Die Neuordnung des Umweltstrafrechts: Gutachtliche Stellungnahme zu dem Entwurf eines Sechzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes (Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität) [Reprint 2013 ed.] 9783110873276, 9783110082630

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Die Neuordnung des Umweltstrafrechts: Gutachtliche Stellungnahme zu dem Entwurf eines Sechzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes (Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität) [Reprint 2013 ed.]
 9783110873276, 9783110082630

Table of contents :
Vorwort
Inhalt
I. Einleitung
II. Die Hauptziele des Entwurfs
III. Die einzelnen Tatbestände und Rechtsgüter sowie das (sonstige)
IV. Offene Probleme
Anhang

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Klaus Tiedemann Die Neuordnung des Umweltstrafrechts

Die Neuordnung des Umweltstrafrechts Gutachtliche Stellungnahme zu dem Entwurf eines Sechzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes (Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität)

von Klaus Tiedemann

1980

w DE

G Walter de Gruyter - Berlin · New York

CIP-Kurztitelaufnahme

der Deutschen Bibliothek

Tiedemann, Klaus: Die Neuordnung des Umweltstrafrechts : gutachtl. Stellungnahme zu d. Entwurf e. Sechzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes (Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminautät) / von Klaus Tiedemann. Berlin, New York : de Gruyter, 1980. ISBN 3-11-008263-2

© Copyright 1980 Walterde Gruyter& Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl.]. Trübner, Veit & Comp., 1000 Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Satz und Druck: Saladruck, 1000 Berlin 36 Bindearbeiten: Berliner Buchbinderei Wübben & Co., 1000 Berlin 42

Vorwort Die Bundesregierung hat dem Deutschen Bundestag Ende 1978 den Entwurf eines Sechzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes - Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität - vorgelegt (Bundestags-Drucksache 8/2382, vgl. Anhang 1). Zu diesem Gesetzentwurf hat der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages im Sommer 1979 eine öffentliche Anhörung veranstaltet, zu der ich im Auftrag des Ausschusses das nachfolgend in geringfügig überarbeiteter Fassung vorgelegte Gutachten erstattet habe. Bei aller Zustimmung im Grundsatz bleibt gegenüber dem Entwurf im Detail eine Reihe von Bedenken, die vor allem im Hinblick auf das Verhältnis zum Verwaltungsrecht und zum bisherigen Schutz der Umwelt durch das Strafgesetzbuch bestehen. Der Anhang enthält neben dem Wortlaut des Gesetzentwurfs u. a. die einschlägigen, mit der hier vertretenen Auffassung übereinstimmenden Empfehlungen des XII. Internationalen Strafrechtskongresses von 1979 sowie ein für die Handhabung des geltenden Rechts und für die Beurteilung des Gesetzentwurfs wichtiges, bisher unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1975. Freiburg, im Oktober 1979

Klaus

Tiedemann

Inhalt I. Einleitung: Grundsätzliche Bemerkungen zu dem Verhältnis von Umweltrecht und Umweltstrafrecht 9 II. Die Hauptziele des Entwurfs 13 1. Die Lozierung der Tatbestände 13 2. Die wichtigsten inhaltlichen Änderungen 19 III. Die einzelnen Tatbestände und Rechtsgüter sowie das (sonstige) Verhältnis zum Verwaltungsrecht 25 1. Akzessorietät vom Verwaltungsrecht 25 2. Rechtsgüterschutz und Verursachungsprinzip 28 3. Einzelfragen 33 a) Gewässerverunreinigung 33 b) Luftverunreinigung 34 c) Übermäßiger Lärm 34 d) Ungeordnete Abfallbeseitigung 35 e) Abstrakt gefährliches Handeln ohne Erlaubnis 38 f) Schwere Umweltgefährdung 39 g) Freisetzen von Gift 41 IV. Offene Probleme 41 1. Verwaltungsbehörden und Umweltstrafrecht 41 2. Garantenstellung der Amtswalter 43 Anhang 1. Text des Entwurfes eines Sechzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes-Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität- . . . 2. Resolution des XII. Internationalen Strafrechtskongresses zur Reform des Umweltstrafrechts (Hamburg 1979) 3. Europarat: Resolution (77) 28 - On the Contribution of Criminal Law to the Protection of the Environment 4. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. März 1975 (4 StR 28/75) zum rechtfertigenden Notstand, zur verwaltungsrechtlichen Erlaubnis und zum Verbotsirrtum bei Luftverschmutzung . . .

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I. Einleitung Grundsätzliche Bemerkungen zu dem Verhältnis von Umweltrecht und Umweltstraf recht Der Entwurf eines 16. Strafrechtsänderungsgesetzes - Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität - 1 wird am vorläufigen Ende einer legislativen Phase vorgelegt, die in der Bundesrepublik Deutschland am Anfang der 70er Jahre auf dem Gebiete des Umweltrechtes begann, nachdem seit etwa Mitte der 60er Jahre ein verstärktes Öffentliches Umweltbewußtsein entstanden war. Daß die mit dem Entwurf eingeleitete, auf Konzentration und Harmonisierung der Umweltstraftatbestände gerichtete Gesetzesreform zeitlich nach derjenigen des Umweltrechtes erfolgt - für dessen Bereich stehen jetzt im wesentlichen nur noch das Umweltchemikalien- und das Verkehrslärmschutzgesetz aus - , entspricht dem subsidiären und akzessorischen Wesen des Strafrechts, das gerade auf dem Gebiete des Umweltschutzes weitgehend nur die außerstrafrechtlichen Vor-Entscheidungen und Regelungen bewehren (sanktionieren) kann. Andererseits stellt aber die Zusammenfassung und Vereinheitlichung des Umweltstrafrechts im Verhältnis zu den einzelnen Umweltgesetzen langfristig gesehen möglicherweise auch eine Kodifikationsinitiative dar, die auf das Schicksal der bisher äußerlich unverbundenen umweltrechtlichen Einzelregelungen Einfluß nehmen dürfte und in ferner Zukunft vielleicht auch zu einem Umweltgesetzbuch führen könnte. Bekanntlich stärkt die Kodifikationsidee, mag auch ihr Höhepunkt der Vergangenheit angehören, ganz allgemein die Grundsätzlichkeit gesetzgeberischer Entscheidungen; mit einem solchen Trend zur Grundsätzlichkeit auch auf dem Gebiete des zielkonfliktreichen Umweltschutzes reiht sich die bundesdeutsche Rechtsentwicklung in begrüßenswerter Weise der in-

1 BT-Drucks.8/2382 (unten S. 48 ff.) vgl. dazu die Darstellung des Referenten im Bundesministerium der Justiz Möhrenschlager, ZRP 1979, 97ff. sowie Schild, Jura 1979, 421 ff.

10 ternationalen Entwicklung ein, die in nicht wenigen Punkten der Umweltpolitik bereits weiter vorangeschritten ist und die zunehmend, wenn auch je nach Industrialisierungsgrad unterschiedlich, dauerhafte Grundsatzentscheidungen an die Stelle von ad hoc-Lösungen im Widerstreit der Interessen von Wirtschaftsunternehmen und Umweltschutz treten läßt2. Die strafrechtlichen Probleme der legislativen Lösung und die möglichen Lösungsmodelle sind ebenfalls international bekannt und diskutiert. Vor allem läßt die weitreichende Abhängigkeit des Strafrechts vom Umweltverwaltungsrecht und seinen technizistischen Normen allenthalben die Problematik eines materiellen Verwaltungsstrafrechts neu entstehen, auch wenn sich das Strafrecht grundsätzlich auf die gravierendsten Verstöße beschränkt und weniger schwerwiegende Delikte dem Ordnungswidrigkeitenrecht (als dem formell-kompetentiellen Verwaltungsstrafrecht) zuweist. Auch versteht das Umweltstrafrecht (und so auch der Entwurf) den Umweltbegriff durchweg restriktiv im Sinne der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen und beschränkt sich auf die sichernde und erhaltende Gefahrenabwehr, die in der Umweltpolitik und im Umweltverwaltungsrecht durch die Aufgabe der Gestaltung zu einer umfassende(re)n Umweltpflege ergänzt wird. Schließlich sucht das Umweltstrafrecht im Verhältnis zum Verwaltungsrecht trotz aller Sachbesonderheiten, die sich aus den naturwissenschaftlichen Abläufen ergeben, um der Rechtssicherheit willen in den klassischen Bahnen strafrechtlicher Tatbestandsbildung zu bleiben und auch das traditionelle Mittel verwaltungsstrafrechtlicher Gesetzgebungstechnik: den Blankettatbestand, nach Möglichkeit zu vermeiden3.

2 Zusammenfassend dazu die Generalberichte zum X. Internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung in Budapest 1978 von Hirano, The Criminal Law Protection of the Environment [mschr.] (1978) (engl. Text demnächst im Bulletin der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, japan. Text demnächst im Journal of Criminal Law „Keiho Zasshi") (Übersicht bei Driendl, ZStW Bd. 91, 1979, S.224, 232ff.) und zu dem Kolloquium der Association Internationale de Droit Penal in Warschau 1978 von Gubinski, Revue Internationale de Droit Penal 1978 Nr.4 S. 19ff.; ferner die Empfehlungen des XII. Kongresses der Association Internationale de Droit Penal (Hamburg 1979, Thema Nr. 2) [demnächst in ZStW Bd. 92, 1980, mit Diskussionsbericht von Hermann] (unten S.54ff.). 3 Zu den Notwendigkeiten und zum Stand der Verwirklichung dieser strafrechtlichen Restriktionen insgesamt Triffterer, ZStW Bd. 91 (1979) S.307f., 343f. mit Nachw.

11 Trotz der Internationalität der strafrechtlichen Probleme und Lösungen beschränken sich die folgenden Überlegungen im wesentlichen auf eine Würdigung des deutschen Entwurfs aus sich heraus. Der offenbar breite politische Konsens über die Hauptvorschläge dieses Entwurfs, dessen weitgehende Anlehnung an die bisherigen nebenstrafrechtlichen Tatbestände und die fehlenden Realisierungschancen für das sog. Prüfstellenkonzept des AlternativEntwurfs (AE) von 19714 lassen es angezeigt erscheinen, den vorliegenden Regierungsentwurf und nicht irgendwelche ausländische oder bekannte inländische Modelle oder gar eigene Gegenvorstellungen in den Vordergrund der Diskussion zu rücken. Daß die Lösungen des A E innerhalb dieser Diskussion nicht unberücksichtigt bleiben können, liegt freilich schon deshalb auf der Hand, weil es sich insoweit um das erste und überdies ein zeitlich frühes strafrechtliche^) Gesamtmodell zum Umweltschutz handelt (wobei die mangelnde Konkretisierung der AE-Aussagen zur verwaltungsmäßigen Organisation der Prüfstellen durchaus folgerichtig im politischen Raum zur Verwerfung dieser Konzeption geführt hat: eine im wesentlichen auf Verwaltung und Verwaltungsrecht gestützte Strafrechtskonstruktion steht und fällt mit der Uberzeugungskraft hinsichtlich der außerstrafrechtlichen Grundlage, mag der impetus des strafrechtlichen Vorschlages auch gerade auf eine Erneuerung nichtstrafrechtlicher Organisationsformen zielen). Daß weiter der internationale Blickwinkel bei der Behandlung dieses Gesetzentwurfes nicht völlig außer Betracht bleiben sollte, ist bereits aus dem Grunde naheliegend und zu empfehlen, weil ein kodifiziertes nationales Umweltstrafrecht erheblicher internationaler Aufmerksamkeit sicher sein darf - ähnlich wie die eingeleitete und in dieser Legislaturperiode wohl nicht mehr abzuschließende Reform des deutschen Wirtschaftsstrafrechts mit ihren bisher allerdings nur vereinzelten Neuerungen. (Dabei soll hier die auch international diskutierte Streitfrage offen bleiben, ob das Umweltstrafrecht selbst ein Teil des Wirtschaftsstrafrechts ist; die Parallelität in der Rechtsgutbestimmung, der Tatbestandskonstruktion und der Betroffen-

4 Arzt/Backes/Baumann et al., Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches. Besonderer Teil, Straftaten gegen die Person Zweiter Halbbd. (1971) §§ 152 ff. (S. 49ff.). Dazu insbes. Baumann, ZfW 1973, 63 (70ff.) sowie Umwelt (Düsseldorf) 1972 Heft 3 S. 36 (42 ff.); Backes, JZ1973,337 (340f.); Buckenberger, Strafrecht und Umweltschutz (1975) S. 166ff., 173ff.; Horn, in Welzel-Festschrift (1974) S. 719ff. mit weit. Nachw.

