sondern durch Übereinkunft und letztlich durch concordia hergestellt werden muß. Darauf deutet die nachfolgende Bemerkung hin, daß Franken und Sachsen ein Volk geworden seien.

c. Mündlich-schriftliche Vertragsabschlüsse Ganshof ist der Auffassung, daß in merowingischer Zeit alle Verträge mündlich geschlossen, der Text aber gegebenenfalls schriftlich festgehalten wurde. Belegt wird das aber nicht. Es ist wohl auch so generell nicht zutreffend. Er selbst verweist darauf, daß einerseits die Verträge mit den oströmischen Kaisern immer schriftlich festgehalten 60 61 62

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Ann. regni Franc. ad a. 826, Ganshof, Treaties S. 27. Ann. Bertiniani ad a. 831 und 839 a. E. Poeta Saxo ad a. 803, Indict. 10, Z. 1ff., MGH SS I S. 260; es folgt im Text eine längere nähere Beschreibung. Das Schweigen fränkischer Quellen über den Vertrag besagt als „Geschichte der Sieger“ aber nur weniges.

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wurden und andererseits der Begriff pactio das geschriebene Instrument des Vertrages bezeichne. Der bereits erwähnte, auch von Ganshof angeführte Bündnisvertrag Childeberts II. mit Kaiser Mauricius gegen die Langobarden von 584 verweist eher auf eine andere Deutung. Denn als Childebert sich nicht an den Vertrag hielt, wurde er von Kaiser Mauricius in einem Brief ermahnt dum in scriptis pollicita atque per sacerdotis firmata et terribilius iuramentis roborata.64 Nach oströmischer Auffassung war offenbar für die Verbindlichkeit entscheidend, daß das Bündnisversprechen schriftlich gegeben worden war. Außerdem wurde auf die doch wohl schriftliche Bestätigung durch Priester verwiesen. Der Eid stand an dritter Stelle. Es ist nicht anzunehmen, daß für die fränkische Seite ein mündliches Versprechen, also ein anderer Verpflichtungsgrund angenommen wurde. Denn dann hätten die Deutungen nicht übereingestimmt, was auch wohl schon damals nicht zu einem gültigen Vertrag geführt hätte. Hingegen können zwei innermerowingische Vertragsabschlüsse ein anderes Bild nahelegen. Die Könige Chilperich und Childebert schlossen am 28. November 587 einen Vertrag, der die Erbfolge nach dem kinderlosen Chilperich regelte.65 Gregor berichtet At illi (die Gesandten Childeberts) gratias agentes, pactionibus subscriptis ea quae locuta fuerant firmaverunt et ad Childeberthum cum magnis muneribus sunt regressi. Chilperich sandte seinerseits eigene Gesandte zu Childebert. Qui data susceptaque de pace sacramenta pactionibusque firmatis, munerati regressi sunt. Es fand also ein Hin und Her der Gesandten beider Seiten statt. Jedoch gab es anscheinend Unterschiede der beiden Stufen des Abschlusses. Am Hofe Chilperichs wurde eine schriftliche Urkunde aufgestellt, die das, was besprochen, d. h. wohl vereinbart worden war, bestätigen sollte. Am Hofe Childeberts wurden dann Eide zur Bestätigung des Paktes ausgetauscht. Aber es ist nicht klar, ob auch Childebert ein Schriftstück mit dem Vertragstext erhalten hat. Da die Eide ausgetauscht wurden, um die pactio zu bestätigen, müßte eigentlich auch Childebert einen schriftlichen Text gehabt haben, zumal er bei dem Abschluß des Vertrages nicht anwesend war. Für beide Stationen, die schriftliche Fixierung wie für die Eidesleistungen verwendet der Autor zwar denselben Begriff firmare, also bekräftigen, bestätigen. Aber die Notwendigkeit, daß Chilperich seinerseits eine Gesandtschaft zu Childebert II. schicken mußte, um die gegenseitigen Eide zu leisten, sacramenta ... data susceptatque, zeigt, daß erst damit das schriftlich festgehaltene Ergebnis angenommen und rechtsverbindlich wurde. Hier erscheinen aber die Abreden, deren schriftliche Fassung, die zudem von Childeberts Gesandten am Hofe Chilperichs vorgenommen wurde, und die Eidesleistungen als drei verschiedene, auf einander folgende Akte im Prozeß des Vertragsschlusses. Es zeigt sich, daß ein solcher ein komplexer prozeßhafter Vorgang war, der bestimmten Regeln folgte. Diesem Schema folgte auch der Abschluß des bereits mehrfach erwähnten schriftlichen Vertrages von Andelot zwischen drei merowingischen Teilkönigen von 586, über den Gregor von Tours als Zeuge einschließlich der Wiedergabe des Textes ausführlich berichtet. Zwar handelt es sich um einen innermerowingischen Vertrag innerhalb des fränkischen Gesamtreiches. Aber die fränkischen Teilkönige traten einander als gleich64 65

Epp. Austrac., Nr. 42, MGH Epp. III S. 148. Gregor von Tours, Historiarum libri, lib.VI, cap. 3.

Verhandlungen und Abschluß

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rangige Herrschaftsträger gegenüber, die insofern Zwischen-Mächte-Beziehungen unterhielten. Anläßlich einer Gesandtschaft, zu der der fränkische Teilkönig Childebert Gregor von Tours mit anderen zu seinem Onkel, dem Teilkönig Gunthram geschickt hatte, verlas dieser ihnen einen älteren Vertrag, den er mit Childebert und dessen Mutter Brunhilde abgeschlossen hatte. Sie waren in Andelot zusammengetroffen, ut omnia, quae undecumque inter ipsis scandalum poterat generare, pleniori consilio definirent, id inter eos, mediantibus sacerdotibus atque proceribus, Deo medio, caritatis studio sedit ... fidem et caritatem puram ... sibi debeant conservare.66 Der sehr sorgfältig redigierte Text des Vertrages, der als pactio bezeichnet wird, berichtet zunächst über die Zusammenkunft und deren Anlaß, einen Streit um Territorien.67 Darüber war eine gemeinsame deliberatio gehalten worden. Zunächst kam man mit Hilfe der Großen überein, fidem et caritatem puram et simplicem untereinander zu wahren. Die erzielten inhaltlichen Verabredungen wurden im Text der Urkunde festgehalten und in objektiven, unpersönlichen Formulierungen, als Bericht, Protokoll oder „statements“ mit Verben wie placuit, simili modo convenit oder similiter convenit u. a. in der dritten Person Singular mitgeteilt.68 Er enthält also keine persönlichen Willenserklärungen oder Verpflichtungen der drei Vertragspartner in der ersten Person Singular oder Plural, wie das u. a. in den später zu behandelnden pacta Ludwigs des Frommen und Lothars I. der Fall ist. Es fehlt jeder Hinweis auf Unterschriften und Siegel, die die Schriftlichkeit erst abschließen und beurkunden. Das scheint den Schluß nahe zu legen, daß dieser Vertrag selbst mündlich geschlossen und dann die Abreden in einer Art Protokoll aufgezeichnet wurden. Auch die Bestimmung über die Folgen eines Vertragsbruches eines Partners im Schlußabsatz des Textes folgt dieser Form: Hoc etiam huic addi placuit pactione, ut, si qua pars praesentia statuta ... transcenderet, omnia benificia ... amittat, et illi proficiat, qui inviolabiliter omnia subscripta servaverit; et sit de sacramentorum obligatione in omnibus absoluta. Die Formulierung der Lösung von den eidlichen Verpflichtungen der Partner durch den Vertragsbruch eines anderen, kann dahin gedeutet werden, daß die mündlichen Eide die jeweilige Verbindlichkeit für die Partner begründeten. Aber die Formulierung des Bruches selbst bezieht sich auf den pactio, also die schriftliche Urkunde. Jedoch nehmen die Eide nicht die Verabredungen unmittelbar als solche in sich auf, sondern sie werden auf deren schriftliche Festlegung bezogen, His itaque omnibus definitis, curant partes per Dei omnipotens nomen et inseparabilem Trinitatem vel divina omnia ac tremendum diem iudicii, se omnia quae superius scripta sunt absque ullo dolo malo vel franctis ingenio inviolabiliter servaturus. Das kann zumindest auch so verstanden werden, daß die Schriftlichkeit den Vertrag begründet und der Eid als Einhaltungseid hinzutritt. Das spricht für einen schriftlichen Abschluß.

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Gregor von Tours, Historiarum libri, lib. IX, cap. 20; zu diesem Vertrag Drabek, Merowingervertrag, passim, mit weiteren Verweisen. Zur möglichen Autorschaft Drabek, Merowingervertrag, S. 41; Ganshof, Traités, S. 186. Diese Form wird in den Verträgen spätestens ab dem Spätmittelalter üblich.

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Schließlich deutet der Gesamtzusammenhang der Erzählung darauf hin, daß es sich um einen schriftlichen Vertrag gehandelt hat. Denn Gunthram verlas ihn, um Gregor und seinen Mitgesandten nachzuweisen, daß sein Neffe sich nicht gemäß pactionibus scriptis verhalten habe. Er hob also gerade die Schriftform hervor. Aber erst durch die eidliche Verflichtung, das schriftlich Vereinbarte einzuhalten, wurde der Vertrag, stets als pactio bezeichnet, verbindlich. Da es somit vor allem Gunthram auf den Text und die Eide ankam, könnte der Hinweis auf Unterschriften für Gregor nicht so wichtig gewesen sein. Es wird nicht berichtet, ob es mehrere Urkunden gegeben hat, oder Gunthram der alleinige „Depositar“ war. In der Literatur wird angenommen, daß mehrere gleichlautende Urkunden ausgestellt wurden, die auch jeweils von einem der drei Partner unterschrieben und dann ausgetauscht wurden.69 Gregors Darstellungen der Vertragsabschlüsse von 586 wie von 587 können in die eine wie die andere Richtung gedeutet werden. Allerdings spricht mehr dafür, daß es sich in beiden Fällen um schriftliche und nicht um mündliche Verträge gehandelt hat, die schriftlich protokolliert wurden.70 Aus karolingischer Zeit sind derartige mündlich-schriftliche Vertragsschlüsse nicht überliefert. Zwar könnte der Bericht der Vita Stephani zum dreiseitigen fränkisch-römisch-langobardischen Vertrag so verstanden werden. Aber m. E. handelt es sich um einen schriftlichen Vertrag.

d. Schriftliche Vertragsabschlüsse – Allgemein Gegenstand der folgenden Erörterung sind Verträge, die als schriftliche Verträge abgeschlossen wurden, die Schriftform somit den Vertrag selbst und seine Verbindlichkeit begründete. Die Form muß aus den Berichten über die verschiedenen Vertragsschlüsse selbst rekonstruiert werden. In den Quellen wird über den Abschluß zweier schriftlicher Verträge berichtet, über die Verträge zwischen Pippin, Stephan II. und Aistulf von 755 und 756 und den fränkisch byzantinischen Vertrag von 812. Aber nur für das pactum mit Byzanz gibt es eine genaue Schilderung des sehr langwierigen Verfahrens des Abschlusses in den Reichsannalen, ergänzt durch die Briefe Karls des Großen an Nicephorus und Michael I. Für zwei pacta liegen, wie bereits mehrfach erwähnt, Urkunden vor.

e. Fränkisch-päpstlicher Vertrag Aus den fränkischen Quellen läßt sich nichts über die Form des Vertrages zwischen Pippin und Stephan II. von 754 entnehmen. Es wird nicht einmal mitgeteilt, daß ein Vertrag geschlossen worden sei. Allerdings heißt es in der wesentlich später erfolgten 69

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Ganshof, Traités, S. 186 f. unter bezug auf andere Verträge; Drabek, Merowingervertrag, S. 37. Sie lehnt sich dabei an die Praxis privatrechtlicher Verträge der Zeit an. So aber Drabek ibid., S. 40. Unklar ist dann der von ihr gebrauchte Begriff „Vertragsurkunde“ für dieses Protokoll. Außerdem bleibt bei ihr wie bei Ganshof, der allerdings den Begriff „Urkunde“ vermeidet, offen, welche Funktion diese Texte hatten, nur die des Beweises?

Verhandlungen und Abschluß

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Überarbeitung der Reichsannalen, den Einhardannalen für 754 Stephanus papa postquam a rege Pippino ecclesiae Romanae defensionis firmatam accepit. Das gibt wohl das nachträgliche fränkische Verständnis der Vorgänge wieder, das auf einen mündlichen Vertragsschluß schließen läßt. Zu Recht wird der Abschluß eines pactum heute allgemein bejaht, wenn auch über die Einzelheiten immer noch gestritten wird. Auch der Bericht im Liber Pontificalis teilt dazu nur wenig mit.71 Pippin habe auf die Bitten Stephans II., ein pacis foedus zur Sicherung der Sache Petri und der respublica Romanorum abzuschließen, durch Eide dem päpstlichen Ansinnen entsprochen. Das deutet zunächst auf ein mündliches Übereinkommen hin, zumal über die Abfassung von Urkunden außer der promissio nichts berichtet wird. Es wiegt schwer, daß dieser letztlich durchaus erhebliche Umstand der Form eines schriftlichen Abschlusses nirgendwo erwähnt wird. So liegt es zunächst nahe, einen mündlichen Abschluß anzunehmen. Spätere Briefe Stephans II. besagen jedoch, daß von Pippin eine schriftliche Urkunde ausgestellt wurde. Diese scheint aber nur die promissio donationis enthalten zu haben. Das würde durch den Bericht von der Erneuerung der promissio 774 durch Karl den Großen bestätigt. Stephan II. berief sich in einem Brief an Pippin von 755, also vor dem zweiten Italienzug des fränkischen Königs, auf ein von diesem eigenhändig unterzeichnetes cyrographum bezüglich der donatio. Sciatis enim, quia sicut cyrographum vestram donationem princeps apostolorum firmiter tenet; et necesse est, ut ipsum cyrographum expleatis. 72 Der Hinweis auf die eigene Unterschrift als Rechtsgrund der Verpflichtung zeigt, daß diese Urkunde selbst ein mündliches Versprechen nicht nur schriftlich festhielt, sondern eben dieses selbst in rechtverbindlicher Form darstellte. Sie war im Besitz des Papstes, für den sie offenbar ausgestellt worden war. Nach der hier vertretenen Auffassung ist die promissio zwar Teil des Gesamtvertragswerkes gewesen. Es ist jedoch nicht zwingend daraus zu schließen, daß dieses insgesamt schriftlich niedergelegt worden ist. Jedoch könnte die in der Vita Stephans II. für den Vertrag von Quierzy verwendeten Begriffe pacis foedera und placitum auf schriftliche Abfassung hindeuten. Denn 754 und 756 in Pavia wurden nach derselben Vita Stephani die ebenfalls mit diesem Begriff bezeichneten langobardisch-fränkisch-römischen Verträge schriftlich geschlossen. Zudem wird dort die Schriftlichkeit anscheinend als konstitutiv für das Zustandekommen des Vertrages in Bezug auf Aistulfs Verpflichtung zur Rückgabe der eroberten Gebiete angesehen, atque in eodem pacti foedere per scriptam paginam advirmavit.73 Das per drückt wohl aus, daß durch die Schriftlichkeit selbst, wenn auch in Verbindung mit dem von Aistulf gleichzeitig geleisteten Eid, das Versprechen verbindlich wurde. Da die Verträge von Pavia aber als Vollzug und Konkretisierung der allgemeineren Versprechungen Pippins bezüglich der ganz konkreten defensio der Rechte der Kirche und der Übertragung des Exarchats im Vertrag von Quierzy anzusehen sind, bestand ein innerer Zusammenhang zwischen ihnen innerhalb des Gesamtrechtsverhältnisses zwischen Papst und König. Dieselbe Begriffswahl wie dieser innere Zusam71 72 73

Vita Stephani II., Liber Pontificalis, I, S. 447 f. Ausführlich Drabek, Verträge S. 102 ff. Codex Carolinus, Nr. 7, MGH Epp. III, S. 490, 492, Z. 34. Vita Stephani II., Liber Pontificalis, I, S. 451, Z. 3f.

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menhang könnte den Rückschluß nahelegen, daß auch in Quierzy das Gesamtvertragswerk schriftlich abgeschlossen wurde. Aber auch das ist nicht zwingend. So ist die Ungewißheit über die Form des Vertrages nicht auszuräumen, bildet aber auch lediglich einen Teil der allgemeinen Ungewißheiten über die Einzelheiten der Vorgänge in Ponthion, bzw. Quierzy die letzten Endes nicht aufgehoben werden können. Plausibel erscheint die Deutung, daß nur der für den Papst wichtigste Teil, eben die promissio, die die einzelnen Städte etc. genauer spezifiziert festhalten mußte, schriftlich als Privileg festgelegt und die übrigen Absprachen über die defensio der Kirche einerseits und Salbung, Krönung und Gebete andererseits mündlich getroffen wurden. Denn das waren einfache Sachverhalte, die sich z. T. zudem alsbald durch Vollzug erledigten bzw. erledigen sollten. Das gilt auch für den Bericht der Vita Hadriani über die Vorgänge in Rom 774. Unterstellt man, daß die gegenseitigen Eide von Karsamstag an der confessio von St. Peter nicht nur Sicherheitseide für den konkreten Besuch Karls in der Stadt Rom, sondern eine generelle Erneuerung des Bündnisses enthielten, so erfolgte diese gerade nicht schriftlich, sondern mündlich. Auch der Brief Karls an Leo III., in dem der König auf das pactum mit Hadrian I. Bezug nimmt, läßt über dessen Form nichts erkennen. Die schriftliche Beurkundung vier Tage später erfaßte nach diesem Bericht nur die Erneuerung und Erweiterung der promissio donationis Pippins, also wieder nur die Aufzählung der zu übertragenen Gebiete und civitates. Für deren Spezifizierung war eine schriftliche Fixierung und Bestätigung aus der Sache heraus notwendig. Für die allgemeinen beiderseitigen Verpflichtungen des Gesamtvertragsverhältnisses war das auch 774 nicht unbedingt erforderlich. Der Bericht enthält jedoch einige wesentliche allgemeine Elemente des schriftlichen Verfahrens. Zwar handelte es sich formell um eine einseitige Urkunde Karls des Großen, die auch nur einseitige Verpflichtungen des fränkischen Königs enthielt. Sie stellt insofern ein Privileg Karls dar. Da diese promissio donationis aber nach einer Vereinbarung mit Hadrian I. erstellt wurde, sind die Details des Vorgangs der Errichtung der Urkunde von allgemeiner Bedeutung. Karl der Große und der Papst stiegen nach dem Bericht der Hadrians-Vita mit ihrem Gefolge zur confessio von St. Peter hinab. Dort ließ sich der König eine Urkunde über die promissio seines Vaters vorlegen und vorlesen, die nach dem päpstlichen Bericht Karl und sein Bruder Karlmann zusammen mit den Großen ebenfalls unterzeichnet hatten, pro concedentis diversis civitatibus ac territoriis istius Italiae provinciae et contradendis beato Petro eiusque omnibus vicariis in perpetuum possidentes. Es dürfte sich wohl um das von Stephan II. und seinen Nachfolgern mehrfach genannte cyrographum gehandelt haben.74 Danach befahl Karl nach diesem Vorbild, ad instar, aliam donationis promissionem ... adscribi ... per Etherium, religiosum ac prudentissimum capellanum et notarium suum, d. h. durch seinen obersten Rechtsbeamten, ubi concessit easdem civitates et territoria beato Petro easque praefato pontifici contradi spopondit per designatum confinium, sicut in eadem donationem continere monstratur, id

74

Vita Hadriani I., Liber Pontificalis, I, S. 498.

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est: ...75 Es wurde also eine notarielle Urkunde erstellt, die der König mit eigener Hand unterschrieb, propria sua manu eam ipse christianissimus Francorum rex eam corroborans. Diese Urkunde, die für den Papst bestimmt war, wurde zunächst auf dem Altar des hl. Petrus niedergelegt und dann, wie auch schon die Pippins, in der confessio aufbewahrt. Die Niederlegung der Urkunde auf dem Altar stand in der Tradition dieser Schenkung selbst. Bereits die Urkunde Aistulfs von 756, sowie die 756 von Abt Fulrad erstellte Urkunde über die von ihm im Auftrag Pippins an den Papst vollzogenen Übergabe Ravennas und mehrerer Städte der Pentapolis mit den Namen dieser Städte waren auf dem Altar bzw. der confessio der Petersbasilika niedergelegt worden.76 Die Niederlegung hatte zudem eine rechtlich-liturgische Bedeutung für die Schenkung selbst.77 Sie wurde dadurch liturgisch zu einem offertorium. Dem hat jedoch eine Gegengabe zu entsprechen, in diesem Falle das Gebet des Papstes und der ganzen römischen Kirche, wie es Hadrian I., wenn nicht bereits bei diesem Vorgang, so doch in einem späteren Brief desselben Jahres an Karl ausdrücklich zusagte.78 Danach leisteten der König und seine Großen dem Papst einen nachdrücklichen Eid, alles in der donatio Versprochene zu halten, tam ipse Francorum rex quamque eius iudices, beato Petro et eius Adriano papae sub terribile sacramento sese omnia conservaturos qui in eadem donatione continentur promittentes tradiderunt. Auf die Formulierung des Eides ist zurückzukommen. Die Verwendung des Begriffs se tradere enthält das Element der Unterwerfung, nicht notwendig der rechtlichen, wohl aber der spirituell-religiösen. Die Vita berichtet dann von einer zweiten Urkunde, die ebenfalls Etherius ausstellte. Sie wurde von dem König unter Küssen des Evangeliums auf dem Körper des hl. Petrus, dem eigentlichen Vertragspartner, niedergelegt pro firmissima cautela et aeterna nominis sui ac regnis Francorum memoria. Damit wird eine Zukunftsbindung auch über Karls Tod hinaus impliziert. Schriftliche Urkunden oder Vertragsschlüsse hatten anscheinend auch diese Funktion der Sicherung von Dauer. Trotzdem bleibt unklar, was diese zweite Karolingische Urkunde oder doch Ausfertigung, die dann ebenfalls in der confessio hinterlegt wurde, rechtlich bedeuten sollte. Denn auch die erste war ja für die Dauer bestimmt. Schließlich wurde durch den Schreiber der römischen Kirche alia eiusdem donationis exempla ausgestellt und Karl übergeben. Wann das erfolgte, ist aus dem Bericht nicht zu entnehmen. Drabek sieht darin die päpstliche Gegenurkunde des pactum.79 Aber das muß offen bleiben. Denn der Bericht enthält keinen Hinweis, daß Hadrian I. dieses exempla unterzeichnet oder gar beeidet hätte. Eigentlich bestand dazu auch kein Anlaß, da es sich um eine Urkunde Karls handelte, wenn auch bemerkenswert ist, daß die päpstliche Kanzlei das exempla erstellte und Karl übergab. Schließlich hat der Bericht insofern Bedeutung, als er den einzigen Fall ausführlich beschreibt und doku-

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Zum territorialen Inhalt oben S. 191. Vita Stephani II., Liber Pontificalis, I, S. 453f. Angenendt, Cartam, passim, behandelt diese Zusammenhänge in bezug auf Schenkungen an Klöster. Codex Carolinus, Nr. 50, MGH Epp. III, S. 569. Drabek, Verträge S. 111.

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mentiert, in dem beide Partner zusammen bei dem maßgeblichen Rechtsakt anwesend waren. Die Erneuerung des pactum durch Karl den Großen mit Leo III. läßt sich nicht im einzelnen aus den Quellen rekonstruieren. Ein formell-schriftlicher Akt fand aber offenbar nicht statt. Weder die Wahlanzeige Leos III., die wohl eine Bitte um Erneuerung oder Bestätigung der Vereinbarungen mit seinen Vorgängern enthalten haben dürfte, noch der Brief Karls des Großen an den Papst, der eine solche Erneuerung ausdrücklich formuliert, stellen Urkunden eines Vertragsschlusses dar. Karls Formulierung ist zudem allgemein und umfassend, sicut enim cum beatissimo patre praedecessore vestro, sanctae paternitatis pactum inii, sic cum beatitudine vestra eiusdem fidei et caritatis inviolabile foedus statuere desidere.80 Diese Formulierung läßt auch nicht erkennen, ob frühere Vertragsschlüsse schriftlich erfolgten. Von der promissio ist während des ganzen Pontifikates keine Rede. Auch für die Regierungszeit Ludwigs des Frommen blieb es zunächst bei der bisherigen Lage. Zwar verhandelte er 816 in Reims mit Stephan IV., dem Nachfolger des inzwischen ebenfalls verstorbenen Papstes Leo III., multis deinde inter eos muneribus et datis et acceptis conviviisque opipare celebratis et amicitia vicissem firmissimo robore constituta aliisque utilitatibus sanctae Dei ecclesiae pro tempore opportunitate dispositis ... 81 Aber dort wird nicht ausdrücklich über die Erneuerung des pactum berichtet. Andere Quellen erwähnen hingegen bereits für 816 die Ausstellung einer Urkunde.82 Ein Jahr später stellte sich die Frage erneut, als Stephan gestorben und Paschalis I. erhoben worden war. Zwar begnügen sich die Reichsannalen von 817 damit mitzuteilen, daß der neugewählte Papst Paschalis I. zwei Gesandtschaften an Ludwig gesandt habe. Die erste überbrachte Geschenke und die Wahlanzeige. Die zweite übermittelte die Bitte des Papstes, pactum, quod cum praecessoribus suis factum, erat, etiam secum fieri et firmari rogavit. Hanc legatione Theodorus nomenclator et detulit in ea, quae petierat, impetravit.83 Ludwig stellte eine einseitige Urkunde, das Pactum Hludovicianum, aus, die aber keine notarielle Urkunde ist, die der Kaiser unterschrieb, sondern eine eigene Urkunde des Kaisers. Zwar enthält auch sie, wie schon die vorhergehende Urkunde von 774, die Liste der dem Papst bzw. dem hl. Petrus zustehenden, übergebenen oder zu übergebenden Gebiete und civitates, aber nunmehr auch ein Versprechen zur Verteidigung dieser Gebiete, sowie Bestimmungen über die Papstwahl durch die Römer. Sie geht also über den bis dahin genannten Inhalt der älteren Urkunden hinaus, umfaßt aber auch nur einen Teil des Gesamtvertragsverhältnisses, dessen andere Teile, insbesondere die inzwischen allgemein gewordene defensio ecclesiae in ihrem weiten Umfang, anscheinend nach wie vor nicht schriftlich niedergelegt worden waren. Ein Element der Erstellung der Urkunde von 774 kehrt wieder. Sie wurde von dem Kaiser, seinen Söhnen, Bischöfen, Äbten und Großen des Reiches eigenhändig unter80

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Alcuini epp., Nr. 93, MGH Epp. III, S. 136 ff.; dt. Anlage Nr. 11; Mandat für Angilbert, Nr. 92, ibid., S. 135 f. Ann regni franc. ad a. 816. Hahn, Hludovicianum, S. 21 ff., dort auch zum Folgenden. Ann. regni Franc. ad a. 817.

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schrieben.84 Aber andere Elemente fehlen. So ist von einem Eid weder in dem Bericht der Annalen noch im Text der Urkunde die Rede. Ludwig sandte die Urkunde durch den päpstlichen Legaten Theodorus nach Rom. Aus den Quellen läßt sich nicht entnehmen, was mit der Urkunde in Rom geschah, insbesondere, ob es mehrere Ausfertigungen gab, ob eine depositio an der confessio, also ein erneutes offertorium in St. Peter vorgenommen wurde etc. etc. Letzteres liegt aber nahe. Von einer Gegenurkunde des Papstes wird nichts berichtet. Die Ungewißheiten, die sich ganz allgemein in den nur bruchstückhaften Berichten der fränkischen und päpstlichen Quellen zum fränkisch-päpstlichen Vertrag ergeben und in der Literatur zu unterschiedlichen Versuchen einer Rekonstruktion geführt haben, betreffen auch die Form des Abschlusses des Vertragsverhältnisses. Unter größtmöglicher Vermeidung von weitergehenden Spekulationen ist nach der vorstehenden Analyse am ehesten die Annahme mit den Quellentexten vereinbar, das fränkisch-päpstliche Vertragsverhältnis habe mündliche und schriftliche Elemente umfaßt. Das widerspricht nicht der hier vertretenen These, es habe sich um eine einheitliche Vertragsbindung mit verschiedenen Inhalten gehandelt. Denn nur für die promissio donationis waren schriftliche Urkunden mit einer detaillierten Bestimmung der zu übergebenden Gebiete und civitates notwendig. Diese hatten zudem den Charakter von Privilegien, die stets schriftlich erteilt wurden und der Erneuerung bedurften. Auf das Verhältnis von Vertrag und Privileg in dieser Zeit ist zurückzukommen.85 Für das Vertragsverhältnis mit seinen allgemeinen beiderseitigen, nicht weiter spezifizierten Verpflichtungen war Schriftlichkeit nicht erforderlich. Es genügte Mündlichkeit. Diese ist auch für die Päpste mit großer Sicherheit anzunehmen. Für 754 deutet die, wenn auch spätere Darstellung, der Papst habe Pippins Versprechen der defensio angenommen, accepit, einen Vertragsschluß an. Für 774 werden sogar in der päpstlichen Quelle für die allgemeinen Versprechen am Karsamstag Eide beider Seiten genannt. Im übrigen wird für einige Päpste berichtet, daß sie um Erneuerung des Bündnisses baten.

f. Fränkisch-römisch/päpstlich-langobardische Verträge 755 und 75686 Die fränkischen Quellen berichten für 755 lediglich von einem Eid, also einem mündlichen Akt des langobardischen Königs Aistulf, Sacramenta et obsides idem donat, ut numquam a Francorum ditiones se abstraheret vel sedem apostolicum contra legis ordine fecerat.87 Man könnte daraus schließen, es habe sich um einen mündlichen Vertrag gehandelt. Der Bericht der päpstlichen Quellen zu dem pactum zwischen Franken, Langobarden und Papst für 755 berichtet hingegen, daß ein schriftlicher Friedensvertragsschluß eingegangen wurde, pacem inientes atque in scripto foedera pactum adfirmantes inter Romanos Francos et Langobardos. Über den Inhalt wird lediglich berichtet spopondit ipse Aistulfus cum universis suis judicibus sub terribili et fortissimo sacramento, atque 84 85 86 87

Zum folgenden Drabek, Verträge S. 37 ff. Unten S. 414f. In den päpstlichen Quellen steht römisch für päpstlich. Fred. chron. cont. 120 (37), S. 184, Z. 22.

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in eodem pacti foedere per scriptam paginam adfirmavit, daß er Ravenna und andere Orte herausgeben werde. Über Pflichten oder ähnliches der beiden anderen Vertragspartner wird nichts berichtet. Sie gewährten Frieden. Das genügte wohl. Diese schriftliche Liste war somit Bestandteil des schriftlichen Vertrages. Über die Erstellung des Vertrages, insbesondere seine schriftliche Form wird sonst nichts weiter gesagt. Jedoch werden die Ausstellung der pactums-Urkunde bzw. Urkunden und die Eide als zwei verschiedene Akte unterschieden. Allerdings werden nur Eide Aistulfs und seiner Großen genannt. Sie ergänzen in jedem Fall den schriftlichen Vertragsschluß. 756 wurde der ältere Vertrag bestätigt denuo confirmato anteriore pacto qui per elapsam VIII indictionem inter partes provenerat.88 Wiederum wurden die von Aistulf herauszugebenden, bereits früher genannten Städte, denen eine weitere Burg hinzugefügt wurde, in einer donationem in scriptis aufgenommen, que et usque actenus in archivo sancte nostrae ecclesiae recondita tenetur. Die Formulierung läßt offen, ob der gesammte Vertrag oder nur die Liste in das kirchliche Archiv übergeben wurde. Aber da nicht anzunehmen ist, daß der Text auseinander gerissen wurde, darf ohne allzu große Spekulation davon ausgegangen werden, daß der ganze Vertrag, dessen Hauptbestandteil aber eben diese Liste war, in das päpstliche Archiv gelangte. Über die Handlungen der beiden anderen Partner wird weder für 755 noch für 756 in einer der beiden Quellen etwas berichtet. Daher ist auch nicht zu klären, ob die fränkischen Großen, die nach dem Bericht der Fortsetzung der Fredegarchronik beide Male den Friedensschluß zwischen Pippin und Aistulf vermittelten,89 auch beim Abschluß beteiligt waren. Die Berichte über die Verträge von 755 und 756, deren Abschlüsse und Form sind in den beiden Quellen von unterschiedlicher rechtlicher Präzision. Das mag sich unter anderem daraus erklären, daß der päpstlichen Seite gewiß mehr an einer genaueren Darstellung gelegen war, da ihre Rechte unmittelbar betroffen waren. Zum anderen wird davon ausgegangen werden können, daß schon damals die päpstlichen Kanzleien größere Erfahrung damit hatten, derartige Vorgänge möglichst genau darzustellen. Trotzdem ist auch die päpstliche Quelle nicht eindeutig, sondern läßt eine Reihe zentraler rechtserheblicher Fragen offen, vor allem die des eigenen Standes in dem dreiseitigen Vertrag. Die Stellung Pippins kann, wie gezeigt, nur aus anderen Quellen erschlossen werden, zudem nur annäherungsweise. Trotzdem werden auch hier einige Elemente eines schriftlichen Vertrages gut faßbar.

g. Fränkisch-oströmischer Vertrag von 812/814 Anders als für die bisher erörterten Verträge läßt sich für den fränkisch-byzantinischen Vertrag von 812 das Abschlußverfahren auf Grund der Berichte der Reichsannalen und der beiden Briefe Karls des Großen an die Kaiser Nicephorus und Michael I. recht genau rekonstruieren.90 Es kehren einige Elemente des Vertragsschlusses zwischen Chilperich und Childebert von 586 wieder. 88 89 90

Vita Stephani II., Liber Pontificalis, I, S. 453. Fred. chron. cont. 37 (120), 38 (121). Dazu auch Ganshof, Treaties, S. 30 ff.

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Es können zwei Phasen unterschieden werden. 810 begann in Aachen die durch einen Herrscherwechsel in Byzanz erschwerte konkrete Verhandlungsphase bis 812. An ihrem Ende stand eine Vertragsurkunde Karls des Großen von 812. Danach begann die durch je einen Herrscherwechsel auf jeder Seite wiederum komplizierte „Ratifikationsphase“ bis 815. Zwar gab es noch keine Ratifikation im heute üblichen Sinne des Begriffes; der Begriff kann aber in funktional-anloger Weise verwendet werden. Die Verhandlungsphase begann mit den Gesandten, die Nicephorus 810 zunächst an König Pippin nach Italien wegen eines Friedensschlusses um Venedig, Dalmatien etc. entsandt hatte, die dann wegen dessen Todes aber zu Karl dem Großen weitergeleitet wurden. Die Verhandlungen schlossen aber in gewisser Weise an den ersten von Eirene eingeleiteten Versuch von 802 an, der jedoch im Sande verlaufen war. Karl hatte 803 den griechischen Gesandten ein pactum faciendae pacis in scripto an Nicephorus übergeben.91 Das kann nur ein Vertragsentwurf gewesen sein, zu dem der oströmische Kaiser sich äußern sollte, über den also noch zu verhandeln war. Nicephorus hatte zunächst nicht reagiert. Es war sogar zu kriegerischen Auseinandersetzungen gekommen, in deren Verlauf die Franken auch Venedig und Dalmatien unter ihre Herrschaft brachten. Nun aber hatte Nicephorus, folgt man dem Brief Karls, der Gesandtschaft an Pippin von 810, also sieben Jahre später, Schriftstücke mitgegeben, die nach Karls Auffassung jedenfalls in Teilen Antworten auf seine Vorschläge von 803 enthielten. Da Nicephorus zunächst nur Frieden mit Pippin, also in Italien wollte, werden sich diese Vorschläge wohl auch nur auf Italien, insbesondere Venedig, Venetien und auf Dalmatien bezogen haben. Karl ging es aber offensichtlich um mehr, um den endgültigen Ausgleich, die Regelung des gesamten Verhältnisses mit dem oströmischen Kaiser, vor allem der Probleme aus seiner Kaisererhebung. Der Brief macht es eindeutig. Karl wollte, wie schon 802, den umfassenden Frieden mit dem Kaiser in Konstantinopel. Die neuen Verhandlungen am karolingischen Kaiserhof verliefen nach dem Schreiben Karls an Nicephorus in einer freundschaftlichen Atmosphäre und führten offenbar zu einem ersten Erfolg, aber noch nicht zu einem Vertragstext. Denn die Gesandten aus Konstantinopel hatten zu so weit reichenden Verhandlungen und gar Abschlüssen keine Weisungen und schon gar keine Vollmacht, da sie nur zu Pippin nach Italien geschickt worden waren, um den dort geführten Krieg um Venedig und Dalmatien zu beenden, nicht aber, um eine Gesamtregelung abzuschließen, die Karl nunmehr erneut anstrebte. Karl entsandte daher seinerseits Legaten an Nicephorus pacis confirmandae gratia. Aber weder aus den Reichsannalen noch aus dem Brief Karls an den oströmischen Kaiser geht hervor, ob aus den Verhandlungen in Aachen bereits eine Vertragsurkunde oder auch nur ein Entwurf hervorgegangen war. Da das aber für die nächste Phase ausdrücklich geschildert wird, ist aus den genannten Gründen anzunehmen, daß das noch nicht der Fall war. Die fränkischen Gesandten mußten also die Verhandlungen für einen vollen Ausgleich, einschließlich der Anerkennung der Kaiserwürde Karls in Konstantinopel fortführen.

91

Ann. regni Franc. ad a. 803. Darauf bezog sich auch der spätere Brief Karls des Großen an Nicephorus von 810, Epp.Var. Carol., Nr. 32, MGH Epp. IV, S. 546, dt. Anlage 2.

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Obwohl in Konstantinopel ein Herrscherwechsel von Nicephorus zu Michael I. stattgefunden hatte, führten diese Verhandlungen wohl zu einer Übereinstimmung, wenn auch wiederum anscheinend noch nicht zu einem fertigen Text. Denn nach der Darstellung der Reichsannalen schickte der neue oströmische Kaiser mit den fränkischen Gesandten eigene Legaten et per eos pacem a Nicephoro inceptam confirmavit, aber seinerseits keine Urkunde.92 Denn sonst wäre die Bitte Karls des Großen in seinem späteren Brief an Michael I., ihm seinerseits eine Urkunde zu übersenden, unsinnig gewesen. 93 Ein scriptum pacti ist in den Quellen auch erst für 812 in Aachen bezeugt worden.94 Dieses Schriftstück ging zwar von Karl aus, wird aber das auch von den griechischen Gesandten gebilligte Ergebnis der letzten Verhandlungen in Aachen gewesen sein. Dieses enthielt den definitiven, für Karl verbindlichen Text des Vertrages. Es handelte sich, wie sich aus dem Brief Karls an Michael ergibt, um eine von ihm errichtete und unterschriebene, sowie auch von seinen priesterlichen und weltlichen Großen unterschriebene Urkunde. Diese Urkunde wurde auf dem Altar der Palastkirche in Aachen niedergelegt und von dort an die oströmischen Gesandten übergeben. Diese sangen daraufhin in griechischer Sprache die laudes für Karl als basileus. Das bildete jedoch noch nicht den Abschluß des Vertragsschlußverfahrens. Da die Urkunde oder jedenfalls die Absprachen von Michael I. bestätigt werden mußten, wurde sie durch die byzantinischen Gesandten an Michael übersandt. Dabei nahmen diese aber den Weg über Rom. Dort wurde die Urkunde auf dem Altar von St. Peter niedergelegt, von dort vom Papst, noch immer Leo III., erhoben und den Gesandten zur Weiterreise übergeben. Karl sandte eine eigene Gesandtschaft mit, die eine entsprechende, von Michael ausgestellte Urkunde zurückbringen sollte. Ihr hatte er das bereits mehrfach erwähnte Schreiben an den oströmischen Kaiser mitgegeben. Da gerade dieses genaueren Aufschluß über das Abschlußverfahren gibt, sei es hier ausführlicher erörtert. Zunächst beruft sich Karl auf Gott und Jesus Christus, durch dessen Gnade der stets erwünschte Friede inter orientale atque occidentale imperium möglich werde. Karl fährt fort, daß er das Seine zum Frieden getan habe und fest darauf vertraue, daß auch Michael das Seine tun werde, fiduciam habentes in illo, gemeint ist hier Gott, qui hoc opus, quod in manibus habemus, id est pacem fieri praecepit. Er sende, Huius perfectionis desiderio accensi, seine Gesandten foederis conscriptionem tuam, et sacerdotum patriciorumque ac procerum tuorum subscriptionibus roboratam, a sacrosancto altari tuae manus porrectione suscipiant; et...ad nos deferant. Er verweist ausdrücklich darauf, daß er es ebenso gehalten hat, d. h. die Gesandten Michaels suscipiendo a nobis pacti conscriptionem, tam nostra propria quam et sacerdotum et procerum nostrorum subscriptione firmatam. Karl beruft sich bei seiner Bitte zudem darauf, daß dieses Verfahren mit den Gesandten Michaels verabredet war. Quia et ratio postulabat et talis fuit nostra et legatorum tuorum convenientia, ut post profectionem illorum, cum primum opportunum navigandi tempus adveniret, legatos nostros a tuae dilectae fraterni92 93 94

Ann. regni Franc. ad a. 812. Epp. var. Car., Nr. 37, MGH Epp. IV, S. 355, dt. Anlage 3. Ann. regni Franc. ad a. 812.

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tatis gloriosam praesentiam mitteremus, qui supra dictam pacti seu foederis conscriptionem, te dante, susciperent et nobis adferrent. Es folgt die Bitte: Quaproter rogamus...ut, si tibi illa, quam nos fecimus et tibi misimus, pacti descriptio placuerit, similem illi – Grecis litteris conscriptam et eo modo, quo superius diximus, roboratam – missis nostris memoratis dare digneris. Um die gegenseitige Verbindlichkeit herzustellen, mußte Michael I. also eine entsprechende, gleichlautende Gegenurkunde mit den notwendigen Unterschriften des Kaisers selbst und ebenfalls seiner Großen an Karl übersenden. Dies war davon abhängig, daß er den übermittelten Text des Vertrages billigte. Dann möge er einen gleichlautenden Text, aber in griechischer Sprache den Gesandten Karls mitgeben. Für neue Verhandlungen war also kein Raum mehr. Insofern erbat Karl funktional eine Ratifikation des wohl von den griechischen Gesandten in Aachen mit Karl endgültig fertiggestellten Textes. Dieses Verfahren war von oströmischer Seite aber keineswegs in allen Fällen üblich. Wie schon die griechisch-sprachlichen laudes zeigt auch dies, daß man in Aachen griechisch verstand. Vor allem aber ging man in Aachen jedenfalls davon aus, daß jeder Partner nicht nur seine eigene Sprache benutzen durfte, sondern auch sollte. Das war wahrscheinlich ein Ausweis der Authentizität der Urkunde. Die gegenseitige Verbindlichkeit dieses Vertrages wurde also durch folgende Elemente begründet: 1. die Ausstellung je gleichlautender Urkunden von jeder Seite für den Partner in der eigenen Sprache; 2. deren Unterzeichnung durch den Vertragspartner und dessen Große; 3. Übersendung der Urkunden an den Partner durch dessen Gesandte. Darin lag nun aber eine erhebliche Gefahr für das Zustandekommen des Vertrages, wenn die Übersendung den anderen Partner nicht mehr in seiner herrscherlichen Stellung erreichte. Denn die Urkunden waren in doppelter Weise höchstpersönlich bezogene Urkunden, erstens auf Seiten des Ausstellers, zweitens auf Seiten des Empfängers. Sie konnten daher nicht ohne weiteres auf den Nachfolger des einen oder des anderen übertragen werden. Vielmehr konnte der neue Kaiser frei entscheiden, was er mit dem Vertrag tun wollte. Das war im Grunde schon nach dem ersten Kaiserwechsel in Konstantinopel während der Verhandlungsphase der Fall gewesen. Da Michael I. bei Ankunft der beiden Gesandtschaften in Konstantinopel 813 zurückgetreten war, mußte sein Nachfolger Leon V. einerseits in den ohne seine vorherige Beteiligung zustande gekommenen Vertrag eintreten und dafür andererseits die Zustimmung Karls einholen. Leon V. tat, was keineswegs selbstverständlich war, beides und sandte eigene Gesandte an Karl per eos descriptionem et confirmationem pacti ac foederis misit. Da aber, als die Gesandten 814 in Aachen eintrafen, diese offenbar nicht mehr Karl den Großen antrafen, der vielleicht nur kurz vorher gestorben war, sondern bereits von dem neuen Kaiser Ludwig den Frommen nach dessen alsbaldiger Ankunft in Aachen empfangen wurden, ergab sich erneut die Lage, daß der eine Partner gewechselt hatte.95 Deshalb sandte nun auch Ludwig seinerseits Gesandte an Leon V., 95

Nach der Darstellung der Reichsannalen gehörten sie zu den Gesandtschaften alias deinde simili modo ad patrem quidem missas, ad se vero venientes suscepit, Ann. regni Franc. ad a 814. Selbst aber wenn Karl die Gesandtschaft empfangen und durch sie die Vertragsbestätigung Leons V. erhalten hätte, wurde nach seinem alsbaldigen Tod danach eine erneute Bestätigung durch Ludwig notwendig.

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ob renovandum secum amicitiam et praedictum pactum confirmandum direxit.96 Aber auch diese bedurfte wiederum der Bestätigung durch Leo V., der Ludwigs Gesandten erneut descriptionem pacti übergab, die diese Ludwig überbrachten. So war der Abschlußprozeß erst mit den personal auf einander bezogenen Urkunden Ludwigs und Leons 815 rechtlich abgeschlossen, drei Jahre nach Festsetzung des Textes. Aus den Darstellungen ergibt sich nichts dafür, daß auch am Text noch einmal etwas geändert worden wäre. Allerdings waren die Hauptstreitpunkte lange vorher erledigt. Da Karl der Große Venedig und Dalmatien an Nicephorus bereits zu Beginn der Verhandlungen 810 herausgegeben hatte, war der Krieg beendet und pax hergestellt worden.97 Andererseits war durch die laudes der oströmisch-kaiserlichen Legaten in griechischer Sprache für Karl in der Pfalzkapelle zu Aachen 812, imperatorem et basileus eum appellantes, die „Anerkennung“ seines Kaisertums erfolgt. Die Schilderung des Gesamtvorgangs wirft einige Fragen auf. Da die Reischsannalen die laudes der griechischen Gesandten für Karl den Großen als imperator et basileus in engem Zusammenhang mit dem Abschluß der Verhandlungen und der Fertigstellung des Vertragstextes in Aachen stellen, erhebt sich die Frage nach dem rechtlichen Zusammenhang beider. Nach dem Bericht der Reichsannalen erhielten die griechischen Gesandten zunächst die Vertragsurkunde, scriptum pacti und sangen danach die laudes. Die laudes erfolgten gewiß nicht spontan, sondern gehörten ohne Zweifel zu Auftrag und Vollmacht der oströmischen Gesandten, dessendwegen sie von Michael nach Aachen gesandt worden waren, bildeten also einen Teil des Abschlusses des Friedensprozesses selbst. Sie setzten die Einigung voraus, vollzogen sie wohl nicht nur in den Augen Karls, jedoch noch vor der endgültigen Bestätigung des Vertrages durch Michael I. Eine Beauftragung seiner Gesandten durch den Kaiser scheint dafür bereits im voraus erteilt worden, also eine „Ratifikation“ des Vertrages nicht notwendig gewesen zu sein. Für Karl war damit das Hauptziel seiner Bemühung bereits 812 unabhängig von dem allgemeinen In-Kraft-Treten des Vertrages erreicht. Karl der Große verwandte daher in seinem Brief an Michael I. für den Adressaten wie für sich selbst dieselben Titel: imperator und basileus. Da wir die Urkunden selbst nicht kennen, ist nicht festzustellen, ob sich diese Titel auch in diesen befunden haben. Aber aus karolingischer Sicht bildeten pactum und Gleichrang beider Kaiser als imperator et basileus eine notwendige und unaufhebbare Einheit für die Gesamtordnung des Verhältnisses. Eine besondere Frage schließt sich weiterhin an den Rückweg der byzantinischen Gesandten 812 von Aachen mit der Urkunde Karls nach Konstantinopel über Rom und die Einschaltung des Papstes an. So erschließt sich nicht ohne weiteres, warum der Vertrag dem Papst vorgelegt wurde, von dem ihn die Gesandten in basilica sancti petri … denuo susciperunt.98 Bereits für den ersten Versuch, im Jahre 803 zu einer vertraglichen Regelung des Verhältnisses zwischen Karl und Nicephorus zu kommen, berichten die Reichsannalen, daß die byzantinischen Gesandten mit der ihnen von Karl übergebenen Friedensvertragsurkunde über Rom nach Konstantinopel gereist sind. Jedoch

96 97 98

Ann. regni Franc. ad a. 814. In den Ann. regni Franc. ad. a. 810 heißt es pacemque cum Nicephoro imperatore ... fecit. Ann. regni Franc. ad a. 812.

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wird nicht berichtet, was dort geschah. Im Rückblick von 812 liegt es nahe anzunehmen, daß sich ein gleicher Vorgang vollzog. Angesichts der allgemeinen Bedeutung dieses Vertrages für den ordo, die Ordnung und den allgemeinen Frieden der damaligen christlichen Welt könnte dieser Vorgang seinen Grund in der Stellung des Papstes als dem geistlichen Haupt der gemeinsamen Kirche haben. Aus dem Vorgang könnte auch geschlossen werden, daß dem Papst zwar nicht für den Abschluß, wohl aber für die Bestätigung eines solchen Vertrages eine besondere Funktion zukam. Die Funktion könnte sich aber auch aus dem Inhalt ergeben haben. Denn es ist angesichts der karolingischen Verfügungen über ehemals oströmische Gebiete zugunsten des hl. Petrus und der Päpste anzunehmen, daß auch diesbezügliche Vereinbarungen getroffen worden sind, die päpstliche Rechte oder doch Interessen berührten, für die Karl als Kaiser die „Außenvertretung“ gehabt hätte. Dann wäre eine Bestätigung und spezielle Einbeziehung des Papstes in den Vertrag rechtlich geboten gewesen, ohne auch Vertragspartner zu werden. So betrafen die Handelsregelungen des Pactum Veneticum Lothars I. von 840 auch päpstliche Gebiete. Dieses pactum soll aber Regelungen enthalten haben, die sich bereits im Vertrag von 812 fanden. So unterschrieb Papst Leo III. auch die divisio imperii von 806, die zwar kein Vertrag war, jedenfalls nicht der Form nach, aber doch die Pflicht der defensio ecclesiae den Söhnen ausdrücklich auferlegte.99 Das berührte den Papst selbst mittelbar. Es könnte auch eine Unterschrift des Papstes aus innerkirchlichen Gründen, Wiederherstellung der Beziehungen zwischen dem Patriarchen in Byzanz und dem Papst, stattgefunden haben.100 Auch die Niederlegung der fränkischen Urkunde auf dem Altar der Pfalzkapelle in Aachen vor der Übergabe an die oströmischen Gesandten wirft Fragen auf, zumal Karl dasselbe von Michael mit seiner Gegenurkunde erwartete. Diese Handlungen bildeten offenbar für Karl konstitutive Elemente des Vertragsschlusses, bzw. für die Verbindlichkeit oder die Verläßlichkeit des Partners. Da dies zweifellos eine religiösliturgische Handlung war, lag ihre Bedeutung daher in dieser, nicht in der rechtlichen Sphäre. Ähnliches hatte sich, wie dargestellt, auch 774 bei der Übergabe der Donationsurkunde an Hadrian I. in St. Peter vollzogen. Der Vorgang in Aachen könnte wiederum eine religiös-liturgische Befestigung des Vertrages, ein Akt der Darbringung oder des „Opfers“ bedeutet haben.101 Denn der Altar war eigentlich der Ort, auf dem sich die Wiederholung des Opfers Christi in der Meßfeier ereignete. Zwar wurde diesmal nicht, wie etwa 756 oder 774 durch die Niederlegung auf dem Altare in St. Peter, eine Schenkung vollzogen oder bestätigt. Der Vertrag selbst könnte jedoch als Gabe an Gott gesehen werden für den Frieden zwischen den beiden Reichen, dessen lang erstrebte und endgültige Herstellung Karl in seinem Begleitbrief an Michael als Gabe und Geschenk Christi und seiner Gnade preist. Da weder in den Reichsannalen noch in dem genannten Brief von Eiden Karls und seiner Großen berichtet wird, liegt es außerdem nahe, in der Niederlegung auf dem Altar in Aachen und in Konstantinopel ein „funktionales Äquivalent“ zum Eid zu sehen. 99 100 101

Divisio Regnorum, c. 15, MGH LL II, Capit. I, Nr. 45, S. 129. So u. a. Ganshof, Relations, S. 49, Fußnote 203 unter Bezugnahme auf Waitz. Angenendt, Cartam, passim.

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h. Pactum Veneticum Hlotharii Über den Abschluß des ersten überlieferten Pactum Veneticum von 840 am Ende unserer Epoche gibt es zwar keinen Bericht. Aber an der Echtheit des, wenn auch nur aus dem 14. Jahrhundert überlieferten Textes bestehen heute keine Zweifel mehr.102 Jedoch ist, wie bereits bemerkt, streitig, ob es bereits einen eigenen vorhergehenden Vertrag Karls des Großen mit den Venetianern selbst gegeben hat, oder ob dieses pactum auf den in den Reichsannalen von 807 genannten Friedensschluß des italienischen Königs Pippin mit dem oströmischen patricius Niceta und den fränkisch-oströmischen Vertrag von 812 selbst zurückgeht und wesentliche Bestimmungen desselben enthält oder doch aufgenommen hat.103 Die Urkunde verweist in Kapitel 2 auf einen früheren Vertrag, der in Ravenna abgeschlossen worden sei. Auch wird in Kapitel 3 die Wendung repromittimus verwendet. Aber darüber fehlen weitere Nachrichten. Fanta ist der Auffassung, es sei parallel mit dem Vertrag zwischen Karl dem Großen und Michael I. ein Vertrag mit Venedig abgeschlossen worden.104 Das wird vehement von Cessi bestritten. Venedig habe dazu 812 – noch? – gar keine Kompetenz besessen, da es keine souveräne politische Einheit gewesen sei. Vielmehr seien im fränkisch-byzantinischen Vertrag wesentliche Regelungen über das Verhältnis zwischen Venedig und dem imperium occidentale enthalten gewesen. Diese seien ebenso wie Regelungen des Vertrages von 807 in das pactum Hlotharii aufgenommen worden.105 In c. 26 wird ein Grenzvertrag zwischen dem langobardischen König Liutprandt und zwei oströmisch-venezianischen Amtsträgern, dem dux Paulutius und dem magister milite Marcellus, bestätigt.106 Jedoch soll es sich nach allgemeiner Auffassung bei dem in dem praeceptum Lothars vom September 840 erwähnten Dekret Karls des Großen mit den Griechen um den Vertrag von 812 gehandelt haben.107 Der Text der Urkunde weicht in der Form in mehrfacher Hinsicht von der Urkunde Ludwigs des Frommen für Papst Paschalis von 817 ab. Kaiser Lothar erscheint in der dritten Person Lotharius ... anno imperii eius vigesimo sexto ... hoc pactum suggerente ac supplicante Petro gloriosissimo duce Veneticorum inter Veneticos et vicinos eorum constituit ac discribere iussit. In der überlieferten Fassung finden sich weder Unterschrift noch Handmal des Kaisers oder anderer Personen. Da die Urkunde in der dritten Person formuliert ist, ist eine Unterzeichnung oder ein Handmal Lothars nicht zu vermuten, wohl aber, daß sie, da sie in Pavia, also am Herrschersitz ausgestellt 102

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MGH LL II, Capit. II/1, Nr. 233, S. 130; dt. Anhang Nr. 17; dazu ausführlich: Fanta, Verträge, zur Echtheit S. 53, Cessi, Pacta; knapper: Wielers, Beziehungsformen, S. 14ff., die allerdings auf die Streitfragen zwischen den beiden erstgenannten nicht eingeht. Cessi, Pacta I, S. 118 ff. So Fanta, Verträge, S. 68 und S. 77ff., er sei nach dem fränkisch-oströmischen Vertrag abgeschlossen worden, von diesem aber völlig unabhängig, S. 82. Cessi, Pacta I, S. 118 ff., der eine entsprechend im Druck kenntlich gemachte Fassung des pactum rekonstruiert. Fanta datiert diesen Grenzvertrag nach eingehenden Erörterungen in die Jahre zwischen 714 und 717, Verträge, S. 89. Boretius/Krause in MGH LL II, Cap. II/1, S. 136, Fußn. 2; dt. Anhang 18; Fanta, Verträge, S. 81; Cessi, Pacta, S. 160 ff.

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worden ist, vom cancellarius gezeichnet worden ist. Es besteht i. ü. eine Diskrepanz in der Datierung, denn Lothar wurde erst 817, also 23 Jahre vorher, zum Mitkaiser erhoben. Aber das kann ein Abschriftfehler sein.108 Nach der Formulierung handelte es sich nicht um ein pactum Lothars mit dem Dogen von Venedig, sondern um ein von Lothar aufgezeichnetes und festgestelltes pactum der Venetianer mit ihren Nachbarn unter kaiserlicher und päpstlicher Herrschaft. Denn zu diesen Nachbarn zählten laut einer Aufzählung in der Urkunde selbst Städte des regnum Italiae, aber auch des „Kirchenstaates“, wie Ravenna, Fano, Comacchio u. a. Jedoch begründete der Kaiser, indem er nicht nur befahl, das pactum aufzuschreiben, sondern es ausdrücklich feststellte, constituit, die rechtliche Wirkung oder Verbindlichkeit der in ihm enthaltenen Abreden, Rechte und Pflichten. Constituere bedeutet wie statuere Festsetzung mit rechtlicher Wirkung. Er bestimmte zudem, daß die Nachbarn Venedigs, dieses pactum den Venetianern gegenüber fünf Jahre lang einzuhalten hätten, quos constituit ipse imperator, ut cum Petro duce Veneticorum et cum ipso populo Veneticorum ... hoc pactum observare deberent per annos constitutos numero quinque. Soweit es um Teile des regnum Italiae ging, mußte Lothar als direkter Herrscher und, soweit es um Städte des päpstlichen Herrschaftsbereiches ging, als Kaiser, der insofern offenbar die außenpolitische Zuständigkeit innehattte, die pactums-Urkunde errichten. Daher hatte sich der Doge an ihn wenden und seine Bitte richten müssen, das pactum festzustellen oder auch festzusetzen (constituit) und aufzuzeichnen (describere iussit). Das pactum wurde beeidet, aber nicht vom Kaiser, sondern ex utraque parte der Venetianer und ihrer Nachbarn de observandis hiis constitutionibus sacramenta dentur, et postea per observationem harum constitutionum pax firma inter illos perseveret. Auch diese Formulierung bestätigt, daß die schriftliche Festsetzung die rechtliche Verbindlichkeit begründet. Die Eide treten anders als bei mündlichen Verträgen als persönliche Akte hinzu, das Festgestellte oder Festgelegte einzuhalten. Durch diese Eide ist auch eine Mitwirkung der Großen beider Seiten gegeben. Dieser Text ist somit nicht die bloße Aufzeichnung eines bereits mündlich zwischen den Venetianern und ihren Nachbarn unter kaiserlicher oder päpstlicher Herrschaft abgeschlossenen Vertrages; sondern dieser wird durch die Schriftlichkeit vom Kaiser selbst konstituiert. Die Regelungen des pactum erhalten nur durch den kaiserlichen Konstitutionsakt rechtliche Verbindlichkeit. Es ist zwar nur die Urkunde Lothars überliefert. Aber sie enthält die Pflichten und Rechte beider Seiten. Ob es auch eine venetianische Gegenurkunde gab, ist unbekannt. Es fehlt auch anders als für 812 eine Nachricht über einen Urkundentausch. Aber da auch die Venezianer dieses pactum beeiden mußten, das auch ihre Rechte und Pflichten enthielt, könnte es eine solche gegeben haben, die verloren ist. Es war aber kein Vertrag zwischen diesen Nachbarn und Venedig, sondern ein Vertrag für diese, den Lothar als Herrscher mit den Dogen abschloß. Andererseits handelte der Doge für den Dukat ohne Mitwirkung des Kaisers in Konstantinopel, obwohl der Dukat zu diesem Zeitpunkt noch eindeutig 108

Ausführlich dazu Cessi, Pacta, S.138 ff.

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unter dessen Oberhoheit stand, die aber offenbar sich schon so sehr gelockert hatte, daß der Doge selbständig einen derart grundlegenden Vertrag aushandeln und abschließen konnte.109 Die Eigentümlichkeit dieses pactum besteht in der „Spaltung“ zwischen der kaiserlichen rechtlichen Feststellung oder Konstituierung seines Inhaltes und der Trägerschaft der Rechte und Pflichten. Der Kaiser erscheint nicht als Partei des pactum. Daher wird auch kein Gegenüber des Kaisers benannt. Zwar handelte Lothar auf Bitten des Dogen, der also für die venetianische Seite auftritt, aber auch dieser wird nicht als Partei bezeichnet. Handelt es sich überhaupt um einen Zwischen-Mächte-Vertrag? Fanta ist der Auffassung, der Kaiser werde nicht verpflichtet; sondern nur die Venezianer und die kaiserlichen – d. h. aber auch die päpstlichen – Untertanen seien gebunden. Nur sie hätten die festgesetzten Inhalte zu beschwören, nicht der Kaiser. Nur sie hätten für die Nichtbefolgung secundum pacti huius seriem emendare et iustitiam conservare. Deshalb fehle es auch an einer Unterschrift des Kaisers, wie sie sich unter den Urkunden Karls und Ludwigs von 774 und 817 fand.110 Da Lothar jedoch auf Bitten des Dogen Petrus, d. h. aber des insofern maßgebenden venezianischen Herrschaftsträgers, handelte, ist das pactum formell von beiden Seiten auf der herrschaftlichen Ebene angesiedelt. Die Vereinbarungen zwischen den Venetianern und den Nachbarn mußten rechtlich auf der Zwischen-Mächte-Ebene formalisiert und abgesichert werden. Insofern muß das pactum formell als ein Vertrag zur Regelung der Beziehungen zwischen den kaiserlichen und päpstlichen Herrschaftsgebieten und Venedig eingeordnet werden. Inhaltlich kann wohl auch ohne allzu große Spekulation davon ausgegangen werden, daß die Vereinbarungen und Bestimmungen, in welcher Weise auch immer, unter Autorität des Kaisers und des Dogen ausgehandelt und festgesetzt wurden, und nicht von den Bewohnern selbst. Wie und durch wen hätten sie etwas Derartiges aushandeln können? Das bestätigen die bereits genannten und auch die weiteren Inhalte. Denn das pactum enthält zwar in erster Linie gegenseitige Rechte und Pflichten zwischen Bewohnern der beiden Herrschaftsgebiete Venedig und der kaiserlichen und päpstlichen Städte, die diese auch selbst wahrnehmen, erfüllen und befolgen können. Aber gewisse Regelungen betreffen die herrscherliche Seite auf beiden Seiten jedenfalls auch, die Bestätigung älterer Grenzregelungen (c. 26), Verpflichtungen in bezug auf die Auslieferung von Flüchtlingen (c. 2, 5), die Behandlung von Gefangenen (c. 4), die Anzeige von Planungen von Vergehen (c. 6), Beistandsversprechen gegen die Slawen auf Anforderung Lothars (c.7), Versprechen, die Feinde der Gegenseite auf keine Weise zu unterstützen (c. 8) u. a. Auch die Verabredung einer Rechtsprechungskompetenz der missi Lothars auf Klagen einer jeden Seite setzte voraus, daß der Kaiser missi bereitstellte. Darüber konnten die Venetianer und ihre Nachbarn wohl kaum verhandeln und schon gar nicht verbindliche Regelungen treffen. Verschiedentlich wird auch der Pluralis majestatis der ersten Person verwendet, addimus (c. 20), statuimus (c. 26), reservamus (cap 31). Insofern muß auch der Kaiser als aus den Abreden Verpflichteter angesehen werden. 109 110

Lentz, Übergang passim, insbes. S. 65ff. Fanta, Verträge, S. 100.

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Man könnte von einer Art zweistufigen Vertrag sprechen. Ihren Grund dürfte diese Zweistufigkeit in der Organisation von Herrschaft haben, die nicht in einer umfassenden „Staatsgewalt“ bestand, sondern auf eigenartigen Zuordnungen der Regelungsebenen beruhte. Insgesamt bedeutet diese Art von Vertragsschluß, daß der moderne Begriff des Völkerrechts nicht auf die normative Ordnung unserer Epoche anwendbar ist.

i. Fränkisch-spanische Vertragsbemühungen 810 schloß Karl zwar mit dem Emir Abulaz von Spanien Frieden. Aber Näheres über das Faktum hinaus wird nicht mitgeteilt. Dasselbe gilt für einen erneuten Friedensschluß 812. War der erste befristet gewesen oder, wie Ganshof meint, eine Art Präliminarfrieden? Der neue Frieden dauerte drei Jahre. Nach den Reichsannalen wurde er von Ludwig dem Frommen gebrochen, rupta. Nach der Chronik von Moissac war er von vorneherein auf drei Jahre geschlossen und wurde nicht erneuert.111 Es handelte sich wohl um mündliche Verträge.

j. Vertragspartner Die Verfahren, wie sie für den Abschluß der Verträge von 754 zwischen Pippin und Stephan II. bis 812/15 zwischen Karl dem Großen/Ludwig dem Frommen und Michael I./Leon V. in den Quellen dargestellt werden, weisen stets die beteiligten Herrscher als die personal bestimmten Vertragspartner aus. Das zeigt sich gerade in dem Verfahren um den fränkisch-byzantinischen Vertrag, das erst wirklich abgeschlossen war, als die persönlichen Erklärungen zum Vertrag wirklich den Partner persönlich erreicht hatten, an den sie adressiert waren. Denn nicht ein personal ersetzbares Organ oder Staatsoberhaupt war der Adressat, sondern die bestimmte kaiserliche Person.

k. Byzantinischer Vertragsschluß Das Verlangen Karls des Großen an Michael I., ihm eine griechische Vertragsurkunde als Gegenstück mit eigener Unterschrift und den Unterschriften seiner Großen zu übersenden, ist Konsequenz des von Karl eingeforderten Gleichrangs. Denn nur in seltenen Fällen nahmen die Verträge der oströmisch-byzantinischen Kaiser die Form zweiseitiger Vereinbarungen von Verträgen im strikten Wortsinn mit zwei Exemplaren in beiden Sprachen an. Es handelte sich dabei um Herrscher, die eine besondere, jedenfalls tatsächlich gleichrangige Stellung einnahmen, so beispielsweise der persische Großkönig oder der Kalif. Deshalb bestand auch Karl der Große auf einer eigenen griechischen Gegenurkunde zu seiner lateinischen Fassung. Gegenüber anderen, geringeren Herrschern wurde die Form des chrysobullon verwendet, eines einseitigen Aktes des Kaisers. Ihr, wenn auch vereinbarter Inhalt erschien so als gnädige Gewährung kaiserlicher Gunst, mochte ihr Inhalt dem Kaiser auch durch die Verhältnisse aufgezwungen, gar demütigend für ihn sein, auch dies eine Methode der duplex veritas.112 111 112

Ann. regni Franc. ad a. 810, 812, 815; Ganshof, Treaties, S. 34 f. Eickhoff, Macht, S. 74.

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Die fremden Gesandten beschworen und unterschrieben den fertigen Text. Dieser wurde in Konstantinopel noch einmal durch die eigenen Unterhändler festgestellt und erhielt dann die endgültige Zustimmung durch den Kaiser in der Übergabe des chrysobullon oder einer eigenen Vertragsurkunde. Es gab wohl eine doppelte Ausfertigung, deren eines Exemplar in Byzanz blieb, das andere wurde durch eigene Gesandte an den Partner übersandt, der seinerseits die Bestätigung an sie übergab.113 Die in ihr Land zurückkehrenden Gesandten konnten von byzantinischen Gesandten begleitet oder gefolgt werden, die ihrerseits dort die Verhandlungen fortsetzen oder die erwähnte Bestätigung einholen sollten, so bei den Verhandlungen mit Karl dem Großen und Ludwig dem Frommen zwischen 812 und 814.

l. Eid Bei mündlichen wie bei schriftlichen Verträgen wurden promissorische Eide geleistet.114 Sie hatten jedoch, wie bereits angedeutet, in den beiden Vertragsformen unterschiedliche Funktionen. In den mündlichen Verträgen stellten sie das Vertragsversprechen selbst dar. In den schriftlichen Verträgen enthielten sie das bestätigende Versprechen, das Vereinbarte zu halten. Weder die Form der Vertragseide noch die dabei verwendeten Formeln sind überliefert. Es kann aber davon ausgegangen werden, daß die auch sonst übliche Form des Eides unter Anrufung Gottes und auf Reliquien auch für sie angewendet wurde.115 Da der Eid eine religiös bestimmte Handlung ist, wird von den Theologen erörtert, ob er erlaubt ist. Diese Frage wird zwar bejaht, aber nur unter bestimmten Einschränkungen.116 In der Praxis ist er fast die Regel. In den Quellen werden zwar verschiedene Begriffe für den Eid nebeneinander verwendet, aber sacramentum überwiegt.117 Das ist i. ü. auch der für die karolingischen Treueide von 789 und 802 maßgebende Begriff. Paolo Prodi hat diesen Begriff näher entfaltet. Zwar stehen seine Erörterungen im Zusammenhang von Eid und Herrschaft. Aber sie gehen auch auf die darüber hinausgehende, allgemeine religiöse, eben sakramentale Bedeutung des Eides im Frühmittelalter ein. Als Sakrament gehört der Eid, wie in der Literatur schon immer betont wurde, der religiös-geistlichen Sphäre an. Es ist aber zu eng, ihn nur moralisch als Verpflichtung im Gewissen zu begreifen; 118 diese Verengung trat erst wesentlich später in der frühen Neuzeit ein. Aber auch die viel ältere, altorientalische oder altrömische, dem ius fetiale zuge-

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Bréhier, Institutions, S. 261. Kolmer, Promissorische Eide, S. 52 ff., allgemein, zu den Vertragseiden S. 168 ff.; er behandelt aber außer einigen merowingischen Vertragseiden weitgehend Vertragseide nach 840. Kolmer, Eide, S. 233 ff.; Becher, Eid, S. 180 ff. Kolmer,Eide, S. 47 ff., 276 ff.; Prodi, Sakrament, S. 35 ff. Vita Stephani II., Liber pontificalis, I, S. 448 und 491; Vita Hadriani I., ibid., S. 497 und 498; Ann. regni Franc. ad a. 756. So aber Ganshof, Traités S. 187, der darin nur die Funktion sieht, pour donner plus de force aux engagements pris par les parties, et rendre plus efficace la contrainte morale les obligeant à executer ces engagements.

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hörige „Selbstverfluchung“ erfaßt die christliche frühmittelalterliche Kraft des Eides nicht, wenn auch in den Texten häufig von sacramentum terribilis die Rede ist.119 Der Begriff sacramentum iuris wird von Radbertus Paracasius in den dreißiger Jahren des 9. Jahrhunderts verwendet.120 Sakrament ist, wie in der katholischen Kirche im Kern noch heute, quidquid in aliqua celebratione divina nobis quasi pignus salutis traditur, cum res gesta visibilis longe aliud invisibile intus operatur quod sancte accipiendum sit. Ein Sakrament ist darauf gerichtet, den Menschen durch einen Gottesdienst ein Heilsgut oder Heilsunterpfand zu vermitteln. Es bedarf einer Anrufung Gottes und eines äußeren sichtbaren Zeichens, wodurch ein Unsichtbares bewirkt wird. Dies geschieht durch die Kraft des hl. Geistes unter Rückbezug auf Jesus Christus. Sacramentum iuris ist in quo post electionem partium iurat unusquisque quod suo pactu decreverit. Es wird Sakrament genannt, quod secretius fides invisibilis per consecrationem invocationis Dei vel alcuius sacri teneatur ex eo quod foris visu vel auditu vox iurantis sentitur. Für Hincmar von Reims bedeutet der Eid ein Sakrament quia in illud oculis fidei pervidetur, quod corporis oculis non conspicitur ... Jurare enim dictum est, quasi jure orare, id est juste loqui.121 Radbertus und Hincmar benennen die fides als das im Eid sichtbar werdende unsichtbare Heilsgut. Bereits Isidor von Sevilla hatte den Eid als sacramentum fidei bezeichnet.122 Gemeint ist nicht Glaube, sondern Treue, Treue zu dem, was im Eid gelobt oder versprochen wird. Sie hat jedoch, darauf deutet dasselbe Wort, im Glauben ihren letzten Grund. Es war, kommentiert Prodi, die unsichtbare fides, die im Bekenntnis des Eides durch die Gesten und Stimme sichtbar wurde, und so jenseits von aller menschlichen Gewalt Recht schuf. In der dualistischen Struktur der christlichen Weltordnung gehört der Eid zwar der geitlich-religiösen Sphäre an, verknüpft diese aber im Schaffen des Rechts mit der weltlichen Sphäre.123 So wird die fides zum eigentlichen Bindungsgrund.124 Dazu gehört wesentlich, daß der Eid als Sakrament, wie alle Sakramente, Taufe, Eheschließung, Priesterweihe, Firmung etc., unaufhebbar ist, weil sie unauslöschlich die Verbindung zu Gott und Jesus Christus herstellen und in dieser gründen. Eide werden wie alle Sakramente öffentlich „gespendet“. Der Eid ist ein feierlicher Akt in der Gemeinde, d. h. in der Gruppe der beteiligten Personen, der Partner, der Gesandten, der Großen und vor dem Volk. Sie sollen die fides des Eidesleistenden allen bekannt machen. Prodi schreibt in bezug auf die bereits zitierte Stelle bei Hincmar von Reims: „Am Anfang des Rechts gibt es demnach nichts ‚Privates‘, denn jede Person oder besser jeder ‚Getreue‘ ist ‚öffentlich‘, weil er für die kleine oder große ihn umgebende Gemeinschaft verantwortlich ist.“125 Daraus erklärt sich auch, warum

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Prodi, Sakrament, S. 55 ff. Augustinus hatte den Verwünschungseid ausdrücklich verworfen, Kolmer, Eide S. 48 f. Zitiert bei Prodi, Sakrament, S. 64. Zitiert bei Prodi, Saktament, S. 65. Zitiert bei Kolmer, Eide S. 49 Anm. 13 und 14. Prodi, Sakrament, S. 63. I. e. zur fides unten S. 422ff. Prodi, Sakrament, S. 65.

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nicht nur Pippin, Karl der Große, Ludwig der Fromme, Hadrian I., sondern auch deren geistliche und weltliche Große den Eid mit leisten. Für politische Verträge kann der Eid, so Prodi, weder auf die römische amicitia noch auf die germanische Treue zurückgeführt werden. Er könne weder einem Staat noch den Zwischen-Mächte-Beziehungen zugeordnet werden. „In umfassenden Maße kann es nur als ein Element erfaßt werden, das mit dem Rückhalt und der Garantie der von allen gleichermaßen geteilten religiösen und kirchlichen Wirklichkeit zu einer Zeit Recht schuf, in der sich die Herrschaft zerplitterte.“126 Zwar führt Prodi dies für die innermerowingischen Verträge aus, über die Gregor von Tours berichtet. Aber das kann auf alle Zwischen-Mächte-Beziehungen ausgedehnt werden, da es in diesen generell keine einheitliche Herrschaft gab, und Pluralität nicht als Zersplitterung gegebener Einheit, sondern als „Normalzustand“ gegeben ist. Der Eid hat danach für die rechtliche Normativität der Zwischen-Mächte-Ordnung konstitutive Wirkung. Das ist für die mündlichen Verträge ohne weiteres einsichtig. Denn diese werden durch Eide der Partner geschlossen. Sie bilden ihre jeweilige verbindliche Willenskundgebung und machen die fides der Partner „sichtbar“. Sie können durch die Partner selbst oder, wie im fränkisch-dänischen Vertrag, offenbar auch durch dazu bevollmächtigte Gesandte abgegeben werden. Die promissio in eidlicher Form ist der eigentliche Verbindlichkeit begründende Akt. Zwar ist es ein religiös begründeter Akt, aber er hat als promissorischer Eid auch Rechtswirkung der Verbindlichkeit. So wird eine Verbindung der religiös-spirituellen und der weltlich-rechtlichen Sphäre beibehalten, die aus älterer Zeit überkommen ist. Da es sich aber dabei um einseitige Akte handelt, müssen sie gegenseitig gegeben werden. Die promissio des einen ist die Voraussetzung für die des anderen, die Einhaltung der eigenen promissio die Voraussetzung für die Bindung des anderen an seinen Eid. Bindung liegt für jede Partei im je eigenen Eid, der die eigene fides sichtbar zum Ausdruck bringt. Das gilt auch für mündliche Verträge, über die schriftliche Urkunden errichtet werden. Für schriftliche Verträge ist die Funktion schwieriger festzustellen. Denn hier liegt die Begründung der Verbindlichkeit in der Schriftlichkeit und der subscriptio. Welche Funktion kommt dem notwendig mündlichen Eid dann noch zu, der nicht nur in allen Texten von der subscriptio oder Ausstellung der Urkunde unterschieden wird, sondern dieser nachfolgt und sich auf diese bezieht und zudem, wie der fränkisch-oströmische Vertrag von 812 zeigt, nicht notwendiger Bestandteil des Vertragsschlusses ist? Eine Beeidung fand u. a. bei den beiden merowingischen Verträgen statt, über die Gregor von Tours berichtet.127 Für die Erneuerung der karolingischen promissio donationis von 774 heißt es sub terribile sacramento sese omnia conservaturos qui in eadem donatione continentur promittentes. Im Pactum Lotharii setzt Lothar die Stipulationen fest. Dann schworen die Parteien de observandis hiis constitutionibus sacramenta dentur et postea per observationem harum constitutionem pax forma inter illes perseveret. Es ist zudem in den Berichten nicht immer zu erkennen, ob beide Seiten einen Eid geleistet haben. Das gilt insbesondere für den dreiseitigen fränkisch-römisch-lango126 127

Prodi, Sakrament. S. 77. Gregor von Tours, Historiarum libri, lib. IX, c. 20; Kolmer, Eide, S. 170, der in ihnen die Bestätigung vorher abgeschlossener Verträge sieht.

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bardischen Vertrag von 755. Auch 774 berichtet die Vita Hadriani zwar von gegenseitigen Sicherheitseiden am Karsamstag, für die Erneuerung der donatio vier Tage später aber nur, daß die fränkische Seite Eide geschworen hat. Da nach der hier vertretenen Auffassung der erste Vorgang nur mündlich abgeschlossen wurde, die promissio hingegen einseitig war, ist diese Darstellung einsichtig und bestätigt ihrerseits die These. Der Eid mußte, wie das Beispiel des Vertrages zwischen Chilperich und Childebert zeigt, nicht zwischen Anwesenden geleistet werden, wenn das auch die Regel war. Er konnte auch von Gesandten des Partners entgegengenommen werden, eine Form, die sich noch im 16. und 17. Jahrhundert findet.128 Ein Verständnis der Funktion des Eides bei einem schriftlichen Vertrag muß ebenfalls an der durch die Eideshandlung bei Gott durch Wort und Gestik, insbesondere die Berührung der Reliquien oder eines anderen Eidgegenstandes sichtbar werdende fides anknüpfen. Dann könnte das Verständnis in dieser Weise rekonstruiert werden. Zwar begründet die subscriptio die subjektive Verbindlichkeit für den Partner. Aber erst durch den öffentlichen Eid wird seine verborgene fides für alle sichtbar. Durch den Eid wird der Vertrag in die allgemeine, öffentliche, rechtliche und kirchlich-religiöse Ordnung eingefügt, die zwar unterschieden sind, aber in Symbiose zueinander stehen. Er schlägt in dem dualistisch konzipierten, aber eine Einheit bildenden ordo des Mittelalters die Brücke zwischen den beiden Sphären. Wieso fehlen die Eide aber dann für den fränkisch-oströmischen Vertrag von 812? Von dem Verständnis des Eides als Sakrament der fides öffnet sich auch eine sakramentale Deutung der Altarzeremonie, die in Aachen, Rom und Konstantinopel mit dem Vertragsschluß verbunden war. Der Altar enthielt in den damaligen Kirchen, wie noch heute in katholischen Kirchen, Reliquien. Oft war er sogar über Heiligengräbern errichtet. Er war der Ort der Erneuerung des Opfertodes Christi im Meßopfer. Der Vertrag wurde also auf Reliquien gelegt. Auch wenn mit der Zeremonie keine Messe verbunden war, es wird nichts darüber berichtet, so dürfte sie doch jeweils von entsprechenden Anrufungen Gottes, Gesängen, Gebeten begleitet gewesen sein. Auch darin können also äußere Gesten, Zeichen, Worte gesehen werden, die das Unsichtbare, die fides der Beteiligten öffentlich sichtbar machten und den Vertrag in die allgemeine Ordnung einfügten. Wir hätten ein „funktionales Äquivalent“ zum Eid vor uns. Auch schriftliche Verträge wären damit endgültig erst durch den sakramentalen Eid ober eine entsprechende sakramentale Handlung rechtlich abgeschlossen worden, allerdings in einem zweistufigen Verfahren.

m. Geiseln und Geschenke Bei den Vertragsabschlüssen, mündlichen wie schriftlichen, traten Geiselstellung und Geschenketausch als weitere Akte hinzu.129 Beide hatten aber, anders als Urkundentausch und Eide, keinen konstitutiven Charakter.

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So die Beeidung des spanisch-niederländischen Vertrages vom 30. Januar 1648 am 15. Mai 1648 im Friedenssaal des Münsterschen Rathauses. Zur Geiselstellung Ganshof, Traité, S. 190.

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Die Geiselstellung hatte eine Garantiefunktion. In merowingischer Zeit wurde sie mehr oder weniger gegenseitig geübt und allgemein mit Vertragsschlüssen verbunden.130 In unserer Epoche wurde sie jedenfalls in der Regel seitens der Frankenherrscher einseitig den Unterlegenen auferlegt, den Aquitaniern,131 den Sachsen,132 und auch den Langobarden. Aistulf stellte 755 nach der ersten wie 756 nach der zweiten Niederlage Geiseln.133 In allen Fällen unterwarfen sich die Genannten auch der dicio der karolingischen Herrscher. Daher ist es konsequent, daß für die Verträge mit den Päpsten, den byzantinischen Kaisern und Offa nicht von einer Geiselstellung berichtet wird. Für die Friedensverträge mit den Dänen in den Jahren 811 und 813 fehlen derartige Hinweise ebenfalls. Wohl aber wird bei dem Friedensbruch des Jahres 828 die Stellung von Geiseln erwähnt, ohne daß aber gesagt wird, wer solche gestellt hat, ob beide Seiten oder nur eine Seite, und dann welche.134 Die Reichsannalen setzen anscheinend als selbstverständlich voraus, daß dies nur die dänische Seite war. Im Zusammenhang mit Vertragsschlüssen wird auch von der einseitigen oder gegenseitigen Übergabe von Geschenken berichtet,135 auch bei Gesandtenbesuchen. Aber das war nicht bei allen Vertragsabschlüssen der Fall, z. B. fehlen derartige Hinweise verwunderlicher Weise gerade in den Berichten über den Abschluß des fränkisch-byzantinischen Vertrages.136 Die Gesandten nahmen im Gegenzug i. d. R. Geschenke mit zurück. Ein notwendiger konstitutiver rechtlicher Akt für den Vertragsschluß war daher der Austausch offenbar nicht. Eine rechtliche Bedeutung kam in karolingischer Zeit der Übersendung oder Übergabe von Geschenken insoweit nicht mehr zu.137 Wohl aber hatten sie eine Bedeutung für den „Stand“ der Beziehungen. Unter Gleichrangigen waren sie Ausdruck des Respekts, der Achtung und der Freundschaft, ihrer Befestigung und auch des Werbens um sie und führten daher zur Gegensendung oder Gegengabe von Geschenken. Sie fanden daher auch außerhalb konkreter Vertragsverhandlungen oder -abschlüsse statt. Bei Unterwerfung waren sie einseitig, konnten Unterwerfungszeichen, verdeckte Tribute darstellen. Ob es noch „Friedenskauf“ war,138 erscheint zweifelhaft.

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So z. B. zwischen Theuderich und Childebert I, Gregor von Tours, Historiarum libri, lib. III, c. 15, oder Chilperich und Childebert II., ibid., lib. VI, c. 31. Fred. chron. cont., 41 (124), S. 186. Z. B. Ann. regni Franc. ad a. 712, 775. Allerdings gab Karl offenbar Geiseln für das sichere Geleit Widukinds. Ann. regni Franc. ad a. 755. Ann. regni Franc. ad a. 828. Wielers, Beziehungsformen, S. 72ff. Jedoch wurden 824 sowie 833 und 839 von den byzantinischen Gesandten Geschenke überbracht. Ann. regni Franc. ad a. 824 und Ann. Bertiniani ad a. 833 und 839. So wohl auch Wielers, Beziehungsformen, S. 79. Wielers, Beziehungsformen, S. 76.

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II I. Ve rt rag s u r k u n d en Es wurde zwar schon einiges über die erhaltenen Urkunden der schriftlichen pacta gesagt. Jedoch sind diese noch genauer zu erörtern. Anders als im gegenwärtigen Völkerrecht wurden schriftliche Verträge nicht in einer von beiden Seiten gemeinsam erstellten Urkunde zusammengefaßt, sondern jede Seite erstellte eine eigene Urkunde, die der Gegenseite übergeben wurde. Der Urkundentausch war, wie der Vorgang bei dem Abschluß des fränkisch-oströmischen Vertrages von 812/815 zeigt, für das Zustandekommen konstitutiv. Insgesamt sind drei Urkunden aus unserer Epoche im Wortlaut überliefert, das Pactum Hludovicianum Ludwigs des Frommen von 817, die Constitutio Romana Ludwigs des Frommen und Lothars I. von 824 und das Pactum Veneticum Lothars I. von 840. Sie stammen alle von karolingischen Herrschern. Sie erlauben einen Einblick in die Möglichkeiten des Aufbaus derartiger Urkunden. Sie stehen in einer Reihe von vorhergehenden und nachfolgenden Urkunden, jeweils ausgestellt von fränkischen, später ostfränkisch-deutschen Königen. Sie haben daher einen grundlegenden Charakter für die rechtliche Ordnung im Frühmittelalter bis in das Hochmittelalter hinein. Jedoch unterscheiden sie sich nicht unwesentlich. Die beiden ersten von Ludwig und Lothar legen einseitig Regelungen der fränkischen Herrscher fest. Der dritte Text Lothars enthält Rechte und Pflichten beider Seiten. Da die Inhalte bereits weitgehend behandelt wurden, beschränken sich die folgenden Erörterungen auf Aufbau und Formulierung. Sie stützen sich weitgehend auf die vorliegende Literatur, die diese pacta mehrfach eingehend untersucht, analysiert und eingeordnet hat.

a. Pactum Hludovicianum Es ist, wie bereits gesagt, allgemeine Meinung, daß die Fassung des pactums Ludwigs der Form nach im großen und ganzen den vorangegangenen Urkunden Pippins von 754 und Karls des Großen von 774 entspricht.139 Die erörterten inhaltlichen Unterschiede im territorialen Umfang der promissiones donationis können im vorliegenden Zusammenhang zurückstehen. Das pactum ist in einer Abschrift aus dem 11. Jahrhundert erhalten. Der Streit um die Echtheit ist inzwischen zugunsten derselben entschieden.140 Die Urkunde beginnt mit einer so aber wohl ungewöhnlichen invocatio Trinitatis. Es fehlen arenga, promulgatio und narratio. Vielmehr folgt unmittelbar die Intitulatio des Ausstellers verbunden mit der zentralen Rechtsaussage, der dispositio: Ego Hludowicus, imperator augustus, statuo et concedo ... Gemäß dem Schlußabsatz hat Ludwig die Urkunde unterschrieben, Ego Hludowicus, ... subscripsi. Außerdem haben mehrere 139

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Hahn, Hludovicianum, S. 21ff., versucht eine Vorgängerurkunde von 816 aus dem Treffen Ludwigs mit Stephan IV. in Reims zu rekonstruieren. MGH LL. II, Capit. I, Nr. 172, S. 353. Zur Kritik der Urkunde eingehend Sickel, Privilegium, S. 50ff.; aus neuerer Zeit insbesondere Drabek, Verträge, S. 33ff.; Hahn, Hludovicianum, passim. Die nachfolgenden Erörterungen folgen weitgehend diesen Untersuchungen.

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geistliche und weltliche Große unterzeichnet. Zudem wird mitgeteilt, daß der Text beeidet wurde, enthält aber nicht selbst den Eid, sub iure iurando, promissionibus et subscriptionibus pactum istud nostrae confirmationis roboravimus. Beides entspricht dem Bericht über die von Karl dem Großen 774 in St. Peter ausgestellte Urkunde. Es handelt sich um eine schon feste Form der persönlichen Urkunde des jeweiligen fränkischen Herrschers, die allgemein an den Apostelfürsten, den hl. Petrus, und durch ihn an dessen Stellvertreter Hadrian I. bzw. Paschalis I. gerichtet ist. Die ersten acht Absätze enthalten Ludwigs Bestätigungen des territorialen Besitzstandes, sowie weiterer Donationen an Pensionen und anderen Leistungen und Zusicherungen. Außerdem enthält die Urkunde Versprechungen zur Achtung der päpstlichen Herrschaftsrechte und zur Verteidigung dieser Gebiete gegenüber dem hl. Petrus und seinem Stellvertreter und dessen Nachfolgern für sich selbst wie für seine Söhne und Nachfolger, Ceterum, sicut diximus, omnia superius nominata ita ad vestram partem per hoc nostrae confirmationis decretum roboramus, ut in vestro vestrorumque successorum permaneant iure, principatu atque ditione, ut neque a nobis neque a filiis vel succesoribus nostris per quodlibet argumentum ... miniatur vestra potestas. Ob derartige Versprechungen bereits 774 gegeben wurden oder neu sind, läßt sich nicht klären, da für 774 kein Text vorliegt. Der Bericht in der Papstvita Hadrians I. erwähnt solche nicht. Man kann sie aber vermuten, da sie aus der Sache folgen. Ludwig wollte damit die Garantie über seine Lebenszeit hinaus geben. Ob Ludwig für seine Söhne eine derartige Festlegung treffen konnte, erscheint jedoch zweifelhaft. Erst recht gilt das für weitere Nachfolger. Ludwig selbst mußte ja die älteren Urkunden seines Großvaters und Vaters erneuern. Im neunten Absatz folgen Regelungen über die donatio hinaus. Sie betreffen zunächst die Papstwahl, die, ohne Intervention von irgendjemandem von außen, allein von den Römern vorgenommen werden soll. Es schließt sich die Verpflichtung für den neuen Papst an, nach seiner Weihe Gesandte an Ludwig oder seinen Nachfolger zur Erneuerung der amicitia, der caritas und der pax zu entsenden. Ludwig beruft sich dabei auf die Übung, wie sie seit seinem Urgroßvater Karl Martell bestanden habe. Ob diese Übung wirklich auf die Zeiten Karl Martells, also vor dem karolingischen pactum mit den Päpsten zurückging, erscheint allerdings zweifelhaft. Dies ist die einzige Bestimmung, die nicht den Kaiser bzw. seine Nachfolger verpflichtet, sondern den Empfänger der Urkunde. Aber die Anordnung als Pflicht ist trotz der Berufung auf die Übung seit Karl Martell im Grunde kaiserliches Recht. Der zehnte und letzte Absatz enthält im Schlußprotokoll oder Eschatoll die Korroboratio. Wahrscheinlich hat Ludwig mit eigenhändiger Eintragung des Kaisernamens unterschrieben, nicht nur mit dem Handmal. Der operative Teil ist, soweit er Ludwig betrifft, in der ersten Person, Singular wie Plural, abgefaßt. Soweit die päpstliche Seite betroffen ist, wird in der dritten Person formuliert. Eine genaue Datierung der Urkunde fehlt auf den Abschriften und ist auch aus den berichtenden Quellen nicht zu erschließen. Die Diskussion um die Vorbilder oder Einflüsse auf die Gestaltung der Urkunde hat im Ergebnis zu der Annahme geführt, daß man es „nicht mit einem nur in einer Kanzlei entstandenen Diplom zu tun“ habe, „sondern, daß Einflüsse verschiedenster

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Art und Herkunft erwartet werden müssen.“141 Nach den sehr eingehenden Ausführungen Sickels vermischen sich fränkisches und römisches Urkundenwesen in dieser Urkunde. Folgt man den Untersuchungen Drabeks, die diese, z. T. im Anschluß an Sickel und Stengel, vorgelegt hat, so liegen zwar Elemente karolingischer praeceptiones, aber auch Abweichungen von diesen und deutliche Parallelen zur neurömischen privaten Beurkundungspraxis vor.142 Auf sie geht die subjektivisch singularische Form ebenso zurück wie die Unterzeichnung, wie sie in der Subskriptionszeile genannt ist. Die Form stelle, so Drabek, „den Ausdruck einer besonderen persönlichen Verpflichtung des Herrschers dar“. Hahn verweist zudem auf die zur Zeit Ludwigs des Frommen verwendeten Immunitätsurkunden. Sickel sieht in der „Ich-Form“ eine „Verpflichtung der Könige auf ihr Gewissen“. Es ist m. E. eine Verpflichtung auf die fides, die Vertragstreue, die auch in derart subjektiver Weise und durch den Eid, sub iureiurando, gelobt wurde. Drabek stellt zudem eine Verbindung der Form und des Aufbaus dieses pactum zu den Glaubens- und Treueiden der Bischöfe gegenüber den Päpsten bzw. dem hl. Petrus her.143 Sie sei i. ü. schon für die Urkunde von 754 zu vermuten. Aus der Zusammenführung dieser neurömischen und fränkischen Elemente der Urkunde im Rahmen eines Formulars eines frühmittelalterlichen Vertrages, den sie allerdings nicht näher bezeichnet, zieht Hahn den Schluß, daß die Formeln keiner der beiden Parteien allein zugewiesen werden können, sondern dem Rechtsgeschäft und den an ihm beteiligten Parteien entsprochen hätten.144 Das würde bedeuten, daß für die Verträge in Zwischen-Mächte-Beziehungen zwar die bekannten und üblichen Formulare verwendet wurden, diese aber den besonderen Bedürfnissen angepaßt worden sind.

b. Constitutio Romana Eine zweite kaiserliche Urkunde betreffend das Verhältnis zum Papst ist jedenfalls in Teilen aus dem Jahre 824 überliefert, die Constitutio Romana Lothars I.145 Der überlieferte Teil enthält einseitige Anordnungen Lothars in bezug auf die Papstwahl, die Rechtswahl der Römer, wodurch ihnen die Möglichkeit eröffnet wurde, nicht nach römischem Recht zu leben, u. a. auch nach fränkischem Recht. Auch wurde ein Eid des römischen Volkes auf die Kaiser Ludwig und Lothar vorgeschrieben. Nach allgemeiner Ansicht hat die Constitutio noch mehr enthalten, was sich im sogenannten Ottonianum von 962 erhalten habe, nämlich wiederum die Garantie des Territorialbesitzes.146 In dem Ottonianum findet sich zudem in cap. 15 auch die Aussage Salva in omnibus potestate nostra et filii nostri posterorumque nostrorum, secundum quod in

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Hahn, Hludovicianum, S. 40. Drabek, Verträge, S. 42f., 104; siehe auch Sickel, Privilegium, S. 89ff.; auch Hahn, Hludovicianum S. 41ff. Drabek, Verträge, S. 41 ff. Hahn, Hludovicianum, S. 43 f. MGH LL II, Cap. I, Nr. 161, S. 322. Drabek, Verträge S. 44 mit Verweis auf Stengel.

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pacto et constitutione ac promissionis firmitate Eugenii pontificis sucessorumque illius continetur, id est ...147 Die Geschichtswissenschaft vertritt die Auffassung, daß dies auf die Ausstellung einer Urkunde durch Eugen II. für Lothar I. hindeute. Ihr Inhalt ergebe sich aus dem Ottonianum und beziehe sich auf die Papstwahl, sowie auf den Eid der Gewählten vor der Weihe.148 Jedenfalls wurden die Regeln zwei Jahre nach der Constitutio bereits bei der Wahl Gregors IV. angewandt.149 Ob der Hinweis bzw. die Bezugnahme der Constituitio auf Eugen II. den Schluß auf frühere Urkunden der Päpste begründet, ist nicht auszuschließen, aber nicht zu entscheiden. Auch der Constitutio Romana läge nach diesem Rückschluß aus dem Ottonianum eine Vereinbarung als Ergebnis von Verhandlungen zwischen Lothar und dem Papst Eugen in Rom zugrunde. Sie wäre dann nicht nur einseitige kaiserliche Festsetzung. Aber als formell einseitiger Rechtsakt der Kaiser bleibt sie Privileg. Denn beides schloß einander nicht aus.

c. Pactum Veneticum Hlotharii Die Urkunde des Pactum Hlotharii unterscheidet sich in der überlieferten Fassung nicht unerheblich von der des Pactum Hludovicianum, vor allem dadurch, daß sie, obwohl nur von Lothar ausgestellt, gegenseitige Regelungen enthält.150 Die Urkunde beginnt mit der Invocatio Jesu Christi. Zwar fehlen auch hier Arrenga und Publikationsformel. Aber anders als in der Urkunde Ludwigs des Frommen für Paschalis I. schließt sich ein ausführliches Eingangsprotokoll an, das seinerseits mehrere Teile hat. Es wird eingeleitet mit der Intitulatio des Kaisers Lothar, der Datierung in das 26. Jahr der Regierungszeit des Kaisers auf den 26. März 840 sowie der Nennung des Ortes der Ausstellung, Pavia. Es folgt die bereits erörterte Erklärung der Veranlassung und der Gründe der Erstellung der Urkunde sowie die Nennung der durch sie berechtigten und verpflichteten Subjekte auf venetianischer und auf kaiserlich/päpstlicher Seite. Diesem Eingangsprotokoll schließen sich 35 capitula mit den Einzelbestimmungen an. Sie enthalten Versprechen bzw. Verpflichtungen der Venetianer oder der kaiserlichen Seite sowie beider Seiten gemeinsam. Jedoch ist deren rechtliche Struktur dadurch kompliziert, daß die beiden Seiten nie als solche bestimmt, sondern nur mit Personalpronomen nos oder vos etc. bezeichnet werden, oder eine objektive Formulierung in der dritten Person gewählt wird, so daß jeweils herausgefunden werden muß, welche Seite jeweils der anderen gegenüber eine Verpflichtung eingeht oder ein Recht erwirbt. Die Verpflichtungen betreffen sehr unterschiedliche Gegenstände. Die ersten acht Kapitel enthalten „politische“ Regelungen. Sie sind jeweils einseitig in der ersten Person Plural formuliert, enthalten also entweder kaiserliche oder venetianische Versprechen oder Verpflichtungen gegenüber dem Partner, der in der zweiten Person Plural 147 148 149 150

Zitiert nach Drabek, ibid., Fußn. 31. Siehe Drabek, Verträge S. 45. Ann. regni Franc. ad a. 827. MGH LL II, Capit. II/1, Nr. 233, S. 130 ff., dt. Anhang Nr. 17. Zum Folgenden vor allem Fanta, Verträge, passim und Cessi Pacta veneta I und II, passim.

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erscheint. Diese Verpflichtungen stehen jedoch in einem korrespondierenden Verhältnis, so daß diese ersten acht Kapitel des pactum als Einheit gegenseitiger politischer Versprechungen anzusehen sind. In den Kapiteln 9 bis 24 werden zivilrechtliche Regelungen inhaltlicher und verfahrensmäßiger Art, einschließlich der Rechtshilfe getroffen. Diese Kapitel sind als gegenseitige Verpflichtungen in der dritten Person, also objektiv, formuliert, wodurch die Geltung für beide Seiten gleicherweise und gegenseitig ausgedrückt wird, z. B. restituatur, reddiderit. Es wird aber auch das Übereinkommen formuliert, et hoc convenit, de ... statuit, u. a. Ab Kapitel 24 werden noch einmal Verpflichtungen der kaiserlichen Seite zugunsten der Venezianer auf den in dem Eingangsprotokoll genannten kaiserlichen Gebieten in der ersten Person Pluralis festgelegt; die Grenze bestätigt; die Zusage gegeben, jederzeit durch kaiserliche missi Recht zu sprechen; etc. Jedenfalls für c. 24 gilt aber wohl, daß der Kaiser die Bestätigung der Grenze erklärt, statuimus. Die Formulierungen des Eingangsprotokolls wie der Kapitel ordnen, wie bereits erwähnt, die Verpflichtungen und Versprechen der kaiserlichen Seite gegenüber den Venetianern, ebenso wie die Berechtigungen aus den venetianischen Verpflichtungen nicht dem Kaiser persönlich, sondern den italienischen Städten unter kaiserlicher oder päpstlicher Herrschaft zu. Das gilt auch für die „völkerrechtlichen“ Rechte und Pflichten. Unklar ist jedoch, ob die Verwendung der ersten Person Pluralis in den kaiserlichen Kapiteln in allen Fällen den Plural der Städte oder nicht doch auch den pluralis majestatis des Kaisers meint. Fanta ist der Auffassung, daß die Venetianer bzw. deren im Eingang genannten kaiserliche und päpstliche Nachbarn, nicht aber die Person des Kaisers erfaßt werden.151 In den beiden Kapiteln 7 und 27, in denen vom Kaiser die Rede ist, tritt er nicht selbst als Versprechender auf, sondern als ein Dritter, den die kaiserliche Seite als Außenstehenden einzubeziehen scheint. Aber das gilt nicht durchgängig. Die Bestätigung der älteren langobardisch-oströmischen Grenzziehung in c. 26 de finibus ... nove statuimus kann sich nur auf Lothar selbst beziehen. Nach Fantas Auffassung ist auch die Urkundenform dieses pactum beeinflußt von langobardischen Privaturkunden, aber auch von den praeceptes oder Kapitularien der Karolinger.152 Cessi verweist auf Einflüsse des edictum Rotharii, und der leges Liutprants.153 Wie schon für das pactum Hludovicianum liegt der Schluß nahe, daß auf die üblichen Formen der Rechtsbildung zurückgegriffen wurde, sie aber für die Notwendigkeiten eines Zwischen-Mächte-Vertrages kombiniert und angepaßt wurden. Das Fehlen eines Schlußprotokolls und vor allem eines kaiserlichen Handmals erklärt Fanta, wie gesagt, damit, daß nicht er verpflichtet werde, wie auch Kapitularien „für gewöhnlich“ nicht vom König oder Kaiser unterschrieben wurden. Es kann sich aber auch schlicht um einen Mangel der Abschrift handeln. Denn diese Urkunde geht eindeutig von Lothar aus. Er setzt auch die – wenn auch vereinbarten – Inhalte fest. Diese Eigentümlichkeit des pactum ist der konkreten Herrschaftssituation geschuldet. 151 152 153

Fanta, Verträge, S. 106 ff. Fanta, Verträge, S. 95. Cessi, Pacta I, S. 172 ff.

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Wie bereits erwähnt ist von einer venezianischen Gegenurkunde nichts bekannt. Fanta unterstellt eine doppelte oder gar mehrfache Ausfertigung, wie sie für den Vertrag von Andelot vorgelegen hat.154 Er verweist auf andere Beispiele. Die kaiserliche Urkunde war in diesem Verhältnis, wie die promissio Karls von 774 im karolingischpäpstlichen Verhältnis, die wirklich wichtige Urkunde, auch für die weitere Zukunft. Inhaltlich war in beiden Fällen die karolingische Seite die eigentlich gebende, funktional, nicht formal gesehen privilegierende Seite. Das wird ganz deutlich in der zweiten Urkunde Lothars gegenüber Venedig, dem praeceptum vom September 840, die auch formal als Privileg anzusehen ist. Denn in ihm werden den Venetianern in bezug auf ihr Eigentum auf kaiserlichem Gebiet einseitig bestimmte Rechte gewährleistet.155 Lothar I. beruft sich als Grundlage für diese Gewährleistungen auf ein decretum cum Graecis sancitum seines Großvaters Karl den Großen. Dabei handelt es sich nach allgemeiner Auffassung um den Vertrag von 812/15. Auch das spricht dafür, daß das pactum seinerseits in engem Zusammenhang mit diesem steht. Folgt man Cessis These, daß die Urkunde Lothars I. wesentliche Teile der Verträge von 807 und insbesondere von 812 aufgenommen hat, ergeben sich einige Einsichten für dessen Rekonstruktion. Cessi sieht solche Übernahmen in den politischen Kapiteln 2, 3 Abs.1, und 4, den zivilrechtlichen Kapiteln 12, 14, 17, 18, 19 Abs. 2 bis 25, und den kaiserlichen Versprechungen der Kapitel 28 bis 30. Da nach dem Wunsch Karls des Großen gegenüber Michael I. die griechische Urkunde des Kaisers des imperium orientale der lateinischen Urkunde des Kaisers des imperium occidentale entsprechen sollte, hätten diese dann sowohl korrespondierende einseitig-sujektive als auch gegenseitig-objektive Formulierungen für die einzelnen Regelungen enthalten. Ein formaler wie inhaltlicher Zusammenhang besteht nach begründeter Ansicht mit einem im folgenden Abschnitt näher zu behandelnden pactum, das der langobardisch-beneventanische Herzog Sicard 836 mit den Neapolitanern geschlossen hatte.156 Dies wiederum hatte ebenfalls ältere karolingische Verträge zum Vorbild. 812 befand sich das Herzogtum in Abhängigkeit von Karl dem Großen, während Neapel unter oströmischer Herrschaft stand. Cessi ist daher der Auffassung, daß wegen der Ähnlichkeit der politisch-rechtlichen Lage Venedigs und Neapels der Vertrag von 812 auch Regelungen nicht nur zum italienisch-byzantnisch/venezianischen, sondern eben auch zum beneventanisch-byzantisch/neapolitanischen Verhältnis getroffen habe, die in diesen Vertrag Sicards aufgenommen wurden. Daher könne aus den Übereinstimmungen beider „Folgeverträge“ die Rekonstruktion der ursprünglichen Regelungen des Vertrages von 812 von den lotharischen Zutaten getrennt werden.

d. Langobardisch-neapolitanische Verträge Die Hinweise Cessis auf das pactum des Herzogs Sicard geben Veranlassung, auch dessen Urkunde mit in diese Untersuchung einzubeziehen. Hinzu tritt eine ältere Ver-

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Fanta, Verträge, S. 116 ff. MGH LL II, Capit. II/1, Nr. 234. S. 136, Z. 24. MGH LL IV, S. 216; Fanta, Verträge, S. 93 f.; Cessi, Pacta I, S. 175 ff.

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tragsurkunde des Herzogs Arechsis mit dem dux von Neapel um 774.157 In diesen beiden Fällen liegen nur die langobardischen Urkunden vor, aber keine neapolitanischbyzantinischen. Solche werden zudem ebensowenig wie im pactum Lothars in den Urkunden selbst erwähnt. Das Eingangsprokoll der Vertragsurkunde des Herzogs Arechsis ist kurz. Incipit pactum quod constituit domnus Arechisi gloriosus princeps cum iudex neapolitanorum de servis et ancillis et de terris et de Legurias et de tertiatoribus, quae communes est inter partes. Invocationsformel, Publikationsformel und Arrenga fehlen. Es fehlt auch ein Schlußprotokoll. Die Vertragspartner sind zwei Herrschaftsträger. Neapel stand unter byzantinischer Herrschaft. Aber offenbar hatte der iudex, dessen Namen nicht genannt wird, Kompetenz, einen derartigen Vertrag abuzuschließen. Dieser hat jedoch keine politischen Regelungen zum Inhalt, sondern seine Gegenstände sind privatrechtlicher Art. Im vorliegenden Zusammenhang ist dieser Vertrag daher nur wegen der Formulierung seiner Bestimmungen von Interesse. Sie sind fast alle objektiv in der dritten Person und gegenseitig korrespondierend formuliert, entweder in einem Kapitel selbst, oder in aufeinander folgenden Kapiteln. So enthält cap. 1 in Satz 1 eine Garantie der langobardischen Seite zugunsten der Neapolitaner für ihr auf langobardischem Territorium gelegenes Eigentum. Satz 2 schließt unmitelbar an similiter, es folgt die Entsprechung seitens der Neapolitaner für die Langobarden. In cap. 9 und 10 werden Beweisrechte für Grundeigentum in Campanien geregelt, zunächst für die Langobarden, danach für die Neapolitaner. Einige sind allerdings auch einseitig-subjektiv in der ersten Person Singular abgefaßt. Die Form der Formulierungen dieser langobardischen Urkunde entspricht also weitgehend der der privatrechtlichen Bestimmungen der Vertragsurkunde Lothars für Venedig. Für sie wird, wie gezeigt, in der Literatur ebenfalls langobardischer Einfluß angenommen. Die Urkunde des pactums des Herzogs Sicard ist hingegen jedenfalls an ihrem Anfang völlig anders aufgebaut. Sie beginnt mit einer Anrufung Gottes, des Erlösers Jesus Christus und der glorreichsten Jungfrau Maria. Es folgt das Eingangsprotokoll, allerdings auch ohne Publikationsformel und Arrenga. Dieses Eingangsprotokoll ist anders als das der Urkunde Lothars persönlich-subjektiv in der ersten Person Plural gehalten, Promittimus, nos dominus ... Sicardus Langobardorum princeps, vobis Johanni electo sanctae ecclesiae Neapolitanae et Andreae magistro militum, vel populo vobis subjecto ducati Neapolitani etc... Eindeutig ist Sicard die aus dem Versprechen verpflichtete Partei. Gegenstand des Versprechens ist pacem veram et gratiam nostram und zwar ad annos quinque. Zur Sicherung der Festigkeit des Versprechens, pro stabilitate promissionis nostrae, soll die Urkunde von den anwesenden Großen unterschrieben und beeidet werden. Von einem Eid der neapolitanischen Seite wird jedoch nicht gesprochen. Sicard verspricht, daß alles so erfüllt werden soll, quatenus si a parte vestra remissio, quam nobis voluntarie fecistis, in omnibus fuerit adimpleta. Hier ist Gegenseitigkeit klar ausgedrückt. Der Herzog sichert noch im Eingangsprotokoll im weiteren zu, die Neapolitaner weder an Menschen 157

MGH LL IV, S. 213.

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noch an Sachen zu schädigen, weder durch Kriegsheere noch durch andere feindliche Mittel. Es folgen 19, zum Teil recht umfangreiche Kapitel mit Regelungen zu verschiedenen Gegenständen, die wiederum in unterschiedlicher Weise von beiden Seiten ausgehen. Die beiden ersten betreffen politische Gegenstände. Cap. 1 enthält, abgefaßt in der ersten Person Plural, langobardische Versprechen, das Gebiet Neapels vor Feinden und Schädigungen zu warnen und zu schützen, wenn entsprechende Informationen vorliegen. Cap 2. enthält gewisse neapolitanische Versprechen gegenüber Sicard zu bestimmten materiellen Leistungen. Es folgen dem Strafrecht, dem Zivilrecht, der Rechtsdurchsetzung gewidmete Kapitel. Sie sind wiederum in der dritten Person formuliert. Die Urkunden Sicards und Lothars sind somit ähnlich aufgebaut und abgefaßt, unterscheiden sich aber auch grundsätzlich. Trotzdem läßt sich aus den drei hier erörterten pacta eine gewisse Grundstruktur der weltlichen Zwischen-Mächte-Verträge erschließen, wenn auch nur jeweils eine Urkunde vorliegt.

e. Einseitigkeit – Gegenseitigkeit Die Urkunde Ludwigs des Frommen von 817 enthält nur einseitige Versprechungen, Festsetzungen, Anordnungen Ludwigs des Frommen. Zwar betreffen diese auch Pflichten der päpstlichen Seite. Aber diese sind nicht als deren Versprechen formuliert, sondern als Festsetzungen des Kaisers. Das läßt an Gegenseitigkeit zweifeln, zumal wenn beachtet wird, daß in der Constitutio Romana der beiden Kaiser Ludwig und Lothar von 824 gerade diese päpstlichen Pflichten eindeutig in der Form kaiserlicher Anordnung weiter entwickelt, vor allem durch einen Treueid des Volkes von Rom ergänzt werden.158 Die Urkunde Lothars I. von 840 nimmt hingegen gegenseitige Versprechungen beider Seiten, wenn auch in unterschiedlichen Formulierungen auf. Das wird ohne Zweifel auch für die Urkunden zum Vertrag von 812 der Fall gewesen sein, unabhängig davon, ob man Cessis Thesen folgt oder nicht. Diese Struktur findet sich bereits im Vertrag von Andelot und später auch im pactum des langobardisch-beneventanischen Herzogs Sicard mit Neapel. Paradisi hat es im Hinblick auf die Fortschritte im Vertragswesen der antiken Stadtstaaten als fatal angesehen, che i trattato subisse ora l’influenza del privilegio.159 Er bezieht sich zunächst auf die byzantinische Praxis. Aber auch die fränkischen Urkunden haben den Charakter von Privilegien, jedenfallls soweit sie einseitige Gewährungen, Anordnungen etc. enthalten. Aber es stellt sich die weitergehende Frage, ob nicht generell die Einräumung eines Rechtes auch in einem Gegenseitigkeitsverhältnis als eine „Gewährung“ im Sinne eines Privilegs angesehen wurde, mochte sie auch auf einer Vereinbarung beruhen. Das Privileg bedeutete in der frühmittelalterlichen Epoche eine herrscherliche Regelung für bestimmte Einrichtungen, wie z. B. Abteien, Perso-

158 159

MGH LL II, Capit. I, Nr. 161, S. 323. Paradisi, Storia, S. 326 ff.

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nengruppen, z. B. Kaufleute, oder aber auch einzelne Personen.160 Es konnte, so Krause, neben Rechten auch Pflichten enthalten. In der Form war es noch nicht klar ausgebildet, war von beneficium, praeceptum, decretum noch nicht klar geschieden.

IV. Ve rt rag s g eg en s tän d e Die Vertragsgegenstände erfaßten die ganze Breite von Gegenständen der ZwischenMächte-Beziehungen. Es bestand nicht nur Regelungsbedarf für politische Fragen im engeren Sinn. Es war offenbar auch notwendig, Fragen des Handels, der Schiffahrt, der Pilger, der Flüchtlinge u. a. zu regeln. Der Inhalt war wesentlich durch die Art der Beziehungen der Partner bestimmt.

a. Kriegsbeendende Friedensverträge In der Regel wird in den Reichsannalen oder anderen Quellen einfach nur berichtet, daß zwischen dem fränkischen Herrscher und dem Partner nach einem Krieg Frieden durch Vertrag hergestellt worden ist, ohne auf die Friedensregelungen selbst inhaltlich einzugehen. Das gilt sowohl für mündliche Verträge, wie die mit den Dänen geschlossenen Friedensverträge, wie für schriftliche Verträge, wie für den fränkisch-oströmischen Vertrag von 812. Ob die laudes der griechischen Gesandten für Karl den Großen Vollzug einer vertraglichen Abrede waren, läßt sich daher nur vermuten, aber nicht feststellen. Das gleiche gilt für die Rückgabe Venedigs und von Teilen Dalmatiens, die bereits 810 erfolgt war, im Vertrag aber vielleicht noch einmal mit Grenzbestimmungen festgeschrieben worden ist. Folgt man Cessis Thesen zum pactum Lotharii, enthielt er zudem Regelungen in Bezug auf Handel etc. mit Venedig, Schiffahrt in der Adria u. ä. Friedensverträge beendeten in jedem Fall die Kriegshandlungen. Je nach der Situation waren andere Abreden damit verbunden. Abulaz gab anläßlich des Friedensschlusses mit Karl dem Großen von 810 den früher gefangen genommenen Grafen Hainrich zurück.161 Es entsteht wohl auch eine Ruhe- oder Neutralitätspflicht. Dies kann sich indirekt aus der vorläufigen Weigerung Ludwigs des Frommen ergeben, den vertriebenen Dänenkönig Heriold, der auch sein Patensohn und Vasall war, bei bestehendem Vertrag gegen die Dänenkönige zu unterstützen.162 Nach den verschiedenen Berichten über die Friedensverträge Aistulfs mit Pippin und Stephan II. von 755 und 756 enthielten diese die Versprechen Aistulfs, sich der ditio Pippins zu unterwerfen, ältere Tributzahlungen wieder aufzunehmen, der Römischen Kirche und dem apostolischen Stuhl volle Genugtuung für alle seine Verstöße

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H. Krause, Art. Privileg, mittelalterlich, HRG Bd. 3, 1. Aufl., Sp. 1999–2005. Ann. regni Franc. ad a. 810. Anonymus, Vita Hludowici, c. 42, S. 631, Z. 36–39. Interea filii Godefridi, Danorum quondam regis, Herioldum regno expulerant. Sed cum imperator et Herioldum iuvare vellet, et cum filiis Godefridi foedus pacis inisset, missis in hoc ipsum cum ipso Herioldo comitibus Saxonicis praecepit, ut agerent cum praedictis.

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gegen das Recht, quicquid ... contra legis ordine fecerat, zu leisten, Ravenna und verschiedene Städte herauszugeben.163 Es wurde also einerseits der eigentliche Kriegsanlaß vertraglich bereinigt; andererseits wurden Folgeregelungen für die Zukunft getroffen. Nach den päpstlichen Quellen wurde auch ein foedus geschlossen. Die Frage ist, was unter foedus zu verstehen ist. War es nur ein anderer Begriff für Vertrag oder bezeichnete es auch ein Bündnis?164 Ein solches erscheint jedoch in Bezug auf Aistulf zweifelhaft. Über die Vereinbarung eines Tributes berichten auch die Reichsannalen für die friedensvertragliche Regelung Karls des Großen mit Grimoald IV. von Benevent im Jahre 812 et tributi nomine XXV milia solidorum auri a Beneventanis soluta. Auch die Mitteilung über die Erneuerung dieses Vertrages unter Ludwig dem Frommen im Jahr 814 enthält nur die Tributzahlung eo modo, quod et pater, scilicet ut Beneventani tributum annis singulis VII milia solidos darent. 165 Offenbar ist aber das Abhängigkeitsverhältnis auch hier, wie früher bei Aistulf, durch Vertrag, nicht durch einseitigen Unterwerfungsakt begründet. Der Poeta Saxo nennt als Inhalt des von ihm behaupteten Friedensvertrages zwischen Franken und Sachsen von 803 neben dem Friedensschluß selbst die vollständige Eingliederung der Sachsen Hoc sunt postremo societi foedere Francis/ ut gens et populus fieret concorditer unus/ Ac semper regi parens aequaliter uni.166 Die Sachsen wurden also durch diesen Vertrag nicht den Franken unterworfen, sondern mit ihnen zu einem Volk vereint. Das geht wahrscheinlich auf Einhards Bemerkung in seiner Biographie Karls des Großen zurück.

b. Friedensbefestigende Verträge Die Vita Stephani bezeichnet den Vertrag mit Pippin von 754 als pacis foedera. Da aber kein Krieg zwischen ihnen voraufgegangen war, war damit ein Vertrag zum Ausbau der Beziehungen und des Friedens gemeint, der als foedus auch ein Bündnis zwischen ihnen begründen sollte. Zwar haben wir auch hier keinen zeitgenössischen Text, aber Karl der Große hat in seinem vielfach zitierten Brief an Leo III. den Inhalt des pactum für beide Partner angegeben, die Pflicht zur Verteidigung der Kirche auf Seiten des fränkischen Königs und die „Pflicht“ zum Gebet auf Seiten des Papstes. Auch zwischen Offa und Karl dem Großen, bzw. zwischen ihren Vorgängern hatte es keinen Krieg gegeben, wenn auch wegen der gescheiterten ehelichen Verbindungen gewisse Spannungen aufgetreten waren. Trotzdem bezeichnete Karl der Große ihr Verhältnis als foederate in unanimitate pacis amicitiae iura et sanctae caritatis concordiam und berief sich auf ein antiquum pactum inter nos und ein foedus. Der ältere Vertrag wie seine Erneuerung dienten also offenbar der Vertiefung, dem Ausbau des Friedenszustandes zwischen ihnen. Das war, wie die weiteren Ausführungen zum In-

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Chron. Fred. cont c. 37 (120) und 38 (121); Liber Pontificalis, I, S. 451 und 453. Dazu das folgende Kapitel 6. Ann. regni Franc. ad a. 812, und ad a. 814. Poeta Saxo, ad a. 803, Indict 10, Z. 21ff., S. 261.

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halt zeigen, auch ganz konkret der Fall. Denn diese betreffen den Handel, d. h. den Zugang von Kaufleuten beider Seiten zu den jeweiligen Herrschaftsgebieten und ihren Rechten, sowie den Durchzug der Pilger nach Rom und deren Schutz, sicut olim. Zu nennen ist noch der Schutzvertrag mit den Balearen. Zwar wird nicht von einem Vertrag berichtet, aber sie erbaten und erhielten Hilfe postulato atque accepto a nostris auxilio nobis se dediderunt.167 Es war offenbar keine einseitige Unterwerfung, sondern die Unterstellung unter die Hoheit gegen die Gewährung von Schutz gegen die Sarazenen. Es muß also eine vertragliche Vereinbarung geschlossen worden sein. Aber es war, jedenfalls in fränkischer Sicht, kein Bündnisvertrag oder foedus. Es ist auch nicht anzunehmen, daß die Balearen voll in den fränkischen Herrschaftsbereich eingegliedert wurden. Den Anlaß des Schrittes der Balearen bildeten Überfälle der Araber im Jahre zuvor, denen sie nicht hatten standhalten können. Das Schutzversprechen wurde wohl erfolgreich eingelöst. Daraus ergibt sich i. ü., daß Karl der Große im Mittelmeer jedenfalls zeitweise über eine recht schlagkräftige Flotte verfügte.

c. Noch einmal: Pactum Veneticum Auch das Pactum Lotharii hatte zum Ziel, daß durch seine Regelungen, deren Beeidigung und Beachtung pax firma inter illos, d. h. den Venetianern und den Bewohnern der im Eingang genannten kaiserlichen und päpstlichen Herrschaftsgebiete, perseveret.168 Da dieser Zweck des Vertrages, den Frieden zu wahren, durch die eingehenden Regelungen der 35 Kapitel des pactum, sehr konkret entwickelt und ausgebaut wird, sei darauf noch einmal näher eingegangen.169 Es wurden drei Abschnitte unterschieden. Sie gehen insgesamt auf verschiedene Ursprünge zurück. Nur ein Teil stammt von Lothar selbst. Der erste Teil der c. 1–8 enthält, wie bereits erläutert, jeweils einseitig formulierte, aber einander korrespondierende gegenseitige Verpflichtungen, die dem politischherrschaftlichen Bereich der Beziehungen zuzuordnen sind und nach heutiger Einordnung völkerrechtliche Verpflichtungen enthalten. Nach Cessi gehen die c. 1 und 6 bereits auf den, letztlich gescheiterten Friedensvertrag Pippins mit Niceta von 807, und die c. 2, 3 Satz 1, 4 Satz 1 auf den fränkisch-oströmischen Vertrag von 812 zurück. Lotharisch wären danach die c. 3 Satz 2, 4 Satz 2, 5, und 7 und 8. In c. 1 und 2 verspricht die kaiserliche Seite, daß Personen, die von kaiserlichem Gebiet auf venezianisches Gebiet vordringen, um dort Schaden anzurichten, keine Unterstützung gewährt wird; sie sollen binnen 60 Tagen ausgeliefert werden; gegebenenfalls ist Schadensersatz zu leisten. Auch Flüchtlinge sind zurückzustellen. C. 3 enthält die Wiederholung eines anscheinend älteren venezianischen Verprechens, repromittimus, keine christlichen Untertanen, homines christianos de potestate vel regno dominationis vestre, als Sklaven zu kaufen oder zu verkaufen oder sonst aus der kaiserlichen Gewalt zu lösen, zu verhindern, daß sie in Gewalt der Heiden fallen, und schließlich, derartige Personen, die im Dukat aufgefunden oder aufgegriffen wer167 168 169

Ann. regni Franc. ad a. 799. Protokoll, MGH LL II, Cap. II/1, Nr. 233, S. 130, Z. 29. Auch oben S. 302f. zu den Handelsregelungen.

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den, der kaiserlichen Seite zurückzugeben. Dasselbe wird in c. 4 für die Gefangenen versprochen, die auf dem Gebiet des Dukats aufgegriffen werden. Es sind allerdings auch immer entsprechende Rechtsgeschäfte, mancipia, abzuwickeln. Strittig ist die Zuordnung des c. 5, in dem eine Seite, wahrscheinlich die kaiserliche, der anderen verspricht, Flüchtlinge auszuliefern. Besonders hervorzuheben sind die Kapitel 6 bis 8. In c. 6 verspricht wohl die kaiserliche Seite, die venezianische Seite zu unterrichten, wenn sie Informationen über Räuberbanden oder Feinde erhält, die durch kaiserliches Gebiet, per fines nostros, auf das Gebiet des Dukates vordringen wollen, um dort Schaden anzurichten, ita ut per nos nullam lesionem habetis. Die venezianische Seite verspricht in c. 7, auf Anforderung Lothars, mandatum domini imperatoris Lotharii clarrissimi augusti ... nobis nuntiatum fuerit, mit ihrer Flotte der kaiserlichen Seite zur Abwehr der Slawen zu Hilfe zu kommen. Schließlich wird in c. 8 wohl auch von venezianischer Seite ein Neutralitätsversprechen abgegeben, keinem Feind auf welche Weise auch immer Hilfe zu leisten. Nach heutiger Einordnung gehören alle drei Vereinbarungen zu völkerrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Pflichten. Sie betrafen die kaiserliche bzw. die venezianische Autorität. Es handelt sich bei den Verpflichtungen der ersten acht Kapitel eindeutig um gegenseitige Sicherheits- ja Garantieabreden der Vertragspartner im eigentlich herrschaftlichen Bereich zur Bewahrung des Friedens und der Sicherheit der Gebiete der Partner aber auch in der Region insgesamt. Die Zusicherungen der c. 6 bis 8 sind echte Bündnisverpflichtungen, wie sie in dieser Zeit sonst so nicht überliefert worden sind. Aber der Vollzug lag im örtlichen Bereich, bei den dortigen Amtsträgern, nicht beim Kaiser. Daher mußten diese die Verpflichtungen übernehmen. Hier wird sichtbar, daß das regnum Italiae nicht von einer modernen Staatsgewalt des Kaisers beherrscht wurde, sondern die Teile oder Provinzen autonome Gewalten hatten, die nur angewiesen, allenfalls verpflichtet werden konnten. Das teilt das pactum in der Tat mit den Kapitularien, wie Fanta meinte. Der zweite Abschnitt der c. 9–24 regelt hingegen eher Beziehungen zwischen den Einwohnern der jeweiligen Gebiete, bzw. in bezug auf sie mit zivilrechtlichen und strafrechtlichen Regelungen. Es handelt sich um Regelungen bezüglich der Rückführung geflohener Knechte und Mägde, des Ersatzes bei Diebstahl, Bürgschaften und Verpfändungen, der Rückgabe übergelaufener Pferde und anderen Viehs, über Ersatz bei Körperverletzungen oder auch Tötung. Es werden Bestimmungen über die Rechtsprechung, die Stellung von Kautionen oder Bürgschaften bei Handelsgeschäften sowie weiterer Rechtsbeziehungen zwischen Privatpersonen getroffen. In diesem Abschnitt finden sich auch die bereits erläuterten Kapitel 16 und 17, die den Handel zwischen beiden Seiten mit Zöllen und Abgaben sowie das freie und ungehinderte Befahren der Flüsse auf kaiserlichem und päpstlichen Gebiet durch die Venetianer und des Meeres durch die kaiserliche Seite regeln. Es handelt sich dabei insbesondere für die Venezianer um eine zentrale Bestimmung, weil sie den freien Zugang zum Landhandel eröffnet. Diese Kapitel regeln zwar überwiegend Fragen des Rechts der Beziehungen zwischen Privaten, einschließlich solcher des gegenseitigen Rechtsschutzes. Aber gerade dieser, wie auch die Regelungen über den Zugang zu den jeweiligen Gebieten für Kauf-

Vertragsgegenstände

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leute u. a. betreffen auch Herrschaftsrechte. Es werden also auch insofern keine nur privatrechtlich bestimmten, sondern auch herrschaftsrechtlich konnotierte Abreden getroffen. Es zeigt sich die doppelte Dimension derartiger Regelungen, wenn sie nicht nur nach innen, sondern auch grenzüberschreitend nach außen für solche Personen rechtlich funktionabel sein müssen, die nicht dem eigenen personalen Rechtskreis angehören. Im dritten Teil c. 25 bis 35 werden verschiedene Fragen über Holzeinschlag, Weiderechte, Rechtsprechung durch missi Lothars, Rechte von Kirchen und Klöstern, Rechte von Eunuchen, Eide in Gerichtsverfahren nach dem Wert des Streites, u. a. geregelt. C. 26 ist hervorzuheben, weil er ältere vertragliche Grenzregelungen zwischen dem langobardischen König Liutprand und den damaligen byzantinischen dux und magister militum und deren spätere Erweiterung durch Aistulf durch die kaiserliche Seite bestätigt, de finibus autem Civitatis nove statuimus ... Es folgen noch weitere Regelungen von geringerem Interesse. Die Vereinbarungen des Vertrages umfassen somit eine breite Fülle von Materien, wahrscheinlich alles das, was zwischen den Partnern zu regeln war. Dabei werden vor allem im dritten Teil häufig Gewohnheit und Herkommen bestätigt, sei es allgemein, secundum consuetudinem, sei es, wie in c. 24, für die letzten dreißig Jahre. Das pactum regelt also nicht überall Neues. Unabhängig davon, inwieweit ältere vertragliche Regelungen aufgenommen werden, dies geschieht in c. 2, 23, 26 und 28 ausdrücklich, beruht der Vertrag auf altem Recht. Das zeigt, daß Gewohnheit und Herkommen weitgehend die nachbarschaftlichen Beziehungen trugen und regelten. Diese aber wurden von den Venetianern und ihren Nachbarn unter kaiserlicher und päpstlicher Herrschaft selbst getragen und verwirklicht. Es gab offenbar auf keiner Seite eine zentrale Steuerung, keinen Durchgriff der oberen Gewalten von oben nach unten, der byzantinischen Herrschaft für Venedig oder der karolingischen und päpstlichen Herrschaft auf der anderen Seite. Vielleicht bestand eine Rahmensetzung. Daher wurden Venetianer und ihre Nachbarn als Träger der Rechte und Pflichten benannt, die sie selbst auf der Ebene der personalen Rechte vereinbart hatten. Das pactum diente insoweit der rechtlichen Bestätigung, Sicherung und auch Fortentwicklung durch den Kaiser gegenüber den Dogen, nicht der Neubegründung. Nur wo herrscherliche Rechte selbst in Frage stehen, ist der Kaiser selbst Träger. Im übrigen muß er kraft seiner herrschaftlichen Gewalt dafür sorgen, daß die Vereinbarungen der Venetianer und ihrer Nachbarn auch greifen können. Wir stoßen hier auf die mehrschichtige Organisation von Herrschaft von oben und eigenen Rechten aus Gewohnheiten etc. von unten. Das würde auch bereits für den Vertrag von 812 zu gelten haben, wenn man Cessi gegen Fanta zustimmt, daß wesentliche Teile dieses pactum sich bereits in jenem Vertrag gefunden haben. Da Gewohnheiten und Herkommen im allgemeinen, wie bereits dargelegt, häufig schwer zu fassen sind, da es nicht nur an ihrer Darstellung in der Literatur, sondern auch an entsprechenden Nachrichten und Berichten fehlt, können schriftliche Bestätigungen, wie in diesem Falle, Einsichten über den konkreten Bezug hinaus für die Strukturen der allgemeinen Verkehrs- und Austauschbeziehungen geben.

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Placitum, pactio, pactum

V. Ver tr ag s d au er a. Unbefristete Verträge Zwar enthält die überwiegende Zahl der Verträge dieses Jahrhunderts keine ausdrückliche Zeitbegrenzung. Da aber alle Verträge nur persönliche Rechtsbindungen zwischen den Partnern begründeten, waren die unbefristeten Verträge strukturell an deren Lebenszeit bzw. deren Herrschaft gebunden. Das war für Bündnis-Verträge nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Daraus entstanden jedoch erhebliche Schwierigkeiten für die Zwischen-Mächte-Verhältnisse, die nach der Intention der Partner und ihrer inneren Struktur auf generationübergreifende Dauer angelegt waren. Das galt insbesondere für das fränkisch-päpstliche und für das fränkisch-oströmische Verhältnis. Nach dem Tode oder dem sonstigen Verlust der Herrschaft des einen Partners mußte, wie gezeigt, grundsätzlich der Nachfolger den Vertrag erneuern, wenn er fortgeführt werden sollte. Auch die Einbindung der Nachfolger bei dem Vertragsschluß selbst reichte offenbar nicht. Aus früheren Epochen sind zwar Verträge überliefert, die ausdrücklich eine pax perpetua begründeten. Aber auch für sie galt, daß sie erneuert werden mußten, wenn ein Partner starb.170 Aus unserer Epoche fehlen derartige Überlieferungen. „Perpetuus“ verlieh einem Vertrag keine objektive, von den Partnern losgelöste Verbindlichkeit und damit keine über sie hinausreichende Dauer. Es gab Ansätze, diese Grenze der Lebenszeit zurückzudrängen oder zu überspringen. Im fränkisch-päpstlichen Vertragsverhältnis galt, wie erwähnt, der hl. Petrus als der eigentliche Vertragpartner. Trotzdem mußte auch dieses Vertragsverhältnis seit Paul I. bei einem Wechsel des Papstes erneuert werden. Einige Verträge enthielten Bestimmungen über die Lebenszeit hinaus, aber deren Bindungskraft ist nicht eindeutig zu klären. So begründete die Bestimmung Ludwigs des Frommen in c. 8 seiner Vertragsurkunde von 817, daß auch seine Söhne und Nachfolger die Oberhoheit der Päpste über die Territorien unter keinerlei Vorwand in Frage stellen dürfen, für diese keine Rechtspflichten. Lothar war offenbar nocht nicht zum Mitkaiser und die anderen Söhne noch nicht zu Teilkönigen erhoben. Sie werden auch nicht als Unterzeichner und Eidesleistende ausdrücklich genannt. Ob sie die Urkunde als optimates zusammen mit den anderen unterschrieben und beeidet haben, ist nicht zu klären. So wurde auch dieses pactum von kaiserlicher Seite immer wieder erneuert. Es ist daher auch zweifelhaft, ob Ludwigs Regelung, daß jeder neue Papst eine Weiheanzeige an ihn oder seine jeweiligen Nachfolger richten und die amicitia erneuern solle, über den Tod Paschalis I. und Ludwigs des Frommen hinaus Bindungswirkung für eben den neuen Papst erzeugen konnte. Bei manchen Verträgen ist von ihrem Gegenstand her schwer festzustellen, ob sie unbefristet-lebenszeitlich oder strukturell befristet waren. Ein Bündnis konnte von dem Gegenstand her, vor allem einem bestimmten Kriegszug, ausdrücklich oder strukturell befristet sein, so das Bündnis Childeberts mit Kaiser Mauricius gegen die Langobarden. Erschien dieses foedus aber als eine amicitia, wie im fränkisch-päpstlichen 170

Dazu Wielers, Beziehungsformen, S. 19 ff.

Vertragsdauer

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Verhältnis, war es auf lebenszeitliche Dauer gestellt.171 Auch hier kam es wohl darauf an, ob die Verbindung einem bestimmten Zweck dienen oder das Verhältnis allgemein und grundlegend bestimmen sollte.

b. Befristete Verträge Befristete Verträge waren nicht eindeutig zuzuordnen. Die Verträge Lothars I. mit Venedig oder Sicards mit Neapel waren jeweils auf fünf Jahre abgeschlossen, enthielten aber Regelungen, die auf Dauer ausgerichtet waren. So wurde das Pactum Veneticum auch immer wieder erneuert. Aber im Hinblick auf den Inhalt der Regelungen, insbesondere für den Handel, war diese Befristung für die Beteiligten nicht ohne Gewicht. Denn die Notwendigkeit einer regelmäßigen Erneuerung eröffnete die Möglichkeiten, das pactum neu zu gestalten und den Verhältnissen anzupassen. Das geschah auch i. d. R. zugunsten Venedigs.172 Anders war es wohl mit den wahrscheinlich nur mündlich abgeschlossenen Friedensverträgen mit Abulaz von 812 und 817, die jeweils nur drei Jahre hielten, sei es, weil es vorher so vereinbart war, sei es, weil sie gebrochen wurden.173 Hier sollten offenbar keine grundlegenden Ordnungsstrukturen für das fränkisch-maurische Verhältnis geschaffen, sondern jeweils eine konkrete Konfliktlage bewältigt werden. Es ist nicht ganz auszuschließen, daß diese Verträge im Grunde Waffenstillstände waren, da pax in den Quellen auch Waffenstillstand bedeuten konnte.174 Ein eindeutiger Waffenstillstand konnte dem engültigen Abschluß eines Friedensvertrages vorhergehen, so 807 zur Beendigung des italienisch-oströmischen Krieges um Venedig und Dalmatien, Niceta ... pace facta cum Pippino rege et indutiis usque ad mensem Augustum constitutis statione soluta Constantinopolim regressus est.175 Niceta konnte als Heerführer zwar die Kampfhandlungen beenden, aber keinen endgültigen Frieden schließen, der wohl auch materielle Regelungen enthielt. Allerdings kam es nicht zum Friedensschluß, sondern zur Wiederaufnahme des Krieges. Ob Pippin einen endgültigen Frieden hätte schließen können, erscheint zweifelhaft, wenn die Implikationen für das Gesamtverhältnis Karls zu den oströmischen Kaisern bedacht werden.

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Wielers, Beziehungsformen, S. 27 ff. Dazu die Untersuchungen von Fanta und Cessi zu dem Ablauf der immer wieder erneuerten, dabei wohl auch veränderten pacta bis zu Otto II. Oben Teil II, 4. Kapitel, S. 232f. Allerdings weisen die beiden Stellen der Ann. regni Franc. ad a. 815 und 820 eine gewisse stereotype Übereinstimmung auf, die Zweifel an der zutreffenden Wiedergabe der Vorgänge wecken Wielers, Beziehungsformen, S. 5. Ann. regni Franc. ad a. 807.

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Placitum, pactio, pactum

V I. Rech ts b i n d u n g a. Fides – Texte Für die Partner der erörterten Verträge stand, wie bereits dargelegt wurde, außer Zweifel, daß sie durch die Verträge rechtliche Bindungen wechselseitiger Art begründeten. Grundlegend dafür war die persönliche mündliche oder schriftliche promissio. Durch sie engagierte der Versprechende seine fides, vor allem durch den Eid. So wird in verschiedenen Zusammenhängen die fides der Partner angeführt. Pippin und Kaiser Konstantin versprachen sich 757 gegenseitig amicitias et fidem per legatos eorum vicinsim inter se.176 Auch hier ist der Brief Karls des Großen an Offa von Mercien von besonderer Hilfe für das Verständnis. Das foedus in radice fidei firmatum soll in fructu caritatis bleiben.177 Die Verankerung in der Treue gibt dem vertraglichen Verhältnis offenbar die eigentliche Grundlage. In einem Brief an englische Bischöfe schrieb Karl: Sed quanto langiore spacio humana dividitur conservatio, tanto probatiori fide pietatis pactum servari debebit.178 Das Verhältnis zu Leo III. kennzeichnete Karl in seinem Brief von 796 zur Erneuerung des Bündnisses als fidei et caritatis inviolabile foedus.179 So sah es Leo auch selbst.180 Auf die fides Karls gründete Einhard die Bitte Leos III. im Jahre 800 um Karls Hilfe.181 Stephan II. beschwor sogar die Treue des hl. Petrus gegenüber den Franken und deren Treue gegenüber dem hl. Petrus im Hilferuf, als Aistulf 755 erneut Rom angriff. Die beider- und wechselseitige Treue verpflichtete beide, den einen zur Verteidigung, den anderen zur Hilfe durch Gebet.182 Umgekehrt brach derjenige, der das Versprechen, insbesondere den Eid brach, die fides. Das Verhalten Aistulfs nach seiner ersten Niederlage 755 führte zum zweiten Krieg Pippins gegen ihn, weil er fidem suam, quod contra rege Pippino promiserat, peccatis facientibus fefellit.183 Verschiedentlich wurde der Vertragsbrecher auch als infidelis bezeichnet. Zwar galt dies in der Regel für diejenigen, die sich der dictio der Frankenherrscher durch einseitigen Akt oder durch Vertrag unterworfen hatten. Da

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Fred. chron. cont., c. 40 (123), S. 186. Alcuini epp., Nr. 100, MGH Epp. IV, S. 145. In der Handschrift A 1 ist zwischen fidei und firmatum ein sit eingeführt. Dazu u. a. Paradisi, Storia, S. 385ff. Er sieht in der fides eine auch mit christlichen Inhalten geprägte Treue und in der Formel eine Anknüpfung an römisches Recht. Jaffé IV, S. 352. Alcuini epp., Nr. 93, MGH Epp. IV, S. 137, Z. 28. Leonis III. epp., Nr. 3, MGH Epp. V. S. 91. Einl. Einhard, Vita Caroli, c. 28, fidem regis implorare sei Leo nach den Drangsalierungen in Rom zu Karl gekommen. Codex Carolinus, Nr. 6, MGH Epp. III, S. 488: Dum regni vestri nomen inter ceteras gentes erga sinceram fidem beati Petri principis apostolorum lucidissime fulserit, valde studendum est, ut, unde gloriosores ceteris gentibus in servitio beati Petri vos omnes christiani asserunt, inde omnipotenti Domino‚ qui dat salutem regibus, pro defensione sanctae suae ecclesiae perfectius placeatis ut fidem, quam erga eundem principem apostolorum colitis, adiutricem in omnibus habeatis; ähnlich Nr. 7, ibid., S. 491. Fred. chron. cont. 38 (121), S. 185.

Rechtsbindung

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jedoch jeder Vertragspartner ein Versprechen abgegeben hatten, galt dies entsprechend auch für den Bruch eines Versprechens innerhalb eines Vertrages. Als 775 der Langobardenfürst Hrodgaud in Italien gegen die fränkische Herrschaft revoltierte, heißt es quod Hrodgaudus Langobardus fraudavit fidem suam et omnia sacramenta rumpens et voluit Italiam rebellare.184 Ähnlich wird von den Avaren für 798 berichtet eodem anno gens Avarum a fide, quam promiserat, defecit.185 Vom Abodritenkönig Sclaomir heißt es, ob cuius perfidiam ulciscendam exercitus ... trans Albiam missus fuerat.186 Diese Beispiele mögen genügen.

b. Fides – vinculum Im fränkischen Recht stand fides überall dort im Zentrum, wo es um persönliche Verpflichtung ging, beim Treueid der Untertanen,187 beim Treuegelöbnis im sich entwikkelnden Lehnsrecht,188 im schuldrechtlichen Vertrag, der ausdrücklich fidem facere hieß,189 sowie bei der Bürgschaft.190 Fides wurde stets durch Versprechen begründet, seien sie einseitig oder gegenseitig, sei es durch Eid, insbesondere den Vasalleneid oder den Treueid, oder ohne einen solchen. Da fides „gemacht“, nicht gegeben ist, kann sie offenbar auch zwischen Mächten, die nicht demselben Rechtskreis angehören, durch Versprechen hergestellt werden. Schon im römischen Recht der Beziehungen zu anderen Mächten war die fides Grundlage vertraglicher Verbindungen, selbst gegenüber unterworfenen Mächten oder Völkern.191 Ob, und wenn ja, welche allgemeinen normativen Ordnungsvorstellungen in unserer Epoche dahinter standen, kann hier offen bleiben.192 Fides stand in einigen der angeführten Texte in enger Beziehung zum Begriff vinculum.193 Sie stellte somit eine persönliche, subjektive gegenseitige Bindung der Partner dar. Das Versprechen bzw. der Vertrag bedeutete, daß sich die Partner persönlich ge-

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Ann. regni Franc. ad a. 775. Ann. regni Franc. ad a. 798. Ann. regni Franc. ad a. 819. So die Treueide, die Karl 789, 802, 806, 812/13 verlangte. Duplex legationis edictum (789), c. 18, MGH LL II, Capit. I, Nr. 23, S. 63; Capitulare missorum generale (802), c. 2, ibid., Nr. 33, S. 92; Capitulare missorum Niumagae datum (806), c. 2., ibid., Nr. 46, S. 131; dazu u. a. Brunner-Schwerin, Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 74ff.; Waitz, Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 290ff. Z. B. das fidelitas-Versprechen Tassilos von Bayern, Ann. regni Franc. ad a. 757. Dazu u. a. Gierke, Schuld, S. 144ff., der die fides facta als Haftungsgeschäft deutet; Conrad, Rechtsgeschichte, Bd. 1, S. 164. Zu dem weiten rechtlichen Anwendungsbereich des Begriffs fides, Art. fides, MLLM, Bd. 1 S. 556 f. mit zahlreichen Belegen zu insgesamt 11 Bedeutungen. Dazu Nörr, Fides im römischen Völkerrecht, passim. Dazu unten Teil IV, 1. Kapitel. Vom vinculum sacramenti spricht Stephan II. in Briefen an Pippin, z. B. Codex Carolinus, Nr. 6, MGH Epp. III, S. 489, Z. 32. Childebert II. spricht in einem Brief an Kaiser Mauricius von einem vinculum im Zusammenhang mit dem zwischen ihnen bestehenden foedus, epp. Aust., Nr. 25, MGH Epp. III, S. 138, Z. 24.

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Placitum, pactio, pactum

genseitig ihre Treue zuwandten, um das nunmehr begründete Verhältnis zu tragen und zu prägen. Das entspricht der dargestellten persönlichen Partnerschaft eines pactum zwischen den Herrschern. Allerdings ist in den Quellen auch mehrfach von Völkern die Rede, die die fides gebrochen haben, insbesondere den Sachsen und den Awaren. In beiden Fällen wird aber auch nie von einem vorhergehenden Vertrag mit einem namentlich genannten Herrscher oder einer bestimmten Führungsperson berichtet, sondern immer nur von einer vorhergegangenen Friedensbitte oder der Unterwerfung des Volkes selbst, die dann gewährt oder angenommen worden war.194 Das könnte zunächst darauf hindeuten, daß diese Völker jedenfalls in den Augen der Franken keine eindeutige Herrschaftsperson hatten, sondern ihnen insofern herrschaftlich „unorganisiert“ erschienen. Da aber verschiedentlich auch sächsische Führer, u. a. Widukind, und ein Khan oder Khane der Awaren erwähnt werden, könnte diese Redeweise darauf hindeuten, daß eine allgemeine Unterwerfung ohne besondere Vereinbarungen stattgefunden hatte. So entstand und bestand eine persönliche Bindung aller Angehörigen dieser Völker. Deren Bruch machte die Sachsen bzw. Awaren insgesamt zu infideles oder rebelles, wohingegen bei einem Vertragsbruch eines namentlich erwähnten Herrschers nur dieser selbst als infidelis bezeichnet wurde, z. B. Aistulf oder Hrodgaud. Fides begründete aber nicht nur die Bindung, sondern bildete auch den allgemeinen Inhalt des Versprechens, aus dem sich die Verpflichtungen im einzelnen ergaben, z. B. zur Zahlung der Schuld oder zum Eintreten aus einer Bürgschaft, aber auch für prozessuale Beweispflichten.195 Welche Pflichten sich im Zwischen-Mächte-Verhältnis ergaben, hing von dem Inhalt des Vertrages ab. Die erste und allgemeine Pflicht bildete aber wohl stets die Friedenspflicht. Im Vertrag Pippins mit Aistulf kamen die Pflicht, die eroberten Gebiete herauszugeben, und die Tributpflicht hinzu. In einer amicitia oder einem foedus entstanden Hilfs- und Beistandspflichten unterschiedlicher und auch unbestimmter Art. Außergewöhnlich sind insoweit die bereits erwähnten beiden Nachrichten der Reichsannalen von 815 und 820, daß die pax bzw. das foedus mit den spanisch-arabischen König Abulaz von 812 und 817 gebrochen wurden, ruptum est velut inutilis, bzw. neutrae parti satis proficium und der Krieg von beiden Seiten wieder aufgenommen wurde. Die Formulierungen könnten zwar, wie dargelegt, ungenau und die Verträge von 812 und 817 eher als Waffenstillstände anzusehen sein, wofür die Darstellung in der Chronik von Moissac spricht.196 Es könnte aber auch eine gewisse Disponibilität oder Flexibilität, gar eine frühe Form der „clausula rebus sic stantibus“ dahinter stehen. Das allerdings wäre höchst ungewöhnlich, da es der durch den Vertrag auch gegenüber nichtchristlichen Partnern implizierten fides grundsätzlich widerspräche.

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So versprachen die Sachsen 794 christianos se et fideles domno regi fore promiserunt und brachen im Jahr darauf diese fides. Ann. regnis Franc. ad a. 794 und 795. Dazu Brunner, Rechtsgeschichte, Bd. 1 S. 494. Vielleicht war ein bewußter, gezielter Vertragsbruch dem Autor dieser Chronik auch nur unbehaglich.

Sanktionen

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c. Rechtstheoretische Deutung Damit könnte eine erste Antwort auf die moderne rechtstheoretische Frage gegeben werden, wie im Zwischen-Mächte-Bereich verbindliche Verträge auch zwischen solchen Partnern geschlossen werden konnten, die verschiedenen Rechtsordnungen, ja verschiedenen religiösen Gruppen angehörten, Franken und Griechen, Christen und Heiden. Gegenüber den christlichen Herrschern mag die christliche Gemeinschaft, gegenüber den Dänen eine gewisse gemeinsame germanische Tradition eine tragende Rolle gespielt haben.197 Gegenüber dem Islam aber fehlte beides. Zwar waren die Bindungen dort lockerer, wurden aber als rechtliche angesehen. Begründung der Verbindlichkeit und allgemeiner Inhalt der Verpflichtung eines Vertrages fielen im gegenseitigen Engagement der persönlichen fides zusammen. Denn es gehörte zur versprochenen Treue, den Vertrag zu halten. Um der Treue willen mußte das Verprochene ausgeführt werden. Es bedurfte dafür keiner voraufgehenden objektiven normativen Ordnung, die dessen Verbindlichkeit begründete. Recht erscheint nicht als ein objektives Stufensystem im Sinne Kelsens, an dessen Ende die subjektive Norm des Vertrages stand. Maßgebend war jedenfalls in fränkischer, aber wohl auch in allgemeiner Sicht, allein die subjektive fides des Partners, die jedem Herrscher, wie allen anderen, die ihre fides in ein Vertragsverhältnis einbrachten, als personales Element eignete. Nichts wog daher schwerer, als die Charakterisierung als perfidis oder infidelis. Da der im fränkischen Recht bestehende enge Zusammenhang von Recht und Gericht im Zwischen-Mächte-Bereich in der Regel nicht bestand, fehlte zwar ein wesentliches Element fränkischer Rechtsvorstellung. Die Verurteilung Aistulfs durch fränkische Große nach seiner zweiten Niederlage 756 wegen des Bruchs der ersten Verträge von 755 war offenbar ein Einzelfall. Denn Aistulf stand seit 755 unter der dicio Pippins und der Franken. Am Ende des Eingangsprotokolls des pactum Veneticum Hlotarii von 840 wurde für Streitfälle ein gerichtliches Verfahren vorgesehen, et si, quod absit, aliquod malum inter partes commissum fuerit, secundum pacti huius seriem emendare et iustitiam conservare ad invicem repromittunt.198 Ob es auch für den Vertrag von 812 eine solche Regelung gab, ist mangels Überlieferung des Textes nicht festzustellen. Doch scheint diese Verbindung mit dem Gericht für die Zwischen-Mächte-Beziehungen nicht notwendig, um die Verbindlichkeit eines pactum als rechtliche zu verstehen. Der Hinweis Karls des Großen auf die pacis amicitiae iura im Brief an Offa zeigt in diese Richtung.

V II . San k ti o n en Die rechtliche Bindung durch einen Vertrag kommt konkret stets dann zur Sprache, wenn es bei der Einhaltung bzw. Erfüllung eines Vertrages Schwierigkeiten gibt oder es gar zum Vertragsbruch kommt. 197

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Der Waffeneid war bei mehreren germanischen Stämmen verbreitet. Auch die Franken benutzten ihn in heidnischer Zeit, Brunner, Rechtsgeschichte, Bd. 1, S. 258, und hatten ihn offenbar auch beim Vorvertrag benutzt. MGH LL II, Capit. II/1, Nr. 233, S. 130, S. 131 Z. 6 ff.

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a. Vertragserfüllung Beispiele wurden bereits mehrfach genannt, u. a. der Brief des oströmischen Kaisers Mauricius an Childebert II.199 Insbesondere die Päpste mahnten immer wieder die Erfüllung des Vertrages mit Pippin und seinen Söhnen gegen Aistulf an, als dieser wiederum gegen den Dukat vorging und damit seinerseits den Vertrag vom Vorjahr brach. Dabei ging es ihnen in erster Linie um die Erfüllung der promissio donationes, die Teil des Gesamtvertragswerkes war. Für Stephan II. war maßgebend, daß 754 bzw. 755 Pippin und Karl, zunächst auch Karlmann, ein schriftlich niedergelegtes Versprechen abgegeben hatten, unter Eid zudem, durch das ein vinculum entstanden sei. Deshalb mußten sie jetzt, 755, auch dafür sorgen, daß Aistulf seine Versprechen erfülle. Sie sollen es baldigst erfüllen ut non lugeatis in aeternum et condemnati maneatis in futura vita. Denn was sie Petrus versprochen hätten, hätten sie Gott versprochen. Hinter der Verpflichtung steht letztlich eine religiöse Sanktion. Stephan wird noch deutlicher Sciatis enim, quia sicut cyrographum vestram donationem princeps apostolorum firmiter tenet; et necesse est, ut ipsum cyrographum expleatis, ne dum iustus iudex ad iudicandum vivos et mortuos et saeculum per ignem advenerit in futuro iudicio, isdem princeps apostolorum eundem cyrographum demonstrans nullam, habere firmitatem, districtas cum eo faciatis rationes.200 Die Nichterfüllung des cyrographum führte nach Auffassung des Papstes zur Verurteilung im Jüngsten Gericht, aber nicht nur weil es Sünde sei, sondern weil es Rechtsbruch war. Aber die Päpste mahnten, auch nach 756, immer wieder die Verteidigungspflichten der fränkischen Könige gegen Aistulf und dessen Nachfolger Desiderius an, der wie sein Vorgänger wiederholt militärisch gegen die neuerworbenen wie die alten römischen Besitzungen vorging. Obwohl als Grundlagen der Pflichten stets die rechtlichen Verpflichtungen genannt wurden, bedienten sie sich dabei weitgehend religiöser Sanktionsdrohungen mit dem jüngsten Gericht und dem Entzug der Unterstützung des hl. Petrus und Gottes bei ihren kriegerischen Unternehmungen. Rechtliche Sanktionen wurden nicht angedroht. Sie standen offensichtlich auch nicht zur Verfügung. Da nur wenige Vertragstexte überliefert sind, ist nicht festzustellen, ob es außer für das pactum Veneticum regelmäßige Abreden über die friedliche Regelung für Streitfälle aus dem Vertrag oder für den Fall des Bruchs eines Vertrages gegeben hat, sich gar bestimmte Regeln ergaben.

b. Vertragsbruch Eine Regelung für den Fall des Vertragsbruches enthielt der Vertrag von Andelot. Hoc etiam hinc addi placuit pactione, ut, si qua pars praesentia statuta sub quacumque calliditate tempore quocamque transcenderet, omnia beneficia tam repromissa quam in

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Epp. Austr., MGH Epp. III, Nr. 42, S. 148; Gregor von. Tours, Historiarum libri, lib. VI c. 42. Z. B. Brief Stephans II. an die drei fränkischen Könige Codex Carolinus, Nr. 6., MGH Epp. III, S. 488, S. 492 Z. 22ff. und Z. 32ff.

Fazit

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praesenti conlata amittat et illi proficiat, qui inviolabiliter omnia suprascripta servaverit, et sit de sacramentorum obligatione in omnibus absoluta.201 Der Bruch des Vertrages von einer Seite hob das gesamte Vertragsverhältnis auf und stellte den Vertragspartner in jeder Hinsicht von seinen Pflichten und von seinen Eiden frei. Es spricht einiges dafür, daß diese Klausel einem allgemeinen Prinzip entsprach. Aus den Berichten in Annalen und Chroniken ergibt sich, daß, wenn das Versprechen und damit der Vertrag gebrochen wurde, mangels eines Gerichtes nur Krieg blieb. Auch Aistulf konnte 756 erst nach dem zweiten Krieg und erneutem Sieg von den Großen der Franken einem Gericht und dessen Urteil unterworfen werden. Mit Krieg wurde gegen Hrodgaud vorgegangen. Dasselbe galt gegenüber Abulaz, wenn man den Berichten der Annalen folgt und nicht einen von vorneherein auf drei Jahre befristeten Vertrag annimmt. Vertragsbruch war stets ein Grund zum Krieg. Auch dabei wird der Treubruch als die Grundlage angesehen. Da erste Vertragspflicht die Friedenspflicht war, stellte der Vertragsbruch auch einen Friedensbruch dar. In der Bußanordnung gegen Ludwig den Frommen von 833 nach seiner Absetzung wurde u. a. geltend gemacht Quod auctor scandali et perturbator pacis ac violator sacramentorum existendo pactum quod propter pacem et unanimitatem imperii ecclesiaeque tranquillitatem communi consilio et consensu ... factum ... nuper illicita potestate corruperit. Das pactum war wohl die Ordinatio Imperii von 817, die hier als Vereinbarung zwischen dem Kaiser und seinen Söhnen und den Großen über die Nachfolge zur Sicherung des Friedens im Reich dargestellt wird, die alle daran Beteiligten um des Friedens willen band. Zwar bezog sich die Äußerung auf einen internen Vorgang, kann aber als Ausdruck der allgemeinen Vorstellung über pactum und Frieden angesehen werden. Nur ein neuer Vertrag konnte daher Frieden wieder herstellen. So war 756 ein erneuter Vertrag mit Aistulf abzuschließen, bzw. der alte zu bestätigen. 817 wurde nach dem Bruch des Friedensvertrages mit dem Emir von Cordoba, Abulaz, von 812 im Jahre 815 ein neuer Vertrag geschlossen.202 Auch mit den dänischen Königen mußte der Friede nach jedem Bruch erneut hergestellt werden.203 Das Vertragsverhältnis mit Offa von Mercien hingegen war nicht gebrochen worden, wenn auch der Zugang zum Kontinent für Kaufleute und Pilger zeitweise gesperrt worden war. So konnte das antiquum pactum und foedus wieder belebt werden.204

V II I . F az i t Die Vertragspraxis unterschied sich grundlegend von der der Römer und von der heutigen. Eine Theorie fehlte zwar völlig. Aber die Praxis hatte ihre eigenen entwickelten Verfahren und Formen. Sie gründete in dem grundlegenden, allgemeinen zeitgemäßen Prinzip des personalen Rechts. Dieses öffnete gerade die Möglichkeit zu vertraglichen personalen Bindungen in Zwischen-Mächte-Beziehungen. Denn sie bedurften keiner

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Gregor von Tours, Historiarum libri, lib. IX, c. 20, Bd. 2, S. 260 ff. Ann. regni Franc. ad a. 812, 815, 817, 820 (erneuter Bruch). Ann. regni Franc. ad a. 811, 828; Ann. Bert. ad a. 831. Oben S. 212ff.

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gegebenen, objektiven, allgemeinen, gemeinsamen normativen Ordnung. Das entsprach der politisch, rechtlich und auch religiös fragmentierten und noch weithin unorganisierten Welt der Epoche nach der Antike, die erst auf dem Weg zu einer neuen Organisation war. Diese allerdings begann in eben dieser Epoche, die ersten Grundlagen gerade durch die Verträge auszubilden. Durch deren ständige Erneuerungen wurde personal-subjektiv die für die allgemeine Ordnung notwendige Dauer in der Zeit hergestellt, die institutionell-objektiv aus der grundsätzlich personalen Rechtsordnung heraus nicht möglich war. Insofern glich die „internationale“ Ordnung strukturell der inneren, in der ebenfalls Privilegien etc. immer wieder erneuert werden mußten, sogar bis in die frühe Neuzeit hinein. Vor allem die vertraglichen Bindungen zwischen Papsttum und fränkischem Königtum legten so eine der fundamentalen Ordnungsstrukturen Europas für Jahrhunderte fest. Sie verloren allmählich ihren vertraglichen Charakter, und ihre Inhalte wurden zum, wenn auch im einzelnen heftig umkämpften, zentralen Bestandteil der objektiven, allgemeinen mittelalterlichen Ordnung. Das gilt in anderer, doch ähnlicher Weise für das Verhältnis zwischen dem westlichen und dem östlichen Imperium und die pacta veneta. Aus der personalen Grundlegung der Verträge in unserer Epoche ergibt sich eine allgemeine völkerrechtstheoretische Frage. Wie gezeigt, läßt sich keine Vorstellung eines „Völkerrechts“ im modernen Begriff eines objektiven, besonderen, übergeordneten, vorgegebenen und gemeinsamen Rechts aufweisen. Es bedurfte einer solchen in dieser Zeit für die Vertragspraxis offenbar nicht, um die Verbindlichkeit konkreter vertraglicher Rechtsbeziehungen zwischen den fränkischen Herrschern und anderen Herrschern herzustellen, bzw. zu erklären.205 Gilt dies auch für andere Epochen, vor allem in der Vorantike und frühen Antike, aber auch für die folgenden Jahrhunderte des Mittelalters, bevor im 12. und 13. Jahrhundert die Wiederbelebung und Entwicklung der Theorie des Naturrechts und des ius gentium einerseits und der Prozeß der Verstaatung politischer Herrschaft andererseits einsetzten? Es gäbe dann zwei grundverschiedene Strukturen der Völkerrechtssysteme, die in sehr allgemeiner Weise, und damit auch gewiß relativ oberflächlich, als subjektive und objektive Völkerrechtssysteme bezeichnet werden könnten. Die Frage kann nur durch weitere Forschungen auch für das Hochmittelalter beantwortet werden.

205

Gegen Mitteis, Verträge, S. 575.

Quellen

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6. Kap it el: Foe du s , s ocie t as , Va sa llit ä t I. F ra ges tel l u n g en Ab 790 werden in den karolingischen Quellen die vertraglichen Verbindungen zwischen verschiedenen Mächten häufig mit dem Begriff foedus oder davon abgeleiteten Begriffen bezeichnet. Er findet sich auch in päpstlichen Quellen. Zu fragen ist, ob sich eine übereinstimmende Begriffsbildung, also eine „internationale“ Begrifflichkeit, und so ein „völkerrechtliches“, im Sinne eines übergreifenden, allgemeinen Rechtsinstituts zwischen den Mächten, feststellen läßt.1 An die Stelle von foedus oder daneben kann der Begriff societas treten, der aber nur sehr selten und auch erst im 9. Jahrhundert verwendet wird. Häufig besteht ein enger Zusammenhang mit dem Begriff pactum einerseits und mit dem Begriff amicitia andererseits. Die Begriffe stehen zudem in der Regel in enger Beziehung mit pax. Es handelte sich also um besondere Mächte-Verbindungen des Friedens. Die Scheidungen und Unterscheidungen werden jedoch nicht klar gezogen, im Gegenteil. Die Verknüpfungen in den Texten zeigen einen Gesamtkomplex der Ordnung bilateraler Zwischen-Mächte-Beziehungen an. Jedoch gibt es gerade für den Begriff foedus auch engere, speziellere Bedeutungen. Foedus ist ein Begriff aus dem von den Römern seit der Republik und auch von dem oströmischen Reich für ihre Beziehungen zu anderen Mächten eingesetzten normativen Instrumentarium, aus dem sogenannten „römischen Völkerrecht“. Die Frage ist, wieweit die Begriffsbildung und Praxis unserer Epoche davon beeinflußt ist. Auch die ältere in das 6. Jahrhundert zurückreichende Praxis der Merowinger soll mit herangezogen werden. Denn es ist davon auszugehen, daß sie, da sie der karolingischen Begriffsbildung und Praxis vorausging, diese auch beeinflußt hat.

II . Qu el l en a. Fränkische Quellen Für die Zeit Pippins wird in den fränkischen Quellen an keiner Stelle von einem foedus berichtet. Der Begriff foedus taucht in den fränkischen Quellen mit einer gewissen Kontinuität erst zur Zeit Karls des Großen auf, und zwar um die Jahrhundertwende, zunächst in den Briefen des Königs an Leo III. und an Offa, beide aus demselben Jahr 796, sodann ab 809 in den Reichsannalen und in anderen Quellen. Darin besteht ein enger Zusammenhang zwischen pactum und foedus, weshalb manche Zitate des Zusammenhangs wegen wiederholt werden. In dem genannten Brief an Leo III. bezieht sich Karl der Große zunächst auf das pactum, das er mit Hadrian eingegangen sei und fährt fort, sic cum beatidudine vestra

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Wielers unterscheidet diese beiden Quellenkategorien nicht hinreichend.

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Foedus, societas, Vasallität

eundem fidei et caritatis inviolabile foedus statuere desidereo. Offa gegenüber erinnert Karl zunächst an das alte pactum und nennt als Zweck seines Briefs, ut foedus, in radice fidei firmatum, floreret in fructu caritatis.2 Inhaltlich wird nichts ausgesagt. Aber es wird deutlich, daß es sich um eine umfassende Verbindung handelt. In seinem Brief an Michael I. bezeichnet Karl die übersandte Vertragsurkunde als pacti conscriptionem und das erbetene Gegenstück Michaels als foederis conscriptionem.3 Die Reichsannalen schildern den Einfall der Sachsen im Jahre 773 so: Et dum propter defensionem sanctae Dei Romanae ecclesiae eodem anno invitante summo pontifice perrexisset, dimissa marca contra Saxones nulla omnino foederatione suscepta. Das veranlaßte die Sachsen zu einem Angriff.4 Erst 812 verwenden die Reichsannalen wieder den Begriff foedus und bezeichnen den von Karl dem Großen an die Gesandten Michaels übergebenen Vertragstext als pacti seu foederis libellus.5 Die Gesandtschaft aus Konstantinopel im Jahr 814 überbrachte descriptionem et confirmationem pacti ac foederis.6 Im Jahr 827 heißt es wiederum, Kaiser Michael II. habe Gesandte an Ludwig propter foedus confirmandum entsandt.7 Der Biograph Karls des Großen, Einhard, nennt die Verbindung Karls mit den oströmischen Kaisern ein foedus firmissimum, dessen Zweck es sei ut nulla inter partes cuius libet scandali remaneret occasio.8 Einen bemerkenswerten Gebrauch findet der Begriff foedus in dem bereits zitierten Bericht des Poeta zum fränkisch-sächsischen Friedensschluß von 803 Firmo perpetuae conclusit foedere pacis, woraus nach jahrzehntelanger Feindschaft und brutalen Kämpfen die Einheit beider Völker erwachsen ist.9 Die erwähnten Verknüpfungen des Begriffs foedus mit anderen Begriffen, insbesondere mit amicitia und caritas, finden sich ebenfalls in den beiden genannten Briefen Karls des Großen an Leo III. und Offa sowie in den Reichsannalen von 814. Damit könnte diesen Beziehungen eine besondere Qualität zukommen. Denn die Annalen verwenden zwar den Begriff foedus auch für andere Beziehungen karolingischer Herrscher, aber in diesen Fällen fehlen derartige Verknüpfungen. Es wurde schon darauf hingewiesen, daß der Bericht der Annalen über den Bruch des Vertragsverhältnisses mit Abulaz 820 für dieses den Begriff foedus verwendet.10 Jedoch wird in dem Bericht von 817 über den Friedensschluß selbst der Begriff foedus ebensowenig verwendet wie für den früheren Friedensschluß von 812. Es heißt lediglich, die Gesandten seien pacis petendae gekommen.11 Entweder war der Begriff foedus unpräzise, oder, was näher liegt, die Autoren hatten keine klare Vorstellung von Form und Inhalt des Verhältnisses Ludwigs mit Abulaz. Auch für das Verhältnis der Fran2 3 4 5 6 7 8 9 10

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Alcuini Epp., Nr. 93 und 100, MGH Epp. IV, S. 136 und S. 144, dt. Anhang 12 und 1. Epp. Var. Nr. 37, MGH Epp. III, S. 556, dt. Anhang Nr. 3. Ann. regni Franc. ad a. 773. Ann. regni Franc. ad a. 812. Ann. regni Franc. ad a. 814. Ann. regni Franc. ad a. 827. Einhard, Vita Caroli c. 16. Oben S. 416. Ann. regni Franc. ad a. 820. Anonymus, Vita Hludowici, c. 31, S. 623, spricht von einer pax imaginaria Ann. regni Franc. ad a. 817 und 812; dort hieß es Pax cum Abulaz ...facta.

Quellen

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ken und Dänen wird verschiedentlich der Begriff foedus verwendet. Im Jahre 826 heißt es: legati quoque filiorum Godofridi regis Danorum, pacis ac foederis causa directi;12 in den Reichsannalen zu 828: Interea, cum in confinibus Nordmannorum tam de foedere inter illos et Francos confirmando ... tractandum esset13, und in den Annales Bertiniani zu 831: Necnon missi Danorum ... venerunt, et foedere firmato, ad propria repedarunt. Zwar wird 839 auch der Begriff pax amicitiaque für das Verhältnis zu den Dänen gebraucht.14 Aber das ist singulär. Als die Grenzverhandlungen mit den Bulgaren in den zwanziger Jahren sich hinzogen, drohte der Bulgarenkönig, wenn es nicht zum Abschluß käme, suos quisque terminos sine pacis foedere tueretur. Da ein Abschluß unterblieb, griffen die Bulgaren im darauffolgenden Jahr an. 15 In den bisher vorgestellten Texten steht der Begriff foedus stets in irgendeiner Weise in Beziehung zu pax. Das ist aber nicht immer der Fall. Nach dem Bericht der Annalen aus den Jahren 808 und 809 hatte der Dänenkönig Godofrid zusammen mit den Wilzen und anderen Slawen die Abodriten überfallen, die seit der Umsiedlungsaktion Karls des Großen im Jahre 804 früheres sächsisches Gebiet nördlich der Elbe bewohnten.16 Der Kaiser sandte seinen ältesten Sohn Karl über die Grenze, um das Gebiet Sachsens zu schützen. Es kam aber nicht zur Schlacht. Ein Jahr später schickte Godofrid Gesandte an Karl, um sich offenbar zu rechtfertigen: foederis inruptionem ab illis (den Abodriten) primo fuisse inchoatam. Es bleibt unklar, zwischen wem dieses foedus bestand und welchen Inhalt es hatte. Die Abodriten standen zu dem Zeitpunkt in einem engeren Rechtsverhältnis zum Frankenreich. Denn in den Annalen für 789 werden östliche Nachbarn der Franken als vel subiecti vel foederati bezeichnet, denen die Wilzen immer feindlich gesonnen seien, weshalb Karl gegen diese Krieg führte. Damit sind wohl die Abodriten gemeint, die Einhard in der Vita Caroli als cum Francis olim foederati erant bezeichnet.17 Von einem foedus Karls mit Godofrid, das die Abodriten eingeschlossen hätte, wird hingegen nichts berichtet. Im Zusammenhang der Darstellung der Auseinandersetzung Karls des Großen mit Tassilo behauptet Einhard, dieser habe versucht, iuncto foedere cum Hunis den König zum Krieg herauszufordern.18 Zwar unterwarf sich Tassislo später, doch erwuchs aus diesem Vorgehen des bayerischen Herzogs die Auseinandersetzung Karls mit den Hunnen bzw. Awaren. Der Anonymus verwendet den Begriff in bezug auf die Verschwörer gegen Ludwig im Jahr 830: Nam primum inter se primores quodam foedere coniurant.19

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Ann. regni Franc. ad a. 826. Ann. regni Franc. ad a. 828. Die Ann. Fuldenses ad a. 828, haben Foedus cum Nordmannis factum. Ann. Bertiniani ad a. 839. Direxit et Horicus missos ad imperatorem ... et cum eo nepotem suum munera gentilitia deferentes, pacis amicitiaeque arctius stabiliusque gratia confirmandae. Ann. regni Franc. ad a. 824, 825, 826 und 827. Ann. regni Franc. ad a. 808 und 809. Einhard, Vita Caroli, c. 12. Einhard, Vita Caroli, c. 11. Anonymus, Vita Hludowici, c. 44.

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Foedus, societas, Vasallität

b. Päpstliche Begriffsbildung Anders als die fränkischen Quellen verwenden die päpstlichen Quellen den Begriff foedus mehrfach für das fränkisch-päpstliche Verhältnis. Die Vita Stephani II. berichtet, der Papst habe Pippin unter Tränen gebeten, ut per pacis foedera causam beati Petri et reipublice Romanorum disponeret.20 Sein Nachfolger Paul I. bat Pippin mit der Anzeige seiner Wahl, er möge in ea fide et dilectione et caritatis concordia atque pacis foedera ... permanentes und verspricht et cum nostro populo permunetimus usque in finem.21 Danach taucht der Begriff in den päpstlichen Quellen für das fränkisch-päpstliche Verhältnis nicht mehr auf. Vielmehr werden die vielfachen Aufforderungen Pauls I., Stephans III. und auch Hadrians I. zur Hilfe und Verteidigung gegen Aistulf und Desiderius auf dilectio, caritas und die Salbung durch den hl. Petrus gestützt. Aber für die Darstellung der Beziehungen zwischen Papst Stephan II. und dem langobardischen König Aistulf und für das pactum zwischen Pippin, dem Papst und Aistulf wird der Begriff foedus weiterhin verwendet. In der Vita Stephans II. wird berichtet, der Papst habe zu Anfang des Konfliktes mit Aistulf Gesandte an den Langobardenkönig entsandt ob pacis ordinandum atque confirmandum foedera. Ein pactum foedus sei auf vierzig Jahre abgeschlossen, aber bereits nach vier Monaten von Aistulf gebrochen worden. Der Bericht knüpft daran mit der späteren Forderung Pippins an Aistulf an, das Patrimonium Petri herauszugeben, propter pacis foedera et proprietatis sancte Dei ecclesie reipublice restituenda iura.22 Auch das pactum mit Aistulf nach dessen Niederlage wird als foedera pactum inter Romanos Francos et Langobardos, und zwar scriptum bezeichnet.23 In Bezug auf Aistulfs Nachfolger Desiderius bat Paul I. verschiedentlich Pippin, mit Desiderius, der sich zur Erfüllung der Rückgabeverpflichtung bekannt habe, pacis foedera und amicitia zu halten.24 In der Vita Hadriani heißt es ebenfalls in bezug auf den langobardischen König: in ea foederis pace quae inter Romanos Francos et Langobardos confirmata est studebo permanendum.25

II I. R ömi s ch es F o ed u s a. Fragestellung Da foedus wie alle anderen rechtlich erheblichen Begriffe der lateinischen Sprache angehört und nach der oben geäußerten Vermutung im Zusammenhang mit der soge-

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Vita Stephani II., Liber Pontificalis I, S. 447f. Codex Carolinus, Nr. 12, MGH Epp. III, S. 507f., dt. Anhang Nr. 6. Vita Stephani II., Liber Pontificalis I, S. 441f , S. 449. M. E. ist hier nicht Pippins foedus mit Stephan gemeint; denn das konnte kein Grund für die Rückgabe sein, sollte doch das pactum des Papstes mit Aistulf gerade die Übergriffe auf päpstliches Gut verhindern. Diese stellten also einen Rechtsbruch dar, um dessen Wiedergutmachung es ging. Ibid., S. 451; Vita Hadriani I., Liber Pontificalis I, S. 487, Z. 8f. Codex Carolinus, Nr. 16, MGH Epp. III, S. 513; ibid., S. 514, Nr. 19, Z. 1; ibid., S. 519f., Z. 17. Vita Hadriani I., Liber Pontificalis, I, S. 487, Z. 8f.