12 heit der Wirtschaft legt freilich eine Bejahung dieser Frage nahe5.) Daß endlich ausländische Stellungnahmen und Lösungen zum Umweltstrafrecht interessant, aber sicherlich für den deutschen Gesetzgeber nicht entscheidend sind, ergibt sich aus dem insgesamt doch recht unterschiedlichen internationalen Strafrechtsverständnis in Grundfragen der Tatbestandsbestimmtheit, des Schulderfordernisses und des Strafverfahrensrechts sowie des weiteren aus der vorerst nur national zu verantwortenden Belastungsfähigkeit der Volkswirtschaft mit Umweltschutzverpflichtungen. Daß gerade das Umweltrecht und damit auch das Umweltstrafrecht um der Gleichheit der Wettbewerbs- und Marktbedingungen willen nach internationaler Vereinheitlichung strebt, soll damit selbstverständlich nicht in Abrede gestellt werden. Die Technizität der Normen erleichtert vielmehr sogar eine Harmonisierung und Zentralisierung der internationalen Lösung jedenfalls innerhalb einheitlicher Wirtschaftsräume, und die Notwendigkeit einer Delegation der konkretisierenden Normgestaltungen würde gleichwohl die erforderliche Entscheidungs- und Vollzugsnähe nationaler Behörden bestehen lassen. Diesem Trend zur Internationalisierung entspricht in gewisser Weise auch die vom Entwurf vorgesehene Ausweitung der nationalen Strafgewalt auf Umweltschutzsachverhalte mit Auslandsbezug (§ 6 Nr. 9 StGB n.F.): Dieser Vorschlag signalisiert die internationale Anerkennung der Schutzbedürftigkeit von Gewässern, zu denen nach § 330 c Nr. 1 des Entwurfs auch das Meer zählt, sowie anderen Schutzgütern, bei denen die nationale Strafgewalt jedenfalls an die Begehung der Tat im Bereich des nationalen Festlandsockels anknüpfen soll. Internationale Gremien streben im Zusammenhang mit den Arbeiten an der neuen Seerechtskonvention internationale Vereinbarungen zum Schutz der Küstengewässer und der Hohen See an, und diese Internationalisierung durch stärkere Nationalisierung der Weltmeere sollte auch durch die Sorge von Industrienationen, ihre Schiffahrt und Handel treibenden Staatsangehörigen könnten bei öltankerunfällen vor fremden Küsten in rechtsstaatswidrige Haftbedingungen geraten, nicht grundsätzlich gebremst, sondern allenfalls durch entsprechende Be-

5 In diesem Sinne etwa Kaiser, Kriminologie (3. Aufl. 1976) S.297; Tiedemann, in: Verh. 49. DJT Bd. I (1972) S. C89. Aus dem ausländischen Schrifttum Cossen, Les Grands Escrocs en Affaires (1979) S. 181 ff.; Edelhertz, The Nature, Impact and Prosecution of White-Collar Crime (1970) S.67f.

13 schränkung staatlicher Sanktionsmöglichkeiten modifiziert werden. Möglichen Bedenken gegen die Ausdehnung der nationalen Strafgewalt 6 steht die ganz besondere Schädigungsanfälligkeit des Meeres gegenüber, dessen Schutz angesichts des Fehlens einer internationalen Strafgerichtsbarkeit von den nationalen Strafrechtsordnungen mit übernommen werden muß.

II. Die Hauptziele des Entwurfs 1. Die Lozierung der Tatbestände Eine akzessorische, also bereits technisch oder zumindest inhaltlich unselbständige und verweisende Gestaltung der Straftatbestände ist - auch im internationalen Vergleich - für das Nebenstrafrecht insgesamt typisch 7 . Zwar gab und gibt es auch im Strafgesetzbuch blankettähnüche Tatbestände wie den der Baugefährdung (§ 330) und der Verkehrsgefährdung gemäß § 315 a Abs.l Nr. 2 StGB oder die durch das EGStGB 1974 aufgehobene Strafbarkeit der Verletzung von Maßregeln gegen ansteckende menschliche Krankheiten und Viehseuchen (§§ 327, 328 StGB a.F.). Jedoch sind derartige Strafrechtsnormen im StGB eher eine Ausnahme und fügen sich zudem durch den unmittelbaren oder im Wege der Qualifikation hergestellten Bezug auf Leben und Gesundheit von Menschen (und Tieren) den Grundlagen und der Tatbestandstechnik der zentralen strafrechtlichen Kodifikation durchaus ein. Wenn demgegenüber der Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Umweltkriminalität die bisher im Nebenstrafrecht geregelten Tatbestände insbesondere des strafrechtlichen Schutzes der Gewässer, der Luft und des Bodens sowie den Schutz gegen Lärm und Strahlen in das StGB einstellen und damit die wichtigsten Bereiche des Umweltschutzstrafrechts in diesem Gesetzbuch regeln 6 Oehler, Gutachtliche Äußerung zu dem Entwurf eines 16. Strafrechtsänderungsgesetzes gegenüber dem Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages, Deutscher Bundestag 8. Wahlperiode 6. Ausschuß Protokoll N r . 73 Teil II S. 96ff. (auch Teil I S.73/54f.; dagegen Tiedemann und von Lersner, ebda. Teil I S.73/129f., 73/130f.). 7 Jescheck, Lehrbuch des Strafrechts Allgemeiner Teil (3. Aufl. 1978) S.40f., 86f.; R. Schmitt, Ordnungswidrigkeitenrecht dargestellt für den Bereich der Wirtschaft (1970) S. 24 f.; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht (1969) S. 45 ff. mit weit. Nachw.

14 (sowie um zusätzliche Bereiche ergänzen) will, so muß sich dieser Vorschlag einerseits - negativ - daran messen lassen, ob der normtechnische und/oder zeitliche Zusammenhang mit der außerstrafrechtlichen Regelungsmatene nicht zu eng ist, um durch eine äußere Trennung aufgelöst zu werden und dabei verloren zu gehen. Andererseits ist - positiv - zu fragen, ob der Entwurf Rechtsgüter zum Gegenstand hat, die nach Art und Gewicht in eine sinnvolle Beziehung zu StGB-internen Schutzgütern zu bringen sind. Beide Fragestellungen sind insbesondere in der parallelen neueren Diskussion um die Reform des Wirtschaftsstrafrechts entwickelt worden8, und unter Hervorhebung des zweiten Gesichtspunktes hat die Strafrechtliche Abteilung des 49. Deutschen Juristentages 1972 sogar ausdrücklich und nahezu. einhellig gefordert, alle wesentlichen Wirtschaftsstraftatbestände in das Strafgesetzbuch aufzunehmen9. Der Bundesrat hat in diesem Sinne ebenfalls bereits mit einer Entschließung aus dem Jahre 1974 für den Umweltschutz verlangt, „alle wesentlichen Strafvorschriften . . . in das Strafgesetzbuch einzufügen"10. Diese Grundsätze werden vom Entwurf zunächst insoweit beachtet, als punktuelle, auf singuläre Sachverhalte bezogene Straftatbestände (wie etwa § 9 ReblausG 11 ) nicht in das StGB aufgenommen werden sollen. Sodann trägt der Entwurf dem vorerwähnten technischen Gesichtspunkt dadurch Rechnung, daß jedenfalls solche Straftatbestände, die auf Anlagen, Listen usw. Bezug nehmen (wie § 4 7 i.V.m. § § 4 6 Abs.l N r . l , 4 b Abs.2 AtomG), im Nebenstrafrecht belassen werden sollen. Blankettatbestände wie z.B. der wichtige, insbesondere für Fälle des sog. Smog-Alarms einschlägige § 6 3 Abs.l Nr.3 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) mit seiner Strafandrohung gegen Zuwiderhandlungen gegen Rechtsverordnungen zum erhöhten Schutz bestimmter Gebiete vor Luftverunreinigungen (und Geräuschen) sollen jedenfalls nicht als solche, also nicht als Blankettatbestände, in das StGB eingestellt werden. Die als Beispiel genannte Materie (§ 63 BImSchG) Vgl. Tiedemann, in: Verh. 49. DJT Bd. I S. C 44 f. Verh. 49. DJT Bd. II (1972) S. M200 (Nr. 9) i. V. m. S. Μ123; ebenso Tiedemann a. a. O. (Fußn. 8) S. C45. - Grundlegend für diese Richtung Kriegsmann, in: Kahl u.a., Gegenentwurf zum Vorentwurf eines deutschen Strafgesetzbuches (1911) S. 337 (339 ff.). 10 BR-Drucks. 723/73 - Beschluß; dazu Sturm, MDR 1977, 617 (618). " BGBl. 1974 I S.596: „Wer die Reblaus verbreitet, wird . . . bestraft." 8 9

15 wird zwar vom Entwurf nicht in den Straftatbestand gegen Luftverunreinigung (und Lärm) (§ 325) übernommen, wohl aber gemeinsam mit den Schutzobjekten Wasser- und Quellschutzgebiete, Naturschutzgebiete und Nationalparks zu einem eigenen Tatbestand der „Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete" (§ 329) fortentwikkelt. Dies zeigt zugleich, wie sehr die Frage der Regelungstechnik mit der des Inhalts verbunden ist - ein Gesichtspunkt, der in klassischen Äußerungen der Strafrechtsdogmatik häufig übersehen wird 12 und in unserem Zusammenhang Anlaß gibt, sich möglicher Inhaltsänderungen bei Umgestaltung der Tatbestandsform bewußt zu werden. Sicher unverdächtig ist insoweit der bereits im Nebenstrafrecht selbständig formulierte Tatbestand der Gewässeruerunreinigung (§ 324 StGB n.F.): Danach soll strafbar sein, „wer unbefugt ein Gewässer verunreinigt oder sonst dessen Eigenschaften nachteilig verändert" (Abs. 1). Bereits die gegenwärtige nebenstrafrechtliche Regelung in § 38 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) enthält die Generalklausel „unbefugten" Handelns, die als Gesamtverweis auf die Rechtswidrigkeit allgemeines Verbrechensmerkmal, also mit dem Begriff „rechtswidrig" identisch und daher der Sache nach überflüssig ist 13 . Die Klausel hat nur als Hinweis auf die Notwendigkeit der Untersuchung besonderer, vor allem auch genehmigungsrechtlicher Konstellationen Bedeutung und verhindert weder die Annahme von Unterlassungstäterschaft des gegen Verstöße nicht einschreitenden Aufsichtsbeamten (dazu näher unten IV 2.) noch die Anwendung der Strafvorschrift auf die Meeresverschmutzung (bei Fehlen völkerrechtlicher Erlaubnistatbestände). Angesichts der inhaltlich (für Binnengewässer) unveränderten Übernahme des § 38 Abs. 1 WHG, der zu einer bemerkenswerten Präzisierung durch die Rechtsprechung gelangt ist, wird man auch mögliche Bedenken gegen die partielle Unbestimmtheit der Tatbestandsfassung zurücktreten lassen dürfen 14 . Jedenfalls wird die relative Unbestimmtheit des vorgeschlagenen § 324 durch so zahlreiche und gravierend unbestimmte StGB-Tatbestände übertroffen (vgl. nur §§ 240, 226 a,

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Näher Ttedemann, Tatbestandsfunktionen S. 70ff. Zusammenfassend Gieseke/Wiedemann/Czychowski, Wasserhaushaltsgesetz (3. Aufl. 1979) § 38 Rdn. 9ff. 14 Dazu Möhrenschlager a. a. O. S. 99 mit Nachw. - Vgl. auch die Diskussion Salzwedel/Möhrenschlager, ZfW 1980 Η . 1. 13

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302 a!), daß von einem Verstoß gegen die Garantie des Art. 103 Abs.2 GG nicht ernsthaft die Rede sein kann. Auch die Beschreibung der primären Tathandlung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 Abfallbeseitigungsgesetz (AbfG) konnte vom Entwurf weitgehend übernommen werden. § 326 Abs.l Nr. 1 StGB n.F. („umweltgefährdende Abfallbeseitigung") soll denjenigen unter Strafe stellen, der „unbefugt Abfälle, die Gifte oder Erreger gemeingefährlicher und übertragbarer Krankheiten bei Menschen oder Tieren enthalten oder hervorbringen können, außerhalb einer dafür zugelassenen Anlage . . . behandelt, lagert, ablagert, abläßt oder sonst beseitigt". Neben diesem Giftmüll soll aber nach Nr. 3 auch der Sondermüll einbezogen werden: Abfälle, die „nach Art, Beschaffenheit oder Menge geeignet sind, nachhaltig ein Gewässer, die Luft oder den Boden zu verunreinigen oder sonst physikalisch, chemisch oder biologisch nachteilig zu verändern". Diese Umschreibung würde freilich nach ihrem Wortlaut praktisch jeden Abfall umfassen, da bei hinreichender Menge jeder Stoff geeignet ist, z.B. den Boden zu verunreinigen. Dem restriktiven Sinn und Zweck des Entwurfes würde es entsprechen, in Nr. 3 a.E. in Klammern das Wort „Sondermüll" aufzunehmen. Größere gesetzestechnische Schwierigkeiten bietet der Immissionsbereich. Hier mußte die fast totale Verweisungstechnik der §§ 62, 63 BImSchG in selbständige Handlungsbeschreibungen aufgelöst werden, wodurch notwendigerweise der weitgehend normative Tatbestandscharakter der §§ 62, 63 BImSchG inhaltlich zum Deskriptiven hin verändert wird. Dies stellt angesichts der verbleibenden Fülle normativer und blankettähnlicher Begriffe und Klauseln im Entwurf sicher eine eher begrüßenswerte Tendenz mit der Folge der Einschränkung möglicher Irrtumseinlassungen der Täter dar. Normtechnisch gesehen erscheint diese Auflösung in selbständige Handlungsdeskriptionen als durchaus gelungen. Die inhaltliche Richtigkeit der Anknüpfung der Strafbarkeit u. a. an die „Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten" in dem vorgesehenen Tatbestand „Luftverunreinigung und Lärm" (§ 325) wird allerdings noch zu überprüfen sein (unten 2.). Da dieser Maßstab in § 325 Abs.4 auf grobe Verstöße gegen die verwaltungsrechtlichen Pflichten eingeschränkt wird und außerdem diese Pflichten auf vollziehbare, Umweltschutz bezweckende Einzelanordnungen sowie auf gesetzliche Genehmigungserfordernisse beschränkt sind, erscheint der Grundsatz gesetzlicher Tatbestandsbestimmtheit hier