Römisches Foedus

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nannten karolingischen Renaissance wieder in den Sprachgebrauch fränkischer Quellen aufgenommen wurde, liegt es nahe zu fragen, ob mit dem lateinischen Wort zugleich die römisch-rechtliche Sache mitübernommen wurde, d. h., ob foedus in unserer Epoche zumindest von dem römisch-rechtlichen Begriffsinhalt beeinflußt war. Dabei kann es sich aber wohl nicht um das klassische republikanisch-römische foedus, sondern nur um seine Ausprägung in römisch-byzantinischer Zeit gehandelt haben, die allerdings auf jenem aufruhte. Folgt man dem gegenwärtigen Stand der Forschungen zum römischen Völkerrecht, so stellt sich das foedus zwar durchgehend als ein förmlicher Vertrag zwischen Rom und anderen Mächten dar.26 Aber Abschluß, Inhalt und Funktion wandelten sich mit der Geschichte des römischen Gemeinwesens von der Republik über das Kaiserreich zum oströmischen Reich nicht unerheblich.

b. Klassisches foedus Das klassische foedus wurde in der frühen Zeit im Unterschied zur sponsio 27 gemäß dem wohl auf die Etrusker zurückgehenden Fetialritus durch den pater patratus mit vorgeschriebenen Formeln nach bestimmten Riten und durch Schwur förmlich geschlossen.28 Später war maßgebendes Abschlußorgan offenbar der Senat. Die Beteiligung der Volksversammlung schwankte. Ein foedus konnte auch durch die Feldherren abgeschlossen werden. Mit dem Prinzipat, dem Übergang von der Republik zur Monarchie, ging die Abschlußbefugnis auf die Kaiser über, die allerdings den Senat noch beteiligten. Der Vertrag konnte schriftlich oder mündlich geschlossen werden. Durch foedera wurden Kriege beendet. Der Vertrag war in diesem Fall ein Friedensvertrag. Ein foedus konnte auch im Friedenszustand ohne vorherigen Krieg abgeschlossen werden, beendete dann aber nicht etwa einen „natürlichen Kriegszustand“. Diese vor allem von Mommsen vertretene Auffassung gilt heute allgemein als überholt.29 Auch mit Mächten, mit denen kein foedus, d. h. keine ausdrückliche förmliche vertragliche Bindung bestand, herrschte prinzipiell Frieden. So konnten private Beziehungen des Handels etc. bestehen. Dieser Zustand war rechtlich allerdings höchst unsicher. Die Inhalte eines foedus waren unbestimmt. Die Wiedergabe mit „Bündnis“ trifft zwar in den überwiegenden Fällen zu, ist aber zu eng. Foedus meinte zunächst nur „Vertrag“ in förmlicher Weise. Alle Versuche, römische Verträge mit andern Mächten in ein System zu bringen, haben offenbar nicht zu eindeutiger Klarheit geführt, nach-

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Medicus, Foedus, Sp. 587; Ziegler, Völkerrecht, bes. S. 91ff.; mit weiteren Verweisen auf ältere und neuere Literatur; ders., Friedensverträge, S. 45 f.; Heuß, Abschluß, S. 14ff. Zur Unterscheidung u. a. Paradisi, Storia, S. 190 f. Formel bei Livius, 1.24 7f.; zum Folgenden Ziegler, Völkerrecht, S. 90; ders., Friedensverträge, S. 52ff.; ders. Beziehungen, S. 24ff. und 48f. Zuerst Seckel, Krieg, S. 9; ausführlich Heuß, Grundlagen, S. 1ff.; Ziegler, Völkerrecht, S. 68f.

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Foedus, societas, Vasallität

dem sich erwiesen hat, daß amicitia kein Vertragsverhältnis bezeichnete.30 So war foedus die generellste Form eines vertraglich geregelten Rechtsverhältnisses Roms mit einer anderen Macht. Es umfaßte im konkreten Fall Regeln des Handels, der Rechtsstellung der Bürger, der militärischen Bundesgenossenschaft etc. Maßgeblich waren auch die Umstände, die zum Abschluß eines foedus führten. Im Friedenszustand konnte ein foedus der allgemeinen rechtlichen Sicherung, Ordnung, Verdichtung und Verabredung bestimmter Rechte und Pflichten dienen. An die Bundesgenossenschaft knüpfte u. a. die Unterscheidung zwischen foedus aequum und foedus iniquum an, die aber anscheinend eher politisch als rechtlich zu verstehen ist.31 Im ersten blieben die Partner Roms unabhängig und gleichberechtigt neben ihnen. Bundesgenossenschaft bestand in diesen Bündnissen vor allem in Verteidigung oder verlangte für einen Angriff einen gemeinsamen Beschluß.32 Lag keines von beiden vor, verlangte und erlaubte ein foedus aequum Neutralität des Bündnispartners. Im foedus iniquum war der Partner zwar frei, also nicht römischer Herrschaft unterworfen oder eingegliedert. Aber er war nicht mehr in vollem Maße unabhängig in der Entscheidung über seine Kriegsbeteiligung und daher auch nicht völlig gleichberechtigt.33 Ein am Ende eines Krieges nach der deditio des Unterlegenen geschlossenes foedus wurde in der Regel als foedus iniquum eingegangen.34 Das foedus iniquum enthielt nach Procul die Klausel ut is populus alterius populi maiestatem comiter conservare.35 Damit mußten die Bundesgenossen auch beim Angriff Roms auf eine andere Macht Beistand leisten.36 Nachdem Rom zur umfassenden Herrschaft im Mittelmeerraum aufgestiegen war, und es dort keine unabhängigen Mächte mehr gab,37 blieb das foedus aequum auf die Beziehung zum Partherreich beschränkt.38 Im Norden gab es zunächst keine organisierten Mächte. Später wurde ein foedus im klassischen Sinn nur noch im Jahr 562 mit dem als gleichberechtigt und unabhängig anerkannten Perserreich abgeschlossen.39

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Generell dazu Heuß, Grundlagen, S. 1ff.; zur „Vertragssystematik“ Ziegler, Völkerrecht, S. 82ff., in Auseinandersetzung mit älterer Literatur, insbesondere Mommsen, Täubler u. a. So Ziegler, Völkerrecht, S. 92ff. Dazu auch Paradisi, Storia, S. 58 ff. Seckel, Krieg, S. 25. Gundel, Begriff, S. 283ff.; Ziegler, Völkerrecht, S. 92, gegen die dort zitierte ältere Auffassung Mommsens u. a. Beispiele bei Ziegler, Friedensverträge, S. 56f. Zur deditio unten, S. 537ff. Proc. D. 49.15.7.1. Die neutrale Formulierung verbirgt nur, daß das „andere Volk“ Rom ist. Seckel, Krieg, S. 26. In der Literatur wird das Jahr 168 v. Chr. der Unterwerfung des Seleukidenkönigs Antiochos IV. in der Schlacht von Pydna als Ende der römisch-hellenistischen Völkerrechtsordnung angesehen, da dadurch die plurale Welt politischer Mächte mit Ausnahme des Partherreiches in der einen Weltmacht Rom aufgegangen sei; Preiser, Epochen, S. 121; ihm folgend Ziegler, Beziehungen, S. 6. Liv. II 33, 4; generell Neumann, foedus, Sp. 2819f. Dazu Ziegler, Tradition, S. 15ff., mit weiteren Nachweisen.

Römisches Foedus

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c. Foedus im Kaiserreich Für das römische Kaiserreich wird in der Literatur eine Epochengrenze mit dem Untergang des weströmischen Kaisertums im fünften Jahrhundert gezogen. Mit dem Übergang der alleinigen Herrschaft auf den oströmischen Kaiser habe „ein neues Kapitel der Völkerrechtsgeschichte“ angefangen.40 Zu beachten ist, daß, anders als die germanischen Königreiche und selbst die Karolinger in unserer Epoche, das Kaiserreich bis zum 5. Jahrhundert wie auch später die oströmischen Kaiser auf Grund ihrer zentralen politischen Stellung, aber auch der geographischen Lage im Zentrum der damaligen Welt, umfassende Beziehungen mit einer Vielzahl sehr verschiedener Mächte unterhielten und unterhalten mußten, mit denen auch Verträge unterschiedlicher Art eingegangen wurden.41 Wenn es die Situation gebot, wurden mit den duces oder reges der Völker foedera als Friedensverträge abgeschlossen. Streitig ist, ob diese durch die Lebenszeit der Kaiser oder Führer begrenzt oder über diese hinaus zwischen den populi und dem Reich unbefristet Rechtsbindungen erzeugten.42 Die Ausgestaltungen der Verträge waren offenbar unterschiedlich. Die Verpflichtungen auf Seiten der Germanen konnten Allianzversprechen, Neutralitätsversprechen oder Nichtangriffsversprechen enthalten, je nach deren Gesamtstellung zum Reich. Allianzversprechen waren mit Ansiedlungen auf Reichsboden und auch Zahlungen an die Germanen verbunden. Aber dafür stellten sie Hilfstruppen zur Verfügung, die in das oströmische Heer einbezogen wurden, vor allem zur Verteidigung der Grenzen gegen Hunnen und andere germanische Völker. Streitig ist jedoch, ob man insofern von Foederatenverträgen als einem eigenen Vertragstypus sprechen kann.43 Das kann dahingestellt bleiben, da sie ab dem 5. Jahrhundert verschwanden. Foedus war also Friedensvertrag und Allianz. Wiederum scheint das Verhältnis beider Partner nicht eindeutig bestimmbar. In der neueren Forschung wird zwischen einseitig und zweiseitig stilisierten Verträgen und entsprechenden Vertragsformularen unterschieden.44 Nur die Verträge der ersten Gruppe hätten einseitige Pflichten der germanischen populi enthalten. Hingegen zweifelt eine ältere Forschung die Aussage Prokops an, es habe sich um ein Verhältnis der Gleichheit gehandelt. Zwar sei die Unterscheidung foedus aequum und foedus iniquum obsolet geworden. Jedoch hätten die germanischen Völker, auch wenn sie nicht besiegt worden seien, aus byzantinischer Sicht doch als foederati einen Status der Eingliederung erlangt, wenn nicht sogar der

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Schulz, Entwicklung, S. 15. Von den 90 Verträgen, die Schulz im Anhang seiner Untersuchung, Entwicklung, S. 175 für das 4. und 5. Jahrhundert aufzählt, sind 58 Verträge mit germanischen Mächten abgeschlossen worden. Andere wurden mit Indern, Persern, Hunnen, Armeniern eingegangen. So u. a. Schulz, Entwicklung, S. 21ff.; zum Problem des Verhältnisses von „ewigen“ zu nur temporären Friedensschlüssen, Paradisi, Storia, S. 198ff. So die wohl h. M., u. a. auch Paradisi, Foedera iniqua, S. 509ff.; Wirth, Frage, passim; dagegen wiederum Schulz, Entwicklung, S. 28 ff. und 131. Schulz, Entwicklung, S. 28 ff. und 42 ff.

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Unterwerfung. 45 Außerdem wurden germanische Führer und Könige mit römischen Ehrentiteln wie magister militium, patricius, consul in die byzantinische Hierarchie aufgenommen und eingegliedert. Der Abschluß eines foedus folgte bestimmten Formen und Verfahren, je nachdem, wo der Abschluß stattfand und ob der Kaiser unmittelbar beteiligt war. Dem endgültigen Vertragsschluß ging ein Präliminarvertrag voraus. Dieser wurde dann zum endgültigen Vertragstext weiterentwickelt, der seinerseits beeidet wurde. Es fand wohl auch ein Urkundentausch statt. Es trat also mehr und mehr Verschriftlichung ein.46 War der Kaiser nicht anwesend, mußte in Konstantinopel seine Bestätigungsurkunde, also eine „Ratifikation“ eingeholt werden. Es scheint sich eine Abschlußform ritu gentium herausgebildet zu haben, die in entsprechender Weise auch von den germanischen gentes in ihren Beziehungen angewendet wurde.47

IV. F oe d er a d er Mer o w i n g er a. Quellen Gregor von Tours verwendet den Begriff foedus verschiedentlich. Er dürfte ihm als Gallo-Romane aus guter Herkunft und mit hoher Bildung bekannt gewesen sein. Die Verwendung deckt verschiedene Inhalte und Verbindungsformen und ist vor allem nicht stetig. D. h. in manchen Fällen wird der Begriff verwendet, in anderen aus heutiger Sicht gleichgelagerten aber nicht. Die dritte, allerdings sehr geringe und auch nicht kontinuierliche Quelle, überlieferte Briefe merowingischer Könige, ist insofern etwas deutlicher, als sich die Verwendung des Begriffs auf eine Bedeutung beschränkt, nämlich als Bündnis oder Allianz. Gregor von Tours berichtet, daß der westgotische König Rekkared nach dem Tod seines Vaters mit seiner Stiefmutter Gosuintha ein foedus schloß eamque ut matrem suscepit. Auf Grund des Rates seiner Mutter schlägt Rekkared den fränkischen Königen Gunthram und Childebert II. vor, Pacem habete nobiscum et ineamus foedus, ut adiutus praesidio vestro, cum necessitatis poposcerit, simile nos condicione, intercedente caritate, muniamus.48 Gunthram lehnte ab, woraus eine inimicitia erwachsen sei. Childebert II. hingegen nahm die Gesandten cum caritate auf; es fand ein Geschenketausch statt und sie erlangten Frieden. Es können noch zwei Berichte bei Gregor von Tours genannt werden. 574 begann Sigibert einen Krieg gegen Chilperich. Quod audiens Chilpericus ad fratrem suum Guntchrammum legatus mittit. Qui coniuncti pariter

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Paradisi, L’Amicitia 2, S. 376 ff., ausführlich ders. Foedera iniqua, S. 519 ff. Er geht weitgehend von einer Klientel-Beziehung aus. Paradisi, Storia, 191 ff. Es waren Einflüsse privatrechtlicher Vertragsformen gegeben. Paradisi ibid., S. 194 mit Anm. 212 Zitat Icto post haec foedere (zwischen Kaiser Konstans und den Alemannen 354) gentium ritu, perfectaeque solemnitate etc. Gregor von Tours, Historiarum libri, lib. IX, c. 1.

Foedera der Merowinger

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foedus iniunt, ut nullus fratrem suum perire sinerit.49 Im Jahre 584, nach dem Tode Chilperichs, begab sich Herzog Desiderius zu Mummulos nach Avignon cum quo foedus ante duos annos inierat.50 An anderer Stelle berichtet Gregor von Tours über ein foedus zwischen König Sigibert und dem König der Hunnen oder Awaren. Nach einem ersten Krieg, in dem Sigibert erfolgreich war, schlossen sie eine amicitia, sed postea rex eorum amicitias cum eodem (Sigibert) per legatos meruit. Nach einem erneuten Krieg gelang es dem diesmal unterlegenen Sigibert, datis muneribus, foedus cum rege iniit, ut omnibus diebus vitae suae nulla inter se proelia commoverint. 51 In der sogenannten Chronik des Fredegar und ihren Fortsetzungen findet sich der Begriff hingegen anscheinend nur einmal. Der Fortsetzer der Fredegarchronik erzählt, daß zur Zeit der Herrschaft Karl Martells der aquitanische Herzog Eodo a iure foederis recedente, woraufhin der Hausmeier gegen ihn zu Felde zog und ihn besiegte.52 Es gibt keine Nachricht, wann das gebrochene foedus geschlossen worden war. Im übrigen schildern die Chronik und ihre Fortsetzungen vielfach Zusammenschlüsse, Bündnisse, Allianzen, auch Friedensschlüsse, die aber oft interne Verbindungen und Auseinandersetzungen zwischen Adelsgruppen betreffen. Aber die Autoren benutzen immer andere Begriffe, wie z. B. amicitia, oder begnügen sich mit der Darstellung der Ereignisse.53

b. Merowinger – Ostrom Mit der Errichtung und Verfestigung germanischer Königreiche, insbesondere der Ostgoten, Westgoten, Burgunder und Franken, auf dem zentralen Gebiet des ehemaligen Westreiches ab dem 5. Jahrhundert wurden auch die vertraglichen Beziehungen zwischen diesen und Byzanz fortentwickelt. Sie verdichteten das Verhältnis des oströmischen Kaisertums zu den neuen germanischen Königreichen ab dem 6. Jahrhundert zu den Westgoten, Burgundern und, vor allem hier von Interesse, den Franken.54 Die Inhalte der Verträge mit den germanischen Königen, vor allem auch mit den Franken, konzentrierten sich wohl nach wie vor auf Friedensschluß und Allianzen, gerade auch gegen andere germanische Könige.55 Der Begriff foedus wird aber nicht immer für diese Allianzen verwendet. Um 539 wurde Theudebert I. anscheinend durch einen Gesandten Justinians aufgefordert, dem oströmischen Feldherrn in Italien, Belisar, 3000 Mann zur Verfügung zu stellen. Aber der König machte in einem Brief an den 49

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Gregor von Tours, Historiarum libri, lib. IV, c. 49. Wielers, Beziehungsformen, S. 28 interpretiert das als fraternitas. Aber diese allein genügte offenbar nicht. Es bedurfte noch eines foedus. Gregor von Tours, Historiarum libri, lib. VII, c. 10. Gregor von Tours, Historiarum libri, lib. IV, c. 23, c. 29. Chron. Fred. cont, 13 (108), S. 175. Z. B. Chron. Fred. cont. 5 (98), S. 171, für eine Verbindung zwischen einer neustrischen Adelsopposition mit dem austrasischen Hausmeier Pippin dem Älteren. Zu den Beziehungen zwischen den Kaisern und den Merowingern umfassend Ewig, Merowinger, passim. Auch diese sind alle bei Masur, Verträge, im ersten Teil „Regesten“ S. 1ff. enthalten.

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Foedus, societas, Vasallität

Kaiser geltend, der Gesandte habe sich verspätet.56 Ein foedus wird nicht erwähnt, muß aber wohl vorgelegen haben. Das ergibt sich aus einem Brief, den Theudeberts Sohn König Theodebald um 547 an Kaiser Justinian schrieb, in dem er sich für eine oströmische Gesandtschaft und die ihm überbrachten Geschenke bedankte, die der Kaiser anläßlich seiner Nachfolge an ihn geschickt hatte. Am Ende bittet er um Fortsetzung der Bindung, Amicitias nostras, quas delectabiliter requiritis, stabiliter, rogamus, studeatis, et, quod melius foedere inviolabili permaneant, ab animis vestris, nullis intercedentibus causis, absistant.57 579/80 schlossen der Kaiser und merowingische Könige Bündnisse gegen die Langobarden.58 Das Bündnis mit dem byzantinischen Kaiser ließ dem fränkischen König offenbar einen Spielraum. 584 benutzte Childebert II. in einem Brief an Kaiser Mauricius hinsichtlich des bereits mehrfach erwähnten Bündnisses die Wendung clementissime serenitate vestrae elegimus aduniri per foedera et illem, qui placet Domino, inpendere vobis affectum pacate gentis ex vinculo, quod proficisset communiter utrisque partibus expeditum pacis compendium.59 Childeberts Mutter wandte sich in einem Brief an die Kaiserin Anastasia Tranquillitatis vestrae supereminens dignitas, quae cursu prosperitatis vos extulit, rempublicam felicissime regere, hortatur nos efficaciter, si Christi dictum placuerit, amicitiarum foedera propagare.60 Beide verwenden foedus bzw. amicitiarum foedera, gehen also in jeder Hinsicht von einem gegenseitigen Verhältnis aus.61 Mauricius bezeichnete jedoch das gegenseitige Verhältnis nicht mit dem Begriff foedus. Vielmehr spricht er zweimal in unterschiedlichen Formulierungen von einer amicitia. Er fordert den König zur Erfüllung der Pflichten auf si nostram amicitiam appetere desideratis; am Ende des Briefes heißt es: Non enim pro inimicitia memorate conventionis a nobis factae sunt, sed ut amicitia firma et inlibata permaneat. Es sind also Verträge abgeschlossen worden, um die amicitia zu begründen. Zudem beruft sich der Kaiser darauf et dicioni Romanae unitatem esse conprobatam. Das deutet aus oströmischer Sicht auf eine Abhängigkeit oder Ungleichheit in der Stellung Childeberts II. dem Kaiser gegenüber hin. In der oströmischen Terminologie spielte offenbar der Begriff amicitia eine größere Rolle als foedus. Das Bündnis von 579 endete faktisch, als 591 Franken und Langobarden Frieden schlossen und für die folgende

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Epp. Aus., Nr. 19 MGH Epp. III, S. 132 f. Epp. Aus., Nr. 18, MGH Epp. III, S. 131 f., 132, Z. 7 ff. Zu der „neuen“ Richtung oströmisch-fränkischer Allianz Ewig, Merowinger, S. 28 ff. Dabei scheint auch bereits die Berufung auf die Verteidigung des gemeinsamen Glaubens eine Rolle gespielt zu haben. So bat Papst Pelagius II. den fränkischen Bischof Aunachar, er solle die Könige, die mit dem Römischen Reich den orthodoxen Glauben teilten, beeinflussen, um des Erbarmens Gottes willen die noch arianischen Langobarden abzuwehren. Die späteren Bitten Gregors III. an Karl Martell und Stephans II. an Pippin haben also für die Päpste eine längere Vorgeschichte. Oben Teil II, 2. Kapitel, S. 111. Epp. Aus., Nr. 25, 30, MGH Epp. III, S. 138, 141. Epp. Aus., Nr. 42, 25, 30, MGH Epp. III, S. 148, 138, 141. Zu diesen Unterschieden Wielers, Beziehungsformen, S. 28 ff.

Foedera der Merowinger

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Zeit engere Beziehungen entwickelten.62 Für das 7. Jahrhundert werden Bündnisse oder andere Verträge zwischen oströmischen Kaisern und fränkischen Königen nicht erwähnt.

c. Form Ob ein foedus in merowingischer Zeit mündlich oder schriftlich geschlossen wurde, könnte von den Partnern abhängig gewesen sein. Beeidigungen wurden, wenn auch nicht ohne Schwierigkeiten, nach den jeweiligen Riten vollzogen, die in den religiösen Unterschieden begründet waren. Wie dargelegt, war das auch später in unserer Epoche der Fall. Mit den oströmischen Kaisern erfolgte der Abschluß offenbar auch in dieser vorkarolingischen Epoche schriftlich. Paradisi vertritt die Auffassung, daß die frühen Germanen zwar nicht unempfindlich gegen die neuen Formen des von oströmischer Tradition geprägten Vertragsschlusses gewesen seien und nach und nach ältere Gewohnheiten aufgegeben hätten. Aber die engere Verbindung mit Byzanz habe nicht dazu geführt, daß es plötzlich ein gemeinsames internationales Recht gegeben habe. Zwar hätten sich die beiden Zivilisationen nicht mehr ignorieren können, aber es habe zwei unterschiedliche juristische Sprachen gegeben. Erst allmählich sei es zu einer Assimiliation durch die Verträge gekommen. So sei auch die Schriftlichkeit mehr und mehr von den germanischen Mächten übernommen worden.63

d. Ergebnisse Zwar wird foedus in den merowingischen Quellen mehrfach verwendet, aber es ist kein üblicher, beständig eingesetzter Begriff, um die besondere Verbindung zweier Herrscher zu bezeichnen. Z. T. fehlt jede Art näherer Kennzeichnung, z. T. wird nur von dem Abschluß einer durch Eide bekräftigten pactio oder conventio64 berichtet oder auch eine amicitia genannt65 . Inhaltlich deckte der Begriff foedus für die merowingische Epoche ein recht breites Spektrum ab. Er wird im Sinne der Herstellung oder Wiederherstellung des Friedens verwendet. Der Friedensschluß konnte auch mit einem als Geschenke verschleiertem Tribut verbunden sein, wie zwischen Sigibert und dem König der Hunnen. Aber foedus kann auch einen ganz bestimmten, auch eher kurzfristigen Zweck eines Bündnisses oder einer Allianz haben, so das foedus zwischen Childebert II. und Mauricius.66 Jedoch wird häufig von einer Allianz berichtet, ohne den Begriff foedus zu verwenden. In einem Fall wird etwas über die Gegenleistung für den Beistand gesagt.67 Im Verhältnis Karl Martells zu dem aquitanischen Eodo kann es sich um ein Treueverhältnis ge62

63 64 65 66 67

Paulus Diaconus, Historia, lib. IV, c. 1, S. 142; die Langobarden zahlten 12.000 Solidi Tribut jährlich, Fred. Chron, IV, 45, S. 143; Ewig, Merowinger, S. 48 ff. Taube, L’apport, S. 272; Paradisi, Storia, S. 193ff.; ders. Foedera iniqua, S. 532 ff. Gregor von Tours, Historiarum libri, lib. VI, c. 3. Chron. Fred. cont. 5, S. 171. Wielers, Beziehungsformen, S. 28. Chron. Fred. c. 73.

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Foedus, societas, Vasallität

handelt haben, da der Hausmeier den Herzog wegen seines Vertragsbruchs mit Krieg überzog. In der oströmischen Praxis gegenüber den Merowingern begründete ein foedus ein zeitlich befristetes, konkretes Bündnis, eine i. d. R. gegen einen anderen germanischen König gerichtete Allianz, keine dauerhafte allgemeine und umfassende Regelung des Gesamtverhältnisses. Es scheint eine gewisse Einseitigkeit der Pflichten zu Lasten der germanischen Partner bestanden zu haben, die jedoch für ihren militärischen Beistand Geld bekamen.68 Aber die Frage der Gleichheit der Verträge, d. h. der foedera zwischen den oströmischen Kaisern und den Königen der germanischen Gemeinwesen, blieb im Hinblick auf die byzantinische Position, daß das Römische Reich als Ganzes unter der Herrschaft der Kaiser fortbestehe, offen. Ob und wie sich diese Konzeption in Vertragsformulierungen niedergeschlagen hat, ließe sich nur aus diesen selbst erschließen. Ewig ist der Auffassung, die merowingischen Könige hätten in den dreißiger Jahren des 6. Jahrhunderts „fast in der Rolle von Föderaten“ gestanden, da Justinian ihnen zunächst nur Subsidien angeboten hatte.69 Man nahm von Konstantinopel offenbar auch politischen Einfluß auf die Franken. Streitig ist jedoch, wie es ab dem 5. Jahrhundert um „Souveränität“ und „Reichsangehörigkeit“ der Germanenreiche gestanden habe. Eine grundsätzliche Kritik dieser Fragestellung selbst macht jedoch zutreffend geltend, daß diese Begriffe dem Grunde nach nicht auf die konkreten Verhältnisse in ihren geschichtlichen Bedingungen anwendbar seien.70 Es gehört auch zu den in dieser Untersuchung immer wieder betonten methodischen Grundprinzipien, Gegenwartsbegriffe für andere historische Epochen möglichst zu vermeiden, da sie zu deren Fehlinterpretationen führen können. Auf diese Differenzen braucht an dieser Stelle aber nicht eingegangen zu werden, denn es kommt im vorliegenden Zusammenhang auf die oströmische Position an. Diese aber geht nach übereinstimmender Ansicht auch in dieser Zeit noch von dem Konzept der Zugehörigkeit der neuen Königreiche im Westen zum Reich aus, so anachronistisch das in der Wirklichkeit auch gewesen ist.71 Das drückte sich vor allem im Konzept der „Familie der Könige“ aus. So redeten die Könige der gentes den Kaiser stets als pater an. Theudebert I. adressierte seinen erwähnten Brief an den Kaiser domino inlustro et praecelentissimo domno et patri, Iustiniano imperatore, ließ aber andererseits als erster fränkischer König sein Bild auf eigene Münzen prägen. Sie trugen zunächst nach wie vor oströmische Titel. Chlodwich war nicht nur fränkischer König, sondern auch römischer Heeresmeister für die Belgica II. und trug Titel und Tracht eines consul. Seine Herrschaft hatte somit auch eine römisch begründete Legalität.72 Aber von einer durch ein foedus begründeten Oberhoheit kann keinesfalls die Rede sein. Es war eher Herkommen, Achtung vor der überkommenen Ordnung. Aus oströmischer Sicht mögen es noch verdünnte Innenbeziehungen des Reiches gewesen

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69 70 71 72

So Childebert II. von Mauricius, Gregor von Tours, Historiarum libri, lib. VI, 42; oben S. 111. Ewig, Merowinger, S. 58. So überzeugend Schulz, Entwicklung, S. 84 ff. Darauf weist insbesondere Paradisi wiederholt hin, z. B. Storia, S. 195. So Prinz, Grundlagen, S. 61; Ewig, Reichsbildung, Bd. 1, § 17, S. 250ff.

Typologie der karolingischen Zeit

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sein, aber von außen gesehen, d. h. aus der Sicht der Franken, waren es eindeutig Zwischen-Mächte-Beziehungen, wenn auch besonderer Art, die durch Verträge geregelt werden mußten und nicht etwa durch einseitige Ordnungen Ostroms. Dem kann aus heutiger Sicht gefolgt werden. Denn den Franken blieb aus heutiger Sicht ein Raum unabhängigen, selbstbestimmten Handelns, gerade auch gegenüber den Langobarden, wie das Vorgehen Childeberts zeigt.

V. Ty p o lo g ie d e r k ar o l i n g i s ch en Z ei t a. Foedus und pax facta Aus den zitierten Quellen ergibt sich, daß der Begriff foedus weiterhin verschiedene Inhalte deckt. An erster Stelle wird durch pacis foedera Frieden hergestellt bzw. konkretisiert und ausgebaut. Es können ein umfassender, inhaltlich reicher Frieden und ein „einfacher“ Frieden unterschieden werden. In beiden Fällen handelt es sich um eine pax facta. Die foedera der karolingischen Herrscher mit den Päpsten und mit Offa wurden ohne vorherige kriegerische Auseinandersetzungen geschlossen. Es ging in diesen Verträgen somit nicht um die Beendigung eines Krieges. Die Texte verbinden für die Beziehungen mit den Päpsten und mit Offa foedus wiederum mit amicitia, caritas, concordia, unanimitas. Der Vertrag und das foedus mit Michael I. von 812/14 beendete zwar auch den älteren Krieg mit Nicephorus um Venetien und Dalmatien. Dieser hatte aber tatsächlich schon 810 aufgehört. Das foedus sollte nach Karls Vorstellung ein umfassendes Friedensverhältnis zwischen dem imperium occidentale und dem imperium orientale herstellen. Das gilt auch für die Darstellung des Poeta Saxo über den Friedensschluß zwischen Franken und Sachsen im Jahre 803, der sogar zu einer vollständigen politisch-rechtlichen Einheit der „Völker“ geführt haben soll. Foedus bezeichnet in diesen Verbindungen, auch durch die Verknüpfung mit den weiteren Begriffen, deren grundlegenden und umfassenden Charakter. Man kann das einen „Friedensbund“ nennen.73 In anderen Fällen hingegen ging es offenbar nur um die konkrete Beendigung eines Krieges, so bei dem Abschluß der Verträge mit den Dänen im Jahre 826 und vielleicht – eigentümlicher Weise von seinem Ende 820 her gesehen – mit Abulaz im Jahre 817. Die Verwendung des Begriffs foedus in den päpstlichen Quellen in bezug auf Aistulf steht im Gesamtzusammenhang fast stets für einen Friedensschluß. Das gilt auch für das foedus, das nach päpstlichen Quellen zwischen Aistulf, Pippin und Stephan II. 755 abgeschlossen und 756 erneuert wurde. Es beendete den Krieg zwischen den Parteien. Der Fortsetzer des Fredegar berichtet hingegen weder für 755 noch für 756 von dem Abschluß eines foedus zwischen Aistulf mit dem Papst und/oder dem fränkischen König. Aber für beide Jahre verwendet er die Formulierung, Aistulf habe durch die Vermittlung der fränkischen Großen um Frieden gebeten, pacem ... petens bzw. pacem

73

Wielers, Beziehungsformen, S. 6f.

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Foedus, societas, Vasallität

praedicto rege supplicans.74 Zwar führte nach den Berichten der fränkischen Quellen die Bitte um Frieden in der Regel zu einem Friedensschluß, nicht aber notwendig und immer auch zu einem foedus.75 Auch wenn ein Vertrag abgeschlossen wurde, wird dieser nicht immer als foedus bezeichnet. Insoweit bestehen also Unterschiede zwischen den päpstlichen und den fränkischen Quellen in der Darstellung. Was das bedeutet, ob nur eine unterschiedliche Begrifflichkeit gegeben ist, oder Unterschiede in der Sache, d. h. in den Rechtsverhältnissen zwischen den Beteiligten bestanden, ist schwer zu klären. Die fränkischen Quellen sprechen, wie früher dargestellt, von einer Unterwerfung Aistulfs unter die dicio Pippins. War eine solche mit einem foedus vereinbar?

b. Foedus und Allianz In einigen Fällen umfaßt ein foedus auch oder auch nur eine Allianz. Das erste trifft vor allem für das vertragliche Verhältnis zwischen den karolingischen Herrschern und den Päpsten zu. Karl der Große bezeichnet auch eindeutig in seinem Brief an Leo III. die damit verbundenen Pflichten beider Seiten. Auch das angebliche foedus mit den Sachsen schließt nach der Aussage des Poeta Saxo den gemeinsamen Kampf gegen die Feinde ein. Schließlich ist auch in dem Bericht über den Zusammenschluß der Verschwörer gegen Ludwig den Frommen von 830 der Begriff foedus als Bündnis gegen den Kaiser zu verstehen. Auch Einhards Behauptung, Tassilo habe ein foedus mit den Hunnen geschlossen, ist als der Abschluß einer gegen Karl den Großen gerichteten Allianz zu verstehen. Aber nicht jeder Abschluß eines foedus begründet auch schon eine Allianz.

c. Ungleiches foedus Verschiedene Verwendungen deuten darauf hin, daß der betreffende Autor das Bestehen eines foedus allgemein als ein Verhältnis der Abhängigkeit, d. h. ein Verhältnis der Ungleichheit gegenüber den Franken versteht. Das gilt insbesondere für die Behauptung Einhards, die Abodriten seien einstmals foederati der Franken gewesen. Die Darstellung des Einfalls der Sachsen in fränkisches Gebiet 773 ist unklar. Denn die Formulierung dimissa marca contra Saxones nulla omnino foederatione suscepta könnte darauf hindeuten, es habe keine vertragliche Regelung vorgelegen.76 Jedoch wird für das Ende des Sachsenfeldzuges des vorhergehenden Jahres 772 berichtet, es habe ein placitum stattgefunden und die Sachsen hätten Geiseln gestellt.77 Möglicherweise handelte es sich um eine andere Gruppe. Die spätere Überarbeitung der Annales qui dicuntur Einhardi bezeichnet die 773 einfallenden Sachsen hingegen als perfidia et foedifragi gens.78 Beide Darstellungen sollten das kriegerische Vorgehen Karls gegen die Sachsen be74 75 76 77 78

Fred. chron. cont, 120 (37) und 121 (38). Ann. regni Franc. ad a. 817. Ann. regni Franc. ad a. 773. Ann. regni Franc. ad a. 772. Ann. q. d. Einh. ad a. 775 und ad a. 798.

Inhalte

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gründen. Jedenfalls die zweite setzt dafür den Bruch eines bestehenden foedus mit einer Treubindung der Sachsen gegenüber Karl und den Franken voraus. Da die Sachsen an anderen Stellen wiederholt als rebelles bezeichnet werden, konnte ein solches nur ein Abhängigkeitsverhältnis bedeuten. Darauf bezieht sich zuspitzend für das Jahr 775 auch der Poeta Saxo: Ut iugiter bellum Saxones ingeretur/ Quos expertus erat fidei vel foederis omnis /Immemores, nunquam sub pace quiescere velle.79 Hier treten fides und foedus als austauschbar nebeneinander. Foedus impliziert fides. Jedoch ist keine gegenseitige fides, sondern eine einseitige fides der Sachsen gegenüber den Franken gemeint. Einseitige fides aber schuldete der Unterworfene. Dieses unterschied sich also grundlegend von dem foedus, das der Poeta Saxo später für 803 behauptet.80 Nimmt man die päpstlichen und die fränkischen Quellen zu den Friedensschlüssen mit Aistulf 755 und 756 zusammen, so wurde auch durch diese, die die Vita Stephani II. als foedera pactum bezeichnet, ein Abhängigkeitsverhältnis des langobardischen Königs gegenüber Pippin begründet, da er sich nach der Fortsetzung der Fredegarchronik der dictio Pippins und der Franken unterwerfen mußte.

d. Foedus und pactum Schwer zu klären ist, ob pactum und foedus austauschbare, also inhaltsgleiche Begriffe sind, die beide gleichermaßen „Vertrag“ meinen. So wird in bezug auf den Vertrag mit den oströmischen Kaisern abwechselnd von pactum und foedus, einmal sogar von pactum seu foedus gesprochen. Das deutet auf Gleichstellung hin. Jedoch weist die Verbindung von foedus mit pax, amicitia, caritas, concordia auf den Inhalt eines Vertrages hin. Pactum bezeichnet dann den Vertrag ganz allgemein, gewissermaßen die rechtliche Hülle, foedus in Verbindung mit den anderen Begriffen den Inhalt. Da aber foedus immer durch Vertrag zustande kommt, kann der Begriff auch an dessen Stelle stehen.

V I. I n h al te Da ein foedus durch einen Vertrag geschlossen wird, kann auf die Darlegungen zu den Vertragsgegenständen im vorhergehenden Kapitel verwiesen werden. Hier sind noch einige spezifische Erörterungen hinzuzufügen.

a. Friedensbund Die Inhalte der Friedensbünde sind umfassend bestimmt. Einzelheiten werden nicht genannt. Wohl aber finden sich in den Berichten Beschreibungen verschiedener Vorgänge, die mit den jeweiligen Friedensbünden zusammenhängen oder sich daraus ergeben. Da sie in enger Verknüpfung mit amicitia, caritas etc. stehen, ist nicht zu unter-

79 80

Poeta Saxo, ad a. 775, Indict. 12, Z. 7–9, MGH SS I, S. 230. Firmo perpetuae conclusit foedere pacis, Poeta Saxo, ad a. 803, Indict. 10, Z. 3, MGH SS I, S. 260.

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Foedus, societas, Vasallität

scheiden, was aus dem einen und was aus dem anderen folgt. Sie bilden eine unauflösliche Gesamtheit.

b. Friedensschluß Friedensschlüsse beenden den Krieg und begründen Frieden. Mehr sagen die Quellen für die meisten Friedensschlüsse nicht aus. Aber in einigen Fällen enthalten die Berichte mehr. Es werden Regelungen der Konflikte getroffen. Aistulf mußte sich 755 und erneut 756 verpflichten, die eroberten Territorien des Patrimonium Petri, aber auch des Exarchats, Ravenna und die Pentapolis, herauszugeben. Außerdem hatte er an Pippin Tribut zu zahlen und 756 mußte er sich sogar dem Urteil der fränkischen Großen unterwerfen. Karl der Große gab 810 schon zu Beginn des Friedensprozesses mit Nicephorus Dalmatien und Venedig an diesen zurück. Über den Inhalt des endgültigen Friedensschlusses von 812 wissen wir jedoch nicht viel. Allerdings werden, wie dargelegt, gewisse Regelungen des Pactum Veneticum Lothars I. von 840 auf diesen Vertrag zurückgeführt. Das foedus begründete für die Partner eine Friedenspflicht. Das ergibt sich aus einer Stelle in der Vita Hludowici des Anonymus. Ludwig der Fromme habe den vertriebenen Dänenkönig Heriold, dessen Pate und Lehnsherr er war, zunächst nicht kriegerisch unterstützen können, weil er mit den Söhnen Godofrids ein foedus pacis inisset.81 Das foedus verbot danach ein militärisches Vorgehen, also Krieg, und verpflichtete den Kaiser zur Neutralität. Allerdings ließ es friedliche Vermittlung zu. Ludwig entsandte sächsische Grafen, um die Wiederaufnahme Heriolds in die Herrschaft zu erreichen. Umgekehrt deuten die Darstellungen der Bemühungen um die vertragliche Regelung der Grenzfragen in Dalmatien mit den Bulgaren zwischen 824 und 828 darauf hin, daß ohne ein foedus, d. h. in einer offenen, nicht ausdrücklich geregelten Situation, keine solche Friedenspflicht bestand. Ähnlich waren bereits die Verhältnisse zu Anfang des 9. Jahrhunderts im Verhältnis zu Ostrom in bezug auf Dalmatien und Venetien. Das berührt das Kriegsrecht.

c. Allianz Wenn ein Friedensbund mit einer Allianz verbunden war, wie im karolingisch-päpstlichen Verhältnis, gehören die Allianzpflichten zu dem Gesamtverhältnis. Handelte es sich nur um eine Allianz, beschränken sich die Pflichten auf das Bündnis, waren i. d. R. auch zeitlich befristet. Solche Bündnisse sind aber für unsere Epoche nicht näher ausgeführt. Es scheint, anders als in der merowingischen Epoche, kein solches rein militärisches Bündnis zwischen Franken und einer anderen Macht gegeben zu haben. So hat Pippin sich anders als die merowingischen Könige vor ihm nicht zu einem solchen mit den byzantinischen Kaisern gegen die Langobarden eingelassen. Das scheint der Fortsetzer der Fredegarchronik mit seinem Erstaunen ausdrücken zu wollen, daß die amicitia mit Konstantin V. von 757 keine Folgen gehabt habe. 81

Anonymus, Vita Hludowici, c. 42.

Inhalte

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Für die fränkisch-päpstliche Allianz sind die gegenseitigen Pflichten der Partner im Rahmen des umfassend ausgestalteten Verhältnisses durch den Brief Karls des Großen an Leo III. knapp aber deutlich beschrieben und oben bereits benannt, Verteidigung der Kirche durch den König in jeder Hinsicht, Gebet für den König durch den Papst. Damit faßte er knapp und präzise zusammen, was sich in den vielen Briefen der Vorgänger Leos III. von Stephan II. bis Hadrian I. an Pippin und Karl in verschiedener Weise ausgedrückt findet. Defensio aber war, wie mehrfach betont, in diesem Verhältnis ein sehr umfassender nicht nur militärischer Begriff.

d. Abhängigkeit Grundpflicht eines jeden rechtlich gestalteten Verhältnisses, ob gleichrangig oder abhängig, war die Beachtung der fides. Für ein Abhängigkeitsverhältnis waren die Inhalte maßgebend. Sie waren gestuft. Für Aistulf galt die Tributpflicht. Nach seinem Tode wurde der neue König Desiderius mit Pippins und Stephans II. Zustimmung berufen. Insofern waren die Langobarden also nicht selbständig. Allerdings finden sich keine Berichte über langobardische Gesandte bei den alljährlichen Versammlungen der Franken, wie es sonst für abhängige Völker üblich war. In anderen Fällen, vor allem der Sachsen, wurde sogar ein hartes Herrschaftsregime errichtet, verbunden auch mit Missionierung. Die Capitulatio de partibus Saxoniae von 775 sah für eine Reihe von Verstößen gegen religiöse Gebote und Verbote sowie für Gewaltakte gegen Kirchen etc. die Todesstrafe vor, die allerdings durch eine freiwillige Beichte abgewendet werden konnte. Es galt für Abhängige weiterhin die Pflicht, auf den alljährlichen Versammlungen zu erscheinen oder doch Gesandte zu schicken, auch die Pflicht, Truppen zu stellen, also eine gewisse Allianzpflicht.82 So werden die Abodriten in den sogenannten Einhardannalen, als auxiliares Francorum semper fuerunt bezeichnet, ex quo semel ab eis (den Franken auf ihrem Kriegszug gegen die Nordleute) in societatem recepti sunt.83 Auf den Begriff societas ist noch zurückzukommen. Karl zog aber auch zu ihrem Schutz gegen die Wilzen und wies ihnen Siedlungsräume zu.84 Das ist einerseits Ausdruck für eine gewisse Verpflichtung auch des Kaisers. Aber andererseits war die Ansiedlung nördlich der Elbe offenbar als Schutz gegen die Dänen gedacht. Auch ein Abhängigkeitsverhältnis hatte anscheinend einen gewissen, wenn auch ungleichen Charakter der Gegenseitigkeit. Zwar entschied Ludwig der Fromme in einem Streit der Abodriten um ihren König. Wieweit jedoch die Abhängigkeit bzw. die Selbstständigkeit jeweils reichte, ist schwer festzustellen. Im Chronicon Moissiacense wird kurz von sclavi nostri gesprochen. Aber für die Zeit Ludwigs des Frommen ist in den Quellen von foedus, societas mit den Abodriten oder ähnlichem nicht mehr die Rede, vielmehr von Abfall und Treulosigkeit, perfidia der Abodritenfürsten und von Fürstenein- und Absetzungen durch Ludwig. Auch der Befehl Ludwigs 815 an Sachsen und Abodriten gleichermaßen deutet an, daß diese nicht mehr als foederati, sondern eher als Abhängige zur Heeresfolge 82 83 84

Ann. regni Franc. ad a. 815 für Sachsen und Abodriten. Ann. q. d. Einh. ad a. 798. Ann. regni Franc. ad a. 789 und 804.

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Foedus, societas, Vasallität

verpflichtet waren. Vor allem das Vorgehen gegen den noch von Karl dem Großen 810 eingesetzten Gesamtfürsten der Abodriten, Sclaomir, im Jahre 817 läßt auf eine volle Oberhoheit statt eines Bündnisses schließen.85 Da Ludwig wie in Dänemark für Heriold gegen die Söhne Godofrids auch hier zugunsten des zweiten Prätendenten Ceadragus in die Herrscherordnung eingreift, scheint es auch nicht überraschend, daß sich der verdrängte Sclaomir mit den Dänen gegen Ludwig verbündete. Gegenüber den Abodriten war Ludwig allerdings erfolgreich. Die 822 überreichten Geschenke können als Tribut gedeutet werden. Auch die Formulierung des Berichts der Annalen Bertiniani für den Abfall von 838, sie seien fide deficientes und versprachen imperatori subditos deinceps fore nunciantes, deutet auf eine Oberhoheit hin. War der Versuch, ein Bündnis mit einem schwächeren und dazu heidnischen Volk zu schließen, gescheitert? Die Frage erscheint so falsch gestellt. Das Bündnis hatte zu Zeiten Karls eine bestimmte Funktion: Hilfe und Sicherung gegen die Sachsen im Osten und später gegen die Dänen. Die Oberhoheit war, so scheint es, eine Konsequenz der Machtverhältnisse, nicht so sehr eines Herrschaftswillens zur Ausdehnung des Reiches. Zu Ludwigs Zeiten war das etwas anderes. Eine Hilfe und Sicherung gegen die Sachsen war nicht mehr notwendig. Eine Sicherung gegen die Dänen aber vermochten sie nicht zu geben, zumal sie offenbar mit diesen komplottierten. Aus diesem Grund mußten die Abodriten unterworfen werden, um nicht zur Gefahr für das Reich zu werden. Es bleibt der interessante Fall eines ungleichen Bündnisses der Franken mit einer heidnischen politischen Einheit, das für rund 30 Jahre den Weg zur Sicherung politischer Beziehungen bildete. Daß dieses Modell nicht aufrecht erhalten wurde, hat wohl viele Gründe, die Machtverhältnisse, die unterschiedliche Religion, die schnellen Veränderungen einer noch nicht stabilisierten politischen Ordnung in Mitteleuropa. Dauer war hier offenbar nicht möglich.

VI I. B r u ch d es fo ed u s a. Friedensbruch Auch insoweit kann auf die allgemeinen Ausführungen zum Vertragsbruch verwiesen werden. Die ausführlichen Darstellungen des Bruches des Vertrages von 755 durch Aistulf im Jahre 756 zeigen, daß mit dem Bruch des foedus gleichzeitig ein Bruch der pax eingetreten war. Das rechtfertigte einen neuen Krieg. Auch die Darstellung über die perfidia foedifraga gens der Sachsen diente der Rechtfertigung des Krieges. Der Sieg der Franken führte in beiden Fällen zur Verstärkung der Abhängigkeit. Andererseits boten die Dänen nach dem Bruch des foedus 828 durch eine Gesandtschaft Genugtuung an, tamen ad satisfactionem esse paratos, et hoc in imperatoris esset arbitrio .... ut de reliquo inter partes pax firma maneret.86 Dadurch wurden kriegerische Maßnahmen vermieden.

85 86

Friedmann, Untersuchungen, S. 60 ff. Ann. regni Franc. ad a. 828.

Bruch des foedus

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b. Allianzbruch Von einem Bruch einer Allianz, d. h. der Verweigerung zum militärischen Beistand, wird in unserer Epoche nichts berichtet. Zwar mahnten die Päpste immer wieder die Einhaltung des Verteidigungsversprechens Pippins und seiner Söhne gegen die Langobarden an. Aber einen Bruch warfen sie ihnen letztlich nicht vor. Die Vorwürfe gegen Tassilo, die ihm obliegende Heeresfolge nicht geleistet zu haben, wurden nicht mit einem foedus, sondern mit seinem Eid gegenüber Pippin begründet.87 Der bekannteste Vorwurf, einen Allianzvertrag nicht eingehalten zu haben, bezog sich auf die dargelegten Auseinandersetzungen zwischen Mauricius und Childebert II., also auf die merowingische Zeit.

c. Bruch der Abhängigkeit Jeder Bruch der fides stellt einen Bruch eines durch foedus begründeten Abhängigkeitsverhältnisses, eine perfidia und Rebellion dar. Auf die Reaktionen gegen die Sachsen wurde schon hingewiesen. Auch der Bruch des Friedens durch Aistulf 756 war ein Verstoß gegen die dictio gegenüber Pippin und führte auch deshalb zum neuen Krieg, der allerdings nicht seinen Sturz, sondern die Erneuerung des Tributverhältnisses zur Folge hatte. Ein solcher Bruch konnte aber auch zum Verlust der Herrschaft führen. So wurde dem Fürst der Abodriten, Sclaomir, perfidia vorgeworfen, als er sich 817 weigerte, die jährliche Gesandtschaft zum Hoftag zu senden und ein als amicitia, nicht als foedus bezeichnetes Bündnis mit dem Dänenkönig Godofrid zu einem Angriff gegen die südelbischen Sachsen schloß. Denn dieses Verhalten war in fränkischer Sicht offenbar ein Bruch des foedus, daß die Abodriten zur Zeit Karls des Großen mit den Franken hatten und das, wie dargelegt, eine Oberherrschaft implizierte. Sclaomir verlor daher 819 die Herrschaft und wurde verbannt. Aber auch der an seiner Stelle von Ludwig eingesetzte Ceadragus schloß 821 erneut ein Bündnis mit den Dänen, das als societas bezeichnet wird. Auch dies Verhalten wird als perfidia bezeichnet. Nur nach einer Rechtfertigung vor Ludwig konnte er seine Herrschaft retten.88 Da ein Abhängigkeitsverhältnis in erster Linie stets zur fides, Treue, verpflichtete, schloß es offenbar jeden Vertrag mit einem Dritten aus, jedenfalls wenn dieser, wie die Dänen, mit den Franken grundsätzlich in einem zumindest gespannten Verhältnis stand. Denn obwohl zur Zeit des Abschlusses der societas durch Ceadragus mit den Dänen tranquillum inter eos, d. h. zwischen Franken und Dänen, herrschte, und der Abodritenfürst auch keine kriegerische Unternehmung gegen die Franken ins Werk setzte, beging er allein durch die societas bereits die perfidia, für die er sich vor Ludwig „reinigen“ mußte.

87 88

Unten S. 462ff. Ann. regni Franc. ad a. 817, 819, 821, 823.

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Foedus, societas, Vasallität

V II I . S o c i eta s a. Quellen Der dritte lateinische und im römischen Völkerrecht übliche Begriff für eine Verbindung zwischen Rom und einer anderen Macht, societas, wird in den karolingischen Quellen sehr selten und wiederum erst ab dem Ende des 9. Jahrhunderts gebraucht. Die Reichsannalen verwenden den Begriff societas in der überarbeiteten Fassung der sogenannten Einhardannalen. In dem Bericht über einen Feldzug gegen die Sachsen 798 werden die Abodriten als auxiliatores Francorum bezeichnet, die von diesen in societatem recepti sunt.89 Andererseits gelang es nach einem Bericht der Reichsannalen für 808 dem Abodritenfürsten Thrasko, durch militärische Erfolge mit Hilfe der Sachsen successibus omnes, qui ab eo defecerant, zur Rückkehr ad suam societatem zu zwingen.90 Für das Jahr 821 berichten die Reichsannalen Harioldus a filiis Godofridi in societatem regni receptus. Auch das Bündnis des Abodritenfürsten Ceadragus mit den Dänen wird als societas bezeichnet, cum filiis Godofridi factae societatis.91 Ein weiteres Mal wird der Begriff societas verwendet, um den Wechsel einiger Völkerschaften südöstlich des Reiches von den Bulgaren zu den Franken zu beschreiben: Erant ibi et aliarum nationum legati, ..., qui nuper a Bulgarorum societate desciverant et ad nostro fines se contulerant.92 Der Astronomus formuliert den Vorgang qui Bulgarum societate relicta, nostris se nuper sotiaverant, verwendet also für die neue Verbindung mit den Franken das societas entsprechende Verb sotiare.93 Außer in den späteren Reichsannalen findet sich der Begriff auch in den Biographien des 9. Jahrhunderts von Einhard über Karl den Großen und dem Astronomus über Ludwig den Frommen. Beide verwenden ihn in Verbindung mit amicitia für das Verhältnis der beiden karolingischen Herrscher mit den jeweiligen byzantinischen Kaisern.94 Einhard behauptet, die Kaiser Nicephorus, Michael und Leo hätten sich von sich aus um amicitiam et societatem eius bemüht. Das habe zum Abschluß des foedus firmissimum zur gegenseitigen Sicherung nach Karls Kaisererhebung geführt. Nach der Darstellung des Anonymus läßt Ludwig bei seinem Herrschaftsantritt durch die Gesandten an Kaiser Leo um amicitiarum societatum et renovationem antiquarum, simul et pacti confirmationem bitten. Von einer byzantinischen Gesandtschaft wird berichtet, sie sei wegen amicitia et societas sowie wegen der Regelung von Grenzfragen in Dalmatien und Istrien gekommen.95

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90 91 92 93 94 95

Ann. q. d. Einh. ad a. 798; in der älteren Fassung findet sich überhaupt keine Kennzeichnung der Stellung der Abodriten zu den Franken. Ann. regni Franc. ad a. 809. Ann. regni Franc. ad a. 821. Ann. regni Franc. ad a. 818. Anonymus, Vita Hludowici, c. 31. Einhard, Vita Caroli, c. 16; Anonymus, Vita Hludovici, c. 23 und c. 27. Anonymus, Vita Hludowici, c. 27.

Societas

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Einhard bezeichnet aber auch das Verhältnis Karls des Großen zu Alfons II. von Kastillien sowohl als amicitia als auch als societas und verbindet dies mit der Behauptung, dieser habe sich in Briefen etc. gegenüber Karl den Großen immer als proprium suum, also als sein „Eigenmann“ bezeichnet.96

b. Typologie Auch der Begriff societas ist hinsichtlich seines Begriffsinhaltes nicht eindeutig festgelegt. Da er nur selten gebraucht wird, wird darauf verzichtet, auf römische, byzantinische und ältere fränkische Bedeutungen einzugehen. Die Bezeichnung des Verhältnisses zwischen den karolingischen und den oströmischen Kaisern mit dem Begriff societas in Verbindung mit foedus und amicitia stellt diese drei offenbar einander gleich. Unterschiede lassen sich in den jeweiligen Bedeutungen nicht erkennen. Alle drei erfassen zusammen den Umfang des Verhältnisses in seiner Einheit und Ganzheit. Auch aus den Inhalten lassen sich keine Spezifika ableiten. Auffällig ist, daß der Begriff für diese Beziehungen der beiden karolingischen Kaiser nur in den beiden Biographien, nicht aber in entsprechenden Berichten der Reichsannalen zu den jeweiligen Ereignissen verwendet wird. Diese bleiben bei foedus und amicitia. Es ist nicht anzunehmen, daß die beiden Biographen mit dem neuen Begriff auch eine neue oder weitere Qualität dieser Beziehungen bezeichnen wollten. Vielleicht möchten beide durch diesen Begriff eine größere Festigkeit und Dauerhaftigkeit eines Bundes ausdrücken, als sie es in einem foedus gesehen haben, das, wie dargelegt, auch engere Inhalte hatte. Allerdings kann auch societas im konkreten Zusammenhang lediglich ein militärisches Bündnis bezeichnen, wie der Bericht über Ceadragus zeigt. Bemerkenswert ist insoweit, daß nur wenige Seiten vorher in der Darstellung des Bündnisses des Sclaomir mit den Dänenkönigen der Begriff amicitias verwendet wird.97 Beide Begriffe werden also vom Autor der Annalen als gleichsinnig angesehen. Zum dritten bezeichnet societas, wie foedus, ein Verhältnis der Ungleichheit durch Begründung von Abhängigkeit. Das gilt für die Kennzeichnung der Stellung der in eine societas aufgenommenen Abodriten gegenüber den Franken in den Reichsannalen von 798 in der Verbindung mit dem Begriff auxiliatores. Es ist nicht anzunehmen, daß hier im Unterschied zu den früher dargelegten Qualifizierungen eine Qualität der Gleichordnung ausgedrückt werden sollte. Einhards Beschreibung des Verhältnisses des Königs von Asturien Alfons II. zu Karl dem Großen könnte darauf hindeuten, daß er dieses Verhältnis als Abhängigkeit verstanden hat, wenn er dafür den Begriff societas verwendet und gleichzeitig behauptet, der asturische König habe sich als Eigenmann Karls bezeichnet. Allerdings ist zu beachten, daß die Stelle bei Einhard allgemein in sich widersprüchlich ist. Es geht ihm um die Darstellung der herausragenden Stellung seines Helden in seinem Verhältnis zu den anderen Mächten. Es ist daher zweifelhaft, ob Einhard dort wirklich eine begrifflich klare Aussage über diese Verhältnisse auch zu Alfons geben wollte. 96 97

Einhard, Vita Caroli, c. 16. Ann. regni Franc. ad a. 817.

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Foedus, societas, Vasallität

Auch im Hinblick auf die slawischen Völker, die von den Bulgaren zu den Franken übergegangen waren, ist die Verwendung des Begriffs societas i. S. jeweils einer abhängigen Bundesgenossenschaft zu verstehen. Denn es ist nicht anzunehmen, daß sie, unter denen i.ü. auch Abodriten genannt werden, auf gleichem Fuß zunächst mit den Bulgaren und danach mit den Franken standen. Sie waren wohl klein, hatten auch anders als Bulgaren und Franken keine feste politische Organisation. Die Verwendung des Begriffs für die Wiederaufnahme Heriolds in die dänische Gesamtkönigsherrschaft hat internen Bezug, aber keine Bedeutung für die ZwischenMächte-Beziehungen der Dänen zu den Franken. Zwar ist damit Ludwigs Unterstützung für Heriold erfolgreich gewesen, jedenfalls für eine gewisse Zeit. Für das Verhältnis zu ihm wird der Begriff societas jedoch nicht verwendet. Es beruht auf compaternitas und Lehnsrecht, bzw. Vasallität. Nicht nur mit Godofrid, dessen Söhnen etc., sondern selbst mit dem christlich gewordenen König Heriold scheint es nicht zu einer engeren oder besonderen Zwischen–Mächte–Beziehung gekommen zu sein. Der verschiedentlich eingesetzte Begriff foedus meint an den entsprechenden Stellen nur allgemein „Vertrag“.

c. Inhalte Über Inhalte der societas sagen die Quellen wenig. Die Verbindung mit amicitia und foedus verweist jedoch auch auf deren jeweilige Inhalte, sei es als umfassender Bund, sei es als ein spezifisches Bündnis. Sie enthielt wohl gewisse Gegenseitigkeiten.

d. Societas – pactum Zwar wird nicht für jede societas von dem Abschluß eines pactum berichtet. Aber dessen Notwendigkeit steht außer Zweifel, da societas wie ein foedus eine besondere Beziehung darstellt, die nicht „von selbst“ entsteht, sondern eines eigenen Begründungsaktes bedarf. Das kann aber nur ein Vertrag sein, der sowohl mündlich wie schriftlich geschlossen wurde. Einhard wie der Astronomus stellen zudem für die Verbindung mit den griechischen Kaisern societas und pactum nebeneinander. Für die societas mit Alfons II. gibt es nirgendwo einen Hinweis auf ein pactum, auch nicht bei Einhard selbst. Daher ist das Bestehen einer formell begründeten societas zweifelhaft. Aber es gab wohl den Austausch von Geschenken, was wiederum auf eine engere Verbindung hindeutet. Aber die Überlieferung für dieses Verhältnis ist allgemein dünn.

Vasallität

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I X. Vas al l i tät a. Grundlegung Der dänische König Heriold flüchtete 814 nach seinem Sturz nicht nur zu Ludwig dem Frommen, sondern kommendierte sich diesem auch, nachdem der Versuch, die Herrschaft durch Krieg wieder zu erlangen, gescheitert war. Quo facto Herioldus rebus suis diffidens ad imperatorem venit et se in manus illius commendavit.98 Soweit zu sehen, begab sich damit zum ersten Mal ein auswärtiger Herrscher in die Vasallität des Kaisers. Damit wird ein Institut für die Beziehungen zwischen zwei Mächten genutzt, das wohl seit der Merowingerzeit im fränkischen Herrschaftsbereich entstanden ist.99 Die Vasallität trat als völlig neue eigenartige rechtliche Institution neben foedus und societas in die Ordnung der Beziehungen zweier Herrscher. Das Vasallitätsverhältnis entstand in unserer Epoche durch die commendatio, die nach Auffassung moderner Forschung einen synallagmatischen Vertrag darstellte.100 Allerdings wird in den entsprechenden Berichten ein pactum nicht ausdrücklich erwähnt. Es fiel also in der Vorstellung der Zeit nicht unter das allgemeine Vertragsrecht. Der vassus oder Vasall begab sich unter die Gewalt oder munt eines Herrn, dominus, ohne aber seine Freiheit zu verlieren, und versprach seinen Gehorsam und Dienst für diesen, der dafür Schutz und Hilfe versprach. Diese bezogen sich zunächst wohl vor allem auf den materiellen Unterhalt. Dominus konnte jeder Grundherr sein. Es war ein dauerhaftes, aber persönliches Rechtsverhältnis, das mit dem Tode einer der beiden Parteien endete. Es war zudem möglich, Land in Leihe gegen Arbeitsleistung, Abgaben oder Zins auszugeben. Das wurde in der Grundherrschaft genutzt. Wurde aber auf den Zins oder auf Abgaben verzichtet, entwickelte sich daraus ein beneficium. Auch hierbei handelte es sich u. U. um ein dauerhaftes, aber persönliches Vertragsverhältnis. Unter den frühen Karolingern wurden beide Institutionen, commendatio und beneficium, zunehmend und in erheblichem Umfange miteinander verbunden. Vor allem dehnten Karl Martell und Pippin dieses Vorgehen auch auf die oberen Schichten des Adels aus, indem sie den Großen aus Kirchenvermögen und Eigenbesitz große Ländereien übertrugen und dafür von diesen die commendatio entgegennahmen. Die Zielsetzung der Vasallität drehte sich damit auf der Ebene König – Adel in gewisser Weise um. Der König verschaffte sich durch Ausgabe größerer Ländereien gegen das Hilfeversprechen die notwendige Unterstützung für seine Kriegszüge etc. Für den hohen Adel wurde der Status des Königsvasallen eine Ehre. Zwar begaben sie sich in ein Abhängigkeitsverhältnis zum König. Aber sie blieben prinzipiell frei und ihr Dienst war allgemeiner Königs- und Kriegsdienst, also edler Dienst. Das Schutzversprechen des Königs konnte dann u. U. zurücktreten, mußte es aber keineswegs.

98 99 100

Ann. regni Franc. ad a. 814. Ganshof, Lehnswesen, S. 1 ff. Ganshof, Lehnswesen, S. 4 ff. auch zum Folgenden.

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Foedus, societas, Vasallität

Vasallität wurde durch die Kommendation per manus des Vasallen in manibus des Herrn101 begleitet von dem Treueid des Vasallen begründet. Der Vasall legte seine Hände in die des Herrn und versprach Dienst und Gehorsam und durch den Eid seine fides oder fidelitas. Diese Struktur der Vasallität war auch auf Beziehungen zwischen Herrschaftsträgern übertragbar. Zwar begründete sie Abhängigkeit des Herrschers, der sich als vassus einem anderen Herrschaftsträger übergab. Aber seine Herrschaft selbst blieb davon wie die personale Freiheit bei anderen vassi unberührt. Die fränkischen Quellen berichten mehrfach von einer Kommendation für die Beziehungen der karolingischen Herrscher mit anderen Herrschaftsträgern.

b. Herzog Tassilo von Bayern Die wahre Geschichte des Verhältnisses des Bayernherzogs Tassilo zu den Frankenherrschern Pippin und Karl dem Großen ist, wie oben dargelegt, heute umstritten.102 Es herrscht die Neigung vor anzunehmen, daß der Bericht der Reichsannalen der Rechtfertigung der Eingliederung Bayerns in das Frankenrecht gedient habe. Der mächtige Bayernherzog sollte sich dem Frankenkönig beugen, auch zur Warnung für den Adel insgesamt. Das sei „der plot, den die Autorität schreiben ließ, die ‚Moral‘, die darin zum Ausdruck kommen sollte“.103 Es ist für die vorliegende Erörterung gerade diese Rechtfertigung von Interesse, d.h die rechtlichen Darstellungen und die dabei gebrauchten rechtlichen Formen im Hinblick auf den vom Autor eventuell auch nur erwünschten oder unterstellten rechtlichen Gehalt. Nicht eine wie auch immer „tatsächliche Wirklichkeit“ des Falles, wenn es eine solche überhaupt geben oder sie noch feststellbar sein sollte, sondern dessen „gemachte Wirklichkeit“, die uns vorgetragen wird, ist in dieser Fragestellung maßgebend. Der Fall Tassilo hat nach den Quellen mehrere Stufen. Auf der ersten stand die Begründung der Vasallität selbst 757. Es folgte ab 781 bis 788 die allmähliche Ausschaltung Tassilos durch Karl, die in den Quellen mit dem Bruch der Vasallenpflichten begründet wurde.104 Hier ist zunächst nur die Begründung der Vasallität zu erörtern. Die Vasallität wurde dadurch begründet, daß Tassilo sich 757 dem fränkischen König kommendierte Et rex Pippinus tenuit placitum suum in Compendio cum Francis; ibique Tassilo venit, ..., in vasatico se commendans per manus, sacramenta iuravit multa et innumerabilia, reliquias sanctorum manus imponens, et fidelitatem promisit regi Pippino et supradictus filiis eius, ..., sicut vassus recta mente et firma devotione per iustitiam,

101

102

103 104

Ermoldus Nigellus, Carminum, lib. IV, v. 601 bis 605 MGH SS II, S. 512 schreibt: Mox manibus regi se tradidit ultro./et secum regnum, quod sibi iure fuit/Suscipe Caesar, ait me nec non regna suacta/sponte tuis memet confero servitis/ et ipse manus manibus suscepit honestis; Iungutur Francis Denica regna piis. Außer den bereits oben S. 24, Anmerkung 76 und S. 28, Anmerkung 4 genannten Autoren Kolmer, Tassilo, passim; Erkens, Summus princeps, passim; Becher zwischen Macht und Recht, passim. Kolmer, Tassilo überschrieben, S. 15. Zu dieser zweiten Stufe auch unten S. 462ff.

Vasallität

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sicut vassus dominos suos esse deberet.105 Es handelt sich nach dieser Darstellung um einen besonderen Vasalleneid in die Hände des Königs öffentlich bei der allgemeinen Versammlung. Von einem beneficium Pippins für Tassilo ist aber keine Rede. Er war bereits seit Jahren Herzog von Bayern und eigenständiger Träger seiner herzoglichen Herrschaft. Mit commendatio und Treueid hatte Tassilo in der Vorstellung des Autors die Oberherrschaft Pippins endgültig anerkannt und sich in seiner fides an ihn gebunden. Als Vasall war Tassilo u. a. zur Heerfolge verpflichtet. Darum dürfte es Pippin vor allem gegangen sein. Gerade sie erlangte zentrale Bedeutung für das weitere Geschehen. Denn auf der zweiten Stufe der Geschichte dieses Verhältnisses wird berichtet, Tassilo habe 763 gerade diese Pflicht in einem Kriegszug Pippins gegen den Herzog Waifar von Aquitanien nicht erfüllt und postposuit sacramenta et omnia, quae promiserat, et per malum ingenium se inde seduxit. Diese Entfernung sei per ingenia fraudulenta erfolgt.106 Die Eigenart des Vasallitätsverhältnisses besteht darin, daß einerseits der Bayernherzog Träger eigener Herrschaftsrechte nach innen und nach außen war und blieb. Er war im Innern fast völlig selbständig. Die erstrebte kirchliche Selbständigkeit durch ein eigenes Erzbistum erlangte er allerdings nicht. Nach außen führte er bis in die achtziger Jahre eine eigene, selbständige Politik, die sich z. T. jedenfalls gegen die Karolinger richtete. Er stützte sich dabei auch auf Desiderius, dessen Tochter er heiratete und der von den Päpsten als „Feind“ angesehen wurde und auch mit den fränkischen Königen in wachsender Spannung stand, bis er 774 von Karl vertrieben wurde. Er bekämpfte zunächst auch die Awaren und dehnte sein Herrschaftsgebiet nach Südosten aus. Auch Karl selbst trat er weitgehend unabhängig gegenüber. Andererseits aber bestand durch den besonderen Eid zwar keine eigentliche Abhängigkeit, wohl aber eine besondere zudem einseitige und damit ungleiche Bindung, die den Bayernherzog nach Auffassung der Annalisten gegenüber den fränkischen Königen bestimmte Pflichten, vor allem zur Heeresfolge, aber wohl auch zur Entsendung von Gesandtschaften zu den alljährlichen Hoftagen auferlegte. Das war zwar schon eigentlich eine allgemeine Pflicht, wurde aber offenbar durch den Eid noch einmal besonders begründet. Innere und äußere Eigenständigkeit und Vasallität standen in einer erheblichen Spannung, deren Ausbalancierung eine schwierige Aufgabe war. Einerseits wird man angesichts des großen inneren und äußeren Bewegungsspielraums Tassilos das Verhältnis zwischen ihm und Pippin bzw. Karl dem Großen trotz der formellen Oberhoheit der fränkischen Könige und des Vasalitätsverhältnisses dem Bereich der Zwi105

106

Ann. regni Franc. ad a. 757. Die Darstellung in den sogenannten Einhardannalen 757 lautet … et more Francico in manus regis in vassaticum manibus suis semetipsum commendavit, fidelitatemque tam ipso regi Pippino quam filiis... iure iurando supra corpus sancti Dionisii promisit. In der Fortsetzung der Fredegar-Chronik fehlt eine Nachricht darüber. Indem die commendatio gegenüber dem König und seinen Söhnen erfolgte, sollte auch hier die Dauer der Bindung „entpersonalisiert“ und über den Tod Pippins hinaus sichergestellt werden. Von einer Erneuerung nach Pippins Tod 768 wird zunächst nicht berichtet. Ann. regni Franc. ad a. 763. Nach den sog. Einhardannalen hat er auf Grund aegritudine per dolum simulata sich zurückgezogen. Auch dazu schweigt selbstverständlich die Fortsetzung der Fredegarchronik.

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Foedus, societas, Vasallität

schen-Mächte-Beziehungen zuordnen dürfen. Gerade diese Beziehung zwischen dem fränkischen König und Oberherrn und dem bayerischen Herzog und Vasall zeigt, daß eine volle Unabhängigkeit oder gar ein Äquivalent zur modernen Souveränität keine notwendige Voraussetzungen für derartige Beziehungen in dieser Epoche bilden, die allgemein durch eine breite Varietät der tatsächlichen und rechtlichen Stellung der Mächte und damit der Beziehungsformen bestimmt ist. Andererseits stellte die Vasallität nach Auffassung Karls und der Franken die Rechtslage bereit, tunc domnus rex Carolus una cum Francis videns iustitiam suam, um dieses Verhältnis durch den Herrn in legaler Weise zur völligen Unterwerfung und zum Herrschaftsverlust des Herzogs zu bringen. Aber dazu war ein erheblicher militärischer Einsatz Karls erforderlich, der mit drei Heeren gegen Tassilo aufmarschieren mußte.107 Der letzte Akt war insofern auch die Folge einer militärischen Niederlage. Man kann aus heutiger Sicht zwei Modelle für die Etablierung karolingischer Herrschaft über die nicht-fränkischen Herzöge erkennen, die zwar in gewisser Abhängigkeit von den Königen standen, aber eigene selbständige Herrschaftsrechte nach innen wie nach außen inne hatten. Denn zur gleichen Zeit, als Tassilo sich nach den Berichten der Annalen durch den Vasalleneid an Pippin und seine Söhne band, versuchte Herzog Waifar von Aquitanien sich von der Oberherrschaft zu lösen und verweigerte jede Art von Unterwerfung. Es bedurfte jahrelanger, immer erneuter Kriege, um ihn bzw. seinen Nachfolger aus der Herrschaft zu verdrängen und das Herzogtum dem karolingischen Reich einzugliedern. Für Tassilo wird ein grundsätzlich anderes, nämlich ein rechtliches Modell behauptet. Es trat zudem neben die Bindung aus Verwandtschaft; denn der bayerische Herzog war Pippins Neffe. Er band sich zwar stärker, bewahrte aber eben damit auch seine Eigenständigkeit. Für fast 30 Jahre konnte er sich nicht nur halten und eine eigene Außenpolitik betreiben, sondern sogar in Konkurrenz zu Karl treten. Am Ende jedoch wurde gerade dieses Modell gegen ihn verwandt; denn es war in sich ambivalent.

c. König Heriold von Dänemark Mit dem dänischen König Heriold trat ein völlig unabhängiger König in ein Vasallitätsverhältnis zu Ludwig dem Frommen. Er suchte offenbar dessen Hilfe, um seine Königsherrschaft zurück zu gewinnen. Von einem Fidelitätseid wird nichts berichtet. Ludwig weist ihm zunächst einen Aufenthalt in Sachsen an. Ein beneficium scheint ihm aber zunächst nicht übertragen worden zu sein. 815 versuchte der Kaiser vergeblich, ihn auf den Thron zurückzuführen. Diesmal ist es also der Kaiser, der Beistand leisten muß auf Grund dieser commendatio. Wie früher dargelegt, waren auch spätere Versuche der Rückführung nur zeitweise erfolgreich.108 Der Bericht über das Vasallitätsverhältnis ist im übrigen lückenhaft. Heriold trat zwar als Person in ein Schutzverhältnis zum Kaiser ein, der dieses auch zumindest in zwei Fällen wahrnahm. Unerwähnt bleiben jedoch die eigentlich im Vordergrund der

107 108

Ann. regni Franc. ad a. 787. Oben S. 224ff.

Vasallität

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Vasallität stehenden Pflichten Heriolds, insbesondere, ob er zumindest als Person Heeresfolge leisten mußte. Diese Ungleichgewichtigkeit könnte Zweifel daran wecken, ob es sich wirklich um ein Vasallitätsverhältnis handelte. Wohl aber mußte Heriold die alljährlichen Gesandtschaften zu den Versammlungen schicken. Für Ludwig dürfte es darauf angekommen sein, sich einen rechtlich gesicherten Einfluß auf die dänische Königsherrschaft zu verschaffen. Eben darin bestand, so die heutige Sicht, der neue Ansatz, ZwischenMächte-Beziehungen institutionell zugunsten des Kaisers zu organisieren. Auch wollte er wohl das Königreich für die Mission öffnen. Darauf deutet hin, daß sich Heriold 826 mit seiner Familie taufen ließ, wobei Ludwig der Fromme die Patenschaft übernahm, also eine geistliche Verwandtschaft, eine compaternitas begründete. Danach erhielt Heriold auch, anders als Tassilo ein beneficium, die Grafschaft Rüstringen in Friesland ut in eum se cum rebus suis, si necessitas exigeret, recipere potuisset.109 Offenbar rechnete man mit seinem erneuten Sturz, der dann 827 auch eintrat. Die Bedeutung der Vasallität Heriolds für das dänische Königreich ist unklar, insbesondere, ob dieses selbst jedenfalls während seiner – kurzen – Mit-Herrschaft unter eine Oberhoheit des Kaisers kam. In den Annalen ist von einer Lehnsauftragung des Königreiches keine Rede. Nigellus hingegen behauptet in seinem Lobgedicht, das um 826 entstanden ist, daß Heriold auch sein Königreich dem Kaiser übergeben habe.110 Da die Söhne Godofrids als Mitkönige eine solche Lehnsauftragung aber sicher nicht mittrugen, lag jedenfalls eine unklare Situation vor. Der Kaiser gewann gewiß einen bestimmenden, auch rechtlich gesicherten Einfluß, den der Einsatz Ludwigs ebenfalls durchsetzen sollte, aber wohl kaum eine Oberhoheit. Die späteren Nachrichten lassen Rückschlüsse nur bedingt zu. Der Bericht über die durch den erneuten Hilferuf Heriolds veranlaßte Untersuchung in Dänemark durch fränkische Gesandte im Jahre 823, qui et causam filiorum Godofridi et statum totius regnis Nordmannorum diligenter explorantes deutet zwar auf eine Oberhoheit hin. Die Gesandten berichteten nach ihrer Rückkehr offenbar ausführlich dem Kaiser. Heriold scheint vorerst wieder eingesetzt worden zu sein. Die Verhandlungen über seine Sache nach der erneuten Vertreibung 827 an der Grenze zwischen den beiden Herrschaftsgebieten deuten aber eher auf Gleichrang hin. Denn diese fanden an der Grenze und nicht, wie bei der Einsetzung eines neuen Abodritenfürsten, am Hofe Ludwigs statt. Zwar versuchte Ludwig wiederum Einfluß auf die inneren Verhältnisse Dänemarks zu nehmen, aber doch eher von außen her und durch Verhandlungen. Da über eine Rückkehr oder Rückführung Heriolds nichts mehr berichtet wird, konnte sich der Kaiser zudem nicht durchsetzen. So lassen auch die Friedensbitten und Vertragsabschlüsse mit den Söhnen Godofrids von 825 und 828 nichts im Hinblick auf eine Oberhoheit erkennen, eher im Gegenteil. Ludwig entsandte in beiden Fällen eigene Gesandte, um die Verhandlungen wiederum an der Grenze zu führen und pacem ... confirmari. Es mußten auch dieses mal keine dänischen Gesandte auf einem Hoftag oder beim Kaiser erscheinen, was bei Bestehen einer Oberhoheit nahe gelegen hätte. 109 110

Ann. regni Franc. ad a. 826. Zitat oben S. 452, Anmerkung 101.

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Foedus, societas, Vasallität

Eine Oberhoheit hätte auch allenfalls in der Person Heriolds durch dessen commendatio begründet werden können. Er hatte aber gerade das Königsamt nicht inne. Zwar lag Ludwig offensichtlich an einer starken Einflußnahme auf das dänische Königreich. Das zeigen auch seine Bemühungen um die Mission und die institutionelle Bindung der neu zu errichtenden kirchlichen Strukturen in diesem Königreich an ein in Franken errichtetes Erzbistum. Aber zu einer Oberhoheit reichte es ganz offenbar nicht. Vielleicht rührt es sogar im Gegenteil daher, daß die Dänen oder Normannen, wie sie dann heißen, später Hamburg so lange angriffen, daß das Erzbistum nach Bremen verlegt werden mußte.

d. Commendatio – deditio In den Reichsannalen 797 wird über die commendatio zweier spanisch-sarazenischer Großer berichtet.111 Zunächst heißt es über die Rückgabe Barcelonas und die Unterwerfung des Statthalters Zato von Barcelona Nam ipse ad palatium veniens domno regi semetipsum cum civitate commendavit. In der Überarbeitung, den sogenannten Einhardannalen, heißt es hingegen seque cum memorata civitate spontanea deditone illius potestati permisit. Die Verwendung dieser unterschiedlichen Begriffe für denselben Vorgang einer Unterwerfung deutet auf einen Zusammenhang zwischen deditio und Lehnsrecht hin. Im zweiten Fall kam der von seinem Bruder vertriebene Fürst Abdellah nach Aachen als Schutzsuchender, ipso semetipsum commendante suscepit. In den Einhardannalen fehlt der Hinweis auf eine commendatio wiederum. Es ist unklar, ob hier wirklich Vasallitätsverhältnisse begründet wurden. Die unterschiedlichen Begriffsverwendungen in den beiden Fassungen der Annalen deuten auf Unsicherheiten der Autoren hin. Zwar ist für das Jahr 797 eine zeitgleiche Überlieferung in den Reichsannalen anzunehmen. Der Begriff der commendatio stand 797 bereits fest. Auch vollzogen sich die beiden Vorgänge in Aachen, wohin die Araberfürsten kamen. Das könnte dafür sprechen, daß jeweils eine lehnsrechtliche commendatio vorgenommen wurde. Jedoch wird weiter nichts über die Verhältnisse zwischen Karl und den beiden arabischen Fürsten ausgesagt. Beide tauchen später nicht mehr als Vasallen auf. Das mag den Überarbeiter der Reichsannalen, die zeitlich später abgefaßt wurden, veranlaßt haben, die Bezugnahme auf eine commendatio aus seiner nachträglichen Sicht in beiden Fällen zu ersetzen bzw. wegzulassen. Eine arabische Vasallität ist daher eher zu verneinen, zumindest höchst zweifelhaft. Aber selbst das Schutzverhältnis einer deditio hatte anscheinend keine Folgen, jedenfalls wird darüber nichts berichtet. Die Darstellungen in den Reichsannalen haben jedoch Paradisi veranlaßt, die deditio und die commendatio für die karolingische Zeit zusammenzuziehen. Er ordnet die deditio in den Gesamtzusammenhang der feudalen Institutionen ein und behandelt auch die Kommendation Tassilos mit der deditio.112 Insbesondere die Schutzfunktion der deditio komme durch die lehnsrechtliche commendatio zum Ausdruck. Das gibt zwar Veranlassung, auf das Verhältnis von deditio und lehnsrechtlicher commendatio 111 112

Ann. regni Franc. ad a. 797, Ann. q. d. Einhardi ad a. 797 ad se venientem suscepisset. Paradisi, Deditio, S. 416ff.

Ergebnisse

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näher einzugehen. Da aber die Schwierigkeit darin liegt, daß die deditio i. d. R. der Abwicklung eines Krieges diente, die commendatio hingegen auch ohne Krieg statthatte, ist darauf im Zusammenhang mit der Erörterung der deditio zurück zu kommen.113

e. Ergebnis Aus heutiger Sicht erscheint die Vasallität als eigenartige fränkische rechtliche Neuentwicklung, um Zwischen-Mächte-Beziehungen rechtlich zu ordnen und inhaltlich zu gestalten. Auch wenn es im Falle Heriolds und der Araberfürsten tatsächlich anders war, ist es für diese Untersuchung des Zwischen-Mächte-Rechtes der Zeit erheblich, daß die Autoren meinen konnten, Vasallität sei eine adäquate Erfassung der betreffenden Verhältnisse. Da sich das Lehnsrecht erst in dieser Epoche auszubilden begann, bildeten die genannten Fälle noch Einzelerscheinungen und konnten auch noch nicht als voll ausgeformte Lehnsrechtsverhältnisse erscheinen. Aber im Ansatz ist die neue Institution in ihren Strukturen erkennbar. Da im dänischen Fall ein zunächst unabhängiger König in das neuartige Verhältnis aufgenommen wurde, ist er besonders aufschlußreich. Anlaß war die Bitte Heriolds um Schutz und Hilfe. Ein foedus war dazu offenbar nicht geeignet. So mußte wohl eine andere rechtliche Grundlage gesucht werden. Die commendatio begründete ein engeres, bündnishaftes personales Verhältnis zwischen beiden Herrschern, in dem der Herr eine gewisse Oberhoheit inne hatte, gleichwohl aber dem Vasallen im konkreten Fall einen hohen Grad an tatsächlicher wie rechtlicher Selbständigkeit bis nahe an die tatsächliche, wenn auch nicht volle rechtliche Unabhängigkeit belassen konnte. Es bestand insoweit eine gewisse Flexibilität.114 Vasallität gewann im Lehnsrecht wachsende grundlegende Bedeutung der Ordnung und rechtlichen Gestaltung der Zwischen-Mächte-Beziehungen in Europa und bildete im Mittelalter eine prägende, ja tragende rechtliche Struktur, die auf die personale Herrschaftsträgerschaft abstellte. Diese Bedeutung des Lehnsrechts schwächte sich erst ab, als die Trägerschaft der Herrschaft von den Fürsten auf die Staaten überging und damit das eigene Recht zwischen den Staaten, das Völkerrecht, entstand und sich entwickelte. Aber dieser Umwandlungsprozeß dauerte bis weit in das 18. Jahrhundert hinein, bis an dessen Ende allein das a-personale Völkerrecht die Ordnung zwischen den Staaten regelte.115

X . E rg eb n i s s e a. Herkunft der Begriffe Die Frage, warum der Begriff foedus erst sehr spät in den karolingischen Quellen auftaucht, obwohl er bereits in Briefen der Päpste an Pippin benutzt wird, kann nur aus 113 114

115

Unten, S. 537ff. Ganshof, Lehnswesen, S. 7 nennt den frühen Kommendationsvertrag einen „Rahmenvertrag“. Steiger, Völkerrecht versus Lehnsrecht?, passim.

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Foedus, societas, Vasallität

der allgemeinen sprachlich-begrifflichen Entwicklung der Zeit erklärt werden. Das gleiche gilt für societas, das sogar erst im 9. Jahrhundert aufgenommen wird. Es fällt jedoch auf, daß foedus und socius im merowingischen Sprachgebrauch bis zum Ende des 7. Jahrhunderts nachgewiesen sind. 116 Hat am Ende der Merowingerzeit ein Sprachbruch stattgefunden? Für die Aufnahme beider Begriffe lassen sich keine Quellen im einzelnen aufweisen. Jedoch findet sich für die von Einhard und dem Poeta Saxo verwendeten Formeln foedus firmissimum bzw. firmo... foedere pacis ein „Vorläufer“ in der Historia Langobardorum des Langobarden Paulus Diaconus. In seiner Darstellung eines Friedensschlusses zwischen Dagobert II. und Grimuald im Jahr 675 verwendet er die Formel pacis firmissimae foedus im allgemeinen, umfassenden Sinn eines vereinbarten Friedens.117 Paulus Diaconus war 782 an den Hof Karls des Großen und damit in den Kreis der Intellektuellen am Hof gekommen. Es besteht die Möglichkeit, daß er den Begriff pacis firmissimae foedus gewissermaßen „mitgebracht“ hat und andere Mitglieder des Kreises die Formel übernahmen. Im allgemeinen aber wird es genügen müssen, auf die allgemeine geistig-kulturelle Entwicklung der sogenannten karolingischen Renaissance zu verweisen, die nicht nur durch die Gruppe am Hofe selbst, sondern durch intensiven Austausch mit den anderen christlichen Gemeinwesen, dem Papst, den Klöstern in England, aber wahrscheinlich auch mit Asturien und auch mit Konstantinopel bestand. Es bildeten sich die Grundlagen eines einheitlichen Kulturraumes heraus. Die zwar nicht durchgängige und stetige, aber doch regelmäßige Verwendung des Begriffs foedus in den Reichsannalen von 809 an fiel in die Zeit nach dem Beginn des dritten Abschnittes in der Verfasserschaft derselben im Jahr 808.118 Die Erzählungen der Annalen werden allgemein ausführlicher und sprachlich reicher. Alcuin, der mutmaßliche Autor der beiden Briefe Karls des Großen an Offa und Leo III., und die beiden Biographen Einhard wie auch der Astronomus oder Anonymus, die beide Begriffe vornehmlich benutzen, gehörten der neuen Bildungsschicht an. Die Neuheit des Begriffes societas erscheint noch deutlicher als die des Begriffs foedus; denn er taucht nur bei den Intellektuellen Einhard, Astronomus und Poeta Saxo, sowie in den späten Annalen auf.

b. Gemeinsamer foedus-Begriff? Für foedus ergibt die Zusammenschau der karolingischen und der päpstlichen Quellen weithin Übereinstimmung des Begriffs. In formeller Hinsicht beruhte foedus übereinstimmend auf einem pactum. Das gilt unabhängig von seinem Inhalt. Foedus wurde auch gleichermaßen als ein Rechtsverhältnis angesehen. Beide verbinden jedenfalls einen Typ des foedus mit pax, amicitia, caritas, dilectio. Aus der gleichen Verwendung 116 117

118

Fred. Chron. cont, 96, 97, 98. Palus Diaconus, Historia, lib. V, c. 32. Gemeint ist damit offenbar ein umfassender Vertrag zwischen den Partnern. Allerdings ist diese Angabe wohl fehlerhaft. Dazu i. e. den Stand der Forschung zusammenfassend Wattenbach/Levison, Geschichtsquellen, S. 253.

Ergebnisse

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des Begriffes foedus in fränkischen und päpstlichen Quellen kann auf das Bestehen eines gemeinsamen Rechtsinstitutes für die allgemeine Ordnung und Regelung der Zwischen-Mächte-Beziehungen geschlossen werden. Einen solchen Schluß begründet auch die zitierte Formel des Paulus Diaconus. Für die oströmische Begrifflichkeit läßt sich das mangels einer Quelle nicht nachweisen. Aber da die Verfasser der fränkischen Quellen diesen Begriff benutzen, um Inhalte der oströmischen Gesandtschaften bei Ludwig dem Frommen zu bezeichnen, gehen sie jedenfalls davon aus, daß sie auch von dieser Seite getragen werden. Es könnte also auch insoweit eine übereinstimmende Vorstellung über Begriff und Funktion des foedus in den Zwischen-Mächte-Beziehungen bestanden haben. Das gilt jedenfalls für den Kern, nicht notwendig für jede Einzelheit des Rechtsinstituts foedus.

c. Foedus – societas – Vasallität Mit den Ansätzen lehnsrechtlicher Gestaltung von Zwischen-Mächte-Beziehungen kündigt sich zwar eine neue institutionelle Struktur an. Aber zum einen erscheint sie erst im Rückblick als erfolgreich. Zum anderen läßt derselbe Rückblick erkennen, daß sie die alten Formen nicht ersetzt oder verdrängt, sondern diese neben ihr bestehen bleiben, sie sich sogar miteinander verknüpfen, jedenfalls was Allianzbildungen angeht.

d. Typologie Keiner der beiden Begriffe foedus und societas bezeichnet in dieser Zeit ein ganz bestimmtes abgegrenztes rechtliches Zwischen-Mächte-Verhältnis, sondern sie decken drei Typen, den umfassenden allgemeinen Friedensbund, den konkreten Friedensvertrag, Allianz und ein Verhältnis der Abhängigkeit, d. h. der Ungleichheit.119 Der Begriff foedus hat somit einen unbestimmten, weiten Inhalt. Es handelt sich zwar um einen römisch-rechtlichen Begriff. Aber dessen Inhalt ist weit darüber hinaus ausgedehnt. Eine begriffliche Spezifizierung hat also nicht stattgefunden. Allenfalls eine bestimmte Dichte der Beziehungen und ihrer Regelung und i. d. R. auch eine regelmäßige Dauerhaftigkeit wird mit foedus bezeichnet. Diese Unbestimmtheit oder Allgemeinheit des Begriffs in unserer Epoche ist insofern überraschend, als in der merowingischen Zeit der Begriff foedus i. d. R. ein Bündnis bezeichnete. Es kommt somit auf den jeweiligen Gesamtzusammenhang an, in dem der Begriff gebraucht wird. Insofern scheint zwischen foedus und societas kein begrifflicher und kein rechtlicher Unterschied zu bestehen. Hingegen verhalten sich pactum einerseits und foedus wie societas andererseits wie rechtliche Form und rechtlicher Inhalt zueinander. Beide Begriffe sind zudem in der Bedeutung eines allgemeinen umfassenden Friedensbundes mit weiteren Begriffen amicitia, caritas, dilectio verknüpft, von denen jedenfalls die beiden letzten einen christlichen Gehalt haben und damit diesen Typ des foedus auf eine weitere Ebene inhaltlicher Bedeutung und Ausfüllung heben.

119

Insoweit zutreffend Wielers, Beziehungsformen, S. 27.

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D : Krieg u n d He rrsc ha f t 7. Ka p it e l: Krie g I. A l l g emei n es Krieg wirkt auf die Gestaltung und Form der Beziehungen zwischen politischen Einheiten in umfassender politischer, sozialer, kultureller, religiöser, wirtschaftlicher Weise ein und ist, jedenfalls in entwickelteren Zuständen dieser Beziehungen stets in irgendeiner Form normativ geregelt. Er muß daher unter verschiedenen Gesichtspunkten für die jeweiligen Epochen untersucht werden, um dieses Phänomen im Ganzen zu erfassen.1 Diese Analyse befaßt sich jedoch gemäß der Gesamtrichtung der Untersuchung nur mit den normativen Aspekten des Krieges, die in dieser Epoche zweierlei Art sind, rechtlich-normativ und in engem Zusammenhang mit ihnen religiös-normativ. Es zeigt sich dabei, daß trotz einer großen Fülle von Untersuchungen zum Krieg im Mittelalter2 die rechtlich-normative, anders als die religiös-normative Seite, bisher allenfalls oberflächliche Aufmerksamkeit erfahren hat. Auch Contamine und Prietzel behandeln sie in ihren Gesamtdarstellungen nicht. Gegenstand der folgenden Darlegungen sind die von den karolingischen Königen bzw. Kaisern mit anderen Herrschern oder Völkern geführten Kriege. Zu diesen zählen nicht nur die auswärtigen Herrscher, sondern auch Fürsten innerhalb des karolingischen Herrschaftsbereiches, die eine große politische und rechtliche Eigenständigkeit besaßen, die sie auch nutzten, um sich aus der Oberhoheit zu lösen, um eine völlige Unabhängigkeit zu errreichen, insbesondere mit den Herzögen Aquitaniens Waifar und Bayerns Tassilo III. Die Erörterungen zur normativen Ordnung des Krieges liegen in der europäischen Tradition bis heute auf zwei Ebenen, einer allgemein theoretischen, die sich vor allem mit der allgemeinen Frage befaßt, ob und unter welchen Bedingungen oder Voraussetzungen Kriege überhaupt ethisch erlaubt sind, und einer praktisch-politischen Ebene, die fragt, ob ein bestimmter konkreter Krieg normativ begründet und gerechtfertigt ist. Da es für unsere Epoche auch insoweit an einer allgemeinen theoretischen Diskussion auf der ersten Ebene fehlt, kommt der zweiten Ebene auch eine grundsätzliche Bedeutung zu, um die normative Ordnung des Krieges zu erfassen. Lediglich Hincmar von Reims nahm ältere Aussagen Augustins zum gerechten Krieg auf.3 Generell gilt jedoch Haggenmachers Feststellung, daß es nach Augustin und Isidor bis in das 13. Jahrhundert keine entsprechende Doktrin gegeben habe.4 Jedoch geben die Berichte über die konkreten Kriege in der Art der Darstellungen der Gründe für den Krieg, durch die Schilderungen der Abläufe und Verhaltensweisen der Beteiligten, durch die 1 2

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Prietzel, Kriegführung, S. 11 ff. Contamine zählte 1994 1703 Veröffentlichungen, La guerre, Literaturverzeichnis. Seitdem sind eine stattliche Reihe weiterer hinzugekommen. Hincmar v. Reims, De Regis, c. VII–XI, Migne PL 125, Sp. 840 C. Haggemmacher, Grotius, S. 18ff „inexistence de la doctrine durant de haut moyen âge“.

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Begriffe und Formulierungen Anhaltspunkte in hinreichendem Maße, um in diesem Kapitel den Versuch unternehmen zu können, die Vorstellungen der Zeit über die allgemeinen normativen Voraussetzungen des Krieges und seiner Ordnung zu klären und zu rekonstruieren. Kriegsrecht, ius belli, umfaßt nach moderner Vorstellung das Kriegsführungsrecht, ius ad bellum, das Recht im Kriege, ius in bello, und das Kriegsabschlußrecht. Auch wenn dies eine moderne Einteilung ist, so kann die Analyse des Kriegsrechts oder der Normativität des Krieges unserer Epoche sich daran als Leitfaden orientieren. Diese Unterscheidung setzt jedoch voraus, daß der Krieg auch in der Auffassung der Beteiligten überhaupt normativ und i .e. S. rechtlich faßbar, also nicht ein bloßes tatsächliches Geschehen ist, das entweder völlig regellos verläuft oder allenfalls einigen mehr oder weniger moralischen Normen unterliegt. Bereits im Altertum war Krieg jedoch auch ein normativ geregelter Vorgang. Das gilt auch für unsere Epoche trotz des umfangreichen tatsächlichen Krieggeschehens, der Häufigkeit der Kriege, ihrer Wildheit und Zügellosigkeit gegenüber dem Feind – Menschen, Land und Sachen. Zum einen gibt es fränkisches Herkommen. Zum anderen wirken auch hier römische Institutionen, wenn auch in veränderter Form fort, u. a. die deditio. Zum dritten sind christliche Einflüsse normativ wirksam geworden. Es können fünf Typen oder Gruppen von Kriegen unterschieden werden. Sie sind nicht eindeutig voneinander abzugrenzen. Aber es scheint, daß sie z. T. unterschiedlichen Normen folgen. Die erste Gruppe umfaßt die Kriege zur Wiederherstellung des Reiches und zur Stabilisierung im Innern, so die Kriege Pippins und Karls des Großen gegen die Herzöge von Aquitanien, die Herzöge von Bayern, aber auch die ersten Kriege gegen die bereits früher unterworfenen Sachsen. Sie werden in den Quellen als Kriege gegen innere Feinde, Empörer, Treubrüchige dargestellt. Dazu gehört auch der Krieg Ludwigs des Frommen gegen den pannonischen Herzog Liudewit in den zwanziger Jahren des 9. Jahrhunderts. Zur zweiten Gruppe gehören Kriege gegen auswärtige unabhängige Herrscher und Mächte, so die Kriege Pippins gegen den Langobardenkönig Aistulf, Karls des Großen gegen den Langobardenkönig Desiderius und den oströmischen Kaiser Nicephorus, seine und Ludwigs des Frommen Kriege gegen die Dänenkönige. Eine dritte Gruppe bilden die Eroberungs- und Unterwerfungskriege, so vor allem die Kriege Karls des Großen gegen die Gesamtheit der Sachsen, die spanischen Sarazenen und gegen die Awaren. Die vierte Gruppe stellen die Abwehrkriege gegen Sarazenen und Normannen oder Wikinger dar, die immer wieder in zunehmendem Maße die Grenzen des Reiches angriffen und überschritten. Die fünfte Gruppe umfaßt die „Bürgerkriege“ zwischen Ludwig dem Frommen und seinen Söhnen.

II. Kr ie g o d er f ri ed l i ch e S tr ei tb ei l eg u n g ? Kriege waren zwar selbstverständlich und gehörten fraglos zur politischen Praxis. Aber die Quellen lassen erkennen, daß die Autoren in der Regel für alle Arten der Kriege Rechtsgründe geltend machten. Es gehörte offenbar zur allgemeinen Vorstellung, daß Kriege in der Regel normativ-rechtlichen Bedingungen unterlagen und aus ihnen jeweils konkret gerechtfertigt werden mußten, mögen auch theoretische Refle-

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xionen, wie sie sich früher bei Augustinus fanden oder später bei Thomas von Aquin aber auch Bartolus de Sassoferrato finden werden, dazu fehlen. Außerdem hielten sie bestimmte Verfahren ein, nicht nur im Innern für die Beschlüsse über Kriege, sondern auch nach außen vor dem Beginn der Kriegshandlungen, um eine friedliche Streitbeilegung zu erreichen.

a. Innere Kriege Da das Frankenreich jedenfalls bis weit in das 8. Jahrhundert keine fest geschlossene, unter zentraler Herrschaft stehende Einheit darstellte, sondern eine Zusammenfassung eigener Herrschaftseinheiten, die nach und nach durch kriegerische Unterwerfung unter die Oberherrschaft der fränkischen Könige geraten waren und dann durch diese zusammengehalten wurden, wurden von den untergeordneten Mächten immer wieder Versuche unternommen, sich – wieder – zu verselbständigen. Da das in Zeiten der Schwäche der königlichen Gewalt und des Übergangs durchaus erfolgreich gewesen war, war das Bemühen der neuen karolingischen Dynastie zunächst darauf gerichtet, diesen Bestrebungen ein Ende zu setzen und diese Einheiten wieder unter königliche Herrschaft zurückzuführen. Die Kriege gegen die aquitanischen und bayerischen Herzöge dienten aus Sicht der Könige Pippin und Karl also im Grunde der Wiederherstellung der rechtmäßigen königlichen Oberherrschaft.5 Aber auch andere Gründe wurden angeführt. Gegen Waifar von Aquitanien wurden zu Beginn des Jahres 761 Verletzungen der Rechte der fränkischen Kirche sowie Forderungen auf Wergeld wegen von Waifar getöteter Goten geltend gemacht.6 Die Reichsannalen werfen ihm später vor, er habe ohne Rücksicht auf von ihm gestellte Geiseln und einen Eid quasi in vindictam supra Pippinum regem exercitum geschickt, also den fränkischen König unter Treubruch angegriffen.7 Auch die Annales Mettenses halten ihm Bruch des geschworenen Eides vor, fidem promissam postponeret.8 Mehrfach wird er der infidelitas oder perfidias beschuldigt.9 Von besonderer Bedeutung für das Verständnis eines gerechtfertigten Krieges ist der Fall Tassilo, der aus dieser Sicht noch einmal aufgenommen werden soll.10 Zwar war dies formell ein „interner“ Krieg zur Durchsetzung der Oberherrschaft Karls gegenüber dem Bayernherzog, der in den Quellen als sein Vasall dargestellt wird. Unabhängig von der heute umstrittenen Frage, ob ein Vasallitätsverhältnis wirklich bestanden hat oder in den Quellen nur behauptet wird, hatte Tassilo einen erheblichen Grad der Selbständigkeit gerade in seinen auswärtigen Beziehungen erreicht, die er auch

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Fred. chron. cont. 52 (152), S. 192 hebt nach Abschluß der Unterwerfung Aquitaniens hervor sicut antiquitus fuerat. Fred. chron. cont., c. 41 (124), S. 186. Ann. regni Franc. ad a. 761. Ann. mett ad a. 761. Auch für die späteren Jahre nennen sie ihn perfidus Waifarius oder halten ihm infidelitas vor Ann. regni Franc. ad a. 761. Ann. regni Franc. ad a. 781, 787, 788, dazu oben S. 452ff.

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gegen Karl nutzte. So steht der Krieg gegen den Bayernherzog einem vollen ZwischenMächte-Krieg sehr nahe. Die materiellen Gründe der Auseinandersetzungen und seines schließlichen Sturzes lieferte die Behauptung, Tassilo habe durch den Bruch der durch die Vasallität begründeten Pflichten gegenüber Pippin und Karl Treulosigkeit, perfidia oder harlisz begangen. Das war ein hinreichender Grund, um ihn zur Einhaltung seines Vasallitätseides auch mit kriegerischen Mitteln zu zwingen. Von besonderem Interesse ist aber die Darstellung des Ablaufes des Vorgehens des Königs gegen seinen ungetreuen Vasallen. Dieser vollzog sich ab dem Jahre 781 bis zu Tassilos Absetzung im Jahre 788 in einem bestimmten Verfahren mit mehreren normativ bestimmten Schritten bis zum Krieg gegen ihn, die über die Rechtfertigung des Krieges gegen den Bayernherzog hinaus allgemein für die normative Ordnung des Kriegs bedeutsam sind. Dabei ist wiederum unerheblich, ob die Darstellungen dieser Treulosigkeit wie der einzelnen Schritte des Ablaufes die Tatsachen richtig wiedergeben oder nur der Verbergung oder Verwischung der wahren Gründe des karolingischen Vorgehens gegen Tassilo dienen sollten, im Gegenteil. Denn den Autoren kommt es mit der Art und Weise der Darstellung offenbar ganz wesentlich auf die Rechtfertigung dieses Krieges an, vielleicht auch der Deckung Karls durch den Papst.11 Das aber ist hier von eigentlichem Interesse, weil die Art der Darstellung ein erhellendes Licht auf die Einstellung der Zeit zum Recht zum Kriege und zum Ablauf des Vorgehens bis zu einem solchen wirft. Bereits für das Jahr 763 wird berichtet, Tassilo habe seine Pflicht zur Teilnahme an einem Kriegszug Pippins gegen den Herzog Waifar von Aquitanien nicht erfüllt und postposuit sacramenta et omnia, quae promiserat, et per malum ingenium se inde seduxit. Diese Entfernung sei per ingenia fraudulenta erfolgt.12 Aber noch schien das keine Folgen gehabt zu haben. Die eigentlichen Auseinandersetzungen begannen offenbar 781 mit Nachrichten über Auseinandersetzungen zwischen Karl dem Großen und Tassilo. Zunächst blieb es aber noch bei Mahnungen. Dafür schaltete Karl auch Hadrian I. mit dessen geistlicher Autorität ein. Denn während seines Rombesuchs in diesem Jahr veranlaßte Karl den Papst, durch zwei Gesandte, Bischöfe, gegenüber dem Bayernherzog die Einhaltung der Eide anzumahnen und einzuschärfen. So sollte die Auseinandersetzung friedlich gelöst werden. Tassilo befolgte diese Mahnung zunächst, erneuerte in Worms seine Eide und stellte Geiseln, tradens se manibus in manibus domni regis Caroli in vassanticum et reddens ducatum sibi commissum a domno Pippino rege. Er erneuerte somit seine Vasallitätskommendation und seine Eide gegenüber Karl, aber erst fast zwanzig Jahren nach dem Herrscherwechsel. Die Rückgabe des Herzogtums bedeutete aber noch nicht dessen Preisgabe. Er empfing es wohl von Karl als beneficium zurück. Darüber wird zwar nichts gesagt. Jedoch konnte er in dieses zurückkehren und die Herrschaft weiterhin ausüben.

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So Kamp, Friedensstifter, S. 100. Ann. regni Franc. ad a. 763. Nach den Einhardannalen hat er auf Grund aegritudine per dolum simulata sich zurückgezogen. Auch dazu schweigt selbstverständlich die Fortsetzung der Fredegarchronik.

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Aber nach dieser Rückkehr habe Tassilo eben diese Vasallitätseide alsbald gebrochen, sed non diu praefatus dux Tassilo promissiones, quas fecerat, conservavit.13 Dieser Bruch der Eide durch Tassilo hätte bereits 781 ein Vorgehen Karls gegen ihn legitimiert, das aber offenbar zunächst nicht erfolgte. Der Konflikt war also noch nicht beigelegt. So wird nach dem Sieg Karls 788 zusätzlich geltend gemacht, Tassilo habe die Hunnen, das sind die Awaren, gegen Karl aufgehetzt, ein weiterer Treubruch.14 Als dieser Konflikt 787 weiter eskalierte, versuchte, wie bereits geschildert, der Papst zunächst erneut eine Vermittlung zur friedlichen Streitbeilegung.15 Tassilo hatte nach dem Bericht der Reichsannalen Gesandte, einen Bischof und einen Abt, zum Papst geschickt, als Karl dort wiederum zu Besuch war, ut pacem terminaret inter domnum Carolum regem et Tassilonem ducem. Der Bericht hebt hervor, daß der Papst den König dazu gedrängt habe, unde et domnus apostolicus multum se interponens, postolando iamdicto domno rege. Karl erklärte sich danach auch sofort zum Friedensschluß mit den Gesandten an Ort und Stelle bereit. Die Gesandten verweigerten dies aber, wie dargelegt. Das hatte nach dem Bericht den Papst erzürnt, der Tassilo instabilitas und mendatia vorwarf. Er ermahnte ihn nicht nur über dessen eigene Gesandte, sich gegenüber Karl und den Franken gemäß dem geschworenen Eid gehorsam zu verhalten und drohte ihm für den Fall der Mißachtung den Bannfluch an, sondern erklärte für diesen Fall zudem, Karl und die Franken seien von aller Schuld frei, inoxii ab omni culpa sunt, wenn sie sein Land durch Brand und Mord verwüsteten. Damit war ein kriegerisches Vorgehen Karls gegen Tassilo von päpstlicher Seite legitimiert. Nach seiner Rückkehr nach Worms schickte Karl erneut Gesandte an Tassilo ut omnia adimpleret secundum iussionem apostolici vel sicut iustitia erat, nämlich dem König, seinen Söhnen und den Franken gemäß seinen Eiden treu und gehorsam zu sein und lud ihn nach Worms vor. Da der Herzog sich aber dieses mal weigerte, auf dem Reichstag vor dem König zu erscheinen, marschierte Carolus una cum Francis videns iustitiam suam in drei Heersäulen gegen den Bayern. Der Herzog ergab sich, zumal die bayerischen Großen das Recht des Königs anerkannten, cognovissent iustitiam iamdicti domni regis, also von ihm abfielen. In dieser Darstellung ist jeder Schritt von erheblicher normativer Bedeutung für ein ius ad bellum und die Legitimierung dieses Krieges. Tassilo bittet zwar den Papst um Vermittlung, brüskiert diesen aber, da er seine Gesandten nicht, oder nicht hinreichend bevollmächtigt hatte. Bereits zweimal hatten Päpste vorher zwischen den fränkischen Herrschern und bayerischen Herzögen zu vermitteln gesucht, 743 in den Auseinandersetzungen zwischen Pippin und Karlmann, die noch Hausmeier waren, mit dem bayerischen Herzog Odilo und 766 zwischen Tassilo und Pippin nach der Weigerung Tassilos, Pippin im Kampf gegen Waifar von Aquitanien zu unterstützen.16 Die nächste

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Ann. q. d. Einh. ad a. 781, ebenso Ann. mett. prio. ad a. 781; Kamp, Friedensstifter, S. 97. Ann. regni Franc. ad a. 788. In den Ann. q. d. Einh. ad a. 787, die allerdings nach den Ereignissen verfaßt wurden, diese also deuten und Karls Vorgehen legitimieren sollten, heißt es: petens ut inter regem atque illum mediator pacis fieri dignaretur. Kamp, Friedensstifter, S. 99 ff. Dazu und zu der Darstellung dieses Konfliktes in den Metzer Annalen, Kamp, Friedensstifter, S. 95 ff.

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derartige päpstliche Intervention stellte der Versuch Gregor IV. im Jahre 833 dar, im Konflikt zwischen Ludwig dem Frommen und seinen Söhnen zu vermitteln, allerdings vergeblich. 787/788 erscheint Tassilo in seinem zwiespältigen Verhalten für den Papst als Lügner. Der Papst tritt daher eindeutig auf die Seite des Königs, weil eine Vermittlung mit einem Lügner unmöglich geworden sei. Er muß kraft seiner geistlichen Gewalt Einhaltung der Eide und der Treue von Tassilo verlangen. Denn der Eid ist, wie bereits erörtert, eine religiöse Handlung, da er Gott einbezieht; dessen Befolgung muß daher auf kirchlicher Ebene sanktioniert werden.17 Der Eidbruch zieht daher den Bann, also die Exkommunikation, nach sich. Vor allem berechtigt der Eidbruch in der geistlich-kirchlichen Ordnung Karl und die Franken zum Krieg, der dann keine Schuld oder Sünde darstellt. Hier scheint ohne ausdrücklichen Bezug die Lehre vom bellum iustum durch, die ursprünglich eine theologische Antwort auf die Frage geben sollte, ob und wann Krieg Sünde sei oder nicht, also religiös-moralisch gegebenenfalls gerechtfertigt ist. Da Tassilo sich danach weigerte, der Aufforderung Karls gemäß der Weisung des Papstes und des Rechtes, wie es die Reichsannalen formulieren, als Vasall nach Worms zu kommen, war der Krieg zur Wahrung beider notwendig und weltlich wie geistlich gerechtfertigt. Die Vermittlungsaufgabe gehörte zum Selbstverständnis der Päpste, wie sich auch im Langobardenkonflikt gezeigt hatte.

b. Kriege gegen Aistulf Auch die Kriege gegen Aistulf 755 und 756 werden als Kriege zur Wiederherstellung des Rechts gerechtfertigt. Da in diesem Fall fränkische und päpstliche Quellen vorliegen, sind Vergleiche möglich.18 Die beiden Kriege ergaben sich zwar aus dem Bündnis zwischen Pippin und dem Papst. Aber dies war auf die Durchsetzung rechtlich begründeter Ansprüche der Päpste gerichtet, in den Worten des Liber pontificalis, die causa beati Petri et reipublice Romanorum zu verteidigen, exarchatum Ravenae et reipublice iura seu loca reddere. Nach dem Bericht des Fortsetzers der Fredegarchronik ging es darum, dem Papst gegen die Bedrückungen und Hinterlisten der Langobarden sowie gegen die von ihnen wider alles Recht erhobenen Tribute und Geschenke Hilfe zu gewähren, auxilium petens contra gente Langobardorum et eorum rege Aistulfo, ut per eius adiutorium eorum oppressionibus vel fraudulentia de manibus eorum liberaret, et tributa vel munera, quod contra legis ordine ad Romanos requirebant. Die Reichsannalen berichten ganz knapp, der Papst habe um Hilfe pro iustitiis sancti Petri gebeten. Nach allen Darstellungen handelte es sich also um ein Bündnis zur Wiederherstellung des durch die Langobarden verletzten Rechtes, ein Verteidigungsbündnis in einem weiteren Sinn. Krieg war jedoch, wie der Ablauf i. e. zeigt, nicht zwingend, um diesen Zweck zu verwirklichen. Allerdings ist die Rekonstruktion der Vorgänge wegen der Diskrepanzen in den

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Zum Eid bereits oben S. 402ff. Ann. regni Franc. ad a. 755 und 756.; ad a. 773; Fred. chron. cont., c. 36/37 (119/120), c. 38 (121), S. 183ff.; Vita Stephani II., Liber Pontificalis I, S. 448f.

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Darstellungen der fränkischen und päpstlichen Quellen schwierig, ist doch, wie oben dargelegt, bereits ungewiß und daher in der Literatur streitig, ob 754 ein oder zwei Hoftage, in Quierzy und in Bernacum oder nur dort stattfanden. Auch hier sind die einzelnen Schritte im Vorgehen Pippins gegen Aistulf von allgemeiner Bedeutung. Nach dem Fortsetzer der Fredegarchronik schickte Pippin unmittelbar nach der Begegnung in Ponthion und der Anweisung des Klosters St. Denis bei Paris an Stephan II. zur Überwinterung Gesandte an Aistulf, petens ei, ut propter reverentia beatissimorum apostolorum Petri et Pauli partibus Romae hostiliter non ambularet, et superstitiosas hac impias vel contra legis ordine causas, quod antea Romani numquam fecerant, propter eius petione facere non deberent.19 Die Reichsannalen erwähnen die Entsendung der Gesandten Pippins an Aistulf und ihren Auftrag ebensowenig wie deren überarbeitete Fassung, die Einhardannalen. Die – noch späteren – Metzer Annalen berichten hingegen ebenfalls über die Entsendung einer Gesandtschaft an Aistulf mit fast denselben Worten wie die Fredegarchronik, aus der sie diesen Vorgang offenbar übernommen haben. Jedoch steht statt contra legis ordine die Formulierung impias praesumptiones contra pontificem Romanae urbis non moveret. 20 Nach diesen Darstellungen verlangte Pippin also von Aistulf, das Gebiet des Papstes, insbesondere Rom nicht weiter anzugreifen. Es ging somit um die Abwehr von Angriffen, also um Verteidigung des Papstes und Roms, zunächst durch „Abmahnung“ und ein Angebot zur friedlichen Streitbeilegung zur Vermeidung eines Krieges. Genauerhin forderte Pippin die Wiederherstellung der herkömmlichen Rechtsordnung. Über deren genauen Inhalt sagt der Text der Fredegarchronik nichts. Ob es sich dabei um eine päpstlich-römische oder kaiserlich-römische Ordnung handelte, läßt sich aus den Texten nicht klären. Da sich Pippin nach diesen aber nur auf die Ehrfurcht vor den Aposteln bezieht, die kaiserliche Stellung hingegen mit keinem Wort erwähnt wird, wird hier, wie dargelegt, davon ausgegangen, daß nach der fränkischen Vorstellung der fränkische König nicht die Wiederherstellung rechtlicher Forderungen des Kaisers, vertreten durch den Papst, sondern solche des Papstes gegen Aistulf sichern und durchsetzen wollte. Nach diesen Darstellungen wollte Pippin allein dem Papst beistehen, nicht dem oströmischen Kaiser. Außerdem ist nur von dem Gebiet Rom die Rede, gemeint sind wohl die Stadt und der Dukat. Andere Teilen des Reiches, so das Exarchat als Ganzes, vor allem einschließlich Venedig, werden daher nicht erfaßt. Vor allem wird für diesen Zeitpunkt eine Übertragung vormals oströmischer Gebiete nicht erwähnt. Das Liber Pontificalis berichtet etwas abweichend über eine erste Gesandtschaft Pipins an Aistulf nach dem von ihm behaupteten Hoftag in Quierzy, also nachdem die Großen nach seiner Darstellung das Bündnis zwischen Pippin und Stephan II. bestätigt und die promissio donationis unterzeichnet hatten. Ihr Auftrag war nach dieser Darstellung propter pacis foedera et proprietatis sancte Dei ecclesiae rei publice restituenda iura. Pippin bot Aistulf danach sogar auf Ermahnung des Papstes Entschädigung an atque bis et tertio, iuxta sepefati beatissime ammonitionem, eum deprecatus est et

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Fred. chron. cont., c. 36 (119), S. 183, Z. 20–23. Ann. Mett. ad a. 753, MGH SS I, S. 331/2, Z. 1f.

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plura ei pollicitus et munera ut tantummodo pacifice propria restitueret propriis.21 Die Bemühungen um friedliche Streitbeilegung waren also sogar mit einem substantiellen Ausgleich verbunden. Der fränkische König wurde nach dieser Darstellung zunächst als Vermittler zwischen den streitenden Parteien zur Erhaltung des Friedens tätig. Aber es blieb, folgt man dem Liber Pontificalis, nicht bei diesem einen Versuch. Nach Überquerung der Alpen aber vor dem endgültigen Angriff auf Aistulf sandte Pippin nach dem Bericht des Liber Pontificalis eine zweite Gesandtschaft an den langobardischen König, wiederum auf Bitten des Papstes, ab, um Blutvergießen zu vermeiden. Der Papst habe selbst einen Brief an Aistulf geschrieben, mit der Bitte um Gottes willen ut pacifice, sine ulla sanguinis effusione, propria sanctae Dei ecclesiae republice Romanorum reddidisset. Der päpstliche Bericht greift dabei auf den Vertrag zurück, den Aistulf am Anfang der Ereignisse mit Stephans Bruder Paul abgeschlossen hatte. Dieser erscheint damit als Grundlage der Bitte Pippins, die Rechte des Papstes wiederherzustellen. Ob in diesem Vertrag auch bereits Ravenna und die Pentapolis enthalten waren, ist der Quelle nicht zu entnehmen. Die ausführliche Darstellung in der päpstlichen Quelle ist im Hinblick auf den Inhalt der Forderung Pippins an Aistulf von Bedeutung, postulavit, ut sanctam Romanam ecclesiam cuius ille defensor per ordinationem divinum fuerat, non affligeret, sed omnem ei iustitiam de rebus ablatus faceret. Aber auch diesen gewissermaßen letzten Versuch einer friedlichen Regelung lehnte Aistulf ab.22 Entsprechende Berichte über eine zweite Gesandtschaft fehlen in der Fredegarchronik und in den Annalen. Jedoch erwähnen die, wenn auch späten Metzer Annalen eine zweite Gesandtschaft Pippins an Aistulf nach dem Übergang über die Alpen.23 Es schließt sich in dieser Darstellung ein Dialog zwischen Aistulf und den Gesandten Pippins an, der für den Umfang der donatio von Interesse ist. Der König fragt diese, quae illa iusticia esset. Ihre Antwort lautet Ut reddas ei Pentapolim, Narnias, et Cenacum, et omnia unde populus Romanus de tua iniqiuitate conqueritur. Auch wird in diesem Bericht das Angebot einer Entschädigung von zwölftausend Solidos durch die Gesandten erwähnt. Hier also werden die Städte der Pentapolis auch von fränkischer Seite genannt, – aber erst rund fünfzig Jahre später, also nach den Ereignissen. Da aber auch diese zweite Gesandtschaft Pippins erfolglos war, begann der Krieg.24 Der Fortsetzer der Fredegarchronik beschreibt den Kriegsbeginn Initoque consilio cum proceribus suis, eo tempore quo solent reges ad bella procedere cum Stephano papa vel reliquas nationes, qui in regno suo commorabantur et Francorum agmina partibus Langobardiae cum omni multitudine ...pervenerunt. Pippin eroberte Pavia und es kam zum Friedensschluß des Jahres 755, der in den Quellen wiederum unterschiedlich dargestellt wird.25 Inhaltlich versprach Aistulf die vom Papst in Anspruch genommenen

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Vita Stephani II., Liber Pontificalis I., S. 449. Vita Stephani II., Liber Pontificalis I., S. 449 f. Ann. Mett. priores ad a. 754. Vita Stephani II., Liber Pontificalis I., S. 449, Z. 15; Ann. Mett. ad a. 754, MGH SS I, S, 332, 17. Oben S. 151f.

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Gebiete herauszugeben und sich feindlicher Akte gegenüber dem Papst zu enthalten. Außerdem unterwarf er sich der dicio Pippins. Insbesondere die päpstlichen Berichte der Gesandtschaftsphase insistieren in ihren Darstellungen auf dem Friedenswillen des Königs und vor allem des Papstes, der Blutvergießen zwischen Christen verhindern wollte. Zwar divergieren die Berichte i. e. über den Ablauf. Aber sie stimmen darin überein, daß Pippin vor Beginn des Zuges nach Italien, also des Krieges, zumindest einen Versuch zur friedlichen Regelung unternahm. Die Unterschiede in den Darstellungen der päpstlichen und der fränkischen Quellen über die Gesandtschaften können verschiedene Gründe haben, mangelnde Kenntnisse über die Vorgänge, aber auch „propagandistische“ Gründe. Dem päpstlichen Autor lag vielleicht vor allem auch daran hervorzuheben, daß der Krieg das letzte Mittel gewesen sei, weil alle friedlichen Bemühungen Pippins, wie schon die vorhergehenden des Papstes selbst vor seinem Besuch und Beistandsersuchen bei Pippin, eine friedliche Regelung mit Aistulf zu erreichen, gescheitert waren. Erst als diese verweigert wurde, obwohl sogar Geschenke, also ein gewisser Ausgleich angeboten wurden, kam es zum Krieg gegen die Langobarden. Jedenfalls war auch dieser Krieg ein Krieg zur Wiederherstellung gestörten Rechts. Das ergibt sich auch aus den beiden Fassungen der Annalen, obwohl diese die Friedensgesandtschaften nicht erwähnen. Auch sie stellen deutlich heraus, daß der Krieg iustitiam beati Petri apostoli quaerendo geführt wurde, die zu erfüllen Aistulf sich weigerte, iustitiam vetando.26 Da Aistulf diese Bedingungen des Friedensschlusses von 755 gegenüber dem Papst und Pippin nicht erfüllte, sondern einerseits die versprochenen Gebiete nicht herausgab und andererseits das Dukat erneut angriff27, war dieser Bruch des Vertrages ein hinreichender Grund für den zweiten Krieg von 756. Über eine Abmahnung oder einen Versuch zur friedlichen Streitbeilegung vor Beginn der Feindseligkeiten wird dieses mal in keiner Quelle berichtet. Er scheint in dieser Situation nicht erforderlich gewesen zu sein, da nach Auffassung der päpstlichen und der fränkischen Seite ein offenbarer Vertrags- und Rechtsbruch gegeben war. Vielmehr liegt in den Berichten nunmehr das Gewicht auf diesen materiellen Rechtsbrüchen. Noch 755 richtete Stephan II. einen erneuten Hilferuf an Pippin. Aistulf habe nicht zurückgegeben, was er unter Eid versprochen habe, nec unius enim palmi terrae spatium beato Petro sanctae Dei ecclesiae, rei publice Romanorum, reddere passus est. Der Papst beruft sich darauf iustitiam beati Petri, in quantum potuistis, exigere studuistis et per donacionis paginam restituendum confirmavit bonitas vestra. Es folgen weitere Briefe, in denen Stephan II. sich zunächst nur darüber beklagt, daß Aistulf nichts herausgibt und Pippin ermahnt wird, seine schriftlich gegebene donatio gegenüber dem hl. Petrus zu erfüllen. Es geht dem Papst also zunächst um die Sicherstellung der Erfüllung der territorialen Abreden aus dem dreiseitigen Vertrag von 755. Das Versprechen wird Pippin und dessen Söhnen noch ein weiteres Mal zugeordnet, ut doleat vobis pro sancta Dei ecclesia et iuxta donatione quam eidem protectori vestro, domino nostro, beato Petro offere iussistis, omnia redderem. 26 27

Ann. regni Franc. ad a. 755. Codex Carolinus, Nr. 8, MGH Epp. III, S. 494, Nr. 10. MGH Epp. III, S. 501. Chron. Fred. cont. 38 (121). Ann. regni Franc. ad a. 756. Oben S. 153f.

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Mochte die Nichterfüllung der Übergabeversprechen von Aistulfs Seite zunächst noch als bloßer Versuch erscheinen, die Erfüllung des Vertrages von 755 hinauszuzögern, so wirft Stephan II. ihm jedoch im Febuar 756 endgültig Bruch des Vertrages und seiner Eide vor, quomodo pacis federa ab impio Haistulfo rege et eius gente dissipata sunt; ... und ruft zudem die Hilfe Pippins gegen erneute Angriffe Aistulfs auf das Gebiet des Dukates von Rom an.28 In ipsis Ianuarium Kalendis cunctur eiusdem Haistulfi regis exercitus Tusciae partibus in hanc civitatem Romanam coniunxerunt et resederunt iuxta portam Salarium et ceteras portas et nobis direxit und habe die Öffnung der Tore und die Auslieferung des Papstes gefordert. Die Beneventaner seien von Süden her vorgedrungen. Außerhalb der Stadt hätten sie mit Feuer und Schwert alles verwüstet. Die Stadt Narnias, die Aistulf dem hl. Petrus übergeben habe, und andere Städte hätten sie besetzt und dem Papst weggenommen. Stephan II. bittet Pippin, die Kirche, den hl. Petrus, ihn und die Römer nicht zu verlassen, sondern zur Hilfe zu kommen. Aber er beruft sich insoweit nicht auf eine vertragliche Verpflichtung zur Verteidigung, sondern auf christliche Pflichten Pippins aus seiner Salbung, auf das Vertrauen, das die Völker der Welt in ihn haben und das nicht enttäuscht werden dürfe, auf den Lohn Gottes und des Apostelfürsten, der ihm für die Hilfe und den Beistand geschenkt werde. Der Papst verstärkte den Druck noch zusätzlich durch einen zweiten Brief, den der Apostelfürst selbst an Pippin und seine Söhne schrieb und in dem dieselben Bitte noch dringlicher wiederholt wurden.29 Sie wurden nur religiös-kirchlich damit begründet, daß Petrus sie als Adoptivsöhne zur Verteidigung der Kirche angenommen habe und daß ihnen die Kirche zum Schutz anvertraut sei. Eine „weltliche“ vertragliche Verpflichtung wird also nicht geltend gemacht. Das erstaunt im Hinblick auf die allgemeine, auch hier geteilte Annahme, daß der Papst und der König bei Stephans Besuch in Franken ein Bündnis zur Verteidigung der päpstlichen Rechte abgeschlossen haben. Für den Papst standen die religiöskirchlichen, vor allem aus der Salbung erwachsenen Bindungen und Pflichten offenbar höher, bzw. war dieses Bündnis vor allem ein religiös-kirchliches. Auch diese Begründung erübrigte vielleicht eine weitere Gesandtschaft an Aistulf. Durch diese Argumentation der Rechtfertigung des zweiten Kriegs gegen Aistulf verbindet der Papst in eigentümlicher Weise die rechtliche Ebene des Kriegsgrundes mit der reiligiös-kirchlichen Ebene der Verpflichtung Pippins. Die Fredegarchronik nimmt die Klagen Stephans II. auf. Aistulf habe fidem suam quod contra Pippino promiserat, peccatis facientibus gebrochen und sei wieder in das römische Gebiet eingefallen. Pippin sei auf die Nachricht hin wiederum mit seinem Heer gegen ihn gezogen. Angesichts der erneuten Niederlage bat der langobardische König wiederum per supplicationem sacerdotum et optimates Francorum veniam et pacem praedicto rege supplicans, et sacramenta, quod contra praefato rege dudum dederat hac contra sedem apostolicam rem nefariam fecerat, omnia per iudicio Francorum vel sacerdotum plenissima solutione emendaret.30 Die Franken verurteilten ihn, Pippin ein Drittel seines Schatzes und andere Geschenke herauszugeben. Er schwor erneut, 28 29 30

Codex Carolinus, Nr. 8, MGH Epp. III, S. 494. Codex Carolinus, Nr. 10, MGH Epp. III, S. 501. Chron. Fred. cont. 38 (121).

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nicht gegen den König und die Franken vorzugehen und einen jährlichen Tribut zu zahlen. Die Reichsannalen legen das Schwergewicht auf die Erfüllung der päpstlichen Wünsche. Auch sie stellen darauf ab, daß Aistulf das, was er im Vorjahr de iustitias sancti Petri promiserat nicht eingehalten habe, weshalb Pippin erneut nach Italien gezogen sei.31 Nach dem Sieg über Aistulf bestätigte Pippin magis magisque de iustitiis sancti Petri... ut stabiles permanerent, quod antes promiserat, et insuper Ravennam cum Pentpolim et omni Exarcatu conquisivit et sancto Petro tradidit. Die Einhardannalen weichen davon nicht ab. Die Metzer Annalen übernehmen weitgehend den Bericht der Fredegarchronik, fügen allerdings in Bezug auf Aistulf hinzu et ea quae sancto Petro vel Stephano papae annis preteritis promiserat, cuncta reddidit. Der Zweite Krieg war also eindeutig durch Aistulfs Vertragsbrüche begründet. Auch insoweit war das Zwischenspiel der oströmischen Gesandtschaft unerheblich.32

c. Krieg gegen Desiderius Der Krieg Karls des Großen gegen Desiderius erscheint ebenfalls als Reaktion auf dessen Vertrags- und Rechtsbrüche, da er Aistulfs Verpflichtungen übernommen hatte, also als Verteidigung des Papstes. Die eigenen Interessen Karls, gegen Desiderius vorzugehen, weil dieser die Söhne Karlmanns unterstützte, werden in den fränkischen Quellen nicht genannt und tauchen im Liber Pontificalis nur indirekt durch die Meldung auf, Hadrian habe dem Wunsch des Desiderius, diese zu Königen zu salben, nicht nachgegeben. Pippin hatte sich nicht auf einen dritten Krieg gegen die Langobarden eingelassen, obwohl die Päpste immer wieder Rechtsverletzungen durch den neuen König Desiderius geltend machten. Sein Sohn aber folgte 774 einer Aufforderung Hadrians I., der Gesandte an ihn geschickt hatte invitando scilicet supranominatum gloriosum regem una cum Francis pro dei servitio et iustitia sancti Petri seu solatio ecclesie super Desiderium regem et Langobardos.33 Desiderius war nach dem wiederum wesentlich ausführlicheren Bericht des Liber Pontificalis in das Gebiet Roms eingefallen, das durch die Übertragungen Pippins nach dem zweiten Sieg über Aistulf das Ravennat und andere Gebiete in der Romagna etc. umfaßte, und sogar bis vor die Tore Roms gelangt. Er hatte also den gesamten territorialen Besitz des Papstes entgegen dem von ihm früher bestätigten Vertrag seines Vorgängers Aistulf von 756 wieder zurückgeholt.34 Hadrian I. bat Karl daher ut sicut pater sanctae memoriae Pippinus et ipse succurreret atque subveniret sanctae Dei ecclesiae et adflictae Romanorum seu exarchatus Ravennantium provinciae, atque plenarias beati Petri iustitias et abstultas civitates ab eodem De-

31 32 33 34

Ann. regni Franc. ad a. 756. Oben S. 154. Ann. regni Franc. ad a. 773. Die Bestätigung war Bedingung der Zustimmung Pippins und Stephans II. zu seiner Einsetzung als langobardischer König nach dem plötzlichen Tod Aistulfs gegen den anderen Prätendenten, dessen Bruder und früheren König Ratchis, Vita Stephani II., Liber Pontificalis, I, S. 455.

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siderio rege exigeret.35 Hadrian seinerseits versuchte, seine Gebiete und die Stadt Rom so gut wie möglich gegen Desiderius zu schützen, sandte ihm aber zudem Bischöfe mit einer Bannandrohung, facto in scriptis anathematis verbo. Die Androhung des Bannes beruhte zwar auf religiösen Grundlagen, wurde aber, wie später auch bei Tassilo, gegen den Bruch des zur Sicherung des weltlichen Vertrages gegebenen Eides eingesetzt. Wiederum werden zunächst auf dem Weg zum Krieg von Karl und dem Papst mehrere Versuche unternommen, um zu einer friedlichen Lösung zu gelangen, über die jedoch nur das Liber Pontificalis berichtet.36 Der König schickte zunächst Gesandte, zu denen u. a. neben dem in dieser Angelegenheit schon unter Pippin häufig tätigen und höchst sachkundigen Abt Fulrad auch Alcuin, Albuinus deliciosus ipsius regis, gehörte, an Hadrian I., um sich nach dem Stand der Angelegenheit zu erkundigen, insbesondere, ob der langobardische König alles zurückgegeben habe, wie ihm wohl berichtet worden war. Da das jedoch nicht der Fall war, zogen die fränkischen Gesandten mit päpstlichen Gesandten zu Desiderius, um ihn nachdrücklich aufzufordern ut antefatas quas abstulerat civitates pacifice beato Petro redderet, et iustitias parti Romanorum fecisset. Aber da die Doppelgesandtschaft nichts erreichen konnte, kehrten sie nach Franken bzw. nach Rom zurück. Karl sandte von Francien aus eine zweite Gesandtschaft, die Desiderius ein Geschenk von vierzehntausend Solidos in Gold und Silber anbot. Aber weder Bitten noch Geschenke konnten Desiderius umstimmen. Zwar kann es sich bei dieser Schilderung weniger um eine Darstellung des wirklichen Ablaufs, sondern vielmehr um eine Gestaltung nach den Vorgängen von 754 handeln. Aber gerade dies zeigt, wie sehr die päpstliche Quelle darauf Wert legt, die friedlichen Versuche hervorzuheben, um Krieg zu vermeiden. Es könnte auch der Hinweis auf ein Ritual sein, das vor Kriegsbeginn zu vollziehen war. Nachdem auch die zweite Gesandtschaft erfolglos zurückgekehrt war, begann Karl den Kriegszug nach Italien. Aber als Karl an den Klausen angekommen war, folgte noch eine dritte Gesandtschaft mit demselben Angebot. Aber auch dieses lehnte Desiderius ab. Daraufhin bot Karl in einem letzten Versuch dem langobardischen König, cupiens antedictus christianissimus Francorum rex pacifice iustitias beati Petri recipere, die Rückgabe dreier Geiseln gegen die Herausgabe der Städte an. Er war sogar bereit, ohne Schädigungen und Beute nach Francien zurückzukehren, sine ulla inferta malitia aut commiso proelio ad propria cum suis Francorum exercitus reverteretur. Aber auch dieses Angebot lehnte Desiderius ab, sed neque sic valuit eius malignam mentem flectare. Daraufhin kam es zum Krieg, aus dem Karl als Sieger hervorging. Das mag die Berichterstattung geprägt haben.

d. Krieg gegen Nicephorus Für den dritten auswärtigen Krieg Karls mit einer christlichen Macht, mit dem byzantinischen Kaiser Nicephorus, geben die fränkischen Quellen keine genaueren Hinweise über die Kriegs- und Rechtsgründe. Es heißt in den Reichsannalen 806 lediglich, classis a Nicephoro imperatore, cui Niceta patricius praeerat, ad reciperandam Dalmatiam mitti35 36

Vita Hadriani I., Liber Pontificalis, I, S. 493. Vita Hadriani I., Liber Pontificalis, I, S. 494f.

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tur. Danach hätte der oströmische Kaiser den Krieg begonnen. Da jedoch Karl Venedig vorher unter seine Herrschaft gebracht hatte, hatte er massiv in den Herrschaftsbereich des byzantinischen Kaisers eingegriffen.37 Dieser konnte diesen Eingriff, der ihm als Rechtsbruch erscheinen mußte, nicht ohne Reaktion hinnehmen. Aus fränkischer Sicht jedoch war die Herrschaft über Venedig durch einen Unterwerfungsakt der Dogen begründet. Daher handelte es sich für sie um einen Angriff des oströmischen Kaisers, gegen den man sich verteidigen durfte. Eine nähere Begründung erübrigte sich daher. Die Abwehr des Angriffs oblag dem Unterkönig von Italien, Karls Sohn Pippin. Am Ende standen nach einem zwischenzeitlichen Waffenstillstand, einem ersten Versuch Frieden zu schließen und weiteren Flottenaktionen die Herausgabe beider Gebiete an Ostrom im Jahre 810 und schließlich der Friedensvertrag von 812/14. Auch diesem Krieg war nach Karls eigenem Zeugnis im Jahre 803 eine Gesandtschaft Karls an Nicephorus vorausgegangen, die eine Gesamtfriedensregelung auf der Grundlage eines Vorschlags Karls aushandeln sollte. Aber Nicephorus hatte aus welchen Gründen auch immer nicht geantwortet.38

e. Kriege mit dänischen Königen Zu den auswärtigen Kriegen gehörten auch die Auseinandersetzungen Karls des Großen und Ludwigs des Frommen mit den Dänenkönigen. Bereits der erste Krieg Karls gegen König Godofrid im Jahre 808 wird von den Reichsannalen als Verteidigungskrieg gegen einen Angriff des Dänenkönigs dargestellt, der sich jedoch nicht gegen Karl und sein Reich, sondern gegen die mit den Franken verbündeten Abodriten richtete.39 Allerdings befürchtete der Kaiser wohl auch einen Angriff auf das seit einigen Jahren voll inkorporierte Sachsen. Eine weitere Begründung war wiederum überflüssig. Die kriegerischen Maßnahmen wurden i. ü. von Karls Sohn Karl auch auf die mit dem Dänenkönig verbündeten Slawen ausgedehnt. Da es mit Godofrid nicht zu einem Friedensschluß kam, gingen die Auseinandersetzungen bis zu dessen Tod 810 weiter, wobei stets der Dänenkönig als derjenige dargestellt wird, der Angriffe plante oder durchführte. Die Friedensverträge, die nach Godofrids Tod an der Eider zwischen Karl und den neuen Königen Reginfried und Heriold geschlossen wurden, brachten aber nur für einige Jahre Frieden. Denn Ludwig der Fromme wurde ab dem Jahre 815 wegen der Rückführung des von den Söhnen Godofrieds verjagten Mit-Königs Heriold, der seit 814 sein Vasall war, erneut mehrfach in Kriege gegen diese verwickelt. Ludwig nahm durch diese Interventionen zugunsten seines Vasallen, die jedoch nur vorübergehend erfolgreich waren, wohl seine Rechtspflichten zu dessen Schutz wahr.40 Denn es wird nichts über ein bereits vor der Vasallität begründetes Bündnis zwischen dem verjagten Dänenkönig und Ludwig berichtet. Auch gingen von den Dänenkönigen anscheinend keine Angriffe oder dergleichen gegen Ludwig und die Franken aus. Die spätere Taufe 37 38 39 40

Ann. regni Franc. ad a. 806. Brief Karls an Nicephorus von 810, Epp. Var. Car., Nr. 32, MGH Epp. IV, S. 546, dt. Anhang 2. Ann. regni Franc. ad a. 808. Ann. regni Franc. ad a. 815.

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Heriolds begründete zwar außerdem eine compaternitas, da Ludwig dessen Taufpate wurde. Aber aus dieser geistlichen Verbindung erwuchsen wohl keine kriegerischen Beistandspflichten.

f. Weitere Kriege Ermoldus Nigellus stellt eingehend dar, wie Ludwig der Fromme zunächst, aber schließlich vergeblich, versucht habe, einen Krieg mit den Bretonen durch Verhandlungen zu vermeiden. Erst nach deren Scheitern sei es zum Krieg gekommen.41 Es handelt sich zwar nicht um eine Chronik, sondern um eine Darstellung zum Preise Ludwigs als Caesar pacificusque pius. Aber dies bezeugt, was von einem guten Herrscher erwartet wurde, weil Krieg dem Grunde nach als etwas Schreckliches und gar Böses erscheint.

g. Unterwerfungskriege gegen die Sachsen Unter den Kriegen Karls des Großen ist insbesondere der Krieg gegen die Sachsen, der sich ab 772 über dreißig Jahre in alljährlichen Kampagnen hinzog, bis heute fest im allgemeinen Gedächtnis verankert. Die Sachsen gehörten nicht als festgefügte organisierte politische Einheit und Macht zu der etablierten rechtlich-politischen Ordnung Europas, wie sie sich in den vorhergehenden Jahrhunderten herausgebildet hatte, sondern standen noch außerhalb derselben. Sie zerfielen offenbar auch in mehrere Stämme mit verschiedenen Führern. So werden in den Quellen Westfalen, Ostfalen, Austreleudi Saxones unter Hassio und die Engern unter Bruno und anderen Fürsten, sowie Wesersachsen unterschieden.42 Daher wurde der Krieg auch nicht gegen oder mit einem führenden Herrscher, sondern gegen oder mit mehreren Stämmen und Einzelführern geführt. Auch der wohl prominenteste Sachsenherzog, Widukind, hatte nicht die Stellung des zentralen Herrschers oder auch nur Führers der Sachsen, der sie insgesamt gegenüber Karl und den Franken repräsentierte. Die Abmachungen, die im Laufe der Jahre immer wieder geschlossen wurden, umfaßten daher tatsächlich wohl nie alle Sachsen bis zur Elbe, sondern immer nur einzelne Gruppen. In den Berichten der Annalen wird das allerdings nur selten deutlich.43 In der Regel wird nur von den Sachsen, saxones gesprochen. Zum anderen dauerte der Krieg gegen die Sachsen auch nach Widukinds Unterwerfung und Taufe fort, wenn er selbst daran auch nicht mehr teilnahm. Diese politischen Grundstrukturen unterscheiden diesen Krieg grundlegend von den bisher behandelten Kriegen. Die Reichsannalen geben keinen Grund für den ersten Zug Karls gegen die Sachsen im Jahre 772 an.44 Aber einige Stämme oder Gruppen waren bereits früher unterwor41 42 43

44

Ermoldus Nigellus, Carminum, lib. III, MGH SS II, S. 489ff. Ann. regni Franc. ad a. 775. So z. B. Ann. regni Franc. ad a. 784, wo ausdrücklich Westfalen und Ostfalen unterschieden werden. Mit diesen schloß Karl an der Elbe bei Schöningen einen Vertrag, conventionem factam. Ann. regni franc. ad a. 772.

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fen worden. Schon Karls Onkel Karlmann war bereits „erneut“, iterum, gegen Sachsen im Grenzbereich gezogen und hatte diese unterworfen. Sie ließen sich auch taufen, wodurch neben dem weltlichen auch ein geistliches Treueband begründet wurde.45 Karls Vater Pippin mußte einige Jahre später erneut gegen sie ziehen, da sie more consueto fidem, quam germano suo promiserant, mentire conati sunt.46 Hier bildete also eindeutig Treubruch den Kriegsgrund Pippins. Allerdings ist aus den Berichten nicht eindeutig, ob sich die ersten Aktionen Karls des Großen gegen diese bereits von seinem Vater oder Großvater unterworfenen Sachsen richteten, was dann durch Treubruch gerechtfertigt werden konnte. Einhard beschreibt hingegen in der Vita Caroli die Umstände aus der Rückschau etwas genauer. Es gab anscheinend einerseits Grenzlinien zwischen den agros der zum fränkischen Herrschaftsbereich gehörenden Thüringer und der Sachsen, aber auch unübersichtliche Gebiete mit umstrittener Zugehörigkeit. Einhard spricht im übrigen von agros, den Äckern, nicht vom Herrschaftsgebiet. Durch die Bebauung des Landes und seine Nutzung durch die eigenen Leute wird die Grenze bestimmt. Gegen sie richteten sich offenbar die sächsischen Angriffe. Nicht die Verletzung der Hoheitsgewalt oder der Souveränität, sondern die Gewalt gegen Leben und Hab und Gut der Menschen stellte die Verletzung des Rechts dar. Alle Berichte über Einfälle von Feinden, der Sachsen, der Normannen u. a., stellen dies heraus, die Verwüstung des Landes, die Brandschatzung der Kirchen, Dörfer, Burgen, Mord, Totschlag, Verschleppung der Menschen auch in die Sklaverei. Der König verteidigt nicht seine Hoheitsgewalt, sondern seine Leute, zu deren Schutz er bestellt ist. Aber Einhard rechtfertigte Jahrzehnte später den Krieg gegen sie auch damit, daß sie wie alle Völker Germaniens et natura feroces et cultui daemonum dediti nostraque religioni contrarii neque divina neque humana iura vel polluere vel transgredi inhonestum arbitrabantur.47 Wieweit diese späteren Rechtfertigungen nachträglich nachgeschoben wurden oder schon am Anfang standen, braucht nicht entschieden zu werden. Die Darstellung gibt eine klare rechtliche Rechtfertigung für die Kriege. Einhard trägt insgesamt drei Gründe vor: Schutz für Leben, Leib und Eigentum der im Herrschaftsbereich Karls lebenden Menschen, die allgemeine Mißachtung göttlichen und menschlichen Rechts und das Heidentum der Sachsen. Die erste und zweite Begründung machen den Krieg zum angreifenden Strafkrieg der Franken gegen die Sachsen. Die dritte Begründung deutet auf das Problem des „Heidenkrieges“. Darauf ist zurückzukommen. Der erste Feldzug erfaßte nicht das gesamte Gebiet der Sachsen, sondern nur das der Westfalen und hielt an der Weser. Später, wohl ab 780 dehnten sich die Feldzüge immer weiter in das Gebiet auch der Ostfalen bis zur Elbe aus.48 772 traf Karl an der Weser mit Vertretern der Sachsen zusammen et supradictus magnus rex ... ibi placitum cum Saxonibus habuit; diese stellten zudem zwölf Geiseln. Von einer Unterwerfung ist noch keine Rede. Der Begriff placitum ist hier unklar. Er kann Verhandlung aber auch – mündlichen – Vertrag meinen. Da es jedoch für den Feldzug 773 in den Reichsanna45 46 47 48

Chron. Fred. cont. 27 (113). Schon diese werden als rebellantes bezeichnet. Chron. Fred. cont. 31 (117). Einhard, Vita Caroli, c. 7. Ann. regni Franc. ad a. 780.

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len heißt, dimissa marca contra Saxones nulla omnino foederatione suscepta, war im Jahr vorher anscheinend kein Abkommen geschlossen worden. Jedenfalls wird wiederum berichtet, daß Sachsen in fränkisches Gebiet einfielen und brandschatzend bis Fritzlar vordrangen. In der Folge wurden jedoch immer wieder Abkommen geschlossen, über deren Inhalt aber nichts mitgeteilt wird, und einseitig von den Sachsen Geiseln gestellt. Die neuen, sich jährlich wiederholenden Einfälle der Sachsen waren daher in den Augen der Franken Bruch dieser Verträge und der Treue und zudem Angriffe auf die auf fränkischem Herrschaftsgebiet lebenden Menschen. Beides stellte Rechtsbrüche dar, gegen die die Franken ein Recht zum Gegenangriff im Sinne eines Strafkrieges in Anspruch nahmen. Nach einem Kriegszug im Jahre 776 wird zum ersten Mal berichtet, daß die Sachsen ihr Land Karl, der diesen Kriegszug selbst anführte, übergaben und versprachen Christen zu werden und sich seiner und der Franken Oberherrschaft unterwarfen, reddiderunt patriam per wadium omnes manibus eorum et spoponderent se esse christianos et sub dicione domni Caroli regis et Francorum subdiderunt. Sie ließen sich zahlreich taufen.49 Diese ersten Abkommen umfaßten aber wohl nur die Sachsen, gegen die der jeweilige Feldzug geführt worden war. Denn auf der Reichsversammlung im Jahre 777, die zum ersten Mal in Paderborn stattfand, womit auch die Unterwerfung und Eingliederung dieses sächsischen Gebietes in das Frankenreich dokumentiert wurde, erschienen zwar omnes Francos et ex omni parti saxoniae undique Saxones. Aber Widukind und wenige andere blieben gemäß diesem Bericht als rebelles noch fern. Der Sachsenführer stachelte später immer wieder Kämpfe gegen die Franken an. Für ihn war offenbar aus dem Krieg um Grenzverletzungen etc. ein Krieg um die Unabhängigkeit der Sachsen geworden. In den folgenden Jahren dauerten die Kämpfe mit den Sachsen daher an. Zumindest ebenso schwer wie die weltliche Rebellion wog dabei die Abkehr vom Christentum und Rückkehr zu den heidnischen Göttern. Je länger der Krieg gegen die Sachsen dauerte, desto mehr wurden daher die einzelnen Kriegszüge zu Strafaktionen, deren Gipfel die Tötung einer großen Zahl von Sachsen im Jahr 782 bei Verden an der Aller war, wenn auch die in den Reichsannalen genannte Zahl von 4500 Mann wohl erheblich übertrieben ist.50 Außerdem kam es 804 zu Zwangsumsiedlungen von Sachsen aus den Gebieten nördlich der Elbe, um deren Zusammenhalt und damit die Widerstandskraft endgültig zu zerstören.51 Karl der Große hatte mit dieser Zwangsmaßnahme offenbar Erfolg, denn die Sachsenkriege hörten nach dreiunddreißig Jahren auf. Zwar galt nach den Reichsannalen mit der Unterwerfung und Taufe Widukinds im Jahre 785 ganz Sachsen als unterworfen, et tunc tota Saxonia subiugata est.52 Da damit aber die Aufstände und Einfälle der Sachsen nicht aufhörten, stellten sie nach fränkischer Sicht grundsätzlich Rebellionen gegen die Oberherrschaft Karls und der Franken dar, deren kriegerische Niederschlagung ohne weiteres eben deswegen gerechtfer49 50 51 52

Ann. regni Franc. ad a. 776. Ann. regni Franc. ad a. 782; dazu jüngst Angenendt, Toleranz, S. 384 ff. Ann. regni Franc. ad a. 804. Ann. regni Franc. ad a. 785.

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tigt war. Sie werden nunmehr stets als Aufständische, Eid- und Treubrüchige bezeichnet und immer wieder der infedilitas und der perfidias beschuldigt.53 Zu der allgemeinen und immer wiederholten Begründung der infidelitas trat 798 der Angriff der Nordliudi, die aber auch Sachsen waren, gegen die Gesandten Karls, die zu Verhandlungen gekommen waren, hinzu. Deren Festnahme, Tötung und Geiselnahme steigerte offenbar ihre Schuld, so daß dieser Vorgang auch deshalb besonders hervorgehoben wurde.

h. Unterwerfungskriege in Spanien Auch die Kriege Karls in Spanien waren Eroberungskriege. Jedoch soll Karl gewissermaßen auf „Einladung“ des Statthalters von Barcelona, Suleiman ibu Yakzan ibu al Arabi, der sich seinerseits in Auseinandersetzungen mit dem Herrscher von Cordoba befand, nach Spanien gezogen sein. Der Statthalter war zu Karl nach Paderborn gekommen. Aufgrund seiner Berichte begann Karl den Feldzug, weil er sich durch die Versicherungen desselben „nicht umsonst Hoffnungen auf die Gewinnung einiger Städte in Spanien gemacht“ habe.54 Auf dem ersten Kriegszug kam er bis Saragossa und unterwarf die Basken und die Navarrer. 796 hatte der Statthalter von Barcelona, Zato, sich zu Karl nach Aachen begeben und ihm sich und die Stadt kommendiert, ebenso ein anderer arabischer Fürst.55 Allerdings mußte auch der Krieg gegen die Basken über Jahre hin fortgeführt werden, da es auch dort immer wieder zu Aufständen kam. Diese gaben dann jeweils eine akzeptable Begründung für den nächsten Kriegszug. Auch spätere Feldzüge Ludwigs als König von Aquitanien an der Jahrhundertwende gingen wohl auf Anregungen arabischer Fürsten zurück.56 Sie führten schließlich 803 zur Eroberung Barcelonas und der Errichtung einer spanischen Mark bis zum Ebro. Erst wesentlich später wurden sie im Sinne von Kreuzzügen interpretiert.57 Eher politische Willkür scheint hingegen für die in den Reichsannalen gegebene Begründung für die mehrfach erwähnten ausdrücklichen Brüche vorhergegangener Friedensverträge 815 und 820 durch die Franken und die Wiederaufnahme der Kämpfe, sie seien nicht mehr nützlich gewesen und die Parteien hätten kein Interesse mehr an ihnen gehabt.58 Diese Argumente entsprechen nicht den sonst immer wieder vorgetragenen legitimierenden Kriegsgründen.

i. Unterwerfungskriege gegen die Awaren Bevor der Krieg gegen die Sachsen abgeschlossen und die spanischen Eroberungen wirklich gesichert waren, begann Karl 791 mit dem Krieg gegen die Awaren einen 53 54

55 56 57 58

U. a. Ann. regni Franc. ad a. 776, 778, 782, Ann. q. d. Einhardi ad a. 778: spem capiendarum quarundam in Hispania civitatum haud frustra concipiens; dazu u. a. Björkman, Karl, S. 673ff. Ann. regni Franc. ad a. 797. Björkman, Karl, S. 676ff. Nach dem Tod Ludwigs des Frommen, Björkman, Karl, S. 674. Ann. regni Franc. ad a. 815 und 820. Dazu auch oben S. 232, 421, 424.

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weiteren Unterwerfungskrieg.59 Diesen hatte er in gewisser Weise von Tassilo und dessen ausgreifender Politik geerbt, der bereits, auch mit Unterstützung der Franken, gegen die Awaren Krieg geführt und unter anderem Kärnten und Krain erobert hatte.60 Da die Awaren, anders als die Sachsen, wohl schon seit langem eine einheitliche politische Organisation mit einem gemeinsamen Fürsten und einer Hauptburg, dem Ring, hatten, also nicht in mehrere Gruppen zersplittert waren, war der Krieg gegen sie ebenfalls ein einheitlicher. Die Berichte über den Ausbruch und die Gründe des Krieges unterscheiden sich nicht unerheblich und lassen eben dadurch auch Unterschiede in der Rechtfertigung erkennen. Nach der Darstellung der Reichsannalen wurde auf der Reichsversammlung in Regensburg 791 den Awaren vorgeworfen, übergroße Übeltaten gegen die heilige Kirche und das christliche Volk begangen zu haben, nimiam maliriam et intollerabilem ... contra sanctam ecclesiam vel populum christanum.61 So wird die Aufgabe des defensor ecclesiae als legitimierende Begründung für den Krieg herangezogen. An dieser Versammlung nahmen i. ü. neben den Franken auch die Sachsen und Friesen teil, die somit vollen gleichberechtigten Status bei den Beratungen hatten. Die spätere überarbeitete Fassung der Reichsannalen, die sogenannten Einhardannalen berichten zunächst für 790 von Verhandlungen, die Gesandte der Hunnen über die Grenzen in Worms geführt hätten, also über den Versuch einen konkreten „weltlich-politischen Konflikt“ friedlich durch Ausgleich zu lösen. Sed in Wormacia residens legatos Hunorum et audivit et suis vicissim ad eorum principes coniunxit. Agebatur inter eos de confiniis regnorum suorum, quibus in locis esse deberent. Da diese scheiterten, kam es zum Kriege. Haec contentio atque altercatio belli quod postea cum Hunis gestum est, seminarium et origo fuit.62 Der Poeta Saxo, der noch später schreibt, führt das noch weiter aus Cui cum Wormatiae tandem residere liceret. / Illic Hunorum missos audivit, ad illos / Ipse suos etiam misit: nam maxima causa / Hos inter populos litem commovit atrocem / Dum quo regnorum confinia certa suorum / Esse loco veteri deberent iure statuta, / Ingenti studio disceptaretur utrimque.63 Da beide Texte nach dem erfolgreichen Krieg gegen die Awaren, das sind die gemeinten Hunnen, abgefaßt worden sind, könnten die Autoren für diesen Krieg unter Umständen eine Rechtsbegründung gewissermaßen im Nachhinein unterlegt oder „nachgeschoben“ haben. Dabei ist es im vorliegenden Zusammenhang unerheblich, ob es wirklich Verhandlungen gab oder nicht. Aber wenn dem nicht so wäre, bringen die Autoren nicht nur die im vorliegenden Zusammenhang bedeutsame Vorstellung über die rechtliche Begründung von Grenzen im Zwischen-Mächte-Verhältnis zum Ausdruck, sondern wiederum auch die Notwendigkeit einen Krieg rechtlich zu begründen. Denn das Scheitern der Verhandlungen eröffnete die Möglichkeit oder auch das Recht zum Krieg. Die ungelöste und damit unbefriedete Grenzstreitigkeit erscheint 59 60 61 62 63

Ann. regni Franc. ad a. 791; Ann. q. d. Einhardi ad a. 791. Ann. regni Franc. ad a. 788. Ann. regni Franc. ad a. 791. Ann. regni Franc. ad a. 790; Ann. q. d. Einh. ad a. 790. Poeta Saxo ad a. 790, Indict. 12, Z. 6ff., MGH SS I, S. 246.

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mit dieser Berufung auf altes Recht selbst als Rechtsstreitigkeit. Das war ein klassischer Rechtfertigungsgrund für einen Krieg. Dieser Krieg wird ausdrücklich als „Rache“, vindicta, bezeichnet. Erheblicher ist, daß die spätere Darstellung der Einhardannalen, und wohl ihnen folgend der Poeta Saxo, auf eine weltlich-rechtliche Begründung abstellen, während der ältere Text auch die Verletzung der Rechte der Kirche benennt. In der Sache wird das keinen Unterschied gemacht haben. Es lagen wohl Grenzverletzungen durch die Awaren vor. Aber die in den Darstellungen gesetzten Akzente verweisen, so scheint es, auf verschiedene Begründungsebenen, oder doch zwei Funktionen des Königs, den Schutz der Grenzen und seiner Untertanen und den Schutz der Kirche als defensor ecclesiae. Aber auch nach dem Kriegsbeschluß in Regensburg scheint es noch nicht sofort zum Krieg gekommen zu sein. Diesmal berichten die Reichsannalen, daß zunächst eine Gesandtschaft an die Awaren geschickt wurde, die die Wiederherstellung des Rechts, der iustitias, einfordern sollte, also der Versuch einer friedlichen Lösung unternommen wurde. Erst da dieser erfolglos blieb, wurde der Heereszug begonnen. In den Einhardannalen fehlt dieser Hinweis auf eine Gesandtschaft. Der Bericht der Reichsannalen ähnelt dem über das erste Vorgehen Pippins gegen Aistulf. Warum die überarbeitete Fassung die Gesandtschaft nicht erwähnt, muß offen bleiben. Aber auch insoweit ist es im vorliegenden Zusammenhang unerheblich, ob es eine solche gegeben hat oder nicht. Für das Verständnis der normativen Ordnung des Krieges ist maßgebend, daß ein Versuch zur friedlichen Lösung vor Beginn eines Krieges erforderlich erschien. Der zweite Feldzug 796, den der Herzog von Friaul von Süden her führte, endete mit der Eroberung des Rings, der zentralen Burg und der dort liegenden erheblichen, in langer Zeit, u. a. auch in Kriegen gegen die Gebiete der oströmischen Kaiser eroberten und dort aufgehäuften Schätze.64 Nunmehr kam auch der Tudun, der Fürst der Awaren zu Karl se cum populo suo et patria regi dedit. Außerdem wurden die Awaren getauft. Der Tudun wurde ehrenvoll, honorifice, mit Geschenken heimgeschickt, blieb also im Amt. Auch später hatten die Hunnen oder Awaren weiterhin eigene Fürsten, über die Karl aber eine Oberherrschaft ausübte. Der Unterwerfung folgte also nicht, wie im Falle der Sachsen, die volle Eingliederung, jedenfalls nicht des Gesamtgebietes. Das mag an ihrer gegenüber den Sachsen wesentlich dichteren und entwickelteren politischen Organisation gelegen haben, vielleicht aber auch an der Entfernung vom zentralen Frankenreich. Eine spätere Aktion der Awaren gegen die Franken galt als Treubruch, der ohne weiteres durch einen Kriegszug unterdrückt werden konnte.65

j. Kleinkriege Die bisher erörterten Kriege Pippins wie Karls des Großen verfolgten einen langfristigen, strategischen Zweck der Festigung der karolingischen Herrschaft nach innen, oder der stärkeren Positionierung im christlichen Europa auch durch Ausdehnung der Herrschaft. Die Initiative lag insofern bei diesen. 64 65

Ann. regni Franc. ad a. 796. Ann. regni Franc. ad a. 798, gens Avarum a fide, quam promiserat, defecit.

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Aber neben diese „großen“ Kriege trat eine ganze Reihe weiterer kleinerer Kriege. In Italien mußte Karl „Folgekriege“ gegen langobardische Fürsten führen, die sein Königtum angriffen, 775 gegen den zunächst verbliebenen Herzog von Friaul, Hrodgaud, fraudavit fidem suam et omnia sacramenta rumpens et voluit Italiam rebellare, 66 sowie gegen verschiedene, vom ihm selbst eingesetzte Herzöge von Benevent.67 Sein Sohn Pippin ging 810 gegen Venedig wegen der Treulosigkeit der Dogen, perfidia ducum Venetiorum, die sich wohl 806 unterworfen hatten, vor.68 Die Kriege mit Bretonen und Bulgaren wurden schon erörtert. Karl und zunehmend Ludwig der Fromme hatten sich zudem der Abwehr von außen kommender Angriffe und Einfälle in das fränkische Reich oder gegen Verbündete zu erwehren. Diese stellten stets einen legitimierenden Kriegsgrund dar. Das galt nicht nur, wie dargelegt, für die Sachsen, sondern später auch für Wikinger und Sarazenen. Gegen die ersten mußte sich bereits Karl der Große und später vor allem Ludwig der Fromme zur Wehr setzen.69 Gegen sarazenische Seeräuber übernahm Karl der Große den Schutz der Balearen, nachdem sie sich ihm dediert hatten.70 Einfälle in das fränkische Herrschaftsgebiet, gerade auch in die Marken stellten stets einen Kriegsgrund dar. Züge gegen Wilzen oder Welataben wurden damit legitimiert, daß sie die mit den Franken verbündeten Abodriten, einen i.ü. heidnischen Stamm, angegriffen hatten.71 Sogar den Auseinandersetzungen mit den jenseits der Elbe wohnenden Nordleuten und anscheinend auch den Wilzen, also mit Völkern mit einem geringeren Grad politischer Organisation, gingen Gesandtschaften voraus.72 Die fränkischen Quellen geben aber nicht immer ausdrücklich Gründe und Rechtfertigungen für kleinere Kriege an. So schickte Karl der Große 805 und 806 seinen Sohn Karl mit einem Heer gegen slawische Völker, Böhmen und Soraben, ohne daß dafür Gründe genannt werden.73 Es könnte sich um die Strafe für Einfälle von deren Seite auf die westliche Seite der Elbe gehandelt haben.

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Ann. regni Franc. ad a. 775 und 776. Ann. regni Franc. ad a. 787 und 788. In diesem Jahr hatte sich Grimoald mit Griechen wohl aus Sizilien verbündet. 802 ging er zunächst erfolgreich gegen den Grafen Winigis von Spoletto vor, der treu zu Karls Oberhoheit stand. Er zwang ihn zu einer deditio und nahm ihn gefangen, ließ ihn aber 803 wieder frei. Die Franken scheinen dieses mal nicht eingegriffen zu haben. Ann. regni Franc. ad a. 802 und 803. Ann. regni Franc. ad a. 810. Ann. regni Franc. ad a. 810. Ann. regni Franc. ad a. 798. Einhard, Vita Caroli, c. 12, S. 15. Ann. regni Franc. ad a. 798. ad iustitias faciendas apud eos. Die fränkischen Gesandten waren von den „Nordleuten“ 798 gefangengesetzt und getötet worden. Es ist unklar, ob auch vor dem Beginn des Krieges Gesandte gegen die Wilzen geschickt wurden. Einhard berichtet, daß diese Befehlen, Angriffe gegen die Abodriten zu unterlassen, nicht gehorcht hätten: Causa belli erat, quod Abodritos, qui cum Francis olim foederati erant, adsidua incursione lacessebant nec iussionibus coerci poterant, Einhard, Vita Caroli, c. 12. Dies deutet darauf hin, daß auch in diesem Fall zuvor Gesandte mit „Befehlen“ an sie abgeschickt worden waren. Ann. regni Franc. ad a. 805, 806.

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Von Ausnahmen abgesehen, werden also auch die kleineren Kriege, insbesondere die Abwehrkriege mit rechtfertigenden Gründen geschildert. Hatten in den bisher erörterten Fällen die karolingischen Könige zunächst Gesandtschaften zur Verhinderung eines Krieges an die Gegenparteien abgesandt, so verhielt es sich vor den Auseinandersetzungen mit den Bulgaren umgekehrt, da deren König im Jahre 824 Gesandte an Ludwig den Frommen wegen Verhandlungen über die Grenzziehungen entsandte, um so einen Krieg zu verhüten.74 Da diese Verhandlungen über die Grenzen am fränkischen Hof nach mehrjährigem Hin und Her gegenseitiger Gesandtschaften scheiterten und es nicht zum Vertrag kam, überfielen die Bulgaren im Jahr 827 die pannonische marca superior, indem sie die Drau hinauffuhren, und unterwarfen die dort ansässigen Slawen.75 Dieser Einfall der Bulgaren rechtfertigte das eigene kriegerische Vorgehen. Über die Forderungen des bulgarischen Königs im einzelnen wird nichts mitgeteilt, ebenso wenig über die Gründe Ludwigs für die Ablehnung. Bemerkenswert ist die Äußerung des Bulgarenkönigs, daß ohne Vertrag jede Seite sehen müsse, wie sie die Grenze schütze. Zum einen läßt die rechtlich offene Situation offenbar Krieg zu. Zum anderen aber geht nach dieser Auseinandersetzung, die von den Reichsannalen zudem sehr ausführlich dargestellt wird, wiederum das Bemühen um friedlichen Ausgleich mit Mitteln des Rechts den kriegerischen Mitteln vor. Jedoch kann in der Darstellung des Vorgehens Ludwigs des Frommen auch eine Kritik stecken, den angebotenen Weg des Friedens durch Vertrag nicht gegangen zu sein.

k. Ergebnisse Krieg mußte inhaltlich begründet, d. h. gerechtfertigt werden. Das war schon deswegen notwendig, um die Heeresfolge der Adeligen und Freien zu begründen. Aber die inhaltlichen Rechtfertigungen durch einen rechtlichen Kriegsgrund, Schutz gegen Invasoren, Angriffe auf die Rechte der Kirche, Beistand für Verbündete und immer wieder Treubruch, weisen doch tiefer. Krieg sollte gebrochenes Recht und damit den gebrochenen rechtlichen Frieden wieder herstellen, aber den Rechtsbruch auch bestrafen. Aber das allein genügte offenbar nicht. Da allen bedeutsamen Kriegen vom Krieg Pippins mit Aistulf 754 bis zu dem Krieg Ludwigs des Frommen mit dem bulgarischen Herrscher 826 Verhandlungen zur friedlichen Lösung des Konfliktes oder Versuche, solche aufzunehmen, voraus gingen, jedenfalls von solchen berichtet wird, mußte der König zunächst seine Ansprüche oder Forderungen geltend machen und dazu auffordern, das verletzte Recht wiederherzustellen, iustitiam facere und sich um die friedliche Regelung des Konfliktes bemühen, bevor er zum Kriege schreiten durfte. Zwar stellte anscheinend der Unterwerfungskrieg gegen die Sachsen eine gewichtige Ausnahme davon dar. Aber das kann an deren besonderer Situation gelegen haben, einerseits an ihrer lockeren politisch-rechtlichen Organisation, so daß es an einem „Ansprechpartner“ fehlte, zum anderen daran, daß sie auf Grund früherer Unterwerfungen 74 75

Ann. regni Franc. ad a. 824–828, oben S. 240ff. Ann. regni Franc. ad a. 827.

Krieg oder friedliche Streitbeilegung?

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grundsätzlich als rebelles und infideles angesehen wurden. Vorhergehende Verhandlungen zur friedlichen Lösung des Konfliktes bildeten offenbar nach der rechtlichen Auffassung der Zeit eine notwendige Voraussetzung zur Rechtfertigung eines Krieges. Wurden die Gesandten mit Hohn und Spott zurückgeschickt oder sogar, wie von den Nordliudi, getötet oder gefangengesetzt, bildete dieses Verhalten einen zusätzlichen Kriegsgrund. Mehr noch als auswärtige Kriege bedurften offenbar innere Kriege der Rechtfertigung. Die ausführliche Darstellung des Ablaufes des Konfliktes Karls des Großen mit Tassilo von 781 bis 788 zur Rechtfertigung des Krieges hatte vor allem innenpolitischen Gründe. Ein Krieg innerhalb des Reiches widersprach dem Anspruch, daß unter der Herrschaft des Königs Frieden und Recht herrschen müßten. Zudem war Tassilo ein naher Verwandter des Königs. Aber er war, anders als der aquitanische Herzog Waifar, auch auf der allgemeinen Ebene europäischer Mächte-Beziehungen eingebunden, allerdings als Schwiegersohn des Desiderius bereits auf der „Verliererseite“.76 Deswegen wird wohl der Friedenswille Karls in Rom gegenüber Hadrian I. besonders betont. Krieg muß hier eindeutig als Durchsetzung des Rechts und damit letztlich der Wiederherstellung des Friedens gerechtfertigt werden. Es war ein Strafkrieg, als Strafe für die verweigerte Vasallentreue, den Eidbruch und der Mißachtung der religiöskirchlichen Autorität des Papstes und seiner Weisungen, der zwar wegen der rechtzeitigen Unterwerfung Tassilos nicht sein Land ergriff. Aber er mußte das Herzogtum „zurückgeben“, reddens ducatum sibi commissum a domno Pippino, und wäre zum Tode verurteilt worden, wenn er nicht von Karl motus misericordia ob amorem Dei, begnadigt und in ein Kloster geschickt worden wäre.77 Dieses Motiv der Begnadigung wurde bereits von Pippin gegenüber Aistulf vorgebracht und wurde später von Ludwig dem Frommen gegenüber dem aufständischen Neffen und König von Italien, Bernhard, eingesetzt, um die Todesstrafe in Blendung umzuwandeln, an der Bernhard jedoch starb.78 Barmherzigkeit auch in gravierenden Fällen des Treubruchs und Verrats am König gehörte offenbar zum königlichen Selbstverständnis, wenn auch der Rückhalt, den alle drei noch im fränkischen Adel genossen, eine Rolle gespielt haben dürfte und den König zur Übung der Barmherzigkeit veranlaßte. Die Notwendigkeit, einen Krieg inhaltlich zu rechtfertigen und zunächst eine friedliche Lösung des Konflikts zu suchen, bestand gleichermaßen sowohl gegenüber christlichen wie gegenüber nichtchristlichen Gegnern, z. B. bei Dänen und Bulgaren. Da auch die Unterwerfungskriege über den bis dahin politisch-herrschaftlich organisierten Raum europäisch-christlicher Ordnung hinaus grundsätzlich der Rechtfertigung bedurften, sei sie auch pauschaler und standardisierter Art, waren Eroberung und Unterwerfung auch außerhalb dieses Raumes normativ nicht frei und die dort wohnenden Völker nicht dem beliebigen Zugriff ausgesetzt. Aus all dem folgt noch nicht, daß Krieg, wie von manchen vor allem älteren Autoren behauptet, eine Art Rechtsgang war. Diese Frage muß noch offen bleiben.79 Aber 76 77 78 79

Zur Stellung Tassilos Schieffer, Zeit, S. 48 ff.; Kolmer, Tassilo überschrieben, passim. Ann. regni Franc. ad a. 788. Ann. regni Franc. ad a. 818. Unten S. 516ff.

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er war jedenfalls, was seinen Eintritt angeht, nach der Darstellung aller Berichte einem normativen Rahmen eingefügt und rechtfertigungsbedürftig. Diese Berichte aber erhellen durch die grundsätzliche Gleichheit der Erzählstruktur die normative Vorstellung der Zeit selbst, der auch die karolingischen Könige und Kaiser unterlagen. Gewiß kann man manche der rechtfertigenden Begründungen für vorgeschoben und Propaganda zur Verdeckung und Verschleierung machtpolitischer Interessen halten, insbesondere für die Kriege des dritten Typs, die Unterwerfungskriege. Aber zum einen trifft das wohl für die beiden ersten Gruppen nur bedingt zu; denn die Darstellungen lassen erkennen, daß dem Beginn neuer Kriege gegen Langobarden, Sachsen, Awaren eingehende Beratungen auf Reichsversammlungen oder doch mit den Großen vorausgingen. Das wird einerseits mit den damit verbundenen Lasten zusammengehangen haben, die allerdings auch durch Ruhm und Beute ausgeglichen wurden. Aber im Grunde muß es die Überzeugung gegeben haben, daß Kriege vom König nicht beliebig vom Zaune gebrochen werden durften, sondern auch gegenüber den Großen legitimiert werden mußten. Dabei spielte auch die Frage der Heidenkriege, d. h. der Ausdehnung des Christentums über den bisherigen Raum hinaus, eine erhebliche Rolle. Zwar wurde von den karolingischen Herrschern, insbesondere Karl fast ständig Krieg geführt. Aber Krieg war für sie kein natürlicher Zustand, oder ein „natürlicher Krieg“, sondern stets eine besonderer rechtlich durch einen Rechtsbruch des Gegners zu legitimierender Vorgang.80

I II . Kr i eg u n d Rel i g i o n a. Fragestellung Die Kriegspraxis der karolingischen Herrscher stellte nicht nur allgemein die Frage nach der Vereinbarkeit mit der auf pax und caritas ausgerichteten christlichen Religion, sondern berührte sich in mehreren Hinsichten ganz konkret mit ihrer eigenen christlich-religiösen Praxis. Denn sie führten Krieg gegen den christlichen König Aistulf für das Patrimonium Petri. Karl verpflichtete die unterworfenen heidnischen Sachsen und Awaren auf die Annahme des Christentums. Pippin und Karl erwarteten und erhielten von den Päpsten und der ganzen Kirche das unterstützende Gebet für ihre Kriege gegen die christlichen Könige Aistulf und Desiderius und gegen die Heiden. Vor dem Krieg gegen die Awaren veranstaltete Karl Bittgottesdienste, Prozessionen und ein Fasten. Er bat die Daheimgeblieben um ihr unterstützendes Gebet. Da dieser Widerspruch jedoch wegen der Folgen der Kriege ein grundsätzlicher und allgemeiner war und Krieg generell betraf, hatte er schon früh zu Überlegungen geführt, wie Krieg überhaupt mit dem christlichen Glauben zu vereinbaren sei. Bereits vor der „Konstantinischen Wende“, bevor christliche Herrscher die cura für die ihrer Herrschaft anvertrauten Reiche und Menschen trugen, wurde für christliche Soldaten die Frage erörtert, ob sie ohne Sünde Waffendienst für die heidnischen Kaiser leisten und Menschen töten durften. Nach der Verchristlichung der Herrschaft stellte sich das

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Anders hingegen Angenendt, Toleranz, S. 382.

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Problem noch schärfer. Es enstand die christlich-theologische Lehre des bellum iustum, die in differenzierender Weise eine Antwort suchte. Ein radikaler Pazifismus aus christlichem Anspruch hat sich schon am Anfang nicht allgemein durchsetzen können. Die Rechtfertigungen der konkreten Kriege von Pippin bis Ludwig werden von diesen Überlegungen getragen. Aber das Problem spitzt sich zu, wenn Krieg um der Kirche, u. U. sogar der christlichen Religion selbst willen geführt wird und bedarf daher eigener Rechtfertigungen. So ist zunächst zu fragen, wie das Verhältnis von Krieg und Religion im Hinblick auf konkrete Kriege in unserer Epoche bestimmt und gestaltet wird.81 Der tragende Grund ist auch insofern Verteidigung, wenn auch in einem nach unserer Vorstellung weit verstandenen Sinn.

b. Defensio et exaltatio sanctae Dei ecclesiae Die Aufgabe der defensio et exaltatio sanctae Dei ecclesia, der sich die karolingischen Herrscher allgemein aus ihrem eigenen Herrscherverständnis und konkret aus dem Bündnis mit den Päpsten verpflichtet fühlten, wurde immer wieder auch durch Kriege wahrgenommen. Die Aufgabe, die insbesondere von den Päpsten, aber auch von Alcuin und Karl selbst immer wieder hervorgehoben wurde, konkretisierte sich zuerst in den beiden Kriegen gegen die Angriffe der Langobarden auf das Patrimonium Petri. Sie richtete sich also zunächst ganz konkret innerhalb des christlichen Raumes gegen Rechtsbrüche zu Lasten der römischen Kirche und ihres weltlichen Besitzes. Da diese Seite der Verteidigung der Kirche jedoch dem allgemeinen Kriegsgrund aus Rechtsbruch, in diesem Fall auf Grund des Bündnisses, entsprach, stellt sie keine Besonderheit dar. Aber die Päpste erbaten die militärische Hilfe seit 754 als Pflicht nicht nur aus den Rechtsgründen. Sie sahen in den Rechtsbrüchen einen Bruch der pax, eine grundlegende Zerstörung der concordia caritatis. Um diese wiederherzustellen bedurfte es, wenn und nachdem alle friedlichen Mittel der Verhandlung gescheitert waren, auch des Krieges.

c. Verteidigung gegen die Heiden Die defensio et exaltatio ecclesiae hatte auch eine darüber hinausgehende Dimension, die allmählich zur bestimmenden Funktion wurde, die Verteidigung gegen die Heiden, wie sie u. a. beim Eintritt in den Krieg gegen die Awaren geltend gemacht wurde. Die Frage aber ist, ob damit nur die Verteidigung gegen Angriffe oder Verletzungen, eventuell auch drohende Gefährdungen und Verletzungen gemeint war, gegebenenfalls auch durch einen präventiven Angriffskrieg, wie in diesem Falle, oder ob die Heiden als solche, weil sie Heiden waren und damit außerhalb des geordneten christlichen orbis standen, der Unterwerfung durch die Franken freigegeben waren. Gehörte es gar zur Aufgabe der karolingischen Herrscher, vor allem der Kaiser, nicht nur die Kirche gegen Angriffe mit kriegerischen Mitteln, auch durch Präventivkriege zu verteidigen,

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Zur Lehre des bellum iustum unten S. 643ff.

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sondern das Christentum gezielt auch durch kriegerische Maßnahmen zu verbreiten? Galt ein compelle intrare auch mit kriegerischen Mitteln? Karl der Große beschrieb den Auftrag, gegen die Heiden zu kämpfen, in seinem bereits mehrfach angeführten Brief an Papst Leo III. als Verteidigung. Denn er bestimmte in diesem Brief, der die beiderseitigen Pflichten des foedus zwischen Papst und Karl umreißt, dahin, Nostrum est: secundum auxilium divinae pietatis sanctam undique christi ecclesiam ab incursu paganorum et ab infidelium devastatione armis defendere foris, et intus catholicae fidei agnitione munire.82 Dem Papst komme es zu, für den Sieg zu beten. Die Verwendung der Begriff incursus und devastatio zeigt unmißverständlich, daß der König die Abwehr konkreter Verletzungen der Kirche, ihres Gebietes und ihrer Rechte durch Heiden und Ungläubige, nicht die gezielte kriegerische Ausweitung des Christentums als seine Aufgabe als defensor ecclesiae diesen gegenüber ansah.83 Das stimmt mit der dargelegten Praxis insofern überein, als die Ausgangslage fast stets so dargestellt wird, daß immer in irgendeiner Weise Angriffe der Heiden, Sachsen, Awaren, Sarazenen gegen die Kirche, die Christen, die Verbündeten oder das Reich vorangegangen seien. In den Briefen der Päpste an die karolingischen Herrscher finden sich keine geschlossenen Aussagen zum Verhältnis zu oder zum Vorgehen gegenüber den Heiden, den paganos oder nationes barbaras. Es gibt jedoch einzelne Äußerungen im Zusammenhang der defensio ecclesiae durch Pippin und Karl gemäß ihrem allgemeinen Auftrag und dem Bündnis mit ihnen. Vor allem beteten die Päpste um den Sieg der fränkischen Herrscher über die Heiden. Diese Bitte an Gott tauchte zum erstenmal in einem Brief Stephans II. an Pippin vom Februar 756 auf.84 Sie ist dort noch mit der Bitte um die erneute Hilfe gegen den langobardischen König Aistulf verbunden. Der Sieg über die Heiden war gleichsam die Frucht des Beistandes gegen die Langobarden zum Schutz der Kirche und stand im Begründungszusammenhang, das ewige Leben zu gewinnen. Hilfe für den Papst, Kampf gegen die Heiden und Gewinn des ewigen Lebens standen im engen, inneren Zusammenhang.85 82 83

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Alcuini epp., Nr. 93, MGH Epp. IV, S. 137. Eine dritte Dimension der defensio bildete die Abwehr des Irrglaubens, dazu oben S. 161ff., unten 578f. Codex Carolinus, Nr. 8, MGH Epp. III, S. 497 f., Z.42 ff.: Sed magis magisque, ut praelatum est, coniuramus te, a Deo servate, excellentissime fili et spiritalis compater, per patrem et filium et spiritum sanctum, trinitatem indivisam, ut nostras tribulationes et angustias atque dolores et desolationes credere iubeatis sine qualibet ambiguitate et nobis propter Deum subvenire et ad liberandum nos de manibus Langobardorum, inimicorum nostrorum, nimis festinanter occurrere digneris, ut, fructum afferens copiosum, victor, intercedente beato Petro, super omnes barbaras nationes efficiaris et vitam aeternam possideas. Weitere derartige Anrufungen finden sich in Codex Carolinus, Nr. 17; Nr. 24; Nr. 26; Nr. 35; Nr. 37; Nr. 39; Nr. 42; Nr. 50; Nr. 52; Nr. 53; Nr. 55; Nr. 62; Nr. 68; Nr. 72; Nr. 75; Nr. 88; Nr. 89, MGH Epp. III, S. 514 ff.; S. 527 ff.; S. 530 f.; S. 542 f.; S. 547 ff.; S. 551 f.; S. 554 f.; S. 569 ff.; S. 573 f.; S. 574 f.; S. 578 ff.; S. 589 f.; S. 597 f.; S. 602 f.; S. 605 ff.; S. 624 f.; S. 626. Z. B. auch Hadrian I. an Karl, Codex Carolinus, Nr. 88, MGH Epp. III, S. 625, Nr. 89, S. 626, Z. 17–22.

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So stand auch bei den Päpsten zunächst die Verteidigung gegen Angriffe auf das Territorium und Patrimonium Petri auf Grund des Bündnisses und der Berufung durch Petrus den Apostelfürsten im Vordergrund. Aber eine Reihe von Papstbriefen seit Abschluß des Bündnisses zwischen Pippin und Stephan II. scheinen darüber hinaus zu gehen. Der römisch-christliche Universalismus der Antike schien den Kampf gegen die Barbaren, d. h. die Heiden, in der Vorstellungswelt des antiken Reiches umschlossen zu haben.86 Auch hier ging es jedoch zunächst um pax und securitas im Reich, also um Abwehr der Angriffe heidnischer Völker von außen, nicht um Angriff, Eroberung und Bekehrung. Tatsächlich war das Reich ja seit Beginn der Völkerwanderung durch die heidnischen und später arianischen Germanen grundsätzlich gefährdet, vor allem im Westteil. Wenn das römische Reich das vierte Reich im Sinne Daniels war, und damit das heilsgeschichtlich letzte,87 so war dessen Verteidigung und Bewahrung notwendige Aufgabe der Herrscher.88 Allerdings ist fraglich, ob Angriff und Verteidigung im heutigen Verständnis damals klar geschieden wurden. Angriff diente der Verteidigung. Jedenfalls war der Universalismus der Art, daß nur dort pax und securitas herrschten, wo auch das römische Reich seine Herrschaft ausübte. Dieser Universalismus war dem Christentum geblieben, aber nunmehr im Hinblick auf die konzeptionelle Universalität der christianitas. Pax war in ihrer, den ganzen Raum des christlich gewordenen Reiches umfassenden Bestimmung nicht mehr nur pax romana, sondern wurde nunmehr eine pax christiana im grundlegenden Sinne. Dies galt gerade nach dem Untergang des römischen Reiches im Westen, wodurch die Wirksamkeit einer allgemeinen pax romana zerfiel und nur noch eine pax christiana allgemeine Wirksamkeit entfalten konnte. In dem Maße, in dem sich die germanisch-christlichen Mächte des Westens dem Papsttum näherten, wurde der Universalismus der pax christiana dadurch wirksam, daß der Papst für den Sieg der Franken über die paganos oder die nationes barbaras betete.89 Einige Stellen scheinen dabei von einem fraglosen Recht der karolingischen Könige auszugehen, gegen die Heiden zu Felde zu ziehen und sie zu unterwerfen. So heißt es in einem Brief Pauls I. an die jungen Könige Karl und Karlmann noch zu Lebzeiten des Vaters Pippin: Sed omnipotens Dominus, ‚qui dives est in misericordiis‘, ad perfectam vos perducat aetatem, tribuens voluis longeva ac felicia tempora, corroboretque in vobis fortidudinem brachii sui atque victores vos super omnes barbaras efficiat nationes, dilatans regni vestri terminos, atque de vestro praeclaro semine super regale solium potentiae vestrae usque in finem seculi sedere permittat pro aeterna sanctae suae ecclesiae universali exaltatione et fidei orthodoxae defensione.90 Diese und ähnliche Stellen, in denen der Zusammenhang mit der Verteidigung der Rechte und Territorien der Kirche wiederum deutlich wird, sprechen sehr eindeutig von der Ausdehnung der

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Tellenbach, Reichsgedanke, S. 12 und S. 36. Moraw, Reich, S. 429 unter Hinweis auf Hieronymus und Augustin. Die von Tellenbach zitierten Stellen aus der Liturgie deuten ebenfalls eher mehr auf Verteidigung und Abwehr, Sicherheit der Grenzen und dadurch Frieden im Innern. Oben Anm. 84. Codex Carolinus, Nr. 35, MGH Epp. III, S. 543.

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Herrschaft durch Unterwerfung der Barbaren.91 Die Unterwerfung selbst wird in sehr nachdrücklichen Worten ausgedrückt: Deus omnipotens omnes gentes oder nationes barbaras vestris subiciat vestigiis92 oder vestris proternere dignetur vestigiis93, omnes barbaras nationes dominantes94 u. a.95 Die Päpste bringen den Kampf gegen die Heiden somit in engen Zusammenhang mit der defensio ecclesiae, ihrer securitas, aber auch ihrer exaltatio.96 Auch wird von der Verbreitung der Kirche in omnem gentem divulgata gesprochen.97 Karl wird so zum rex iustus. Aus diesen Stellen kann nicht eindeutig geschlossen werden, daß allein aus der Aufgabe zur Verteidigung der Kirche in abstrakter Weise ohne konkrete Verletzungen oder jedenfalls Gefährdungen der Kirche oder Christenheit ein Grund zum Heidenkrieg folgte oder Gott die Heidenvölker generell in die Hand des Königs gegeben hätte. Es ist aber auch nicht auszuschließen. Das könnte einen Zwiespalt zwischen der in den Papstbriefen ausgedrückten päpstlich-römischen Auffassung einerseits und den in den Reichsannalen und bei Einhard zum Ausdruck kommenden fränkischen Auffassungen bedeuten. Aber da der Sieg über die Feinde um der securitas der Kirche willen erbeten wurde,98 können diese Aussagen dahin gedeutet werden, daß die Päpste in der Existenz heidnischer Völker außerhalb des christlichen orbis eine generelle Gefährdung seiner Sicherheit sahen, wie sie sie immer wieder in den vorangehenden Jahrhunderten erlebt hatten. Betrachtet man noch einmal den eingangs erwähnten Brief Karls des Großen an Leo III., so bestätigt sich, daß Karl seinem praktischen Handeln keinen allgemeinen Anspruch zugrunde legte, gegen die Heiden wegen ihres Heidentums ohne weiteren konkreten Grund der Gefährdung vorgehen zu dürfen. In allen konkreten Fällen war kriegsauslösend nicht das Anliegen, die Heiden in die christliche Ordnung einzufügen, sondern es ging konkret darum, die heilige Kirche und die christianitas vor ihnen zu bewahren, also die securitas zu gewährleisten, wenn auch durch heute als Angriffsoder Präventivkriege eingestufte Kriege. Die Eingliederung in die christianitas war eine Frucht des Sieges. Sie erfolgte i.ü. auch nicht immer, wie noch zu zeigen sein wird.

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Ähnlich bereits der Brief des Senats und des Volkes von Rom an Pippin von 757, Codex Carolinus, Nr. 13, MGH Epp. IV. S. 508; ein Brief Pauls I. an Pippin zwischen 758 und 767, ibid., Nr. 39, S. 551, der noch die liberatio und exaltatio der Kirche hervorhebt; Paul I. an Pippin, ibid., Nr. 42, S. 554, dt. Anhang Nr. 8; auch in Briefen Hadrians I. an Karl ibid., Nr. 52, S. 573, Nr. 68, S. 597. Codex Carolinus, Nr. 13, MGH Epp. III, S. 508; Nr. 24, S. 527; Nr. 26, S. 530; Nr. 35, S. 542. Codex Carolinus, Nr. 42, MGH Epp. III, S. 554, dt. Anhang Nr. 8. Codex Carolinus, Nr. 46, MGH Epp. III, S. 564. Codex Carolinus, Nr. 50, MGH Epp. III, S. 569. Codex Carolinus, Nr. 13, MGH Epp. III, S. 510, Z. 13 ff. Hadrian I. an Karl, Codex Carolinus, Nr. 94, MGH Epp. III, S. 633, Z. 26 ff.: Sed semper pro exaltatione spiritalis matris vestrae, sanctae Romane ecclesiae, decertastis, et in omnem gentem divulgata. Gens kann hier auch „Heiden“ bedeuten. Codex Carolinus, Nr. 13, MGH Epp. III, S. 510.

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In einem Brief des zur Zeit Ludwigs des Frommen zunächst recht einflußreichen Erzbischofs Agobard von Lyon an Abt Adalard von Corbie vom Jahre 822 scheint sich die Tendenz zu einem aktiveren kriegerischen Vorgehen gegen die Heiden anzudeuten. Sed et illud putamus esse considerandum, quia, si religiosus imperator adversus gentes, que a Christi nomine aliene sunt, arma movet, et victor effectus subicit eos Christo et sociat religioni, opus est pietatis et laude dignum.99 Diese Ausführungen stellen jedoch ein Argument in einem besonderen Zusammenhang dar, für die Taufe der Juden in Ludwigs Herrschaftsbereich. Es ist ein Argument „wenn schon ..., dann ...“; so geht der Satz auch so weiter: quomodum neglegendum est, si inter subiectos tales existant, qui desiderent baptismum? Die These Agobards kann daher auf unterschiedliche Weise interpretiert werden. Erstens kann sie in der Form gedeutet werden, daß um der Bekehrung der Heiden willen Krieg geführt werden kann, der Kaiser also ein Unterwerfungsrecht habe, aber keine Pflicht, keinen Auftrag. Zweitens kann sie als Hinweis darauf verstanden werden, daß der Kaiser Heiden, gegen die er, aus welchen Gründen auch immer, gekämpft und die er besiegt hatte, zu Christen bekehren dürfe. Das entspräche Alcuins, im im Folgenden darzulegenden Auffassung. Die Ausdehnung des Reiches über die Grenzen hinaus und die Beherrschung anderer Völker, auch der Heiden, wurde nach Ludwig dem Frommen in eher abstrakter Weise auch von Hincmar von Reims in seiner Abhandlung De regis persona et regio ministerio aufgegriffen.100 Er zitierte Augustins Interpretation, wonach die guten Könige nur die Notwendigkeit, necessitas, zu Kriegsführung und Eroberungen bewegt, und diese Glück nur insofern seien, als dadurch die Herrschaft von Ungerechten verhindert werde.101 Es kann aber nicht ohne weiteres geschlossen werden, daß die Ungerechten mit Heiden gleichgesetzt werden können.

d. Krieg und Mission Neben der Verteidigung gegen die Angriffe der Heiden stellte Alcuin die Mission für sie. Sollte und durfte auch sie durch Krieg durchgesetzt oder doch gefördert werden? Zwar empfand auch Alcuin die Heiden als Bedrohung des christianum imperium. Aber zum anderen bestand gerade der Auftrag, ihnen das Wort Gottes zu verkünden und sie so der Kirche und dem christinanum imperium einzufügen. Von Alcuins Schwert gegen die Heiden in der Hand Karls war bereits die Rede, forinsecus a vastatione paganorum defendere vel propagare.102 Auch an anderen Stellen seiner Briefe wies er dem König immer wieder die Aufgabe zu, die Heiden zu bekämp-

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Agobard von Lyon epp., Nr. 4, MGH Epp. V, S. 165, Z. 25ff; Adalard war als Vetter Karls Mitglied der Familie der Karolinger. Er hatte unter Karl dem Großen bereits wichtige Staatsämter inne und war nach einer Art Verbannung im Jahre 821 von Ludwig wieder zu Staatsaufgaben herangezogen worden. De regis persona et regio ministerio ad Carolum Calvum regem, Migne, PL 125, c. 7, Sp. 840: Belligerare et regnum dilatare sola bonos reges impellit necessitas. Augustinus, De civitate Dei, lib. IV, c. 15. Alcuini epp., Nr. 171, MGH Epp. IV, S. 282, Z. 3.

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fen. Karl soll schrecklich gegen die Heiden sein.103 Die Sachsen sind ein populus nefandus.104 Karl soll den populum christianum und die ecclesiam Christi verteidigen ut benedictio superni regis te fortem efficiat super paganos.105 Die Zitate lassen sich beliebig vermehren. Die Heiden sind bedrohlich, sie sind, so der Eindruck bei der Lektüre, die inimici, die Feinde schlechthin. Denn sie stehen außerhalb des christianum imperium und der ecclesia. Daher ist Krieg gegen sie unvermeidlich, um die von ihnen drohenden Gefahren abzuwehren. Aber er plädiert nicht für den Missionskrieg.106 Selbst die Verteidigung liegt nicht allein im Schwert. In einem Brief an Arno, den Erzbischof von Salzburg, fordert Alcuin diesen auf, mit den Mönchen einen rechten Lebenswandel zu führen, damit die überall drohenden, und in seinen Augen neuen, Gefahren von den Heiden für die Christen abgewehrt werden, prope enim estis vos terminis paganorum, gemeint sind die Awaren.107 Die Mission steht für Alcuin im Zentrum seiner Äußerungen über die Heiden. Der Krieg gegen sie, ihre Unterwerfung unter und Eingliederung in die Herrschaft Karls muß außer auf Verteidigung vor allem darauf gerichtet sein. Er gratuliert zwar Karl zu dessen Siegen über die Sachsen und die Hunnen und deren Unterwerfung.108 Aber sein vordringlicher Grund ist, daß das christianitatis regnum sich ausdehnen, der Glaube verbreitet werden kann Gloria et laus deo Patri et domino nostro Iesu Christo, quia in gratia sancti Spiritus – per devotionem et ministerium sanctae fidei et bonae voluntatis vestrae – christianitatis regnum atque agnitionem veri Dei dilatavit, et plurimos longe lateque populos ab erroribus impietatis in viam veritatis deduxit. Alcuin bezieht sich sowohl auf die Sachsen als auch auf die Awaren. Die Mission lag Alcuin in besonderer Weise am Herzen. Das Recht zur Mission setzt er als selbstverständlich voraus. Sie ist königliche Pflicht Karls. So warb er darum, diese so zu führen, daß die Völker nicht abgehalten und abgestoßen werden, den Glauben anzunehmen. Die Predigt des Glaubens müsse friedlich und mit Überzeugungskraft erfolgen. Die Abgaben der Unterworfenen müssten milde sein, wie auch die neuen Gesetze. Die Einführung des Zehnten und der drakonischen Gesetzgebung gegenüber den Sachsen hielt er für große Fehler, die diese gegen den Glauben und die Kirche aufgebracht hätten. Sie dürften gegenüber den Awaren keinesfalls wiederholt werden.109 Heidenvölker sind in der Sicht Alcuins zum Glauben und zur Kirche zu führen. Damit werden sie zum Teil des christianum imperium. Die Mission, die Verbreitung des Glaubens unter den Heiden, ist Teil der allgemeinen Aufgabe Karls, die Festigung, Vertiefung, Ausbreitung des Glaubens zu fördern und die Abweichung vom Glauben der Kirche zu verhindern. Gegenüber den unterworfenen Heiden erhielt deren Unterwerfung durch die Mission erst ihren eigentlichen Sinn. Alcuin dankt Gott für den Triumph über die heidni-

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Alcuini epp., Nr. 41, MGH Epp. IV, S. 84, Z. 20; ebenso an Karls Sohn Pippin, ibid., Nr. 119, MGH Epp. IV, S. 174, Z. 18: terribilis in paganis. Alcuini epp., Nr. 174, MGH Epp. IV, S. 289, Z. 2; Nr. 177, S. 293, Z. 10 f. Alcuini epp., Nr. 178, MGH Epp. IV, S. 294, Z. 25 f. Die Abgrenzungen sind allerdings nicht deutlich zu ziehen. Alcuini epp., Nr. 184, MGH Epp. IV, S. 309, Z. 26 f. Alcuini epp., Nr. 110, MGH Epp. IV, S. 157 ff, dt. Anhang Nr. 12. Alcuini epp., Nr. 107, MGH Epp. IV, S. 153, Nr. 110, S. 157 f.; Nr. 111, S. 159 ff.

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schen Awaren und fordert deren Christianisierung.110 Dem Königreich der Hunnen wird Gottes Gnade zuteil, die zu erfüllen, man sich nicht entziehen dürfe.111 So geht es Alcuin auch nicht um die Ausdehnung der Herrschaft Karls, sondern um die des christlichen Namens, des christlichen Reiches und des nomen Christi.112 Karls Aufgabe wird auch hier spirituell und religiös verstanden, und sein Sieg ist seiner eigenen devotio und seinem eigenen Glauben zu verdanken. Alcuin leugnete nicht, daß die Mission realistischerweise mit Herrschaft verbunden ist. Deren Anforderungen müssen sich jedoch dem vorrangigen Ziel der Mission unterordnen. Darin liegt auch der eigentliche Ruhm des „David“ Karl. Bemerkenswert ist, daß Alcuin zu den Aufgaben des Königs nicht die Eroberung und Unterwerfung der Heiden zählt, sondern die Regierung des Reiches, die Ausübung der Gerechtigkeit, die Verteidigung der Unterdrückten.113 Auch nach der Kaisererhebung bleibt die Mission für Alcuin der Mittelpunkt herrscherlicher Aufgaben des Kaisers, wie sich aus dem bereits zitierten Brief zwischen 801 und 804 an Karl ergibt.114 Obwohl Alcuin den ausgeprägtesten spirituellen Begriff des imperium hatte, ist gerade bei ihm nicht die geringste Andeutung einer quasi moralischen Pflicht zu finden, dieses imperium militärisch-politisch-herrschaftlich auszudehnen, auch nicht um der Mission der Heiden willen. Nirgendwo riet Alcuin zum Krieg, um die Mission zu ermöglichen.115 Das Verhältnis des karolingischen Großreiches gegenüber den Heiden wird von Alcuin weder vor noch nach der Kaisererhebung Karls als das seiner generellen, quasi vorgegebenen Überordnung interpretiert. Es blieb bei Verteidigung und Mission. Keiner der päpstlichen Briefe enthält eine ausdrückliche Aufforderung an die fränkischen Könige, um der Missionierung, der Bekehrung selbst willen Kriege gegen die Heiden zu führen, wenn auch u. a. Hadrian I. die zentrale Aufgabe der Herrscher für die Ausbreitung des Glaubens und die Missionierung der Heiden ausdrücklich zur

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Alcuini epp., Nr. 99, MGH Epp. IV, S. 143Z. 21 ff.: Qui est virtus et sapientia Dei, in cuius potentia et gratia mirabiliter de Avarorum gente triumphatum est. Quorum missi ad dominum regem directi sunt subiectionem pacificam et christianitatis fidem promittentes. Alcuini epp., Nr. 107, S. 154, Z. 7 f.: Et si illius gratia respiciet super regnum Hunorum, quis est, qui se subtrahere audeat ministerio salutis illorum? Alcuini epp. Nr. 104, MGH Epp. IV, S. 150, Z. 23 ff.: Sciat quoque dilectio vestra, quod dominus Carolus rex vestrae sanctitatis valde desiderat ad Dominum subplicationes, seu pro se ipso et sui stabilitate regni, etiam et pro dilatatione christiani nominis; Nr. 121, S. 176, Z. 17 ff.: ...nomen domini Dei excelsi per multa terrarum spatia dilatare gaudeat, et catholicae fidei lumen in extremis partibus incendere conetur. Alcuini epp., Nr. 121, MGH Epp. IV, S. 176, Z. 19 ff.: Haec est, o dulcissime David, gloria laus et merces tua in iudicio Dei magni et in perpetuo sanctorum consortio, ut diligentissime populum, excellentiae vestrae a Deo commissum, corrigere studeas, et ignorantiae tenebris diu animas obcaecatas ad lumen verae fidei deducere coneris; Nr. 177, S. 293, Z. 11 ff.: iter agere, regna gubernare, iustitias facere, ecclesias renovare, populum corrigere, singulis personis ac dignitatibus iusta decernere, oppressos defendere, leges statuere, peregrinos consolari et omnibus ubique aequitatis et caelestis vitae viam ostendere. Alcuini epp., Nr. 308, MGH Epp. IV, S. 471, Z. 16 ff. Vorstehende Zitate.

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exaltatio ecclesiae zählte.116 Es findet sich in den päpstlichen Schreiben, anders als bei Alcuin, nicht einmal ein Hinweis auf eine herrscherliche Aufgabe zur Ausbreitung des Glaubens, dessen dilatatio. Die exaltatio und divulgatio der Kirche umschließen jedoch auch diese. Denn die Ausbreitung der Kirche bedeutet Ausbreitung des Glaubens, wenn auch die Aufgabe der Mission, der Glaubensverbreitung als solche nicht eigens genannt wurde. Selbst in den Glückwunschschreiben zu Karls Siegen über die Heidenvölker, so über Sachsen oder Awaren, wird die Aufgabe zur Mission nicht als solche angesprochen, wie es Alcuin tat.117 Das bedeutet nicht, daß den Päpsten daran nicht gelegen gewesen wäre. Sie nahmen das als selbstverständlich. Die Aufgabe, den Glauben unter den Heidenvölkern zu verbreiten, war nicht nur kirchliche, es war für die Päpste auch königliche Aufgabe. Allerdings könnte dahinter ein inhaltlicher Konflikt über das Vorgehen stehen. Alcuin vertrat ausdrücklich die Auffassung, daß die Unterweisung der Taufe vorauf zu gehen habe. Die Praxis war aber anscheinend eine andere. Erst erfolgte die Taufe und damit die Ausbreitung der Kirche, wie es in Sachsen der Fall war, und erst danach die Unterweisung. Gerade dies führte aber wohl zu der immer wiederkehrenden Abkehr vom Christentum, das man noch nicht wirklich „angenommen“ hatte. Alcuin war sich offenbar dessen bewußt. Auch hinsichtlich des Missionskrieges scheint die Position Agobards von Lyon einen Wandel darzustellen. Der Erzbischof richtete heftige Angriffe gegen Kaiser Ludwig, weil er nicht gegen exteras gentes kämpfe ut eas fidei subiugaret ad dilatandum terminum regni fidelium. Es sei des Kaisers Aufgabe adversus barbaras nationes dimicare. Statt das Reich in seiner Einheit zusammen zu fassen, greife die ungerechteste Zwietracht um sich.118 Agobard berief sich auf zwei Stellen eines Fürbitt-Gebetes der römisch-kaiserlichen Karfreitagsliturgie, Ut Deus illis subiectas faciat barbaras nationes und Oremus et pro christianissimo imperatore nostro, ut Deus et dominus noster subditas illi faciat omnes barbaras nationes ad nostram perpetuam pacem. Zum ersten las er aus diesem Text einen Auftrag, die Heiden durch Krieg für den Glauben zu gewinnen. Zum anderen übertrug er diese Aufgabe von den alten römischen Kaisern auf den neuen Kaiser Ludwig Domus ergo Dei, ‚quae est ecclesiae Dei vivi, columna et firmamentum veritas‘ orat, ut christianissimo imperatori barbari suiciantur. Ist das der Auftrag zum heiligen Missionskrieg? Vieles spricht dafür. Aber auch diese Äußerung ist nicht eindeutig. Unklar wurde die Scheidung zwischen Mission nach Krieg und Krieg zum Zwecke der Mission durch den Grundsatz, daß zwar der Glauben nicht mit Gewalt durchgesetzt, wohl aber Abtrünnige bestraft werden dürften.119 Je mehr die Taufpraxis nach einem Sieg vorangetrieben wurde, insbesondere gegenüber den Sachsen, ging die Tendenz jedenfalls diesen gegenüber immer mehr in die zweite Richtung der Bestrafung wegen Abtrünnigkeit. So konnte leicht aus dem Strafkrieg ein Missionskrieg werden.

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Oben S. 486, Anm. 97. Z. B. Hadrian I., Codex Carolinus, Nr. 89, MGH Epp. III, S. 626. Agobard Libri duo pro filios et contra Judith uxorem Ludovivi Pii, I, c. 3, MGH SS, XV/I, S. 274. Für die Freiwilligkeit der Taufe u. a. Bonifatius und Alcuin, Angenendt, Toleranz S. 403 u. a.

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e. Sachsen Die sächsischen Gruppen oder „Schwärme“ mußten jeder für sich nach jeder Niederlage Unterwerfung und Treue sowie Annahme des Christentums und Taufe versprechen; zudem übergaben sie dem fränkischen König oder den Franken ihr Land, reddiderunt patriam per wadium omnes manibus eorum et spoponderunt se esse christianos et sub dicio domni Caroli regis et Francorum subdederunt.120 Erfüllten die Sachsen diese Versprechen nicht, wurde gegen einzelne mit aller Härte mit der Todesstrafe nach dem berüchtigten Capitulare de partibus Saxoniae vorgegangen, wonach die Verweigerung der Taufe in c. 8 und in weiteren capitulae alle Vergehen gegen den Glauben, gegen Kirchen und Rückfall in heidnische Riten etc. grundsätzlich mit der Todesstrafe belegt wurden.121 Brach die Gruppe oder der Schwarm die Versprechen und erhob sich gegen die Franken, folgten brutale Strafkriege verbunden mit heftigen Blutbädern, mag auch der Bericht für 782 von über 4500 an einem Tag in Verden an der Aller getöteten Sachsen der Zahl nach übertrieben sein. Sie wurden als malefactores, qui ipsunt rebellium maxime terminaverunt zu Tode gebracht.122 So wurde doch z. T. schärfste Gewalt gegen die Sachsen zur Glaubenssicherung angewandt und damit königlicher Zwang zur Missionierung der Sachsen eingesetzt. Indem die Sachsen zum einen Unterwerfung und Treue gegenüber Karl und den Franken gelobt hatten, sich zum anderen hatten taufen lassen oder jedenfalls den Übertritt zum Christentum versprochen hatten, legten sie rechtlich verbindliche Versprechen und Treuegelübde auf zwei Ebenen ab. Unterwerfung unter die Herrschaft Karls und der Franken und die Treue ihnen gegenüber lagen auf der weltlich-politischen, Annahme des Christentums und Taufe auf der religiös-kirchlichen Ebene. Beide waren aber eng miteinander verzahnt, da die Zugehörigkeit zum Reich notwendig Christlichkeit voraussetzte.123 Ob das auch umgekehrt galt, also Christlichkeit die Zugehörigkeit zum fränkischen Herrschaftsbereich bedeutete oder zur Folge hatte, ist fraglich. Darauf ist zurückzukommen.124 Auf Grund der politischen Strukturen, die kein zentrales Königtum und nicht einmal eine politische Einheit der Sachsen und damit auch keine einheitliche politische Repräsentanz nach außen kannte, traten die Sachsen nach und nach als Gruppen in dieses Reich ein oder wurden von Karl voll in dieses integriert. Es wurde daher eine direkte Herrschaft Karls ohne eine eigene sächsische Zwischengewalt, wie sie bei den Awaren erhalten blieb, über sie begründet. So war sie in den vorhergehenden Jahr120 121

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Z. B. Ann. regni Franc. ad a. 775, 776. Capitulare de partibus Saxonibus, MGH LL II, Capit. I, Nr. 26, S. 68. Dazu Schubert, Capitulatio passim, der das Capitular sehr differenziert analysiert und beurteilt. Ein Konzil von 743 hatte sich für die Ausübung heidnischer Riten noch mit einer Geldbuße von 15 Solidos begnügt, Concilium Liftinense 1. März 743, c. III, MGH LL III, Conc., II/1, Nr. 2, S. 5. Ann. regni Franc. ad a. 782, dazu Hägermann, Karl, S. 214 ff., ihm folgend Angenendt, Toleranz, S. 384 ff.; Fried hingegen scheint die Zahl, wie viele andere Autoren vor ihm, noch für authentisch zu halten, Weg, S. 252, spricht von „4500 Sachsen geköpft, gehängt, erschlagen“, einer „Orgie der Gewalt“, einem „Blutrausch“. Dazu seit der Spätantike Angenendt, Toleranz, S. 378 ff. Unten, S. 584ff.

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zehnten seit Karl Martell nach und nach auch über die anderen Reichsvölker hergestellt worden, zuletzt über die Bayern durch den Sturz ihres letzten Herzogs Tassilo. Die Sachsen wurden wohl ab 782 mit der Reichsversammlung in Lippspringe nach und nach voll in das Grafschaftssystem eingefügt. Die Missionierung erfolgte in zur gleichen Zeit organisierten Sprengeln, die zunächst von fränkischen Bistümern betreut wurden. Erst nach der endgültigen Eingliederung nach 805 wurden auch acht Bistümer errichtet, Paderborn, Münster, Hildesheim, Osnabrück, Minden, Bremen, Verden, Halberstadt, die den Erzbischofssitzen Mainz bzw. Köln als Suffraganbistümer zugeordnet wurden.125 Kamen die Sachsen nach einem solchen doppelten Versprechen der Treue und Unterwerfung und der Annahme des Christentums und der Taufe diesem nicht nach, ließen sich also nicht taufen, oder fielen sie wieder von ihm ab, stellte das einen Bruch des rechtlich verbindlichen Versprechens auf beiden Ebenen und eine infidelitas dar. Tatsächlich ging auch beides Hand in Hand, Aufstand gegen die fränkische Herrschaft und Abschüttelung des Christentum und Zerstörung christlicher Kirchen etc. in den Gebieten der Sachsen selbst und in den überfallenen Gebieten. Beides konnte, mußte bestraft werden, sowohl im Einzelfall als auch gegenüber dem jeweiligen Schwarm allgemein. In Heiligenviten des 9. Jahrhunderts wird der jahrzehntelange Krieg gegen die Sachsen zwar damit gerechtfertigt, daß sie dadurch dem Christentum gewonnen wurden.126 Aber das erscheint eher als eine nachträgliche Deutung, Rechtfertigung und Sinngebung dieses Krieges, der Franken wie Sachsen erhebliche Leiden und Lasten auferlegt, vor allem die Sachsen ihre Selbständigkeit gekostet hatte. Über die ursprüngliche Motivation und Zielrichtung der Kriege sagt das jedoch nicht unbedingt etwas aus. Stellte also der Krieg gegen die Sachsen einen „heiligen Krieg“ oder „Religionskrieg“ dar, in dem „die Waffen direkt für Gott erhoben“ wurden?127 Beide Begriffe erscheinen zeitgenössisch genausowenig wie der des „gerechten Krieges“. Der Sachsenkrieg wird jedoch in der Geschichtswissenschaft bis in die Gegenwart in diesem Sinne gedeutet.128 Die Zerstörung der Irminsul im ersten Sachsenkrieg war ohne Zweifel ein religiös getragener Akt gegen das Heidentum der Sachsen und für das Christentum. Die sog. Einhardannalen schreiben Karl das Ziel zu, ut perfidam et foedifragam Saxonum gentem bello adgrederetur, et eo usque perseveraret, dum aut victi christianae religioni subicerentur aut omnino tollerentur.129 Einhard verband in seiner Karlsbiographie das Ende des Sachsenkrieges eng mit der Annahme des Christentums und der christlichen Sakramente durch die Sachsen. Zu bedenken ist aber, daß beide nachträglich, die Einhardannalen allerdings noch zur Zeit Karls, redigiert bzw. verfaßt worden sind, also eine rationalisieren-

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Angenendt, Frühmittelalter, S. 298 f. Nachweise bei Scharff, Kämpfe S. 43 ff., der ihn allerdings als „Eroberungs- und Missionskrieg“ bezeichnet. Angenendt, Toleranz, S. 375. Ibid., S. 382 ff.; Padberg, Christianisierung, S. 76 ff., Hägermann, Karl, S. 134 ff. Ann. q. d. Einh. ad a. 775.

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de Begründung und Einordnung post facto enthalten.130 Das spricht zwar nicht gegen eine entsprechende Zielsetzung Karls. Aber es muß bedacht werden, daß sich dieser Krieg auf beiden Seiten immer mehr aufschaukelte und auch in seiner Kriegsführung zunehmend verschärfte; damit mußte auch die Motivation für diese enorme Anstrengung für Karl immer grundsätzlicher angelegt werden, um ihn durchhalten zu können, und so die religiöse Frage, die durchaus von Anfang an auch da gewesen sein wird, immer mehr ins Zentrum der Argumentation gerückt werden. Aber die Christianisierung der Sachsen ging zusammen mit ihrer Eingliederung in das fränkische Herrschaftsgebiet. Zwar berichtet die ältere Fassung der Reichsannalen für die ersten vier Züge der Jahre 772 bis 775 lediglich, Karl sei nach jedem siegreichen Zug mit Geiseln und Beute beladen nach Francien zurückgekehrt. Aber bereits für 776 machen die Annalen die beiden Seiten der Eingliederung der Sachsen in die Herrschaft Karls deutlich. Die 772 zerstörte Eresburg wird wiederaufgebaut, weitere Burgen werden errichtet und den Franken zur Besetzung übergeben. Vor allem unterstellten sich die Sachsen der Herrschaft Karls und versprachen, Christen zu werden. 777 fand wohl daraufhin die erste Reichsversammlung von Franken und Sachsen in Paderborn statt. Diese Nachricht hebt den Beginn der Eingliederung dieser sächsischen Gebiete in das Reich und der Sachsen in die Reichsversammlung schon zu dieser Zeit hervor, wenn auch die Grafschaftsverfassung erst mit der Versammlung in Lippspringe 782 eingeführt wurde. Da für 776 auch über das erste Versprechen der Sachsen berichtet wird, das Christentum anzunehmen, und sich demgemäß ab 776 und 777 Berichte über die ersten Taufen finden, fielen Eingliederung und Christianisierung eindeutig zusammen und müssen auch gemeinsam konzipiert gewesen sein.131 Auch von sächsischer Seite wurden weltliche und religiöse Unabhängigkeit von den Franken anscheinend eng miteinander verknüpft, wie aus den fränkischen Berichten selbst hervorgeht. Schon gegenüber den ersten Missionsversuchen vor 772 nahmen sie eine heftig abwehrende Stellung ein, wohl weil sie mit dem Übertritt zum Christentum nicht nur ihre eigene Religion und Kultur aufgeben mußten, sondern auch ihre Unabhängigkeit von den Franken in Gefahr sahen.132 Das steigerte sich ebenfalls nach dem Beginn des Krieges.

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Christianisierung und Eingliederung lassen sich daher in Karls strategischen Zielen oder Absichten nicht trennen, wie wohl Hägermann die Aussage der redigierten Annalen deutet, in dieser Stelle sei „das strategische Ziel, die dergestalt eroberten Gebiete zu okkupieren oder gar zu annektieren, ... noch nicht zu erkennen.“ Karl, S. 137. Mit „okkupieren“ und „annektieren“ ist wohl die definitive Eingliederung gemeint, während „erobert“ nur „besetzt“ heißen soll. Zwar ist davon in der Tat in der Stelle der redigierten Annalen nicht die Rede. Aber die dem Geschehen näheren Berichte der Reichsannalen verbinden beides eindeutig miteinander, so daß beides tatsächlich und dann doch auch strategisch zusammen verfolgt wurde. Daher ist auch Hägermanns Darstellung der Reichsversammlung in Paderborn, S. 151 ff. völlig einseitig auf die Christianisierung der Sachsen und deren Sicherung ausgerichtet und berücksichtigt die „staatsrechtliche“ Seite dieses Ereignisses mit keinem Wort. Für den Beginn des Krieges 772 mögen beide Konsequenzen noch nicht eindeutig gezogen und festgelegt gewesen sein. Einhard, Vita Caroli, c. 7. Padberg, Christianisierung, S, 73 ff.; Hägermann, Karl, S. 98 ff.

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So könnte die Auseinandersetzung von beiden Seiten auch als ein Religionskrieg angesehen worden sein, aber eben eng verknüpft mit politischen Zielen und Zwecken. Das mahnt zur Vorsicht. Die rückblickende Einordnung ist in doppelter Hinsicht schwierig, sowohl begrifflich133 als auch angesichts der rechtlichen Lage im frühen Mittelalter. Religiöse Motivation als eine Begründung in Verbund mit anderen Gründen machte diesen Krieg noch nicht notwendig zum Religionskrieg. Da die Einheit von Reich und christlichem Glauben die Annahme des christlichen Glaubens, zumindest aber die Taufe für die Eingliederung der sächsischen Gruppen oder Stämme in das Reich zwingend voraussetzte, wenn sie gleichberechtigt neben die anderen Völker des Reiches treten wollten und sollten, war diese aus doppeltem Grunde, weltlich und religiös-kirchlich, geboten und verlangte gleichermaßen das Festhalten am Christentum und an der fidelitas gegenüber Karl und den Franken. Verletzungen der Religion standen daher auch als Verletzungen des grundlegenden christlich-politischen ordo des Reiches und des Grundes und Inhaltes seines Rechts, der gegebenen Versprechen und der fides neben den anderen von Einhard genannten „weltlichen“ Gründen, den ständigen Grenzverletzungen, Einfällen und Zerstörungen, die zudem in den Reichsannalen z. T. sehr ausführlich geschildert werden.134 Rechtlich-politische Einheit und Christentum waren durch Aufstand und Apostasie gleichermaßen gefährdet und gestört und mußten gemeinsam gewahrt werden. Die Sachsen erhielten daher nach den Worten Einhards für ihre allgemeine religiöse wie weltliche perfidias „nur“ die gerechte Strafe, dignam poenam.135 Die Franken bedienten sich dabei der für die Ahndung von Rechtsbruch üblichen Mittel, wenn auch mit einer konsequenten Härte gerade für bestimmte „religiöse“ Verbrechen, die schon die Zeitgenossen erschrecken ließ, 136 aber bei weitem nicht für alle und zudem mit der Möglichkeit der befreienden Beichte.137 Es ist in der Literatur darauf hingewiesen worden, daß gerade die Sachsen selbst noch in der Lex Saxonum von 803 die Todesstrafe auch für sehr viele weltliche Vergehen androhten, z. B. für Diebstahl von Bienenkästen.138 Das ändert nichts daran, daß uns Heutigen dieses Vorgehen als unerträglich erscheint. Dementsprechend stand am Ende des Krieges eine doppelte Einheit, wie es die erwähnte Feststellung Einhards am Abschluß seiner Darstellung der Sachsenkriege deutlich macht. Die Sachsen entsagten ihren Religionsgebräuchen, Christianae fidei atque religionis sacramentas susceperunt et Francis adunati unus eum cum eis populus efficerentur. Darum ging es vielleicht nicht von Anfang an, aber doch im Laufe der Zeit: Verbindung von Franken und Sachsen zu einem Volk, d. h. zu einer politischen und religiösen Gemeinschaft und Einheit. So wurde nach dem endgültigen Ende auch der letzten Aufstände 803 das Capitulare Saxonicum, also das zweite fränkische Son133

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Angenendt, Toleranz, S. 375, weist selbst auf die Schwierigkeit der Abgrenzung zwischen einem weltlich-gerechten Krieg und einem „heiligen Krieg“ hin. z. B. Ann. regni Franc. ad a. 773 und 776. Einhard, Vita Caroli, cap. 7, der ihnen die Verletzung göttlicher wie menschlicher Rechte vorhielt. Zitate bei Angenendt, Toleranz, S. 383, Schubert, Capitulatio, S. 11. Sehr differenziert Schubert, Capitulatio, S. 12 ff. Schubert, Capitulatio, S. 12, Anm. 34.

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derrecht für die Sachsen durch die genannte Lex Saxonum ersetzt, die eben kein königliches Kapitular mehr war, sondern im Zusammenwirken von Kaiser und Volk das Volksrecht der Sachsen aufzeichnete.139 Sie wurden damit endgültig ein gleichberechtigtes Volk im Reich wie Franken und die anderen. Taufe und Missionierung der Sachsen standen also nicht für sich allein. Sie bildeten eine Seite des allgemeinen strategischen Kalküls Karls, zu dem als andere Seite die in der Missionskriegsthese zu wenig berücksichtigte Abwehr der Gefährdungen seines Reiches durch die Einfälle der Sachsen bis weit in das Innere und die politisch-rechtliche Unterwerfung und Eingliederung gehörten. Gilt dann eher die Auffassung, Karl habe zunächst gar keine eigene Bistumsstruktur einführen, sondern die Kirche als Instrument der Unterwerfung unter seine Herrschaft benutzen wollen?140 Das wäre nun umgekehrt eine deutlich weltlich akzentuierte Deutung des Vorgehens des fränkischen Königs, in der die Missionierung statt zum Ziel zum Teil des Weges wird. Aber auch dem kann nicht gefolgt werden. Die Frage ist in einem größeren Zusammenhang noch einmal aufzugreifen. Es ging Karl letztlich um die Einheit des christlichen ordo der Welt seiner Zeit, den er nach seinem Selbstverständnis, aber auch dem Verständnis Alcuins und anderer, umfassend zu wahren hatte. Obwohl Missionierung der Sachsen ein wichtiges, vielleicht zentrales Ziel Karls gewesen ist, taugt der Begriff des „Religionskrieges“ oder „Missionskrieges“ aus rückblickender Sicht daher nur bedingt oder doch nur in differenzierender Weise für den rund dreißigjährigen Krieg gegen die Sachsen, wie auch für den Dreißigjährigen Krieg achthundert Jahre später, insofern er, wie dieser, zwar auch, aber eben nicht nur religiös gerechtfertigt wurde.141

f. Awaren – Dänen – Slawen Auch die Awaren wurden nach ihrer Unterwerfung in das Reich eingegliedert. Auch für sie galt daher die Einheit von politisch-rechtlicher und religiös-kirchlicher Zugehörigkeit. Aber die Awaren hatten anders als die Sachsen eine einheitliche politische Struktur mit einem König, den Cagan, und Unter- oder Teilfürsten, den Tuduns. Es gab einen Hauptsitz der Herrschaft, den sogenannten Hring. Cagan und Tuduns vertraten oder repräsentierten ihr Volk bzw. ihr jeweiliges Teilfürstentum gegenüber Karl. Sie blieben in ihrer herrschaftlichen Stellung. Die Initiative zur Annahme des Christentums ging daher, so jedenfalls die fränkischen Berichte, von diesen selbst aus. Sie baten um die Taufe für sich und ihr Volk.142 Sie wurden von Karl nach der Taufe mit Geschenken wieder nach Hause geschickt und dabei wohl auch als Garanten in ihren Ämtern belassen. Es blieb den Awaren also eine gewisse Eigenständigkeit unter ihren

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MGH LL V, S. 47 ff.; dazu Waitz, Verfassungsgeschichte III, S. 156 ff. Die Aufzeichnung sei „ohne Zweifel unter Karl und durch seinen Einfluß zustande gekommen“, wohl um 802/3; so auch Brunner, Rechtsgeschichte, Bd.1 S. 467 ff. Schubert, Capitulatio, S. 13 f. Anders aber wohl Angenendt, Toleranz, S. 382. Zurückhaltender Padberg, Christianisierung, S. 78 f., der auf die unterschiedlichen Missionskonzepte der Zeit verweist. Ann. regni Franc. ad a. 795, 796.

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eigenen Fürsten, wenn auch unter Karls Oberherrschaft. Zwar wurde die pannonische Mark errichtet und einem fränkischen Grafen unterstellt. Es wurden auch später wiederholt Kriege gegen die Awaren geführt. Aber diese entwickelten sich nicht zu derart schweren, andauernden und verbissenen Kämpfen wie die jahrzehntelangen alljährlich wiederkehrenden kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Sachsen. Eine eigene Diözesanordnung scheint in den awarischen Gebieten zunächst nicht eingeführt worden zu sein. Sie wurden von „außen“ missioniert, dem Erzbistum Salzburg und dem Bistum Passau in Bayern sowie dem Patriarchat Aquileia in Nordostitalien. Insgesamt war die Verbindung der Awaren mit den Franken und dem fränkischen Herrscher also wesentlich lockerer als die der Sachsen. Das mag allerdings, wie bereits gesagt, auch an der wesentlich größeren Entfernung der Awarengebiete vom fränkischen Kernland gelegen haben. Die Dänen standen nicht einmal unter der Oberherrschaft Karls oder Ludwigs.143 Aber auch die Slawen jenseits der Elbe wurden nicht in das Reich eingegliedert, sondern nur einer Oberherrschaft unterworfen. Die Siege über sie führten nie zu einer vollständigen Unterwerfung. Die Abodriten waren sogar Verbündete. Aber zum Reich gehörten auch sie nicht. Weder für die Dänen noch die Slawen galt also die Einheit von Reich und Glauben. Eine Missionierung ihnen gegenüber „mußte“ daher auch nicht stattfinden. Für die noch heidnischen Dänen wird zwar für die Zeit Ludwigs des Frommen von der Taufe des vertriebenen Königs Heriold und der Seinen und von einer offenbar nicht sehr erfolgreichen Mission durch Ebo von Reims in den zwanziger Jahren berichtet.144 Aber beides stand nicht in Zusammenhang mit den Kriegen gegen die Dänen. Selbst die verbündeten Abodriten wurden keiner Mission unterworfen und blieben Heiden. Die Kriege Karls gegen Wilzen und Böhmen, der Feldzug Ludwigs gegen die Sorben, der mit deren Gehorsamsverweigerung begründet wurde,145 der Krieg mit den damals noch heidnischen Bulgaren, der auf deren Angriff im Zuge von Grenzstreitigkeiten zurückgeführt wurde,146 führten weder zu Versprechungen, das Christentum anzunehmen, noch zu Taufen. Jedenfalls wird darüber nichts mitgeteilt. Man kann also nicht von einer generellen kriegerischen Missionspolitik der Karolinger sprechen. Ein Grund für die unterschiedliche Behandlung vor allem der Sachsen und der Awaren könnte in einem Gesinnungswandel Karls und der Großen gelegen haben. 797 wurde für die Sachsen das wesentlich mildere Capitulare Saxonicum erlassen, an dessen Beratung und Beschlußfassung nunmehr die Großen der Sachsen de diversis pagis, tam de Westfalahis, et Angariis, quam et de Ostfalahis teilgenommen hatten.147 Alcuin hatte deutliche Kritik an dem harten Vorgehen gegen die Sachsen geübt und Karl zwar zur Bekehrung der Awaren ausdrücklich ermahnt, die er aber 143

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So setzte er nach dem Tode eines Cagan, der i. ü. Christ war, dessen Nachfolger ein, Ann. regni Franc. ad a. 805. Ann.regni Franc. ad a. 823. Ann. regni Franc. ad a. 816, S. 143: Hieme transacta Saxones et orientales Franci expeditionem in Sorabos Sclavos, qui dicto audientes non erant... Worauf diese Gehorsamspflicht beruhte, wird nicht dargelegt. Ann. regni Franc. ad a. 826, ad a. 827. Capitulare saxonicum v. 28. Oct. 797, MGH LL II, Capit. I, Nr. 27, S. 71.

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nicht in derselben harten Weise behandeln dürfe wie die Sachsen.148 So sollte auch kein Zehnter für die Kirche eingeführt werden. Darüber stöhnten schon gute Gläubige, daher erst recht solche, die erst zum Glauben geführt werden sollten. Aber ein zweiter Grund dürfte ebenso bedeutsam, wenn nicht bedeutsamer gewesen sein. Er lag in der unterschiedlichen rechtlichen Stellung der verschiedenen Heidenvölker zur Herrschaft Karls und zum Frankenreich.

g. Gebete – Liturgie Krieg wurde durch Gebete und religiös-kirchliche liturgische Riten für den König bzw. Kaiser, seine Armee, den Sieg über die Feinde und für eine glückliche Heimkehr eingerahmt.149 Wie gezeigt, war dies schon in christlich-römischer Zeit der Fall.150 Das Fürbittgebet für den Herrscher, sein Wohlergehen, sein Heer und seinen Sieg gehörte zu der allgemeinen Liturgie, sei es des Stundengebetes, sei es der Messe. Eine Verweigerung des allgemeinen Fürbittgebetes konnte als laesio maiestatis zu einer Anklage führen.151 Es wurde bereits auf die im Bündnis begründete Erwartung Karls des Großen an Leo III. verwiesen, daß dieser wie Moses die Hände zum Gebet für den Sieg der Franken erheben solle. Bereits früher hatte Karl in einem Brief an Hadrian I. diesen um sein Gebet für die Sicherheit und Festigkeit seiner Herrschaft gebeten.152 Das Gebet der Päpste und der ganzen römischen Kirche war, wie andernorts dargelegt, „Gegengabe“ zu den Verpflichtungen der defensio wie auch der Gabe der donatio.153 Eine hervorgehobene Bedeutung hatten die laudes regiae, die einerseits Christus mit dem immer wiederholten Ruf Christus vincit, Christus regnat, Christus imperat priesen, andererseits aber für Leo III. und vor allem Karl den Großen, die Nachkommen, die Großen und das ganze Heer die Hilfe Christi und der Heiligen anriefen.154 Carolo excellentissimo et a Deo coronato atque magno et pacifico regi Francorum et Langobardorum ac patricio Romanorum vita et victoria. Es folgen Anrufungen Christi und der Heiligen mit der Bitte tu illum adiuva. Im zweiten Teil wird Christus als der König der Könige, der eigentliche König, die Hoffnung, die Ehre, die Hilfe, die Stärke, die Befreiung und Erlösung, der Sieg, die unüberwindbare Mauer, der Schutz und die Sicherheit etc. der Franken gepriesen. Christus, so kann das verstanden werden, siegt, regiert und herrscht, indem er König, Große und Heer rettet, ihnen hilft, sie unterstützt, zum Siege führt; aber auch Karl kann nur dank der Hilfe und Unterstützung Christi und der Fürbitte der Heiligen zum Sieg über seine Feinde kommen. Die Päpste ihrerseits führten in ihren Schreiben an Pippin und seine Söhne den Sieg auf die Gabe Gottes und des hl. Petrus zurück, knüpften ihn aber auch an den rechten

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Alcuini epp., Nr. 110, MGH Epp. IV, S. 156, dt. Anhang Nr. 12, und Nr. 111, ibid., S. 159. Dazu u. a. mit weiteren Verweisen auf die Literatur Bachrach, Religion, S. 32 ff. Noethlichs, Christianisierung, S. 13 ff.; Bachrach, Religion, S. 7 ff. Epp. Var. Car. Magno, Nr. 10, MGH Epp. IV/II S. 507 Z. 34–35; dazu McCormick, Liturgy, S. 1ff. und S. 4f. Hinweis bei McCormick, Liturgy, S. 5. Oben S. 159, 163. Zu diesen vor allem Kantorowicz, Laudes regiae, passim.

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Glauben der Franken und die Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber den Päpsten, insbesondere die Erfüllung der donatio. Die Vorstellung von Gabe und Gegengabe war also auch dort lebendig. Der Sieg war Zeichen, Gabe und Huld Gottes für die Treue der karolingischen Herrscher. Das öffentliche, allgemeine Gebet erscheint auch in den Fürstenspiegeln als die eigentliche Zurüstung für den dann von Gott gewährten Sieg, stärker als die militärische Rüstung und Stärke.155 Aber in besonderen Situationen traten auch besondere liturgische Handlungen hinzu, um den Sieg zu erflehen. Karl selbst ordnete mehrfach Fasten, Messen und Gebete von Psalmen an, um istum gladium, quae super nos est abzuwenden.156 780 verpflichtete er alle Bischöfe, Äbte und andere Priester, drei Messen für ihn, für das Heer und für die Befreiung aus der gegenwärtigen Not, tribulatio, zu lesen und Psalmen zu beten, und ebenso Mönche und Nonnen, drei Psalmen zu singen.157 Sie sollten allerdings je nach ihrem Vermögen auch Geldmittel bereitstellen. Vor dem Kriegszug gegen die Awaren 791 wurden nach dem Bericht der Reichsannalen nach der Ankunft des fränkischen Heeres an der Enns, also vor dem Übertritt in das feindliche Gebiet, drei Tage lang Bittgänge veranstaltet, Messen gefeiert und Litaneien gesungen, Dei solatium postulaverant pro salute exercitus et adiutorio domni nostri Jesu Christi et pro victoria et vindicta super Avaros.158 Karl bat zudem in einem Brief an seine Frau Fastrada diese und die Bischöfe, Priester und Gläubigen daheim ebenfalls um ihr Gebet.159 Die Litaneien enthielten Anrufungen des dreieinigen Gottes, insbesondere Christi, der Muttergottes und der Heiligen um Segen, Sieg und Schutz des Königs und des Heeres. Die Reichsannalen berichten dann weiter, daß im Laufe des Kriegszuges Gottes Schrecken die Awaren befallen habe, a Domino eis terror pervenit, und die Franken unter Führung Christi in deren Land eingedrungen seien, Christo perducente populo suo utrosque exercitus sine laesione introduxit. Auch bei dem nächsten Zug gegen die Awaren 793 erfolgten ähnliche Anordnungen des Königs. 807 oder 805 wurde auf einer Reichsversammlung von Karl und den Großen beschlossen, daß an neun bestimmten und nach dem Kalender festgesetzten Tagen alle Untertanen sich des Weines und des Fleisches enthalten, Prozessionen mit Litaneien veranstalten und die Messe hören sollten. Aber dieses mal ging es nicht um die Vorbereitung auf einen eigenen Angriffs- und Eroberungskrieg wie 791. Diese Maßnahmen seien notwendig, weil sich in vielen Teilen des Reiches eine große Dürre ausbreite und daher eine Hungersnot drohe, auch das schlechte Wetter die Früchte nicht reifen lasse und viel Krankheiten zu befürchten seien, et paganorum gentium circa marcas nostras sedentia bella continua.160 Das geht zusammen mit den Berichten der Reichsannalen 155 156 157

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Scharff, Kämpfe, S. 17 ff. Zitat bei Bachrach, Religion, S. 36. Capitulare Episcoporum, MGH LL II, Capit. I, Nr. 21, S. 51. Es ging wohl um den Sachsenkrieg des Jahres. Geistliche, Mönche und erst recht Nonnen waren vom Kriegsdienst freigestellt, und sollten daher auf diese Weise den Krieg inhaltlich und materiell mittragen. Ann. regni Franc. ad a. 791. Brief vom September 791, MGH Epp. IV, Epp. Vario, Carolo, Nr. 20, S. 528. dazu McCormick, Liturgy, S. 8ff. MGH LL II, Capit. I, Nr. 124, S. 244, dort wird November 807 angegeben; McCormick, Liturgy S. 10ff., der den Text im Anschluß an andere Autoren auf 805 datiert. Es handelte

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über die Zunahme von Angriffen von außen auf das Reich. 805 führte Karl, der älteste Sohn des Kaisers, einen Kriegszug gegen die Böhmen, und 807 entsandte der Kaiser den Grafen Burchard mit einer Flotte gegen die Sarazenen auf Korsika, die immer wieder die Küsten ins Land hinein unsicher machten. Beide Kriegszüge hatten wohl eher abwehrenden Charakter, um äußere Bedrohungen durch künftige Angriffe zu verhindern. Das Kapitular macht dabei die zugrundeliegenden allgemeinen Vorstellungen über die Gründe solcher Übel deutlich. Denn es beschwört jeden, sich zu erforschen, wie er Gott beleidigt habe, dafür Buße zu tun und sich vor Gott zu erniedrigen. Seine Gebote seien zu erkennen und zu beachten, damit er sich erbarme, die Übel abwende und wie früher das Gute zuwende. Dürre, Hungersnot, Krankheit und Kriege von außen werden also als Strafe Gottes gesehen. Es geht somit in diesen allgemeinen, reichsweiten Gebeten und dem Fasten nicht mehr nur um Sieg über die Feinde, sondern allgemein um die Bewahrung vor den vielen drohenden Übeln, zu denen auch die Sorge vor den Feinden gehört. In der Literatur wird darauf hingewiesen, daß auch bei anderen Krisen im Reich derartige Anordnungen zu Fasten und Gebet etc. ergingen.161 Aus dem Beginn des 8. Jahrhunderts sind erste besondere Messen für den Sieg des Königs überliefert.162 Bittmessen und Litaneien wurden vor einem und während eines Kriegszuges gerade von den daheimgebliebenen Bischöfen und Priestern gehalten. Im späten 8. Jahrhundert entstanden eigene Kriegsmessen, so die missa pro rege in belli contra paganos. Zunächst wird Gott um die Befreiung der Christenheit von den Bedrückungen durch die Völker oder Heiden, oppressione gentium, gebeten. Dabei wird ausdrücklich die Befreiung der Israeliten aus der Hand der Ägypter aufgenommen, also an die alttestamentarische Tradition der Gotteshilfe angeknüpft. Später folgt die Bitte an Gott, seinen Diener, d. h. den König, und sein Heer zu würdigen, dignare ... liberare de tirannorum terrore et iube eos cum exultatione ad propria remeare. Schließlich wird in der Präfation unter Berufung auf die Hilfe für Abraham um Hilfe contra gentes perfidas gebeten, damit diese nicht über die Christenheit siegen können. Gott möge seinen heiligen Schutzengel senden, ut triumphantes de victoria mereantur cum fidelitate remare ad propria. Die Hilfe sollte also auch den Glauben stärken; denn Gott erwies sich auf diese Weise als der „stärkere“ Gott. Auch hier galt die Bitte um Sieg über die Heiden dem eigenen Frieden und der Ruhe im eigenen Reich, nicht deren Bekehrung. Selbstverständlich begleiteten Bischöfe und Priester das Heer auf dem Kriegszug, um die liturgischen Aufgaben zu erfüllen, die Bittmessen und -gesänge zu leiten, den Segen zu erteilen, auch mit mitgeführten heiligen Reliquien.163 Dafür kann ein weiteres Messformular für diejenigen bereitgestellt worden sein, in profectionem hostium eon-

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sich wohl um einen an alle Bischöfe versandte Anordnung, die ausdrücklich auch den Gläubigen verlesen und übersetzt werden sollte. McCormick, Liturgy, S. 13 f. Zum folgenden McCormick, Eternal victory, S.344 ff.; Bachrach, Religion, S. 35 ff., jeweils mit Nachweisen der Ausgaben und der nachfolgenden Zitate. Concilium q. d. germanicum, c. 2, MGH LL III, Conc., II/1, Nr. 1, S. 1.

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tibus in prohelium.164 Im Eingangsgebet wird Gott um die Stärkung derjenigen gebeten, die nun in das Dunkel der Schlacht ziehen müssen, daß sie der Mut nicht verlasse, daß ein heiliger Engel sie bewahren und zum Siege führen möge. Die Geistlichen sollten aber auch den notwendigen persönlichen geistlichen Beistand für die Kämpfer leisten, insbesondere Beichten abnehmen, die vor den Schlachten stattfanden, damit die Kämpfer in reinem Zustand vor Gott treten könnten, falls sie fallen sollten.165 Manche Angehörige der hohen Geistlichkeit kämpften aber wohl auch militärisch, obwohl ihnen das eigentlich untersagt war, da es als nicht vereinbar mit ihrem Amt angesehen wurde.166 Nach dem Sieg wurden Dankespsalmen und laudes gesungen. Hadrian I. brachte für die großen Siege, wohl über Langobarden und Sachsen, immensis victoriis quas vobis (Karl) omnipotens et redemptor noster Dominus Deus per intercessiones beati Petri principis apostolorum geschenkt habe, laudes dar, sagte dem König gleichzeitig tägliche Gebete der Priester und Mönche in den Klöstern zu.167 784 feierte der Papst für die Unterwerfung und Taufe Widukinds und der Sachsen drei Danktage.168 Auch wurden SiegOffertorien dargebracht.169 Aber in Kriegen zwischen Christen konnte es auch Bußgottesdienste wegen der Tötung der gegnerischen christlichen Soldaten geben.170

h. Würdigung Krieg diente zwar auch der Verteidigung des Glaubens und der Kirche, wurde aber in unserer Epoche nicht als ein religiöser Vorgang, ein „heiliger Krieg“ im Auftrag Gottes oder der Kirche verstanden, auch nicht gegenüber den Heiden, sondern blieb in jedem Fall eine weltliche Angelegenheit. Kriege werden weder gegen Häretiker noch gegen Heiden geführt, nur weil sie Häretiker oder Heiden sind. Die beiden genannten Votivmessen waren zwar auf den Krieg gegen und den Sieg über die heidnischen Völker gerichtet. Auch aus dem späteren 9. Jahrhundert sind derartige Votivmessen überliefert.171 Daraus ist aber nicht auf einen spezifischen Heidenkrieg zu schließen. Sie sind aus den Zeitumständen zu verstehen.

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Nachweise und Zitate wiederum bei McCormick, Eternal victory, S. 347f.; Bachrach, Religion S. 39 ff., Anm. 37 ff. Dort auch weitere Beispiele. Eingehend dazu Bachrach, Religion, S. 43 ff. Das Concilium, q.d. Germanicum untersagte in c. II den Dienern Gottes, Waffen zu tragen oder im Heer zu kämpfen, MGH LL III, Conc., II/1, Nr. 1 S. 1. Brief Hadrians an Karl von 774, Codex Carolinus, Nr. 50, MGH Epp. III, S. 569. Brief Hadrians I. an Karl von 786, Codex Carolinus, Nr. 76, MGH Epp. III, S. 607. Angenendt, Offertorium, S. 134 ff. So nach der Schlacht bei Fontenay 841 zwischen den drei Söhnen Ludwigs des Frommen, Nithart, Historiarum libri, lib. III, c. 1, MGH SS II, S. 662, Z. 23. Die Toten beider Seiten wurden gemeinsam begraben, die Verwundeten gepflegt und es wurde ein Fasten gehalten. Auch hier kommt es nicht auf den Wahrheitsgehalt an, sondern darauf, daß dieses Verhalten offenbar jedenfalls als geboten angesehen wurde. Sie gehören offenbar zu der gelasianischen Meßliturgie, die im Frankenreich zunächst weiter verbreitet war als die gregorianische, McCormick, Eternal victory, S. 347 ff.

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Innerhalb der Christenheit erschien Krieg zwar von Fall zu Fall notwendig um des Rechtes willen. Aber nach dem Sieg über die Langobarden und der Unterwerfung Tassilos und endgültig nach 810 fanden keine Kriege mit christlichen Herrschern mehr statt. Karl der Große wie auch Ludwig der Fromme führten nach außen nur noch Kriege gegen nicht-christliche Völker. Diese wurden, wie am Ende des römischen Reiches, nach 800 zunehmend als Abwehrkriege gegen die Einfälle in das Reich von Sarazenen, Dänen, Normannen, Bulgaren geführt, gewissermaßen von außen aufgezwungen. Es traten also Bedrohungen des Friedens im Reich durch heidnische Völker ein, die vom Mittelmeer wie von der Nordsee und dem Kanal her weit auf sein Territorium reichten. Der Kampf gegen die Heiden war also in weiten Teilen ein Kampf gegen die zeitgenössischen bedrohlichen Feinde zur Bewahrung des Friedens im Reich. Schon das alte römisch-kaiserliche Karfreitagsgebet bat ursprünglich vor allem um Frieden, der durch die Einfälle der heidnischen Nationen, das hieß damals der Germanen, bedroht war. Um den Frieden zu sichern, mußten sie unterworfen werden. Der Abwehrkampf war gemäß dem Verständnis der Zeit auch ein geistlich-religiöser Abwehrkampf; denn das Reich war, wie Agobard in dem zitierten Brief formulierte, auch das regnum fidelium. Schon die in den Briefen der Päpste an Pippin und seine Söhne verheißenen Gebete für den Sieg über die heidnischen Völker setzen beide, weltlichen und geistlichen Abwehrkampf, gleich. So erschien der Krieg gegen die Heiden aus diesen sachimmanenten Gründen als der von den Franken zu führende Krieg im eigentlichen, strikten Sinn. Die Kriege zwischen den Karolingern im 9. Jahrhundert, die wieder Krieg zwischen Christen waren, erschienen nicht als Kriege gegen Feinde, sondern als eine Verirrung. So war der Zweck des Plädoyers und der Appell des Erzbischofs von Lyon, Agobard, an Ludwig den Frommen ein innenpolitischer, die Einheit des Reiches nach innen zu erhalten und nach außen zu stärken.172 Allerdings scheint er der Meinung zu sein, daß erst dann wirklich Friede ist, wenn das regnum fidelium auch ausgebreitet, dilatare, wird. Segen, Beistand und Schutz Gottes, die herbeigefleht wurden und sich in der Gewährung des Sieges und der glücklichen Heimkehr für König und Heer zeigten, waren gebunden an den eigenen Glauben, die eigene Gerechtigkeit und die der Sache. Diese aber mußte, wie dargelegt, begründet sein und werden. Insofern hingen beide Dimensionen des Krieges, seine rechte Begründung in der Sache und seine Rechtfertigung vor Gott zusammen, mit dessen Hilfe, wie es immer wieder heißt, dann auch der Sieg errungen wurde, wozu er u. U. sogar konkret durch seine Engel eingriff, z. B. die Rettung des Klosters Fritzlar und der Syburg vor den – heidnischen – Sachsen herbeiführte.173

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Siehe den Brief oben S. 281. Ann. regni Franc. ad a. 773 und 776.

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IV. F o rm en d es K r i eg s b eg i n n s a. Gesandtschaften Wie ausführlich dargelegt, wurden, bevor ein Krieg begonnen wurde, von den karolingischen Herrschern Gesandtschaften an den Gegner entsandt, um die Rechtsforderungen geltend zu machen. Besonders hervorragend wird das in den Berichten über die zweimalige Kriegführung Pippins gegen Aistulf dargestellt. Da auch der Bulgarenkönig Gesandte an Ludwig den Frommen schickte, um durch eine Vereinbarung über die Grenzen einen Krieg zu vermeiden, gehörte dieses Vorgehen offenbar zu der allgemeinen Übung. Ob für den Fall, daß den Aufforderungen nicht Folge geleistet wurde, bereits eine Kriegsandrohung folgte, läßt sich den Quellen nicht immer entnehmen. Der Bulgarenkönig scheint nach dem Bericht der Reichsannalen bei seiner letzten Gesandtschaft so vorgegangen zu sein.174 Gesandte zur Abmahnung und Herstellung des Rechts zu senden, ist von den Römern bereits gemäß dem ius fetiale geübt worden.175 Auch die Merowinger folgten offenbar diesem Brauch.176 Manchmal wurde der Abmahnung Folge geleistet. Da Recht eingefordert wurde, ist die Abmahnung wohl als ein Rechtsakt zu verstehen. Wenn diesen Aufforderungen bzw. Abmahnungen nicht stattgegeben wurde, begann der Krieg.

b. Bellum indicere Es ist unklar, ob es förmliche Kriegsansagen gab, sie gar erforderlich waren. Zwar hatte Isidor von Sevilla die Kriegserklärung noch als erstes Element des ius militare genannt, aber eine stetige Übung läßt sich für unsere Epoche nicht feststellen.177 Nachrichten, die als solche gedeutet werden könnten, finden sich nur vereinzelt. Nach dem Tod Karl Martells versuchte im Jahr 741 sein jüngster Sohn Griffo, der bei der väterlichen Reichsteilung nicht berücksichtigt worden war,178 sich einen Reichsteil durch Ge174 175 176

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Ann. regni Franc. ad a. 826. Ziegler, Völkerrecht, S. 102ff. Gregor von Tours, Historiarum, lib. II c. 27, Entsendung von Gesandten von Chlodwig an Alarich, um Syarigius auszuliefern, was Alarich auch tat. Ähnlich forderte Karl der Große im Jahr 769 vom Baskenherzog Lupus erfolgreich die Auslieferung des aquitanischen Herzogs Hunold unter Androhung eines Krieges, Ann. regni Franc. ad a. 769.Variation Handschrift E.; Gregor von Tours, Historiarum libri, lib. III, c. 31, Childebert, Chlotachar und Theudebert an Theodad von Tuscien (539), mit der Forderung nach Buße für die Tötung einer Tochter Theoderichs des Großen, Cousine der fränkischen Könige, und der Kriegsdrohung. Theodad zahlte, ibid., lib. V, 2; Dagobert an bretonische Aufständische zur Wiedergutmachung ihres Unrechts, Fred. chron. c. 78; sie hatten offenbar vorhergehende Gesandte Dagoberts mißhandelt, Gesta Dagoberti I., c. 38, MGH SS rer. Merov. II, S. 415f.; Dagobert an Samo, weil die Mähren fränkische Kaufleute angriffen und ausgeraubt hatten, Gesta Dagoberti I., c. 27, MGH SS rer. Merov. II, S. 410. Isidor, Ethym. lib. V, cap. 7. Fred. chron. cont., c. 23 (110), S. 178f.

Formen des Kriegsbeginns

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walt zu sichern. Er besetzte Laon ac bellum fratribus indiceret.179 Ein zweites Mal wird in der nachträglich redigierten Fassung der Reichsannalen zu Beginn des Krieges gegen die Awaren berichtet: et bellum genti Hunorum a Francis indictum est. Sie berichten aber nicht wie die ursprüngliche Fassung der Annalen von einer Gesandtschaft wegen Genugtuung.180 Das läßt den Schluß zu, daß in der Vorstellung des Autors die Forderung nach Genugtuung und Ansage des Krieges bei deren Verweigerung durch eine Gesandtschaft miteinander verbunden wurde. Ebenso heißt es bei der Wiederaufnahme des Krieges Ludwigs des Frommen gegen Abulaz 820, bellum est ei inductum.181 Der Wortgebrauch ist zwar konstant, aber selten. Nimmt man jedoch die Gesandtschaften hinzu, die iustitias facere abgeschickt wurden und vielleicht für den Fall der Nichterfüllung bereits Krieg ankündigten, wie es die oben geschilderte Diskrepanz der beiden Fassungen der Reichsannalen für den Awarenfeldzug 791 nahelegt, ergibt sich eine umfangreichere Quellenlage. Jedoch ist nichts über Art und Weise oder Form zu erschließen. Es ist daher fraglich, ob es sich um Kriegserklärungen in einem förmlichen Sinne handelt, oder um bloße Kriegsansagen, oder ob damit nicht einfach nur gemeint ist, daß nunmehr Krieg geführt werde. Zwar bezeichnet das römische Recht mit dem Begriff bellum indicere die Kriegserklärung.182 Bei Isidor von Sevilla aber hat sich der Bedeutungsgehalt zu „Krieg führen“ gewandelt, wie Cram gezeigt hat. Kriegserklärungen wurden anders formuliert. Cram ist der Auffassung, daß bellum indicere auch im Mittellateinischen nur im weiten, rechtlich unspezifischen Sinn Isidors zu verstehen sei.183 Er lehnt das Rechtsinstitut der Kriegserklärung ausdrücklich ab. Dafür könnte sprechen, daß weder über Rechtsfolgen einer solchen Erklärung noch eines Kriegsbeginns ohne sie berichtet wird. Insgesamt ist festzustellen, daß Krieg nicht einfach wie ein Naturereignis aus- und über den Gegner hereinbricht, wenn er ihn nicht selbst, z. B. als Einfall oder durch Rebellion gegen die fränkische Herrschaft, ausgelöst hat, oder es sich für die Franken so darstellt, und sie zur Gegenwehr schreiten. Aber die Formulierungen der Darstellungen in den Quellen lassen doch darauf schließen, daß man für diese Zeit noch keine genaue Ausbildung der Formen der Kriegsansage annehmen darf, Traditionen, Üblichkeiten schon, aber keine regelmäßig befolgten Regeln oder Normen, die dann auch noch exakt wiedergegeben werden. Da die Kriegsansage offenbar nicht allgemein üblich war, und in der damaligen Zeit keine eigentliche positiv-rechtliche Wirkung erkennen läßt, sondern auf der Ebene der Kriegslegitimierung liegt, stellt sie sich, in welcher Form auch immer sie vorgenommen wurde, in besonderer Weise als symbolische Kommunikation dar.184 Sie hatte einen zweifach rechtfertigenden Charakter, indem sie einerseits den eigenen Willen zur

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Ann. q. d. Einhardi ad a. 741. Ann. q. d. Einhardi ad a. 791. Anonymus, Vita Hludowici, c. 34, S. 625. Ziegler, Völkerrecht, S. 102 f. Cram, Iudicium Belli, S. 110ff. und 187f. Dazu auch oben S. 308ff.

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friedlichen Streitregelung und damit zum Frieden überhaupt noch einmal hervorhob, so besonders deutlich in den Gesandtschaften Pippins an Aistulf, und den Gegner, der trotzdem nicht klein beigab, in gewisser Weise doppelt ins Unrecht setzte. Das galt nach beiden Seiten, wie die Ankündigung des Bulgarenkönigs an Ludwig zeigt, Krieg zu führen, wenn Ludwig sich nicht mit ihm über die Grenzziehung in Dalmatien einigen wolle. Man kann also annehmen, daß hier allgemeine Regeln der Kommunikation anerkannt waren. Dabei ging es gerade in diesen Kommunikationen darum, einen status für die Beteiligten herzustellen. Je nach der Reaktion des Gegenüber öffnete sich der Weg zum Krieg oder zum Frieden. Da verfassungsrechtlich die Großen auf dem Hoftag oder der Reichsversammlung dem Krieg zustimmen mußten, gingen diese Beratungen und Beschlußfassungen der Kriegsansage wohl dann vorauf, wenn im konkreten Fall der Beschluß gefaßt oder u. U. nicht erforderlich war.

c. Ergebnis Reichte dies alles für eine rechtliche Normativität des Rechts zum Kriege aus? Die Regelmäßigkeit über die Entsendung von Gesandtschaften vor Kriegsbeginn in den Berichten deutet darauf hin, daß diese Entsendung der Gewohnheit entsprach. Das gleiche gilt für die Kriegsansagen. Man wird nicht sagen können, daß, wie im alten römischen Fetialienrecht, ein zulässiger Krieg, bellum iustum et pium, nur bei Einhaltung dieser Akte vorlag. Aber man wird wohl festhalten können, daß Krieg kein regelloses und beliebig in Gang zu setzendes tatsächliches Handeln oder Geschehen darstellte. Es wurden Regeln eingehalten. In der Vorstellung der Autoren der erzählenden Quellen war das offenbar notwendig, um Krieg in der Öffentlichkeit auch formell zu rechtfertigen. Dies wird der allgemeinen Auffassung entsprochen haben. Es sollte auch dadurch dargetan werden, daß die jeweiligen Herrscher den Krieg vermeiden und eine friedliche Lösung erreichen wollten. Das entspricht den materiellen Rechtfertigungen des Krieges durch Rechts-, Treu- und Friedensbruch des Gegners. Das läßt aber weiterhin darauf schließen, daß Krieg nicht als der Normalzustand oder als „natürlich“ angesehen wurde, wenn nicht ausdrücklich ein Friedenszustand vereinbart oder begründet war. Das entsprach auch der Sachlage. So gab es z. B. mit Byzanz friedliche Beziehungen lange vor dem Krieg ab 806 und der Aufnahme von Friedensverhandlungen 810 oder gar dem Abschluß des pactum von 812. Krieg bedurfte in der Regel eines besonderen Grundes oder einer sehr offenen, generell ungeklärten Lage, wie gegenüber Slawen und Böhmen. Insofern war Krieg dem Grunde nach rechtlich normativ eingefangen. Das gilt unabhängig davon, wieweit augustinische Ansätze für einen gerechten Krieg bereits ausdrücklich rezipiert waren.

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V. Re ch t i m K r i eg e? a. Kriegführung War der Eintritt in einen Krieg inhaltlich und formell Regeln oder Normen der Rechtfertigung unterworfen, so lassen sich für die Kriegführung keine festen Regelungen aus den Berichten erschließen. Im Gegenteil, in den Quellen wird von Verwüstungen, Verheerungen, Niederbrennen, Plünderungen und Tötungen, auch von Frauen und Kindern, auch von fränkischer Seite ohne erkennbare normative Grenzen oder Beschränkungen berichtet.185 Allenfalls die Frömmigkeit oder Barmherzigkeit des Königs setzte dem Grenzen. Auch Hadrian I. schien bei seinen Mahnungen an Tassilo im Jahre 787 davon auszugehen, daß Kriege in einer Weise geführt wurden, die wegen einer durch Regeln kaum gezügelten Kriegführung auch das ganze Volk und Land heimsuchten.186 In der religiös-ethischen Literatur der Zeit, insbesondere den Briefen Alcuins oder den Fürstenspiegeln finden sich keine besonderen ethischen Regeln der Kriegführung.187 Eine eroberte Stadt oder Burg konnte offenbar verbrannt und ohne Rücksicht auf die Bewohner völlig zerstört werden. So brannte Pippin auf einem Kriegszug gegen Waifar die Burg Claremonte nieder, wobei viele Männer, Frauen und Kinder umkamen. Die Bewohner konnten aber auch verschleppt werden.188 Jedoch scheint die förmliche Unterwerfung, auch die einer Burg oder einer Stadt, das harte Siegerrecht eingeschränkt zu haben. So könnte die Darstellung des Anonymus über die Einnahme von Châlons-sur-Saone durch Lothar 834 verstanden werden. Es wurde ausdrücklich vermerkt, daß diese nach der Übergabe versa vice crudelium more victorum geplündert und fast völlig zerstört wurde.189 Versa vice deutet auf eine Unvereinbarkeit mit der Unterwerfung hin. Diese wird als deditio bezeichnet, ein Rechtsinstitut, das aus dem römischen Recht stammt, aber im fränkischen Recht doch eine eigene Prägung erhielt. So kann auch eine Aussage der Reichsannalen verstanden werden, die zwischen der Einnahme von Burgen durch Kampf und der durch ein placitum unterscheidet.190 Für die der ersten Kategorie, u. a. Clermont, wird berichtet, die Burgen seien angezündet worden.191 Eine eroberte Befe185

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Beispiele: Fred. chron. cont., c. 37 (120), im ersten Langobardenkrieg Pippins; ibid., c. 41 (124), c. 42 (125), Kriege gegen Waifar von Aquitanien. Ann. regni Franc. ad a. 784 gegen Sachsen. Ann. regni Franc. ad a. 787. Nach Riché, Reich, S. 98 waren die Verwüstungen durch die Franken in einigen Gegenden noch „jahrhundertelang spürbar“. Scharff, Kämpfe, S. 19 f. Fred. Chron. cont. 42 (125). Anonymus, Vita Hludowici, c. 52. Allerdings ist zu bedenken, daß der Biograph eher Ludwig zugeneigt war und vielleicht Lothar etwas unterschieben wollte, um den alten Kaiser bei der anschließenden Versöhnung als verzeihend erscheinen zu lassen. Ann. regni Franc. ad a. 761, Krieg Pippins gegen Waifar von Aquitanien. Fred. chron. cont., c. 42 (125), S. 186f., der ausführt, sie seien captus; aber auch später Ann. Regni Franc. ad a. 801 für die italienische Stadt Chieti; Et in Italia Teate civitas ... capta et incensu est.

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stigungsanlage, ihre Verteidiger und Bewohner konnten jedoch auch geschont, die Burg sogar als eigene wieder aufgebaut werden.192 Päpstliche Briefe an die Frankenkönige berichten über verheerendes Verhalten der Langobarden. Sie mögen in der ein oder anderen Hinsicht übertrieben sein, auch einem gewissen Schematismus der Darstellung eines Krieges folgen, um die Hilfe Pippins oder Karls zu erlangen. Aber im Kern werden sie wohl die Vorgänge zutreffend dargestellt haben. Stephan II. beschrieb in seinem Hilferuf vom Februar 756 das Vorgehen Aistulfs mit bewegenden Worten.193 Alles außerhalb der Stadt Rom sei mit Feuer und Schwert niedergebrannt worden, auch die Kirchen und Bilder der Heiligen. Der Leib Christi, also das Allerheiligste, und die Altäre seien geschändet worden. Mönche seien gequält, Nonnen vergewaltigt, Männer und Frauen aufgehängt, Kinder ihren Eltern entrissen worden. Auch Paul I. berichtet Ähnliches an Pippin über Desiderius. Der Krieg richtete sich gegen alle mit großer Härte und Zerstörung. Jeder gehörte zum Feind und der Feind mußte in jedem besiegt, unterworfen, u. U. vernichtet werden. So wurde gestraft und der feindliche Fürst in seinen Ressourcen geschwächt. Es ging dabei auch um Beute und Bereicherung aus dem Eigentum der Feinde.

b. Gefangene Die Besiegten waren dem fränkischen Sieger ausgeliefert. Er konnte sie noch in merowingischer Zeit und auch noch darüber hinaus töten lassen, wie u. a. der, wenn auch in der Zahl übertreibende Bericht über die Tötung von 4500 Sachsen, aber auch andere Berichte über „Blutbäder“, stragia, an Sachsen, wie umgekehrt von diesen an Franken zeigen.194 Sachsen waren Rebellen, Verbrecher, die der gerechten Strafe unterfielen, dignam ab eis poenam exigeret schrieb Einhard.195 Ob auch „Nichtkombattanten“, also vor allem Frauen und Kinder, in diesen Blutbädern getötet wurden, läßt sich aus den Quellen nicht erschließen. Im zweiten Krieg gegen Aistulf brachen die Franken solito more, ut edocti erant ... in regno Aistulfo cum multa ira et furore intrant, Langobardos quos ibi repperiunt, interfciunt.196 Dabei dürfte es sich nur um Kämpfer gehandelt haben, die sich den Franken entgegenstellten. Die Besiegten wurden im besseren Falle in Gefangenschaft geführt.197 Die prominentesten Gefangenen waren wohl Desiderius und seine Familie. Die Reichsannalen berichten ipsam civitatem coepit et Desiderium regem cum uxore et filia vel cum omni thesaure palatii.198 Die Gefangennahme steht hier in engem Zusammenhang mit der 192

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Z. B. Fred. chron. cont., c. 43 (126); auch Ann. regni Franc. ad a. 776, Wiederherstellung der Eresburg. Codex Carolinus, Nr. 8, MGH Epp. III, S. 495. Ann. reg. Franc. ad a. 782; 775, für Sachsen an Franken Ann. regni Franc. q. d. Einh. ad a. 775, wobei es sich allerdings auch um eine nachträgliche vergeltende Rechtfertigung des fränkischen Vorgehens handeln kann. Einhard, Vita Caroli, c. 7. Chron. Fred. cont 38 (121). Ann. regni Franc. ad a. 779. Ann. regni Franc. ad a. 774.

Recht im Kriege?

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Einnahme der Stadt und der Beute des Schatzes. Zu den Gefangenen gehörten nicht nur die Kämpfer, sondern die gesamte Bevölkerung.199 Viele der Gefangenen wurden versklavt, waren also gewissermaßen selbst ein Teil der Beute, nicht nur wenn es sich um Heiden handelte.200 Es scheint, daß sie eine begehrte Handelsware darstellten. Es war eine Hauptsorge der karolingischen Herrscher unserer Epoche, die Versklavung christlicher Gefangener zu verhindern. Christliche Sklaven von außerhalb durften auf fränkischem Boden nicht gehandelt werden.201 Es konnten Gefangene auch gegen Lösegeld zurückgekauft werden.202 Aber es gibt keine Hinweise auf eine Anwendung des römischen Instituts des postliminium oder ein ähnliches Institut der rechtlichen Wiedereingliederung zurückgekehrter Gefangener. Der Begriff taucht in den Quellen dieser Zeit nicht auf. Gefangene konnten aber auch wie Desiderius im Kloster verschwinden. Ferner wurden auch Bevölkerungen eines Gebietes verschleppt oder umgesiedelt. Es wird berichtet, daß Karl 804 Tausende Sachsen aus dem sächsischen Gebiet nördlich der Elbe in fränkisches Gebiet geführt und das Land den Abodriten gegeben habe.203 Erst danach war der Frieden mit den Sachsen endgültig möglich. Das Recht des Siegers über die Besiegten scheint fast absolut gewesen zu sein. Es wurde nur durch christliche Barmherzigkeit und Frömmigkeit eingeschränkt, wie die drei genannten Erweise von Milde durch Pippin, Karl und Ludwig zeigen.

c. Beuterecht Das Beuterecht stand außer Zweifel. In den Berichten der Annalen etc. über Kriege aller drei karolingischen Herrscher wird stets hervorgehoben, daß sie nach dem Sieg mit großer Beute heimgekehrt seien. Beute bezieht sich auf vieles, Gold, Silber, Pferde, Vieh, wohl auch Menschen, die versklavt und verkauft wurden, und anscheinend sogar Städte, die nach der Einnahme in Besitz genommen wurden. So berichtet der Forstsetzer der Fredegarchronik, Pippin habe die Stadt Bourges in seinem Krieg gegen Waifar nach erfolgreicher Belagerung iure proelii seiner Herrschaft unterstellt. Es ist zudem eine der wenigen Stellen der Quellen, in der ausdrücklich von „Recht“ gesprochen wird. Die Berichte vergessen selten, gerade die Beute zu erwähnen. Das Beuterecht war grundsätzlich unbeschränkt. Darunter fiel alles, was dem Feind gehörte, auch das Eigentum der Bewohner des Landes. Eine große Beute machte Pippin bei seinen bei199

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Chron. Moiss. ad. a. 796 nennt Männer, Frauen, und Kinder, die er mit sich als Gefangene nach Francien geführt habe. Dazu Riché, Welt, S. 140 mit Nachweisen. Pactum Veneticum c. 3 enthielt das Versprechen der Venetianer, keine Christen zu kaufen oder zu verkaufen und sie nicht in die Hände von Heiden zu liefern, MGH LL II, Capit. II/1, Nr. 233, S. 130, dt. Anhang Nr. 17. Gefangene Sklaven wurden u. U. auch wieder freigekauft, Ann. regni Franc. ad a. 807. Paulus Diaconus, Historia, lib. III, c. 31; Ann. regni Franc. ad a 798, allerdings für von den Dänen gefangen genommene Gesandte. Ann. regni Franc. ad a. 804; Chron. Moissiac. ad a. 796, MGH SS I, S. 302; Einhard, Vita Caroli, c. 7; es wird auch häufiger berichtet, Karl habe so viele Geiseln bekommen, wie er haben wollte. Dabei könnte es sich ebenfalls um Umsiedlungen gehandelt haben.

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den Kriegen gegen Aistulf; nach dem zweiten mußte dieser außerdem ein Drittel seines Schatzes herausgeben.204 Auch auf den Zügen gegen die Sachsen wurde immer wieder Beute gemacht,205 aber z. B. auch in Benevent.206 Vor allem aber erhielt der Sieger die herrschaftlichen Schätze. Das herausragendste Beispiel ist die Eroberung des Awarenschatzes im sogenannten Hring.207 Das Beuterecht scheint jedoch von den Merowingern zu den Karolingern einen gewissen Wandel durchgemacht zu haben.208 Unter den Merowingern wurde die Beute zwischen den Kämpfern einschließlich des Königs durch das Los verteilt.209 Bei den Karolingern ging die Beute an den König, der sie aber dann wieder an seine Getreuen oder auch die Kirche und die Armen verteilte und Geschenke an andere Herrscher machte.210 So verfuhr Karl vor allem, als er mit dem Awarenschatzes eine einmalig außerordentliche Beute erhielt. Andererseits schickte Alfons II. von Asturien Geschenke aus der in Lissabon eroberten Beute an Karl.211 Mit derartigen Gaben wurden nach außen Freundschaften vertieft oder erworben und nach innen die Bindungen mit den Großen und Getreuen vertieft und so Herrschaft befestigt, indem der Herrscher Belohnung verteilte und Gunst erwies. Sie waren nicht nur Geschenke, sondern zeigten die Munifizenz der Königs, die für das gesamte Reich und sein Ansehen bedeutsam waren, aber auch die Notwendigkeit, die Treue und Zustimmung immer neu zu erwerben. Das heißt nicht, daß Kriege um der Beute willen geführt wurden, jedenfalls nicht allein ihretwegen. Aber die Aussicht auf Beute war ein nicht unwichtiges Element, Kriegen auf den Reichsversammlungen zuzustimmen und sich an ihnen zu beteiligen. Aber die Entlohnung durch Beute wurde unter den Karolingern allmählich durch die Einführung des Lehnswesen mit dem beneficium u. a. aus Kirchengut ersetzt. 212

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Chron. Fred. cont 37 (120) und 38 (121). Ann. regni Franc. ad a. 772/774/775; für 772 wird ausdrücklich der Tempelschatz der Ermensul genannt; dazu: Reuter, Plunder S. 76ff. Ann. regni Franc. ad a. 800 et exercitum cum Pippino filio suo in Beneventorum terras praedatum ire iussit. Ann. regni Franc. ad a. 796; Einhard, Vita Caroli, c. 13, weist darauf hin, daß durch diesen Schatz das vorher arme Frankenreich reich geworden sei. Reuter, Plunder, S. 78ff. Gregor v. Tours, Historiarum, lib. II, c. 27; Fred. chron. cont. c. III, 16. Gregor berichtet, daß Chlodwig einem Bischof eine Vase aus dem Kirchenschatz zurückgeben wollte, die bei der Beuteteilung einem Soldaten zugefallen war. Chlodwig bat, sie ihm zu überlassen. Der Krieger aber zerschlug sie, ohne daß der König ihn hindern konnte. Dieser rächte sich allerdings ein Jahr später, indem er ihn beim Märzfeld vor aller Augen erschlug, dazu u. a. Althoff, Verwandte, S. 146 ff. Ann. regni Franc. ad a. 796. Ann. regni Franc. ad a. 798. Althoff, Verwandte S. 147 f.

Beendigung des Krieges

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V I. B e en d i gu n g d es K r i eg es a. Allgemeines Die Beendigung der Kriege wird zwar in den Quellen in sehr verschiedener Weise dargestellt. Es hat jedoch in der Regel eines normativen Aktes, wenn auch nicht notwendig eines Abkommens oder Vertrages bedurft, um ein „Ende des Kriegszustandes“ oder eine Unterbrechung durch Waffenstillstand herbeizuführen, auch dann, wenn sich der besiegte Herrscher oder das besiegte Volk unterwarf.213 Der normative Akt konnte in einem zweiseitigen Friedensvertrag im weitesten Sinne, pactum, foedus oder conventio, bestehen, aber auch in einseitigen Unterwerfungsakten oder einseitigem Versprechen der Besiegten, in deren deditio. Jedoch sind die Darstellungen nicht immer eindeutig. Die Dänenkönige, die 816 um Frieden baten, hatten sicher nicht die Absicht, sich der Frankenherrschaft unterzuordnen, sondern wollten wohl einen Vertrag schließen. Jedoch wurden die Gesandten abgewiesen.214 Anderes könnte evtl. für den spanischen Sarazenenherrscher Abulaz gelten, dessen Sohn mit weiteren Gesandten 817 pacis petendae gratia venerunt.215 Aber die Formulierung für das Jahr 820 Foedus inter nos et Abulaz ... constitutum ... ruptum ... est läßt erkennen, daß im Jahr 817 nicht ein einseitiger Unterwerfungsakt des sarazenischen Fürsten vorlag, sondern auf dessen Bitte hin ein Vertrag abgeschlossen worden war.216 Die Nachricht des Ludwig-Biographen Anonymus, Ludwig habe 812 den früheren Frieden noch als König von Aquitanien pacem porro petentibus auf zwei Jahre gewährt, deutet ebenfalls darauf hin, daß keine Unterwerfung stattfand, die von Dauer gewesen wäre. Bereits für eine frühere Gesandtschaft eines Sarazenenfürsten verwendet der Biograph Ludwigs des Frommen die Formel, sie sei pacem petens et dona regia mittens zu Ludwig auf eine Reichsversammlung nach Toulouse gekommen.217 So kann davon ausgegangen werden, daß Karl und Ludwig mit den Fürsten der spanischen Sarazenen Verträge zur Beendigung der Kriege geschlossen haben. Gegenseitige Friedensverträge wurden vor allem zur Beendigung der Kriege mit auswärtigen Mächten abgeschlossen, mit Aistulf, den oströmischen Kaisern Nicephorus und Michael I. , dem Dänenkönig Godofrid und später mit dessen Nachfolgern.218 Bei Unterwerfungskriegen ist die Abgrenzung zu einseitigen Akten schwierig. So heißt es für die Beendigung des ersten Kriegszuges 772 ibi cum Saxonium placitum habuit und für die Beendigung der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Franken und Sachsen im Jahre 784 ibique (Schöningen in Thüringen) conventionem factam reversus est in Franciam supradictus gloriosus rex. Das deutet auf einen Vertrag, wohl in mündlicher Form. Für 798 wird berichtet de pacis conditionis tractaverunt. 219 Über den Inhalt ist nichts bekannt. Es ist anzunehmen, daß Gegenstand jeweils die 213 214 215 216 217 218 219

Wielers, Beziehungsformen, S. 4. Ann. regni Franc. ad a. 816. Ann. regni Franc. ad a. 817. Ann. regni Franc. ad a. 820. Anonymus, Vita Hludowici, c. 5. Oben S. 415f. Ann. regni Franc. ad a. 772; 784; 798.

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Unterwerfung der Sachsen und deren Versprechen war, sich dem Christentum zuzuwenden. Vielleicht wurden auch Tribute versprochen, wie sie schon seit Karl Martell üblich waren. Aber was war die inhaltliche und rechtliche „Leistung“ Karls? Sie könnte in der Gewährung von Frieden bestanden haben, allerdings unter fränkischer Herrschaft, für deren Ausübung die Grafen eingesetzt wurden. In formeller Hinsicht ist bedeutsam, daß anscheinend nur von Seiten der Sachsen rechtliche Akte erfolgten, nicht aber von Seiten der Franken; die Sachsen leisteten Eidschwüre, erklärten ihre Unterwerfung, gaben Versprechungen ab und stellten Geiseln.220 Es gab also keine Gegenseitigkeit formeller Akte. In ähnlicher Weise wird über das siegreiche Ende des Krieges Karls über die Wilzen 789 berichtet; diese hätten Geiseln gestellt und Eidschwüre geleistet, woraufhin Karl nach Francien zurückkehrte. 221 Spanische Sarazenen in Saragossa gaben 778 ebenfalls Geiseln, und Karl kehrte nach Hause zurück.222 Diese Formulierungen weisen zwar ein gewisses Stereotyp auf, geben aber eben dadurch eine Normativität der Umstände wieder. Die Unterlegenen geben Geiseln, eventuell auch Treueide. Beides ist die Bestätigung der Unterwerfung. Karl rückt daraufhin ab, da sein Ziel erreicht und Frieden hergestellt ist. Für den Abschluß des ersten Awarenkriegs 791 wird nichts über irgendeine Art eines formellen Abschlusses berichtet. Karl zog jedoch mit seinem Heer ab. Erst 796 kam, folgt man den Reichsannalen, ein Tudun zum König nach Franken, unterwarf sich mit Volk und Land, se cum populo et patria regi dedit, und ließ sich taufen.223 Die Formulierung se ... dedit ist eindeutig einseitig. In den Quellen wird auch das Substantiv deditio verwendet. So heißt es für 797 tota Saxonem gente in deditionem per obsides accepta.224 Es werden aber auch Formulierungen benutzt, die einen seitens der Franken auferlegten Frieden bezeichnen. So heißt es über Ludwig:...illique pacem inposuit nationi.225 Im Jahr 806 zog Karls Sohn gleichen Namens gegen die Sorben und kehrte zurück sclavis pacatis.226 Es muß offen bleiben, ob in diesen Stellen die alte römische Vorstellung der einseitigen Befriedung wieder auftaucht. Von dieser Form berichten die Quellen jedoch selten. Bei Unterwerfungskriegen ist nicht immer klar, ob überhaupt ein formeller rechtlicher Abschluß statthatte. So endete der Krieg Karls gegen Desiderius zwar mit Unterwerfungserklärungen der Langobarden, die den Frieden herstellten, aber eine formelle Einigung erfolgte nicht. Vielmehr nahm Karl Desiderius die Königswürde, steckte ihn ins Kloster, übernahm selbst einseitig die Königskrone und gestaltete die innere Ord220

221 222 223 224 225 226

Ann. regni Franc. ad a. 772 et recepit obsides XII; 775 Ibi omnes Austrelandi Saxones venientes et dederunt obsides, iuxta quod placuit, et iuraverunt sacramenta, se fideles esse partibus supradicti domni Caroli regis; dort noch weitere Schilderungen; 776 ibique venientes Saxones una cum uxoribus et infantibus innumerabilis multitudo baptizati sunt et obsides ... dederunt. Ähnlich 777; 779; 794. Ann. regni Franc. ad a. 789. Ann. regni Franc. ad a. 778. Ann. regni Franc. ad a. 791, 796. Ann. regni Franc. ad a. 797. Anonymus, Vita Hludowici, c. 5. Ann. regni Franc. ad a. 806.

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nung des Langobardenreiches neu.227 Widersprüchlich sind die Nachrichten für das Ende des Krieges gegen die Sachsen. Fast jeder Kriegszug gegen die Sachsen endete mit einer Unterwerfungserklärung, einem Treueversprechen oder einer conventio.228 Aber 804 beenden die Annalen ihre Nachrichten über den Krieg gegen die Sachsen mit der Umsiedlungsaktion nach dem letzten Aufstand, ohne einen Vertrag, eine einseitige Unterwerfung oder Ähnliches zu erwähnen. Einhard schließt seine Darstellung nach der Umsiedlung Eaque conditione a rege proposita et ab illis suscepta tractum per tot annos bellum constat esse finitum ... Die Bedingung bestand, wie bereits oben dargelegt, in der Aufgabe der heidnischen Religion und der Annahme des Christentums.229 Das deutet auf eine rechtliche Absprache. So hat es wohl auch der Poeta Saxo verstanden, der unter Berufung auf Einhard von einem Friedensvertrag, foedus pacis, und pacis leges zwischen dem Augustus pius Karl und dem in Salz versammelten sächsischen Adel berichtet, allerdings bereits für 803.230 Danach mußten die Sachsen ihrerseits keine Tribute mehr zahlen, waren also keine Unterworfenen mehr, sondern auch darin gleichberechtigt. Im Krieg gegen Waifar von Aquitanien gab es zwar nach dem ersten Kriegszug eine Friedensbitte, Eidesleistung und Geiselstellung durch den Herzog. Aber nachdem er diese Eide gebrochen hatte und der Krieg sich ebenfalls mit wachsender Heftigkeit fortsetzte, lehnte Pippin einen Vorschlag Waifars, sich ihm gegen Rückgabe eroberter Gebiete zu unterwerfen ab. Jedoch unterwarfen sich Parteigänger Waifars. Waifar wurde ermordet. Der Krieg ging nach den Berichten 769 ohne jegliche Vereinbarung zu Ende, nachdem Hunold, der Nachfolgers Waifars, nach einem letzten Kriegszug des neuen Königs Karl, dem Aquitanien bei der Teilung zugefallen war, ausgeliefert worden war. Über einen formellen rechtlichen Akt, z. B. Treueschwüre verbliebener Großer oder der Bevölkerung, berichten die Quellen nichts.231 Aquitanien stand von da an ohne weiteres unter fränkischer Herrschaft. Es wird aber auch immer wieder über das Zustandekommen eines Friedensvertrages mit den Feinden der karolingischen Könige berichtet. Am aussagekräftigsten sind die Berichte über die Friedensschlüsse Pippins mit Aistulf von 755 und 756 und den bereits erörterten Friedensvertrag Karls des Großen mit Michael I. von 812. Dessen endgültiges Zustandekommen zog sich zwar über Jahre hin. Tatsächlich war aber bereits 809 oder 810 Frieden eingetreten. Seine Funktion ging also über bloße Kriegsbeendigung bei weitem hinaus und regelte das Gesamtverhältnis der beiden Mächte zueinander.

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Ann. regni Franc. ad a. 774. Padberg, Christianisierung, S. 78 nennt für die Zeit zwischen 772 und 785, dem Jahr der Unterwerfung Widukinds, die Zahl von fünfzehn Verträgen, die allerdings mit verschiedenen Gruppen und nicht dem gesamten Volk abgeschlossen worden sind. Da der Krieg weiterging, folgten auch weitere Verträge etc. Einhard, Vita Caroli, c. 7. Poeta Saxo ad a. 803, Indict 10, MGH SS I, S. 260, Z. 1 ff. Chron. Fred. cont. 41 (124), 47 (130), 51 (134), 152 (135); Ann. regni Franc. ad a. 767/768/769.

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b. Kriegsbeendigungen mit Aistulf Da sich die Berichte über die Beendigung der beiden langobardischen Kriege in den päpstlichen und fränkischen Quellen in ihren normativen Darstellungen nicht unerheblich unterscheiden, seien sie noch einmal eingehender erörtert. Nach dem Liber Pontificalis wurde ein dreiseitiger Friedensvertrag 755 zwischen dem Papst, Pippin und den Langobarden geschlossen, in dem Aistulf zweierlei versprach, zum einen die besetzten päpstlichen Gebiete herauszugeben und andererseits, das Ravennat und die Pentapolis an den Papst zu übertragen. Pippin habe auf Ermahnung des Papstes hin Frieden geschlossen. Der Papst und Pippin trafen sich vor den Mauern Pavias, usque ad muros civitatis Papiae utrique pervenerunt. Der Papst bat Pippin dringend, die großen Übel nicht zu vergrößern und nicht noch mehr Christenblut zu vergießen, sondern die Angelegenheit friedlich zu beenden, ut iam amplius malum non proveniret neque sanguis effunderetur christanorum, in minens salutifera praedicatione ut pacifice causae fimirentur. Deo dilectam pacem inientes, atque in scripto foedera pactum adfirmantes inter Romanos Francos et Langobardos, ... spopondit ille Aistulfus cum universis suis iudicibus sub terribili et fortissimo sacramento, atque in eodem pacti foedere per scriptam paginam adfirmavit se ilico redditurum civitatum Ravennantium cum diversis civitatibus.232 Die Lösung durch einen Friedensvertrag statt durch Vernichtung oder Unterwerfung war also dem Papst zu verdanken. Die fränkischen Quellen berichten den Vorgang aus der Sicht Pippins eher einseitig. Nach der Fortsetzung der Fredegarchronik kam der Friedensschluß auf Bitten Aistulfs zustande, die er Karl durch die fränkischen Großen übermittelte, pacem per sacerdotes et optimates Francorum petens. Er enthielt auf Seiten Aistulf dreierlei dictiones superdicto Pippino faciens et quicquid contra Romanam ecclesiam vel sedem apostolicam contra legis ordine fecerat, plenissima solutione emendaret. und sedem apostolicam Romanam et rem publicam hostiliter numquam accederet.233 Er stellte Geiseln und leistete Eide. Die Reichsannalen sind wieder knapper. Aistulf habe incluso .. in Pavia civitatem iustitiam sancti Petri ... faciendi versprochen. Die Einhardannalen formulieren etwas abweichend, Aistulf habe geschworen und 40 Geiseln gegeben pro reddenda sanctae Romanae ecclesiae iustitia.234 Von dem Abschluß eines – zweiseitigen oder dreiseitigen – Vertrages berichten die fränkischen Quellen nichts. Sie lassen den Frieden als eine einseitige Gewährung durch Pippin auf Aistulfs Friedensbitte und die Fürsprache der fränkischen Großen erscheinen. Die päpstliche Quelle schweigt hingegen über die ditio. Nach dem Bericht der Metzer Annalen, die jedoch wesentlich später verfaßt wurden, bildet der Abschluß des ersten Krieges das Versprechen des mit Gottes Hilfe in Pavia eingeschlossenen Aistulf ut omnes iusticias sancti Petri se redditurum esse. His minis Heistulfus perterritus per manus Pentapolim, Narnias et Cecanum et reliqua debita, quae sancto Petro debuerat, missis domni regis per validum reddidit et XXX milia solidi Pippino regi tribuit. Außerdem versprach er einen jährlichen Tribut. Dies alles iureiurando Heistulfus cum suis optimatibus et omnibus nobilibus Langobar-

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Vita Stephani II., Liber Pontificalis I, S. 451. Fred. Chron. cont. 37 (120). Ann. regni Franc. ad a. 755; Ann. regni Franc. ad a. 755.

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dorum se adimplemanturum esse spopondit. Es fehlt zwar auch hier die Nachricht über eine Unterwerfung Aistulfs unter die dicio Pippins. Der Tribut setzte jedoch die Unterwerfung voraus. In territorialer Hinsicht berichten sie zudem über eine Übergabe der Pentapolis und anderer Gebiete, die vor dem Krieg zum Exarchat und nicht zu den päpstlichen Gebieten des Patimonium Petri gehörten, an den Papst. Sie „wissen“ anscheinend mehr über das, was wirklich geschah oder projizieren spätere Vorgänge zurück. Die unterschiedlichen Darstellungen in den fränkischen und der päpstlichen Quelle in Bezug auf den Abschluß eines Vertrages dürften von den unterschiedlichen Interessen der fränkischen und der päpstlichen Seite in diesem ganzen Vorgang bestimmt gewesen sein. Da der Abschluß eines dreiseitigen Vertrages, der nicht nur Aistulf, sondern auch Pippin dem Papst gegenüber in die Pflicht nahm, zumal wenn er in schriftlicher Form abgeschlossen wurde, den päpstlichen Ansprüchen größere rechtliche Festigkeit auf die Begründung der von der päpstlichen Seite nach immer wieder erhobenen, aber zunächst nicht erfüllten Ansprüche gab, hoben sie diesen Vertrag besonders hervor. Für die fränkische Seite kam es vor allem darauf an, daß Aistulf die notwendigen verbindlichen Verpflichtungen übernahm, die Gründe des Konfliktes und des Krieges auszuräumen. Hinzukommt, daß die päpstliche Kurie wohl mehr Erfahrung und Kenntnisse in der Darstellung solcher Vorgänge hatte. Es ist daher davon auszugehen, daß die päpstliche Quelle den Vorgang des Abschlusses eines dreiseitigen Vertrages zutreffend wiedergibt. Auch für den Abschluß des zweiten Krieges im Jahre 756 weichen die Quellen voneinander ab. Nach der dieses Mal knappen päpstlichen Quelle wurde nach der Niederlage Aistulfs der vorherige Vertrag erneuert.235 Die fränkischen Quellen stellen den Vorgang aus ihrer Sicht wiederum etwas anders und ausführlicher dar. Angesichts der erneuten Niederlage bat Aistulf nach dem Fortsetzer der Fredegarchronik wiederum per supplicationem sacerdotum et optimates Francorum veniam et pacem praedicto rege supplicans, et sacramenta, quod contra praefato rege dudum dederat hac contra sedem apostolicam rem nefariam fecerat, omnia per iudicio Francorum vel sacerdotum plenissima solutione emendaret.236 Wiederum habe Pippin dem König auf Bitten der Großen, solito more ... misericordia motus, Leben und Reich belassen. Sie also bewogen den König, Frieden mit Aistulf zu schließen. Die Franken verurteilten ihn, Pippin ein Drittel seines Schatzes und andere Geschenke herauszugeben. Er schwor erneut, nicht gegen den König und die Franken vorzugehen sowie einen jährlichen Tribut zu zahlen und sicherte dieses Versprechen durch die Stellung von Geiseln. Die Reichsannalen berichten lediglich, daß Pippin die Rechte des Papstes erneut bestätigte.237 Letztlich bleibt offen, ob die beiden Kriege durch Verträge oder durch einseitige Akte beendet wurden, wenn auch mehr für Verträge spricht.

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Vita Stephani II., Liber Pontificalis I, S. 453. Chron. Fred. cont. 38 (121). Die Ann. Mett. ad a. 755 übernehmen diese Darstellung fast wörtlich. Ann. regni Franc. ad a. 756.

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c. Pacem petere Für den Übergang vom Krieg zum Frieden nach einem siegreichen Vorgehen der Franken wird in den erzählenden Quellen berichtet, daß der besiegte Gegner um Frieden gebeten habe, pacem ... petens oder pacem supplicans.238 Aber die Formel oder der Begriff pacem petere wurde gelegentlich auch benutzt, wenn es nicht um den Abschluß eines siegreichen Krieges der Franken ging. Sie hatte einen allgemeineren Inhalt. Die Annales Bertiniani berichten: Ibique ad eum (Ludwig) legati Amiralmumminin (des Kalifen) de Perside venientes, pacem petiverunt.239 Ludwigs Biograph Anonymus nimmt das auf: qui pace petita et accepta.240 Der Kalif hatte weder einen Krieg mit Ludwig geführt, noch wollte er sich dem Kaiser unterwerfen. Die kostbaren Geschenke, die seine Gesandten mitbrachten, waren keineswegs Tribute. Es ist auch nicht anzunehmen, daß sie von irgend jemandem im Frankenreich oder von den Autoren so verstanden wurden. In der Regel ist der Gebrauch jedoch auf die Konstellation am Ende eines siegreichen Krieges der Franken bezogen. Pacem petere bedeutete in diesen Zusammenhängen, aber nicht immer, offenbar die Anerkennung der Niederlage und die Bereitschaft zur Unterwerfung unter den Herrschaftswillen der Franken. Wielers vertritt die Auffassung, Besiegte könnten keinen Frieden mehr machen, pacem facere, sondern nur noch erbitten, pacem petere.241 Es bestehen bemerkenswerte Unterschiede in der Art der Darstellungen der Friedensbitten in den einzelnen Berichten, z. B. zwischen der Chronik des Fredegar-Fortsetzers und den Reichsannalen für die Kriege Pippins. Die erste berichtet von den Bitten um Frieden gegenüber Pippin durch die Sachsen, Aistulf und Waifar. In allen drei Fällen enthielt sie eine Bezugnahme auf das wiederherzustellende Recht. Beide Fassungen der Reichsannalen verschweigen zu denselben Vorgängen die Friedensbitte und verweisen nur im Fall Aistulfs auf die wiederherzustellende iustitiam/iustitias sancti Petri.242 Das zeigt einerseits, welche Bedeutung diesen rechtlichen Details des Vorgangs seitens der Verfasser zugemessen wurde, sie ist für den Fortsetzer der Fredegarchronik offenbar wesentlich größer als für die Autoren der Annalen, belastet andererseits die heutige Deutung mit einem gewissen Grad der Ungewißheit. Für die Sachsen berichtet die Chronik, daß sie nach der Niederlage um Frieden baten: pacem petentes, iure Francorum sese, ut antiquus mos fuerat, subdiderunt et ea tributa quae Choltario quondem prestiterant plenissima solutione ab eo tempore deinceps esse redditurus promiserunt.243 Damit Frieden gewährt wurde, boten die Sachsen Unterordnung unter die Franken und Wiederaufnahme der Tributzahlungen, d. h. die Rückkehr in den alten Rechtszustand an; denn Rebellion oder Treubruch hatten den Bruch des Rechts bewirkt. Frieden und Wiederherstellung des Rechts hingen demnach 238

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Aistulf nach seiner zweiten Niederlage, Chron. Fred. con. 38 (121) S. 185, Z. 18; Waifar ibid., 41 (124) S. 186, Z. 25. Ann. Bertiniani ad a. 831. Anonymus, Vita Hludowici, c. 45. Wielers, Beziehungsformen, S. 5 f. Ann. regni Franc. ad a. 755, 756 Fred. chron. cont., c. 31 (117); ähnlich c. 35 (118).

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eng zusammen. Die Bitte um Frieden verwirklichte sich durch Wiedereintritt in das Recht. Für den Verfasser war dieses offenbar ein wesentliches Element der gegebenen Ordnung. Diese Bindung an das Recht bringen auch die Berichte der Chronik über die jeweiligen Beendigungen der Kriege Pippins gegen Aistulf, wie gezeigt, deutlich zum Ausdruck.244 Auch bei der Friedensbitte Waifars versprach dieser, das Recht wieder herzustellen, per legatos suos pacem supplicans, sacramenta vel obsides ibidem donat, et omnes iustitias, quos praefatus rex Pippinus per legatos suos ei mandaverat, in placito instituto facere deberet.245 Die Erfüllung der Rechtsforderungen, der iustitias, war nach den Aussagen der Fredegarchronik notwendiger Inhalt der Friedensbitte und dann des Friedens. So wird auch am Ende des Krieges wie bei der Begründung seines Beginns deutlich, daß Krieg als ein Mittel der Wiederherstellung des gebrochenen Rechts, der Rechtsdurchsetzung angesehen wurde. Die Friedensbitte mußte von den fränkischen Herrschern angenommen werden. Das war in der Regel der Fall. Ob es dabei zu Verhandlungen kam, läßt sich nur schwer feststellen, denn die Berichte sind nicht sehr ergiebig. Die Reichsannalen erwähnen solche in zwei Fällen.246 Die Friedensbitte konnte aber auch, wie die Weigerung Pippins gegenüber Waifar und Ludwigs des Frommen gegenüber dem dänischen König zeigen, abgelehnt werden. Gegenüber Waifar wird zwar der frühere Treubruch des aquitanischen Herzogs als Grund angeführt. Aber der König wollte wohl das noch selbständige Herzogtum als Zwischenmacht beseitigen. Auch Ludwig berief sich für seine Ablehnung der Friedensbitte des dänischen Königs auf dessen angeblich mangelnde Verläßlichkeit.247 Die Folgen einer Bitte um Frieden waren verschieden. Es ist zwar zutreffend, daß in der Regel einseitige Akte folgen. Aber es können auch, wie das weitere Vorgehen nach den beiden Niederlagen Aistulfs zeigt, folgt man den päpstlichen Quellen, anschließend Verträge abgeschlossen werden. Insofern ist die Form, in der der Friede nach einer Friedensbitte hergestellt wird, nicht eindeutig festgelegt und feststellbar, zumal wenn die Nachrichten der Quellen nicht übereinstimmen und verläßlich sind, wie bezüglich der langobardischen Kriege 755 und 756. Die Gründe für das Verschweigen der Verträge in den fränkischen Quellen sind offen. Wollten deren Verfasser ein Vertragsverhältnis unterdrücken, wußten sie nicht Bescheid oder war ihnen die rechtliche Seite gleichgültig? In jedem Fall stand Aistulf zu dem fränkischen König in einem Fidelitätsverhältnis. Eher als Regel wird in den Zitaten der Quellen die Friedensbitte mit dem „Angebot“ einer deditio verbunden. Dafür werden auch Begriffe wie se dedere, se tradere, se subdidere u. ä. für die Unterwerfung verwendet. Der Zusammenhang von Friedensbitte und Unterwerfung wird z. B. deutlich in dem Bericht der Reichsannalen für 816

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Oben S. 512. Fred. chron. cont. 41(124), a. E. Ann. regni Franc. ad a. 772, 798. Ann. regni. Franc. ad a. 817.

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Krieg

formuliert. Die Basken seien völlig bezwungen worden, ut tarda deditio et pacis impetratio videretur.248 Es scheint, daß dies in der Mehrzahl der Fälle so gewesen ist. Sie führt zur Unterwerfung unter die Herrschaft der Franken und ihrer Könige, begründet also einen Herrschaftserwerb. Das ist im nächsten Kapitel näher zu erörtern.

V II . Kr i eg al s i u d i c i u m? a. Rechtsvorgang? In der Literatur wird verschiedentlich die These vertreten, der Krieg oder die Schlacht seien im Mittelalter als ein rechtlicher Vorgang, ein Rechtsverfahren angesehen worden.249 Die enge Verknüpfung der Kriege mit z. T. recht konkreten Rechtsgründen in den Berichten wirft in der Tat die Frage auf, ob Krieg selbst als solcher in unserer Epoche als ein Rechtsgeschehen im Sinne eines Rechtsganges oder Rechtsverfahrens verstanden wurde, bzw. ob aus heutiger Sicht der Krieg in dieser Zeit als ein solches Rechtsgeschehen gedeutet werden kann. Die Lehre vom gerechten Krieg verlangte stets, daß er aus einem gerechten Grunde geführt werde, der Durchsetzung einer gerechten Sache diene und so dem Recht zum Durchbruch verhelfe. Diese Forderung schloß positives wie auch göttliches und natürliches Recht ein. Im gegenwärtigen Völkerrecht wird die Frage diskutiert, ob Krieg ein status oder eine Sanktion und damit Aktion, Handeln sei.250 Beide sind mit dem Recht verbunden. Auch Krieg als Sanktion verstanden ist als solche rechtlich geregelt. Für das Mittelalter wird jedoch die weitergehende These vertreten, eine Schlacht oder gar ein Krieg seien selbst Rechtshandlung, Rechtsakt, Rechtsgang oder Rechtskampf. Der Krieg wird der Fehde gleichgesetzt, die ihrerseits Rechtsgang war. Es wird gefragt, ob der Schlacht oder dem Krieg der Charakter eines iudicium beigelegt werden kann, evtl. eines iudicium Dei. Das betrifft nicht nur den Ausgang des Krieges, also Sieg und Niederlage, sondern den Krieg als Ganzen. Er wird zum Rechtsverfahren, zum „Prozeß“ wie ein Gerichtsprozeß. Zurückgeführt werden solche Deutungen des Krieges auf germanische Ursprünge, die sich bis in das späte Mittelalter hinein in verschiedenen Erscheinungsformen durchgehalten hätten.

b. Textbefunde Die Textbefunde sind für unsere Epoche sehr gering. Zunächst kann der Bericht über das iudicium der fränkischen Großen über Aistulf nach Beendigung des zweiten Kriegszuges 756 herangezogen werden.251 Dieser singuläre Vorgang geschah zwar nach

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Ann. regni Franc. ad a. 816. Für die Schlacht siehe Erben, Schlacht, S. 72ff.; ders., Kriegsgeschichte, S. 68, Contamine, La Guerre, S. 420ff., aber mit Nachweisen aus merowingischer und spätkarolingischer Zeit. Z. B. Kelsen, Principles, S. 25 ff. Fred. chron. cont., c. 38 (121), S. 185.

Krieg als iudicum?

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dem Krieg als Teil der Friedensfindung, könnte aber darauf hindeuten. daß eine gewisse Austauschbarkeit zwischen Krieg und Rechtsprozeß bestand. Auch Tassilo 788 und später der Neffe Ludwigs des Frommen und König von Italien, Bernhard, 818 mußten sich nach ihrer Unterwerfung Prozessen der Großen stellen.252 In beiden Fällen handelte es sich in der Darstellung der Annalen um Rebellionen abhängiger Teilfürsten und Vasallen innerhalb des Reiches gegen den fränkischen König bzw. den Kaiser und die Franken, die als solche deren Oberhoheit und damit seinem Gericht unterworfen waren. Aber diese Fälle, insbesondere die beiden letztgenannten, scheinen doch Sondersituationen zu betreffen. Zudem haben die Einhardannalen in ihrem Bericht über den Krieg gegen Tassilo den Bezug auf die iustitia Karls fallen gelassen.

c. Iudicium Dei Iudicium Dei kann Gottesurteil, aber auch Gottesgericht bedeuten.253 Als Gottesurteil hätte die Schlacht oder der Zweikampf förmlichen Beweischarakter in einem förmlichen Rechtsgang gehabt.254 Diese besondere rechtliche Bedeutung ist von der, von den Päpsten in ihren Briefen an Pippin und seine Söhne berufenen, religiösen Bedeutung, daß Gott den Sieg schenkt und darin den karolingischen Königen seine Huld erweist, zu unterscheiden. Denn diese wird an den Gehorsam gegenüber Gott und dem hl. Petrus, vor allem an die Erfüllung der gegebenen Versprechen und die Verteidigung der Kirche geknüpft. So sind auch die Mahnungen der Mahnbriefe und Fürstenspiegel angelegt.255 Gregor von Tours berichtet in seiner Fränkischen Geschichte, Gundowald, ein angeblicher Sohn König Chlothars, habe von König Gunthram, einem echten Sohn Chlothars, die Hälfte des Reiches gefordert, die dieser ihm verweigerte. Eine Gesandtschaft des Prätendenten an Gunthram erkärte diesem Et ita infit ‚Iudicavit tunc Deus,cum in unius campi planitiae iunxerimus, utrum sim Chlotharii filius an non‘.256 Bereits an früherer Stelle berichtet Gregor eine ähnliche Szene, die ebenfalls mit den Ansprüchen Gundowalds zusammenhing. In den Auseinandersetzungen zwischen den Königen Gunthram und Childebert um die Königsherrschaft nach dem Tode Chilperichs sandte Childebert eine Gesandtschaft an Gunthram, um seine Ansprüche geltend zu machen. Im Laufe der Diskussion warf König Gunthram einem der Gesandten mit Namen Gunthram Boso, der auf Seiten Gundowalds gestanden haben sollte, deswegen Verrat und Treulosigkeit ihm gegenüber vor. Der Gesandte erklärte seine Unschuld und rief das Gottesurteil im Zweikampf an Tunc, o rex piissime, ponens hoc in Dei iudicium, ut ille discernat, cum nos in unius campi planitate viderit decima-

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Ann. regni Franc. ad a. 788 und 818. Dazu Cram, Iudicium Belli, S. 5ff. Dazu Conrad, Rechtsgeschichte, S. 147ff.; Scharff, Kämpfe, S. 155 ff. Hinweise auf Smaragd von St. Mihiel, Jonas von Orleans, Sedilius Scotus bei Scharff, Kämpfe, S. 17, 21, 25. Gregor von Tours, Historiarum libri, lib. VII, c. 32.

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re.257 In beiden Fällen wurde nicht der Krieg, sondern die Schlacht oder der Zweikampf als ein Urteil Gottes angesehen. Beide Beispiele gehören zu Auseinandersetzungen innerhalb des fränkischen Reiches und damit zu diesem einen Rechtskreis. Das gilt auch für das einzige Zeugnis aus unserer Epoche, der Darstellung der Auseinandersetzungen zwischen Ludwig dem Frommen und seinen Söhnen 833/34 in der Vita Ludwigs des Anonymus. Die Anhänger des abgesetzten und von Lothar gefangen gehaltenen Kaisers verlangten von dem jungen Kaiser die Freilassung des alten Kaisers anderenfalls sie diesen mit Waffengewalt holen würden, et resistentibus sibi in hac re, cum armis, Deo iudice, essent abviaturi.258 Dieser Waffengang wird so ausdrücklich unter Gott als Richter gestellt. Auch die Darstellung Nitharts zur Schlacht von Fontenoy 841 als omnipotens Dei iudicium, die nur wenig nach unserer Epoche abgefaßt wurde, betrifft eine Auseinandersetzung zwischen Brüdern.259 Für äußere Kriege, auch gegen die christlichen Langobarden, wird diese Anrufung Gottes als Richter in einer Schlacht nicht verwendet. Es wird lediglich immer wieder die Hilfe Gottes für den Sieg über Langobarden, Sachsen, Awaren etc. hervorgehoben und gepriesen.260 Diese Danksagungen enthalten aber keine rechtliche Aussage, auch keine versteckte. Damit scheint es nach den Textbefunden zweifelhaft, ob die Vorstellung des Krieges als iudicium Dei auf äußere Kriege, um die es in unserer Epoche ging, übertragen wurde.

d. Krieg und Fehde Otto Brunner hat die These vertreten, innerhalb der Christenheit, der respublica christiana, habe es im Mittelalter keinen rechtlichen Unterschied zwischen Krieg und Fehde gegeben.261 „Hier kann Gewaltanwendung immer nur Kampf um Recht und Friede und das heißt Fehde sein.“ Zwar weist Brunner selbst darauf hin, daß Fehde erst seit dem 9. Jahrhundert ihre mittelalterliche Bedeutung erlangt habe, also nach unserer Epoche. Der eigentliche Kern der These Brunners liegt jedoch darin, daß Fehde „Feindschaft im Rechtssinne“ bedeutet habe, weil es um die Verwirklichung des Rechts gegangen sei.262 Sie sei Aufkündigung des Friedens und der Freundschaft durch die „Absage“ gewesen, weil das Recht vom „Feind“ verletzt wurde und durch die Fehde wiederhergestellt werden sollte. Darin habe sich – so die eigentliche Grundlegung der These Brunners – der Krieg von der Fehde trotz aller bestehenden Unterschiede der „rechtlichen Vorausset-

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Gregor von Tours, Historiarum libri, lib. VII, c. 14. Anonymus, Vita Hludowici, cap 50. In den Ann. Bertiniani und in der Vita Thegans finden sich keine entsprechenden Formulierungen. Nithardi, Historiarum libri, lib. II, c.10; dazu ausführlich Cram, Iudicium, S. 20 ff. Z. B. Chron. Fred. cont. 37 (120), erster Sieg über Aistulf; ibid., 42 (125) Sieg über Waifar; Ann. regni Franc. ad a. 776, Sieg über die Sachsen; ibid., 788 Sieg über Griechen in Süditalien; ibid., 791 Sieg über die Awaren. Brunner, O., Land, S. 39 ff. Brunner, O., Land, S. 17ff.

Krieg als iudicium?

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zungen und Formen“ nicht unterschieden, lasse sich „eine Zweiteilung in innerstaatliche Fehde und zwischenstaatlichen, völkerrechtlichen Krieg … nicht durchführen“.263 Brunner begründet seine These vor allem strukturell und formell. Einerseits habe es den souveränen Staat als Träger eines Kriegsrechtes noch nicht gegeben, so daß eine Unterscheidung zwischen äußerem Krieg zwischen diesen Staaten und Fehde als interner Gewaltanwendung nicht durchzuführen sei. Zum anderen seien die Formeln einer „Absage“ und einer „Kriegserklärung“ identisch gewesen. Allerdings habe sich ein militärischer Begriff des „namhaftigen Krieges“ herausgebildet, der das ganze Land mit all seinen personalen und materiellen Kräften in Anspruch genommen und deshalb der Zustimmung der Stände bedurft habe. Wie dargetan, wird Krieg allgemein in unserer Epoche in der Regel rechtlich begründet, geht es um Durchsetzung des Rechts oder dessen Wiederherstellung, aber auch um Strafe für das Unrecht, insbesondere gegen rebelles und infideles. Insofern besteht funktionale Nähe, aber keine Deckung zwischen Krieg und Fehde. War also, so ist zu fragen, Krieg auch für die hier behandelte Epoche eine Art Rechtsgang oder Rechtskampf? Brunners These ist jedoch auf unsere Epoche nicht übertragbar. Er entwickelt sie im Hinblick auf ein ausgebildetes und ritualisiertes Fehdewesen „innerhalb der respublica christiana“, das gerade auch zwischen Trägern politischer Macht und Herrschaft um diese selbst genutzt wird. Daran fehlt es aber in der karolingischen Zeit, worauf Brunner selbst hinweist. Zwar deuten die beiden zitierten Stellen bei Gregor wohl auf Verabredung einer Schlacht oder eines Zweikampfes auf einem bestimmten Feld hin. Aber für unsere Epoche wird derartiges nicht berichtet. Auch die angeführte Darstellung des Anonymus zur Befreiung Ludwigs des Frommen deutet nicht auf die Vereinbarung einer Schlacht, sondern berichtet lediglich über die Androhung von Gewalt. Krieg und Fehde werden für unseren Zeitabschnitt im lateinischen Wortgebrauch der Quellen und Rechtstexte begrifflich als bellum und faida unterschieden. Weder für die inneren noch für die äußeren Kriege der karolingischen Herrscher wird jemals der Begriff faida, sondern ausschließlich bellum verwendet.264 Es ist zudem aus den Regelungen der Kapitularien deutlich zu entnehmen, daß die faida eine zwar öffentlich anerkannte, aber doch private Rechtsverfolgung war. Sie sollte durch ein precium oder gerichtlich festgesetztes damnum abgelöst werden.265 Krieg hingegen war Sache des gesamten Verbandes, wie die Mitwirkung der Reichsversammlung oder der Großen bei der Beschlußfassung über seinen Beginn zeigt. So findet sich der Begriff des bellum publicum.266 Parallelen zur Fehde lassen sich für unsere Epoche somit nicht feststellen.

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265 266

Brunner, O., Land, S. 41. So spricht Einhard, Vita Caroli c. 5ff. nur von den bella Karls des Großen, Omnium bellorum, quae gessit. Zu faida Christine Reinle, Art. Fehde, HRG 2. Aufl., 7. Lfg. Berlin 2008, 1515 –1518. Z. B. Capitulare Haristallense, c. 22, MGH LL II, Capit. I, Nr. 20, S. 51. Agobard, Liber de divinis sententiis digestus, c. IV, V unterscheidet diesen vom bellum domesticum, Migne, PL 104, Sp. 253f.

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Krieg

e. Ergebnis Es erscheint für unsere Epoche schwierig, Krieg als Rechtsgang zu charakterisieren. Jedenfalls wird er nicht als solcher dargestellt, mag er auch zur Rechtsdurchsetzung und Rechtswahrung geführt werden. Die Zeugnisse in den Texten sind sporadischer Art. Allenfalls die Ersetzung der vollständigen kriegerischen Überwältigung durch ein Rechtsurteil im Falle Aistulfs 756 deutet darauf hin, daß der Krieg selbst in der Funktion des iustitiam facere die Bedeutung eines Rechtskampfes besaß, wie auch die Fehde durch ein Rechtsurteil ersetzt wurde. Aber Aistulf gab sich vorher besiegt. Auch im übrigen finden sich keinerlei Formalisierungen für die Kriegführung. Schon die Kriegserklärung war, wie dargelegt, kein regelmäßig angewandtes Institut. Es gibt ferner keine Hinweise in den Quellen unserer Epoche, daß die in der Literatur genannten formalisierenden Merkmale eines „Krieges“ als Rechtsakt in unserer Zeit geübt wurden, wie Verabredungen einer Schlacht auf einem bestimmten Feld, „Haselung“ des Schlachtfeldes, Anrufung einer Schlachtentscheidung an Stelle der Rechtsentscheidung.267 In keinem einzigen Fall wird in unserer Epoche für irgendeinen Krieg oder irgendeine Schlacht mit außerfränkischen Feinden, auch nicht gegenüber dem Aquitanier-Herzog Waifar oder den Bayern-Herzögen Odilo und Tassilo, von derartigen Formalakten berichtet. Eine irgendwie geartete Formalisierung eines Krieges oder einer Schlacht fand nicht statt. Es fehlte damit eine Grundvoraussetzung, Krieg oder auch nur eine Schlacht als Rechtsakt zu deuten268. Die Beispiele, die in der Literatur genannt werden, liegen entweder vor oder nach der hier untersuchten Epoche. Das wirft die Frage auf, warum das so ist. Es wird verschiedene Antworten geben können. Für das iudicium Dei wurde bereits darauf hingewiesen, daß die angeführten Fälle innere Kriege um die Herrschaft innerhalb der herrschenden Familien der Merowinger bzw. ihrer Hausmeier 269 oder der Karolinger nach 840 betrafen. Es ging also stets um das ganz konkrete Recht auf die Herrschaft zwischen verschiedenen Prätendenten, die jeweils für sich dasselbe Herrschaftsrecht geltend machten. Bemerkenswerter Weise sind die entsprechenden Darstellungen selbst grundsätzlich rechtlich ausgerichtet.270 Derartige Kämpfe gab es aber in unserer Epoche allenfalls in den dreißiger Jahren. Sowohl Pippin als auch Karl gelang es, die Söhne des jeweiligen Bruders ohne Krieg auszuschalten, wohl auch, weil sie keinen hinreichenden Rückhalt in Adelsgruppen innerhalb des Reiches hatten. Auch auswärtige Kriege waren zwar Kriege aus Rechtsgründen und um Herrschaft, aber nicht um antagonistische Herrschaftsrechte.

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Dazu u. a. Prietzel, Kriegführung, S. 27 ff. Cram, Iudicium, S. 48ff zitiert auch nicht eine einzige Stelle aus der hier behandelten Epoche. Ann. Mett. priores ad a. 690 Kampf Pippins gegen König Theuderich und Ebroim; ibid., ad a. 717, Karl Martell gegen König Chilperich; ibid., ad a. 743. ging es um die Frage, ob Bayern zum Frankenreich gehörte: Nunc vero certus esto ... per iudicium dei, quod subire non distulimus; Bawariam Bawariosque ad Francorum imperium pertinere. Scharff, Kämpfe, S. 157 ff. hebt das insbesondere für Nithart hervor. Es gilt aber auch für andere Darstellungen, z. B. für der Ann. Mett. priores, vorige Anm.

Krieg als iudicium?

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Auch die weiteren rechtlichen Regelungen einer Schlacht oder eines Zweikampfes, die in der Literatur angeführt werden, waren eher auf die Kämpfe innerhalb eines mehr oder weniger normativ geschlossenen Zusammenhangs gerichtet. Das gilt insbesondere für die Regelungen innerhalb der Fehde. Das weist darauf hin, daß die auswärtigen Kriege, obwohl als Kriege um Recht dargestellt, doch in einer rechtlich oder auch normativ offeneren Situation stattfanden, vor allem wenn sie gegen Heidenvölker geführt wurden. Zudem waren die politischen Strukturen zur Zeit des karolingischen Großreiches durch die starke Stellung des Königs bestimmt. Nach innen trat er als Oberherr auf, dem die anderen Herrschaftsträger untergeordnet waren und Treue schuldeten. Das tritt nicht nur gegenüber den Sachsen, sondern ganz deutlich in der Auseinandersetzung mit Tassilo hervor. Für einen „Rechtsgang“ zwischen Gleichen, als welche die Fehde anzusehen ist, war da kein Raum. Denn mit Rebellen führt man keine Fehde und ruft auch kein Gottesurteil an.271 Da gab es nur den Krieg als Strafaktion und in besonderen Fällen das Urteil des Königs bzw. der Großen. Nach außen war zwar der Sieg eine Gnade oder Huld Gottes, aber sie belohnte die Treue der Könige gegenüber Gott und der Kirche, bestätigte nicht in rechtlicher Weise ihr Recht. Krieg war in unserer Epoche zwar in jedem Fall ein Mittel der Rechtsverwirklichung, aber kein Rechtsgang nach bestimmten Formen und Verfahren. Wenn das in früheren Epochen, z. B. unter den Merowingern anders gehalten wurde, bzw. sich in späteren Perioden des Mittelalters auch anders verhalten mag, so zeigt sich darin nur die Notwendigkeit, das Mittelalter nicht als einen in sich homogenen Zeitabschnitt anzusehen, sondern zeitlich zu differenzieren und die je eigenen Strukturen herauszuarbeiten. Dazu gehört, daß in unserer Epoche, sieht man von den Kämpfen um die Durchsetzung der karolingischen Herrschaft zum Anfang und den Familienkämpfen am Ende ab, es sich stets um auswärtige Krieg handelte. Sie wurden anders wahrgenommen und dargestellt. Es ist für unsere Epoche auch zweifelhaft, ob die Kategorie der „Spielregel“ bereits anwendbar ist, die Cram für den Krieg und Althoff in anderen Zusammenhängen für die normative Ordnung der Beziehungen zwischen Mächten eingeführt haben. Cram zählt dazu wohl Vorgänge wie Herausforderung zur Schlacht, die Aufforderung zum Zweikampf, die Ankündigung des Kampfes, nicht im Sinne einer Kriegserklärung, Hohnreden, das Behaupten der Wallstatt und ähnliches. Auch über solche Vorgänge wird in den Quellen der hier untersuchten Epoche nichts berichtet. Auch das mag damit zu tun haben, daß mit Ausnahme der Kriege gegen die Langobarden 755, 756 und 774, gegen Waifar und gegen Tassilo sich Karls Kriege vor allem gegen nationes barbaras richteten, mit denen derartige Spielregeln (noch) nicht ausgebildet waren.

271

In allen drei oben genannten Fällen handelte es sich um Gottesurteile zwischen Gleichgestellten, in den beiden ersten zwischen merowingischen Königen, im dritten zwischen Kaiser Ludwig dem Frommen, bzw. dessen für ihn kämpfenden Getreuen, und seinem Sohn, Kaiser Lothar.

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Krieg

V II I . E r g eb n i s Krieg war in unserer Epoche kein bloß tatsächliches, willkürliches, allein dem fränkischen Machtkalkül unterworfenes, sich gleichsam naturwüchsig vollziehendes Geschehen. Wenn auch fast jährlich Kriegszüge in alle Himmelsrichtungen stattfanden und gewisse Gegner solange bekriegt wurden, bis sie endgültig unterworfen worden waren und sich einfügten, z. T. mit harter und äußerster Brutalität gegenüber den Menschen, ihrem Land, ihren Wohnplätzen und ihrer Habe, so war Krieg doch in der allgemeinen Vorstellung in das Recht eingebunden. Allerdings erscheint diese Rechtsbindung ambivalent. Einerseits war jeder Krieg konkret darauf gerichtet, gebrochenes Recht wiederherzustellen bzw. für den Rechtsbruch Sühne zu leisten, d. h. bestraft zu werden. Er wird aus Rechtsgründen begonnen; er wird beendet, wenn der Gegner sich den fränkischen Rechtsforderungen unterwirft; seine Beendigung selbst geschieht durch Rechtsakt, pactum oder deditio, eventuell beides; das führt zu einem wenn auch jeweils sehr unterschiedlichen neuen Rechtsverhältnis des Friedens der Franken und ihres jeweiligen Gegners, sei es der Gleichberechtigung, sei es der abgestuften Zuordnung zur oder Einordnung unter fränkische Herrschaft. Andererseits kennt die Kriegführung kaum rechtlich-normative Grenzen. Von einem rechtlichen Rahmen zur Bändigung des Krieges kann nicht oder allenfalls in Spuren gesprochen werden. Sie ist weitgehend vom guten Willen und politischen Kalkül der fränkischen Herrscher, letztlich nur von ihrer clementia oder misericordia, also religiösen Normen abhängig. Rechtlich wird dieses Vorgehen gerade mit der Funktion des Krieges, Rechtsbruch zu sühnen, zu verknüpfen und zu erklären sein. Denn es geht in dieser Zeit noch nicht allein darum, das Recht wiederherzustellen, sondern Rechtsbruch, infedilitas, Rebellion auch zu bestrafen. Krieg ist Strafkrieg und trifft alle, die zum Feind, d. h. zum Rechtsbrecher gehören. Strafe scheint aber in diesen Verhältnissen ungemessen gewesen zu sein, jedenfalls bis zur deditio oder einem anderen Ende. Aber dieses oft brutale, auf Vernichtung gerichtete Vorgehen kann sich auch mit dem Kriegsziel selbst begründen lassen, den Feind wirklich zu besiegen. Noch Grotius wird damit die Tötung von Gefangenen und Nichtkombattanten, Frauen, Kindern, Greisen aus dem Naturrecht rechtfertigen und es dann über die Nächstenliebe wieder beschränken.272 Eroberung und Unterwerfung sind zulässige Kriegsziele, aber sie werden nie als eigentliche Kriegsgründe genannt, auch nicht in den Kriegen gegen Langobarden, Sachsen, Awaren. Sie erscheinen in den Darstellungen eher als berechtigte Folgen der siegreichen Kriege, um auf diese Weise das Recht wiederherzustellen und den Rechtsbruch zu sühnen, Frieden, Ruhe, Ordnung auf Dauer gegen ständig neu aufkommende Angriffe und Rechtsbrüche zu sichern. Auch wenn man dies lediglich als ideologisch begründete Verschleierung des fränkischen Eroberungs- und Machtstrebens ansehen wollte, was aber eine aus heutigem Zeitgeist zurückprojizierte Fehlinterpretation wäre, so zeigen diese Sprachspiele doch, daß ein Zwang zur rechtlichen Begrün-

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Grotius, De iure belli, Lib. III, cap. 4 und cap. 11.

Ergebnis

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dung, also zur Rechtfertigung bestand, daß auch gegenüber Heiden kein freies Belieben zugelassen war. Auch sie standen nicht völlig außerhalb des Rechts. Zwar werden innere und äußere Kriege aus Rechtsgründen geführt, jedenfalls werden solche stets vorgetragen, auch gegenüber Heiden. Es tritt aber auch ein Unterschied zwischen ihnen hervor. Die normative Regelung der inneren Kriege, des bellum civilis, ist, folgt man den Darstellungen, dichter und wird deutlicher hervorgehoben und ausgeführt. Mit den Bruderkämpfen innerhalb der karolingischen Familie nach 840 um die Herrschaftsrechte erhält die Darstellung der Kriege eine völlig neue Qualität. Denn sie widersprachen grundlegend den Vorstellungen und Erwartungen der Zeit und bedurften daher einer besonders intensiven Rechtfertigung. Nithard beschreibt ausführlich das Hin und Her der Gesandtschaften und auch der Vorschläge zur Vermeidung einer Schlacht zwischen Karl dem Kahlen und Ludwig dem Deutschen auf der einen und Lothar I. und Pippin auf der anderen Seite, damit iustitia et pax doch noch gesichert werden.273 Erst als die beiden ersten die Hoffnung auf ein Einlenken Lothars aufgegeben hätten, hätten sie die Schlacht als Gottesurteil angerufen. Nithart zitiert hier den Psalm 85, Vers 11, einen Lobpreis Gottes, seines Friedens und des Guten, das er gibt. Mit der endgültigen Unterwerfung der Sachsen 804 endet die karolingische Eroberungspolitik. Venedig und Dalmatien werden sogar für den rechtlich vereinbarten und geordneten Frieden mit Byzanz wieder herausgegeben. Die späteren Kriege sind fast nur noch Verteidigungs- bzw. Präventivkriege gegen Sarazenen, Slawen, Dänen, Normannen, Bulgaren, die das Reich bedrohen. Zu Beginn des neunten Jahrhunderts werden Kriege, folgt man den Berichten der fränkischen Quellen, mehr und mehr durch vertragliche Friedensschlüsse, also nicht mehr durch deditio und Unterwerfung beendet, 811 mit dem Dänenkönig Hemming, 812 mit Kaiser Michael, 812 und erneut 815 mit Abulaz. So konnte sich auch wohl der Poeta Saxo ein Ende des sächsischen Krieges nur durch den Abschluß eines Friedensvertrages mit den Sachsen vorstellen. Auch die Bulgaren boten zunächst eine vertraglich-rechtliche Regelung der Grenzfragen an, bevor sie nach der Weigerung Ludwigs des Frommen in das Reichsgebiet auf dem Balkan einfielen. Europa, so scheint es, erfährt zu Beginn des 9. Jahrhunderts nach der Konsolidierung des fränkischen Reiches, das nicht mehr erweitert wird, allmählich eine auch rechtlich gefaßte Ordnung.

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Nithard, Historiarum libri, lib. II, c. 10.

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Unterwerfung – Eroberung – Verfügung

8 . K apit el: U nt erwe rfu n g – Erobe rung – Ve rf ügung I. E r s ter B l i ck a. Fragestellung In seiner Vita Karls des Großen beschreibt Einhard die Erweiterung der Herrschaft Karls des Großen durch seine Kriege ausdrücklich als eine Verdoppelung des unter karolingisch-fränkischer Herrschaft stehenden Raumes und deren einzelnen Etappen durch die Aufzählung der nach und nach eingegliederten Gebiete, Aquitanien, Waskonien, Italien, Sachsen etc.1 Das könnte dahin verstanden werden, als habe Karl diese Gebiete durch tatsächliche einseitige Eroberung oder Annexion in das regnum Francorum eingefügt. Damit stellt sich die Frage nach den normativ-rechtlichen Grundlagen des Herrschaftserwerbs. Auch das ist eine Frage aus der Gegenwart, die in den zeitgenössischen Quellen als solche auch nicht ansatzweise gestellt wird. Aber es werden, wie bei der Schilderung der Kriege, für den Herrschaftserwerb in den konkreten Fällen in der Regel Begriffe verwendet oder bestimmte Handlungen geschildert, die einen normativen Charakter für die Begründung der Herrschaft der Karolinger haben, so daß sich auch insoweit, wie für die normative Ordnung des Krieges, eine Vorstellung über einen normativ begründeten Herrschaftserwerb oder eine normativ getragene Verfügung über Herrschaft rekonstruieren läßt. Daher sind wiederum die Begriffe der Darstellungen und ihre rechtlichen Bedeutungen in den Berichten über die konkreten Vorgänge genauer zu klären.

b. Gegenwart Nach heutigem Rechtsverständnis oder jedenfalls nach dem des klassischen Völkerrechts vor dem Gewalt- und Eroberungsverbot ist, ohne auf Streitfragen i. e. einzugehen, Eroberung die „gewaltsame Einverleibung fremden Staatsgebietes mit kriegerischen Mitteln“.2 Sie setzt effektive Besetzung und rechtliche Annexionserklärung, sowie die Beendigung der Feindseligkeiten voraus. Durch den Rechtsakt der Annexion unterscheidet sie sich von der Eroberung im Sinne der Besetzung eines Gebietes mit kriegerischen Mitteln, der modernen occupatio bellica, durch die keine eigene Staatsgewalt, sondern eine besondere Besatzungsgewalt über fremdes Staatsgebiet gewonnen wird.3 Das genannte Staatsgebiet eines Staates konnte nach debellatio desselben annektiert werden. Kern der Eroberung war also die einseitige Annexion des Gebietes durch den Eroberer. Das Gebiet des fremden Staates oder dieser als ganzer wird der eigenen souveränen Gebietshoheit eingefügt, bildet von da an einen integralen Bestandteil des annektierenden

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Einhard, Vita Caroli, c. 15. Achim Tobler, Art. Eroberung, in: Strupp-Schlochauer, Wörterbuch, Bd. 1, S. 438. Bothe, Art. Occupation, belligerent, in: EPIL Bd. III, S. 763–766; zur historischen Entwicklung: Steiger, „Occupatio bellica“, passim.

Die frühen Karolinger

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Staates. Neben der einseitigen Annexion im Zuge der Eroberung steht die vertraglich vereinbarte Abtretung von Gebiet, die Zession. Auch sie kann im Gefolge kriegerischer Ereignisse, vor allem der Niederlage und der Besetzung eines Gebietsteiles vorkommen. Im Unterschied zur Annexion ist sie aber zweiseitig vereinbart. Auch sie führt zur Ausgliederung des zedierten Gebietes aus dem Staatsgebiet des Zedenten und zu seiner Eingliederung in das Staatsgebiet und d. h. unter die Gebietshoheit des Zessionars. Gebietszessionen werden häufig in Friedensverträgen vorgenommen.4

I I. D ie f rü h en K ar o l i n g er a. Invasion fremder Herrschaftsgebiete 737 schlug Karl Martell einen Einfall der Sarazenen auf fränkisches Gebiet über die Rhone zurück. Die von den Sarazenen eroberte Stadt Avennio wurde zurückerobert et in sua dicione efficaciter zurückgeführt. Insoweit lag in den Augen des Autors eine Wiedergewinnung eigenen Gebietes vor. Es heißt in der Chronik aber weiter, daß Karl die Rhone überschreitet und Gotorum fines penetravit, usque Narbonensem Galliam peracessit. In der weiteren Folge besiegt der fränkische Herzog ein arabisches Heer, dringt noch weiter vor und verwüstet die Gegend. Danach kehrt er mit großer Beute in regionem suam, in terra Francorum, solium principatus sui zurück.5 Von einer Unterwerfung der regio Gotorum unter seine Herrschaft ist nicht die Rede.

b. Unterwerfung Anders verhielt es sich mit dem Vorgehen gegen das Königreich Burgund 733. Karl drang mit seinem Heer in regionem Burgundie ein und besetzte fines regni illius leudibus suis probatissimis, viris industriis ad resistendas gentes rebelles et infidelis. Nachdem er Frieden geschaffen hatte, pace patrata, und Lyon und das umliegende Gallien seinen Getreuen, suis fidelibus, übergeben und die foedera iudiciaria gefestigt hatte, kehrte er als Sieger heim.6 Karl hatte damit Burgund – wieder – dem fränkischen Herrschaftsbereich verbunden. Die von dem Chronisten aufgeführten Maßnahmen sind eindeutig Maßnahmen zur Etablierung und Sicherung der eigenen Herrschaft und Herstellung des Friedens, praktisch durch die Ansiedlung eigener Leute in den Grenzgebieten, normativ durch die Herstellung der rechtlichen Ordnung. Auch nach einem erneuten Zug Karl Martells gegen Burgund 736 heißt es maiores natu atque praefectus eiusdem provintie sua dicione rei publice subiugavit, usque Marsiliensem urbem vel Aralatum suis iudicibus constituit. 7 Die Burgunder werden als gentes rebelles et infideles bezeichnet, hatten sich in der Sicht des – fränkischen – Berichts gegen eine bestehende fränkische Oberherrschaft aufgelehnt. Der egregius bellator Carlus princeps 4

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Menzel, Art. Gebietserwerb, -Zession, in: Strupp-Schlochauer, (Hrsg.), Wörterbuch Bd. 1 S. 619 f.; zur Gebietshoheit Ridder, Art. Gebietshoheit, ibid., S. 624ff. Fred. chron. cont. 20 (109), S. 177f. Fred. chron. cont. 14 (108), S. 175. Fred. chron. cont. 18 (109), S. 176f.

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Unterwerfung – Eroberung – Verfügung

hatte somit nur den gelockerten Zustand der seit 534 bestehenden fränkischen Hoheit wiederhergestellt bzw. erneut gefestigt. Die Formel sua dicione subiugavit behauptet die einseitige Unterwerfung der Burgunder durch Karl als Wiederbegründung der fränkischen Herrschaft, ohne daß von deren Seite irgendeine Unterwerfungserklärung oder dergleichen berichtet wird. Diese Darstellung mag daran liegen, daß nach Ansicht des Verfassers eben keine Neu-Eroberung vorlag. Vielleicht waren diese normativen Vorgänge dem Autor auch nicht wichtig. Ähnlich heißt es in Bezug auf Bayern regionem coepit hac subiugavit, cum urbibus ac suburbana castrorum,8 oder cunctamque regionem usque litus maris magni sue dominationi restituit.9 725 überschritt Karl Martell den Rhein, Alamanosque et Suavos lustrat, usque Danubium peraccessit, illoque transmeato fines Baguarinsis occupavit.10 Auch diese Aussagen beziehen sich, wie hinsichtlich Burgunds, auf Gebiete, die schon länger vor Karl Martell zum fränkischen Herrschaftsbereich, wenn auch z. T. in sehr lockerer Form gehörten. Es wird also insofern nicht Herrschaft eigentlich neu begründet, sondern wiederhergestellt. Allerdings ist die Abgrenzung schwierig.

c. Unterordnungen Wird in den bisher genannten Stellen nichts über Handlungen, insbesondere ausdrückliche Akte der Unterworfenen selbst gesagt, so werden in anderen Berichten Unterordnungsakte der Besiegten oder Unterlegenen genannt. So heißt es nach einem siegreichen Zug Karlmanns und Pippins gegen die Alemannen im Jahre 742 Alamanni se victos videntes, obsides donant, iura promittunt, munera offerunt et pacem petentes, eorum se dicione submittunt.11 Mit iura ist wohl die rechtliche Bindung gemeint, Tribute zu zahlen. Auch die Bayern schickten nach einer Niederlage gegen Pippin an diesen legatos cum munera multa ... et in eius dicione se subdant, ut ne ulterius rebelles existant. Da Pippin gegen die Bayern vorgegangen war, weil eorum fide fefellunt et contra praefato principe eorum fide mentiti sunt, handelte es sich um eine Wiederherstellung der Oberherrschaft, nicht um eine Neubegründung.12 Auch für die noch begrenzten Kämpfe Karl Martells, Karlmanns und Pippins mit den Sachsen wird immer wieder berichtet, diese hätten Eide geleistet, Geiseln gestellt und Tribute an die Franken entrichtet. 738 drang Karl Martell über den Rhein an der Lippemündung gegen die rebellierenden Sachsen vor maxima ex parte regione illa dirissima cede vastavit, gentemque illam sevissimam ex parte tributaria esse praecepit atque quam plures hospitibus ab eis accepit.13 Es bleibt allerdings offen, ob eine Oberhoheit begründet oder erneuert wurde. 744 fiel Karlmann in confinium Saxanorum ein. Dieses Mal kam es zu einer Unterwerfung, ibique captis habitatoribus, qui suo regno adfinis esse videbantur, absque belli discrimini feliciter adquisivit. Außerdem wurden auch viele getauft, pluri8 9 10 11 12 13

Fred. chron. cont. 15 (108), (Burgund). Fred. chron. cont. 21 (109), (Provence). Fred. chron. cont. 12 (108). Fred. chron. cont. 25 (111). Fred. chron. cont. 32 (117). Fred. chron. cont. 19 (109).

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mos eorum Christo duce baptizatis, sacramenta consecrati fuerunt.14 Die Taufe band noch viel enger an die fränkische Herrschaft. Denn die Franken wurden für die Getauften verantwortlich und gliederten diese Gebiete in die fränkische Kirchenorganisation ein.15 Aber sie hatten Karlmann wohl auch Treue geschworen. Denn einige Jahre später ging Pippin gegen die Sachsen vor, more consueto fidem, quam germano suo promiserat, mentire conati sunt. Als sie sahen multi ex eis iam trucidati et in captivitate missi, regiones eorum igneque crematis, pacem petentes, iure Francorum sese, ut antiquitus mos fuerat, subdiderunt et ea tributa quae Chlotario quondam presisterant plenissima solutione ab eo tempore deinceps esse reddituros promiserunt.16 Das wiederholte sich ähnlich 753.17 Die Unterordnung wird als eine rechtliche gedeutet, zumal sie der alten Übung, mos, entspricht. Ius Francorum steht gewissermaßen für dicio. Auch in dem letzten, langjährigen Kampf Pippins zur Wiedergewinnung eines selbständiger gewordenen Gebietes, in dem Krieg gegen die Aquitanier und deren Herzog Waifar, mußte dieser mehrfach um Frieden bitten, Eide der Unterordnung schwören, Geiseln stellen und Tribut zahlen.18 Da er die Eide nach Darstellung des Chronisten immer wieder brach, erneuerte sich der Krieg jedes Jahr. Am Ende 768 wurde Waifar ermordet und praefatus rex Pippinus iam totam Aquitaniam adquesitam, omnes ad eum venientes dictiones sue, sicut antiquitus fuerat, faciunt.19 Es findet somit auch hier ein ausdrücklicher Unterordnungsakt der Aquitanier oder Waskonen statt. Von Eidesleistung und Geiselstellung ist jedoch keine Rede. Die Unterordnung stellte nach dem Text das schon früher bestehende Verhältnis wieder her. Aber in Wirklichkeit wurde das Herzogtum aufgehoben und die karolingische Direktherrschaft begründet. Der Unterordnungsakt reichte also weiter in eine Begründung direkter Herrschaft. Das endgültige Ende trat jedoch erst ein Jahr später mit dem Sieg Karls über Hunold, den Vater und Nachfolger Waifars nach dessen Tod 768, ein.20

d. Herrschaftsbegründung Um die eindeutige Neubegründung einer dicio handelte es sich 755 gegenüber den Langobarden im Zusammenhang mit dem ersten fränkischen Einsatz für den hl. Petrus und seinem vicarius, dem Papst. Dadurch wurde eine Oberhoheit, keine direkte Herrschaft Pippins hergestellt, die Friedensbitte Aistulfs führte somit nicht zu einer Eingliederung in den fränkischen Herrschaftsbereich selbst. Die Begründung der dicio war Inhalt und Folge der Friedensbitte, die der „gütige“ Pippin in seiner clementia annahm, also ein zweiseitiger Akt. Bei dem zweiten Vorgehen 756 ist bereits eine Wiederherstellung der dicio ge14 15

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Fred. chron. cont. 27 (113). Bereits Ende der dreißiger Jahre des 8. Jahrhunderts war Bonifatius auch die Sachsenmission übertragen worden; aber erst in den vierziger Jahren kam es zu Bistums- und Klostergründungen an der Nordgrenze Hessens mit Wirkung auch für Sachsen. Vom Westen war wohl zunächst Köln maßgebliches Bistum. Fred. chron. cont. 31 (117). Fred. chron. cont. 35 (118). Fred. chron. cont. 47 (130); 51 (134); 52 (135). Fred. chron. cont. 52 (135). Ann. regni Franc. ad a. 769.

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Unterwerfung – Eroberung – Verfügung

boten. Dieses Mal findet mit dem Urteil der Großen über Aistulf sogar ein fränkischer Herrschaftsakt statt.21 Beide Male leistete der langobardische König Eide, stellte Geiseln und zahlte Tribute.

e. Ergebnis Zieht man aus den verschiedenen Darstellungen des Fortsetzers der Fredegarchronik ein Fazit, so deuten einige Stellen darauf hin, daß die Franken bzw. ihre Herrscher die Herrschaft in den eroberten Gebieten ohne weiteres im Sinne einer Annexion übernahmen. Aber dabei handelte es sich in der Regel um Rückeroberungen oder Wiederherstellungen älterer Herrschaft. Gemäß anderen Berichten wird Herrschaft über fremdes Gebiet, einschließlich der Wiederherstellung älterer Herrschaft oder Hoheit, nicht durch bloße Besetzung oder einseitige Annexion begründet, sondern durch einseitige Unterordnungsakte der besiegten Völker oder deren Herrscher, in der Regel in Verbindung mit Eidesleistung, Geiselstellung und Tributen. Sie bedurften offenbar der Annahme durch die Franken. Diese konnte, wie im Falle Waifars, auch verweigert werden. Für diese Unterwerfungen und Unterordnungen gibt es in der Fredegarchronik und den ersten Berichten der Reichsannalen noch keinen einheitlichen Begriff. Ein solcher taucht aber am Ende des 8. Jahrhunderts auf.

II I . Ded i ti o In den Reichannalen für das Jahr 797 heißt es tota Saxonem gente in deditionem accepta.22 Soweit festzustellen, nehmen fränkische Quellen damit zum ersten Mal einen alten römisch-rechtlichen Begriff für die Unterwerfung durch den Besiegten unter den Sieger auf. Seitdem bezeichnet er einen Rechtsakt, der zu einer Unterstellung unter fränkische Hoheit, die dictio, ditio oder auch potestas, führte.23 Dem Begriff deditio entspricht als Verbum se dedere. Diese neue Begrifflichkeit dürfte auf ein genaueres rechtliches Verständnis des Vorgangs der Unterwerfung hinweisen. Der Begriff deditio hatte schon in der römischen Rechtssprache eine längere inhaltliche Entwicklung und Veränderung in bezug auf die rechtlichen Folgen für die Dedierten erfahren.24 Ob die fränkische Bedeutung noch dieselbe war wie die römische, ist zu untersuchen. Hat es ab Ende des 8. Jahrhunderts einen feststehenden und damit im engeren Sinne „juristischen“ Begriffsgebrauch gegeben? Die rechtlichen Klärungen werden allerdings erschwert durch parallele Verwendungen der Begriffe deditio und commendatio in verschiedenen Quellen für denselben Vorgang.

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Fred. chron. cont 37 (120) und 38 (121). Ann regni Franc. ad a. 797. Dazu auch Paradisi, Deditio, passim. Dazu u. a. Heuß, Grundlagen, S. 60ff.; neuestens Nörr, Aspekte, passim.

Deditio

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a. Textbefunde In den fränkischen Quellen tritt der Begriff erst gegen Ende des 8. Jahrhunderts auf. In der Regel stand die deditio am Ende eines Krieges oder wurde im Laufe eines Krieges vollzogen. Sie wurde vom Besiegten angeboten oder versprochen und vom fränkischen Herrscher angenommen. Auf diese Weise führte sie zum rechtlichen Ende des Krieges. Eine deditio stand am Ende verschiedener kriegerischer Auseinandersetzungen, mit den Sachsen,25 den Langobarden,26 den Bretonen,27 den Waskonen28 und mit Venedig.29 Im Krieg Karls gegen die Araber in Spanien wurden Städte und Burgen in deditonem angenommen.30 Allerdings war hier anscheinend eine Übergabe durch Araber vorausgegangen. Eine deditio fand aber wohl auch längere Zeit nach oder sogar ganz unabhängig von einem Krieg statt. So wird in den sogenannten Einhardannalen, also wieder später, für das Jahr 777 berichtet, der arabische Fürst Ibn al Arabi sei cum aliis Sarracenis suis sociis auf dem Reichstag in Paderborn erschienen, dedens se ac civitates.31 Im Jahre 797 unterstellte sich der Statthalter von Barcelona bei einem Besuch in Aachen dem Frankenherrscher durch eine deditio.32 Später bot der Statthalter von Saragossa, Amoroz, um seines Schutzes willen an, sich unter die dictio des Kaisers zu begeben. Die nachfolgenden Verhandlungen verliefen jedoch ergebnislos.33 799 dedierten sich die Balearen Karl dem Großen, die dadurch den Beistand der Franken gegen die Araber erlangen wollten.34 In diesen Texten wird eine andere Funktion der deditio als die Kriegsbeendigung sichtbar, die Unterstellung unter den Schutz des fränkischen Kö-

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Ann. regni Franc. ad a. 797: tota Saxonem gente in deditionem per obsides accepta. Einhard, Vita Caroli, c. 6, Desiderium regem, quem longa obsidione fatigaverat, in deditonem susciperet. Die Reichsannalen erwähnen eine deditio des Desiderius selbst nicht, sondern nur seine Gefangennahme, Ann. regni Franc. ad a. 774, wohingegen die überarbeitete Fassung der Ann q. d. Einhardi berichtet fatigatam longa obsidione civitatem ad deditionem compulit, ad a. 774. Ann. regni Franc. ad a. 799: Wido comes...Brittaniam ingressus totamque perlustrans in deditonem accepit. Ann. regni Franc. ad a. 816: ut tarda eis deditio et pacis impetratio videretur. Ann. regni Franc. ad a. 810: subiectaque Venetia ac ducibus eius in deditionem acceptis. Einhard, Vita Caroli, c. 9, S. 12: oppidis atque castellis in deditionem acceptis. Ann q. d. Einhardi ad a. 777. Die Reichsannalen erwähnen nur das Erscheinen, ohne Hinweis auf die Absicht des Besuches. Dieses Jahr liegt zwar vor der Verwendung in den Annalen für 797; aber da diese Fassung der Annalen erst zu Anfang des 9. Jahrhunderts entstanden ist, zeugt auch sie für einen späten Gebrauch des Begriffs. Ann. q. d. Einhardi ad a. 797: Nam is aestatis initio Aquisgrani ad regem venit seque cum memorata civitate spontanea deditione illius potestati permisit. Allerdings deuten die Annalen diesen Vorgang als Rückgabe der Stadt an Karl, da diese wechselnd unter fränkischer und sarazenischer dictio gestanden habe. Ann. regni Franc. ad a. 810: promittens se in eo colloquio cum suis omnibus in imperatoris dicionem esse venturum. Ann. regni Franc. ad a. 799: Insulae Baleares, quae a Mauris et Sarracenis anno priore depraedatae sunt, postulato atque accepto a nostris auxilio nobis se dediderunt.

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Unterwerfung – Eroberung – Verfügung

nigs.35 Das war wohl auch das Ziel des awarischen Tudun, der mit seinem Volk und Land dem fränkischen König se dedere vellet.36 In älteren Darstellungen wird für die Unterwerfung se subdidere gebraucht. Für 761 berichten die Reichsannalen von Pippin in dem Feldzug diesen Jahres gegen Waifar in Alverno alia multa castella coepit per placitum, quae se subdiderunt in eius dominio.37 Bemerkenswert ist an diesem Bericht, daß Verhandlungen über die Unterwerfung stattfanden. Das erklärt sich aus dem vorhergehenden Satz, wonach Pippin mehrere andere Burgen im Kampf genommen, also erobert habe, coepit. Auch die früheren Berichte der Annalen über Unterwerfungen der Sachsen verwenden se subdiderunt.38 Mit dem gleichen Begriff beschreiben sie nach dem Sieg Karls über Desiderius und der Einnahme Pavias die Unterwerfung der übrigen lombardischen Städte.39 In den genannten Fällen handelte es sich um Unterwerfungen nach oder in einem Krieg. Es waren eindeutige Unterwerfungen, wie sich außer aus dem Wort se subdidere aus den präzisierenden, einander gleichstehenden Formulierungen sub dicione, sub potestate, in dominio ergibt. Später taucht dieser Begriff anscheinend nicht mehr auf. Deditio und se dedere haben ihn offenbar abgelöst. Diese Begriffe sind wohl, wie auch bereits andere klassische Begriffe der „karolingischen Renaissance“ geschuldet. Die gleiche Funktion hat wohl auch die Verwendung des Begriffes se tradere. Auch er ist älter. Die Lorscher Annalen schildern die Ereignisse in Spanien 778 folgendermaßen: Habiturus Saracinorum rex venit ad eum, et tradidit civitates quas habuit.40 Einhard verwendet für die Beschreibung desselben Vorganges dann den modernen Begriff in deditionem acceptis.41 Das deutet darauf hin, daß beide Begriffe Identisches ausdrükken sollten. Nach einem Bericht der Lorscher Annalen baten die Wilzen um Frieden und übergaben ihr Land an Karl.42 Der Begriff se tradere kehrt allerdings in den Reichsannalen 817 in bezug auf König Bernhard von Italien nach dem Fehlschlag seines Aufstandes gegen Ludwig den Frommen wieder. Für seine Mitstreiter wird hingegen se dediderunt verwendet.43 Auch das deutet auf eine inhaltliche Übereinstimmung der Begriffe hin. Denn es ist nicht anzunehmen, daß der Chronist hier für Bernhard und seine Mitverschwörer unterschiedliche Rechtsverhältnisse behaupten wollte. Verschiedentlich erscheinen in diesen Zusammenhängen auch die Begriffe commendare oder se commendare. Können die Begriffe deditio, se dedere, se subdidere und 35 36 37 38

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Dazu Paradisi, Deditio, S. 416 ff. Ann. regni Franc. ad a. 795, 796. Ann. regni Franc. ad a. 761. Ann. regni Franc. ad a. 776: se...sub dicione domni Caroli regis et Francorum subdiderunt, verbunden mit dem Versprechen, Christen zu werden. Ann. regni Franc. ad a. 782: subdiderunt se sub potestate...domni regis. Ann. regni Franc. ad a. 774: Ibique venientes omnes Langobardi de cunctis civitatibus Italiae subdiderunt se in dominio domni gloriosi Caroli regis et Francorum. Ann. Lauresh. ad a. 778. Einhard, Vita Caroli, c. 9. Ann. Lauresh. ad a. 789:...et venerunt reges terre illius cum rege eorum Tragwito ei obviam, et petita pace tradiderunt universas terras illas sub dominatione Caroli regis Francorum. Ann. regni Franc. ad a. 817: Bernhardus...armis depositis apud Cavillionem imperatori se tradidit; quem ceteri secuti...armis depositis se dediderunt.

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se tradere vorbehaltlich näherer Untersuchung von Form und Gehalt als sich ablösende Synonyme im Sprachgebrauch betrachtet werden, so haben diese beiden Begriffe einen Inhalt, der sich nicht ohne weiteres mit dem der deditio deckt.

b. Rechtsfolgen der römischen deditio Da auch die deditio, wie foedus und andere in den fränkischen Quellen verwendete Begriffe, ein Institut des römischen Völkerrechts darstellte, liegt es wiederum nahe, für die Rechtsfolgen derselben in fränkischer Zeit von diesem auszugehen, um zu prüfen, ob diese gleichgeblieben sind oder sich verändert haben. Im römischen Recht stellte sich die sich dedierende Stadt oder die sich unterwerfende politische Einheit durch einen statusändernden Vertrag unter die Herrschaft Roms.44 Durch die deditio wurde im Zuge eines Krieges die volle Verfügungsgewalt und Herrschaftsgewalt der Römer über Land und Leute, Heiligtümer, öffentliche Einrichtungen, Bürger und Einwohner sowie deren Habe und Besitz begründet. Die Sieger konnten rechtens vorgehen, wie es ihnen beliebte. Sie taten dies, bis hin zur Tötung oder Versklavung ganzer Bevölkerungsteile und Vernichtung der dedierten Stadt.45 Durch die deditio war also keine Sicherung gegen eine Vernichtung, Versklavung oder Ausrottung gegeben, jedenfalls dann nicht, wenn die deditio nicht mit einem pactum verbunden war, das entsprechende Abreden enthielt. Die Römer konnten Milde walten lassen, taten es auch häufig. Sie waren jedoch nicht dazu verpflichtet. Allenfalls waren sie als Grenze ihres Handelns moralisch an eine allgemeine fides gebunden, auch wenn der deditio kein pactum vorangegangen war.46 Strittig ist, ob eine deditio in fidem als besondere Form neben der deditio in dicionem stand.47 Der Streit ist hier nicht zu entscheiden. Die Quellenlage, die Heuß sehr sorgfältig analysiert hat, spricht eher für dessen Auslegung, daß sich „in der dicio...ein staatsrechtlicher Zustand“ ausdrücke, „fides aber eine Modalität des Verhaltens und des Handelns“ sei.48 Die fides hatte aber keinen spezifischen Inhalt und ließ daher dem Handeln des römischen Feldherrn weiten Raum.49 Der weitere Rechtszustand der dedierten Stadt stand somit weitgehend im Belieben der Römer. Sie ordneten ihn nach ihren Vorstellungen und Bedürfnissen, zwischen der Begründung einer Autonomie durch restitutio,50 eines Bündnisverhältnisses, foedus, und völliger Eingliederung. Das waren aber nach der deditio nach einer Niederlage „staatsrechtliche“ Akte Roms, nicht mehr solche des Zwischen-Mächte-Rechts. Eine freiwillige deditio vor einem Krieg oder jedenfalls vor kriegerischen Vorgängen gegen die Stadt führte in der Regel zur

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Zum folgenden: Nörr, Aspekte passim; Ziegler, Deditio passim; Heuß, Grundlagen, S. 62 ff.; Schulz, Entwicklung, S. 133 ff. Unter Berufung auf Polybios und Livius: Nörr, Aspekte, S. 39. Nörr, Aspekte, S. 39 u. S. 89, Ziegler, Deditio, S. 281. Namentlich Heuß, Grundlagen, und Täubler, Staat, zu dem wohl auch Paradisi neigt. Heuß, Grundlagen, S. 63. Eingehend zur fides Nörr, Aspekte, S. 94ff. So das von Nörr behandelte Beispiel von Alcantara, Aspekte S. 51ff.

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Unterwerfung – Eroberung – Verfügung

Bundesgenossenschaft, zu foedus und amicitia. Dies war jedoch weder zwingend, noch ging einem foedus immer eine deditio voraus.

c. Fränkische Formen der deditio In unserer Epoche mußte die deditio nach einem Krieg vom König bzw. Kaiser angenommen werden, accepit, susciperit u. ä.51 Die deditio war also zweiseitig, aber nicht gegenseitig. Denn sie führte nicht zu einem Vertrag, d. h. zu gegenseitigen Rechtsbindungen. Ein solcher mußte zwar nicht, konnte jedoch mit einer deditio verbunden sein, insbesondere bei der Übergabe einer Stadt. Zwar erwähnen ältere Berichte insbesondere der Fredegarchronik, die noch se subdidere für die Unterwerfung verwenden, Eide, Geiselstellung und Tribute, oder doch das eine oder andere.52 Aber sie nennen solche nicht immer. Waifar stellte nach dem ersten Kriegszug Geiseln.53 776 unterwarfen sich die Sachsen mit großem Schrecken und gaben Geiseln, soviel Karl wollte.54 Nach dem Sturz des Desiderius heißt es jedoch in den Reichsannalen lediglich omnes Langobardi ... subdiderunt se. An den späteren Stellen, die den Begriff deditio verwenden, werden in Verbindung mit dieser keine Eide und nur selten Geiselstellung und Tribute oder „Geschenke“ erwähnt.55 Es muß offen bleiben, ob das Lücken in der Berichterstattung sind, oder die Eidesleistung für die deditio nicht zwingend war. Desiderius ging in Karls Gefangenschaft. Der Tudun, für den im Jahre 796 weder Eide noch Geiseln erwähnt werden,56 und die Balearen, bei denen das ebensowenig der Fall ist, gingen ein Schutzverhältnis mit Karl dem Großen ein. Treueide könnten in diesen Fällen als nicht notwendig angesehen worden sein, ebensowenig die Stellung von Geiseln. Ob Treueide jedoch bei echten einseitigen Unterwerfungen als Kriegsfolge zwingend waren, ist hingegen nicht eindeutig zu klären, liegt aber nahe, da auf andere Weise ein rechtlicher Akt dieser Tragweite kaum in verbindlicher Weise begründet bzw. ausgesprochen werden konnte. Außerdem ist später häufig vom Bruch der fides – perfidia bzw. infidelitas – die Rede, wenn nach einer Unterwerfung wieder die Waffen gegen die Franken ergriffen wurden. Da Geiseln keine Begründungs-, sondern eine Sicherungsfunktion besaßen, war deren Stellung aber wohl nicht immer notwendig. 51

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Einhard, Vita Caroli, c. 6: in deditonem susciperet (der langobardische König Desiderius); ibid., c. 9: in deditionem acceptis (Burgen in Spanien); Ann. regni Franc. ad a. 797, ibid., ad a. 799: in deditionem accepit (Bretonen); ibid., ad a. 810, S. 130: in deditionem acceptis (die Dogen von Venedig); Anonymus, Vita Hludowici, c. 18, S. 615: in deditionem suscepta (Basken); ibid., c. 52, S. 639: ad deditionem primum urbs recepta (Lothar die Stadt Chalons-surSaone). Z. B. Fred. chron cont. 31 (117) und 35 (118) bezüglich der Sachsen; 32 (117) bezüglich der Baiern jeweils gegenüber Pippin. Fred. chron cont. 41 (124). Ann. regni franc. ad a. 776. Ann. regni Franc. ad a. 797; aber sie fehlen z. B. Einhard, Vita Caroli, c. 6, bei der deditio des Desiderius; auch Ann. regni Franc. ad a. 799, in bezug auf die deditio der Balearen; ibid., ad a. 774, S. 38. Ann. regni Franc. ad a. 774; 796. Das schließt nicht aus, daß es beides gegeben hat.