17 wie auch bei den übrigen Grundtatbeständen des Entwurfs zweifelsfrei gewahrt (zu dem qualifikationsähnlichen Tatbestand des § 330 Abs. 2 Nr. 2 vgl. unten III 3 f), obwohl grundsätzlich die nebenstrafrechtliche Verweisungstechnik die Gesetzesbestimmtheit und damit die Erkennbarkeit der Unrechtsmaterie eher und besser gewährleistet als es bei Übertragung ihres Inhalts in normative Begriffe möglich ist 15 . Daß insgesamt die inhaltliche Bezugnahme auf verwaltungsrechtliche (und sonstige) Rechtsnormen außerhalb der Straftatbestände die vom Entwurf vorgeschlagene äußere Trennung nicht hindert, vielmehr durch enge Anlehnung der Formulierung strafrechtlicher Begriffe an die entsprechenden verwaltungsrechtlichen termini des bisherigen Nebenstrafrechts die Identität der Auslegung und Rechtsentwicklung weitgehend gewahrt werden kann, hebt die Entwurfsbegründung selbst zutreffend hervor 16 . §§ 327, 328 des Entwurfs (,,Unerlaubtes Betreiben von Anlagen") schließlich entsprechen in ihren Absätzen 1 fast wörtlich dem § 45 Abs. 1 AtomG. Lediglich § 328 Abs.2 (Ablieferungspflicht für und Herausgabe von Kernbrennstoff) enthält zwar nicht formal, wohl aber inhaltlich nahezu totale Verweisungen auf das AtomG. Ein Blankettatbestand wie § 47 in Verbindung mit § 46 Nr. 2 und 3 könnte ebenfalls zumindest teilweise in das StGB übernommen werden, da sein Inhalt unschwer normativ zu formulieren ist. Daß § 327 Abs. 2 im übrigen das verwaltungsrechtswidrige Betreiben einer Anlage „im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und des Abfallbeseitigungsgesetzes" inkriminiert, stellt inhaltlich unter der Systematik des „Unerlaubten Betreibens von Anlagen" eine geglückte Harmonisierung vergleichbarer Sachverhalte in verschiedenen Bereichen des Umweltschutzes dar. Allerdings wird hier die Strafbarkeit bereits an den Verstoß gegen die verwaltungsrechtliche Genehmigungspflicht und die vollziehbare Untersagung der Verwaltungsbehörde geknüpft. Jedoch ist dies im Vergleich zum bisherigen Rechtszustand weder eine Ausweitung der Strafbarkeit noch ein für das Kriminalstrafrecht oder auch nur für das Strafgesetzbuch 15

Allgemein dazu R. Lange, Strafrechtsreform (1972) S. 31, 37ff. Im vorliegenden Zusammenhang insbes. Frielinghaus, Umwelt (Düsseldorf) 1972 Heft 2 S. 14 (16f.) sowie in: Duden et al. (Hrsg.), Gerechtigkeit in der Industriegesellschaft (1972) S. 169 (171 ff.); Hermann, ZStW Bd.91 (1979) S.279 (295f.); Triffterer a.a.O. S.332. 16 BT-Drucks. 8/2382 S. 10.

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neuartiges Vorgehen (vgl. insbesondere §§ 284, 286 StGB, § 21 StVG; näher unten III 3 e). Ist somit die äußere Trennung von Umweltverwaltungsrecht und Umweltstrafrecht im Entwurf technisch prinzipiell gelungen, ohne daß die inhaltliche Verbindung beider Materien gefährdet wäre, so kann über Wichtigkeit und Wertigkeit des (auch) strafrechtlichen Umweltschutzes in unserer hochindustrialisierten Gesellschaft noch weniger Zweifel bestehen. Unabhängig davon, wie stark der Bezug ökologischer Interessen auf Gesundheits- und Lebensschutzgesichtspunkte in den einzelnen Tatbeständen und Rechtsgütern sein mag (dazu III 2.), sind die ökologischen Schutzgüter zweifelsfrei Rechtsgüter, und zwar bereits in den verwaltungsrechtlichen Umweltschutzgesetzen17, erst recht im Entwurf eines 16. Strafrechtsänderungsgesetzes mit seiner gewollten (und zutreffenden) Nähe zu den gemeingefährlichen Straftaten (27. Abschnitt des StGB!). Der hohe, ja lebenswichtige Rang der Güter Wasser, Luft, Boden usw. rechtfertigt die Aufnahme der einschlägigen Straftatbestände in das Kernstrafrecht des StGB, dessen Legalordnung ja nicht nur Ausdruck der gesellschaftlichen Wertordnung ist, sondern spätestens seit dem EGStGB auch die Annahme der Bagatellnatur von Straftatbeständen innerhalb dieser Kodifikation ausschließt. Die kodifikatorische Zusammenfassung erleichtert aber auch inhaltlich die umweltstrafrechtliche Gleichbehandlung gleichartiger Sachverhalte18 und berücksichtigt die Einheitlichkeit umweltgefährdender Vorgänge im natürlichen Kreislauf der Umweltmedien (Schadstoffe gelangen in die Luft, von dort in das Wasser und in den Boden, von dort in das Grundwasser usw.). Daß schließlich und vor allem die Einstellung von Strafvorschriften in das Strafgesetzbuch die generalpräventive, bewußtseinsbildende Kraft des Strafrechts zu fördern vermag, kann heute wohl wieder als anerkannt gelten - zwar nicht über das schiefe und daher auch zur Widerlegung dieser Ansicht ungeeignete Bild vom Strafgesetzbuch als einem Volkslesebuch, wohl aber über eine Intensivierung bereits des akademischen Strafrechtsinteresses entsprechend dem allge1 7 Zutreffend Amtl. Begr. a. a. O. (Fußn. 16). Allgemein zu dem (heutigen) Zusammenhang von Rechtsgütern und Verwaltungsinteressen Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht und Wirtschaftskriminalität Bd. I (1976) S. 115 sowie ZStW Bd. 91 (1979) S. 139ff. mit rechtsvergleichenden Hinweisen. 1 8 Amtl. Begr. a. a. O . ; dort S. 9 auch Nachw. zu der Parallelentwicklung in einigen Auslandsrechten.

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meinen Verhältnis von Kern- und Nebenstrafrecht (von der strafrechtlichen Ausbildung bis hin zur strafrechtlichen Kommentarund Lehrbuchliteratur) und über eine Steigerung des Bekanntheitsgrades der einschlägigen Strafrechtsnormen und Strafverfahren, vor allem aber auch über eine und durch eine (von der gesetzgeberischen Lozierung freilich nicht unbedingt abhängige) Effektivierung der Strafverfolgung insbesondere bei entsprechender Spezialisierung der Staatsanwaltschaften und Gerichte. Unter dem letzteren Gesichtspunkt ist in Ergänzung des Entwurfs eine Ergänzung des Kataloges des § 74 cAbs. 1 GVG zu empfehlen, wird doch für das Ungenügen bisheriger Umweltstrafrechtspraxis zu einem wesentlichen Teil auch das Fehlen einschlägiger Spezialkenntnisse und Erfahrungen auf der Ebene von Staatsanwaltschaft und Strafgericht verantwortlich gemacht19. Natürlich verfügen die heutigen Wirtschaftsstrafkammern regelmäßig noch nicht über derartige Spezialkenntnisse und Erfahrungen. Die Zuständigkeitskonzentration auf we-^ nige Spruchkörper würde aber eine hinreichende Gewähr dafür bieten, daß jedenfalls im Laufe der Zeit ein solches richterliches Erfahrungswissen entstehen könnte. Auf Amtsgerichtsebene sollten gemäß § 58 Abs. 1 GVG die Umweltstrafsachen einem Gericht für die Bezirke mehrerer Amtsgerichte zugewiesen werden. 2. Die wichtigsten inhaltlichen

Änderungen

Neben der Lozierung der Umweltstraftatbestände im StGB und den damit verbundenen Fragen der Tatbestandsgestaltung treten die inhaltlichen Änderungen, die der Entwurf für das Umweltstrafrecht vorsieht, an Bedeutung eher zurück: Der vorgeschlagene Straftatbestand der Gewässerverunreinigung (§ 324) wird mit einer im Vergleich zu § 38 WHG erheblich höheren Strafdrohung versehen. Jedoch beruht die für vorsätzliche Begehung vorgesehene Anhebung des Höchstmaßes der Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf fünf Jahre nur zum Teil auf einer Änderung der Unrechtsbewertung. Eine gewisse Ausweitung des Strafrahmens ergibt sich vielmehr bereits daraus, daß bisher im WHG enthaltene Qualifikationstatbestände (des Handelns gegen Entgelt

19 Vgl. nur Umweltgutachten 1978 des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen, BT-Drucks. 8/1938 S.485 (Nr. 1558), S.500 (Nr. 1610); dazu insbes. Hermann a. a. O. S. 288f.

20 oder in Bereicherungs- bzw. Schädigungsabsicht) in dem neuen Grundtatbestand aufgehen sollen. Diese Vereinfachungstendenz ist zu begrüßen. Außerdem bezieht § 324 den bisher in Sondergesetzen und internationalen Konventionen geregelten Schutz der Hohen See und der Küstengewässer anderer Staaten ein, wie die Legaldefinition des § 330 c Nr. 1 ausdrücklich ergibt. Diesem für die Anhebung des Strafrahmens jedenfalls mitentscheidenden Gesichtspunkt wird bei der späteren Auslegung und Handhabung des Gesetzes vor allem im Hinblick auf die Verunreinigung kleinerer Gewässer Rechnung zu tragen sein. Daß der Entwurf allerdings auch im übrigen und insgesamt den Rang der ökologischen Schutzgüter zum Anlaß für gewisse Anhebungen der Strafrahmen nimmt, zeigen § 325 (Luftverunreinigung und Lärm mit Schädigungseignung) im Vergleich zu §§ 63, 64 BImSchG (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren nur bei konkreter Gefahr) und § 326 (Abfallbeseitigung unter Ausdehnung des Abfallbegriffes) im Vergleich zu § 16 AbfG (Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, bei konkreter Gefahr bis zu fünf Jahren). Diese Entscheidungen erscheinen im Gesamtgefüge des Entwurfes und auch im Vergleich zu §§ 222 ff., 306 ff. StGB als sachgerecht, zumal es bei Qualifizierung der Tatbestände durch Eintritt einer konkreten Gefahr grundsätzlich bei dem Höchstmaß von fünf Jahren Freiheitsstrafe bleiben soll und insoweit nur eine Mindeststrafe angedroht wird (§ 330 Abs. 1 und 2). Zutreffend ist auch die bereits angedeutete Erweiterung der Strafbarkeit umweltgefährdender Abfallbeseitigung. Nachdem der Gesetzgeber im Jahre 1976 angesichts der Erfahrungen u.a. mit dem hessischen Fall Plaumann20 bereits innerhalb des AbfG den Ubergang vom konkreten zum abstrakten Gefährdungsdelikt vollzogen und damit eine wirklich effektive Regelung geschaffen hatte, soll § 326 Abs. 1 Nr. 1 und 2 folgerichtig bereits das Lagern und Beseitigen (usw.) von Sonderabfällen (Gift, radioaktive Stoffe usw.) unter Strafe stellen, wobei nur die bereits erwähnte Nr. 3 das Erfordernis einer Schädigungseignung enthält.

20 Dazu Der Spiegel 1975 Heft 45 S.56ff. - Eine Verurteilung wegen Betruges (zum Nachteil der Auftraggeber des Abfallbeseitigungsunternehmers) wie im Fall Plaumann erfolgte auch in dem nordrhein-westfälischen Fall Maluga und Schelborn (vgl. Frielinghaus, Umwelt 1973 Heft 4 S. 48 ff.; aber auch BGH IV StR 21/74 v. 25.6.1974 bei Burhenne/Dietrich, Umwelturteile sub 20 000 41).

21

Die ganz entsprechende, jedoch auf Gesundheit und andere Eigenschaften lebender Wesen bezogene Eignungsklausel bringt für den Tatbestand der Luftverunreinigung (§ 325) im Vergleich zu § 64 BImSchG eine Erweiterung der Strafbarkeit, im Verhältnis zu § 63 BImSchG dagegen eine Einengung. § 63 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG verlangt für die Strafbarkeit des ungenehmigten oder untersagten Betreibens einer Anlage lediglich, daß diese „im besonderen Maße geeignet" ist, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, erheblich zu benachteiligen oder erheblich zu belästigen. Die Einschränkung auf Gesundheitsgefahren (usw.) in § 325 stellt also gegenüber dem Immissions- und Schädlichkeitsbegriff des BImSchG (§§ 1, 3 Abs. 1) eine deutliche Verengung dar, die in ihrer Berechtigung und Praktikabilität bereits angesichts der fließenden Ubergänge von erheblichen Belästigungen zu (pathologischen) körperlichen Gefährdungen und Schädigungen zweifelhaft sein kann. Bekanntlich sollen etwa „leichte" (vorübergehende) Kopfschmerzen nach Ansicht der Kommentarliteratur zu § 223 StGB keine Körperverletzung darstellen21, und auch die Einordnung von Atembeschwerden, Benommenheit, Husten-, Nies- und Tränenreiz, Übelkeit, nervösen Spannungszuständen usw. ist durchaus zweifelhaft22. Auch läßt sich die Eignung zur Schädigung der menschlichen Gesundheit - anders als bei Tieren und Pflanzenkaum experimentell ermitteln. Die vorgeschlagene Gesetzesfassung ist daher wenig praktikabel und zieht für ihren hauptsächlichen Anwendungsbereich durch das Kriterium der Gesundheitsschädigung eine unsichere, ja fast willkürliche Grenze, die infolge des Eignungserfordernisses potentiell sogar hinter §§ 223 ff. StGB zurückbleibt, soweit es um den Schutz besonders empfindlicher Personen geht. In bezug auf die Beeinträchtigung des Menschen sollte daher in § 325 Abs. 1 Nr. 1 besser von der Eignung zur Verursachung einer erheblichen Belästigung, insbesondere einer Gesundheitsschädigung, gesprochen werden. Allerdings kehrt der Grund- und Auffangtatbestand des § 63 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG in § 327 Abs. 2 Nr. 1 des Entwurfs bei 21 Hirsch, in: LK (9. Aufl.) § 223 Rdn. 15; Horn, in: SK Bd. II (1. Aufl., Stand: 1979) § 223 Rdn.20. Vgl. Beer, Die Luftverunreinigung unter strafrechtlichen Gesichtspunkten, Diss. Mainz 1968, S.66ff. mit Nachw. - Weitergehend als die bisher h.M. insbes. Krey, Strafrecht Bes. Teil Bd. I (4. Aufl. 1979) S.70 mit weit. Nachw.

22 dem Betreiben ungenehmigter emittierender Anlagen wieder, und diese Vorschrift erscheint als der eigentliche Grundtatbestand, demgegenüber § 325 des Entwurfs der Sache nach eine Art Qualifikation darstellt. Jedoch bezieht sich § 327 nur auf die Genehmigung und Untersagung des Betriebes überhaupt, so daß sowohl bei Fehlen als auch bei Einhaltung von Auflagen zur Emissionsbegrenzung sogar die Rechtswidrigkeit eingetretener Gesundheitsschäden zweifelhaft ist (vgl. unten III 1). Insgesamt erscheint jedenfalls der Vorteil des vorgeschlagenen § 325 im Verhältnis zu den Straftatbeständen der Tötung, Körperverletzung und Sachbeschädigung auch unter Berücksichtigung der Versuchs- und Fahrlässigkeitsstrafbarkeit (§ 325 Abs.2 und 3) nicht besonders groß. Insbesondere läßt die Eignungsklausel eine so enge Auslegung zu, daß der gesamte vorgeschlagene Tatbestand des § 325 eher der Ästhetik und Systematik der §§ 324 ff. dient als die praktischen Schutzbedürfnisse wirklich erfüllt. Das eigentliche Gewicht des § 325 Abs. 1 Nr. 1 liegt bei dem Verstoß gegen vollziehbare Anordnungen und Auflagen, bei denen indessen das Erfordernis grober Pflichtwidrigkeit (Abs. 4!) in Verbindung mit der vorerwähnten Schädigungseignung des Verstoßes für die Gesundheit (und für Sacheigentum „von bedeutendem Wert") zu einer insgesamt unbefriedigenden „Lösung" führen würde, die wahrscheinlich auch nichts an der bisherigen Haltung der Strafverfolgungsbehörden zu ändern vermöchte, erst in Fällen vollendeter Körperverletzung und vollendeter Sachbeschädigung einzuschreiten. Die von dem Entwurf verlangte verwaltungsrechtliche „Vorwarnung" des Täters23 begründet jedenfalls für vorsätzliches Handeln, welches sich selbstverständlich auch auf die Schädigungseignung zu beziehen hat, eine Doppelung der Restriktionen, die den Verdacht aufkommen läßt, es handele sich bei § 325 um einen politischen Kompromiß mit dem Ziel der strafrechtlichen Verharmlosung des Problems der Luftverunreinigung. Zwar hebt die Amtliche Begründung selbst das Bedürfnis nach umfassendem Schutz der Luft unter Hinweis auf deren „bestehende und zunehmende Belastung durch Schadstoffe" durchaus hervor, meint jedoch sodann, ein genereller Strafschutz gegen Verunreinigung der Luft rufe „strafrechtlich schwierige Probleme" der Abgrenzung hervor24. Dies mag hinsichtlich der zum Zwecke der Einengung des 23 24

Amtl. Begr. S. 16. Amtl. Begr. S . l l .

23 Straftatbestandes vorgeschlagenen Merkmale „Betrieb einer Anlage" und „grobe Pflichtwidrigkeit" überzeugend oder doch hinnehmbar sein. Die weitere Eingrenzung durch das Erfordernis einer sog. Vorwarnung durch verwaltungsrechtliche Einzelfall-Gebote und -Verbote wird dagegen vom Entwurf lediglich damit begründet, es werde hierdurch der Sachverhalt für Betroffene und Rechtsanwender „hinreichend bestimmt" 25 . Dieses auf den Akt der Verwaltungsbehörde abhebende Bestimmtheitsverständnis geht aber für gesetzliche Genehmigungserfordernisse, die nach Abs. 4 ebenfalls genügen sollen, fehl und ist des weiteren in bezug auf den verwaltungsrechtlichen Einzelakt nicht identisch mit der gesetzlichen Bestimmtheitsgarantie des Art. 103 Abs. 2 GG 2 6 . Es ist aber auch bei Kenntnis des Täters von der Schädigungseignung seiner Handlung entweder überflüssig (soweit sich der Verwaltungsakt auf Beseitigung dieser Schädigungseignung bezieht) oder irrelevant (soweit der Verwaltungsakt z.B. nur Belästigungsfälle betrifft). Es wäre also auch für das Bestimmtheitsverständnis des Entwurfs folgerichtiger), auf die Schädigungseignung des Verstoßes in den Fällen ganz zu verzichten, in denen bestimmte Emissionsgrenzwerte festgelegt sind und schuldhaft überschritten werden, soweit es dadurch zu erheblichen Belästigungen kommt. Hierdurch würden zugleich die im geltenden Strafrecht bestehenden notorischen Probleme des Kausalitätsnachweises27 entscheidend entschärft. Weitergehend sollte aber auch geprüft werden, ob nicht bei der Luftverunreinigung-ähnlich wie bei der Gewässerverunreinigung - bereits im Grundtatbestand entsprechend § 5 Nr. 2 BImSchG die von einer konkreten Auflage unabhängige Verpflichtung zur Nichtverunreinigung der Luft strafbewehrt sein sollte (vgl. die entsprechende Formulierung innerhalb der Qualifikation des § 330 Abs. 1 Nr. 2 a!), wenn und soweit die in der „Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft" (TA Luft) niedergelegten, dem Stand der Technik entsprechenden Emissionsbegrenzungen vorsätzlich oder leichtfertig grob überschritten oder Tiere, Pflanzen oder andere Sa-

Amtl. Begr. S. 15. Ähnlich Backes a.a.O. S.341. Ausführlicher Tiedemann, Tatbestandsfunktionen S.239ff., sowie in: LK (10. Aufl. 1979) § 264 Rdn.47. 27 Dazuinsbes. Beer a.a.O. S.97ff., 113 ff.; Rüdiger, Zur Bekämpfung sozialgefährlicher Umweltverstöße durch das Kriminalstrafrecht, Diss. Gießen 1976, S.49ff. mit weit. Nachw.; vgl. auch Kunz, Die Verletzungen des biologischen Lebensraumes als strafrechtliche Tatbestände, Diss. Zürich 1973, S. 87 (ff.). 25

26

24 chen von bedeutendem Wert geschädigt werden 28 . Ob dabei im Straftatbestand - nach dem Modell des § 330 StGB - ausdrücklich auf die wissenschaftlichen Erfahrungsregeln Bezug zu nehmen und ob bei konkretisierender Umsetzung dieser Regeln durch einen Verwaltungsakt entscheidend auf diesen Einzelakt abzustellen wäre, sind sekundäre Fragen. In jedem Fall sollte es zu denken geben, daß der Alternativ-Entwurf mit seinem durch und durch verwaltungsakzessorischen Prüfstellenkonzept und seiner grundsätzlichen Zurückhaltung gegenüber allen Kriminalisierungsvorschlägen gerade bei der Luftverunreinigung (und bei der Lärmverursachung) nicht ausschließlich auf die von der Verwaltungsbehörde (Prüfstelle) individuell festgesetzten Emissionshöchstwerte und überhaupt nicht auf den Nachweis der Gefährdungseignung für individuelle Güter (wie Leben und Gesundheit) abstellt (vgl. §§ 153, 154 AE). Auf gravierende Bedenken stößt auch die vorgesehene Strafvorschrift gegen übermäßigen Lärm. § 325 Abs. 1 Nr. 2 soll denjenigen unter Strafe stellen, der „beim Betrieb einer Anlage . . . unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten" „nicht nur vorübergehend erheblichen Lärm verursacht, der geeignet ist, außerhalb des zur Anlage gehörenden Bereichs die Gesundheit eines anderen zu schädigen". Neben der auch hier vorgesehenen zweifelhaften strengen Akzessorietät vom Verwaltungsrecht ist vor allem zu rügen, daß der gesamte Anwendungsbereich dieser Vorschrift unklar ist. Eine Eignung zur Gesundheitsschädigung durch Lärm wird nämlich von der medizinischen Forschung allein für Gehörschäden in der Form der Lärm-Schwerhörigkeit anerkannt, was offenbar eine annähernd 10jährige sehr starke Lärmeinwirkung ab 90 dB(A) voraussetzt 29 . Derartige Schwellenwerte werden außerhalb des zum Betrieb (z.B. einer Kesselschmiede) gehörenden Bereichs jedenfalls durch feststellbare Einzelverursacher überhaupt nicht erreicht. Auf der anderen Seite legt offenbar z.B. die Verwaltungsrechtsprechung einen weiten, über § 223 StGB hinausgehenden Begriff der Gesundheitsbeeinträchtigung zugrunde, wenn vor allem die wieder28 Vgl. Leibinger, ZStW Bd. 90 (1978) Beiheft S. 69 (83); Rüdiger a. a. O. S. 220 (Gcs ctzcs vors ch lä^j, 29 Umwehgutachten a. a. O. S. 241 f. (Nr. 738), S. 272 f. (Nr. 787 und 788); ferner Jansen, Stellungnahme zu dem Entwurf eines Sechzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes (usw.), Deutscher Bundestag 8. Wahlperiode 6. Ausschuß Protokoll Nr. 73 Teil I S. 73/35ff., Teil II S.28ff.