Deditio

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Soweit Eide geleistet wurden, handelte es sich zwar anders als bei Verträgen stets um einseitige Eide der unterlegenen Seite, Waifars, der Sachsenführer aber auch der Sachsen insgesamt, Tassilos, etc., aber auch hier gilt, was bereits zum weltlichen und religiösen Doppelcharakter des Eides ausgeführt wurde.57 Die zu schwörenden Eide werden gelegentlich als sacramentum fidelitatis bezeichnet. Über den Inhalt des Eides bei der deditio ist nur wenig bekannt. Ob in besonderer Weise Treue geschworen wurde, läßt sich nur im Rückschluß daraus folgern, daß die Wiederaufnahme der Kämpfe nach derartigen Eidschwüren als Bruch der fides, als perfidias, infidelitas und rebellatio bezeichnet wird, der zu einem neuen Krieg berechtigte. Da bei Sachsen und Awaren die Treubindung durch die Taufe auch auf der religiös-kirchlichen Ebene begründet wurde, brach, wie dargelegt, ein Aufstand nicht nur weltliches Recht, sondern die Treue gegenüber Gott.58 Fides machte also in jedem Fall den Inhalt des Eides aus – auch den Grund? Geiseln wurden als Sicherheit gestellt. Sie sollten eine Garantie für die Einhaltung der Eide bzw. des Versprechens bilden. Aber die Quellen vermerken ausdrücklich, daß die Sachsen ihrer Geiseln nichtachtend erneut rebelliert hätten und in das Frankenreich eingefallen wären, omnes obsides dulgtos et sacramenta rupta.59 Die Geiseln verschwanden dann wohl in der Regel in einem Kloster. In einigen Fällen wird berichtet, daß eine Unterwerfung durch Handreichung vollzogen wurde.60 Unklar ist dabei, ob es sich um eine deditio oder commendatio handelte. Diese Textstellen sind relativ spät zu datieren. Darauf ist zurückzukommen.

d. Rechtsfolgen Anders als bei Livius, Polybios und anderen römischen Autoren wechseln die fränkischen Quellen, wie bereits bemerkt, im Laufe des 8. Jahrhunderts in der Darstellung wie in der Wahl der Begriffe. Das muß aber nicht bedeuten, daß es auch zu einer Änderung der Rechtsfolgen kam. Schon gar nicht gibt es ein Originaldokument wie die 1984 entdeckte Bronzetafel von Alcantara für die römische deditio.61 So werden, wie gezeigt, dieselben Vorgänge in den verschiedenen Quellen unterschiedlich geschildert. Daher stößt der Versuch, die Rechtsfolgen zu klären, auf begriffliche Unklarheiten der Darstellungen, die es einzukalkulieren gilt. Es ist zudem ungewiß, inwieweit die Autoren die römisch-rechtlichen Gehalte der deditio kannten. Trotzdem läßt der Befund für die deditio als Beendigung kriegerischer Auseinandersetzungen in der karolingischen Epoche einige Schlüsse auf ihre Rechtswirkungen zu.

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Oben S. 402ff. Außer den bereits zitierten Stellen finden sich dazu auch immer wieder in den Reichsannalen entsprechende Berichte, z. B. Ann. regni Franc. ad a. 772. Ann. regni Franc. ad a. 776. Ann. regni Franc. ad a. 776. Anonymus, Vita Hludowici, c. 30: tota cum eo Brittania victa succubit et manus dedit; hier werden dann auch Geiseln gestellt; ibid., c. 33, S. 625: Baldrico nostro duci manus dederunt (die Karantaner und Krainer); Chron. Moissiac. ad a. 812, MGH SS I, S. 309: Sed et illi Wilti dextras dederunt et obsides obtulerunt et promiserunt se dare partibus imperatoris Karoli. Dazu Nörr, Aspekte, insbes. S. 19ff.

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Unterwerfung – Eroberung – Verfügung

Auch in fränkischer Zeit bezeichnete die deditio den Herrschaftsübergang auf die Franken und deren Könige mit der Begründung einer Verfügungsgewalt. Das gilt aber auch für das zunächst verwendete Verb se subdidere. Jedoch waren die Ergebnisse der Unterwerfung, mit welchem Begriff sie auch bezeichnet wurden, in den einzelnen Fällen verschieden. Aquitanier, Waskonen, Bayern, Langobarden, Sachsen, spanische Araber, Awaren, Venezier und Slawen wurden in sehr unterschiedlicher rechtlich-organisatorischer Form und daher mit sehr unterschiedlichem status mit dem Frankenreich und der karolingischen Herrschaft verbunden. Waifar blieb nach der ersten Eidesleistung zunächst in seinem Herzogtum. Erst am Ende der Auseinandersetzungen wurde es als solches aufgehoben und voll in das Frankenreich eingegliedert. Aber 781 schuf Karl das Königreich Aquitanien und setzte seinen Sohn Ludwig als dessen König ein. Bayern hingegen wurde 787 voll in die Grafschaftsverfassung des Frankenreiches eingegliedert. Die Langobarden erhielten eine gemischte Ordnung mit Elementen der Eingliederung und solchen der Eigenheiten unter dem neuen rex Langobardorum Karl, der dann seinen Sohn Pippin zum rex Italiae im regnum Italiae erhob, dem 810 zunächst dessen Sohn Bernhard nachfolgte. Vor allem die Sachsen, die jedoch keine eigene gemeinsame, geschlossene Herrschaftsstruktur aufgebaut hatten, wurden nach und nach zu voll integrierten Bestandteilen des Reiches, so daß sie nach den Worten Einhards mit den Franken zu einem Volk wurden. In Spanien errichtete Karl auf dem Gebiet der unterworfenen Araber die spanische Mark. Über die Awaren wurde hingegen nur eine Oberherrschaft gebildet; jedoch wurden Teile voll in die fränkische Herrschaft einbezogen. Venedig behielt auch nach der Huldigung durch die Dogen seine eigene Führung, wenn auch die Annalen berichten, daß Karl Venedigs Angelegenheiten ordnete, also jedenfalls eine Oberherrschaft errichtete.62 Wie die Gestaltung vollzogen wurde, hing auch davon ab, ob bei der Unterwerfung oder doch danach ein Vertrag geschlossen wurde, oder ob der fränkische Herrscher einseitig handeln konnte. Bei einem Vertrag kann man von einer Gestaltung auf der Zwischen-Mächte-Ebene durch Zwischen-Mächte-Recht sprechen, wie es nach Darstellung der päpstlichen Quellen 754 und 755 im Verhältnis zu Aistulf der Fall war. Konnte der fränkische Sieger einseitig handeln, war die Regelung durch die Unterwerfung von der Zwischen-Mächte-Ebene auf die fränkisch-rechtliche Grundlage übergegangen, die von den fränkischen Herrschern gestaltet wurde, vor allem bei der vollen Inkorporation. Auch da machte der unterschiedliche Begriffsgebrauch keinen Unterschied in der Sache. So bestimmte Karl nach den fränkischen Darstellungen nach der deditio des Desiderius, wie sie Einhard zugrunde legt, und der Unterwerfung der Langobarden 774 allein, wie mit dem Königreich zu verfahren sei. Eine Bindung der fränkischen Herrscher, bei ihren Maßnahmen eine allgemeine, grundlegende eigene fides zu beachten, wie sie im römischen Recht bestand, erscheint zweifelhaft. Wie oben dargelegt, ist in den Quellen immer nur von der fides der Unterworfenen die Rede. Es war, wie an einigen Beispielen gezeigt, der Güte, clementia oder 62

Ann. regni Franc. ad a. 806.

Deditio

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misericordia des fränkischen Königs bzw. Kaisers anheimgestellt, so zu verfahren, wie er es für richtig hielt. Das verwies auf die religiös-christliche Grundlegung der Herrschaft auch nach außen. Es muß offen bleiben, wieweit ein christlicher König zu dieser clementia religiös-christlich verpflichtet war. 774 ließ Karl diese Güte gegenüber Desiderius ebensowenig walten, wie später gegenüber Tassilo. Hingegen leistete Ludwig wegen seines Vorgehens gegen Bernhard, den er immerhin teilbegnadigt hatte, Buße.63 In den Einzelheiten waren die Folgen der Unterwerfung entsprechend unterschiedlich. Aistulf wurde von Pippin verpflichtet, das Patrimonium Petri wiederherzustellen, d. h. iustitiam facere, die eroberten Gebiete herauszugeben, Geiseln zu stellen, einen Teil seines Schatzes herauszugeben und Tribut zu zahlen. Die dicio Pippins hatte u. a. zur Folge, daß die Erhebung des Desiderius als Nachfolger des Aistulf zum König der Langobarden der Zustimmung Pippins bedurfte. Auch hatte Pippin wohl stets eine Art Interventionsrecht. Grundlage dafür war jedoch wohl das pactum von 755 und 756, das in den anderen Fällen nicht vorlag. Die Sachsen standen sub potestate regis.64 Diese Formulierung besagt eindeutig, daß sich durch die Unterwerfung eine Herrschaftsbegründung Karls vollzogen hatte. Diese potestas trug die bereits erwähnten Umsiedlungen größeren Ausmaßes sowie Übertragungen von Land und Leuten an Franken. Vor allem ordnete Karl die Verhältnisse der Sachsen völlig ungebunden von außen, wenn auch gebunden an die Zustimmung der Franken auf den Reichsversammlungen. Die härteste Maßnahme war der Erlaß der mehrfach erwähnten Capitulatio de partibus Saxoniae, die später von dem wesentlich milderen Capitulare Saxonicum abgelöst wurde, das die Sachsen weitgehend den Franken gleichstellte.65 Beides waren fränkische Rechtssetzungen, wenn an der zweiten auch bereits Sachsen beteiligt waren. Jedoch gab es anscheinend gewisse, jedenfalls moralische Grenzen der Verfügungsgewalt nach einer deditio über den Appell an die clementia des Königs hinaus. Die sogenannte „Sachsenschlächterei“ von Verden wurde auch zeitgenössisch kritisiert. Die Plünderung von Châlons-sur-Soane durch die Truppen Lothars I. und deren Angriffe auf die Einwohner nach der Unterwerfung stellte in den Augen des Erzählers offenbar auch eine Handlung dar, die mit dieser kaum vereinbar war.

e. Karl: Rex Langobardorum Eine besondere Lösung fand die Unterwerfung des langobardischen Königreiches 774. Bei diesem handelte es sich im Unterschied zu den Herrschaftsverbänden der Sachsen oder der Awaren um ein christlich-katholisches Königreich, das aber anders als Aquitanien oder Bayern selbständig, unabhängig, gleichrangig neben dem fränkischen Königreich stand. Jedenfalls aus heutiger Sicht erscheint die Übernahme der langobardischen Königskrone durch Karl den Großen als ein fundamentaler Eingriff in die bestehende, über Jahrhunderte gewachsene, seit 680 geregelte Ordnung Europas, die 63 64 65

Anonymus, Vita Hludowici, c. 35. Ann. regni Franc. ad a. 782. MGH LL. II, Capit. I, Nr. 26, S. 68, und Nr. 27, S. 71.

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Unterwerfung – Eroberung – Verfügung

bis dahin, wie die Schwierigkeiten Pippins 755 und 756 im eigenen Lande zeigen, von den Franken nicht nur respektiert, sondern gestützt wurde. Wenn auch das Königreich als solches nicht voll im Frankenreich aufging, sondern nominell oder formal fortbestand, so verlor es doch mit seinem eigenen König auch seine Selbständigkeit als eigene Macht. Auch trotz der Konstituierung als Unterkönigtum regnum Italiae mit einem eigenen König erlangte es seine eigene Stellung bis zum Ende unserer Epoche nicht wieder. Die Rechtsgrundlagen für diesen Eingriff finden sich nach fränkischer Auffassung offenbar in der deditio, die die Stadt Pavia nach dem Bericht der Einhardannalen vollzog. Es handelte sich aber nur um die Stadt Pavia, nicht um Desiderius selbst. Zwar war Pavia der Herrschersitz, mit dem Karl das Zentrum des Reiches erobert hatte. Aber es ist schon verwunderlich, daß, anders als bei den Berichten über die Unterwerfungen anderer Fürsten und Herrscher, gerade in diesem Fall ein solcher Akt des Königs und Inhabers der Herrschermacht Desiderius nicht mitgeteilt wird. Erst Einhard nennt in der Vita Karls eine deditio des longobardischen Königs. Hielt er eine solche für notwendig, um Karls weitgehenden Schritt zu rechtfertigen? Folgt man hingegen den Berichten der Annalen, so hat Karl Desiderius ohne weiteres ab- und gefangengesetzt, sich selbst als neuen König eingesetzt und danach die Unterwerfung der Großen und der Städte entgegengenommen. Das könnte auch als ein Akt der Zustimmung zu Karls Vorgehen gedeutet werden. Aber die Darstellung ist zu allgemein, um daraus genaue Schlüsse auf den rechtlichen Vorgang i. e., bzw. auf das Verständnis des Autors zu ziehen, wie letztlich die Herrschaft Karls rechtlich begründet wurde. Aber das Königreich stand nunmehr eindeutig unter Karls Herrschaft. Denn von Herzog Hrodgaud, der 775/776 gegen Karls Herrschaft vorzugehen versuchte, heißt es fraudavit fidem suam et omnia sacramenta rumpens et voluit Italiam rebellare.66 Zwar erwähnen die älteren Reichsannalen diese deditio des Desiderius nicht, aber es heißt dort Ibique venientens omnes Langobardi ... subdiderunt se in dominio domni gloriosi Caroli regis et Francorum.67 Se subdidere drückt ebenfalls die Unterwerfung aus. Der Frankenherrscher ordnete die Angelegenheiten der unterworfenen Kommunen, bevor er nach Francien zurückkehrte.68 Einhard schildert den Vorgang zusammenfassend in der Vita Karls des Großen: totamque Italiam suae ditioni subiugaret.69 Ditio oder dicio bedeutete dasselbe wie potestas. Da Karls Herrschaft in Italien aber nicht die des rex Francorum, sondern die des rex Langobardorum war, die er auf Grund der Unterwerfungsakte übernommen hatte, wurde das Langobardenreich nicht voll in das Frankenreich inkorporiert. Das später regnum Italiae genannte regnum Langobardorum, das um Bayern territorial erweitert wurde, blieb als eigener Herrschaftsver-

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Ann. regni Franc. ad a 775. Hrodgaud wurde besiegt und getötet. Die aufständischen Städte in Friaul wurden unterworfen, capta, ibid., ad. a. 776. Ann. regni Franc. ad a. 774. Ann. q. d Einh. ad a. 774. Tunc gloriosus domnus Carolus rex, ipsa Italia subiugata et ordinata, custodia Francorum in Papia civitate dimittens... Franciam reversus est. Einhard, Vita Caroli, c. 6.

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band dem Grunde nach erhalten, zwar mit eigenem königlichen Recht,70 aber ohne wirklich eigene Außenkompetenz. Die Schaffung eines Doppelkönigtum stellte eine neue Form des Erwerbs und der Ausdehnung von Herrschaft dar, die bis in die Frühe Neuzeit die Zusammenfügung oder Verbindung mehrerer Herrschaftsverbände unter einem Herrscher bestimmte. Zwar war bereits 534 in ähnlicher Weise das Königreich Burgund nach dem Tode des letzten Burgunderkönigs Godomar 532 und seiner endgültigen Eroberung durch den Merowingerkönig Theuderich als eigener Reichsteil in das Frankenreich eingegliedert worden. Aber die Merowingerkönige übernahmen anscheinend nicht die burgundische Königswürde neben der fränkischen. Zudem war Burgund zu dieser Zeit arianisch und damit häretisch. Hingegen folgte Otto der Große 951 dem Beispiel Karls des Großen und nahm nach dem erfolgreichen ersten Italienfeldzug den italienischen Königstitel an, den die ostfränkischen/deutschen Könige bzw. Kaiser bis Franz II. führten. Als 1032 das neue Königreich Burgund, das im 9. Jahrhundert aus dem Zerfall des karolingischen Großreiches hervorgegangen war, durch Erbgang an den deutschen König Konrad II. als eigenes Königreich fiel, blieb es als eigenes Reich bestehen, und der deutsche König führte in Zukunft als dritten Königstitel den eines burgundischen Königs. Bis in die Frühe Neuzeit fügten die Herrscher die Titel der ihnen zugewachsenen Herrschaften ihrem Haupttitel zu, unabhängig davon, ob sie die Herrschaft durch Erbgang oder als Folge eines Krieges erlangten. Denn kein christlicher Herrschaftsverband ging wirklich unter, sondern wurde stets, wenn auch in sehr verschiedenen rechtlich-institutionellen Formen, Teil eines durch den Herrscher zusammengeführten und zusammengehaltenen Gesamtverbandes.

f. Deditio – commendatio Wie oben dargelegt, wirft die unterschiedliche begriffliche Darstellung der Unterwerfung arabischer Fürsten im Jahre 797 in den Reichsannalen, die von einer commendatio sprechen, und deren späterer Überarbeitung in den sogenannten Einhardannalen, die dafür deditio setzen, die Frage nach dem Verhältnis von deditio und commendatio auf. Wenn es auch unsicher ist, daß es sich in den beiden spanisch-arabischen Fällen von 797 wirklich um die Begründung von Vasallitätsverhältnissen gehandelt hat, so ist dem Verhältnis von deditio und commendatio doch näher nachzugehen. Der Gebrauch der Begriffe commendatio und deditio in verschiedenen Quellen für denselben Vorgang deutet zwar darauf hin, daß beide nicht eindeutig unterschieden und gegeneinander abgegrenzt wurden und wohl auch ein Zusammenhang zwischen beiden bestand. Auch waren die Formen der Begründung einander sehr nahe oder ähnlich. Deditio wie commendatio wurden durch Handgesten vorgenommen. Beide waren mit einseitigen Eiden seitens des dedicus oder des vassus verbunden. Beide begründeten ein Abhängigkeitsverhältnis gegenüber dem Sieger oder dem Herrn. Jedoch sind sie und die durch sie begründeten Rechtsverhältnisse formell, strukturell und inhaltlich zu unterscheiden.

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Karoli Magni et Pippini filii capitualaria italica, MGH LL II, Capit. I, Nr. 88–103, S. 187ff.

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Unterwerfung – Eroberung – Verfügung

Einer deditio ging in der Regel eine militärische Niederlage des sich Übergebenden voraus. Sie begründete ein Durchgangsstadium, das durch eine dauerhafte Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses abgelöst werden mußte. Diese konnte in den konkreten Fällen sehr verschieden sein. Die commendatio begründete eine dauerhafte Verbindung. Sie war in der Regel eine freiwillige, der kein Krieg oder auch nur die Drohung mit einem solchen vorauf ging. Sie konnte jedoch einer deditio nachfolgen. Das war weder bei der Kommendation Tassilos 757 noch bei der Heriolds 817 der Fall. Anders war hingegen der Ablauf für Tassilos erneuerte Kommendation im Jahre 787. Zwar war es nicht zur Schlacht mit Karl dem Großen gekommen, aber Tassilo war 787 tatsächlich besiegt. Sein Verhalten stellt einen Akt der Übergabe und damit der vollen Unterwerfung dar. Die Geste war dieselbe wie 757. Aber ihre Bedeutung und ihr Inhalt waren für den Autor der Annalen wohl doch andere, schon durch die damit verbundene Rückgabe seines Herzogtums. Weder Tassilo 757 noch Heriold 817 unterwarfen sich Pippin oder Ludwig dem Frommen völlig, wie dies durch eine deditio der Fall war. Sie behielten von vorneherein ihre weitgehende Selbständigkeit nach innen wie nach außen, selbst dem Herrn gegenüber. Aber 787 war Tassilo ganz in die Hand Karls gegeben, der ihn zwar das Leben beließ, aber ihm sein Herzogtum nahm. Die Handgesten unterschieden sich, wenn man die Berichte genau liest. Für die Handgesten Tassilos heißt es in vassatico se commendans per manus71, bzw. tradens se manibus in manibus.72 Für die Handgeste Heriolds lautet die Formulierung se in manibus illius (Ludwigs d. Fr.) commendavit.73 Für die Handgeste bei der deditio wird hingegen manus dederunt oder eine ähnliche wesentlich weniger präzise Formulierung benutzt. Wenn auch in beiden Fällen Handgesten vorliegen, so läßt die unterschiedliche Formulierung auf unterschiedliche Gestaltung und damit auch auf unterschiedliche Bedeutungen und unterschiedliche Rechtsverhältnisse zwischen den Partnern einer commendatio und einer deditio schließen. Die Handgesten waren für die Begründung der Vasallität wohl notwendig. Für die deditio ist sehr fraglich, ob das manus dare unabdingbar zur Form gehörte. Sie wird nicht in allen Fällen erwähnt. Zum anderen heißt es in der Vita Hludowici des Anonymus et quidam Carantanorum, qui ad Liuderitum se contulerant, Baldrico, nostro duci manus dederunt,74 während es in den Reichsannalen lediglich heißt se dediderunt.75. Zwar waren die Eide im einen wie im anderen Falle Treueide, die die fides des Schwörenden gegenüber dem Sieger bzw. dem Herrn einbanden. Aber da ihr jeweiliger Bezugspunkt ein anderer war, war auch ihre Bedeutung eine jeweils andere. Wenn auch deditio wie commendatio zu einer Oberhoheit des Herrn führten, so war diese doch strukturell verschieden ausgeformt. Da die Rechtsstellung des dedierten Gebietes und seiner Herrscher in einem davon getrennten Vorgang durch pactum

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Ann. regni Franc. ad a. 757. Ann. regni Franc ad a. 787; dazu Ganshof, Lehnswesen S. 26ff., Brunner, Rechtsgeschichte, S. 190. Ann. regni Franc. ad a. 814. Anonymus, Vita Hludowici, c. 33. Ann regni Franc. ad a. 820.

Deditio

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oder durch einseitige königlich/kaiserliche Regelung gestaltet wurde, konnte sie in einer vollen Eingliederung, einem Tributverhältnis, einem foedus mit amicitia, oder eben auch in der Vasallität mit fortdauernder Selbständigkeit bestehen. Dies könnte bei dem Herrscher der Wilzen, Drago, der Fall gewesen sein, dem Karl sein Land nach dem siegreichen Feldzug 789 wohl wieder übergab. Die Berichte sind unterschiedlich. Nach den Reichsannalen wurde das Land erobert. Durch die Stellung von Geiseln und dem Schwur von Eiden wurden die Wilzen der Herrschaft Karls unterworfen.76 Die Lorscher Annalen und die Chronik von Moissac berichten, daß die Könige der Wilzen um Frieden bittend das gesamte Gebiet und sich selbst unter die Herrschaft Karls gegeben hätten.77 Das alles deutet auf eine deditio hin, wenn auch der Begriff selbst nicht gebraucht wird. In jedem Fall wurde eine Herrschaft Karls begründet. Die Annales Narzariani berichten außerdem, daß Karl dem König Drago das Land wieder übergeben habe.78 In allen Quellen fehlen aber Hinweise auf eine Handreichung. Es wird nicht näher geschildert, wie das Verhältnis rechtlich ausgestaltet war. Eine Eingliederung fand gewiß nicht statt. Die Eidschwüre könnten zwar Vasalleneide gewesen sein. Doch in allen späteren Berichten über kriegerische Auseinandersetzungen mit den Wilzen wird nie ein Vasallenverhältnis erwähnt. Nicht einmal ein Treubruch, der sonst als der üblichste und allgemeinste Kriegsgrund genannt wird, wurde behauptet.79 811 wurden von den Wilzen wiederum Geiseln gestellt.80 Ein Vasallenverhältnis ist insgesamt nicht anzunehmen. Es bestanden zentrale Unterschiede im Inhalt zwischen einer deditio und einer commendatio. Wer sich kommendierte, wurde, wie oben dargelegt, zum Vasall dessen, dem er sich kommendierte. Es entstand ein gegenseitiges Rechtsverhältnis. Der Vasall empfing von seinem Lehnsherrn Hilfe und Beistand und war im Gegenzug zum Dienst und zur Folge sowie zum Erscheinen auf den Reichsversammlungen oder Hoftagen verpflichtet. Eine derartige Gegenseitigkeit gilt nicht, jedenfalls nicht in gleicher Weise, für eine bloße deditio, auch nicht für eine Schutz-deditio, um die es jedenfalls im Falle Abdellahs und der Balearen ging.81 Der Begriff deditio wurde in den Quellen nicht nur für Unterwerfungen unter fränkische Herrschaft verwendet. Für das Jahr 802 berichten die Reichsannalen, daß der Herzog von Benevent, Grimoald, den Grafen von Spoletto, Winigis, zur deditio der Stadt Lucera gezwungen habe. Das bedeutete für den Grafen Gefangenschaft, wenn

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Ann. regni Franc. ad a. 789: Exinde promotus in ante, Domino largiente supradictos Sclavos sub suo dominio conlocavit. ...Ibique obsides receptos, sacramenta conplurima, Domino perducente Franciam pervenit. Ann. Lauresh. ad a. 789:...et petita pace tradiderunt universas terras illas sub dominatione Caroli regis Francorum; et dati sunt obsides, et se ipsis traditis, rex reversus est in Francia. Ann. Nazariani ad a. 789, Carolus...et iterum ipsi iam praefato regi illam patriam commendavit. Ann. regni Franc. ad a. 808–810. Im Chron. Moissiac. ad a. 812, MGH SS I, S. 308, heißt es: Sed Wilti dextras dederunt et obsides obtulerunt, et promiserunt se dare partibus imperatoris Karoli. Wielers, Beziehungsformen, S. 6.

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Unterwerfung – Eroberung – Verfügung

auch ehrenvolle.82 Auch hier erscheint die deditio als Akt der Übergabe in einem Kriege, nicht als ein Element der feudalen Ordnung. Wenn auch die langobardische Quelle über diesen Vorgang nur berichtet, die Stadt sei genommen worden,83 so besagt das nicht notwendig etwas anderes, da das auch durch deditio geschehen konnte. Es wird daher als ein allgemeines Institut des „Zwischen-Mächte-Rechts“ eigener Art zur Übergabe der Herrschaft in einem Krieg angesehen. Ein notwendiger formeller oder inhaltlicher Zusammenhang zwischen deditio und commendatio besteht m. E. nicht. Es sind zu unterscheidende Rechtsinstitute, die auf verschiedenen Ebenen angesiedelt sind und verschiedene Funktionen erfüllen, sich allerdings in konkreten Fällen miteinander verbinden können.

g. Ergebnis Auch in den Darstellungen für die Zeit Karls des Großen tritt der Herrschaftserwerb offenbar nicht einfach durch tatsächliche Eroberung ein. In allen wesentlichen Fällen für Sachsen, Langobarden, Awaren oder Hunnen wird von einem ausdrücklichen Unterwerfungsakt berichtet. Dieser geht entweder von dem Fürsten, auch von Städten oder von dem Volk selbst aus. Ab 797 wird dafür zunehmend ein besonderer Rechtsbegriff gebraucht, deditio/se dedere. Zwar unterscheidet sich dessen rechtlicher Inhalt nicht von dem älteren Begriff se subdidere. Aber er stellt das fränkische ZwischenMächte-Recht, wie schon mit anderen Begriffen wie termini/limites, legatus, pactum, bei aller inhaltlichen Veränderung in eine längere, allgemeinere Tradition und in eine Kontinuität der Rechtsvorstellungen, wenn auch Unterschiede zum römisch-rechtlichen Institut der deditio erkennbar sind. Das wird daran liegen, daß den Autoren der Annalen etc. zwar der Begriff geläufig war, aber keine genauen Kenntnisse oder Vorstellungen über dessen rechtliche Bedeutung bestanden.

I V. Gr en z r eg el u n g en a. Übersicht Wie bereits dargelegt, wird über drei Fälle berichtet, in denen versucht wurde, durch Verhandlungen die Grenzkonflikte zu bereinigen, zwischen Hunnen oder Awaren mit Karl dem Großen 790, zwischen Ludwig dem Frommen und Leon V. 817 und zwischen Ludwig und dem bulgarischen Khan ab 826. Nur die Verhandlungen mit Leon V. waren offenbar erfolgreich. Jedoch scheint es auch in anderen Fällen vertragliche Regelungen über die Grenzen gegeben zu haben. Ungeklärt ist, ob 772 zwischen Franken und Sachsen etwas vereinbart wurde. Die Annalen berichten lediglich cum Saxonibus, placitum habuit et recepit 82

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Ann. regni Franc. ad a. 802: Grimoaldus Beneventanorum dux in Luceria Winigisum comitem Spoletii...adversa valitudine fatigatum obsedit et in deditionem accepit captumque honorifice habuit. Erchemperti historia Langobardorum Beneventanorum, c. 5, MGH SS rer. Lang., S. 236: Nuceriae urbs tunc capta est.

Grenzregelungen

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obsides XII;84 aber ob es sich dabei um Grenzverhandlungen und einen Grenzvertrag gehandelt hat, ist nicht zu klären. Die folgenden Kriege bis zur völligen Unterwerfung und Eingliederung lassen jedoch vermuten, daß keine, jedenfalls keine endgültige Regelung getroffen wurde. Ebensowenig lassen die Berichte über die unterschiedlichen Verträge mit den Dänen erkennen, ob sie Grenzregelungen enthalten haben. Sie fanden an der Grenze statt.85 Es kann jedoch vermutet werden, daß schon darin deren Bestätigung lag. Es ist aber, worauf bereits hingewiesen wurde, anzunehmen, daß der Vertrag zwischen Karl dem Großen und Michael I. Grenzregelungen enthalten hat, wenn die Berichte über den nicht überlieferten Vertrag auch nichts darüber sagen. Jedoch hatte sich der karolingische Kaiser von Venedig huldigen lassen und war bis Istrien und Dalmatien vorgedrungen. Da dadurch auch in diesem Landstrich eine unmittelbare Nachbarschaft der beiden Reiche entstanden war, und dies auch wohl einer der Gründe des, wenn auch kurzen und nicht sehr folgenreichen Krieges des Nicephorus mit dem Unterkönig von Italien, Karls Sohn Pippin gewesen sein dürfte, ist das aber anzunehmen. Zudem gab Karl der Große dem oströmischen Kaiser Nicephorus einen Teil wieder heraus, u. a. Venedig. Ob dafür ein Zessionsvertrag abgeschlossen wurde, kann nicht geklärt werden. Es wird nichts darüber berichtet. Die unmittelbare Nachbarschaft wird eine Abgrenzung zwischen dem unter fränkischer Herrschaft bleibenden und den erneut byzantinischen Gebieten verlangt haben. Daher ist eine vertragliche Regelung schon bei der Rückgabe, spätestens 812 anzunehmen. Die spätere Gesandtschaft Leons V. 817 wegen der Grenzen in Dalmatien zeigt i.ü., daß noch Probleme bestanden, die Grenzziehung nicht hinreichend klar vorgenommen worden war. Geht man davon aus, daß das pactum Veneticum Lothars I. von 840 ältere fränkisch-byzantinische Regelungen in sich aufgenommen hat, dann lassen sich aus diesem einige bereits 812 festgelegte Grenzregelungen erschließen. Zunächst werden einerseits die Nachbarn Venedigs näher bestimmt, die an dem pactum auf kaiserlicher Seite beteiligt sind, wie andererseits die zu Venedig gehörenden Städte und Orte benannt werden. Grenzen werden insoweit nicht beschrieben. Aber in den Regelungen, die den Handel betreffen, scheinen doch Grenzregulierungen durch, wenn die freie Schiffahrt auf den Flüssen im Lande einerseits und auf dem Meere andererseits gewährt wird.86 Eine direkte Grenzregelung enthält c. 26 de finibus autem Civitates novae statuimus, ut, sicut a tempore Liuthprandi regis terminatio facta est inter Paulutionem ducem et Marcellum magistrum militam, ita permanere debeat secundum quod Aistulfus ad vos Civitatinos novos largitus est. Sie soll zwar der lotharischen Schicht des pactum angehören, nimmt aber auf einen älteren langobardisch-byzantinischen bzw. venetianischen Vertrag Bezug.87 Es kann vermutet werden, daß dieser auch 812 in irgendeiner Weise relevant war, da er byzantinisch-venezianisches Gebiet von langobardischem und ab 774 fränkisch/langobardischem Gebiet abgrenzte. Auch enthält Kapitel 28 indirekt eine Grenzbeschreibung unter Rückgriff auf frühere Einigungen, usque in ter84 85 86 87

Ann. regni Franc. ad a. 772. Ann. regni Franc. ad a. 811. Pactum Veneticum Hlotharii, c. 17, MGH LL II, Capit. II/1, S. 130, dt. Anhang 17. Cessi, Pacta I, S. 157.

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Unterwerfung – Eroberung – Verfügung

minum ... sicut in pacto legitur de Plave maiore usque in Plavem siccum, quod est terminus vel proprietas vestra. Auch sie wird dem Vertrag von 812 zugeordnet. Aber eine allgemeine Grenzziehung oder -festlegung läßt sich diesem pactum nicht entnehmen, auch und gerade nicht für Dalmatien und Istrien.

b. Grenzziehungen für den „Kirchenstaat“ Am deutlichsten sind vereinbarte Grenzziehungen zwischen dem fränkischen und dem päpstlichen Herrschaftsgebiet, dem Ursprung des Kirchenstaates, überliefert, auf deren Einzelheiten bereits eingegangen wurde.88 Da nach der hier vertretenen Auffassung der werdende „Kirchenstaat“ nicht zum kaiserlich-fränkischen Herrschaftsgebiet gehörte, handelt es sich dabei um eine Außen-, und nicht eine Binnengrenze. Aber auch bei Annahme einer gewissen Oberherrschaft wäre das angesichts der fortbestehenden weitgehenden politischen Selbständigkeit des Papstes, vor allem nach innen, der Fall. Aber gerade diese Grenzziehung enthält im Rückblick ein besonderes rechtliches Problem. Bereits Pippin hatte, abgesehen vom Dukat von Rom und dem weiteren alten Patrimonium Petri, zugunsten des Apostels Petrus über ein Gebiet verfügt, das ursprünglich dem oströmischen Kaiser unterstand, aber von Aistulf erobert und seinem Herrschaftsgebiet eingeordnet worden war. Hatte Pippin nach damaliger Auffassung durch den Sieg über Aistulf ein Verfügungsrecht über diese Gebiete erworben? Auch die Prolongation dieses Versprechens durch Karl den Großen 774 wirft Fragen an das rechtliche Verständnis der Zeit auf. Zumindest die von Karls promissio donationis umfaßten Gebiete Venedigs und Istriens lagen eindeutig im Herrschaftsbereich Konstantins VI. So ist noch einmal unter dieser Fragestellung der „Verfügungsberechtigung“ auf die promissiones Pippins und Karls einzugehen.

V. Promi ss io n es d o n at io n i s – S ch en k u n g o d er r esti tu ti o ? a. Grundfrage In der promissio donationis Pippins von 754 und insbesondere in deren Erweiterung durch Karl den Großen 774 spitzt sich die Frage zu, auf welcher normativ-rechtlichen Grundlage diese Verfügungen über Gebiete beruht haben könnten, die zum Zeitpunkt der jeweiligen promissio nicht unter der Herrschaft der versprechenden karolingischen Könige Pippin und Karl standen und damit – noch – nicht ihrer Verfügungsgewalt unterlagen. Diese Frage, die in der Darstellung ihres Zustandekommens und Inhaltes zunächst offen gelassen wurde, entspricht heutiger Fragestellung. Zeitgenössisch gibt es dazu keine Ausführungen. Das Vorgehen Pippins und Karls des Großen sowie der Päpste erscheint in den historiographischen Quellen sowie den Briefen der Päpste selbstverständlich. Eine Frage dazu ist den Autoren offenbar nicht in den Sinn gekommen. 88

Oben S. 191, 259.

Promissiones donationis – Schenkung oder restitution?

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Trotzdem oder gerade deswegen lohnt sich aus heutiger Sicht der Versuch einer Rekonstruktion der verborgenen zugrundeliegenden Rechtsgrundlagen oder Rechtsvorstellungen für diese Verfügungen. Die geschichtswissenschaftliche Literatur zu diesen „Schenkungen“ äußert sich trotz ihres erheblichen Umfangs zu diesen rechtlichen Fragen nicht. Jedoch handelt es sich um ein Zentralproblem der Zwischen-MächteBeziehungen, die Ordnung des Raumes. Damit diese dauerhaft ist, bedarf sie normativer Bestimmungen.89 Da an der donatio vier Mächte beteiligt waren, Ostrom, Langobarden, Franken und die Päpste, standen ihre Regelungen im Zentrum der europäischen Ordnung der Zeit. Zudem ist unser heutiges Interesse nicht zuletzt dadurch begründet, daß durch die donatio Herrschaftsstrukturen in Italien festgelegt wurden, die die weitere Geschichte Italiens und Europas für die nächsten eintausend Jahre bestimmten und erst 1870 mit dem Untergang des Kirchenstaates endgültig verschwanden. Indirekt wirken sie in der Staatlichkeit und Völkerrechtssubjektivität des Vatikanstaates, wenn auch auf erheblich verkleinertem Territorium, bis in die Gegenwart.

b. Die promissio donationis Die Stellung der donatio im Gesamtverhältnis der fränkischen Könige und der Päpste und ihr Ablauf sind bereits eingehend dargestellt worden. Nach der hier vertretenen Auffassung bildete sich die promissio donationis in ihrem territorialen Inhalt in einem mehrstufigen Prozeß aus dem Versprechen von Quierzy, das sich laut der päpstlichen Quelle nur auf Ravenna und das Exarchat, nicht aber auf Venedig, Istrien und langobardisches Gebiet, bezog, den beiden Listen von civitates des Exarchats in den dreiseitigen Verträgen von 755 und 756, dem Vollzug der Liste von 756 mit der Ergänzung 757, der Erneuerung und vor allem erheblichen Erweiterung der Liste Pippins durch Karl den Großen 774 und der nochmaligen Erneuerung und Erweiterung durch Ludwig den Frommen 817. Rechtlich interessant sind vor allem einerseits die Übertragung der bis zur Eroberung durch Aistulf oströmisch-kaiserlichen Gebiete des Exarchats von Ravenna durch Pippin und das Versprechen langobardischer Gebiete in Tuskien und der langobardischen Herzogtümer Spoletto und Benevent sowie des Dukats Venedig und Istriens durch Karl. Diese gehörten zu diesem Zeitpunkt eindeutig zum byzantinischen Herrschaftsgebiet. Zwar wurden manche Gebiete, vor allem Venedig und Istrien, nie übertragen, auch nicht nach der Übernahme der zeitweisen Herrschaft durch Karl zwischen 806 und 810. Aber immerhin hatte Karl sie versprochen und zwar, wie auch Pippin, durch die schriftliche Form, die eigene Unterschrift sowie die seiner Großen und der Niederlegung auf der confessio in St. Peter in besonders verbindlicher Form.

c. Begriff Der Begriff donatio taucht zum ersten Mal in einem Brief Stephans II. an Pippin und seine Söhne aus dem Jahr 755 nach dem ersten dreiseitigen Vertrag von Pavia auf, Coniuro vos, ...et iuxta donationem, quam eidem protectori vestro, domino nostro, bea89

Zu diesen Zusammenhängen insbesondere Schmitt, Nomos der Erde.

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Unterwerfung – Eroberung – Verfügung

to Petro, offere iussistis...90 Er wird dann üblich, auch in der Verbindung promissio donationis.91 Beides sind Rechtsbegriffe des römischen Rechts. Aber das bedeutet auch hier nicht, daß sie auch mit dessen Begriffsinhalt verwendet werden. Aber beide Begriffe werden nur in den päpstlichen Quellen verwendet, so daß es nahe liegt, daß diese jedenfalls an dieses anknüpfen. Aus weiteren Stellen in den Briefen Stephans II. ergibt sich, daß mit der donatio das schriftlich abgegebene und unterzeichnete Versprechen Pippins gemeint ist. So heißt es in einem zweiten Brief aus dem Jahre 755 Pro quo peto vos, ... , et, quae donationem beato Petro offerendum promisistis, ... Etwas später beschwört der Papst Pippin noch einmal Coniuro vos ... velociter et sine ullo inpedimento, quod beato Petro promisistis per donationem vestram, civitates et loca atque omnes obsides et captivos beato Petro reddite vel omnia, quae ipsa donatio continet. 92 Die donatio enthielt danach die rechtliche Verpflichtung zur Rückgabe oder Übergabe oder zur Verschaffung der versprochenen Gebiete an den hl. Petrus. Für diese stehen die Verben restituere, reddere. Insofern bildet der Begriff promissio donationis eine Einheit. Nicht die donatio wird versprochen, sondern die donatio ist das Versprechen. Verschiedentlich werden daher auch nur promissio oder andere Begriffe für Versprechen verwendet, z. B. pollicere. Diese Pflicht zur Übergabe wird von Stephan II. angemahnt, weil sie bisher nicht erfüllt worden sei. Aistulf weigerte sich offenbar, seinen Verpflichtungen aus dem Vertrag von 755 nachzukommen. Das berührte aber auch die Pflicht Pippins, der dafür zu sorgen hatte, daß der langobardische König seiner Pflicht nachkomme. Erst dadurch würde die donatio vollzogen. In einem Brief aus dem Jahre 757, also nach dem zweiten Krieg und den ersten Übergaben, mahnt Stephan II. erneut, unter Bezug auf das Versprechen, wenn auch ohne den Begriff donatio zu verwenden, ut civitates reliquas, quae sub unius dominii ditione erant connexe atque constitutae, fines territoria, etiam loca et saltora, in integro matri tui spirituali, sanctae ecclesiae, restituare praecipitatis.93 Auch Fulrad sei der Meinung, daß kein Volk getrennt von denen leben könne, mit denen es immer unter einer Herrschaft verbunden gewesen sei. Was mit der einheitlichen Herrschaft gemeint ist, geht aus dem Text nicht unmittelbar hervor. Aber Stephan II. berichtete im Anschluß an die Passage von dem später nicht erfüllten Versprechen des Desiderius, durch eben Fulrad weitere Städte des Exarchats herauszugeben. Das deutet darauf hin, daß Stephan II. sich auf dessen Einheit bezog, da es in der Tat 756 nicht vollständig an ihn übergeben worden war.

d. Kaiserliche Ansprüche Der Vollzug der donatio an den Apostolischen Stuhl ging aber nicht ohne Verwicklungen mit einer vierten Macht, Ostrom, ab. Das wird deutlich in dem im Liber pontifica-

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Codex Carolinus, Nr. 6, MGH Epp. III, S, 459. Vita Hadriani I., Liber Pontificalis. I, S. 498. Codex Carolinus, Nr. 7, MGH Epp. III, S. 492f. Codex Carolinus, Nr. 11, MGH Epp. III, S. 505.

Promissiones donationis – Schenkung oder restitutio ?

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lis wiedergegebenen Zwischenspiel.94 Nach dem Stand des oströmisch-byzantinischen Friedensvertrages von 680 war das Exarchat, das auch die beiden Dukate Rom und Venedig umfaßte, oströmisch geblieben. Weder die fränkischen noch die päpstlichen Quellen gehen nach dem Aufbruch Stephans II. nach Francien noch weiter auf diese zumindest ehemaligen kaiserlichen Rechte ein, sondern sprechen lediglich von päpstlichen bzw. petrinischen iustitias etc. und davon, daß dem hl. Petrus etwas versprochen oder übergeben wurde. Der Kaiser nahm es aber offenbar nicht stillschweigend hin, daß über Gebiete verfügt wurde, die vor der Eroberung durch Aistulf unter seiner Herrschaft gestanden hatten, sondern entsandte 756 die erwähnte Gesandtschaft an Pippin mit der Bitte um Rückgabe der Gebiete an ihn, was Pippin, wie dargelegt, ablehnte, asserens isdem Dei cultor mitissimus rex nulla penitus ratione easdem civitates a potestate beati Petri et iure ecclesie Romanae vel pontifici apostolice sedis quoquo modo alienari; adfirmans sub iuramento quod per nullius hominis favorem sese certamini sepius dedisset, nisi pro amore beati Petri et venia delictorum; asserens et hoc quod nulla eum thesauri copia suadere valeret quod semel beato Petro obtulit auferret.

e. Der Vollzug Den ersten Schritt zum Vollzug des Versprechens Pippins bildete der Vertrag von 754, dem als zweiter Schritt die Erneuerung in dem zweiten Vertrag von 756 folgte. Denn darin verpflichtete sich Aistulf gegenüber Pippin und dem Papst u. a., das Exarchat und seine Städte herauszugeben und an den Papst zu übertragen. Dem entspricht auch die Darstellung der fränkischen Quelle, wonach Aistulf nur gegenüber Pippin u. a. das Versprechen gab, Genugtuung für das Unrecht gegenüber dem Apostolischen Stuhl zu leisten et quicquid contra Romanam ecclesiam vel sedem apostolicam contra legis ordine fecerat, plenissima solutione emendaret. Die Beteiligung Aistulfs legte die rechtliche Voraussetzung, neben der tatsächlichen durch Pippins Sieg, für die Verwirklichung der donatio. Erst jetzt war Pippin in der tatsächlichen wie auch rechtlichen Lage, seinem territorialen Versprechen von Quierzy nachzukommen. Da dies aber erst beim zweiten Versuch, und dann auch nur zum Teil gelang, also noch Reste in der Hand Aistulfs bzw. des Desiderius verblieben, der vor seiner Erhebung schriftlich versprochen und beeidet hatte, Aistulfs Vertragspflichten zu erfüllen, die Gebiete herauszugeben, blieben insofern noch fortdauernde Pflichten Pippins bestehen, dafür zu sorgen, daß Aistulf bzw. Desiderius ihre eigenen Pflichten gegenüber dem Papst erfüllten. Eben dies wurde dann auch immer wieder von Stephan II. angemahnt. Pippin hatte durch die dreiseitigen Verträge von 755 und 756 nunmehr aus der donatio eine Garantenstellung, um deren Einhaltung durch die langobardischen Könige zu verlangen.95 Die praktische Umsetzung, der dritte Schritt, stützte sich dann auf die Listen der beiden Verträge, die in einer pagina scripta die zugunsten des hl. Petrus, der Römischen Kirche und aller zukünftigen Päpste zu übergebenden Gebiete und Städte enthielten. Aber erst 756 kam es zu dem jedenfalls teilweisen Vollzug, der in mehreren 94 95

Vita Stephani II., Liber Pontificalis, I, S. 452 f.; oben S. 112. Fred. chron. cont., c. 37 (120), S. 183f.

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Phasen vor sich ging. Die Reichsannalen berichten dieses Mal ausdrücklich, daß Pippin Ravenna und die Pentapolis erobert und das gesamte Exarchat an den Papst übergeben habe.96 Nach dem päpstlichen Bericht handelte es sich aber wohl nur um eine Teilübergabe.97 Pippin beauftragte den Abt Fulrad. Dieser traf sich mit Abgesandten Aistulfs im Gebiet Ravennas, Ravennatium partes. Mit ihnen besuchte er jede einzelne civitas in der Pentapolis und der Emilia und erhielt sie von ihnen übertragen, ingrediens civitates, ... , easque recipiens. Er begab sich mit Geiseln, den Häuptern, primatos, und den Schlüsseln einer jeden Stadt nach Rom. Dort wurden die Schlüssel der Stadt Ravenna, die als urbs bezeichnet wird, und der anderen Städte des Exarchats una cum suprascripta donatione de eis a suo rege emissa in der confessio des hl. Petrus niedergelegt. Der Bericht schließt eidem Dei apostolo et eius vicario sanctissimo papae adque omnibus eius successoribus pontificibus peremiter possidendas atque disponendas tradidit. Es folgt eine Aufzählung von insgesamt 22 Städten und einer Burg, davon eine aus dem Herzogtum Spoletto. An der Spitze steht Ravenna. Die hier genannte donatio ist nicht die von Quierzy, sondern die laut der Vita Stephani in Pavia 756 erstellte Liste, De quibus omnibus receptis civitatis donationem in scriptis ... emist; que et usque actenus in archivo sancte nostrae ecclesiae recondta tenetur Der Vorgang ist rechtlich schwer zu deuten. Aus heutiger Sicht bietet sich folgendes Verständnis an. Fulrad empfing, recipiens, die Städte als Beauftragter Pippins für die Durchführung des Vertrages von 756. Zunächst war also damit Pippin neuer Träger der Herrschaft. Fulrad übergab, tradidit, dann die Schlüssel als Symbol für die Städte dem hl. Petrus auf immer und ewig. Damit war der Übergabevorgang abgeschlossen. Jedenfalls insoweit hatte Pippin die donatio vollzogen und seine Garantenpflicht gegenüber dem Papst für die Versprechen Aistulfs an den Papst erfüllt. Aber da die Übergabe nicht das ganze Exarchat umfaßte, so fehlten noch Ferrara, Bologna u. a. in dessen westlichen Teil, bestand insoweit Pippins Garantenpflicht weiter. Er scheint sich auch durch Fulrad bei Desiderius bemüht zu haben, ihr nach zu kommen. Zunächst, so schien es, mit Erfolg in bezug auf Ferrara und Bologna, die der neue Langobardenkönig dem Papst übergab. Da jedoch Desiderius das Versprechen von 757, weitere Städte durch oder über Fulrad an den Papst zu übergeben, nicht vollzog, blieb insoweit Pippins Garantenpflicht bestehen.

f. Rechtsgrundlagen Aus den Texten der Quellen lassen sich Vorstellungen über die Rechtsgrundlagen für das Versprechen zur Übergabe der vor der Eroberung durch Aistulf nicht-päpstlichen Gebiete des Ravennates an den hl. Petrus und die Kirche nicht unmittelbar entnehmen, sondern allenfalls rekonstruieren. Da jedoch die Päpste schon lange vorher Ansprüche auf diese Gebiete erhoben hatten, könnte es für Pippin und seine Nachfolger rechtlich eine „Rückgabe“ gewesen sein.98

96 97 98

Ann regni Franc. ad a. 756. Vita Stephan II., Liber Pontificalis, I, S. 453. Noble, Republic, S. 54, S. 94f., S. 40.

Promissiones donationis – Schenkung oder restitutio ?

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Die Reichsannalen berichten zwar von der Eroberung und der anschließenden Übergabe des Exarchats, jedoch ging nach demselben Bericht die Bestätigung des früher gegebenen Versprechens durch Pippin voraus. Es wird also nicht ein Recht aus der Eroberung, ein ius proelii wahrgenommen. Die tatsächliche Eroberung bietet hiernach nur die tatsächliche Grundlage für den Vollzug dieses Versprechens. Pippin versprach die Übertragung von Gebieten, die er nicht bzw. noch nicht in seiner Verfügungsgewalt hatte. Er selbst hatte zu dem Zeitpunkt auch seinerseits keinen Anspruch auf diese Gebiete. War das Versprechen überhaupt rechtlich verbindlich? Die Päpste als Empfänger des Versprechens im Namen des hl. Petrus vertraten eindeutig diese Auffassung. Ein rechtlicher Ansatz bietet sich aus dem Begriffsgebrauch der päpstlichen Quellen. Diese sprechen stets von einer restitutio der Gebiete, nicht nur für das Dukat oder das Patrimonium Petri, sondern gerade auch für das Ravennat. Es handelt sich also demnach aus päpstlicher Sicht nicht um eine „Schenkung“, sondern um die Wiederherstellung des Rechts an diesen Gebieten. Auch Pippin scheint von einem Recht der Päpste auf dasselbe ausgegangen zu sein, wenn er die Rückgabe der Gebiete des Exarchats unter eine direkte oströmische Herrschaft unter Berufung auf die potestas des hl. Petrus und das Recht der Kirche auf diese Gebiete verweigerte. Worauf dieses aber bezüglich des Exarchats beruhte, bleibt offen. Das Versprechen von Quierzy und der Vertrag von 755 konnten es nicht begründet haben. Denn sie waren gerade gegeben worden, um bestehendes, aber durch Aistulf gestörtes päpstliches Recht zu realisieren. Man kann also, folgt man dieser päpstlichen Quelle, eine Vorstellung Pippins unterstellen, daß er die berechtigten Ansprüche des hl. Petrus und des Apostolischen Stuhles erfüllen wollte, so wie diese sie geltend machten. Er versprach daher in den Formulierungen der päpstlichen Quellen eine Rückgabe, eine Restitution. Denn Pippin hatte das Versprechen bezüglich der Gebiete nicht dem Papst, sondern dem hl. Petrus, dem Fürsten der Apostel gegeben.99 Der Papst war nur als vicarius, also als Vertreter, Empfänger des Versprechens. Die potestas des hl. Petrus, die letztlich hinter den iura des apostolischen Stuhles stand, wäre danach für Pippin maßgebend und hinreichend gewesen. Dies ist eine stringente rechtliche Begründung für das Versprechen Pippins, die genannten Gebiete dem hl. Petrus, der römischen Kirche und dem apostolischen Stuhl und damit den Päpsten zu übertragen. Ob Pippin sich diese päpstliche Auffassung so zu eigen gemacht hat, ist nicht eindeutig festzustellen, da nur päpstliche Quellen, Papstviten und die im Codex Carolinus überlieferten Papstbriefe, genauer berichten. Zwar gehen auch die fränkischen Quellen davon aus, daß Pippin nach Italien gezogen sei iustitiam beati Petri apostoli quaerendo.100 Aber es wird nicht präzisiert, wie weit diese reichten. Aber dieser Bericht ist, wie mehrfach hervorgehoben, im Nachhinein

99

100

Die folgenden Ausführungen stützen sich vor allem auf die Darlegungen Bertolinis, Origini, S. 249ff. Ann. regni Franc. ad a. 755; die Fortsetzung der Fredegarchronik bezieht sich auf den hl. Petrus in schwächerer Form und ordnet die Rechte der Romae ecclesiae und der apostolicae sedis zu, Fred. chron. cont., 36 (119), S. 193, Z. 15f. und 37 (120), S. 184, Z. 22f.

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Unterwerfung – Eroberung – Verfügung

um 790 entstanden.101 Folgt man dieser Begründung, gelangt man zur Rechtmäßigkeit der promissio donationis Pippins, nicht als Verfügung über „fremdes“, durch Eroberung erlangtes Gebiet, als „Schenkung“, sondern als Wiederherstellung des durch Aistulf gestörten Rechts, auch für Ravenna und die Pentapolis. Aber da dieses Gebiet vor der Eroberung durch Aistulf unter oströmischer Herrschaft des Exarchen stand, bleibt eine unauflösbare Diskrepanz, die aber um 790 niemanden mehr interessieren mochte. Eine andere Begründung könnte aus der Stellung Pippins als patricius Romanorum folgen. Es handelt sich jedoch in der Logik des hier vertretenen Ansatzes um ein kirchliches Patriziat, verliehen durch den Apostelfürsten, das der Papst kraft der Autorität des Stellvertreters Petri auf die Frankenherrscher übertragen hatte.102 Pippin stand danach als patricius Romanorum nicht in der Tradition des kaiserlichen patricius, sondern es war für ihn und seine Söhne die Stellung eines neuen, petrinisch-kirchlichen patricius geschaffen worden. Es handelte sich nicht um einen kaiserlichen Titel. Aber auch ein solcher Titel hätte dem fränkischen König keine Verfügungsbefugnis über ehemals kaiserliches Gebiet eingeräumt. Pippin selbst bezog sich zudem nie auf diesen Titel. Aber auch wenn man bei Papst und König die Vorstellung unterstellt, Pippin hätte als patricius Romanorum des Apostelfürsten eine weltliche Gewalt innegehabt, die ihm das Recht und die Aufgabe zuwies, die territoriale restitutio entsprechend der potestas beati Petri und den Rechten der ecclesiae Romanae vorzunehmen, auf die er sich gegenüber den kaiserlichen Gesandten berufen hatte, so erscheint doch zweifelhaft, ob das für das Ravennat gelten konnte. Denn die ravennatischen Gebiete hatten vor der langobardischen Eroberung 751 nicht unter der potestas des Apostelfürsten und dem Recht des apostolischen Stuhles gestanden, konnten ihm also eigentlich gar nicht restituiert werden. Der Konflikt könnte sich durch die Annahme lösen, Pippin habe die byzantinischen Rechte nicht grundsätzlich in Frage gestellt, sondern die Gebiete dem hl. Petrus und dem Papst zur „Ausübung der Reichsverwaltung“ übertragen wollen.103 In der Tat hatten sich die Päpste zu Pippins Zeiten noch nicht völlig aus dem Verband des byzantinischen Reiches gelöst. Jedoch sprechen einige Argumente dagegen. Die Gebiete sollten dem hl. Petrus, dem Apostelfürsten und dem Papst als dessen vicarius übergeben werden, nicht aber als vicarius des Kaisers. Es ist kaum anzunehmen, daß der hl. Petrus in diesen Gebieten die Reichsgewalt des Kaisers auszuüben gesonnen war, bzw. daß die Päpste Stephan II. bis Stephan III. die Übertragung an den hl. Petrus so verstanden. Keiner der Briefe der drei Päpste an Pippin und der späteren Briefe Stephans III. und Hadrians I. an Karl und Karlmann läßt einen Zweifel, daß sie nur im Namen des hl. Petrus und als dessen vicarius handelten und Rechte an sich, nicht aber für den Kaiser, einforderten. Der Papst wollte die Gebiete wohl auch eher gegen den Kaiser als für den Kaiser verwalten; d. h. ihm war an ihnen gelegen, um sich von kaiserlichen Pressionen vor allem aus dem Exarchat zu befreien.104 101 102 103 104

Wattenbach-Levison-Löwe, Geschichtsquellen, S. 250. Bertolini, Origini, S. 251; oben S. 185ff. So Classen, Karl der Große, S. 8. So wohl Jarnut, Quierzy, S. 281f.

Promissiones donationis – Schenkung oder restitutio ?

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Zudem hatte, worauf Bertolini zutreffend hingewiesen hat, Stephan II. seine Politik zwischen dem Besuch bei Aistulf und dem bei Pippin im Grundsatz geändert. Er hatte bei Aistulf im Namen und im Auftrag des Kaisers Konstantins V. die Rückgabe der eroberten Gebiete an den Kaiser eingefordert, bei Pippin aber an die Stelle des Kaisers den Apostelfürsten, den hl. Petrus gesetzt. Der Grund für diesen Wechsel sei, so Bertolini, in den in dieser Zeit verstärkten Bemühungen des Kaisers zur Durchsetzung des Bilderverbots auch durch das Konzil von 754 in Konstantinopel zu finden. Eine restitutio der Gebiete an den Kaiser hätte u. U. dessen Druck auf den Papst, der gegen das Bilderverbot stand, verstärkt.105 Es ging dem Papst danach also – jedenfalls auch – um den Schutz der römischen Kirche, ihrer Gläubigen aber auch seiner selbst vor der Häresie. Zum Schutz der Herde der christlichen Gläubigen sei aber der Apostelfürst als der wahre Herr bestellt, so daß die restitutio an ihn erfolgen müsse. Pippin könnte bei der Abgabe des Versprechens 754 als präsumptiver Sieger und bei dem Vollzug 756 doch nach ius proelii gehandelt haben. Denn er konnte das Versprechen nur realisieren, wenn er Aistulf, den Inhaber dieser Gebiete besiegen würde. Das trat 755 ein. Aistulf hatte sich seiner dicio unterworfen und ihm außerdem versprochen, das Unrecht gegenüber den Päpsten aufzuheben. Dann müßte aber Aistulf Inhaber der Herrschaft im Exarchat gewesen sein. Er war Eroberer und hatte in Ravenna geurkundet, also Herrschaftsakte gesetzt. Hatte das gereicht, um die Kaiser der Herrschaft zu entsetzen? Diese waren offenbar anderer Auffassung, da sie von Pippin die Rückgabe an sie erwarteten. Ging Pippin aber davon aus, so wäre er mit der Unterwerfung Aistulfs unter seine dicio durch die Oberherrschaft und die Eroberung des Exarchats 756 seinerseits verfügungsberechtigt geworden und konnte so sein Versprechen, die donatio erfüllen. Aber auch hier genügte anscheinend die Eroberung, d. h. das bloße „Recht des Siegers“ wohl nicht. Der Vertrag bzw. die Verträge mit Aistulf mußten hinzutreten, zumal dieser die Gebiete herausgeben, bzw. an der Übertragung über Fulrad mitwirken mußte. Faktizität und Normativität standen in einem Wechselverhältnis.

g. Karl der Große Die Erneuerung der Pippinschen Urkunde durch Karl ging nach der hier vertretenen Auffassung weit über die donatio Pippins hinaus. Für ihn stellte sich jedoch die rechtliche Lage 774 in doppelter Weise anders dar als für Pippin 754 bis 756. Für das Exarchat handelte es sich um eine Bestätigung und Erneuerung der donatio Pippins. Für die Erweiterungen hingegen muß noch einmal nach Rechtsgrundlagen gefragt werden. Zum einen kann auch hierfür die Konstruktion der restitutio herangezogen werden, wenn sie auch nicht mehr so nachdrücklich geltend gemacht wurde. Wenn die hier gemachte Unterstellung zutrifft, daß Karl und Hadrian schon vor der Niederlage des Desiderius davon ausgingen, daß der fränkische König nach dem 105

Konstantin V. war in den Augen des Papstes zudem Häretiker. Es könnte daher sein, daß er nach einer älteren, bei Augustin in bezug auf die Donatisten entwickelten Theorie, das Eigentum bzw. die Herrschaft verloren hätte. Aber darüber findet sich keine Andeutung, so daß davon nicht ausgegangen werden kann.

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Unterwerfung – Eroberung – Verfügung

Sieg die Herrschaftsgewalt über das langobardische Königreich an sich ziehen würde, kann außerdem die damit gewonnene, eigene Verfügungsgewalt über die nunmehr seiner Herrschaft unterstehenden Gebiete herangezogen werden. Die Rechtmäßigkeit der Übernahme der langobardischen Königskrone ergab sich für ihn, wie dargelegt, aus dem Vertrags- und Treubruch des Desiderius und der Unterwerfung der Langobarden unter Karls Herrschaft. Die Herzogtümer Spoletto und Benevent standen schon in einer wechselhaften Beziehung zum Papst. Insoweit war Karls Versprechen ebenfalls eine Bestätigung und zudem die Zusage einer Unterstützung gegen Versuche der Loslösung. Die Frage bleibt nach Venedig und Istrien. Diese waren inzwischen wohl endgültig aus dem Exarchat ausgeschieden, standen aber 774 als Dukat etc. noch unter oströmischer Hoheit. Desiderius hatte sie nicht erobert. Karl seinerseits erwarb sie erst wesentlich später und übertrug sie dann auch keineswegs an den hl. Petrus und Papst Leo III. Auf welcher Grundlage Karl dafür 774 sein Donationsversprechen abgeben konnte, ist nicht zu erklären, es sei denn, man greift auch insoweit auf die erwähntem älteren Rechtsbehauptungen der Päpste zurück. Vielleicht begannen sich bereits Wirkungen der Großfälschung des constitutum Constantinum bemerkbar zu machen, wenn es auch nirgendwo in Bezug genommen wird.

h. Pactum Hludovicianum Auch das Pactum Hludovicianum von 817 umfaßte in den ersten Teilen nur Gebiete, die entweder bereits dem Papst unterstanden, vor allem die Stadt Rom und den Dukat selbst, Teile Campaniens, das Exarchat, so wie Pippin und Karl es per donationis paginam restituerunt, das Territorium von Sabina, sicut a ... Karolo ... beato Petro apostolo per donationis scriptum concessum, Teile der langobardischen Toskana. Bemerkenswert ist, daß Ludwig nur auf das Exarchat auf die vorhergehenden donationes Pippins und Karls des Großen Bezug nimmt und für die Sabina allein auf eine solche Karls. Im übrigen handelt er offenbar allein aus seiner herrschaftlichen Position über Rom und Italien. Die donatio der civitates Campaniens, der Patrimonien Benevent und Salerno könnte auf seiner überkommenen Herrschaft oder doch Oberhoheit über die langobardischen Herzogtümer beruhen. Die donatio Calabriens und Neapels in cap. 5 beschränkte Ludwig ausdrücklich in partibus regni atque imperii a Deo nobis commissi. Die noch oströmischen Teile wurden also nicht umfaßt. Die Rechtsgrundlagen für die donatio der Inseln Korsika, Sardinien und Sizilien in cap. 4 zusammen mit civitates der langobardischen Toskana ist, anders als für diese, zweifelhaft zu rekonstruieren. Denn diese waren außer Korsika wohl nicht Teil des langobardischen Tuskiens, jedenfalls nicht alle. Sardinien war wohl bereits arabisch, Sizilien zu diesem Zeitpunkt jedenfalls noch oströmisch. Hatte Ludwigs Versprechen insofern eine symbolische Bedeutung in Hinblick auf eine kaiserliche potestas, die auch das nicht von ihm beherrschte oder kontrollierte Italien umfassen sollte? Stand dahinter als jedoch nicht erwähnte Grundlage das Constitutum Constantinum, das um diese Zeit in der päpstlichen Politik eine Rolle zu spielen begann, und das Stephan IV. vielleicht in Reims in die Verhandlungen eingebracht und Ludwig akzeptiert hatte?

Promissiones donationis – Schenkung oder restitutio ?

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Die Quellen sagen dazu nichts. Die Urkunde Ludwigs bezieht sich nicht darauf. Sie erscheint allein als eine Emanation seiner kaiserlichen Stellung.

i. Folgerungen Die Übertragung des Exarchats bzw. Teile desselben an die Kirche war in der Vorstellung der Zeit keiner rechtlichen Frage wert. Der Versuch, die Vorstellungen der Zeit aus heutiger Sicht zu rekonstruieren, stößt auf einen engen Zusammenhang von religiös-kirchlicher und eher säkularen Begründungen. Insgesamt scheint im Rückblick für den heutigen Betrachter der promissio donationis Pippins und deren Vollzug ein diffuses Zusammenspiel verschiedener rechtlicher Grundlagen die Übertragung auch der civitates im Ravennat getragen zu haben. Die potestas des hl. Petrus verbunden mit den iustitias der römischen Kirche und das Recht aus der Oberhoheit Pippins, d. h. seiner dicio über Aistulf, könnten die allenfalls angedeutete rechtliche Begründung für den Vorgang sein, der den Autoren der Quellen und wohl auch den Handelnden selbst selbstverständlich und daher fraglos rechtens war. Aber das bedeutet dann auch, daß nicht allein der Sieg über Aistulf als solcher, sondern eben normativ-rechtliche Grundlegungen notwendig waren, um solche Gebietsverschiebungen vornehmen zu können, sei es eine restitutio der verlorengegangenen iura oder iustitias des Papstes oder das durch Listen konkretisierte, vertragliche Versprechen Aistulfs in Verbindung mit einer vertraglichen Garantenstellung Pippins, oder der rechtlich legitimierte Erwerb der Herrschaft. Bloße Eroberung allein reichte offenbar nicht aus. Ein territoriales ius proelii wird in den Quellen nur einmal, bei der Inbesitznahme der aquitanischen Stadt Bourges durch Pippin als Rechtsgrundlage genannt. Ob es ein allgemein geübtes Recht darstellte, das auch die Aneignung umfangreicher, im Krieg eroberter Landstriche gestattete, läßt sich daher nicht klären. Andererseits legten die Päpste stets auf die promissiones donationis der Karolinger und die Übertragungsakte Wert.

Te il IV: O rd o – Pa x – Am i c i t i a 1. Ka pit e l: Ordo I. G ru n d l eg u n g en a. Ordo Ut non conturbaretur ordo, per auctoritatem apostolicam iussit Pippinum regum fieri.1 Diese Begründung der Reichsannalen für den mit päpstlicher Billigung vollzogenen Dynastiewechsel von 749 verweist auf die grundlegende Vorstellung einer Gesamtordnung der Welt, auch der politisch-herrschaftlichen. So führen die Darlegungen zu Formen, Instituten, Normen und Inhalten der rechtlichen Gestaltung der Beziehungen der fränkischen Herrscher zu anderen Herrschern zu der Frage, welcher Art dieser ordo, die Konzeption einer Gesamtordnung dieser Welt, eines ordo mundi sei und wie diese Institute, Normen und Inhalte in diesen ordo eingebettet sind. 2 Die Ordnung der Welt ruht im letzten Grunde in dem ihr von Gott als seiner Schöpfung eingestifteten und mitgegebenen ordo. Sie bestimmt sowohl die reale Schöpfung selbst, als auch die Ordnung der menschlichen Verhältnisse. Menschliches Streben muß darauf gerichtet sein, die Ordnung der Schöpfung, der Welt zu erkennen, sichtbar zu machen, darzustellen, und in der Ordnung der menschlichen Verhältnisse zu erfassen und zu realisieren.

b. Die Welt und ihr Abbild Das Konzept der in der göttlichen Schöpfung präformierten Ordnung der Welt prägt, so hat Brigitte Englisch in einer eingehenden Untersuchung der mappae mundi des Mittelalters und in besonderer Weise der oben vorgestellten sogenannten Isidorkarte von 775 gezeigt, auch das Abbild der Welt oder der Erde in diesen Weltkarten.3 Es geht zwar um die Ordnung des Abbildes und nicht um die Ordnung der Welt selbst. Aber das Abbild soll die präformierte Ordnung der Schöpfung durch seine eigene Ordnung in der Zentrierung um das Mittelmeer und der kreisförmigen Anordnung der drei Weltteile Asien, Europa und Afrika mit den Landbrücken widerspiegeln. Ausgehend von der Frage, wie die mittelalterliche Vorstellung, daß „Aufbau und Gestaltung der Welt ... Ausdruck der präfigurierten Präsenz Gottes in seiner geordneten Schöpfung“ sei, in den Darstellungen oder Abbildern der Erde „Ausdruck verliehen wurde“, hat Englisch 2002 den Versuch unternommen, den inneren Aufbau der 1 2

3

Ann. regni Franc. ad a. 749. Ewig, Abwendung, S. 25: „Die päpstliche Antwort beruht auf dem Ordogedanken der Väter, nach dem sich Name und Sache in der göttlichen Wahrnehmung entsprachen.“ Oben S. 4ff.; Englisch, Ordo orbis terrae. Den folgenden Erörterungen liegen ihre Ergebnisse zugrunde.

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Ordo

hier wiedergegebenen mappa mundi von 775, ihr „Abbildungsprinzip“ selbst herauszufinden.4 Denn die Karte muß einerseits ein Abbild der Erde sein, die Gott geschaffen hat, zum anderen „vom Ordo als Ausdruck des uneingeschränkten Wirkens des Schöpfergottes Zeugnis“ ablegen.5 Englisch findet dieses Zeugnis niedergelegt in geometrischen Figuren, die der Karte als Grundschema zugrunde liegen, sie tragen: ein gleichseitiges Dreieck, drei konzentrische Kreise, sowie eine Einteilung der Kreise in 12 Linien, die durch ihren gemeinsamen Mittelpunkt hindurchgehen und sie in 24 gleiche Sektoren teilen. Sie bilden ein strahlenförmiges Gitter, in das sich die Abbildung einfügt. Das erlaubt, wenn auch nicht wie das quadratische Gitternetz der modernen Kartographie, genauere Bestimmungen der Lage eines Ortes auf der Karte. Es wird also nicht versucht, die Schönheit und Vollkommenheit der Welt selbst unmittelbar darzustellen, sondern diese wird mittelbar, gewissermaßen verborgen durch die Konstruktion der Karte, also das innere Prinzip des Abbildes der Welt zum Ausdruck gebracht. Das Abbildungsprinzip greift zurück auf die auch diese Epoche bestimmende Vorstellung, daß sich der in dem Schöpfungsakt Gottes grundgelegte ordo in Form und Zahl manifestiert. Durch sie wird das Universum in seinem Aufbau und seiner Struktur enthüllt. Diese Konzeption, die wiederum von Augustinus grundgelegt und in unserer Epoche, u. a von Alcuin vertreten wurde, ist hier nicht näher auszuführen.6 In unserem Zusammenhang ist von Bedeutung, daß Englisch sie aus der Deutung der Weltordnung auf die Abbildung der Welt in den Karten überträgt und nach ihrer Auffassung „in einer internen Gliederung nach Form und Zahl – als Ausdruck einer geordneten Weltdeutung des mittelalterlichen Menschen – der Schlüssel zur Enträtselung der mittelalterlichen Weltkarten“ zu sehen ist.7 Diesen Ansatz hat sie zuerst an der sogenannten Isidor-Karte entwickelt und das Ergebnis der Untersuchungen in zwei Schemata niedergelegt.8 Zunächst hat sie die Karte gesüdet, so daß Afrika im Süden und Asien im Osten liegen sowie Europa sich in einem Kreisbogen vom Westen nach Norden zieht. Die Mitte dieser Karte bildet Kreta. Die Insel ist die geometrische Mitte des gleichseitigen Dreiecks, dessen obere Spitze Konstantinopel, linke Spitze Karthago und rechte Spitze der Punkt SP (Schnittpunkt) bilden. Auf der Mitte der Seite Karthago – SP liegt Alexandrien, auf der Mitte der Seite (SP) – Konstantinopel liegt Jerusalem. Durch je eine durch den Mittelpunkt gezogene Linie sind Konstantinopel mit Alexandrien, sowie Karthago mit Jerusalem verbunden. Diese Linie setzt sich fort nach Babylon, gewissermaßen ein Gegenort zu Jerusalem. Außerhalb des Dreiecks liegt Rom. Aber diese Stadt wird durch den zweiten konzentrischen Kreis über den Eckpunkten des Dreiecks einbezogen und so mit Karthago, Babylon und Konstantinopel verbunden. Ausgenommen Babylon handelt es sich bei den genannten Orten um Patriarchensitze bzw. mit Karthago um einen sehr

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Englisch, Ordo orbis terrae, insbesondere S. 123ff. Englisch, Ordo orbis terrae, S. 67ff. Dazu Haubrichs, Ordo als Form, S. 23ff. Englisch, Ordo orbis terrae, S. 72. Englisch, Ordo orbis terrae, S. 135ff.

Grundlegungen

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Abb. 2: Basiskonstruktion der Vatikanischen Isidorkarte, aus: Brigitte Englisch: Ordo orbis terrae. Die Weltsicht in den Mappae mundi des frühen und hohen Mittelalters. Orbis mediaevalis. Vorstellungswelten des Mittelalters, Band 3. Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Akademie Verlages, Berlin 2002.

bedeutsamen zentralen Bischofssitz in Afrika.9 Es fehlt Antiochien; aber dieses alte Patriarchat war bereits muslimisch. Die drei Mittellinien gehören zu dem Liniensystems von 24 Strahlen oder 12 Linien, die durch den Mittelpunkt der Karte gezogen sind. Im Ergebnis zeigt Englisch, daß diese Karte zwar keine Karte mit religiösen Inhalten ist, ausgenommen die Angabe des Ortes des Paradieses am östlichen Rand, wohl aber eine religiös konzipierte Karte der natürlichen Erscheinungen der Erde, der Welt. Sie stellt die reale Welt dar, aber da sie diese als Schöpfung Gottes begreift, bringt sie das in dem tragenden geometrischen Prinzip der Abbildung zum Ausdruck. Die Welt ist als Gottes Schöpfung ein geordnetes Ganzes, eine Einheit. 9

Auch Karthago war im Ausgang der Antike bis in das 5. Jahrhundert zumindest noch der bedeutendste Bischofssitz Afrikas, steht also wohl für dieses.

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Ordo

Indem das Abbildungsprinzip sich an den alten Orten festmacht, verknüpft die Darstellung der Welt die natürliche Schöpfungsordnung mit der Ordnung der vom Menschen gemachten Welt, d. h. mit der Ordnung der menschlichen Verhältnisse auf Erden. Diese Ordnung wird gemäß dem Verständnis der Zeit nicht an den neuen Erscheinungen, sondern in alten gewachsenen Orten des Weltgeschehens sichtbar. Aber weder die alte Gottesstadt Jerusalem noch das antike politische Zentrum Rom, noch die Stadt der christlich-römischen Kaiser, Konstantinopel, nehmen die zentrale Stellung ein. Sie sind aber durch das gleichseitige Dreieck bzw. den mittleren Kreis miteinander verbunden, bilden also die Grundstruktur der Ordnung. Dabei nimmt zwar Konstantinopel gegenüber Rom und Jerusalem eine herausragende Position ein, da es sowohl an der oberen Spitze des gleichseitigen Dreiecks als auch auf dem Kreis liegt. Eine ähnliche Position kommt auch Karthago zu, allerdings nicht auf der oberen Spitze des Dreiecks, sondern an der linken. Da Konstantinopel noch politisches Zentrum der Welt war, jedenfalls ihres christlichen Teiles, ist nicht auzuschließen, daß diese Positionierung der aktuellen Kaiserstadt einen Vorrang, gar eine beherrschende Stellung zuordnen soll oder will. Aber nicht die politischen, sondern die geistlich-religiösen Zentren der Welt, der Ökumene, die Patriarchate bilden deren Grundstruktur. Sie tragen die Welt.

c. Die herrschaftliche Weltordnung In der zeitgenössischen Literatur des 8. und 9. Jahrhunderts findet sich keine theoretische Abhandlung zur Gestaltung der Ordnung zwischen den Herrschern und deren Grundlagen. Zwar hat Einhard in seiner Vita Karoli berichtet, daß Augustins De civitate Dei zur Lieblingslektüre Karls des Großen gehört habe, woraus zu schließen ist, daß dieses Werk in unsrerer Epoche bekannt war.10 Aber einen ausdrücklichen, faßbaren Niederschlag hat das Werk in der Literatur der Zeit kaum gefunden. Vielmehr muß auch die allgemeine Ordnungsvorstellung indirekt aus den Darstellungen und Äußerungen der bekannten Quellen, Annalen, Briefen, Fürstenspiegeln, Traktaten zu bestimmten Fragen, wie den Libri Carolini, Gebetsmeinungen und ähnlichen Quellen erschlossen werden. Deren Autoren, so vor allem Karl selbst, sowie die Mitglieder der karolingischen Hofakademie, auch Bischöfe und Äbte, die außerhalb residierten, gehörten zur geistigen und politischen Führungsschicht. Aus ihren Schriften läßt sich nicht nur für die innere Ordnung des politischen Gemeinwesens, für das fränkische Reich und seine Regierung, sondern auch für die äußere Ordnung der Beziehungen zwischen den Mächten eine tragende Vorstellung rekonstruieren. Das karolingische Zeitalter steht in vielerlei Hinsicht, vor allem religiös und philosophisch, in der Tradition der christlichen Antike, wenn es dieser auch entscheidende eigene Elemente hinzufügte. Zu dieser Tradition gehörte die Vorstellung einer gewissen heilsgemäßen Ordnung der Welt, des ordo, in dem alle ihren und alles seinen, ihm zugewiesenen Platz hatte. Nicht nur durch die Königserhebung Pippins, sondern wohl auch durch die Erhebung Karls zum Kaiser sollte die seit dem Untergang des weströ-

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Einhard, Vita Caroli, cap. 24.

Grundlegungen

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mischen Reiches gestörte oder doch unvollständige Ordnung im Westen wiederhergestellt werden. Der Begriff ordo hat seine Bedeutung in der abendländischen Philosophie und im politischen Denken durch Augustin erlangt.11 In unserer Epoche wird allerdings dieser Begriff selbst nicht weiter diskutiert und entwickelt. Er wird vorausgesetzt. Es ist hier nicht der Ort, auf diese Vorstellungen im allgemeinen näher einzugehen. Die ordoVorstellungen von der ausgehenden Antike bis in das Mittelalter beziehen sich in der Regel nicht unmittelbar auf die Beziehungen zwischen den politischen Mächten, erfassen diese nicht selbst als solche. Aber indirekt berühren sie auch diese, bestimmen sie sogar, zum einen durch die Unterscheidung der beiden „Gewalten“, der geistlich-spirituellen und der weltlich-herrscherlichen Sphäre, deren je eigene Institutionalisierung in den politischen Mächten einerseits und der Kirche andererseits und deren Verhältnisbestimmungen, zum anderen durch die Bestimmung der pax und concordia, des Friedens und Einmütigkeit als Grundlage des ordo. Eine praktische konkrete Verwirklichung der allgemeinen pax findet sich in der jeweils konkreten amicitia und caritas, die sowohl der geistlich-spirituellen als auch der weltlich-herrscherlichen Sphäre angehört. Ordo est parium dispariumque rerum sua cuique loca tribuens dispositio, definiert Augustinus in Anlehnung an Cicero.12 Bereits in einer Frühschrift De ordine hatte sich Augustinus in systematischer Weise mit einer christlichen Ordnung beschäftigt.13 Die Ordnung des Universums als einem gestuften Ganzen hat ihren Grund im göttlichen Denken. Sie ist einsehbar, da vernunftgemäß gestaltet. Diese Ordnung erzeugt prinzipiell die concordia und dadurch die pax. Diese bildet die inhaltliche Grundlegung des ordo auch der Zwischen-Mächte-Beziehungen, die im folgenden Kapitel zu erörtern sein wird. Die Ordnung ist grundsätzlich dualistisch. Es werden die weltlich-politisch-rechtliche und die religiös-spirituell-kirchliche Sphäre unterschieden. Sie sind auch grundsätzlich institutionell getrennt mit den Trägern weltlicher Herrschaft und den Trägern der geistlichen Gewalt andererseits. Die Erzählung vom Zinsgroschen, die in dem Satz Jesu endet „Gebt Gott was Gottes und dem Kaiser was des Kaisers ist“, ist dafür grundlegend.14 Die spätere Ausgestaltung in der Lehre der zwei Gewalten ist auch für die hier behandelte Epoche maßgebend. Sie trägt und beeinflußt die normative Ordnung der Beziehungen zwischen den politischen Mächten. Die Konzeption der Sphären selbst und ihres grundlegenden Verhältnisses, die Gestaltung ihrer Verknüpfungen und Verbindungen institutioneller und personaler Art haben eine komplexe Ordnung der Normativität der Zwischen-Mächte-Beziehungen zwischen den christlichen Mächten einerseits und zwischen ihnen und den nicht-

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Dazu mit weiterer Literatur: Krings, Ordo; Meinhardt, Art. Ordnung; Fleckenstein Art. Ordo. Augustinus, De civitate Dei, lib. XIX, cap. 13, S. 395, Z. 16ff.; kritisch im Blick auf weitere, scholastische Entwicklung Krings, Ordo, S. 52, 59. Dazu Reif, Ordobegriff, passim; Oexle, Art. Stand, Klasse V, S. 179 f.; Meinhardt, Art. Ordnung, Sp. 1253; Fleckenstein, Art. Ordo, Sp. 1292f. Math. 24, 15–22.

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christlichen Mächten andererseits hervorgebracht, deren strukturelle Eigenart für tausend Jahre die europäische Ordnung prägte. Die letzten tragenden Elemente wie der grundlegende Begriff respublica christiana/république chrétienne verschwanden erst im Laufe des 18. Jahrhunderts.15 Letzte, anachronistisch gewordene Spuren hielten sich z. B. mit der Heiligen Allianz noch im 19. Jahrhundert.

d. Deutungsmodelle Die politische Ordnung der mittelalterlichen Welt wird in der Forschung der Gegenwart mit sehr verschiedenen Bildern und Begriffen zu charakterisieren versucht. Franz Dölger hat sie im Bild einer „Familie der Könige“ dargestellt, das auch hierarchische Züge hat, die aber doch weniger ausgeprägt sind.16 Alois Dempf hat die Gestalt eines hierarchisch geordneten Sacrum Imperium aufgebaut.17 Diese Deutungsmuster liegen auf verschiedenen Ebenen. Das erste ist mehr aus der Praxis der Mächte, das zweite eher aus theoretischen Aussagen entworfen. Das zweite weist dem religiös kirchlichem Strukturelement einen größeren Stellenwert zu als das erste. Das zweite bezieht daher an ganz wesentlicher Stelle den Papst mit ein; im ersten hat er keinen Platz. Das erste Modell gründet in den byzantinischen Ordnungsvorstellungen; das zweite ist aus dem lateinisch-abendländischen Kreis entwickelt. Heinrich Kipp, der wie Dempf das ganze Mittelalter im Blick hat, hat zwar kein derartiges Deutungsmodell vorgelegt, sich aber in seiner Darstellung des Völkerrechts des Mittelalters vor allem auf die geistesgeschichtliche Dimension desselben konzentriert und die konkreten Rechtsentwicklungen weithin außer acht gelassen.18 Unsere Epoche tritt daher bei ihm insgesamt zurück. Auch Wilhelm Grewe blendet sie als eigene weitgehend aus.19

e. Zwei Gewalten Duo quippe sunt, imperator Auguste, quibus principaliter mundus hic regitur: auctoritas sacra pontificum, et regalis potestas. In quibus tanto gravius est pondus sacerdotum, quanto etiam pro ipsis regibus Domino in divino reddituri sunt examina rationem schrieb Papst Gelasius I. 494 an den Kaiser Athanasius.20 Bereits die hochkomplexe Unterscheidung Augustins von civitas terrena und civitas Dei hatte den grundsätzlichen Dualismus der geistlich-spirituellen Sphäre und der weltlich-herrschaftlichen Ordnung hervorgehoben, wenn auch nicht institutionell als konkrete Erscheinungen verfestigt, wie es Gelasius I. dann vollzog. Denn die Civitas

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Steiger, Friedensschluß, S. 214 ff.; ders. Religion, S. 29ff. Dölger, Familie. Dempf, Sacrum Imperium, S. 132ff. Kipp, Völkerordnung, passim. Grewe, Epochen, S. 55ff. Migne Pl, Bd. 59, Brief VIII, Sp. 42, A–B., Grewe, Fontes Bd. 1, Nr. 494, S. 274; Dazu u. a., Ullmann, Gelasius I., passim.

Grundlegungen

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Dei war für den Kirchenlehrer gerade nicht von dieser Welt.21 In der konkreten Wirklichkeit dieser Welt sind die beiden civitates vermischt und im Kampf miteinander. Sie sind corpora mixta. Das gilt auch für die Kirche, die nicht etwa die Fülle der civitas Dei darstellt, aber doch deren Anfang oder Ansatz in der Welt bildet. Augustinus hatte aber auch, wie Ernst-Wolfgang Böckenförde darlegt, die Existenz der politischen Einheiten in einem ordo naturalis begründet. Zu diesem gehört grundlegend der auf Gerechtigkeit gegründete Frieden, die pax, dessen Sicherung zentrale Aufgabe der weltlichen politischen Ordnung ist, dazu aber nach dem Sündenfall einer Autorität mit Zwangsgewalt bedarf. Die Brücke stellt die Gerechtigkeit dar, die ihren eigentlichen Grund in Gott hat und daher auch den Frieden und die ihn sichernde irdische Gewalt auf Gott und seine Weisung verweist. Die politisch-rechtliche Wirkungsgeschichte dieser Unterscheidungen schlug sich für das frühe Mittelalter jedenfalls auch konkret in der Unterscheidung und Verhältnisbestimmung der religiös-kirchlichen zur weltlich-herrscherlichen Gewalt nieder, wie sie Gelasius formulierte. Diese ist auch in der karolingischen Epoche bekannt und prägt deren Ordnungsvorstellungen. Auf sie bezieht sich Alcuin in mehreren Briefen. In einem Brief an Aethelrad von Canterbury von 802 unterscheidet Alcuin die sacerdotalis atque regalis potentia. Illa portat clavem in lingua caelistis regni, iste gladium ad vindictum regnorum.22 Dem geistlichen Bereich werden der Schlüssel und das Wort, nicht aber ein Schwert zugeordnet. Dieses gehört lediglich der weltlichen Gewalt. Aber da Alcuin an anderen Stellen zwei Schwerter unterscheidet, hat Dempf gefolgert, Alcuin habe „wohl zum ersten Mal die Lehre von den beiden Schwertern, dem geistlichen und dem weltlichen, aus der symbolischen Exegese gewonnen“.23 Die Lehre von den zwei Gewalten wird auf einer Synode in Paris 829 und in einem Fürstenspiegel des Jonas von Orleans aufgenommen. Im zweiten Kapitel des Synodenbeschlusses heißt es: Primum igitur, quod universalis sancta Dei ecclesia unum corpus manifeste esse credatur caput Christus, apostolicis oraculis approbamus. Das dritte Kapitel fährt fort principaliter itaque totius sanctae ecclesiae corpus in duas eximias personas, in sacerdotalem videlicet et regalem, sicut a sanctis patribus traditum accepimus, divisum esse novimus. Anschließend wird der Brief Gelasius I. an Anastasius zitiert. Bemerkenswert ist die Ersetzung von mundus im Brief des Papstes durch ecclesia in dem Synodenbeschluß. 24 Alle Stellen von Gelasius bis zum Konzil von Paris 829 machen deutlich, daß es in unserer Epoche nicht um das Verhältnis des Papstes zum Frankenherrscher, sondern ganz allgemein um beide Gewalten und ihr Verhältnis zueinander geht, das zunächst 21

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Augustinus, De Civitate Dei; dazu u. a., Dempf, Sacrum imperium, S. 116ff.; Böckenförde, Geschichte, S. 185ff.; insbesondere S. 203ff., der von zwei „Willensrichtungen“ spricht, S. 204; Weissenberg, Friedenslehre, S. 260ff.; Lepelly, Art. Ciuis, ciuitas; Lamirande, Art. Ciuitas Dei; O’Daly, Art. Ciuitate Dei, (De-) jeweils mit weiterführender Literatur, AugustinusLexikon, Bd.1, Sp. 942ff. Alcuini epp., Nr. 255, MGH Epp. IV, S. 413, Z. 12f.; diese Unterscheidung schon in Alcuini epp., Nr. 17, MGH Epp. IV, S. 48, Z. 1ff. an denselben Empfänger von 793. Dempf, Sacrum Imperium, S. 154; ihm folgend u. a. Grewe, Epochen, S. 600f.; dazu unten S. 599ff. Conc. Paris. 829, MGH LL III, Conc. II/II, Nr. 50 D, S. 610.

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Ordo

alle Bischöfe zu allen Herrschern angeht. Aber sie findet eine zugespitzte Ausprägung in der Stellung des Papstes in der durch ecclesia und christianum imperium getragenen Ordnung. Erst viel später nach der Festigung der Macht des Papsttums in der römischen Kirche verengt sich das Verhältnis kirchen- wie machtpolitisch auf die Beziehung Papst–Kaiser.

II . Pl u ral i tät u n d P ar i tät a. Pluralität In der politischen Welt der Herrschaft und der Herrscher verlangt der richtige ordo nach der richtigen Ordnung der Herrscher. Wer seinen ihm gebührenden Platz in der Ordnung der Gleichen und Ungleichen hatte, wurde selbst Teil des ordo, hatte seinen Stand, status, bildete den Stand. Diese ihnen gebührenden Orte hatten auch die Könige bzw. die Kaiser im Gesamtgefüge eines politischen Gemeinwesens gegenüber den anderen Ständen, aber auch untereinander, im Verhältnis zueinander. In unserer Epoche vollzog sich ein Konzeptions- oder Paradigmenwechsel. Fügten sich die Konzeptionen zunächst dem hierarchischen Modell des römisch-byzantinischen Universalismus, so wurde dieses in der karolingischen Epoche endgültig durch ein pluralistisch-paritätisches Modell abgelöst. Die Epoche des karolingischen Zeitalters bildet in Europa den grundsätzlichen Übergang von der Ordnung der väterlichen Hierarchie zur Ordnung der brüderlichen Parität. Zwar hatte unter den Karolingern wieder eine gewisse Konzentration der politischen Mächte stattgefunden. Das burgundische und auch das langobardische Königreich waren 736 respektive 774 mit dem fränkischen Herrschaftsbereich verbunden worden. Aber da zumindest das letztgenannte eine eigene politische Struktur und Eigenheit bewahrte, die im Königreich Italien ab 781 eine Wiederkehr erfuhr, war diese Konzentration keine absolute und barg die Möglichkeit erneuter Differenzierung. Die Pluralität der weltlichen Herrschafstverbände war nicht grundsätzlich aufgehoben, mochte auch die politische Welt unserer Epoche, wie ober dargelegt, außer dem oströmischen und dem karolingischen Reich nur vier oder fünf eigenständige christliche Mächte aufweisen. Daneben standen zudem, wenn auch nur wenige, nicht-christliche Mächte. Nach 774 wurde von fränkischer Seite die Pluralität der christlichen Mächte nicht mehr weiter reduziert. Nach 840 entwickelte sie sich stetig. Damit aber stellt sich die Frage nach den Grundlagen des Verhältnisses des Frankenreiches zu diesen Mächten. Insbesondere das Verhältnis der karolingischen Herrscher zu den oströmischen Kaisern war prekär, vor wie nach der Kaisererhebung Karls des Großen. Ihnen gegenüber wie auch für das Verhältnis zu den übrigen christlichen reges wie zu den nicht-christlichen Mächten oder Herrschern lautete die Grundfrage: Parität oder Hierarchie?

b. Parität mit den oströmischen Kaisern Pippin schien sich nicht wesentlich um eine Parität der karolingischen Könige mit den oströmischen Kaisern zu kümmern. Konstantin V. behandelte ihn zuvorkommend mit

Pluralität und Parität

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kostbaren Geschenken, wie es der amicitia entsprach. Er suchte die Unterstützung des fränkischen Königs im Bilderstreit und entsandte eine Delegation zur Synode in Gentilly. Ob zwischen ihnen noch die älteren Anreden pater – filius benutzt wurden, läßt sich nicht feststellen. Die Politik Karls des Großen gegenüber Byzanz war hingegen, wie dargelegt, schon lange vor der Kaisererhebung eindeutig und ausdrücklich auf Durchsetzung der Parität mit den oströmischen Kaiser gerichtet. Sie zielte jedoch, entgegen der Ansicht Dempfs, auch nach der Kaisererhebung nicht darauf ab, die oströmischen Kaiser als neuer Träger einer Universalherrschaft abzulösen und auch in die Herrschaft des OstReiches einzutreten. Die ausführlich dargelegte Politik Karls des Großen gegenüber Eirene, einschließlich des Heiratsprojekts der Tochter Karls mit Konstantin VI., wie gegenüber ihren Nachfolgern zeigt das deutlich.25

c. Konzil und Kaiser Jedoch nutzte Karl, wie dargelegt, nicht einen politischen, sondern den theologischen Streit, den die Bilderfrage hervorrrief, um seinen Anspruch auf Parität mit Byzanz in den Libri Carolini grundsätzlich und umfassend zu begründen. Daher ist auf deren Argumentation über die Stellung der Kaiser in dem ordo der Kirche und der Welt genauer einzugehen.26 Das Konzil hatte dem fränkischen König in aller Deutlichkeit vor Augen geführt, daß ihm innerhalb des kirchlichen ordo, aber damit auch innerhalb der politischen Ordnung der Welt, der Gleichrang mit dem Kaiser in Byzanz vorenthalten wurde. Zwar hatten und übten auch die fränkischen Herrscher längst das Recht zur Einberufung von Synoden. Aber diese waren grundsätzlich auf ihr Herrschaftsgebiet beschränkt, mochte auch die Synode von Gentilly sowohl inhaltlich als auch personell über die fränkische Kirche hinausgegriffen haben. Zum ökumenischen Konzil hingegen gehörte auch im 8. Jahrhundert noch die seit Konstantin übliche Einberufung durch den Kaiser. Es gab vor allem im 19. Jahrhundert erheblichen wissenschaftlichen Streit um die Rolle von Kaiser und Papst in bezug auf Einberufung und Bestätigung der Konzilien der Alten Kirche. Er wurde insbesondere im Zusammenhang mit dem I. Vaticanum geführt. Er hatte daher auch in starkem Maße zeitgebundene kirchenpolitische und dogmatische Motive und förderte nicht gerade eine objektiv-historische Erkenntnis.27 Heute kann wohl als gesichert gelten, daß das Kirchenrecht der frühen Zeit für die allgemeinen oder ökumenischen Konzilien und die Wirksamkeit ihrer Beschlüsse das Recht der Kaiser vorsah, die Einladung zum und Einberufung eines Konzils auszusprechen. Auch das VI. ökumenische Konzil von 680, das über den Monotheletismus entschied, war durch kaiserliches Dekret einberufen worden.28 Der Kaiser nahm mit diesem Recht seine Aufgabe für den Schutz und die Entwicklung des Glaubens und 25 26 27 28

Oben S. 118ff. Zum äußeren Ablauf oben S. 121ff. Zusammenfassend Sieben, Konzilsidee, S. 3ff. Hefele, Conciliengeschichte, Bd. 3, S. 235.

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der Kirche wahr, die seit Konstantin I. zu dem kaiserlichen Amt gehörte. Die Kaiser hatten auch das Recht der Verlegung, Vertagung, Schließung von Konzilien.29 Die Auffassung der Zeit sah darin ein weiteres konstituierendes Element für die Ökumenizität eines Konzils.30 Die Kaiser unterzeichneten ferner die Akten und Beschlüsse und verkündeten sie als „Reichsgesetz“.31 Der rechte Glaube war auch Teil der staatlichen Rechtspflicht, spätestens seitdem das Christentum „Staatsreligion“ geworden war. Rechtsetzung aber war Sache des Kaisers. So war auch, wie dargelegt, für das hier erörterte VII. ökumenische Konzil von Nicaea verfahren worden. Ob die Kaiser auf einem Konzil auch den Vorsitz oder gar Stimmrecht hatten, ist streitig.32

d. Entstehungsgeschichte der Libri Carolini Bereits die Entstehungsgeschichte und der Adressat der Libri Carolini sind politisch im Dreiecks – Verhältnis zwischen Karl, Eirene und KonstantinVI. sowie Hadrian I. von Interesse. Sie scheint heute weitgehend geklärt. Ihre nach der Neuentdeckung und Veröffentlichung 1549 bestrittene Echtheit wird heute als gesichert angesehen. Die Verfasserschaft wird in der neueren Forschung überwiegend nicht mehr Alcuin, sondern Theodulf von Orléans zugeschrieben. Allgemein wird davon ausgegangen, daß die Schlußredaktion im Kreis des Hofes Karls stattgefunden hat und abgesprochen worden ist. Karl hat sich das Werk nach heutigem Stand der Wissenschaft wohl auch persönlich zu eigen gemacht und an seiner Abfassung selbst mitgewirkt.33 Es ist wohl nunmehr gesichert, daß die Akten nach ihrer Ankunft in Aachen zunächst gelesen, dann besprochen und Einwände formuliert wurden, die anschließend Papst Hadrian I. übersandt wurden. Diese relativ ungeordnete Sammlung von Ablehnungen war Grundlage eines ausführlichen Antwortschreibens Hadrians I. De imaginibus.34 Danach wurden wohl die nunmehr nach einem bestimmten System der Argumentationsebenen streng geordneten und aufgebauten Libri Carolini geschrieben, die auch die Argumente Hadrians in Verteidigung der Beschlüsse des II. Konzils von Nicaea z. T. aufnahmen und sich mit ihnen auseinandersetzten. Der Zeitraum der Entstehung der Libri umfaßte insgesamt mehrere Jahre um 790. Die Entstehungsgeschichte zeigt zum einen, daß es sich nicht um irgendeinen Vorgang 29 30 31 32 33

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Pöckl, Geschichte, S. 144f., S. 326; Feine, Rechtsgeschichte, Bd. 1, S. 97. Sieben, Konzilsidee, S. 358ff., 369f., 376, Wertung dazu auf S. 378. Hinschius, Kirchenrecht, S. 346f. Sieben, Konzilsidee, S. 311. Bastgen, Capitulare, S. 455ff.; Freemann, Theodulf, passim; Studies (1965), S. 223ff.; Ewig, Zeitalter, S. 92; dagegen jedoch Wallach, Alcuin, S. 170ff., der eher Alcuin favorisiert. Die Frage kann hier dahinstehen. Von den Steinen, Entstehungsgeschichte, S. 59ff.; eingehend Freemann, Studies (1965), S. 205ff. So bereits Hampe, Hadrian I., S. 89 und vor allem die ausführlichen Darlegungen von den Steinens, Entstehungsgeschichte, S. 29ff., gegen Bastgen, Capitulare, die auch von Freemann, Studies (1965), S. 222, zugrunde gelegt werden. Hadriani I. papae epp. Nr. 2., MGH Epp. V, S. 5–57; dazu u. a. Hampe, Hadrians I. Verteidigung, passim; Knop, Libri Carolini, sowie die Arbeiten von Bastgen, Capitulare; von den Steinen, Entstehungsgeschichte; Haendler, Epochen.

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am Rande handelte, sondern um eine „Staatsaktion“. Es wurde viel Zeit, viel Scharfsinn und besonders der Einsatz führender Männer eingebracht. Man ließ es nicht bei einem ersten Anlauf bewenden, sondern steigerte die Anstrengung nach dessen Fehlgehen. Karl engagierte sich persönlich und machte die Auffassung der Libri zu seiner eigenen Sache, weil es ihm um Wesentliches, Grundlegendes für seine eigene Stellung gegenüber Papst und byzantinischem Kaiser ging.

e. Ökumenizität und kaiserliche Universalität Auf die inhaltlichen Auffassungen Karls und der fränkischen Kirche zur Bilderverehrung und ihren Einwänden gegen die Beschlüsse des zweiten Konzils von Nicaea auf der Synode von Frankfurt 794 ist hier nicht einzugehen.35 Da jedoch die Brücke von diesen inhaltlichen Differenzen zur Bindung an die Beschlüsse des Konzils auch für die fränkische Kirche Ökumenizität und Universalität des Konzils war, diese aber außer an der Teilnahme an der Stellung der Kaiser in bezug auf das Konzil hing, die sich ihrereseits aus seiner hierarchisch-universellen Gesamtstellung im ordo der Welt herleitete, mußten sich Karls Argumentationen gegen diese Gesamtstellung des Kaisers und für seinen eigenen Gleichrang in diesem ordo richten. Im Grunde ging es dabei darum, die Wandlung der politischen wie aber auch der kirchlichen Welt nach dem Zerfall des Reiches und der Gründung unabhängiger christlicher Königreiche durch die germanischen Völker endgültig in der Ordnung der Welt und der Kirche in einer Neubestimmung des ordo zu bewältigen. Das Problem hatte sich zwar schon länger gestellt, seine Lösung war aber bis dahin aus verschiedenen Gründen offen geblieben. Die Stellung der Kaiser war bis zum Beginn des 8. Jahrhunderts in Kirche und Welt noch hinreichend gefestigt. Es fehlte aber auch an einer entsprechenden „Gegenmacht“ gegen die byzantinischen Kaiser. Nunmehr aber stellte sich die Frage, welche Bedeutung die kaiserliche Stellung auf den Konzilien für die neuen Reiche und die Kirchen dort haben konnte. Anders als in der weltlich-politischen Sphäre schien bis dahin der universale Herrschaftsanspruch des byzantinischen Kaisers auf der kirchlich-religiösen Ebene auch im 8. Jahrhundert noch eine gewisse Realität zu haben, jedenfalls solange Rom noch von ihm beherrscht wurde und damit der Papst sein „Untertan“ war. Aber als auch dies seit der Mitte des Jahrhunderts immer weniger der Fall war, stellten sich die Probleme der universellen Gültigkeit und Verbindlichkeit der Konzilien neu. Zwar hatte Hadrian I. den Beschlüssen zugestimmt. Aber für Karl schien das nicht ohne weiteres verbindlich. Angesichts der engen Durchdringung religiöser und politischer Elemente in der Herrschaftsbegründung und Ausübung war die Verfügung über die religiösen Grundlagen für ihn wesentlich auch von politischer Bedeutung und umgekehrt. Es war eine grundlegende Frage, wie in der Kirche der Glauben definiert wurde und von wem. Das wurde insbesondere dann wichtig, wenn die Tradition in einem wesentlichen Punkte aufgegeben und eine, wenn auch u. U. nur scheinbar neue Position eingenommen werden sollte. Die Frage nach dem quis iudicabit in religiösen dog35

Libri Carolini sive Caroli magni Capitulare de imaginibus 791/94, MGH LL III, Conc. II/, suppl.

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matisch-kirchlichen Problemen betraf daher notwendig die allgemeine, auch politische Stellung der außerhalb des Herrschaftsbereichs von Byzanz stehenden Mächte; sie betraf die richtige Ordnung von Kirche und Welt. Der doktrinale Primat des Papstes bildete sich zwar immer mehr heraus, war aber noch nicht völlig durchgesetzt. Selbst für den fränkischen König, der ihn grundsätzlich anerkannte, galt er offenbar nicht dergestalt, daß er nicht gegen eine doktrinale Entscheidung Hadrians I. angehen konnte. Der grundlegend religiös-dogmatische Charakter des Bilderstreites ging dadurch nicht verloren, wurde auch nicht politisch instrumentalisiert. Er war gerade der Grund zu auch politisch wichtigen Ansätzen. Die Franken, die die politische Dimension des Bilderstreites durch ihr Verhalten deutlich machten, taten dies zudem keineswegs expressis verbis, vielleicht nicht einmal ganz bewußt. Sie formulierten und begründeten ihre Position auch im Hinblick auf die Stellung der Herrscher in der Welt nur theologisch. Aber das Faktum, daß sie eine eigene, zudem dem VII. ökumenischen Konzil entgegengesetzte Position einnahmen und geltend machten, wie aber auch, daß sie in deren Begründung zur Frage der Berechtigung bzw. zur Ökumenizität des VII. ökumenischen Konzils sowie zur Stellung der byzantinischen Kaiser Eirene und vor allem Konstantins VI. Stellung nahmen, verleiht der strikt theologischen Auseinandersetzung über die religiös-kirchliche Sphäre hinaus eine eminent politische und auch rechtliche Dimension. In ihr definiert Karl der Große seine Position und die seiner Herrschaft im Gesamtgefüge der Ordnung von Kirche und Welt. Diese Kirche wird als die eine heilige Kirche begriffen, die aber zwei Teile, einen östlichen und einen westlichen, pars Graetiae bzw. orientalis und pars occidua, hat.36 Beide Teile müssen gleichermaßen auf einem Konzil, das ökumenisch sein soll, vertreten sein und bei den Entscheidungen mitwirken können. Schon darin wird der Anspruch auf Parität erhoben. Eben dies aber war nach Karls Auffasung in Nicaea nicht der Fall. Diese kirchlich-konziliare Dimension ist später eingehender zu erörtern. An dieser Stelle ist zunächst nur auf die spezifisch theologisch-politische Auseinandersetzung einzugehen, die durch eine besondere Formulierung in dem Schreiben Eirenes und Konstantins, mit dem sie die Beschlüsse an Hadrian I. übermittelten, ausgelöst wurde, die Formel per eum, qui conregnat nobis, Deus.37 Mag sein, daß Karl diese wohl ältere, gar nicht von Konstantin VI. stammende Formel mißverstanden hat.38 Er nimmt sie jedenfalls zum Anlaß, seine Position darzulegen, nach der die Distanz zwischen Gott und den weltlichen Herrschern (nos) in jeder Hinsicht viel zu groß sei, als daß ein conregnare mit Gott möglich sei. Zu behaupten, mit Gott zu regieren, sei angesichts dieser weiten Distanz zwischen Gott und den Herrschern eine Usurpation. Cum ergo nostrum esse tantum distet a Dei esse et nostrum vivere ab eius vivere et nostrum regnare ab eius regnare, dolenda potius quam admiranda est illorum vecordia, qui inter caetera, quae sibi indiscrete usurpant, Deum sibi conregnare etiam dicunt.39 36

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Libri Carolini, Praef. MGH LL II, Conc, II, Suppl. S. 1, Z. 5ff.; S. 3, Z. 7; S. 5, Z. 6f.; dazu Bastgen, Capitulare, S. 663. Libri Carolini, I, c. I, S. 8, Z. 17. Bastgen, Libri Carolini, Praef. S. 8, Anm. 1. Libri Carolini, I, c. I, S. 8, Z. 25ff.

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Karl stellt damit die Gleicheit der Herrscher indirekt her. Nostrum, damit sind alle Herrscher gemeint. Alle leiten gleichermaßen Leben und Herrschaft von Gott ab. Er ist damit auch die Spitze der Herrschaft; er ist der pater. Die Distanz zu ihm ist für alle groß und gleich. Der Wahnwitz der Behauptung, mit Gott mitzuregieren, liegt so in einer Überhebung. Die Distanz, der Unterschied zwischen göttlicher Regierung und menschlicher Regierung wird weiter entfaltet, um dies deutlich zu machen. Weder David habe gewagt, von con-regnare zu sprechen, noch Salomo. Der sehr ausführlichen Widerlegung der Ansprüche der beiden Kaiser, die sich auf Bibel und Kirchenlehrer wie Augustin stützt, ist nicht weiter nachzugehen. Letztlich liegt nach der Auffassung des Verfassers, Theodulf von Orleans, die Herrschaft bei Gott, et regnare proprie divinum est psalmista adtestante qui ait (Ps. 148, 13; 21, 29; 144, 13).40 Dicimur enim et nos regnare, sed abusive, non proprie. Nam regnare, inmortalem et veracem esse illi est naturale; ceteris vero, qui haec consecuntur, illius largitione est adtributum, qui vere regnat, solus immortalis et verax est.41 Ein conregnare sei allenfalls in der jenseitigen Welt nach dem Gericht möglich. Auch die Heiligen regieren, solange sie in dieser Welt sind, nicht mit, um so weniger die Sünder. Der Schluß lautet Regnat ergo ille in nobis, non ,conregnat‘ nobis, regnat videlicet, secundum beati Augustini sententiam, in credentibus, quia usque ad crucem et mortem infirmatus est... Nondum enim conregnamus ei, quamdiu huius mortalitatis tunica induti sumus.42 Damit ist zudem auch geklärt, daß Gott, und nicht etwa der Papst, die Spitze der Herrschaftspyramide der Welt ist, die Könige unmittelbar unter ihm stehen, ohne Vermittlung des Papstes. Karl wendet sich konsequent gegen den byzantinischen Kaiserkult, durch den die Kaiser in eine besondere Nähe zu Gott gestellt und von den übrigen Herrschern abgerückt werden. Es sei superbe et gentiliter, wenn der Kaiser seine scripta vel gesta „divalia“ nenne.43 Dies sei heidnischer Gebrauch, der aufgegeben werden müsse. Denn Vergöttlichung der Menschen sei falsch, so daß der Gebrauch des Begriffs divalis vana est. Schließlich wenden sich die Libri gegen den Satz Rogamus tuam paternitatem et maxime Deus rogat mit der Darlegung, daß Gott nicht bittet, sondern befiehlt.44 Gottes Majestät wird damit herabgesetzt. Auch dies ist gegen die mögliche Gleichstellung des Kaisers mit Gott gerichtet. Vor allem aber wendet sich Karl gegen eine adoratio der Bilder des Kaisers.45 Diese adoratio sei ebenfalls heidnisch und somit unzulässig. Karl sieht im Römischen Reich einen Erben des Babylonischen Reiches, mit dem es an Wildheit und Kraft große Ähnlichkeit habe,46 auch in der Anbetung der Königsbilder. Aber dieses Übel sei durch die Ankunft Christi als Irrtum oder Täuschung erwiesen worden. Da die adoratio der kaiserlichen Bilder unzulässig sei, könne aus ihr kein Schluß auf die Zulässigkeit oder gar auf ein Gebot der adoratio der Bilder Gottes, der 40 41 42 43 44 45 46

Libri Carolini, I, c. I, S. 10, Z. 29f. Libri Carolini, I, c. I, S. 10, Z. 33ff. Libri Carolini, I, c. I, S. 12, Z. 19ff. Libri Carolini, I, c. III, S. 14–16. Libri Carolini, I, c. IV, S. 16ff. Libri Carolini, III, c. XV, S. 133 ff.; ibid., c. XXIX, S. 165ff. Libri Carolini, III, c. XV, S. 135; Karl übernimmt hier i. ü. die Vier-Reiche-Lehre in der Auslegung der Prophetie Daniels durch Hieronymus, ibid. II, c. XIX, S. 77f.

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Gottesmutter, der Heiligen gewonnen werden.47 Gott sei zudem überall, er sei nirgendwo abwesend, sei nicht örtlich gebunden. So sei sein Bild als Repräsentanz, als Gegenstand für seine eigene Anbetung nicht von nöten, wie das Bild des Kaisers diesen, der ortsgebunden sei, anwesend mache oder doch darstelle. Kaiser und König sind im Verhältnis zu Gott gleich, aber beide eben diesem untergeben. Karl mußte zwar die Einberufung des Konzils und die Bestätigung seiner Beschlüsse durch die Kaiser für unerheblich, ja für unzulässig erklären. Aber es war nicht Karls Ziel, wie Dempf meinte, „die formal öffentlich-rechtliche Unterordnung der bisherigen zweiten Gewalt der Christenheit durch ihre Verurteilung als häretisch unter das neue dritte Reich, das regnum Karls des Großen durchzuführen.“48 Die Ablehnung eines Vorranges der byzantinischen Herrscher steigert sich in einen Angriff auf die Rolle der Kaiserin Eirene, die eigentlich treibende und gestaltende Persönlichkeit für das Zustandekommen des Konzils und die Wiederherstellung des Bilderkultes. Ihr wird als Frau jedes Recht der Mitwirkung in kirchlichen Fragen abgesprochen.49 Ihre hervorragende, bestimmende Rolle auf dem Konzil bedeutet für dieses einen theologischen und juristischen Makel. Wenn dieser Ausfall gegen die Kaiserin auch theologisch als „groteske oder billige Polemik“ angesehen werden kann,50 juristisch oder zumindest politisch war er von größter Tragweite. Die Bedeutung liegt wahrscheinlich sogar eher auf dieser Ebene. Denn Eirene war generell die maßgebende Persönlichkeit des byzantinischen Herrscherpaares.51 Diese Argumentation Karls ist ein Zeugnis politischer Theologie mit höchst praktischer konkreter politischer Bedeutung für die Neuordnung der Welt, die durch den Aufstieg der Karolinger noch vor der Kaisererhebung Karls notwendig wurde. Sie läßt dadurch deutlich erkennen, daß die plurale politisch-weltliche Ordnung im 8. und 9. Jahrhundert von der einen religiös-kirchlichen Ordnung überwölbt wurde.

f. Zwei Kaiser Mit der Kaisererhebung Karls war der Kampf um Parität, wie gezeigt, zwar nicht begründet, aber doch wieder völlig neu gestellt, ja ganz offenbar geworden, zugespitzt und auf einem neuen Niveau angesiedelt worden. Denn nunmehr bedurfte es der Anerkennung der neuen Würde Karls durch den oströmischen Kaiser, damit die Neuordnung nicht zu Kriegen führte. Das dauerte seine Zeit, bis Karl 812 in den laudes von den griechischen Gesandten in Aachen als basileus angeredet wurde, mochte auch der 47 48

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Libri Carolini, III, c. XV, S. 136, Z. 16ff. So Dempf, Sacrum Imperium, S. 145. Schon der Ansatz ist historisch zumindest zweifelhaft, daß durch eine Heirat Rothruds mit Konstantin VI. „das Weltreich übertragen“ worden wäre. Denn Erben des Frankenreiches wären die Söhne Karls, des byzantinischen Reiches der dort zu bestimmende Kaiser gewesen, der, wie oben gezeigt, keineswegs der gemeinsame Sohn des Paares hätte sein müssen. Libri Carolini, III, c. XIII, S. 127ff. So Sieben, Konzilsidee, S. 327. Vielleicht deutet diese Polemik darauf hin, daß tatsächlich Eirene, wie Theophanes behauptet, und nicht Karl, wie Einhard meint, die Verlobung Konstantins VI. mit Rothrud gelöst hatte.

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neuerhobene Kaiser den alten Kaiser Nicephorus alsbald mit frater anreden. Zunächst schien dieser aber nicht zu reagieren.52 Karl wählte allerdings 800 den Kaisertitel so, daß zwar der Bezug auf das römische Reich deutlich, aber gleichzeitig vermieden wurde, einen Anspruch auf das ganze römische Reich einschließlich der pars orientalis zu erheben. Karl ist imperator und augustus, aber rex Francorum et Langobardorum, das romanum imperium regierend (gubernans), also nicht imperator Romanorum, aber auch nicht imperator Francorum et Langobardorum. Allerdings nannte sich zu dem Zeitpunkt auch der byzantinische Kaiser nur basileus. Der Titel basileus to Rhomaion war vorher eher selten. Erst ab 813, nach dem Ausgleich, wurde er bewußt angenommen und blieb gültig bis zum Ende des byzantinischen Reiches. Karl hingegen verzichtete zu eben diesem Zeitpunkt auf den Hinweis Romanum gubernans imperium. Der Ausgleich von 812 gewährte Karl die Parität. Die eigentümliche Titulatur, insbesondere die Formel regi Francorum et Langobardorum et vocato imperatore eorum, die die Kaiser Michael II. und Theophilus in ihrem Brief an Ludwig den Fommen verwendeten, wies jeden möglichen Universalitätsanspruch Ludwigs von vorneherein ab. Ob darin sogar eine gewisse Rücknahme der „Anerkennung“ auf gleichem Rang verstanden werden muß, ist nicht zu entscheiden. War jedoch die Parität vielleicht für Karl nur die kleinere Lösung, da die größere nicht erreichbar war? Dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Seit 801 suchte Karl den Ausgleich. Zwar kam es zwischendurch auch zu dem Krieg um Dalmatien und Venedig; aber der kochte auf kleiner Flamme, war keine „Staatsaktion“ wie die Kriege gegen Sachsen, Langobarden, Awaren. Die erste Gelegenheit wurde benutzt, um zum großen Ausgleich zu kommen. In all der Zeit herrschte in Byzanz nach wie vor die Bilderverehrung gemäß dem VII. ökumenischen Konzil Nicaea II. In seiner Vita Karoli betont Einhard gerade den Willen Karls zum Ausgleich Cum quibus tamen propter susceptum a se imperatoris nomen et ob hoc [eis], quasi qui imperium eis eripere vellet, valde suspectum foedus firmissimum statuit, ut nulla inter partes cuiuslibet scandali remaneret occasio.53 Für Karl und Ludwig bestand wohl kein „Zwei-Kaiser-Problem“, anders als für Byzanz.54 Aus der pars orientalis der Libri Carolini wurde in den Briefen Karls an die oströmischen Kaiser das imperium orientale, und aus der pars occidua das imperium occidentale. Zu diesem gehörte das erste und alte Rom, zum erstgenannten die Roma secunda saecularis. Beide imperia stehen und bestehen nebeneinander. Ihre Herrscher sind beide imperator et augustus.55 Karl strebte seinerseits nicht nach der universalen Herrschaft an Stelle der byzantinischen Herrscher.56 Es gab in seiner Sicht zwei impe52

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Briefe Karls an Nicephorus und Michael I., Epp. var. Car., Nr. 32 und 37, MGH Epp. IV, S. 546 und 555; Anhänge Nr. 2 und 3; Brief Michaels II. und Theophilus‘ an Ludwig den Frommen, MGH LL III , Conc. II/II, S. 475ff., dt. Anhang Nr. 4. Einhard, Vita Caroli, c. 16. Ohnsorge, Zweikaiserproblem, S. 56. Karl an Michael I, Epp. Var. Car., Nr. 37, MGH Epp. IV, S. 556, Z. 2; dt. Anhang Nr. 3; dort auch die beiden imperium Begriffe, Z. 8f. Die andere Auffassung Dempfs, Sacrum Imperium, S. 145, 154 wird heute zu Recht nicht mehr geteilt, u. a. Ullmann, Machtstellung, S. 157f.

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ria. War damit die Teilung des alten römischen Reiches endgültig vollzogen? Es bleibt jedoch – in unserer Epoche noch – die eine ecclesia sua (Jesu Christi) catholica, sancta et immaculata, quae toto orbe diffusa est.57 Nicht die politische, sondern die religiöskirchliche Einheit bildete die Grundlage der Einheit der Welt.

g. Parität der Könige Für das Verhältnis der fränkischen Könige und später Kaiser, insbesondere Karls, zu den anderen christlichen Königen des Westens nach der Übernahme der langobardischen Königskrone scheinen die Quellen unterschiedliche Deutungen zuzulassen. In seiner Vita Caroli schildert Einhard das Verhältnis Karls zu Alfons von Asturien mit den Worten Adeo namque Hadefonsum Galleciae atque Asturicae regem sibi societate devinxit, ut is, cum ad eum vel litteras vel legatos mitteret, non aliter se apud illum quam proprium suum appellari iuberet. Zu den schottischen, wohl eher englischen Königen heißt es Scottorum quoque reges sic habuit ad suam voluntatem per munificentiam inclinatos, ut eum numquam aliter nisi dominum seque subditos et servos eius pronuntiarent.58 Hatte Karl eine Art Oberherrschaft errichtet, bzw. bestand doch eine Vorstellung von einer hierarchischen politischen Ordnung? Alcuin hatte in seinem Brief an Karl den Großen von 799 nur tres personae in mundo altissime hucusque fuerunt benannt. Die anderen christlichen Könige werden nicht erwähnt.59 Waren sie geringeren Ranges als der Papst, der Kaiser und der fränkische König? Andererseits wählte Karl der Große in seinem Brief an König Offa die Anrede viro venerando ac fratri carissimo Offae regi Merciorum und begann den zweiten Satz mit einer Formel der Pluralität Inter regales dignitates et sublimiores saeculi personas.60 Von einer Art Oberhoheit Karls ist da nicht eine Andeutung. Karls Brief an Offa spiegelt vielmehr Parität wieder. Auch Alcuin selbst, auf den wahrscheinlich die Formulierung des Briefes Karls zurückgeht, bezeichnet diesen in einem eigenen Brief an Offa als dessen fidelissimum amicum. Die Wiederaufnahme der Beziehungen nach dem Bruch vollzog sich also aus Karls Sicht auf der Ebene der Gleichordnung.61 Da Einhard die „schottischen Könige“ nicht mit Namen nennt, ist nicht einmal klar, wen er meinte. Seine Behauptung ist von den Quellen her jetzt nicht mehr zu belegen. Ein Rechtsakt, durch den eine Unterwerfung begründet worden sein könnte, ist nicht bekannt. Die von Einhard angeführten Briefe, in denen das niedergeschrieben sei, existieren nicht mehr. Wie der Streit um die Heiratsprojekte zeigt, legte König Offa seinerseits auf Gleichrang mit Karl allergrößten Wert. Alcuins Formulierung in dem erstgenannten Brief an Karl soll wohl keine allgemeine Aussage über eine rechtliche Rangstellung in der europäischen Ordnung treffen. Denn der Brief bezog sich auf Reform und Verteidigung der römischen Kirche, für die 57 58 59 60 61

Karl an Michael I., MGH Epp. IV, S. 556, Nr. 37, Z. 9f., dt. Anhang Nr. 3. Einhard, Vita Caroli, cap. 16. Alcuini epp., Nr. 174, MGH Epp. IV, S. 288, Z. 18; dt. Anhang Nr. 14. Alcuini epp., Nr. 87 und 100, MGH Epp. IV, S. 131 und 144. Alcuini epp., Nr. 100, Nr. 101, MGH Epp. IV, S. 145, Z. 4, und S. 147, Z. 4; dt. Anhang Nr. 1; Wenskus, Kleinstaaten, S. 503.

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er gerade Karl in die Pflicht nahm, da der Papst und der Kaiser, die dazu berufen seien, dazu aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage seien. Die englischen und spanischen Könige hatten hingegen von vorneherein nicht die kirchliche und politische Position und schon gar nicht die Kraft, die Kirche von Rom zu reformieren oder zu verteidigen. Gerade Alcuin legte kraft seiner Herkunft immer wieder auf seine persönlichen Verbindungen zu den englischen Königen Northumbriens und Merciens größten Wert und pflegte sie im allgemeinen Interesse beider Seiten, wie gerade auch der zweite Brief zeigt. Trotz Verwendung des Begriffs proprium suum durch Einhard für das Verhältnis Alfons von Asturien zu Karl ist die Verbindung nicht notwendig als die Unterwerfung unter eine Oberherrschaft zu deuten. Der Begriff proprius ist selten, vor allem als regelmäßig verwendeter Rechtsbegriff nicht bezeugt. Er kann cliens, servus bedeuten, aber nicht im Sinne einer rechtlichen Unterworfenheit.62 Auch die Berichte der Annalen über die Geschenke, die Alfons II. nach der Eroberung Lissabons an Karl, insignia victoriae suae übersandte, stellen nicht zwingend eine Abhängigkeitsgeste dar.63 Zudem liegen die in den Annalen geschilderten Ereignisse zum einen bereits vor der Annahme des Kaisertitels durch Karl. Zum anderen ist in der Übersendung der Geschenke nicht stets eine Art von Tribut zu sehen, sondern sie geschah häufig auch pro amicitia firmanda bzw. renovantes foedus avitum, / Semper amicitia reges quod iunxerat ipsos.64 Jeder Herrscher verteilte Geschenke an befreundete Mitherrscher, so taten auch Karl und Ludwig. Durch die Gesandten des asturischen Königs an König Ludwig nach Toulouse könnte eine bündnishafte Verbindung begründet worden sein; denn in einem späteren Spanien-Feldzug Ludwigs des Frommen 801 wandten sich die Sarazenen auch gegen die Asturier.65 Aber der Begriff amicitia bezeichnet eher ein Gleichordnungsverhältnis. Nach Annahme des Kaisertums fehlen weitere Nachrichten. Auch die anderen Quellen der Zeit lassen eine rechtliche Oberhoheit Karls über die übrigen christlichen Könige für die Zeit vor der Kaisererhebung nicht erkennen. Das ändert sich aber auch danach nicht. 62

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DuCange, Glossarium, Bd. 6, S. 536 zitiert nur noch eine andere außer unserer Stelle; andere Rechtswörterbücher verzeichnen ihn nicht einmal. Lacarrra, Mauren, S. 1008 geht wohl auch nicht von „Unterwerfung“ aus, unterscheidet Asturien insofern gerade von Barcelona u. a. spanischen Teilen. Er geht allerdings auf die Einhard-Stelle nicht ein; Défourneaux, Charlemagne, S. 180, deutet die Stelle dahin, daß keine formelle, echte Vasallität gegeben gewesen sei, „mais seulement le désir du souverain espagnol de montrer sa déférence à l`égard de son puissant allié“. Zu bemerken ist, daß, wie Défourneaux ausführt, keine spanische Quelle überhaupt von den Beziehungen Alfons II. zu Karl oder Ludwig berichtet. Ann. Regni Franc. ad a. 798 (zwei mal) vgl. Défourneaux, Charlemagne, S. 177 ff.; Löwe, Grenzen, S. 349. Anonymus, Vita Hludowici, c. 8, zu einer Gesandtschaft Alfons II. an Ludwig, ebenfalls 798, also als dieser noch König von Aquitanien war. Nach Böhmer-Mühlbacher-Lechner, Regesta Imperii I, Nr. 347c, S. 154f., hat diese Gesandtschaft 798 stattgefunden. Défourneaux, Charlemagne, S. 179 verlegt sie in das Jahr 795. Die erste Zeitangabe stimmt eher mit der Vita Hludowici überein, die nach zwei weiteren Sommern in c. 10 das Jahr der Kaisererhebung Karls sieht. Anonymus, Vita Hludowici, c. 13.

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h. Der neue Kaiser und die Könige Zunächst ist festzuhalten, daß in den Regelungen über Nachfolge und Reichsteilungen Karls von 806 und Ludwigs von 817 und später nur der tatsächliche fränkische Herrschaftsbereich erfaßt wurde. Die divisio von 806 zählt genau die einzelnen Gebiete auf, die den drei Söhnen zugewiesen werden sollten. Italien, das mit Bayern Pippin überwiesen wird, umfaßt dabei nur die alten langobardischen Besitzungen, nicht etwa Rom und dessen Gebiete. Legt man die Einleitung zugrunde, wie sie sich in fünf Handschriften findet, so wendet sich Karl zwar an omnibus fidelibus sancti Dei ecclesiae et cuncto populo catholico, aber dann lediglich an gentium ac nationem que sub imperio et regimine eius constitute sunt.66 Andere Königreiche wurden nicht einbezogen. Auch in der ordinatio imperii von 817 ist das als Einheit zu erhaltende imperium der Herrschaftsbereich Ludwigs, nichts anderes. So nennt die ordinatio neben Francia, Aquitanien, Italien die anderen Regionen und Provinzen, die diesem imperium unterworfen sind. Italien aber umfaßt das regnum, also wiederum nicht etwa Rom und die ihm zugeordneten Länder. Auch das Lothar übertragene Kaisertum und die damit in cap. 5 bis 8 verbundenen Rechte zur Wahrung der Einheit des Reiches, gerade auch im außenpolitischen Bereich galten nur gegenüber seinen beiden Brüdern Pippin und Ludwig, nicht gegenüber anderen Königen.67 Eine Herrschaft i. e.S. über die Kirche von Rom als Inhalt des Kaisertums wird auch in der ordinatio nicht in Anspruch genommen.68 Das imperium war somit rechtlich auf den gesicherten Herrschaftsbereich des ausschließlich karolingischen Großreiches bezogen. Es bestand kein Herrschaftsanspruch über die anderen christlichen Könige. Es könnte aber eine Art Oberhoheit in einem rechtlichen Sinn impliziert gewesen sein. Das liegt nahe angesichts der Definition des Begriffes imperator im „Traktat vom Ämterwesen“, wonach demjenigen der Kaisertitel gebühre, der über Könige herrsche Imperator, cuius regnum procellit in toto orbe, et sub eo reges aliorum regnorum. Et non imperatores, sed reges nominantur.69 Daraus läßt sich umgekehrt folgern, daß wer 66

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Dazu Schlesinger, Kaisertum, S. 22 ff., der darin eine Unterscheidung eindeutig universalistischer Formeln der in anderer Hinsicht von ihm als Vorbild für Karls Text angenommenen Konstantinischen Schenkung sieht. Schlesinger lehnt daher die Erhebung eines universalen politischen „Anspruches“ ab, stellt das allerdings nur in den Zusammenhang der Auseinandersetzung mit Byzanz, nicht auch gegenüber den anderen christlichen Königen. Ordinatio imperii 817, MGH LL II, Capit. I, Nr. 136, S. 270. Tellenbach, Reichsgedanke, S. 42, der zu Recht darauf hinweist, daß das Element der Kaiserwürde der Vogtei über die Kirche als Schutzauftrag bereits im Amt des patricius Romanorum enthalten war. Zitiert nach Beyerle, Schulheft, S. 7, der allerdings den Text auf eine ostgotische Herkunft zurückführt, wodurch diese Stelle in den Kontext der byzantinischen Reichstheorie und Kaiseridee eingefügt wäre; hingegen will Mitteis, Staat, S. 73, dies auch für die karolingische Zeit gelten lassen. Erdmann, Kaiseridee, S. 16, versteht procellit aber nur als einen Vorrang, der die Könige nicht zu Untergebenen habe. Auch gehöre er deutlich in byzantinisches Denken. Suerbaum, Staatsbegriff, S. 93 ff., lehnt diese Begriffsdeutung für das imperium romanum und für Theoderich ab. Die Etymologiae des Isidoro v. Sevilla sind dafür nicht heranzuziehen; sie definieren ganz anders: Migne PL 82, Lib. IX, cap. III, c. 14, Sp. 343 ohne Bezug auf untergebene Könige, senatus censuit ut Augusti Caesaris hoc tantum nomen esset.

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imperator heiße, über die Könige herrsche. Dieser Schluß ist aber nicht zwingend. Die Definition selbst muß im übrigen nicht die Auffassung der Zeit wiedergeben, da sie in einem gewissen Schematismus steht. Sie ist jedenfalls für die frühere Zeit bestritten. Maßgebend ist zudem weniger diese im übrigen vereinzelte Stelle, sondern die Praxis. Da zeigt sich, daß auch eine Oberhoheit gegenüber christlichen Königen unmittelbar aus dem Kaisertum nicht in Anspruch genommen worden ist. Eine kaiserliche Oberhoheit könnte allenfalls hinter der Rückführung des vertriebenen Königs Eardulf von Northumbrien durch kaiserliche und päpstliche Gesandte in sein Reich im Jahre 808 stehen.70 Denn ein besonderer Grund wird dafür nicht genannt. Aber in einem Brief Papst Leos III. an Karl, der seinerseits Eardulf nach dessen Vertreibung zunächst nach Rom geschickt hatte, nennt ihn dieser vester semper fidelis und führt in bezug auf diese Affäre aus: Pro qua re vestra imperialis defensio ubique multipliciter resonat.71 Der Begriff fidelis gehört dem Lehnsrecht an, deutet in jedem Fall auf Unterwerfung. Ein besonderer Lehnsakt ist jedoch nicht bekannt, so daß die Rückführung in der imperialen Stellung Karls begründet sein könnte. Eardulf war im übrigen zu Karl geflohen, hatte doch wohl seine Hilfe erbeten. Auch daraus kann sich die Stellung eines fidelis ableiten. Aber die Stelle im Schreiben Leos kann auch dahin verstanden werden, daß es allgemein zur Aufgabe des Kaisers gehört, den ordo zu wahren, ohne damit bereits eine Oberhoheit im juristischen Sinne auszuüben. Dieses Verständnis liegt näher, da andere Nachrichten dieser Art nicht vorhanden sind. Zwar hatte Karl ohne Zweifel eine dominante Stellung inne, zu der auch das Kaisertum gehörte. Aber dieses vermittelte keinerlei Rechte oder Suprematie nach außen. Selbst wenn die Zustimmung der englischen Beteiligten zur Rückführung Eardulfs auf Druck von Papst und Kaiser erfolgte, so bestand doch dafür keine rechtliche Grundlage. Zudem war die maßgebliche Beteiligung des Papstes an der Rückführung Eardulfs von Karl ausdrücklich gewünscht. Seine Entscheidung hing von der Leos III. ab. An ihn hatte Eardulf offenbar zunächst appellieren müssen. Da der Papst die Rückführung durch eigene Gesandte mittrug, wurde eher die Autorität der Kirche als eine kaiserliche Autorität geltend gemacht.72 Eine gewisse allgemeine Ordnungsfunktion von Papst und Kaiser wird in diesem Zusammenwirken allerdings deutlich, deren Aufgabe die Sicherung und notfalls die Wiederherstellung des ordo christianorum war. Die Beteiligung fränkischer Bischöfe an englischen Synoden und umgekehrt hat ihren normativen Grund in der kirchlichen Einheit der unterschiedenen Herrschaftsbereiche. Hier wird wohl Alcuins Konzept der einen christianitas konkret wirksam. 70

71 72

Ann. regni Franc. ad a. 808. Dazu Stenton, England, S. 93ff.; Löwe, Grenzen, S. 353. Der Vorgang wird in englischen Chroniken nicht behandelt, was Löwe dahin deutet, daß dies Schweigen „aus einer Abwehrhaltung gegen eine auf das Kaisertum sich stützende fränkische Einflußnahme“ zu verstehen sei. Leonis III. papae epp., Nr. 2, MGH Epp. V, S. 89, 90, Z. 11. Karl hatte zunächst den Papst veranlassen wollen, den Erzbischof zur Rechtfertigung nach Rom oder zum Kaiser kommen zu lassen; der Papst hatte dann aber durch einen Gesandten ein anderes Arrangement gefunden; Einzelheiten bei Hampe, Wiedereinsetzung, S. 356, der sogar ein gewisses Nebeneinander von Kaiser und Papst annimmt, zumal der Gesandte des Papstes auf der Rückreise nicht beim Kaiser Station machte, sondern sich direkt nach Rom begab.

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Hinzutrat, daß der karolingische König sich bereits seit Pippin innerhalb der Kirche als defensor ecclesiae allgemein die Aufgabe zuordnete, für die Gesamtkirche auch über sein Reich hinaus tätig zu werden. Das bildete letztlich die Grundlage für Karls Wirken im Bilderstreit und auf dem Konzil von Frankfurt, bereits bevor er zum Kaiser erhoben worden war. Karl leitete daraus keine Suprematie ab, wohl aber einerseits das Recht, ein Interesse auch an englischen kirchlichen Angelegenheiten zu nehmen,73 und andererseits das Recht, für seine Ansichten zu den allgemeinen Angelegenheiten der Kirche die allgemeine Zustimmung auch über die eigene fränkische Kirche hinaus einzuholen. So wirkten auch für die Beziehungen zwischen Karl und den englischen Königen, insbesondere Offa von Mercien verschiedene normative Grundlagen zusammen, wenn auch nicht so ausgeprägt wie in dem Verhältnis zum Papsttum. Aber auch hier hatten, so scheint es, die religiös-kirchlichen Beziehungen eine Art Türöffnerfunktion. Umgekehrt ist von seiten der genannten kleineren christlichen Königtümer bzw. ihrer Herrscher nach Untersuchungen Löwes von der Kaiserwürde Karls und Ludwigs und dem imperium überhaupt nicht Kenntnis genommen worden, jedenfalls nicht in dem Sinne einer irgendwie übergeordneten Stellung des Kaisers, gar einer Erneuerung römisch-kaiserlicher Oberhoheit.74 Im Gegenteil, es bestand eher eine Ablehnung einer möglichen, aber als fränkisch angesehenen Oberhoheit. Insbesondere Asturien verstand sich in der Nachfolge der Westgoten, die bereits früh ein eigenes Königreich gegründet und sich von Byzanz gelöst hatten. Die zeitweilige, in ihrer Bedeutung nicht ganz geklärte asturische Verwendung der Begriffe imperium für das regnum, imperator für die Herrscher bedeutet jedenfalls Unabhängigkeit von dem karolingischen Kaisertum, wie schon vorher von Byzanz Unabhängigkeit in Anspruch genommen worden war. Eine Oberhoheit als rechtliches Verhältnis gegenüber den anderen christlichen Königen und ihren, wenn auch kleineren Reichen bestand somit nicht. Von einer auctoritas im Sinne antiker römischer Vorstellungen kann keine Rede sein. Sie wurde auch von Karl und Ludwig nicht in Anspruch genommen. Keines der kleineren christlichen Reiche unterlag einer Pflicht, vor Karl bei Hofe oder auf einer Reichsversammlung zu erscheinen. Keinem der Könige ist jemals etwa ein Kriegszug befohlen worden. Es fanden, ausgenommen die Rückführung Eardulfs, auch keinerlei Interventionen in die Angelegenheiten dieser kleineren Königreiche statt. Die kleineren christlichen Königreiche haben in der Ordnung der Welt nach fränkischer Vorstellung ihre eigene Stellung neben den anderen Mächten. Eine generelle hierarchische Überordnung der fränkischen Herrscher aus der kaiserlichen Stellung wurde nicht behauptet und wäre nicht akzeptiert worden. Nur, wenn ein besonderer Akt der Verbindung oder Unterwerfung gegeben war, wie im Falle des Langobardenkönigs Aistulf nach den Siegen Pippins 754 und 755 oder mit der Kommendation des 73

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Englische Bischöfe empfingen auch Geschenke von Karl. Außerdem spielte wiederum Alcuins Stellung zwischen England und Karl eine bestimmende Rolle, Alcuini epp., Nr. 104, MGH Epp. IV, S. 150f., Brief an englische Bischöfe von 796, die darin auch um Gebete für Karl gebeten werden. Löwe, Grenzen, S. 349 ff.

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dänischen Königs Heriold gegenüber Ludwig dem Frommen 814, war eine Oberhoheit begründet. Das aber waren besondere Verhältnisse, die vom karolingischen Kaisertum völlig unabhängig waren, im Falle Aistulf sogar weit vor der Idee eines solchen lagen. Man kann fragen, ob die kaiserliche Stellung der frühen Karolinger im ordo mundi und damit im Verhältnis zu den anderen christlichen regna und reges überhaupt eine Bedeutung hatte. Es gibt, abgesehen von dem erwähnten Brief Leos III. in der Sache Eardulf, keine Hinweise darauf. Jede Aussage dazu wäre daher Spekulation. Denn in keiner der Schriften der Zeit oder in Briefen finden sich Reflexionen über oder Erörterungen der kaiserlichen Stellung in der weltlichen Mächte-Ordnung. Auch von Karl selbst sind Äußerungen dazu nicht bekannt. Spätere Theorien des Hoch- und Spätmittelalters zur Stellung des Kaisers können und dürfen nicht zurückprojiziert werden. Auch nur für einen hierarchischen Ehrenrang an der Spitze einer Herrschaftspyramide finden sich keine Anhaltspunkte, nicht einmal bei denen, die Karl über alles preisen, Einhard und der Poeta Saxo.

i. Papsttum – weltlich Zu den christlichen Herrschern gehörten seit der „Pippinschen Schenkung“ und ihrer Durchführung durch Karl der Großen auch die Päpste. Sie waren ständig bemüht, diese weltliche Herrschaft auszubauen, nach außen und nach innen. Aber sie trugen – noch – keinen weltlichen Herrschaftstitel und auch noch keine Krone. Der erste Reif der päpstlichen Tiara erscheint kaum vor dem 9. Jahrhundert. Der Papst ist ohne Zweifel eine Macht. Aber, wie dargelegt, ist diese in erster Linie religiös-kirchlich begründet. Seine weltliche Herrschaftsbefugnis ist eher ein Annex. Sie ist in dieser Zeit i. ü. noch im Werden, wenn auch Hadrian I. sie bereits gegenüber den langobardischen Herzögen von Spoletto und Benevent, aber auch in geringerem Maße gegenüber den Vertretern des byzantinischen Kaisers in Süditalien wahrzunehmen sucht. Wie dargelegt, kann von einer völligen weltlichen Unabhängigkeit und Selbständigkeit gegenüber den karolingischen Herrschern noch keine Rede sein. Vielmehr besteht zunächst eine Schutzfunktion des patricius Romanorum und dann eine wesentlich ausgeprägtere Befugnis des imperator et augustus. Die Stellung des Papstes in der Ordnung der Welt wird nicht durch seine weltliche Herrschaft bestimmt. Alcuin begründet in dem mehrfach zitierten Brief von 799 die Stellung des Papstes quae beati Petri principis apostolorum sedem vicario munere regere solet.75 Seine Vermittlertätigkeit erwächst nicht aus einer weltlich bestimmten Hoheitsstellung. Es ist die geistliche, religiöse Stellung des Papstes, die seinen Platz im ordo der Welt bestimmt, aus der sich dann jedoch auch säkulare Folgen ergeben. Das verweist auf die religiöse Dimension dieses ordo, die mit dem zeitgenössischen Begriff christianum imperium, nicht dem späteren sacrum imperium, bezeichnet werden kann.

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Alcuini epp., Nr. 174, MGH Epp. IV, S. 288, Z. 18.; dt. Anhang 13.

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j. Familie der Könige Das Modell der „Familie der Könige“ nimmt die Umstrukturierung, wenn nicht gar die Auflösung oder den Zerfall des römischen Reiches auf. Es ist von der byzantinischen Geschichtswissenschaft des vorigen Jahrhunderts ausdrücklich an der byzantinischen Auffassung entwickelt worden, wird aber für das ganze Mittelalter generell behauptet.76 Weder in Byzanz selbst noch im karolingischen Reich ist es als theoretisches Modell erarbeitet worden. Verwandtschaft der Herrscher untereinander beruht zum einen auf biologisch oder rechtlich oder religiös-kirchlich begründeter Verwandtschaft im Wortsinn, oder aber zum anderen auf der gemeinsamen Berufung zum Amt des Herrschers durch Gott. Die Adoption Oktavians durch Cäsar war wohl das erste Beispiel, durch eine rechtliche Verwandtschaft Nachfolgerechte in Herrschaft zu begründen, obwohl Oktavian bereits Cäsars Neffe war. Sie wurde auch in fränkischer Zeit geübt, wie die Adoption Pippins durch Luitprand zeigt, um dadurch in eine königliche Würde aufsteigen zu können. In der christlichen Ära tritt die Patenschaft, die compaternitas, als Begründung einer geistlichen Verwandtschaft hinzu. Verwandtschaft kann auch durch Heirat hergestellt werden. Das alles wird in unserer Epoche auch geübt. In diesen Fällen waren bestimmte rechtlich konstitutiv wirkende Akte Voraussetzung, um „Verwandtschaft“ in einem weiten Sinne herzustellen. Sie erzeugten zwischen den so zu Verwandten gewordenen Personen Rechte und Pflichten, auch in bezug auf Herrschaft. Sie sind jedoch allgemein bedeutsame und verwendete Rechtsakte, nicht nur zwischen Königen oder Herrschern. Das Modell „Familie der Könige“ greift über diese Arten der rechtlichen oder natürlichen Verwandtschaft hinaus. Es besagt, daß die christlichen Herrscher durch ihre Ämter als Herrscher in einer Ordnung miteinander standen, auch ohne solche konstitutiven Akte der Begründung von Verwandtschaft und deren Rechte und Pflichten. Diese Ordnung fand ihren Niederschlag vor allem in Zeremonien der Anrede, des Empfangs, der Geschenke, etc. Dölger hat an Hand des byzantinischen Zeremonienbuches aus dem 10. Jahrhundert die byzantinische „Familie“ analysiert.77 Auf die Einzelheiten braucht hier nicht eingegangen zu werden. Es handelte sich um eine Stufenfolge von 4 Rängen von Fürsten, deren unterste ganz ohne Verwandtschaftsgrade angeredet wurden. Die christlichen Herrscher des Abendlandes standen nur in der zweitobersten Gruppe mit der Bezeichnung adelphos. Der byzantinische Kaiser selbst begriff sich auch zu dieser Zeit noch als der Vater, d. h. Haupt dieser Familie der Könige und Fürsten, vertrat also offenbar noch eine hierarchische Ordnung. Diese Familie umfaßte nicht nur christliche, sondern auch nicht-christliche, namentlich muslimische Herrscher, nicht nur den Kalifen, sondern auch Emire, aber auch indische Herrscher als philoi.78 Die Stellung des pater ist die Sublimierung des universellen Herrschaftsanspruchs des byzantinischen 76 77

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Dölger, Familie, S. 398. Dölger, Familie, S. 400ff.; es handelt sich um das Zeremonienbuch des Konstantinos Porphyrogennetos (Konstantin VII.), das, wie Dölger ausdrücklich hervorhebt, für den praktischen Gebrauch bestimmt war. Dölger, Familie, S. 402.

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Kaisers unter der Bedingung einer Mehrheit politisch unabhängiger, ihm aus eigenem Recht gegenüberstehender Mächte. Es soll dazu dienen, die byzantinische „Staatenhierarchie“ nach außen zu dokumentieren.79 Hier scheint trotz der gegenseitigen Bruder-Anrede ein Dissens zwischen der oströmischen und der fränkischen Vorstellung von der Ordnung der Welt auf, der theoretisch grundlegenden Charakter hatte. Aber ob und inwieweit der basileus als Vater eine patria potestas tatsächlich geltend machte, sei hier dahingestellt. Gegenüber den Karolingern ist das nie geschehen. Auch gegenüber den anderen Herrschern im Westen trat diese potestas, soweit zu sehen, jedenfalls in der hier behandelten Epoche nicht hervor. Es ist zumindest ungewiß, ob die Kaiser in unserer Epoche diesen gegenüber noch die ältere Anrede filius benutzten, und diese ihn mit pater anredeten.80 Spätestens Karl der Große verwendete, wie bereits erwähnt, nach seiner Erhebung zum Kaiser in den beiden erhaltenen Briefen an Kaiser Nicephorus und an Kaiser Michael I. die Anrede frater, wie auch Michael II. und Theophilus gegenüber Ludwig dem Frommen. Seitdem blieb sie üblich. Die Könige untereinander verwendeten sie auch schon vorher.81 Der hierarchische Anspruch der byzantinischen Kaiser wird sich aber im Zeremoniell des Gesandtenempfanges bemerkbar gemacht haben. Mochten auch die Karolinger die Terminologie der „Familie“ für die anderen Herrscher übernehmen, so war es doch eine solche der Brüder. In der weltlich-herrschaftlichen Ordnung gab es zwischen den Königen und Kaisern in unserer Epoche keine hierarchische Ausrichtung. Auch später wird nicht berichtet, daß der westliche Kaiser von anderen Königen mit pater angeredet worden wäre. Es bleibt bei der Parität der fratres. „Familie“ ist in der karolingischen Zeit ein Modell der brüderlichen Gleichheit zwischen den Herrschern, mag es vielleicht auch ältere und jüngere Brüder geben, die u. U., wie in der Ludwigs Ordinatio imperii, dem älteren in gewisser Weise untergeordnet sein sollten. Aber das stellte zum einen die besondere Ordnung des Frankenreiches dar, nicht die allgemeine Ordnung, und ließ sich zum anderen selbst dort nicht realisieren. Aber auch das Familienmodell von Brüdern verlangt nach einem Vater. Ist es Gott oder der Papst? Die Stellung des Papstes in der „Familie“ war dadurch gekennzeichnet, daß er in der Tat von den karolingischen Herrschern stets mit pater angesprochen wurde, während er sie mit filius anredete. Die compaternitas zwischen Pippin und später Karl dem Großen mit einigen zeitgenössischen Päpsten führte zwar zur wechselseitigen Anrede compater von beiden Seiten, also insofern zum gleichen Rang, bildete aber nur eine jeweilige, vorübergehende religiöse Sonderbeziehung, die nicht die allgemeine Ordnung berührte. Die gegenseitigen Anreden pater und filius waren jedoch rein geistlich-religiös und nicht weltlich begründet. Sie datierten aus alter Zeit. Sie gründeten in der geistlichen Stellung und Gewalt des Papstes. Aber in weltlicher Hinsicht war weder aus päpstlicher noch aus karolingischer Sicht eine pater-Stellung zu begründen. Pater aller Herrscher im karolingischen ordo ist, wie die Libri Carolini 79 80 81

Ostrogorsky, Staatenhierarchie, passim. Belege für die ältere Zeit bei Dölger, Familie, S. 403, Fußnote 13. Belege bei Helen, Untersuchungen, S. 386, Fußnote 24 und Dölger, Familie, S. 405, Fußnote 18.

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ausführen, Gott, vor dem diese dann aber gleich sind. Gerade dies auch gegenüber den oströmischen Kaisern darzulegen, ist ein zentrales Anliegen der Libri Carolini. Welche rechtliche Funktion dieses „Familienmodell“ i. e. für die Beziehungen zwischen den Herrschern als Brüdern hatte, ist schwer zu sagen. Aber es begründete eine grundlegende Anerkennung des Bruders auch als Rechtspartner. Es erfuhr in Einzelfällen einen weiteren Ausbau in der amicitia. Das Modell der „Familie“ bezog sich jedenfalls aus karolingischer Sicht zunächst auf die christlichen Herrscher. Heidnische Herrscher waren anscheinend nicht einbezogen. Dazu waren vielleicht die tatsächlichen Kontakte, anders als bei den oströmischen Kaisern, zu gering. Jedoch könnte es gegenüber Harun al-Rashid angewandt werden. Dafür fehlen aber die Quellen, z. B. Briefe. Heidnische Herrscher konnten durch die Taufe und die Übernahme der Patenschaft in eine geistliche Verwandtschaft mit den karolingischenn Herrschern treten, wie der sächsische Herzog Widukind zu Karl dem Großen oder der dänische König Heriold zu Ludwig dem Frommen. In beiden Fällen wurde damit allerdings nicht ein weltlich-paritätisches Verhältnis begründet, da die Sachsen eingegliedert wurden und Heriold sich dem Kaiser schon vorher kommendiert hatte. Hierdurch wurden zwar in concreto hierarchische Verhältnisse begründet, aber durch ausdrückliche Rechtsakte. Ein vorausgesetztes allgemeines hierarchisches Modell der „Familie der Könige“ läßt sich in bezug auf die weltlichen Herrscher für die karolingischen Herrscher auch gegenüber nicht-christlichen Herrschern nicht belegen. Dafür galten andere Ordnungen.

I II . U n a sa nc ta ec c l esi a c a th o l i c a a. Grundlegung Zwar nennt Karl die Einheit im Glauben und in der Kirche in seinen Briefen an Offa und die byzantinischen Kaisern als gemeinsames verbindendes Gut. Aber genauere Auskunft über Karls Verständnis dieser Einheit geben auch hier die Libri Carolini. Denn diese begründen nicht nur die Pluralität und Parität der weltlichen Mächte, sondern beschwören in enger Verbindung damit als deren notwendige Ergänzung die Einheit dieser weltlich pluralen christlichen Welt in der einen heiligen katholischen Kirche Jesu Christi über den reges, die Karl durch die Beschlüsse von Nicaea II gefährdet sieht. Da diese Einheit für die Weltordnung der Zeit über der Pluralität und Parität der politischen Mächte konstitutiv ist, ist im Hinblick darauf auf diese Dimension in der Argumentation der Libri Carolini einzugehen. Karls Widerspruch gegen die Verbindlichkeit der Beschlüsse für die fränkische Kirche beruhte auf der theologischen Zurückweisung in der Sache. Aber auch die Frage der Beteiligung am Konzil war nicht nur eine solche der formalen Ökumenizität, sondern der inhaltlichen Katholizität und Ökumenizität der Kirche. Karls Widerspruch gründete sich insoweit im Grunde auf den alten kirchlichen Grundsatz, daß, was alle angeht, auch von allen beschlossen werden muß. Da Karl und damit auch die Franken und die fränkische Kirche nicht unmittelbar an dem Konzil beteiligt waren, fehlte es

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an dieser materiellen Gemeinsamkeit. Daran änderte auch die Ratifikation der Beschlüsse durch Hadrian I., Papst und Patriarch des Westens für Karl nichts. Ob Karls Widerspruch gegen Nicaea II. auf schlechten oder gar falschen Übersetzungen der Beschlüsse beruhte, ist im vorliegenden Zusammenhang unwichtig. Das gilt auch für die inhaltlichen theologischen Fragen zur Bilderverehrung.

b. Libri Carolini und Hadrian I. Die erste Fassung der Einwände und dann die Libri Carolini waren, wie bereits bemerkt, an Papst Hadrian I. gerichtet, nicht an die Herrscher in Byzanz, Kaiserin Eirene und Kaiser Konstantin VI., obwohl diese das Konzil veranstaltet und die Beschlüsse sanktioniert hatten. Vom Papst wurde verlangt, die Beschlüsse des Nicaeanums aufzuheben. Ob Karl die Exkommunikation der Herrscher verlangt hat, ist ungewiß.82 Hadrian lehnte sie wegen der Beschlüsse von Nicaea ab; diese bestätigte er vielmehr und verteidigte sie. Er schlug jedoch vor, von Byzanz die Rückstellung der süditalienischen Gebiete unter das Patriarchat von Rom zu verlangen und im Fall der Weigerung deswegen die Exkommunikation auszusprechen. Darauf ging Karl jedoch nicht ein. Sie ist auch nicht erfolgt. Der Ablauf der Vorgänge zeigt daß es sich für Karl in der Tat zunächst und vor allem um ein dogmatisch-kirchliches Problem handelte. Er wandte sich daher an die dafür nach seiner Ansicht „zuständige“ Stelle. Schon darin allein liegt die grundsätzliche Bestreitung irgendeiner Kompetenz auf Seiten der byzantinischen Kaiser. Die Gültigkeit der konziliaren Beschlüsse ist für die Franken ausschließlich vom Papst abhängig. Diese Auffassung hat ihrerseits ihren Grund in der Bejahung des Primats des Papstes in der universalen Kirche. Die Libri stellen zum einen diesen sehr nachdrücklich heraus und betonen zum anderen gleichzeitig die enge Bindung der fränkischen Kirche und Karls an den Papst in Rom.83 Damit macht sich Karl zwar die päpstliche Auffassung zum Primat zu eigen, setzt sich aber, wie der Papst selbst, in Gegensatz, zumindest in Spannung vor allem zur byzantinischen Auffassung, aber auch zu der der orientalischen Patriarchate.84 Indem Karl sich zu dem päpstlichen Primat bekennt und ihm damit weltliche Unterstützung leiht, bezieht er auch politisch grundsätzlich eine Position gegen Byzanz. Hadrian mag durch diese Argumentation wohl vorübergehend in eine Zwickmühle geraten sein. Sie entsprach zwar seiner eigenen Auffassung, wurde hier aber eher gegen ihn verwendet, da sie eingesetzt wurde, das bereits von ihm gebilligte Konzilsergebnis zu Fall zu bringen. Auf Dauer profitierte das Papsttum als solches jedoch von dieser Einstellung und Unterstützung seiner Auffassung durch die weltliche Macht. Allerdings wuchs die Gefahr der Konfrontation mit Byzanz und damit der Teilung auch der Kirche gemäß den Linien der politischen Teilung zwischen Ostreich und Westreich. Hadrians Weigerung, Karls Ansinnen zu folgen, hatte wohl auch eben darin ihren 82 83 84

Das wird von Dempf nicht geprüft, sondern wohl unterstellt. Libri Carolini, I, c. VI, S. 22ff. Das führte zur Unterdrückung der entsprechenden Passagen des Briefes Hadrians I. an das Konzil von 787.

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Grund, die gerade mühselig erreichte Einheit der Kirche, die schon durch den Ikonoklasmus so gefährdet gewesen war, nicht wieder zu zerstören. Das z. T. heftig kritisierte Ausweichangebot der Exkommunikation der byzantinischen Kaiser, wenn diese die süditalienischen Gebiete nicht wieder an das Patriarchat des Westens zurückstellen sollten, die ihm zu Beginn des Streites um die Bilderverehrung von Leon III. entzogen worden waren, scheint diesem Anliegen zwar zu widersprechen.85 Aber wesentlich war für den Papst die Einheit im Glauben. Vielleicht war es auch wirklich nur ein nur halb ernst gemeintes taktisches Manöver, um Karl in bezug auf die politische Seite des Streites entgegenzukommen.

c. Karl der Große – defensor ecclesiae Karl der Große berief sich für sein inhaltliches Vorgehen gegen das Konzil und seine Beschlüsse auf seine Stellung als defensor ecclesiae, die auch die des defensor fidei einschloß. Im ersten Absatz der Praefatio der Libri und wiederholt an anderen Stellen beklagt Karl die unsichere Lage der Kirche, mater nostra. Zwar breite sich Frieden über die ganze Erde aus, aber die Kirche habe auch immer wieder von außen wie von innen Kriege zu erdulden und werde von internen Unruhen geschüttelt.86 Damit ist der tragende Grund der Stellungnahme Karls bezeichnet. Es geht ihm um Abwehr von inneren Tumulten und innerem Krieg innerhalb der Kirche. Es mag auch noch andere Gründe geben, wichtige, für Karl zentrale Gründe seiner Stellung als Herrscher. Aber sie sind auf diese Aufgabe bezogen, den Frieden und die Einheit der Kirche zu wahren. Denn Karl fühlt sich zum Sprechen gezwungen, weil er von Gott das Steuerruder des Königreiches erhalten habe. So sei er zur Verteidigung und Erhöhung der Kirche und zur Bewahrung der Einheit mit Christi Hilfe berufen.87 Es ist also auch für Karl, wie

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So Hauck, Kirchengeschichte, Teil 2, S. 341; dagegen von den Steinen, Entstehungsgeschichte, S. 56, der Hadrians Vorgehen sogar „völkerrechtlich“ begründet, da die Wegnahme eine „Erpressung“ seitens Leo III. dargestellt habe, die vor einem echten Friedensschluß wieder rückgängig zu machen sei. Diese Einordnung halte ich in jeder Hinsicht für unzutreffend. Denn auf das Verhältnis Papst – Kaiser war zu Anfang des achten Jahrhunderts noch nicht „Völkerrecht“, sondern oströmisches Reichsrecht anwendbar. 791 war Rom zwar jedenfalls tatsächlich schon aus dem Reichsverband ausgeschieden. Aber inhaltlich handelt es sich um eine kirchenrechtliche Frage. Das Konzil bzw. seine Beschlüsse waren auch kein Friedensschluß. Et per universum orbem terrarum in pace diffusa, aliquando externa, aliquando intestina perpetitur bella, aliquando exterorum concutitur incursibus, aliquando civium pulsatur tumultibus. Libri Carolini, Praef., S. 1, Z. 11ff.; siehe auch: lib. II, c. XXIV, S. 83, Z. 35ff.; lib. IV, c. XVIII, S. 207, Z. 31; c. XXIV, S. 222, Z. 24ff.: Quur ecclesie prosperitatem civili quodam bello perturbant? Bellum ist auf die ganze Kirche bezogen, wohl nicht im Wortsinn gemeint; wohl aber für die byzantinische Kirche, in der der Bilderstreit zu heftigen Verfolgungen führte. Libri Carolini, Praef., S. 2f., Z. 26ff. Cuius quoniam in sinu regni gubernacula Domino tribuente suscepimus, necesse est, ut in eius defensione et ob eius exaltationem Christo auxiliante toto annisu certemus, ut ab eo boni servi et fidelis nomine censeri valeamus. Quod quidem

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für die byzantinischen Kaiser eine Aufgabe seines königlichen Herrscheramtes, mit dem ihm die Kirche nicht nur zu verteidigen, sondern sogar zu leiten anvertraut sei.88 Karl bezieht dabei offenbar die ganze, universale Kirche ein, nicht nur die fränkische oder römische. Ecclesia mater nostra lauten die ersten Worte der Praefatio.89 Das heißt nicht, daß Karl nun seinerseits für die ganze Kirche herrschaftlich tätig werden will. Aber als Teil derselben will er innerhalb des Ganzen mitwirken, den Frieden wahren und Erschütterungen abwenden, die andere Teile der Kirche durch ihr Verhalten hervorrufen. Es ist eine Gesamtmitverantwortung, die aus seiner Stellung als Herrscher innerhalb der Gesamtchristenheit erwächst. Denn die Verteidigung der Kirche richtet sich nicht nur gegen äußere Feinde, sondern umfaßt auch die Verteidigung des Glaubens als defensor fidei, wie Paul I. schon Pippin bezeichnet hatte.90 Damit erhebt Karl zumindest indirekt wiederum einen Paritätsanspruch mit dem Kaiser; denn er versteht sein Amt als defensor ecclesiae inhaltlich wie der Kaiser. Auch er muß für die Reinheit, die Orthodoxie des Glaubens sorgen. Auf der Frankfurter Synode 794 wird neben dem Bilderstreit der Streit um den Adoptianismus eine zentrale Rolle spielen. Karls Grundlegung hat also sowohl einen innerkirchlichen als auch einen weltlichpolitischen Aspekt.

d. Consensus omnium Der nächste Schritt ist konsequent. Da das Konzil von 787 nach Karls Auffassung bereits formal nicht ökumenisch zusammengesetzt war, sind seine Beschlüsse inhaltlich anfechtbar. Die Lehrautorität eines ökumenischen Konzils wird auch von den Franken und Karl nicht in Frage gestellt. Es ist aber nach Karls Ansicht gerade dieses Konzil von Nicaea, das die Unruhe, den Unfrieden in die Kirche gebracht hat. Wie erinnerlich, hat Karl das Konzil allein als ein Konzil synodum, que in partibus Graetiae... gesta est bezeichnet. Auch andernorts wird die pars orientalis für sich genommen, der die pars occidua als pars noster gegenübergestellt wird.91 Es gibt also zwei nebeneinander stehende Teile, die offenbar als gleich vorausgesetzt werden. Es handelt sich um partes der einen Kirche, von der in den Eingangsworten die Rede ist. Die pars noster bezeichnete Karl im Formular durch seine Herrschertitel, König der Franken, Herrscher von Gallien, Germanien, Italien und deren verschiedenen Provinzen. Die

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non solum nobis, quibus in huius saeculi procellosis fluctibus ad regendum commissa est, sed etiam cunctis ab eius uberibus enutritis sollicite observandum est, ita tamen, ut ab eius unione, qui eius membrum esse dinoscitur, nullatenus abscedat, quoniam qui cum ea non est, adversus eam est, et qui cum ea non colligit spargit. Huius ergo rei causa loqui conpellit,... In der Literatur ist zwar das Verständnis ad regendum commissa est in Nuancen verschieden, Hauck, Kirchengeschichte, Teil 2, S. 330, versteht es als „Regent“, Hefele Conciliengeschichte, Bd. 3, S. 655, eher als „Beschützer“. Aber in jedem Fall nimmt Karl für sich eine herrschaftliche Position wahr, die über die des bloßen militärischen Schutzes oder der Verteidigung hinausgeht. Hauck, Kirchengeschichte, Teil 2, S. 336: „nicht nur im Namen der fränkischen Kirche... sondern im Namen der abendländischen Christenheit“. Oben S. 161ff. Libri Carolini, Praef. S. 1, Z. 5ff.; S. 3, Z. 7; S. 5, Z. 6f.; Bastgen, Capitulare, S. 663.

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Langobarden gehen offenbar in Italien auf. Damit ist, ausgenommen Spanien und England, der ehemalige „Westen“ des römischen Reiches bezeichnet und mit Germanien sogar ein darüber hinausgehendes Gebiet einbezogen.92 Aber damit ist wohl auch die Kirche dieser pars noster gemeint; denn deren Beteiligung will der defensor ecclesiae zur Geltung bringen. Vom östlichen Teil her droht Gefahr, Verwirrung, Irrtum, Arroganz, der Feind für die ganze Kirche.93 Dem tritt der westliche Teil, tritt Karl entgegen. Ob, wie vertreten wird, Karl sich nun in Übernahme augustinischer Gedankengänge als Vertreter der civitas Dei im Kampf gegen Teufelswerk und Antichrist verstanden hat, kann hier nicht i. e. untersucht werden.94 Karl macht jedenfalls gegenüber den Griechen, der pars orientalis, die wahre Lehre der ecclesia catholica geltend, die zu wahren er als defensor ecclesiae als seine Aufgabe ansieht. Das Argument, es handele sich nur um ein Konzil der Griechen oder in partibus Graetiae, in ihm habe nur die pars orientalis einen von der universalen Kirche abweichenden Standpunkt formuliert, greift nicht nur die äußere Universalität des Konzils, sondern eben seine inhaltliche Ökumenizität an. Diese umfaßt die Kirche in beiden partes; sie ist nur insoweit universal zu nennen. Die unitas ecclesiae und christianitatis ist nur in der inhaltlichen Einheit und im Zusammenwirken der Kirchen des Westens und des Ostens gegeben. Noch ist trotz des Bilderstreites und anderer theologischer Streitfragen die Trennung weit. Insofern dachte Karl offenbar in kirchlicher Hinsicht grundsätzlich noch keineswegs „abendländisch“ beschränkt.95 Karl verlangte daher inhaltlich für die Festlegungen und Definitionen von Glaubenssätzen durch ein ökumenisches Konzil die Übereinstimmung der ganzen Kirche. So wandte er gegen das Anathema des Konzils gegen diejenigen, die seine Beschlüsse nicht annähmen, ein, daß nicht alle Provinzen der Kirche, alle Kirchen befragt und gehört worden seien.96 Auch die Einheit der Kirche unter ihrem Haupt Jesus Christus stehe dem Anathema eines Teiles der Kirche gegen die anderen Kirchen entgegen. Zudem seien, wenn notwendige und für die Gläubigen zukünftige Dinge behandelt werden, Neuheiten und Unordnungen zu vermeiden. Es dürfe von der Lehre der Apostel und den Beschlüssen früherer Synoden nicht abgewichen werden. Alles müsse klug und liebend, diligenter, festgesetzt und ausgesprochen werden.97 Karl bestreitet also den inhaltlichen allgemeinen Charakter des Konzils, weil es an der Beteiligung und Zustimmung aller Kirchen oder gar der ganzen Welt, jedenfalls der Mehrheit der Kirchen fehle. Die Libri skizzieren dafür sogar ein Verfahren. Man

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Dazu u. a. Bastgen, Capitulare, S. 665. Libri Carolini, Praef., S. 5, Z. 7ff. Dazu nunmehr besonders ausführlich Sieben, Konzilsidee, S. 306–343, mit vielfachen Hinweisen auf ältere Literatur; ihm weitgehend folgend Schatz, Oecuménicité, S. 269. So auch in seinem Brief an Michael I., in dem von der ecclesia catholica sancta et immaculata, quae toto orbe diffusa est, und beide Reiche umfaßt, gesprochen wird, Epp. var. Nr. 37, MGH Epp. IV, S. 556, dt. Anhang Nr. 3. Libri Carolini, III, c. XI, S. 123ff. Libri Carolini, III, c. XII, S. 125, Z. 5ff.

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hätte die Kirchen der ganzen Welt durch Briefe befragen und um Rat bitten müssen.98 Es wird damit auf die Universalität der Partizipation abgestellt. Es handelt sich um die Frage nach dem horizontalen Konsens, im Unterschied zum vertikalen Konsens. Die bereits in der Überschrift und auch an anderen Stellen geltend gemachte Behauptung, hier habe es sich um eine Synode der pars orientalis gehandelt, erscheint wieder. Die fränkische Kirche ist nicht um Rat gebeten und gefragt worden. Die Teilnahme der Legaten des Papstes als Vertreter des römischen Patriarchats genügt Karl offenbar nicht, wenn dies auch nicht ausdrücklich gesagt wird. Damit wird die das VII. ökumenische Konzil tragende, auch rechtlich erhebliche Auffassung implizit bestritten, daß die Allgemeinheit eines Konzils darauf beruhe, daß die fünf Patriarchate von Rom, Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien und Jerusalem es tragen, jedenfalls nachträglich rezipieren.99 Rom kommt dabei eine Sonderrolle zu, aber nicht etwa eine allein entscheidende.100 Auch Hadrian I. vertrat die herkömmliche Auffassung der Rechtmäßigkeit eines Konzils in seiner Verteidigung der Beschlüsse des II. Konzils von Nicaea gegenüber Karl.101 Die karolingisch-fränkische Auffassung interpretiert den auch von ihr als unbestritten, ja als selbstverständlich vorausgesetzten horizontalen Konsens – adsensus omnium – also neu. Diese Interpretation, die i.ü. auch die Stellung des Papstes im Westen trifft, schafft die theologische Grundlage für die Stellung der fränkischen Kirche in der Gesamtkirche.102 Sie wird von einer Randkirche zu einem gleichrangigen Glied in der Gesamtkirche mit eigenem unmittelbaren Anspruch auf Gehör, Mitentscheidung und Repräsentanz auf den Konzilien, nicht nur vermittelt durch den Patriarchen des Westens, den Papst. Zumindest muß auch sie das Ergebnis rezipieren. Daraus nimmt sie das Recht zu Prüfung der Beschlüsse in Anspruch. Das führt in einem nächsten Schritt zum zweiten, wichtigeren und letzthin tragenden, inneren Element der Universalität des Konzils, dem vertikalen consensus, der auf die Übereinstimmung mit dem von den Aposteln über die Väter überlieferten Glauben abstellt.103 Auch dieser vertikale Konsens wird von der karolingischen Theologie fraglos in Übereinstimmung mit der alten Konzilstheorie als notwendige, aber auch hinreichende Bedingung vorausgesetzt.104 Die Libri Carolini heben sogar ausdrücklich hervor, daß die Übereinstimmung mit der Überlieferung selbst dann die „Universalität“ einer Synode begründe, wenn es sich partizipatorisch nur um eine Teilsynode handele. „Katholizität“ sei auch dann gegeben, wenn die Vorsteher (praesules) zweier 98 99

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Libri Carolini, III, c. XI, S. 123, Z. 24–33. Das kommt insbesondere in der Ablehnung des ökumenischen Charakters des Konzils von 754 zum Ausdruck, Sieben, Konzilsidee, S. 318ff. Schatz, Oecuménicité, S. 265; Sieben, Konzilsidee, S. 321ff. Hadriani I. papae epp., Nr. 2, cap. XXIX, MGH Epp. V, S. 29, in dem er ausdrücklich auf die Übereinstimmung der Patriarchate von Alexandrien, Antiochien und Jerusalem mit Rom in der Bilderfrage abstellt, von der allein der Patriarch von Konstantinopel abgewichen sei, der sich nunmehr von seinem Irrtum abgewandt habe; dazu auch Sieben, Konzilsidee, S. 322 ff. Sieben, Konzilsidee, S. 329, spricht von einem quantitativen im Unterschied zu einem qualitativen Aspekt. Hauck, Kirchengeschichte, Teil 2, S. 327ff.; Classen, Karl der Große, S. 36ff. Sieben, Konzilsidee, S. 30ff. Sieben, Konzilsidee, S. 309ff. und S. 331ff.

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oder dreier Provinzen zusammenkommen und mit ihren Aussagen in der überlieferten Lehre bleiben, weil es der universale Glauben ist. Wenn es sich aber um etwas Neues handelt, quia non cum universi orbis ecclesia sentiunt, sed ab ea quadam ex parte dissentiunt, non est catholicum quod faciunt, et ideo universale nuncupari non potest.105 Die Libri dienten in ihrem sachbezogenen Teil aber gerade der Darlegung, daß nach Ansicht Karls das von dem Konzil angeblich aufgestellte Gebot der adoratio der Bilder nicht der universalen Lehre der Kirche aus der Schrift, den Vätern und den älteren Konzilien entspreche. Ohne hier näher auf diese Begründung einzugehen, ist doch zu bemerken, daß auch sie ein neues Element einführt. Denn es genügt danach nicht, die Autoritäten anzuführen. Sie müßten auf ihren Gehalt, ihre Aussage geprüft werden, wozu die ratio herangezogen werden müße, also eine am Text orientierte echte Argumentation.106 Karl deutet damit auch das Element des vertikalen Konsenses in gewisser Weise um. Denn war der Konsens in der alten Konzilstheorie ein Element der Rechtmäßigkeit des Konzils und seiner Beschlüsse, so wird er nunmehr zu einem solchen der Universalität derselben.

e. Folgerungen Die von Karl in Anspruch genommene inhaltliche Parität als defensor ecclesiae und als Glied der Gesamtkirche ergänzt die herrscherliche Parität als rex und umgekehrt. Die Weltordnung steht unter Gott, vor dem die Kirche eine Einheit gleicher Glieder ist, deren Verteidigung den Herrschern gleichermaßen aufgetragen ist und in der königliche Herrschaft nicht in einem hierarchischen Aufbau, wie nach byzantinischer Auffassung, sondern in gleicher Distanz zu und Abhängigkeit von Gott steht. Deswegen wird die Anrede pater gegenüber dem Kaiser für Karl wohl schon vor der eigenen Kaisererhebung unanwendbar gewesen sein. Es gibt somit nicht nur politisch-herrscherlich, sondern auch theologisch-kirchlich keinen Anhaltspunkt für die genannte These Dempfs, Karl habe mit den Libri Carolini und der Forderung an den Papst, die Kaiser zu Häretikern zu erklären, diese unter seine Herrschaft bringen wollen. Denn Karl stellte das byzantinische Kaisertum nicht als solches, sondern lediglich als universelles, anderen Herrschern übergeordnetes in Frage. Einen eigenen konkurrierenden oder den älteren ersetzenden Universalitätsanspruch erhebt er auch religiös-kirchlich nicht. Er wollte in der einen gemeinsamen Kirche gleichberechtigt mitreden und mitentscheiden, jedoch nicht selbst zum neuen Autokrator der Weltkirche werden. Auch insistierte Karl offenbar nicht auf der Verurteilung der Kaiser, beharrte aber auf seiner inhaltlichen Position in Bezug auf die Bilderverehrung. Sie wurde durch die Frankfurter Synode von 794 bekräftigt. Dempf kann sich auch nicht auf den bereits mehrfach erwähnten Brief Alcuins von 799 berufen. Nachdem dieser die drei höchsten Personen, tres personae in mundo altissime benannt hat, heißt es in bezug auf die imperialis dignitas et secundae Romae saecularis potentia; quam impie gubernator imperii illius depositus sit, non ab alienis, 105 106

Libri Carolini, IV, c. XXVIII, MGH Conc. II Suppl., S. 227, Z. 27ff. und Z. 36ff. Dazu ausführlich Sieben, Konzilsidee, S. 331ff. und S. 336ff., wo er auf das Libellus Synodalis Parisiensis von 825 eingeht.

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sed a propriis et concivibus, ubique fama narrante crebrescit.107 Man hat das dahin deuten wollen, Alcuin habe unter Berufung auf die Vakanz des Kaiserthrones in Byzanz Karl zum Eintritt in das Kaisertum bewegen wollen.108 Diese These wurde auch damit gestützt, daß Alcuin in bezug auf Karl schreibt Ecce in te solo tota salus ecclesiarum Christi inclinata recumbit. Tu vindex scelerum, tu rector errantium, tu consolator maerentium, tu exaltatio bonorum. Dieser Brief hat angesichts der Bedeutung der religiös-christlichen Dimension für den ordo der Zeit gewiß auch politische Implikationen. Aber seine erste Bedeutung ist eine religiös-kirchliche. Denn Alcuin beklagt anschließend den Zustand in Rom Nonne Romana in sede, ubi religio maxime pietatis quondam claruerat, ibi extrema impietatis exempla emerserunt? ... Nec ibi timor Dei, nec sapientia, nec caritas esse videtur; quid boni ibi esse poterit, ubi nihil horum trium invenitur? Die zweite, religiös-kirchliche, aber auch politisch relevante Dimension der Libri Carolini bildet die Neujustierung der Universalität der Kirche unter den neuen Bedingungen der Pluralität der weltlichen Mächte und ihrer Kirchen. Sie besteht über den weltlichen Teilen und ihren Königen, ohne sie aufzuheben oder einander hierarchisch zuzuordnen. Karl will die Universalität und Ökumenizität der Kirche inhaltlich dadurch neu festigen, daß er auch die „Newcomer“ voll an der Fortentwicklung der Lehre beteiligt. Die Wahrung dieser universellen Kirche ist auch Alcuins Anliegen in den Wirren um Leo III. im Jahre 799, daß die Kirche durch Karl geheilt werden muß, weil nur er dazu in der Lage sei. Auch Alcuin ist nicht darauf aus, daß das Ostreich von Karl übernommen und dieser zum neuen universellen Kaiser erhoben wird. Ihm ist es in diesem Brief nur um die Heilung der gesamten, einen, gemeinsamen Kirche zu tun. Denn Karl sei in der Schrift wie in weltlichen Geschichten wohl bewandert Ex his omnibus plena tibi scientia data est a Deo, ut per te sancta Dei ecclesia in populo christiano regatur, exaltetur, et conservetur. Die Fülle des Wissens, nicht die herrscherliche Stellung allein, befähigt Karl seine Aufgabe in der Kirche zu erfüllen. Für die Ordnung der Zwischen-Mächte-Beziehungen, für die die Bewahrung der Orthodoxie des Glaubens wesentlicher Inhalt ist, bedeutete dieser Anspruch auf eigene unmittelbare Partizipation an seiner inhaltlichen Fortentwicklung wiederum auch Anspruch auf Parität des fränkischen Herrschers mit den oströmischen Kaisern. Es bestand in der fränkischen weltlichen wie kirchlichen Führungsschicht die feste Vorstellung von einer gemeinsamen katholischen Kirche über den weltlichen Mächten, die diese aber als solche nicht vereinnahmte oder aufhob, sondern bestehen ließ. Auch für sie galt grundsätzlich die dualistische Struktur von Christenheit/Kirche und weltlichen Herrschafstverbänden trotz aller Verknüpfungen und Verbindungen. Wie die Entsendung von Gesandten zur Synode nach Gentilly, aber auch der Brief der Kaiser Michael II. und Theophilus an Ludwig den Frommen wegen der Bilderfrage ebenso, wie die in diesem Brief enthaltene Bitte um das dankende wie fürbittende Gebet Ludwigs zeigen, ist das Bewußtsein der einen heiligen katholischen Kirche über den politischen Mächten zu dieser Zeit auch in Konstantinopel trotz gleichzeitiger

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Alcuini epp., Nr. 174, MGH Epp. IV, S. 288, Z. 20ff. Ausdrücklich dagegen Classen, Karl der Große, S. 48ff.