25 holte Störung der Nachtruhe als (konkrete) Gefahr für die Gesundheit angesehen oder richtiger: unterstellt wird 30 . Es muß für § 325 geklärt werden, welcher Gesundheitsbegriff gelten soll - der enge medizinische, der weite verwaltungsrechtliche oder gar der überweite der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die stillschweigende Anknüpfung an § 223 StGB jedenfalls läßt alles offen und kann daher schwerlich Inhalt des neuen Lärmschutzstrafrechts werden. Insgesamt ist § 325 innerhalb des Entwurfs die am wenigsten ausgereifte Vorschrift, auch wenn die Kausalitätsprobleme in unseren Überlegungen noch überwiegend offen geblieben sind (dazu näher III 2.). III. Die einzelnen Tatbestände und Rechtsgüter sowie das (sonstige) Verhältnis zum Verwaltungsrecht 1. Akzessorietät vom

Verwaltungsrecht

Das schwierige, aber für das Umweltstrafrecht zentrale Verhältnis zum Verwaltungsrecht regelt der Entwurf trotz seiner im übrigen grundsätzlichen Tendenz zur Harmonisierung in recht uneinheitlicher Weise. Die umweltverwaltungsrechtliche Vorwürdigung des Sachverhalts versteckt sich bei §§ 324, 326 Abs. 1, 330 Abs. 1 Nr. 2 in dem generellen Negativbegriff „unbefugt", der neben dem Fehlen verwaltungsrechtlicher Genehmigungen auch das Nichtvorliegen allgemeiner Rechtfertigungsgründe meint; unter diesen spielen im Umweltstrafrecht vor allem der rechtfertigende Notstand und die Sozialadäquanz eine Rolle 31 . Bei § 325 kehrt der Einfluß des Umweltverwaltungsrechts dagegen positiv in den ausdrücklich zur Tatbestandsvoraussetzung erklärten und bereits erwähnten „verwaltungsrechtlichen Pflichten" wieder (wobei die Verbindung mit der Legaldefinition des Abs. 4 hier anders als bei § 324 den

3 0 Vgl. dazu insbes. die bei Gossrau/Stephany/Conrad, Handbuch des Lärmschutzes und der Luftreinhaltung, 2 Bde., Berlin 1969 unter den Nrn. 51 035, 51 036, 51 038, 52 020, 53 020, 54 020, 54 523 abgedruckten Urteile. Vgl. auch die von der Amtl. Begr. S. 16 zitierten strafrechtüchen Entscheidungen, die aber teils Sonderfälle betreffen (Versetzen in Hypnose!), teils der Absicherung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung entbehren. 3 1 Dazu Amtl. Begr. S. 14; Hermann a . a . O . , S.298, je mit Nachw.

26 nichteinschreitenden bzw. sonst ermessenswidrig handelnden Verwaltungsbeamten als Täter ausschließt! Dazu allgemein unten IV 2.). Auffällig ist insbesondere die Diskrepanz der Wortwahl bei § 325 und § 330 Abs. 1 Nr. 2, die beide den Sachverhalt der Luftverunreinigung und der Lärmverursachung betreffen. Insoweit führt die Qualifikation der „schweren Umweltgefährdung" (§ 330) einen Grundtatbestand an, der nicht der des § 325, sondern dem § 324 nachgebildet ist: Erhöhte Strafe wird für denjenigen angedroht, der „unbefugt die natürliche Zusammensetzung der Luft nachteilig verändert" (und dadurch eine konkrete Gefahr herbeiführt). Diese systematisch unschöne Divergenz ist zwar vom Entwurf ausdrücklich gewollt, da die tatbestandliche Verwaltungsakzessorietät nur im Falle der konkreten Gefährdung von Leib oder Leben (usw.) aufgegeben werden soll. Jedoch bleibt darüber hinaus offen, ob und inwieweit die etwa erteilten Genehmigungen und Auflagen auch bei Leibes- und Lebensgefährdung rechtfertigend wirken, wenn und soweit die Auflagen eingehalten werden und von der Genehmigung (des Betriebes) nicht abgewichen wird. Der Entwurf scheint die Rechtfertigungswirkung nicht nur bei den Grundtatbeständen der §§ 324 ff., sondern auch für § 330 zu bejahen, bei § 330 a („schwere Gefährdung durch Freisetzen von Giften") dagegen unter Berufung auf die Flaschenverschluß-Entscheidung des BGH zu verneinen32. Jedoch behandelt dieses unten S.58ff. abgedruckte BGH-Urteil nur die Auswirkungen einer verwaltungsrechtlichen Genehmigung auf die Strafbarkeit wegen vollendeter Körperverletzung (und deutet insoweit erst den Gedanken des Rechtsmißbrauches als Entscheidungskriterium an). Die zentrale Frage des Verhältnisses von Verwaltungsrecht und (Umwelt-)Strafrecht bleibt also letztlich offen - ein Defizit, das freilich nicht eigentlich zu Lasten des Entwurfs und seiner Begründung geht. Vielmehr lassen auch Rechtsprechung und Schrifttum sowohl des Verwaltungsrechts wie des Strafrechts nicht erkennen, wo im einzelnen die Rechtswidrigkeitsgrenzen erlaubter Tätigkeiten beginnen. Bekanntlich gewährt - seit der Rechtsprechung zu § 26 GewO a. F. - die verwaltungsrechtliche Genehmigung eines Betriebes einen Bestandsschutz, dem gegenüber nachträgliche Auflagen (durch die Behörden der Sonderverwaltung) und polizeiliches Einschreiten (auf Grund der polizeilichen Generalklausel) nur eingeschränkt 32

Amtl. Begr. S.25 und S.23.

27 möglich sind (vgl. etwa § 17 BImSchG für die nachträglichen Anordnungen durch die Genehmigungsbehörde). Ob damit genehmigte, nämlich von der bei Genehmigungserteilung zu erstellenden Prognose (vgl. § 6 BImSchG) gedeckte konkrete Gefahren nicht rechtswidrig („legalisiert") und daher wegen der Einheit der Rechtsordnung auch strafrechtlich irrelevant sind oder ob diese Gefährdungen nur auf Grund der Sperrwirkung des Bestandsschutzes (vgl. etwa §§ 14, 17 BImSchG) dem polizeilichen und zivilrechtlichen Einschreiten entzogen sind, ist ungeklärt 33 . Unproblematisch ist nur die Rechtswidrigkeit von (und das Einschreiten gegen) konkrete^) Gefahren, die aus der wesentlichen Abweichung von der erteilten Genehmigung oder aus dem Verstoß gegen Auflagen oder aus nachträglichen Betriebs- oder Unterhaltungsfehlern entstehen. Auch die (ausdrückliche) Aufnahme der Generalklausel des § 5 BImSchG über die sog. Grundpflichten des Betreibers in die Genehmigung führt dazu, daß bei dem Betrieb der Anlage auftretende Gefährdungen der Allgemeinheit als rechtswidrig anzusehen sind. Im Streit bleibt somit vor allem die fehlerhafte Genehmigung, wobei die Fehlerhaftigkeit von Anfang an bestehen oder sich aus der Fortentwicklung der Verhältnisse ergeben kann. Es liegt nahe, insoweit mit dem BGH jedenfalls bei vorsätzlicher Herbeiführung von Körper- oder beträchtlichen Sachschäden eine rechtfertigende Wirkung unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmißbrauchs zu verneinen. Im übrigen mag für das Verhältnis zum Verwaltungsrecht vergleichend darauf hingewiesen sein, daß der Entwurf einerseits ganz auf die für das US-Umweltschutzstrafrecht typische und auch dem schweizerischen Strafrecht allgemein vertraute Androhung von Kriminalstrafe für Verstöße gegen verwaltungsbehördliche Einzelakte verzichtet, sich andererseits - anders als etwa der Text des § 180 Abs. 2 Österreich. StGB - nicht auf eine Abhängigkeit des Umweltstrafrechts von den verwaltungsrechtlichen Umweltgeseizen beschränkt. Der Entwurf schafft damit eine insgesamt genuine Verwaltungsrechtsakzessorietät, die mehr als ein bloßer Kompromiß zwischen den denkbaren Modellen ist.

33 Vgl. zuletzt BVerwG D Ö V 1978, 406ff. mit Anm. Jarass. Zuvor insbes. Goldmann, Die behördliche Genehmigung als Rechtfertigungsgrund, Diss. Freiburg i.Br. 1967, S. 109 ff. mit Nachw.

28 2. Rechtsgüterschutz

und

Verursachungsprinzip

Unter Rechtsgutaspekten setzt sich die Problematik der Akzessorietät des Strafrechts vom Verwaltungsrecht zunächst fort: Geht es in dem neuen Umweltstrafrecht um den Schutz der Individualrechtsgüter Leben, Gesundheit usw. im „Vorfeld" der Schädigung oder um zwar auf den Menschen bezogene, aber doch relativ selbständige „ökologische" Rechtsgüter (wie die Reinheit des Wassers, der Luft usw.) oder aber in dem Sinne um (überindividuelle) Verwaltungsrechtsgüter, daß die Verwaltung die Schutzbedingungen und damit auch die Voraussetzungen der Strafbarkeit definiert? Der erstere, individualbezogene Standpunkt, der sich selbstverständlich auch zur Annahme einer Summe individueller Schutzgüter weiterentwickeln läßt, ist der des Alternativ-Entwurfs, welcher die einschlägigen Straftaten als „Personengefährdungen" versteht34, freilich angesichts seines Prüfstellenkonzepts aus dieser Rechtsgutsbestimmung keine näheren Folgerungen für die (meisten) Tatbestandsfassungen zieht. Der zweitgenannte, „ökologische" Standpunkt verselbständigter überindividueller (sozialer) Schutzgüter wird dagegen von der Entwurfsbegründung in den Vordergrund gestellt, so daß der Rechtsgüterschutz nur „mittelbar auch dem Menschen" dient35. Zweifel an der Richtigkeit der letzteren Aussage könnten sich zunächst an dem - eher formalen - Gesichtspunkt entzünden, daß die Entwurfsbegründung an keiner Stelle das Rechtsgut des Straftatbestandes gegen übermäßige LärmVerursachung nennt. In der Tat zeigt dieses - vielleicht unbewußte - Zögern gegenüber einem Rechtsgut der selbst in einer unberührten Umwelt nicht vorhandenen absoluten Ruhe nicht nur - wenngleich doch schon besonders deutlich - auf, daß die Rechtsgüter ganz überwiegend nur relative, auf die jeweilige Gesellschaftsordnung und ihre Zwecke bezogene Funktionseinheiten sind. Vielmehr werden die oder doch: einige ökologische(n) Rechtsgüter offenbar jedenfalls teilweise - wie beim Lärm, aber auch beim Strahlenschutz3fi - stärker als andere, ,mediatisierte" soziale Interessen von dem Bezug auf den Menschen und seine unmittelbaren Schutzinteressen geprägt. Auch die Gesetzes-

34 35 36

Vgl. dazu AE Begr. S.49 (ff.). Amtl. Begr. S. 10. Ähnlich zuvor Noll, Universitas Jg. 26 (1971) S. 1021 ff. Amtl. Begr. a.a.O.; Möhrenschlager a.a.O. S.98.

29 technik der unmittelbaren Bezugnahme auf die menschliche Gesundheit als zusätzliches Tatobjekt in mehreren Tatbeständen des Entwurfs (§§ 325, 330, 330 a) weckt Zweifel daran, ob es wirklich nur um ökologische Schutzgüter geht, wenn auch generell zuzugeben ist, daß die Gesetzestechnik keine zwingenden Schlüsse auf die Rechtsgüter zuläßt. Insgesamt liegt damit die für die Einheitlichkeit des Entwurfs nicht besonders zuträgliche, andererseits aber auch nicht entscheidend gegen die Tatbestandsfassungen sprechende Annahme am nächsten, daß die Rechtsgüter je nach Straftatbestand und Unrechtsmaterie stärker individuell oder stärker überindividuell sind. In der Literatur wird demgegenüber auch die Möglichkeit eines doppelten Rechtsgutsbezuges erwogen 37 , wenngleich dies bei den üblichen Kontrollfragen vor zusätzliche Schwierigkeiten stellt: ob etwa bei Einverständnis aller (z.B. vom Lärm) Betroffenen die Strafbarkeit (Rechtswidrigkeit) entfällt (eine beim Gewässerschutz schwerer denkbare Konstellation!) oder ob der wirtschaftlich nicht herstellbare absolute Schutz der Luft(reinheit) dazu führt, daß dieses Gut von den Verwaltungsbehörden „verwaltet" wird, deren Dispens ja bei § 325 im Ergebnis nach Art eines Verzichtes durch den Rechtsgutträger unzweifelhaft zum Entfallen der Strafbarkeit führt, jedenfalls soweit die Luft(reinheit) in Frage steht. Daß es sich hierbei keineswegs nur um akademische Streitfragen und dogmatische Zweifel an der Entwurfsbegründung handelt, mag am Tatbestand des § 324 aufgezeigt werden: Der hier nach der Entwurfsbegründung umfassend intendierte Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung38 hängt nach dem Wortlaut des Tatbestandes davon ab, daß die Eigenschaften des jeweiligen Gewässers „nachteilig verändert" werden. Die Entwurfsbegründung hebt zwar hervor, es reiche hierzu die Beeinträchtigung der objektiven Nutzungsmöglichkeit des Gewässers aus und der Eintritt konkreter Nachteile werde nicht verlangt 39 . Damit wird anscheinend eine Betrachtungsweise gewählt, welche als die „wasserwirtschaftliche" gekennzeichnet werden könnte 40 . Demgegenüber würde der in § 326

37 Insbes. Leibinger a. a. O. S. 83; wohl auch Triffterer a. a. O. S. 333 f. Vgl. auch Rüdiger a. a. O. S. 91 mit weit. Nachw. 38 Amtl. Begr. S. 10, 11, 13. 39 Amtl. Begr. S. 14 mit Nachw. aus der Rechtsprechung zu § 38 WHG. 40 Triffterer a. a. O. S. 338.