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Auseinandersetzungen um die processio des Heiligen Geistes und die Stellung des Papstes in der Gesamtkirche noch vorhanden. Da fraglos auch in den kleineren Königreichen dieses Bewußtsein der grundlegenden Einheit in der einen katholischen Kirche über der Pluralität der Mächte, an der ebenfalls festgehalten wurde, lebendig war, ja gerade in ihnen, besteht insofern in dieser Epoche ein allgemeines die Gesamtordnung tragendes Bewußtsein. Zeugnisse von englischer Seite sind seit je die auf den Kontinent entsandten Missionare, die Bindung an Rom und der ständige Briefwechsel, von fränkischer Seite wiederum die Briefe Karls an Offa von Mercien, aber auch die zahlreichen Briefe Alcuins an englische Bischöfe, Offa, Klöster etc.109 Fränkische Bischöfe nahmen zusammen mit päpstlichen Delegierten an englischen Synoden teil.110 Englische Bischöfe wurden offenbar auch von fränkischer Seite durch Alcuin in die Auseinandersetzungen zur Bilderfrage einbezogen und über die Libri Carolini unterrichtet.111 Insgesamt kann daher von einer allgemeinen gemeinsamen Vorstellung über die tragenden Grundlagen und über die Grundstrukturen der Ordnung der einen christlichen Welt gesprochen werden.

I V. E c cl es ia – c h r i sti a n u m i mp er i u m In den Briefen Alcuins treten neben dem Begriff der ecclesia, aber in enger Verbindung mit dieser, weitere Begriffe auf, populus christianus und christianitatis oder christianum imperium. Auf den ersten Blick scheinen sie weltliche Herrschaft zu bezeichnen oder doch auf diese bezogen zu sein. Aber das ist nicht sicher. In einem Brief sprach er von der sancta eius (Dei) ecclesia in partibus Europae.112 Unklar ist, was mit Europa gemeint ist, nur der Westen, oder auch der Osten? Wie verhalten sich diese Begriffe zu dem Begriff ecclesia im Hinblick auf die Ordnung der Welt?

a. Populus christianus Sub cuius umbra superna quiete populus requiescit christianus, et terribilis undique gentibus extat paganis, schreibt Alcuin 794 oder 795 an Karl. Die Preisung gilt Karl, der, wie einst David von Gott, so von Christus seinem Volk als rector et doctor gegeben

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Z. B. der Brief Alcuini epp., Nr. 16 an König Aethelred von Northumbrien nach der Zerstörung von Lindisfarne durch die Normannen, in dem er die Kirche die gemeinsame Mutter nennt, MGH Epp. IV, S. 42, Z. 30; Nr. 100 ibid. S. 146. Brief Georgs von Ostia an Hadrian I. 786, Alcuini. epp., Nr. 3, MGH Epp. IV, S. 19ff. Der päpstliche Gesandte übermittelt dem Papst in diesem Brief die Beschlüsse der Synode, die außer von angelsächsischen Bischöfen auch von den Königen Aelfuualdus und Offa, sowie verschiedenen Herzögen unterschrieben worden sind, S. 27. Auch hier nahmen also die weltlichen Herrschaftsträger wie in Byzanz oder im fränkischen Herrschaftsbereich religiöskirchliche Aufgaben wahr. Bullough, Alcuin, S. 17. Alcuini epp., Nr. 7, MGH Epp. IV, S. 31.

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ist.113 Alcuin verwendet diese Sprache noch häufiger.114 Der populus christianus ist in diesen Stellen nicht die gesamte Christenheit, sondern das Karl anvertraute Volk. Der Begriff populus christianus nimmt diese Menschen, für die Karl zu sorgen hat, nicht als Untertanen, nicht als Unterworfene, sondern als Christen, für die er seine Herrscheraufgaben wahrnimmt und wahrzunehmen hat. Der Begriff rector wird immer in Verbindung mit dem Hinweis auf den populus christianus gesetzt. Das ist alles zunächst nach innen gegenüber dem eigenen populus gewendet. Es ist nicht zu sehen, daß Alcuin damit einen Anspruch Karls auf Herrschaft nach außen, anderen gegenüber verbunden hätte. Allerdings kann der Begriff auch in einem weiteren Sinn verstanden werden. In seinem mehrfach genannten, wahrscheinlich von Alcuin beeinflußten Brief an Offa bat Karl um dessen Gebet pro nobis nostrisque fidelibus, immo et pro cuncto populo christiano, ...quatenus unitissima superni regis (bonitas) regnum sanctae ecclesiae potegere exaltare et dilatare dignetur.115 Hier ist zwar mit populus christianus im Unterschied zu nostri fideles die ganze Christenheit aufgenommen, aber nicht im politisch-rechtlichen, sondern offenbar im religiös-kirchlichen Sinn. Nicht Karl oder Offa, sondern Christus regiert das regnum ecclesiae. Über das eigene Volk hinaus weist Alcuin auch in dem bereits mehrfach zitierten Brief an Karl von 799 über die tres personae in mundo altissime. Ihm habe Gott die Weisheit gegeben ut per te sancta Dei ecclesia in populo christiano regatur, exaltetur, et conservetur, denn die anderen beiden sind dazu eben nicht im Stande.116 Aber auch hier ist es wieder die Kirche, auf die es Alcuin ankommt. Karl soll auch nicht über sie herrschen (regnatur), sondern sie führen (regatur), sie erheben und erhalten. Ein politischer Begriff ist also auch an dieser Stelle nicht gemeint, wenn es auch die bereits hervorgehobene indirekte politische Bedeutung für das Verhältnis der drei Personen hat.

b. Christianitatis imperium Neben dem Begriff populus christianus tritt bei Alcuin ein weiterer, herrschaftlich geprägter: christianum imperium oder christianitatis imperium.117 798, also nicht nur 113 114

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Alcuini epp., Nr. 41, MGH Epp. IV, S. 84, Z. 19. Alcuini epp., Nr. 121, MGH Epp. IV, S. 176, Z. 15 f.; er zeigt sich zufrieden, daß periculosis temporibus populo christiano Karl als rector und defensor da ist; ibid., Nr. 174, S. 288, Z. 18f. Alcuini epp., Nr. 100, MGH Epp. IV, S. 146 Z. 15, dt. Anhang Nr. 1. Alcuini epp., Nr. 174, MGH-Epp. IV, S. 289 Z. 15, dt. Anhang Nr. 14. Im Vorstehenden wie im Folgenden werden in besonderer Weise Äußerungen Alcuins ausgewertet. Er hat jedenfalls in der Zeit Karls des Großen sich am eingehendsten in Briefen mit Fragen der Herrschaft Karls, ihren religiösen Grundlagen und Inhalten beschäftigt und vor allem seine Überlegungen Karl selbst vorgelegt, um ihn zu entsprechendem Handeln zu veranlassen. Ein geschlossen ausgeführtes Konzept hat er nicht entwickelt. Aber es läßt sich doch erschließen. Ob er ein „selbstschöpferisches Ingenium“ war, wie Dempf, Sacrum Imperium, S. 153 ausführt, oder nur Karls „Schönschreiber im übertragenen Sinn“, braucht nicht erörtert zu werden. Schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob Alcuin die Vorstellungen seiner Zeit und vor allem Karls des Großen selbst formulierte, oder ihn „zum rector und doctor zugleich“ nur machte, um im Bilderstreit bzw. im Streit um den Adoptianismus

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zwei Jahre vor der Kaisererhebung Ende 800, sondern auch noch vor dem Aufstand der Römer gegen Leo III. und dessen Reise nach Paderborn 799, schreibt Alcuin an Karl Litteris vestrae nobilissimae pietatis acceptis, in quibus vestram nobis valde amabilem sanitatem et cuncto christianitatis imperio per necessariam prosperitatem cognoscens, totum cordis mei affectum in gratiarum actiones Christo, clementissimo regi, effudi; illius sedula oratione deprecans pietatem cum omnibus nostrae devotionis cooperatoribus, quatenus vestram pacificam et amabilem potentiam ad exaltationem sanctae suae aecclesiae et sacratissimi gubernacula imperii longaeva prosperitate custodire, regere, et dilatare dignetur.118 Der Einleitungssatz verweist auf einen Brief Karls an Alcuin, der nicht erhalten ist. Offen bleibt, ob dieser Begriff christianitatis imperium aus diesem Brief Karls oder von Alcuin stammt. Dieser verwendet ihn hier zum ersten Mal, hatte früher allerdings schon die Formulierung ad decorem imperialis regni vestri verwendet.119 Die Frage nach der Urheberschaft läßt sich nicht klären. Es wird ausdrücklich darum gebetet, daß Christus zur exaltatio der Kirche Karls Regierung sacratissimi imperii im langwährendem Gedeihen bewachen, lenken und ausdehnen möge. Imperium heißt, so scheint es, nicht Herrschaft, sondern meint eine Einheit, auf die sich Herrschaft bezieht, die der Herrschaft unterliegt, das Reich, aber nicht durch sie, sondern durch die christianitas konstituiert wird. Es ist der Herrschaftsbereich der Christenheit. Allerdings wird die Regierung desselben durch Karl ausgeübt. Die christianitas ist aber weiter als der Herrschaftsbereich Karls. Wie verhalten sich also beide zueinander? Außerdem steht der Bezug auf das christianitatis imperium in Parallelität zu dem Begriff ecclesia sancta. Beide werden eindeutig unterschieden, so ist nach dem Verhältnis beider zu fragen. Denn ecclesia übergreift, wie bereits dargetan, ebenfalls Karls Herrschaftsbereich. Im Gesamtzusammenhang des Briefes geht es um die exegetische Auflösung der neutestamentlichen, scheinbar gegensätzlichen Äußerungen zum Gebrauch des Schwertes in Luc. 22, 36 und Math. 26, 52 in der „ZweiSchwerter-Lehre“ Alcuins. Auf sie ist zurückzukommen.120 Diese Einleitungssätze des Briefes haben mehr preisenden Charakter, aber nicht im Hinblick auf Karls politischherrschaftlichen Fähigkeiten, sondern auf das von ihm bekundete religiös-theologische Interesse und seine Weisheit und Autorität in diesen Fragen. Dadurch trägt Karl zur exaltatio ecclesiae und zur Regierung sacratissimi imperii bei. Es geht also nicht um die politische Machtdimension, sondern um die innere Zielordnung des imperium. Allerdings ändert sich später die Begriffsbildung. In einem Brief aus dem Jahre 799 an Karl nach dem Besuch Leos III. in Paderborn heißt es: O dulcissime, decus populi christiani, o defensio ecclesiarum Christi, consolatio vitae praesentis. Quibus tuam beatitudinem omnibus necessarium est votis exaltare,

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recht zu behalten. Immerhin zeigt auch die Praxis, daß Karl auf Glaubensinhalte immer wieder Einfluß nahm und so in der Tat auch die innere Seite der Kirche in seine Aufgabe als defensor ecclesiae aufnahm. I. ü. war Alcuin ausweislich seiner vielen Briefe in dieser Sache wohl mehr im Streit um den Adoptianismus als im Bilderstreit engagiert. Dempf geht insoweit noch von der inzwischen überholten älteren Meinung aus, die die Libri Carolini Alcuin zuschrieb. Alcuini epp., Nr. 136, MGH Epp. IV, S. 205, Z. 9ff. Alcuin an Karl 796, Alcuini epp., Nr. 121, MGH Epp. IV, S. 177, Z. 2. Unten S. 599ff.

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intercessionibus adiuvare, quatenus per vestram prosperitatem christianum tueatur imperium, fides catholica defendatur, iustitiae regula omnibus innotescat.121 Es ist nicht mehr vom Reich der Christenheit, sondern vom christlichen Reich die Rede. Dabei bleibt es in der Folgezeit. Gemeint ist aber auch damit nicht christliche Herrschaft, sondern eine Einheit, die geschützt werden soll, auf die sich Karls Tätigkeit bezieht; es wird also nicht seine Tätigkeit, das Herrschen selbst bezeichnet. Christianum imperium, fides catholica und iustitiae regulis sind grammatikalisch als Objekte des Handelns gleichgeordnet.122 Schutz des christlichen Reiches und Verteidigung des katholischen Glaubens, Bekanntmachung des Rechts, das sind Karls Aufgaben, für die sein Wohlergehen von Gott erbeten wird. Es geht um die innere Dimension der Herrschaft. Das ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang des Briefes, der eben nach dem Besuch Leos III. in Paderborn und dessen Rückführung nach Rom geschrieben wurde. Ein Zug Karls nach Rom war vorgesehen, um dort nach dem Rechten zu sehen. Alcuin entschuldigte sich zwar, daß er wegen Krankheit und Schmerzen nicht mitziehen könne. Aber er hoffte, daß die Sachsen dem König die Freiheit lassen, seinen Aufgaben nachzugehen: iter agere, regna gubernare, iustitias facere, ecclesias renovare, populum corrigere, singulis personis ac dignitatibus iusta decernere, oppressos defendere, leges statuere, peregrinos consolari et omnibus ubique aequitatis et caelestis vitae viam ostendere. Damit sind wohl die Ziele des Romzuges gemeint, der durch die Sachsenkriege gefährdet war. Die Beschreibung der Aufgaben ist umfassend. Allerdings werden nur die christlichen Herrscheraufgaben schlechthin nach innen aufgeführt; „äußere Angelegenheiten“ werden nicht genannt. Die Erneuerung der Kirche kann nicht als solche angesehen werden. In einem weiteren Brief an Karl von 799 unterschied Alcuin zwischen den zwei Geschenken, die Karl durch Gottes Gnade zuteil geworden seien Ideo divina te gratia his duobus mirabiliter ditavit muneribus, id est terrenae felicitatis imperio et spiritalis sapientiae latitudine, ut in utroque proficias, donec ad aeternae beatitudinis pervenias felicitatem. Parce populo tuo christiano, et ecclesias Christi defende, ut benedictio superni regis te fortem efficiat super paganos.123 Hier meint imperium wohl Herrschaft, die irdische Freude gibt. Aber sie hat, wie die Fülle geistlicher Weisheit, ihren Zweck in der Verteidigung des christlichen Volkes und der Kirche. Dadurch gewinnt er die Freude ewiger Seligkeit, aber auch Macht über die Heiden. Es geht u. a. auch in diesem Brief um die Beseitigung der negativen Folgen der Verhältnisse in Rom, um deren Besserung und Heilung. In einem der letzten Briefe Alcuins an Karl vor dessen Kaisererhebung nimmt der Abt von Tours den Begriff in einem Gebet für Karl auf: Omnipotens Deus ad exaltationem et defensionem sanctae suae ecclesiae et ad christiani imperii pacem et profectum vestram regalis gloriae potentiam augere, protegere et conservare aeterna pietate dignetur, domine desiderantissime atque beatissime.124 Alcuin bat Karl um die Zustim121 122

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Alcuin an Karl, nach dem 10. Juli 799, Alcuini epp., Nr. 177, MGH Epp. IV, S. 292, Z. 24ff. Hingegen will Reibstein, Völkerrecht I, S. 94, imperium in diesen Stellen als „Staatsgewalt“ übersetzen. Alcuini epp., Nr. 178, MGH Epp. IV, S. 294, Z. 21ff. Alcuini epp., Nr. 202, MGH Epp. IV, S. 336, Z. 25ff.

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mung zur Veröffentlichung einer von ihm verfaßten Streitschrift gegen den Bischof Felix von Urgel, der weiter der in Frankfurt ausdrücklich verurteilten Irrlehre des Adoptianismus anhing. Es war Alcuin also wiederum um die Sorge für den rechten Glauben zu tun. Einmal verwendete Alcuin aber eine Formulierung, die an einen größeren, umfassenderen Zusammenhang denken läßt. Es ging wiederum um die Häresie des Adoptianismus und ihren Vertreter Felix von Urgel. Diese Frage betraf die ganze Kirche, über das Reich Karls hinaus, auch wenn Urgel zur spanischen Mark gehörte. Der Abt von Tours forderte Karl wiederum auf, dagegen vorzugehen quatenus haec impia heresis omnimodis extinguatur, antequam latius spargatur per orbem christiani imperii, quod divina pietas tibi tuisque filiis commisit regendum atque gubernandum.125 Hier wird der ganze Erdkreis als das christliche Reich begriffen, das der Leitung und Regierung Karls und seiner Söhne übergeben ist. Ob Alcuin damit aber wirklich auch die nicht zum Herrschaftsbereich Karls gehörenden christlichen Reiche in ein weltliches Universalitätskonzept einbeziehen wollte, erscheint jedoch zweifelhaft. Es könnte auch angesichts der bereits gegebenen Größe des karolingischen Herrschafstgebietes einfach eine Übertreibung sein, um Karls Verantwortung für die gesamte Christenheit, die bereits aus seiner Gesamtstellung erwachsen war, und seine Möglichkeiten zum Einschreiten hervorzuheben. Noch einmal heißt es in derselben Sache in einem späteren Brief Vestra vero sancta voluntas atque a Deo ordinata potestas catholicam atque apostolicam fidem ubique defendat; ac veluti armis imperium christianum fortiter dilatare laborat, ita et apostolicae fidei veritatem defendere, docere, et propagare studeat, ipso auxiliante, in cuius potestate sunt omnia regna terrarum.126 Versucht man diese verschiedenen Stellen zusammenfassend zu deuten, so ergibt sich folgendes: Christianitatis imperium und christianum imperium wurden von Alcuin bereits vor der Kaisererhebung Karls benutzt, können sich also nicht auf das Römische Reich beziehen. Beide Begriffe stellen einen inneren Zusammenhang von Christenheit oder Christlichkeit mit dem imperium her. Sie bilden sein maßgebendes, ja konstituierendes Element. Es ist der christliche Herrschaftsbereich oder der der Christenheit. Es steht parallel zur ecclesia als der spirituell-religiösen Einheit. In allen Formulierungen Alcuins treten sie zusammen auf. Es besteht also ein inneres Korrespondenzverhältnis zwischen ihnen. Einerseits ist die christianitas übergreifend, andererseits ordnet Alcuin das christianum imperium dem Erdkreis (orbem) zu. Auch gibt es dasselbe nur in der Einzahl. Demgegenüber gibt es die regna terrarum in der Mehrzahl. Alcuin bestätigt deren Pluralität. Imperium und regna liegen offenbar auf zwei verschiedenen Ebenen. Als erstes läßt sich folgern, daß christianum imperium nicht ein regnum terrarum ist. Vielmehr umfaßt es die ganze Christenheit in den verschiedenen regna des Erdkreises in religiös-spiritueller, nicht in politisch-herrschaftlicher Sicht. 127Soweit Karl fränkischer 125 126 127

Alcuini epp., Nr. 148, MGH Epp. IV, S. 241, Z. 22ff. Alcuini epp., Nr. 202, MGH Epp. IV, S. 336, Z. 20ff. Classen, Karl der Große, S. 49 erklärt m. E. zutreffend den Begriff christianum imperium in Alcuins Gebrauch für „durchaus unpolitisch“. Er sei „an Orten entstanden, da man nicht

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rex ist, ist er nicht Inhaber oder Träger dieses christianum imperium, sondern eines dieser regna. Nun hat Alcuin ihm aber zumindest einmal die Regierung des christianum imperium zugesprochen. Jedoch wird gerade der Begriff für herrschen, regnare, nicht verwendet, sondern gubernare. Dieser ist eher auf Lenkung und Leitung gerichtet.128 Alcuin gibt die Aufgaben aber auch genauer an. Karl obliegt in bezug auf die Kirche deren exaltatio und defensio, auch in bezug auf den Glauben, aber möglichst nur in seinem Herrschaftsbereich, zu dem insofern aber mittelbar auch Rom selbst gehört. Soweit die defensio darüber hinaus notwendig wird, inhaltlich gegen die Bilderverehrung und den Adoptianismus, militärisch gegen die Angriffe der Heiden, ergeben sich auch Aufgaben nach außen. Hinsichtlich des christianitatis bzw. christianum imperium wird vor allem auch die Ausbreitung des Glaubens durch Karl erwartet und von Gott bzw. Christus erbeten. Aber was soll ausgebreitet werden? Der apostolische Glaube, die Christlichkeit. Das geschieht zwar äußerlich durch entsprechendes Vorgehen gegen Häresien, durch Eingliederung heidnischer Völker in den weltlichen Herrschaftsbereich Karls nach deren Unterwerfung sowie Missionierung in diesen Gebieten. Aber zum einen ist das nicht zwingend und allgemein der Fall. Zum anderen ergibt sich daraus nicht ohne weiteres Identität dieses karolingischen Herrschaftsbereiches mit dem christianum imperium. Das wird auch deutlich, wenn Alcuin andererseits von den regna terrarum spricht. Wenn er Karl die Regierung des christianum imperium zuspricht, dann nicht mit dem Anspruch auf Weltherrschaft. Es geht ihm nicht um diese. Hier ist gar nicht von einem politischen Begriff die Rede. Es ist ein religiös-spirituelles in der Christlichkeit gegründetes Reich gemeint. Christianum imperium und fränkisches Reich sind nicht identisch, sondern liegen auf verschiedenen Ebenen. Karls Frankenreich ist Teil des christianum imperium wie andere regna, wenn auch in Alcuins Augen das bedeutenste regnum. Karl hat an dem christianum imperium daher Anteil, sehr großen sogar, unter den Zeitumständen 799 vielleicht den größten, zu seiner Verteidigung, seiner Friedenssicherung, seiner Ausbreitung. Dazu bedarf es nicht nur der geistlichen, sondern auch der politischen, herrschaftlichen Mittel. Diese haben eben selbst eine innere Zielbestimmung jenseits der politischen Ebene. Ich möchte imperium auch nicht, wie Reibstein, mit „Staatsgewalt“ übersetzen. Es meint schon das irdische „Reich“, aber ein spirituell nicht herrschaftlich bestimmtes Reich, auf das die je einzelne politische Herrschaft sich insoweit bezieht, als sie an seiner Wirklichkeit mitwirkt.129 In diesem Begriff wird weniger die „am meisten sichtbare ... Seite“ der ecclesia deutlich, sondern eher die spirituelle Seite jeglicher weltlichen Herrschaft, die ihre Rechtfertigung darin hat, daß sie zum christianum imperium beiträgt.

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mehr Christenheit und Römisches Reich identifizierte und das Gebet für das Römische Reich seinen Sinn verloren zu haben schien.“ Georges, Handwörterbuch, Bd. 1, Sp. 2981, DuCange, Glossarium, Bd. 4, S. 127 betont den Zusammenhang mit providere, curare. Reibstein, Völkerrecht I, S. 94 formuliert zwar ähnlich, bezieht diese Mitwirkung aber auf die Kirche: „Wo immer weltliche Obrigkeit die Kirche Gottes schützt und fördert, ist das imperium christianum Ereignis“. Es geht Alcuin m. E. nicht (noch nicht) in erster Linie um die Kirche, sondern um den Glauben.

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Auch in der karolingischen Meß-Liturgie wird der Begriff imperium christianum üblich. Er ersetzt zwar den Begriff imperium romanum.130 Aber das bedeutet ebensowenig wie bei Alcuin einen politischen Anspruch. Es ist gerade im Gegenteil wie bei ihm spirituell-religiös gemeint. Bleibt zu klären, in welchem Verhältnis ecclesia sancta und christianum imperium stehen. Nach Reibstein ist für Alcuin „das imperium christianum ... zwar nicht mit der Ecclesia identisch, stellt aber deren am meisten sichtbare, der gesellschaftlichen und politischen Betrachtung am besten zugängliche Seite dar.“131 Für Alcuin sei „zweifellos der augustinische Gedanke des Gottesstaates in der seit Gregor I. üblich gewordenen weitgehenden Identifizierung mit der Kirche maßgebend gewesen“ und habe „ihm die große Zusammenschau des Weltlichen und Geistlichen geliefert.“ Es sei dahingestellt, ob Reibstein Gregor den Großen zutreffend interpretiert. Aber was Alcuin angeht, so sind ecclesia und christianum imperium klar unterschieden. Die ecclesia sancta wird, wie dargelegt, nicht auf die Kirche in Karls Herrschaftsbereich bezogen, ist auch nicht nur die ecclesia romana, sondern die Gesamtkirche in Ost und West, Süd und Nord, wie sie im 8. und 9. Jahrhundert trotz Bilderstreit noch bestand. Christianum imperium und ecclesia finden ihre Verknüpfung in dem Bezug auf den populus christianus, die christianitas, die Gläubigen. Sie sind beide darauf gerichtet, den Glauben, die fides orthodoxa zu verbreiten, zu bewahren, zu sichern und zu verteidigen. Sie unterscheiden sich voneinander in den dafür Verantwortlichen und den Mitteln. Das wirft die Frage nach der geistlichen und der weltlichen Gewalt und deren gegenseitigem Verhältnis auf. Darauf ist zurückzukommen. Vorher ist auf die Entwicklung nach der Kaisererhebung Karls einzugehen.

c. Die kaiserliche Herrschaft Nach der Kaisererhebung Karls ändert sich in Alcuins Argumentationen dem Grunde nach nichts. Karl wird zwar imperator genannt, aber imperator populus christiani.132 Er übernimmt nicht den Herrschertitel. Es bleibt beim christianum imperium. Es wird weder von einem imperium Romanum noch einem imperium Francorum gesprochen. Es bleibt bei der Gleichzeitigkeit der Bezugnahmen auf ecclesia und christianum imperium, also der engen Verbindung beider durch den gemeinsamen Grund im Glauben wie in ihrer Unterschiedenheit.133 Es bleibt bei der Aufgabenstellung, daß Karl für beides Sorge zu tragen habe.134 Dabei bezieht sich Alcuin zwar auf das regimen mundi. Aber daraus folgt nicht, er habe jetzt Karls Herrschaft als Weltherrschaft zu deuten

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134

Tellenbach, Reichsgedanke, S. 116f. Reibstein, Völkerrecht I, S. 93. Alcuin an König Karl, ältester Sohn Karls des Großen, 801; Alcuini epp., Nr. 217, MGH Epp. IV, S. 361, Z. 17. Alcuin an Leo III., Alcuini epp., Nr. 234, MGH Epp. IV, S. 379, Z. 16. sowie der folgende Brief. Alcuin an Karl den Großen, Alcuini epp., MGH Epp. IV, S. 471, Nr. 308, Z. 16ff.: Unde patenter agnosci poterit non tantum imperatoriam vestrae prudentiae potestatem a Deo ad solum mundi regimen, sed maxime ad ecclesiae praesidium et sapientiae decorem conlatam.

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begonnen. Gemeint ist wohl „weltliche“ Regierung. Allerdings scheint sich ein weiterer Horizont als nur der des bisherigen Reiches zu eröffnen. 802 schreibt Alcuin an Karl unter anderem Quapropter universorum precibus fidelium optandum est, ut in omnem gloriam vestrum extendatur imperium; ut scilicet catholica fides, quae humanum genus sola vivificat, sola sanctificat, veraciter in una confessione cunctorum cordibus infigatur: quatenus summi regis donante pietate, eadem sanctae pacis et perfectae caritatis omnes ubique regat et custodiat unitas. Nec aliud omnipotenti Deo munus amabilius esse probatur, quam in catholica fide divinae concordia caritatis, ut omnes unum sint in Christo, qui pro omnibus mortuus est: per quem cuncti credentes in eum efficiuntur filii aeternae beatitudinis.135 Es wird das genus humanum ganz allgemein aufgenommen. Karl wird als summus rex angesprochen. Friede und caritas sollen für alle überall verwirklicht werden. Alcuin nimmt sogar das Wort aus den Abschiedsreden Jesu im Johannes-Evangelium auf: ut omnes unum sint in Christo. Aber gerade dies zeigt, daß die Einheit des genus humanum eine religiöse ist, keine herrschaftliche. So ist auch der Anlaß religiös begründet, die Übersendung des Werkes von Augustinus De Trinitate, damit Karl noch besser seine geistlichen Aufgaben wahrnehmen kann. Auch mit dieser weiteren Dimension ist daher keine politische oder gar rechtlich oder hierarchisch normative Ordnungsvorstellung der Welt und damit auch der Zwischen-Mächte-Beziehungen verknüpft. Auch nach der Kaisererhebung Karls wird das christianum imperium für Alcuin nicht zum Vehikel politischer Herrschaftspostulation für Karl, für dessen Oberhoheit oder eine hierarchische Erhöhung, wie sie der byzantinische Kaiser in Anspruch nahm. Die Idee vom christianum imperium wurde auch jetzt für Alcuin keine politische Idee, sondern blieb eine religiöse, die jedoch angesichts der engen Verflechtung beider Bereiche für die politische Wirklichkeit Wirkung entfaltete. Nicht die Herrschaft, sondern die Verantwortung Karls für die religiöse Einheit wird durch die Kaisererhebung gesteigert. Die Stelle ist daher auch nicht auf eine Aufgabe gegenüber anderen christlichen regna gerichtet. Dagegen spricht auch nicht das Schlußgedicht des Briefes, O rex augusto clarissime dignus honore,/ Et dux, et doctor, et decus imperii./ Te pater, atque patris proles, te spiritus almus/ Protegat, exaltet, salvet, honoret, amet./ Quem tua per populos, terras, per regna, per urbes,/ Mens pia permandet semper amare Deum. Es ist ein Preisgedicht und ein Gebet. Damit soll kein Anspruch auf Herrschaft über die Völker, Königreiche und Städte erhoben werden, sondern der ganze Inhalt ist spirituell-religiös zu verstehen; Karls frommer Sinn, seine Gottesliebe sollen über diesen fortdauern. Die Ausdehnung des imperium zielt auf die Heiden, damit für das genus humanum insgesamt unitas in der sancta pax und der perfecta caritas regiere. Schon in einem früheren Brief hatte Alcuin die Gewinnung der Friesen und Sachsen für den Glauben an Christus durch Karl hervorgehoben, wodurch die sancta eius (Dei) ecclesia in partibus Europae pacem habet.136 Alcuin behält die Unterscheidung von sancta ecclesia, christianum imperium und konkret-geschichtlichem Frankenreich bzw. den regna terrarum deutlich bei. Alle drei sind weiterhin auf den populus christianus bezogen. Das christianum imperium ist da135 136

Alcuini epp., Nr. 257, MGH Epp. IV, S. 415, Z. 29ff. Alcuini epp., Nr. 7, MGH Epp. IV, S. 32, Z. 6.

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her auch nicht mit Augustins civitas Dei identisch. Denn es ist zwar spirituell-religiös konstituiert und insofern ein geistiges Reich, aber in jedem Fall irdisch, real und daher in Augustins Terminologie mixtum. Es bedarf eben darum auch der ständigen Sorge Karls um und für seine innere Entwicklung, weil es immer wieder in inneren und äußeren Gefahren ist. Erst recht sind die regna terrarum nicht mit der civitas terrena oder diaboli zu identifizieren. Aus den spirituellen Imperiums-Vorstellungen Alcuins lassen sich daher auch nach der Kaisererhebung keine politischen Herrschaftsansprüche, gar universalistischer Art, ableiten. Die Mitwirkung des Frankenherrschers an der dilatatio des imperium christianum blieb auf den eigenen Herrschaftsbereich beschränkt, führte allenfalls zur Bekämpfung der Heiden und Eingliederung ihrer Gebiete in diesen um ihrer Christianisierung willen. Sie gaben Karl keine überragende herrschaftliche politische Stellung im Gesamtordo der Welt gegenüber den anderen christlichen Herrschern, hoben die politische Gleichordnung mit ihnen nicht auf. Da Karl jedoch die spirituelle Sorge für das gesamte imperium christianum über das Frankenreich hinaus zukam, wurde indirekt auch seine politische Stellung und seine gubernatio über dieses hinaus in der Ordnung des orbis berührt und bestimmt, wie gerade die Libri Carolini in ihrer Auseinandersetzung mit den oströmischen Kaisern um Vorrang und Parität zeigen. Die relgiös-kirchliche und die weltlich-politische Sphäre sind zwar unterschieden, aber nicht geschieden oder gar getrennt. Karl ist in den Augen Alcuins für beide, wenn auch in unterschiedlicher Weise verantwortlich, und zwar in hervorgehobener Weise. Zu fragen ist, ob diese Auffassungen Alcuins, des „Hoftheologen“137 Karls des Großen, die tragenden, leitenden vor allem von Karl selbst geteilten Auffassungen der Zeit wiedergeben. Immerhin finden sich fast alle zitierten Stellen in Briefen, die an Karl selbst gerichtet sind. Einige stellen Antworten auf Fragen Karls an Alcuin dar. Karls Herrschaftspraxis nahm sich der inhaltlichen Glaubensfragen nicht nur innerhalb des Frankenreiches, sondern in bezug auf die ganze Kirche intensiv an, sowohl im Bilderstreit wie auch im Streit um den Adoptianismus. I. ü. war Alcuin bei Karl, auch nachdem er Abt von St. Martin in Tours geworden war, als Berater und Freund gerade für diese Fragen hoch angesehen. Er unterrichtete ihn immer wieder in Glaubensfragen und hatte darauf erheblichen Einfluß, wenn auch die Libri, wie dargelegt, nach heutiger Auffassung wohl nicht von ihm verfaßt worden sind. Es ist jedoch anzunehmen, daß er die Briefe Karls von 796 an Offa von Mercien und Leo III. nach dessen Wahlanzeige formulierte.

d. Ludwig der Fromme Ludwig dem Frommen gab dem imperium eine stärker fränkische Ausrichtung als imperium francorum.138 Der Begriff christianum imperium verschwand; so verlor imperium seine spirituelle Dimension und wurde zum Begriff für den Herrschaftsbereich Ludwigs. Da der Begriff dadurch gleichzeitig auf das konkrete Frankenreich beschränkt wurde, gewann er auch jetzt gerade keinen universalen Bezug. 137 138

Dempf, Sacrum Imperium, S. 153. Oben S. 55f.

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Jedoch wurde ein neuer Begriff im zeitgenössischen geistlichen Denken auch in politischer Hinsicht bedeutungsvoll, die universalis ecclesia im Zusammenhang mit der Frage nach den beiden Gewalten, der geistlichen und der weltlichen, und ihrem Verhältnis zueinander. Darauf ist daher im folgenden Abschnitt einzugehen.

e. Sacrum Imperium Dempf definiert den Begriff sacrum imperium, der kein Begriff unserer Epoche ist, und damit das Modell der Ordnung nicht ausdrücklich. Er sieht aber in ihm die Verbindung des „christlichen Reichsbewußtseins paulinischer und augustinischer Prägung“ als die Vorstellung einer „geistlichen Geschichts- und Reichseinheit der Welt“ mit der weltlichen römischen Reichseinheit, die Idee des imperium romanum. Die geistliche Reichseinheit liefert die Begriffe für die weltliche Imperiumsidee und durchdringt diese mit ihren sakramentalen Formen der Weihe, der Übertragung, der Unterordnung unter Gott und der Einordnung in die Weltgeschichtsperioden, der Berufe und des Ziels, Gerechtigkeit und Friede.139 Er bezieht dies konkret vor allem auf das „Heilige Römische Reich“, das allerdings einer späteren als unserer Epoche angehört. Das Modell Sacrum Imperium stützt sich somit auf die unitas christianorum oder die christliche Kirche, die zunächst seit Konstantin und Theodosius mit der weltlichen Herrschaft des imperium Romanum eine Einheit bildeten. Das Reich war christlich, außerhalb des Reiches gab es für das Bewußtsein der Zeit keine Christen, allenfalls in den dem Reich zugeordneten Randreichen, wie in Armenien, dessen Staatskirche sogar einige Jahre älter ist als die römische. Aber mit dem Zerfall des einen römischen Reiches in das oströmisch-byzantinische Reich und die verschiedenen germanischen regna, von denen zudem einige zunächst noch arianisch, also häretisch waren, zerfiel die Einheit von Christenheit, unitas christianorum, und weltlichem Herrschaftsbereich in doppelter Weise. Das änderte sich auch nur z. T., als die Franken und die Langobarden katholisch wurden. Denn sie blieben politisch unabhängige regna. Prinzipiell änderte sich dieser politische Pluralismus auch unter den Karolingern nicht. Da diese germanischen regna christlich waren, wird für Dempf „der Bund zwischen der Kirche und den germanisch-romanischen Völkern die selbstverständliche Voraussetzung alles Staats- und Reichsdenkens.“ „Nationalbewußtsein der germanischen Völker“ und „Reichsgottesbewußtsein der abendländischen Christenheit“ treffen im „Zeitbewußtsein des Mittelalters“ zusammen. Es fällt bereits auf, daß von Byzanz, also dem oströmischen Reich hier keine Rede ist. Dieses war aber in unserer Epoche nach wie vor eine wesentliche, ja zentrale Macht. Es war die traditionell legitime Macht, Inhaberin des Kaisertums, die zudem den Anspruch der Universalmacht erhob. Schon deswegen erscheint Dempfs Modell für unsere Epoche fragwürdig, es sei denn bereits in unserer Epoche habe das Abendland, bzw. Karl selbst einen solchen Universalanspruch erhoben, Byzanz also verdrängt. Zwar behauptet Dempf eben dies. Es wurde aber gezeigt, daß dies nicht der Fall war. Unter Karl dem Großen gewann das Frankenreich zwar eine vergleichbare Größe, Macht und Stellung wie das in ständigen Abwehrkämpfen stehende oströmische Reich. 139

Dempf, Sacrum Imperium S. 14f. auch zum Folgenden.

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Es erfuhr eine gewisse religiös-kirchliche Erhöhung und Sonderstellung. Die Erhebung zum Kaiser in der Erneuerung des römischen Kaisertums im Westen schloß auch Erneuerungen von Elementen der kaiserlicher Stellung mit ein. Aber Christenheit und politischer Herrschaftsbereich waren unter Karl dem Großen nicht wieder eins. Das oströmisch-byzantinische Reich bestand fort. Asturien blieb und wuchs. Die englischen Königreiche standen für sich. Mit dem Zerfall des Karolingerreiches bildete auch das Kerngebiet des religiös-kirchlichen imperium christianum mehrere, sich immer mehr voneinander entfernende regna aus. Trotzdem wird das Modell eines politisch-kirchlichen Sacrum Imperium auch politisch-hierarchisch von Dempf und Kipp auch für unsere Epoche verwendet. Dempf sah bei Karl ein „hohes Bewußtsein, daß er selber das Weltreich innehatte, und nicht das prächtige, hochzivilisierte Byzanz. Er war der Vicar in seinem Volke, er war Augustus als wahrer Mehrer des Reiches, dem durch seine siegreiche Macht auch die Herrschaft über das oströmische Reich gebührte, er war David, Gesalbter des Herrn schon vor der Kaiserkrönung, und darum mehr als Kontantin...“.140 Kipp bezeichnete Karl nach der Kaiserkrönung als den „weltlichen Herrscher der Christenheit,... römischen Kaiser,... Beherrscher des orbis Romanus.“ Er sei „von einem ganz lebendigen, universalen, zukunftsfrohen Reichsbewußtsein getragen“ gewesen. In den Libri Carolini habe er sich als der „weltliche Vertreter der Civitas Dei oder Ecclesia Christi“ hingestellt, und damit „als der einzige berechtigte Inhaber des Imperium Romanum, weil das griechische Kaisertum sich als ketzerisch, damit im Sinne Augustins als verwerflich, ja teuflisch erwiesen“ habe.141 Alles dies läßt sich, wie gezeigt, aus den Quellen nicht belegen. Zwar werden die kaiserlichen Herrscher, reges, als arrogant und ambitiös bezeichnet. Die Ergebnisse des Konzils sind in den Augen Karls schwere Irrtümer. Aber ein Schluß, er habe sich deshalb bereits im Jahre 791 als den Inhaber des Imperiums betrachtet, ist bei weitem überzogen. Die Quellen und gerade auch die Libri Carolini geben ein wesentlich realeres, nüchterneres und daher bescheideneres Bild Karls und seines Beraters Alcuin über die eigene Stellung. Die oströmischen Kaiser waren in dieser Epoche und blieben noch lange eine bestimmende Macht in der Welt wie in der Kirche, zu denen auch spätere fränkische Herrscher noch gute Beziehungen suchten.

V. Di e z w ei S ch w er ter a. Grundlegungen Für das Verhältnis der religiös-kirchlichen und der weltlich-herrschaftlichen Sphäre zueinander waren drei Bewegungen bestimmend, die auch auf die Ordnung der Beziehungen zwischen den politischen Mächten Rückwirkungen hatten. Zum einen versuchte innerkirchlich der Bischof von Rom seine Stellung in der Gesamtkirche und damit vor allem gegenüber dem Patriarchen von Konstantinopel, aber auch den Bi-

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Dempf, Sacrum Imperium, S. 133. Kipp, Völkerordnung, S. 47.

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schöfen im Frankenreich und in den anderen christlichen Königreichen immer stärker auszubauen. Es gelang im Westen, aber nicht im Osten. Zum anderen bemühte sich der Papst um die Entwicklung einer eigenen weltlich-herrschaftlichen Macht. Wie verhielten sich drittens kirchlich-religiöse und weltlich-politische Gewalt in der Kirche und in den Herrschafstverbänden zueinander? Durch die zunehmend enge Anbindung der fränkischen Kirche an das Papsttum durch die Karolinger verknüpften sich alle drei Entwicklungen für die konkrete Bestimmung der Stellung und Wirkung der fränkischen Herrscher in der Kirche und in der „Welt“, aber auch für die Stellung und Wirkung der Bischöfe und insbesondere der Päpste gegenüber den Herrschern. Die Möglichkeiten der herrscherlichen Seite der Verknüpfung beider Sphären tritt beispielhaft in Alcuins Ausage von 799 zutage, das ganze Heil der Kirche Christi liege allein in Karls Hand. Hadrian I. machte die Möglichkeiten der geistlich-kirchlichen Seite der Verknüpfung in seiner Einflußnahme im Konflikt Karls des Großen mit Tassilo mit seinen geistlichen Mitteln sichtbar.

b. Geistlich-kirchliche Tradition Als erste beschäftigte sich die geistlich-kirchliche Lehre ausführlich mit dem Verhältnis beider Gewalten. Sie begann sich zum Ende des 4. Jahrhundert, also alsbald nach der Anerkennung des Christentums im Römischen Reich und nach seiner Erhebung zur Staatsreligion durch Theodosius I. im Jahre 380, zu entwickeln. Indem das Reich selbst christlich geworden war, stellte sich notwendiger Weise die Frage, welche Aufgaben dem Kaiser als Herrscher und welche den Bischöfen einschließlich des Bischofs von Rom als Hirten und Vorsteher der christlichen Kirche zukamen. In bezug auf den Kaiser bestand das Problem darin, daß er alleiniger Träger der gesamten Herrschaft im Reich war. Gehörten die religiösen und kirchlichen Angelegenheiten des christlichen Reiches auch in diesen Herrschaftsbereich, oder waren sie aus diesem herausgenommen und den Bischöfen und dann im letzten dem Bischof von Rom übergeben? Wenn das aber so war, wie verhält es sich dann mit dem Kaiser sofern er Christ ist? Ist er dann u. U. der geistlichen Gewalt unterworfen, auch in der Ausübung seiner herrschaftlichen Rechte? Die Literatur hat sich der Theorien von der Antike bis in die Neuzeit immer wieder angenommen. Hier interessiert nur ihre Bedeutung für und Wirkung auf das Verhältnis zwischen den politischen Mächten. Praktisch nahm bereits Konstantin die Aufgabe wahr und das Recht in Anspruch, das erste Konzil von Nicaea einzuberufen und seine Beschlüsse als verbindliche Reichsbeschlüsse zu verkünden. Augustin sprach dem Kaiser sogar die Pflicht zu, Häresien durch Reichsgesetz zu verbieten und Häretiker zu bestrafen.142 Als erster nannte Ambrosius, Erzbischof von Mailand, also nicht ein Papst, den Kaiser filius, nämlich filius der Kirche, innerhalb der er stehe.143 Die Kirche selbst ge142

143

Augustinus, Contra Donatistas; dazu zusammenfassend Serge Lancel/James S. Alexander, Art. Donastistae und Serge Lancel, Art. Donatistas (Contra-), Augustinus-Lexikon Bd. 2, Sp. 606–638 und 639–644. Auch Karl Heinz Chelius, Art. Compelle intrare, AugustinusLexikon Bd. 1, Sp. 1084–1085 mit weiterführender Literatur Zum folgenden Ullmann, Gelasius I., S. 10ff.

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winnt nicht mehr nur den Charakter der Gemeinschaft der Glaubenden, sondern wird als corpus begriffen. Ambrosius zieht auch praktische Konsequenzen. Die Angelegenheiten des Glaubens, des Dogmas etc. werden den Bischöfen zugeordnet; da habe der Kaiser keine Herrschafts- und Entscheidungsrechte. Insoweit ist er der geistlichen Zuständigkeit der Lehre, Erklärung, Entscheidung in dogmatischen Fragen der Bischöfe unterworfen.144 Der gute Kaiser erbittet die Hilfe der Kirche, weist sie nicht zurück. Das Reich, seine Angelegenheiten, Wahrung des Rechts und des Friedens verbleiben aber dem Kaiser. Es wurde also die Nebenordnung nach Bereichen, eine dualistische Konzeption zugrundegelegt. Ullmann betont, daß weder die kaiserlichen Rechte geschmälert werden sollten, noch eine Verrechtlichung und damit eine Verfestigung im rechtlichen wie im politischen Anspruch seitens der geistlichen Gewalt gegeben war. Bemerkenswert ist, daß noch nicht der Papst, sondern ein Bischof, allerdings der Bischof der westlichen Kaiserresidenz dieser Zeit, diese Thesen entwickelte und dem Kaiser gegenüber auch entsprechend handelte.145 Der Nachfolger des hl. Petrus auf dessen letzten Bischofsstuhl in Rom hatte gegenüber den Herrschern noch keine religiöse oder gar rechtliche Sonderstellung inne.146 Es geht lediglich um das Verhältnis geistlich-religiöser und kaiserlicher Gewalten im allgemeinen, nicht in bezug auf die Personen, die sie ausüben. Damit sind einerseits nicht alle kirchlichen Angelegenheiten dem Kaiser entzogen, immerhin hatten Kaiser das Christentum zugelassen, zur Staatsreligion erhoben und später auch die Heidenkulte verboten und unter Strafe gestellt. Sie sorgten auch fürderhin für die Bewahrung und Durchsetzung des Christentums kraft ihrer herrschaftlichen Gewalt.147 Erst recht liegt darin keine Einwirkung seitens der geistlichen Gewalt auf die herrschaftlichen Angelegenheiten des Reiches. Die von Ambrosius eingeführte Unterscheidung wird in der Folgezeit vor allem von den Päpsten weiter verfolgt und geltend gemacht. Dadurch verband sie sich mit der Frage nach der Stellung des Papsttums, erhielt also eine zusätzliche innerkirchliche Dimension. Außerdem erhielt sie einen neuen Akzent durch die politische Entwicklung, die nach der Reichsteilung durch Theodosius in ein Westreich und ein Ostreich eintrat. Da das Westreich unterging und an seine Stelle nach und nach mehrere neue germanische Reiche traten, wurde die Frage nach dem Verhältnis der beiden Gewalten auch eine solche nach der Ordnung der Beziehungen der Mächte untereinander und zu der einen Kirche. Erst allmählich wurden die neuen Herrschaftsverbände christlich und noch später katholisch. Die Frage des Arianismus, in der Sicht der katholischen Kirche nach dem Konzil von Chalcedon eine Häresie, spielte eine erhebliche „internationale“ Rolle, da zunächst fast alle germanischen Königreiche auf dem europäischen Kontinent ihr anhingen. Erst durch die katholische Taufe Chlodwigs trat ein Umschwung zugunsten der universalen katholischen Kirche ein.

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146 147

Angenendt, Frühmittelalter, S. 68. Ambrosius unterwarf Theodosius der öffentlichen Kirchenbuße für die Zerstörung der aufsässsigen Stadt Thessaloniki, die dieser auch annahm. Ullmann, Gelasius I., S. 18ff. Beispiele bei Angenendt, Frühmittelalter, S. 68.

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Die Frage nach dem Verhältnis von geistlicher und weltlicher Gewalt erhielt zudem durch unterschiedliche Auffassungen in Konstantinopel und in Rom eine „internationale“ Dimension. Denn tatsächlich blieb es bei den Einwirkungen der Kaiser, wie die bestimmende Rolle zeigt, die Konstantin VI. auch in unsrer Epoche 787 in Nicaea II wahrnahm. Die oströmischen Kaiser waren entschieden anderer Auffassung als die römischen Bischöfe und nahmen auch in dogmatischen und disziplinarischen Fragen herrschaftliche Befugnisse in Anspruch. Außerdem beanspruchten die Kaiser seit dem 2. ökumenischen Konzil von 381 in Konstantinopel für die neue Reichshauptstadt Konstantinopel den gleichen Rang wie für die alte Hauptstadt Rom, und für seinen Bischof, der in diesem Jahr zum Patriarchen und damit in den gleichen Rang mit dem römischen Bischof erhoben wurde.148 Die Päpste hingegen behaupteten einen Vorrang nicht auf Grund der Hauptstadtfunktion Roms, sondern auf Grund seiner durch die Gräber der beiden Apostel Petrus und Paulus begründeten Apostolizität. So bekam die im Grunde religiös-kirchliche Auseinandersetzung eine eminent politische Bedeutung. Sie war letzten Endes ein wesentliches Element des Auseinandertretens des Westens und des Ostens in der kirchlichen und politischen Ordnung, führte zu der oben erörterten Loslösung der westlichen Papstkirche von der östlichen Kaiserkirche, lag wohl auch der Neubegründung des westlichen Kaisertums zugrunde und führte schließlich zur Kirchenspaltung von 1054 und zur Eroberung und Zerstörung Konstantinopels durch die „Franken“ 1204 im vierten Kreuzzug. Die Entwicklungen sind hier im einzelnen nicht zu verfolgen und darzustellen, obwohl sie auch für unsere Epoche Folgen hatten.149 Von fortwirkender Bedeutung sind insbesondere die Auffassungen der Päpste Leo I. des Großen und Gelasius I. sowie Isidors von Sevilla. Der Anspruch auf den Primat in religiös-kirchlichen Fragen begründeten die Päpste schon seit dem Ausgang des 4. Jahrhunderts damit, daß die Kirche von Rom durch den Apostel Petrus begründet worden sei. Diesem sei die Leitung der Kirche von Christus selbst übertragen worden. Die Bischöfe seien in allen, auch in diesem Leitungsamt, Nachfolger des Apostels Petrus. Außerdem wurde auf die Rolle des Apostels Paulus für die römische Gemeinde hingewiesen, dessen Grab sich ebenfalls in Rom befinde. Diese petrinische Linie war, wie bereits dargelegt, auch für die Päpste unserer Epoche maßgebend, wie sich aus deren Briefen an Pippin und Karl ergibt. Durch den Papst hat Petrus und damit letztlich Christus die Karolinger zum Königtum berufen. Diese Stellung des Primats der Bischöfe von Rom wurde nicht nur theologisch begründet, sie wurde auch juristisch gefaßt und verfestigt. Vorrang des Petrusamtes und alleinige Zuständigkeit der Bischöfe in dogmatischen Fragen verbanden sich zum Anspruch des Bischofs von Rom, in dogmatischen und disziplinarischen Fragen die letzte Entscheidung zu haben. Sie prägten die Auseinandersetzungen zwischen Päpsten und Kaisern vom Streit um das Konzil von Chalcedon und das Henotikon Kaiser Zenos aus dem 5. Jahrhundert, über den Monotheletismus im 7. Jahrhundert bis zum Bilderstreit in unserer Epoche. Denn es ging dabei nicht nur um den Kaiser, sondern auch um den Patriarchen von Konstantinopel und seine Stellung in der Kirche. 148 149

Ullmann, Gelasius I., S. 20ff. Dazu insbesondere Ullmann, Machtstellung, Kapitel I und II, S. 1ff.

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Bereits Papst Bonifatius I. hatte formuliert Ideo tenet sedes apostolica principatum ut querelas omnium licenter acceptet. 150 Leo I. der Große hatte die Überordnung des Bischofs von Rom auf die Übertragung der Schlüsselgewalt durch Christus auf Petrus zurückgeführt, der sie den anderen Aposteln weitergab.151 Es ging also nicht um die potestas ordinis, sondern um die potestas regendi, die Gesetzgebung und die Rechtsprechung. Petrus ist princeps talius ecclesiae. Der Bischof von Rom wird gerade bei Leo I. zum vices des Apostelfürsten. Später setzte sich der Begriff vicarius durch, den die Päpste in der karolingischen Epoche gegenüber Pippin und Karl benutzten. Leo I. fand für den römischen Primat allerdings noch die Unterstützung des Kaisers Valentian III.152 Der Begriff principatus, aus dem römischen Verfassungsrecht übernommen, hatte rechtliche Bedeutung. Aber gerade dadurch wurde auch die Herrschaftsgewalt der Kaiser in diesem Punkt in Frage gestellt, nicht nur in dogmatischen, sondern auch in disziplinarischen Fragen bei häretischen Bischöfen. Es ging um die Frage der Kirchenfreiheit, aber auch nur um diese. Der Kaiser hatte nach Leo I. die Kirche, das Gemeinwesen der Christen, zu schützen.153 Leo I. bat Kaiser Theodosius II. nachdrücklich um Einberufung eines Konzils, welches Recht noch unbestritten war. Gelasius I. formulierte dann zunächst den päpstlichen Primat noch einmal Sedes apostolica, quae Christo domino delegante totius ecclesiae retinet principatum.154 Was das im Verhältnis zum Kaiser bedeutete wird in dem berühmten, bereits angeführten Zitat in seinem Brief an Kaiser Anastasius näher bestimmt.155 Diese Bestimmung der Unterscheidung und Zuordnung der beiden Gewalten wurde grundlegend für das gesamte Mittelalter, zumal sie auch in das Decretum Gratiani Aufnahme fand.156 Zwar betrifft sie zunächst nur die geistlich-religiöse Seite, kann aber auf die herrschaftliche übergreifen, da der Papst für den Kaiser vor dem höchsten Richter Rechenschaft leisten muß.157 Zunächst bedeutet sie, daß in religiösen Fragen der Kaiser nicht zu lehren, docere, sondern zu lernen, discere, habe. Aber schon die Auferlegung der öffentlichen Buße durch Ambrosius auf Theodosius I. für herrschaftliches Handeln zeigt weiterreichende Möglichkeiten auf. Von Schwertern ist nicht die Rede. Auch verwendet Gelasius I. den Begriff regere, lenken, nicht regnare, herrschen. Er stand, anders als noch Leo I., bereits in Auseinandersetzung mit den Kaisern Zeno und Anastasius. Diese hatten in die interna, in Glaubens- und Disziplinarfragen eingegriffen, vor allem Zeno mit dem Henoticon. So griff auch Gelasius I. in seinen Ansprüchen und Formulierungen weiter. Anders noch als Leo I. hielt er den Kaiser nicht für berechtigt, über Bischöfe zu Gericht zu sitzen. Die Unterscheidung von interna und externa blieb zwar erhal150 151

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Bei Ullmann, Machtstellung, S. 10ff. Zur Position Leos I. Ullmann, Gelasius I., S. 61ff., der die rechtliche wie die theologische Grundlegung hervorhebt. Ullmann, Gelasius I., S. 64ff. So wiederholt in Briefen auch an die Kaiser, Ullmann, Gelasius I., S. 77ff. Zit. nach Ullmann, Machtstellung, S. 23; ausführlicher zu Gelasius’ Position ders. Gelasius I., S. 135ff. Zitat oben S. 558. Decr. Grat., Pars prima, Dist. XCVI, c. X. Dieses Argument der Rechenschaftspflicht findet sich bereits bei Leo dem Großen, Ullmann, Gelasius I., S. 77, 201.

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ten, aber was jeweils wozu gehörte, unterlag dem Wandel. Gelasius versuchte, den Kaiser weiter zurückzudrängen und auf rein weltliche Aufgaben festzulegen. Ihm ging es also um die Rechte der Kirche angesichts der sich eindrängenden Kaiser.

c. Alcuin Für Alcuin stellten sich, wie dargelegt, genau umgekehrte Probleme, nicht der Schutz der kirchliche Lehre etc. vor königlichen Eingriffen, sondern wie die exaltatio, defensio und dilatatio des christianum imperium und der ecclesia angesichts der Schwäche der kaiserlichen und vor allem der päpstlichen Macht unter Leo III. gewährleistet werden könnten. Da diese ihm offenbar unter den gegebenen Zeitumständen dazu nicht hinreichend befähigt erschienen, setzte er allein auf Karl den Großen. So mußte ihm vor allem daran liegen, dessen Position für diese Aufgaben zugunsten der Kirche theologisch zu begründen und zu stärken. Dem diente auch seine Version der Lehre von den zwei Schwertern. Es sind, worauf bereits hingewiesen wurde, zwei Ansätze Alcuins zu unterscheiden. Dem geistlichen Bereich werden zunächst der Schlüssel zum Himmelreich und das Wort der Verkündigung, nicht aber ein Schwert zugeordnet. Dieses gehört lediglich der weltlichen Gewalt.158 Aber Alcuin unterscheidet in einem Brief an Karl den Großen doch ein geistliches und ein weltliches Schwert.159 Eine genauere Interpretation der Texte ist daher geboten160. In dem genannten Brief unternimmt Alcuin zunächst den Versuch einer symbolischen Exegese der anscheinend widersprüchlichen Aussagen zum Gebrauch des Schwertes im Neuen Testament Luc. 22, 36–38 einerseits und 22,50 und Matth. 26, 52 andererseits, sowie Eph. 6,17, wo Paulus das Wort Gottes als das Schwert des Geistes bezeichnet. Dem Brieftext ist zu entnehmen, daß Karl ihm in einem verlorenen Brief eine entsprechende Frage gestellt hatte. Die erstgenannte Lukasstelle gehört zu den Abschiedsworten Jesu an die Jünger nach dem Abendmahl. Zunächst fordert Jesus diese auf, den Mantel zu verkaufen, um ein Schwert zu kaufen. Für sich selbst prophezeit er sein Ende. Die Jünger erwidern, „Herr, siehe, hier zwei Schwerter. Der aber sprach zu ihnen: Es ist genug.“ Die zweite Lukasstelle schildert wie die des Mathäusevangeliums den Schwerthieb des Petrus gegen einen Knecht des Hohenpriesters bei der Verhaftung Jesu am Ölberg. Bei Mathäus heißt Jesus den Petrus, das Schwert in die Scheide zu stecken, „Denn alle ein Schwert Nehmenden, durchs Schwert werden sie vernichtet werden.“ In Epheser 6,17 schreibt Paulus „und den Helm der Rettung nehmt und das Schwert des Geistes, das ist das Wort Gottes.“161 Um diese widersprüchlichen Aussagen aufzulösen, geht Alcuin davon aus, daß im Alten wie im Neuen Testament dieselben Allegorien oder Bilder in unterschiedlichen Zusammenhängen durchaus unterschiedliche, ja gegensätzliche Inhalte haben können, 158

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Alcuini epp., Nr. 255, MGH Epp. IV, S. 413, Z. 12f.; diese Unterscheidung schon in Alcuini epp., Nr. 17, MGH Epp. IV, S. 48, Z. 1ff. an denselben Empfänger von 793. Brief Alcuins an Karl 798, Alcuini epp., Nr. 136, MGH Epp. IV, S. 205. Zu Dempfs Interpretation oben S. 559. Übersetzungen Münchener Neues Testament, 2. Aufl., Düsseldorf 1989.

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so meine das Bild des Löwen einmal Christus, ein andermal aber den Teufel. Er zählt auch mehrere gute wie schlimme Bedeutungen des einen Wortes abysses auf. Das gelte auch für die Verwendung des Wortes „Schwert“. Es müsse allegorisch verstanden werden. Die Deutung Alcuins geht aus von Eph. 6, 17; denn es könne nicht sein, daß durch das Wort Gottes, das Paulus als Schwert des Geistes bezeichnet, der Mensch umkomme. Also nicht Alcuin, sondern Paulus hat das Wort Gottes zuerst mit dem Schwert verglichen. Das wird auch auf die Stellen im Lukas- und im Mathäusevangelium angewendet. Die Mathäusstelle wird dahin verstanden, daß wir, indem wir das Schwert in die Scheide stecken, dem anderen verzeihen. Wenn wir es nicht tun, verzeiht uns auch unser himmlischer Vater nicht. Der Kauf eines Schwertes nach Lukas 22,36 aber bedeute, daß wir das Wort Gottes, das heißt Christus annehmen; der Erlöser selbst ist unser Schwert, für das wir alle weltlichen Hinderungen des Lebens hingeben sollen. Da aber bei Lukas 22, 38 die Jünger Jesus zwei Schwerter anbieten und dieser sagt „satis est“, ist zu klären, was es mit diesen auf sich hat. Die Antwort ist diese: Duo gladii sunt corpus et anima, in quibus unusquisque secundum sibi a Deo datam gratiam in domini Dei voluntate proeliare debet. Et satis erit voluntate Dei, si corpore et animo illius implebuntur praecepta. Beide Schwerter per unam fidem operari debent, ut fides, quae in anima latet, foras per corpus ostendatur in opere. Die beiden Schwerter symbolisieren also den Glauben, der der Seele zugehört, und das Werk, das dem Körper zugeordnet ist. Der Glaube führt zur Gottesliebe, und aus dieser Liebe erwächst das Werk. Von einer geistlichen und einer säkularen Gewalt ist bis dahin nicht die Rede. Der Weg von der Liebe zum Werk vollzieht sich vielmehr in jedem Menschen, da er Seele und Körper hat. Es ist daher die Aufgabe der Prediger, die Liebe unseres Erlösers durch das Wort zu verkündigen. Sie sollen die Leuchten im Hause des Herrn, der Kirche, die Stadt auf dem Berge, die Hirten der Herde Christi sein. Karl aber habe die Prediger in Liebe Christi zu ermahnen und zur Predigt anzuhalten, wenn sie diese ihre Aufgabe nicht hinreichend erfüllen. Von Schwertern der Prediger oder Karls ist wiederum keine Rede. Sie werden in diesem zweiten Teil des Briefes nicht mehr erwähnt. Jedoch bleibt das Wort des Apostels Paulus zu erinnern, daß das Wort Gottes das Schwert des Geistes sei. Im weiteren Teil des Briefes behandelt Alcuin die Frage, wer predigen und das Wort Gottes verkünden dürfe. Alcuin wendet das Bild der Zwei-Schwerter aber noch in eine andere Richtung. Hoc mirabile et speciale in te pietatis Dei donum praedicamus, quod tanta devotione ecclesias Christi a perfidorum doctrinis intrisecus purgare tuerique niteris, quanta forinsecus a vastatione paganorum defendere vel propagare conaris. His duobus gladiis vestram venerandam excellentiam dextra levaque divina armavit potestas; in quibus victor laudabilis et triumphator gloriosus existis.162 Der Abt von Tours bemühte sich in diesem Schreiben um Karls Erlaubnis, in seinem nachdrücklich geführten Kampf gegen die Häresie des Adoptianismus eine Schrift gegen den Bischof Felix von Urgel zu

162

Alcuin an Karl 799, Alcuini epp., Nr. 171, MGH Epp. IV, S. 282, Z. 1ff.

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veröffentlichen. Ein militärisches Vorgehen lag nicht in seiner Vorstellung und Absicht. Die Aufgaben, die Alcuin Karl zuweist, sind daher zum einen Schutz durch das Schwert, zum anderen Sorge für die Predigt, für die Unterweisung, für die exaltatio der Kirche um des Heiles dieses populus christianus willen: et gladium triumphalis potentiae vibrat in dextera et catholicae praedicationis tuba resonat in lingua.163 Alcuin unterscheidet hier also nicht allgemein ein geistliches und ein weltliches Schwert. Sie gelten nur zwei besonderen Aufgaben des Herrschers, der Abwehr der Häretiker im Innern und der Abwehr der Bedrohungen der Heiden von außen. Innen und Außen ist auf die Kirche bezogen. Heiden sind dadurch definiert, daß sie außerhalb derselben stehen. Beide Schwerter sind herrscherliche Schwerter und allein in der Hand Karls, also der weltlichen Macht. Ein geistliches Schwert in der Hand der geistlichen Gewalt erscheint hier nicht, auch nicht indirekt oder versteckt. Faßt man beiden Stellen zusammen, so ist für die Verbreitung, Wahrung, Vertiefung des Glaubens in der Kirche die geistliche Gewalt des Wortes und des Schlüssels, getragen von den praedicatores und den Bischöfen, maßgebend. Mit Paulus ist aber das Wort das Schwert des Geistes. Für die Ausbreitung und Verteidigung des Glaubens durch das christianum imperium, ist es die weltliche Gewalt, getragen vor allem von dem Frankenherrscher Karl mit Ermahnung und Schwert. Das ist auch keineswegs allegorisch gemeint, sondern sehr real, wenn auch die Häretiker im Westen jedenfalls zu Karls Zeiten noch nicht mit dem Schwert, sondern nur mit Worten verfolgt wurden. Immerhin gilt Sed multo praestantior potestas quae vivificat, quam illa quae occidit; quia melior est vita quam mors, melior est eterna beatitudo quam temporalis iocunditas.164 Daraus folgt aber nicht eine politische Überordnung der geistlichen Gewalt. Zwar soll der Herrscher auf sie hören, aber jedenfalls für Karl gilt, wie die hier zitierten Briefe zeigen, daß er seinerseits dazu bestellt ist, die Träger der geistlichen Gewalt dazu anzuhalten, ihre Aufgaben zu erfüllen, die innere Festigkeit des Glaubens zu sichern. Dafür sind ihm von Gott herrliche Gaben gegeben, wie Alcuin immer wieder betont, und sogar das zweite Schwert gegen die Häresie, neben dem ersten Schwert gegen die äußeren Feinde, Barbaren und Ungläubigen. Praktisch haben Karl, aber auch Ludwig innerhalb der Kirche für die Festigung und Vertiefung des Glaubens durch die vielen Synoden und zur Ausbreitung nach außen durch Mission, z. T. auch mit erheblichem Druck, wenn nicht Zwang gesorgt, also das eine Schwert ganz real gehandhabt.

d. Jonas von Orleans Eine Generation nach Alcuin schreibt einer seiner Schüler, Jonas von Orleans, Sciendum omnibus fidelibus est quia universalis Ecclesia corpus est Christi, et ejus caput idem est Christus, et in ea duae principaliter exstant eximiae personae sacerdotalis videlicet et regalis, tantoque est praestantior sacerdotalis, quanto pro ipsis regibus Deo est 163 164

Alcuini epp., Nr. 41, MGH Epp. IV, S. 84, Z. 13ff. Oben Anm. 158.

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rationem redditura.165 Er bezieht sich dabei ausdrücklich auf Gelasius, setzt jedoch statt mundus bei Gelasius universalis ecclesia, ändert somit an entscheidender Stelle die Begriffe. Die ecclesia universalis als der Leib Christi wird dem mundus, der Welt gleichgesetzt. Fraglich ist, ob damit die konkrete geschichtliche Kirche, evtl. die ecclesia romana gemeint ist. Die Aussage über die beiden Gewalten würde bezogen auf die konkrete historisch-reale sancta ecclesia catholica geradezu die Anerkennung der gleichberechtigten königlichen Gewalt auch in dieser bedeuten. Das würde trotz Alcuins Konzeption der ganzen kirchlichen Tradition widersprechen. Daher ist in Jonas‘ Aussage eher ein religiös-spiritueller Kirchenbegriff zugrundegelegt, der wiederum die ganze Christenheit als solche umfaßt. Darauf deutet auch die Verbindung mit dem Begriff corpus Christi. Denn dies war und ist ein sakramental-spiritueller Begriff der Einheit, der auf Paulus zurückgeht.166 Zu klären bleibt jedoch, warum Jonas den Begriff der ecclesia universalis statt mundus oder christianitas seines Lehrers Alcuin wählte. Die Veränderung könnte aus den politischen Zeitumständen erklärt werden. Jonas’ Aussage findet sich in gleicher Weise und wohl auf denselben Autor zurückgehend in der Vorlage der Pariser Reformsynode von 829 an Ludwig den Frommen.167 Als Gelasius I. an den Kaiser Anastasius den Brief mit der Unterscheidung der beiden Gewalten schrieb, gab es nur das Römische Reich, das den mundus darstellte und politisch-herrschaftlich einte. Das aber war 829 nicht mehr der Fall. Es gab, wie dargelegt, eine Pluralität christlicher Herrschaftsbereiche. Sollte der mundus noch als Einheit erfaßt werden, dann war das für Jonas nur als ecclesia universalis, als corpus Christi möglich. Die Verschiebung von mundus zu universalis ecclesia unter Aufgabe der Unterscheidung Alcuins von ecclesia sancta und christianum imperium hat Konsequenzen für die ecclesia selbst und für die Stellung der beiden personae oder ministeria. Die ecclesia gewinnt trotz ihrer spirituell-religiösen Begründung und Ausrichtung als solche auch politische Bedeutung. Die beiden Gewalten treten in ein Konkurrenzverhältnis, gewollt oder ungewollt. Beide haben ihre Stellung wohl von Christus als dem caput ecclesiae. Aber da die ecclesia die einzige Einheit darstellt, gilt praestantior sacerdotalis, wie auch Gelasius bereits festgehalten hatte. Alcuin hatte diese Abstufung nicht getroffen. Das gibt noch keinen politisch-herrschaftlichen Vorrang der geistlichen Gewalt. Aber die Verhältnisse scheinen sich umzukehren. Alcuin hatte in der Deutung der Evangelienstelle Karl die Aufgabe zugeordnet, die Verkünder des Wortes Gottes zu ermahnen, für die Reinheit des Glaubens zu sorgen etc. Jonas von Orleans postuliert mit Gelasius die Aufgaben der geistlichen Gewalt, die weltliche zu ermahnen, für die sie vor Gott Rechenschaft ablegen müsse. Ende der zwanziger Jahren wuchsen die

165 166

167

Jonas, Opusculum, c.1, Migne, LP 106. Sp. 285. Zum Zusammenhang von corpus Christi und ecclesia, Joseph Ratzinger, Art. Leib Christi, I. In der Schrift, 3, in Lexikon für Theologie und Kirche 2. Aufl. hrsg. v. Josef Höfer und Karl Rahner, Bd. 6, Freiburg 1961, Sp. 907–910. Episcoporum ad Hludowicum Imperatorem Relatio, Aug. 829, MGH LL II, Capit. I Nr. 196, S. 26, Teil I, c. III, S. 29 Z. 19ff. Dort wird außer Gelasius auch noch Fulgentius (6. Jhdt.) zitiert: „Quantum pertinet ad huius temporis vitam, in aeclesia nemo pontifice potior, et in saeculo christiano nemo imperatore celsior invenitur“.

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Unruhen im Reich wegen der Neuordnung der Nachfolge und der Reichsteilung. Die Praxis gegenüber Ludwig dem Frommen war dementsprechend. In der genannten relatio der Pariser Synode werden im Abschnitt De persona regalis die Aufgaben, Pflichten, Verhaltensweisen der Könige aufgeführt und erläutert.168 833, in der Auseinandersetzung zwischen Ludwig dem Frommen und seinen Söhnen, erlegten die Bischöfe dem Kaiser nach seiner, von ihnen abgesegneten Absetzung eine Buße auf.169 Sie gründete u. a. darin, daß er durch Herrschaftsakte Gott beleidigt und die sancta ecclesia skandalisiert habe. Politisch stellten sich die Bischöfe unter der Führung des Erzbischofs von Reims, Ebo, dann aber noch auf die Seite der Söhne, insbesondere Lothars I., wurden also noch nicht für sich selbst, für ihre Macht tätig. Für die ZwischenMächte-Beziehungen ist aber maßgebend, wer die persona regalis in der universalis ecclesia ist. Jonas unterschied beide Gewalten als zwei Personen, wie Gelasius in dem von Jonas zitierten Brief Kaiser und Papst nebeneinandergestellt hatte. Aber da es in der universalis ecclesia nach dem Zerfall des einen römischen Reiches mehrere Reiche gab, sprach Jonas von ipsis regibus, also der Mehrzahl der Könige auf der Seite der persona regalis. Dazu gehörte u. a. auch Ludwig der Fromme, obwohl er Kaiser war. Aus der Formel universalis ecclesia folgt also im Hinblick auf die persona regalis nichts für einen universellen Herrscher oder eine Universalmonarchie. Jonas verwendete im weiteren Verlauf der Darlegungen potestas und ministerium, also nicht mehr persona. Von Schwertern spricht er nicht. Seine Ermahnungen richten sich jedoch nur nur auf die inneren Aufgaben eines Königs. Außenbeziehungen und deren Ordnung kommen hier ebensowenig vor wie in der relatio oder in anderen Fürstenspiegeln. Sie waren offenbar in der Zeit Ludwigs kein wichtiges Problem. Seit Mitte der zwanziger Jahre des 9. Jahrhunderts stand angesichts des Streites der Söhne und einiger Adelsgruppen mit Ludwig und den ihn stützenden Adelsgruppen die innere Ordnung des Reiches im Zentrum der Aufmerksamkeit. Außenpolitik war zu einer Randerscheinung im wörtlichen Sinne geworden.

e. Hincmar von Reims Um 882 erörterte Erzbischof Hincmar von Reims das Verhältnis beider Gewalten noch einmal in seiner Schrift de ordine palatii.170 Diese erschien zwar nach unserer Epoche. Aber zum einen war Hincmar, der 806 geboren wurde und unter Ludwig aufwuchs, durch sein Leben mit dieser Zeit verbunden und wurzelte mit seinen Vorstellungen in ihr. Zum anderen hatte er nach eigenem Bekunden dem Kapitel IV seiner Schrift den verlorenen hlibellus de ordine palatii des Abtes Adalhard von Corbie, eines Stiefvetters Karls, zugrunde gelegt, von dem dieser auch wohl sonst beeinflußt worden

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MGH, LL II, Capit. II/1, Nr. 196, c. 55ff., S. 46ff. Episcoporum de poenitentia, quam Hludowicus Imperator professus est, relatio Compendiensis, Oct. 833, MGH LL II, Cap. II/1, S. 51 Nr. 197. MGH, Fontes iuris germanici antiqui, III, Hannover 1980.

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war.171 Im ersten Kapitel bezeichnete Hincmar Jesus Christus als denjenigen qui solus rex simul et sacerdos fieri potuit.172 Für die geistliche und die weltliche Gewalt folgt daraus deren Trennung. Sie werden wiederum in Anschluß an Gelasius erörtert. Hincmar nimmt jedoch die von diesem ausgedrückte besondere Gewichtung der geistlichen Gewalt gerade nicht auf. Beide Gewalten haben bestimmte Aufgaben, die Bischöfe (alle!) sind „Aufseher“, deren officium est, ut commissio sibi populo exemplo et verbo, qualiter vivere debent, incessanter annuntiet, sicut Christe. Der Bischof soll das Volk durch Wort und Tat bessern.173 Vom König heißt es mit einem Zitat Cyprians in semetipso nominis sui dignitaten custodire debet. Nomen enim regis intellectualiter hoc retinet, ut subiectis omnibus rectoris officium procuret... Quoniam iustitia regis exaltabitur solium et veritate solidantur gubernacula populorum.174 Eine Aufgabe innerhalb der geistlich-religiösen Sphäre wird dem König anscheinend nicht mehr zugewiesen. Für die Träger beider Gewalten wird im Kapitel III der Gehorsam gegenüber den ihnen jeweils auferlegten geistlichen bzw. weltlichen Gesetzen festgehalten. Für Hincmar stehen beide Gewalten für ihren jeweiligen Bereich nebeneinander. Sie finden ihre Einheit in Christus als dem rex et sacerdos. Keine wird der anderen vorgeordnet. Zwar behauptet Hincmar im Streit um die Ehe Lothars II. die geistliche Gewalt. Aber die Ehe gehörte in die religiöse Sphäre. Da Hincmar es in dieser Schrift nur mit dem fränkischen Herrscher und dessen inneren Aufgaben zu tun hat, interessiert ihn die Zwischen-Mächte-Ordnung hier nicht.175 Ob in Adalhards Schrift dazu etwas stand, muß offenbleiben.

f. Das Papsttum in fränkischer Sicht Das konkrete Verhältnis der karolingischen Herrscher zum Papsttum und seine Entwicklung ist in früheren Kapiteln bis zur Constitutio Romana von 826 eingehend erörtert worden. Im Hinblick auf die Unterscheidung der beiden Gewalten stand für diese die geistliche Führungsgewalt des Papstes außer Zweifel. Von Pippin bis Ludwig griffen sie für die Erneuerung der fränkischen Kirche auf die Päpste zurück. Karl nahm auch in den Libri Carolini im Streit um den Jurisdiktionsprimat zwischen Hadrian I. und den byzantinischen Kaisern für das Papsttum allgemein Partei.176 Auch Alcuin räumte dem Papst grundsätzlich eine zentrale Stelle in der Kirche ein, selbst wenn er sie in concreto nicht ausfüllte. So baute er, wie gezeigt, 799 angesichts der Situation in 171 172 173 174 175

176

ibid. S. 54, Z. 220. ibid. S. 38, Z. 61f. ibid. S. 42, Z. 104ff. ibid. S. 44, Z. 113ff. Die Schrift ist an den westfränkischen König Karlmann nach dem Tode seines Bruders Ludwig III. im Jahre 882 gerichtet, Thomas Gross/Rudolf Schieffer, Hinkmar von Reims De ordine, Einleitung, S. 14. Hincmar wollte den König ad reerectionem honoris et pacis ecclesiae ac regni durch Darstellung der Ordnung in Kirche und Palast beraten, Prolog Z. 17f. ibid. S, 34. Sie ist daher auch als admonitio gekennzeichnet. Libri Carolini, lib. I, c.VI Quod sancta Romana, catholica et apostolica ecclesia caeteris ecclesiis praelata pro causis fidei, cum quaestio surgit, omnino sit consulenda, MGH LL III, Conc. II suppl. S. 20 ff.

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Rom unter Leo III. mehr auf Karl, um den Glauben zu schützen, zu bewahren und verbreiten. Auch die karolingischen Herrscher blieben in der Überlieferung und redeten die Päpste stets mit pater an und wurden von ihnen als filius bezeichnet. Aber diese familiären Anreden gründeten ausschließlich auf der religiös-kirchlichen Beziehung. Die Praxis Pippins, Karls und Ludwigs zeigt nachdrücklich, daß alle drei eine aktive Rolle in der Kirche, für deren innere und äußere Entwicklung im eigenen Herrschaftsbereich wie in ihrer Gesamtheit wahrnahmen, sei es in der inneren Kirchenreform, sei es im Kampf um inhaltliche Glaubensfragen der gesamten Kirche, in der Auseinandersetzung um die Bilderfrage, die alle drei beschäftigte, im Kampf gegen den Adoptianismus, in den Aussagen zur processio des Heiligen Geistes durch die neue Formel ex patre filioque procedit. Im ersten Fall wandte sich Karl, wie dargelegt, sogar gegen Papst Hadrian I., obwohl er diesen als seinen amicus carrissimus bezeichnete.177 In bezug auf die weltlichen Angelegenheiten, vor allem den Krieg, wies Karl in dem mehrfach genannten Brief an Leo III. diesem die Aufgabe zu, wie Mose die Hände zum Gebet zu Gott zu erheben, damit der populus christianus über seine Feinde den Sieg davontrage und der Name Christi in der ganzen Welt glänze.178 König und Papst finden ihre gemeinsame Aufgabe im Sieg des populus christianus. Das Schwert Karls ist sehr real. Aber der Papst hat zu beten, also durch das Wort zu wirken. Zwar handelt es sich um die Interpretation des neu zu bestätigenden pactum zwischen dem fränkischen Herrscher und dem neuen Papst. Aber die Stelle kann als Konkretisierung einer allgemeinen Konzeption verstanden werden. Sie beschränkte die Päpste auf die geistlichreligiöse Sphäre. Der Brief wurde von Abt Anglibert, einem Mitglied des engeren akademischen Kreises am Hofe Karls, überbracht. In der diesem von Karl mitgegebenen Instruktion wurde er beauftragt, den Papst zu einem ehrenvollen und frommen Leben zu ermahnen.179 Insbesondere solle der Papst für die Abstellung der Simonie sorgen. Er bittet zwar Gott für den Papst regat et dirigat in omni bonitate cor illius ut faciens faciat quod sanctae suae proficiat ecclesiae, et ut sit nobis pius pater et pro nobis praecipuus intercessor, aber gleichzeitig nimmt der König für sich in Anspruch, den Papst zu ermahnen. Der Papst wird in der Vorstellung aller drei Frankenherrscher eindeutig auf den geistlichen Bereich der Kirche und die religiösen Aufgaben festgelegt. Ecclesia hat hier keinerlei politische Bedeutung. Ein Zusammenhang mit dem christianum imperium wird ebenfalls nirgendwo hergestellt. Zwar holten sich die karolingischen Herrscher seit der Anfrage an Zacharias immer wieder päpstlichen Rat. Aber inhaltliche Einflußnahmen in weltlichen Angelegenheiten gestand der König keinem Papst, auch Karl nicht seinem amicus Hadrian I., zu, es sei denn, sie waren für die Herrscher selbst hilfreich, wie in der Dynastiefrage für Pippin oder in der Auseinandersetzung mit Tassilo für Karl. Auch Ludwig der Fromme tat das offenbar nicht. Beide entschieden ohne die 177

178 179

Brief an Offa mit Gebetsbitte, Alcuini Epp., Nr. 100, MGH Epp. IV, S. 146, Z. 6. Siehe auch Alcuin in einem Brief an Leo III. anläßlich dessen Papsterhebung, Alcuini epp., Nr. 94, MGH, Epp. IV, S. 138. Alcuini epp., Nr. 93, MGH Epp. IV, S. 136 S. 137, Z. 31f. Alcuini epp., Nr. 92, MGH Epp. IV, S. 135.

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Päpste über die Weitergabe des Kaisertums, obwohl es zunächst durch den Papst auf sie gekommen war. Die von Stephan IV. 816 an Ludwig dem Frommen in Reims und von Paschalis I. 823 an Lothar I. in Rom vorgenommenen Krönungen waren in fränkischer Sicht Befestigungskrönungen, keine konstitutiven Akte. Aus der Kaisererhebung Karls des Großen durch Leo III. folgte also für die hier untersuchte Epoche noch kein entsprechendes Recht des Papstes. Aber die Päpste wahrten nach außen eine Art Bestätigungsrecht, und damit den Ansatz zum Ausbau ihrer Kreationsbefugnis in bezug auf die Kaisererhebung. Die sehr konkrete Intervention Gregors IV. im Streit Ludwigs mit seinen Söhnen auf dem Lügenfelde wies der Kaiser bestimmt und fast unhöflich zurück. Ob den Päpsten eine Art Bestätigungsfunktion für Verträge u. a. zugebilligt wurde, ist nicht eindeutig festzustellen. Der einzige bekannte Fall der Vorlage eines Vertrages in Rom, des Friedensvertrages zwischen Karl und Michael I. 813, hatte, wie dargelegt, wahrscheinlich inhaltliche Gründe und läßt einen solchen Schluß daher nicht zu.180 Von einer besonderen, gar hierarchisch übergeordneten Stellung des Papstes in der Ordnung der Zwischen-Mächte-Beziehungen kann aus fränkischer Sicht ebensowenig die Rede sein, wie aus der Sicht der oströmischen Kaiser oder der anderen christlichen Könige. Der Papst bleibt der ecclesia zugeordnet. Er führt das Wort und hält die claves des Himmels, keinesfalls ein Schwert, auch kein geistliches. Das Schwert gegen die Heiden bleibt allein dem König vorbehalten, und selbst gegen Häresien hat auch er zu kämpfen.

g. Päpstliche Sicht Die Briefe der Päpste seit Stephan II. an die fränkischen Herrscher seit Pippin sowie das Liber Pontificalis, zum anderen einige tatsächliche Vorgänge bieten ein politischeres Bild. Grundsätzlich sahen auch sie ihre Aufgabe darin, die karolingischen Herrscher zum festen Glauben zu ermahnen und deren innere und äußere Kirchenreform zu fördern. Aber die ständig wiederholten Aufforderungen, ihre territorialen Versprechen an Petrus und die Päpste zu erfüllen und generell die defensio und exaltatio der Kirche und Treue gegenüber dem hl. Petrus und seinem Vikar, dem Papst, zu wahren, weisen auf die erhebliche politische Dimension, die dieses Verhältnis aus der Sicht der Päpste hatte. Die Päpste versuchten auf diese Weise seit dem Votum Papst Zacharias’ für den Dynastiewechsel und insbesondere seit der Salbung Pippins und seiner Söhne durch Stephan II. auf die Herrschaft der Karolinger immer wieder einen maßgeblichen Einfluß über die Kirchenreform hinaus zu nehmen. Sie griffen in ihren Briefen an die karolingischen Herrscher wiederholt auf diese Vorgänge, vor allem auf die Salbung zurück, die sie als vicarius des Apostelfürsten vorgenommen hatten. Darin begründeten sie die Legitimation der Herrschaft der Karolinger, die sie auf den Apostelfürsten Petrus und auf Gott selbst zurückführten. Insofern war die Salbung in päpstlicher Sicht für die Herrschaft der karolingischen Könige konstitutiv. Der Mahnbrief Stephans III. gegen die geplante Heiratsverbindung der Karolinger mit einer Tochter des Desiderius 180

Oben S. 396f.

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war gerade auch in seinen Begründungen eine erhebliche, wenn auch zunächst erfolglose Intervention. Den Höhepunkt stellte sicher die Kaisererhebung Karls des Großen durch Leo III. dar, auch wenn zweifelhaft ist, ob sie wirklich allein von diesem ausging. Dieses Vorgehen lag aber in einer Kette päpstlicher Akte, wenn auch auf „niedrigerem Niveau“ bei der Begründung bzw. den Bestätigungen karolingischer Herrschaft durch die Päpste. Für diese war das karolingische Königtum durch Vermittlung des Apostelfürsten, d. h. aber konkret durch sie von Gott verliehen. Die Salbung Pippins und seiner Söhne durch die Päpste wird von diesen daher immer herangezogen, um daraus die konkrete Pflicht zur defensio und exaltatio sanctae Dei ecclesiae herzuleiten, auch den sehr realen Schutz der Kirche gegen die Langobarden, die Neapolitaner, die Sarazenen und auch vor den oströmischen Kaisern. Aber keiner der Päpste machte eine generelle, geistlich begründete Hoheit gegenüber den Königen oder Kaisern geltend, erhob Anspruch, über das Königtum oder später das Kaisertum oder auch gegen dessen Inhaber verfügen zu können. Soweit zu sehen, ist in dieser Zeit von einer Lösungs- und Bindungsgewalt der Päpste gegenüber den fränkischen Herrschern in bezug auf Herrschaft nicht die Rede. Auch gegenüber anderen Herrschern, selbst gegen den nefandus rex Aistulf, wurde ein geistlich begründetes Absetzungsrecht nicht in Anspruch genommen. Hadrian I. berief sich zwar in der Auseinandersetzung Karls mit Tassilo auf seine geistliche Gewalt, als er den Bayernherzog mahnte, seine Eide, d. h. aber religiöse Akte, einzuhalten und gleichzeitig Karl von jeder Sünde im vorhinein freisprach, wenn dieser gezwungen sei, zu den Waffen zu greifen, falls Tassilo der Aufforderung nicht Folge leiste. Aber auch für diesen Fall entsetzte Hadrian den bayerischen Herzog nicht etwa seiner Herrschaft. Die Absetzung Ludwigs des Frommen 833 erfolgte weder durch den Papst Gregor IV. noch durch die fränkischen Bischöfe, sondern durch eine Reichsversammlung, wenn auch Bischöfe, insbesondere Ebo von Reims, eine maßgebende Rolle spielten und dem abgesetzten Kaiser eine Kirchenbuße auferlegten. Zwar soll der Papst in dieser Auseinandersetzung nach Franken gekommen sein, um gegebenenfalls Ludwig den Frommen zu exkommunizieren. Aber eben dies erfolgte nicht.181 Noch stehen Papst und fränkischer König auf gleichem Rang unter dem ersten der Apostel, von dem beide ihre Befugnis herleiten. Das stellten eindringlich die bereits erwähnten Mosaiken dar, die Leo III. nach seiner Rückkehr aus Paderborn, aber noch vor der Kaisererhebung Karls im Triclinium des Lateran, also dem Hauptsitz des Papstes, anbringen ließ. Sie sind leider nur noch in Kopien vorhanden.182 Christus in der Apsis sendet die Apostel aus. Auf der linken Wand daneben überreicht Christus Petrus das pallium, Konstantin das labarum.183 Auf der rechten Wand daneben überreicht Petrus Leo III. das pallium, Karl ein vexillium, eine Standarte, kein Schwert. Damit wird dem König durch Petrus der Schutz der Kirche anvertraut, nicht mehr, insbeson181 182 183

Ann. Bertiniani ad a. 833; Anonymus, Vita Hludowici, cap. 48, S. 635f. Dazu Classen, Karl der Große, S. 54ff. Ullmann, Machtstellung, S. 154, Fußnote 49 meint, es habe sich um Papst Sylvester, den angeblichen Empfänger des Constitutum Constantini, gehandelt. Das wird jedoch überwiegend ausdrücklich abgelehnt.

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dere nicht die universelle weltliche Herrschaft. Wenn Leo III. Karl zum Kaiser krönte, dann nicht kraft einer donatio Konstantins, sondern wiederum als vicarius des hl. Petrus um des Schutzes und der exaltatio der Kirche willen. Ob von Leo III. für die Kaisererhebung Karls außerdem noch eine Befugnis der translatio aus dem Constitutum Constantini als rechtliche Grundlage hergeleitet wurde, ist kaum zu entscheiden.184 Das hängt zunächst von dessen Entstehungszeit ab, die zwar heute vor die Kaiserkrönung datiert wird. Aber es deutet weder im Liber Pontificalis noch sonst ein Hinweis darauf hin, daß diese Fälschung schon in dieser Zeit für die Kaisererhebung Karls in Rom eine Rolle spielte. Zwar verwies Hadrian I. in einem Brief an Karl auf die Großzügigkeit Konstantins gegenüber Papst Sylvester, per eius largitatem sancta Dei catholica et apostolica Romana ecclesia elevata et exaltata est et potestatem in his Hesperiae partibus largiri dignatus.185 Er forderte Karl, auf ein Gleiches zu tun und die der römischen Kirche bereits früher von anderen übertragenen, jedoch von den Langobarden weggenommenen, sowie auch die von ihm versprochenen Gebiete in der Toskana, Spoletto, Benevent, Corsica, der Sabina etc. zu übergeben. Das kann zwar als Anspielung auf das Constitutum Constantini verstanden werden. Jedoch hatte sie hier allein territoriale Inhalte. Von einer irgendwie gearteten translatio imperii durch Konstantin auf den Papst und dann von diesem auf die fränkischen Herrscher ist auch hier – noch – keine Rede. Zu unterscheiden von dem Verhältnis des Papstes zu den anderen Herrschaftsträgern, Kaisern und Königen, ist das Verhältnis der sancta Romana ecclesia zur Welt, dem mundus. Hadrian I. bezeichnete in mehreren Briefen an Karl den Großen die ecclesia romana als caput mundi.186 Diese Bemerkung ist in vierfacher Hinsicht auch für die Ordnung der pluralen weltlich-politischen Sphäre bedeutsam. Zum einen wird die Kirche als Haupt der Welt bezeichnet, nicht Christus, ihr also in der Welt und deren ordo die Spitzenstellung eingeräumt und vorbehalten. Daraus ergibt sich zum zweiten, daß die Kirche als Haupt der Welt deren Einheit begründet. Das geht über Gelasius hinaus. Zum dritten ersetzt die Wendung die herkömmliche übliche Wendung sancta Dei ecclesia catholica durch die ecclesia romana, die eigentlich nur eine Teilkirche wäre.187 Hier verbinden sich anscheinend der kirchliche Universalitätsanspruch der Päpste mit der Frage nach dem Verhältnis von Kirche und Welt, d. h. aber auch dem Verhältnis der beiden Gewalten. Mundus kann wohl mit der christlichen Welt als spirituelle, aber reale Einheit, ähnlich dem Begriff christianum imperium Alcuins verstanden werden. Hadrian stellte die römische Kirche an deren Spitze, behandelte also deren innere Stellung in der Gesamtkirche. Daraus kann dann doch für den Papst als Repräsentanten dieser Kirche die hierarchische Spitzenstellung auch in der Welt erwachsen. Hadrian I. zieht aber diesen Schluß nicht, noch nicht. Vielleicht verstand Leo 184 185 186

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So aber Ullmann, Machtstellung, S. 154. Codex Carolinus, Nr. 60, MGH Epp. III, S. 585, S. 587, Z. 9ff. Codex Carolinus, Nr. 72, MGH Epp. III, S. 603, Z. 1ff.; Nr. 94, ibid. S. 636, Z. 5; dazu Ullmann, Machtstellung, S. 155ff., der darin vor allem einen gegen Byzanz gerichteten Anspruch sieht. In den Briefen der Vorgänger Hadrians I. an Pippin und Karl war noch von der sancta Dei ecclesia die Rede gewesen, für die zwar auch bereits Rom und vor allem der hl. Petrus standen, aber die Identifikation war keineswegs soweit fortgeschritten wie bei Hadrian.

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III. die Vornahme der Kaiserkrönung so. Aber das läßt sich nicht belegen, zumal er unmittelbar vorher als Bittsteller in Paderborn aufgetreten war. Er hätte sein Ziel zudem verfehlt, da sowohl Karl als auch Ludwig das Kaisertum allein aus eigener Vollmacht weitergaben. Hadrian I. verhieß oder wünschte dem fränkischen König, wenn er seiner Pflicht gegenüber eben dieser römischen Kirche nachkomme, von dem hl. Petrus her, inconcussos facit triumphos hic et in futuro victores super omnes regnare reges.188 Ist damit die Weltherrschaft gemeint, wenn er nicht nur regere, leiten, führen, sondern regnare, regieren, als König herrschen, verwendet? Aber welche Könige sollten da gemeint sein? Da dies lange vor der Kaisererhebung war, der Brief wird in die Jahre 785–91 eingeordnet, kann an das imperium wohl kaum gedacht worden sein, wenn man nicht schon Hadrian I. entsprechende, verschwiegene Absichten unterstellen will. Meist wird in ähnlichen Wünschen oder in Gebeten der Päpste der Begriff nationes barbaras oder ähnliches verwendet, gegen die Gott dem König Sieg verleihen möge. Die Unterscheidung von hic und in futuro legt eine andere Deutung nahe. Mit hic könnte diese Welt, mit in futuro die zukünftige Welt gemeint sein. In ihr soll Karl dann als Lohn für seine Sorge für die Kirche, ihre exaltatio und ihren Triumph an der Spitze stehen. Denn auch in diesem Brief ermahnte und erbat Hadrian I. vor allem die Erfüllung der territorialen Ansprüche.189 Die durch die ecclesia romana als caput mundi gestiftete Einheit hat eine zweifache Dimension. Denn da diese Einheit in der ecclesia Romana gipfelt, wird diese zur Kirche schlechthin, über den anderen Kirchen. Noch ist das aber nicht allgemein politisch, sondern religiös-kirchlich, auch wohl kirchenpolitisch gemeint. Der darin enthaltene Führungs- oder Lenkungsanspruch ist noch religiös-kirchlich zu verstehen, nicht auch weltlich, aber auch da noch keineswegs durchgesetzt. Aber da in unserer Epoche beides nicht trennbar ist, hat es oder kann es politische Auswirkungen haben. Das aber ist noch nicht der Fall. Der Kopf hält das Ganze zusammen, von ihm her wird die Einheit konstituiert. So ist auch Christus das Haupt der Kirche. Aber es ist die Einheit im Glauben, eben in Christus, nicht eine wie auch immer geartete politische Einheit. Für die Ordnung der Zwischen-Mächte-Beziehungen ergibt sich daraus nur ein, wenn auch wesentliches Element ihrer Einheit. Für die Päpste, als pontifices dieser sancta Romana ecclesia, wird der mundus auch für die Beziehungen zwischen den Mächten kirchlich bestimmt. Dabei spielt naturgemäß eine erhebliche Rolle, wie weit diese bereit sind, dem Anspruch zu folgen. Die westlichen Herrscher, allen voran die fränkischen sind es, während Byzanz den Primat der ecclesia romana ablehnt. Die in seiner Abhängigkeit oder doch seiner politisch-kirchlichen Nähe stehenden oder geratenden Mächte folgen Byzanz. So kündigt sich die Spaltung der Kirche und des mundus an. Aber noch ist auch dies nicht der Fall, denn die Auseinandersetzung ist noch nicht entschieden. 786 gelingt sogar die Beilegung des Bilderkonfliktes zwischen Rom und Byzanz auf der römischen Linie. 188 189

Codex Carolinus, Nr. 72, MGH Epp. III, S. 603, Z. 3f. Auch hier verwies Hadrian I. i. ü. auf die donationes imperiales, womit die Übertragungen durch Konstantin und seine Nachfolger gemeint sind.

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h. Folgerungen Wenn auch die ältere Zwei-Gewalten-Lehre von den Päpsten beibehalten wird und durch Alcuin und andere auch Bestandteil der karolingischen Auffassung der Weltordnung geworden ist, ist sie doch weit entfernt von späteren gegensätzlichen Deutungen der Überordnung der einen oder der anderen Gewalt. Noch stehen beide gleichgeordnet nebeneinander in ihrem je eigenen Bereich. Trotzdem gab es eine neue Entwicklung. Denn weder die Legitimierung des Pippinschen Staatsstreiches durch Zacharias und Stephan II., noch die Kaisererhebung Karls durch Leo III. war bei den Päpsten Leo I., Gelasius und anderen vorgebildet. Derartiges hatte es bis dahin nicht gegeben, war auch nicht in irgendeiner Andeutung theologisch oder rechtlich in Anspruch genommen worden. Es kann auch aus den bekannten Stellen nicht indirekt abgeleitet werden. Es handelt sich um eine neuartige erweiternde Interpretation der Vollmacht der Päpste aus der Nachfolge des hl. Petrus, die Ordnung in der Welt aufrecht zu erhalten, wie es ausdrücklich zur Rechtfertigung der Erhebung Pippins zum König heißt. Jedoch ist festzuhalten, daß dies für die anderen Könige in England oder Asturien nicht galt, wenn auch Leo III. gemeinsam mit Karl für die Rückführung des vertriebenen northumbrischen Königs Eardulf sorgte. Schon darin wird deutlich, daß bei den Päpsten in dieser Zeit keine Vorstellung einer generellen Überordnung der geistlichen Gewalt über die weltliche bestand. Das Verhalten gegenüber den karolingischen Herrschern war nicht einem allgemeinen Prinzip, sondern besonderen Umständen geschuldet. Ansatzpunkt war sehr konkret die Suche nach einem neuen defensor ecclesiae, nachdem der oströmische Kaiser diese Aufgabe nicht mehr wahrnehmen konnte oder wollte, und zudem in den Augen der Päpste seine Befugnisse in innerkirchlichen Angelegenheiten bei weitem überschritt. Dieser neue defensor konnten nach Lage der Dinge nur die fränkischen Könige sein. Das hob sie in päpstlicher Sicht gewiß aus dem Kreis der übrigen Könige hinaus, verschaffte ihnen vielleicht auch einen Vorrang vor diesen. Aber es ging auch um die Wahrung der richtigen Ordnung der Welt. Andererseits kam keiner der Päpste auf das Gelasianische Argument zurück, Rechenschaft für die Herrscher vor dem Gericht Christi ablegen zu müssen. Diesen selbst wurde die Verantwortung vor Gott für die Erfüllung dieser Aufgabe zugewiesen, mit all den Vorteilen ihrer Erfüllung und Nachteilen im Falle der Weigerung. Daher blieb die potestas regalis wie bei Leo I. und Gelasius eine eigene Gewalt, gegeben von Gott, aber für die Karolinger vermittelt durch Petrus und seinen vicarius. Erst in späteren Jahrhunderten wurde das Verhältnis von den Päpsten aus dieser Vermittlung neu zu ihren Gunsten interpretiert.

VI . Hei d en u n d I s l am Wenn die Ordnung der Welt und ihre Einheit durch die ecclesia Dei sancta oder universalis und das christianum imperium konstituiert ist, die auf dem populus christianus beruhen, stellt sich die Frage nach dem Ort der Muslime und der Heiden. Sie sind, wie dargetan, in der rechtlichen Praxis keineswegs aus der allgemeinen Ordnung ausgeklammert. Es wurden Verträge mit ihnen geschlossen und dafür auch ihr ritus und ihre

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mos anerkannt. Es wurde auch mit ihnen generell Frieden gehalten, wenn nicht ein besonderer Krieg geführt wurde. Weder Heidenkriege zur Unterwerfung noch Missionskriege zur Bekehrung waren als solche erfordert oder gar geboten. Vielmehr war das Verhalten den Ungläubigen gegenüber sehr unterschiedlich. Es reichte von Unterwerfungskriegen gegen die Sachsen und Awaren und ihrer Eingliederung ins Reich, über die Errichtung von Oberherrschaft über die Slawen, den Abschluß von Friedensverträgen mit den Dänen und spanischen Sarazenen bis zu Bekundungen der Freundschaft gegenüber Harun al-Rashid. Äußerungen zu der Frage, die später eine erhebliche Rolle spielen sollte, ob rechtliche, freundschaftliche Beziehungen zwischen christlichen Herrschern und heidnischen oder islamischen Herrschern und Völkern erlaubt seien, gab es nicht. Es wurden keine Einwände gegen die entsprechenden Beziehungen Karls erhoben. Das lag noch außerhalb der Sphäre des päpstlichen Wirkungsbereiches, der nur auf den religiös-kirchlichen beschränkt war und den herrschaftlichen Bereich im engeren Sinn noch nicht erfaßt hatte. Andererseits aber wurde sowohl von Alcuin als auch von den Päpsten die Bedrohung durch die nationes barbaros oder paganos beschworen, zu ihrer Abwehr ermahnt und der Sieg über sie im Gebet erfleht. Es bestand ein Graben zwischen christlichen und nicht-christlichen Herrschern. Die von Einhard behauptete amicitia mit Harun al-Rashid war in jedem Fall die Ausnahme. Die schließliche Eingliederung der Heiden in die christliche Welt Aufgabe, Ziel und Inhalt praktischer Politik. Insofern kann von der Vorstellung einer Zweiteilung der Welt ausgegangen werden. Eine richtig geordnete Welt bestand nur in der christlichen Welt.

V II . E u r o p a Der Begriff Europa taucht in den schriftlichen Zeugnissen der Zeit zwar vereinzelt auf. Aber er hat in der Regel eine geographische Bedeutung. Alcuin teilt die Erde in drei Teile: Totus orbis in tres dividitur partes, Europam, Africam et Indiam, in quibus partibus tribus modis colendus est Deus: fide, spe et caritate.190 Papst Gregor IV. schreibt 833 an die Mitbischöfe per Galliam, Europiam, Germaniam et per universas provintias.191 Auch Hbrabanus Maurus sprach von totas provincias Germaniae atque Galliae, et pene in cunctis partibus Europae.192 Zwar brachte Alcuin die Kirche mit Europa in Verbindung, aber auch nur im geographischen Sinn. 193 Noch ist Europa weder ein spirituell-religiöser noch ein politischer Begriff der Weltordnung. Zwar taucht vereinzelt auch die Wendung regnum Europa auf, quod ipse (Gott) te (Karl) exaltavit in ho-

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Alcuini epp., Nr. 81, MGH Epp. IV, S. 124, Z. 16f. Dieser Satz ist Teil einer Zahlensymbolik. Gregor IV. epp. pap., MGH Epp. V, S. 73, Z. 17. Brief an Ludwig II. (den Deutschen) 842–846, Hrabani (Mauri) epp., Nr. 37, MGH Epp. V, S. 472, Z. 30f. Alcuini epp., Nr. 7, MGH Epp. IV, S. 32, Z. 6ff. Primo sciat dilectio tua, quod miserante Deo sancta eius ecclesia in partibus Europae pacem habet, proficit et crescit. Nam antiqui Saxones et omnes Frisonum populi instante rege Karolo, ..., ad fidem Christi conversi sunt.

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norem glorie regni Europe.194 Aber weder in den karolingischen Annalen, in denen das Wort völlig fehlt, noch in anderen fränkischen Schriften wird diese Wendung aufgenommen. Auf eine allgemeine Vorstellung kann daraus nicht geschlossen werden. Der Begriff Europa war auch keineswegs mit dem Herrschaftsbereich Karls oder mit dem Bereich der Papstkirche identisch. In dem Brief der byzantinischen Kaiser Michael und Theophilus an Ludwig den Frommen von 824, in dem diese um dessen Unterstützung im neuaufgeflammten Streit um die Bilderverehrung bitten, schildern sie u. a. auch ihre Auseinandersetzungen mit dem Usurpator Thomas, der sich als der wahre noch lebende Konstatin VI. ausgab. Dieser habe zur Unterstützung Truppen aus Asien und Europa gehabt etiam de Asiae et Europae partibus, Thraciae, Macedoniae, Thessaloniae, et circumiacentibus Sclaviniis.195 Es sind damit Teile Europas unter byzantinischer Herrschaft bezeichnet. Die Bezeichnung Karls als pater europae ist nicht zeitgenössisch.

VI II . O rd o mu n d i a. Pluralität – Universalität Das Gesamtbild der Ordnung der Welt und damit auch der Zwischen-Mächte-Beziehungen ist, wie bereits eingangs des Kapitels bemerkt, in den zeitgenössischen Zeugnissen nicht als solches aufgezeichnet. Die Interpretation der besprochenen Äußerungen kann nicht völlig abschließend und eindeutig sein. Aber es läßt sich doch ein einheitliches Konzept rekonstruieren. Es ist aus verschiedenen Elementen zusammengesetzt. In politischer Hinsicht gibt es keine universale, sondern plurale Herrschaft. Die Könige stehen paritätisch nebeneinander, vor allem der fränkische und der byzantinische Herrscher. Sie alle haben ihre Herrschaft von Gott. Er ist der Herr aller regna terrarum. Aber die politische Pluralität wird gehalten und zur Einheit gebracht durch die Kirche, sancta Dei ecclesia einerseits und das christianum imperium andererseits, auch verschiedentlich als universale ecclesia bezeichnet. Eine Verengung der ecclesia auf die sancta Romana ecclesia als die ecclesia hat zu unserer Zeit im fränkischen Denken noch nicht stattgefunden, wenn auch den Päpsten und ihrer Kirche ein besonders hervorragender Rang eingeräumt wird. Das christianum imperium ist kein politisch-herrschaftliches Reich Karls, sondern eine zwar real-irdische, aber religiös-spirituelle Erscheinung. Aber die äußere wie auch die innere Verteidigung der Kirche, ihres Glaubens und seiner Wahrheit, Festigung, Förderung, auch durch Einwirken auf die praedicatores nach innen und die Ausbreitung des christianum imperium nach außen, vor allem durch Eingliederung der Heiden, ist Sache der Herrscher. So ist eine religiös-spirituelle begründete Vorstellung eines universalen ordo mundi gegeben. Aber diese ist keine unmittelbar politische Universalität einer Universalmonarchie.

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Cathuhlfus an Karl, MGH Epp. IV, S. 503, Z. 1. MGH Conc. II, 2, Nr. 44, S. 477, Z. 9 ff., dt. Anhang Nr. 4.

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Jedoch hat sie mittelbare politische Wirkung. Karl trug für diese religiös-kirchliche Universalität Auftrag und Verantwortung. Er übte sie immer wieder aus, besonders in den Auseinandersetzungen um die Bilderverehrung und um den Adoptianismus. So setzte er sein Herrschaftsamt auch bewußt ein, d. h. diese Fragen wurden zu politischen Fragen. Über die Kirche und den Glauben, das ist die Verchristlichung der Welt, wurde vor allem das zentrale Problem gelöst, das der Zerfall des römischen Reiches hinterlassen hatte: Die Einheit der Welt oder des Weltkreises. Der byzantinische politische Universalitätsanspruch war nicht nur reine Fiktion, mühsam durch zeremonielle Handlungen aufrechterhalten. Er war vor allem für die fränkischen Herrscher unannehmbar geworden. An die Stelle des herrschaftlichen imperium Romanum trat das spirituell-religiöse christianum imperium, so auch und gerade in der Liturgie. Waren ursprünglich der Bereich des Reiches und der Bereich der Kirche weithin deckungsgleich gewesen, so war diese Deckunsgleichheit mit der Spaltung des römischen Reiches und dem Zerfall des Westreiches zersplittert. Außerhalb des Römischen Reiches gab es am Anfang im Grunde kein Christentum, keine ecclesia, wenn auch tatsächlich eine solche u. a. in Armenien bestand. Auch das war nicht mehr. Die Kirche mußte sich bemühen, sich von der politischen Einheit zu lösen, um nicht in deren Zerfall mit hineingerissen zu werden. Das gelang zwar im großen und ganzen in unserer Epoche, aber nicht auf die Dauer. Der kirchliche Teilungsprozeß begann bereits im 9. Jahrhundert und endete 1054.

b. Universalität des Glaubens – Pluralität der Herrschaft Die Ordnung der Zwischen-Mächte-Beziehungen beruhte für Karl vor allem auf der Parität mit den byzantinischen Herrschern. Warum aber wurde eine kirchlich-dogmatische Frage zum Anlaß und Ansatz, diese Parität zu begründen, und warum wurde der Gleichrang theologisch und nicht politisch unter Bezug auf die Realität der Macht und des Herrschaftsbereichs begründet? Folgender Versuch einer rückblickend aber aus den Zeitauffassungen gewonnenen Erklärung bietet sich an.196 Er hat eine innere und eine äußere Dimension. Der richtige ordo der Welt war nicht weltlichen, sondern göttlichen Usprungs. Die Herrschaft Karls beruhte auf göttlichem Auftrag.197 Die Bewahrung der Reinheit des Glaubens war somit konstitutiv auch für deren Legitimität. Das fränkische Reich war selbst im von Gott ausgehenden ordo der Welt begründet. So wurde die Übereinstimmung mit dem universalen Glauben zum entscheidenden Kriterium für die ordo-Gemäßheit des fränkischen Reiches selbst. Wer daran rührte, rührte an den Fundamenten des Frankenreiches und der Herrschaft Karls. Die weltliche Machtstellung trug sich nicht selbst, sie mochte noch so groß sein. Aber weil sie tatsächlich so groß war, war die Sicherung ihrer Fundamente umso wichtiger. Diese Aufgabe aber konnte nicht anderen überlassen bleiben. Da die Fundamente jedoch nicht i. e.S. „fränkisch“, sondern universal waren und gerade dadurch für das fränkische Reich ihre eigentliche 196

197

Dazu auch die Ausführungen zur Bedeutung der Christlichkeit des Frankenreiches oben, S. 61ff. So die Libri Carolini selbst.

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Bedeutung hatten, mußte deren Universalität selbst gesichert werden. Es hätte nicht genügt, die Beschlüsse des Konzils Nicaea II nur für das fränkische Reich abzulehnen. Denn es wäre dann aus dieser Universalität herausgefallen. Es bedurfte einer Entscheidung, die selbst universale Wirkung beanspruchte. Mit anderen Worten, die Sicherung der Universalität des Glaubens war zugleich die Sicherung der Fundamente des Frankenreiches und der insofern partikularen Herrschaft Karls durch Sicherung des richtigen ordo. Man kann gegen diesen Versuch einer Erklärung einwenden, daß Karl einerseits sein Ziel nicht oder zumindest nicht voll erreicht habe, da Hadrian I. die Rücknahme seiner Billigung der VII. ökumenischen Konzils ablehnte, und er andererseits trotzdem mit den Päpsten die bestehenden Beziehungen aufrechterhalten und nach einem kurzen Zwischenspiel mit Byzanz die Bemühungen um einen geordneten Friedenszustand wieder aufgenommen habe. Karl war gewiß, nach modernen Begriffen, ein Realpolitiker und kein Ideologe. Aber das ist nicht entscheidend. Inhaltlich genügte es, die Position klar zu machen, vielleicht auch sich selbst gegenüber, gewiß aber gegenüber Papst und Kaiser. Realpolitisch war damit zugleich die Basis gekennzeichnet. Zumindest nach der Kaisererhebung arbeitete Karl auch realpolitisch zielstrebig auf die Gleichstellung mit Byzanz hin. Aber Karl betonte und mühte sich nicht nur um die Sicherung der Universalität des Glaubens und der Lehre. Er hob gleichzeitig die Unterscheidung der Welt in einen pars orientalis und einen pars occidua oder occidentalis hervor. Stand dies nicht zu diesen Mühen um Universalität im Gegensatz? Diese nicht näher begründete, sondern als Faktum von Anfang der Libri Carolini an als Ausgangspunkt festgehaltene Unterscheidung war zunächst Grund für seinen Anspruch auf Mitwirkung und Mitentscheidung in den universalen Angelegenheiten der Kirche. Aber gleichzeitig wurde damit die politische Pluralität als neues Element der richtigen Ordnung begründet und strategisch geltend gemacht. Die Veränderung der Welt durch den Zerfall des römischen Reiches war zwar schon lange eingetreten und hatte, wie dargetan, auch politische Form gefunden. Aber die kirchlichen Angelegenheiten schienen noch den letzten Hort einer auch horizontalen, politischen Universalität des ganzen alten Reiches zu bilden. Angesichts der Bedeutung derselben war das nicht irgendein unbedeutender Rest, sondern eine essentielle, tragende Grundflage. Der de facto nur oströmische Kaiser versuchte darin noch einmal, seinen bisher nicht aufgegebenen universalen Herrschaftsanspruch zu verwirklichen. Das war umso eher möglich, als der Papst dahin mitwirkte. Dieser hatte sich auch noch keineswegs ganz aus der Zugehörigkeit zum Reich gelöst. Indem Karl die genannte Unterscheidung der Pluralität der Reiche und der Einheit der einen Kirche machte und auf die Gleichheit in beiden Reiche in der einen Kirche pochte, löste er die Kirche und deren Universalität endgültig von der politischen Einheit ab. Universalität des Glaubens und der Kirche einerseits und Pluralität der politischen Herrschaftsordnungen wurden zu Elementen der neuen richtigen Ordnung der Welt. Denn jeder Herrscher hat seinen eigenen Auftrag von Gott. Hier wird der doppelte Sinn der Abweisung der Formel conregnante cum Deo, die Konstantin für sich in seinem Brief an Hadrian I. gebraucht hatte, deutlich. Theologisch begründet in der Einzigkeit Gottes evozierte sie die Pluralität der politischen Ordnung. Diese politische Dimension wurde für die ganze Welt verständlich mit der

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Annahme des Kaisertums durch Karl nur wenige Jahre später, mag diese auch 791/94 noch nicht intendiert gewesen sein. Dieses war als christliches Kaisertum auf die Bewahrung der Universalität des Glaubens angewiesen. Aber es war andererseits doch ein partikulares; denn Karl wollte, wie dargelegt, den byzantinischen Kaiser nicht verdrängen und seinerseits universaler Herrscher werden. Für die Beziehungen zwischen den Mächten und ihr Recht bedeutete dies die letzte Etappe der Herausbildung echter Pluralität nebeneinanderstehender Mächte. Mag sie auch erst 812 mit den griechischen laudes für Karl als Kaiser im Aachener Dom auch äußerlich geschlossen sein, so ist doch mit den Libri Carolini und der Frankfurter Synode der eigentliche Schritt vollzogen. Ob das in Byzanz bemerkt wurde, ist nicht festzustellen, aber auch nicht wahrscheinlich. Die Beziehungen waren schon seit der Lösung des Verlöbnisses zwischen Konstantin VI. und Karls Tochter Rothrud sehr gelockert. Immerhin kam es dann doch zu neuen Annäherungen um 796. Mochte Byzanz auch versuchen, seinen universellen Anspruch aufrecht zu erhalten, die Teilung in Ost und West blieb. Die Pluralität der einen Welt entwickelte sich sogar fort. Die Universalität des Glaubens und der Kirche bildeten eine notwendige Voraussetzung des außenpolitischen Handelns Karls in der politisch pluralen Welt. Deshalb gehören die Beziehungen zum Papsttum nicht nur in die Ordnung der kirchlichen, sondern auch in die der allgemeinen politischen Verhältnisse. Die Briefe an Offa, Nicephorus, Michael I. heben gerade die Einheit im Glauben, die Verbindung in und durch Jesus Christus hervor. Mit den Heiden und Ungläubigen gibt es zwar auch friedliche, geregelte Beziehungen, von Zeit zu Zeit jedenfalls. Aber sind sie verläßlich, verheißen sie Frieden, lassen sie die Entwicklung des Glaubens zu, gefährden sie diese nicht eher? Dazu ist es notwendig, inhaltliche Grundlagen der Ordnung der Zwischen-MächteBeziehungen, des ordo mundi zu analysieren, die durch Begriffe wie pax, concordia, caritas, unitas ausgedrückt werden. Darauf ist im nächsten Kapitel einzugehen.

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2. Ka p it e l: Pax I . Gr u n d l eg u n g en In dem ersten Satz seines Briefes an Offa von Mercien formuliert Karl der Große in einmaliger Klarheit und Bestimmtheit sein Verständnis des tragenden Prinzips der Ordnung der Welt, jedenfalls zwischen christlichen Herrschern.1 Zwar ist diese Äußerung in dieser Deutlichkeit singulär. Aber die Briefe Karls an Nicephorus und Michael I. und der Brief der oströmischen Kaiser Michael II. und Theophilus an Ludwig den Frommen lassen das gleiche Grundverständnis erkennen. Das konkrete politische Anliegen des Briefes war es, nach einer Zeit der Spannungen und inimicitias deren Knoten zu lösen und die unanimitas pacis wieder zu beleben, wieder auszufüllen. Pax gewinnt jedoch durch die Verknüpfung mit unanimitas, concordia, caritas eine umfassende, grundsätzliche Bedeutung, ist mehr als Abwesenheit von Krieg, den es zwischen Karl und Offa gar nicht gegeben hatte, zeigt seine inhaltliche, spirituelle Dimension. Diese spirituelle unanimitas pacis steht gleichzeitig in einer Verbindung durch Recht, die amicitiae iura und ein pactum antiquum. Pax und Rechtsverbindung gehören danach ebenfalls zusammen. Pax hat in unserer Epoche zwei Dimensionen. Sie ist einerseits, wie bereits ausführlich dargestellt, pax facta zwischen Herrschern, hergestellt durch ein pacis foedus, entweder nach einem Krieg auf Grund einer Bitte um Frieden, pacem petere, oder auch um einen bestehenden tatsächlichen Frieden rechtlich zu sichern oder auszugestalten.2 Zum anderen wird pax inhaltlich verbunden mit caritas, concordia, unitas oder unanimitas als normative Grundbestimmung der Ordnung der Gesellschaft, des Gesamtverbandes, der Gruppen, z. B. auf Synoden, in Klöstern, zwischen Bischöfen und Adeligen etc., und ebenso auch als allgemeiner Frieden in den Beziehungen der Herrscher untereinander. Der erste Begriff erfaßt die besonderen Beziehungen zwischen zwei Herrschern als solchen in eben dieser Eigenschaft. Da pacis foedera mit allen Herrschern abgeschlossen werden können, mit Christen wie mit Nicht-Christen, bezeichnet pax insoweit einen weltlichen, rechtlich geordneten Zustand. Der zweite Begriff ist christlich-religiös begründet und bestimmt ganz allgemein das Verhältnis von Christen als solchen zueinander. Beide Arten des Friedens hängen eng zusammen, liegen aber auf verschiedenen Ebenen der Dichte und der Inhalte. Der allgemein menschlichchristliche Frieden ist der christianitas immanent und bezieht sich allgemein auf die Gestaltung der Ordnung der Welt und die je konkreten Verhältnisse zwischen Christen untereinander und eben dadurch auch auf die Gestaltung der Beziehungen zwischen christlichen Herrschern. Aber auch er muß in concreto gewollt, hergestellt, be1

2

Zwar wurde er schon zitiert, bzw. mehrfach auf ihn verwiesen; er sei aber hier noch einmal in Erinnerung gerufen: Inter regales dignitates et sublimores saeculi personas foederate in unanimitate pacis amicitiae iura et sanctae caritatis concordiam ex intimo cordis affectu servare multis prodesse solet, Alcuini epp., Nr. 100, MGH Epp. IV, S. 145, Z. 4–6; dt. Anhang Nr. 1. Oben Teil III, 5. Kapitel, S. 415ff. und 7. Kapitel, S. 509ff.

Grundlegungen

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wahrt und immer erneut befestigt werden. Pax ist selbst auch ein normativer Begriff und seine Gewinnung und Bewahrung eine stetige Aufgabe für die Christen und dadurch auch für die Herrscher. Beide Formen des Friedens können sich miteinander verbinden, aber die zweite setzt die erste nicht notwendig voraus, ebensowenig die erste Form die zweite. Durch eine pax facta kann jedoch die allgemeine pax zwischen Christen normativ vertieft, gefüllt, konkretisiert werden. Im Folgenden ist diese christlich-religiöse Dimension der Friedens und ihre Bedeutung für den allgemeinen ordo, die Ordnung der Welt, und der Beziehungen zwischen den politischen Mächten eingehender zu behandeln. Sodann sind aber auch die Verknüpfungen beider Formen der pax zu klären. Eine gewisse Schwierigkeit ergibt sich daraus, daß sich die Aussagen zu pax, concordia, caritas, unanimitas, fides in den Quellen der Zeit, Kapitularien, Synodenbeschlüssen Briefen, Fürstenspiegeln in der Regel oder überwiegend auf die innere Ordnung des Reiches mit der Kirche als Kern beziehen und die Verhältnisse zwischen den politischen Mächten, weitgehend außer sich lassen. Da diese Begriffe jedoch auch wie in den genannten Briefen Karls auf diese angewendet wurden, wurde offenbar insofern kein Unterschied zwischen Innen und Außen gemacht. Denn die Herrscher waren als Christen in ihrem Verhältnis zu anderen Christen angesprochen, wenn auch in einem besonderen Amt bzw. mit besonderen Aufgaben. Der Unterschied bestand zwischen Christen und Nichtchristen. Daher können die allgemeinen Aussagen zu dieser christlich-religiösen Auffassung der pax zum Verständnis auch dieser und ähnlicher Äußerungen zur pax in den Zwischen-Mächte-Beziehungen herangezogen werden. Wie für andere Konzepte fehlt es auch für das Verständnis des Begriffes pax und der mit ihm in den karolingischen Quellen der Epoche in engem Zusammenhang stehenden Begriffe an zeitgenössischen theoretischen, grundsätzlichen Darlegungen oder Abhandlungen, wenn auch gewisse Ansätze vorhanden sind. Offenbar steht die Zeit auch insofern auf den Schultern der älteren Lehre der Kirchenlehrer der Antike und Spätantike, von Cyprian über Augustin bis Isidor von Sevilla. Die Aussagen der karolingischen Quellen benutzen diese Autoren unbefangen und selbstverständlich und schließen sich in ihren Formulierungen weitgehend an diese älteren Konzeptionen an. Wie verhält sich dieser Frieden zum Krieg, der zwar, wie bereits dargelegt, nicht ständig geführt wurde, aber doch ein durchaus übliches Mittel der fränkischen Politik gegenüber Christen und Nicht-Christen war? Aus dieser Fragestellung waren in der Antike Überlegungen über einen gerechten Krieg entstanden, vor allem bei Augustin, wenn dieser auch keine geschlossene „Lehre des bellum iustum“ entwickelt hat.3 In den Quellen unserer Epoche dazu finden sich keine unmittelbaren Hinweise zu diesem Konzept. Nicht einmal die Frage oder die Problematik des Krieges im Verhältnis zum christlichen Frieden und Friedensgebot wird angesprochen. Es können also nur

3

Haggenmacher, Grotius, S. 14 ff.; Berrouard, Art. Bellum, passim; Weissenberg, Friedenslehre, S. 146 ff.

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indirekte Hinweise der Quellen einen Einblick geben, ob und wie Krieg und Frieden in ein Verhältnis gesetzt wurden.4

I I. Pa x in der i n n er en O r d n u n g Die Aufforderung oder Verpflichtung an alle zur Herstellung und Bewahrung von pax, concordia, caritas, unanimitas findet sich sowohl in Kapitularien als auch in Beschlüssen und anderen Dokumenten von Synoden bzw. Konzilien. In Briefen an und Fürstenspiegeln für die Herrscher werden diese in besonderer Weise zur Herstellung und Wahrung des Friedens ermahnt.

a. Kapitularien Insbesondere die Admonitio generalis Karls des Großen von 789 und die Admonitio ad omnes regni ordines Ludwigs des Frommen von 823 drücken diese Aufgabe in grundlegender Weise aus. In c. 62 der Admonitio Karls heißt es ganz allgemein für alle, Ut pax sit et concordia et unianimitas cum omni populo christiano inter episcopos, abbates, comites, iudices et omnes ubique seu maioras seu minoras personas, quia nihil Deo sine pace placet nec munus sanctae oblat ad altare, sicut in evangelio ipso Domino praecipiente legimus.5 Zur Begründung werden verschiedene Schriftstellen zum Liebesgebot zitiert. C. 13 der Admonitio Ludwigs nimmt das allgemeine Friedensgebot auf Omnibus etiam generaliter dicimus, ut caritatem et pacem ad invicem habeatis.6 Der christlich-religiöse Charakter der Begriffe pax, concordia, caritas steht auch dort außer Zweifel. Das zeigt vor allem die ständige Bezugnahme auf die beiden Testamente.7 Caritas und pax bilden eine Einheit, erst in der caritas wird der Frieden konkret gelebt. Beide Formulierungen lassen den normativen Charakter nicht nur des Friedensgebotes, sondern auch des Friedens selbst klar erkennen. Er stellt Anforderungen an alle.

b. Synodenbeschlüsse Neben den Texten der Kapitularien stehen von gleicher, allgemeiner Bedeutung die Beschlüsse der Synoden bzw. Konzilien des fränkischen Reiches nicht nur nach innen für die Kirche, sondern für die gesamte grundsätzlich christlich-kirchlich getragene gesellschaftliche Ordnung, wie die Libri Carolini zeigen, selbst für die ZwischenMächte-Ordnung. Sie geben noch deutlicher als die Kapitularien die Grundlagen der

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5 6 7

Grundlegend zu Frieden in unserer Epoche Bonnaud Delamare, L’idée de paix à l’epoque carolingienne. MGH LL II, Capit. I, Nr. 22, S. 52, 58. MGH LL II, Capit. I, Nr. 149, S. 303, 305. Z. B. Levit. 19, 18; Matth. 5, 9; Joh. 13, 35, in Admonitio generalis, c. 62, MGH LL II, Capit. I, S. 58; so auch Schneider, Brüdergemeine, S. 93 ff.; Bonnaud Delamare, Idée, S. 178.

Pax in der inneren Ordnung

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politischen Ordnung an. Sie wenden sich mit ihren Ermahnungen an die Bischöfe und Äbte, an das das ganze christliche Volk und an die Herrscher. Zum Aufbau der einheitlichen fränkischen Kirchenorganisation nach außen wie nach innen gehörte wesentlich die Sicherung der inneren Zusammengehörigkeit und des Zusammenwirkens. Entscheidend waren dafür innerer Friede, Einheit und Einmütigkeit. So wurden die Begriffe pax, unanimitis, concordia, caritas und andere immer wieder beschworen. Ihren Grund haben sie im Glauben, in der Gnade des dreifaltigen Gottes, sie sind also religiös-christlich begründet. Papst Zacharias schreibt 748 an die Mitglieder einer Synode von 747 Gratias ago Deo patri omnipotenti et domino Iesu Christo, unico filio eius, et Spiritu sancto, qui vestra omnium corda inflammare dignatus est per diffusam a se gratiam, ut in unitate fidei et vinculo pacis ambuletis et sit splendor domini Dei nostri super vos, dilectissimi mihi, et abundans gratia pacis et caritatis, ut sitis unum corpus spiritalis matris vestrae, sanctae catholicae et apostolicae Dei aecclesiae.8 In der Gnade der pax und der caritas wird der eine geistliche, spirituelle Körper der Kirche begründet. Ein bayerisches Konzil im 5. Jahrzehnt des 8. Jahrhunderts nennt den Frieden heilig. Im Friedenskuß in der Kirche soll die friedliche Einheit sich zeigen: Ut communionem sanctae pacis in ecclesia facere non dedignentur et maiorem exinde usum habeant, ut in sanctae pacis osculo ostendant se unanimes in concordia pacis existere et mutuae caritatis in invicem vinculis conligati.9 Eine im Jahre 800 von Arno von Salzburg auf Anordnung Karls veranstaltete Synode verabschiedete ein Dekret, das die Einheit der Synodalen in Frieden an den Anfang stellt: Ideoque convenit supradictam congregationem sanctam domini Dei omnipotentis auxilio statuere in invicem indissolubili vinculo caritatis, ut unanimes uno ore honorificare Deum patrem in celis et concordiam pacis inter se perpetuo iure firmare, quod universo populo Christiano indesinenter conservare oportet.10 Pax und concordia oder die concordia pacis erscheinen hier nicht nur als ein moralischer Zustand der inneren Gesinnung, des guten Willens. Sie ist ein Zustand des Rechts, des ewigen Rechts, durch das sie erst wirklich hergestellt und befestigt wird. Da, wie Karl an Offa schreibt, concordia und pax auch die Grundlage der Beziehungen zwischen den christlichen Königen bilden soll, ließe sich die Vorstellung eines ewigen Rechts auch auf diese Beziehungen übertragen. Das würde bedeuten, daß für diese eine allgemeine, rechtlich-normative Grundlage besteht. Aber da jede Äußerung dazu fehlt und diese Formulierung selbst singulär ist, bleibt das eine rückblickende Überlegung, keine Gewißheit. Beschränken sich diese Stellen auf Mahnungen an die Teilnehmer der jeweiligen Synode, Bischöfe, Äbte und andere meliores, so hob das Konzil von Mainz 813, Teilkonzil der großen Reformkonzilien Karls, in c. 5 die Beachtung von Frieden und Eintracht für das christliche Volk selbst deutlich hervor: Ut pax et concordia sit atque unanimitas in populo Christiano, quia unum Deum patrem habemus in caelis et unam 8

9 10

Der Ort der Synode ist nicht bekannt, vgl. Hartmann, Synoden, S. 60f.; Zachariae papae epp., MGH Conc. II/I, Nr. 6, S. 49, Z. 8ff. Conc. Bai., MGH Conc. II/I, Nr. 7, S. 52, , c. 5, Z. 21ff. Conc. Risp., Fris., Sal., MGH LL III, Conc. II/I, Nr. 24, S. 207, c. 1, Z. 18ff.

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matrem ecclesiam, unam fidem, unum baptisma. Ideo in una pace et unanimitate concorditer vivere debemus, si ad unam et veram hereditatem regni caelestis cupimus pervenire, quia non est dissensionis Deus, sed pacis, (1. Cor. 14, 33), ut ipse ait: Beati pacifici, quoniam filii Dei vocabuntur (Matth. 5,9). Friede und Eintracht verlangen aber auch ein entsprechendes Handeln. In c. 6 heißt es: Propter istius itaque pacis concordiam conservandam placuit nobis de orphanis et pauperibus, qui debite vel indebite dicuntur amisisse hereditatem paterni vel materni iuris ad se legibus pertinentem, si alicubi inventi fuerint quos patres vel matres propter traditiones illorum. 11 Es zeigt sich, daß mit der pax des populus christianus nicht nur der spezifische kirchliche Friede gemeint ist, sondern der allgemeine Friede in der Gesellschaft, der Gemeinschaft, in jeder Dimension angesprochen ist. Wiederum gehört die konkrete Verwirklichung des positiven Rechts, hier des Rechts der Waisen auf ihr väterliches und mütterliches Erbe, dazu. Das Konzil von Paris 825 nimmt die Friedensthematik in seinem abschließenden consilium an Ludwig den Frommen auf. Es unterscheidet zwischen verae pacis concordia und einer ficta pax. Für die Kirche gilt: in vera pace foederari debuisset. Im Anschluß an 1. Cor. 13,3 heißt es: ideo praedictam sanctam Dei ecclesiam in verae pacis concordiam adunari totis viribus optamus, quia, quomodo sine illa caritatem mutuam habere possit, nullo modo intelligimus. Die Eintracht im wahren Frieden oder durch wahren Frieden ist also nur dort, wo auch die caritas, die Liebe ist. Allerdings bezieht sich auch diese Aussage zunächst nur auf die Kirche und wird dann ins Allgemeine gewendet. Potest enim fieri, ut aliquis cum altero ex parte vel fictam pacem temporaliter habeat: quomodo autem sine vera mutua pace habita cum altero veram possit habere caritatem, nullo docet auctoritas. Das Konzil hält unter Berufung auf Christi Wort Pacem meam relinquo vobis (Joh. 14,27) und auf die Weihnachtsbotschaft der Engel (Luc. 2.14) fest Cogita igitur tecum, o plebs et populus Dei, si ad perpetuam vis pervenire salutem, ut in hoc saeculo non fictam, sed veram habere mutuam studeas pacem.12 Das Volk Gottes als Ganzes wird aufgefordert, den wahren Frieden im Hinblick auf das ewige Heil schon hier auf Erden anzustreben. Auch die Träger der Herrschaft sind als solche in besonderer Weise Adressaten der Friedensmahnungen durch die Konzilien. Das Konzil von Paris 829, wiederum ein Teilkonzil neben drei anderen Konzilien, die für das gesamte Reich die Kirchenreform betrieben, beschäftigte sich in einem Liber secundus de regibus et principibus et generaliter de omnibus fidelibus im Hinblick auf die religio Christinana.13 Das erste Kapitel enthält Pflichten des Königs. Ausgehend von der seit Isidor von Sevilla immer wiederkehrenden Definition rex a recte agenda vocatur, wird ein Fürstenspiegel entwickelt, zu dem gehörten u. a. die Pflichten Ipse etiam salutiferis Christi praeceptis fideliter atque oboedienter obsecundet et recte agendo eos, quibus temporaliter imperat, in pace et concordia atque caritate ceterorumque bonorum operum exhibitione, quantum sibi divinitus datur, consistere faciat. Der König bzw. Kaiser wird in bezug auf seine Herrschaftsaufgabe, seine Herrscherpflichten im Reich überhaupt, nicht nur gegenüber der 11 12 13

Conc. Mog., MGH LL III, Conc. II/I, Nr. 36, S. 261, Z. 22ff., S. 262, Z. 1ff. Conc. Par. a. 825, MGH LL III, Conc. II/II, Nr. 44, S. 530, Z. 14ff., 27ff. Conc. Par. a. 829, MGH LL III, Conc. II/II, Nr. 50, S. 649, Z. 9ff.

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Kirche ermahnt. In ihm soll er pax, concordia, caritas wahren und festigen. Das Konzil macht den Zusammenhang von Pax und caritas in ausdrücklicher Weise deutlich: Verum si in nobis caritas non est, sed odium et invidia et avaritia et discordia et simulatio et luxuria et cetera mala regnant, quae ommia a christianitatis proposito abhorrent, mirum non est, si animadversiones divine nos interius exteriusque diversissimis modis feriant et impetum inimicorum adversum nos commoveant. Quapropter si pacis tempora quiete et tranquille ducere volumus, pacis et caritatis amatorem diligamus et timeamus eiusque preceptis humiliter colla submittamus.14 Dieser Satz hat eine konkrete politische Aussage zum Inhalt. Denn, wie Ganshof deutlich gemacht hat, hatte dieses Teilkonzil gemeinsam mit den anderen die politische Aufgabe, zur Überwindung der inneren wie äußeren Krise des Reiches beizutragen, die auch und gerade durch Gefährdungen der Grenzen durch Dänen, Araber und Sarazenen eingetreten war.15 Aber die Vorstellung der Zeit war, daß die religiöse Grundlegung des Friedens allein tragend ist. Bemerkenswert ist, daß der Appell sich nicht nur an den König, sondern alle richtet, die an der Ausübung der Herrschaft Anteil haben: qui palatinis honoribus fulciuntur, clerici sive laici. Noch einmal betonte das Konzil im zweiten Kapitel des zweiten Buches Regale ministerium specialiter est populum Dei gubernare et regere cum equitate et iustitia et, ut pacem et concordiam habeant, studere. Das Konzil beschwor aber auch: pax et concordia unanimitasque inter pastores ecclesiarum et gregem Christi. Denn Nisi enim caritatem et concordiam in invicem habuerint, Deum sicut oportet propitium habere non merebuntur. 16 Das Konzil von Aachen 836 wiederholte beides wörtlich.17 Die Stellen lassen sich vermehren. Die Formeln wechseln zwar, aber die Grundaussage ist immer dieselbe. Pax, caritas und concordia, auch mit unanimitas gehören zusammen. Pax verwirklicht sich in der caritas und stiftet concordia. Ihren Grund haben sie in den göttlichen Weisungen. Sie sollen in der Kirche wirksam werden, aber auch im Volke Gottes oder im christlichen populus allgemein.18 Sie herzustellen und zu wahren, ist Aufgabe des Königs, aber auch der Bischöfe und Hirten, sowie aller Träger von Herrschaft. Der König erfüllt diese Aufgabe durch die Wahrung des Rechts, den Schutz, die Verteidigung und Erhöhung der Kirche, die Sorge für die Armen, Witwen und Waisen, denen er Gerechtigkeit widerfahren lassen muß.19 Auch das sind Aufnahmen aus dem Alten Testament, in dem dieses immer wieder vom gerechten Herrscher eingefordert wird, deren Fehlen aber gerade auch zum Gericht führt, u. a. zum Exil nach Babylon.20 Pax, caritas und concordia sind Sache der guten Ordnung, die durch Recht, gerechte Verwaltung, die zentrale Aufgabe des Königs, Recht zu sprechen und 14 15

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Conc. Par. a. 829, MGH LL III, Conc. II/II, Nr. 50, S. 649, Z. 22ff., S. 656, Z. 18ff. Zur Situation des Reiches und der Funktion der Konzilien zur correctio und emendatio in dieser Krise u. a. Ganshof, Vorabend, S. 39ff., S. 47. Conc. Par. a. 829, MGH LL III, Conc. II/II, Nr. 50, S. 656, Z. 24, S. 651, Z. 34ff., S. 674, Z. 15ff. Decreta concilii Aquisgr., MGH LL III, Conc. II/II, Nr. 56, S. 716, Z. 1ff., S. 717, Z. 38ff. Schneider, Brüdergemeine, S. 95ff. Wiederum das Konzil von Paris 829, MGH LL III, Conc. II/II, Nr. 50, S. 652, Z. 3ff., Quapropter in throno regiminis positus est ad iudicia recta peragende ... Jer. 21, 1–10.

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so jedem Gerechtigkeit zuteil werden zu lassen, konkret sichtbar wird.21 Zwar ist pax eine Sache Gottes, wie die zahlreichen Verweise auf Stellen des neuen Testamentes zeigen. Aber die Menschen können Frieden auch in hoc saeculo verwirklichen. Das weist, wie zu zeigen sein wird, zurück auf Augustins Begriff der pax terrena.

I II . Pa x in d er k ar o l i n g i s ch en L i ter atu r a. Allgemeines Neben Briefen haben die Fürstenspiegel besondere Bedeutung für unsere Untersuchung. Sie entstanden am Ende des 8. und zu Beginn des 9. Jahrhunderts und wandten sich speziell an die Herrscher und hochgestellte Ministeriale.22 Von Geistlichen verfaßt, wollen sie die Weisungen des Alten und Neuen Testaments für die Ausübung der Herrschaft in ihrer Zeit sowohl im religiös-kirchlichen wie auch im weltlich-politischen Bereich wirksam werden lassen. Gerade in ihnen werden beide als eine Einheit in der Ordnung angesehen. Hinweise auf Fragen der Zwischen-Mächte-Beziehungen erscheinen nur am Rande, wie beim Kampf gegen die Heiden bzw. der Verteidigung der Kirche gegen die Heiden und deren Unterwerfung. Es geht den Autoren um pax, concordia, caritas und unanimitas in der inneren Ordnung des regnum und seiner Regierung. Dem Herrscher war vor allem sein Reich mit seinen Menschen anvertraut. Die innere Ordnung des Reiches war unmittelbar auf die Menschen bezogen, die im Reich lebten und ihr Heil wirken wollten. Ihr Wohl und Wehe hing von der Verwirklichung von caritas, concordia, Recht, der guten und gerechten Ordnung im Innern ab. Die Welt außerhalb hatte für diese allenfalls sekundäres Interesse. Die Außenbeziehungen hatten trotz der vielen Kriege und der Umstürze i. d. R. ebenfalls keinerlei Relevanz für die Autoren. Denn sie hatten rein praktisch keine Relevanz für das Leben im Reich und somit für die innere Ordnung, es sei denn man wurde unmittelbar in Kriege verwickelt. Dann bestand als interne Pflicht gegenüber den Untertanen, diese zu schützen und die Feinde zu vertreiben und gegebenenfalls, wie die Sachsen, zu unterwerfen. Auch für den Adel ging es um die Beute, nicht um allgemeine Politik, abgesehen vielleicht von dem Adel am Hofe. Nur wenige dachten über diesen Rahmen der Herrschaft hinaus. Aber gerade sie knüpften, wie Alcuin, nicht an die weltliche Herrschaft an, sondern an die religiös-christliche Einheit. Aber auch für die Autoren dieser Texte gilt, wie für die Kapitularien und Synodenbeschlüsse, an denen sie häufig selbst mitgewirkt haben, daß die religiös-christliche Herrscherlehre die christlichen Herrscher ganz allgemein anspricht, unabhängig ob sie nach innen oder nach außen ihre Herrschaftspflichten wahrnehmen und erfüllen, und sie daher ohne Unterscheidung von Innen und Außen Gültigkeit beanspruchen kann,

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Eine Unterscheidung von Recht und Gerechtigkeit im modernen Sinne, gar eine Gegensätzlichkeit, darf auf diese Zeit nicht zurückprojiziert werden. Die Gerechtigkeit verwirklicht sich im konkreten, dem einzelnen zugesprochenen Recht. Dazu vor allem Anton, Fürstenspiegel, S. 132, 355f.

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mochten die Autoren der Briefe oder Fürstenspiegel selbst das auch nicht so zum Ausdruck gebracht und deutlich gemacht haben.

b. Alcuin Wiederum steht Alcuin im Vordergrund des Interesses. Er hat in der großen Zahl seiner Briefe an führende Personen des kirchlichen wie des weltlichen Bereiches im Frankenreich wie in England und verschiedenen anderen Schriften die Thematik der pax in spirituell-religiöser Sicht aufgenommen. Auch von ihm wird dabei die Pflicht zur pax in ihrem Zusammenhang mit concordia, caritas und unitas herausgestellt. Diese Briefe sind häufig als litterae epistolae exhortatoriae gemeint, als Mahnbriefe, als Vorwegnahme von Fürstenspiegeln, aber auch als „Klerikerspiegel“.23 Getragen werden sie ausschließlich von religiösen Gründen, dem christlichen Glauben und Weisungen des Alten und vor allem des Neuen Testamentes. Alcuins nicht unerheblicher Einfluß auf die Denkweise Karls des Großen wurde bereits hervorgehoben. Da er auch nach England briefliche Beziehungen pflegte, dürften seine Vorstellungen auch dort Einfluß gehabt haben. Die Zeugnisse der Verwendung der Begriffe pax, concordia, caritas, unitas sind zahlreich. An König Aethelred von Nordumbrien schreibt er 793: Sit una pax et karitas inter vos, d. h. zwischen König, Fürsten, Bischöfen, und in einem weiteren Brief Suavitas sancti amoris saepius me cogit de antiqua ammonere amicitia, de animarum vestrarum salute et de fidei veritate et de pacis concordia, quam habere debetis inter vos.24 An eine Mönchsgemeinschaft heißt es: Vos vero, fratres sanctissimi, ... pacis et concordiae unanimitatem diligentissime observate, wobei er sich auf die Seligpreisungen der Friedfertigen in der Bergpredigt bezieht, quia deus Christus, deus est pacis et caritatis, et `qui in caritate manet, in Deo manet` (1. Joh. 4,16).25 In der Auseinandersetzung mit Felix von Urgel im Streit um den Adoptianismus schreibt er an diesen selbst, nunc in Christi caritate et catholicae pacis unitate ardentius amare audeo, optans illi aeternae beatitudinis gloriam, quae nullatenus cuilibet sine universalis ecclesiae pace et concordia evenire valet.26 Frieden und Eintracht in der Kirche gelten als Voraussetzung der Glückseligkeit in der Ewigkeit. Durch die Häresie wird diese caritatis unitas und damit auch die pax gebrochen. Darum bittet er Felix, der allgemeinen Lehre der Kirche zu folgen. Zur pacis concordia gehört auch für Alcuin als wesentliches Element die caritas. So ermahnt er Abt Arnold und seine Mönche: Ideo supplici deprecatione exortans fraternitatem vestram, ut in perfecta permaneatis fideliter caritate, et concordia pacis inter vos vigeat. Er lobt aber auch Eanbaldus, Erzbischof von Évreux: Tu illos (Freunde, Pilger etc.) ama quasi filios, ut sit una pax omnium et concordia in karitate Christi.27 23 24 25 26 27

Dazu u. a. Anton, Fürstenspiegel, S. 88ff. Alcuini epp., Nr. 16, MGH Epp. IV, S. 44, Z. 24f.; Nr. 18, S. 49, Z. 19ff. Alcuini epp., Nr. 19, MGH Epp. IV, S. 53f., Z. 32ff. Alcuini epp., Nr. 23, MGH Epp. IV, S. 60, Z. 27ff. Alcuini epp., Nr. 54, MGH Epp. IV, S. 98, Z. 7ff.; ähnlich an den Abt Radon, Nr. 74, S. 116, Z. 25ff.: Fiat equidem inter omnes concordissima pax et sanctissima caritas et devotio vitae

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Die Zeugnisse lassen sich bis in die letzten Briefe Alcuins fortsetzen. Im Jahre 804, also im Jahre seines Todes, schreibt er an die Murbacher Mönche: Pacem semper habete veram in caritate sancta.28 Er hatte vorher die Mönche um ihr Gebet für sich gebeten. Hier wird mit pax vera, die durch die caritas sancta bestimmt ist, eine Begriffsbildung verwendet, die auch in Konzilstexten auftaucht. Alcuin nimmt in seinen Briefen die allgemeinen Forderungen der Synoden nach der Verwirklichung der pax, concordia, caritas, unanimitas auf, setzt sie in persönliche Mahnungen um. In den letztgenannten Briefen ist immer von der pax in der Kirche oder in brüderlichen religiösen Gemeinschaften die Rede. Aber bereits in den Briefen an König Aethelred ist die pax zwischen diesem und den Fürsten gemeint. In einem Brief an Karl aus dem Jahre 802 wird die weltliche Dimension ausdrücklich mit einbezogen. Alcuin benennt die ausgedehnte Herrschaft des Imperiums als eine wichtige Voraussetzung für die Verwirklichung der sancta pax et perfecta caritas; quapropter universorum precibus fidelium optandum est, ut in omnem gloriam vestrum extendatur imperium; ut scilicet catholica fides, quae humanum genus sola vivificat, sola sanctificat, veraciter in una confessione cunctorum cordibus infigatur: quatenus summi regis donante pietate, eadem sanctae pacis et perfectae caritatis omnes ubique regat et custodiat unitas.29 Alcuin deutet in diesem Brief den eigentlichen, irdischen wie auch heilsgeschichtlichen Sinn der Ausdehnung des imperiums, d. h. der Herrschaft Karls. Über die Einheit im katholischen Glauben, der das Menschengeschlecht lebendig macht, werden der heilige Friede und die vollkommene Liebe Wirklichkeit. Das ist nicht auf ein himmlisches Reich, auch nicht auf das imperium christianum, sondern auf Karls irdische Herrschaft bezogen. Der Brief begleitete die Übergabe einer Schrift über die Dreifaltigkeit. Im Eingang preist Alcuin einerseits Karls potestas, andererseits seine sapientia. Beide gehören zusammen und befähigen den Kaiser, die Stolzen zu unterdrücken und die Niedrigen zu verteidigen, eine Anspielung auf das Magnificat, und die Untertanen zu leiten und in Frommheit zu lehren. Die zwei Schwerter tauchen hier zwar nicht im Begriff, aber im Inhalt wieder auf. Die beiden Gaben führen aber auch dazu, ut voluntaria subiectione ad vos veniant, quos prioribus bellicus labos temporibus sibi subduere non potuit. Das betrifft wohl heidnische Völker der Nachbarschaft, vielleicht auch die letzten Sachsen, die 803 endgültig unter fränkische Herrschaft gelangten. Nun geht es um die praedicatio catholicae fidei. Dafür ist auch die genannte Schrift bestimmt. So greifen die Gaben Karls, die Ausdehnung des Reiches, die Predigt des Glaubens und die Errichtung des heiligen Friedens ineinander. Das klingt zwar nach übertriebener Panegrynik, aber nicht aus Schmeichelei, sondern um des Endzieles des Friedens im Glauben willen. Enthalten Alcuins Briefe vor allem Mahnungen an die Adressaten, Frieden, caritas und concordia zu halten, so entwarf er im sechsten Kapitel seiner an den Grafen Wido gerichteten Schrift Liber de virtutibus et vitiis mit dem Titel De pace Ansätze einer

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regularis. Hier knüpft Alcuin an eine Formel an, die Augustin für den himmlischen Frieden benutzt hatte, siehe unten, S. 630; wollte er damit eine Parallele zwischen der Mönchsgemeinschaft und der civitas Dei ziehen?; Nr. 271, S. 430, Z. 4. Alcuini epp., Nr. 271, MGH Epp. IV., S. 429, 430, Z. 4. Alcuini epp., Nr. 257, MGH Epp. IV., S. 415, Z. 29ff.

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Theorie des Friedens.30 Alcuin unterschied somit zwei Frieden, den Frieden Gottes cum bonis et Dei praecepta servantibus custodienda est, non cum iniquis et sceleratis, und den des Teufels, der Gottesfeinde und Frevler qui pacem inter se habent in peccatis suis. Er bezeichnet die Ziele der beiden Frieden pax Christi, ad salutem proficit sempiternam, pax quae in diabolo est, ad perpetuam pervenit perditionem. Pax cum bonis, et bellum cum vitiis, semper habenda est. Pax vero, quae in nobis est, concordiam fratrum, et charitatem copulat proximorum. Der Friede ist danach gespalten für die Guten, die im Sinne Christi friedlich gesonnen sind, pacificus, und die Bösen, d. h. die Frevler. Damit knüpft er wohl an Augustins Friedenskonzeption an, der auch den Bösen den Wunsch zum Frieden untereinander zuspricht. Der Unterschied besteht nicht zwischen Christen und Heiden, sondern in Haltungen, Gesinnungen und Handlungen. Er setzt auch nicht etwa Heiden prinzipiell mit Gottesfeinden gleich. Auch Christen können wohl zu Frevlern werden. Es handelt sich somit wohl nicht um Realbeschreibungen, sondern um Idealtypen, um „Willenshaltungen“, ähnlich der Unterscheidung von civitas Dei und civitas diaboli bei Augustin. Alcuin fügt hinzu, man solle die Übel, mala, der Frevler hassen, nicht die Menschen, die die Übel tun, selbst, da sie Geschöpfe Gottes seien, quia creatura Dei sunt. Alcuin stimmt dann ein Preislied auf den wahren Frieden an, beginnend Pax vero, quae in nobis (oder bonis) est, concordiam fratrum, et charitatem copulat proximorum. Wenn es zwischen den Guten und den Frevlern keinen Frieden geben kann, so ist das die selbstverständliche Folge der strengen grundsätzlichen Unterscheidung. Das Gute würde seine Gutheit verlieren. Jedoch ist der Krieg gegen die Laster wohl nicht in erster Linie als militärischer Krieg im Wortsinn zu verstehen, sondern als der ständige Kampf gegen das Böse. Unter einer bestimmten Konstellation und Fortentwicklung der Argumentation kann aus dem Kampf auch echter Krieg werden. Aber noch ist es nicht soweit. Da Alcuins duale Friedenskonzeption nicht auf die reale irdische Gesellschaft und ihre Organisation bezogen ist, stellt sich die Frage nach einem konkreten irdischen Frieden, einer pax terrena, und seiner Form hier nicht. Ihm ging es in diesem liber wie in seinen Briefen um das Ideal des christlichen Friedens und die Ermahnung, sich auf diesen auszurichten und ihn anzustreben. So versteht Alcuin auch caritas, die er im dritten Kapitel des liber erörtert, ausgehend von verschiedenen Stellen des Neuen Testaments, ausdrücklich als eine christlich-religiöse Tugend. Sie gelte gegenüber jedem Christen, der zunächst als der Nächste angesprochen werde. Quia omnes in baptismo filii Dei sanctificamur, ut fratres simus spiritualiter in charitate perfecta.31 Da zu vermuten ist, daß Karls Brief an Offa von Alcuin wenn nicht formuliert, so doch wesentlich beeinflußt wurde, verblieben Alcuins Auffassungen zum christlichen Frieden nicht im Bereich der Theorie und der Ermahnungen, sondern prägten die Vorstellungen Karls und leiteten konkret dessen politisches Handeln zur Lösung des Knotens der Feindschaft mit Offa an. 30 31

Alcuin, De virtutibus, Migne PL 101, Sp. 614ff., Sp. 617. Alcuin, De virtutibus, Migne PL 101, Sp. 616, A.

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c. Smaragd von St. Mihiell Zwischen 800 und 814 entstand wohl für Ludwig den Frommen, damals noch König von Aquitanien und je nach Entstehungsdatum vielleicht auch schon Mitkaiser, ein Fürstenspiegel des Abtes Smaragd von St. Mihiel. Sein Titel lautet Via regia.32 Es ist dies ein bekannter, auch von Alcuin benutzter Begriff. Das siebzehnte Kapitel ist dem Frieden gewidmet: De pace. Aber es enthält keine näheren begrifflichen Bestimmungen: tantum est ut pacem sequatur, quia pacem quaerere debet, et sequi filius pacis.33 Smaragd bezieht sich auf verschiedene Schriftstellen. Gestiftet wird der Frieden letzten Endes durch Christus. Er habe uns bei seiner Himmelfahrt als seine Erben zurückgelassen: si autem Christi haeredes cupimus esse, in Christi pace debemus versari. Frieden wird hier also ganz religiös-christlich verstanden. Si filii Dei sumus, pacifice esse debemus. Der Mensch muß sich aber als friedliebender Mensch um den Frieden und seine Herstellung und Wahrung bemühen. Es blieb bei Smaragd im wesentlichen im „innerlichen“ Bereich. Die Mühe des Königs um Frieden, concordia und caritas wird hier nicht genannt. Auch fehlt die Mahnung zur Wahrung von pax, concordia, caritas. Insofern ist Smaragds Werk für die begriffsgeschichtliche Entwicklung nicht sehr ergiebig. Sie nimmt es mit Alcuins Darlegungen nicht auf. Aber er stellt alles unter die dilectio Dei et proximi, die er an den Anfang seiner Via regia stellt.34 Proximus ist jeder, auch der Feind, vorzüglich aber die Christen. Aber eine Verbindung zu pax wird auch hier nicht hergestellt.

d. Jonas von Orleans Hingegen ist der Fürstenspiegel De Institutione regia, den Jonas von Orleans, Nachfolger des Erzbischofs Theodulf, um 831 für den zweiten Sohn Ludwigs, Pippin, den König von Aquitanien verfaßte, ergiebiger.35 Diese Schrift steht in enger, ja wörtlicher Abhängigkeit vom Konzil von Paris im Jahre 829, das, wie dargelegt, in seinem zweiten Buch sich nachdrücklich auch an den König wendet. Jonas war wahrscheinlich selbst der Redaktor der Konzilsakten.36 Jedenfalls stellt er in seiner Schrift eher die allgemeine Auffassung des fränkischen Episkopats, jedenfalls des „Westens“, dar, die er dem König gegenüber, der mit den Brüdern im Jahr zuvor, 830, gegen den Vater revoltiert hatte, noch einmal deutlich und mit Nachdruck vor Augen führen wollte. Jonas knüpft für den Begriff rex an die Überlieferung seit Isidor an: Rex a recte regendo vocatur; si enim pie, et juste, et misericorditer regit, merito rex appellatur. Zum König gehört also die Gerechtigkeit begriffsnotwendig hinzu. Jonas zitiert hier das Konzil von Paris 829. Auch im folgenden gibt er wörtliche Auszüge aus dessen ersten 32

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Smaragd v. St. Mihiell, Via regia, c. 27, Migne PL 102, Sp. 931ff. Dazu Anton, Fürstenspiegel, S. 132ff. Smaragd, Via regia, c. 27, Sp. 957, C. Smaragd, Via regia, c. 1, Sp. 937, A. Jonas v. Orleans, De institutione regia, Sp. 279ff. Amelung, Leben, S. 40ff.; Manitius, Geschichte I, Nr. 51 (Jonas v. Orleans), S. 374–380; Delaruelle, Institutione Regia, S. 185–192; Anton, Fürstenspiegel, S. 198ff., Zeitpunkt nach Anton, Fürstenspiegel, S. 214.

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Kapitel des zweiten Buches wieder: ipse etiam saluteferis Christi praeceptis fideliter atque obedienter obsecundet, et recte agendo eos, quibus temporaliter imperat, in pace et concordia atque charitate, caeterorumque bonorum operum exhibitione, quantum sibi divinitus datur, consistere faciat ... 37 Voraussetzung oder notwendiges Mittel ist die Wahrung der Gerechtigkeit. Er beruft sich wie das Konzil von Paris auch auf Fulgentius und Isidor. Abschließend heißt es wiederum im zentralen dritten Kapitel: His ita praemissis, studendum est regi ut non solum in se, verum etiam in sibi subjectis regis nomen impleat, provideatque ut populus sibi subjectus, pietate, pace, charitate, justitia, et misericordia atque concordia et unanimitate, caeterisque bonis exuberet operibus.38 Jonas nimmt aber auch den Abschnitt des Konzils über die Bedeutung der caritas für die pax auf. Die Schrift trägt nichts Neues zum Thema pax, concordia und caritas bei. Sie bringt aber die herrschende Auffassung in einer Krisensituation gegenüber einem der Hauptbeteiligten noch einmal nachdrücklich und gezielt zum Ausdruck. Genutzt hat es nichts. 833 brach die Krise noch einmal und noch gravierender auf, und Pippin wandte sich erneut gegen den Vater. Sogar die Bemühungen Gregors IV. um Vermittlung scheiterten. Ein christlicher Friede war nicht herzustellen und der weltliche nicht zu bewahren. Aber für die Einsicht in die laufenden Vorstellungen der Zeit ist gerade das Festhalten des Bischofs von Orleans an den religiös geprägten Grundlagen des Friedens von Bedeutung.

e. Folgerungen Zwar hat sich keiner der Autoren ausdrücklich und unmittelbar zu Frieden in der Ordnung der Zwischen-Mächte-Beziehungen geäußert, aber die wenigen Hinweise auf diese vor allem in den Briefen Karls weisen für den Frieden in der christlichen Welt in dieselbe Richtung. Es scheint schwer vorstellbar, daß die Begriffe caritas, concordia, amicitia in der Anwendung auf Zwischen-Mächte-Beziehungen, wie in dem Brief Karls des Großen an Offa von Mercien, andere Inhalte hatten, eine andere Vorstellung ausdrücken wollten als in den Texten, die sich auf die inneren Verhältnisse beziehen. Unterschiede der pax-Begriffe werden, wo sie bestehen, im Text ausdrücklich formuliert. Die Personen, die als Schriftsteller tätig waren, waren weitgehend auch politisch Handelnde im Reich, auch nach außen. Gerade Alcuin ließ sich die Beziehungen zu den englischen Königen sehr angelegen sein und wirkte auf pax, concordia und caritas mit englischen Königen, Bischöfen und meliores hin. Alle Autoren stehen in demselben allgemeinen gesellschaftlichen wie sprachlichen Zusammenhang, gehören denselben Schichten an wie die Konzils- oder Synodenmitglieder und sind z. T. selbst solche. Der Sprachgebrauch ist einheitlich. Wenn also die Begriffe pax, concordia, unanimitas und caritas, zumal, wenn auch selten, in enger sprachlicher Verbindung in Texten zu Zwischen-Mächte-Beziehungen benutzt werden, dann kommt darin dieselbe Vorstellung für die interne Ordnung wie für die „externe Ordnung“ zum Ausdruck. Ob für diese Autoren ein Unterschied zwischen „Innen“ und „Außen“ in bezug auf den populus christianus besteht, unbeschadet der Trennung in rechtlich-politische Ordnun37 38

Jonas v. Orleans, De institutione regia, c. 3, Sp. 287, B–C. Jonas v. Orleans, De institutione regia, c., Sp. 290, C–D.

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gen der einzelnen Mächte, die nicht in Frage gestellt wird, ist letzten Endes nicht eindeutig zu beantworten, da sie sich zu diesem Bereich nicht äußern. Vieles aber spricht dafür, daß sie keinen fundamentalen Unterschied machen. Denn gerade die christliche pax-Vorstellung beruht auf der Einheit im Glauben und damit darauf, daß Gott selbst der Friede ist, seinen Frieden gegeben hat. Pax verwirklicht sich in einer einheitlichen Ordnung, nicht als weltlich-politische, sondern als christlich-religiöse und kirchliche. Deswegen wird gegen Häresien für die Einheit im Glauben auch gegenüber Byzanz gekämpft. Eine solche Einheitsvorstellung wird nicht formuliert, aber sie liegt dem Handeln und vor allem der Benutzung derselben Begriffe wohl zugrunde. Der Brief der griechischen Kaiser Michael II. und Theophilus an Ludwig den Frommen verwendet dieselbe Terminologie, bringt also dieselben Vorstellungen zum Ausdruck, wie sie im fränkischen Sprachgebrauch zugrunde liegen.39

I V. Tr ad i ti o n Die in den Kapitularien wie von den Autoren dargelegten Vorstellungen zur pax stehen in der antiken christlichen Tradition. Sie ist daher näher zu entfalten.

a. Cyprian Folgt man den einschlägigen Untersuchungen, so geht die Herkunft der karolingischen Terminologie bis auf Cyprian zurück, der als erster pax, concordia, caritas und unanimitas in engen begrifflichen Zusammenhang gebracht habe.40 Er bezieht diese Begriffe allerdings ausschließlich auf die Kirche, was nicht verwunderlich ist, da sich für ihn um 250 n. Chr. die Frage nach Staat und Gesellschaft, d. h. nach der politischen Einheit nicht stellte.41 Entscheidend ist jedoch, daß er den Begriffsapparat schuf, der in der Folgezeit zwar weiterhin vornehmlich für die Kirche und deren inneren Frieden, innere Eintracht, Einheit und caritas, als deren Fundament, aber eben auch für „Staat und Gesellschaft“ als Fundament des weltlichen Bereiches angewandt werden konnte. Charitas fraternitatis vinculum est, fundamentum pacis, tenacitas ac firmitas unitatis. Bei ihm entsteht auch der Begriff der caritatis foedera.42 Die grundlegende Beziehung zwischen der caritas als Grundlage der pax wird von Cyprian deutlich formuliert. Frieden setzt also Zuwendung voraus. Für caritas findet sich auch dilectio, was ebenfalls in der karolingischen Epoche vielfach gerade von den Päpsten im Verhältnis zu den fränkischen Herrschern gebraucht wurde.

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Unten S. 642; Anhang Nr. 4. Schneider, Brüdergemeine, S. 61ff., mit weiteren Verweisen auf das Schrifttum, S. 73ff. Allgemein sind die Friedensvorstellungen vor Augustinus allein auf die Kirche und auf das ewige Leben nach dem Tode bezogen. Fuchs, Augustin, S. 167ff., 205ff. Zitiert nach Fuchs, Augustin, S. 63.

Tradition

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b. Augustinus Maßgebend für das Denken des frühen Mittelalters wurden aber Augustins Vorstellungen zu pax. Sie finden sich vor allem im 19. Buch von De civitate Dei; aber Aussagen an anderen Stellen sind mit heranzuziehen.43 Sie haben Voraussetzungen in seinen allgemeinen philosophischen und theologischen Lehren, u. a. in der Soteriologie, der Anthropologie, der Gotteslehre i. e.S. Darauf ist hier jedoch nicht einzugehen.44 Die Darlegungen Augustins über den Frieden sind eingebettet in die Suche nach dem höchsten Gut und dem äußersten Übel. Diese Frage bezieht sich nicht in erster Linie auf die politische Einheit, sondern auf den Menschen als Person, wie auch in seinen Lebensverhältnissen, auch mit anderen und vor allem mit Gott. Die politische Einheit ist insofern relevant, als sie ein Teil dieser Lebensverhältnisse des Menschen ist, der von Natur aus zur societas und concordia mit anderen Menschen strebt.45 Augustinus will diese Suche auf der Grundlage der argumenta mortalium, ... non tantum auctoritate divina sed adhibita etiam ratione, qualem propter infideles possumus adhibere erörtern.46 Pax erweist sich dann als das gesuchte höchste Gut, allerdings die pax der vita aeterna in der civitas caelesta, also in der Anschauung Gottes.47 Diese ist auf Erden nicht zu haben. Aber es geht Augustin auch um die pax terrena. Diese ist nicht etwa die pax der civitas terrena oder diaboli, die, wie dargelegt, keine reale civitas ist, sondern eine Willenshaltung. Die pax terrena ist die reale pax auf Erden, Augustin nennt das in saeculo, also in der konkreten res publica, in der sich die beiden Willenshaltungen äußerlich in der realen historischen Erscheinung eines konkreten Herrschaftsverbandes, heute eines Staates, mischen.48 Diese ist daher nicht etwa ein tertium zwischen den beiden civitates. Denn die Mischung beider Willenshaltungen in der geschichtlichen Wirklichkeit der irdischen Verbände bildet keine eigene dritte Erscheinung der civitas zwischen ihnen, sondern ist ein vorübergehender, tatsächlicher Zustand in saeculo.49 So ist auch die pax terrena kein Zustand der reinen Glückseligkeit. Da Friede das höchste Gut ist, insofern er ewiges Leben ist, hat der wirkliche, endgültige Friede seine Wirklichkeit in der civitas Dei, als pax in vita aeterna vel vita aeterna in pace. Aber der Frieden ist ein so großes Gut, daß etiam in rebus terrenis adque mortalibus nihil gratius soleat audiri, nihil desiderabilius concupisci, nihil postremo possit melius inveniri. Der Frieden ist omnibus cara.50 Quod enim mecum quisquis 43

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49 50

Augustins De civitate Dei, ist wohl um 412–426 entstanden. Der Streit, ob und inwieweit Augustinus antike Vorlagen benutzt oder eine eigenständige Konzeption entwickelt habe, ist für den vorliegenden Zusammenhang unwichtig, da Augustins Konzeption auf das spätere Denken auch in der karolingischen Epoche als augustinische gewirkt hat. Fuchs, Augustinus, S. 3ff.; Laufs, Friedensgedanke, S. 97; dazu Weissenberg, Friedenslehre, S. 285 f. Ausführlich Weissenberg, Friedenslehre S. 44ff. De civitate Dei, lib. 19, c. 12, 2, S. 393, Z. 7ff.; Geerlings, Augustin, S. 196f. De civitate Dei, lib. 19, c. 1, S. 363, Z. 2ff. De civitate Dei, lib. 19, c. 11, S. 389, Z. 23ff. Zu dieser Weissenberg, Friedenslehre, S. 271ff. Wenn Augustin von konkreten Herrschaftsverbänden spricht, verwendet er u. a. diesen Begriff, Weissenberg, Friedenslehre, S. 269. Dazu Weissenberg, Friedenslehre, S. 267 ff. De civitate Dei, lib. 19, c. 11, S. 389, Z. 26ff.

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res humanas naturamque communem utcumque intuetur agnoscit, sicut nemo est qui gaudere nolit, ita nemo est qui pacem habere nolit. Es ist hier nicht notwendig, allen folgenden Beispielen der Begründungen und näheren Erläuterungen dieser Aussage im einzelnen nachzugehen. Selbst der, der einen Krieg beginnt, will im Grunde Frieden, nur einen anderen als den bestehenden, einen für sich besseren. Das Ziel des Krieges ist der Frieden.51 Diese Aussage steht in engem Zusammenhang mit Augustins Lehre vom gerechten Krieg. An dieser Stelle werden ausdrücklich die Zwischen-Mächte-Beziehungen mit einbezogen. Denn Krieg, jedenfalls der gerechte Krieg, findet zwischen Fürsten statt.52 Frieden ist inhaltlich für dieses allgemeine Streben nicht näher bestimmt. Für die Feststellung, daß Friede von allen erstrebt und gewollt wird, ist dies zunächst unerheblich. Das wird im Lauf der weiteren Darlegungen ganz deutlich, wenn Augustinus auch für die Mitglieder der Räuberbanden untereinander etc. Frieden reklamiert und für notwendig hält. Frieden ist also insoweit zunächst kein Zustand einer bestimmten Qualität, sondern Frieden meint: kein Krieg, keine Bedrohung, sondern nur Ruhe und Einheit.53 Aber Augustinus unterscheidet dann im weiteren iustam pacem Dei und die iniquam pacem suam des Menschen. Es gibt also verschiedene Arten von Frieden ... pacem iniquorum in pacis conparatione iustorum ille uidet nec pacem esse dicendam, qui nouit praeponere recta prauis et ordinata peruersis. Nur der Friede der Gerechten ist von näherem Interesse. Aber auch das Verkehrte, quod autem perversum est, müsse in sich und mit den Dingen, mit denen es in Zusammenhang steht, doch irgendwie in Frieden sein.54 Friedenswille, Frieden als Ziel gehört zur Natur des Menschen, die eine soziale quidam naturam ist. Durch die naturae suae legibus wird er gedrängt ad ineundam societatem pacemque cum hominibus, quantum in ipso est, omnibus obtinendam. Friede besteht in der Ruhe eines geordneten Zustandes, pax omnium rerum tranquillitas ordinis. Augustinus bringt Frieden und ordo in engen Zusammenhang. Die Einhaltung der angemessenen, richtigen eingegebenen Ordnung ist generell und überall die Wirklichkeit des Friedens: Ordo est parium dispariumque rerum sua cuique loca tribuens dispositio. Den Friede der Menschen untereinander, pax hominum, allgemein bestimmt Augustinus als pax ordinata concordia. Zu diesen Friedenszuständen zwischen den Menschen gehört neben dem Frieden in den Familien der Friede im Herrschaftsverband, pax civitatis ordinata imperandi adque oboediendi concordia civium und pax caelestis civitatis ordinatissima et concordissima societas fruendi Deo et invicem in Deo.55 Civitas ist offenbar die konkrete irdische respublica oder das corpus permixtum, 51 52

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De civitate Dei, lib. 19, c. 12, S. 390, Z. 8ff. Bellum geritur, ut pax adquiratur; Augustinus, Epp. 189 ad Boutf., c. 6, in: CSEL 57, S. 135, Z. 10. Laufs, Friedensgedanke, S. 3ff., spricht insofern von „gespaltenem Streben nach Frieden“ der boni und der mali, die zwar beide „Frieden“ wollen, für die Frieden aber jeweils doch sehr unterschiedliche Inhalte hat. De civitate Dei, lib. 19, c. 12, S. 393, Z. 19ff. De civitate Dei, lib. 19, c. 13, S. 395, S. 393, Z. 7ff., S. 395, Z. 12ff. Laufs hat auch an anderen Stellen des augustinischen Werkes diesen engen Zusammenhang des Strebens nach pax und concordia dargetan, Friedensgedanke, S. 4ff.

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in dem Glaubende und Nichtglaubende, Angehörige der civitas Dei und Angehörige der civitas diaboli oder terrena zusammenleben, deren Frieden, pax terrena, durch geordnetes Befehlen und Gehorchen zur Eintracht führt. Der irdische Frieden beruht auf den Erkenntnissen der vernunftbegabten Seele, sed quia homini rationalis anima inest, totum hoc, quod habet commune cum bestiis, subdit paci animae rationalis, ut mente aliquid contempletur et secundum hoc aliquid agat, ut sit ordinata cognitionis actionisque consensio, quam pacem rationalis animae dixeramus. Der Glaubende erhält zudem göttliche Unterweisung, damit er sich wegen der Schwachheit des Geistes nicht irre, der er in Freiheit gehorchen kann. Et quoniam, quamdiu est in isto mortali corpore, peregrinatur a Domino: ambulat per fidem, non per speciem; ac per hoc omnem pacem vel corporis vel animae vel simul corporis et animae refert ad illam pacem, quae homini mortali est cum immortali Deo, ut ei sit ordinata in fide sub aeterna lege oboedientia. Iam vero quia duo praecipua praecepta, hoc est dilectionem Dei et dilectionem proximi, docet magister Deus, in quibus tria invenit homo quae diligat, Deum, se ipsum et proximum. Die fortwirkende Verknüpfung von pax, concordia und dilectio, welchen Begriff Augustinus wie schon Cyprian an Stelle von caritas gebraucht, kommt an dieser Stelle eindeutig zum Ausdruck. Auch hier ist der irdische Frieden gemeint, zu dem der Gläubige auf diese Weise in seiner besonderen Weise beiträgt, ac per hoc erit pacatus, quantum in ipso est, omni homini pace hominum, id est ordinata concordia, cuius hic ordo est, primum ut nulli noceat, deinde ut etiam prosit cui potuerit. 56 Es versteht sich, daß je mehr Gläubige die irdische Ordnung tragen und bestimmen, je christlicher das Reich wird, desto christlicher auch die pax terrena bestimmt wird, wenn sie sich auch nie endgültig zur pax caelesta entwickeln kann, selbst wenn alle Bürger gleichzeitig auch zum pilgernden Teil der civitas caelesta gehören sollten, was i. ü. zu Augustins Zeiten noch lange nicht der Fall war. Aber es entfaltet sich die Aufgabe der Herrscher, nach christlich-religiösen Grundsätzen die Herrschaft zu üben und die dilectio oder caritas ins Zentrum der Friedensordnung zu rücken, wozu sie immer wieder ermahnt werden. Augustinus selbst hatte das Bild des geschichtlichen Herrschaftsverbandes, der den christlichen praecepta folgt, als Idealbild vorgestellt et terras uitae praesentis ornaret sua felicitate res publica et uitae aeternae culmen beatissime regnatura conscenderet.57 Der Glaubende setzt so den irdischen Frieden immer in Beziehung zum erstrebten himmlischen, endgültigen Frieden. Hanc pacem (den himmlischen), dum peregrinatur in fide, habet adque ex hac fide iuste vivit, cum ad illam pacem adipiscendam refert, quidquid bonarum actionum gerit erga Deum et proximum, quoniam vita civitatis utique socialis est.58 So erbringt er dem Gemeinwesen aus seinem Glauben einen wichtigen Dienst zur Friedenswahrung. Diese dilectio proximi ist der spezifisch christliche Beitrag zum Frieden, und zwar zur konkreten irdischen pax terrena. Nach Laufs begründet das sich auf alle Menschen erstreckende Gebot diligere proximum noch keinen pax schaffenden ordo, sondern dies könne nur eine solche dilectio, die auch die Unterstützung der Gottesliebe bei anderen umfasse. Das aber sei bei den 56 57 58

De civitate Dei, lib. 19, c. 14, S. 398, Z. 17, Z. 24ff., S. 399, Z. 8ff. De civitate Dei, lib. 2, c. 19, S. 86, Z. 18ff. De civitate Dei, lib. 19, c. 17, S. 405, Z. 3ff., a. E.