30 Abs.l Nr. 3 (umweltgefährdende Abfallbeseitigung) enthaltene (und der Sache nach neben der „Verunreinigung" überflüssige) Hinweis auf die „physikalischen, chemischen oder biologischen Veränderungen" der Eigenschaften, also des „Naturzustandes" eines Gewässers als Ansatzpunkt für die Bestimmung der Nachteiligkeit in § 324 dazu führen, die Maßgeblichkeit wirtschaftlicher (Nutzungs-)Aspekte völlig außer acht zu lassen und einen „absoluten" Gewässerschutz zu postulieren. Sind also Veränderungen der „idealen" oder „natürlichen" Beschaffenheit des Wassers auch ohne jeden Bezug zu konkreten (menschlichen) Nutzungsmöglichkeiten nachteilig? Muß nicht jedenfalls die species Mensch Bezugsmaßstab sein? Ist vor allem der für abstrakte Gefährdungsdelikte seit langem diskutierte, für Bagatellfälle in § 326 Abs. 5 anerkannte Gegenbeweis der Ungefährlichkeit bei § 324 im Wege der Auslegung des Nachteilsbegriffes zugelassen? Oder ist selbst die abstrakte Gefährdung des Menschen bei § 324 in diesem als Erfolgsdelikt konstruierten Tatbestand so sehr extrapoliert, daß auch heute noch nicht ersichtliche (potentielle) Gefährdungen strafrechtlich relevant sein sollen? Die Antwort des Entwurfs auf derartige Fragen ist durch die neuere Rechtsprechung zu § 38 WHG vorgezeichnet und zielt letztlich auf umfassenden, also absoluten Gewässerschlitz. Vor allem seit dem Wegfall des Erfordernisses „schädlicher" Verunreinigung im Gesetz hat sich in der Rechtsprechung zu § 38 WHG deutlicher als auf den ersten Blick erkennbar eine Entwicklung vollzogen, die immer geringere Anforderungen an den (nunmehrigen) Begriff der Nachteiligkeit stellt und praktisch nur noch vorteilhafte sowie völlig unerhebliche Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung von der Strafbarkeit ausnimmt41. Durch diese (billigenswerte) Weite des Nachteilsbegriffes werden für § 324 auch die Probleme des Kausalitätsnachweises entscheidend entschärft. Die Schwierigkeiten, insbesondere bei der Luftverunreinigung Langzeitschäden festzustellen, aber auch ganz allgemein den Kausalzusammenhang zwischen Umweltbeeinträchtigung und gesundheitlicher Schädigung (usw.) nachzuweisen, mögen insgesamt - neben den neuen Angriffsformen und ihrer Massierung - dazu beige4 1 Vgl. bes. OLGStuttgartNJW 1977,1408 (f.): „allein entscheidend, daßdurch Einleitung von Abwasser das davon betroffene Gewässer aufhört, reines Wasser zu sein".

31 tragen haben, hier Schutzgitter zu konstatieren, von denen jedenfalls einige nicht nur und nicht unmittelbar individualbezogen sind. Aus der Diskussion um die Erneuerung des Wirtschaftsstrafrechts weiß man, daß eine solche Deutung - entgegen vereinzelten Bedenken und Behauptungen - nicht von vornherein illegitim ist: Das Versagen der klassischen Straftatbestände (z.B. zum Schutz von Leib, Leben und Eigentum) gegenüber komplizierten modernen Angriffsweisen mag zwar zunächst auch (oder sogar nur) ein Problem des Nachweises, insbesondere der Kausalität, sein. Die Beweisschwierigkeiten können jedoch zugleich darauf hindeuten, daß die Weiterentwicklung der sozialen Verhältnisse in einer Gesellschaft Schutzbedürfnisse hervorgebracht hat, denen durch neue, im Vergleich zu den elementaren Individualschutzgütern „vorverlagerte" Straftatbestände Rechnung zu tragen ist 42 . Der Einwand, es gehe hier um Pseudoargumente und lediglich um die Behebung von Beweisschwierigkeiten, also möglicherweise sogar um die Verfolgung (und Bestrafung) Unschuldiger, verfängt allerdings für das Umweltschutzstrafrecht wohl schon deshalb nicht, weil der Entwurf die notorischen Beweisschwierigkeiten insbesondere bei der Feststellung des Verursachers im Verhältnis zum geltenden Recht kaum mildert: Die individuelle Lokalisierung des Schädigers bei der Emission und Immission kleinerer Schadstoffmengen wird nicht dadurch entscheidend leichter, daß nicht - wie etwa bei § 230 StGB - der Gesundheitsschaden, sondern - bei § 325 des Entwurfs - die zur Gesundheitsschädigung geeignete Veränderung der natürlichen Zusammensetzung der Luft nachgewiesen werden muß. Sicher ist es gerade bei dem vorgeschlagenen § 325 primär eine (wirtschafte-) politische Frage, wie weit der im Entwurf von vornherein nur begrenzt gewollte Schutz der Luft (und der Ruhe) ausgedehnt werden soll. Hält man sich an die vorliegende Entwurfsfassung, so hängt das Kausalitätsproblem und seine praktische Bewältigung vor allem von der Auslegung des Erfordernisses der Eignung ab: Als abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt 43 erfordert der Tatbestand zwar eine Berücksichtigung der generellen Schädlichkeit der emit-

42 Zusammenfassend Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht Bd. I S. 108 ff. sowie in LK § 265 b Rdn. 12. 4Ϊ BT-Drucks. 8/2382 S.34; Möhrenschlager a . a . O . S.99 (mit Nachw.); vgl. auch Amtl. Begr. S. 16. Grundlegend zu der Figur des abstrakt-konkreten Gefährdungsdeliktes Schröder, JZ 1967, 522 ff.; ablehnend aber ζ. Β .Jescheck, Allgem. Teil S. 211 f. mit weit. Nachw.

32 tierten Stoffe, nicht dagegen der konkreten Umstände - so daß es wohl auf die vorhandene Besiedlungs(dichte) oder die Höhe des Schornsteins, nicht dagegen auf die Wetterverhältnisse zur Tatzeit ankommt. Daß über das Eignungsmerkmal wohl auch Existenz und emittierende Tätigkeit benachbarter Betreiber berücksichtigt werden können, bringt nur dann eine Verbesserung des Kausalitätsnachweises, wenn bereits die Verwaltungsbehörde von einer entsprechenden regionalen Zusammenschau ausgeht und die Emissionswerte bei den einzelnen Betreibern entsprechend begrenzt. Eine selbständige strafrechtliche Verbesserung vermag der Entwurf des § 325 daher allenfalls insoweit zu bringen, als nach ihm auch eine massenstatistische Beweisführung hinsichtlich der Gesundheitsschädlichkeit einzelner Stoffe zulässig sein müßte („generelle Kausalität"), da der vorgeschlagene Tatbestand die kausale Schädigung bestimmter individueller Personen nicht mehr voraussetzt 44 . Ob allerdings bei Unsicherheit des Urteils über die Schädlichkeit eines Stoffes gerade mit Mitteln des Strafrechts reagiert werden sollte, erscheint fraglich und dürfte jedenfalls im Vergleich zu den übrigen Lösungen des Entwurfs rechtspolitisch eher zu verneinen sein. Bei dem vom Entwurf als absolut verstandenen Gewässerschutz sind dagegen weitergehende Verkürzungen des Kausalitätserfordernisses kaum denkbar, da bei Beibehaltung des Erfolgsdeliktes (wie in § 38 WHG) die Feststellung einer zumindest kumulativen oder alternativen Kausalität zwischen Handlung und Erfolg unabdingbares Requisit rechtsstaatlichen Strafens ist. Selbst bei Umwandlung in Richtung auf ein Tätigkeitsdelikt (z.B. Einbringen schädlicher Stoffe in Gewässer) müßten der Sache nach jedenfalls die Handlung und ihre Schädlichkeit bzw. Schadenseignung nachgewiesen werden. Da mit der Entwurfsbegründung bereits die Beeinträchtigung der Regenerationsfähigkeit des Gewässers als hinreichender tatbestandsmäßiger Erfolg anzusehen ist 45 , werden bei § 324 die Kausalitätsfragen sogar - wie im geltenden Recht - dahingehend verkürzt, daß auch ein bereits stark verunreinigtes Gewässer vom Täter weiter verunreinigt werden, also auch die „eigent-

4 4 Zu diesem Problem - am Beispiel des Contergan-Falles - vor allem Arm. Kaufmann, J Z 1971, 569 (572 ff.); vgl. auch Tiedemann, Wettbewerb und Strafrecht (1976) S.40. 4 5 Amtl. Begr. S. 14 unter Bezugnahme auf O L G Stuttgart a. a. O . ; ebenso bereits L G Kleve Wasserwirtschaft 1971, 196 (197) und O L G Celle RdL 1966, 276.

33 lieh" fehlende Ursächlichkeit der Täterhandlung angesichts des weiten Erfolgsbegriffes hier nicht exkulpierend wirken kann. Diese Weite des Tatbestandes, der von dem Eintritt konkreter Nachteile absieht, macht es - im Vergleich zu ausländischen Regelungen auch überflüssig, den Straftatbestand ausdrücklich bereits auf die (konkrete) Gefährdung des Gewässers zu erstrecken. 3. Einzelfragen a) Dem Straftatbestand der Gewässerverunreinigung kommt bislang (§§ 38, 39 WHG) in der Strafverfolgungspraxis des Umweltrechts die mit Abstand größte Bedeutung zu 46 . Die relativ hohe Aufklärungsquote dürfte vor allem auch mit der Art dieses Mediums (im Vergleich zu dem flüchtigeren Medium Luft) und folglich mit der relativ leichteren Feststellbarkeit einer Verunreinigung und ihres Ursprungs zusammenhängen. Offenbar widmen sich die Wasserbehörden vor allem den „großen" Einleitungen, bei denen auch der Tat(bestands)nachweis einigermaßen leicht zu führen ist und das Unrecht im wesentlichen in der Nichteinhaltung von Auflagen und Genehmigungsbedingungen liegt. Rechtliche Probleme entstehen bei der gegenwärtigen weiten Tatbestandsfassung im wesentlichen nur in bezug auf die Befugnis zur Einleitung von Schadstoffen auf Grund alter Genehmigungen. Fragen der Analysetechnik, der Probenahme bei diskontinuierlicher Fracht, der Berücksichtigung von Vorbelastungen und von weiteren Einleitungen bei Mischabwässern werden bislang vorwiegend verwaltungsrechtlich - im Zusammenhang mit Auflagen und Genehmigungen - relevant und stellen die Tatbestandsbestimmtheit des Strafrechts schon deshalb nicht in Frage, weil bei Unsicherheit der naturwissenschaftlichen Bewertung und Berechnung strafrechtlich nur die engste, für den Täter günstigste Methode in Betracht kommt. Im übrigen unterscheidet sich die erforderliche (und mögliche) interpretatorische Ausschließung von Bagatellhandlungen - auch bei dem vorgeschlagenen § 324 - methodisch nicht von demselben Vorgehen bei §§ 223, 230, 303 StGB. Die Fassung des § 324 verdient somit insgesamt Zustimmung. Verbleibende Beweisprobleme hinsichtlich der Verursachung wür46 Hermann a. a. O . S. 303f.; Leibinger a. a. O . S. 91; Storm, Umweltschutzdelikte 1976 (Umweltbundesamt Materialien 1/78) (1978), bes. S.19ff.