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cives der civitas terrena nicht möglich, so daß mit ihnen doch kein Frieden möglich sei.59 Kapitel 14 zwingt nicht zu dieser Deutung; denn es ist ausdrücklich auf die allgemeine pax hominum, id est ordinata concordia verwiesen; das ist aber die concordia in der konkreten irdischen, gemischten Ordnung, in der die Glaubenden neben den Nicht-Glaubenden mitpilgern.60 Augustin nennt auch in der nicht-christlichen Ethik allgemein anerkannte menschliche Verhaltensweisen dieser Ordnung der Eintracht, niemandem zu schaden und nützlich zu sein, soweit einem dies möglich ist. Wenn Laufs daher zu dem Schluß kommt, die pax hominum sei nur möglich zwischen cives der civitates Dei, weil nur sie einander bei der Gottesliebe auf dem Weg zu Gott beistehen und damit den ordo bewahren, in dem ihre concordia und ihre pax begründet ist, so übersieht er die Unterscheidungen, die Augustinus macht, und gerade auch das Plädoyer für die Positivität der pax terrena auch für die Glaubenden in Kapitel 17.61 In diesem Kapitel erörtert Augustin die für die mit Angehörigen beider civitates gemischte irdische res publica zentrale Frage unde caelestis societas cum terrena civitate pacem habeat et unde discordiam. Es geht um den Frieden in diesem saeculum. Kann es zwischen diesen überhaupt Frieden geben? Die Frage wird von Augustin zwar mit Blick auf den inneren Frieden behandelt, hat aber auch im Hinblick auf den Frieden zwischen christlichen und nichtchristlichen Herrschern, Völkern, Herrschaftsverbänden grundlegende Bedeutung. Das Verständnis ist insofern erschwert, als Augustin offenbar den Begriff civitas terrena in zweifachem Sinnen verwendet, zum einen in dem Sinne der civitas diaboli, also als eine Willenshaltung, zum anderen aber auch als die konkrete geschichtliche irdische civitas, so wenn er vom Frieden in der civitas terrena sagt: Ita etiam terrena civitas, quae non vivit, ex fide, terrenam pacem appetit in eoque defigit imperandi oboediendique concordiam civium, ut sit eis de rebus ad mortalem vitam pertinentibus humanarum quaedam compositio voluntatem. Zwar werden die beiden Frieden deutlich unterschieden, die pax terrena wird auch pax Babylonis genannt.62 Aber auch die auf der Erde pilgernden Teile der civitas caelestis, die Gläubigen, bedürfen, solange sie auf Erden leben und ihre sterblichen Bedürfnisse, einschließlich Ordnung, Ruhe, Eintracht erfüllen wollen, dieser pax terrena. Sie nutzen diesen Frieden, wenn dieser die irdischen, sterblichen Dinge und Bedürfnisse nur gut regelt und vor allem die freie Ausübung der, notabene christlichen, Religion nicht behindert.63 Allerdings ist diese pax terrena oder Babylonis nur eine pax temporalis.64 Sie kann nicht endgültig, keine pax vera et plena, sein, da sie nicht der vollkommene himmliche Frieden ist. Aber sie ist offenbar für alle Menschen immer sichtbar, auch für die Gläubigen, für die sie zudem Voraussetzung ist, zur pax caelesta unterwegs sein, sich nach ihr ausstrecken zu können.65 Insofern besteht also zwischen Glaubenden und Nichtglaubenden, cives der civitas caelesta und cives der civitas terrena, 59 60 61 62 63 64 65

Laufs, Friedensgedanke, S. 98ff. De civitate Dei, lib. 19, c. 14, S. 390, Z. 10. Laufs, Friedensgedanke, S. 99f. De civitate Dei, lib. 19, c. 26, S. 420, Z. 7. De civitate Dei, lib. 19, c. 17, S. 404, Z. 19ff. De civitate Dei, lib. 19, c. 26, S. 421, Z. 16. De civitate Dei, lib. 19, c. 17, S. 404, Z. 24f.: adque adpetit eamque terrenam pacem refert ad caelestem pacem, quae vere ita pax est.

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neben denen die Glaubenden pilgern, ein gemeinsamer Friede der konkreten irdischen res publica. Diesem Frieden und den Gesetzen des irdischen Herrschaftsverbandes schließen sich auch die Bürger der civitas caelestis, quae in hac mortalitate peregrinatur, an, weil sie das regeln, was für das irdische Leben bedeutsam ist und, so ist zu schließen, so den Frieden zwischen allen herstellen und sichern. Insofern besteht concordia im Irdischen. Die himmlische civitas und die irdische res publica unterschieden sich aber in bezug auf die Religion. In dieser galt die Vielgötterei, die alle Erscheinungen einem je eigenen Gott zuordnete. Die himmlische civitas unum Deum solum coelendum nossit. Ihre Bürger kommen aus allen Völkern, unabhängig von den Unterschieden der Sprachen, der Sitten, des Rechts, der Institutionen, wodurch der irdische Friede aufrechterhalten wird. Da der himmliche Friede Willenshaltung ist, gilt für ihn nihil eorum (dieser Unterschiede) rescindens vel destruens, immo etiam servans et sequens, quod licet Dei versus colendus docetur, non impedit in diversis nationibus, ad unum tamen eundemque finem terrenae pacis intenditur, si religionem, qua unus sumus et verus Deus colendus docetur, non impedit. Augustin betont ausdrücklich Utitur ergo etiam caelestis civitas in hac sua peregrinatione pace terrena et de rebus ad mortalem hominum naturam pertinentibus humanorum voluntatum compositionem, quantum salva pietate ac religione conceditur. Soweit es die Ordnung und Sicherung der irdischen Dinge angeht, ist also Frieden, und damit eine ordinata concordia zwischen den Bürgern beider civitates in der konkreten irdischen res publica möglich und auch gut. Aber die Religionsfrage muß im Sinne einer christlichen Religionsausübung unbehindert sein. Denn insofern besteht keine Übereinstimmung zwischen den Bürgern der beiden civitates. Fehlt es daran, dann ist auch kein Friede möglich. An späterer Stelle im Kapitel 26 macht Augustin zudem deutlich, daß den Bürgern der civitas caelestis deswegen an der pax terrena gelegen sei, quamdiu permixtae sunt ambae civitates, utimur et nos pace Babylonis. Er zitiert die Aufforderung des Jeremias an die nach Babylon verschleppten Juden, auch für dieses zu beten, „denn ihr Friede, ist Euer Friede“, und fügt hinzu utique interim temporalis, qui bonis malisque communis est.66 Die res publica wird durch einen noch so großen Anteil von Bürgern der civitas caelesta nicht zur civitas caelesta, und ihre pax terrena wird nicht zur pax caelesta. Diese sind erst wirklich im jenseitigen Leben verwirklicht, d. h. im Schauen Gottes.67 Auch der Friede der Glaubenden auf Erden ist unvollkommen und mehr Trost als Glückseligkeit. Denn ihre Gerechtigkeit ist nicht groß genug, sondern immer der Sünde ausgesetzt. Frieden kann auch für Christen nur im Kampf mit den Leidenschaften einigermaßen errungen werden; er ist ständig gefährdet, und es bedarf des Gebets um Gnade, um Hilfe und um Verzeihung.68 In der christlich geprägten und durchdrunge-

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De civitate Dei, lib. 19, c. 26. Auch in Kapitel 27 bezeichnet Augustin den irdischen Frieden als einen beiden Gruppen gemeinsamen Frieden. Jerem. 29, 7. De civitate Dei, lib. 19, c. 20, S. 407, Z. 15ff. De civitate Dei, lib. 19, c. 27, S. 422, Z. 6ff.; dazu auch Fuchs, Augustin, S. 48ff., mit Zitaten aus anderen Werken. Es geht um den ewigen, wahren Frieden, der dem Menschen versagt ist, nicht um die pax temporalis.

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nen respublica gehört das zur Aufgabe aller, einschließlich des Herrschers und besonders der Kirche, ihrer Bischöfe bis hin zum Papst. Somit liegen bei Augustinus alle Elemente des christlichen Friedensbegriffs auch für die politische Einheit vor: pax – concordia – dilectio/caritas. Pax entsteht für Augustinus offenbar aus dem inneren, naturgemäßen, von der Vernunft gesteuerten Streben, das eine demgemäße Haltung und ein entsprechendes Verhalten gegenüber anderen Menschen gebietet, letzten Endes durch die Unterwerfung und den Gehorsam gegenüber Gottes Geboten. Das Recht ist jedoch insofern bedeutsam, als zur Verwirklichung des Friedens die Wahrung der iustitia notwendig ist, der den Frieden erstrebende Mensch iustus sein muß. Die Beziehung der pax terrena zur pax caelesta ist hier nicht näher zu erörtern. Zum einen ist der irdische Friede „nichts als jämmerliches Elend“, denn er ist ungewiß, wandelbar, unbeständig, stets gefährdet. Das saeculum, in dem er seine Wirklichkeit hat, ist von der Sünde geprägt. Zum anderen aber weist die pax terrena auf den himmlischen, endgültigen und vollkommenen Frieden voraus. Denn er ist auch ein natürliches Gut und ist selbst gut und schön, wenn auch in unvollkommener Weise. Darin verweist der irdische Friede auf die vollkommene Schönheit des ewigen Friedens.69 Zudem ermöglicht er die Zuwendung zu und die Hinführung der Menschen und der Welt auf Gott und den ewigen Frieden. Die Bedeutung der Friedenslehre Augustins für die Ordnung der Beziehungen zwischen den Herrschern, Völkern, Mächten erschließt sich nur mittelbar. Denn es findet sich im 19. Buch außer dem Hinweis auf Frieden als Ziel des Krieges keine ausdrückliche Erörterung des Friedens zwischen den Völkern, obwohl Augustinus seine Abhandlung in einer konkreten geschichtlichen Situation der wachsenden äußeren Bedrohung und Friedlosigkeit des römischen Reiches schrieb. Es wurde vor allem im Norden und Westen zunehmend von den Germanen bedroht, die weite Gebiete zu besetzen begannen. Sogar Rom war von Alarich erobert und zerstört worden. Der Bestand des Reiches war höchst gefährdet. Auch ist ihm die Verschiedenheit der Nationen und ihrer Einrichtungen bewußt, also wohl auch das Bestehen anderer konkreter Herrschaftseinheiten neben dem Römischen Reich. Aber noch hielt er an der Einheit dieses Reiches fest. Jedoch sind seine Positionen zum Frieden inhaltlich so grundsätzlich und allgemein, daß sie auf die Ordnung der Beziehungen zwischen den christlichen Mächten übertragbar sind und, wie oben gezeigt, von Späteren auf diese übertragen wurden. Wie aber verhält es sich mit dem Frieden zwischen christlichen und nicht-christlichen, heidnischen Herrschern, Völkern, Mächten? Hielt Augustinus Frieden mit den germanischen Völkern außerhalb des Reiches für nicht möglich? Die Germanen waren einerseits zu seiner Zeit noch durchwegs Heiden und andererseits noch nicht zur Errichtung eigener stabiler, organisierter und institutionalisierter dauerhafter Herrschaftsverbände außerhalb des Reiches auf bestimmten Territorien gelangt. Es war noch alles in Bewegung. Eine pax terrena communis mit ihnen müßte für die irdischen Dinge und deren Ordnung aber nach Augustins Darlegungen prinzipiell ebenso als möglich gedacht werden, wie zwischen den Bürgern der beiden civitates in der res 69

Weissenberg, Friedenslehre, S. 277ff. insbes. S. 287ff.

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publica, jedenfalls dann, wenn ihre Stabilität und Dauerhaftigkeit einigermaßen gesichert war. Ein Rückblick auf Alcuins Überlegung zu den beiden Frieden läßt deutliche Unterscheidungen erkennen. Für Alcuin gibt es zwei theoretisch-idealiter streng getrennte, nicht vereinbare gegensätzliche Formen des Friedens, den an Christus orientierten der Guten und den am Teufel orientierten der Frevler. Der konkrete, gelebte irdische Friede hat darin keinen Ort. Alcuin begnügt sich mit den Mahnungen, den christlichen Frieden der Guten in der gegenwärtigen Welt und ihrer Ordnung anzustreben und dafür zu kämpfen. Die Frage, ob das letztlich wirklich zu erreichen ist, bleibt offen. Augustins Unterscheidung der pax caelesta und der pax terrena ist die zwischen dem erhofften, weil verheißenen Ideal der zukünftigen Welt und der gelebten Realität der hiesigen konkreten geschichtlichen Welt. Ihr Friede ist zwar stigmatisiert, aber er sichert dem Gläubigen die Möglichkeit, zu leben und den ewigen Frieden zu erstreben, der jedoch nur in der civitas caelestis, nicht in saeculo zu erreichen ist. In beidem erweist Augustin sich hier als ein großer Realist.

c. Isidor von Sevilla Nach Augustinus hatte Isidor von Sevilla nicht unerheblichen Einfluß auf das Denken der karolingischen Zeit. Er folgt nicht der augustinischen Einteilung der pax terrena und pax caelesta, die i. ü. auch Gregor der Große in abgewandelter Form vertreten hat.70 Er unterscheidet vielmehr die pax, die durch ein foedus hergestellt wird, und die pax, die in der concordia begründet ist. Die pax durch foedus im Rahmen des römisch-rechtlichen ius gentium, die sich auf die Zwischen-Mächte-Beziehungen bezieht, wurde bereits erörtert.71 Da die nunmehr dauerhaft etablierten germanischen Herrschaftsverbände untereinander sowie mit den oströmischen Kaisern immer wieder Krieg führten, war der Frieden zwischen den Mächten für Isidor, der selbst nicht mehr Angehöriger des Reiches, sondern Bischof des westgotischen regnum war, ein drängendes Problem. Die rechtliche Begründung des Friedens durch Übereinkunft im Rahmen des von Isidor für lange Zeit zum letzten Mal im Anschluß an die Überlieferung der römisch-rechtlichen Vorgaben umfassend definierten, säkularen ius gentium mochte ihm als ein effizienter Anknüpfungspunkt für die notwendige rechtliche Friedenssicherung zwischen den Herrschaftsverbänden erscheinen, die inzwischen auf dem Boden des alten römischen Reiches entstanden waren. Aber Isidor stellte sich mit der zweiten Kategorie der pax auch in die religiös-christliche Tradition. Zwei Stellen machen dies deutlich. In den Synonyma de lamentatione animae peccatricis fordert Isidor die Seele zur Friedensliebe auf: Pacem ama, pacem dilige, pacem cum omnibus retine, omnes in mansuetudine et charitate amplectere; proba te amplius amare quam ipse amaris; non sis in pace infidus, non sis levis in amicitia. Wie bei Augustinus wird hier die amicitia mit der Friedensliebe verknüpft. Retine semper vinculum constantiae, odientes ad pacem invita, discordantes ad concordiam 70 71

Dazu Bonnaud-Delamare, Idée, S. 59ff. Oben S. 432ff.

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revoca, dissidentium corda pace concilia, habeto placabilitatem mentis ...72 Die Herstellung und Bewahrung des Friedens, der Freundschaft und der Eintracht wird hier der Seele vorgestellt, nicht durch Vereinbarung, sondern aus der Zuwendung zu den anderen, aus der Liebe des Friedens heraus, als anima pacifica oder homo pacificus. Im Liber de numeris findet sich eine längere Abhandlung De pace et discordia.73 Discordia multum timenda, et omni Christiano valde fugienda. Dann zählt er alles Böse und Zerstörende auf, das aus der Zwietracht hervorgeht: Nihil aliud est discordia, nisi separatio pacis, et disruptio unitatis etc. Die pax hingegen verbindet Gott mit den Menschen und diese mit Gott: Pax vero non sic agit, quia Deum homini et hominem Deo proximum facit; ideo pax vera tenenda est, et omnibus Christianis corde et corpore conservanda est. Das Lob des Friedens ist lang. Er vollbringt große Wunder: facit de filiis diaboli filios Dei, et de inimicis amicos, de adversariis fratres, de extraneis propinquos, de alienis domesticos ... Nihil aliud est pax, nisi domus Dei; sic enim ipse Deus dixit discipulis suis: Pacem meam do vobis, pacem relinquo vobis. Quid aliud pax, nisi propinquitas Dei, gratia Dei, et conjunctio Dei ... . Isidor beschreibt jedoch nicht die pax caelesta, sondern den Frieden zwischen Christen auf Erden, auch wenn der Friede als domus Dei bezeichnet wird. Denn er wendet sich auch hier an die Christen in dieser Welt, wie bereits in dem Text der Synonyma. Zu diesem Frieden gehören wiederum concordia und caritas – perfectio caritatis. Der Begriff des ordo wird jedoch nicht aufgenommen. Bestehen zwischen den beiden Begriffen des Friedens Verbindungen oder Verknüpfungen? Auf den ersten Blick ist das nicht der Fall. Ihre Funktionen wie Begründungen sind jeweils ganz andere. Concordia, caritas und unanimitas haben im Frieden durch foedus keine Bedeutung. Dieser ist kein religiös-christlicher, sondern ein politisch-rechtlicher Friede. Isidor scheidet die beiden Sphären also deutlich. Augustinus hatte zwar als Ziel des Krieges den Frieden bezeichnet, jedoch zu seinem Zustandekommen nichts gesagt. Isidor gibt als Mittel, Frieden herzustellen, das foedus, pactum an: foedus namque pacem praevenit. Nam posterius pax accipitur, prius foedus initur heißt es in den Differentiae.74 Bonnaud-Delamare hat jedoch auf einen „Vermittler“ zwischen beiden Friedensbegriffen, den Herrscher, hingewiesen. Bereits Cassiodor habe die königliche Aufgabe betont, Frieden zu bewahren.75 Isidor leitet den Begriff rex a recte agendo ab. Zum recte agere gehört die Achtung der pietas und der iustitia.76 In der karolingischen Epoche wird, wie dargelegt, diese Aufgabe des Königs, den christlich-religiösen Frieden herzustellen und zu sichern, sowohl in den offiziellen Texten, Kapitularien und Synodenbeschlüssen als auch in der Literatur immer wieder betont. Man kann die Auffassung vertreten, daß es nach Isidor zu den Aufgaben des Herrschers gehört, auch den Frieden nach außen um der christlich-religiösen pax willen herzustellen, indem er Krieg durch foedus beendet und so beide Friedensformen

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Isidor, Synonyma, lib. II, c. 38. Isidor, De numeris, c. 11f. Isidor, Differentiarum, lib. 1, 243. Bonnaud Delamare, Idée, S. 54f. Isidor, Sententiarum, lib. III, c. 48, 7; Ethymologiarum, lib. IX, c. 3, 5.

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miteinander verknüpft. Jedoch gilt das nur zwischen christlichen Herrschern. Mit nichtchristlichen Herrschern bleibt allein die pax durch foedus, also durch Recht.

d. Fazit Auch in anderen Texten finden sich, wie Schneider gezeigt hat, immer wiederkehrende Formeln, die pax in engen Zusammenhang mit concordia und/oder caritas stellen.77 Sie werden von Gregor dem Großen in Synoden-Texten, von König Guntram in einem Edikt des Jahres 585 und von verschiedenen anderen Autoren verwendet, darunter auch von Columban. Der Begriff caritas behält selbstverständlich in diesen Verbindungen seine christliche Bedeutung bei. Das wird in der ständigen Berufung auf die entsprechenden Schriftstellen deutlich. Der Satz bei Johannes, caritas est Deus, ist insofern grundlegend für das Verständnis.78 Es ist daher mißverständlich, wenn Schneider meint, daß sich auch ein „profaner“ Charakter von caritas anzudeuten beginne.79 Der Begriff bezieht sich nicht mehr nur auf ein religiös-kirchliches Verhältnis, sondern auch auf ein „weltliches“, aber dieses soll gerade nach religiös-christlichen Grundsätzen der christlichen caritas gestaltet werden. Es gibt also eine durchgehende Tradition der Begriffsbildung pax – concordia – caritas/dilectio von der frühen christlichen Theologie bis in die karolingische Epoche hinein. Deren Begrifflichkeit wird eindeutig von dieser Tradition getragen. War sie ursprünglich nur auf die Kirche bezogen, so wandelte sie sich mit Augustinus zur Anwendung auf die politische Ordnung. Da wird sie notwendig aber eher Forderung, ideale Vorstellung und Erwartung als Realität. Eine endgültige Wirklichkeit kann die pax erst in der civitas caelesta erreichen. Aber hier bleibt das Streben, die Aufforderung zu immer neuem Kampf. Die karolingische Reichsidee nimmt gerade dies auf, wie die Ermahungen in den Kapitularien, Synodenbeschlüssen, Briefen Alcuins, Äußerungen in Fürstenspiegeln u. a. zeigen, bis hin zur Gestaltung von Zwischen-Mächte-Beziehungen.

V. Pa x u n d Iu sti ti a a. Grundlegung Pax ist in den Vorstellungen der Zeit nicht nur mit caritas, concordia und unanimitas, sondern ebenso eng und notwendig mit iustitia verbunden. Auch dies gilt zunächst für den inneren Frieden des Herrschaftsverbandes. In der Admonitio Karls folgt auf die Mahnung cap. 62, daß alle Frieden und Eintracht untereinander halten sollen, in cap. 63 die Ermahnung an die Richter, gerecht zu richten. Noch deutlicher ist die Formulierung in cap. 2 der Admonitio Ludwigs, in dem die zentralen Aufgaben oder Zwecke 77 78 79

Schneider, Brüdergemeine, S. 68ff. Joh. I, 16. Schneider, Brüdergemeine, S. 69, ausgerechnet in bezug auf ein Fürbittgebet im Sacramentarium Gelasianum.

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der Verwaltung des regnum genannt werden, id est ut defensio et exaltatio vel honor sanctae Dei ecclesiae et servorum illius congruus maneat, et pax et iustitia in omni generalitate populi nostri conservetur. Friede verlangt die Übung der Gerechtigkeit, d. h. der gerechten Rechtsprechung. Indem Recht gesprochen wird, wird nicht nur der Friede gewahrt, sondern vor allem dem Gebot Gottes Folge geleistet. Aber auch für die Gestaltung friedlicher Beziehungen zu anderen Herrschern, Völkern, Mächten gehört dies zu den Grundbedingungen. Aistulf wird von Pippin aufgefordert, gegenüber dem Papst iustitias facere, das Recht wieder herzustellen. Es sei auch an das Lobgedicht Carolus magnus et leo papa erinnert, in dem es über Karl heißt: Ipse sedet solio Karolus rex iustus in alto / Dans leges patriis, et regni foedera firmat.80 Die Gerechtigkeit gehört zur Ordnung auch zwischen den Herrschern, die sie auch nach außen durch die Verträge mit anderen Herrschern herstellen. Er spiegelt damit auch den Frieden durch foedus Isidors wider. Der Zusammenklang von pax und iustitia ist in den christlichen Grundlagen der Ordnung verankert und findet sich im Alten wie im Neuen Testament.81

b. Kapitularien In einem Kapitular Karls des Großen aus dem Jahre 810 heißt es: De pace et iustitia intra patriam, sicut saepe per alia capitula iussi ad impletum fiat.82 Aus dieser Formulierung läßt sich schliessen, daß dieser Zusammenhang in der Vorstellung der Zeit selbstverständlich war. In einem anderen Kapitular aus demselben Zeitraum wird festgestellt, Karl imperator...magnus et pacificus .. habe, capitula ista in palatio Aquis gegeben ut uniusquisque fidelis iustitias ita faceret.83 Konkret bedeutet das, daß die Kirche, die Wiwen und Waisen, aber auch die Gespanne unter dem Königsfrieden stehen sollen. In beiden Fällen ist ein rechtlicher Schutzfrieden gemeint, nicht der religiös-christliche Frieden der Gemeinschaft. Auch Ludwig der Fromme bezeichnet in seiner admonitio ad omnes regni ordines die Wahrung von pax et iustitia als eine zentrale Aufgabe für ihn selbst wie für seine Getreuen: tria specialiter capitula et a nobis et a vobis Deo opem ferente, in huius regni administratione specialiter conserventur: id est ut defensio et exaltatio vel honor sanctae Dei ecclesiae et servorum illius congruus maneat et pax et iustitia in omni generaliter populi nostri conservetur.84 In demselben Kapitular werden die Grafen ermahnt ut memores sitis fidei nobis promissae et in parte ministerii nostri vobis commissi, in pace scilicet et iustitia facienda, und sich nicht durch Geschenke, Freundschaft, noch von Gerüchten oder Furcht, noch Zuneigung vom rechten Weg abbringen zu lassen.85 Es sei

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Beumann, Paderborner Epos 1, S. 90, Z. 449f. Ps. 85, Vs. 11 „Es begegnen einander Liebe und Treue/Gerechtigkeit und Friede küssen sich.“ Cap. Miss. Aquis. primum, MGH LL II, Capit. I, Nr. 64, c. 10, S. 153. Cap. Aquis. (801–813), MGH LL II, Capit. II/1, Nr. 170, Einl., S. 170. MGH LL II, Capit. I, Nr. 150, c. 2, S. 303, Z. 25f. ibid., c. 8, S. 304, Z. 28f.; auch c. 15, Z. 26f. quae ad pacem et iustitiam totius populi pertinent.

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jedoch daran erinnert, daß in demselben Kapitular alle ermahnt werden, gegenseitig caritatem und pacem einzuhalten. Pax durch iustitia und pax durch caritas gehören gemeinsam zur guten Ordnung des Reiches. Da der Herrscher für pax im umfassenden Sinne zu sorgen hat, machen beide sich ergänzende, wohl auch bedingende Inhalte seiner Herrschaft als bonus rex und seines recte regere und gubernare aus. Diese von Gott gegebene königliche Aufgabe hielten bereits die merowingischen Könige fest. So heißt es in dem erwähnten Edikt Gunthrams, daß es Gott wohlgefällig sei, Gerechtigkeit und Recht zu wahren. Per hoc supernae maiestatis auctorem, cuius universa reguntur imperio, placari credimus, si in populo nostra iustitiae iura servamus86. Daher sollen auch in seinem Reich pacis et concordiae iura Fortschritte machen (proficiant)87. Der Zusammenhang von pax und concordia ist also nicht nur religiöser, sondern auch rechtlicher Art.

c. Synodalbeschlüsse Das tritt auch in der bereits erwähnten relatio der Pariser Synode von 829 hervor. Regale namque ministerium specialiter est, populum Dei gubernare et regere cum equitate et iustitia et, ut pacem et concordiam habeant, studere.88 In der umfangreichen Akte der Synode wird das im Kap. 2 des 2. Buches ausführlicher, mit einer Fülle von Zitaten belegt dargestellt. Nur die Wahrung des Rechts, d. h., der iustitia oder der aequitas iudicii kann das regnum sichern und festigen89. In bezug auf eine kleinere Gemeinschaft, die Salzburger Synode von 800 wird in ähnlicher Weise die Funktion des Rechts in bezug auf die concordia pacis in einem Synodenbeschluß formuliert: et ideoque convenit supradictam congregrationem sanctam domini Dei omnipotentes auxilio statuere in invicem indissolubili vinculo caritatis, ut unanimes uno ore honorificare Deum patrem in celis concordiam pacis inter se perpetuo iure firmare,...90 Durch Recht, hier wohl das Kirchenrecht, wird die concordia pacis begründet. Concordia ist zwar letztlich eine spirituelle Eintracht, aber doch nicht nur eine solche des Herzens, sondern durch Recht zusammengefügt und zusammengehalten. Es handelt sich in diesen Äußerungen ganz offenbar um konkrete Verhältnisse, um konkreten Frieden zwischen den Gliedern bzw. Personen im Reich, aber auch in einer kleineren, partikularen Gemeinschaft. Recht ist für diese konkrete pax ein Strukturelement, stellt Frieden allererst als dauerhaften Zustand her. Die vorliegenden Zeugnisse sind zahlenmäßig gering. Zwar kann das auch an der Überlieferung der Texte liegen. Es kann jedoch festgehalten werden, daß alle drei karolingischen Herrscher unserer Epoche die Sicherung der iustitia, die Entwicklung der Rechtsprechung, aber auch die Fortentwicklung des Rechts einschließlich der Volksrechte vorangetrieben haben. Das war eines ihrer zentralen Anliegen. Die wenn auch 86 87 88 89 90

Gunthramini Regis Edictum v. 585, MGH LL II, Capit. I, Nr. 5, S. 11, Z. 9ff. ibid., S. 12, Z. 9. MGH LL II, Capit. II/1 Nr. 196, S. 47, Z. 19f. MGH LL III. Conc. II/2 Nr. 50, lib. II (58), c. IV S. 654, Z. 31ff. Con. Respacense, Frisigense, Salisburgense 800, MGH LL III, Conc., II/1 Nr. 24, c. 1, S. 207.

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wenigen Hinweise in den amtlichen Texten auf den engen Zusammenhang von pax und iustitia, aber auch pacis iura können daher als Wiedergabe allgemeiner Vorstellungen angesehen werden. Aber, wie bereits betont, beziehen sich diese und ähnliche Aussagen in den Kapitularien und den Synodalbeschlüssen wiederum nur auf die Ordnung des inneren Bereichs des Reiches oder engerer Gemeinschaften. Die allgemeine rechtliche Ordnung der „auswärigen Beziehungen“ war nicht Gegenstand der generellen Regelungen auf den Reichsversammlungen gleich welcher Art. Sie tauchten dort, folgt man den Quellen, nur als konkrete Fälle eines Krieges, eines Bündnisses, eines Vertrages oder des Empfangs einer Gesandtschaft auf.

d. Schrifttum Diese Beschränkung auf den innerfränkischen Bereich gilt auch für die fränkischen literarischen Quellen. Zwar nimmt auch dort die Wahrung des Rechts als Pflicht des Herrschers einen zentralen Platz ein. Er hat die iustitia, Gerechtigkeit, zu verwirklichen und Rechtsprechung zu sichern, vor allem gegenüber Witwen, Waisen, Armen, Unterdrückten. Ihnen soll er ihr Recht schaffen. Diese Ausrichtung auf Sicherung der Gerechtigkeit durch Rechtsprechung war jedoch grundsätzlich nicht auf die Beziehungen zwischen den Herrschern und Mächten zu übertragen, da es für diese niemanden gab, der eine Rechtsprechung hätte ausüben können. Eine derartige Vorstellung gab es nicht einmal in Ansätzen. Smaragd fordert unter Berufung auf Jeremias den König auf, die Gerechtigkeit zu lieben. Dilige ergo iustitiam, rex, si vis perpetum frui vita, si vis honorari in perpetuo ab ea. Ähnlich heißt für die Rechtsprechung Si vis ergo, o rex, ut thronus tuus a Domino firmetur, non cesses justificare pauperum et pupillum, non cesses subverire viduae et oppresso.91 Ein Zusammenhang mit der konkreten öffentlichen pax und concordia des Reiches wird jedoch nicht hergestellt. Smaragd gibt eine aus der Schrift, u. a. auch durch Bezugnahme auf König David, begründete königliche Tugendlehre. Auch Sedulus ordnet die Übung der Gerechtigkeit dem rex iustus als Tugend zu Octava (columna), aequitas judicii inter divites et pauperes.92 Zwar beschäftigt sich Sedulus in seiner Schrift mehrfach mit Krieg und Frieden. In der Aufzählung der Tugenden des Königs im 2. Kapitel heißt es: in bello cautissimus, in pace constantissimus, fidelibus promissionibus probatissimus.93 Er stellt die Frage: Forte aut armorum violentia fortidudine, aut pacifica tranquilitatis concordia terrestre regnum stabilatur?94 Seine Antwort ist, daß Krieg und Vertrauen auf die Waffen zu Instabilität für das regnum führten, weil der Sieg ungewiß sei. Aber er verbleibt in seinen Mahnungen zum Frieden weitgehend auf der religiösen und der moralischen Ebene und betritt nicht die des Rechts. Frieden und Sieg ruhen in der Hand Gottes. Ihm sei daher Verehrung zuzuwenden und sein Erbarmen für pax, tranquilitas, stabilitas und auch concordia des 91 92 93 94

Via Regia, Sp. 948 B, Sp. 949 B. De rect. christ. c. X, Sp. 308 C. C. II, Sp. 296 B. C. III, Sp. 297 B.

Übergreifendes Friedenskonzept?

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regnum zu erbitten.95 Dies sind seine häufiger wiederkehrende Leitbegriffe. Iustitia erscheint nur am Rande und ebenfalls nur im Rückgriff auf Gott; weil der Herr, Dominus, gerecht und barmherzig, iustus et misericors, sei, übe auch der König Werke der Barmherzigkeit und, fügt er hinzu, iustitiam diligat simul atque custodiat.96 Das ist keine praktisch rechtlich orientierte Friedenslehre für die Beziehungen zwischen den Herrschern, Völkern, Mächten. So bleibt als einziges literarisches Zeugnis das bereits mehrfach zitierte Lobgedicht Carolus magnus et leo papa, in dem der Autor Karl als den gerechten König in seinem Handeln sowohl nach Innen wie nach Außen preist.97 Zwar wird der Frieden als solcher nicht erwähnt. Aber die Gerechtigkeit gehört zur Ordnung auch zwischen den Herrschern, Völkern und Mächten und begründet, wie dargelegt, die pax. Der gerechte König verwirklicht sie durch die foedera, insofern auch sie Recht aufrichten und festigen. Leges und foedera erscheinen als zwei Instrumente des iustus rex. Das Gedicht ordnet die foedera so in die eigentliche Aufgabe des Königs ein. Denn nur der iustus rex ist wirklich rex und nicht tyrannus. Er muß daher, so könnte man diese Stelle deuten, auch nach außen Gerechtigkeit, d. h. aber konkret Recht, durch die foedera herstellen, wenn er seinem Auftrag gerecht werden will. Oder anders formuliert, die innere wie die äußere Ordnung des Reiches muß durch Recht bestimmt sein. Dem Verfasser ist aber deutlich, daß letzteres dem König nicht durch Gesetzgebung, sondern nur durch foedera, durch Verträge, also durch Übereinkunft mit den anderen, möglich ist. Diese Stelle darf als Zeugnis einer allgemeineren Vorstellung verstanden werden, wie die vielfältige, in den Berichten der Annalen und anderen Quellen geschilderte Praxis der durch foedus gemachten Frieden, einer pax facta, ergibt.

VI . Üb e rg re if en d es F r i ed en s k o n z ep t? Die genannten Zeugnisse beschäftigen sich zwar nicht mit den Beziehungen zu anderen Mächten. Der populus christianus ist zunächst der populus des Reiches. Da Karl in den Formulierungen des Eingangssatzes seines Briefes an Offa jedoch dieselben Begriffe ausdrücklich für die Beziehungen zwischen christlichen Königen verwendet, dehnt er die Grundüberzeugung, daß der religös-christliche Friede Grundlage und Aufgabe jeder christlichen Beziehung und Gemeinschaft ist, auf die Ordnung dieser Beziehungen aus. Es gälte vincula caritatis connectere. Er lobte daher besonders die Treue des Königs von Mercien zum katholischen Glauben, die in dessen Briefen an Karl zum Ausdruck komme, primo gratias agimus omnipotenti Deo de catholice fidei sinceritate, quam in vestris laudabiliter invenimus paginis exaratam.98 Sie ermöglicht diesen christlichen Frieden.

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C. III, Sp. 297 B; c. XV, Sp. 318 A; c. XVI Sp. 325 A; c. XVII, Sp. 324 A/B. C. III, Sp. 298 A. Zitat oben S. 638. Alcuini epp., Nr. 100, MGH Epp. IV, S. 145, Z. 6ff., S. 145, Z. 12f.; dt. Anhang 1.

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In seinem Brief an Michael I., mit dem er den Aachener Vertragstext übersandte, pries Karl der Große dominum Iesum Christum verum deum nostrum et gratias illi iuxta virium possibilitatem et intelligentiae nostrae quantitatem ex toto corde referimus, qui nos ineffabili dono benignitatis suae in tantum divites effiscere dignatus est, ut in diebus nostris diu quaesitam et semper desideratam pacem inter orientale atque occidentale imperium stabilire. Wenn auch die Begriffe caritas und concordia hier nicht verwendet werden, so wird doch deutlich, daß der Friede Christus zu verdanken ist, also im letzten tragenden Grunde ein christlich-religiöser Friede ist. Daher bezieht Karl diesen in der Fortsetzung auch ausdrücklich auf die über den ganzen Erdkreis verbreitete heilige katholische Kirche.99 Die religiöse Grundlegung des Friedens im gemeinsamen Glauben wird auch von byzantinischer Seite bezeugt. Das genannte Konzil von Paris 825 befaßte sich u. a. noch einmal mit der Bilderfrage. Das war neben der Bestätigung des Friedens und der amicitia nach dem Herrschaftswechsel der eigentliche Zweck des Briefes der oströmischen, griechischen Kaiser Michael und Theophilus an Ludwig den Frommen und der Entsendung von Legaten. Sie wollten dessen Unterstützung für ihren Standpunkt gegen die Bilderverehrung erbitten. Aber zunächst bestätigen und bekräftigen sie: priorem pacem et amicitiam inter vos et nos constitutam, deprecantes mediatorem eiusdem pacis Dominum, qui dixit: Pacem meam do vobis, pacem meam relinquo vobis, eandem pacem et caritatem splendidiorem et robustiorem facere et ostendere temporibus et potestatibus praeteritis, quoniam et nos sic tenemus et speramus, quod et vestra gloriosissima potestas ita consentiat sicut et nostra. Caritas enim et pax utramque potestatem secundum dominicam vocem potest et servatrices mandatorum eius efficere.100 Die Begriffe pax, amicitia und caritas sind dieselben wie in den fränkischen Quellen.101 Auch die oströmischen Kaiser gingen offenbar für die Beziehungen zum Frankenreich von diesen Grundlagen aus. Zwar fehlen concordia oder unanimitas. Aber das ist im Hinblick auf die Nennung der amicitia ohne wesentliche Bedeutung. Auch sie begründete pax, concordia und caritas religiös. Denn ihr Grund ist auch hier Gott, der als Mediator des Friedens bezeichnet wird. Zwar ging das Pariser Konzil in seinem Schlußvotum an Ludwig nicht auf die Dimension der Zwischen-Mächte-Beziehungen selbst ein, aber bereits die Beteiligung der byzantinischen Gesandten zeigt, daß diese religiöse Einheit und die darin begründete pax mit ihren inhaltlichen Elementen der concordia und caritas anerkannt und gelebt wurde, indem sie auch das Anliegen der griechischen Kaiser mit aufnahm. Die Formulierungen lassen ein allgemeingültiges, die Innere- und die ZwischenMächte-Ordnung übergreifendes, in der christlichen caritas gegründetes Konzept des Friedens erkennen, der sich in der concordia erfüllt.

99 100 101

Epp. var. Car., Nr. 37, MGH Epp. IV, S. 555, 556, Z.5. Conc. Par. a. 825, MGH Conc. II/II 2, Nr. 44, S. 478, Z. 27ff.; dt. Anhang Nr. 4. Der Brief ist offenbar nur in lateinischer Sprache überliefert. Ob er ursprünglich in griechischer Sprache verfaßt war und welche Begriffe darin verwendet wurden, läßt sich nicht feststellen.

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VI I. Pa x u n d b el l u m a. Grundlegung Die Erörterung der Darstellungen der konkreten Kriege der drei karolingischen Herrscher in den Quellen hat gezeigt, daß diese die allgemeine Vorstellung widerspiegeln, daß Kriege einer normativen Ordnung unterliegen.102 Sie müssen gerechtfertigt werden, und sei es auch nur dadurch, daß die Gegner allgemein und unspezifisch als rebelles und infideles, als rechtsbrüchig gegenüber den Herrschern und den Franken bezeichnet wurden. Zum anderen haben dem Kriegsbeginn in der Regel Bemühungen um friedliche Streitbeilegung voraufzugehen. Krieg war trotz der hohen Kriegstätigkeit aller drei Herrscher nicht das normale Mittel der Auseinandersetzung zwischen Mächten, sondern bedurfte der Rechtfertigung und war möglichst durch friedliche Ausgleiche zu vermeiden.. Frieden hatte in der Praxis der Lösung der konkreten Konflikte zwischen den Mächten den ersten Platz. Jedoch stand das allgemeine Recht der Mächte, Kriege zu führen, theologisch wie rechtlich offenbar außer Zweifel. Das zeigen einerseits die Versprechen der Päpste in ihren Briefen an die fränkischen Herrscher für ihren Sieg über die Feinde, die nationes barbaras, zu beten und andererseits die Feststellung Hadrians I. in seiner Mahnung an Tassilo, daß Karl keine Schuld auf sich lade, wenn er kriegerisch gegen den Bayernherzog vorgehe, falls dieser seine Eide dem König gegenüber nicht erfülle. Wenn es auch an zeitgenössischen theoretischen Reflexionen auf der allgemeinen Ebene fehlt, ob und unter welchen Voraussetzungen Krieg ethisch erlaubt sei, so darf doch aus den Darstellungen selbst geschlossen werden, daß unausgesprochene, aber bewußte Voraussetzung dieser Praxis die Aufnahme älterer christlicher Lehren des bellum iustum bildete, die dem Verhalten der karolingischen Herrscher oder jedenfalls den von den Kriegen berichtenden Autoren der Annalen, Chroniken, Briefe etc. gewissermaßen selbstverständlich zugrunde lagen. Der Hauptautor dieser Lehre, Augustinus, war mit seinen Werken den Zeitgenossen bekannt, insbesondere dessen De civitate Dei, das, nach dem Zeugnis seines Freundes und Biographen Einhard, auch von Karl dem Großen selbst gelesen wurde. Kurz nach unserer Epoche griff zudem Hincmar von Reims unmittelbar ausführlich Aussagen Augustins zum Kriege auf und kommentierte sie. Hincmar war um 804 geboren, hatte also seine Bildung und theologische Ausbildung in unsrerer Epoche erhalten, so daß angenommen werden darf, daß seine in allgemeiner Form gefaßten Auslassungen über die Erlaubtheit des Krieges die Auffassungen auch unserer Epoche wiedergeben. Zu Buch 1, Kapitel 15 von De civitate Dei heißt es bei Hincmar: Bella gerere, et dilatare regnum, bonos sola necessitate vocari.103 Der Erzbischof von Reims billigte so zwar die Ausdehnung des Reiches durch Krieg durch die Guten, also ausdrücklich ein Ergebnis des Krieges oder sogar ein Ziel, aber hebt doch die necessitas hervor. Eine beliebige Entscheidung für einen Krieg wird dadurch nicht getragen. Allerdings wird auch deutlich, daß der Begriff necessitas wegen der Unbestimmtheit sehr 102 103

Teil III, 7. Kapitel. De regis, c. VII, Migne PL 125, Sp. 840, C.; dazu Haggenmacher, Grotius, S. 19f.

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weit gedehnt werden kann, wenn Hincmar auch den Satz Augustinus zitiert: Bellum necessitas faciat, ut, sopita disordia, pax recuperari possit. Dies ist keine Sünde, und damit auch nicht die Tötung von Menschen in einem solchen Kriege.104 Die Lehre Augustins hatte somit offenbar bestimmende, grundlegende Bedeutung auch in unserer Epoche. Sie gehört daher, obwohl schon häufig dargestellt und analysiert, auch in den vorliegenden Zusammenhang. Denn das Verhältnis von pax und bellum stellte eine grundsätzliche Herausforderung für den christlichen Glauben und damit für die Theologie dar. Das war nicht nur ein praktisches Problem der Vereinbarkeit von Glauben und Krieg für den Herrscher, das in konkreten Situationen bewältigt werden mußte, wenn dies auch in unserer Epoche wohl gelang. Die Frage stellte sich allgemeiner und grundsätzlicher. Kann und wenn ja, wie, seit der Verchristlichung der Herrschaft unter Konstantin die Vermittlung zwischen der christlich begründeten Aufgabe, pax, concordia und caritas herzustellen, und der tatsächlichen Kriegsführung durch Christen und christliche Herrscher vermittelt werden? Denn auch die drei karolingischen Herrscher, insbesondere Karl der Große, führten, wie erörtert, fast jährlich Kriege gegen aufsässige Fürsten im Reich, gegen Nachbarn von den Sachsen bis zu den Byzantinern, gegen Christen und gegen Nicht-Christen. Der Widerspruch zwischen der in der Botschaft Jesu und im Glauben grundgelegten und verwurzelten Ausrichtung der königlichen Herrschaft auf Frieden und der tatsächlichen Praxis war augenfällig und verstörend, noch mehr, die Grundlagen des Glaubens schienen erschüttert. Bereits vor der „Konstantinischen Wende“, bevor christliche Herrscher die cura für die ihrer Herrschaft anvertrauten Reiche und Menschen trugen, wurde für christliche Soldaten die Frage erörtert, ob sie ohne Sünde Waffendienst für die heidnischen Kaiser leisten und Menschen töten durften. Denn wegen des mit dem Kriege verbundenen Tötens von Menschen war dies für unsere Epoche dem Grunde nach kein Problem des Rechts oder Unrechts eines Krieges, sondern ein theologisch-ethisches Problem der Sündhaftigkeit des Krieges und damit der Kriegführenden vom König bis zum Soldaten. Ein radikaler Pazifismus aus christlichem Anspruch hat sich schon am Anfang nicht allgemein durchsetzen können, wenn auch einige Autoren wie Tertullian den Krieg radikal ablehnten.105 Vielmehr wurde eine differenzierende theologische Lehre entwickelt, daß auch für christliche Herrscher und christliche Soldaten unter bestimmten Voraussetzungen die Führung von Kriegen gerechtfertigt sein kann. Für das Verhältnis der religiösen Sphäre und der rechtlichen Sphäre zeigt sich insofern auf der allgemeinen Ebene der Erlaubtheit des Krieges überhaupt eine Grundlegung der Ordnung des Krieges in der christlich-moralischen Sphäre. In den Erörterungen der Berichte über konkrete Kriege stand demgegenüber die rechtlich-normative Seite, das heißt die Frage nach der Rechtsverletzung oder dem Rechtsbruch im Vordergrund. Bereits in der Antike hatte sich u. a. Cicero mit dieser Frage befaßt. Da die christlich-theologische Lehre des bellum iustum zum Teil daran anknüpfte, entstand eine beide Epochen übergreifende, allgemeinere Tradition und Kontinuität, die i.ü. bis in 104 105

De regis, c. VIII, Migne PL 125, Sp. 841 ff., A. Coste, Le Problème, S. 25ff., zum Neuen Testament, S. 30ff. zur voraugustinischen Theologie.

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die frühe Neuzeit zunächst als theologische und dann als philosophische Lehre lebendig blieb und nach einer gewissen Unterbrechung vom 18. bis in das 20. Jahrhundert gegenwärtig wiederbelebt wird.106

b. Karolingische Epoche Die konkrete Rechtfertigung von Kriegen wurde bereits eingehend erörtert.107 Da jedoch in den Quellen der ersten karolingischen Zeit ausdrückliche, auf diese Problematik bezogene Ausführungen fehlen, können die Anschauungen über den Zusammenhang von Frieden und Krieg allgemein, außer über eine Verallgemeinerung der erörterten Rechtfertigungsgründe für konkrete Kriege, nur über mittelbare Hinweise herausdestilliert werden. Aber auch diese sind selten. Allgemein gilt wohl, daß Rechtsbrüche bekämpft werden müssen, um die durch sie gestörte oder zerstörte pax, concordia und caritas wieder herzustellen. Auch dies gehörte zu den Aufgaben des Herrschers. Also gerade um der pax willen ist Krieg gerechtfertigt, unter Umständen unabweisbar. Verteidigung, defensio, ist wiederum auf den konkreten Friedenszustand, auf den ordo bezogen. Der Sieg ist insbesondere in den Briefen der Päpste an Pippin und Karl die Bestätigung des gerechten Krieges, aber auch der fides der Könige gegenüber Gott und dem Apostelfürsten. Durch ihn wird Karl als rex iustus erwiesen, als von Gott gelenkt und erwählt. Denn die Frucht des Sieges ist die pax, die concordia caritatis, die exaltatio ecclesiae, die Sicherung und Ausdehnung des christianum imperium, in das vor allem die Heiden durch deren Verchristlichung eingefügt werden können. So verdankt Karl seine Siege auch seiner devotio gegenüber Gott und der Kirche. Die Kriege der drei karolingischen Herrscher erscheinen somit grundsätzlich als Kriege zur Wiederherstellung oder Bewahrung des konkreten Friedens. Sie sind insofern Verteidigungskriege, wenn auch gewiß in einem weiten Sinne des Wortes, der den Angriff als „beste Verteidigung“ einschließt. Es müssen stets aktuelle, konkrete, friedlich nicht zu bewältigende Konflikte den Krieg veranlassen. Zwar bezeichnet Einhard die Sachsen als natura feroces et cultui daemonum dediti nostraeque religioni contrarii neque divina neque humana iura vel polluere vel transgredi inhonestum arbitrabuntur. Aber er fügt ausdrücklich hinzu: Suberant et causae, quae cotidie pacem conturbare paterant, nämlich Totschlag, Raub, Brandstiftungen ohne Ende an der beiderseitigen Grenze.108 Aus der Erbitterung darüber sei der Krieg entstanden. Argumente für Angriffskriege nur für einen „besseren Frieden“ oder für Kreuzzüge sind in der Vorstellung dieser Zeit nicht zu finden. Bellum und pax sowie concordia und caritas fügen sich insofern zusammen, trotz der vielen Kriege, die Pippin und Karl geführt haben. Bewahrung und Wiederherstellung von pax, concordia und caritas sind die leitenden Gesichtspunkte auch für diese Kriege. Auch in der karolingischen Epoche erscheint Krieg als ein Gebot der necessi106

107 108

Dazu u. a. Thomas Bruha, Sebastian Heselhaus, Thilo Marauhn, (Hg.), Legalität, Legitimität und Moral, Können Gerechtigkeitspostulate Kriege rechtfertigen?, Tübingen 2008. Teil III, 7. Kapitel, S. 461ff. Einhard, Vita Caroli, c. 7.

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tas. Deshalb wurden in der Regel zunächst Verhandlungen zur Herstellung des Rechts geführt und wurde erst nach deren Scheitern der Krieg notwendig und damit gerechtfertigt. Das ist wohl auch der verallgemeinerungsfähige Inhalt der Darstellung der Reichsannalen, Hadrian I. habe bei seiner ersten Intervention im Jahre 781 für den Fall, daß Tassilo sich Karl gegenüber verstockt zeige und seine Eide nicht halte, diesen und sein Heer schon vorweg ab omni periculo peccati et quid in ipsa terra factum eveniebat in incendiis aut in homicidiis vel in qualecumque malitia freigesprochen.109 Zwar muß auch dieser Bericht für seine tatsächlichen Inhalte mit all der Vorsicht gelesen werden, die bei der Darstellung dieses Konfliktes allgemein geboten ist. Denn hier schreibt der Sieger. Aber diese theologisch-moralische Argumentation steht in der Tradition der Lehre vom bellum iustum Augustins, wenn sie diese auch nicht selbst benennt.

c. Augustinus Im 12. Kapitel des Buches 19 von De civitate Dei legt Augustinus dar: Quod etiam bellantium saevita omnesque hominum inquietudines ad pacis finem cupiant pervenire, sine cuius appetitu nulla natura sit.110 Augustinus ordnet, wie bereits dargelegt, den Krieg dem Wunsch nach Frieden selbst bei dem Friedensbrecher zu: Pacis igitur intentione geruntur et bella, ab his etiam, qui virtutem bellicam student exercere imperando adque pugnando. Unde pacem constat belli esse optabilem finem. Omnis enim homo etiam belligerando pacem requirit; nemo autem bellum pacificando. Nam et illi qui pacem, in qua sunt, perturbari volunt, non pacem oderunt, sed eam pro arbitrio suo cupiunt commutari.111 Friede meint an dieser Stelle zunächst einfach nur die Abwesenheit von Krieg, also auch eine pax iniqua sua desjenigen, der ihn als Sieger mit Gewalt durch Eroberung, Unterdrückung allein aus seiner Ruhmsucht hergestellt hat. Es scheint aus diesen Stellen zu folgen, daß nach Augustin zwischen den Menschen und Völkern grundsätzlich ein Zustand des Friedens und nicht des Krieges besteht, mag der Frieden auch selbst eine pax iniqua sein. Krieg ist die Kampfhandlung, die militärische Gewaltanwendung. Es gibt also drei Zustände, die pax terrena, die auch immer mehr oder weniger eine pax iniqua ist, die pax caelesta und das bellum. Da, wie oben dargelegt, die pax caelesta erst im Jenseits in der Anschauung Gottes erreicht werden kann, kann auf Erden immer nur ein mehr oder weniger diesem Frieden Gottes angenäherter irdischer Frieden, eine mehr oder weniger gute pax terrena erreicht werden, ein höherer oder besserer Grad der Ruhe und der Ordnung, in der jedes Ding möglichst seinen richtigen Platz findet. Für die Rechtfertigung eines Krieges sind offenbar zwei Gründe denkbar, Verteidigung gegen einen Bruch des bestehenden Friedens, und, kumulativ oder alternativ, Einsatz zur „Verbesserung“ des bestehenden Friedens. Augustinus begnügt sich nicht damit, den Krieg als ein Grundübel des Zustandes der Sünde zu qualifizieren, als die Grundstörung der tranquilitas ordinis des Friedens. 109 110 111

Ann. regni Franc. ad a. 781. De civitate Dei, lib. 19, c. 12, S. 390, Z. 4ff.; Weissenberg, Friedenslehre, S. 109 ff. De civitate Dei, lib. 19, c. 12, S. 390, Z. 13ff.; ähnlich auch lib. 15, c. 4, S. 63, Z. 20ff.

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Er schildert die Schrecken des Krieges nachdrücklich, auch der Kriege quae iusta dicuntur.112 Denn die sogenannten gerechten Kriege werden wegen der Ungerechtigkeit des Gegners geführt. Schon allein darin liege ein Elend, daß sie überhaupt geführt werden müßten. Auch seien sie nicht weniger verheerend als andere. Krieg ist in jedem Fall ein Unheil: Iniquitas enim partis adversae iusta bella ingerit gerenda sapienti; quae iniquitas utique homini est dolenda, quia hominum est, etsi nulla ex ea bellandi necessitas nasceretur. Haec itaque mala tam magna, tam horrenda, tam saeva quisquis cum dolore considerat, miseriam fateatur.113 Nur wer menschliches Fühlen verloren habe, könne dem gegenüber gleichgültig sein. Selbst die Einheit des römischen Reiches wurde mit Strömen von Menschenblut erkauft, hat die Kriege nach außen nicht einmal zu Ende gebracht und im Innern zu neuen Bürgerkriegen geführt. Die Größe des Reiches ist also keineswegs Garantie des Friedens, und schon gar nicht eines gerechten Friedens, denn er ist mit Unterdrückung der Völker verbunden. Daher ist Krieg selbst um des Friedens willen kein legitimer Kriegsgrund, auch nicht ein besserer Frieden, erst recht nicht für Ruhmsucht, Herrscherwillen.114 Das alles ist eigensüchtig, strebt nicht nach der vera pax Dei und caelesta, sondern nach einer iniqua pax sua.115 Gegen die, die Kriege aus diesen Gründen führen, dürfen, ja müssen, die Guten aber ihrerseits Krieg führen, um den Frieden und den ordo wiederherzustellen oder zu wahren. Der Bischof von Hippo rechtfertigt zwar auch die von Gott befohlenen Kriege des Alten Testaments, insbesondere bei der Eroberung des Landes Kanaan, weil sie auf Gottes Gebot zurückgehen und zur Erfüllung der Landverheißung bestimmt sind. Unter dem Neuen Testament erscheinen derartige Jahwe-Kriege oder andere „Heilige Kriege“ jedoch überholt.116 Es gibt eine Rechtfertigung des Krieges nur zur Verteidigung gegen Unrecht. Augustinus will daher auch nicht ganz ausschließen, daß einige der römischen Kriege gerecht waren, weil sie sich gegen Angriffe von außen richteten, wenn man Sallusts Darstellungen folge. Aber Zweifel an ihrer Notwendigkeit verbirgt Augustinus nicht, zumal zur Zeit des Numa eine lange Friedensperiode geherrscht habe.117 Aber immerhin sind solche Verteidigungskriege selbst für Rom als gerechte Kriege denkbar, da es kein Glück sei, daß Gerechte von Übeltätern beherrscht würden: Proinde belligerare et perdomitis gentibus dilatare regnum malis videtur felicitas, bonis necessitas. Sed quia peius esset, ut iniuriosi iustoribus dominarentur, ideo non incongrue dicitur etiam ista felicitas. Sed procul dubio felicitas maior est vicinum bonum habere concordem quam vicinum malum subiugare bellantem.118 Verteidigungskriege 112 113

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De civitate Dei, lib. 19, c. 7, S. 383, Z. 13f. De civitate Dei, lib. 19, c. 7, S. 384, Z. 20ff. Weitere Stellen: ibid., lib. 1, c. 36; lib. 3, c. 13, 14, 18, 23, 29; u. a. dazu Berrouard, Art. Bellum, Sp. 639f. Quaestionum libri septem, lib. 6, c. 10, CSEL 28 II, S. 428f.; Contra Faustum, lib. 22, c. 74, CSEL 25, S. 641ff.; Berrouard, Art. Bellum, Sp. 642. Augustinus kritisiert dem Grund nach die römische Haltung zum Krieg an vielen Stellen, z. B., De civitate Dei, lib. 3, c. 11, 13, 14, vor allem lib. 4, c. 3ff., S. 165ff. Er vergleicht das Römische Reich sogar mit einer großen Räuberbande, weil ihm die Gerechtigkeit gefehlt habe. Weissenberg, Friedenslehre, S. 440 ff. und S. 449ff. De civitate Dei, lib. 3, c. 10, CSEL 40/1, S. 120, Z. 15ff. De civitate Dei, lib. 4, c. 15, CSEL 40/1, S. 182, Z. 17ff.

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gegen ungerechte Feinde, Angreifer gegen das eigene Territorium, können also als bella iusta angesehen werden, selbst wenn sie zur Unterwerfung der Angreifer und damit zur Ausdehnung des Reiches führen. Etwas allgemeiner wird ein gerechter Krieg durch eine Rechtsverletzung gerechtfertigt. Er ist auf Wiederherstellung des Rechts gerichtet, und damit des Friedens, der durch die Rechtsverletzung gebrochen ist. Augustin nimmt damit wohl Gedankengänge Ciceros auf.119 Die allgemeine Rechtfertigungsbegründung wird so formuliert: iusta autem bella ea definiri solent quae ulciscuntur iniurias, si qua gens uel ciuitas, quae bello petenda est, uel uindicare neglexerit quod a suis inprobe factum est uel reddere quod per iniurias ablatum est.120 Das näher zu bestimmen, ist sicher schwierig. Augustin füllt das allenfalls durch Beispiele aus, z. B. mit der Erzwingung des Durchzugs der Israeliten durch das Gebiet von Edom.121 Auch die genannten römischen Kriege können die allgemeine Aussage füllen. Eine geschlossene Lehre über den gerechten Krieg ergibt das, wie gesagt, nicht. Der Kirchenlehrer weigert sich, die Gründe für einen gerechten Krieg zu definieren: et de iustis quidem iniustisque bellis nunc disputare longum est et non necessarium. Der Kirchenvater hatte vorher Aussagen des Neuen Testaments zur Aufgabe der Soldaten und der Stellung gegenüber dem Kaiser interpretiert, die sich nicht gegen diese selbst wenden, sondern ihnen Grenzen ihrer Tätigkeit ziehen.122 Er weist vielmehr dem Herrscher die Aufgabe zu, darüber zu bestimmen, was ein gerechter Krieg sei: Interest enim, quibus causis quibusque auctoribus homines gerenda bella suscipiant; ordo tamen ille naturalis mortalium paci adcommodatus hoc poscit, ut suscipiendi belli auctoritas atque consilium penes principem sit, exequendi autem iussa bellica ministerium milites debeant paci salutique communi. Augustinus setzt dabei voraus, daß alle Herrschaft von Gott kommt. Auch Kriege werden unter Gottes auctoritas geführt. Daher kann der uir iustus ... recte possit illo iubente bellare ciuicae pacis ordinem seruans. Auf dem Herrscher liegt die Verantwortung, vor seinem Gewissen zu prüfen, ob ein gerechter Kriegsgrund gegeben ist. Die Bindung an die Entscheidung des Herrschers ist also nicht lediglich formeller Art. Sie ist auf ein materielles Element seiner Herrschaft gegründet, die grundsätzliche Wahrung des Friedens durch die Wahrung der richtigen Ordnung.123 Denn bellum autem, quod gerendum deo auctore suscipitur, recte suscipi dubitare fas non est vel ad terendam vel ad obterendam vel ad subiugandam mortalium superbiam, quando ne illud quidem, quod humana cupiditate geritur, non solum incorruptibili deo, sed nec sanctis eius obesse aliquid potest.124 Hier ist offensichtlich von dem christlichen Herrscher die Rede. Aber auch aus dieser Stelle kann nicht ohne weiteres geschlossen werden, daß Augustinus für Kriege gegen die Hochmütigen eingetreten wäre. Es gab zumindest die bereits genannten ne119 120 121

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De officiis, 1, 34–37; dazu Reibstein, Völkerrecht I, S. 123 ff. Quaestionum libri septem, lib. 6, c. 10, CSEL 28 II, S. 428, Z. 24ff. Numeri, c. 20, v. 14–21; Augustinus, Quaestionum libri septem, lib. 4, c. 44, CSEL 28 II, S. 352f.; dazu Otto, Völkerrecht, S. 34ff. Contra Faustum, lib. 22, c. 74, CSEL 25, S. 673, Z. 8f.; Z. 10ff. Daher zu eng die Meinung, es handele sich um eine condition de forme, z. B. Hubrecht, Juste Guerre, S. 111. Contra Faustum, lib. 22, c. 75, CSEL 25, S. 673, Z. 15ff.

Pax und bellum

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gativen Grenzen der Eroberung, Unterwerfung, Ruhmsucht, u. a. Augustinus’ Position kann in der Gesamtschau, wenn auch mit gebotener Vorsicht, dahin verstanden werden, daß ein gerechter Krieg nur dann vorliegt, wenn der bestehende Frieden, mag er auch in gewissem Grad ungerecht sein, durch Rechtsbruch, durch Angriff aktuell und konkret gebrochen oder doch hoch gefährdet ist. Krieg zur Herbeiführung eines besseren Friedens arbitrio suo zu führen, erscheint nicht gedeckt, auch wenn jeder bestehende irdische Friede als solcher auch Ungerechtigkeit enthält. Denn jeder Friede selbst in den niedrigsten Dingen enthält eben diesen selbst und ist, wie oben dargetan, insofern ein Gut auch in der res publica in diesem saeculum, Concupiscit enim terrenam quandam pro rebus infimis pacem; ad eam namque desiderat peruenire bellando; quoniam si uincerit et qui resistat non fuerit, pax erit, quam non habebant partes in uicem aduersantes.125 Die moderne Unterscheidung zwischen Verteidigungs- und Angriffskrieg ist jedoch auf die Aussagen Augustins nicht ohne weiteres anwendbar.126 Auch ein Angriffskrieg im modernen Sinn kann der Verteidigung des Friedens dienen, wenn Rechtsbrüche vorliegen, die den Frieden stören oder gar zerstören. Die Grenze zwischen bellum iustum und bellum injustum verläuft zwischen einem Krieg zur Wiederherstellung des konkret gebrochenen oder gestörten Friedens, d. h. des ordo, und dem Eroberungs- oder Unterdrückungskrieg. Wegen der Schrecken des Krieges, auch des gerechten Krieges, kann er für Augustin i. ü. nur als letztes Mittel der necessitas gerechtfertigt werden. Daraus ist zu schließen, daß erst alle Mittel friedlicher Konfliktregelung ausgeschöpft sein müssen. Die Geduld soll das Herz und die Seele des Christen leiten. Aber sie muß sich den Umständen entsprechend verhalten.127 Diese Elemente einer Lehre zum bellum iustum wirken auch in den Vorstellungen unserer Epoche, sowohl bei den Franken, die inzwischen selbst Christen geworden waren, als auch bei den Päpsten, wie die Berichte über die Versuche friedlicher Streitbeilegung zeigen. Es besteht für Augustinus ein enger Zusammenhang zwischen Frieden und Krieg. Frieden, auch die unvollkommene und oft sogar beschwerende pax terrena, ist, wie schon oben dargelegt, ein hohes Gut auch zwischen Herrschern und Völkern. Ihre Wiederherstellung nach einem Bruch rechtfertigt einen Krieg. Zugespitzt kann man sagen, daß für Augustinus der Krieg im Dienst des Friedens steht. Allerdings gibt es keinen irdischen Richter, sondern nur Gott durch das Gewissen der Herrscher.

d. Isidor von Sevilla Auch in der Kriegslehre markiert Isidor einen Schlußpunkt in der ausgehenden Antike. Aber er faßt nur noch einmal die ältere Lehre zusammen, ohne selbst Neues hinzuzufügen.128 Er unterscheidet vier Arten von Kriegen id est iustum, iniustum, civile, 125 126 127

128

De civitate Dei, lib. 15, c. 4, S. 63, Z. 23ff. Auf sie stellt aber ab z. B. Hubrecht, Juste guerre, S. 111. Epp. 189, c. 6, CSEL 7, S. 135. Coste, Problème, S. 34; Berrouard, Bellum, Sp. 641 f. mit Nachweisen. Haggenmacher, Grotius, S. 18f.

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Pax

et plus quam civile. Iustum bellum est quod ex praedicto geritur de rebus repetitis aut propulsandorum hostium causa. Iniustum bellum est quod de furore, non de legitima ratione initur.129 Die formelle Bindung des Krieges an die vorherige Androhung und die inhaltliche Ausrichtung auf die Wiedererlangung von Sachen, gemeint ist wohl widerrechtlich weggenommener Sachen, oder die Zurückschlagung, Abwehr von oder Verteidigung gegen Feinde, ist im Grunde eine sehr enge Rechtfertigung. Isidor beruft sich dafür auf Cicero.130 Auch bei Isidor sind Kriege um des Glaubens willen nicht gerechtfertigt.

VI II . F o l g er u n g en Die Zeugnisse der Zeit belegen eine allgemeine Friedensvorstellung christlich-religiöser Grundlegung, die aber eben dadurch auch für die „weltliche“ Seite der Gesellschaft gilt. Deren Friede ist grundsätzlich und allgemein christlich geprägt und legitimierend getragen. Frieden verwirklicht und sichert in der caritas die concordia. Immer wieder wird der eine oder andere der Begriffe mit dem Terminus sanctus versehen. Die christliche Prägung ist eindeutig. Insbesondere der Begriff caritas bzw. dilectio macht die pax zu einer christlichen. Das wird bereits bei Augustinus deutlich, und Alcuin hebt dies besonders bevor. Für den Frieden zwischen den Mächten läßt sich der Schluß ziehen, daß die literarische Reflexion über den Frieden zwischen den Herrschern, Völkern und Mächten in dieser Zeit hinter der Praxis zurückblieb. Erst in der Rückschau läßt sich aus den Quellen ein voraufgehendes und zugrundegelegtes allgemeines Verständnis des Friedens als tragendes Fundament der Ordnung der Zwischen-Mächte-Beziehungen und in ihr konstruieren. Besonders deutlich wird diese Vermittlung der allgemeinen Grundlagen durch die konkrete Situation in Karls Briefen an Offa und die beiden Kaiser Nicephorus und Michael I., die zwar jeweils auf das konkrete Verhältnis bezogen sind, aber doch aus heutiger Sicht auch einen allgemeineren Charakter erkennen lassen. Auch der Konflikt zwischen pax und bellum wird nicht ausdrücklich als solcher bedacht und erörtert. Man verhielt sich konkret und praktisch, gab Kriegsgründe zur Rechtfertigung an, versuchte gegebenenfalls, durch Verhandlungen einen Konflikt zu klären und den Krieg zu vermeiden. Genügte es, daß der Herrscher christlich, von Gott mit seiner Herrschaft beauftragt war, um seine Kriegsentscheidungen zu rechtfertigen? Manche Äußerungen in den päpstlichen Briefen, auch das übliche öffentliche kirchliche Gebet für den Sieg, die mehrtägigen Prozessionen mit Litaneien und Psalmengebeten vor dem Awarenkrieg lassen diese Deutung jedenfalls zu. Man könnte daher versucht sein, dies als ein noch naives Vertrauen auf eine gottgelenkte Einsicht in die eigene Gerechtigkeit oder doch Rechtmäßigkeit einer Kriegsführung zu verstehen. Ein solches Verständnis der Zeit würde jedoch die Komplexität zu sehr vereinfachen. Denn die vielfachen Mahnungen, als rex iustus auch recte zu handeln, lassen doch er-

129 130

Etymologiarum, lib. XVIII, 2. De republica 3, 35.

Folgerungen

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kennen, daß die Fehlbarkeit, auch des christlichen Herrschers bewußt war. In den Bußhandlungen Ludwigs wurde das auch ganz konkret vom Kaiser selbst vollzogen. Da dieses weitgehende Fehlen grundsätzlicher, allgemeiner, gar abstrakter Reflexion und Erörterung der Grundsätze für und der Anforderungen an die Ordnung der Welt in unserer Epoche eine allgemeine Erscheinung darstellt, scheinen die Gründe dafür in einer grundsätzlicheren Einstellung zu liegen, die später noch einmal aufzugreifen sind.

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Amicitia

3. Ka p it e l: Am icit ia I. D ie F re u nd s ch aft d er Mäch ti g en In den verschiedenen, vor allem fränkischen Quellen ist uns regelmäßig der Begriff amicitia für die konkreten Beziehungen der fränkischen Herrscher mit Päpsten, oströmischen Kaisern, anderen christlichen Königen, aber auch mit Harun al-Rashid und dänischen Königen begegnet. Darin spiegelt sich eine weit in die Vergangenheit des Alten Orients zurückgehende Tradition, die über die griechische und römische Antike fortgeführt, in der Spätantike verchristlicht und so in das Frühmittelalter vermittelt wurde. Daher hat das Institut seit einigen Jahrzehnten in seinen verschiedenen Bedeutungen und Funktionen in verschiedenen gesellschaftlichen, persönlichen, politischen, u. a. Bereichen und Strukturbildungen in der Spätantike und im Mittelalter vermehrt die Aufmerksamkeit der geschichtswissenschaftlichen Forschung gefunden.1 Dabei ist auch seine Bedeutung für die Zwischen-Mächte-Beziehungen mit einbezogen worden. Bereits Paradisi hat sie auch aus der Sicht der Völkerrechtsgeschichte in der Spätantike und im Frühmittelalter untersucht. Es fehlt aber an einer besonderen Darstellung für unsere Epoche.2 Amicitia steht, wie wiederholt gezeigt, zum einen fast stets in enger Verbindung mit pax sowie caritas/dilectio und concordia, auch unanimitas oder unitas, also mit der spirituell-religiösen Dimension des Friedens. Zum anderen erscheint sie verbunden mit pactum, foedus, societas und iura, also dessen rechtlicher Dimension. Sie bildet, so scheint es aus heutiger Sicht, in den konkreten Verhältnissen der Herrscher untereinander die Brücke zwischen diesen beiden Seiten des Friedens. Amicitia erscheint in ihrer spirituell-religiösen Dimension jedoch zunächst und häufiger in anderen personalen Beziehungen, z. B. in Briefen Alcuins an Mönche, Bischöfe, auch Adlige. Sie ist ein allgemeines Institut enger personaler Verbindung. Gerade in ihr zeigt sich eine grundsätzliche Einheitlichkeit der Grundstrukturen der Ordnung der Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Unterscheidungen zwischen ihnen führen nicht zu Ausdifferenzierungen i. S. gegenseitiger Eigenentwicklung. Aber auch insoweit fehlen zeitgenössische allgemeine Darlegungen ihrer Strukturen und rechtlichen Gehalte für die Zwischen-Mächte-Beziehungen. Diese müssen somit wiederum aus den literarischen Anwendungen der Begriffe für die einzelnen Verhältnisse erschlossen und rekonstruiert werden. Das wird dadurch erschwert, daß der Sprach- bzw. Begriffsgebrauch nicht einheitlich oder eindeutig und keineswegs völlig gleich ist. Nicht einmal die karolingischen Texte pflegen einen einheitlichen Be1

2

Brunner, Land S. 20ff.; Fritze, Schwurfreundschaft, für die fränkisch-merowingische Zeit; Wielers, Beziehungsformen S. 81ff.; Althoff, Amicitiae, für das 10. Jahrhundert; ders., Verwandte, S. 85ff.; Epp, Amicitia, für das 5. bis 7. Jahrhundert; Garnier, Amicus, für das 13. Jahrhundert; Rebenich, Freund, für die augustinische Konzeption. Paradisi, L’amicitia 2; Schulz, Entwicklung, S. 158ff.; Epp, Amicitia, S. 176ff., widmet dieser Dimension ein Kapitel ihrer sehr umfassenden Untersuchung der sehr vielfältigen Anwendungsbereiche der amicitia.

Amicitia mit den oströmischen Kaisern

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griffsgebrauch. Zudem unterscheiden sich die überlieferten Texte der karolingischen und der päpstlichen Quellen. Nicht selten werden in den Quellen mehrere Begriffe für das einzelne Verhältnis nebeneinander eingesetzt, vor allem amicitia und foedus. Auch werden in verschiedenen Quellen, die über dasselbe Verhältnis berichten, verschiedene Begriffe verwendet. So bestehen Probleme der Unterscheidung oder Abgrenzung. Die Wurzeln der amicitia unserer Epoche sind dreifach. Mehr vielleicht als andere Institute zur Ordnung personaler Beziehungen in allen Lebensbereichen stand die amicitia der karolingischen Zeit in der Überlieferung der Antike. Diese bildete bereits dort eine tragende Einrichtung der römischen politischen Ordnung, sowohl der Beziehungen im Reiche selbst, wie der Beziehungen mit anderen Herrschern oder Völkern. So ist die amicitia zunächst auch in ihrer Bedeutung in der römischen Republik und im Kaiserreich untersucht worden.3 Ihre spirituell-religiöse Form bildete im Christentum ab dem 4./5. Jahrhundert eine grundlegende Erscheinung der personalen Beziehung, unter anderem gerade bei Augustinus. Dabei stützte auch sie sich auf antikheidnische Überlieferungen, die sie aber ins Christliche verwandelte. Aber auch in der germanischen Ordnung der zwischen-menschlichen Beziehungen, insbesondere im Adel, spielte „Freundschaft“ eine zentrale Rolle. Sie wird seit Fritzes grundlegender Untersuchung zur „Schwurfreundschaft“ auch in Verbindung mit der amicitia in den Beziehungen der frühen Karolinger zu anderen Herrschern gebracht.4 Das ist noch einmal aufzunehmen.

II. A mi ci ti a mi t d en o s tr ö mi s ch en K ai s er n a. Pippin Die Nachricht des Fortsetzers der Fredegarchronik aus dem Jahr 757 über den Abschluß der ersten karolingisch-byzantinischen amicitia, Pippin und Konstantin V. hätten amicitias et fidem per legatos eorum vincisem inter se promittunt, wird durch den Nachsatz Nescio, quo faciente postea amicitias, quas inter se mutuo promiserant nullatenus sortita est effectu zweideutig.5 Die Reichsannalen, die den Begriff amicitia nicht benutzen, beschreiben lediglich die von Konstantins Gesandten überbrachten Geschenke genauer, darunter eine Orgel. Zwar wird nichts von Gegengeschenken Pippins berichtet. Es ist jedoch als sicher anzunehmen, daß auch er solche gemacht hat. Denn sie gehörten notwendig zur Begründung einer amicitia. Freundschaft wird gegenseitig versprochen, aber über die Form des Versprechens wird nichts gesagt. Die abwertende Bemerkung des Chronisten zur Bedeutung der amicitia verwundert aus heutiger Sicht. Er muß eine bestimmte Vorstellung vom Inhalt einer amicitia gehabt haben, die aber nicht näher beschrieben wird. Pippin hatte mit der promissio donationis für den Papst und deren teilweisen Vollzug ältere kaiserliche Rechte in Ita3

4 5

Mommsen, Staatsrecht III/1, S. 591ff.; Täubler, Imperium, S. 47ff.; Heuß, Grundlagen, S. 25ff., 78 ff.; Paradisi, L’amicitia 1; Schulz, Entwicklung S. 158 ff. für das 4. und 5. Jahrhundert n. Chr.; Ziegler, Völkerrecht, S. 87ff. Fritze, Schwurfreundschaft, passim. Fred. chron. cont., c. 123 (40) S. 186; Ann. regni franc. ad a. 757.

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Amicitia

lien in erheblichem Umfange mißachtet. Er hatte sich mit dem Papst verbündet, zwar nicht gegen den Kaiser, aber zu dessen Lasten. Die Aufforderung, die von ihm in dem Krieg gegen Aistulf eroberten Gebiete des Exarchats an die Gesandten des Kaisers herauszugeben, hatte er abgewiesen und sie dem Papst übergeben. Er trug einen patricius-Titel, der nicht vom Kaiser verliehen worden war, wenn er ihn auch nicht führte. So erschien Pippin wohl ein Ausgleich zwischen beiden Herrschern nötig, zu dem er die Initiative ergriff. Der Chronist selbst schreibt pro ... et salutem patrie sue. Der Abschluß der amicitia konnte somit die Sanktionierung des Vorgehens Pippins durch den Kaiser zum Inhalt haben. Die territoriale Neuordnung in Norditalien ist nach den fränkischen Quellen später von byzantinischer Seite nicht mehr in Frage gestellt worden. Die amicitia hatte damit den sehr weitreichenden Effekt, den konkreten Frieden zwischen den beiden Herrschern trotz dieser italienischen Vorgänge zu Lasten Ostroms zu sichern. Aus diesem besonderen Verhältnis konnte 767 weiterführend die Zusammenarbeit in der Bilderfrage auf der Synode von Gentilly entstehen. Byzanz gestand Pippin offenbar ein Mitspracherecht in dieser Frage zu, obwohl der Kaiser sich die Entscheidungsbefugnis auf der Synode von Hiereira 754 vorbehalten hatte und die Durchsetzung ihrer Beschlüsse mit Gewalt vorantrieb.6 Möglicherweise suchte er bei Pippin Unterstützung. So zeigte die amicitia weitere Folgen, wenn auch erst 10 Jahre nach ihrem Abschluß, was der frühere Chronist nicht ahnen konnte, und auf einem für ihn vielleicht weiter entfernt liegenden Feld des Glaubens und der religiösen Eintracht. Aber dies gehört in unserer Epoche wesentlich mit zur amicitia.

b. Karl der Große Die Reichsannalen bezeichnen die Beziehungen Karls der Großen zu den oströmischen Kaisern von Konstantin VI. bis zu Leon V. nicht mit dem Begriff amicitia. Auch nach Abschluß des Vertrages von 812 fehlt dieser Begriff, obwohl von da an dauerhaft enge Beziehungen bestanden. Karl der Große verwendete den Begriff amicitia in seinen Briefen an Nicephorus und Michael I. ebenfalls nicht, betonte jedoch beiden gegenüber die caritas als Inhalt ihrer herzustellenden und zu festigenden Beziehung, die in anderen Quellen eng mit amicitia verbunden ist.7 Wielers vermutet, Karl der Große habe aus Sorge vor dem römisch-byzantinischen Institut der amicitia, das eine Nachordnung enthalten habe, den Begriff hier nicht verwendet.8 Hingegen bezeichnete Einhard die Verbindung Karls des Großen zu den drei byzantinischen Kaisern Nicephorus, Michael I. und Leon V. als amicitia. Imperatores ... ultro amicitiam et societatem eius expectentes, conplures ad eum misere legatos. Nach der Kaiserkrönung hätten sie dann aus Sorge, er wolle ihnen das Reich entreißen, foedus firmissimum geschlossen, ut nulla inter partes cuius libet scandali remaneret 6 7 8

Ann. regni Franc. ad a. 767. Epp. Var. Car., Nr. 32 und Nr. 37, MGH Epp. IV, S. 546 und 555; dt. Anhang Nr. 2 und 3. Wielers, Beziehungsformen, S. 95; auch unten S. 664ff.

Amicitia mit den oströmischen Kaisern

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occasio.9 Zwar sagt Einhard nichts über den näheren Inhalt der amicitia, aber es wird deutlich, daß es um Frieden und einen gesicherten Zustand geht, der keine Streitigkeiten mehr enthält.

c. Ludwig der Fromme Anders als in den Berichten über Pippins und Karls Beziehungen zu den oströmischen Kaisern heißt es in den Reichsannalen für 814, Ludwig der Fromme habe nach dem Tod des Vaters die noch für diesen eingetroffenen griechischen Gesandten empfangen und seinerseits Gesandte an Leon V. geschickt ob renovandam secum amicitiam et ... pactum confirmandum.10 Der Annalist setzt anscheinend das Bestehen einer amicitia voraus, die erneuert werden sollte, ohne über den Inhalt Näheres zu sagen Der Anonymus übernimmt die Begriffbildung in seine Darstellung der Vorgänge von 814 und unterscheidet ebenfalls zwischen der Erneuerung der amicitia und der Bestätigung des Vertrages: petens amicitiarum societatem et renovationem antiquarum, simul et pactum confirmationem.11 Die Verwendung des Begriffs amicitia für das Verhältnis Ludwigs des Frommen zu den oströmischen Kaisern in den folgenden Jahren ist nicht einheitlich. Die fränkischen Berichte über byzantinische Gesandtschaften für 817, 824, 827, 833 und 839 stellen hingegen vor allem auf das pactum von 812/15 ab. Es geht den byzantinischen Gesandtschaften darum, die pax (824) oder das foedus (827) oder pactum und pax (839) zu bestätigen. Eine Differenz besteht in der Darstellung des dalmatinischen Streitfalles und seiner Lösung im Jahre 817. Die Reichsannalen beschränken sich in ihrem Bericht über die Anliegen der Gesandtschaft Leons V. auf die Behandlung dieses Grenzstreites und seine Abwicklung. Der Biograph Ludwigs des Frommen verbindet hingegen die Behandlung dieser konkreten Streitfrage mit der Erneuerung der amicitia und der societas durch die oströmischen Gesandten.12 Daraus ist jedoch nicht zu schließen, daß in der Sicht des Annalisten keine amicitia bestand. Gerade die friedliche Lösung des Grenzproblems bestätigt eine solche, denn sie ist als deren Voraussetzung oder Grundlage anzusehen. In den offiziellen oder offiziösen Annalen wird der Begriff amicitia nach 814 erst wieder in den Annales Bertiniani bei dem Bericht über die Bestätigung oder Erneuerung des Verhältnisses mit Kaiser Theophilos im Jahre 839 verwendet.13 Dort heißt es: Quorum legatio super confirmatione pacti et pacis atque perpetuae inter utrumque imperatorem eisque subditos amicitiae et caritatis agebat. In diesem Bericht wird amicitia mit caritas verbunden. Auch diese Gesandtschaft hatte, wie die von 817, konkrete Anliegen. Sie bat um Dankgebete Ludwigs und seiner Untertanen amicabiliter Datori victoriarum für Siege, die der oströmische Kaiser errungen hatte. Außerdem erbaten 9 10 11 12 13

Einhard, Vita Caroli, c. 16. Ann. regni Franc. ad a. 814. Anonymus, Vita Hludowici, c. 23. Ann. regni Franc. ad a. 817; Anonymus, Vita Hludowici, c. 27. Ann. Bertiniani ad a. 839.

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Amicitia

sie freien Durchzug für Gesandte der Rhus, die von deren Chagan, so die Formulierung der Annalen, amicitiae, sicut asserebant, zum byzantinischen Kaiser gekommen waren und sich nun in der Begleitung der griechischen Gesandten befanden.14 Denn sie sollten wegen größerer Sicherheit durch das Herrschaftsgebiet Ludwigs in ihr Land zurückkehren. Ludwig prüfte, ob sie wirklich Gesandte oder Kundschafter seien, und teilte dem Kaiser Theophilos mit, er habe sie bis zur Klärung pro amore gegenüber Theophilos libenter aufgenommen. Amor steht wohl für caritas oder dilectio. Zweierlei ist an dem Bericht im Hinblick auf die Verwendung des Begriffs amicitia bemerkenswert. Zum einen sollen amicitia und caritas nicht nur zwischen den Kaisern, sondern auch zwischen ihren Untertanen bestehen. Zum anderen wird die Beziehung des Chagan der Rhus zu dem oströmischen Kaiser mit dem Begriff amicitia bezeichnet, obwohl die Kiewer Rhus zu dieser Zeit noch Heiden waren. Da es ein fränkischer Bericht ist, beschreibt er das Verhältnis nicht notwendig zutreffend im byzantinischen Sinn, sondern die Verwendung des Begriffs kann auf einem Mangel genauer Kenntnisse beruhen. Die Dankgebete gehören, so scheint es, zum Freundschaftsverhältnis, ebenso die Hilfe für die fremden Gesandten an den Freund; diese wird aber nicht „blind“ gewährt. Von byzantinischer Seite bezeichnen Michael II. und Theophilus in ihrem Brief von 825 an Ludwig den Frommen nicht nur ihr gegenseitiges Verhältnis mit den Begriffen pax, caritas/dilectio und amicitia, sondern füllen es auch mit Inhalt.15 Zunächst erklären sie das lange Ausbleiben der Bestätigung der bestehenden pax und amicitia, indem sie ausführlich die Ereignisse, die zu ihrem Herrschaftsantritt und zu damit verbundenen inneren Auseinandersetzungen geführt haben, schildern. Zum anderen richten sie an Ludwig die Bitte um Unterstützung im Bilderstreit. Dabei berufen sich beide ausdrücklich auch auf die gegenseitige caritas und dilectio, die sie auf das Gebot Christi gründen, einander um seiner Liebe willen zu lieben. Allerdings steht die Verweigerung des gleichrangigen Kaisertitels in einer gewissen Spannung zu dieser amicitia und dilectio.

d. Ergebnisse Es ergeben sich aus dieser Übersicht grundlegende Strukturen und Elemente der amicitia. Zwar beruht die spätere amicitia der Kaiser beider Seiten auf dem Ausgleich durch den Vertrag von 812. Aber für die Begründung der amicitia zwischen Pippin und Konstantin V. hat es einen solchen anscheinend nicht gegeben. Es scheint höchst unwahrscheinlich, daß die fränkischen Quellen den Abschluß eines pactum oder foedus nicht berichtet hätten. Ein solcher war danach nicht Voraussetzung einer amicitia. Sie füllt konkreten Frieden und steht in enger Wechselwirkung mit caritas/dilectio/amor und concordia. Sie erfaßt das Verhältnis zwischen den Partnern in vielfältiger Weise und ermöglicht die friedliche Behandlung weltlicher wie spirituell-religiöser Fragen und Probleme.

14 15

Ann. Bertinani ad a. 839. MGH LL III, Conc. II/I/2, S. 475–480, dt. Anhang Nr. 4.

Amicitia mit den Päpsten

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I II . A mi ci ti a mi t d en P äp s ten a. Fränkische Quellen Die fränkischen Annalen bezeichnen die Verbindung der karolingischen Könige bzw. Kaiser bis zum Herrschaftsantritt Ludwigs des Frommen nicht mit dem Begriff amicitia. Karl der Große nannte zwar den verstorbenen Papst Hadrian I. seinen fidelissimus amicus, verwendete aber den Begriff amicitia nicht. Gegenüber dessen Nachfolger Leo III. brachte er nur den Wunsch zum Ausdruck, das mit Hadrian I. bestehende eiusdem fidei et caritatis inviolabile foedus fortzusetzen.16 Jedoch beschrieb Alcuin das Verhältnis Karls zu Hadrian als amicitia. Er übermittelte in einem Brief an die englischen Bischöfe nach dem Tode des Papstes die Bitte Karls des Großen um Gebete für sich selbst und die Festigkeit seines Königreiches, für die Ausdehnung des Namens Christi auf der Erde und für die Seele Hadrians quia fides amicitiae erga defunctum maxime probatur amicum.17 Diese Gebetsbitte Karls fließt danach aus der amicitia. In den Reichsannalen wird erstmals in dem Bericht über den Besuch Stephans IV. bei Ludwig dem Frommen im Jahre 816 in Reims das Verhältnis eines karolingischen Herrschers zu einem Papst als amicitia bezeichnet. Nach der gemeinsamen Messe mit der Befestigungskrönung des Kaisers durch den Papst wurden Geschenke ausgetauscht und Gastmähler gehalten et amicitia vicissim firmissimo robore constituta alliisque utilitatibus sanctae Dei ecclesiae pro temporis opportunitate dispositis ...18 Diese Regelung der kirchlichen Angelegenheiten schlug sich nieder im Pactum Hludovicianum, das für einen neu gewählten und geweihten Papst die Bestimmung enthält: Et cum consecrates fuerit, legati ad nos vel ad successores nostris reges Francorum dirigantur, qui inter nos et illos amicitiam et caritatem ac pacem socient, sicut temporibus pie recordationis domni Karoli attavi nostri, seu domni Pippini avi nostri, vel etiam domni Karoli imperatoris genetoris nostri consuetudo erat faciendi.19 Es wurde zwar auf Bitten des Nachfolgers des alsbald nach seinem Besuch bei Ludwig verstorbenen Stephan IV., Paschalis, bestätigt; aber der Bericht der Reichsannalen verwendet den Begriff amicitia nicht. Jedoch spricht der Anonymus im nachhinein in seiner Vita Hludowici von einer confirmatio pacti et amicitiae.20 Er ergänzt insoweit den Text der Annalen, an die er sich sonst weitgehend in seiner Darstellung anlehnt, wahrscheinlich auf Grund des Textes des ihm bekannten Pactum Hludovicianum. Da das Pactum Hludovicianum ein Rechtsinstrument ist, bedeutet die Verwendung dieses Begriffs an zentraler Stelle, nämlich der Festlegung einer Rechtspflicht des Papstes gegenüber dem Kaiser, daß es sich bei dem Begriff amicitia um einen offiziellen Begriff für diese Verbindung und in der Sache um ein bestimmtes Rechtsinstitut zur Regelung von Zwischen-Mächte-Verbindungen handelt. Die Verwendung auch in der 16 17 18 19

20

Alcuini epp., Nr. 93, MGH Epp. IV, S. 136, 137, Z. 28. Alcuini epp., Nr. 104, MGH Epp. IV, S. 150, Z. 25. Ann. regni Franc. ad a. 816, S. 144, dazu Noble, Republic, S. 299f. MGH LL II, Capit. I, Nr. 172, S. 354, Z. 49, S. 355, Z. 1–3; dt. Anhang Nr. 16. Der Fälschungsverdacht wird insoweit jedenfalls heute nicht mehr aufrechterhalten, Fritze, Papst, S. 17, mit Nachweisen in der älteren Literatur. Ann. regni Franc. ad a. 817; Vita Hludowici, c. 27.

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Amicitia

schriftstellerischen Quelle ist daher nicht beliebig, sondern soll mit eben diesem offiziellen Begriff eine sachgemäße rechtliche Erfassung der Verbindung geben. Die amicitia sollte inter nos et illos geschlossen werden. Mit nos dürften die Nachfolger des Kaisers und die Franken, mit illos der Nachfolger des Papstes und die Römer gemeint sein; denn die Wahl sollte von den Römern vorgenommen werden. Trotzdem taucht der Begriff nach 817 in fränkischen Quellen nicht mehr für das Verhältnis zwischen dem Kaiser und einem Papst auf.

b. Päpstliche Quellen – amicitia mit den Karolingern Auch in den zahlreichen päpstlichen Briefen an die karolingischen Herrscher wurden zwar stets die spirituell-christlichen Begriffe caritas, fides, dilectio und amor für die Charakterisierung des Verhältnisses verwendet, selten aber der Begriff amicitia.21 Papst Paul I. bezeichnet, soweit zu sehen, nur einmal das Verhältnis zu Pippin ausdrücklich als amicitia. Er äußert in einem Brief an Pippin seinen Wunsch in ea caritate atque amicitia permanere.22 Der Brief war eine Antwort auf zwei Schreiben Pippins. Ein konkreter politischer Anlaß scheint ihm nicht vorauf gegangen zu sein. So enthält er auch kein konkretes Hilfeersuchen gegen die Langobarden oder ähnliches, jedoch wird allgemein von der Verteidiger- und Schutzaufgabe Pippins für die Kirche einerseits und von den Gebeten des Papstes und des römischen Volkes für Pippin andererseits gesprochen. Der Papst übersandte dem König zudem griechische Bücher für den Gottesdienst, aber auch über Grammatik von Aristoteles, sowie Geometrie, Orthographie und Grammatik von Dionysios Aeropagita und eine horologium nocturnum, also wiederum kostbare Geschenke. Andere Briefe enthalten jedoch konkrete Aussagen der Freundschaft. So hebt der Papst ausdrücklich hervor, daß er die Freunde Pippins, vestros amicos, auch als Freunde und treue Gläubige für sich und die Kirche anerkenne und andererseits Pippins Feinde, inimicos vestris, als Feinde der Kirche und auch seiner selbst betrachte, quia vestri amici sanctae Dei ecclesie et nostri existunt et hi, qui inicimitas contra vos machinantur, profecto inimici sanctae Dei ecclesiae et nostri esse conprobantur.23 Konstantin II., der angeblich nicht kanonisch gewählte und daher alsbald wieder abgesetzte erste Nachfolger Pauls I., bat in seiner Wahlanzeige Pippin, quod beato Petro polliciti estis, simulque et caritatem atque amicitiam, quam cum beatae recordationiis domno Stephano ,…, vel eius germano, predecessoribus nostris, habuistis, omnimodo recordare et conservare iubeatis.24 In einem zweiten Brief forderte er den fränkischen König auf, seine Versprechen gegenüber dem hl. Petrus zu erfüllen, et in caritate ac dilectione, qua cum nostris predecessoribus ... permansistis, nobiscum permanere iubeatis et in eadem amicitiae connexione cum mea fragilitate persistere ...25

21 22 23 24 25

Noble, Republic zählt 26 Stellen auf, die diese Begriffe verwenden. Codex Carolinus, Nr. 24, MGH Epp. III, S. 527, 528, Z. 37. Codex Carolinus, Nr. 29, MGH Epp. III, S. 533, S. 534, Z. 31 ff. Codex Carolinus, Nr. 98, MGH Epp. III, S. 649, Z. 23ff. Codex Carolinus, Nr. 99, MGH Epp. III, S. 650, 652, Z. 4ff.

Amicitia mit den Päpsten

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Hervorzuheben ist der Mahnbrief Stephans III., des zweiten, nunmehr kanonisch gewählten Nachfolgers Pauls I., um 770 an die Brüder Karl und Karlmann. Denn er formulierte dort eine fundamentale strukturelle Bedingung der Verbindung der amicitia mit den fränkischen Herrschern. Nam et illud excellentium vestram oportet meminere ita vos beato Petro et praefato vicarius eius vel eius successoribus spopondisse, se amicis nostris amicos esse et se inimicis inimicos; sicut et nos in eadem sponsione firmiter dinoscimur permanere.26 Der Papst wollte, wie dargelegt, verhindern, daß einer der beiden fränkischen Könige eine Tochter seines „Feindes“, des Langobardenkönigs Desiderius heiratete, da dieser ihn immer wieder bedrückte. Er sah darin also eine Verletzung der Pflichten aus der amicitia, caritas oder dilectio. Schließlich verwandte auch Hadrian I. den Begriff einmal in einem Brief an Karl den Großen. Er betonte zunächst das caritatis vinculum und die dilectionis concordia zwischen ihnen quia Deo teste dicimus, a quo cum vestram mellifluam christianitatem in alterno amicitiae amore colligati summus.27

c. Päpstliche Quellen – amicitia zwischen anderen Herrschern Die Päpste verwandten amicitia auch für das Verhältnis zwischen anderen Herrschern. Bereits Gregor III. hatte Karl Martell um Hilfe gegen die Langobarden gebeten. Karl verweigerte sie u. a. unter Berufung auf seine Bindung an die Langobarden. Gregor nun beschwor Karl ut non proponas amicitiam regum Langobardorum amori principis apostolorum.28 Ob der Papst den fränkischen Hausmeier damit zum Bruch der amicitia wegen der Liebe zum Apostelfürsten auffordern wollte, muß offen bleiben. Merkwürdig ist diese Stelle jedoch. Paul I. forderte Pippin in einem Brief auf, den er allerdings nur zum Schein geschrieben hatte, mit dem Langobardenkönig pacis foedera cum eo confirmare et in magna amicitia cum eo conservari.29 Er solle ihm die Geiseln zurückgeben. Solche sind offenbar mit einem Freundschaftsbund nicht vereinbar. Sie verletzen die caritas und die Gleichstellung. Schließlich berichtet Hadrian I. in einem Brief an Karl den Großen, die beneventinischen Langobarden und süditalienischen Griechen ipsa familia et amicitia fecerunt.30 In diesen Stellen wird von caritas und dilectio nicht gesprochen.

d. Ergebnisse Da sowohl in fränkischen als auch in päpstlichen Quellen das Verhältnis zwischen den fränkischen Herrschern und den Päpsten als amicitia bezeichnet wird, liegt es nahe anzunehmen, daß die amicitia von beiden Seiten als ein Institut mit gemeinsamen In26

27 28 29

30

Codex Carolinus, Nr. 45, MGH Epp. III, S. 560, 562, Z. 3ff.; dt. Anhang Nr. 10; oben S. 164f. Codex Carolinus, Nr. 56, MGH Epp. III, S. 580, Z. 24. Codex Carolinus, Nr. 2, MGH Epp. III, S. 477, S. 479, Z. 1. Codex Carolinus, Nr. 16, MGH Epp. III, S. 514, Z. 1, daß es sich um eine Scheinaufforderung handelt, ergibt sich aus dem folgenden Brief, Nr. 17, ibid., S. 517, Z. 13ff. Codex Carolinus, Nr. 59, MGH Epp. III, S. 585, Z. 13.

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halt für die Ordnung der Beziehungen zwischen verschiedenen Mächten angesehen und praktiziert wurde. Zwar überrascht es, daß die fränkischen und päpstlichen Quellen den Begriff amicitia für das Verhältnis zwischen fränkischen Herrschern und Päpsten relativ selten und vor allem nicht durchgehend und gleichmäßig in allen Quellen verwenden. Jedoch kann aus der Darstellung der Annalen ab 816, wie vor allem aus dem Text des Pactum Hludovicianum geschlossen werden, daß es sich, wie die Forschung heute allgemein annimmt, seit Pippin und Stephan II. bei dem Verhältnis der fränkischen Herrscher zu den Päpsten um eine amicitia gehandelt hat. Es ergeben sich aus dieser Übersicht weitere Einsichten in die Strukturen und Elemente der amicitia. Sie besteht zwischen den beiden Personen König und Papst, ist also eine personale Beziehung, wenn sie auch Franken und Römer einschließt. Sie beruht auf einer gegenseitigen Vereinbarung, wenn auch unbestimmter Form. Sie steht in dieser Beziehung wohl in Verbindung mit dem pactum von 754. Beide werden jedoch unterschieden. Eine amicitia kann mit Nachfolgern der Partner eines Freundschaftsbundes fortgesetzt werden. Die amicitia steht in enger inhaltlicher Verbindung mit caritas/dilectio/amor und concordia sowie unanimitas. Sie erfüllen das Freundschaftsverhältnis wohl auch dann, wenn eine textliche Verbindung mit amicitia nicht ausdrücklich gegeben ist. Diese amicitia zwischen Königen und Päpsten ist zunächst und zentral eine spirituell-religiöse Verbindung. Sie erfaßt jedoch das Verhältnis zwischen den Partnern in umfassender Weise und wird daher vielfältig gemäß den anfallenden spirituell-religiös-kirchlichen wie weltlichen Problemen und Bedürfnissen zwischen den Partnern wirksam. Sie ist also nicht auf ein Bündnis, gar militärischer Art festgelegt. Die Formulierung Stephans III. wird als umfassendster Ausdruck des grundlegenden Gehaltes einer amicitia angesehen, sogar als die Formulierung des Versprechens selbst.31 Sie bedeutet, daß der Freund sich alles dessen zu enthalten habe, was den Freund in irgendeiner Weise zu beeinträchtigen vermöchte, ein sehr breites Spektrum, wie der Anwendungsfall zeigt. Es gibt in bezug auf den Freund keine Neutralität, schon gar nicht eine Verbindung irgendwelcher Art mit dessen Feind. In den Briefen werden andererseits die gegenseitigen positiven Pflichten aus der amicitia, der caritas und dilectio recht eindeutig beschrieben, indem entsprechende Forderungen gestellt und eigene Leistungen erbracht bzw. angekündigt werden. Dazu gehört jetzt auch kriegerisches Vorgehen der karolingischen Herrscher gegen die Feinde der Päpste, zunächst gegen die Langobarden, später auch gegen Griechen und Beneventaner einerseits, und andererseits das Gebet des Papstes und der Gemeinde für die Herrscher und die Franken.32 Deutlich tritt der Rechtscharakter der amicitia hervor, vor allem in der Bestimmung des Pactum Hludovicianum, durch die deren Erneuerung durch den neugewählten Papst rechtlich geboten wurde. Das läßt den Rückschluß zu, daß Karl der Große in dem Brief an Leo III. mit der Wendung eiusdem fidei et caritatis inviolabile foedus dasselbe wie eine amicitia gemeint hat. 31 32

Drabek, Verträge, S. 91 mit Kritik an diesen Auffassungen. Dazu oben S. 160f.

Amicitia mit anderen Herrschern

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IV. Am ic it ia mi t an d er en H er r s ch er n a. Offa von Mercien Auf die amicitia Karls mit Offa von Mercien, vor allem die von Karl in seinem Brief benutzte Formulierung, ist schon mehrfach eingegangen und ihre Verallgemeinerungsfähigkeit für die Beziehungen zwischen Herrschern betont worden.33 Die eigenartige Verbindung von amicitia mit iura, unanimitas, caritas, pactum und foedus bringt die Komplexität und Vielfältigkeit einer amicitia in besonders eindringlicher Weise zum Ausdruck. Es war das Anliegen Karls, wie er ausdrücklich betonte, das alte überkommene pactum, das foedus zwischen ihm und Offa, wieder zum Blühen und Fruchten zu bringen. Daher geht er im Verlauf des Briefes auf praktische Probleme der Pilger und Kaufleute, der mercischen Exilanten in Franken und Sachfragen anderer Art ein. Auch übersandte der Frankenherrscher Geschenke aus dem Awarenschatz für die Bischöfe und für Offa sowie schwarze Steine und bat um die Preisung Christi sowie Gebete für seinen amicus carissimus, den gerade verstorbenen Papst Hadrian, für sich und seine Getreuen. Einhards Charakterisierung der Beziehung zu den „schottischen Königen“, worunter aber wohl die angelsächsischen Herrscher zu verstehen sind, durch den Begriff amicitia, verbleibt demgegenüber auf einer allgemeinen Ebene.34 Bemerkenswert ist, daß Einhard nicht von Gegenseitigkeit der Freundschaft, sondern nur von einer Bindung der Könige an Karl den Großen spricht. Damit wird eine andere Struktur als in der Kennzeichnung der Freundschaftsverhältnisse zwischen den fränkischen Herrschern mit den Päpsten, den oströmischen Kaisern, aber nach Karls Sicht auch mit Offa angedeutet, nämlich ein Verhältnis der Abhängigkeit. Zwar bestehen, wie bereits dargelegt, erhebliche Zweifel, ob Einhard das Verhältnis zutreffend erfaßte, es nicht vielmehr zugunsten Karls zurechtbog. Jedoch zeigt er ein zweites Verständnis des Begriffs amicitia gegenüber den bisher dargestellten Verwendungen, die alle Gleichrang implizieren, auf.

b. Alfons II. von Asturien Dieses engere, einseitige Verständnis liegt offenbar auch Einhards Darstellung der Beziehung des asturischen Königs Alfons II. zu Karl dem Großen zugrunde, indem er ihn einerseits in die Reihe derjenigen einordnet, die Karl der Große in einer amicitia an sich gebunden habe, andererseits von ihm sagt, er habe sich als Karls Eigenmann bezeichnet.35 Auch hier bestehen jedoch, wie bereits dargelegt, erhebliche Zweifel an Einhards Darstellung.

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Oben S. 1, dt. Anhang Nr. 1. Einhard, Vita Caroli, c. 16. Einhard, Vita Caroli, c. 16.

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c. Harun al-Rashid Die Qualifizierung der Beziehungen Karls und Haruns als amicitia durch Einhard ist in doppelter Weise bemerkenswert.36 632 hatte der Gesandte Dagoberts I. Sycharius dem Mährenherrscher Samos erklärt: Non est possebelem, ut christiani et Dei servi cum canebus amicicius conlocare possint, und damit den Wunsch des Samos nach oder die Aufforderung zum Abschluß einer amicitia zurückgewiesen.37 Zudem rühmt Einhard die amicitia und concordia Karls mit Harun al-Rashid in besonderer Weise. Harun habe Karl allen anderen vorgezogen und besonders geehrt. Die Beziehungen haben nach Einhard auch den sehr konkreten Inhalt, die Christen unter Haruns Herrschaft zu schützen, die ansässigen wie die Pilger, insbesondere in Jerusalem und an anderen heiligen Orten.38 Dieses Bemühen war nach Einhards Auffassung auch von Erfolg gewesen. Denn Harun habe Gesandte Karls, die dieser zum hl. Grab gesandt habe, empfangen und non solum quae petebantur fieri permisit, sed itam sacrum illum et salutarem locum, ut illius potestatem adscriberetur. Das entspricht zwar nicht den Tatsachen, soll aber die hohe Bedeutung dieser amicitia in den Augen Einhards anzeigen. Es könnte aber bedeuten, daß Harun den Christen für die heiligen Stätten eine gewisse Freiheit der Religionsausübung einräumte. Jedenfalls zeigten die mehrfachen Entsendungen eigener Gesandter an Karl mit kostbaren Geschenken, vor allem dem Elefanten Abulabaz, dem fränkischen Autor, daß von Seiten Haruns ein engeres Verhältnis gewollt war, für das der Begriff amicitia aus seiner Sicht am angemessensten schien. 39 Zweifelhaft erscheint in diesem Gesamtkontext der Darstellung Einhards jedoch die These von Wielers, dieser habe auch für das Verhältnis Karls des Großen zu Harun al-Rashid mit dem Begriff der amicitia ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis anklingen lassen wollen.40

d. Dänische Herrscher Ein Bericht der Annalen über eine Gesandtschaft des dänischen Königs an Ludwig den Frommen aus dem Jahre 836 deutet das Bestehen einer amicitia zwischen dem dänischen König und dem Kaiser an. Der dänische König Horich habe nach einem Einfall von Normannen auf Reichsgebiet Gesandte an Ludwig den Frommen amicitiae et oboedientiae conditiones mandans geschickt. Auf die innere Widersprüchlichkeit dieser Formulierung wurde bereits hingewiesen.41 Aber der Annalist hielt die Verknüpfung von amicitia mit Gehorsam und damit eine auf Abhängigkeit gerichtete Struktur offenbar für möglich. Hingegen stehen die gleichzeitige Forderung des Königs nach Genugtuung für in Köln erschlagene eigene Gesandte und ihre Gewährung durch Ludwig durchaus in der Linie einer amicitia.

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Einhard, Vita Caroli, c. 16. Fred. Chron. IV, 68, S. 154, Z. 32f. Einhard, Vita Caroli, c. 27. Ann. regni Franc. ad a. 802, auch oben S. 234ff. Wielers, Beziehungsformen, S. 89 f. Ann. Bertiniani, ad a. 836.

Amicitia mit anderen Herrschern

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Als 839 wieder Normannen fränkisches Gebiet in Friesland angegriffen hatten, schickte Horich erneut Gesandte mit Geschenken, pacis amicitiae que arctius stabiliusque gratia confirmandae.42 Der Annalist bringt amicitia diesmal ausdrücklich in Zusammenhang mit pax. Jedoch fehlt in der dänischen Formulierung einerseits die Bitte um Bestätigung eines pactum, ein solches bestand auch nicht, sowie anderseits der zentrale Begriff caritas. In Bezug auf die noch heidnischen Dänen scheint dem Autor dieser christliche Begriff wohl nicht passend gewesen zu sein.43 Offenbar fühlte sich Horich in beiden Fällen zu den Gesandtschaften veranlaßt, weil er fürchtete, für Normanneneinfälle auf Reichsgebiet verantwortlich gemacht zu werden. Ludwig hätte diese als Kriegsgrund ansehen können. Denn das wäre ein mit einer amicitia nicht vereinbares feindliches Handeln. So war beide Male der eigentliche Zweck der Gesandtschaften, jede Verantwortung für den Normanneneinfall zurückzuweisen. Ob wirklich eine amicitia zwischen Ludwig und Horich bestanden hat oder nur der Annalist das Verhältnis als eine solche dargestellt hat, muß und darf offen blieben. Er hat es sich jedenfalls als eine solche vorgestellt und die Handlungen der Beteiligten in ein solches eingefügt.

e. Weitere Verwendungen Das gilt auch für weitere Verwendungen des Begriffs in den Annalen für Verbindungen zwischen Dritten. So bezeichnen die Reichsannalen eine Vereinbarung zwischen dem Abodritenfürst Sclaomir und den Söhnen des Dänenkönigs Godofrid, die beidseitig Heiden waren, im Jahr 817 als amicitia. Die Dänen sandten im Vollzug dieser amicitia ein Heer nach Sachsen und eine Flotte die Elbe hinauf, begannen also Krieg gegen die Franken.44 Amicitia bezeichnet hier eindeutig ein militärisches Bündnis.

f. Ergebnisse Die bisher gewonnenen Ergebnisse werden auch in diesen Darstellungen von Freundschaften mit anderen christlichen wie nicht-christlichen Herrschern bestätigt. Hervorzuheben ist, daß einerseits zu der amicitia iura gehören und daß sie zum anderen mit caritatis concordia verknüpft wird, sie also beides in sich enthält. Neu ist, daß eine amicitia auch mit Heiden eingegangen werden kann. Auch die Vorstellung Einhards und der Annalen, daß die Beziehungen innerhalb einer amicitia ungleichgewichtig sein können, weicht vom bisherigen Bild ab. Das Spektrum ihrer Inhalte wird ebenfalls erweitert. Die militärische Seite tritt jedenfalls einmal hervor. Auch werden die positiven Folgen für die Menschen, vor allem Kaufleute und Pilger, konkreter sichtbar. Allerdings ist nicht immer eindeutig klar, ob diese aus der amicitia als solcher oder aus einem besonderen pactum oder foedus folgen. Mit Harun bestand gar kein pactum, so 42 43

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Ann. Bertiniani, ad a. 839. Vorhergehende Missionsbemühungen des Erzbischofs Ebo von Reims waren nicht erfolgreich gewesen. Ann. regni Franc. ad a. 817.

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daß sie dort nur aus der amicitia folgen konnten. Allerdings muß offen bleiben, wie Harun selbst das Verhältnis einordnete. Die Übersendung von Geschenken steht jedoch im Rahmen einer Freundschaft.

V. R ö mi sc h -b y z an ti n i s ch e a mi c i ti a a. Anknüpfung In der heutigen wissenschaftlichen Diskussion um die amicitia im frühen Mittelalter nimmt allgemein ihr Verhältnis zur römisch-rechtlichen amicitia einen zentralen Platz ein.45 Deckt das Wort in unserer Epoche denselben Begriffsinhalt, wird auf die römisch-rechtliche Begrifflichkeit zurückgegriffen? Diese hat jedoch selbst von der republikanischen in die kaiserliche und byzantinische Zeit auf Grund der politischen Entwicklung von der Republik neben anderen Mächten in Latium in Italien zum Weltreich einen nicht unerheblichen Wandel durchgemacht.46 Der römisch-rechtliche Begriff der amicitia begegnete den Franken in der Praxis in seiner byzantinischen Ausprägung und Politik, z. B. in der amicitia, die Kaiser Mauricius dem Merowingerkönig Childebert II. anbot. Der Streit um die römisch-republikanische amicitia kann daher hier dahingestellt bleiben.47

b. Amicitia Mauricius – Childebert II. Ein wichtiges Zeugnis für das byzantinische Verständnis der amicitia ist der Mahnbrief des Kaisers Mauricius an Childebert II., et mirum nobis videtur, si, rectam habere mentem atque priscam gentis Francorum et dicioni Romanae unitatem esse comprobatam adfirmans, nihil operis usque adhuc amicitiae congruum eminentia tua ostendens visa est: dum in scriptis pollicita atque per sacerdotis firmata et terribilis iuramentis roborata, tanto tempore excesso, nullum effectum perceperunt.48 Der Kaiser forderte: Et optamus, vos, si amicitiam nostram appetere desideratis, solle er nicht nur schöne Worte machen, sed enarrata viriliter, ..., peragere atque similiter nostram piam benevolentiam expectare... Der Brief schließt Non enim pro inimicitia memorate conventionis a nobis factae sunt, sed ut amicitia firma et inlibata permaneat. Die Formulierungen dieses Briefes bringen eine rechtliche Überlegenheit des Kaisers gegenüber dem fränkischen König zum Ausdruck. Zwar hebt er zweimal die unitas zwischen der gens Francorum und nostra respublica hervor. Aber diese Einheit 45

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Z. B. Wielers, Beziehungsformen, S. 81ff.; Paradisi, L’amicitia 2, S. 363; Epp, Amicitia S. 186 nennt 16 Quellenpassagen einer amicitia mit Byzanz als Partner, 13 für Franken und 3 für die Ostgoten. Es handelte sich in allen Fällen um Bündnisse. Dazu vor allem Paradisi, L‘amicitia 1, passim, sowie L‘amicitia 2, S. 339 ff. Oben S. 653, Anm. 3. Der Brief liegt in lateinischer Sprache, nicht in griechischer Sprache vor. Epp. Austrasicae, Nr. 42, MGH Epp. III, S. 148; oben Teil III, 6. Kapitel, S. 436ff. Zu dem byzantinisch-fränkischen Verhältnis, das schon in die Zeit Chlodwigs zurückging und von seinem Enkel Theudebert als amicitia bezeichnet worden war, eingehend Epp, Amicitia, S. 202ff.

Römisch-byzantinische amicitia

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wird zum einen durch den Unterschied der „Staatsbezeichnungen“ gens, und nicht regnum, und respublica und zum anderen durch die Formel et dicioni Romanae unitatem esse conprobatam adfirmans als ein ungleiches Verhältnis charakterisiert. Childebert stand nach oströmischer Auffassung in einem Abhängigkeitsverhältnis. Es scheint nicht klar, ob die amicitia ein zweiseitiges Verhältnis oder ein einseitiger Hulderweis des Kaisers gegenüber Childebert ist. Darauf deutet die Wendung amicitiam nostram und der Zusammenhang mit der benevolentia des Kaisers für Childebert hin. Sie hätte dann keinen rechtlichen Charakter, sondern eher den kaiserlicher Zuwendung, des Wohlwollens, des Dankes für die Erfüllung der Pflichten, der Huld.49 Anderseits beklagte Mauricius, daß nichts operis ... amicitiae congruum, d. h. von der Erfüllung der übernommenen Pflichten, zu sehen sei.50 Diese Pflichten oder doch die von dem Kaiser von Childebert erwarteten Taten leiten sich danach aus der „Freundschaft“ ab. Amicitia verbindet sich in oströmischer oder byzantinischer Sicht jedenfalls gegenüber germanischen Herrschern mit kaiserlicher Huld durch die Verbindung mit benevolentia, aber auch mit Oberhoheit durch die Verbindung mit dicio. Childebert II. vermied hingegen den Begriff amicitia in seiner Korrespondenz mit Mauricius. Er benutzte den Begriff foedus, bediente sich jedoch der üblichen Anrede pater, wohl aus zeremoniellen Gründen, nicht weil er sich als dem Kaiser untergeordnet ansah.51 Auch in verschiedenen Schreiben an Würdenträger in Konstantinopel, in denen er ihnen eine Gesandtschaft an den Kaiser des Friedens wegen ankündigte und um Unterstützung für die angestrebte Verbindung pro utilitate communi und Frieden bat, taucht der Begriff amicitia nicht auf.52 Daraus kann geschlossen werden, daß er eine solche wegen dieses Charakters der Abhängigkeit nicht wollte. Statt dessen benutzte Childebert II. in seinen Briefen für die angestrebte Vereinbarung andere Formulierungen und Begriffe quod utrisque partibus, propitiante Domino, profisat communiter saluberimme foederatis, oder intra utramque gentem quae paci conveniunt , ... , quatenus, qui in vobis vestrisque societatem caritatis inlaesae requirimus, recipiamus in responsis de foederatis utrisque partibus, quod optamus. Er drückte seinerseits somit eine Vorstellung von Gleichheit der beiden Seiten aus.53 Der Begriff caritas wird von ihm mehrfach verwendet. Bei Mauricius fehlt er hingegen. Jedoch antwortete die Königin Brunichilde, die Mutter Childeberts II., 584, also zeitlich vor dem Brief des Kaisers an Childebert, auf einen Brief der Kaiserin Anastasia Tranquillitatis vestrae supereminens dignitas, quae cursu prosperitatis vos estulit, rempublicam felicissime regere, hortatatur nos, efficaciter si Christi dictum placuerit amicitiarum foedere propagare, daß sie Gesandte an den Kaiser und sie schicke quod utrisque gentibus pacis gratia sociata proficiat partibus, quas pariter sinceros praestante

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So Wielers, Beziehungsformen, S. 30. Wielers, Beziehungsformen, S. 29 meint, daß beide Seiten geschworen haben. Der Text sagt nur etwas von Eiden der Priester, aber wessen? Epp, Amicitia, S. 178 geht wohl von einer zweiseitigen amicitia aus. Epp. Aust., Nr. 25, MGH Epp. III, S. 138; Wielers, Beziehungsformen, S. 30. Epp. Aust., Nr. 31–39, MGH Epp. III, S. 141ff. So heißt es ut utramque gentem copulata caritate, oder auch ut utramque gentem pacis, Epp. Aus. Nr. 34 und 35, MGH Epp. III, S. 14,3 Z. 5f. und 19f.

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Christo nectit affectus.54 Sie verbindet foedus und amicitia in einem Begriff, also nicht nebeneinander, setzt jedoch auch societas. Zudem betont sie die Gleichheit. Es ist daher zweifelhaft, ob eine Übereinstimmung über Begriff und Bedeutung einer amicitia zwischen beiden Partnern vorlag. Auf eine römisch-byzantinische amicitia könnte sich auch ein Bericht Gregors von Tours beziehen. Danach kamen christliche Armenier zu Kaiser Justinus und baten um dessen Freundschaft, weil sie mit dem persischen Herrscher wegen ihres Glaubens verfeindet seien, also wohl Schutz vor einer religiösen Verfolgung in Byzanz suchten.55 Ad Justinum autem imperatorem Persi-Armeni cum magno syrici intexti pondere venerunt, petentes amicitias eius atque narrantis, se imperatorem Persarum esse infensus. Sie erbaten die amicitias. D. h. in diesem Fall eindeutig, daß sie sich dem byzantinischen Kaiser um dieses Schutzes willen unterwarfen. Schulz bringt die amicitiae oströmischer Kaiser und germanischer Könige im 4. Jahrhundert in engeren Zusammenhang mit den sich neu bestimmenden Verhältnissen zwischen Byzanz und den germanischen Völkern und insbesondere ihren Führern. Einerseits seien viele von ihnen auch byzantinische Heerführer geworden, und andererseits seien die dabei geleisteten Eide von ihnen vielfach als Gefolgschaftseide verstanden worden.56 Eine römisch-byzantinische amicitia wurde, wie Epp in der Analyse konkreter Verhältnisse gezeigt hat, generell als eine Art der Begründung oder jedenfalls der Behauptung eines Unterordnungs- oder Abhängigkeitsverhältnisses durch Byzanz eingesetzt, auch wenn es der Realität nicht mehr entsprach.57 Nach ihrer Auffassung versuchten Theoderich, aber auch die Burgunder und Franken, ähnlich vorzugehen.58 Sie spricht daher von einem immanenten Widerspruch der Zielvorstellungen über eine amicitia zwischen verschiedenen politischen Mächten im 5. bis 7. Jahrhundert, da sie einerseits dem Frieden, andererseits der Ausdehnung der eigenen Einflußsphäre habe dienen sollen.59 Sie hebt zudem den missionarischen Charakter einer amicitia Verbindung besonders hervor. Er wird als ein besonderes Kennzeichen dieser Zeit der völligen geistig-religiösen wie politischen Neuorientierung anzusehen sein. Epp zeigt den engen, aber hochkomplexen Zusammenhang dieser beiden Dimensionen auf, der auch in unserer Epoche fortbesteht.

c. Paradisis Ansatz Paradisis Analysen zur amicitia im Mittelalter erörtern drei Dimensionen, den byzantinischen Gebrauch der amicitia, die amicitia als eine allgemeine Erscheinung auch mit und zwischen den „barbarischen Staaten“, d. h. den germanischen Mächten und Herrschern, und ihre vertraglichen Gestaltungen. Die Ergebnisse der sehr ausführlichen, 54 55 56 57 58 59

Epp. Aus., Nr. 30, MGH Epp. III, S. 141. Gregor v. Tours, Historiarum Franc. IV, c. 40. Schulz, Entwicklung, S. 160. Epp, Amicitia, S. 190ff. ibid., S. 191 und 201ff. ibid., S. 229 ff.

Römisch-byzantinische amicitia

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aber leider nicht sehr übersichtlich gegliederten, fast ausschließlich auf byzantinischen Quellen beruhenden und in manchem eher spekulativen Darlegungen können wie folgt zusammengefaßt werden. In der byzantinischen Epoche ist die amicitia auf der Grundlage der römischen amicitia wieder das Fundament der rechtlichen Beziehungen zwischen den „Staaten“ geworden. Paradisi sieht vor allem eine Erneuerung der amicitia populi romani. Jedoch bestand ein grundlegender Unterschied: „che da fondamento di tali relazioni fra due Stati essa divenne un concetto universale ed espresse la superiore unità nella quale tutti gli Stati si raccoglievano“.60 Sie beruhte auf der Erfahrung des Römischen Reiches und seiner Einheit. Hinzutrat aber auch die christliche Grundlegung, die insbesondere durch den Begriff concordia ausgedrückt wurde.61 Die amicitia bildete eine persönliche Verbindung der Herrscher, regnanti. In der Terminologie wurde eine enge Verknüpfung mit Termini einer Verwandtschaft, insbesondere der Beziehungen von Vaterschaft und Kindschaft hergestellt, die die byzantinischen Kaiser ins Geistige wendeten. So entstand das Konzept einer hierarchisch geordneten Familie der Könige, in deren Zentrum das byzantinische Reich sich selbst sah.62 Alle Fürsten in der geistigen Familie des Kaisers standen als Herrscher in der Beziehung einer amicitia mit diesem. Die amicitia wurde aber durch die Herstellung realer Verwandtschaft durch Adoption und eheliche Verbindungen vertieft. Zwar waren Ehen zwischen Mitgliedern der kaiserlichen Familie mit Angehörigen anderer Dynastien nicht nur in unserer Epoche politisch problematisch. Jedoch bildete gerade die Eheschließung eine zusätzliche intime Dimension. Die Begründung einer amicitia scheint jedenfalls in früheren Zeiten einseitig vom Kaiser ausgegangen zu sein. Er verlieh oder gewährte die entsprechenden Titel, i.ü. nicht nur an Fürsten von Indien, Ägypten, Bulgarien und in Westeuropa, sondern auch an Botschafter.63 Jedoch hält Paradisi den Begriff mutua amicitia eher für einen Ausdruck der Ebenbürtigkeit als der Gegenseitigkeit, die seiner Meinung nach selbstverständlich ist. Die amicitia konkretisierte sich nach Paradisis Darlegungen allmählich in Verträgen und identifizierte sich mehr und mehr mit solchen. Vor allem entwickelte sie sich vertraglich immer mehr zur Allianz. Herausragendes Beispiel stellt auch für Paradisi das Verhältnis von Byzanz zu den Franken dar. Aus byzantinischer Sicht habe es sich auch nach seiner Auffassung um eine amicitia ineguale gehandelt, wohingegen es das Bestreben der merowingischen Könige gewesen sei, die Gleichheit der Beziehungen zu betonen.64 Paradisis Interpretation deckt sich somit mit der hier vorgetragenen.

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Paradisi, L’amicitia 2, S. 353. Paradisi zitiert einen Brief Cassiodors, den dieser im Namen Theoderichs des Großen 507 an den fränkischen König Chlodwig geschrieben habe, L’amicitia 2, S. 353. Cassiodor spricht allerdings von der concordia der gentes, was nicht mit Staaten übersetzt werden kann, sondern politisch organisierte Völker meint. Paradisi bezieht sich hier auf die entsprechenden Ausführungen Dölgers. Paradisi, L’amicitia 2, S. 359. Paradisi, L’amicitia 2, S. 382 ff. Er beruft sich auf den genannten Brief des Kaisers Mauricius an Childebert II.

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Nicht die Form, aber die Substanz der amicitia populi romani breitete sich auch im Westen mit und zwischen den „barbarischen“ Herrschern aus. Doch gelang es dort nicht, eine vergeistigte Verwandtschaft herzustellen. Denn es fehlte der byzantinische Symbolismus und Ritualismus. So bestand keine volle Entsprechung der Begriffe und Inhalte. Auch bei den „barabarischen“ Herrschern verdichtete sich die amicitia durch positive und präzisere Verpflichtungen, wie in dem Brief Karls des Großen an Offa mit den darin garantierten Rechten für Pilger und Kaufleute.

d. Kritische Würdigung Zwar versucht Paradisi zu belegen, u. a. durch Hinweis auf Briefe Theoderichs des Großen an westgotische und burgundische Könige, daß die internationale Tradition der amicitia populi romani auch im Westen Einfluß hatte. Jedoch ist eine Rezeption der römisch-byzantinischen Konzeption der amicitia, wie sie sich in dem Brief des Kaisers Mauricius an Childebert II. sowie in den Analysen Paradisis darstellt, in den fränkisch-karolingischen Quellen auszuschließen, wenn es auch Anlehnungen gegeben haben mag. Denn das römisch-byzantinische Konzept der Überlegenheit oder gar Überordnung der oströmischen Kaiser wurde, wie gerade Childeberts Briefe und ihre Terminologie zeigen, von den Franken schon zu seiner Zeit nicht akzeptiert, weshalb er den Begriff vermied.65 Zwar deutet sich auch bei Einhard ein Verständnis der amicitia i. S. eines Abhängigkeitsverhältnisses an. Aber andere Quellen unserer Epoche lassen deutlich eine Struktur der Gleichordnung erkennen. Deshalb wurde sie vereinbart und nicht einseitig gewährt. Vor allem aber folgt die amicitia der frühkarolingischen Zeit durch ihre Gründung in oder auf caritas/dilectio und der Verknüpfung mit concordia einem grundsätzlich umfassenderen Konzept. Die byzantinische amicitia ist zwar inhaltlich auch mehr als ein bloßes militärisches Bündnis. Aber sie scheint darin doch ihren Hauptzweck zu haben, jedenfalls im Verhältnis des Kaisers Mauricius mit dem merowingischen König Childebert II.66 Für die amicitia Ludwigs des Frommen mit den oströmischen Kaisern von Leon V. bis Theophilos trifft dies, wie gezeigt, gerade nicht zu. Ihre Inhalte liegen auf anderen Gebieten. Auch der Brief der beiden oströmischen Kaiser Michael II. und Theophilos an Ludwig den Frommen von 824 läßt trotz der eigentümlichen Herrschertitulatur für diesen nicht den Schluß zu, daß sie den von ihnen verwendeten Begriff amicitia in dem älteren byzantinischen Sinne verstehen. Die gesamten Umstände und Inhalte des Briefes machen vielmehr deutlich, daß sie nicht eine Huld gewähren, sondern eine gegenseitig gleichgeordnete Beziehung bestätigen, corroboramus.

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Epp, Amicitia, S. 193 sieht bei Isidor eine Unterscheidung zwischen amicitia als Verhältnis mit Autonomie und foedus als ein Abhängigkeitsverhältnis. Das galt aber wohl auch für andere byzantinische amicitiae, Epp, Amcitia, S. 186 ff.

Schwurfreundschaft

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V I. Sc h wu r fr eu n d s ch aft a. Ansatz Zwar wird der Begriff amicitia von Childebert II. für sein Verhältnis zu Mauricius vermieden. Aber für Verbindungen zwischen merowingischen Königen untereinander und mit anderen Königen werden die Begriffe amicitia, concordia oder fraternitas in merowingischen Quellen durchaus verwendet. Die Frage ist, ob und inwieweit diese Verwendung die der karolingischen Epoche prägt, u. U. mit dieser identisch ist. Dafür sprechen zwar sehr starke Argumente. Jedoch wird übersehen, daß, wie dargelegt, erst mit einer nicht unerheblichen Zeitunterbrechung der Begriff in den karolingischen Quellen auftaucht. Der Gebrauch des Begriffs amicitia für das Verhältnis Pippins zu Konstantin V. in der Fortsetzung der Fredegarchronik für 757 ist singulär und findet keine Entsprechung in den beiden Fassungen der Berichte der Reichsannalen zu diesem Vorgang. Dieser Befund spricht nicht gegen die Fortdauer der Tradition, muß aber bedacht werden. Der Begriff war offenbar den Autoren nicht so selbstverständlich, daß sie ihn in ihren Berichten ohne weiteres verwendeten. Zu bedenken ist auch, daß in manchen Fällen erst später verfaßte Quellen den Begriff für bestimmte Beziehungen einsetzen, nicht aber die näher an den Ereignissen verfaßten. In der Literatur wird die ältere amicitia mit der sogenannten fränkischen Schwurfreundschaft in enge Verbindung gebracht.67 Die lateinische Bezeichnung für dieses Institut war zwar in der Regel amicitia. Aber keineswegs wurde dieser lateinische Begriff in den merowingischen Quellen nur im Sinn einer Schwurfreundschaft verwandt. Andererseits gab es Schwurfreundschaft, für die der Begriff amicitia nicht gebraucht wurde, sondern fidem et caritatem promittere.68

b. Begriff, Begründung, Inhalt Die „fränkische Schwurfreundschaft“ stellte einen Bund zwischen Personen, u. a. zwischen Adligen, Bischöfen, aber auch fränkischen Königen untereinander dar. Daraus ergibt sich die Frage nach dem Verhältnis von Verwandtschaft und Schwurfreundschaft. Die Schwurfreundschaft wurde zwischen Gleichen geschlossen, schloß also Abhängigkeit oder Tributpflicht einer Seite aus, setzte gegebenenfalls deren Aufhebung voraus.69 Sie war auch gegenseitig. Die Partner waren einander Freund, nicht nur der eine der Freund des anderen wie im römischen amicus populi Romani. Die Schwurfreundschaft wurde „gemacht“, d. h. ausdrücklich durch ein Versprechen begründet. Sie beruhte auf Vertrag und stellte damit ein Rechtsverhältnis dar.70 67

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Fritze, Schwurfreundschaft, S. 90ff. Im folgenden werden nur die wesentlichen Forschungsergebnisse referiert, ohne ihre Ableitung und die zahlreichen Belege in den merowingischen Quellen, insbesondere den Fredegarchroniken und bei Gregor von Tours, Geschichte, mit anzuführen. Fritze, Schwurfreundschaft, S. 95ff.; Althoff, Verwandte, S. 90. So zwischen Franken und Langobarden, Fred. Schol. Cron. IV c. 45 (617); Fritze, Schwurfreundschaft, S. 93ff. Althoff, Verwandte, S. 92; Fritze, Schwurfreundschaft, S. 94.

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Das Versprechen war in der Regel ein eidliches Versprechen; aber das war nicht unabdingbar.71 Zum Zeremoniell gehörten Geschenketausch und Gastmähler, die nicht nur Beiwerk, sondern selbst Ausdruck der Freundschaft und ihrer Feier bildeten.72 Nicht ganz klar ist, ob die Schwurfreundschaft die Grundlage eines weiteren pactum bildete oder durch ein solches zustande kam. In der narratio des Vertrages von Andelot heißt es, die drei Partner caritatis studio convenissent, ut omnia quae undecum que inter ipsis scandalum poterat generare, pleniori consilio definirent, id inter eos, ..., caritates studio sedit, placuit atque convenit, ut, ..., fidem et caritatem puram et simplicem sibi debeant conservare.73 Danach folgen die inhaltlichen Bestimmungen des Vertrages mit den territorialen Teilungsregelungen, Erbschaftsregelungen etc. Diese dürften nicht zum Inhalt der Freundschaftsbeziehung als solcher gehört haben. Diese wird in der narratio für das vertragliche Übereinkommen über die Sachregelungen vorausgesetzt. Sie werden durch das Bestehen der amicitia ermöglicht. Andererseits kann diese aber auch nur bestehen, wenn die Streitfragen geregelt werden. Sie ist sonst gefährdet. Eben dies ist die Situation, die Gregor von Tours schildert, weil nach Gunthrams Vorwurf Childebert den Vertrag nicht einhält, d. h. Teilungsabreden nicht erfüllt. Die Freundschaftsbeziehung erscheint jedenfalls in diesem Fall als die Grundlage des Vertrages von Andelot.74 Versprochen wurden in einer Schwurfreundschaft Treue (fides), Rat und Hilfe in allen Hinsichten, in umfassender Weise, auch militärische Hilfe.75 Die Schwurfreundschaft verlangte einen sehr weitgehenden Einsatz der Person. Die Wendung fides et caritas, die neben oder auch statt amicitia verwendet wurde, stand im Zentrum der Schwurfreundschaft. Sie bezeichnete keine gesinnungsgemäße persönliche, sondern eine objektiv-personale Haltung mit sozialrechtlicher Bedeutung. Durch die Schwurfreundschaft wurde Friede (pax) hergestellt. Der Akzent lag weniger auf dem Element fides, als auf dem Element caritas. Diese rückte mehr und mehr bis in die Teilungsverträge der Nachkommen Ludwigs des Frommen seit 840 in den Vordergrund.76 Darauf ist zurückzukommen.77 Vermerkt sei aber schon hier, daß caritas nicht nur rein christlich-religiös, sondern auch christlich-profan zu verstehen ist.78 Als Friedens-Inhalt schloß sie den Rechtsstreit aus und verlangte schiedlich-friedlichen Ausgleich von Konflikten. Auch caritas war daher Rechtspflicht, nicht nur persönliche Beziehung innerhalb der Schwurfreundschaft.

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Drabek, Verträge, S. 95 sieht keine gravierenden Unterschiede zwischen Eid und feierlichem Versprechen. Zum Geschenketausch u. a. Wielers, Beziehungsformen, S. 13–25; zum Gastmahl Althoff, Charakter, passim. Gregor v. Tours, Historiarum Franc., lib. IX, c. 20. So auch Fritze, Schwurfreundschaft, S. 111; wohl eher beide zusammenziehend Althoff, Verwandte, S. 91. Fritze, Schwurfreundschaft, S. 65; Althoff, Verwandte, S. 90f. unter Bezugnahme auf Gregor von Tours. Dazu vor allem Schneider, Brüdergemeine. Unten S. 687ff. Fritze, Schwurfreundschaft, S. 96, Schneider, Brüdergemeine, S. 53ff.

Schwurfreundschaft

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Während der späteren merowingischen Epoche scheint der Begriff amicitia eine Verengung erfahren zu haben. Gregor verwandte amicitia z. B. auch für die geistliche Freundschaft. Bei Pseudo-Fredegar hingegen hat sich nach Fritzes Auffassung der Begriffsinhalt auf die Schwurfreundschaft verengt.79 Damit hätte der Begriff am Ende der Merowingerzeit, d. h. gleichzeitig zu Beginn der Karolingerzeit eine feste, institutionelle Bedeutung gehabt, ein in der Regel durch Eide begründetes, Frieden festigendes, oder auch herstellendes, gegenseitiges, vertragliches Rechtsverhältnis der fides et caritas zwischen Gleichen, das die Pflichten zu Rat und Hilfe, einschließlich des Beistandes im Kampf gegen gemeinsame Feinde, zwischen den Partnern enthielt. Weitere Pflichten, z. B. für die Söhne der „Freunde“ treten hinzu. Die amicitia hat damit immer das bestimmte konkrete Ziel gegenseitiger, meist alle Bereiche umfassender Unterstützung durch die amici und in dem eigenen unverbrüchlichen Zusammenhalt der „Freunde“ untereinander gegen Dritte.80 Damit bekam sie einen Bündnischarakter, aber in einem sehr weiten, den militärischen Beistand überschreitenden Sinn. Die Schwurfreundschaft blieb hinsichtlich der persönlichen Pflichten eher offen, aber stets auf die fides et caritas gegenüber dem Freund gerichtet. Was das verlangt, konkretisiert sich in der jeweiligen Situation, in der Rat, Hilfe, Liebe geleistet werden müssen. Zum festen Inhalt gehörten aber das Verbot, mit dem Feind des Freundes zu paktieren, und sogar der Ausschluß der Neutralität, am kürzesten ausgedrückt in der Formel amicus amicis, inimicus inimicis.81

c. Bedeutung für die Zwischen-Mächte-Beziehungen Entstanden und gebraucht im innerfränkischen Rechtskreis, bot sich die Schwurfreundschaft aus der Sicht der Franken bzw. der Autoren der Quellen an, um Rechtsverhältnisse der fränkischen Könige untereinander, aber auch mit nicht-fränkischen Herrschern zu regeln, also auch für Zwischen-Mächte-Beziehungen einzusetzen. Insofern hatte sie, wie Fritze sagt, „völkerrechtlichen“ Charakter. Allerdings war sie keine „zwischenstaatliche“ Einrichtung, sondern stets eine personale Verbindung zwischen den Herrschern als Personen, wenn auch ihre Herrschaftsaufgaben einschließend, die jedoch ebenfalls noch personal und nicht institutionell bestimmt waren.82 Zu diesen gehörte u. a. eine amicitia Chlodwigs mit dem Burgunderkönig Gundobad, die zudem noch mit einer Eheschließung verknüpft war, sich also wiederum an Verwandt79 80 81

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Fritze, Schwurfreundschaft, S. 108f. Beispiele Fritze, Schwurfreundschaft, ebd. Althoff, Verwandte, S. 92; Drabek, Verträge, S. 91. Sie wird, wie zitiert, auch von Stephan III. in seinem Brief an die Brüder Karl und Karlmann zur Abmahnung von der langobardischen Heirat benutzt; oben S. 659. Fritze, Schwurfreundschaft, S. 77 und S. 120; zutreffend insoweit Drabeck, Verträge, S. 101. Völlig unklar Epp, Amicitia, die immer wieder von „zwischenstaatlicher“ amicitia oder Freundschaft spricht, z. B. S. 176, 181, 182, 183, 185, u. a., und die neuen germanischen personalen Herrschaftsverbände als „germanische Nachfolgestaaten des weströmischen Reiches“ bezeichnet, S. 181, obwohl sie in der „Einleitung“ selbst sogar weitgehende Bedenken gegen die unpräzise, eher moderne Verwendung des Begriffs „Herrschaft“ für die Epoche des 5. bis 7. Jahrhundert angemeldet hat, S. 3 ff., weil er „an der Kategorie des Staates orientiert“ sei.

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Amicitia

schaft anschloß, besser sie einschloß.83 Das entspräche der von Paradisi geschilderten und kommentierten römisch-byzantinischen Praxis. Es wird auch über Fälle der amicitia in den Zwischen-Mächte-Beziehungen ohne verwandtschaftliche Beziehungen berichtet.84 So schloß Chlodwig mit dem König der Westgoten, Alarich, eine Friedensfreundschaft auf einer Insel im Grenzfluß Loire bei Amboise simul locuti, comendentes pariter ac bibentes, promissa sibi amicitia, pacifici discesserunt.85 Allerdings brach dann doch Krieg zwischen ihnen aus, und Alarich fiel.86 Der Freundschaftsbund wurde gebrochen, wozu sich Gregor aber nicht näher äußert. Chlodwig machte geltend, er müsse die Arianer, also Ketzer bekämpfen. König Chlothar II. schloß eine amicitia mit den Langobarden, denen er dafür sogar die Tributpflicht erließ, um „Gleichheit“ und „Gegenseitigkeit“ zu ermöglichen. Chlotarius ipsa tribut ad parte Langobardorum cassavit et amicitiam perpetuam cum Langobardis sacramentis et pactis firmavit.87 Es werden, anders als in der vorigen Schilderung, Eide genannt. Der Begriff firmavit kann bedeuten, daß durch diese wie durch den Vertrag die amicitia bekräftigt, befestigt, aber nicht abgeschlossen wurde.88 Das entspräche der Situation bezüglich des Vertrages von Andelot. Man kann firmavit aber auch als Abschluß durch Eid und pactis verstehen. Dann wäre in diesem Fall beides zusammengefallen.89 Die Frage muß offen bleiben. Nach Fritzes Auffassung wurde eine derartige fränkische Schwurfreundschaft auch zwischen fränkischen Königen und byzantinischen Kaisern geschlossen, so zwischen Theudebert I. und Kaiser Justinian um 540 und die oben genannte amicitia Pippins und Kaiser Konstantins 757.90 Fritze beruft sich für die erstgenannte auf einen Brief Theudebalds, des Sohnes Theudeberts I., an Kaiser Justinian aus dem Jahre 547, in dem Theudebald über seinen Vater u. a. schreibt, daß dieser imperatoribus ac regibus vel gentibus fidem immaculatam promissasque amicitias firmis condicionibus conservavit.91 Es bestehen jedoch in beiden Fällen grundsätzliche Bedenken, eine „Schwurfreundschaft nach fränkischem Recht“ zu Grunde zu legen. Denn es ist kaum anzunehmen, daß auch die Partner von einer solchen ausgingen. Es wäre eine einseitige fränkische Interpretation, die allerdings der Bemerkung in der Fredegarchronik zur amicitia von 757 zugrunde liegen könnte. Unklarheit besteht aber auch für eine weitere germanisch-oströmische amicitia Verbindung. Nach einem Bericht Gregors von Tours schloß Hermengild, ein Sohn des 83

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Fritze, Schwurfreundschaft, S. 110, der daher aus dieser konkreten Beziehung keine Elemente für die allgemeine Erfassung der „Schwurfreundschaft“ herleiten will. Fritze, Schwurfreundschaft, S. 111f. Für Gregor sei amicitia und Tributstellung miteinander vereinbar gewesen, ibid., S. 117. Dachte Gregor noch in römisch-rechtlichen Vorstellungen? Gregor von Tours, Historiarum libri, lib. II, c. 35. ibid., c. 36. Fred. Chron., lib. IV, c. 45. So wohl Fritze, Schwurfreundschaft, S. 111. So die deutsche Übersetzung v. Otto Abel, Die Chronik Fredegars und der Frankenkönige, Hg. Alexander Heine, 2. verb. Aufl., Essen und Stuttgart, 1986. Fritze, Schwurfreundschaft, S. 102. Epp. Aust., Nr. 19, MGH, Epp. III, S. 132.

Schwurfreundschaft

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westgotischen Königs Leuvigild, um 580 eine amicitia mit dem Statthalter des Kaisers Justinian, legans cum praefectum eius (des Kaisers) amicitias.92 Er suchte Schutz vor seinem arianischen Vater, der ihn wegen seiner Konversion zum Katholizismus verfolgt haben soll. Es könnte also eine byzantinische amicitia begründet worden sein. Der Statthalter führte in Spanien gegen die Westgoten Krieg. Jedoch sollte der Statthalter dem Sohn gegen seinen Vater mit Truppen zur Hilfe kommen, nicht wie in anderen byzantinischen Freundschaftsverhältnissen umgekehrt. Zweifelhaft ist aber auch, ob ein germanisch-fränkischer Freundschaftsbund geschlossen wurde; denn einziger Zweck scheint nach Gregors Darstellung der gemeinsame Kampf gegen Leuvigild gewesen zu sein, aus dem der griechische Statthalter im übrigen noch vor der entscheidenden Schlacht ausschied. Dieser nur auf ein Bündnis reduzierte Charakter spricht aber auch gegen die „Schwurfreundschaft“, die wesentlich darüber hinausreichte.

d. Kritik Mit der auf private wie auf öffentliche Rechtsbeziehungen anwendbaren amicitia hat sich für die beginnenden Zwischen-Mächte-Beziehungen ein gut einsetzbares Institut herausgebildet. Es handelt sich dabei, soweit die Schwurfreundschaft gemeint ist, um eine eigene germanisch-fränkische Entwicklung. Sie mußte für diese neue Funktion wohl leicht umgewandelt werden. Aber vor allem wurde sie, worauf Althoff hingewiesen hat, soweit die Herrscher als solche beteiligt sind, in unserer Epoche nach den Zeugnissen für die Zwischen-Mächte-Beziehungen reserviert.93 Für innere Herrschaftsbeziehungen scheint sie in dieser Zeit nicht verwendet worden zu sein, wohl allerdings im spirituell-religiösen Bereich. Für unsere Zeit erscheint diese Freundschaftsverbindung auf „weltlicher“ Ebene somit als ein typisches Institut der Zwischen-Mächte-Beziehungen. Es bestehen zweifellos inhaltliche Übereinstimmungen zwischen der Schwurfreundschaft und der karolingischen amicitia. Bei beiden steht die caritas neben der fides im Zentrum. Beide erfassen umfassend das gesamte Verhältnis in allen Dimensionen. Trotzdem bestehen grundsätzliche Bedenken, die von den fränkischen Herrschern mit oströmischen Kaisern, Päpsten, anderen Königen und Harun al-Rashid, eingegangenen amicitiae oder auch nur die ein oder andere als „Schwurfreundschaften nach fränkischem Recht“ einzuordnen. Warum sollen byzantinische Kaiser, die einen ganz anderen Begriff der amicitia haben, oder die Päpste sich auf die fränkische Schwurfreundschaft einlassen? Wie sollen oder können, andersherum gefragt, rechtliche oder auch nur normative Verbindlichkeiten zwischen Partnern mit unterschiedlichen Konzeptionen des Charakters ihrer Verbindung entstehen? Childebert II. vermied, wie dargelegt, den Begriff amicitia gegenüber Mauricius, wohl weil er deren byzantinisches Verständnis nicht akzeptieren wollte. Auch für Karl den Großen kann das angesichts seines Kampfes um Gleichrang angenommen werden. Aber auch umgekehrt hätte wahrscheinlich im Falle eines Falles dasselbe gegolten. 92 93

Gregor von Tours, Historiarum libri, lib. V, c. 38; Epp, Amicitia, S. 183. Althoff, Verwandte, S. 96.

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Amicitia

In diesen Berichten tritt konkret und exemplarisch die in der Einleitung hervorgehobene sprachliche Schwierigkeit bei der Erfassung historischer Vorgänge in dieser Epoche hervor. Den fränkischen Autoren standen in der von ihnen verwendeten lateinischen Sprache keine anderen Begriffe zur Verfügung, um die Ereignisse bzw. Beziehungen darzustellen. Sie verbanden mit dem Begriffsgebrauch selbstverständlich ihre Vorstellungen einer amicitia. Sie mögen also die Verbindungen mit Kaisern, Päpsten, Königen als fränkische Schwurfreundschaften verstanden oder gedeutet haben. Aber offenbar kamen schon dem Fortsetzer der Fredegarchronik Zweifel daran, die er mit seinem skeptischen Nachsatz auszudrücken versuchte. Ist es aber überhaupt möglich, bei unterschiedlichem Verständnis desselben Begriffs zu einer rückschauenden einheitlichen Deutung zu kommen? Das kann, wenn überhaupt nur durch Vergleich und den Versuch gelingen, sich in die Situation zu versetzen.94 Für das Verhältnis der karolingischen Herrscher zu den Päpsten stellen die Quellen auf beiden Seiten auf caritas bzw. dilectio und concordia als Grund und Inhalt einer amicitia ab und ziehen weitgehend übereinstimmende Folgerungen für das Verhalten. Ähnlich ist es für das Verhältnis Ludwigs des Frommen zu Michael II. und Theophilos. Sie füllen also den Begriff von jeweils beiden Seiten. Es liegt daher aus normativer Sicht näher, amicitia in unserer Epoche danach zu bestimmen und Zuordnungen zur „Schwurfreundschaft nach fränkischem Recht“ oder zur byzantinischen amicitia zu vermeiden. Sie sind jeweils einseitig und jedenfalls in der Rückschau nicht geeignet, die Verhältnisse zu erfassen. Da es aber, wie bereits mehrfach betont wurde, eine eigene Reflexion nicht gegeben hat, ist diese Rückschau bei aller eigenen Bedingtheit dadurch gerechtfertigt, daß sie sicher weiß, daß alle Beteiligten verbindlich geordnete Beziehungen mit diesen Inhalten begründen wollten, aber zumindest in dem Fall Marurikios – Childebert II. Zeugnisse vorliegen, daß von einer Seite das Verständnis der anderen Seite abgelehnt wurde.

e. Auswege So gibt es zwar in der Literatur zu Recht Einwände gegen Fritzes Thesen, die aber das eigentliche Problem, die Grundlegung gemeinsamer Verbindlichkeit der amicitia zwischen den Herrschern, noch nicht lösen. Dieses Problem ist wiederum ein heutiges. Für die Zeit bestand es offenbar nicht. Sie ging ganz selbstverständlich von der gemeinsamen Bindung der Partner einer amicitia aus. Die Suche nach einer Antwort ist auch in diesem Fall wie schon in anderen der Versuch einer nachträglichen Rekonstruktion, wenn nicht Konstruktion. Wielers macht geltend, es handele sich bei der Schwurfreundschaft nicht um ein typisch fränkisches Rechtsinstitut, sondern um ein allgemeines der „gemachten Freundschaft“.95 Denn es habe diese Freundschaftsabkommen unter Gleichgestellten durch feierliche Versprechen oder Eide, mit gemeinsamen Mahl und der dauernden Verpflichtung zu Rat und Hilfe in der fides auch in anderen germanischen Völkern gegeben. Sie will daher die germanische von der römischen amicitia unterscheiden. Es 94 95

Wielers, Beziehungsformen, S. 97f. Wielers, Beziehungsformen, S. 84ff.

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bleibt die Frage, welche der beiden von dem jeweiligen Autor in welchem konkreten Verhältnis gemeint war, und ob der andere das akzeptierte. Drabek verwendet die Begriffe „Schwurfreundschaft“ und „Freundschaftsbündnis“ ohne den Zusatz „fränkisch“.96 Was aber dann? Für Althoff ist es wegen bestehender Parallelen „nicht angebracht“, den unterschiedlichen Rechtsauffassungen zur römischen amicitia und „germanisch-fränkischen Schwurfreundschaft“ im zwischenstaatlichen Bereich trotz bestehender Unterschiede „zu stark einen prinzipiellen Charakter zuzusprechen“. Zudem weist auch er auf die Unklarheit der merowingischen wie der karolingischen Quellen hin.97

f. Lösungen Das normative oder juristische Problem gemeinsamer Normgeltung ist damit zwar angesprochen. Aber es bedarf des weiteren Schrittes, das Gemeinsame des Instituts im unterschiedlichen Verständnis heraus zu finden. Als diese Gemeinsamkeit erscheint die eindeutig christlich-religiös-personale Grundlage der amicitia in unserer Epoche, letzten Endes auch gegenüber Harun und Horich. Mit anderen Worten, die maßgebliche normative Differenz der frühkarolingischen amicitia gegenüber der byzantinischen amicitia einerseits wie gegenüber der Schwurfreundschaft andererseits liegt in ihrer eindeutigeren Verbindung mit den christlichen Begriffen der caritas/dilectio/amor, concordia und unanimitas und der damit einhergehenden Einbindung in die allgemeine Friedensordnung. Auch das liegt in der Tradition, war aber nie so stark wie in dieser Zeit und verlor sich anscheinend später wieder. Die konkrete personale amicitia zweier Herrscher übersteigt damit ihren besonderen Charakter in einer Art universalen christlich bestimmten Frieden. Dadurch wurde, wie bereits dargetan, ihre rechtliche Normativität nicht aufgehoben; sie wurde wohl eher gestärkt, weil verallgemeinerungs- oder besser gemeinsamkeitsfähig.

VI I. Am ic i ti a – Rech t a. Grundlagen Die Verbindung von amicitia und Recht findet sich nicht nur in diesen „politischen“ Freundschaftsverhältnissen. In einem Brief Alcuins an Karl vom 22. Juli 798 heißt es: Igitur amicus dicitur quasi animi custos, id est qui animum amici sui cum omni sollicitudine fidei studet custodire integrum, quatenus nullatenus sacrum amicitiae ius alicubi violetur.98 An Theodulf von Orléans schreibt er in dem Glückwunschschreiben zum Empfang des Palliums: unde ego – privatae caritatis instinctu condictum amicitiae ius pietatis intuitu renovare cupiens – his litterulis vestrae sanctitati fidem meam in memoriam revocare volui ...99 Zwar betonte Alcuin die spirituelle Seite der persönlichen 96 97 98 99

Drabek, Verträge, S. 95ff. Althoff, Charakter S. 14f.; ders. Verwandte S. 88ff., insbesondere S. 90. Alcuini epp., Nr. 149, MGH Epp. IV, S. 242, Z. 30–243, 1ff. Alcuini epp., Nr. 225, MGH Epp. IV, S. 368, Z. 13ff.

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Freundschaft mit Karl oder Theodulf. Aber gerade die Begriffe, die Alcuin verwendet, rücken die geistliche wie die rechtliche Dimension der amicitia in grundsätzlicher Weise zueinander. Nicht nur ist den amicitiae mit Karl und Theodulf ein eigenes ius sacrum eigen. In beiden Briefen verbindet sich mit der amicitia die fides, was hier sowohl Treue als auch Glaube heißen kann. Außerdem werden caritas und pietas einbezogen. Geistliche und weltliche Sphäre sind zwar auch bei Alcuin unterschieden, aber doch eng miteinander verknüpft, gerade auch durch die amicitia. Sie gehen in ihr ein symbiotisches Verhältnis ein.

b. Beteiligte Die amicitia wurde, wie bereits gezeigt, stets zwischen den fränkischen Herrschern und ihren jeweiligen Partnern als Personen begründet, unabhängig davon, wie das konkret geschah. Das teilte die politische amicitia mit den personalen amicitiae. Sie waren die miteinander verbundenen Träger der amicitia. Sie versprachen sich fides et caritas. Das entsprach der allgemeinen personalen Struktur der Rechtsbindungen dieser Zeit. Fides und caritas waren personale Verhaltensweisen gegenüber anderen Personen. Daher war auch stets die Erneuerung einer amicitia notwendig, wenn ein Partner starb oder die Herrschaft verlor. Jedoch wurde das Volk, wurden die Untertanen, in diese Freundschaft stets mit eingeschlossen, wenn das auch nur in dem Brief der oströmischen Kaiser an Ludwig den Frommen von 824 ausdrücklich hervorgehoben wurde. Schulz hat für das 4. und 5. Jahrhundert die amicitia einerseits als ein Verhältnis zwischen dem germanischen König und dem römischen Volk und zum anderen zwischen einem germanischen rex und dem römischen Kaiser bestimmt, in dessen Befestigung er die Hauptfunktion gesehen hat.100 Hingegen ist Epp der Auffassung, daß für die Zeit vom 5. bis zum 7. Jahrhundert, also z. T. überlappend, die amicitia sowohl als personale Bindung zwischen den Herrschern als auch als Beziehung „zwischen Kollektiven und Institutionen“ eingesetzt wurde.101 Dabei versteht sie amicitia grundsätzlich als Vertrag. Nach ihrer Interpretation der Quellen können „sowohl das imperium, wie die gentes bzw. populi, aber auch deren Repräsentanten, die Herrscherdynastie oder die Herrscher selbst als Vertragssubjekte auftreten“.102 Für die Relationen der Römer und auch der Ostgoten zu anderen Partnern bezeichnet sie die gentes bzw. den populus romanus, als „Vertragsschließende“, deren Könige jeweils „lediglich als deren Repräsentanten“ handeln.103 Sie versucht, das mit einer ganzen Reihe von Belegen zu begründen. Dem kann hier für diese frühere Epoche nicht im einzelnen nachgegangen werden. Dazu wäre es notwendig, auch für sie, wie hier für unsere Zeit im ersten Teil geschehen, zunächst auf die Verfassungsstrukturen der gentes, des – oströmisch-byzantinischen – imperium etc. einzugehen. Jedoch bestehen erhebliche Zweifel, ob die gentes 100 101 102 103

Schulz, Entwicklung, S. 158ff. Epp, Amicitia, S. 178. Epp, Amicitia, S. 209, ähnlich S. 212 in einer Interpretation des Vorspruchs der lex salica. Epp, Amicitia, S. 191.

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als Vertragsschließende auftreten konnten, ob sie „Rechtssubjekte“ waren, ein, wie dargetan, nicht ohne weiteres auf das Frühmittelalter übertragbarer moderner Begriff des Völkerrechts. Es fällt auf, daß, wenn in den Belegstellen von konkreten Abschlüssen oder Eingehen einer amicitia berichtet wird, stets nur die beteiligten Herrscher genannt werden. Es wäre aber auch notwendig, die Vorgänge konkreter auch unter normativen Gesichtspunkten zu analysieren, u. a. die Formen des Vertragsschlusses durch eine gens. Zwar erörtert Epp derartige Formen, aber die Beteiligung der gentes daran bleibt unklar, selbst was die Eidesleistungen angeht.104 Werden sie von den gentes insgesamt geleistet, oder wie bei Verträgen der Franken, von den optimates? Der Begriff „Repräsentant“ für den König, der dann für die gens handelt, klingt in diesem Zusammenhang sehr modern. Er enthält ein Element der umfassenden Vertretung.105 Ist das hier anwendbar? Das Begriffsfeld müßte für diese Epoche geklärt werden. Da Epp die „Verfassung“ der gentes und des populus nicht näher erläutert, ist nicht deutlich, welche Stellung der König im Verhältnis „nach außen“ hat, was also „Repräsentant“ normativ rechtlich bedeutet. Von den gentes ist hingegen in allgemeinen, nicht konkretisierten Darstellungen oder Referenzen die Rede. Im Verhältnis Mauricius – Childebert II., deren Briefe Epp als Beleg unter anderen heranzieht, ist die erwähnte Differenz zwischen den Formulierungen des Kaisers und denen des Königs nicht unerheblich. Der Kaiser wird sich an römischen Vorstellungen von imperium bzw. der respublica orientiert und diese auf seine Vorstellung von gens angewandt haben. Wenn Childebert hingegen von der pax zwischen den beiden gentes spricht, bleibt offen, ob es sich um einen Vertrag oder den allgemeinen Frieden zwischen ihnen handelt, der auch ohne Vertrag bestehen kann, zumal das Verhältnis zwischen den beiden Mächten schon seit Chlodwichs Zeiten auf dieser Basis stand. Es wäre weiter zu klären, wie sich die normativen Strukturen dieser Vertragsverhältnisse zwischen den gentes darstellten, wer Träger der Rechte und Pflichten war, wie die Beziehungen zu den personalen amicitiae der Herrscher gestaltet waren. Hinweise in Briefen etc. auf die gentes oder populi, aber auch das imperium sind allein nicht ausschlaggebend, solange die normative Konstruktion nicht klargelegt wird. Auch wenn entgegen der hier vertretenen Auffassung die gentes selbst in der Übergangsphase von der Spätantike zum Frühmittelalter in einer noch zu klärenden Form „Vertragsschließende“ und „Vertragsssubjekte“ der amicitiae gewesen sind, können oder sollten sie selbst nicht als „Staaten“ und die Beziehungen zwischen ihnen nicht als „zwischenstaatlich“ bezeichnet werden. Denn sie waren keine Staaten, sondern von unten nach oben aufgebaute organisierte gentile Personalverbände, worauf Epp, wie gesagt, selbst hinweist. Die Eigenart der normativen Gestaltung der intergentilen Beziehungen wird mit diesen Begriffen verstellt und führt zu unzutreffenden Assoziationen mit einem zwischenstaatlichen „Völkerrecht“ moderner Prägung. Das gilt nicht

104 105

Epp, Amicitia, S. 218ff. Zur modernen Theorie der politischen Repräsentation u. a. Hans J. Wolff, Organschaft und Juristische Person, Bd. 2, Theorie der Vertretung, Berlin 1934, ND Aalen 1968; Podlech, Adalbert, Art. Repräsentation, in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5, S. 509 ff.; Hofmann, Hasso, Repräsentation, Berlin 1974.

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nur für Epps Terminologie, sondern auch für die Paradisis, der die Könige u. a. als „capo di stato“ bezeichnet.106 In unserer Epoche sind nach den Quellen von der amicitia Pippins mit Konstantin V. 756 bis zu dem letzten Bericht der Annales Bertiniani über die Gesandtschaft des Kaisers Theophilos von 839 eindeutig die Herrscher Träger der amicitia, die rein personal verstanden wird. Wenn die gentes eingeschlossen werden, dann im Gefolge der amicitia der Herrscher. Sie erscheinen in dem genannten Bericht lediglich als die beiderseitigen „Untertanen“, subditos.107 Dieser Begriff findet sich nicht in einer oströmisch-byzantinischen, sondern in einer fränkischen Quelle. Die Königsherrschaft hatte sich zwar innerhalb des Verfassungsgefüges nicht völlig verselbständigt, aber doch wesentlich als eine eigene rechtliche Position verfestigt, wurde jedenfalls so wahrgenommen. Die amicitia ist im Bereich der Beziehungen zwischen den politischen Mächten jedenfalls in unserer Epoche nicht nur keine „zwischenstaatliche“, sondern auch keine intergentile organisierte Beziehung. Grundsätzlich galt auch für die amicitia zwischen Herrschern der Satz Alcuins, der dem Sohn Karls des Großen Pippin auf seine Frage Quid est amicitia? geantwortet hatte: Æqualitas amicorum.108 Aber es gibt doch einige Unklarheiten. So könnte die Bestimmung im Pactum Hludovicianum, daß jeder neugewählte Papst die amicitia erneuern müsse, auf eine Abhängigkeitsbeziehung hindeuten, zumal in der Constitutio Romana von 824 noch der Eid des Papstes nach der Wahl, aber vor der Weihe hinzutrat. Ludwig und Lothar nahmen hier kaiserliche Rechte wahr. Die Verbindung der drei Ebenen dieses Verhältnisses, der geistlichen Ebene, der kaiserlichen Ebene und der Ebene der amicitia, machen die letztlich mit unseren Begriffen nicht aufzulösende Komplexität des Verhältnisses der ersten karolingischen Herrscher zu den Päpsten aus. Aber der Papst verlor, wie schon früher bemerkt, anscheinend seine nach außen gerichtete Handlungsfähigkeit, wie das pactum veneticum Lothars von 840 erkennen läßt. Die Deutung der amicitiae Karls zu den „schottischen“ Königen und zu Alfons II. von Asturien als Abhängigkeitsverhältnisse durch Einhard, begegnet zwar, wie dargelegt, erheblichen Zweifeln. Jedoch könnte der noch weitergehende Bericht über das Angebot König Horichs 836 von amicitia et oboedientia gegenüber Ludwig dem Frommen, das nach der Entstehung der Vita Caroli Einhards gemacht worden sein dürfte, auf eine grundlegende Änderung der Struktur der politischen amicitia deuten, jedenfalls in der Vorstellung der beiden Autoren. Sie dient, so scheint es, nunmehr einer auf Oberherrschaft karolingisch-fränkischer Herrscher ausgerichteten Gestaltung der Zwischen-Mächte-Verbindungen. Sie näherte sich damit vielleicht der byzantinischen Vorstellung. Es fällt zudem auf, daß weder Einhard in bezug auf die genannten Verbindungen Karls mit den „schottischen“ Königen und Alfons II. von Asturien noch die Annalen von 836 für Horich amicitia mit caritas verbinden. Das wäre mit Abhängigkeit und oboedientia schwerlich zu vereinbaren gewesen. Es könnte sich damit bereits eine von Althoff für eine spätere Zeit entwickelte Funktion der amicitia 106 107 108

Für die Franken, oben S. 30ff.; auch Zitat oben S. 667. Ann. Bertiniani, ad a. 839. Zitiert nach Granier, Amicus, S. 10.

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ankündigen, durch persönliche Bindungen zur Befestigung der Herrschaft Heinrichs I. beizutragen. Wie weit verbreitet diese neue Sicht bereits in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts war, läßt sich nicht feststellen. Da, wie gezeigt wurde, auch Heiden und Muslime nach fränkischen Vorstellungen Beteiligte einer amicitia sein konnten, galten sie nicht bereits als solche ipso facto als Feinde. Die Sarazenen in Spanien und die sarazenischen Seeräuber wurden nicht ihres Glaubens wegen bekämpft, sondern weil sie fränkische Gebiete bedrohten und angriffen. Das Gleiche galt für die Normannen ab dem 9. Jahrhundert. Diese Öffnung der amicitia zur Welt der Nicht-Christen entspricht der Anerkennung nichtchristlicher Eide beim Vertragsabschluß. Zwar sollten daraus nicht zu weit reichende Schlüsse gezogen werden. Die Verbindung Karls des Großen zu Harun al-Rashid und Ludwigs des Frommen zu einem späteren Kalifen waren locker und ephemer, gewannen politisch jedenfalls keine größere Bedeutung für die Ordnung der Welt. Gegenüber den Dänen setzten im zweiten Jahrzehnt des 9. Jahrhunderts Missionsbemühungen ein. Für die Verbindung mit slawischen Herrschern wurde der Begriff amicitia nicht verwendet, wohl auch, weil sie in der Regel unter fränkischer Oberherrschaft standen. Aber obwohl gerade unsere Epoche in engster Weise weltliche und religiöse Elemente und Strukturen miteinander verknüpfte, schloß der unterschiedliche Glaube geregelte und normativ geordnete friedliche Beziehungen zwischen christlichen und nichtchristlichen Herrschern nicht grundsätzlich aus.

c. Begründung einer amicitia Das Bestehen einer amicitia verstand sich nach allen karolingischen und päpstlichen Quellen nicht von selbst. Das unterscheidet sie von dem heutigen Grundsatz allgemeiner „Völkerfreundschaft“. Sie bedurfte der Begründung durch Vereinbarung, wie die in den Quellen benutzten Begriffe, promittunt,109 statuere,110 constituta,111 confirmatione,112 socient u. a. deutlich machen. Diese Begriffe haben auch eine rechtliche Bedeutung, wurden u. a. auch für die Darstellung des Abschlusses eines pactum oder foedus benutzt. So bestätigt sich, daß amicitia auch als ein rechtlich bestimmtes Verhältnis verstanden wurde. Nur für 816 ist im Bericht der Reichsannalen belegt, daß die amicitia zwischen den Partnern Ludwig dem Frommen und Papst Stephan IV. unmittelbar selbst in Reims geschlossen wurde. In allen anderen Fällen waren mindestens auf einer, i. d. R. auf der nicht-fränkischen Seite Gesandte beteiligt. Die Berichte über die Form des Abschlusses im einzelnen selbst sind mager. Nur der Bericht über die persönlich zwischen Ludwig dem Frommen und dem Papst geschlossene amicitia sagt etwas über die Form. Es wurden Geschenke getauscht, gemeinsam Mahl gehalten et amicitia vicissim firmissimo robore constituta.113 Danach wurden gemeinsam Angelegenheiten der Kirche gere109 110 111 112 113

Fred. chron. cont., 123 (40), S. 186. Karl an Leo III., Alcuini epp., Nr. 93, MGH Epp. IV, S. 136, 137, Z. 29; dt. Anhang Nr. 12. Ann. regni Franc. ad a. 816. Ann. Bertiniani, ad a. 839. Ann. regni Franc. ad a. 816.

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gelt. Ob der Ablauf verallgemeinert werden kann, muß mangels anderer Berichte aus dieser Zeit offen bleiben. Aber dem Austausch von Geschenken und gemeinsamen Gastmählern kam nicht nur zeremonielle, sondern konstitutive Bedeutung zu. Gemeinsames Mahl und Austausch von Geschenken machen auf die Bedeutung von Ritualen und symbolischen Handeln auch und gerade in Zwischen-Mächte-Beziehungen der Zeit aufmerksam. Sie rühren beide aus älteren Traditionen her und verweisen auf eine umfassendere Ordnung, aus der sie auch ihre normative Funktion beziehen. Die Berichte über den Abschluß durch Gesandte teilen wenig über die Form mit. Die Gesandten fremder Herrscher brachten ebenfalls stets Geschenke für den fränkischen Herrscher mit. Ein gegenseitiger Geschenketausch fand nach dem Bericht der Annalen 839 zwischen den Gesandten des Dänenkönigs Horich und Ludwig dem Frommen bei der gegenseitigen Bestätigung von Frieden und amicitia statt.114 Karl der Große übersandte Leo III. bei der Erneuerung der amicitia zusammen mit seinem Brief Geschenke, die zwar eigentlich für Hadrian I. gedacht waren, aber auch für diesen die bestehende enge Beziehung befestigen sollten.115 Auch wird an anderen Stellen von Geschenken Karls u. a. an englische Könige berichtet. Es ist davon auszugehen, daß die fränkischen Herrscher auch in den anderen Fällen Geschenke an den Freund sandten. Eide werden außer für den Abschluß der amicitia zwischen Ludwig dem Frommen und dem Dänenkönig Horich in Verbindung mit einem Friedensvertrag von 839 nicht erwähnt. Anscheinend wurden diese jedoch nur einseitig von den Dänen geleistet, sacramentis receptis. Zum anderen bezogen sie sich wahrscheinlich auf den Friedensvertrag. Abschluß und Erneuerung einer amicitia durch Gesandte deuten auf einen objektivierten, institutionalisierten Charakter der Freundschaftsverbindung zwischen Herrschern, die zwar eine personale Verbindung darstellte, aber nicht im engeren Sinn persönlich zu verstehen ist. Eine solche persönliche Bindung kann hinzutreten, bestand wahrscheinlich zwischen Karl dem Großen und Hadrian I.116 Aber die amicitia war keine „Männerfreundschaft“.

d. Amicitia und pactum Die Berichte der fränkischen Quellen über die verschiedenen Freundschaftsverhältnisse der fränkischen Herrscher mit den Päpsten und anderen Herrschern ergeben, wie gezeigt, kein eindeutiges Bild über das Verhältnis von amicitia zu pactum. Sie werden zwar i. d. R. unterschieden. Aber die Berichte lassen keinen eindeutigen Schluß auf eine allgemeine Regel für ihr Verhältnis zueinander zu. Ein pactum scheint zur Begründung einer amicitia nicht notwendig gewesen zu sein. So kann jedenfalls der Bericht des Fortsetzers der Fredegarchronik zur amicitia 114 115

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Ann. Bertiniani, ad a. 839. Es handelte sich wohl um Gaben aus dem Awarenschatz, den Karls Sohn Pippin erobert hatte. Darauf deutet die persönlich formulierte Trauer hin, die Karl in seinem Brief an Leo III. erkennen läßt.

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Pippins mit Konstantin V. von 757 verstanden werden. Es genügte ein formloses Versprechen, verknüpft mit den beiden Ritualen des gemeinsamen Mahles, wenn beide Partner persönlich die amicitia begründen, und des Geschenketausches, die auch durch Gesandte vollzogen wurde. Für die von Einhard behauptete amicitia Karls mit Harun wird auch kein pactum anzunehmen sein. Aber da pactum und amicitia in anderen Quellen mit einander verbunden werden, ergibt sich die Frage, ob dieses die amicitia begründete oder als ein eigener Rechtsakt zur näheren, konkreteren Ausgestaltung des amicitia-Verhältnisses begleitete. So war es nach der Abfolge im Bericht über das Zusammentreffen Ludwigs mit Stephan IV. 816. Aber auch die Formulierung im Brief Karls an Offa läßt den Schluß zu, daß durch die amicitia das ältere pactum wiederbelebt werden soll, sie aber nicht auf diesem beruht. Von einer engeren Verbindung ist jedoch auszugehen, wenn die amicitia mit oder durch einen Friedensvertrag zur Beendigung eines Krieges abgeschlossen wurde, wie 812 mit Michael I., oder 839 mit Horich von Dänemark. Ein Friedensvertrag führte gewissermaßen zwingend zu einer amicitia, da caritas und concordia den Inhalt der pax ausmachten. Denn diese waren auch konstitutive Merkmale einer amicitia. So wurde sie auch stets mit der pax und dem pactum erneuert. Vieles spricht daher dafür, daß die Umstände des Einzelfalls maßgeblich waren. Zwar bildeten amicitia und pactum stets auch dort, wo beides bestand, unterschiedene Formen der Beziehungen. Aber ihr Verhältnis zueinander konnte sehr verschieden sein.

e. Inhalte Zwar stellt die amicitia ein rechtliches Verhältnis dar, wie sich aus der Verwendung rechtlicher Begriffe für ihre Begründung, aber auch aus den Formeln amicitiae ius oder amicitiae iura für ihre Inhalte ergibt. Aber besondere konkrete rechtliche Inhalte einer amicitia, die nur ihr zukommen und sie von anderen Rechtsverhältnissen unterscheiden, lassen die Berichte nicht erkennen. Sie richten sich ganz offenbar nach den besonderen Verhältnissen der Freunde. Eine gewisse Pflege durch Gesandtenaustausch und gelegentliche Geschenke scheinen generell dazu gehört zu haben. Ganz allgemein, waren Konflikte und Streitfragen friedlich durch Verhandlungen und Ausgleich zu lösen, wie z. B. 817 der Konflikt um Grenzen in Dalmatien zwischen Ludwig dem Frommen und Leon V. Aber insgesamt bleiben ihre rechtlichen Konturen unbestimmt. Ihre Inhalte sind zwar im allgemeinen festgelegt. Aber konkrete Rechte und Pflichten lassen sich nicht bestimmen. So ist u. a unklar, ob sie generell militärische Hilfe umfaßte. Es gab in dieser Zeit auch keinen praktischen Fall einer solchen Hilfe. Jedoch sprechen diese Einwände nicht gegen einen rechtlichen Charakter der amicitia. Denn es ist nicht angemessen, spätere Begriffe einer ausgefeilteren Rechtspraxis und Rechtswissenschaft über die Bestimmung von Recht und Rechtsverhältnis für das Rechtsverständnis der Zeit zugrunde zu legen. Aber vorhergehende römisch-rechtliche Bestimmungen können trotz des Gebrauchs der lateinischen Begriffe nicht übertragen werden. Die Unbestimmtheit der rechtlichen Kontur, auch der Inhalte war, so scheint es, der Zeit und ihren noch offenen Strukturen geschuldet.

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Amicitia

V II I. Ami c i ti a – c a r i ta s a. Grundlegungen In den vorhergehenden Abschnitten sind hinreichend Quellennachweise für die enge Verknüpfung des Begriffs amicitia mit caritas/dilectio/amor und concordia gegeben worden. Es erübrigt sich, weitere hinzuzufügen. Wiederum ist der Einleitungssatz des Briefes Karls des Großen an Offa von Mercien der hervorragende Beleg. Er begnügt sich zudem nicht mit einer bloßen Benennung, sondern will die konkrete, vernachlässigte amicitia erneut in fructu caritatis zum Blühen bringen. Das erst macht sie und den Frieden zwischen ihnen lebendig. Die Verbindung von amicitia und caritas ist alt. In der Antike bildete Freundschaft in vielfältigen Beziehungen und Formen eine Struktur gesellschaftlichen Zusammenhaltes, sowohl zwischen Gleichrangigen als auch als Form der Patronage. So bestimmt Cicero bzw. Laelius est enim amicitia nihil aliud nisi omnium divinarum humanarumque rerum cum benevolentia et caritate consensio.117 Die Verbindung von amicitia mit caritas und benevolentia tauchte auch in dem Brief des Kaisers Mauricius an Childebert II. auf. In unserer Epoche erscheint benevolentia selten in Verbindung mit amicitia. Wie Rebenich dargelegt hat, wurde mit der Verchristlichung des römischen Reiches Freundschaft an Stelle von Brüderlichkeit auch eine besondere Form personaler Beziehung zwischen einzelnen wie innerhalb und zwischen christlichen Gemeinschaften. Caritas bekam eine christliche Deutung, wurde nicht selten durch das persönlichere dilectio oder auch amor ersetzt. Beide Begriffe haben seit Augustin zumindest einen sehr nahen Inhalt.118 Die consensio des Laelius erhielt eine zentrale, auf die Übereinstimmung im Glauben bezogene Bedeutung.119

b. Alcuin In unserer Epoche wird der dominant christliche Charakter der Freundschaft wiederum und gerade von Alcuin in seinem ausgedehnten Briefwechsel, selbst ein konstitutives Element der Freundschaft, sichtbar gemacht. Er unterhielt nach allen Seiten vielfache spirituelle amicitia-Verbindungen, über die er in seinen Briefen immer wieder schrieb. An den römischen Primicerius Angilbert schreibt Alcuin memor condictae inter nos amicitiae has vobis litteras dirigere praesumpti.120 Er bittet mihi relequas tua benevolentia dirigat. Er schließt den Brief Floreas, fili, virtutum coronis, sapientiae decore et sancta dilectione ad Deum et bona fide ad homines in aeternum. Die Freundschaft bildet den Grund für die Bitte um Reliquien und zeigt sich in dem Wunsch, in der Gottesliebe und der Zuneigung zu den Menschen zu wachsen. 117 118 119 120

Cicero, Laelius de amicitia, 6.20. Dazu unten S. 685ff. Rebenich, Freund und Feind, S. 18ff. Alcuini epp., Nr. 11, MGH Epp. IV, S. 37, Z. 8ff.