34 den auch durch Umwandlung der Tatbestandsbeschreibung in Richtung auf ein Tätigkeitsdelikt nicht entscheidend gemildert. Probleme des Kausalitätsnachweises bei kumulativem, summativem oder synergetrschem Zusammenwirken verschiedener Schadstoffe entstehen angesichts des weiten Nachteilsbegriffes ebenfalls nicht. b) Die mehrfache Eingrenzung des Straftatbestandes der Luftverunreinigung in § 325 Abs. 1 Nr. 1 erscheint, noch einmal zusammengefaßt, als zu weitgehend, jedenfalls soweit es sich um den Vorsatztatbestand handelt. Da der Summationseffekt bei multikausalen Bedingungen und die alternative Kausalität häufig vom einzelnen Täter nicht (nachweisbar) vorhergesehen werden können, ist der Bezug auf die Individualgüter auch im übrigen verfehlt. Es sollte entweder das - in der Regel nur durch Sachverständigenbeweis feststellbare - Tatbestandsmerkmal der „Eignung" auf die Herbeiführung erheblicher Belästigungen von Menschen erweitert oder abersoweit erhebliche Uberschreitungen der Schwellenwerte vorliegen - das Erfordernis der „Vorwarnung" durch die Verwaltungsbehörde fallen gelassen werden. Die zusätzliche Begrenzung des Straftatbestandes auf die (Eignung zur) Schädigung von Individualgütern außerhalb der Anlage sollte darauf überprüft werden, ob es sich nicht um eine (zu) weitgehend ressortbedingte Entgegensetzung von Arbeits- und Umweltschutz handelt. Der Fabrikzaun als Grenze für zulässige und unzulässige Luftverunreinigungen ist zwar nicht willkürlich, aber auch nicht überzeugend! c) Daß Lärmverursachung nach dem Entwurfsvorschlag (§ 325 Abs.l Nr. 2) nicht nur auf ihre Eignung zur Gesundheitsschädigung außerhalb der Anlage, sondern darüber hinaus noch auf Erheblichkeit und auf das Vorliegen einer gewissen Dauer des Lärms zu prüfen sein soll, erscheint wenig sinnvoll. Wenn der vom Täter verursachte Lärm generell (!) geeignet ist, die Gesundheit von Menschen außerhalb der Anlage zu schädigen, kann es schwerlich darauf ankommen, ob der Lärm nur vorübergehend oder auf eine gewisse Dauer erzeugt wird: Dem Kriterium der zeitlichen Dauer wird bereits durch die Eignungsklausel Rechnung getragen. Sofern auch kurzfristiger Lärm geeignet ist, gesundheitsschädigend zu wirken, muß seine Verursachung ebenfalls verboten und strafbar sein. Die Streichung des weiteren Erfordernisses der Erheblichkeit ist bereits vom Bundesrat zutreffend angeregt und von der Bundesregierung

35 zugesagt worden 47 ; die von der Begründung angestrebten Ergebnisse lassen sich auch ohne dieses eher verwirrende Tatbestandsmerkmal im Wege der Auslegung erreichen. Besonders bei der Verursachung übermäßigen Lärmes ist aber auch trotz der besonderen Relativität des Rechtsgutes der Ruhe nicht ersichtlich, warum bei Eignung des Lärms zur Gesundheitsbeeinträchtigung für die Tatbestandserfüllung wiederum eine „Vorwarnung" durch die Verwaltungsbehörde erforderlich ist. Hier ist wie bei dem Tatbestand der Luftverunreinigung zu bedenken, daß die vom Entwurf vorgeschlagene Fassung als abstraktkonkretes Gefährdungsdelikt zwar den Nachweis des Eintrittes einer konkreten Gefahr (oder Schädigung) erübrigt, für das (richterliche) Urteil der generellen Gefährdungseignung aber die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles erfordert, wobei nur fraglich sein kann, ob alle individuellen Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen sind (was wohl nur zum Beweise der Ungefährlichkeit der Handlung zuzulassen ist). Dem Täter muß also sowohl die Kenntnis der maßgebenden Umstände als auch die ihrer Maßgeblichkeit für die Gefährdungseignung nachgewiesen werden. Vor allem aber würde, wie erwähnt, die Beschränkung auf die (Eignung zur) Gesundheitsschädigung den Tatbestand bis zur Unanwendbarkeit begrenzen. d) Der vom Entwurf vorgeschlagene Straftatbestand umweltgefährdender Abfallbeseitigung (§ 326) könnte allenfalls hinsichtlich der Nr. 3 auf Bedenken stoßen, soweit es nämlich um die Abgrenzbarkeit der dort genannten Abfälle von sonstigen Abfällen geht. (Der Giftbegriff in Nr. 1 mag zwar naturwissenschaftlich ebenfalls schwierig eingrenzbar 48 sein, erscheint juristisch aber im Hinblick auf die Tradition der §§ 229, 324 StGB hinreichend gesichert.) Sieht man von dieser bereits oben II 2. behandelten Abgrenzungsproblematik ab, so ist festzuhalten, daß § 326 Abs. 1 Nr. 3 insofern besonders weit in das „Vorfeld" vorverlagert ist, als sich - in Fortführung der Reform des § 16 AbfallG - die Gefährdungseignung nicht auf menschliche Individualrechts güter, sondern auf die biosphärischen Elemente Wasser, Luft und Boden selbst beziehen soll. Auf diese Weise wird einerseits mit dem selbständigen Schutz

47 48

BT-Drucks. 8/2382 S. 30, 34. Vgl. Buckenberger a.a.O. S. 149 mit Nachw.

36 der ökologischen Rechtsgüter ernst gemacht und andererseits eine sachlich richtige Entscheidung getroffen, da es einem wirksamen strafrechtlichen Umweltschutz zuwiderliefe, mit dem repressiven Eingreifen abzuwarten, bis die genannten Elemente tatsächlich nachhaltig verunreinigt sind oder gar eine „Vorwarnung" durch die Verwaltungsbehörde ergangen ist. (Die theoretische Versuchsstrafbarkeit gemäß § 324 Abs.2 kann infolge ihrer Beschränkung auf den Gewässerschutz und ihrer Bindung an den Vorsatznachweis in diesem Zusammenhang praktisch vernachlässigt werden.) Ob damit die „geordnete Abfallbeseitigung" bereits zu einem eigenen Rechts gut wird, ist eher zweifelhaft, letztlich aber für die Entwurfsfassung im einzelnen nicht entscheidend. § 326 stellt vielmehr zugleich den einzigen Straftatbestand dar, der als Grundtatbestand ausdrücklich den Boden allgemein, wenn auch nur gegenüber bestimmten Angriffsweisen, schützt (vgl. auch § 329 Abs. 3 sowie § 330 Abs. 2). Problematisch erscheint es dagegen, ob der weite Abfallbegriff (vgl. § 1 Abs. 1 AbfallG) ausreicht, um alle strafwürdigen Fälle der Gefährdung und Zerstörung des Bodens durch Schadstoffe zu erfassen. Wer vorsätzlich schädliche Stoffe in den Boden bringt, wird sich freilich ihrer in aller Regel entledigen wollen („subjektiver Abfallbegriff") und damit tatbestandsmäßig handeln. Wer dies jedoch fahrlässig - etwa durch Nichtbeachtung von Transportvorschriften und Herbeiführung eines Verkehrsunfalles - tut (vgl. § 326 Abs. 4), ist unter Umweltgesichtspunkten erst dann strafbar, wenn das Gewässer (ζ. B. das Grundwasser) tatsächlich verunreinigt wird (§ 324 Abs. 3). Lediglich wenn auf diese Weise die öffentliche Wasserversorgung oder eine staatlich anerkannte Heilquelle gefährdet wird, greift in dem Beispiel der Strafschutz früher ein: § 330 Abs. 1 Nr. 4. Ist also die Beschränkung des Bodenschutzes auf Fälle der Abfallbeseitigung gem. § 326 jedenfalls auf längere Sicht nicht unproblematisch, so liegt es aus systematischen und wohl auch praktischen Gründen jedenfalls nahe, das Medium des Bodens auch in § 330 a (Freisetzen von Giften in Luft und Gewässern) einzubeziehen: Die gefährliche Beseitigung von Sonder(gift)müll sollte nicht nur unter dem Gesichtspunkt des Bodenschutzes (§ 326), sondern auch unter dem des Lebens- und Gesundheitsschutzes (§ 330 a) gesehen werden, wie neuere Giftmüllaffären mit Fällen verseuchter Wiesen und der Folge giftiger Nahrungsmittel nahelegen. Der Tatbestand des § 330 a, der das Fehlen eines allgemeinen Leibes- und

37 Lebensgefährdungstatbestandes im StGB wenigstens teilweise ausgleichen soll und kann, ließe sich auch im übrigen in mehrfacher Hinsicht erweitern, wie das Vorbild des § 151 AE zeigt. Allerdings legt der eingangs erwähnte engere Umweltbegriff innerhalb des Entwurfes grundsätzlich die vom Entwurf gewählte Tendenz einer entsprechenden Beschränkung auch des § 330 a nähe, und die Ablehnung des vom AE vorgeschlagenen „Risikodelikts neuen Typs" („ohne daß im Zeitpunkt der Handlung eine Schädigung anderer an Leib oder Leben auszuschließen ist") 49 ist trotz der Anklänge in dem Strafausschließungsgrund des § 326 Abs. 5 vorerst deutlich. Ob es dieser BagatellklaUsel allerdings wirklich bedarf, ist fraglich. Wenn ein Abfallstoff wegen seiner geringen Menge im konkreten Fall keine schädlichen Umwelteinwirkungen entfalten kann gleichgültig ob dieser neutrale Befund „offensichtlich" ist oder nicht-, so stellt er bereits kein Gifti.S. d. Abs. 1 Nr. 1 und regelmäßig auch keinen Sonderabfall i. S. d. Abs. 1 Nr. 3 dar. Zwar verbleibt für Abs. 5 ein Anwendungsbereich im Hinblick auf Krankheitserreger nach Nr. 1 und für explosionsgefährliche, selbstentzündliche sowie radioaktive Stoffe nach Nr. 2. Jedoch fragt sich insofern weiter, warum die Strafbarkeit hier nur dann ausgeschlossen sein soll, wenn sich der Gefährdungsausschluß gerade aus der geringen Menge ergibt. Die Quantität ist innerhalb des allgemeinen Problems der Bagatellkriminalität und des spezielleren Giftbegriffes sicherlich ein zentraler, aber nicht der einzig entscheidende Faktor. Im übrigen kann das Erfordernis offensichtlich fehlender Gefährdung zu Ungerechtigkeiten in den Fällen führen, in denen der Gefährdungsausschluß ebenfalls feststeht, aber nicht „offensichtlich" ist. Kennt der Täter insoweit sogar die Unschädlichkeit des Abfalls, so können sich insgesamt auch aus der Konstruktion des Abs. 5 als objektivem Strafausschließungsgrund Bedenken im Hinblick auf das Schuldprinzip ergeben. Es sollte daher wohl besser auf § 326 Abs. 5 verzichtet werden. Ein eher gesetzestechnisches Problem ergibt sich schließlich noch daraus, daß § 326 Abs.l S.2 von seinem Anwendungsbereich „nichtgefaßte gasförmige Stoffe" ausnehmen will, da diese allein dem Immissionsbereich des § 325 unterfallen sollen. Während nun aber diese Klausel in § 1 Abs. 3 Nr. 4 AbfG ihren Zweck hinrei-

49

Dazu eingehend Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte (1973) S. 213 ff.

38 chend erfüllt, bleibt für § 326 Abs. 1 fraglich, ob dieser Straftatbestand nicht auf feste Bestandteile (Ruß, Staub, Blei usw.) innerhalb der gasförmigen Emissionen anwendbar bleibt, so daß über die (im AbfG nicht vorgesehene) Tathandlung des „Ablassens" ein Teil der Emissionen von § 326 Abs. 1 erfaßt würde, ohne daß die mehrfach einschränkenden Kautelen des § 325 Abs. 1 erfüllt sein müßten. Diese vom Entwurf offenbar nicht gewollte Folge sollte durch eine Ergänzung des Textes des § 326 Abs. 1 S.2 ausgeschlossen werden. e) Hinsichtlich der sonstigen Tatbestände verdient zunächst Hervorhebung (und Zustimmung), daß §§ 327 bis 329 {unerlaubtes Betreiben von Anlagen, unerlaubter Umgang mit Kernbrennstoffen, Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete) abstrakte Gefährdungsdelikte im eigentlichen, engeren Sinne vorsehen und entscheidend auf das Handeln entgegen den verwaltungsrechtlichen (gesetzlichen Genehmigungs- oder Einzelakt-) Anforderungen abstellen. Angesichts der Tatsache, daß die besondere Gefährlichkeit der einschlägigen Anlagen massive Kontrollinteressen (der Verwaltung) begründet, kommt eine - hinter das geltende Recht zurückgehende - Einstufung als bloßes Ordnungsunrecht (Ordnungswidrigkeit) nicht oder allenfalls für diejenigen Anlagen in Betracht, die nach dem BImSchG einem vereinfachten Genehmigungsverfahren unterliegen. Eine Rechtsordnung, die die Befugnis zum Führen eines Kraftfahrzeuges an die Ablegung einer Führerscheinprüfung bindet und unter Kriminalstrafdrohung (§21 StVG) sogar bei nur vorläufigem Führerscheinentzug das Führen eines Kraftfahrzeuges untersagt, kann das ungeprüfte Betreiben eines Kernkraftwerkes, aber auch einer gefährlichen Anlage i. S. d. BImSchG oder des AbfG ohne verwaltungsbehördliche Uberprüfung schwerlich als Bagatellunrecht einstufen 50 . Die Frage, ob und inwieweit hier das Strafrecht an die Rechtmäßigkeits- und Rechtswidrigkeitskategorien der verwaltungsrechtlichen Lehre vom Verwaltungsakt gebunden ist oder aber - ähnlich wie zu § 113 StGB - eigene strafrechtliche Rechtmäßigkeitskriterien entwickelt werden sollten, kann hier als allgemeines Problem nicht weiter verfolgt werden; jedoch liegt die erstere Auffassung auf

50

Zusammenfassend und vergleichend Tiedemann, Kartellrechtsverstöße und Strafrecht (1976) S. 149 ff.