Amicitia – caritas

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Um 794 beruft Alcuin sich in einem Brief an Bischof Hygbaldus von Lindisfarne auf amicitia fraternae dilectionis, quae inter homines Dei servos inviolata debet observari, olim inter nos quoque specialiter verbis est coniuncta pacifica.121 Der Begriff fraterna dilectio gehört für Alcuin offenbar zu den Beziehungen zwischen den Dienern Gottes. Sie erinnert an Karls Formulierung im Eingangssatz des Briefes an Offa. Dilectio oder caritas wird für bestimmte soziale Beziehungen als ein Gebot wahrgenommen, insbesondere zwischen Angehörigen gleicher Ordnung, seien es Diener Gottes oder Könige. Alcuin erklärt sich als Genosse in fide tamen et dilectione einer Gemeinschaft, der der Bischof vorsteht, und bittet ihn und die Brüder um ihre clementia. Zudem sendet er Candidum ..., filium nostrum communem, der vor einem Jahr zu ihm gekommen war und um den er sich als Gabe Gottes, donante Deo, gekümmert hatte, nunmehr wieder zurück. Freundschaft zwischen Christen füllt sich durch diese Dienste für das geistliche Wohl. Paulinus, dem Patriarchen von Aquileia, versichert er seiner Liebe und Freundschaft: absentia corporis non oportet dilectionem dividere quia amicitia quae deseri potest, numquam vera fuit. Ex quo te sciebam, dulicissime amice, semper te amabam; et pepigit cor meum foedus amicitiae cum corde tuo.122 Durch die körperliche Trennung kann die Liebe nicht aufgehoben werden. Denn nomen Paulini ist nicht in cera, quae deleri potest, sed in anima, quae perire non potest eingeschrieben. Auch ihn bittet er um Reliquien. In einem Brief an Bischof Aedilbert heißt es spiritialis amicitiae cupidus, vestrae sanctitati parvitatis meae litterulas dirigere curavi, ut et pactum antiquae familiaritatis innovarem et me vestris sacratissimis commendarem orationibus.123 Einen Brief an König Eardulf von Northumbrien leitet er, wie auch den Brief an Angilbert mit den Worten ein memor antiquae inter nos condictae amicitiae.124 Ähnlich lautet der Beginn eines Briefes an Bischof Remedius von Chur: memor dilectionis vestrae et foederatae olim amicitiae inter nos. has tuae reverentiae, optime frater, litterulas dirigere curavi ob recordationem prioris pacti, quod inter nos pepigimus.125 Die Freundschaften sind alle vor langer Zeit begründet, dauern also über die Zeit. In all diesen Briefen bittet Alcuin um die Gebete. In dem letztgenannten heißt es Tu vero, sanctissime pater, secundum caritatem, quam habes in membra Christi, et fidem probatam in salvatorem nostrum me assiduis orationibus adiuvare digneris, ut misericordiam inveniam dominum Deum meum. Die caritas der amicitia gilt den Gliedern am Leibe Christi, den Mitchristen also. Das Gebet soll Alcuin vor Gott helfen, dessen Erbarmen zu erlangen. Der Brief wird den letzten Lebensjahren Alcuins zugeordnet. Es geht um sein Seelenheil, für das der Freund aus langer Zeit ihm Hilfe leisten möge.

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Alcuini epp., Nr. 24, MGH Epp. IV, S. 65, Z. 21ff. Alcuini epp., Nr. 28, MGH Epp. IV, S. 70, Z. 2ff. Alcuini epp., Nr. 31, MGH Epp. IV, S. 72, Z. 19ff. Alcuini epp., Nr. 108, MGH Epp. IV, S. 155, Z. 6ff. Alcuini epp., Nr. 263, MGH Epp. IV, S. 420, Z. 37ff. Siehe auch ähnlich ibid., Nr. 44, S. 90; ibid., Nr. 53, S. 97, Z. 10ff.; ibid., Nr. 269, S. 427, Z. 36ff.

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Zwar tritt an Stelle von caritas gelegentlich dilectio. Aber zum einen gibt es auch die Formulierung olim in sinodali sanctorum patrum conventu vestra bonitas nobiscum pepigit paret caritatis.126 Auch hier ist eine Gebetsbrüderschaft geschlossen worden. Um 789 vertraut oder empfiehlt Alcuin sich, se commendare, per fiduciam caritatis, quae est Christus dem Gebet des spanischen Bischofs Felix von Urgel und seiner Gläubigen oder Getreuen, tuorumque fidelium.127 Zwar taucht der Begriff amicitia nicht auf, aber mehrfach wird die alle zusammenbindende caritas Christi benannt, die niemanden auslasse. Sie unterstütze auch den geistigen Kampf, in dem man nicht nachlassen dürfe, um gerettet zu werden. Die eigentliche Bedeutung dieses Briefes liegt darin, daß Felix der Hauptvertreter der von Alcuin heftig bekämpften Irrlehre des Adoptianismus ist. In einem späteren Brief an Felix bezeichnet er es als ein caritatis officium, ihn cura fraternae salutis zu ermahnen.128 Er weist daraufhin, olim me ipsum, celeberrimam tuae sanctitatis audiens famam, per quendam ex illis partibus presbyterium tuis sacratissimis... commendare curavi, et quam tunc solius famae ardentius amare audeo,... Das kann als Bezugnahme auf den ersten Brief gedeutet werden. Amare deutet auf eine amicitia. Daher, unde, sendet er ihm nun eine Schrift gegen den Adoptianismus, cum magna humilitate caritate und fleht ihn an, den wahren Glauben der universalen Kirche zu bewahren. Auch das ist brüderlicher Dienst, der dem des Freundes gleichkommt. Ermahnung und Rückführung im Glauben sind Freundespflichten und Freundesrechte. Auch mit Karl verbindet Alcuin eine amicitia, wenn Alcuin dem König selbst gegenüber den Begriff anscheinend nicht verwendet, sich aber als dessen amicus bezeichnet.129 Sie beruht auf Gottes Gnade. Dei enim gratia faciente plurimis profuit amicitia, quam deus mihi donavit cum illo heißt es in bezug auf Karl in einem Brief an die fratres Eboracensis aecclesiae von 795.130 Er sei nicht des Geldes wegen, sed ecclesiasticae causa necessiatis et ad confirmandam catholicae fidei rationem im Frankenreich geblieben. An Karl selbst richtet er immer wieder belehrende, mahnende, aber auch seinen Geist, seine Glaubensstärke, sogar seine Siege, z. B. über die Awaren, preisende Briefe, insbesondere seitdem er Abt von St. Martin in Tours geworden ist. Immer wieder schickt er auch theologische Abhandlungen oder Erklärungen zu zentralen Fragen des Glaubens, der Liturgie, aber auch zur Erklärung des Kalenders etc. Das ist nicht nur die Pflicht des Beraters, sondern auch das Recht des Freundes, wie Alcuin in seinem bereits zitierten Brief an Karl ausdrücklich schreibt.131 Die Zitate ließen sich vermehren. Amicitia erscheint als ein spiritueller Begriff. Ihr hervorragender Inhalt ist der innere geistlich-religiöse Aufbau des Freundes durch Bücher, Reliquien und Gebet, aber auch die Ermahnung hinsichtlich des Glaubens. Zur Begründung der spirituell-relgiösen amicitia scheint es viele Wege zu geben, ein Ver-

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Alcuini epp., Nr. 189 MGH. Epp. IV, S. 316, Z. 17ff. Alcuini epp., Nr. 5, MGH Epp. IV, S. 30. Alcuini epp., Nr. 23, MGH Epp. IV, S. 60, Z. 17ff. So in einem der letzten überlieferten Briefe Alcuini epp., Nr. 306, MGH Epp. IV, S. 465, Z. 16. Alcuini epp., Nr. 43, MGH Epp. IV, S. 89, Z. 3. Alcuini epp., Nr. 149, MGH Epp. IV, S. 242, Z. 30–243, 1ff.

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sprechen, die Aufnahme in einen besonderen Kreis, ein Kloster, eine Kongregation, in den engen Zirkel um Karl, aber auch einfach die Aufnahme einer Korrespondenz. Freundschaft überdauert lange Zeiten, kann wiederbelebt werden, überwindet auch Entfernungen gerade auch mit persönlich unbekannten Personen. Sie verpflichtet zur Treue, die aber auf spirituelle Weise in der caritas, im Gebet wirksam wird. Diese steht im Zentrum der Freundschaft. Aber sie ist nicht reine menschliche Liebe, sondern sie ist in der caritas, auch dilectio Christi verankert. Das verändert die caritas in der verchristlichten amicitia, die so selbst in der Liebe Christi gegründet wird. Zwar zitiert Alcuin in seinen Briefen wie auch sonst keine „Vorgänger“, ausgenommen die Schrift. Aber es ergibt sich aus Wortwahl und Argumenten, daß er in der Überlieferung der Spätantike steht, vielleicht auch griechische Väter kannte. Er setzte sich mit griechischem Denken mehrmals auseinander.

c. Die Väter Über die Freundschaftslehren der spätantiken christlichen Autoren gibt es eine reichhaltige Literatur. Ihre Ergebnisse bzw. ihr gegenwärtiger Stand können wie folgt zusammengefaßt werden.132 Die christliche Theologie übte zunächst Zurückhaltung, wenn nicht Abwehr gegen die als heidnisch betrachteten philosophischen Freundschaftslehren der griechischen und römischen Antike. Erst mit dem Beginn der Verchristlichung des römischen Reiches widmeten im 4. und 5. Jahrhundert im Osten vor allem Basilius, Gregor von Nyssa und Gregor von Nazianz und im Westen vor allem Ambrosius, Augustinus, Paulinus von Nola und später Cassian der Freundschaft grundlegende theologische Überlegungen. Aber nur Cassian schrieb eine zusammenhängende Darstellung.133 Sie knüpften an die antike und spätantike heidnische Literatur, insbesondere des Platonismus und Neuplatonismus sowie des Stoizismus an. Augustinus bezog sich in seiner Freundschaftslehre positiv auf die genannte Definition der Freundschaft durch Cicero und Seneca.134 Aber die antike Lehre wurde christlich umgedeutet und fortentwickelt. Rebenich ist der Auffassung, daß durch die amicitia das Christentum sich in das bestehende irdische politische Gemeinwesen integriert habe.135 Das müßte umgekehrt bedeuten, daß das Christentum sich durch die amicitia christlicher Prägung das Reich anverwandelt hätte. Ins Zentrum treten die drei lateinischen Begriffe caritas – dilectio – amor, die nunmehr im christlichen Verständnis auf die Freundschaft bezogen werden. Deren inhaltliche Bestimmung bzw. Bewertung und folglich auch ihr Verhältnis zueinander wur-

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Zum folgenden aus der reichhaltigen Literatur, Rebenich, Freund und Feind, passim; Hadot, Art. Amicitia; Geerlings, Freundschaftsideal; Neuhausen, Cassians Traktat; alle mit zahlreichen Nachweisen aus den Kirchenvätern und weiterführender Literatur. Neuhausen, Cassians Traktat, passim. Zur amicitia bei Augustinus auch Ilsetraut Hadot, Art. Amicitia, Augustinus-Lexikon, Bd. 1, Sp. 287–293. Rebenich, Freund, S. 18.

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den jedoch von den einzelnen Autoren wohl unterschiedlich interpretiert. 136 Das gilt vor allem für den Begriff amor, der von einigen als schlechte Liebe, d. h. wohl sexuelle Liebe verstanden wurde. Augustinus verwendete den Begriff mit den beiden anderen Begriffen dilectio und caritas hingegen gleichsinnig positiv.137 Aber die beiden letztgenannten Begriffe werden vorherrschend. Bei einigen Autoren ersetzen sie den heidnisch verdächtigen Begriff amicitia ganz. Amicitia und caritas fallen damit in eins.138 In der Nachfolge Augustins unterschied Caesarius von Arles an ihn anknüpfend zwischen der amicitia consuetudinis, der gewöhnlichen, alltäglichen Freundschaft, und der amicitia rationis oder spiritualis, der wahren Freundschaft in der caritas oder dilectio, die ihren letzte Grund in Gott hat, est alia superior amicitia, non consuetudinis, sed rationis, qua diligimus hominem propter fidem et mutuam benevolentiam in ista vita mortali.139 Diese Rückführung der wahren Freundschaft auf Gott löste sie von der antik-heidnischen Freundschaft. Aber sie knüpfte doch wiederum auch an die Bestimmung der Freundschaft des Laelius an, an den Konsens zwischen Freunden über die göttlichen und menschlichen Dinge. Daraus wurde christlich gewendet die völlige innere und äußere Übereinstimmung im Glauben, die unanimitas der Gleichgesinnten. Sie werden untereinander und mit Gott in der wahren und dauerhaften, vera et sempiterna, Freundschaft vereint.140 Mit Ungläubigen, aber auch mit Häretikern konnte es keine wahre oder volle Freundschaft geben.141 Sie wurden zum Feind, der sogar mit den Mitteln der imperialen Gewalt bekämpft werden durfte, ja mußte. Das ist zweifellos die negative Seite der so auf Übereinstimmung im christlichen Glauben und der daraus erwachsenden dilectio und concordia gegründeten Freundschaft. Stufen der Freundschaft waren aber wohl möglich. Die Übereinstimmung im Glauben stiftete auch Freundschaft zwischen einander persönlich Unbekannten, die auch über weite Strecken von einander getrennt lebten. Paulinus von Nola schrieb an Augustinus, es sei nicht verwunderlich, daß sie trotz weiter räumlicher Trennung zusammen seien cum munius corporis membra simus, unum habeamus caput (Christus), unas perfundamur gratia, uno pane vivamus, una incedamus via, eadem habitemus domo, alles zentrale christliche Glaubensaussagen.142 Glaube und Liebe begründen die Freundschaft durch Gott. Eben darauf baut die amicitia Karls mit Offa, oder die Ludwigs mit den oströmischen Kaisern, die sich alle nicht gegenseitig kennen. 136

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Zum christlichen Begriff der caritas nach wie vor Pétré, Caritas, insbesondere ab S. 43 ff.; für Augustinus Dany Diedeberg, Art. Amor, Augustinus-Lexikon, Bd. 1, Sp. 294–300; caritas, ibid., Sp. 730–743; dilectio, ibid. Bd. 2, Sp. 435–453. Pétré, Caritas, S. 90ff.; Diedeberg, Art. Amor, Sp. 295. Neuhausen, Cassians Traktat, S. 14. Rebenich, Freund, S. 20 f.; Geerlings, Freundschaftsideal, S. 272ff.; zu Cassian Neuhausen, Cassians Traktat, S. 196 ff. Rebenich, Freund, S. 19f. Dazu ausführlich Rebenich, Freund, S. 25ff., der auch die Konsequenzen bis hin zum Abbruch von Freundschaften durch Augustin und andere schildert, wenn ein Freund sich entweder nicht taufen ließ oder sich vom gemeinsamen Glauben entfernte. Diese waren oder wurden zum „Feind“. Zitat bei Rebenich, Freund, S. 24.

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Christliche Freundschaften waren nicht allein individuell bestimmt oder ausgerichtet, sondern wirkten gruppenbildend. Da zur Zeit Augustins das eine Reich noch bestand und den Rahmen gesellschaftlicher, gruppenhafter wie individueller Existenz bildete, organisierten sie Gruppen in diesem Reich, stifteten dadurch concordia. Sie hatten daher gesellschafts-strukturierende Bedeutung. Zwischen Theologen und Intellektuellen wurden sie mit theologie-politischen Zielsetzungen eingegangen, um Lehrpositionen zu sichern oder durchzusetzen.143 In der christlichen Freundschaft spielten das Gebet für den Freund, aber auch die an ihn zu richtende Ermahnung vor allem in Glaubensfragen eine zentrale Rolle. Geerlings nennt vier Grundvollzüge der Freundschaft bei Augustin: Liebe, Vertrauen, Freimut und Gebet, wie sie später auch Alcuin übte.144 Die Freundschaftslehren der Väter des 4. und 5. Jahrhunderts bezogen sich nicht auf politische Freundschaften, wie das in der heidnischen Antike jedenfalls auch der Fall war, weder innerhalb des Reiches noch gar nach draußen. Außerhalb des Reiches lebten Heiden oder Arianer. Auch Alcuins briefliche Praxis richtete sich zwar an Personen hohen Ranges in der Führungsgruppe der Angel-Sachsen und der Franken, zielte aber nicht auf die politischen Strukturen. Eine Verbindung von den persönlichgruppenhaften Freundschaften zu den politischen Freundschaften auch mit anderen Herrschern läßt sich jedoch über zentrale Elemente beider Formen der amicitia herstellen, über caritas oder dilectio und fides, Glauben oder Treue, concordia oder unanimitas, Einmütigkeit oder Übereinstimmung. Aber auch die Funktion der Strukturbildung in den jeweiligen allgemeinen Zusammenhängen verband sie.

d. Caritas Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß die nähere Bestimmung der Bedeutung der verschiedenen lateinischen Begriffe caritas, dilectio, amor, die im Deutschen nur mit dem einen Wort Liebe übersetzt werden können, und ihres Verhältnisses zueinander schwierig ist. Zwar hatte schon Cicero die Freundschaft auf caritas bezogen. Aber diese gewinnt in besonderer Weise christliche Bedeutung. Denn mit ihr wurde das biblische griechische Wort agapé übersetzt. Gott selbst wird von Johannes als caritas bezeichnet, deus caritas est.145 Sie transformiert die antike in die christliche amicitia.146 Es kann davon ausgegangen werden, daß caritas und dilectio sich entsprechen. Beide bezeichnen eine spirituelle Liebe. Da sie den Kern der christlichen amicitia bilden, erscheint diese selbst als eine spirituelle Verbindung, weshalb sie eben auch nicht der persönlichen Gegenwart der Freunde bedarf. Caritas wird für die Liebe zwischen Gott und den Menschen wie für die Liebe der Menschen untereinander verwendet, verbindet sie also. 143 144 145 146

Rebenich, Freund, S. 29f. Geerlings, Freundschaftsideal, S. 370f. Erster Brief des Apostels Johannes, Kapitel 4, Vers 16. Noble, Republic, S. 267ff.; Paradisi, L’amicitia 2, S. 353 gibt ihr una nova sostanza morale, a cui il cristianesimo contribuira a dare una piu fervida spiritualita auch für die byzantinische amicitia. Hierin finden sich beide Institute.

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Caritas wie dilectio sind aber nicht, oder nicht nur „private“ individuelle Tugenden, die im persönlichen Verhältnis der Freunde geübt werden. Da sie die christliche Gemeinschaft und ihr Zusammenleben allgemein tragen und prägen, ab dem 4. Jahrhundert auch in der politischen Sphäre, sind sie öffentliche Verhaltensweisen. Korrespondenzen zwischen Freunden wurden zum Teil öffentlich geführt.147 Damit werden sie auch formalisiert und ritualisiert. Als Nächstenliebe bis hin zur Feindesliebe bilden caritas oder dilectio dem Grunde nach nichts anderes als die grundlegende Anerkennung des und Zuwendung zum anderen. Diese äußern sich dann auf verschiedene, typisch christliche Weise u. a. im fürbittenden Gebet und auch der Ermahnung zum Glauben. Auf die Spannungen des Gebotes der Feindesliebe gegenüber Ungläubigen und Häretikern wurde bereits hingewiesen. Verliert sich damit die christliche amicitia im Allgemeinen, stellt sie keine besondere Beziehung mehr dar? In gewisser Weise scheint sich das bei Augustinus, der in der Jugend gerade persönliche Freundschaften intensiv gelebt hatte, in seinen späteren Schriften anzudeuten. Caritas bzw. dilectio und benevolentia sollen möglichst vielen zugewandt werden; denn sie ist für Augustin das allgemeine Grundprinzip christlicher Brüderlichkeit oder Gemeinschaftlichkeit überhaupt, ubicumque fratrem diligitis, amicum diligitis“.148 Sie schafft damit die allgemeine concordia wie die unanimitas, die Einheit und die Gleichgesinntheit oder Einmütigkeit. Auch die zitierte Grundlegung der Freundschaft mit Augustinus durch Paulinus von Nola kann so verstanden werden, da sie den allgemeinen Glauben der Christen und nichts Besonderes nennt. Trotzdem bleibt es auch bei engeren personalen Bindungen in einer besonderen amicitia einer Gemeinschaft von Mönchen, von Korrespondenzpartnern, eines Freundeskreises, auch einer besonderen Beziehung zwischen Herrschern, aufbauend auf einer vertieften, ausgebauten caritas oder dilectio. Da diese aber dem Grunde nach nichts anderes ist, als die allgemeine caritas, trennt amicitia die amici auch nicht von der allgemeinen Brüderlichkeit der Glaubenden ab, bettet sie vielmehr in besonderer Weise in diese ein. Nicht nur der Austausch von Geschenken und das persönliche Fürbittgebet der Freunde füreinander, von dem bereits mehrfach die Rede war, stellte so eine Vertiefung dar. Augustin bat gerade im Alter immer wieder darum. In einem Brief Alcuins an den Bischof Remedius von Chur, den er mit caritas vestra anredet, dankte er diesem zunächst für Geschenke, aber vor allem für seine Gebete und fuhr fort caritas vero inter amicos melior est auro et fides inter absentes praetiosior gemmis.149 Freundschaft bezieht auch „Vermittlung“ zwischen Freunden ein. In seinem Brief an Offa, dilectio vestra, bezeichnet sich Alcuin einerseits auch als amicus humilis des Königs von Mercien und berichtet ihm andererseits, der König habe in Karl, der amabiliter et fideliter sepe mecum locutus est de vobis, fidelissimum amicum.150 Karl sandte Offa Geschenke, die wohl aus dem Awarenschatz stammten. Der Berater und Freund Karls des Großen wollte mit diesem Brief wohl das Verhältnis zwischen beiden Königen stärken. Denn König 147

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Ausführlich schildert Rebenich, Freund, S. 14ff. die öffentliche Korrespondenz zwischen Augustinus und Hieronymus. Zitat bei Geerlings, Freundschaftsideal, S. 272. Alcuini epp., Nr. 76, MGH Epp. IV, S. 118. Alcuini epp., Nr. 101, MGH Epp. IV, S. 796.

Verhaltensnormen

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Aethelrid von Northumbrien war ermordet worden, dem Karl offenbar auch freundschaftlich verbunden war, da er diesem ebenfalls Geschenke übersenden wollte, wie Alcuin schreibt. Karl sei bei dieser Nachricht tantum iratus contra gentem geworden, daß er bereit gewesen sei, ihm viel Böses anzutun nisi ego (Alcuin) intercessor pro ea. Die caritas oder dilectio einer amicitia erweist sich in den besonderen Lagen auch in besonderer Weise, die über die allgemeine caritas hinausgeht.

IX . Ver h al ten s n o r men a. Grundlegung Die Normen für das Verhalten der amici zueinander, aber auch gegenüber Dritten auf Grund der amicitia waren, wie bereits festgestellt, nicht genau festgelegt, sondern sie blieben in den Quellen allgemein, weit, offen und unbestimmt. Sie erfaßten das ganze Spektrum des Verhaltens zwischen den beteiligten Herrschern. Einzelheiten ergaben sich aus der Anlage der jeweiligen Verbindung selbst. Daher können im Folgenden auch nur Aspekte einer Verhaltensnormativität gegeben werden.

b. Verhalten zwischen den amici In den wichtigeren Quellen wird in bezug auf die inneren Beziehungen von Austausch von Gesandten, Briefen, Geschenken berichtet. Für die fränkischen Herrscher und Päpste gehörten zudem auch gegenseitige Besuche mit persönlichen Treffen dazu. Mit den Kaisern von Byzanz fanden in geringerem Umfange derartige Austausche und keine persönlichen Begegnungen statt. Zwischen amici bestand eine absolute Friedenspflicht. Es wurden gemeinsame Probleme auf friedliche Weise geregelt, so zwischen fränkischen und oströmischen Partnern die Bilderfrage oder die Grenzfrage in Dalmatien. Die Intervention Karls des Großen zugunsten mercischer Flüchtlinge in Franken bei Offa oder die Bitte des oströmischen Kaisers Michael II. um friedlichen Durchzug für die Gesandten der Rhus bei Ludwig dem Frommen zeigen, daß eine amicitia auch die Grundlage für Einwirkungen zugunsten Dritter bieten konnte. Man konnte von dem befreundeten Herrscher Unterstützung oder Hilfe erwarten. Auch für unsere Epoche galt wohl die Grundpflicht zu „Rat und Hilfe“. So wurde die Auffassung praktisch, daß ein Freund auch ein Freund der Freunde seines Freundes zu sein habe, allerdings, wie das Beispiel des Verhaltens Ludwigs gegenüber den Rhus zeigt, nicht um jeden Preis. Die Rechtspflicht zum Schutz der Pilger und Kaufleute des Freundes, wie sie von Karl gegenüber Offa bekräftigt wurde, war angesichts der unsicheren Rechtsstellung der Fremden von zentraler Bedeutung. Besonderes Gewicht erhielt dies für die Pilger zu den hl. Stätten und für die Kaufleute zum Orient allgemein. In der Gewährleistung dieses Schutzes lag die wesentliche Bedeutung der von Einhard behaupteten amicitia mit Harun al-Rashid. Die verschiedenen Nachrichten der Reichsannalen über Gesandtschaften aus Jerusalem sollen offenbar hervorheben, daß Harun al-Rashid Karl dem Großen gegenüber solche Rechtspositionen einräumte, indem er z. B. die Schlüssel und die Fahne von Jerusalem an ihn übersenden ließ. Innerhalb einer bestehenden

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Amicitia

amicitia konnten sich auch die Gebetsbrüderschaften über die Grenzen der Herrschaftsgebiete hinweg entwickeln. Fürbittgebete gehörten nach heutigem Verständnis eher zu den religiösen als zu den rechtlichen Pflichten. Aber sie waren zweifellos unabdingbarer Bestandteil auch der politischen amicitia.

c. Verhalten gegenüber Dritten Das Verhalten gegenüber Dritten war allgemein in der von Stephan III. beschriebenen Regel festgehalten, dem Freund des Freundes ein Freund und seinen Feinden ein Feind zu sein. Neutralität gab es in einer amicitia nicht. Unter Umständen bestanden gegenüber Dritten Beistandspflichten. Nach Auffassung Paradisis wurde die amicitia mehr und mehr zu einer Allianz.151 Eine allgemeine, auch militärische Beistandspflicht nur auf Grund der amicitia läßt sich für unsere Zeit jedoch aus den Texten nicht erschließen. Es fehlt an Fällen. Nur von den Päpsten wird in dieser Zeit immer wieder eine Beistandspflicht gegen die beiden langobardischen Könige Aistulf und Desiderius nach 754 von Pippin und seinen Söhnen eingefordert. Später bittet Hadrian I. Karl gegen den Herzog von Benevent und mit ihm verbündete Griechen des Südens um Hilfe. Aber die Formulierungen dieser Aufforderungen an Pippin oder Karl stützen sich nie auf die amicitia, sondern auf die besondere Stellung als defensor ecclesiae. Wenn in anderen Beziehungen die amicitia für militärische Hilfeleistung in Anspruch genommen wurde, bestand auch ein pactum oder ein weiteres Beistandsverhältnis, z. B. zugunsten Heriolds gegenüber den dänischen Königen aus der Vasallität. Derartige Pflichten waren somit konkret wohl eher diesen und nicht der amicitia als solcher zuzurechnen. Auch die gelegentliche Verbindung von amicitia und foedus ist nicht in allen Fällen als Verteidigungsbündnis zu verstehen. Wenn Karl in seinem Brief an Offa die Erwartung oder den Wunsch äußert, ut foedus, in radice fidei firmatum, floreret in fructu caritatis, dann werden foedus, caritas und die zuvor erwähnten amicitia und concordia zu einer Einheit verbunden, die klare Unterscheidungen und Zuordnungen von bestimmten Rechtsfolgen nicht mehr zuläßt. Von einer Allianz, also einem Bündnis im engeren Sinn, ist hier jedoch nicht einmal andeutungsweise die Rede. Die amicitia war gerade auch durch ihre religiös-spirituelle Dimension auf friedliche Verhaltensweisen ausgelegt. Die genannte Vermittlertätigkeit Alcuins zwischen Karl und Offa gehörte wohl dazu. Diese religiös-spirituelle Dimension fehlte jedoch der amicitia zwischen den Söhnen des Dänenkönigs Godofrid und dem Abodritenfürst Sclaomir. Der Bericht beschreibt ein ausschließlich kriegerisches Bündnis zwischen den beiden Herrschern gegen die Franken. Beide Partner waren jedoch Heiden, die christliche Auslegung der amicitia war auf sie also nicht anwendbar. Wenn trotzdem dieser Begriff von dem christlichen Annalisten verwendet wurde, hatte dieser anscheinend auch einen offeneren, nicht religiös gebundenen Inhalt.

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Oben S. 666ff.

Amicitia und Verwandtschaft

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Offen muß bleiben, ob und wieweit aus der amicitia et oboedientia des Dänenkönigs Horich gegenüber Ludwig dem Frommen besondere Verhaltens-, insbesondere Beistandspflichten folgten. Nach dem Bericht der Annalen von 836 wollte sich der König dem Kaiser gegenüber von einem Normannenzug gegen Friesland und Dorestadt distanzieren. Andererseits forderte er Ersatz für Gesandte, die bei Köln ermordet worden waren. 838 soll Horich nach den Annalen erneut Gesandte an Ludwig den Frommen mit der Mitteilung entsandt haben, pyratarum in nostros fines dudum irruentium maximos a se ob imperatoris fidelitatem captos atque interfici iussos retulerunt.152 Die damit verbundene Forderung, dafür das Land der Friesen und Abodriten zu erhalten, habe der Kaiser jedoch mit Verachtung übergangen. So bleibt unklar, ob es sich um die Erfüllung einer Beistandspflicht Horichs gehandelt hat. Die dänischen Gesandten, die ein Jahr später in Reims erneut Frieden und Freundschaft fester knüpfen wollten, mußten sich abermals von normannischen Übergriffen auf Friesland distanzieren. Aus diesen wiederholten offiziellen Distanzierungen von normannischen Angriffen verbunden mit der Bitte um pax und amicitia kann geschlossen werden, daß eine amicitia eine Art Nichtangriffspflicht umfaßte.

d. Ergebnis Gemäß dem doppelten Charakter oder der doppelten religiösen wie rechtlichen Dimension der amicitia waren die Verhaltensnormen weit gefaßt und vielfach beweglich. Rechtlich und religiös begründete Verhaltensweisen waren möglich und ergänzten sich. Auch das Gebet war ein Beistand wie die militärische Verteidigung. Rat konnte auch in Belehrung und Ermahnung bestehen. So erschließen sich die Verhaltensnormen insgesamt aus der Gesamtheit der Beziehungsform, ihrer rechtlichen wie ihrer religiös-spirituellen Dimension. Sie sind weder als ausschließlich rechtliche noch als ausschließlich religiöse zu qualifizieren. Denn gerade hier gilt auf Grund der dargelegten Verknüpfung und Mischung von rechtlichen und religiösen Grundlagen und Inhalten, daß Recht, Religion, Moral nicht streng zu trennen, sondern ineinander verwoben sind. Man kann von „Multinormativität“ sprechen.153

X. Am ic it ia u nd Ver w an d ts ch aft a. Fragestellung Paradisi hat nicht nur für die römisch-byzantinische amicitia, sondern generell auf die Zusammenhänge zwischen dieser und verwandtschaftlichen Verbindungen hingewiesen. Da es sich, wie bereits bemerkt, in unserer Epoche um Verbindungen zwischen Personen, den Herrschern, handelt, in die die Völker zwar miteingeschlossen waren,

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Ann. Bertiniani, ad a. 838. Ich verdanke diesen Begriff Milos Vec, der ihn in einem Kolloquium im Max Planck Institut für Europäische Rechtsgeschichte benutzte.

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Amicitia

aber nicht um staatliche Beziehungen zwischen den politischen entpersonalisierten Einheiten, hatten die verwandtschaftlichen Verbindungen als personale Rechtsinstitute par excellence für die Verbindungen der Herrscherpersonen untereinander funktional erhebliche Bedeutung. 154 Es gab zwei Ebenen der Verwandtschaft, die natürliche und die gemachte Ebene. Paradisi unterscheidet die natürliche und die geistige Ebene. Zu der natürlichen Ebene gehört die durch Geburt vermittelte Verwandtschaft, zur gemachten gehören Ehe, Adoption, die geistige fraternitas und die Taufe. Aber beide Arten von Verwandtschaftsbeziehungen standen nur ergänzend und stärkend neben der amicitia. Sie waren nicht regelhaft und auch keineswegs stets mit dieser verbunden.

b. Natürliche fraternitas Die natürliche fraternitas spielte in unserer Epoche zwar mehrmals eine Rolle, nach dem Tode Karl Martells, nach dem Tode Pippins, als jeweils zwei Brüder nachfolgten, und in der Regierungszeit Ludwigs des Frommen. Aber sie betrafen nur interne Situationen innerhalb des Reiches, die beiden ersten Doppelherrschaften endeten zudem sehr schnell. Auch Ludwig konnte bis zu seinem Tode die Einheit trotz aller Konflikte mit den Söhnen bewahren. Zu Problemen für die Beziehungen zu Herrschern außerhalb des Reiches führten sie nicht. Auch die beiden Versuche, für die Zukunft nach dem Tode Karls und später Ludwigs Regelungen für das Verhältnis der nachfolgenden Söhne zu treffen, hatten aus unterschiedlichen Gründen keine Auswirkungen nach außen. Der Übergang der Herrschaft auf mehrere Brüder in jeweils eigenen regna des Frankenreiches und deren Entwicklung zu Zwischen-Mächte-Beziehungen nach 840 liegt außerhalb unseres Zeitrahmens. Mit dem Zerfall des Großreiches beginnt auch ein neuer Zeitabschnitt für deren normative Ordnung, in der die fraternitas eine zunehmende Rolle spielen wird. Jedoch stammt aus der zweiten kurzfristigen Doppelherrschaft Karls und Karlmanns ein Brief Stephans III. an die beiden Brüder, in dem der Papst in grundsätzlicheren Ausführungen den normativen Inhalt der fraternitas in allgemeiner Hinsicht näher bestimmte.155 Nach der Klage über die brüderliche divisio und discordia brachte er seine Freude darüber zum Ausdruck, daß Gesandte der Brüder ihm mitgeteilt hätten: contentionis rixas ac litigia inter vos versata fuissent, sed annuentae Domino nunc ad veram dilectionem et unitatis concordiam et fraternam amoren conversi extitisse videmini. Zweifellos hatte der Papst ein eigenes lebhaftes Interesse an der Einigkeit der Brüder, da ihm wohl nur so der notwendige Schutz Roms gesichert zu sein schien. Auf diesen kommt er im zweiten Teil des Briefes auch ausführlich mahnend zu sprechen. Aber die Beschreibung des Inhalts der fraternitas ist eine allgemeinere. Es werden dieselben Begriffe benutzt wie für die amicitia: dilectio, unitas, concordia, amor. Auch in diesem Zusammenhang waren sie nicht nur in einem höchstpersönlichen Sinne auf der Ebene innerer Gefühle und des Gemüts zu verstehen. Fraternitas erscheint in dieser 154 155

Zur fraternitas in dieser Zeit u. a. Wielers, Beziehungsformen, S. 99ff. Codex Carolinus, Nr. 44, MGH Epp. III, S. 558; dt. Anhang Nr. 9.

Amicitia und Verwandtschaft

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Sicht als ein Äquivalent zur amicitia. Karl der Große teilt zwar sein Reich in drei regna zwischen seinen drei Söhnen, fordert aber jeden auf et pacem atque caritatem cum fratre custodire.156 Fraternitas trat auch, ein Sprung über unsere Epochengrenze, in dem Vertrag der drei Brüder Lothar I., Ludwig der Deutsche und Karl der Kahle vom Oktober 844 von Diedenhofen hervor habitoque diebus aliquot amicabili pernecessarioque conloquio, inter se fraternitatis et caritatis iura in posteram non violanda confirmant.157 Wie amicitia wird fraternitas mit caritas verknüpft und werden ihr iura zugeordnet. Lothar I. selbst setzte diese fraternitas später in einem Brief an Papst Leo IV. mit einer amicitia gleich, Cum vero fermato inter nos fratres que nostros amicitiae foedere regnum nostrum aequaliter in tres partes divisum immo distinctum esset, ...158 Es bestand somit eine gewisse Parallelität, gar Verbindung zwischen amicitia und fraternitas.159 Es ist bemerkenswert, daß an dieser Stelle iura wiederum mit der caritas verknüpft werden. Amicitia und fraternitas hatten beide die caritas zum Inhalt. In beiden Fällen handelte es sich nicht um den Ausdruck einer nur persönlich subjektiven, gesinnungsmäßigen Beziehung. Vielmehr ist beide Male ein objektives, wenn auch personal bestimmtes Verhältnis gemeint, das als solches ein rechtliches Verhältnis war und persönliche Rechte enthielt. Die fraternitas konnte zwischen Brüdern anscheinend die amicitia in gewisser Weise ersetzen.

c. Gemachte Verwandtschaft Das hatte Bedeutung für gemachte Verwandtschaft und Brüderschaft. Die Anrede frater, die Karl regelmäßig gegenüber anderen Herrschern benutzte, begründete oder machte zwar keine neue rechtliche oder geistige Verwandtschaft oder Brüderschaft. Aber sie brachte nicht nur den Gleichrang zum Ausdruck, sondern auch die zur fraternitas gehörende caritas und benevolentia, die Brüder einander schulden. Denn auch sie schloß, wie die Formulierungen in den drei mehrfach genannten Briefen Karls des Großen zeigen, caritas, dilectio, concordia ein. Paradisi hat für die frühe amicitia die These aufgestellt, sie sei der Quell, das Fundament des internationalen Rechts, indem zwei Mächte sich gegenseitig als solche anerkannten und Kontakt miteinander aufnahmen, der dann auch zu vertraglichen Bindungen geführt habe.160 Eine ähnliche Funktion kann auch der gedachten fraternitas zwischen Herrschern zugesprochen werden.

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Divisio regnorum, Prooemium, MGH LL II, Capit. I Nr. 45, S. 126, S. 127, Z. 12. Diese Zusammenkunft fand im Rahmen einer Synode zur Reform der Kirche statt, MGH LL II, Capit. II/1, Nr. 227, S. 112. Epp. sel. Leonis IV, Nr. 46, MGH Epp. V, S. 610, Z. 21f. Bemerkenswert ist der Anlaß: Lothar bittet Leo IV. um das pallium für Hincmar von Reims, obwohl Reims zum Reich Karls des Kahlen gehörte. War das ein Ausfluß der kaiserlichen Stellung Lothars oder der fraternitas? Zu diesen Zusammenhängen insbesondere Paradisi, Storia I., S. 351ff., 365ff.; L’amicitia 2, S. 363ff. Paradisi, L’amicitia 2, S. 341, 371.

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Amicitia

Der Konzeption einer geistigen fraternitas zwischen den Herrschern, verbunden mit der Konzeption der geistlichen Vaterschaft Gottes als Vater aller, auch der Herrscher, liegt auch die Vorstellung einer christlich-religiös begründeten gemeinsamen Teilhabe an der weltlichen Herrschaft in der Christenheit zugrunde, die neben die religiös-kirchliche Einheit getreten sein könnte. Eine derartige Vorstellung tritt wohl in dem Eingangskapitel der Libri Carolini zutage. Sie geht damit über das früher behandelte weltliche Modell der „Familie der Könige“ inhaltlich weit hinaus, wenn sie ihm auch in der Grundstruktur ähnelt. Die Adoption war in der Spätantike im römisch-byzantinischen Reich eine mehrfach angewandte Form, durch gemachte oder künstliche Verwandtschaft, ZwischenMächte-Verbindungen herzustellen. Anders als die fraternitas bedeutet sie allerdings stets ein Abhängigkeitsverhältnis. Einerseits wird der Adoptierte in die Familie des Kaisers aufgenommen, ihm auch eine entsprechende Rechtsstellung als filius eingeräumt. Andererseits ist er eben filius und insofern dem pater untergeordnet. In der fränkischen Praxis hatte Karl Martell über dieses Institut versucht, durch die Adoption seines Sohnes Pippin durch den langobardischen König Liutprand die Familie zu königlicher Würde zu bringen.161 Gleichzeitig bestand zwischen ihm und dem langobardischen Herrscher eine amicitia. Künstliche Verwandtschaft und amicitia verpflichteten zum Frieden, weshalb Karl Martell auf das Ersuchen Gregors III. um Hilfe gegen Liutprand nicht einging. Da aber Liutprands Geschlecht nach seinem Tod aus der Herrschaft im Langobardenreich verdrängt wurde, verlor die Adoption ihre Bedeutung. Pippin konnte später sein renversement des alliances zugunsten des Papstes vollziehen, ohne verwandtschaftliche Pflichten zu verletzen.162 Das Institut der Ehe wurde in unserer Epoche zwar mehrfach in Zwischen-Mächte-Beziehungen in Erwägung gezogen.163 Aber die Projekte ehelicher Verbindungen mit dem oströmischen Herrscherhause scheiterten ebenso, wie die mit dem Königshaus von Mercien. Da auch der Inhalt der Ehe durch unanimitas, caritas, dilectio, concordia und amor gegenüber der gesamten neuen Familie, den neuen Verwandten bestimmt wurde, wies sie, wenn auch in sehr spezifischer Weise, inhaltlich gewisse Parallelen mit der amicitia auf. Der Ehebund enthielt daher auch grundsätzlich eine Friedenspflicht aus verwandtschaftlichen Gründen gegenüber der gesamten Familie des Partners. Daher sah Stephan III. in der Eheschließung eines der beiden Frankenkönige mit einer Tochter des den Papst bedrohenden, von ihm als Feind angesehenen Königs der Langobarden nicht nur einen Bruch der amicitia, sondern ganz konkret die Gefahr, daß die Franken ihn bei einem erneuten Angriff des Desiderius nicht mehr helfen könnten. Hatte doch schon Karl Martell den Hilferuf Gregors III. mit der Berufung auf seine amicitia mit

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Paulus Diaconus, Historia, c. 53, MGH SS rer. Lang., S. 183. Andererseits wollte Stephan II. in seinem fingierten Brief des hl. Petrus an Pippin durch die Berufung auf eine geistliche Adoption Pippins durch den Apostelfürsten Pippin gewissermaßen zur Erfüllung seiner „Sohnespflicht“ durch Hilfe gegen Aistulf ermahnen, Codex Carolinus, Nr. 10, MGH Epp. III, S. 501. Zur Bedeutung in der Spätantike Paradisi, L’amicitia 2, S. 363ff. Zu Theoderich dem Großen Epp, Amicitia S. 206ff.; zum conubium-Verbot andererseits, oben S. 164, 277.

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Liutprand abgewiesen. So konnte die verwandtschaftliche Friedenspflicht mit der Schutz- und Verteidigungspflicht aus der amicitia zwischen Frankenherrscher und Papst gegen die Langobarden in Konflikt geraten, u. U. deren Erfüllung sogar verhindern, Et quomodo nunc contra animas vestras agere contenditis et cum nostris inimicis coniunctionem facere vultis, dum ipsa periura Langobardorum gens, semper ecclesiam Dei expagnantes et hanc nostram Romanorum provintiam invadentes, nostri esse conprobantur inimici? Die Brüder setzten also den Papst dem Feind aus, aber sie handelten auch gegen ihr Seelenheil und, wie es an späterer Stelle des Briefes hieß, gegen die caritas gegenüber St. Peter und seinem vicarius, dem Papst.164 Eine Neutralität gab es in diesem Konflikt nicht. Schon sie wäre ein Verstoß gegen die Pflicht aus der amicitia gewesen. Stephans III. Ablehnung und Warnung läßt gleichermaßen die Bedeutung eines solchen Eheschlusses wie auch die der amicitia nachdrücklich hervortreten.

d. Geistliche Verwandtschaft – Taufe Auch die Taufe begründet ein Verwandtschaftsverhältnis, ein geistliches zwar, aber ein dadurch vielleicht noch wirksameres. Es entsteht zwischen dem Täufling und den Paten, aber auch zwischen Täufer und Paten. Gerade diese geistliche Verbindung ist in besonderer Weise auf caritas, dilectio, concordia aufgebaut. Die geistliche Verwandtschaft durch die Taufe zwischen Pate und Täufling wurde sowohl in Byzanz als auch im Westen im Übergang von Antike zum Mittelalter allgemein in Zwischen-MächteBeziehungen geübt.165 Sie führte zu einer geistlichen Eltern-Kind-Beziehung, damit auch zu einer Überordnung des Paten über den Täufling, die sich auch im weltlichpolitischen Bereich auswirkte. Dreimal wird von Taufen und dabei übernommenen Patenschaften karolingischer Herrscher berichtet. 785 wird der sächsische Herzog Widukind mit seinen Genossen am Königshof getauft. Karl der Große war wohl Pate Widukinds.166 Einige Jahre später wurde ein Awarenherrscher am Königshof getauft.167 Zwar wird über eine Patenschaft Karls nichts berichtet; aber die Taufe am Königshof deutet darauf hin. 826 übernahmen Ludwig und seine Frau die Patenschaft über den dänischen König Heriold und dessen Familie bei deren Taufe in Mainz.168 Taufe und Patenschaft ergänzten, ver164

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Wie die Auflösung der Ehe, nach Einhard bereits nach einem Jahr, kirchenrechtlich gerechtfertigt wurde, bleibt offen. 774, zum Zeitpunkt des Eingreifens Karls des Großen in Italien war sie längst durch eine neue Ehe mit Hildegard ersetzt. Von Auseinandersetzungen oder Schwierigkeiten bei der Auflösung wird nirgendwo etwas berichtet. Dazu eingehend Angenendt, Bündnis, S. 6ff.; ders., Karolinger, S. 9ff.; Dölger, Familie, S. 411ff., ders., „Familie der Fürsten und Völker“, S. 170, wo er als Beispiel die Taufpatenschaft Michaels III. für den bulgarischen Fürsten oder Cahn Boris im Jahre 864 bei der Bekehrung der Bulgaren zum Christentum nennt. Er sei dadurch auch „dessen geistlicher Sohn im Sinn der byzantinischen Fürstenfamilie“ geworden, „nicht anders als das auch die Germanenkönige des 5. und 6. Jahrhunderts gewesen waren“. Chron. Moiss. ad a. 785; Ann. mos. ad a. 785. Die Reichsannalen berichten nur über die Taufe. Ann. regni Franc. ad a. 796. Ann. regni Franc. ad a. 826; Ermoldus, Carminum, lib. IV, v. 601 ff., MGH SS II, S. 512.

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tieften das Verhältnis des Frankenherrschers zu den Täuflingen und deren Bindung an diesen. Die Taufe der Völker konnte weitere Folgen für sie haben. In den beiden ersten Fällen verbindet der Bericht die Taufe zudem mit der Nachricht der Unterwerfung unter Karls Herrschaft. 785 heißt es Et ibi baptizati sunt ... Widuchindus et ...; et tunc tota Saxonia subiugata est. Im zweiten Fall wird schon 795 von Gesandten berichtet, qui dixerunt, quod idem tudun cum terra et populo suo se rege dedere vellet et eius ordinatione christianum fidem suspicere vellet. 796 wurde beides vollzogen. Taufe und Unterwerfung standen im engen Zusammenhang. Denn in der Gesamtordnung der Zeit war, wie dargelegt, erst durch die Taufe, d. h. durch die Annahme des Christentums, die Unterwerfung und Eingliederung in das Frankenreich gerechtfertigt. Gewinnung für den christlichen Glauben war ein wesentliches Ziel der Unterwerfung. Die Taufe ganzer Völker diente der Ausdehnung der Kirche oder des christianum imperium. Andererseits trat der Täufling unter den Schutz der Kaisers, wie der Einsatz Ludwigs für seinen Patensohn Heriold zeigt. Nach dem Bericht des Ermoldus erhielt Heriold einerseits das weiße Taufkleid, andererseits eine steinbesetzte, goldpurpurne Chlanny von Ludwig. Angenendt hat auf die Korrespondenz von geistlichen und politisch symbolhaften Handlungen in dem Bericht hingewiesen. Da Heriold zudem in die Vasallität eintrat, wäre, wenn er sich in Dänemark hätte halten können, in geistlichreligiöser wie in politischer Hinsicht eine Abhängigkeit des Dänenkönigs gegenüber dem Kaiser eingetreten. Insofern schien Ludwigs Vorgehen gegenüber Heriold strategisch wohl kalkuliert, war aber auch dessen erneute Vertreibung durch die Söhne Godofrids vorprogrammiert, um so die dänische Unabhängigkeit von Ludwig zu erhalten. Auch zwischen einer Patenschaft und einer amicitia konnten Konflikte entstehen. Als der merowingische König Gunthram nach der Adoption seines Neffen Childebert II. über seinen anderen Neffen Chlothar, mit dem Childebert II. trotz der Verwandtschaft wegen des zukünftigen Erbes verfeindet war, die Patenschaft übernehmen wollte, hielten Gesandte Childeberts ihm entgegen cum inimicis eius amicitias conlegaris.169 Hingegen verweigerte Hadrian I. die Taufe der Söhne Karlmanns, des verstorbenen Bruders Karls des Großen, die Karl von der Herrschaft verdrängt hatte und die zu Desiderius geflohen waren. Dieser bedrängte den Papst immer wieder. Aber diese Taufe hätte eine Schutzpflicht für die Söhne begründet, die im Widerspruch zu der Verbindung mit Karl gestanden hätte. 823 übernahm Lothar I. die Patenschaft über seinen jüngeren Stiefbruder Karl, tutoremque ac defensorem illius se fore contra omnes inimicos eius, wohl arrangiert zum Schutze des Jüngeren.170 Jedoch hinderte die Patenschaft Lothar später nicht, ebensowenig wie die Bruderschaft, Karl mehrfach mit Krieg zu überziehen, um ihm das von Ludwig dem Frommen zugedachte Erbe streitig zu machen.

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Gregor von Tours, Historiarum libri, X, 28. Gunthram wollte durch die Patenschaft seine Nachfolge klären, Wielers, Beziehungsformen, S. 55 ff. Nithard, Historiarum IV, MGH SS rer. Germ. I, 3 S. 3.

Amicitia und Verwandtschaft

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Eine geistliche Verwandtschaft entsteht durch die Taufe, aber auch zwischen Paten und leiblichen Eltern des Täufling, die compaternitas.171 Ihre Rechtsfolgen im privaten Bereich sind dieselben wie zwischen Pate und Täufling, auch sie hat vor allem caritas und unanimitas zum Inhalt.172 Auch sie konnte und wurde für Zwischen-Mächte-Verbindungen ergänzend, stützend, befestigend und verstärkend verwendet. In unserer Epoche wurden solche aber anscheinend nur zwischen den Frankenherrschern Pippin und Karl und den Päpsten Stephan II., Paul I. und Hadrian I. hergestellt.173 Sie erlangte also keine allgemeine Bedeutung in der Ordnung der Beziehungen zwischen Herrschern.174 Aber auch mit den Päpsten scheint es nach Hadrian I. nicht mehr zu einer compaternitas mit den fränkischen Herrschern gekommen zu sein, jedenfalls fehlt die übliche Anrede compater in den Briefen von Leo III. Auch weitere Nachrichten gibt es nicht. Angenendt stellt diese geistliche Verwandtschaft in enge Beziehungen zu dem Konzept der Familie der Könige. Er vertritt die These, der Papst, der als pater angeredet wurde, und die Könige, die er als filii bezeichnete, haben sich als „Papst-Kaiser“ an die Spitze der Pyramide an Stelle des – oströmischen – Kaisers setzen wollen.175 Daran sind für unsere Epoche in bezug auf die weltliche Sphäre Zweifel erlaubt. Die Anreden ergeben sich zwischen dem Papst und weltlichen Herrschern aus der geistlichen Vaterschaft des Papstes, die unabhängig von der compaternitas besteht, und werden auch ohne eine solche von beiden Seiten gebraucht. Es gibt i.ü. in unserer Epoche auch keine sonstigen Hinweise, daß die Päpste sich in der weltlichen Sphäre in dieser Position der Spitze sahen. Das schließt nicht aus, daß für eine spätere Zeit diese geistliche paterfilius-Beziehung in die von Angenendt gewiesene Richtung auch für die weltliche Sphäre ausgebaut worden ist.

e. Ergebnisse Natürliche, gemachte und geistliche Verwandtschaft befestigten, ergänzten, bestärkten die politisch-rechtlichen Verbindungen. Sie eröffneten zusätzliche Möglichkeiten der Entwicklungen und Gestaltungen einer Verbindung zwischen Herrschern, auch indem u. U. das eine Element ein anderes zu ersetzen vermochte. Eine Unterscheidung zwischen religiösen, moralischen, sozialen oder rechtlichen Normen ist für sie jedoch unangebracht. Es besteht vielmehr Multinormativität. Zwar liegt die Verbindung natürlicher und gemachter Verwandtschaft stärker als die der amicitia zunächst im höchstpersönlichen Bereich. Da aber alle diese Verhältnisse jedenfalls bei Herrschern gleichzeitig öffentlich sind, die Herrschaftsstellung selbst in ihren Grundlagen wie in ihren Inhalten berühren, können sie verstärkende Wirkung

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Eingehend Angenendt, Bündnis, S. 26ff. Hinweise ibid, S. 29. Oben S. 157f., 169. Angenendt, Bündnis, S. 31 behauptet zwar eine Ausbreitung der Kompaternität in karolingischer Zeit. In unserer Epoche ist das aber in den Zwischen-Mächte-Beziehungen nicht der Fall. Angenendt, Karolinger, S. 21.

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Amicitia

für die weiteren Verbindungen aus einem pactum oder einer amicitia haben, aber auch eine gegenläufige Wirkung zu anderen Verbindungen mit Dritten entfalten.

X I . F az i t Zwar wird jede Beziehung der drei fränkischen Herrscher mit allen anderen Herrschern in irgendeiner Quelle ein- oder mehrmals als amicitia bezeichnet. Aber da das nicht durchgehend und überall der Fall ist, stellt sich zum einen die Frage nach den Gründen für den unterschiedlichen Sprachgebrauch, zum anderen die Frage nach möglichen inhaltlichen Unterschieden für die jeweiligen Verbindungen. Die Gründe für den unterschiedlichen Sprachgebrauch sind vielfältig. Einige wurden aufgezeigt, u. a. das unterschiedliche Verständnis des Instituts im römisch-byzantinischen und im germanisch-fränkischen Gebrauch und Denken. Aber es mag auch mit den sprachlichen Fähigkeiten der Autoren der Quellen zusammenhängen. Zu beachten ist, daß diese neuartige Vorgänge darzustellen hatten. Ein so ausgedehntes Netz von Beziehungen fränkischer zu anderen Herrschern, wie Karl es aufgebaut hatte, hatte es bis dahin nicht gegeben. Das macht Einhards Preisung dieser Verbindungen deutlich, der sie generell als amicitiae bezeichnet, sie gleichzeitig aber in ihrem Inhalt differenziert. Inhaltliche Unterschiede werden durch den unterschiedlichen Sprachgebrauch der Quellen jedoch letztlich nicht angezeigt. Denn auch wenn der Begriff amicitia nicht verwendet wird, treten i. d. R. die sie ausfüllenden Substanzbegriffe caritas, dilectio, concordia, unanimitas, auch pax auf. In der Substanz stellt die amicitia, von wenigen Ausnahmen abgesehen, ein zweidimensional rechtliches und religiöses normatives Verhältnis zwischen zwei, vornehmlich, aber nicht nur christlichen Herrschern dar. Durch sie wird der ebenfalls zweidimensional konzipierte allgemeine Friede jeweils konkretisiert. Es besteht eine Wechselbeziehung. Die verschiedenen konkreten Friedensverhältnisse bildeten den allgemeinen Frieden, der seinerseits das Ideal war, das die Partner anstrebten. So realisiert sich in jeder amicitia, sei sie ausdrücklich oder durch caritas, dilectio, concordia bezeichnet, die allgemeine Ordnung der pax in den Beziehungen zwischen den Herrschern, Völkern, Mächten. Die Eingangssätze des Briefes Karls des Großen an Offa und die ersten Sätze des 16. Kapitels der Vita Caroli Einhards sind die Schlüsseltexte, die für konkrete Beziehungen die Vorstellung über die allgemeine Ordnung dieser Beziehungen, die augustinische pax omnium rerum tranquillitas ordinis sichtbar machen.

Con clu s ione s I. P lu r al it ät u n d E i n h ei t a. Pluralität In der politischen Ordnung der Welt setzte sich in unserer Epoche die Pluralität der politischen Mächte in Europa endgültig durch. Da die politischen und rechtlichen Verfaßtheiten der politischen Mächte oder Herrschaftsverbände keinem gleichen rechtlich-organisatorischen Schema folgten, schon gar nicht dem des „Staates“, bestand auch insofern Pluralität. Zudem bestand eine Zweiteilung Europas in einen normativ relativ durchgehend geordneten Kernraum und in einen noch offenen Raum der politischen Bewegungen und Gestaltungen. Zum vierten war die Welt mit christlichen, muslimischen und heidnischen Herrschaftsverbänden auch religiös plural zusammengesetzt. Auf der Grundlage dieser vierfachen Pluralität entwickelten sich die Grundstrukturen der normativen Ordnung unserer Epoche, die aber diese für lange Zeit überdauerten. Sie folgte unterschiedlichen Konzepten und Prinzipien. Aber diese galten der zentralen Aufgabe christlicher Herrschaft zur Ordnung der Welt, Frieden herzustellen und zu sichern. Die Wirklichkeit einer einheitlich gesteuerten und verwirklichten Friedensgestaltung, wie sie zunächst in der pax romana Gestalt gewonnen und sich seit Konstantin zur pax romana christiana entwickelt hatte, war in der politischen Sphäre an ihr Ende gelangt. Aus heutiger Sicht war das zwar die Wiederkehr eines Zustandes der politisch pluralen Ordnung, wie er bis in das zweite oder sogar erste vorchristliche Jahrhundert bestanden hatte. Aber das Römische Reich hatte sich über die alte Pluralität gelegt und für lange Jahrhunderte eine, wenn auch immer wieder von außen gestörte, so doch für lange Zeit stabile, einheitliche, weithin friedliche Ordnung der Welt errichtet. Diese hatte auch den Wechsel zum Christentum für eine längere Zeit überdauert. Sie ist bis in die heutige Gegenwart ein Idealbild politischer Friedensordnung durch eine einheitliche politische Steuerung. In unserer Epoche lag der Beginn ihres Zerfalls schon längere Zeit zurück und ihre, zumindest partielle, Rückgewinnung war nach kurzem Erfolg im 6. Jahrhundert gescheitert. Die letzten Reste des alten Reiches im Westen verschwanden jedoch erst in dieser Zeit. Dieses selbst verlor seine ordnende universale Kraft endgültig und wurde zu einer, wenn auch bedeutenden Regionalmacht neben anderen. Im letzten Drittel unserer Epoche zeigten sich die ersten Ereignisse neuer Auf- und Einbrüche, die die inzwischen gefundene Ordnung noch einmal, wie in der Völkerwanderung die Ordnung des Römischen Reiches, von außen zu gefährden schienen. Der geordnete christliche Kernraum sah sich zunehmend „wilden“ Angriffen nicht eingebundener, nicht-christlicher Feinde ausgesetzt, Sarazenen, Normannen oder Wikinger, gegen die sich bereits Karl der Große und vermehrt Ludwig der Fromme zur Abwehr setzen mußten. Die politischen Bewegungen und Gestaltungen waren zum noch nicht christlichen Osten, Südosten und Norden trotz rudimentärer herrschaftsbildender Ansätze noch völlig offen. Jedoch entwickelten sich erste Bemühungen, auch diesen Rand, Dänen, Awaren, Bulgaren, Slawen, selbst die Rus in die neu entste-

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Conclusiones

hende Ordnung, wenn auch auf sehr verschiedene Weise einzufügen, was zwar erst nach unserer Epoche, aber wohl auf ihren Grundlagen endgültig gelang.

b. Karolingische Reaktionen Die Erfahrung der etablierten, in der Grundstruktur nicht mehr zu verändernden Pluralität politischer Mächte war also noch immer relativ neu und mußte durch eine neue Ordnung bewältigt werden. Es entsteht der Eindruck, daß erst Karl der Große die neue Lage voll aufgenommen hat und durch eine Doppelstrategie eine strukturelle Lösung für diese neue normative Ordnung zu finden und zu festigen suchte, die zweistufig aufgebaut war. Im unmittelbaren Umfelde dehnte Karl nach herkömmlichen Muster, wie sein Vater und auch schon die merowingischen Könige, wenn auch wesentlich intensiver und nachdrücklicher seine Herrschaft in verschiedenen Formen von der Unterwerfung und Eingliederung über personale Herrschaftsverknüpfungen bis zur Errichtung einer mehr oder weniger intensiven Oberherrschaft aus. Eine generelle, gar vorgegebene Oberherrschaft über diese Randgebiete wird jedoch nicht behauptet, auch nicht aus religiösen Gründen. Für die Beziehungen zu den christlichen Herrschaftsverbänden wird, nach der Verbindung mit dem langobardischen Königreich, die prinzipielle normative Gleichrangigkeit aller politischen Herrschaftsverbände als gestaltende Ordnungsstruktur trotz des tatsächlichen Übergewichts der fränkischen Könige vorherrschend. Das gilt auch nach der Begründung des neuen Kaisertums der karolingischen Herrscher. Von einem allgemeinen normativ-hierarchischen Aufbau der Ordnung der Welt mit dem karolingischen Kaiser an der Spitze war nicht, nicht mehr und noch nicht wieder, die Rede. Zwar kam Karl eine gewisse Vorrangstellung zu. Sie ging jedoch seinem Kaisertum um fast zehn Jahre voraus, war also seiner allgemeinen Stellung und Macht geschuldet, die er seit 774 erworben hatte, nicht seinem Kaisertum, mochte dieses seine politische Vormachtstellung auch ideell stärken. Vielmehr gilt in der weltlich-herrschaftlichen Sphäre rechtlich Pluralität und prinzipielle Gleichheit der königlich-christlich organisierten, grundsätzlich unabhängigen Herrschaftsverbände. Aus der heutigen Sicht erwies sich die zweite Strategie, nicht die erste, als dauerhaft und damit zukunftsweisend. So hat sich in unserer Epoche ein grundlegender Wandel des tragenden strukturellen weltlich-herrschaftlichen Prinzips der Ordnung der Welt vollzogen und durchgesetzt, von väterlicher Hierarchie zu brüderlicher Parität. Zwar werden im weiteren Verlauf wieder weltliche hierarchische Ordnungsvorstellungen und zwar gerade über oder durch das westliche Kaisertum auftreten und die Vorstellung von der Ordnung der Welt, d. h. aber Europas im Mittelalter bis in den Beginn der Neuzeit zu Karl V. ideell bestimmen. Aber der Kaiser des hl. Römischen Reiches wurde nie zum pater der europäischen Könige und selbst nicht der Lehnsträger, sondern bleibt immer ihr frater, ihr Bruder. Diese Brüderlichkeit wurde in unserem Zeitalter grundgelegt. Karl der Große setzte sie nicht nur gegenüber den byzantinischen Kaisern durch, vielleicht tat dies schon Pippin, sondern übte sie auch gegenüber anderen Königen. Wir wissen es zwar nur für das Verhältnis zu Offa. Aber es ist davon auszugehen, daß er auch gegenüber anderen Königen die brüderli-

Pluralität und Einheit

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che Parität zugrundelegte. Einhards Einschätzungen erscheinen insofern eher fragwürdig.

c. Einheit Ein grundlegendes Problem einer pluralen Ordnung von einander und einem gemeinsamen Dritten rechtlich unabhängigen oder doch jedenfalls eigenständig handelnden politischen Mächten oder Herrschaftsverbänden bildet die Konzeptionalisierung und Konstituierung ihrer normativen Einheit. Ein rein faktisches Nebeneinander scheint dafür nicht zu genügen, da dies zu fragil ist, um auf die Dauer oder jedenfalls dem Grunde nach eine relativ stabile und verläßliche Ordnung zu errichten und aufrecht zu erhalten, die Frieden normativ zu sichern vermag. In der Gegenwart bildet das in der Präambel und Art. 1 SVN positiv-rechtlich festgelegte Konzept der einen Menschheit die tragende Grundlage für diese Einheit. Es wurde in den europäischen Naturrechtslehren der frühen Neuzeit u. a. von Francisco de Vitoria und später auch von Hugo Grotius und Emer de Vattel entwickelt. Christian Wolff konstruierte vernunft-rechtlich daraus normativ die civitas maxima auf der Grundlage eines pactum tacitum. Zwar lehnten Hobbes und selbst Kant eine solche Einheit ab. Kant wich jedoch auf das Vernunftgebot aus, ein pactum foederis zu schließen. Heutige Konzepte eines Weltstaates oder einer Weltrepublik setzen die Idee oder das Konzept der einen Menschheit als selbstverständlich nicht nur theoretisch aus Vernunftgründen, sondern real-biologisch als durch die Natur gegeben voraus und bemühen sich, diese natürlich-biologisch gegebene Einheit auch normativ zu organisieren. Leitprinzip und Ziel dieser Organisation ist die Sicherung eines universalen, auch materiell gefüllten Friedens. In früheren Epochen und anderen Regionen scheinen universelle oder hegemoniale Konzepte und Strukturen eine Einheit zu begründen. Im Frühmittelalter nach dem Zerfall des Römischen Reiches und dem Ende seiner einheitsstiftenden Vorherrschaft kam diese Begründung der Einheit der neu entstandenen politisch-pluralen Welt inhaltlich dem Christentum und institutionell-rechtlich der Kirche zu, nicht dem Recht oder einem imperium. Später wird daraus das mittelalterliche Konzept der respublica christiana, das sogar die Religionsspaltungen und die Säkularisierungsbewegungen in Europa bis in das 18. Jahrhundert überdauerte, wenn auch inhaltlich in sich ständig abschwächender und entleerter Form. Es geht erst in der französischen Revolution unter. Der Versuch einer Wiederbelebung in der Heiligen Allianz 1815 wirkte eher wie die Satire nach der Tragödie. In der religiös-kirchlichen Sphäre strukturierten Hierarchie und – noch – Multilateralität die Beziehungen. Einerseits zeichnete sich eine Konzentrierung auf die sancta ecclesia romana als caput mundi ab. Ökumenische Konzilien herkömmlicher Art kamen nicht mehr zustande, bzw. ihr ökumenischer Charakter wurde wegen des Fehlens der Kirchen des Westens bestritten. Andererseits ordneten die Kirchen der einzelnen Herrschaftsverbände ihre eigenen Angelegenheiten durch eigene, fast alljährliche Synoden selbst, an denen jedoch stets sowohl römische Legaten, als auch Bischöfe aus den anderen Kirchen teilnahmen. Denn regionale Synoden und Konzile nahmen – noch – erheblichen Einfluß auf die Gesamtentwicklung der Kirche, auch in Fragen der Doktrin.

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Conclusiones

Durch diese Multilateralität unterschied sich die Ordnung der religiös-kirchlichen Einheit grundsätzlich von der der politisch-weltlichen Pluralität. Die Quellen berichten nichts über entsprechende multilaterale politische Beziehungen und Aktivitäten, gar „Konferenzen“ zwischen den Mächten, sondern nur über bilaterale Beziehungen der karolingischen Herrscher zu jeweils einem der anderen Herrscher. Diese grundsätzlich bilaterale Struktur der politischen Beziehungen ist zwar in erster Linie den konkreten Verhältnissen geschuldet. Für ein multilaterales Netzwerk oder dergleichen bestand aus fränkischer Sicht kein Anlaß. Auch die anderen Herrscher sahen dafür wohl keinen Grund. Vor allem aber ist die Vorstellung einer politisch gemeinsam zu ordnenden und zu steuernden Welt eine eher moderne Vorstellung, die zum einen mit einer wesentlich entwickelteren politischen Struktur der sich verstaatenden Herrschaftsverbände, zum anderen mit der Säkularisierung der Beziehungen zwischen diesen Staaten zusammenhängt. Beides aber entstand erst am Ausgang des Mittelalters oder gar zu Beginn der Neuzeit. Die ersten multilateralen Kongresse fanden daher zunächst in Italien im 15. Jahrhundert statt. Das politische Kongresswesen wurde zudem im weiteren durch den Verlust der religiös-kirchlichen Einheit seit der Reformation befördert, so daß es ab 1645, dem Beginn des Westfälischen Friedenskongresses in Münster und Osnabrück, zum zentralen Steuerungsinstrument europäischer Friedenspolitik wurde. Die religiös-kirchliche Einheit bildete für die weltlich-herrscherliche Sphäre nicht nur die inhaltlich tragende Grundlage, sondern in gewisser Weise auch den institutionellen und organisatorischen Rahmen für die politischen Beziehungen zwischen den christlichen Mächten. Die karolingischen Herrscher verstanden durchaus, diesen religiös-institutionellen Grundansatz auch für ihre weltlichen Angelegenheiten zu nutzen, sei es gegenüber Konstantin VI., sei es gegenüber Tassilo. Jedoch hatte der Anspruch des Papsttums, als Vikar des Apostels Petrus die Spitze dieser religiös-kirchlichen Einheit darzustellen, noch nicht zu einer politischen Dominanz geführt. Es stand in unserer Epoche eher in Abhängigkeit der politischen Macht der Karolinger. Die Begründung der Einheit durch die eine Religion und die eine Kirche konnte zur Folge haben, daß religiöse Konflikte innerhalb der christianitas auch zu politischen Konflikten zwischen den Mächten wurden, wie in den neunziger Jahren des achten Jahrhunderts zwischen Karl dem Großen und Konstantin VI.. Moderne politische Konflikte zwischen den Staaten sind innerweltlicher, vor allem machtpolitischer und ökonomischer Art, wenn es auch Anzeichen zu geben scheint, daß kulturelle und religiöse Konflikte wieder Bedeutung gewinnen. Auch in unserer Epoche ging es andererseits in den Auseinandersetzungen zwischen den karolingischen und den oströmischen Herrschern auch um Macht und auch um Ökonomie. Aber da für die karolingischen Herrscher, wie für alle christlichen Herrscher der Zeit, die religiös-kirchlichen Fragen im Zentrum ihrer Auffassung der Aufgaben des Herrscheramtes standen, galt dies nicht nur nach innen, sondern auch nach außen in den Beziehungen zu den anderen Mächten. Die Verhandlungen und Beschlüsse der Konzilien und Synoden, z. B. zum Bilderstreit oder zum Adoptianismus hatten daher auch politische Bedeutung für die Beziehungen der beteiligten Mächte. Sie bildeten einen wesentlichen Inhalt der Politik. Nicht von ungefähr machte Karl der Große seinen grundsätzlichen Anspruch auf Gleichrang mit dem oströmischen Kaiser in der religiösen Auseinandersetzung um

Pluralität und Einheit

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die Bilderverehrung nachdrücklich geltend. Der Streit um den Adoptianismus spielte mehrfach eine auch politische Rolle auf innerfränkischen Synoden im Verhältnis zu Asturien. Michael II. suchte die Unterstützung Ludwigs des Frommen beim Papst wiederum in der Bilderfrage. Mochten religiös-kirchliche und weltlich-herrschaftliche Sphäre auch in einer dualistischen Konzeption grundsätzlich unterschieden sein, getrennt waren sie nicht. Sie standen im Innern wie auf der Ebene der Beziehungen zwischen den christlichen Mächten inhaltlich und institutionell in einem symbiotischen Verhältnis. Die religiös-kirchliche Einheit trug den Frieden der politisch pluralen Welt. Nach dem Sieg über Desiderius 774 gab es, abgesehen von dem kurzen und anscheinend sehr zahmen, immer wieder durch Waffenstillstände unterbrochenen Krieg zwischen Karl dem Großen und Nicephorus von 806 bis 809 um Venedig und Dalmatien, und kleinere Auseinandersetzungen mit Benevent über Jahrzehnte keinen Krieg zwischen christlichen Mächten. Erst die innerfränkischen Familien-Kriege beendeten diese fast fünfzigjährige Phase.

d. Zweiteilung der Welt? Dieser grundsätzliche tatsächliche wie normative Friedenszustand galt nicht gegenüber der nicht-christlichen Welt. Die inhaltlich wie institutionell einheitsstiftende Funktion der christianitas zog eine Grenze gegen „Andere“, Heiden und Muslime, und forderte eine Regelung des Umgangs mit ihnen. Gerade der Dualismus weltlichherrscherlicher und religiös-kirchlicher Sphäre eröffnete zwar grundsätzlich die Möglichkeit für die Aufnahme und Unterhaltung politischer und normativer Beziehungen zu nicht-christlichen Mächten. Sie verblieben in der weltlichen Sphäre. Jedoch waren sie, so scheint es, weder sicher, noch dauerhaft. Es bestand dem Grunde nach eine Zweiteilung der Ordnung der Welt. Die Eingliederung dieser nicht-christlichen Mächte, jedenfalls der heidnischen Einheiten, in ein zunächst religiös, nicht politisch konzipiertes imperium christianum blieb Aufgabe und Ziel der christlichen Herrscher. Das bedeutete einerseits Mission durch diese. Nicht nur die Karolinger, auch die byzantinischen Kaiser entsandten Missionare, u. a. Methodus und Cyrill, zu den Slawen. Andererseits bildete die Annahme des Christentums die notwendige Voraussetzung, um in diese Ordnung in einem vollen Sinne einzutreten. Dennoch war Krieg nicht als allgemeines, normales Mittel der Eingliederung in die christliche Welt konzipiert, sondern Mission, mochte Krieg auch in konkreten Fällen der Mission voraufgegangen sein. Anders als gegenüber Heiden scheint sich in unserer Epoche die religiöse Differenz zu den Muslimen – noch – nicht geltend gemacht zu haben. Mit den Kalifen bestanden nicht nur friedliche, sondern freundschaftliche Kontakte. In den fränkischen Quellen unserer Epoche werden für keinen der Konflikte mit muslimischen Herrschern die religiösen Unterschiede geltend gemacht. Die Kriege gegen muslimische Fürsten in Spanien und gegen muslimische Seeräuber wurden in den Berichten stets weltlich motiviert, Abwehr von Angriffen und Ausdehnung der eigenen Herrschaft. Über Mission oder Bekehrungen fehlen Nachrichten. Diese Zweiteilung der Ordnung der Welt bleibt dem Grunde nach bis in das 20. Jahrhundert bestehen, wenn sie sich auch „verweltlicht“ und sich von einem Völkerrecht der Christenheit des Mittelalters zum Europäischen Völkerrecht im 18. Jahrhun-

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Conclusiones

dert und von diesem zum Völkerrecht der zivilisierten Völker im 19. Jahrhundert verwandelt. Erst im 20. Jahrhundert wurde mit der Entkolonialisierung die konzeptionelle und formell-rechtliche Zweiteilung aufgehoben. Tatsächlich besteht sie nach wie vor.

I I. S y mb i o ti sch e Mu l ti n o r mati v i tät a. Multinormativität Die Dualität pluraler weltlich-politischer und einheitlicher religiös-kirchlicher Struktur der Welt führt für die Ordnung der Beziehungen zwischen den Mächten zu einer eigenartigen Art der Normativität. Zum einen regelten allgemein sowohl religiöse als auch weltliche Normen die Beziehungen zwischen den dignitates regales, wie Karl an Offa schrieb. Zum anderen unterscheiden die Quellen i. d. R. rechtliche Normen nicht eindeutig von Sozialnormen, Gewohnheiten, Üblichkeiten, Spielregeln im modernen Sinn. Dieses Netz von Normen verschiedener Qualität begründete eine komplexe Multinormativität der Ordnung der Beziehungen der Mächte untereinander, wie sie einer noch nicht durchkonstruierten, entwickelten, ausdifferenzierten Gesellschaft entspricht, die auch nicht eindeutig zwischen Innen und Außen unterschied. Diese Multinormativität bildet aber nicht wie in der Gegenwart grundsätzlicher Scheidungen der weltlichen und religiösen, rechtlichen und sonstigen Normen auf verschiedenen Ebenen oder für bestimmte Verhältnisse oder Beziehungen ab, sondern ist Strukturelement einer einheitlichen normativen Ordnung. Diese Normen verschiedener Provenienz ergänzen, tragen und stützen einander. Es ist eine symbiotische Multinormativität. Von einem generellen formellen Vorrang einer Kategorie, besonders der religiösen Normen gegenüber den anderen, vor allem den rechtlichen Normen, läßt sich nicht, noch nicht sprechen. Inhaltlich allerdings muß sich das Recht wohl an den religiösen Vorgaben ausrichten. Denn letzten Endes dient auch die Zwischen-Mächte-Ordnung dem Heil der Menschen, ist die Aufgabe der Herrscher umfassend darauf gerichtet, dieses Heil der Menschen zu sichern. Die irdische Ordnung ist an die göttliche Ordnung rückgebunden. Die normative Ordnung der Zwischen-Mächte-Beziehungen der Zeit ist mit den beiden normativen Gesamtheiten der religiös-kirchlichen und der weltlichen Normen komplex strukturiert. Sie unterscheidet sich dadurch nicht nur vom gegenwärtigen säkularen Völkerrecht, sondern auch von dem vorhergehenden überlieferten antiken grundsätzlich säkularen ius gentium. Es muß offen bleiben, ob dieser Begriff auch aus diesem Grund nicht in den Quellen der Zeit benutzt wird. Er ist aus heutiger Sicht für diese Ordnung unangemessen, weil zu eng. Zwar kannte auch das ältere römische Recht des ius feciale religiös rückgebundene Normen für die Beziehungen der Republik mit anderen Mächten. Aber das ius gentium der späteren Republik und des Reiches als das auf Natur und Vernunft gegründete bei allen Völkern geltende oder übliche Recht sah von jedem religiösen Kontext oder Bezug ab. Für die normative Ordnung unserer Epoche war die Symbiose religiöser und weltlicher, vor allem rechtlicher Normen hingegen zum einen wegen der vor allem in concordia, unanimitas, caritas religiös begründeten Einheit, zum anderen aus inhaltlichen

Symbiotische Multinormativität

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Gründen notwendig. Denn die rechtlichen Normen und Instrumente, vor allem der Vertrag, hatten noch keine ausgebildete Dichte entwickelt, um eine für die Anforderungen hinreichende Ordnung zu bilden. Das entspricht der Ursprünglichkeit der Situation, die noch auf dem Weg zu einer neuen gemeinsamen rechtlichen Ordnung der getrennten Rechtskreise der Mächte war. Das Manko mußte und konnte nur ausgeglichen und aufgehoben werden durch die gemeinsame religiöse Normativität, die wesentlich weiter ausgebaut war und an deren Fortentwicklung bewußt und reflektiert auf den multilateralen Synoden gearbeitet wurde. So zeigt sich die Zwischen-Mächte-Normativität der karolingischen Epoche als eine solche der besonderen Lage eben dieser Epoche, nach ihren gesellschaftlichen, politischen und normativen Strukturen, nach ihren zu regelnden Problemen und vor allem nach ihrer geistigen-religiösen Verfaßtheit. Die Dominanz des Religiösen erfaßte trotz des prinzipiellen Dualismus der religiös-kirchlichen und der weltlich-herrschaftlichen Sphären die Gesamtordnung und ihre Normativität, ja ermöglichte diese erst. Das macht das zentrale Spezifikum der Zwischen-Mächte-Normativität dieser Epoche aus. Man kann sie als symbiotische religiös-weltliche multinormative Ordnung bezeichnen.

b. Gemeinsame oder parallele Normativität? Das heutige Völkerrecht stellt eine gemeinsame normative Ordnung der universellen Völkerrechtsgemeinschaft oder Staatengesellschaft dar. Auch die religiösen Normen der religiös-christlichen Sphäre, die die Einheit des christlichen Kernraumes begründeten, bildeten eine gemeinsame normative Ordnung für die christlichen Mächte, mochten auch einzelne Elemente derselben, wie die Bilderverehrung, umstritten sein. Auch die rechtlich-normative Dimension der Ordnung kann dem Grunde nach als eine gemeinsame angesprochen werden. Zwar ist eine übergeordnete Rechtsordnung nirgendwo konzeptionell ausgearbeitet. Auch spielten Normen des jeweiligen eigenen Rechtskreises bei der Ordnung der Beziehungen zu anderen Mächten eine erhebliche Rolle, wie z. B. bei der Behandlung von Gesandten, auch beim Abschluß von Verträgen. Jedoch bestand daneben auch die gemeinsame Rechtsüberzeugung, daß die Gesandten zu schützen seien, wie der Vorfall der in Köln getöteten dänischen Gesandten zeigt. Auch setzte der Abschluß eines Vertrages zumindest die gemeinsame Überzeugung voraus, daß dieser rechtliche Bindungen erzeugte. Jedoch anerkannten die Vertragsschließenden untereinander die Eigenheiten des Partners, z. B. bei der Eidesleistung. Das Institut der amicitia war allen gemeinsam, mochte es i. e. auch mit verschiedenem Inhalt gefüllt worden sein. Die gemeinsame Nutzung des Latein und der Begriffe des römischen Rechts, jedenfalls im Westen, bot eine gemeinsame Grundlage nicht nur der allgemeinen Verständigung, sondern der gemeinsamen Vorstellungen und Konzepte. Mochten die Begriffe auch einen Wandel seit ihrer römisch-rechtlichen Prägung durchgemacht haben, so blieben sie doch an den ursprünglichen Gehalt rückgebunden. So ist für diese Epoche von der allgemeinen Überzeugung der Mächte der Zeit auszugehen, daß eine allgemeine gemeinsame rechtlich-normative Ordnung bestehe, in die sie für die Regelung ihrer Beziehungen untereinander eingebunden waren. Aller-

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Conclusiones

dings ist es schwierig, bestimmte gemeinsame Normen auszumachen. Vielmehr trugen konkret weitgehend parallele Normen der einzelnen Rechtsordnungen z. B. zum Gesandtenschutz oder zur Eidesleistung bei Vertragsschluß diese Ordnung. Das aber entspricht rechts-strukturell dem Begriff des ius gentium, das aus den „bei allen Völkern geltenden Normen“, also parallelen Normen besteht, die durch die Parallelität auf dahinter stehende gemeinsame Rechtsüberzeugungen verweisen, weshalb sie allgemein anwendbar werden. Der Annahme einer gemeinsamen Rechtsordnung steht auch nicht entgegen, daß eine wissenschaftliche Reflexion über diese Normativität selbst fehlt. Zum einen ergibt sich aus den Briefen Karls an Offa von Mercien und die oströmischen Kaiser Nicephorus und Michael I., daß der karolingische König und Kaiser eine Vorstellung über die normative Gestaltung der Beziehungen hatte, von der er annahm, daß die Adressaten sie teilten. Einhard verwendet, wenn auch als einziger, Begriffe der Rechtsgesamtheiten iura divina, natura und humana, setzt sie also als gegebene allgemeine Rechtsgesamtheiten voraus. Zum anderen ist eine gemeinsame Praxis nur möglich, wenn eine gemeinsame Konzeption derselben dem Grunde nach gegeben ist, unabhängig davon, ob eine solche reflektiert wird oder nicht. Eine solche Konzeption erschließt sich aus den Darstellungen und Berichten der Quellen von oder über die konkreten Ereignisse und Vorgänge. Die Handelnden wie die Berichtenden stellten auf die konkrete normative Regelung der Beziehungen in der Bewältigung auftretender Lagen ab. Auf sie kam es ihnen an. Es wurde politisch konkret gedacht und gehandelt. Die Gründe wären zu erörtern. Es war eine Zeit des Aufbruchs nach wie vor junger Mächte, mochten einige auch schon eine gewisse Weile ihre Form dem Grunde nach gefunden haben. Nicht nur die karolingische, auch die anderen Dynastien im Westen begannen ihren Lauf im achten Jahrhundert. Manche Herrschaftsverbände bildeten sich erst in dieser Zeit. So war schon durch die äußeren, noch sehr offenen Umstände eher konkretes Handeln gefordert, das auf wechselnde Lagen und seine Herausforderungen eingehen konnte. So entstand Ordnung aus der Reaktion auf die Anforderungen der Umstände und Verhältnisse, nicht als Umsetzung eines vorgedachten Entwurfes. Aber auch das Rechtsdenken selbst war wohl konkret ausgerichtet, auf den Fall und seine Lösung. Das für die Rechtsentwicklung der Zeit von der neueren Rechtsgeschichte vorgelegte Konzept der Rechtsgewohnheiten, das auf die Rechtwerdung im Fall und seiner Entscheidung abstellt, deutet in diese Richtung. Die konkreten Regelungen der Beziehungen der karolingischen Herrscher zu anderen Mächten erfolgten zwar je konkret, aber nicht konzeptionslos. Es lassen sich aus den Darstellungen der Vorgänge, Herausforderungen und deren Bewältigungen Konzeptionen der Ordnung erschließen, die handlungsleitend waren. Sie hatten ihre Begründungen in den Traditionen der vorhergehenden Epochen, den christlichen Ordnungsvorstellungen, wie den praktischen Ordnungen der römischen Welt, wenn das Verhältnis zu dieser auch ambivalent war. Wurden auch die Begriffe notwendigerweise mit der Sprache übernommen, so wurde doch in der Sache von ihren Inhalten dann abgewichen, wenn sie den neuen Anforderungen und eigenen Vorstellungen widersprachen oder mit ihnen nicht vereinbar waren. Wenn auch im Grundsatz davon ausgegangen werden kann, daß eine gemeinsame Ordnung der Beziehungen zwischen den Mächten bestand, so hatte sich diese doch

Geschichts-offene Methode

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noch nicht zu einem eigenen, sich selbst tragenden, gar geschlossenen System entwikkelt. Dazu war diese Ordnung „zu jung“. Der jeweils konkrete Ansatz beließ Offenheiten und Variationsmöglichkeiten für die Regelungen, für die die Multinormativität eine große Breite der konkreten Ordnung einer Beziehung, eines Verhältnisses bereitstellte. Auch dies ist ein Phänomen des Anfangs.

c. Ordnung – Frieden Diese, wenn auch noch rudimentäre gemeinsame normative Ordnung, wurde in den Quellen offenbar weitgehend allgemein als Normalzustand vorausgesetzt. Das bedeutet, daß dieser grundsätzlich friedlicher Art war. Nicht der Frieden, der Krieg mußte erklärt werden. Es bedurfte keiner ausdrücklichen Aufnahme normativ geregelter Beziehungen, vor allem keines Vertrages, um in friedlichen Beziehungen zu stehen, mochten diese ohne vereinbarten Frieden auch eher gefährdet sein, in Krieg umzuschlagen. Lange vor dem Vertrag von 812/13 standen die karolingischen Herrscher mit denen von Konstantinopel in friedlichem Austausch. Das galt selbstverständlich zwischen den christlichen Mächten, die schon in der Verbundenheit in der Religion grundsätzlich in einer gemeinsamen, auf Frieden ausgerichteten Ordnung geeint waren. Aber wie die Darstellungen der Beziehungen zu Harun al Raschid zeigen, muß dies prinzipiell auch für das Verhältnis zu nicht-christlichen Mächten angenommen werden. Karl hat mit dem Kalifen keinen Vertrag geschlossen. Jedenfalls wird von einem solchen nirgendwo berichtet, was sicher der Fall wäre, wenn es dazu gekommen wäre. Aber selbstverständlich wurden die gegenseitigen Gesandtschaften trotz des Religionsunterschiedes freundlich, friedlich aufgenommen. Auch die Übersendung von Geschenken, zumal des Elefanten und der Schlüssel von Jerusalem etc. folgten offenbar allgemeinen Regeln friedlichen Verkehrs. Krieg mit anderen Mächten, nicht-christlichen wie christlichen, wurde nicht ohne weiteres geführt, sondern nach, wenn auch sehr einfachen Regeln. Verträge, amicitia u. a. dienten also in der Regel nicht der Begründung freundlicher normativer Beziehungen, sondern deren Ausbau, Vertiefung, Verfestigung und Spezifizierung. Nach einem Konflikt, insbesondere nach einem Krieg war das anders. Da hatte der Friedensvertrag eine umfassende Regelungsfunktion.

II I. G es ch i ch ts - o ffen e Meth o d e a. Fragestellung und Methode Die Untersuchung ging, wie in der Einführung dargelegt, nicht von der Frage aus, ob es in der karolingischen Epoche „Völkerrecht“ gegeben habe, sondern von der begrifflich unbestimmten und damit für die jeweilige geschichtliche Lage offenen Frage, ob und wie in dieser Epoche vor allem von fränkischer Seite die Beziehungen der ersten drei karolingischen Herrscher und der Franken mit anderen Mächten normativ gestaltet und geordnet waren, bzw. wie sie als solche verstanden und dargestellt wurden. Es sollte so vermieden werden, die Untersuchung durch gegenwärtige Begrifflichkeiten

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Conclusiones

auf bestimmte Vorverständnisse festzulegen, bzw. die in der Wissenschaft der Völkerrechtsgeschichte üblichen Klimmzüge der Umdeutung und Anpassung der modernen Begriffe, vor allem der Souveränität, zu vermeiden. So sollte der Blick für möglichst viele und verschiedene Erscheinungsweisen der Zwischen-Mächte-Normativität dieser Zeit offen gehalten werden. Denn es war bereits im Vorhinein auf Grund der Ergebnisse der allgemeinen Geschichtswissenschaft zumindest höchst zweifelhaft, ob die modernen Begriffe Völkerrecht, Staat, Souveränität, Unabhängigkeit, Säkularität etc. auf die Verhältnisse und Ordnungen dieser Zeit passen und deren Besonderheiten zu erfassen vermögen, zumal sie in unserer Epoche völlig unbekannt waren. Ihre Begriffs- und Realitätsgeschichte beginnt erst viel später. So galt es, sie von vorneherein zu vermeiden. Dieser geschichts-offene methodische Ansatz öffnete den Blick insbesondere auf die Relevanz der nicht-rechtlichen Normen, die bei einer herkömmlichen auf „VölkerRecht“ bezogenen Fragestellung nicht oder allenfalls als ergänzende Randerscheinung aufgenommen werden. Zudem konnten über diesen offenen Ansatz sowohl die „tatsächlichen“ Umstände der Ordnung, Strukturen ihrer Träger, ihre konkreten Beziehungen und deren Probleme, als auch die grundsätzlichen geistigen, insbesondere religiösen Grundlagen derselben, die gemeinsam die konkrete Normativität der Zwischen-Mächte-Beziehungen bestimmen, in ihrer jeweiligen Erscheinung wie in ihrem Verhältnis zueinander erfaßt werden, was in der bisherigen Forschung allenfalls begrenzt der Fall war. Denn nur in ihrer Zusammenschau konnte ein Bild der konkreten normativen Ordnung der Zwischen-Mächte-Beziehungen dieser Zeit und ihrer geschichtlichen Gestalt rekonstruiert werden. Der Vergleich mit der Gegenwart wurde dadurch nicht ausgeschlossen, sondern auf eine methodisch wie inhaltlich tragfähige Grundlage gestellt. Das gemeinsame Ziel damals wie heute stellt die Sicherung des internationalen Friedens durch eine effektive normative Ordnung der Beziehungen zwischen den jeweiligen politischen Mächten dar. Die Unterschiede in den normativen Ordnungen damals und heute können nur erklärt und verstanden werden, wenn auf die damalige wie auf die gegenwärtige Zeit in allen Hinsichten eingegangen wird.

b. Verallgemeinerungsfähigkeit Die Bewährung der hier gewählten geschichts-offenen Methode legt es nahe, sie allgemein auf die völkerrechtsgeschichtliche Erforschung anderer Zeiten, vor allem vor der Ausbildung des globalen-universellen Völkerrechts der Gegenwart, und andere Ordnungsräume, vor allem auch außerhalb Europas anzuwenden. Denn sie sind geschichtliche Erscheinungen und damit aus deren jeweiligen geschichtlichen Verhältnissen, Gegebenheiten, Strukturen, Problemen, kurz ihren Möglichkeiten und Bedingungen erwachsen und an sie gebunden. In der Wissenschaft der Völkerrechtsgeschichte werden zunehmend Fragen nach den normativen Ordnungen früherer Zeiten, auch im vorderasiatisch-europäischen Ordnungsraum, und anderer Ordnungsräume gestellt. Sie sind allenfalls bedingt mit den modernen Begriffen zu erfassen und zu klären. Daher gilt auch für sie, daß ein offener, multipler methodischer Ansatz erforderlich ist, der die besonderen Verhältnisse aufnimmt und sich auf die je eigene Ordnung der Beziehungen zwi-

Geschichts-offene Methode

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schen den politischen Mächten des Ordnungsraumes und deren Normativität einläßt, um die relevanten Erscheinungen zu erkennen und in den Blick zu nehmen. Völkerrechtsgeschichte als Forschungsdisziplin kann sich, wenn sie die Normativität in anderen Kulturräumen und Zeiten über das sich in Europa seit dem 13. Jahrhundert entwickelnde Völkerrecht als Zwischen-Staats-Recht hinaus zu ihrem Gegenstand machen will, nicht über einen begrifflich festgelegten Gegenstand, ein wie auch immer vorweg definiertes „Völkerrecht“ konstituieren, sondern nur über die skizzierte allgemeine offene Frage nach der Ordnung der Beziehungen zwischen politischen Mächten und deren Normativität durch eine dementsprechende geschichts-offene Methode. Denn das in Europa entstandene, zunächst partikulare, inzwischen wenn auch unter gewissen Veränderungen universell gewordene moderne Völkerrecht als prinzipiell zwischenstaatliches Recht, ist, wie von Anbeginn hervorgehoben, ein historisches Recht für die Ordnung und Gestaltung der Beziehungen der heutigen Mächte, der Staaten, also selbst eine spezifische Erscheinung der Zwischen-Mächte-Normativität. Es kann daher methodisch nicht als Ausgangspunkt einer weiterreichenden, zeitlich und räumlich allgemein und universell angelegten Völkerrechtsgeschichte dienen. Aber Völkerrechtsgeschichte startet nicht mehr vom Punkt Null. Die Geschichte der normativen Ordnungen der Zwischen-Mächte-Beziehungen des europäischen Raumes und seiner Wurzeln im Alten Orient und der Antike ist relativ gut erforscht, ausgenommen vielleicht für das Mittelalter. Auch zu Asien und selbst zu Afrika gibt es erste Ansätze. Dabei hat sich bereits gezeigt, daß es offenbar normative Figuren gibt, die zwar jeweils sehr unterschiedlich gestaltet sind, aber doch weit in fast allen Kulturräumen und zu fast allen Zeiten, wenn auch nicht allgemein verbreitet sind. Dazu zählen vor allem Gesandtschaften zwischen Herrschern und Mächten in einem sehr unpräzisen Verständnis und in sehr unterschiedlichen Formen und die damit verbundenen Normen. Dazu gehört wohl auch die Vereinbarung als Gestaltungsmittel der Beziehungen, wenn sie auch nicht überall und zu allen Zeiten als normatives Mittel der Formung der Verhältnisse verwendet wurde und in Strukturen und Abschlußformen in verschiedenen Kulturräumen und zu verschiedenen Zeiten sehr unterschiedliche Erscheinungen zeigt. In hegemonial konzipierten Ordnungen bediente sich die Hegemonialmacht häufig einseitiger Akte, mochte deren Inhalt auch vorher ausgehandelt worden sein. So regelten die chinesischen Kaiser wie die indischen Mogule nicht nur gegenüber ihren asiatischen Vasallen-Mächten ihre Beziehungen durch solche einseitigen Akte, sondern gewährten auch gegenüber den Europäern, die sich nach der Entdeckung des Seeweges nach Asien um Afrika in deren Herrschaftsgebieten festsetzten, deren Niederlassungs- und Handelsprivilegien in diesen Formen. Zwar ist die hier angewandte offene, neugierige Methode besonders für solche Ordnungen der Beziehungen zwischen politischen Mächten geeignet, ertragreich und vor allem geboten, die von dem Völkerrecht der Gegenwart sehr verschieden sind. Jedoch ist sie prinzipiell auch auf die Geschichte des modernen Völkerrechts, die mit dem 13. Jahrhundert in Europa beginnt, anwendbar und anzuwenden. Denn dieser offene methodische Ansatz ermöglicht auch für dieses, die Spezifika seiner Entwicklung in den verschiedenen europäischen Epochen zu erfassen. Sie öffnet den Blick für die über Jahrhunderte fortdauernde tragende und prägende Bedeutung religiöser Normen, des kanonischen Rechts, des Lehnsrechts, der Thronfolgeordnungen und ande-

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rer Strukturen für die Ordnung der Beziehungen zwischen den europäischen Mächten neben dem sich allmählich herausbildenden Völkerrecht über Reformation und Staatenbildung hinaus, wenn sie auch allmählich an Gewicht und Prägung verloren. Ihre Bedeutung endete erst im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts. Das Zeitalter der französischen Revolution und die Epoche um 1800 insgesamt bilden so in mehr als einer Hinsicht eine Epochenschwelle.

I V. Ko n ti n u i täten ? a. Kontinuitäten – Diskontinuitäten Völkerrechtsgeschichte fragt, jedenfalls soweit sie sich mit europäischen Ordnungen der Beziehungen zwischen den Mächten beschäftigt, auch nach Kontinuitäten und Brüchen oder Diskontinuitäten aus der untersuchten Epoche über die Zeit in die Gegenwart. Von einigem war bereits die Rede. Eine überzeugende Antwort, ob sich von unserer Epoche Zusammenhänge, Traditionsgut, Kontinuitäten oder doch „Beziehungsnähen“ zur Gegenwart entdecken, oder besser konstruieren lassen oder ob nicht eher Brüche und Diskontinuitäten die Völkerrechtsgeschichte seitdem kennzeichnen, setzt Analysen auf verschiedenen Ebenen voraus, die Gegenstand der gesamten Forschung zum europäischen Völkerrecht sind. Eine Antwort läßt sich hier also nicht mehr geben. Einige grundsätzlichere Überlegungen müssen genügen. Im ersten Ansatz ist Kontinuität zu vermuten; denn das karolingische Großreich bildet einen bis heute wirkenden Mythos europäischer Geschichte und stellt eine Referenzzeit europäischen Denkens in kultureller wie in politischer Hinsicht dar. In anderen Bereichen ist Traditionsgut aus jener Zeit wirkmächtig, vor allem im religiöskirchlichem Feld, das für die Normativität der damaligen Zwischen-MächteBeziehungen von erheblicher Bedeutung war. Es ist eine Grundannahme der Geschichtswissenschaft, die auch dieser Untersuchung zu Grunde liegt, daß sich in dieser Epoche jene Ordnung Europas herauszubilden begann, die diesen Raum auf der Grundlage einer pluralen politischen Struktur zu einer kulturellen, religiösen und normativen Einheit machen sollte. Dies ist er bis heute geblieben, wenn auch unter erheblichen Ausdehnungen seines Umfanges und tiefgreifenden Wandlungen dieser Ordnung selbst. Da die Ordnung unserer Epoche ihrerseits auf normativen Überlieferungen aus der Antike, den römischen Traditionen einschließlich des Kaisertums und vor allem der einen christlichen Religion in der einen Kirche beruhte und diese wiederum in die Zukunft transportierte, nahm sie eine Brückenfunktion ein und vermittelte selbst Kontinuität. Insofern besteht bis in die Gegenwart auf einer sehr allgemeinen Ebene Kontinuität normativer Ordnung. Verläßt man diese hohe Ebene einer sehr allgemeinen und normativ unspezifischen Kontinuität und wendet sich konkret der Normativiät der Zwischen-Mächte-Beziehungen zu, scheint in einem zweiten Ansatz das Bild der Kontinuitäten und Diskontinuitäten zunächst umzuschlagen. Grundlegende Veränderungen aller relevanten Strukturen in den vergangenen fast 1200 Jahren begründen tiefgreifende Brüche in den politischen, ökonomischen, rechtlichen, institutionellen, organisatorischen, kulturellen Entwicklungen und damit Diskontinuitäten auch der normativen Ordnungen der

Kontinuitäten?

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Zwischen-Mächte-Beziehungen. Kontinuitäten scheinen insofern völlig ausgeschlossen zu sein. Zum einen haben sich die Strukturen der Akteure mit dem Entstehen des modernen Staates auf eine völlig neue Grundlage gestellt, so daß die moderne Zwischen-Mächte-Normativität als Völkerrecht Zwischen-Staats-Recht geworden ist. Zum anderen ist inhaltlich das normative Hauptmerkmal dieser Ordnung unserer Epoche, die symbiotische religiös-weltliche Multinormativität, einer von Religionen und deren Normen völlig losgelösten säkularen, laizistischen rechtlichen Normativität gewichen. Das Christentum spielt für die völkerrechtliche Weltordnung keine prägende oder gar tragende Rolle mehr. Selbst für die gegenwärtig neu entstehende engere Ordnung Europas, deren ferner Vorläufer die Ordnung unserer Epoche war, wird jeder Bezug auf das Christentum, das damals seine Einheit allererst konstituierte, ausdrücklich verworfen. Schließlich haben sich die Inhalte des heutigen Völkerrechts gegenüber denen der damaligen Ordnung erheblich gewandelt und vor allem erweitert, um den ganz anderen Herausforderungen und Problemen zwischenstaatlicher Beziehungen zu genügen. Dem lassen sich jedoch andere, wenn auch ebenso allgemeine Aussagen gegenüberstellen. Zwar ist an die Stelle der damaligen personalen Herrschaftsverbände der moderne institutionelle Staat getreten. Aber die plurale Struktur der politischen Welt und der Herrschaftsverbände, die sich aus dem Zerfall des einen Römischen Reiches ergeben hatte, ist über die Jahrhunderte dem Grunde nach, in wenn auch sich ständig verändernden Formen und Konstruktionen erhalten geblieben. Die plurale Struktur verfestigte sich stetig und bildete sich immer spezifischer bis zu den modernen Staaten aus. Alle konzeptionellen Vorstellungen und Entwürfe vermochten diese Struktur der Pluralität nicht zu überwinden, auch nicht der kaiserliche oder päpstliche Universalitätsanspruch. Moderne Weltstaatsideen teilen – bisher – dieses Schicksal. Dieses Kontinuum verlangte nach einem Kontinuum des Ausbaus einer entsprechenden, zwischen Einheitsbildung und Achtung der Pluralität ausgespannten normativen Ordnung der Beziehungen dieser Einheiten untereinander bis hin zum modernen Völkerrecht, das auch institutionelle Formen aufgenommen hat. Auch der wohl fundamentalste Bruch zwischen der normativen Ordnung der Zwischen-Mächte-Beziehungen unserer Epoche und dem universellen Völkerrecht der modernen Staaten der Gegenwart erweist sich bei näherem Hinsehen nicht als total. Die religiösen Normen sind zwar als solche völlig aus der Völkerrechtsordnung ausgeschieden worden. Aber säkularisierte religiöse Erbschaften oder Begriffe, tragen und prägen weiterhin die internationale Ordnung. Die amicitia der Karolingerzeit, die ihrerseits in einer Kontinuität mit antiken Instituten und sogar vorantiken Erscheinungen steht, hat zwar ihre christlichen Prägungen und Inhalte verloren, bildet aber als allgemeine „Freundschaft der Völker“ eine tragende Grundlage der gegenwärtigen universellen Völkerrechtsordnung. Konkretisiert wird diese Freundschaft der Völker durch die „internationale Solidarität“, die an die Stelle der christlichen caritas getreten ist und sie unter den modernen Bedingungen fortsetzt. So läßt sich auch auf einer sehr allgemeinen Ebene internationaler Ordnung ein differenziertes Bild von Kontinuität und Diskontinuität konstruieren, das ein sich gegenseitig bedingendes Ineinander zeichnet. Auf der konkreteren Ebene der Institute, Normen, Instrumente etc. wird das Bild wohl noch differenzierter ausfallen. Auf die Kontinuität

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des allgemeinen Grundsatzes, daß Gesandte unverletzlich seien müßten, wurde bereits hingewiesen. Aber damals oblag seine konkrete normative Ausgestaltung dem je eigenen Recht. Heute ist die Regelung im einzelnen Bestandteil des Völkerrechts selbst. Damals wie heute ist der Vertrag ein zentrales, ja grundlegendes Mittel der Regelung und Gestaltung der Beziehungen zwischen den Mächten. Aber die nähere Ausgestaltung dieses Instrumentes der Rechtsbildung zwischen unabhängigen oder zumindest eigenständigen Mächten war in unserer Epoche und ist heute in vielen Hinsichten der Form und der Begründung der Verbindlichkeit grundlegend verschieden ausgestaltet. So kommt zwar der fides der Partner nach wie vor eine tragende Bedeutung zu, aber nicht mehr für die Begründung der Verbindlichkeit, sondern als bona fides gem. Art. 31 Wiener Vertragsrechtskonvention nur noch für die Auslegung der Bestimmungen eines Vertrages, d. h. aber für die Erfüllung der Rechte und Pflichten der Partner.

b. Leitfrage der Völkerrechtsgeschichte Fragt man noch einmal allgemein, ob es eine grundlegende Verbindung zwischen der karolingischen Epoche und der gegenwärtigen Zeit geben könnte, so erscheint als tragendes Kontinuum die Herstellung und Sicherung des Friedens als Ziel und Aufgabe der Herrscher und heute der Staaten nach innen wie in der normativen Ordnung zwischen ihnen. Konkret ist diese Aufgabe aber immer und stets an die Verhältnisse und Bedingungen der jeweiligen Zeit in dem jeweiligen Raum gebunden. Da diese in den Zeitabschnitten zwischen dem achten Jahrhundert und der Gegenwart ständigen Wandlungen unterlagen, waren und sind auch deren normative Bewältigungen auf das allgemeine Ziel hin Wandlungen, Anpassungen, Neuansätzen und insofern konkret Diskontinuitäten unterworfen. Denn eine Kontinuität eines so allgemeinen Zieles verlangt über einen solch langen Zeitraum notwendig diskontinuierliche Verwirklichungen und normative Regelungen. Schon die tragenden Begründungen der Gebotenheit des Friedens liegen auf verschiedenen Ebenen. In unserer Epoche wurde er religiös-christlich als göttliche Stiftung und göttlicher Auftrag verstanden. Heute wird er innerweltlich aus Vernunft und Nutzen hergeleitet, mögen religiöse Abstützungen auch hilfreich sein. Entsprechend sollte Frieden in unserer Epoche im Verbund von Religion und Kirche mit rechtlicher Normierung durch die weltliche Herrschaft gewonnen und gesichert werden. Die Gegenwart sucht ihn durch rein weltliches Recht und Institutionen herzustellen und zu gewährleisten. Damals stellte Krieg zwischen den Mächten trotz der Christlichkeit der Ordnung ein zulässiges Mittel der Auseinandersetzung zwischen den Mächten dar. Erst in der Gegenwart wird zwischenstaatlicher Krieg nicht nur konzeptionell abgelehnt, sondern rechtlich verboten, mögen Kriege auch tatsächlich nach wie vor in allen Teilen der Welt wüten. So könnte die Leitfrage einer allgemeinen universellen Völkerrechtsgeschichte lauten: Hatte die Herstellung und Sicherung des Friedens zwischen den politischen Mächten in einer bestimmten Epoche und in einem bestimmten Ordnungsraum Bedeutung und inwieweit und in welcher konkreten Art und Weise prägte diese Aufgabe die Gestaltung einer normativen Ordnung der Beziehungen zwischen den Mächten dieser Zeit und dieses Raumes?

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Anh ä n ge Übersetzungen: Dr. Dennis Pausch, Akad. Rat, Justus-Liebig-Universität Gießen

I. B r ie fw ec h se l mi t an d er en H er r s ch er n a. Karl der Große an König Offa 1. Carolus Offae (Alc. epp., Nr. 100, MGH Epp. IV, S. 144) Brief Karls des Großen an König Offa Ich, Karl, durch die Gnade Gottes König der Franken und Langobarden sowie Schutzherr der Römer (patricius Romanorum), grüße den ehrenwerten Mann und teuersten Bruder, Offa, König der Mercier, der sich im gegenwärtigen Leben seines Wohlstands und im ewigen seiner Glückseligkeit erfreuen möge. Zwischen königlichen Majestäten und höhergestellten Persönlichkeiten des Diesseits, die in der Einmütigkeit des Friedens verbunden sind, pflegt es üblicherweise zum Nutzen zu gereichen, die Rechte der Freundschaft und die Eintracht der christlichen Nächstenliebe von den niedrigsten Regungen des Herzens frei zu halten. Und wenn wir durch das Gebot des Herrn angehalten werden, die Fesseln der Feindschaft zu lösen, so muß man sich um so mehr darum sorgen, die Bande der Nächstenliebe zu knüpfen. Daher war es auch unser Wunsch, allerliebster Bruder, weil wir an die Übereinkunft zwischen uns in alter Zeit dachten, diesen Brief an eure Hoheit zu richten, damit das Bündnis im Vertrauen wurzelnd mit dem Lohn der Nächstenliebe Frucht trage. Und obwohl wir vollauf damit beschäftigt sind, auf eure einzelnen würdevollen Vorschläge in euren übrigen brüderlichen Briefen, die uns ja zudem zu verschiedenen Zeiten aus den Händen eurer Gesandten erreichten, angemessen zu antworten, danken wir zuerst dem allmächtigen Gott für die Reinheit des katholischen Glaubens, die wir lobenswerterweise in euren Gauen ausgeübt finden; daran erkennen wir, daß ihr nicht nur die tapfersten Verteidiger eures heimischen Landes seid, sondern auch die frömmsten Beschützer des heiligen Glaubens. Was nun die Fremden angeht, die aus Liebe zu Gott und für ihr Seelenheil den Wunsch haben, die Gräber der heiligen Apostel aufzusuchen, gestatten wir, wie dereinst, daß sie in Frieden und ohne jede Belästigung ihre Reise zurücklegen, wenn sie das Nötigste mit sich führen. Doch haben wir einige dessen überführt, daß sie sich betrügerisch, aus kommerziellen Interesse darunter gemischt haben, auf der Suche nach Gewinn, nicht weil sie ihrem Gewissen gehorchten. Wenn solche darunter gefunden werden sollten, sollen sie an den geeigneten Plätzen den festgeschriebenen Zoll entrichten. Die anderen mögen davon befreit in Frieden ziehen. Auch bezüglich der Händler habt ihr uns geschrieben. Wir wollen, daß diese kraft unserer Anordnung gesetzlichen Schutz und Sicherheit in unserem Reich genießen,

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verbunden mit dem alten Gewohnheitsrecht des Handels. Und wenn sie irgendwo ungerechte Benachteiligung erfahren sollten, sollen sie sich bei uns oder unseren Amtsleuten beschweren, und wir werden dafür sorgen, daß ihnen nachträglich die gottgefällige Gerechtigkeit geschieht. Das gleiche für die Unseren; wenn sie unter eurer Herrschaft irgendein Unrecht erdulden sollten, sollen sie sich an eurem gerechten Gericht beschweren, damit es zwischen uns an keiner Stelle zu irgendeinem Mißverständnis kommen kann. Was aber den Priester Odberth betrifft, dieser ist auf dem Rückweg nach Rom, als er aus Liebe zu Gott, wie er gewöhnlich anführt, auf Wallfahrt gehen wollte, zu uns gekommen, nicht um euch anzuklagen. Euer Gnaden sollen wissen, daß wir ihn mit den übrigen Vertriebenen, die sich aus Todesfurcht unter den Schutz unserer Flügel geflüchtet haben, nach Rom geschickt haben; damit in Gegenwart des heiligen Vaters und eures berühmten Erzbischofs – an dessen Wunsch sie sich, wie mir ihr Schreiben mitteilt, gebunden haben – ihre Sache, nachdem sie angehört wurde, entschieden werde; so daß, wo die fromme Vermittlung nichts ausgerichtet hat, das Urteil der Gerechtigkeit seinen Lauf nehme. Was hätte von uns umsichtiger sein können, als diesen Fall, in dem die Meinungen mehrerer voneinander abweichen, ein von der Autorität des Papstes gestütztes Urteil entscheiden zu lassen? Für die schwarzen Steine aber, von denen ihr mit Ehrerbietung gefordert habt, daß man sie euch zusende, möge ein Bote kommen, um zu entscheiden, welche euer Herz ersehnt. Und wo auch immer sie gefunden werden, werden wir gerne den Auftrag erteilen, sie zu übergeben und beim Transport behilflich sein. Aber sobald ihr uns euren Wunsch bezüglich der Länge der Steine mitgeteilt habt, werden auch unsere Leute Bitten bezüglich der Größe der Wolltücher vorbringen: Damit ihr solche anfertigen lassen könnt, wie sie in vergangenen Zeiten üblicherweise zu uns gelangten. Auch solle euer Gnaden erfahren, daß wir eine Ordination mit der Dalmatika oder dem Pallium für einzelne Bischofsitze in eurem Königreich und dem des Aedilredus für das Seelenheil Papst Hadrians, unseres Vaters und Freundes, beschlossen haben; wobei wir bitten, daß ihr gewissenhaft dafür sorgt, daß für seine Seele Fürbitte geleistet wird; nicht weil wir irgendeinen Zweifel haben, daß seine glückselige Seele die Ruhe des Grabes gefunden hat, sondern um unsere Treue und Wertschätzung gegenüber dem Freund, der uns der teuerste war, unter Beweis zu stellen. So schreibt es ja auch der heilige Augustinus vor, es sollen Fürbitten der kirchlichen Nächstenliebe für alle gehalten werden; er fügt noch hinzu, daß die Fürbitte, demjenigen, der sie hält, für sein Heil dienlich ist. Wir haben aber ferner etwas von dem Schatz an irdischen Gütern, den Jesus, der Herr, uns für unsere uneigennützige Frömmigkeit zugestanden hat, an die Metropolen versandt. Zu eurer Freude und damit ihr dem allmächtigen Gott dankt, haben wir Sorge getragen, auch an eure Gnaden einen Teil zu senden, nämlich einen Schwertgürtel, ein avarisches Schwert und zwei seidene Mäntel; damit überall in der Christenheit von der Gnade Gottes gesprochen und der Name unseres Herrn Jesus Christus ewiglich gerühmt wird. Wir bitten, daß ihr unablässig Fürbitten haltet für uns und unsere Getreuen, ja sogar für die gesamte Christenheit, damit die überaus milde Güte des himmlischen Kö-

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nigs geruht, das Reich der heiligen Kirche zu schützen, zu erhöhen und zu vergrößern. Gott, der Allmächtige, möge geruhen, eure hohe und würdevolle Stellung zum Schutz seiner heiligen Kirche unter langjährigem Wohlstand unversehrt zu erhalten, über alles geliebter Bruder.

b. Karl der Große an Kaiser Nicephorus 2. Carolus Nicephoro (Epp. Var. Car., Nr. 32, MGH Epp. IV, S. 546) Brief Karls des Großen an Kaiser Nicephorus Es muß zwar zu Beginn jeder menschlichen Handlung die Hilfe Gottes erbeten werden, besonders muß aber bei einem solchen Werk, das nur durch die Vermittlung Gottes zwischen uns zustande kommt, die Unterstützung des Herrn und unseres Erlösers Jesus Christus unbedingt erfleht werden, damit wir, die wir mit seinem Namen bezeichnet sind und darauf vertrauen, daß wir seinem Willen unterworfen von der ewigen Bedrohung des Todes erlöst sind, es verdienen, das, was wir auf seine Veranlassung hin beginnen, zu einem ehrenvollen und nützlichen Ende und Abschluß bringen. In dessen Namen und zu seiner Ehre haben wir Deinen, unseres Bruders, Gesandten, den ihr zu unserem Sohn König Pippin, den wir noch gut im Gedächtnis haben, geschickt hattet, nämlich Arsafius, den berühmten kaiserlichen Schwertträger, mit den Worten und Schreiben Deiner Zuneigung bei uns wohlwollend und ehrenvoll aufgenommen. Und obwohl er nicht zu uns entsandt worden war, haben wir uns fürsorglich darum bemüht ihm, als sei er zu uns entsandt worden, zuzuhören, und wir hielten mit ihm über das, was er brachte, – denn wir haben ihn als klug erkannt – eine Unterredung ab. Und nicht zu Unrecht, denn so groß war die Macht des erwünschten und stets wünschenswerten Friedens nicht nur in den Schreiben, die er mitbrachte, sondern auch in den Worten, die aus seinem Munde unser Ohr erreichten, so daß bei uns und allen, die Gott fürchten, seine damit übereinstimmende Botschaft eine außerordentliche Wirkung entfalten konnte. Besonders da sie mit soviel Gefühl für Freundschaft und Frieden vorgetragen war, daß im Palast alle meine Getreuen in ihrem Herzen die wahre Freude spüren konnten, und es konnte selbst der ganz und gar Unverständige dies erkennen, der dafür sonst unempfänglich ist. Deswegen konnten wir, nachdem wir Nachricht davon erhalten hatten, daß er im Gebiet unseres Reiches angelangt sei, als ob wir im Voraus von seiner besten und gottgefälligen Sendung gewußt hätten, uns nicht versagen, ihn freundlich vor unser Angesicht kommen zu lassen, besonders aber weil der, zu dem jener bekanntlich entsandt worden war, unser geliebter Sohn König Pippin, nach dem Entschluß Gottes aus dem menschlichen Leben geschieden ist, und wir es nicht mehr ertragen konnten, jenen mit leeren Händen und während ein so großes Werk, wie das, zu dessen Verrichtung er entsandt worden war, unvollendet war, zurückkehren zu lassen. Und nicht allein deswegen, sondern auch weil wir seit der Zeit, da Deine schon lange von uns geschätzte Person im ersten Jahr Deiner Regierung den Metropolit Mi-

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chael, den bedeutenden Abt Petrus und den berühmten kaiserlichen Leibgardisten Calistus entsandt hat, um mit uns Frieden zu schließen und um diese beiden [sc. Reiche] in der Liebe Christi zu verbünden und zu einen, gleichsam Ausschau gehalten haben und in langer Spannung begriffen waren, während wir darauf warteten, wann ich die freundschaftliche Antwort von euch, unserem Bruder, auf unsere inhaltlich bedeutsamen Schreiben, sei es durch einen Gesandten, sei es durch einen Brief, erhalten würde. Und es hatte bereits begonnen, wie ja die Schwachheit des menschlichen Geistes nun einmal beschaffen ist, die Verzweiflung anstelle der Hoffnung sich unseres Herzens zu bemächtigen. Und doch haben wir auf ihn vertraut, der die niemals verläßt, die auf ihn vertrauen, weil nach dem, was der Apostel sagt, unsere Mühe bei ihm nicht umsonst und vergeblich sein wird [cf. 1. Cor. 15,58], und unseren Wunsch, den wir auf seine Anregung hin, wie wir mit Bestimmtheit glauben, gefaßt haben, wird er gemäß der Fülle seiner Barmherzigkeit erfüllen und über kurz oder lang wirksam werden lassen. Daher waren wir auf die Nachricht von der Ankunft des bereits erwähnten Gesandten eurer geschätzten Person, des berühmten Schwertträgers Arsafius, außerordentlich erfreut, in der festen Überzeugung, daß wir von unsicheren Verhältnissen zur erwünschten Sicherheit gelangen und daß wir auf das, was wir Deinem obengenannten Gesandten, damit dieser es Dir überreichen, gegeben haben, Antwort erhalten werden. Und in der Tat ist es so geschehen. Wir haben einerseits in dem, was wir uns ersehnt haben, die Gunst der göttlichen Unterstützung als Erfüllung unserer Gebete bemerkt und [sc. andererseits] in den Worten und Schriften, die durch die Gesandtschaft des bereits erwähnten Gesandten überbracht worden sind, obwohl sie an unseren Sohn geschrieben und gerichtet waren, bemerkt, daß wir einen nicht geringen Teil der von uns ersehnten Antwort erhalten haben. Wir haben daher dem Allmächtigen, nicht soviel wir gemußt hätten, sondern soviel wir konnten, Dank gesagt, weil er geruht dem Herz Deiner geschätzten Person, was wir erbeten und erfleht haben, den Wunsch nach Frieden einzugeben, und wir beten dabei wie der Apostel, damit Gott, der uns den Willen zu diesem Frieden gewährt hat, uns auch die Gnade gewährt, daß er selbst ihn verwirklicht. Deswegen wollten wir keine Zeit verlieren, sondern wir haben ohne jedes Zögern und ohne jede Art von Aufschub unsere Gesandten vorbereitet, um sie zu Deiner, unseres Bruders, freundschaftlichen Liebe zu entsenden.

c. Karl der Große an Kaiser Michael I. 3. Carolus Michaeli (Epp. Var. Car., Nr.37, MGH Epp. IV, S. 555) Brief Karls des Großen an Kaiser Michael I. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Karl, durch die schenkende Gnade Gottes Kaiser und Augustus, gleichzeitig König der Franken und Langobarden, wünscht dem geschätzten und ehrwürdigen Bruder Michael, dem ruhmreichen Kaiser und Augustus, Ewigkeit bei unserem Herrn Jesus Christus.

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Wir preisen unseren Herrn Jesus Christus, den wahren Gott, und danken ihm nach menschlicher Möglichkeit und nach der Fähigkeit unseres Verstandes von ganzem Herzen, weil er geruht hat, uns durch das unaussprechliche Geschenk seiner Gnade zu solchem Reichtum zu verhelfen, indem er geruht hat, in unseren Tagen den lang erstrebten und stets erwünschten Frieden zwischen dem westlichen und östlichen Kaiserreich herzustellen und seine heilige und unbefleckte katholische Kirche, die sich über den ganzen Erdkreis erstreckt, in Übereinstimmung mit ihren eigenen täglichen Forderungen so, wie er sie stets leitet und beschützt, zu unserer Zeit gleichfalls zu einen und ihr Frieden zu schenken. Wir sprechen deswegen davon, als sei es bereits verwirklicht, weil wir alles, was dafür von unserer Seite aus getan werden mußte, getan haben, und wir nicht daran zweifeln, daß ihr es ebenso eurerseits zu halten vorhabt; denn wir vertrauen auf ihn, der dieses Werk, das wir in die Hand genommen haben, nämlich Frieden zu schließen, angeordnet hat; denn er ist treu und wahrhaftig und tritt als Helfer auf für jedes gute Bemühen, er wird auch das von uns gut begonnene, wie wir wirklich glauben, zur Vollendung bringen. Von dem Verlangen es zu vollenden ergriffen, haben wir unsere gegenwärtigen Gesandten, den ehrwürdigen Bischof Amalharius von Trier und den frommen Abt Petrus des ehrwürdigen Klosters der heiligen Apostel [i. e. Nonantula, h. Modena], vor Dein, unseres geschätzten Bruders ruhmreiches Angesicht geschickt, damit – in Übereinstimmung mit dem, was die treuen Gesandten Deiner geschätzten brüderlichen Person, der ehrwürdige Metropolit Michael und die ruhmreichen Ersten Schwertträger Arsafius und Theognostus, bei uns getan haben, als sie die schriftliche Fassung des Vertrags erhielten, sowohl durch unsere eigene Unterschrift als auch durch die unserer Priester und Vornehmen bestätigt – auf dieselbe Weise unsere Gesandten die schriftliche Fassung des Bündnisses von Deiner Seite, gleichfalls durch die Unterschriften Deiner Priester, Vornehmen und Edlen bekräftigt, erhalten, nachdem sie Deine Hand von einem heiligen Altar aufgehoben hat; und damit sie diese, wenn Gott ihre Reise fördert, zu uns bringen. Denn die Vernunft fordert es, und die Übereinkunft zwischen uns und Deinen Gesandten besagte, daß wir nach deren Abreise, bei der ersten zum Segeln günstigen Gelegenheit unsere Gesandten vor das ruhmreiche Angesicht Deiner geschätzten brüderlichen Person schicken, welche die obengenannte schriftliche Fassung des Vertrages oder Bündnisses, wenn Du sie ihnen gibst, in Empfang nehmen und zu uns bringen. Wir bitten also Deine geschätzte und brüderliche Person, daß Du, wenn Dir jene Fassung des Vertrages, die wir angefertigt und Dir geschickt haben, gefällt, die gleiche – auf griechisch und so, wie wir oben gesagt haben, bekräftigt – unseren bereits erwähnten Gesandten zu geben geruhst; und daß Du diese, nachdem sie zu Dir gekommen sind und von Dir, wie wir es bei Deiner Zuneigung erwarten, freundlich aufgenommen wurden, ohne jede Verzögerung abfertigen läßt, damit wir uns an ihrer Rückkehr und an der Antwort Deiner geschätzten brüderlichen Person, wenn Gott uns beisteht, erfreuen können; und Gott, der Spender alles Guten möge Dir durch eine würdige Entschädigung erstatten, was Du aufgewendet hast, um Freund und Förderer dieses Friedens zu sein, von dem jener angeordnet hat, daß er zwischen uns herrschen soll.

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d. Kaiser Michael II. und Theophilus an Ludwig den Frommen 4. Michaelis et Theophilis Hludowico Pio – a. 824 (MGH Conc.Paris., A, S. 475) Brief der Kaiser Michael II. und Theophilus an Ludwig den Frommen Im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, des einen, einzigen, wahren Gottes. Michael und Theophil, Anhänger Gottes, Kaiser der Römer, ihrem geschätzten und geehrten Bruder Ludwig, dem ruhmreichen König der Franken und Langobarden und, wie sie sagen, ihrem Kaiser. Wir zweifeln nicht, daß euer im Geiste geschätzten Person bekannt ist, daß geschrieben steht: „Jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt von oben, vom Vater der Gestirne“ [Iac. 1,17]; und des weiteren spricht der heilige Geist durch den überaus weisen Salomo: „Durch mich herrschen die Könige und entscheiden die Machthaber das Recht“ [Prov. 8,15.16]; und durch einen Propheten spricht er: „Ich habe ihnen aus Gerechtigkeit den König zum Aufbruch veranlaßt.“ [Is. 45,13]. Denn wir erhalten dies jedenfalls als von Gott gegebenes Geschenk unseres Herrn und Erlösers. Daher halten wir es für richtig, allen Anhängern unserer einen Dreifaltigkeit und rechtgläubigen Christen und besonders euer von Christus geliebten Person alles, wenn es möglich ist, sorgfältig mitzuteilen; dennoch, um nicht zu viel zu sagen, werden wir in diesem Brief [sc. nur] einen kurzen Bericht geben. Zwei wichtige und außerordentliche Angelegenheiten müssen wir euch nämlich ans Herz legen, zum einen, daß der Lenker jeder guten Sache, unser Herr Jesus Christus, der wahre Gott, uns zu der Würde der Herrschaft geführt hat, zum anderen, daß er es wegen der Sünden des ihm zugehörigen Volkes zugelassen hat, daß sich gewisse Mißstände einstellen. Es kann zwar, damit es leichter verstanden werden kann, in einem kurzen Bericht zusammengefaßt werden. Dennoch scheint es uns nötig, daß wir den Beginn der Angelegenheit, mit der wir uns beschäftigen wollen, auf die folgende Weise behandeln. Es gab also zur Zeit Leos, der vor uns die Herrschaft innehatte, einen gewissen Menschen namens Thomas, der ein Schüler des alten Teufels war und dessen Werke bereitwillig ausführte. Dieser setzte, obwohl er einem der vornehmsten Patrizier gehörte, zu der Zeit, da Herena die Herrschaft innehatte, einen Betrug gegen seinen Herren ins Werk, er schlief nämlich mit der Frau seines Herrn. Als diese Sache bekannt wurde, floh er nach Persien, weil er fürchtete, die gesetzmäßige Strafe zu erhalten. Als er dort eine Weile geblieben war, von den Tagen der obengenannten Herena bis zu denen des schon genannten Leos, hatte er dem Glauben an Christus abgeschworen und war auf diese Weise ein Verräter am christlichen Glauben geworden; um so leichter konnte er viele Ungläubige der Sarazenen und aus allen übrigen Völkern auf seinen Willen einschwören, und er machte ihnen glaubhaft, daß er selbst Konstantin wäre, der Sohn der mehrmals erwähnten Kaiserin Herena, daß ein anderer an seiner Stelle geblendet worden wäre und er selbst unversehrt mit seinem Augenlicht entkommen sei. Wegen dieser Geschichte schlossen sich die bereits erwähnten Heiden ihm an. Zunächst versuchte er nur, mit ihnen Überfälle zu verüben und andere mit Gewalt dazu

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zu bringen, sich ihm anzuschließen, die einen brachte er, indem er ihnen Geld gab, auf seine Seite, die anderen aber mit dem Versprechen von Ehre und Ruhm. Und, um dies möglichst kurz darzulegen, als dieser Thomas Persien mit Sarazenen, Persern, Hiberern, Armeniern, Avasgern und Leuten aus den anderen fremden Völkern verließ und zur Zeit des obengenannten Leos plötzlich mit der oben beschriebenen, starken Schar seinen Feldzug begann, unterwarf er seiner Gewaltherrschaft das ganze Herzogtum Armenien, gleichzeitig auch das Herzogtum Chaldea, dessen Volk den Kaukasus bewohnt, und zudem besiegte er den Herzog der Armenier mit seiner starken Schar. Als sich dies so ereignet hatte, wobei wir viele der Drangsale, die in diesem Sommer zusammentrafen, wegen der Fülle der Worte auslassen, wurde der erwähnte Kaiser Leo, weil er nicht in der Lage war, dem Angriff dieses Usurpators entgegenzutreten, und er, in die Enge gedrängt, von einer Rückeroberung Abstand nahm, von einigen verbrecherischen Gestalten, die eine Verschwörung gegen ihn gemacht hatten, plötzlich umgebracht. Nach seiner Ermordung und, weil keiner die Herrschaft innehatte, trat dank der Unterstützung des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, der einen Gottheit in verschiedenen Erscheinungen, und dank des Eingreifens der Herrin und furchtlosen Mutter Gottes sowie aller Heiligen eine vollständige Versammlung nach alter Sitte zusammen, nämlich der allerheiligste Patriarch, unsere ruhmreichen Patrizier, die vornehmen Senatoren und Vorsteher der verschiedenen Provinzen, insoweit sie gerade dort waren. Durch all deren einstimmigen Beschluß sind wir zu dieser Herrschaft bestellt worden, vor allem wegen der drohenden Not und Drangsal, die jener Mörder und Vaterlandsverräter hervorgerufen hat. Wir waren nämlich unseren vornehmen Obersten bekannt und wert. Auf diese Weise zur Herrschaft gekommen, fanden wir die Christen uneins und gespalten und, um die Wahrheit zu sagen, wir fanden viele, die der Verblendung und der Gottlosigkeit jenes gottlosen Usurpators folgten, und wir konnte daher nicht ohne weiteres unsere treuen Christen in diesem Punkt einigen, um so in der Lage zu sein, ihn zu bekämpfen. Während uns diese Umstände hinderten, ergriff er die Gelegenheit und brachte viele dazu, sich seinem Aufruhr anzuschließen, und, weil ihm unsere Kriegs- und Kurierflotte in die Hände gefallen war, hatte er die Möglichkeit, aus der Richtung Thrakiens und Makedoniens zu kommen, und er kam so schnell, daß er unsere Stadt einschloß und mit seiner Flotte umzingelte, im Monat Dezember der 15. Induktion [821]. Wir haben sie, obwohl uns nur eine geringe Zahl Soldaten und Kämpfer zur Verfügung stand, nicht übergeben, sondern suchten stets den Kampf und vertrieben ihn von der Stadt. Aber, weil jener, wie weiter oben gesagt wurde, eine starke Schar von Feinden zur Verfügung hatte – nicht nur aus den Ländern, die wir oben erwähnten, sondern auch aus Gegenden in Asien und Europa, Thrakien, Makedonien, Thessalien und von den außen um uns her siedelnden Slawen – aus diesem Grund nahm er unsere Belagerung wieder auf. Diese Belagerung hielt er bald enger, bald weiter ein ganzes Jahr lang aufrecht. Als wir aber die lange Ausdauer dieses Teufels und Mörders und die fehlende Tatkraft und die Verführbarkeit der Christen sahen, die von ihm verführt worden waren, setzten wir unsere Hoffnung und Stärke auf Christus, den wahren Gott, unsere Hilfe und Stütze, und traten in aufrechtem Glauben vor unsere Stadt, dem Usurpator entgegen, der zu diesem Zeitpunkt beinahe 30 Meilen vor unserer Stadt lag. Und, als wir die

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Schlacht begannen, sandte unser Gott selbst, der Herr, der unsere Herrschaft stets stützt und schützt, den Anführer seiner Heeresmacht, der, wie es Jesus Nave getan haben soll, ihre Macht löste und zerstreute und uns die Oberhand über ihn gab. In der Absicht die Christen zu schonen, ließen wir zum Rückzug blasen und enthielten uns des Blutvergießens; und bei dieser Gelegenheit flohen die Heiden und Fremden, die bei Thomas, dem Urheber ihrer Vernichtung, waren, auf ihrer Flucht wurden sie von uns eingeholt und in einer Stadt in der Provinz Thrakien, namens Archadiopolis, eingeschlossen. Einige von ihnen haben sich in den Bergen verteilt versteckt; ein Teil von ihnen aber hat sich Zutritt zu der Stadt Panadus verschafft. Wir aber machten uns daran, unser Heer zu verteilen und sie zu belagern. Aber diese Stadt, in der der Gottverhaßte und Unaussprechliche mit seinen Anhängern war, wurde fünf Monate lang belagert. Weil wir, wie gesagt, unser Volk und die Stadt schonen wollten, haben wir ihn und alle, die bei ihm waren, sowohl Landsleute, als auch Fremde, lebend gefangen genommen und Thomas selbst ließen wir, nachdem ihm Hände und Füße abgeschlagen wurden, ans Kreuz schlagen. Von den zweien aber, die er als Söhne adoptiert haben soll, wurde der eine von unseren Getreuen in Asien getötet, und den anderen ließen wir zu dem gleichen Tod wie seinen angeblichen Vater verurteilen. Und auf diese Weise ist sein Gedächtnis auf Erden getilgt, von Ewigkeit zu Ewigkeit, gemäß dem, was geschrieben steht: „Die Feinde sind dahin, zerschlagen für immer.“ [Ps. 9,7]. Auch alle Sarazenen, Armenier und die übrigen, die aus der Schlacht entkommen waren, nahmen wir lebend gefangen und rächten uns nach der Verfügung Gottes an ihnen. Danach brachen wir auf und kamen zu der Festung, die Panidus genannt wird, in die, wie wir sagten, der oben erwähnte Teil der Feinde geflohen war, denen wir das Leben versprachen, wenn sie zu unserem Glauben übertreten wollten. Aber jene wollten unseren Anweisungen nicht nachkommen, weil sie eher sterben wollten, als sich unterwerfen; da sandte Gott ihnen ein Erdbeben, das die Stadt erschütterte, durch das ihre Mauern einstürzten, so, wie man lesen kann, daß es Jericho ergangen ist, und auf diese Weise wurden sie in unsere Hände gegeben. Und dieses Wunder des allmächtigen Gottes ereignete sich für uns, welches wir keineswegs meinen verbergen, sondern überall zum Ruhm Gottes und seiner großen Werke verkünden zu sollen. Und auf diese Weise kehrten wir in einem triumphalen Sieg zu unserem Palast zurück und führten seit dieser Zeit alle Christen unseres Reiches zum gemeinsamen Frieden und früherer Eintracht zurück, unseren Vorkämpfer und Herrn Jesus Christus rühmend und verherrlichend, der geruht hat, sein Volk zur Einheit des Glaubens zu führen, im Gehorsam gegenüber unserer Herrschaft, die von ihm stammt. Daher hielten wir es für angemessen, diese Dinge euch, als einem gleichsam Frieden bringenden Freund, unserem Bruder im Geiste, und, wie wir glauben, Gefährten in den Freuden unserer Herrschaft, kundzutun, die sich bei uns ereignet haben, damit wir gleichermaßen, wie es sich für Anhänger ein und des selben Glaubens und Bekenntnisses gehört, mit Lobliedern und Hymnen den Erlöser, unseren Herrn Jesus Christus, loben und verherrlichen. Es hätte sich gehört, euch, als unserem Bruder ihm Geiste und Frieden bringenden Freund, gleich bei Beginn unserer Herrschaft in einem wahren Schreiben von unserer Hand zu berichten, was uns widerfahren ist, doch, wie oben gesagt wurde, hinderte uns der Aufstand des obengenannten Usurpators und Rebellen, des mit einem schändlichen Tod bestraften Thomas, daran, es zu tun.

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Aber nun gab uns Gott diesen gegenwärtigen, geeigneten Zeitpunkt nach dessen Entfernung und nach der Einigung und Eintracht unseres Volkes. Und daher hielten wir es für angemessen, zu eurer glorreichen Person unseren Protospathar und Strategen Theodotus zu entsenden, den allerheiligsten Nicetas, Metropolit von Myra in Lykien, den Erzbischof von Venedig Fortunatus, den überaus ehrenwerten Diakon und Ökonom der heiligsten katholischen Kirche Gottes und der großen heiligen Sophie, Theodor, sowie unseren Leibgardisten Leo. Und nicht nur durch diese Zeilen, sondern auch durch diese Männer wollen wir eurer ruhmreichen Person alles, was angefallen ist, verkünden, damit wir sowohl durch diese, als auch im Gegenzug durch eure Boten Kenntnis erhalten können von der Gesundheit eurer werten Person und zugleich von der Unversehrtheit eurer Getreuen und natürlich auch davon, daß sich alle eure Angelegenheiten zur Zufriedenheit entwickeln. Des weiteren bestätigen und bekräftigen wir nun durch unsere treuen und wahrhaftigen Zeilen den früheren Frieden und die zwischen euch und uns geschlossene Freundschaft, wobei wir den Vermittler dieses Friedens, den Herrn, der sagt: „Ich gebe euch meinen Frieden, meinen Frieden überlasse ich euch“ [Ioh. 14,27], bitten, daß er diesen Frieden fester und die Liebe reicher macht und sie den vergangenen Zeiten und Mächtigen vor Augen stellt, da wir es ja so halten und hoffen, daß auch eure überaus ruhmreiche, mächtige Person darin mit unserer Person übereinstimmt. Liebe und Frieden kann nämlich nach dem Wort des Herrn auch denen von Nutzen sein, die seine Gebote befolgen. Er sagt nämlich: „Wer mich liebt, hält meine Gebote“ [Ioh. 14,21], und des weiteren: „Daran erkenne ich bei euch allen, ob ihr meine Jünger seid, wenn ihr euch untereinander in Liebe übt.“ [Ioh. 14,35]. Aber auch das geben wir eurer geschätzten, Christus gefälligen Person bekannt, daß viele, sowohl von den Kirchenmännern, als auch von den Laien, abgefallen sind von der apostolischen Lehre, den Sitten der Väter nicht mehr folgen und dazu übergegangen sind, üble Lehren einzuführen. Zunächst haben einige die ehrwürdigen und lebenspendenden Kreuze aus den heiligen Hallen vertrieben und an ihre Stelle Bilder gesetzt und vor diese Lampen gestellt, zudem haben sie Weihrauch verbrannt und hielten sie in solcher Ehre wie das ehrwürdige und lebenspendende Holz, an dem Christus, der wahre Gott, sich für unsere Errettung hat kreuzigen lassen. Sie sangen Psalmen, beteten und erbaten sich von diesen Bildern Hilfe. Viele aber umgaben diese Bilder mit Tüchern und bereiteten sie zur Aufnahme des Taufwassers ihrer Kinder vor. In gleicher Weise ließen sie auch beim Scheren ihrer Kinder, wenn sie ihnen die Haare abschnitten, diese Haare über die Bilder fallen. Andere aber, die die fromme Tracht der Mönche anlegen wollten, ließen die frömmeren Männer unberücksichtigt, die ihr Haupthaar zuvor üblicherweise erhielten, und ließen ihre Haare den herbeigeholten Bildern gleichsam in den Schoß fallen. Einige sogar der Priester und Kleriker schabten Farbe von den Bildern, vermischten sie mit Oblaten und Wein und gaben aus dieser Opfergabe nach der Messfeier denen, die am Abendmahl teilhaben wollten. Andere haben den Leib des Herrn in die Hände der Bilder gelegt, von wo sie ihn diejenigen, die am Abendmahl teilnehmen wollten, nehmen ließen. Einige vollends verschmähten die Kirchen, benutzten in gemeinsamen Häusern die Tafeln der Bilder anstelle eines Altares und hielten über ihnen heilige Verrichtungen ab; und andere Dinge, die diesen

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ähnlich waren und unserem Glauben zuwiderliefen, verübten sie in den Kirchen, was den gelehrteren und weiseren Männern überaus unangemessen vorkam. Deswegen beschlossen die rechtgläubigen Kaiser und die gelehrtesten Priester, ein lokales Konzil einzuberufen, um das Vorgehen in diesen Fällen zu untersuchen. Die zu diesem zusammengekommen waren, verboten beseelt vom heiligen Geist einstimmig überall die Ausübung solcher Praktiken und ließen die Bilder von den weiter unten liegenden Plätzen entfernen, diejenigen, die weiter oben angebracht waren, so daß man das Bild für Schrift halten konnte, gestatteten sie, an ihrem Platz zu lassen, damit sie nicht von Ungebildeteren und Schwächeren angebetet wurden, verboten aber, vor ihnen Lampen anzuzünden und Weihrauch zu verbrennen. Auf diese Weise denken wir auch jetzt und gehen davon aus, daß diejenigen von der Kirche abgefallen sind, die sich der Einführung derart übler Praktiken befleißigen. Daher flohen auch einige von denen, die die Beschlüsse des lokalen Konzils nicht annehmen und sich von der Wahrheit nicht widerlegen lassen wollten, von hier und kamen in das altehrwürdige, von Gott beschützte Rom, wobei sie Unrecht und Verfälschung mit sich bringen und vom wahren Glauben abweichen. Um deren überaus böswillige und mit Blasphemie getränkten Worte von unseren früheren, rechtgläubigen abzusetzen, geben wir euer ruhmreichen Person bekannt, daß wir das Glaubensbekenntnis der sechs heiligen und allgemeinen Synoden, das von allen rechtgläubigen Christen eingehalten wird, nicht nur verkünden, sondern auch unumstößlich im Herzen tragen: Wir verehren die auf drei Personen verteilte Dreifaltigkeit, wir bekennen die eine Natur der einen Gottheit, verkünden die zeitliche Geburt des Wortes durch die Jungfrau, wir rühmen den doppelten Willen und das doppelte Wirken der göttlichen und menschlichen Natur, erbitten die Fürsprache und Verwendung unserer unbefleckten Herrin, der Mutter Gottes, der ewigen Jungfrau Maria, und aller Heiligen; ihre berühmten und heiligen Reliquien verehren wir inbrünstig und alles, was von den seligsten Aposteln überliefert und von den heiligsten Vätern auf den sechs Synoden beschlossen wurde, bekennen und halten wir. Daher setzten wir, um der Kirche Christi Ehre zu verschaffen, ein Schreiben an den heiligsten Papst im altehrwürdigen Rom auf und sandten es durch unsere obengenannten Boten an ihn; wir gaben ihnen zudem ein mit kostbaren Steinen geschmücktes, goldenes Evangeliar, eine goldene Patene, gleichfalls mit kostbaren Steinen geschmückt, und einen auf die gleiche Weise geschmückten Kelch, auf beiden ist der Name unseres Reiches geschrieben, mit, damit sie, wenn sie nach Gottes Beschluß dort ankommen, sie in der Kirche des heiligsten und seligsten Apostelfürsten Petrus aufstellen, der sich für euch und für uns verwenden möge. Im übrigen möge eure im Geiste geliebte Person es so einrichten, daß diese in aller Ehre und ohne jede Anfechtung zu ihm gelangen, und kommt ihnen bei den Angelegenheiten, die Gott gefallen und zu seiner Ehre gereichen, zur Hilfe, in Erfüllung der Liebe, die zwischen uns herrscht, indem ihr ihm ausrichtet, daß er, wenn von nun an vorgeblich christliche Verführer auftreten, Schädiger der Kirche, diese auf der Stelle von dort vertreiben soll, damit an ihnen, was geschrieben steht, erfüllt wird. Die Schrift sagt nämlich: „Vertreibt das Übel aus eurer Mitte“ [Deut. 21,21], damit wir nicht nur in den öffentlichen Angelegenheiten miteinander in Eintracht leben, sondern auch in Hinsicht auf die wichtigen Dinge übereinstimmen, die sich auf das Heil der Seelen beziehen, das heißt, in Hinsicht auf die kirch-

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lichen Angelegenheiten und auf das, was Gott gefällig ist. Um an die Wertschätzung zu erinnern, die zwischen uns und euch herrscht, senden wir mit unseren obengenannten Boten ein grünes, ein gelbes, zwei purpurfarbene, zwei wirklich purpurne, zwei rosafarbene und zwei verschiedenfarbige [?] Gewänder. Abgesandt am 10. April der 2. Indiktion [824] aus der von Gott beschützten Königsstadt.

I I. B r ie fw ec h sel mi t d en P äp s ten a. Stephan II. 5. Stephan II. Pippino, Carolo et Carolomanno – a. 755 (Cod. Car., Nr. 6, MGH. Epp. III, S. 488) Brief Papst Stephans II. an die Könige Pippin, Karl und Karlmann Unseren Söhnen, den bedeutendsten Herrschern, unserem Paten im Geiste, König Pippin, sowie Karl und Karlmann, gleichfalls Könige und beide Schutzherren der Römer, Papst Stephan. Weil der Name eures Reiches unter den übrigen Reichen wegen eurer aufrichtigen Treue zum heiligen Apostel Petrus, dem ersten der Apostel, am glänzendsten hervorsticht, müßt ihr euch sehr darum bemühen, daß ihr so, wie ihr alle euch ruhmreicher als die übrigen Völker im Dienst am heiligen Petrus gezeigt habt, den Gefallen des allmächtigen Herrn, „der das Heil den Königen gibt“ [Ps. 143,10], durch die Verteidigung seiner heiligen Kirche in noch höherem Maße gewinnt, damit ihr die Treue, die ihr dem ersten der Apostel haltet, als Unterstützung in allen Angelegenheiten haben werdet. Wir hatten zwar den Wunsch, vortrefflichste Söhne, weiter fortzufahren und unser Gespräch auszudehnen; aber, weil unser Herz angesichts der vielen, uns von dem übelgesinnten Haistolf, dem König der Langobarden, bereiteten Bedrängnis zu sehr gequält wird, und unsere Seele dessen überdrüssig ist, sind wir also von einer weiteren Ausdehnung unseres Gespräches abgekommen und haben uns bemüht, das eine, was notwendig ist, euer herausragenden Frömmigkeit mitzuteilen. Von Gott Beschützter, unser Pate im Geiste, und ihr, werteste Söhne, ihr habt euch des Lohns für eure Seelen halber – so, wie unser barmherziger Gott im Himmel geruht hat, euch die Siege zu schenken – bemüht, dem heiligen Petrus nach euren Kräften Gerechtigkeit zu verschaffen, und eure Güte hat mit einer Schenkungsurkunde die Wiederherstellung besiegelt. Nun aber haben wir eure Frömmigkeit das erste Mal benachrichtigt von den schlechten Absichten dieses üblen Königs. Siehe, sein Betrug, seine böswillige Verkehrtheit und sein Meineid liegen bereits offen zu tage. Seit langer Zeit hat ja der Feind der Menschheit, der Teufel, Besitz ergriffen von seinem treulosen Herz und er ist im Begriff, das, was mit dem Siegel des Eides festgelegt ist, rückgängig zu machen; denn er hat sich nicht dazu bereit erklärt, dem seligen Petrus und der heiligen Kirche Gottes, dem Gemeinwesen der Römer, auch nur einen Fußbreit des Landes zu überlassen. Soviel hat er jedenfalls von jenem Tag an, da wir uns von einander

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getrennt haben, zu tun versucht, um uns zu schaden und der heiligen Kirche Gottes Schaden zuzufügen, wie es von den Zungen der Menschen gar nicht aufgezählt werden kann, da doch selbst die Steine, wenn sie sprechen könnten, unsere Not mit großem Wehklagen beweinen würden; und er ist im Begriff, uns so zu schaden, daß für uns die alte Machtlosigkeit erneuert werden würde. Über die Maßen jedoch bin ich betrübt, vortrefflichste Söhne, daß ihr auf die Worte unseres Unglücks nicht hören wolltet und der Lüge eher als der Wahrheit Glauben geschenkt habt, zudem euren Spott triebet und euch lustig machtet. Daher sind wir auch, ohne etwas für die gerechte Sache des heiligen Petrus erreicht zu haben, zu unserer eigenen Herde und dem uns anvertrauten Volk zurückgekehrt. Überhaupt hat die ganze Christenheit fest daran geglaubt, daß der heilige Petrus, der erste der Apostel, nun durch euren starken Arm sein Recht erhalten würde, weil sich ein so großes und bedeutendes Zeichen zu euren Zeiten ereignet hat und Gott der Herr, und unser Erlöser Jesus Christus, geruht hat, durch die Vermittlung seines Apostelfürsten euch einen so gewaltigen Sieg in der Verteidigung seiner heiligen Kirche zu schenken; ihr habt nun gute Söhne, weil ihr diesem übelgesinnten König geglaubt habt, was er unter dem Siegel des Eides versprochen hat, nach eurem eigenen Willen durch eine Schenkungsurkunde die Wiederherstellung der Städte und Ortschaften des seligen Petrus und des Gemeinwesens der heiligen Kirche Gottes bestätigt. Aber jener hat den christlichen Glauben vergessen und den Gott, der ihn geboren werden lassen hat, und ist im Begriff, rückgängig zu machen, was durch den Eid bestätigt ist. Deswegen „kommt Unrecht auf sein eigenes Haupt“ [Ps. 7,17]; offengelegt ist die Grube, die er gegraben hat, und in diese stürzt er für seinen Betrug und seinen Meineid. Ich beschwöre euch nun, überaus vortreffliche Söhne und unter Gottes Schutz Stehende, bei unserem Gott, dem Herrn, und der heiligen, ruhmreichen, ewigen Jungfrau, seiner Mutter Maria, unserer Herrin, bei allen Kräften des Himmels und bei dem heiligen Petrus, dem ersten der Apostel, der euch zu Königen gesalbt hat, daß ihr die heilige Kirche Gottes bedauert und euch bemüht, neben der Schenkung, die ihr eurem Beschützer, unserem Herrn, dem heiligen Petrus, ausstellen ließet, alles der heiligen Kirche Gottes wiederzugeben und zu erstatten und daß ihr keineswegs weiterhin den verführerischen Worten dieses von Grund auf verdorbenen Königs oder seiner Grafen und den Täuschungen seiner Verstellung Glauben schenkt. Denn siehe, offengelegt ist sein Betrug, so daß seine Schliche keinesfalls mehr Glauben finden können; ja mehr noch, nachdem seine üble Veranlagung und böse Absicht bekannt geworden sind, werden seine hinterhältigen Anschläge zu Schanden. Eilt euch, das, was ihr einmal dem heiligen Petrus durch die von eurer Hand bekräftigte Schenkung versprochen habt, dem heiligen Petrus für euer Seelenheil wiederzugeben und zu erstatten. Schließlich sagt der heilige Apostel: „Besser ist es nicht zu schwören, als nach dem Schwur nicht zu geben.“ [Eccle. 5,4]. Wir legen nämlich alle Angelegenheiten der heiligen Kirche Gottes in eure Hände; und ihr werdet vor Gott und dem heiligen Petrus Rechenschaft ablegen müssen am Tag des fürchterlichen Gerichts, wie sehr ihr euch eingesetzt habt für die Sache dieses Apostelfürsten und für die Wiederherstellung seiner Städte und Ortschaften. Für euch ist ja schon vor langer Zeit dieser gute Weg vorherbestimmt worden: daß durch euch die Kirche erhöht wird und dem ersten der Apostel Gerechtigkeit widerfährt. Keiner eurer Vorfahren verdiente eine so bedeutende Aufgabe, son-

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dern euch hat Gott vor ewigen Zeiten ausgewählt und gekannt, wie geschrieben steht: „Die er im Voraus gekannt und vorherbestimmt hat, die hat er auch berufen; und die er berufen hat, hat er auch gerecht gemacht.“ [Rom. 8,29.30]. Ihr seid berufen, seht zu, dem ersten der Apostel ohne Aufschub Recht zu verschaffen, weil geschrieben steht: „Die Frommen werden durch ihre Werke gerecht.“ [cf. Iac. 2,24]. Über all unsere Bedrängnis aber, die wir erduldet haben oder noch erdulden, werden euch mit Gottes Hilfe unser Sohn Folrad, euer Ratgeber, und seine Gefährten berichten. Und führt die Sache des heiligen Petrus so, daß ihr sowohl in diesem Leben durch die Gunst Gottes als Sieger in Erscheinung tretet, als auch im künftigen, durch die Fürsprache des heiligen Petrus, des ersten der Apostel, ewige Glückseligkeit besitzen werdet. Lebt wohl, hervorragendste Söhne.

b. Paul I 6. Paulus I. Pippino – a. 757 (Cod. Car., Nr. 12 MGH Epp. III, S. 507) Brief Papst Pauls I. an König Pippin Seinem Sohn, dem bedeutendsten Herrscher, König Pippin der Franken und Schutzherr der Römer, grüßt Paul, Diakon und im Namen Gottes Auserwählter für den heiligen apostolischen Stuhl. Mit tiefer Trauer und schweren Herzens, von Gott geschützte Exzellenz, mächtigster, siegreicher König, haben wir erfahren, daß auf Gottes Ruf hin der Herrscher seligen Angedenkens und mein Bruder, Papst Stephan, aus diesem Licht hinübergegangen ist in die ewige Ruhe; bei dessen Weggang selbst die Steine, wenn sie sprechen könnten, mit uns zusammen geweint hätten. Für die Nachfolge in seinem apostolischen Amt wurde von der ganzen Schar des Volkes meine Wenigkeit gewählt. Und während dies geschah, kam Immo nach Rom, der Gesandte euer allerchristlichsten Exzellenz. Und als wir mit ihm sprachen, befanden wir es zusammen mit unseren Vornehmsten für gut, ihn hier zu behalten, bis wir durch die Fürsprache Gottes ausgezeichnet wären mit dem apostolischen Segen; und ihn dann, umso mehr unterrichtet über unsere und des ganzen Volkes Lauterkeit und Wertschätzung, die wir gegenüber euer gütigsten Exzellenz und gegenüber dem ganzen Volk der Franken empfinden, zusammen mit unserem apostolischen Boten zu verabschieden, um ihn zu euch zurückkehren zu lassen, da Du, bedeutendster und von Gott beschützter König, nach Gott unsere Stütze und unser Verteidiger, ja mit Sicherheit sehen wirst, daß wir tapfer und standhaft bis zum Einsatz unseres Lebens und Vergießen unseres Blutes in dieser Treue, Wertschätzung und liebender Eintracht und unter Einhaltung des Friedensbundes [pacis foedera], den der Bischof seligen Angedenkens und mein Bruder, der überaus heilige Papst, mit euch abgeschlossen hat, zusammen mit unserem Volk bleiben werden bis zum Ende. Daher erflehen wir auch unablässig, mit zum Himmel ausgebreiteten Händen, für das unversehrte Leben eurer Exzellenz, eurer wertesten Söhne und ihrer Exzellenz,

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der wohlbehaltenen Königin, die Gnade unseres Gottes, des Herrn, daß sich Deine Unterstützung und Dein starker Schutz immer über uns erstrecke. Die göttliche Gnade erhalte eure Exzellenz unversehrt. 7. Paulus I. Pippino – a. 764 (Cod. Car., Nr. 29, MGH Epp. III, S. 533) Brief Papst Pauls I. an König Pippin Unserem Sohn, dem bedeutendsten Herrscher und Paten im Geiste, Pippin, König der Franken und Schutzherr der Römer, Papst Paul. Der Bote eurer herausragenden und von Gott beschützten Exzellenz hat das an uns mit aller Liebe und Wertschätzung gerichtete Schreiben, das wir mit großer Ehrfurcht entgegennahmen, überbracht, und wir haben recht gut Kenntnis gewonnen von allem, was darin zur Sprache kommt. Unter anderem hat uns ja eure herausragende Güte, Exzellenz, guter Sohn, mitgeteilt, daß ihr durch das Wirken der Barmherzigkeit unseres Gottes, gesund, wohlbehalten und unversehrt seid und zugleich auch eure überaus bedeutenden Kinder, unsere Söhne im Geiste, Karl und Karlmann, die großen Könige, und die Herrin Bertrada, die werteste Königin, unsere Patin im Geiste, sowie auch die überaus vornehme Gisila, gleichermaßen unsere Tochter. Als wir das erfahren hatten, brachten wir dem Himmelsrichter und König der Könige, unserem Herrn, großes und ungezähltes Lob dar, weil wir in Übereinstimmung mit dem, was wir uns flehentlich ersehnt und gewünscht haben, für würdig befunden wurden, von eurem Wohlbefinden zu erfahren. Das haben wir mit eifrigen Fürbitten von dem Herrn, unserem Gott, erfleht, der es uns ermöglichte, uns durch viele Jahre hindurch eurer unbeeinträchtigten Gesundheit zu erfreuen; daher ist euer Heil unser Jubel und euer Wohlergehen gereicht uns fraglos zur Freude. Ferner enthielt euer königliches Schreiben das Folgende: Daß wir euch durch eine Nachricht in Kenntnis setzen sollten, wenn in bezug auf die heilige Kirche Gottes oder unserer unbedeutenden Person dem Wohlergehen und der Unversehrtheit des uns anvertrauten Volkes Abbruch getan werde. Auch deswegen nämlich bringen wir dem allmächtigen Gott und eurer Exzellenz große und ungezählte Dankgebete dar, weil eure Exzellenz, als wahrhaftig allerchristlichster und wirklicher Verehrer Gottes, ohne Widerwillen für die Kirche und das Volk Gottes sorgt. Aber das wurde nicht durch euren Verdienst, sondern durch die Vorsorge der göttlichen Barmherzigkeit bewirkt, damit sich alles wunschgemäß für die heilige Kirche Gottes, unsere unbedeutende Person und das uns anvertraute Volk entwickelt. Das wird euch Gott im Himmel, der alles Gute verleiht, der euch dieses außerordentliche und fromme Werk lohnen wird, wegen der so großen Güte und dem so großen Eifer, den ihr für die heilige katholische und apostolische Kirche und für das ihr angehörige Volk bewiesen habt, anerkennen. Aber auch dies war in den Zeilen eurer Antwort enthalten: Durch eure Gesandten sei euch berichtet worden, was von einigen Übelgesinnten und Lügnern in diesen Ländern verbreitet wurde, daß ihr, wenn wir in eine Notlage gerieten, nicht in der Lage wäret, uns Unterstützung zu gewähren. Was dieses frevelhafte Gerede angeht, gab es und gibt es bei uns keinerlei Zweifel, weil, durch das Wirken der göttlichen Barmherzigkeit, wir in euch nach Gott große Zuversicht und Hoffnung setzen, wissend um den

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Schutz und die Unterstützung der heiligen Kirche Gottes und des uns besonders zugeteilten Volkes, weil es für euch, wenn Gott euch gewogen ist, in keiner Hinsicht ein Hindernis geben kann, gemäß dem, was ihr dem heiligen Apostel Petrus in Person meines Amtsvorgängers seligen Angedenkens, unseres Herrn und Bruders, für die Rettung eurer Seele und die Vergebung eurer Sünden versprochen und gelobt habt. Wir glauben, daß ihr dabei für ewige Zeiten mit Gottes Hilfe fest und sicher bleiben werdet. Jedoch, worauf eure allerchristlichste Exzellenz uns aufmerksam macht, daß wir, wenn einer euer Gegner oder Verächter zu uns gelangt, mit diesem auf keine Weise in Kontakt treten oder ihn in unserer Gegenwart dulden sollen: Das sei fern von uns, daß wir dies täten, weil ganz und gar eure Feinde die der heiligen Kirche Gottes und die unseren sind. Daher – die Wahrheit sei Zeuge, daß es sich so verhält – wollen wir, eure Freunde, sobald wir sie als solche erkennen, wie Freunde und Anhänger der heiligen Kirche Gottes zuvorkommend behandeln und in unsere Arme schließen und eure Feinde, sobald wir sie aufgespürt haben, wahrhaftig wie Feinde der heiligen Kirche Gottes und unsere eigenen von uns weisen und verfolgen, weil eure Freunde die der heiligen Kirche Gottes und die unseren sind und diejenigen, die gegen euch Böses im Schilde führen, ganz und gar als Feinde der heiligen Kirche Gottes und von uns feststehen. Hinsichtlich aber eurer und unserer Boten, die gleichzeitig zur Königsstadt aufgebrochen sind, durch die eure berühmte Exzellenz uns gebeten hat, daß ihr selbst von uns benachrichtigt würdet, wenn wir etwas über jene haben erfahren können, möge eure bedeutende, von Gott beschützte Person wissen, daß wir dieser Tage nichts erfahren konnten, wobei euch ja wahrhaftig nicht unbekannt ist, daß angesichts der so grausamen Härte dieses Winters keiner, der aus dieser Gegend kam, uns etwas darüber sagen konnte, wie es um jene steht; und daher wissen wir im Augenblick nicht, was wir euch über jene wahrheitsgemäß berichten sollen. Über den Priester Marinus jedoch hat eure allerchristlichste Exzellenz uns geschrieben, daß er bereits wieder in seine frühere Stellung eingesetzt worden sei, gemäß dem, was wir an euch als Bitte gerichtet hatten. Wir führen freilich Gott als Zeugen an, daß wir aus keinem anderen Grund uns seinetwegen an euch gewandt haben, außer wegen der Tränen und täglichen Beschwerden, die seine Mutter vorzubringen nicht aufhörte, die auch, nachdem sie ihr Augenlicht verloren hat, noch am Leben ist. Und deswegen haben wir euch geschrieben, daß ihr ihn unseretwegen freilassen sollt, weil ihr gegen ihn nichts vorliegen hattet noch habt, wir aber auch nicht, außer lediglich seiner schlechten Absicht, die er gewagt hat, gegen die heilige Kirche mit übelwollender und bösartiger Kühnheit der Leidenschaft an den Tag zu legen; aber deswegen, wie wir euer Exzellenz im vorherigen Brief geschrieben haben, untersteht es unserem Urteil und unserer Gewalt, was wir seinetwegen entscheiden wollen: Wir haben gar kein Interesse an ihm, außer dem, das wir oben genannt haben; wie es eure Absicht gewesen ist, so sollt ihr über ihn entscheiden. Doch eure Exzellenz ließ uns wissen, daß wir sie benachrichtigen sollen, falls dieser Marinus uns Briefe zugesandt hat. Dazu sagen wir, die Wahrheit sei Zeuge: Niemals hat er uns Briefe zugesandt, seitdem er dorthin, zu eurer Exzellenz aufgebrochen ist, denn keinesfalls hätten wir es euch verborgen, wenn es der Fall gewesen wäre.

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So dann haben wir es außerdem für gut befunden, das, was uns von den Anhängern der heiligen Kirche Gottes und unseren Leuten, das heißt aus dem Land von Ravenna, überbracht wurde, eurer Exzellenz mitzuteilen: daß die Gegner der heiligen Kirche Gottes, von uns und von eurer Exzellenz Tag und Nacht nicht davon ablassen zu überlegen, wie sie uns, weil Gott ihnen zuwider ist, übertreffen und schlagen können. Gleichwohl haben wir die Zeilen selbst, die wir von dort erhalten haben, unter unserem Brief eurer Exzellenz übermittelt, damit ihr, die Bedeutung der Sache erkennend, seht, daß jene keinesfalls ablassen von ihrer einmal gefaßten schlechten Absicht und von ihrer sonstigen Verdorbenheit. Daher, Allerchristlichster, guter Sohn und Pate im Geiste, mußt Du eifrig daran arbeiten und Dich bemühen, damit das gute Werk, das Du begonnen hast, von Dir zu Ende geführt wird und damit die heilige Kirche Gottes und ihr eigenes Volk völlige Freiheit genießen und sicher vor den Nachstellungen der Feinde fortbestehen können. Für das übrige aber erbitten wir die Barmherzigkeit unseres Gottes, daß er geruht, euch viele Jahre hindurch auf dem Thron eures Reiches zu belassen, zusammen mit euren überaus ausgezeichneten Söhnen und unseren Patenkindern im Geiste, Karl und Karlmann, den Königen der Franken und Schutzherren der Römer, und auch der Herrin Bertrada, der überaus ausgezeichneten Königin, unserer Patin im Geiste und eurer Gattin, und zugleich mit der überaus vornehmen Jungfrau Gisila, unserer Tochter im Geiste, zur Erhöhung und Verteidigung der heiligen Kirche Gottes und gleichzeitig ihres eigenen Volkes; in dem Wunsch, lange mit Freude von eurer Wohlfahrt zu erfahren und die grenzenlose Gnade des Himmels für euch zu erflehen. Die himmlische Gnade erhalte eure Exzellenz unversehrt. 8. Paulus I. Pippino – a. 762–767 (Cod. Car., Nr. 42, MGH Epp. III, S. 554) Brief Papst Pauls I. an König Pippin Dem bedeutendsten Herrscher, unserem Sohn und Paten im Geiste, Pippin, dem König der Franken und Schutzherren der Römer, Papst Paul. Als wir uns die göttlichen Taten aus den geschichtlichen Schriften in unserem Gedächtnis vergegenwärtigten, die Verdienste der verschiedenen Auserwählten Gottes abwogen und damit vor unserem geistigen Auge eure göttlich beseelten Bemühungen verglichen, erkannten wir daß Du, wie ein neuer Moses, in diesen Tagen hervorstichst, bester Sohn und Pate im Geiste. Jener nun erhielt von der göttlichen Majestät den Auftrag, das Volk der Israeliten der Bedrängnis der Unterdrücker zu entreißen; auch Du, bester und bedeutender König, bist zur Befreiung der heiligen, allgemeinen, katholischen und apostolischen Kirche Gottes von Gott beseelt. Durch jenen übergab schließlich der Herr auf dem Berg Sinai dem Volk der Hebräer die Gebote seines Gesetzes zur Erfüllung und umgab ihn mit dem Licht seiner Klarheit; auch durch Dich hat unser Erlöser, der Vermittler zwischen Gott und den Menschen, seiner Kirche und seiner gesamten Christenheit, nachdem er ihn mit seinem kostbaren Blut erworben hat, Frieden gewährt und seinem rechten Glauben einen vollkommenen Schutz zugewiesen. Und sowie derselbe Moses als Gesetzgeber den Götzendienst der Völker und

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die Verehrung der Dämonen verbannt hat, so hast auch Du, allerchristlichster König, die Spaltung der Häretiker und die Vertreter gottloser Lehre von Dir gewiesen. Für diese Verdienste wirst Du mit dem Licht der göttlichen Gnade und dem Öl der Heiligung ausgezeichnet unter den frommen Königen, die einst Gottes Gefallen fanden, gesalbt und aufgenommen vorgefunden werden. Mit Sicherheit darf man daher die Worte des Psalmendichters und das Lob eurer Exzellenz singen: „Der Herr hat gesehen, gütigster der Könige, daß Du ihm treu warst und seine Gebote beachtet hast, und daher hat er Dich mit dem heiligen Öl gesalbt; und siehe, Deine Hand wird von ihm gehalten werden und sein Arm wird Dich stärken.“ [cf. Ps. 89,21.22]. Und es ist nicht verwunderlich, daß ein so überaus gütiger König mit einem so großen Auftrag Gottes ausgezeichnet wird, weil ja der Geist, wo er will und wen er will, beseelt; und vornehmlich beseelt er solche, die sich in frommen Werken auszeichnen, wie man es bei eurer Exzellenz leicht sehen kann. Denn, daß eure Liebe und Wertschätzung des heiligen Apostelfürsten Petrus und unserer werten Person innig ist, verkündet zwar, wie gewohnt, eure Exzellenz in euren Briefen und den hin und her eilenden Antwortschreiben, nun aber habt ihr noch zusätzlich durch diese Zeilen, die ihr gegenwärtig durch euren Überbringer gesandt habt, uns ausführlich das Wohlwollen eurer väterlichen Güte überbracht, wobei ihr uns wissen ließet, guter, bedeutendster Sohn, Pate im Geiste und nach Gott unser Beschützer und Befreier, daß ihr mit großer Beharrlichkeit bei der Liebe zum Apostelfürsten und der Wertschätzung unserer Person verbleiben wollt. Das nun kam uns bei dem festen Versprechen eurer unveränderlichen Worte in den Sinn: „Wir wissen nämlich, wem wir Glauben geschenkt haben, und wir sind uns sicher“, daß alles so, wie Du es versicherst, geschieht. [cf. 2. Tim. 1,12]. Was können wir also daher euer Exzellenz erwidern? Oder mit welcher Gegenleistung könnten wir eine solche Bereitschaft zu Wohltaten belohnen, die eure herausragende Majestät geruht hat, der heiligen Kirche Gottes und dem christlichen Glauben zukommen zu lassen, obwohl unser Herz schon aufgefordert ist, Tag und Nacht Dankgebete darzubringen? Eher muß ich mich wundern und sehr darüber staunen, wie die Fähigkeit meines Mundes zu reden es vermag, die Unterstützung durch so viele Wohltaten zur Sprache zu bringen. Doch „ich will den Kelch des Heils erheben und den Namen des Herrn anrufen.“ [Ps. 116,13]. Und oftmals, den Blick zum Himmel erhoben und die Hände ausgebreitet, erbitte ich für euch unablässig die Gnade Gottes, daß er geruht, selbst vom Thron seiner Majestät auf euch herabzusehen, der Würde eures Reiches gewogen ist, euch gewaltige Siege vom Himmel aus gewährt, euch alle Barbarenstämme zu Füßen legt und die Grenzen eurer königlichen Herrschaft erweitert. Wir nämlich, bedeutendster Sohn und Pate im Geiste, rufen den Gott der Wahrheit als Zeugen an, in dessen Hand das Herz eurer Exzellenz geläutert wird, daß wir so, wie wir es häufig der Reinheit eures Herzens offenbart haben, in Liebe und Wertschätzung zu euch, wie es zwischen euch und unserem Herrn und Bruder seligen Angedenkens, dem heiligen Papst Stephan, und durch ihn mit der heiligen Kirche Gottes bekräftigt wurde, verbleiben und auch verbleiben wollen, uns nach eurem Willen richtend. Und es sei fern von uns, daß wir uns auf irgend eine Art und Weise aus eurer Wertschätzung entfernen; denn keine Gewährung von Geschenken, keine Art von Versprechen und

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keine Einflüsterung der Schmeichler könnte uns, wie wir schon oft gesagt haben, von eurer Wertschätzung abbringen. Sondern ich bitte und flehe, als wäre ich persönlich anwesend, eure liebliche Exzellenz, daß ihr die größte Erhebung der Geschicke eurer Mutter im Geiste, der Kirche, verwirklichen und als der stärkste Verteidiger des christlichen Glaubens hervortreten sollt, gütigster König, damit das Gedächtnis eures Namens bis ans Ende der Welt im Hause des Herrn gerühmt wird und euch mit der Unterstützung der Apostel das Glück im gegenwärtigen Leben und die Freude der ewigen Glückseligkeit gewährt wird. Außerdem, bedeutendster Sohn und Pate im Geiste, bringen wir, weil ihr von Gott beseelt geruht habt, jenes am Berg Soracte gelegene Kloster uns zu übertragen, eurer herausragenden Majestät große und ungezählte Dankgebete dar: Dafür belohne euch Gott und zeige sich euch würdig erkenntlich mit himmlischen Lohn in der ewigen Glückseligkeit. Wir jedenfalls haben entschieden, dieses Kloster zum Lobe Gottes und zu eurem Gedächtnis und ewigem Lohn unserer Abtei zu unterstellen, dafür, daß die Gebeine des heiligen Silvester, der eine Leuchte für den christlichen Glauben war, in unserem Kloster von uns aufbewahrt ruhen können und er, der unlängst auf der Flucht vor den Nachstellungen der Heiden war, gerettet wäre, haben wir in der rechten Weise gesorgt, damit der Ort, wo seine verehrten Gebeine ruhen, unter seinem Einfluß stehen kann. Wir wollen jedoch in keiner Weise weder, was dieses Kloster angeht, noch in irgend einer anderen Angelegenheit außerhalb eures Willens überhaupt irgend etwas unternehmen, sondern uns bemühen, in allen Stücken zu tun, was eurer Wille sein wird. Daher ist unsere Seele erfreut und wir erstatten dem allmächtigen Gott und euer Exzellenz umfangreichen Dank, daß ihr von Gott beseelt geruht habt, unser Flehen zu erhören, gütigster König, und ihr die Urkunde eurer königlichen Hoheit für dieses Kloster ausstellen ließet und dafür sorgtet, daß diese heilige Wohnung eine sichere Schenkung erhält, nun und auch für alle Zeiten. Daher bitten wir die Gnade Gottes, daß er geruht, so, wie ihr euch bemüht, unser Kloster, das zum Lobe Gottes gegründet ist, zu schützen, eure Herrschaft über alle Völker zu schützen. Und gewiß möge eure christliche Exzellenz wissen, daß sie in all jenen Märtyrern, die für ihr Bekenntnis zum Namen Christi ihr Blut vergossen haben und in diesem heiligen Kloster ruhen, sehr starke Fürsprecher vor der göttlichen Gnade haben wird. In bezug darauf aber, daß ihr uns mitgeteilt habt, ihr wolltet benachrichtigt werden über unsere Gesundheit, bekennen wir, guter und allerchristlichster König, deswegen gesund zu sein, weil die Gesundheit eures Körpers und das Heil eurer Seele durch den Beistand Gottes zunimmt, da euer Heil unser Wohlergehen bedeutet. Dies vorweggenommen, möge Gott, der allmächtige Schöpfer und Richter der Welt, euch mit seiner Gunst fördern und auch im hochbetagten und glücklichen Greisenalter gewähren, daß ihr euch des Szepters der königlichen Hoheit mit großen Siegen und mit eurer wertesten Gemahlin, der ausgezeichneten Tochter und unserer Patin im Geiste, der Herrin Bertrada, der überaus ausgezeichneten Königin, und euren überaus lieblichen Söhnen, den herausragenden Königen und Schutzherren der Römer, den Herrschern Karl und Karlmann, und natürlich auch mit der überaus vornehmen Herrin Gisila zu erfreuen, und er gebe euch die Freuden des himmlischen Königreiches zusammen mit den Heiligen und Auserwählten zu Besitz, endlose Zeitalter lang. Die göttliche Gnade erhalte eure Exzellenz unversehrt.

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c. Stephan III. 9. Stephan III. Carolo et Carolomanno – a. 769/770 (Cod. Car., Nr. 44, MGH Epp. III, S. 558) Brief Papst Stephans III. an die Könige Karl und Karlmann Den bedeutendsten Herrschern, seinen Söhnen Karl und Karlmann, den Königen der Franken und Schutzherren der Römer, Papst Stephan. Unser gütiger Gott, der Herr, der Vater des Erbarmens und Gott aller Tröstung, der alle tröstet und versöhnt, die ihn wahrhaftig anrufen! Denn unser Erlöser selbst, der die Bitten derer erhört, die zu ihm rufen, verwandelt die Not derer, die es verdienen, in Freude; wir sehen ja, daß die Gnade seiner göttlichen Liebe und die Güte seines Erbarmens über euch und das der heiligen Kirche Gottes zugehörige Volk gewißlich ausgegossen ist, weil er geruht hat, die Bitten unseres Gebetes erhörend, die Klage unserer Trauer, die wir bis jetzt wegen jener Spaltung und Zwietracht pflegten, die der alte Gegner, der Feind des Friedens, in eure brüderliche Freundschaft hineingebracht hat – nun sieht man, daß ihr, mit Gott versöhnt, mit diesem verderblichen Gegner überworfen, euch einander in gemeinsamer Liebe und Eintracht, wie wahrhaftig leibliche und echte Brüder, zugetan seid –, in eine große Fröhlichkeit zu verwandeln. Gemeinsam also, hervorragendste Söhne, große siegreiche Könige und dank der Voraussicht Gottes unsere römischen Schutzherren, überbrachten uns eure sehr treuen und eifrigen Boten, nämlich der Bischof Gauzibert, und unser überaus verehrungswürdiger und heiliger Bruder, der fromme Fulbert, sowie die überaus berühmten Männer Ansfred und Helmgarius, eure ehrwürdigen und überaus ersehnten Schreiben, abgesandt mit der von Gott verliehenen königlichen Gewalt, durch die ihr bekannt gabt: Die Händel und Kämpfe des Streites hätten zwischen euch ihre Rolle gespielt, es sei aber nun offenbar, daß ihr euch auf Geheiß des Herrn zu wahrer Liebe, einmütiger Eintracht und brüderlicher Freundschaft gewandelt habt. Als ich das gehört hatte, erfüllte mich zusammen mit unserem ganzen Volk in dieser von euch erhaltenen Provinz große Freude und Fröhlichkeit und doppelt freudig war uns zumute, als wir reichlichen Dank unserem allmächtigen Gott darbrachten und seine siegreiche Gnade lobten, mit den Worten des Propheten singend und sprechend: „Gepriesen bist Du, Herr, unser Gott, und gepriesen all Deine Werke.“ [cf. Dan. 3,52.57]. Denn siehe, es freut sich jetzt unser Gott im Himmel, es freut sich auch der ganze Chor der Engel und auch auf Erden jubelt die ganze Christenheit; und allein der Teufel, der Feind des Friedens und Säer der Zwietracht, ist traurig, weil er sieht, daß er geschlagen und überwunden ist. Die Herzen der Gläubigen können sich nämlich das weitere nicht anders vorstellen, als daß wir uns über das freuen, was nun geschehen ist, wenn doch der allmächtige Gott jenen Frieden und jene brüderliche Liebe in euch vervielfältigt und vervielfältigt stärkt, wie er es seinen heiligen Aposteln gewährte; daher jubelt über eure Einigkeit auch eure Mutter im Geiste, die heilige Kirche Gottes, und ihr ganzes Volk. Denn so wird es ja in eurem Schreiben berichtet: daß ihr euch mit eurer ganzen Kraft bemühen werdet, eure Pflichten als Beschützer des heiligen Petrus und der heiligen Kirche Gottes zu erfüllen und bei dem Versprechen zur Freundschaft, das ihr

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zusammen mit eurem frommen Vater, dem Herrscher seligen Angedenkens Pippin, diesem ersten der Apostel und seinem Stellvertreter gegeben habt, bleiben und euch um vollständige Gerechtigkeit für die heilige Kirche Gottes und ihre Erhöhung bemühen wollt. Und wir jedenfalls, bedeutendste Söhne, allerchristlichste, große Könige, sind uns in diesen Punkt völlig sicher und in jeder Hinsicht beruhigt: Keine Einflüsterung der Menschen oder reichliche Gabe von Schätzen vermöchte es, euch von eurem Versprechen, das ihr dem heiligen Petrus gegeben habt, abzubringen oder irgend eine Veränderung herbeizuführen. Dennoch haben wir darin zusätzlich einen Beweis für eure Festigkeit, daß ihr nicht dem Verführer und dem schwachen Menschen, sondern dem allmächtigen Gott und seinem Apostelfürsten zu gefallen Sorge tragt. Daher bitten wir, als wären wir gegenwärtig, und flehen eure Exzellenz beim lebendigen Gott an, der euch den Auftrag gab zu herrschen, daß ihr die vollständige Gerechtigkeit für den heiligen Petrus gemäß der Urkunde, die wir euch mit eurem gegenwärtigen, allertreusten Boten zugesandt haben, herstellen und dem heiligen Petrus verschaffen sollt, wie es ja auch Bestandteil eures Versprechens ist, und, daß ihr geruht, alles, was ihr dem heiligen Petrus und seinen Nachfolgern mit eurem frommen Vater seligen Angedenkens zusammen versprochen habt, zu erfüllen, damit ihr durch die Fürsprache dieses Apostelfürsten vom allmächtigen Gott die vollkommene Glückseligkeit im gegenwärtigen und zukünftigen Leben erhalten werdet. Nach Gott setzen wir in euch unser Vertrauen, und in eurer Freundschaft und liebender Wertschätzung verbleiben wir standhaft und werden wir bis zum Einsatz unseres Lebens und zum Vergießen unseres Blutes verbleiben. Dennoch haben wir uns sowohl hierüber, als auch über alle bereits erwähnten Rechtsangelegenheiten des heiligen Petrus mit euren Gesandten eingehend unterhalten, damit sie eurer königlichen Hoheit alles berichten können und, wie die trockene Erde auf Regen wartet, so erflehen wir eure Hilfe und euer einmütiges Wirken mit unseren Bitten. Und seht, bedeutendste Söhne,wie wir euch beim schrecklichen Tag des Gerichts beschwören; auch der heilige Petrus ermahnt und beschwört euch durch uns, daß ihr in aller Eile die gerechte Sache des Apostelfürsten gegen die Langobarden durchsetzt, indem ihr sie mit Gottes Stärke tapfer zu Boden schlagt, damit der Apostelfürst und die heilige Kirche des römischen Gemeinwesens das Ihre erhält. Denn, wenn ihr, was wir nicht glauben, das Durchsetzen dieser gerechten Sache vernachlässigt und aufschiebt, sollt ihr wissen, daß ihr deswegen standhaft dem ersten der Apostel Rechenschaft ablegen müßt vor dem Gericht Christi. Wenn euch aber jemand sagt, daß wir die gerechte Sache des heiligen Petrus zu Ende geführt hätten, so dürft ihr ihm keinesfalls glauben. Gott aber, der Allmächtige, schütze euch mit seiner Rechten, gebe euch vom Himmel herab den Sieg, stelle einen seiner Engel vor euer Angesicht, der euch vorangeht, lege euch eure Feinde zu Füßen, weite die Grenzen des euch verliehenen Reiches aus, richte es so ein, daß ihr euch der Herrschaft des Reiches lange Jahre und glücklich erfreut, und gebe euch nach der Unvermeidlichkeit dieses Lebens das himmlische Königreich während ungezählter Zeitalter zu Besitz.

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10. Stephanus III. Carolo et Carolomanno – a. 770/771 (Cod. Car. , Nr. 45, MGH Epp. III, S. 560) Brief Papst Stephans III. an die Könige Karl und Karlmann Den bedeutendsten Herrschern, seinen Söhnen Karl und Karlmann, den Königen der Franken und Schutzherren der Römer, Papst Stephan. Wenn wir uns das hervorragende Leben aller von Gott Erwählten und die würdigen Verdienste ihrer Taten ins Gedächtnis rufen, stellt sich unabweislich der Eindruck ein, daß sie sich auch nicht im geringsten Grad von der Einstellung ihres Herzens und der früheren Beständigkeit ihres Versprechens fortbewegt haben. Daher ist es klar, daß sie, obwohl von mannigfaltigen Einflüsterungen und Verlockungen des alten Feindes umzingelt, unveränderlich in der Festigkeit ihres Herzens blieben; und deswegen verdienten sie es, in einem triumphalen Sieg zu der ersehnten Freude zu gelangen. Freilich ist auch zu bedenken, daß einer, wenn er von irgendwelchen Einflüsterungen bestrickt überwunden wurde, sogleich vom rechten Pfad, der zum ewigen Leben führt, in Richtung auf den Abgrund vom Weg abzukommen beginnt, so daß er von dort den schädlichen Abhang hinab gleitet; denn gewöhnlich verhält es sich so, daß der alte Feind es darauf anlegt, die Seelen der Gläubigen mit Hilfe der Schwäche ihrer Natur heimlich zu entreißen; daher kommt es nämlich, daß er einst im Paradies beim ersten Anzeichen die schwache Natur der Frau mit Schmeicheleien dazu verlocken konnte, das göttliche Gebot zu übertreten; und deswegen hat sich die Zerstörung durch den grausamen Tod bei der Menschheit eingestellt. Und daher, hervorragendste Söhne, große Könige, muß man seiner erbarmungslosen Gewalt um so eifriger Widerstand leisten, damit es ihm nicht gelingt, jemanden mit seinen Argumenten zu fangen, je besser wir erkennen, daß er es mit seinen zahllosen Listen darauf abgesehen hat, die Herzen der Gläubigen zu täuschen. Es ist uns nun zur Kenntnis gebracht worden, was wir mit wahrhaft großem Schmerz wiedergeben: daß es der König Desiderius der Langobarden verstanden hat, eure Exzellenz zu überreden, seine Tochter mit einem eurer Brüder in die Ehe zu geben. Dies ist wahrhaftig, wenn es sich so verhält, eine ganz besondere Eingebung des Teufels und hat nicht so sehr den Anschein einer Eheverbindung, sondern eines Bundes mit einer ganz und gar verruchten Absicht, denn wir haben, die wir in den Geschichten aus der heiligen Schrift unterrichtet sind, von vielen Kenntnis, die durch eine ungerechte Verbindung mit einem fremden Volk von den Geboten Gottes abgekommen und in große Frevel gestürzt sind. Dies ist nämlich, hervorragendste Söhne, große Könige, ein solcher Wahnsinn, daß man wirklich sogar sagen kann, euer berühmtes Volk der Franken, dessen Glanz alle Völker übertrifft, und die so strahlenden und überaus vornehmen Erben eurer königlichen Gewalt werden von dem verdorbenen und allerschändlichsten Volk der Langobarden, was fern sei, beschmutzt; das doch noch nicht einmal in die Reihe der Völker gehört, von welchem Volk auch ohne Zweifel diese räudige Familie abstammt! Denn keiner, der bei Verstand ist, könnte wohl annehmen, daß so namhafte Könige sich durch eine so abscheuliche und unmenschliche Verbindung beflecken wollen; „Was nämlich haben Licht und Finsternis gemeinsam? Oder was der Gläubige mit dem Ungläubigen zu tun?“ [2. Cor. 6,14.15].

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Denn, gnädigste, gütigste und von Gott eingesetzte Könige, ihr seid bereits durch Willen und Beschluß Gottes in einer legitimen Ehe nach der Anweisung eures Vaters verheiratet, wobei eure Wahl, als berühmte und überaus vornehme Könige, auf sehr schöne Gattinnen aus eurem eigenen Volk, nämlich aus dem hochberühmten Volk der Franken, gefallen ist. Und es würde sich für euch gehören, ihrer Liebe treu zu bleiben; und gewiß ist es für euch nicht erlaubt, andere Frauen, nachdem ihr diese verstoßen habt, heimzuführen oder euer Blut mit fremden Völkern zu vermischen. Denn keiner eurer Vorfahren, weder nämlich euer Großvater, euer Urgroßvater noch euer Vater hat eine Frau aus einem anderen Reich oder aus einem fremden Volk genommen; und wer aus eurem hochberühmten Geschlecht hat es über sich gebracht, sich mit dem entsetzlichen Volk der Langobarden zu vermischen und zu verunreinigen, und da laßt ihr euch jetzt überreden, was Gott verhindere, euch mit diesem grauenhaften Volk gemein zu machen? Keiner blieb, nachdem er eine Frau aus einem fremden Volk genommen hatte, frei von Schaden; verhindert es, ich bitte euch, so mächtige Herrscher, daß ihr, weil ihr durch ausländische Ehen von den Geboten Gottes abkommt und den Willen eurer Frauen aus fremdem Volk nachgebt, gewaltigen Ausschweifungen verfallen, schwere Verbrechen begeht. Gottlos ist es nämlich, was sich vollends sogar in euren Herzen festgesetzt hat, andere Frauen zu nehmen als diese, die ihr unbestreitbar zuerst genommen habt. Es schickt sich nicht für euch, solchen Frevel zu verüben, die ihr das Gesetz Gottes achtet und andere ins Verderben stürzt, wenn sie es nicht halten: Solches machen nur die Heiden; das sei fern von euch, die ihr vollkommene Christen seid und „ein heiliges Volk, eine königliche Priesterschaft“. [1. Petr. 2,9]. Erinnert euch und bedenkt, daß ihr gesalbt seid mit dem heiligen Öl von der Hand des Stellvertreters des heiligen Petrus und geheiligt mit dem himmlischen Segen; und hütet euch davor, euch in solche Netze zu verstricken. Dies sei euch im Gedächtnis, hervorragendste Söhne: daß unser Vorgänger seligen Angedenkens, Papst Stephan, euren Vater besten Angedenkens beschwor, daß er auf keinen Fall den Beschluß fasse, seine Königin und eure Mutter zu verstoßen, und dieser, wie ein wahrhaft christlicher König, gehorchte seinen heilbringenden Mahnungen. Ferner sollte sich nämlich eure Exzellenz auch an das folgende erinnern: daß ihr dem heiligen Petrus, seinem schon erwähnten Stellvertreter und seinen Nachfolgern versprochen habt, daß unsere Freunde eure Freunde und unsere Feinde eure Feinde wären, zumal man bei uns sehen kann, daß wir unverbrüchlich zu diesem Versprechen stehen. Und wie könnt ihr euch da anschicken, gegen unsere Seelen vorzugehen und eine Verbindung mit unserem Feind eingehen zu wollen, obwohl es erwiesen ist, daß dieses rechtlose Volk der Langobarden, das stets die Kirche Gottes bekämpft und in unsere römische Provinz einfällt, unsere Feinde sind? Gebt euch daher, ich bitte euch, Mühe und ruft euch auch dies in Gedächtnis: daß ihr, als Kaiser Konstantin versuchte, euren gnädigsten Vater seligen Angedenkens zu überreden, ihm zur Hochzeit mit seinem Sohn eure überaus vornehme Schwester Ghisyla zu übergeben, weder [sc. nicht der Meinung wart ...] noch, daß es euch freistünde, euch mit einem fremden Volk zu verbinden, sondern, daß ihr es nicht wagen solltet, dies auf irgendeine Weise gegen den Bischof des apostolischen Stuhls durchzu-

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führen. Und jetzt, aus welchem Grund versucht ihr nun, gegen die apostolischen Aufträge und gegen den Willen des Stellvertreters des Apostelfürsten zu handeln, was euer Vater niemals über sich brachte? Oder wißt ihr nicht, daß ihr nicht unsere unbedeutende Person, sondern den heiligen Petrus, dessen Stellvertretung wir unverdienterweise ausüben, mißachtet? Es steht nämlich geschrieben: „Wer euch aufnimmt, nimmt mich auf; und wer euch verachtet, verachtet mich.“ [Matth. 10,40; Luc. 10,16]. Erinnert euch, ich bitte euch, bedeutendste Söhne, auf welche Weise euer erhabener Herr und Vater für euch bürgte und bei euren Seelen dem heiligen Petrus und seinem schon erwähnten Stellvertreter, unserem Vorgänger seligen Angedenkens, Papst Stephan, versprach, daß ihr fest bleiben werdet in der Treue zur heiligen Kirche sowie im Gehorsam und der unverminderten Wertschätzung allen Bischöfen des apostolischen Stuhls gegenüber; und fernerhin steht es fest, daß ihr eben dieses unserem Vorgänger, Papst Paul, zusammen mit eurem Vater viele Male durch Boten und Schreiben versprochen habt; und nach dem Weggang des obengenannten Vaters seligen Angedenkens habt auch ihr selbst mehrmals sowohl durch eure Boten, als auch mit Schreiben sowie über unseren allertreuesten Nomenculator Sergius und andere unserer Boten uns versprochen, daß ihr, wie euer Vater, dieses Versprechen der heiligen Kirche Gottes gegenüber halten werdet. Aber ruft euch auch das folgende, ich bitte euch, ins Gedächtnis: daß euch der erhabene Papst Stephan auf seinem Sterbebett in einem Schreiben unter fürchterlichen Beschwörungen zu ermahnen suchte, daß ihr mit fester Ausdauer bei der Liebe zu Gott, der heiligen Kirche Gottes und bei der unverminderten Liebe zu den Bischöfen des apostolischen Stuhls bleibt und alles nach eurem, dem Apostel Gottes gegebenen Versprechen erfüllt. Und das ist nun euer Versprechen! Oh, welche Mühen hat dieser besondere und überaus heilige Bischof ertragen, der, obwohl er schwach von Natur war, die so große Gefahr einer weiten Reise auf sich genommen hat. Und, wenn Gott nicht gegenwärtig gewesen ist, hat seine Mühe zu nichts geführt und uns steht die Reise bevor, dorthin, wohin unser Vorgänger ins Frankenreich aufgebrochen war, zu großem Unheil, weil unsere Feinde jetzt mehr als ehedem aufgestachelt sind zu hochmütiger Wildheit. Und siehe, was wir fürchteten, tritt zu Tage, unsere Freude hat sich in Trauer verwandelt, die jüngst geschehenen Verbrechen sind schlimmer als die früheren und, wo wir erwarteten, daß uns Licht erschiene, „zeigte sich Finsternis“. [cf. Matth. 12,45; Iob. 30,26]. Deswegen beschwört auch der heilige Petrus, der erste der Apostel, dem die Schlüssel zum Himmelreich von Gott dem Herrn gegeben sind, und dem er die Macht zugestanden hat zu binden und zu lösen, im Himmel und auf Erden, nachdrücklich eure Exzellenz, durch meine unbedeutende Person; zugleich flehen auch wir euch an, zusammen mit allen Bischöfen, Priestern und übrigen Geistlichen, dem ganzen Adel und dem Klerus unserer heiligen Kirche, auch mit den Äbten und allen fromm der Verehrung Gottes Ergebenen, den Vornehmen und Mächtigen und mit unserem ganzen Volk in dieser römischen Provinz unter Anrufung des göttlichen Gerichts und bei dem lebendigen und wahren Gott, der der Richter ist der Lebenden und der Toten, und bei der unaussprechlichen Gewalt seiner göttlichen Majestät und dem schrecklichen Tag des kommenden Gerichts, an dem wir alle Fürsten und Gewaltigen und das ganze Volk der Verstorbenen mit Schrecken antreten sehen werden, und natürlich auch bei

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allen göttlichen Wundern und den allergeweihtesten Gebeinen des heiligen Petrus, daß auf keinen Fall jemand von euren Brüdern es sich herausnehme, die Tochter des bereits genannten Desiderius, des Königs der Langobarden, in die Ehe zu führen, und daß auch andererseits eure überaus vornehme, Gott gefällige Schwester Ghysila nicht dem Sohn des mehrmals genannten Desiderius gegeben wird und daß ihr es nicht wagt, auf irgend eine Weise eure Gattinnen zu verstoßen. Sondern erinnert euch an das, was ihr dem heiligen Petrus, dem ersten der Apostel, versprochen habt, und leistet unseren Feinden, den Langobarden, mannhaft Widerstand, indem ihr sie tatkräftig schlagt, damit sie gezwungen sind, der heiligen Kirche Gottes und dem römischen Gemeinwesen das Seine zu erstatten, weil sie alles, was sie euch versprochen haben, verletzen und nicht aufhören, uns zu überfallen und zu bedrängen, ferner, weil sie nicht im mindesten bereit sind, uns etwas zu erstatten, und es bekannt ist, daß sie in unser Gebiet einfallen. Und lediglich gegen Geld geben sie im Moment unseren Gesandten gegenüber vor, uns Recht verschaffen zu wollen; denn nichts wird zu Ende geführt und wir werden nichts von unseren gerechten Angelegenheiten von ihnen auf irgend eine Weise erhalten. Siehe also, damit alle unsere Leiden sorgsam vor eure Ohren gebracht werden, haben wir unsere Boten entsandt, nämlich unseren geliebten Sohn Peter, einen Priester, und Pampylus, den Leiter eines Verteidigungsbezirks unserer heiligen Kirche, die wir sowohl über die uns bevorstehende Drangsal, als auch über einzelne Fragen sorgsam in Kenntnis gesetzt haben, zur Benachrichtigung eurer Hoheit. Und wir bitten, daß ihr geruht, sie, wie gewohnt, gütig aufzunehmen und unserer Bitte euer von Gott beseeltes Ohr zu leihen, und daß ihr die umfangreichste Befreiung und Erhöhung der heiligen Kirche Gottes, eurer Mutter im Geiste, und den Schutz ihrer, von euch eingeräumten Provinz durchsetzen laßt, damit ihr die vollständige Belohnung von dem gerechten Richter, unserem Gott, durch die Vermittlung des heiligen Petrus, des ersten der Apostel, erhaltet. Da wir uns bei unserer gegenwärtigen Ermahnung und Bitte auf die Verehrung des heiligen Petrus stützen und außerdem unserem Gott Messen und Opfer darbringen, haben wir sie euch unter Tränen aus der derselben heiligen Verehrung zugesandt. Und, wenn jemand, was wir nicht hoffen, es wagt, gegen den Inhalt unserer Bitte und Aufforderung vorzugehen, soll er wissen, daß er durch die Macht meines Herrn, des heiligen Petrus, des ersten der Apostel, als einer anzusehen ist, der mit der Fessel des Banns gebunden und vom Reiche Gottes ausgeschlossen ist, und daß er mit dem Teufel, seinem Gefolge und den übrigen Gottlosen in den ewigen Flammen brennen wird; jedoch aber, wer diese, unsere Ermahnung beachtet und schützt, wird es sich von unserem Gott, dem Herrn, mit den Segnungen des Himmels ausgezeichnet verdienen, mit allen Heiligen und Auserwählten Gottes an den ewigen Freuden und Belohnungen teilzuhaben. Die himmlische Gnade erhalte eure Exzellenz unversehrt.

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d. Karl der Große an Leo III. 11. Carolus Leoni (Alcuini epp., Nr. 93, MGH Epp. IV, S. 136) Brief Karls des Großen an Papst Leo III. Karl, durch die Gnade Gottes König der Franken und Langobarden sowie Schutzherr der Römer, grüßt Papst Leo, der sich ewiger Glückseligkeit in Christo erfreuen möge. Nachdem ich den Brief euer Exzellenz gelesen und die Verkündigung der Entscheidung vernommen hatte, war ich, wie ich gestehe, sehr erfreut, sei es über die Einstimmigkeit der Wahl, sei es über den Gehorsam eurer Demut und über die Treue bezüglich des uns gegebenen Versprechens; für all dies sagen wir aus tiefsten Herzen euer Frömmigkeit vielfach Dank, weil der unserer Seele werteste Vater und treuste Freund geruht hat, nach diesem schmerzhaften und tränenreichen Schicksalsschlag, den sein Tod uns zugefügt hat, mit der gewohnten Umsicht seiner Gnade uns in eurer Person einen solchen Trost zu schenken. Daher vertrauen wir euer Heiligkeit, sozusagen als Stellvertreter des Glückseligen durch die Gnade desselben Gottes und unseres Herrn Jesus Christus, der seiner heiligen Kirche die Erhöhung euer Seligkeit empfohlen hat, unser Wohlergehen und das aller unser Getreuen an und machen auch die friedliebende Übereinstimmung unseres ganzen Reiches mit dem Willen Gottes bekannt, damit ihr an dem Wohlergehen unserer demütigen Person Gefallen findet, so, wie wir uns auch an dem Erfolg euer heiligen Person erfreuen. Aber auch dies machen wir euer heiligen Güte bekannt, daß, als ich es vorbereitet hatte, Geschenke meiner Zuneigung an meinen geliebten Vater, euren Vorgänger, zu senden, um die Größe meiner Liebe zu ihm durch die Großartigkeit der Geschenke zum Ausdruck zu bringen, und die Treue und die vertraute Freundschaft zwischen uns den Augen vieler zu zeigen, siehe, da wurde ich plötzlich – ich kann es nicht ohne Schmerzen sagen, vor Trauer nicht ohne Tränen daran denken – durch die Nachricht von seinem Tode aus der Fassung gebracht, und wo ich die Zeichen der Freude vorbereitet hatte, dort bestürmten mich die Bilder der Trauer. Und wenn es auch der Apostel verbietet, um die Toten zu trauern [cf. 1. Thess. 4,13], hört dennoch die Zuneigung nicht auf, Tränen hervorzurufen, nicht als würde man die Toten beweinen, sondern weil man an jemanden denkt, der mit Christus besser lebt. Wenn wir ihn auch in Hinsicht auf die körperliche Anwesenheit verloren haben, so meinen wir dennoch nicht, ihn in Hinsicht auf seine geistige Unterstützung verloren zu haben. Doch die göttliche Gnade hat dafür gesorgt, daß uns ein großer Trost gewährt wird, indem dieser, während ihr, ein verehrungswürdiger Mann, an seinen Stelle gewählt wurdet, täglich beim heiligen Petrus ist, dem ersten der Apostel, und für den Bestand der ganzen Kirche, für mein Heil und das meiner Getreuen, ja für das Wohlergehen des ganzen uns von Gott gegebenen Reiches eintritt, und in väterlicher Liebe uns als den Sohn seiner Wahl zu sich aufnimmt.

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Zur Bestätigung aber der friedliebenden Übereinstimmung und teuersten Wertschätzung haben wir Angilberct, den täglichen Ratgeber aus unserer Umgebung, zu euer Heiligkeit gesandt. Diesen wollten wir zuvor – wie wir es durch die gottesfürchtigen Männer Campolus und Anastasius versprochen haben – unserem seligsten Vater, euren Vorgänger schicken, aber, wie wir bereits gesagt haben, nachdem wir alle Geschenke vorbereitet hatten, wurde seine Reise durch die plötzliche traurige Kunde vom Tod des Vaters aufgehalten. Aber schon bald wurden wir durch die Nachfolge euer heiligen Person erfreut, weil wir, was wir jenem frommen Vater zu tun wünschten, nun bei euch verwirklichen wollen. Und jenem haben wir alles mitgegeben, was entweder wir wollten oder ihr zu brauchen scheint; damit ihr in gegenseitigem Beitrag alles beisteuert, von dem ihr meint, es sei notwendig zur Erhöhung der heiligen Kirche Gottes, zum Erhalt eurer Ehrenstellung oder zur Festigung unserer Stellung als Schutzherr. Wie ich nämlich mit dem seligsten Vater, eurem Vorgänger, ein Bündnis der heiligen, väterlichen Gesinnung eingegangen bin, so wünsche ich, mit eurer glückseligen Person einen unverletzlichen Vertrag über dieselbe Treue und Liebe abzuschließen; damit mir, weil die göttliche Gnade durch die Bitten euer apostolischen Heiligkeit angerufen wurde, der apostolische Segen überallhin folgt, und der heiligste Thron der römischen Kirche – so Gott will – durch unsere demütige Person verteidigt wird. Unser Anteil ist: mit der Unterstützung des göttlichen Wohlwollens die heilige Kirche Christi auf allen Seiten vor dem Ansturm der Heiden und vor der Verwüstung durch die Ungläubigen mit unseren Waffen nach außen hin zu schützen, und im Inneren die Geltung des katholischen Glaubens zu sichern. Euer Anteil, heiligster Vater, ist: mit Mose die Hände zu Gott zu erheben und unser Heer zu unterstützen, so daß auf euer Einschreiten hin das Christenvolk mit Gott als Führer und Geber überall und immer den Sieg über die Feinde seines heiligen Namens davonträgt, und der Name unseres Herrn Jesus Christus auf der ganzen Welt verherrlicht wird. Die Klugheit aber euer Hoheit möge sich in allen Punkten an die kanonische Ordnung halten und den Beschlüssen der heiligen Väter stets folgen; damit die Vorbilder jeder Heiligkeit in eurem Verhalten allen leuchtend vor Augen geführt werden, und die Aufforderung und heilige Ermahnung aus eurem Munde vernommen wird; damit „euer Licht leuchtet vor den Leuten, daß sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ [Matth. 5,16 ]. Der allmächtige Gott möge geruhen, das Glück euer Hoheit zur Verherrlichung seiner heiligen Kirche durch viele Umläufe der Jahre hindurch unversehrt zu erhalten.

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II I. B r iefe A l cu i n s a. An Karl den Großen 12. Alcuinus Carolo – a. 796 (Alc. epp., Nr. 110, MGH Epp. IV, S. 156) Brief Alcuins an Karl den Großen Den bedeutendsten und in jeder Verehrung Christi demütigsten Herrscher Karl, den König Germaniens, Galliens und Italiens, sowie die frommen Prediger des Wortes Gottes grüßt der geringe Sohn Albinus der heiligen Mutter Kirche zu Christus ewigem Ruhm. Ehre und Lob Gott, dem Vater, und unserem Herrn Jesus Christus, daß er dank des heiligen Geistes – durch den Gehorsam und den Dienst eures frommen Glaubens und guten Willens – das Reich der Christenheit und die Kenntnis des wahren Gottes ausgeweitet hat und weit und breit zahlreiche Völker von den Irrtümern des Unglaubens auf den Weg der Wahrheit gebracht hat. Wie groß Dein Ruhm sein wird, o glücklichster König, an dem Tag, an dem jeder seinen ewigen Lohn erhält, wenn alle diese, die durch Deinen rechten Eifer von der Ausübung des Götzendienstes zur Erkenntnis des wahren Gottes bekehrt worden sind, Dir, während Du mit glücklichem Los vor dem Richtstuhl unseres Herrn Jesus Christus stehst, folgen werden und Dein Lohn an ewiger Glückseligkeit wegen all dieser vermehrt werden wird. Siehe, mit wieviel Aufopferung und Güte Du Dich um der Verbreitung des Namens Christi willen darum bemüht hast, die Halsstarrigkeit des unglücklichen Sachsenvolkes mit der Empfehlung des wahren Heils zu zähmen. Aber, weil die Wahl Gottes offenbar noch nicht auf jene gefallen ist [cf. Rom. 11,5], bleiben viele von ihnen bis jetzt zusammen mit dem Teufel auf die schlechteste Weise in den Niederungen ihrer verdammungswürdigen Gewohnheiten. Deine beste Absicht, der Du Sorge trägst für die Wahrheit und das Heil vieler, dennoch mit größerem Ruhm und Lob zu belohnen, beschloß Christus. Die Stämme und Völker der Hunnen, seit alters her durch ihre Wildheit und Tapferkeit furchteinflößend, hat er zu seiner Ehre Deiner starken Herrschaft unterstellt; und mit seiner Gnade beugte er die lange Zeit hochmütigen Hälse unter das Joch des heiligen Glaubens und breitete über die von alters her blinden Herzen das Licht der Wahrheit aus. Aber nun sorge euer weiser und Gott gefälliger Gehorsam dafür, dem neuen Volk gottesfürchtige Prediger zu geben; gesittet in ihrem Verhalten, gelehrt durch Wissen vom heiligen Glauben und vertraut mit den Geboten des Evangeliums; in ihrer Predigt des Wortes Gottes an den Beispielen der heiligen Apostel geschult. Die oftmals ihren Zuhörern Milch – das heißt: angenehme Gebote – am Anfang des Glaubens reichen; wie der Apostel Paulus sagt: „Und ich konnte, Brüder, vor euch nicht wie vor solchen reden, die sich auf den Geist ausrichten, sondern wie vor solchen, die sich auf das Fleisch ausrichten. Wie kleinen Kindern gab ich euch in Christus Milch zu trinken, nicht feste Speise. Denn ihr vertrugt sie noch nicht, noch nicht einmal jetzt vertragt ihr sie.“ [1. Cor. 3,1.2]. Das nämlich wollte der Prediger der ganzen Welt – und Christus spricht durch ihn – andeuten, daß eine neue Bekehrung von Völkern mit leichteren

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Vorschriften angegangen werden muß, so wie man kleine Kinder mit Milch aufziehen muß; damit nicht wegen der herberen Gebote das schwache Gemüt von sich gibt, was es aufgenommen hat. Daher antwortet auch Christus selbst, der Herr, denen, die ihn fragten, warum seine Jünger nicht fasteten mit den Worten: „Niemand füllt neuen Wein in alte Schläuche, sonst reißen die Schläuche, der Wein geht verschüttet und die Schläuche verloren.“ [Matth. 9,14.17]. „Eine andere ist nämlich“, wie der heilige Hieronymus sagt, „die jungfräuliche und von keiner Berührung mit einem früheren Fehler beschmutzte Reinheit der Seele, als die derjenigen Seele, die der Niedertracht und der Willkür vieler ausgesetzt war.“ Mit einer solchen Sicht auf die Dinge möge eure heiligste Frömmigkeit den weisen Beschluß überdenken: Ob es gut ist, dem unerfahrenen Volk am Anfang seines Glaubens das Joch des Zehnten aufzuerlegen, um einen vollständigen Einzug in allen in ihren einzelnen Häusern zu erreichen; man muß überlegen, ob auch die Apostel, die von Christus selbst belehrt und zum Predigen in die Welt gesandt wurden, den Einzug des Zehnten betrieben haben oder irgendwo etwas abzugeben gefordert haben. Wir wissen, daß der Zehnte sich auf unsere Verhältnisse sehr vorteilhaft auswirkt; aber es ist besser diesen einzubüßen, als den Glauben zu verlieren. Wir aber, die im katholischen Glauben geboren, aufgezogen und unterrichtet wurden, wir sind kaum damit einverstanden, von unserem ganzen Besitz den Zehnten in vollem Umfang zu geben; um wieviel weniger wird ihr schwacher Glaube, ihr kindisches Gemüt und ihr habgieriges Herz bereit zu dieser hohen Abgabe sein. Nachdem aber der Glaube gestärkt und die Ausübung des Christentums gefestigt ist, dann muß man den gleichsam vollkommen gemachten Menschen strengere Regeln auferlegen, vor denen das im christlichen Glauben gefestigte Herz nicht zurückschrecken wird. Dieses muß auch deswegen mit der größten Sorgfalt bedacht werden, um eine den Regeln entsprechende Predigt und Taufe zu gewährleisten, damit nicht das Waschen des Körpers mit der heiligen Taufe folgenlos bleibt, wenn in der Seele die Erkenntnis des katholischen Glaubens kraft der Vernunft nicht voranschreitet. Daher sagt der Apostel: „Alles, was ihr tut, soll mit Anstand und Ordnung geschehen.“ [1. Cor. 14,40]. Und der Herr selbst gibt im Evangelium seinen Schülern folgende Vorschrift: „Gehet und lehret alle Völker, tauft sie im Namen des Sohnes und des Vaters und des heiligen Geistes.“ [Matth. 28,19]. Die Reihenfolge dieser Vorschrift aber hat der heilige Hieronymus in seinem Kommentar zum Matthäusevangelium so erklärt: „Zunächst lehren sie alle Völker, dann tauchen sie die Belehrten in das Wasser. Es darf nämlich nicht sein, daß der Leib die Taufe empfängt, wenn nicht zuvor die Seele den wahren Glauben angenommen hat. Sie werden aber getauft im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, so wie deren Göttlichkeit eine ist, so sei es eine Verleihung [sc. der Taufe] und der Name der Dreifaltigkeit steht für den einen Gott. „Und lehret sie alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.“ Eine ausgezeichnete Reihenfolge. Er befiehlt den Aposteln, zuerst alle Völker zu lehren, dann mit dem Sakrament des Glaubens zu berühren und nach dem Glauben und der Taufe ihnen beizubringen, worauf sie zu achten haben. Und damit wir nicht glauben, es seien leichte Dinge, die uns befohlen sind, fügt er noch wenige Worte hinzu: „Alles, was ich euch geboten habe“; damit diejenigen, die glauben und im Namen der Dreifaltigkeit getauft sind, alles machen, was ihnen vorgeschrieben ist.

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Daher können die Kinder, die ihren Verstand nicht benutzen, die abhängig sind von den Sünden der anderen, durch den Glauben und das Bekenntnis der anderen mittels der Taufe erlöst werden, wenn sie auf die Unversehrtheit des für sie bekannten Glaubens, entsprechend ihrem heranwachsendem Alter, achtgeben. Es sagt aber der Apostel: „Mit dem Herz glaubt man für die Gerechtigkeit, das Bekenntnis mit dem Mund geschieht zum Heil.“ [Rom. 10,10]. Nur dasjenige Bekenntnis des Mundes verhilft zum Heil, das von einem festen Glauben des Herzens getragen wird. Daher ist jene Reihenfolge bei der Belehrung eines herangewachsenen Mannes sorgfältig, wie ich denke, zu beachten, die der heilige Augustinus darlegt in seinem Buch, dem er den Titel „Über die Unterrichtung von Ungebildeten“ gab. Zunächst ist der Mensch aufzuklären über die Unsterblichkeit der Seele, das künftige Leben, die Vergeltung von Gutem und Schlechtem und über die Ewigkeit beider Urteile. Danach: Für welche Sünden und Verbrechen er mit dem Teufel ewige Strafen erleidet, und für welches Gute und für welche Wohltaten er sich ewigen Ruhmes mit Christus erfreut. Schließlich muß der Glaube an die heilige Dreifaltigkeit sorgfältigst gelehrt werden, und die Ankunft des Sohnes Gottes, unseres Herrn Jesus Christus, auf dieser Welt zum Heil der Menschheit muß dargelegt werden; des weiteren [sc. ist er zu belehren] über das Geheimnis seiner Passion, die Wahrheit der Auferstehung, den Glanz seiner Himmelfahrt, seine künftige Wiederkehr, um alle Völker zu richten, die Auferstehung unserer Leiber, die Ewigkeit der Strafen für die Schlechten und der Belohnungen für die Guten; nach und nach muß – wie wir schon sagten – das neue Herz gefestigt werden. Und der mit solchem Glauben gestärkte und vorbereitete Mensch soll getauft werden. Und so sind ihm zu einem günstigeren Zeitpunkt häufiger Gebote des Evangeliums durch das fleißige Werk der Prediger aufzuerlegen, bis in dem vollkommen gewordenen Mann eine für den heiligen Geist würdige Wohnung herangewachsen ist und herausgebildet wurde, und er ein vollkommener Sohn Gottes in den Werken seiner Barmherzigkeit ist, wie unser Vater im Himmel vollkommen ist, der lebt und herrscht in vollkommener Dreifaltigkeit und gesegneter Einheit, Gott und Herr von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch in Ewigkeit. 13. Alcuinus Carolo (Herbst 799?) (Alc. epp., Nr. 174, MGH Epp. IV, S. 287) Brief Alkuins an Karl den Großen An den friedliebenden König David sendet Flaccus Albinus Grüße. Wir danken euer gnädigsten Güte, liebster David, daß Du geruht hast, an unsere Wenigkeit zu denken, und uns das mitzuteilen, was euer treuer Diener meinen Ohren anvertraut hat. Und nicht nur für dies allein schulden wir euer Frömmigkeit unablässigen Dank, sondern für alles Gute, was ihr mir seit dem Tag, an dem meine Wenigkeit euch bekannt gemacht wurde, erwiesen habt. Auf die beste Weise habt ihr begonnen, aber noch besser es vollendet. Deswegen erflehe ich mit beständigen Bitten die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, damit dieser, der Dir die höchste auf Erden mögliche

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Glückseligkeit zugestanden hat, auch geruht, Dir die bei weitem bessere Herrschaft in ewiger Glückseligkeit in alle Ewigkeit zu zugestehen. Vieles könnte ich gegenwärtig euer verehrungswürdigen Majestät anraten, wenn ihr die Gelegenheit hättet zuzuhören, oder ich die Fähigkeit hätte zu sprechen. Denn der Ansporn der Zuneigung pflegt das Innerste meines Herzens anzutreiben, über euer Exzellenz Erfolg, über den Bestand des euch von Gott gegebenen Reiches und über die Entwicklung der heiligen Kirche Christi zu reden. Diese ist durch die vielfältige Verdorbenheit der Schlechten in Unordnung gebracht und durch die verbrecherischen Frevel der schlimmsten Übeltäter beschmutzt worden, nicht nur von gewöhnlichen Menschen, sondern auch von den bedeutendsten und höchsten. Davor muß man sich sehr in Acht nehmen. Denn drei Menschen waren bis jetzt in der Welt die höchsten, das sind: seine apostolische Hoheit, die in der Funktion eines Stellvertreters den Stuhl des heiligen Petrus, des ersten der Apostel, innehat; daß aber dies, was ihm zugefügt wurde, welcher der Inhaber des obengenannten Stuhles war, mir mitgeteilt wurde, dafür hat eure verehrungswürdige Güte gesorgt. Die nächste ist die kaiserliche Würde und die weltliche Macht des zweiten Roms [i. e. Byzanz]; das Gerücht, auf wie gottlose Weise der Herrscher dieses Reiches abgesetzt wurde [Konstantin VI. im Jahre 797], verbreitet sich, da es weitererzählt wird überallhin. Die dritte ist die königliche Würde, in die euch die Weisheit unseres Herrn Jesus Christus als Lenker des Volkes eingesetzt hat, den anderen obengenannten Majestäten an Macht überlegen, durch Weisheit berühmter, durch die Würde des Reiches erhabener. Siehe, auf Dich allein stützt sich das ganze gefährdete Wohlergehen der Kirchen Christi. Du bist der Rächer der Verbrechen, Du der Führer der Irrenden, Du der Tröster der Trauernden, Du die Freude der Guten. Sind nicht auf dem römischen Stuhl, wo die fromme Gottesfurcht einst ganz besonders gerühmt wurde, gerade dort die schlimmsten Beispiele der Gottlosigkeit zum Vorschein gekommen? Sie selbst haben, weil sie blind in ihrem Herzen waren, ihr eigenes Haupt geblendet. Dort hat es scheinbar keine Furcht vor Gott, keine Weisheit und keine Nächstenliebe gegeben; was könnte es dort Gutes geben, wo von diesen drei nichts gefunden wird? Wenn sie Gott gefürchtet hätten, hätten sie es nicht gewagt; wenn sie weise gewesen wären, hätten sie es niemals gewollt; wenn sie von Nächstenliebe erfüllt gewesen wären, hätten sie es unter keinen Umständen getan. Die Zeiten sind voller Gefahren, so wie es einst das Wort Gottes selbst verkündet hat, weil die Nächstenliebe vieler erkaltet ist [cf. Matth. 24,12]. Keineswegs darf die Sorge um das Haupt [sc. der römischen Kirche] vernachlässigt werden, leichter erträgt man Schmerz an den Füßen als im Kopf. Man sollte mit diesem Volk von Frevlern [i. e. der Sachsen] Frieden schließen, wenn das möglich ist. Man sollte ein klein wenig im Drohen nachlassen, damit sie nicht abgeschreckt fliehen, sondern durch die Hoffnung hingehalten werden, bis sie in einer ordentlichen Verhandlung zum Frieden gerufen werden. Man muß festhalten, was man hat, damit nicht bei dem Versuch, ein Kleineres zu erlangen, das Größere verloren geht. Man schützt ja auch seinen Schafstall, damit ihn nicht der reißende Wolf heimsucht. Zwar soll man in fremden Angelegenheiten Schweiß vergießen, doch in den eigenen keinen Schaden erleiden. Vor einiger Zeit sprach ich zu euer heiligsten Frömmigkeit über die Erhebung des Zehnten: daß es nämlich besser wäre, diese allgemeine

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Belastung wenigstens eine gewisse Zeit lang aufzuschieben, bis der Glaube tief in den Herzen Wurzeln geschlagen hat; wenn man jenes Land überhaupt für würdig halten will, von Gott erwählt zu werden. Diejenigen, die ihr Land verlassen haben, wurden die besten Christen, wie man es von sehr vielen weiß. Und diejenigen, die in ihrer Heimat geblieben sind, blieben ihrem Übel tief verhaftet. Denn Babylon ist wegen der Sünden des Volkes den Dämonen zur Wohnung gegeben, wie man bei den Propheten lesen kann [cf. Apoc. 18,2]. Nichts davon kann Deiner Weisheit verborgen sein: Denn wir kennen Dich ja als jemand, der in der heiligen Schrift und in der Geschichte der Welt bestens unterrichtet ist. Von all diesen Dingen ist Dir von Gott vollständig Kenntnis gegeben worden, damit durch Dich die heilige Kirche Gottes im christlichen Volk gelenkt, erhöht und bewahrt wird. Wie hoch der Lohn für Deine vollständige Hingabe von Gott bemessen wird, wer könnte das sagen? Denn kein Auge hat gesehen, kein Ohr gehört und es ist keinem Menschen in den Sinn gekommen, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben [cf. 1. Cor. 2,9]. Der sanfte Christus lenkt, erhöht, verteidigt, schmückt und liebt Dich gnädig vom hohen Olymp herab. Mein Geist freut sich, daß diese, eure treue Güte den alten König schon auf die beste Weise aufgenommen hat. Nimm, ich bitte Dich, unseren Brief gnädig in Augenschein, fromme Liebe hat ihn geschrieben. Die heiligen Sterne des Himmels, die Pflanzen und Gewächse der Erde, alle miteinander rufen sie: „Lebe wohl, David, allüberall!“ Erde, Himmel, Meer, Menschen und Vögel und Tiere rufen mit einer Stimme: „Vater, lebe wohl!“

b. An andere Adressaten 14. Alcuinus Offae ( Alc. epp., Nr. 101, MGH Epp. IV, S. 146) Brief Alcuins an König Offa von Mercien Dem hervorragenden und von uns sehr geschätzten König der Mercier, Offa, sendet sein bescheidener Freund Alcuin Grüße. Eure verehrte und geschätzte Hoheit soll erfahren, daß König Karl mit mir oft freundschaftlich und vertraulich über euch gesprochen hat; und er ist darin in jeder Hinsicht euer treuster Freund. Daher sandte er Boten nach Rom zum Gericht des Papstes und des Erzbischofs Aedilhard. Er sandte auch Geschenke, die eurer Exzellenz würdig waren. Weiterhin übergab er den Bischofssitzen für sein Seelenheil und das des Papstes Geschenke, damit ihr Fürbitten für jene anordnet. Handelt ferner nach eurem Glauben, so wie ihr üblicherweise handelt, wenn es um eure Freunde geht.

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Er sandte in gleicher Weise auch zu König Aedilred und an dessen Bischofssitze Geschenke. Aber, oh weh, als die Geschenke und Briefe den Boten übergeben waren, traf die traurige Nachricht durch die Boten, die aus Schottland zu euch zurückgekehrt waren, von dem Aufstand des Volkes und seiner Ermordung ein. Er [i. e. Karl] war, nachdem er die großzügigen Geschenke zurückgezogen hatte, so sehr gegen dieses Volk erzürnt – er sagte: „Dieses heimtückische, verdorbene und seine Herren ermordende Volk“ –, daß er ihm überhaupt alles, wenn ich nicht als Vermittler für es aufgetreten wäre, was er ihm an Gutes entziehen und an Schlechtem bewirken hätte können, bereits getan hätte. Ich aber war bereit mit Geschenken zu euch zu kommen und in die Heimat zurückzukehren. Aber es schien mir besser wegen eines Friedens für mein Volk in der Fremde zu bleiben; weil ich nicht wußte, was ich unter diesen hätte tun sollen, unter denen keiner sicher oder in zuträglichen Umständen etwas erreichen kann. Denke an die heiligsten Orte, die von den Heiden verwüstet sind, an die Altäre, die durch Eidbruch entweiht sind, an die Klöster, die durch Vergewaltigung geschändet sind und an die Erde, die mit dem Blut der Herren und Vornehmen getränkt ist. Was soll ich anderes tun, als mit dem Propheten zu klagen: „O weh des sündigen Volks, des Volks von großer Missetat, der verderbten Kinder, die den Herrn verlassen und den heiligen Erlöser der Welt mit ihren Verbrechen lästern.“ [Isai. 1,4]. Und wenn der Wahrheit entspricht, was ich in euer Würden Brief gelesen habe, daß dieses Unrecht von den Ältesten des Volkes seinen Ausgang nahm, wo ist dann Rettung und Treue zu erhoffen? Wenn doch der reißende Strom des Aufruhrs dort hervorbrach, von wo sonst die reinste Quelle der Wahrheit und der Treue floß. Du aber, weisester Lenker des Volkes Gottes, führe Dein Volk fort von verdorbenen Sitten und unterrichte es in den Geboten Gottes, damit nicht wegen der Sünden des Volkes das uns von Gott gegebene Vaterland zerstört wird. Sei der Kirche Christi wie ein Vater, den Priestern Gottes wie ein Bruder und dem ganzen Volk gegenüber gottesfürchtig und gerecht, in jedem Gespräch und mit jedem Wort bescheiden und friedfertig und dem Lobe Gottes immer hingegeben; damit die Gnade Gottes Dich in langjährigen Wohlstand erhält, und Dein Reich, ja das aller Angelsachsen, durch die guten Taten seiner immerwährenden Frömmigkeit und dank seiner Güte es wert sei, in Ewigkeit gepriesen, vergrößert und gekrönt zu werden. Laßt in einigen eurer Klöster, Exzellenz, ich bitte euch, für mich, euren Diener und Helfer eurer Ehre, Fürbitten lesen. Mir bei weitem Unwürdigen hat man aber die Leitung der Kirche des heiligen Martins übertragen, nicht weil ich es wollte, sondern gewissermaßen aus Notwendigkeit, und weil viele es empfohlen hatten. Wisse, daß ich dennoch die Freiheit habe, dort treu Fürbitten für euch lesen zu lassen und wo auch immer wir können. Sei Du nur mit aller Liebe und mit allem Eifer ein Freund Gottes und verbringe Deine Tage innerhalb seiner Vorschriften. Bemühe Dich, daß Du den ewigen Lohn und Deine Nachkommen den Segen des Himmels erlangen. Wieder und wieder flehe ich bei der Liebe Gottes, daß ihr Vorsorge für das Vaterland trefft, damit es nicht zugrunde geht; und für die Kirche Christi, daß sie nicht zerstört wird; und daß die Wahrheit zusammen mit der Barmherzigkeit in jenem gedeihe. Denn nach dem wahren Ausspruch Salomos ist der Thron eines Reiches auf Wahrheit und Barmherzigkeit ge-

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gründet [ cf. Prov. 20,28 ]; diese sollen Dich und Deinen Thron in Ewigkeit stützen, so daß Du dieses weltliche Reich glücklich regierst und mit Christus glorreich im himmlischen lebst. Wenn Gott Dir gewogen ist, wirst Du in aller Glückseligkeit gedeihen und in aller Güte zunehmen zur Unterstützung der heiligen Kirche Gottes und zur Freude der Christenheit, hervorragendster und von uns geschätztester Herrscher. Ich bitte Dich, grüße in meinem Auftrag jenen edelsten Jüngling [i. e. Ecgfrid, der Sohn Offas] und unterrichte ihn sorgfältig in der Furcht Gottes; und laß die Hoffnung, die so viele in ihn setzen, nicht zu Schanden werden. Gedenke eines Ausspruchs Salomos: „Wie man einen Knaben gewöhnt, so läßt er nicht davon, wenn er alt wird.“ [Prov. 22,6]. Grüße auch die Herrin und Verwalterin des königlichen Palastes [i. e. Cynethrith, die Frau Offas]. Jene lebe glücklich und freue sich an den Erben des väterlichen Glücks. Ich bitte Dich aber auch, euer Ehren ganze Nachkommenschaft in meinem Namen zu grüßen. Euch alle schütze, leite und erhalte stets die Treue Gottes, des Allmächtigen. Ich bitte euch, diese Schüler meiner Lehre und Unterweisung sowie die Gesandten seiner königlichen Hoheit mit der bei euch üblichen Frömmigkeit aufzunehmen. Sie führen in Mund und Händen eine Friedensbotschaft mit sich. Und ihr könnt durch diese von mir fordern, was euch beliebt.

I V. Rech ts tex te a. Kapitularien 15. Admomitio Hludowici – a. 823–28 – Auszüge (MGH LL II/I, Nr. 150, S. 303) Ermahnung aller Stände des Reiches (1.) Wir bezweifeln nicht, daß euch allen aus eigener Kenntnis oder aus Berichten bekannt ist, daß unser Vater und unsere Vorväter, seit sie von Gott dazu berufen wurden, sich besonders darum bemühten, daß die Ehre der heiligen Kirche Gottes und das Ansehen des Reiches angemessen gewahrt würden. Auch wir haben in diesem Sinne, dem Beispiel der Unseren folgend, dafür Sorge getragen, euren Gehorsam in diesen Dingen häufig anzumahnen, und wir sehen, daß durch die Barmherzigkeit Gottes vieles schon geheilt und gebessert ist. Dafür müssen wir Gott gerechtes Lob erweisen und eurer guten Absicht auf vielfältige Weise Dank sagen. (2.) Aber da es nun der Voraussicht Gottes gefiel, unsere unbedeutende Person dazu zu bestellen, Sorge zu tragen für seine heilige Kirche und dieses Reich, wollen wir sowie unsere Söhne und Anhänger uns in den Tagen unseres Lebens dafür einsetzen, daß drei Punkte von uns und euch, wenn Gott uns hilft, bei der Verwaltung dieses Reiches besonders beachtet werden: daß man nämlich bei der Verteidigung und Erhöhung so-

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wie bei der Ehre der heiligen Kirche Gottes und ihrer Diener übereinstimmend bleibe und daß der Friede und die Gerechtigkeit von unserem Volk in seiner Gesamtheit gewahrt werden. Daß wir uns darum nun besonders bemühen und daß wir euch daran in allen Beschlüssen, die wir mit euch dank der Hilfe Gottes fassen werden, gemahnen, das ist unser Wunsch, als euer Schuldner. (3.) Doch, obwohl die Aufgabe in ihrer Gesamtheit auf unserer Person zu beruhen scheint, kann man dennoch sehen, daß durch göttlichen Willen und menschliche Einteilung sie so in verschiedene Bereiche aufgeteilt ist, daß jeder einzelne von euch, wie man sieht, an seinem Ort und in seinem Stand einen Teil unserer Aufgabe übernehmen kann; woraus hervorgeht, daß ich als euer aller Ermahner auftreten muß und ihr alle unsere Helfer zu sein habt. Wir wissen nämlich sehr wohl, was jedem einzelnen von euch in der ihm anvertrauten Rolle zukommt, und können daher nicht umhin, jeden einzelnen gemäß seines Standes zu ermahnen. […] (16.) Was aber den Frieden angeht, der in einem Heereszug bis an die Grenze gesichert werden mußte, wollen wir allen das Folgende bekannt machen, daß derjenige, der den Namen dessen erfährt, der uns im vergangenen Jahr Schaden zugefügt hat, von jenem Gerechtigkeit suchen und erhalten soll. (17.) Schließlich wollen wir, daß allen bekannt sei, daß ein jeder alle kennen soll, die unter seiner Führung an einem solchen Zug teilnehmen, seien es seine Leute, seien es Fremde, damit jener über ihre Taten Rechenschaft ablegen kann und damit alles, was diese bei der Verletzung des Friedens sich zuschulden haben kommen lassen, ihm zur Last gelegt werden kann; auf die folgende Weise nämlich, daß der Friedensbrecher zunächst, nach der Größe seines Verbrechens vor uns oder vor unserem Boten, die gehörige Strafe erhält, und daß [sc. dann] der Anführer, der so einen Mann mit sich genommen hat, den er nicht im Zaum halten wollte oder nicht konnte, so daß dieser unser Gebot mißachtete und darüber hinaus nicht davor zurückschreckte, in unserem Reich Beute zu machen, für dieses Versäumnis, wenn er ihn zuvor nicht auf diese Dinge hingewiesen hat und wenn er es versäumt hat, nachdem ihm das Vergehen des Verächters bekannt geworden war, ihn, wie es sich gehört, zurechtzuweisen, seiner Ehre beraubt sein soll, damit nämlich keiner der beiden ohne die gerechte Strafe ausgehe. (18.) Was die Minderung der Ehre des Königs sowie des Reiches und das Verbreiten eines schlechten Rufes bei fremden Völkern betrifft – durch die Versäumnisse derer, die an uns gerichtete Gesandtschaften in ihren Häusern schlecht aufnahmen, die von uns vorgeschriebenen Ausgaben nicht aufwandten, keine Pferde zur Verfügung stellen wollten, ihnen heimlich etwas entwendeten oder, was das allerschlimmste ist, nicht davor zurückschreckten, offene Gewalt gegen sie zu gebrauchen, sei es, um jene zu erschlagen, sei es, um sie ihres Vermögens zu berauben –, wollen wir allen das Folgende bekannt machen, daß jeder von denen, die bei uns in Ehren stehen, der sich von jetzt an nicht bemüht, dieses Versäumnis zu beheben und seine Leute, die dies in Stellvertretung für ihn handhaben müssen, nicht belehrt, daß sie es gut ausführen, und sie nicht zurechtweist, so daß sie es nicht wagen, jenes ferner zu vernachlässigen, und es verschmäht, unsere und des uns anvertrauten Reiches Ehre zu verteidigen, den wollen wir in Zukunft weder bei uns noch in unserem Reich in Ehre stehen haben. Sondern wir wollen, daß jeder unser Getreuen den Verwaltern seines Vermögens hierüber be-

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sondere Anweisungen gibt, daß sie alle, wann und von wo auch immer eine Gesandtschaft eintrifft, und, wenn sie Briefe oder Boten von uns sehen, jene ehrenvoll an jedem Ort unseres Reiches unserer und des ganzen Reiches Ehre wegen aufzunehmen imstande sind. (19.) An jenen Orten aber, wo an der Straße Herbergen von unserem Vater und von uns durch eine Verordnung eingerichtet wurden, sollen sie eigens dafür bestellte Boten erhalten, die unablässig Sorge dafür tragen sollen, daß sich unsere dazu beauftragten Getreuen bemühen, alles, was in Zusammenhang mit der Aufnahme solcher Gesandtschaften steht, zu rechten Zeit bereit zu haben, damit es nicht dann von weither angefordert und herbeigeholt werden muß, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, es zu verteilen und zu gebrauchen; an den übrigen Orten aber in unserem ganzen Reich soll ein jeder unser Getreuen in eigener Person und mit Hilfe seiner Diener, wie wir sagten, unablässig aufmerksam sein. (20.) Was aber die Währung betrifft, wegen der wir schon vor drei Jahren eine Ermahnung verfaßten, und den Zeitpunkt, ab wann man sich ihrer allein zu bedienen habe und alle anderen zu weichen haben, festgesetzt haben, so wollen wir allen das Folgende bekannt machen – da wir nun, um es ohne alle Ausflüchte schneller verbessern zu können, eine Frist bis zum Fest des heiligen Martin zu geben beschlossen haben, damit bis dahin ein jeder Graf in seinem Amtsbereich unsere Anordnung hierüber erfüllt haben kann; so daß von jenem Tag an keine andere [sc. Währung], sondern jene allein in unserem ganzen Reich von allen verwendet wird, gemäß jenem Beschluß, wie er in den Verordnungen, die wir in dieser Angelegenheit jenen Grafen zugestellt haben, in deren Amtsbereich Münzen geschlagen werden, festgehalten ist –, daß wir dann unsere Boten in dieser Angelegenheit in die einzelnen Grafschaften senden werden, die sorgfältig untersuchen sollen, ob die Grafen sich bemühen, hierin unsere Anordnung zu erfüllen. Und wir wollen, daß jeder, der hierin säumig gefunden werden wird, so schnell wie möglich vor unser Angesicht kommen und Rechenschaft ablegen soll, ob er das, was wir befohlen haben, nicht umsetzen wollte oder nicht konnte oder, wenn er durch irgendeinen Umstand gehindert es nicht umsetzen konnte, warum er uns diese Verhinderung bis zu diesem Zeitpunkt nicht gemeldet hat. Und daß wir, wenn dieser es nicht wollte oder es aufgrund seines Versäumnisses nicht konnte, uns einen solchen suchen wollen, der das, was wir befehlen, einhalten will und kann. Damit aber unsere Anordnung in dieser Angelegenheit um so schneller erfüllt wird, wollen wir, daß jeder, der von jenem Tag an einen anderen Denar zu Geschäftszwecken verwendet, diesen von dem Grafen oder seinem Gehilfen weggenommen bekommt. (21.) Gleichfalls wollen wir aber, was ungerechte Zölle angeht – in bezug auf welche, damit es von allen beachtet werde, wir häufig etwas in Verordnungen verfügt und wir zahlreiche Ermahnungen verfaßt haben –, daß unsere obengenannten Boten eine Untersuchung durchführen, von wem unsere Anweisung hierüber erfüllt und von wem vernachlässigt wurde; und von dem, der die Erfüllung versäumte oder aufschob, wollen wir, daß er zügig vor unser Angesicht kommt und hierüber Rechenschaft ablegt, wie wir weiter oben sagten; und wenn er für schuldig befunden wird, soll er die gebührende Strafe erhalten, damit er den übrigen, die hierin nachlässig sind, mit seinem Beispiel Furcht einjagt.

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(22.) Und, wo von altersher Brücken waren, und an den Orten, wo sie zur Zeit unseres Vaters auf dessen Geheiß wegen verschiedener Erfordernisse errichtet wurden, sollen sie ohne jeden Aufschub von denen, die sie damals errichteten, instandgesetzt und erneuert werden, so daß sie am Fest des heiligen Andreas instandgesetzt sind, außer wenn die Größe der Aufgabe oder eine Überschwemmung irgendwo das gerade verhindert; ansonsten soll es sich aber keiner unter irgendeinem Vorwand herausnehmen, dies zu vernachlässigen oder aufzuschieben, so daß es zu dem obengenannten Zeitpunkt umgesetzt werden kann. Wir wollen, daß unsere weiter oben erwähnten Gesandten auch Meldung darüber erstatten, an welchen Orten unsere Anweisung erfüllt, an welchen vernachlässigt oder durch irgendeine Behinderung oder eine bestimmte Ursache aufgeschoben wurde.

b. Pacta 16. Pactum Hludowici pii cum Paschali pontifice – a. 817 (MGH LL II/I, Nr. 172, S. 352) Vereinbarung Ludwigs des Frommen mit Papst Paschalis Im Namen Gottes, des Herrn, des Allmächtigen, des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. 1. Ich Ludwig, Kaiser und Augustus, bestimme und überlasse durch diese Vereinbarung unserer Urkunde Dir, dem heiligen Petrus, dem ersten der Apostel, und durch Dich Deinem Nachfolger im höchsten Bischofsamt und allgemeinen Papst Paschalis sowie seinen Nachfolgern auf ewig, wie ihr sie ja von euren Vorgängern bis zu diesem Zeitpunkt besessen und verwaltet habt, die Stadt Rom mit ihrem Herrschaftsgebiet, den Vororten, allen Dörfern und Ländereien der Stadt im Gebirge und am Meer, Küsten, Häfen sowie allen Burgen, größeren und kleineren Orten, die in der Toskana liegen, das heißt: Portus, Centumcellae, Caere, Blera, Manturanum, Sutrium, Nepet, Catellum Gallisem, Horta, Polimartium, Ameria, Todes, Perusium, einschließlich seiner drei Inseln, das heißt: die größere und die kleinere [?], Pulvenis, Narnia und Utriculum samt allen Gebieten und Ländereien, die zu den obengenannten Gemeinden gehören. 2. Gleichermaßen in Kampanien: Segnia, Anagnia, Ferentium, Alatrum, Patricum, Frisilunam samt all ihren Gebieten in Kampanien, und auch Tibur samt allen Gebieten und Ländereien, die zu ebendiesen Gemeinden gehören. 3. Und auch das Exarchat Ravenna in seiner Gesamtheit mit seinen Städten, Gemeinden, Orten und Burgen, die bereits König Pippin seligen Angedenkens und unser Vater, Kaiser Karl, den wir noch gut im Gedächtnis haben, dem heiligen Apostel Petrus und euren Vorgängern durch eine Schenkungsurkunde zurückgegeben haben, das heißt: die Gemeinden Ravenna, Emilia, Bobium, Cesena, Forumpopuli, Forumlivii, Faventia, Immola, Bononia, Ferraria, Comiaclum, Advianes und Gabelum samt allen Gebieten, Territorien und Inseln, die zu den obengenannten Städten gehören. Gleichzeitig natürlich auch Pentapolis, Ariminum, Pisaurum, Fanum, Senogallia, Ancona, Ausinum, Humana, Hesis, Forumsimpronii, Montemferetes, Urbinum und das Ge-

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biet von Sabiensa, wie es von unserem Vater, Kaiser Karl, dem heiligen Apostel Petrus mit einer Schenkungsurkunde in seiner Gesamtheit zugestanden wurde, in dem Umfang, der von den Äbten Itherius und Magenarius, die von jenem beauftragt worden waren, zwischen ebendiesem Gebiet von Sabiensa und dem Reatischen Gebiet bestimmt worden ist. 4. Ebenso in der langobardischen Toskana: Castellum Felicitatis, Urbivetum, Balneum, Regis, Ferenti, Castrum Viterbum, Orclae, Marta, Tuscona, Suana, Populonium, Rosellae sowie den Inseln Korsika, Sardinien und Sizilien in ihrer Gesamtheit mit allen Liegenschaften und Ländereien am Meer, Küsten und Häfen, die zu den obengenannten Städten und Inseln gehören. 5. Ebenso in Kampanien: Sora, Arces, Aquinium, Arpium, Theanum und Capua sowie die euer Gewalt unterstehenden Besitzungen, wie die Besitzung von Benevent und von Salernita, die ober- und unterkalabrische Besitzung, die Besitzung von Neapel und wo auch immer in dem uns von Gott übertragenen König- und Kaiserreich Besitzungen von euch bekannt sind. 6. Wir bestätigen auf diese Weise alle obengenannten Provinzen, Städte und Gemeinden, Siedlungen und Burgen, Dörfer und Ländereien samt ihren Besitzungen Deiner bereits genannten Kirche, heiliger Apostel Petrus, und durch Dich Deinem Nachfolger, unserem Vater im Geiste, dem höchsten Bischof und allgemeinen Papst Paschalis sowie seinen Nachfolgern bis an das Ende dieser Welt, so daß sie diese in ihrem Recht, in ihrer Herrschaft und in ihrer Gewalt haben mögen. 7. Gleichzeitig bekräftigen wir durch diese bestätigende Urkunde die Schenkungen, die König Pippin seligen Angedenkens, unser Großvater, und danach unser Vater, Kaiser Karl, dem heiligen Apostel Petrus aus freiem Willen übertragen haben, und auch den Tribut, die Abgabe sowie die übrigen Zahlungen, die sie jährlich in den langobardischen Königspalast zu bringen pflegten, sei es wegen der langobardischen Toskana, sei es wegen des Herzogtums Spoletto, wie es in obengenannter Schenkungsurkunde enthalten ist, und zwischen Papst Hadrian seligen Angedenkens und unserem Vater, Kaiser Karl, vereinbart worden war, als ebendieser Papst ebenjenem kraft seiner Autorität das Privileg bezüglich obengenannter Herzogtümer, das heißt: das toskanische und das von Spoletto, bestätigt hat, daß jedes Jahr die vorgeschriebene Summe an die Kirche des heiligen Petrus bezahlt wird, solange wir über ebendiese Herzogtümer die Herrschaft vollständig ausüben und jene uns unterstehen. 8. Im übrigen bekräftigen wir, wie gesagt, alles oben genannte von unserer Seite aus durch diese bestätigende Urkunde auf diese Weise, daß es in eurem Recht, eurer Herrschaft und eurer Gewalt verbleiben soll, daß eure Herrschaft weder von uns noch von unseren Söhnen oder Nachfolgern unter irgendeinem Vorwand oder durch irgendeinen Kunstgriff in irgendeiner Hinsicht gemindert werden soll, und daß euch oder euren Nachfolgern von allem obengenannten nichts entzogen werden soll, nämlich von den obengenannten Provinzen, Städten, Gemeinden, Siedlungen, Burgen, Dörfern, Inseln, Ländereien und Besitzungen sowie von den Tributen und Abgaben, und zwar so, daß weder wir etwas davon wegnehmen, noch jemandem, der es tut, unsere Zustimmung geben, sondern vielmehr versprechen alles, was man oben lesen kann, das heißt: Provinzen, Gemeinden, Städte, Siedlungen, Burgen, Dörfer, Inseln, Ländereien und Besitzungen und auch Tribute und Abgaben an die Kirche des heiligen Petrus und an

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die auf seinem, dem geweihtesten Thron auf ewig sitzenden Bischof, nach Kräften zu verteidigen, so daß alles, was jener zu Gebrauch, Nutzung und Verfügung in seiner Gewalt hat, sicher im Besitz behalten werden kann; wir beanspruchen für und in diesen Gebieten keinen Anteil an und keine Berechtigung zu Verwaltung oder Rechtsprechung, Entzug oder Verminderung, außer wenn wir von jenem, der zu diesem Zeitpunkt die Herrschaft über diese heilige Kirche ausüben wird, gebeten worden sind. Und wenn irgendein Mensch aus den oben genannten Gemeinden, die zu eurer Kirche gehören, zu uns kommt, weil er sich eurer Herrschaft und Gewalt entziehen will, sei es aus Furcht vor betrügerischem Unrecht, sei es auf der Flucht wegen einer auf sich geladenen Schuld, werden wir ihn auf keine andere Art und Weise aufnehmen, außer auf eine gerechte Vereinbarung hin, die für ihn getroffen werden muß, natürlich nur, wenn die Schuld, die er auf sich geladen hat, sich als durch Geld ablösbar erweist; anderenfalls werden wir ihn als Ergriffenen eurer Verfügungsgewalt zurücksenden: Hiervon sollen die ausgenommen sein, die zu uns gekommen sind, nachdem sie Gewalt und Unterdrückung von seiten der Machthaber erduldet haben, und es deswegen verdienen, durch unsere Vermittlung Gerechtigkeit zu erfahren; ihre Situation ist eine andere und sehr verschieden von der der Mächtigen. 9. Und wenn der auf diesem geweihtesten Thron sitzende Papst von der Stimme Gottes gerufen aus der Welt gegangen sein wird, soll niemand aus unserem Königreich, kein Franke, kein Langobarde und keiner aus irgendeinem Volk, der unserer Herrschaft untersteht, die Erlaubnis haben, die Römer öffentlich oder privat zu bedrängen oder eine Wahl abzuhalten; und niemand in den Gemeinden oder Ländereien, die zu dem Herrschaftsbereich der Kirche des heiligen Petrus gehören, soll es sich heraus nehmen in dieser Absicht irgendein Verbrechen auszuführen. Sondern den Römern soll es frei stehen, ihren Bischof mit aller Verehrung und ohne jede Störung in einem ehrenvollem Totengeleit hinauszuführen, und denjenigen, den alle Römer durch göttliche Eingebung und auf die Vermittlung des heiligen Petrus hin mit einem Beschluß und einträchtig ohne irgendeine Beeinflussung zur Bischofswürde bestimmt haben, ohne irgendwelche Schwierigkeiten oder Einwände nach kanonischer Sitte zu weihen. Und wenn sie ihn geweiht haben, sollen sie Gesandte zu uns oder unseren Nachfolgern, den Königen der Franken, aussenden, die zwischen uns und jenen Freundschaft, Wertschätzung und Frieden vereinbaren, wie zu Zeiten des Herrschers Karl seligen Angedenkens, unseres Vorfahren, oder des Herrschers Pippin, unseres Großvaters, oder auch des Herrschers Kaiser Karl, unseres Vaters, es zu tun Brauch war. 10. Damit dies aber von allen Gläubigen der heiligen Kirche Gottes und von unseren Leuten für gültig erachtet wird, und als gültig bei künftigen Generationen und in kommenden Jahrhunderten geschützt wird, bekräftigen wir diese bestätigende Vereinbarung mit einem eigenhändigen Siegel und unter dem Eid der verehrungswürdigen Bischöfe, Äbte und der Großen unseres Reichs mit Versprechen und Unterschrift und senden sie vermittelst des Gesandten der heiligen römischen Kirche, dem Nomenculator Theodor, an Papst Paschalis. (Siegel). Ich, Ludwig, durch die Barmherzigkeit Gottes Kaiser, habe unterzeichnet. Ferner haben drei Söhne von ihm, zehn Bischöfe, acht Äbte, fünfzehn Grafen, ein Bi-

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bliothekar [kirchl. Würdenträger], ein Mansionarius [Würdenträger am Kaiserhof] und ein Hostarius [Würdenträger am Kaiserhof] unterzeichnet. 17. Pactum Veneticum Hlothari I. – a. 840 (MGH LL II/II, Nr. 233, S. 130) Vereinbarung Lothars I. Im Namen unseres Herrn Jesus Christus und des ewigen Gottes. Im Jahre 840 nach Christi Geburt erläßt Lothar, durch göttliche Fügung Kaiser und Augustus, im 26. Jahr seiner Regierung, am 22. Februar, im Palast der Stadt Pavia, auf Betreiben und Bitten Peters, des ruhmreichen Herzogs der Venezianer, diese Vereinbarung zwischen den Venezianern und ihren Grenznachbarn und läßt sie abschreiben, damit von beiden Seiten ein Eid über die Einhaltung dieser Bedingungen geleistet werden und danach durch die Beachtung dieser Bedingungen ein sicherer Friede zwischen ihnen andauern kann. Die Grenznachbarn der Venezianer aber, auf die sich die Gültigkeit dieser Vereinbarung erstreckt, sind: Die Istrier, die Friauler, die Bewohner von Cenata, Treviso, Vicetia, Monselice, Gavello, Gomacchio, Ravenna, Caesena, Ariminum, Pisaurum, Fano, Sena Gallica, Ancona, Umana, Fermo und Penne, die sich an diesen Orten entweder zur Zeit befinden oder sich in Zukunft befinden werden, Adel und Volk. Diesen schreibt der Kaiser selbst vor, daß sie gemeinsam mit Herzog Peter der Venezianer und mit dem Volk der Venezianer selbst, das heißt: mit den Bewohnern des hohen Rialto, von Castello Olivolo, Murano, Malamacco, Palaestrina, Chioggia, Brondolo, Fossone, Loreo, Torcello, Amianas, Burano, Heraclina, Fine, Aequilo, Caorle, Gradus, Cavarzene samt allen, die an diesen Plätzen wohnen, Bischöfen und Priestern so wie den Großen und dem übrigen Volk und allem, was in irgendeiner Weise zum Herzogtum gehört, die folgende Vereinbarung die vorgeschriebene Zahl von Jahren hindurch, fünf an der Zahl, beachten, so daß es zu keinem Vergehen und zu keiner Schädigung zwischen den Parteien kommt; und wenn, was fern sei, irgendein Vergehen zwischen den Parteien verübt worden ist, versprechen sie sich gegenseitig, sich gemäß dieser Vereinbarung Rechenschaft zu geben und die Gerechtigkeit zu wahren. (1.) Wenn ein Überfall auf euer Gebiet, das Venedigs, unternommen worden sein sollte, soll die Person selbst, die die Führung bei der Durchführung dieses Verbrechens gehabt hat, innerhalb von sechzig Tagen eurer Seite übergeben werden, und alles, was geraubt wurde, soll zweifach erstattet werden; und wenn wir innerhalb von sechzig Tagen euch dieses Zweifache nicht erstattet oder die Person selbst nicht euren Händen übergeben haben, werden wir für jede einzelne Person, die dieses Verbrechen begangen hat, 500 Solidi Entschädigung zahlen. (2.) Ferner wollen wir, alle eure Leute, die seit Abschluß des vorherigen Vertrages in Ravenna, bei uns Zuflucht gesucht haben, wenn wir sie auffinden können, eurer Seite zurückerstatten. (3.) Gleichfalls sichern wir euch zu, daß wir keine Christen, die von der Macht und der Größe eurer Herrschaft [i. e. des Kaisers] wissen, kaufen, verkaufen oder unter irgendeinem Vorwand an einen Ort bringen, wo sie Gefangenschaft erleiden oder ihrem Herrscher verloren gehen; wir wollen aber auch keinen Christen unter irgendeinem Vorwand derart an einen Ort bringen, daß er dadurch in die Gewalt der Heiden

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kommt. Und wenn wir bemerken, daß jemand solche in unsere Herzogtümer bringt, werden wir mit allen Mitteln versuchen, eurer Seite ihn, der sogar Christen zum Verkauf hergebracht hat, zu übergeben und alles, was er mit sich geführt hat; derjenige selbst, der sie aufgedeckt hat, soll freigesprochen werden. (4.) Bezüglich der Gefangenen aber, wenn sie in unseren Herzogtümern aufgefunden werden sollten, gilt folgendes: Die Personen selbst, die ebendiese Gefangenen gebracht haben, werden mit all ihrem Gut und Vermögen eurer Seite übergeben; und wenn dies nicht geschieht, soll der Magistrat dieses Ortes, an dem eben diese Sklaven entdeckt wurden, einen Eid leisten mit fünf Zeugen, die eure Seite ausgewählt hat, daß die Sklaven nicht dort gefangengenommen wurden und nicht von dort weggebracht werden sollten. (5.) Ferner geloben wir, alle, die nach Erneuerung dieser Vereinbarung bei uns Zuflucht suchen werden, mit ihren Besitztümern eurer Seite zu übergeben. (6.) Wenn ferner ein Räuber, ein Feind oder irgend jemand von unserem Gebiet aus versucht, euch Schaden zuzufügen oder in euer Land zu gelangen, und von uns bemerkt wird, werden wir es euch sogleich ohne irgendeinen Aufschub melden, so daß ihr durch uns keinen Schaden erleidet. (7.) Ferner erklären wir, daß wir, wann immer ein Befehl Lothars, des trefflichsten Kaisers und Augustus, oder seiner Beauftragten uns überbracht wird, verpflichtet sind, beiderseits zu eurer Unterstützung gegen die slawischen Stämme, die ja eure Feinde sind, eine Kriegsflotte ohne alle Ausflüchte bereitzustellen. (8.) Wir verpflichten uns auch, daß wir, die wir jetzt sind und die wir sein werden, keinem der Feinde, die ihr gegen euch und eure Seite habt oder haben werdet, unter keinen Umständen während der Laufzeit dieses Vertrages dabei unterstützen dürfen, euch zu schädigen. (9.) Wenn ein Diebstahl zwischen den Parteien vorkommt, soll er vierfach ersetzt werden. (10.) Wenn Sklaven oder Sklavinnen innerhalb dieses Zeitraums von der einen zu anderen Partei fortlaufen, sollen sie mit all ihrem Besitz, den sie mit sich geführt haben, übergeben werden, und der Magistrat, der die Entlaufenen zurückgebracht hat, soll für jeden einzelnen einen Solidus erhalten, dabei sei er aber, falls etwas darüber hinaus gefunden wird, durch einen entsprechenden Eid vor ihrem Herren gerechtfertigt. Wenn der Magistrat die Entlaufenen ergriffen hat, sich weigert sie zu übergeben und sie dadurch ein zweites mal fliehen, soll er für jeden einzelnen 72 Solidi Entschädigung zahlen. (11.) Und das haben wir beschlossen bezüglich der Entlaufenen, von denen feststeht, daß sie als Entlaufene zu diesen Magistraten und Orten geflohen sind: Wenn es aber Zweifel gibt und der Magistrat oder der Verwalter des Ortes, an dem Freie und Sklaven aufgefunden wurden, es abstreitet, dann sollen zwölf Zeugen einen Eid leisten, daß sie dort nicht versklavt wurden, daß sie jene nicht besessen hatten, daß sie von ihnen nichts wußten und daß sie nichts von ihrem Besitz an sich gebracht haben. Wenn sie es aber aufschieben, dies zu tun, steht es, nachdem die erste und zweite Mahnung in Gegenwart der Zeugen vorgenommen wurde, auf Anweisung des Magistraten frei, bei diesem Menschen an dem Ort selbst, wo der Fall aufgedeckt wurde, zu pfänden, so aber, daß das Pfand, nachdem Gerechtigkeit geübt wurde, unbeschädigt zurückgegeben werden kann.

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(12.) Und keineswegs soll es irgend jemand erlaubt sein, ein Pfand an anderen Orten zu nehmen, als an denen, wo Entlaufene oder eine Ursache gefunden werden, dort kann er pfänden; und wenn die Pfändung durchgeführt wurde, soll es sich die andere Partei nicht herausnehmen, für diese ein anderes Pfand zu nehmen, sondern die Anhörung abwarten, so daß der Fall ganz sicher in sechs Monaten erledigt sei und sein Ende finde, und er, wenn er zuerst erstattet hat, zu was ihn das Gericht verurteilt, sein Pfand zurückerhält. Wenn aber der Magistrat oder eine andere Person, die das Pfand genommen hat, während der sechs Monate versäumt, den Prozeß zu führen, soll der Magistrat dieses Ortes, nachdem die sechs Monate verstrichen sind, in jedem Fall ebendieses Pfand zweifach zurückgeben. Denn wenn jemand es wagt, an einem anderen Ort ein Pfand zu nehmen, oder es ohne Grund genommen hat oder es gewagt hat, bei jemand ein Gegenpfand zu nehmen, soll er, was er sich genommen hat, zweifach erstatten. (13.) Wenn aber Hengste, Stuten, Rinder oder irgendwelches Vieh weggeführt wird oder sich von selbst verirrt, soll es auf jede Art und Weise eurer Seite zurückgegeben werden. Wenn sie aber nach der ersten und zweiten Mahnung keineswegs eurer Seite zurückgegeben werden, soll es zu einer Pfändung an dem Ort kommen, wo es gefunden wird, solange bis die eine Seite der anderen Genüge getan hat; und nachdem Genüge getan wurde, soll das Pfand selbst zurückgegeben werden. (14.) Ferner ist festgelegt, daß die eine Seite der anderen, wenn die Entlaufenen oder ihre Habe zurückgegeben wurden und die Genugtuung durch einen Eid vollendet ist, in jeder Hinsicht Sicherheit der Übergabe und des Schwurs [?] verspricht. (15.) Wenn aber jemand innerhalb dieses Zeitraums es wagt, ein Pfand zu nehmen, das nicht in den Artikeln erwähnt ist, soll er den Prozeß verlieren und zurückerstatten, was er sich genommen hat. (16.) Handel aber soll unter den Parteien möglich sein, wie sie es untereinander vereinbaren und wie sie es einrichten können, ohne Zwang und Widrigkeiten durch andere Einschränkungen, so daß das ausgeglichene Verhältnis der Kaufleute beider beteiligter Seiten gewahrt wird. (17.) Was die Küsten und Flußübergänge anbelangt, ist festgeschrieben, daß wir gemäß altem Brauch Häfen und Flüsse besteuern dürfen und wir versprechen, daß es zu keiner Behinderung und Gewalt kommt; und wenn solches vorkommt und uns bekannt gemacht wird, versprechen wir an den Betreffenden deswegen Gerechtigkeit zu üben. Und eure Leute sollen die Freiheit haben über das Land zu ziehen und die Flüsse zu überqueren, wo sie wollen; gleiches soll für unsere Leute auf dem Meer gelten. (18.) Ferner kommt man hierüber überein, daß die Gesandten beider Seiten, wenn irgendeine Verletzung zwischen beiden Seiten vorgefallen ist, nicht zurückgehalten werden dürfen, sondern sicher zu ihren eigenen Leuten zurückkehren können; das gleiche gilt für Boten, wenn sie zurückgehalten wurden, sollen sie freigelassen werden und ihnen 300 Solidi Entschädigung gezahlt werden sowie die Person selbst in ihre Hände gegeben werden. (19.) Wenn jemand einen Prozeß zwischen beiden Seiten führt, soll er ein- oder zweimal mit einem Schreiben seines Magistrats hingehen und, wenn ihm nach 14 Tagen noch gar keine Gerechtigkeit geschehen ist – vorausgesetzt der Mensch selbst, von

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dem Gerechtigkeit gefordert wird, hat sich an seinem Ort aufgehalten –, soll er nach sieben Tagen die Erlaubnis haben in dem Haus des Magistraten, der für diese Zeit eingesetzt war, soviel zu pfänden, wie die Forderung beträgt; und dieses Pfand soll ihm die obengenannte Zahl von Nächten sicher sein. Und wenn er dieses Pfand verweigert, sollen, falls der Prozeß andauert, zwölf Solidi Entschädigung gezahlt werden, damit es später eine weitere Pfändung vorgenommen werden kann, in den Grenzen des Gebietes, wo das möglich ist, dort, wo sich die Sache ereignete; auf diese Weise aber, daß die eine Seite der anderen, sobald beiden Seiten das Urteil verkündet ist – wobei je zwei von beiden Seiten aus dem Ort, an dem sich die Sache ereignete, anwesend sein sollen – und diese es bei den Evangelien beschworen haben, Genüge leistet. (20.) Ausdrücklich fügen wir hinzu: Wenn jemand während der Laufzeit dieses Vertrages einen Mord begeht, sollen eurer Seite auf jeden Fall alle gebunden übergeben werden, die an diesem Mord beteiligt waren; und wenn man es hinauszögert, sie euch zu übergeben, soll für jede einzelne Person 300 Solidi Entschädigung gezahlt werden. Und wenn jemand im Wald eine Verhaftung [Pfändung ?] vornehmen wollte [?], so geschehe es ohne Mord; und wenn, was fern sei, sich ein Mord an einem Freien ereignet, sollen für diesen 300 Solidi Entschädigung gezahlt werden und für einen Sklaven 50 Solidi; und wenn einem Freien eine Wunde zugefügt wurde, sollen 50 Solidi Entschädigung gezahlt werden und für einen Sklaven 30 Solidi. (21.) Ferner ist festgelegt, daß an Ehefrauen, Frauen oder Mädchen, an Herden von Stuten oder Wildschweinen keine Pfändung vorgenommen werden darf; und wenn eine Seite es gewagt hat, eine solche vorzunehmen, soll sie 50 Solidi Entschädigung zahlen und das Pfand selbst unversehrt zurückerstatten. (22.) Gleichzeitig ist festgelegt, daß am Besitz der Heiligen und der Kirche Gottes keine Pfändung vorgenommen werden darf; außer wenn der Prozeß mit den Priestern der Kirchen selbst geführt wird; und vorher soll ein oder zwei mal gemahnt werden; danach darf eine Pfändung vorgenommen werden; denn wer es wagt, diese anders vorzunehmen, soll sie zweifach erstatten, und wenn er in Unkenntnis dessen gepfändet hat, soll er einen Eid leisten und darum bemüht sein, das Pfand selbst unversehrt zurückzuerstatten. (23.) Ferner ist, was Schuldverschreibungen und Versprechen jeder Art anbelangt, festgelegt, daß, wenn einer etwas weg gegeben hat, um daraus Gewinn zu erzielen, oder irgendein Pfand gegeben und sich Geld geliehen hat, er gemäß Recht und Gesetz den Prozeß beginnen soll; und die eine Seite soll der anderen in diesen und ähnlichen Fällen, von denen im vorausgegangenen Vertrag die Rede war, Gerechtigkeit versprechen. (24.) Ferner ist festgelegt, daß in dem Wald, den die Rivoaltener, Amorianer, Methamaucer, Albiolener, Torcelener und Commanencer angelegt haben, diese vom heutigen Tag an 30 Jahre die Erlaubnis haben, Holz zu schlagen, wo sie Holz geschlagen haben, so wie es in den obengenannten Jahren üblich war, sei es vom Fluß, sei es vom Meer aus; auch die Flüsse, die für sie im Gebiet Travisia geöffnet waren, sollen von heute an 30 Jahre geöffnet werden. (25.) Die Bewohner von Aequilo aber dürfen am Ufer des heiligen Zenons bis zu dem Graben von Metanaurus und Gentio gemäß ihrer Gewohnheit Holz schlagen und jeden Baum, den sie nicht tragen können, dürfen sie mit einem Wagen transportieren, entweder bis zum Paß oder soweit es ihnen gefällt diesseits des Grabens von Gentio, wo sie

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sich aber keinesfalls wagen sollen mit dem Schiff hinein zu fahren; ferner sollen sie die Erlaubnis haben, die Stämme, die sie nicht transportieren können, so viele, wie sie zum Paß transportieren können, innerhalb des bezeichneten Gebietes zu Brettern [?] zu verarbeiten, aber nicht völlig zu zerschneiden, und sie sollen keinesfalls transportierbare Stämme zerstören; und wer es wagt die transportierbaren Stämme zu zerschneiden, soll 100 Solidi Entschädigung zahlen, auch wer es gewagt hat, auf andere Weise hereinzukommen, soll zu der obengenannten Strafe verurteilt werden. Des weiteren soll euer Vieh die Erlaubnis haben, in diesem Gebiet zu weiden und Futter zu suchen. (26.) Bezüglich aber der Grenzen von Civitas Nova haben wir beschlossen, daß es so, wie die Grenze zur Zeit König Liuthprands in Übereinstimmung zwischen ihm und dem Herzog Paulutio sowie dessen Heermeister Marcellus gezogen wurde, bleiben soll, in Übereinstimmung damit, daß Aistulfus euch Civitas Nova geschenkt hat. (27.) Über all dies hinaus wurde beschlossen, daß die Beauftragten Kaiser Lothars jeder Zeit verfügbar sein sollen, um Recht zu sprechen, so daß jeder einzelne von beiden Seiten sein volles Recht erhält; und die Beauftragten selbst werden im Namen unseres Herrschers alles, was befohlen wird, erhalten. (28.) Die Viehherden eurer Seite sollen auch in Sicherheit weiden dürfen bis zu der Grenze, die Herzog Paulutius mit Civitas Nova festgelegt hat, wie man in der Vereinbarung lesen kann, vom oberen Piave bis zum Monticano, was die Grenze oder auch euren Besitz darstellt. (29.) Aber die Bewohner von Capria sollen in dem Wald, in dem sie Holz schlagen, im Gebiet der Forojulianer, stets eine Abgabe geloben, und [nur] soviel Holz schlagen, wie sie früher geschlagen haben. (30.) Ferner ist festgelegt, daß für die Stadt Gradus gemäß alter Gewohnheit eine Abgabe entrichtet und ein Zoll für geschlagenes Holz gezahlt werden muß, da wo sie diesen früher im Gebiet der Forojulianer gezahlt haben, so wie ihr es von altersher getan habt. (31.) Wir bedingen uns in dieser Vereinbarung aus, daß eine Seite der anderen in den Angelegenheiten der Kirchen und Klöster Gerechtigkeit geloben. (32.) Ferner ist bezüglich der Clugienser festgelegt, daß die in ihre Orte zurückkehren sollen, um dort zu wohnen. (33.) Was aber die Kastraten betrifft, haben wir beschlossen, daß, wenn jemand es wagt, diese von nun an gemäß der eingewurzelten Gewohnheit zu verstümmeln, soll er selbst diese Strafe erleiden oder sich bei uns freikaufen; und wenn er es leugnet, dies getan zu haben, soll er sich mit zwölf Zeugen von der Anschuldigung befreien, wenn [es ihm] aber nicht [gelingt], soll er die Strafe erleiden. (34.) Wir wollen, daß für sechs Mancusi ein einziger Eid eines Menschen als Garantie genommen wird, und wenn es mehr – bis zu zwölf Mancusi – sind, soll ein Eid zweier Menschen ausreichend sein; und so soll es bis zu zwölf venezianischen Pfund gemacht werden, daß immer einer hinzugenommen werden muß von den zwölf ausgewählten Schwörenden, so daß es ebensoviele Schwörende sind wie Pfund; denn wenn der Streitfall über zwölf Pfund liegt, soll die Zahl der Schwörenden dennoch nicht über zwölf hinausgehen.

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(35.) Bezüglich der Pfändungen, die zwischen den Parteien vorgenommen werden, beschließen wir aber, daß, wenn wegen dieser irgendein Streit entsteht, jenem die Entscheidung durch einen Schwur zufällt, der das Pfand besitzt. 18. Praeceptum Hlotharii I. – a. 840 (MGH LL II/II, Nr. 234, S. 136) Urkunde Lothars I. Im Namen unseres Herrn, Jesus Christus, und des ewigen Gottes. Lothar, durch göttliche Fügung Kaiser und Augustus. Der Anstand verlangt es, daß die kaiserliche Hoheit darum bemüht ist, soviel bei allen Werken ihrer Frömmigkeit aufzuwenden, wieviel sie durch die Höhe ihrer Würde und Macht die übrigen überragt. Es sei daher das Vorrecht aller Gläubigen der heiligen Kirche Gottes sowie unserer gegenwärtigen und zukünftigen Anhänger bekannt gemacht, da der Herzog und Schwerträger, der Venezianer Peter, durch unseren treuen Grafen Heverad und seinen Gesandten namens Patrizius unsere Majestät gebeten hat, daß wir für die Besitzungen in seinem Herzogtum, von denen bekannt ist, daß sie der Herrschaft unseres Reiches unterstehen, eine Urkunde mit unserer Bestätigung ausstellen lassen, durch die er selbst, der Erzbischof, die Priester und das ihm untergebene Volk die ihnen bestimmten Besitzungen ohne irgend jemandes Einspruch oder Widerstand behalten können, wie sie diese zur Zeit unseres Großvaters Karl aufgrund der unveränderbaren Übereinkunft mit Byzanz in Besitz haben. Auf dessen Bitte hin haben wir, damit uns die Unterstützung des Himmels noch reichlicher zuteil werde, entschieden, daß diese Schriftzüge, die den Gefallen unserer Hoheit finden, aufgesetzt werden, durch deren Bestimmungen legen wir fest, daß keiner in den Ländereien, Klöstern, Kirchen, Häusern, Gütern oder anderen Besitzungen in dem obengenannten Herzogtum, von denen bekannt ist, daß sie der Herrschaft unseres Reiches unterstehen, eine ungerechtfertigte Anfechtung, Verminderung, heimtückische oder frevelhafte Anmaßung versuchen soll; sondern es stehe dem Herzog, dem Erzbischof, den Bischöfen und dem ihm untertänigen Volk sowie allen Erben und Nachfolgern frei, diese [sc. Besitzungen] in Frieden, frei von betrügerischen Machenschaften irgend jemandes, der Anspruch auf diese erhebt, und ohne unrechtmäßige Ausflüchte von irgend jemand, wer auch immer solches versucht, rechtmäßig zu regieren und durch das Regieren, so wie es in der vorher genannten Urkunde eindeutig formuliert war, gesetzmäßig zu besitzen. Und damit unsere Autorität in dieser Bestätigung und Bekräftigung von den Gläubigen der heiligen Kirche Gottes und von den Unsrigen für gültig erachtet und von unseren Nachfolgern in den kommenden Zeiten mit jedem Schutz versehen wird, bekräftigen wir diese eigenhändig in ihrer Glaubwürdigkeit und befehlen, sie mit dem Abdruck unseres Ringes zu versehen. Siegel Lothars des ehrwürdigsten Kaisers. Ercambald, Schreiber ...

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Gegeben am 1. September im durch die Gnade Christi 22. Jahr der Herrschaft des frömmsten Kaisers Lothar in Italien und dem zweiten in Frankreich, dem achten Jahr der gegenwärtigen Induktion, in der Königspfalz Teodon; im Namen Gottes Glück und Heil, Amen.

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Sa ch ve rze ic hnis Abhängigkeit, Abhängigkeitsverhältnis 29, 35, 57, 63, 93, 100, 109, 145, 160, 172, 212, 217, 226, 228, 230, 314, 341, 344, 376, 412, 416, 438, 442, 443, 445ff., 449, 451ff., 459, 537, 569, 582, 609, 626, 661f., 665f., 668f., 678, 694, 696, 702 Abkommen 119, 156, 222, 375, 475, 509 Abmahnung 502 Absetzung 32, 73f., 163, 266, 427, 445, 463, 603, 607 Abtretung 525 Adoption 142, 574, 667, 692, 694, 696 Allianz (siehe auch Bündnis) 435ff., 444ff., 459, 558, 667, 690, 701 -bruch 447 -pflichten 444 -versprechen 435 -vertrag 447 -wechsel/renversement des alliances 23, 144, 152, 164, 165, 205, 694 amicitia (siehe auch Freundschaft) 1, 14, 19, 22, 24, 44, 93, 110, 113, 117, 133ff., 155ff., 163, 168, 173, 177ff., 200f., 213ff., 219, 226, 228, 233ff., 243, 246f., 263, 265, 268f., 280, 285f., 291, 293, 298, 306, 315, 345ff., 367, 368, 373f., 376, 379ff., 390, 396, 404, 408, 416, 420, 422, 424f., 429ff., 434, 437ff., 441, 443f., 447ff., 458f., 532, 539, 553, 557, 561, 569, 576, 611, 616, 623, 627, 635, 642, 652ff. – Verhaltensnormen 689ff. Anerkennung 70, 86, 109f., 120, 125, 127, 131f., 139, 204, 236, 276, 353, 359, 382, 393, 396, 514, 567, 576, 595, 602, 679, 688 Annexion 4, 524f., 528 Ansiedlung 228, 435, 445, 525 Anspruch 31, 69ff., 74, 76, 79ff., 87, 90f., 93, 108ff., 112f., 119, 121, 123, 126f., 138, 143, 145, 152, 155, 157, 178f., 181, 188, 193, 205ff., 217, 239, 258, 262, 268f., 295, 309, 327, 332ff., 336ff., 342, 346f., 363, 365, 465, 467, 480, 486, 513, 517, 544ff., 547, 561, 563ff., 570ff., 574f., 579, 581ff., 585, 589ff., 595ff., 605, 607f. Asyl 178, 304 Audienz 339, 341ff.

Aufstand (siehe auch Rebellion) 533 – Bernhard v. Italien 481, 530 – Basken 476 – Hrodgaud 207 – Liudewit 134 – Römer gegen Leo III. 126, 174, 586 – Sachsen 221, 227, 368, 475, 492, 494, 511 – Söhne gegen Ludwig den Frommen 43, 321 Ausfuhrverbot 38, 229, 283, 300 Ausgleich 73, 82, 95, 128f., 132f., 139, 147, 202, 205, 211, 218, 236f., 251, 327, 344, 393, 467f., 477, 480, 567, 643, 654, 656, 670, 681 Auslieferung (von Flüchtlingen) 134, 178, 302, 305, 400 Außenbeziehungen 6, 42 59, 330, 338, 603, 622, 702 – Päpste 199 Außenpolitik, außenpolitische Handlungsfähigkeit, Zuständigkeit 1, 8, 28, 34, 42, 62, 95, 111, 114, 230, 262, 264, 267f., 308, 322, 332, 343, 399, 454 (Tassilo), 537, 570, 603, 615 – Papsttum 176, 182 Außenvertretung 397 Bann, Banngewalt, königlich 34, 37, 54, 261, 282, 283, 305 Bann, kirchlich 183, 354, 464, 465, 471, 736 Befugnis, – auswärtige 60 – byzantinische Kaiser 124, 597, 610, 654 – karolingische Herrscher 199, 573, 607 – Patriarch v. Jerusalem 238 – Verfügungsbefugnisse 548 – päpstliche 573, 606, 607f. Beistand, Beistandspflicht (weltlich) 155, 166, 184, 204, 224, 228, 302, 346, 369, 379, 424, 434, 439f., 447, 454, 473, 480, 484, 529, 539, 671, 690f. – geistlicher 122, 469, 500f., 691, 730 – Beistandsersuchen 468 -versprechen 400 Belagerung 154, 206, 231, 313, 507, 719

Sachverzeichnis bellum (siehe auch Krieg) 60, 68 [Anm. 194], 206, 232, 277, 443, 461, 511, 519, 523, 625, 643ff., 646ff., 650 Besatzung 524 Besetzung 493, 524f., 528 Besiedlung 222, 248 Besiegte 45, 67, 506, 507, 509, 514, 526, 528f. bilateral, zweiseitig, Zweiseitigkeit 14, 149, 170, 199, 216, 218, 242, 291, 306, 401, 429, 435, 509, 512, 525, 527, 532, 665, 702 Bilderstreit, Ikonoklasmus 38, 47, 81ff., 90, 114ff., 121ff,. 134ff., 139, 142f., 145, 147, 157, 161, 163, 168, 171, 173, 184, 233, 328, 346, 561, 564, 572, 579f., 590, 592, 597, 656, 702 Bruder/frater, Bruderschaft 1, 8, 31, 33, 56, 59f., 70, 71f., 95, 114, 124, 141, 147, 150, 158, 162, 166f., 204f., 208 [Anm. 32], 224, 248, 250, 281, 285, 304, 321, 376, 381, 388, 456, 467, 518, 520, 567, 570, 575f., 624, 626, 659, 683, 684, 692ff., 695f., 713ff., 715, 716ff., 718f. – Brüderlichkeit/fraternitas 14, 108, 131, 339 [Anm. 158], 394, 623, 628, 669, 682ff., 688, 692ff., 700 – Bruderkämpfe 523 – Bruderkuß 312 – Gebetsverbrüderung 209, 237ff., 684, 690 Bündnis (siehe auch Allianz und foedus) 1, 7f., 13, 22, 29, 39, 70, 80, 92, 93, 97, 105, 110ff., 114, 121, 137, 140, 144, 149ff., 154ff., 163ff., 167, 170, 172ff., 200, 202, 203, 205, 214, 215, 219, 235, 236ff., 243, 263f., 268, 336, 346ff., 379, 388, 391, 416, 420, 422, 433f., 436ff., 442, 444, 446ff., 457, 459, 465f., 469, 472, 483ff., 497, 531, 569, 640, 660, 663, 668, 671, 673, 690, 713, 717, 738 Bündnisangebot 37, 187f., 268 -partner, Verbündete 112, 154, 216, 233, 240, 250, 257, 479f., 484, 496 -pflicht 165, 188, 199, 214, 347, 418 -struktur 199 -vertrag 202, 278, 384, 417, 420 Bund 147, 158, 160, 163 [Anm. 96], 449f., 593, 669 – Friedensbund 441, 443ff., 459 – Verbund 238 [Anm. 108], 262, 266, 268f., 494, 712

789

– Bundesgenossen 30, 110, 145, 434, 450, 532 Buße (siehe auch Wergeld) 427, 491 [Anm. 121], 499, 502 [Anm. 176], 535, 596 [Anm. 145], 598, 603, 607 caritas 22, 62, 135, 155, 158f., 164, 173, 179, 220, 280, 306, 370f., 403, 430, 432, 441, 443, 453, 459, 482, 557, 583, 591, 615ff., 631, 634, 636f., 639, 642, 644f., 650, 652, 654ff., 658ff., 663, 665, 668, 670f., 673f., 675f., 678, 681ff., 704, 711 Christenheit 11, 69, 79, 139, 235, 486, 499, 501, 518, 566, 579, 583, 585ff., 593f., 602, 694, 703, 714, 724, 728, 731, 739, 745 Christentum 85f., 109, 298, 334, 475, 482, 484, 485, 490ff., 510, 562, 613, 653, 696, 699, 701, 703, 711 Christianisierung 99, 103, 489, 493 Christlichkeit der Ordnung 25, 397, 403, 486, 494f., 557, 576, 608, 703, 706 christianitas 146, 230, 485, 488, 571, 585ff., 616, 621, 702, 703 clausula rebus sic stantibus 424 colloquium 223, 352 commendatio 217, 241, 451, 453f., 456f., 528, 533, 537ff. concordia 1 [Anm. 2], 22, 62, 113, 155, 157f., 168, 235f., 246f., 277, 280f., 283, 285, 292, 314f., 378, 383, 416, 432, 441, 443, 483, 557, 591, 615ff., 642, 644, 645, 652, 656, 659f., 662f., 667ff., 674f., 681f., 686ff., 690, 692ff., 698, 704 conditio 48, 226, 368, 509, 511, 662 conregnare 564f., 614 consilium et auxilium 34, 41, 620, 648 consuetudo (siehe Gewohnheit) corpus 36, 48f., 167, 197, 268, 559, 596, 600, 601f., 619, 630 cyrographum 150, 167, 189, 378, 387f., 426 deditio 217, 231, 240f., 291f., 374, 434, 456f., 461, 479, 505, 509f., 515f., 522f. 528ff. defensio et exaltatio ecclesiae (siehe auch Verteidigung) 116, 143, 149, 156ff., 165, 173, 179, 199, 206, 387f., 390f., 397, 422 [Anm. 182], 430, 445, 483ff., 497, 571, 578 [Anm. 87], 586ff., 606f., 638

790

Sachverzeichnis

Delegation (siehe auch Gesandtschaft) 115, 166, 210, 561 Diplomatie, byzantinische 70, 76ff., 327, 360 Diskontinuität 356, 710ff. ditio 43, 112, 153, 157, 178ff., 391, 408, 415, 512, 528, 536, 544 donatio (siehe Schenkung) droit des gens, international 9, 15, 17 [Anm. 58] Dualismus 85, 91, 198, 558, 703, 705 Durchzug, Durchzugsrechte 212, 349, 358, 368, 417, 648, 656, 689 Dynastie 667, 676, 706 – arabische 104, 232 – byzantinische 71, 73, 112 – karolingische 6f., 31f., 36, 46, 51, 112, 140, 145f., 150, 169, 185, 198, 205, 462, 553, 605f. – langobardische 59, 98, 203, 204 ecclesia 2, 115, 131, 156, 159, 160ff., 164, 166, 173, 177f., 237, 247, 270, 284, 355, 427, 477, 478, 483ff., 560, 584ff., 594, 598, 599f., 605f., 610, 612, 619, 620, 621, 638, 645, 657, 658, 695 – catholica et apostolica, romana 91 [Anm. 23], 149, 152, 153, 165, 168. 169 [Anm. 121], 186, 347, 193, 206, 387, 390, 392, 397, 430, 466ff., 470, 483ff., 512, 544ff., 548, 602, 604 [Anm. 176], 608, 609, 611 [Anm. 193], 612, 619, 701 – una, universalis 485, 559, 568, 570, 572, 576ff., 601ff., 612, 623 Ehe (siehe Heirat) 694 Eid, Eidesformel, Eidesleistung 4, 22, 23, 28, 150, 152f., 159, 167, 173, 175, 181, 187, 193, 200, 223, 224, 264, 345, 374, 376, 377, 379ff., 397, 399, 402ff., 405, 408, 409, 413, 417, 419, 420, 422, 423, 426, 427, 436, 439, 447, 453, 462, 463, 465, 468f., 471, 511, 512, 527f., 532ff., 537, 539, 607, 666, 671, 672, 674, 677ff., 706, 723f., 750ff. – Eidbruch 465, 476, 481, 643, 646, 744 – Meineid 723f. – Reinigungseid 177 – Sicherheitseide 94, 167, 269, 405 – Treueid 177, 181, 199, 284, 295, 388, 409, 410, 414, 423, 452, 453, 454, 510, 538 – Vasalleneid 453f., 463ff., 539

Eingliederung 3, 28f., 57, 68, 80, 109, 199, 217f., 221, 378, 416, 435, 452, 475, 478, 486, 488, 492ff., 507, 525, 527, 531, 534, 539, 541, 589, 592, 611f., 696, 700, 703 Einheit 9, 27, 30, 31, 36, 42, 127, 135, 246ff., 256, 259, 270, 398, 404, 405, 430, 441, 449, 458, 473, 477, 491, 494, 586f., 591, 593, 612, 622, 630, 688, 701ff., 710f. – Christenheit, christliche, Glaube, Kirche 11, 18, 62, 76, 98, 139, 213, 220, 292, 270, 314, 494ff., 568, 571, 578, 580, 582, 584, 588, 591, 593, 602, 604, 608f., 612ff., 619, 624, 628, 642, 647, 664, 667, 694, 699, 702ff., 720 Einheit – fränkisches Reich 45ff., 56ff., 260f., 266, 268, 462, 490, 494, 501, 570, 692 – langobardische 96ff. – rechtliche 15, 18, 42, 45, 281f., 285, 290, 292, 496 – Welt 555, 568, 576, 609f., 613, 699 Einreise 294, 296 Einseitigkeit (Versprechen, Verpflichtung) 173, 414ff., 440 Embargo 210 Empfang (siehe auch Zeremoniell) 64, 574 – Gesandtschaft 24, 37, 59f., 128, 133, 241f., 246, 268, 308ff., 333, 339ff., 351, 356ff., 361f., 371, 395, 575, 640, 655, 662 – in Konstantinopel 341ff. – in Rom 166, 313ff. – Papst 148f., 174, 311 Epoche 9ff., 26, 30, 39, 41, 43, 49, 59, 66, 71, 76f., 85, 86, 89, 93, 108, 122, 203, 221, 245, 248, 249, 257f., 267, 269, 270, 276f., 282, 284f., 293, 295, 299, 303, 308, 310, 324, 338, 355, 356f., 370f., 379f., 382, 398, 401, 406, 407, 414, 420, 423, 428f., 433, 439f., 444, 447, 451, 454, 457, 459, 460, 461, 483, 500, 502, 519ff., 532f., 536, 554, 557ff., 574f., 593f., 603, 606, 609, 613, 616, 636f., 643f., 645ff., 651f., 653f., 664, 666ff., 671, 673ff., 682, 689, 692, 697, 699ff., 709 Epochen -grenze 435, 693 -schwelle 10 -wahl 7 -wechsel 7 Erbfolge 47f., 71, 384

Sachverzeichnis Erbrecht 71, 95, 284 Eroberung 3, 8, 24, 27, 41, 44, 67, 69f., 75, 78, 97, 105, 109, 111, 112, 117, 127, 147, 154, 187, 192, 194, 202, 203, 216, 217, 230, 231, 252, 461, 478, 481, 485, 487, 489, 508, 522, 524ff., 537, 540, 543, 545, 546ff., 569, 597, 646f., 649 Eroberungskrieg, 476, 498 -politik 28ff., 96, 99, 206, 221, 523 Europa 4ff., 16, 17, 27, 30, 54, 80, 249, 261, 271, 457, 523, 553f., 584, 596, 611f., 667, 699f., 701, 708 – Ordnung 13, 60, 83, 92, 123, 140, 146, 170, 260, 428, 446, 473, 481, 535, 543, 558, 560, 568, 708, 709, 710, 711 – Einheit, religiöse/christliche 99, 478 – Europäische Gemeinschaft/Union 273 Expansion 3, 76, 146, 195 Familie der Könige 70, 110, 440, 558, 574ff., 667, 694, 697 Fehde 289ff., 370, 516, 518ff. Fetialen 359, 374 fides (Glaube und Treue, siehe auch dort) 116, 156, 158f., 162, 164, 374, 403ff., 409, 422ff., 443, 445, 447, 452f., 494, 531ff., 538, 587, 590f., 600, 617, 624, 645, 657f., 670f., 673f., 676, 687f., 712 filius 70, 110, 122, 138, 143, 157, 165, 223, 517, 561, 575, 595, 605, 626, 694, 697 Flotte 48, 108, 126, 129, 130, 217, 222f., 234, 236, 239, 258, 417, 418, 472, 499, 663, 752 Flüchtlinge 134, 178, 210, 212, 214, 222, 250, 294, 302, 304ff., 400, 415, 417f., 689 foederati 1 [Anm. 2], 227, 243, 374, 431, 435, 442, 445, 479 [Anm. 72], 665 foedera 147, 263, 277, 377, 383, 391, 435, 436ff., 441, 443, 512, 628, 638, 641 – pacis (siehe auch Friedensvertrag) 150, 158f., 278, 387, 416, 432, 441, 466, 616, 659 foedus 14, 19, 24, 44, 110f., 135, 137f., 147, 149ff., 153, 155ff., 163, 172f., 176, 179, 187f., 200, 214f., 225, 232, 236f., 243, 277, 291, 346, 373f., 376ff., 387, 390, 416f., 420, 422, 424, 427, 429ff., 432ff. 441ff., 448ff., 457ff., 484, 509, 511, 515, 531f., 539, 567, 569, 616, 635ff., 641, 652ff., 660f., 663, 666, 679, 683, 690 – Bruch 446ff.

791

– ungleiches 442f. Forderung, Anforderung, Rechtsforderung 148, 152, 154, 169, 190, 241, 269, 348ff., 363, 400, 418, 432, 462, 466, 467, 480, 502, 503, 515f., 522, 582, 660, 662, 690, 691 – Rückforderung 111, 168 Fremde 34, 66, 214, 291, 294ff., 298, 306f., 370f., 372, 379 Freund 1, 23, 36, 45f., 88, 100, 164, 209, 266, 285, 569, 592, 623, 643, 652ff., 714, 717, 720, 727, 734, 737, 743f. Freundschaft, freundschaftlich (siehe auch amicitia) 1, 14, 31, 37, 68, 80, 124, 177, 213, 235, 268, 309, 328, 345f., 349, 357, 368, 370, 406, 508, 518, 611, 636, 638, 652ff., 672, 703, 711, 713, 715f., 721, 731f., 737, 743, 750 Frieden (siehe auch pax) 1, 31f., 34ff., 40, 60f., 80, 135, 138, 167, 170, 211, 215, 219f., 223, 225, 256, 260, 262ff., 272, 277, 280, 283, 285, 289, 306, 307, 328, 345ff., 392ff., 397, 429, 433, 436, 441, 481, 499, 501, 504, 507, 510, 522, 523, 525, 557, 559, 578f., 589, 596, 611, 615, 616ff., 675, 677, 680, 682, 691, 698, 699, 701, 703, 707f., 712, 713, 715f., 717, 720f., 725, 728, 731, 742, 744, 746, 750, 756 Friedensaufkündigung 518 Friedensbann 34, 37, 282 – Königsfrieden 283, 295f., 306, 370, 638 – Reichsfrieden 283, 427 – Sonderfrieden 297 Friedensbemühungen, -verhandlungen 29, 128f., 147, 225, 236, 319, 353, 368, 393ff., 472, 504 -bitte/pacem petere 37, 125, 217, 239, 268, 309, 339, 378f., 424, 441f., 455, 509, 511, 512, 514ff., 527, 530, 539, 616 -bruch 223, 265, 406, 427, 446, 447, 504, 646, 746 -bund 441, 443f., 459 -findung 396, 444, 517 -gebot 617, 618 -gesandtschaft 218, 241, 345, 468 -gesinnung 224 -kauf 406 -konzept 625, 641f. -kuß 312, 619 -mahnung 620

792

Sachverzeichnis

-ordnung 631 -pflicht 424, 427, 444, 689, 694f. -prozeß 251 -schluß (siehe auch pax facta) 10, 37, 58f., 78, 90, 91, 97, 111, 113, 125, 126, 130, 131ff., 152f., 183, 203, 223ff., 226, 232, 236, 240, 249, 264f., 268, 291, 318, 331, 338, 343ff., 352, 377, 380ff., 392f., 421, 430, 435, 437, 438, 439, 441, 443, 444, 458, 464, 467, 468, 472, 511, 512, 513, 523 Friedensurkunde 352, 396, 398, 401 -vermittlung 315, 354, 467 -vertrag 37, 78, 79, 127, 128, 130, 132f., 176, 189, 202, 217, 224, 225, 242f., 247, 265, 278, 287, 302, 310, 343ff., 348, 353, 374, 379, 392ff., 406, 415ff., 417, 421, 427, 433, 459, 472, 476, 480, 509, 511, 512, 523, 525, 545, 606, 611, 680, 681, 707 Friedensvorschlag 130, 264 -wille 345, 468, 481, 630 -zeit 214 -zustand 129, 133, 203, 270, 379, 380, 383, 391, 416f., 433f., 504, 614, 630, 645, 703 Rechtsfrieden 283, 289, 480, 522 Präliminar-/Vorfrieden 380, 401 Wiederherstellung 439, 481 Unfrieden 579 Garant, Garantenstellung, 165, 175, 268, 495, 545, 546, 551 Garantie, garantieren 175, 194, 219, 236, 250, 404, 406, 408, 409, 413, 418, 533, 647, 668, 755 Gastfreundschaft 357, 370 Gast-, Festmahl, Mahl 24, 177, 309, 310, 312, 313, 315, 341, 599, 657, 670, 674, 679ff. Gastrecht/hospitalitas, hospitium 295, 298, 304, 363, 365, 370 Gastung 64, 339, 357, 361, 363ff., 369, 370f. Gebet, fürbittendes, liturgisches (siehe auch Gottesdienst) 62, 156, 169, 163, 169 [Anm. 121], 173, 198, 209, 264, 309, 313, 314, 349, 388, 389, 405, 416, 422, 445, 482, 490, 497ff., 501, 556, 583, 585, 587, 591, 605, 609, 611, 624, 633, 650, 657, 658, 660, 661, 683, 684, 685, 687, 688, 690f., 731 – Dankgebet 346, 500, 655, 656, 684, 716, 726, 729, 730 Gebetsverbrüderung 141, 209, 237, 239, 690

Gefangene 124, 216, 250, 374, 400, 418, 506f., 522, 752 Gegenleistung 156, 159, 163, 181, 184, 185, 195, 439, 729 Gegenseitigkeit 15, 156, 159f., 163, 172f., 212, 218f., 299, 302, 307, 413, 414f., 445, 450, 510, 539, 661, 667, 672 Gehorsam/oboedientia 33, 164, 165, 226, 321, 368, 451f., 464, 496, 517, 604, 631, 634, 662, 678, 691, 720, 735, 737, 739, 745 Geiseln 119, 152, 204, 207, 222, 224, 225, 229f., 368, 405f., 442, 462, 463, 471, 474ff., 493, 510, 512f., 526ff., 532f., 535, 539, 546, 659 Geleit (siehe auch Gesandte) – Herrscher 314, 321 [Anm. 51] – Päpste 148f., 174, 311, 325 [Anm. 64] Geltung 16, 143, 181, 272, 278f., 282f., 289f., 360, 411, 580, 675, 738 gemeinsam, Gemeinsamkeit – Ordnung, Normativität, Recht 15f., 18, 24, 85, 109, 139, 271, 275, 276, 279, 282f., 287, 288, 290ff., 296, 302, 306f., 314, 357, 371, 382, 425, 428, 439, 458f., 633, 639, 659, 675, 705ff. – Glaube, Kirche, Religion 109, 138f., 309, 314, 397, 576, 577, 582ff., 590, 642 Gemeinwesen 19, 30, 45, 196, 198, 433, 440, 458, 556, 560, 598, 631, 685, 723f., 732, 736 genus humanum/Menschheit 358 [Anm. 264], 591, 701, 723, 733, 741 Gerechtigkeit (siehe auch iustitia) 263, 283, 288, 489, 501, 559, 593, 621f., 622 [Anm. 21], 626f., 633, 638ff., 650, 714, 718, 723, 724, 732, 741, 746, 750ff. Gericht 156, 175, 273f., 289ff., 301, 315, 375, 425ff., 517, 565, 598, 610, 621, 714, 732, 743, 753 Gesandte (siehe auch Legat) 1, 15, 18, 22, 37, 38, 39, 40, 60, 77, 94, 110ff., 113, 116, 126, 128, 129, 131ff., 137, 141, 144, 148, 151, 162, 165, 172, 177, 179, 182, 187ff., 204, 215, 216, 221f., 224ff., 230, 232, 234, 239, 240f., 251, 264, 268, 294, 316ff., 463f., 466, 470f., 477, 480, 502, 517, 571, 655f., 662f., 665, 679ff., 691f., 696, 712, 725, 750 – Anhörung 340, 343 – Auftrag 115f., 128, 144, 189 – Auswahl 309, 321ff.

Sachverzeichnis – Befugnisse 351ff. – Behandlung 78, 339, 342, 357, 361, 363, 364, 367, 369, 705 – Durchreise 137, 368f. – Empfang 24, 59, 60, 64, 128, 133, 241, 242, 246, 268, 308ff., 334, 339ff., 343, 351, 356f., 362, 371, 395, 575, 640, 655, 662, 717 – Entlassung 340 [Anm. 164], 343, 360 – Ermordung, Tötung 226, 310, 350, 357ff., 363, 368ff., 476 – Geleit 130, 330, 332f., 339, 353, 357, 358, 365, 367, 369, 371 – Genugtuung 226, 310, 350, 368, 371, 662 – Heiligkeit, heilig 342, 359, 370 – Instruktion 37, 77, 108, 354f., 605 – litterae 365ff. – Rechtsstellung 355ff., 360ff. – Schutz 34, 137, 309, 342, 355ff., 705f. – Sicherheit 38, 66, 355, 358, 367, 369, 371, 656 – Unverletzbarkeit 278, 356 – Versorgung 371 – Vollmacht 131, 223, 353f., 383, 393, 396, 404, 413, 464 – Weisung 320, 354, 393 Gesandtschaft 1, 11, 24, 32, 37, 58, 59, 60, 61, 64, 76, 77, 79, 83, 108, 112, 116, 124ff., 128ff., 137ff., 142, 147, 151, 152, 154f., 166, 177, 189, 208, 210, 213, 215ff., 221f., 225f., 228, 233ff., 246, 251, 254, 256, 260, 270, 291, 306, 308ff., 376, 381, 383ff., 390, 393ff., 430, 438, 446, 447, 448, 453, 455, 459, 466ff., 478ff., 502ff., 509, 517, 523, 541, 545, 569, 640, 655, 662f. 665, 678, 689, 707, 709, 746f. Gesandtschaftsaustausch 113ff., 137, 222, 363 -recht 15, 278, 291, 293, 357, 360ff., 369ff. -verkehr 319ff., 362 -wesen 14f., 40, 94, 316, 356 Geschenke 1, 24, 36f., 41, 63, 68, 70, 77, 110, 113, 137f., 147ff., 154, 172, 177, 214, 216f., 224, 226, 228, 230, 233, 234f., 237f., 265, 267, 286, 309f., 312, 315, 320, 328f., 339, 346, 381, 390, 405f., 436, 438f., 446, 450, 465, 458f., 471, 478, 495, 508, 513f., 532, 561, 569, 572, 574, 587, 638, 653, 657f., 661ff., 670, 679ff., 688f., 707, 729, 737f., 743f.

793

Gesellschaft, gesellschaftlich 17, 27, 90, 276, 590, 616, 618, 625, 627, 628, 650, 652, 682, 687, 704, 705 Gesetz, gesetzlich, Gesetzeswerk 75, 87, 96, 143, 180, 281, 283, 285ff., 289, 293, 488, 562, 595, 633, 713, 718, 754, 756 – göttliches 281, 728, 734 – menschliches, weltliches 28, 604, 633 Gesetzgeber 75, 728 -gebung 57, 93, 180, 199, 262, 289, 488, 598, 641 Gewalt, Herrschergewalt, Regierungsgewalt, weltliche 28, 33f., 37, 40, 59, 74, 86f., 89, 103, 143f., 190, 266, 417, 418, 419, 462, 474, 491, 548, 549, 566, 686, 749f. – geistliche 86, 91f., 465, 557, 575 – richterliche 350 Gewohnheit/consuetudo 15f., 22, 35f., 219, 264, 287ff., 290f., 293, 299ff., 303, 307, 314, 365, 371, 419, 439, 504, 657, 704, 739, 754, 755 Gewohnheitsrecht 272ff., 287, 289f., 293, 714 Gleichberechtigung 124, 139, 211, 226, 236f., 321, 434, 477, 494f., 511, 522, 602 Gleichrang, -rangig, Parität 51, 67, 70, 76, 95, 98, 108, 121ff., 125, 132, 135f., 138f., 211, 309, 332f., 338, 362f., 381, 396, 401, 406, 445, 455, 535, 560ff., 576, 579, 582f., 592, 612f., 656, 661, 673, 682, 693, 700ff. – brüderliche Parität 560, 575, 700 Gottesdienst, Liturgie (siehe auch Gebet) 39, 49, 141f., 163, 167, 264, 312ff., 337, 403, 490, 497ff., 482, 500, 590, 613, 658, 684 Gottesurteil/iudicium Dei 281, 516, 517f., 520, 521, 523 Grenze 1, 3, 8, 10, 59f., 65, 80, 97, 117, 134, 166, 190, 208, 219, 223f., 229, 241, 243, 248, 250f., 261, 311, 320, 339f., 344, 366, 381, 431, 435, 461, 477, 478, 487, 645, 690, 732, 746, 755 – natürliche, historische 257ff., 381, 411, 627 – Außengrenzen 3, 248, 251, 253, 255, 257, 318 Grenzfragen, Grenzkonflikte, Grenzprobleme, Grenzstreitigkeit, Grenzverletzung 133f., 139, 241, 249, 251, 254, 285, 354, 444, 448, 475, 477, 478, 494, 496, 523, 540, 621, 655, 681, 689

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Sachverzeichnis

Grenzgebiet, Grenzraum, Grenzstreifen, Grenzzone 170, 225, 241, 250ff., 259, 561, 474, 525, 754 Grenzlinie 167, 191, 259, 474 -nachbar (siehe auch Nachbarn)119, 751 -ort 226, 301, 338 -festsetzung, -regelung, -ziehung 241, 249, 256, 259, 265f., 379, 400, 411, 415, 419, 480, 504, 540ff., 541 – Treffen an der Grenze 381, 383, 455 – grenzüberschreitend 294, 419, 690 Grenzverhandlungen 348f., 351, 431, 477, 480, 502, 541 – vertrag 189, 398, 541 – wall 253 gültig, Gültigkeit 82, 273, 384, 563, 577, 622, 750, 751, 756 Häresie, häretisch 98, 161, 171, 281, 354, 537, 549, 566, 588f., 593, 595f., 598, 601, 606, 623, 628 Häretiker 161, 184, 500, 582, 595, 601, 686, 688, 729 Handel 63ff., 67, 211f., 214, 218f., 294, 298, 299ff., 307, 415, 417, 421, 433 – Außenhandel, Binnenhandel 66, 300 – Fernhandel 64ff., 300, 307 – Landhandel 418 – Seehandel 301f. Handelsaustausch, -beziehungen 65, 105, 211f., 229, 306 -artikel, -ware 65, 301, 507 -freiheit 307 -geschäfte 418 -kontrolle 301 -partner 67, 416 -privilegien 307, 709, 714, 753 -recht 307 -regeln 22, 66, 301, 302, 397, 434 -stadt 101, 222 -wege 65 Handgeste 537f. Handlungsfähigkeit, äußere, außenpolitische 42, 56, 176, 199, 678 Handmal 398, 408, 411 Handreichung 533, 539 Heer – dänisches 222, 663

– fränkisches 34, 40, 65, 203, 222, 223f., 256, 315, 469, 479, 497ff., 510, 525, 646, 738 – langobardisches 96, 414 – oströmisch-byzantinisches 71ff., 75, 421, 435, 666 – sonstige 256, 525 Heerbann 34, 37 Heeresdienst 41, 151 -folge 35, 63, 228, 243, 445, 447, 453, 455, 480 -versammlung 35, 37, 264, 358 Heerfahrt, – züge 57, 63, 165, 454, 464, 478, 746 Hegemonie 98, 100, 202, 209 Heirat/conubium, -sprojekt, -sverbindungen, 28, 108, 112, 116ff., 124, 125ff., 138, 164, 170, 195, 204, 205, 211, 214, 277, 278, 354, 362, 379, 453, 561, 568, 574, 606, 659, 734 Herkommen 19, 27, 46, 55, 91, 121, 219, 264, 271, 293, 419, 440, 461 Herrschaft, herrschaftlich 17, 18, 30, 31, 38ff., 44, 197, 248, 249, 252, 258, 262, 272, 276, 278f., 404, 418, 420, 428, 460ff., 537, 556ff., 560, 565, 584, 586, 589, 593, 612, 613ff., 622, 694, 700, 703, 705, 712 – arabisch 79, 81, 121, 197, 237, 239, 552 – christlich 61 – fränkisch/karolingisch 1, 3, 4, 27, 29, 33, 42f., 46ff., 49, 61ff., 92, 108ff., 119, 129, 138, 140, 143, 145, 169, 176, 179, 184, 199, 203, 206, 207f., 218, 219, 235, 241, 243, 246, 249, 251, 252, 257, 261, 294, 333ff., 338, 348, 375, 393, 419, 423, 437, 440, 445, 454, 523, 525ff., 528, 534, 539f., 541, 549f., 564, 570, 579, 582, 587, 590ff., 606f., 613, 622, 624, 678, 696, 700, 730, 732, 739, 742, 756 – langobardisch 95ff., 117, 166, 191, 204, 207, 549, 694 – oströmisch-byzantinisch 70ff., 79, 84, 90, 97, 117, 154, 179, 196, 303, 412, 419, 435, 440, 543, 547f., 582, 612, 718ff. – päpstlich/römisch 85f., 89ff., 145, 160, 170, 172, 176, 180, 182, 199, 399, 408, 411, 419, 542ff., 573, 595, 748ff. – sonstige 99ff., 103ff., 209, 215, 224ff., 241, 434, 444, 451, 453, 454ff., 531f., 607, 714 – Alleinherrschaft, -herrscher 74, 152, 165, 206

Sachverzeichnis – – – –

Doppelherrschaft 56, 224, 692 Gesamtherrschaft 60, 450 Fremdherrschaft 221 Universal-/universale Herrschaft, Weltherrschaft, Universalherrscher, Universalmonarchie 126f., 284, 561, 563, 574, 589, 590, 592, 603, 608, 609, 612, 614 Herrschaftsakt, -ausübung 38, 39, 74, 86, 141, 199, 217, 331, 332, 503, 521, 622 -anspruch 262, 446, 570, 592 -antritt, -erwerb, -übernahme, -übertragung, -wechsel 6f., 36, 56, 73, 176, 205, 238, 448, 523, 534, 540, 574, 642, 656, 657 Herrschaftsauffassung, -verständnis 140, 171, 198, 648, 692 -aufgaben 39, 143, 283, 620, 635, 671 -begründung 527f., 535, 536, 563, 565, 648 -bereich, -gebiet 218, 219, 240, 251, 255ff., 278, 279f., 292, 294, 306f., 355ff., 370, 461, 571, 602, 613, 670, 690, 709 – arabisch 215, 237, 256 – fränkisch 3, 17, 27, 29, 34, 57, 80, 88, 95, 96, 101, 122, 152, 169, 176, 179, 206f., 217, 230, 239, 241, 252, 257ff., 261ff., 280, 286, 295, 298, 300, 308, 370, 375, 417, 451, 453, 455, 460, 474f., 479, 487, 491, 493, 525ff., 542, 560, 561, 570, 586, 588f., 590, 592, 605, 612, 656 – langobardisch 97f., 187, 217, 542 – oströmisch-byzantinisch 29, 82, 89, 96f., 101, 105, 112, 138, 144, 218, 237, 302, 472, 542f., 564 – päpstlich-römisch 29, 91, 172, 176, 179f., 186, 207, 219, 399, 400, 417, 542, 748, 750f. – sonstige 101, 250, 298, 417, 455 Herrschaftsbeziehungen 49, 197, 248, 262, 673 -instrument 39 -ordnung 30, 92, 248 -organisation (siehe auch Organisation) 262ff., 401, 419, 424, 700 -pyramide, -hierarchie 565, 573, 575, 582 -rechte, -befugnisse, -pflichten 33f., 49, 419, 453, 454, 520, 523, 595f., 597f., 622 -sitz 96, 98, 105, 108, 332ff., 398, 536 -symbol 67 -teilung 8 -träger 261, 385, 400, 413, 424, 452, 453, 457, 521, 608, 620f.

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-unfähig 124 -verband 3, 6, 17, 19, 27, 28, 31, 37, 42, 44, 49, 56, 57, 88, 95, 98, 246, 253, 261, 265, 269f., 282f., 307, 316, 378, 382, 535, 536f., 596, 629ff., 632ff., 699, 700ff., 706, 711 Herrschaftsverlust 447, 454, 676 Herrscheramt 579, 702 Herrscher-, herrschaftliche Aufgabe 288, 489f., 585, 587, 648 -familie, -haus 293, 322, 576, 694 -folge, -wechsel 31, 32, 75, 97, 117f., 128, 132, 135, 164, 176, 263, 270, 324, 393f., 446, 463 Herrschergewalt, -macht 33f., 37, 40, 61, 89, 143, 266, 536 -lehre 622 -pflichten 520 -stellung 51, 53, 268, 314, 414 -sturz 211 -titel 55, 334, 579, 590, 668 -treffen 222, 308, 312, 314, 319 -verständnis, -vorstellung 62, 483 Hierarchie, hierarchisch 30, 70, 96, 123, 109, 110, 287, 436, 558, 560, 563, 568, 572ff., 582, 591, 594, 606, 608, 667, 700 Hof 36, 38f., 40, 42, 57, 63f., 132, 162, 209, 212, 228, 241, 254, 297, 301, 304, 310ff., 322, 323f., 328, 330, 331f., 337, 339, 340f., 350, 351ff., 361ff., 366ff., 384, 393, 455, 458, 480, 562, 572, 605, 622, 695 Hofamt, -dienst 38, 40, 41, 186, 265, 327, 342 -kapelle 32, 39f., 96, 267, 323, 329, 334, 338 -rang 70 -tag 100, 103, 151, 153, 221, 225f., 228, 230, 283, 308, 315, 320, 328, 332, 447, 453, 455, 466, 504, 539 Hofzeremoniell 119, 343 Hoheitsrechte 174, 190, 238 Huld 1, 267, 350, 361, 362, 498, 517, 521, 665 Iconoclasmus (siehe Bilderstreit) Immunität 180, 360, 409 Imperium, allgemein 42, 45, 49f., 247, 489, 567, 572, 587, 676, 677, 701 – Francorum 520 [Anm. 269], 590, 592 – karolingisch 33, 47f., 50 [Anm. 101], 51ff., 56, 58 [Anm. 144], 62, 124, 246f., 269, 270, 567, 570, 572, 594

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Sachverzeichnis

– oströmisch-byzantinisch 44, 69f., 76, 78ff., 81, 83f., 109, 117, 122, 124, 148, 186, 428, 676 – römisch 50, 61, 567, 590, 593, 613 – christianitatis 585ff., 588, 589 – christianum 50, 61, 63, 487, 488, 560, 573, 584ff., 599, 601f., 605, 608, 610, 612f., 624, 645, 696, 703 – occidentale/-is, orientale/-is 43, 47, 270, 398, 412, 441, 567, 642 – sacrum imperium 558, 573, 593f. Institut 10, 14, 73, 113, 137, 219, 274, 278, 284, 357, 366, 370, 373ff., 374, 429, 451, 459, 503, 505, 507, 515, 520, 531, 540, 553, 652ff., 657, 659, 669, 673ff., 692, 694, 697, 698, 705, 711 Institution, institutionell, institutionalisiert 30, 36, 38, 39, 42, 47, 49, 73, 85, 87, 88f., 92, 109, 140, 145, 185, 209f., 236, 242, 245ff., 259, 262, 268ff., 276, 292, 310, 428, 451, 455ff., 459, 461, 537, 557f., 633, 634, 671, 676, 680, 701ff., 710f., 712 International law 15, 356 Interpretation 22, 25f., 109, 125, 161, 192 [Anm. 198], 197, 238, 292, 378, 383, 440, 487, 522, 581, 599, 605, 610, 612, 667, 672, 676 iudices 35, 94, 187, 269, 287, 299, 313, 389, 618 iudicium 291, 299, 516ff. iura 150, 187ff., 193, 204, 246, 280, 283, 285f., 375, 403, 416, 425, 432, 465, 466, 526, 547, 551, 616, 639, 640, 652, 661, 663, 681, 693, 696 – canonica, divina, humana, naturae 18, 24, 285, 286, 293, 369, 474, 645, 706 Jurisdiktion 88, 93, 144, 180 – Jurisdiktionsprimat 87, 460 ius 18, 19, 179, 180, 284f., 286, 675, 681 – civile 277ff., 373 – cogens 273f. – fetiale 359, 374, 402, 502, 704 – Francorum 527 – gentium 17, 20, 248, 248 [Anm. 11], 277ff., 291, 293, 306, 357, 359f., 428, 635, 704, 706 – honorarium 373 – publicum 86 – sacrum 676 – strictum 373

iustitia 62, 156, 165, 168, 204, 206, 266, 269, 292, 347, 400, 425, 452, 454, 464, 467f., 470f., 478, 517, 523, 545, 547, 551, 587, 604, 621, 634, 636, 637ff. iustitiam facere 152f., 188, 197, 284, 288, 299, 303 [Anm. 39], 348, 368, 480, 489 [Anm. 113], 503, 512, 514f., 520, 535, 587, 638 Kaisererhebung Karolinger 32, 33, 50f., 55, 62, 124, 125ff., 174ff., 199, 212, 234f., 237, 314, 334, 364, 376, 393, 448, 489, 560f., 566, 569, 582, 586ff., 590ff., 606ff., 614 Konstantinopel 71ff., 74 Kaiser-/kaiserliche Herrschaft – karolingisch 179, 217, 246, 590ff. – oströmisch-byzantinisch 71 Kaiseridee 55 Kaiserkrönung 50, 52, 55, 67, 69, 92, 124, 125ff., 199, 261, 594, 608f., 654 kaiserliche – Gewalt 144 – Rechte 53f., 152, 176, 199, 653, 678 – Stellung 98, 175, 213, 466, 563, 573 Kaisertitel 47, 53ff., 62, 567, 569, 570, 656 Kaisertum 99, 123, 570ff., 615 – karolingisches, westliches 10, 12, 49ff., 60ff., 107, 126f., 199f., 236, 344, 396, 569, 570, 572f., 583, 594, 597, 606f., 609, 615, 700 – oströmisch-byzantinisches 70ff., 76, 437, 582, 593f. – römisches 54, 435, 594, 710 Kaufleute 34, 65f., 210, 212, 214, 222f., 229, 246f., 286, 294ff., 299ff., 306f., 328, 344, 350, 415, 417, 427, 661, 663, 668, 689, 753 Kirchenorganisation 182, 215, 226, 527, 619 -recht 142, 147, 183, 226, 286, 561, 639 -reform 62, 88, 140ff., 155, 172, 182, 199, 605f., 620 Königsfrieden 283, 370, 638 Königs-/königliche Herrschaft 33, 41, 43, 46ff., 54, 61, 92, 95f., 103, 110, 117, 140, 203f., 206f., 224, 228, 246, 261f., 294, 450, 454f., 462, 517, 582, 678 Königsrecht 17, 45, 54, 57, 67, 271, 282f., 288, 291, 294, 295f., 298, 300, 306 -schutz 34, 282, 296, 299, 301f., 370

Sachverzeichnis Königtum 31f., 34, 51, 54, 60, 61f., 95, 97, 119, 123, 146, 163, 184f., 206, 267, 311, 428, 479, 491, 536 Kommunikation 308ff., 321, 355, 363, 465, 503f. Konflikt 36, 41, 51, 54, 60, 70, 81, 86, 93, 97, 166, 171, 176, 183, 209, 237, 239, 241, 289f., 291, 330, 421, 432, 444, 464f., 477, 480f., 490, 513, 540, 548, 595, 609, 643, 645f., 649f., 670, 681, 692, 695f., 702f., 707 Konsens/consensus 15f., 55, 272, 289, 374, 579ff., 686 Kontinuität, Diskontinuität 18f., 69, 263, 266, 324f., 328, 356f., 360, 420, 540, 644, 710ff. Konzil /concilium (siehe auch Synode) 52, 74, 81, 86, 94, 99, 142, 549, 561f., 563, 576, 596ff., 618, 701, 722 – Frankfurt (Synode) 35, 38, 142, 171, 210, 215, 563, 572, 579, 582, 588, 615 – Hierera 82, 114 – Nicaea II 74, 82f., 121ff., 143, 210, 562f. 564, 566f., 577, 579ff. – Ökumenizität 123, 562, 563f., 576, 580, 583 – Universalität 123, 563, 580, 581f., 583 Konzilsakten, -texte 22, 624, 626 -beschlüsse, -ergebnisse 83, 563, 566, 576, 577ff., 594, 614, 702 -theorie 581f. Kreuzzug 11, 237, 476, 597, 645 Krieg 28f., 31, 34ff., 98f., 107, 173, 188, 219, 240, 246, 248, 249, 253, 260, 262 ff., 268, 277, 291, 369, 374, 451, 460ff., 496ff., 522f., 605, 611, 617, 622, 625, 630, 640, 643ff., 646, 702f., 707, 712 – fränkische Kriege gegen – Araber (Spanien) 101, 221, 232, 234, 243, 251, 264, 424, 476 – Awaren/Hunnen 28, 221, 254, 264, 476ff., 483 – Byzanz 129ff., 192ff., 196f., 217f., 234, 236, 344, 353, 361f., 393, 471f., 567, 702 – Dänen 221ff., 304, 345, 444, 451, 472f. – innere Gegner 233, 453, 462ff., 524 – Langobarden 99, 117, 151, 152f., 166, 189, 192ff., 195, 202, 206, 267, 269, 291, 426f., 453, 465ff., 482 – Sachsen 44, 221, 228, 256, 257, 264f., 286, 368, 383, 442, 453, 473ff., 491ff., 587

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– Slawen 104, 227ff., 431 – Sonstige 215, 241, 264, 436f., 473, 478ff., 672 – Abwehrkrieg, Verteidigungskrieg 221, 453, 472, 499, 501, 523, 645, 647ff. – Angriffskrieg 222, 483, 498, 645, 649 – Bürgerkrieg 453, 523, 647, 696, 703 – Heiden-, Missions-, Religions-, heiliger Krieg 474, 482, 483ff., 486, 492ff., 500, 611 – Präventivkrieg 483, 486, 523 – Seekrieg 239 – Strafkrieg 474f., 476, 481, 490f., 516, 521, 522 – gerechter Krieg/bellum iustum 460, 465, 483, 492, 504, 516, 617, 630, 643ff., 646ff. – Formalisierung 520 – normative Ordnung 478, 487ff., 524, 643 – Unterwerfungskrieg 461, 473ff., 480ff., 509f., 611 Kriegsandrohung 502 -anlaß, -grund 227, 249, 252, 256, 309f. 340, 343, 348, 358, 416, 427, 440, 469, 474ff., 477, 480, 483, 520, 522, 533, 539, 646ff., 650, 663 Kriegsansage, -erklärung/bellum indicere 22, 309, 342, 502 ff., 519ff. -beendigung 344, 378f., 393, 415f., 433, 441, 444, 509ff., 529 -beginn 468, 471, 478, 502ff., 643, 663 -beschluß 151, 264f., 478, 482 -beute, Beuterecht/ius proelii 41, 67f., 166, 216, 267, 471, 482, 493, 507ff., 525, 547, 549, 551, 622, 746 Kriegsdienst 35, 151, 451 -flotte 752 -folgen 197, 522, 532, 537 -folgepflicht 41, 453 -führung 34, 37, 41, 103, 260, 264, 321, 493, 502, 505ff., 520, 522, 644, 650 -gefangene 124, 506f. -handlungen 415, 462 -lehre 649 -liturgie 497ff. -recht/ius belli, ius militare 231, 253, 277, 278f., 291, 444, 461, 464, 502, 522ff., 643 Recht zur Kriegführung/ius ad bellum 461, 519 Recht im Kriege/ius in bello 279, 451, 493, 505ff., 521

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Sachverzeichnis

Rechtsgang 516ff., -rechtfertigung 368, 371, 446, 462ff., 468, 472, 478, 481f., 483, 646, 649 -system 253 -teilnahme 41 -vermeidung, -verhütung 348, 466, 471, 480 -ziele 522, 630, 634, 636 -zustand 138, 345, 433, 509 Legat (siehe auch Gesandte) 35, 82, 116, 122, 171, 209, 210, 226, 316ff., 561, 581, 642, 701 legis ordo 145, 188, 286, 391, 416, 465, 466, 512, 545 Lehnsrecht (siehe Vasallität) lex/leges 22, 263, 286f., 289, 295, 298, 300, 301, 360, 363, 411, 489 [Anm. 113], 494f., 511, 587, 638, 641 Libri carolini 22, 25, 33, 70, 120f., 123f., 142f., 157, 171, 237, 332, 334, 556, 561ff., 575ff., 592, 594, 604, 614f., 618, 694 Liturgie 49, 141f., 264, 314, 490, 497f., 590, 613, 684 Lösegeld 507 Mark/marca 28ff., 40, 105, 134, 225, 232, 249ff., 255f., 258, 383, 430, 442, 475, 476, 479, 480, 496, 498, 534, 588 Methode 18, 25, 78, 401, 707ff. Mission 29, 66, 77, 85, 88, 98, 99, 103, 141, 148, 182, 208, 209, 211, 226f., 234f., 294, 297, 349, 445, 455f., 487ff., 495ff., 584, 589, 601, 611, 666, 679, 703 missus (siehe auch Gesandte) 181, 301, 316ff., 347, 365f. Monismus, monistisch 85, 86, 145 Monotheletismus 74, 81, 87, 121, 122, 561, 597 mos 19, 151, 287, 301, 313, 382, 514, 527, 611 Moral, moralisch 142, 290, 402, 452, 461, 465, 489, 531, 535, 619, 640, 644, 646, 691, 697 Multilateralität 701f. Nachbar (siehe auch Grenznachbarn) 17, 29, 44, 59, 69, 76, 88, 95, 119, 138, 218f., 221, 227, 251f., 255f., 344, 399f., 411, 419, 431, 541, 644, 751 – Nachbarland 302, 304

– Nachbarschaft, nachbarschaftlich 1, 8, 107, 117, 200, 218, 230, 241, 243, 248, 254f., 305f., 419, 541, 624 Nachfolge, -ordnung, -regelungen 574 – fränkisch 7f., 32, 34, 46, 48, 152, 169, 176, 183, 205, 261, 427, 570, 603 – oströmisch-byzantinisch 54, 71ff., 80, 211 – päpstlich 81, 87, 92, 172f., 263, 610, 725, 738 – sonstige 40, 95f., 100, 101, 105, 264, 472 Naturrecht/ius naturale 17, 20, 272, 277ff., 293, 374, 428, 522, 701 Nichtchristen, nichtchristlich 17, 37, 95, 103ff., 242, 217, 424, 481, 617, 632, 637, 679 Nichterfüllung 153, 192, 426, 469, 503 Nichtkombattanten 506, 522 Niederlage 45, 179, 187, 194, 221, 308, 345, 377, 406, 422, 425, 432, 454, 469, 491, 513, 514f., 516, 525, 526, 531, 538, 549 Norm, -begriff 18, 21, 22, 272ff., 290, 291, 292, 309f., 312, 316, 370f. – allgemeine 289f. – gemeinsame 293, 705ff. – moralische 461, 697 – Parallelität 279, 705ff. – positive 22 – Primärnorm 367, 369 – rechtliche (siehe Recht) – religiöse 18, 30, 158, 296, 359, 460, 522, 704f. – Schutznorm 359, 371 – subjektive 425 – weltliche 704f. – Verfahrensnormen 290 Normalität, Normalzustand 138, 504, 643, 707 normative – Aussage 22, 23ff. – Begriffe 617f., 709 – Darstellung 173, 512 – Einheit 701, 710 – Formen, Instrumente 29, 137, 429, 460 – Funktion 256, 680 – Grenzen 522 – Grundlage 138f., 198, 230, 240, 242, 371, 524, 542, 551, 571f., 616, 619 – Inhalte 26, 158, 179f., 186, 689, 691, 692 – Institute 14, 219, 711

Sachverzeichnis – Rahmen 482 – Regelungen 63, 359 – Strukturen 19, 30, 107, 155, 157, 199, 214, 677, 705 – Überlieferungen 710 – Verbindung 215, 263 – Vorgaben 361, 463 – Vorstellungen, Normativitätsbewußtsein 277, 291, 293, 369, 371, 372, 482, 591 – Zeremoniell 314 Normativität 10, 15, 18, 19, 22, 23, 26, 504, 510, 549, 708f. – fränkische 21 – Multinormativität 691, 697, 704ff., 711 Normbildung 372 Normensymbiose 704 Normensystem 289, 356 Normgeltung, gemeinsame 279, 283, 675 Normierung 366 Normtexte 20 Oberhoheit, Oberherrschaft – fränkisch-karolingische 28, 30, 37, 95, 119, 126, 129f., 179ff., 199, 204, 207, 217, 228, 238, 243, 265, 308, 321, 446f., 453, 454ff., 460, 462, 475, 478, 496, 517, 525f., 527, 534, 538, 542, 549, 550f., 568ff., 591, 611, 678f., 700 – oströmisch-byzantinische 14, 69, 70, 108, 161, 218, 400, 440, 665 – päpstliche 169, 170, 195, 420 – sonstige 104, 233 Ökumene 69, 76, 82, 556 Opfer/offertorium 154, 389, 397, 405 optimates 35, 40, 149, 152, 246, 262, 264f., 267f., 330, 420, 469, 512, 513, 677 Ordnung/ordo 3f., 6, 8, 10, 12, 18, 24, 25, 27, 30, 32, 44, 51, 53f., 62, 84, 86, 107f., 123, 143, 145f., 196f., 202, 216, 219f., 242, 243, 245, 259, 262, 264, 267f., 270, 271, 280f., 283ff., 314, 356f., 396f., 401, 405, 407, 425, 428, 434, 440, 441, 446, 460f., 465, 481, 486, 494f., 515, 521, 522, 525, 534, 540, 553ff., 558ff., 573, 575, 593, 597, 608, 614, 618ff., 621f., 628, 630ff., 637ff., 646, 648, 677, 680, 692, 696, 698, 699, 700ff., 704, 712 Ordnungsfunktion 571 -raum 543, 708

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– Europa 6ff., 13, 27, 60, 83, 92, 123, 140, 144, 146, 170, 260f., 446, 473, 481, 535, 543, 558, 568, 710f. – Welt 1, 3, 6, 52, 61, 85, 277, 292, 403, 553f., 556f., 558, 561, 563f., 566, 568, 572, 573, 575, 576, 582, 584, 592, 610, 612ff., 616f., 635, 651, 679, 699f., 703, 711 Ordnungsstrukturen 421, 428, 556, 584 -vorstellungen, -bewußtsein 8, 12, 423, 556, 558f., 568, 584, 591, 634, 641, 700, 706 -grundlagen 359, 638 Organ, Organschaft 16, 31, 33, 36, 46, 247, 269f., 274, 283, 401, 433 Organisation 16f., 29, 31, 40, 49, 57, 74, 76, 85, 86, 89, 93f., 95, 103, 104, 141, 182, 215, 245f., 252f., 259, 260, 262, 273, 278f., 331, 428, 434, 450, 473, 477f., 479f., 481, 527, 534, 619, 634, 677, 699, 701, 702, 710 pacem petere (siehe Friedensbitte) pactio 373ff., 384ff., 426, 439 pactum (siehe auch Vertrag) 19, 24, 128, 130, 133, 135, 137ff., 149f., 157, 172f., 177, 187f., 200ff., 213f., 215, 233ff., 246, 280, 291, 298f., 349, 373ff., 386, 390, 412ff., 416, 420, 422, 424f., 427, 430, 432, 450, 451, 458, 502, 509, 512, 522, 531, 535, 605, 616, 636, 652, 655, 661, 663, 670, 680ff., 690, 698, 701 – Abschluß 656, 679 – Begriff 373ff., 429, 443, 459, 540 – Hludovicianum 22, 40, 92f., 177ff., 188, 196, 199f., 250, 259, 265, 315, 373, 407ff., 550, 657, 660, 678, 748ff. – Veneticum Hlotharii 14, 22, 59, 66, 93, 130, 132, 182, 199, 218ff., 250f., 263, 265, 294, 299, 302f., 305, 307, 373, 398ff., 407, 410ff., 415, 417ff., 421, 425f., 444, 541f., 678, 751ff. Papstwahl 88, 92f., 158, 163, 165, 172f., 177, 179ff., 183, 199f., 205, 270, 354, 376, 408ff., 657ff., 678, 725, 737, 750 – Wahlanzeige 91, 158f., 165, 173, 177, 179f., 200, 390, 432, 592, 658 parallel, Parallele, Parallelität 271, 279, 306f., 333, 371, 398, 409, 419, 528, 586, 588, 675, 693, 694, 705f. Parität (siehe Gleichrang) pars 44f., 123, 385, 564, 567, 579f., 614

800

Sachverzeichnis

Partner 21, 70, 77, 159, 163, 182, 210, 216, 263, 267, 269f., 286, 307, 308, 319ff., 382, 395, 402, 403ff., 410, 415, 434, 439, 538, 656, 660, 666, 669ff., 676, 679, 681, 689, 694 Bündnispartner 112, 151, 154, 216, 434f., 440, 690 – Handelspartner 67 – Rechtspartner 576 – Verhandlungspartner 10, 352 – Vertragspartner 133, 150, 153, 159, 189, 193, 219, 243, 268, 274f., 383, 385, 389f., 392, 395, 397, 401, 413, 416, 418ff., 422ff., 427, 444f., 709 Pate, Patenschaft/compater, compaternitas, 122, 157f., 169, 198, 225, 450, 455, 473, 484 [Anm. 84], 574ff., 695ff. pater 70, 110, 138, 143, 147, 165, 172, 376, 440, 561, 565, 574f., 582, 591, 605, 612, 665, 683, 694, 697, 700 Patrimonium Petri 90, 99, 154, 314, 432, 444, 482f., 485, 535, 542, 547 patricius – oströmisch-byzantinisch 89, 109, 119, 130, 166, 186, 398, 436, 471 – romanorum 117, 122, 159, 167, 174, 183ff., 200, 313, 548, 573, 654 pax (siehe auch Frieden) 19, 25, 34, 62, 111, 128, 135, 179, 215, 223, 225, 232f., 234, 239, 242, 266, 277, 285, 292, 295f., 298, 345, 374, 380f., 396, 399, 404, 408, 417, 420f., 424, 429, 431, 446, 458, 482, 485, 523, 557, 559, 591, 615, 616ff., 630, 632, 663, 677, 681, 691, 698f. – pax caelesta 631ff., 636, 646f. – pax Christi 625 – pax facere, facta 14, 130, 377ff., 383, 441ff., 616f., 635 – pax terrena, temporalis, Babylonis 625, 629, 631ff., 646, 649 – pax vera 624, 632 perfidia (siehe Treulosigkeit) Personalitätsprinzip 66, 181, 261, 280f., 382 Personalunion 56f. Personenverband, Personenverbandsstaat 30, 246f. Pilger 34, 105, 210, 214, 235f., 246f., 286, 294f., 297f., 306f., 328, 349, 415, 417, 427, 623, 631ff., 661, 662f., 668, 689

placitum 24, 35, 150, 187, 188, 373ff., 387, 442, 452, 474, 505, 509, 540, 530 Plünderung 65, 216, 505, 535 Pluralität 6, 107, 280, 282, 404, 560, 568, 576, 583f., 588, 602, 612ff., 699ff., 711 populus 44, 278, 416, 430, 434, 488, 494, 627, 677 – christianus 173, 213, 584f., 590f., 601, 605, 610, 620f., 627, 641 – romanus 91, 144, 197, 467, 676 Positivierung 245 Positivität 275f., 360, 632 potestas 33, 36, 43, 45f., 135, 178f., 196, 250, 263, 268, 408, 528, 535f., 547f., 550, 551, 558, 575, 588, 598, 600f., 603, 610, 624, 642, 666 Primat, päpstlicher 74, 81, 85ff., 93, 123, 564, 577, 597f., 604, 609 Privileg 21, 65ff., 70, 77, 296, 300ff., 304, 307, 357, 360, 371, 388, 391, 410, 412, 414, 428, 709, 749 Rat und Hilfe/consilium et auxilium 34, 41, 670f., 674, 689 Ratifikation, Korroboratio 16, 381, 393, 395f., 408, 436, 577 Raum (siehe auch Grenzgebiet etc.) 3f., 5f., 18f., 42f., 48, 65, 80, 88, 140, 170, 211, 246, 248ff., 259, 262, 282, 434, 445, 458, 481f., 483, 485, 524, 699, 705, 708ff., 712 – Raumordnung 248, 252, 543 Rebellen/rebelles 250, 265, 331, 424, 443, 475, 481, 506, 519, 521, 525f., 643 Rebellion (siehe auch Aufstand) 207, 447, 475, 503, 514, 517, 522 Recht, Rechte – alte 66, 298ff., 302, 419, 478 – ewiges 285, 619 – gemeinsames 276, 278, 282, 293, 297f., 306, 371, 382, 428, 439, 706 – göttliches 99, 285, 293 – modernes 245 – nationales 16f., 273, 275 – personales 17, 261, 270, 281, 294f., 409, 419, 427 – positives 275, 278, 284, 293, 503, 620, 701 – säkulares, weltliches, menschliches 16, 18, 227, 293, 360, 286, 397, 403, 404, 408, 474, 478, 533, 711f.

Sachverzeichnis Rechtlosigkeit 295f., 370 Rechtmäßigkeit 548, 550, 581f., 650 Rechts-/rechtlich -akt 108, 109, 261, 264, 353, 390, 410, 502, 510, 516, 520, 522, 524, 528, 532, 568, 574, 576, 681 Rechtsband, -beziehung 28, 108, 177, 242, 282, 428 -begriff 17, 48, 157, 377, 433, 528, 540, 544, 569, 664 -begründung 16 -bindung 157, 166, 186, 263, 266, 420, 422ff., 436, 515, 522, 526, 532, 676 -bruch (siehe auch Vertragsbruch) 426, 468, 470, 472, 475, 480, 482f., 494, 504, 515, 522, 644f., 648f. Rechtsdenken, -überzeugung, -verständnis, vorstellung 251, 271, 277, 279f., 286, 290, 293, 425, 524, 540, 542f., 705f. Rechtsebenen, -stufen 299, 371, 425 -einheit 45, 48, 56, 249, 261, 281, 290, 292, 494 -entwicklung, -fortbildung 274, 283, 558, 706 -folgen 286, 503, 528, 531ff., 690, 697 -friede 283, 289, 298 -gang 481, 516ff., 521 -gebiet, -raum 255, 282 -gemeinschaft 96, 262, 271, 280, 282f., 286f., 296, 382 -genossen 271, 282f. -gewährleistung 52 -gewohnheit 17, 283, 289ff., 296, 706 -grund 228, 387, 461, 471, 474, 477, 522f. -grundlage 139, 174, 178, 197, 273, 368ff., 457, 536, 543, 546ff., 691 -grundsätze 272, 279, 357, 372, 382 -institut, -institution 278, 284, 429, 451, 459, 503, 505, 540, 657, 674, 692 -instrumente 221, 271, 293 -kategorie 286 -kreis 17f., 252, 294, 357, 419, 423, 518, 671, 705 -kultur 21, 273 -materie 280 -ordnung 18, 45, 48, 114, 150, 246, 267, 270ff., 276f., 279f., 281ff., 284, 287, 291, 293, 357, 382, 405, 407, 428, 466, 473, 525, 640, 705f., 711

801

Rechtspflichten 154, 156, 420, 472, 544, 562, 657, 670, 689 Rechtsprechung 75, 181, 199, 219, 273, 281, 303, 418, 598, 621, 638ff., 750, 755 Rechtsquellen 20ff., 65, 272f., 297 -regeln 30, 138, 287 -regelung 223 -schutz 212, 304, 364, 418 -setzung 17, 21, 273, 283, 286f., 535 -status, -stellung 159, 298, 304ff., 310, 355ff., 434, 538, 689, 694 -streit 478, 670 -struktur 167, 410, 457 -subjekt, -subjektivität 270, 274f., 677 -text 22, 249, 360, 367, 519 -urteil 520 -verband 307 -verbindlichkeit 399, 404, 425 -verhältnis 50, 196, 243, 278, 280, 284, 387, 431, 434, 442, 451, 458, 522, 530, 537ff., 572, 669, 671, 681, 693 Rechtsvorgang 261, 516ff. -vergleichung 246 -verwirklichung, -wahrung, -durchsetzung 283, 304, 414, 520f., 639f. -wirkung 1, 399, 503 -zersplitterung 281 -zustand 215 regnum 42ff., 47ff., 50, 62, 158, 196, 246ff., 259ff., 262, 269f., 488, 501, 570, 585, 588f., 611f., 622, 638ff., 643, 647, 665, 693 – Aquitanien 59, 259 – regnum Francorum, Karolinger 31, 33, 40, 43ff., 51f., 198, 248f., 261f., 290, 524, 566 – regnum Langobardorum, Italiae 43, 56ff., 217f., 259, 261, 283, 399, 418, 534, 536, 570 Reichseinheit 56ff., 59f., 97, 593 Reichsgebiet – fränkisches 222, 226, 252, 523, 662f. – oströmisch-byzantinisches 76, 79, 126, 217, 240, 342 Reichsteil 28, 31, 48, 56ff., 80, 95, 146, 255, 258, 260, 332, 502, 537 Reichsteilungen 502, 570, 596, 603 Repräsentation 269, 330, 332 res publica 629, 631ff., 649 – romanorum 90ff., 150, 164, 186, 188

802

Sachverzeichnis

Richter 40, 52, 174, 175f., 180, 287f., 302f., 305, 350, 518, 598, 637, 649, 726, 730, 735, 736 -spruch 291 Riten/ritus 18, 312, 314, 374, 380, 382, 433, 491, 497, 610 Rituale 292, 309f., 339, 362, 680f. Rückführung 208, 210, 213, 345, 418, 454f., 472, 571f., 587, 610 Rückgabe/restitutio 112, 122, 131, 147, 161, 188f., 193, 278, 339, 387, 415, 418, 432, 456, 463, 471, 511, 531, 538, 541, 542ff., 547ff. Säkular, Säkularität 371, 551, 573, 600, 635, 701, 702, 704, 708, 711 Sanktionen 371, 425ff. Schaden, Schädigung 250, 295, 414, 417, 724, 734, 471f., 741f., 746, 752 Schadensersatz, Entschädigung 417, 466f., 717, 751ff. Schenkung/donatio 21, 39, 91, 113, 120, 152, 155, 156, 162, 167f., 173f., 178, 187ff., 206, 254, 257, 259, 261, 263, 265, 267, 267, 269, 314f., 378, 387ff., 391f., 397, 404f., 407f., 426, 466ff., 497f., 542ff., 608, 653, 724 Schenkungsversprechen/promissio donationis 39, 91, 120, 150, 152ff., 160, 165, 167, 187ff., 190, 191ff., 204f., 254, 257, 259, 263, 265, 268f., 387f., 391, 404, 466, 468f., 542ff., 606, 643, 653 Schenkungsurkunde 262, 723f., 748f. Schiedsrichter 145 Schiffahrt 303, 415, 541 Schlüssel/claves 144 [Anm. 20], 154, 163, 172, 190, 192, 235, 346, 546, 689, 707 – geistliche 559, 599, 601, 606, 735 Schlüsselgewalt 87, 598 Schutz (siehe auch Königsschutz) 37, 54, 65, 209f., 227f., 252f., 256ff., 263, 268, 272, 295f., 304, 431, 445, 474, 478, 497f., 529, 587, 658, 696 – der Gesandten (siehe dort) – der heiligen Stätten, Christen, Pilger 34, 235ff., 662, 666, 689 – der Kaufleute 34, 66, 689, 713 – der Kirche, Roms und des Papstes 55, 61, 89, 92, 155ff., 162, 172, 175, 181, 184, 198f., 469, 471, 478f., 480, 484, 549, 561, 573,

598, 599, 601, 607f., 621, 692, 695, 715, 726, 727, 731, 738, 750, 756 Schutz der Vasallen 213, 224, 242, 472 Schutz und Hilfe 155, 224, 451, 457 Schutzbegehren, -suche 240, 241, 456, 529 -erklärung 298 -herr 207, 282, 295ff. -hoheit, -gewalt 175, 241, 297 -pflicht 213, 695f., 731 -rechte 238f. -verhältnis 454, 456, 532 -versprechen, Schutzvertrag 181, 200, 417, 451, 539 -wall 223 Schwur (siehe auch Eid) 230, 382, 433, 511, 724, 753, 756 Schwurfreundschaft 14, 200, 653, 669ff. Seeräuber 65, 239f., 298, 479, 679, 703 Seerecht 303 Sklave, Sklaverei 65, 168, 239, 281, 301f., 304f., 417, 474, 507, 752, 754 societas 139, 247, 373f., 429, 445, 447, 448ff., 451, 458f., 629f., 632, 652, 655, 666 souverän, Souveränität 15ff., 36, 246, 263, 271f., 276, 398, 440, 454, 474, 519, 524, 708 Spielregeln 292f., 310, 315, 362, 521, 704 sponsio 157, 159ff., 164, 433, 459 Staat 11, 15ff., 30, 198, 245f., 248, 261, 268, 271ff., 275f., 357, 404, 457, 519, 525, 628f., 666f., 677, 699, 702, 705, 708f., 711 Staatsgebiet 248, 261, 272, 524f. -gewalt 31, 36, 248, 263, 272, 401, 418, 524, 589 -recht, staatsrechtlich 53, 85, 88, 91, 93, 275, 531 -religion, -kirche 87, 562, 593, 596 -volk 43, 45, 248 Stellvertreter Petri 87, 161, 165, 192, 408, 548, 732, 734f., 737, 742 Streitbeilegung, friedliche 461ff., 643, 649 subditus 211 Suprematie 571f. Synode/synodus (siehe auch Konzil) 35, 38, 74, 82f., 87, 94, 99f., 115f., 123, 136, 138, 140, 142f., 155, 162, 171, 179, 182, 209f., 215, 283, 349, 375, 559, 561, 563, 571, 579f., 581f., 583f., 601ff., 615f., 618ff., 654, 701ff., 705, 722

Sachverzeichnis Synodalbeschluß, -dekret 285, 559, 617, 618ff., 637, 639f. Territorium 169, 196, 246, 248ff., 259, 261f., 413, 485, 501, 543, 550, 648 Teilungsordnung (siehe auch Reichsteilung) 255, 258, 262 Thronfolge (siehe auch Nachfolge) 31, 71, 73, 709 Tradition, traditionell (siehe auch Überlieferung) 20, 24, 29, 44, 46, 50, 52, 53ff., 69f., 74, 105, 186, 237, 259, 280, 291, 293, 310f., 313, 334ff., 342, 355ff., 389, 425, 439, 460, 499, 503, 540, 548, 556, 563, 593, 595ff., 620, 628ff., 635, 644, 646, 652, 668f., 675, 680, 706, 710 Träger der Beziehungen, der Ordnung, Trägerschaft 17ff., 31, 33, 37, 42f., 45f., 60, 85, 93, 245ff., 262ff., 268ff., 276, 400, 413, 419, 452f., 519, 557, 561, 589, 595, 601, 604, 676ff., 700, 708 translatio 608 Treubruch 28, 41, 207, 250, 427, 461f., 464, 474ff., 478, 480f., 504, 514f., 539, 550 Treue (siehe auch fides) 29, 41, 156, 320, 404, 422, 424f., 447, 465, 474, 491, 498, 508, 521, 533, 606, 641, 670, 676, 685, 687, 714, 723, 725, 729, 735, 737f., 744f. Treueid, -gelübde, -versprechen 41, 93, 119, 177, 181, 199, 230, 284, 295, 402, 409, 414, 423, 452f., 491f., 510f., 527, 532f., 538 Treueverhältnis 439 Treulosigkeit, Untreue/infidelitas, perfidia 37, 217, 228, 230, 265, 284, 423, 442, 445, 446f., 462f., 476, 479, 492, 494, 517, 532f. Tribut 37, 44, 68, 70, 79, 119, 147, 149, 153, 202ff., 216f., 223, 226, 228, 230, 240, 265, 286, 320, 377, 406, 415f., 424, 439, 444ff., 465, 470, 510ff., 526ff., 532, 535, 539, 569, 669, 672, 749 Übereinkunft (siehe auch Vereinbarung und Vertrag) 1, 277, 375, 377, 383, 635, 641, 713, 717, 756 Übergabe 113, 153f., 160, 168f., 189f., 193, 197, 238, 337, 375, 389, 397, 402, 469, 505, 513, 529f., 532, 538, 540, 544, 546f., 624 Überlieferung (siehe auch Tradition)12, 21, 23f., 112f., 197, 307, 331, 351, 365, 371,

803

425, 450, 456, 581, 605, 626, 635, 639, 653, 685, 710 Übersendung 141, 169, 216, 346, 395, 406, 569, 591, 664, 707 Übung (siehe auch Gewohnheit) 272, 289, 291, 293, 338, 408, 481, 502, 527, 638, 640 Umsiedlung, 475, 535 unanimitas 22, 441, 616ff., 621, 624, 627f., 636f., 642, 652, 660f., 675, 686ff., 694, 697f., 704 Unabhängigkeit 70, 91, 95, 110, 176, 206, 207, 376, 454, 457, 460, 475, 493, 572f., 696, 708 Universalität 89, 271f., 276, 356, 612ff. – Christentum, Kirche 485, 583, 608 – Konzil (siehe dort) Universalitätsanspruch 711 – karolingisch 567, 582, 588 – oströmisch-byzantinisch 69f., 110, 121 Unterschrift, Unterzeichnung 39, 193, 264f., 268, 353f., 379, 385ff., 395, 397f., 400f., 409, 543, 717, 750 Untersuchung 93, 137, 175f., 180, 284, 350, 354, 455, 747 Unterwerfung 8, 23ff., 45, 69, 107, 110, 152f., 192, 194, 217, 219, 222, 226, 230f., 240, 242, 252, 259, 291f., 297, 338f., 348, 368, 379, 383, 389, 406, 416f., 424, 436, 442, 454, 456, 472, 480f., 483, 486ff., 491f., 495f., 500f., 505, 509ff., 522f., 524ff., 549f., 568, 571f., 589, 611, 622, 634, 648f., 696, 700 Unterwerfungskrieg 95, 461f., 473ff., 482 Urkunde 21, 39, 43, 91, 98, 129, 131ff., 147, 154, 168, 175, 177f., 181, 188, 191ff., 218f., 247, 262, 269, 302, 307, 334, 337, 352, 355, 375ff., 379, 384ff., 404f., 407ff., 420, 430, 436, 549, 551, 723f., 730, 732, 748f., 756 Urteil, Verurteilung (siehe auch Gottesurteil) 20ff., 35, 82, 87, 114, 121, 171, 175, 210, 215, 273, 284, 289f., 425, 426, 427, 444, 469, 481, 491, 513, 520, 528, 566, 582, 588, 741, 753f., 755 Vasall, Lehnsrecht 28, 213, 215f., 221, 224, 231, 242f., 288, 304, 415, 423, 429, 450ff., 456f., 459, 462ff., 465, 472, 481, 517, 537ff., 569, 571, 690, 696, 709 Vasalleneid 28, 423, 463f., 539 -treue 481

804

Sachverzeichnis

Vaterschaft/paternitas 390, 667, 694, 697 Verallgemeinerung 25f., 290, 645f., 661, 675, 708ff. Verbannung 36, 74, 81, 82, 88, 447, 729 Verantwortung 579, 588, 591, 610, 613, 648, 663 Verchristlichung 142, 482, 613, 644, 645, 682, 685 Vereinbarung (siehe auch Übereinkunft und Vertrag) 66, 93, 112, 177, 179, 181, 214, 218, 233, 256, 277, 294, 302, 305ff., 331, 346, 371, 374, 380, 388, 390, 397, 400f., 410, 414, 416ff., 424, 427, 502, 511, 519, 636, 660, 663, 665, 679, 748, 750, 751f., 755 Verfahren 24, 25, 40, 122, 133, 139, 179, 232, 273, 290f., 305, 341, 343, 356, 360, 367, 381, 386, 388, 392, 394f., 401, 405, 411, 419, 425, 427, 436, 462f., 516, 521, 580 Verfassung, -sordnung, -srecht 19, 27, 28, 30ff., 54, 73, 92ff., 181, 186, 246f., 264, 268, 493, 504, 534, 598, 676ff. Verfügung, Verfügungsgewalt 397, 524, 531, 534, 535, 542f., 547ff., 563, 674, 719f., 750 Vergeltung 358, 741 Vergleich (methodisch) 26, 163, 246, 271, 285, 356, 380, 465, 393, 674, 708 Vergleich (rechtlich) 373 Verhandlungen 29, 77, 108, 113, 124, 128f., 131, 172, 199f., 217, 222f., 225, 227, 233f., 237, 254, 256, 307, 309f., 315, 319, 330f., 338, 341f., 344, 348, 351ff., 359, 368, 375, 379ff., 393ff., 402, 406, 410, 431, 455, 473, 476f., 480f., 504, 515, 529f., 540f., 550, 650, 681, 702 Verkehr, Verkehrsbeziehungen (siehe auch Gesandtschaftsverkehr) 14, 78, 177, 105, 110, 141, 155, 242, 283, 291, 294, 306ff., 342, 419, 707 Vermittlung 82, 210, 315, 346, 354, 441, 444, 464f., 565, 607, 610, 627, 644, 650, 688, 714, 715, 724, 736, 750 Vernichtung 512, 522, 531 Versammlung 31ff., 33ff., 40, 45, 48, 55ff., 67, 95f., 140, 151ff., 162, 165, 206, 239, 264ff., 283f., 320, 333, 341, 348, 358, 370, 374f., 381ff., 433, 445, 453, 455, 475, 477, 482, 492f., 498, 504, 508f., 519, 535, 539, 572, 607, 640

Versprechen (siehe auch Schenkungsversprechen) 159, 161f., 164f., 166, 167, 173, 181, 187f., 200, 250, 353, 377, 379, 384, 387, 390f., 400, 402, 410f., 413ff., 417f., 422ff., 426f., 435, 447, 451, 491ff., 509f., 511ff., 517, 533, 653, 658, 660, 669f., 674, 719, 729, 731ff., 737, 749f., 751, 753f. Verteidigung (siehe auch defensio) 30, 61, 75, 90, 149, 156, 159ff., 173, 184f., 187f., 198, 222, 253, 347, 390, 408, 416, 422, 426, 432, 434f., 445, 447, 465f., 469f., 483ff., 517, 523, 568, 578f., 581f., 587, 589, 621f., 645ff., 649f., 690f., 695, 723f., 728, 736, 745 – des Glaubens 62, 500, 587, 601, 612 Vertragsabschluß, Vertragsschluß 22, 23, 26, 58, 61, 78, 113, 114, 119, 127f., 132, 137, 138, 149f., 153, 161, 177, 181, 187, 189, 214, 225, 233, 237, 242ff., 265, 268, 284, 287, 292, 319, 330, 334, 341, 343ff., 352ff., 358, 373f., 379, 380f., 387, 391f., 392, 398ff., 401, 405ff., 408, 420, 421, 431, 433f., 436, 439, 441f., 448, 450, 485, 504, 512f., 515, 523, 611, 653f., 656, 662, 672, 679f., 705, 706, 709, 751 – befristet 219, 232, 401, 421, 427, 440, 444 – Beurkundung (siehe auch Urkunde) 388, 409 – dreiseitig 153f., 187, 189, 193, 386, 392, 404, 468, 512f., 543, 545 – multilateral 274 – mündlich 380ff., 387 – mündlich-schriftlich 383ff. – Nachfolge 395, 408, – Niederlegung (siehe auch Opfer) 543 – schriftlich 385, 386ff., 392ff., 398ff. – unbefristet 420f., 435 Vertragsbestätigung 132, 135, 167, 172f., 176, 177f., 232, 270, 306, 314f., 352, 375, 381, 384, 388, 390, 396f., 400, 402, 408, 411, 419, 436, 547, 549f., 642, 655f., 663, 680, 738, 756 – vertragliche Bindung 133, 200, 280, 391, 433 Vertragsbruch (siehe auch Rechtsbruch) 385, 424ff., 427, 440, 446, 470 Vertragsentwurf 393 -erfüllung, 153, 155ff., 160, 168, 190, 193, 205, 268, 425f., 432, 438, 468ff., 498, 515, 517, 609f., 665, 691, 695, 712

Sachverzeichnis Vertragserneuerung 39, 164, 167, 173, 176ff., 200, 259, 262f., 265, 267, 270, 286, 347, 349, 376f., 379, 381, 387f., 390f., 404f., 408, 416, 421f., 428, 447, 543, 545, 549, 655, 660, 676, 680, 752 Vertragspartner (siehe Partner) -partei 302, 400, 404, 409, 413, 441, 451, 751ff. 756 -schluß (siehe Vertragsabschluß) -text 131, 246, 353, 384, 393, 396, 426, 430, 436, 642 -treue 111, 409 -urkunde (siehe Urkunde) -verhältnis 155, 377f., 380, 388, 390f., 420, 425, 427, 430, 434, 451, 515, 677 -werk 78, 181, 387f., 426 Vertreibung 31, 202, 304, 308, 455, 571, 696 Verwandte, Verwandtschaft 31, 36, 40, 45f., 73, 111, 203, 266, 285, 322, 454f., 481, 574, 576, 667f., 669, 671f., 691ff. Völkerrecht, völkerrechtlich 9f., 15ff., 198, 245ff., 248, 271ff., 278f., 287, 315, 376, 382, 401, 407, 411, 417f., 428f., 433, 448, 457, 516, 519, 524, 531, 558, 671, 677, 703ff., 707, 709ff. Völkerrechtsgeschichte, völkerrechtsgeschichtlich 7, 9ff., 13, 15, 17ff., 356, 435, 652, 708ff., 712 -gesellschaft 272, 276, 705 -kreis 11 -lehre 276 -leugner 274 -ordnung 18, 245, 274ff., 711 -subjekt, Völkerrechtssubjektivität 16, 275f., 543 -system 428 Volksrecht 17, 54, 271, 280ff., 287, 294f., 298, 301, 360, 363ff., 369, 495, 639 Vorrang 556, 566, 592, 597, 602, 610, 700, 704 Währung 66f., 747 Waffen 63ff., 223, 229, 301, 380, 382, 492, 532, 607, 640, 738 Waffendienst 482, 644 Waffenstillstand 58, 89, 130, 145, 217, 223, 232, 236, 240, 283, 358, 378, 380, 421, 424, 472, 509, 703 wechselseitig, Wechselseitigkeit 200, 307, 312, 422, 475

805

Weisung, Anweisung – göttliche 164, 559, 621ff., 631 – königlich/kaiserliche (fränkisch) 231, 281, 320, 634, 747f. – päpstliche 465, 481 – rechtliche 286, 364 Welt, 69, 76, 95, 105, 123, 143, 145f., 271f., 274, 356, 397, 428, 435, 469, 474, 477, 493, 554ff., 560f., 563ff., 576f., 580, 594, 602, 605, 608f., 611, 613ff., 622, 627, 634ff., 679, 701ff., 704, 706, 730, 738, 740, 742ff., 749 Weltordnung 105, 143, 277, 292, 403f., 414, 495, 553ff., 556ff., 563f., 566, 568, 572f., 575f., 582, 584, 591ff., 610ff., 613f., 616f., 635, 651, 679, 699f., 703, 711 Weltherrschaft 589f., 609 Weltreich 69, 76, 594, 664 Weltstaat 701, 711 Wergeld (siehe auch Buße) 295, 298, 363, 368, 462 Wiederherstellung (Frieden, Herrschaft, Recht) 76, 127, 135, 187, 212, 290, 397, 439, 461f., 465, 466, 468, 478, 481, 514f., 519, 526ff., 547f., 571, 645, 648f. päpstliche Rechte (siehe auch Rückgabe) 156, 288, 466, 723f. Wirtschaft 16, 27, 35, 63ff., 72, 211f., 275, 350, 460 Zeremoniell 119, 126, 309ff., 331, 339, 341f., 357, 371, 575, 613, 665, 670, 680 Zerfall 8, 27, 84, 86, 88, 272, 537, 563, 574, 593, 594, 603, 613f., 692, 699, 701, 711 Zession 525, 541 Zoll 66, 212, 294, 298, 300ff., 307, 350, 418, 713, 747, 755 Zusage 149, 154, 156f., 160, 165, 174, 178f., 188, 193, 195, 204, 237, 298, 365, 411, 550 Zustimmung 60, 71, 73, 82, 95f., 128, 136, 148, 171, 181, 195, 204, 215, 239, 329, 374, 395, 402, 445, 508, 535, 536, 571, 572, 580, 749 – der (fränkischen) Großen 36f., 96, 103, 151f., 185, 259f., 262, 264f., 268, 282, 519, 535 Zwei-Gewalten-Lehre, Zwei-SchwerterLehre 87, 557ff., 586, 590, 593, 594ff., 610, 624 Zwei-Kaiser-Problem 13, 125, 566f.

806

Sachverzeichnis

Zwischen-Mächte-Beziehungen 4, 7, 9ff., 12, 15, 17ff., 22, 24f., 31, 34, 36, 38f., 43, 58, 61, 63f., 66f., 107, 113, 115, 120, 140f., 196, 199f., 202, 210, 230, 242, 248, 262, 264, 267f., 270f., 276ff., 282f., 286ff., 292f., 298, 304, 308, 321, 350, 355ff., 359f., 374, 378, 385, 404, 409, 415, 425, 427, 429, 441, 450, 455, 457, 459, 543, 557, 583, 591, 603, 606, 609, 612f., 615, 617, 622, 627, 630, 635, 637, 642, 650, 652, 657, 671ff., 680, 692, 704, 708ff. Zwischen-Mächte-Grenze 259 -Krieg 463

-Normativität 19f., 24, 290, 705, 708f., 711 -Ordnung 115, 261, 378, 404, 604, 618, 627, 704, 708, 711 -Recht 109f., 245, 261, 280, 296, 298f., 305, 342, 371, 373, 382, 457, 521, 534, 540 -Regelungen 304 -Verbindungen 373, 678, 694f., 697 -Vereinbarung, -Vertrag 374, 377, 400, 411, 414, 425 -Verhältnis 29, 196, 201, 286, 299, 373, 420, 424, 459, 477 -Verkehr 291, 371