39 der Grundlage der h.M. aus mehreren Gründen nahe51, mag dies auch wegen der Kompromißbereitschaft nicht weniger Verwaltungsstellen gerade im Umweltbereich nicht immer zu strafrechtlich bilügenswerten Ergebnissen führen. Auch die weitere Frage, ob etwa bei „materieller" Genehmigungsfähigkeit (und/oder nachfolgender Erteilung der Genehmigung) die Strafbarkeit entfällt, ist angesichts langjähriger und paralleler Diskussionen in anderen Bereichen des (Wirtschafts-)Strafrechts zu einem relativ sicheren Ergebnis geführt: Die Genehmigungsfähigkeit ist kein Rechtfertigungsgrund (und die Erteilung der Genehmigung wirkt strafrechtlich nicht zurück)52. Ganz Entsprechendes gilt übrigens für die sonstigen Fälle der Verwaltungsakzessorietät - auch im Bereich der §§ 324, 325 - , also insbesondere für die umgekehrten Fälle, daß der für das Verbot konstitutive Verwaltungsakt, z.B. eine Auflage, nach der Tathandlung aufgehoben wird: Die allgemeinen, insoweit auch von § 325 Abs.4 intendierten Grundsätze des Verwaltungsstrafrechts lassen nach herrschender, wenn auch bestrittener Meinung hier ebenfalls eine Berücksichtigung des nachträglichen Ereignisses nicht zu, ganz ebenso wie auch der bestandskräftig gewordene Verwaltungsakt angesichts seiner Tatbestandswirkung vom Strafrichter nicht auf die inhaltliche Rechtmäßigkeit hin nachgeprüft werden kann53. f) Für den Qualifikationstatbestand der schweren Urnweltgefährdung (§ 330) ist in Frage zu stellen, ob § 330 Abs. 2 Nr. 2 hinreichend gesetzlich bestimmt im Sinne des Art. 103 Abs.2 GG ist. Auch für denjenigen, der eine generalklauselfreudige Strafgesetzgebung und ihre Nöte bereits früher prognostiziert hat 54 , wäre es nur schwer hinzunehmen, daß die „erhebliche ökologische Bedeutung" Bestandteile des Naturhaushalts in einem für einen Straftatbestand hinreichend genauen Sinn bezeichnet. Die relative Neuheit des umfassenden Umweltschutzgedankens läßt es - anders etwa als in § 326 Abs.l Nr. 3 bei Verwendung des Begriffes biologischer Nachteile - schwerlich zu, die ökologische Erheblichkeit als ab5' Hermann a. a. O. S. 290 mit Nachw.; vgl. aber auch Tiedemann, Tatbestandsfunktionen S. 275 ff. mit weit. Nachw. " Vgl. Tiedemann, NJW 1979, 1849 (1853). 53 Löwe/Rosenberg/Schäfer, StPO (23.Aufl. 1976) Einl. Kap. 12, Rdn. 128; Mohrbotter, JZ 1971, 213ff.; Wernicke, NJW 1976, 1223 (1224) mit Nachw.; vgl. auch Amtl. Begr. S. 14 mit weit. Nachw. 54 Tiedemann, Tatbestandsfunktionen S.5.

40 grenzbaren Begriff gesetzgeberisch zu verwenden. Symptomatisch ist hierfür wohl auch die zirkelschlußähnliche Erläuterung der Amtlichen Begründung: „Bestandteile des Naturhaushalts von erheblich ökologischer Bedeutung können bei schwerwiegenden Eingriffen in ein ökologisches Gleichgewicht in der in Nummer 2 beschriebenen Weise erheblich beeinträchtigt sein. Das wird bei der Beeinträchtigung von Naturgütern der Fall sein, deren Vorhandensein für ein funktionsfähiges Wirkungsgefüge im Naturhaushalt notwendig ist. . . . Dies ist gegeben, wenn die Erhaltung eines bestehenden oder die Förderung der Entwicklung eines neuen biologischen Gleichgewichtes in bestimmten Naturbereichen - etwa in oder an einem Binnengewässer oder in einem Waldgebiet - Voraussetzung für den Fortbestand dieses Naturbereiches ist" 55 .

Sollte die letztere Aussage nicht nur ein Beispiel, sondern eine definitionsähnliche Erläuterung darstellen, so würde die Übernahme dieser Aussage in den Straftatbestand immer noch eine bestimmtere Tatbestandsumschreibung als die Entwurfsfassung darstellen. Zwar ist zuzugeben, daß § 330 im Prinzip „nur" eine Qualifikation ist und daß eine verbreitete Meinung dazu neigt, bei derartigen Qualifikationstatbeständen unter dem Blickwinkel des Art. 103 Abs. 2 GG geringere Anforderungen als bei Grundtatbeständen zu stellen 56 . Jedoch ist § 330 eben nur der allgemeinen Richtung nach eine Qualifizierung. Bereits das oben entwickelte Verhältnis von § 325 zu § 330 Abs.l Nr. 2 zeigt entgegen der Entwurfsbegründung 57 , daß § 330 auf weiten Strecken eigenständige Bedeutung hat. Angesichts der Tatsache, daß nur § 330 Abs. 1 Nr. 1 eine echte Qualifizierung darstellt, ändert es auch nichts, daß § 330 Abs. 1 Nr. 2 litt, a und b praktisch für § 330 Abs. 2 Nr. 2 kaum erheblich werden wird. - Einleuchtend ist freilich das Grundanliegen des Entwurfs, der eine systematisch zutreffende Parallele zwischen Abs. 1 und Abs.2 des § 330 herstellen möchte. Will man diese Parallele aufrechterhalten, so ist am ehesten - im Anschluß an das österreichische Umweltstrafrecht und an die tradierte Regelung des § 308 StGB - zu empfehlen, in Abs. 2 auf die im Vergleich zu Abs. 1 fehlende Fremdheit (der Tiere und Pflanzen) abzustellen. Mit diesem klassischen Tatbestandselement würde immerhin der wesentliche Kern des Abs. 2 Schutz der Biotopen - erreicht. Daß damit im Vergleich zur Entwurfsfassung sonstige Einzelfälle nicht unter die Qualifikation fie55 56 57

Amtl. Begr. S.25. BGHSt 26, 167ff.; dazu Jescheck, Allgem. Teil S. 111 mit weit. Nachw. Amtl. Begr. S.22f. (23).

41

len, sollte um der Bestimmtheit derselben willen hingenommen werden. g) Als einziger Tatbestand des Entwurfs ist schließlich § 330 a (Freisetzen von Gift) technisch unabhängig vom Verwaltungsrecht konzipiert. Infolge der Begrenzung auf vorsätzliches Verbreiten oder Freisetzen einerseits und auf giftige, nämlich nach gesicherter naturwissenschaftlicher Erkenntnis schädliche Stoffe andererseits würde der vorgeschlagene Straftatbestand allerdings keine erhebliche praktische Bedeutung erlangen. Die Frage, ob als „anderer" im Sinne dieser Vorschrift auch der Embryo anzusehen ist und ob (mutagene) Erbgutschäden von ihr erfaßt werden, ist daher ebenfalls eher von theoretischem Interesse und im einzelnen in den spezielleren Bereich des Arzneimittel- und Lebensmittelrechts zu verweisen. Die Verseuchung des Bodens und landwirtschaftlicher Produkte endlich wird zwar häufig über die Medien Luft und Wasser erfolgen, sollte jedoch eigenständig erfaßt werden, zumal insoweit §§ 51, 52 Lebens- und Bedarfsmittelgesetz nicht einschlägig sind. Da die entsprechenden Tathandlungen bei konkreter Gefährdung von Leib oder Leben im übrigen sämtlich bereits durch § 330 Abs. 2 erfaßt (und mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bedroht) werden sollen, kommt dem Entwurf des § 330 a trotz der formalen Selbständigkeit dieses Tatbestandsvorschlages Relevanz nur unter Gesichtspunkten der Systematik und der Strafbemessung (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren!) zu. IV. Offene Probleme 1. Verwaltungsbehörden

und

Umweltstrafrecht

Trotz der theoretisch klaren Aussage der Entwurfsbegründung, das Strafrecht müsse auch im Bereich des Umweltschutzes ultima ratio sein, stelle andererseits aber die angemessene Antwort auf die Gemeinschaftsschädlichkeit von Umweltdelikten dar 58 , bleibt unklar, ob und wie sich die bislang uneinheitliche und zögernde Haltung der Verwaltungsbehörden gegenüber Umweltstraftaten ändern soll und kann.

58

Amtl. Begr. S.9.

42 Verwaltungsbehörden bevorzugen bekanntlich einerseits Verwaltungsvollstreckungsmaßnahmen (Zwangsgeld) gegenüber der Einleitung von häufig langwierigen und ergebnislos verlaufenden Straf- und Bußgeldverfahren59 und neigen andererseits auf unterer, insbesondere kommunaler Ebene zum informellen Verhandeln und zum Arrangement mit dem „Täter", etwa auch in der Form eines verzögerlichen und/oder zurückhaltenden Einschreitens60. Dadurch entsteht, wie zuletzt noch einmal der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen in seinem „Umweltgutachten 1978" hervorgehoben hat, eine „Grauzone behördlich geduldeter Rechtsverstöße" 61 , und dieser Verzicht auf formelle Sanktionen führt bei den Tätern nahezu automatisch zur Unvermeidbarkeit von Verbotsirrtümern, womit schließlich selbst in gravierenden Fällen Verurteilungen unmöglich werden: ImFlaschenverschluß-Fzü der Frankenthaler Bender-Werke bestätigte der BGH die tatrichterliche Annahme von Körperverletzungen der Anwohner (durch Einwirkung von Dämpfen von Lacklösemitteln und sog. Weichmachern), sah jedoch die Voraussetzungen des § 17 StGB als erfüllt an: Die Angeklagten seien „von der verfehlten Rechtsauffassung" ausgegangen, „die Anwohner müßten die körperlichen Beeinträchtigungen . . . hinnehmen, da sonst der Betrieb hätte eingestellt werden müssen, wozu die Angeklagten nicht einmal befugt waren. Sie handelten also in der Annahme, daß ihnen ein Rechtfertigungsgrund zur Seite stünde. . . . In dieser Auffassung mußten sie sich dadurch bestärkt sehen, daß auch die Behörden, insbesondere das Gesundheitsamt, trotz Kenntnis der Sachlage keinen Anlaß sahen, auf eine Einstellung des Betriebes zu drängen oder sie anzuordnen . . . All das rechtfertigt es hier, die Unvermeidbarkeit des Irrtums zu bejahen." 52

Solange das zurückhaltende und meist ohnehin erst auf Beschwerden aus der Bevölkerung auf Umweltstraftaten reagierende Verwaltungshandeln noch im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten und des (eingeschränkten) Ermessens liegt, wird hiergegen trotz der unerfreulichen Wirkungen aus strafrechtlicher Sicht kaum etwas unternommen werden können. Verwaltungsrechtlich drängt 59 Hermann a. a. O. S. 288 f.; Mayntz et al., Vollzugsprobleme der Umweltpolitik (1978); Umweltgutachten 1978 S.484 (Nr. 1554), 499 (Nr. 1607). 60 Vgl. die Nachw. in Fußn. 59. - Beispiele liefern die nachfolgend im Text erwähnten Fälle des BGH (Flaschenverschluß), der StA Mannheim und des AG Hechingen (Fußn. 62, 72, 75). 6Γ a.a.O. S.500 (Nr. 1610). 62 BGH 4 StR 28/75 v. 13.3.1975 unten S.58ff. Weitergehend will Wernicke a. a. Ο. in formlosen Hinweisen der Behörden sogar eine (widerrufliche) Erlaubniserteilung sehen.

43 sich freilich, wenn schon das Prüfstellenkonzept des AE nicht zu verwirklichen ist, der Vorschlag auf, die Zuständigkeit der Genehmigungs- und sonstigen Umweltaufsichtsbehörden auf eine höhere Stufe zu verlagern, um jedenfalls eine übergeordnete(re) und von der Interessenverflechtung insbesondere im kommunalen Raum entfernte(re) Entscheidungstätigkeit zu ermöglichen. Dieses Reformanliegen ist auch aus strafrechtlichem Blickwinkel vordringlich, solange und soweit die Verwaltung entsprechend der Konstruktion strafrechtlicher Umweltschutztatbestände durch das Setzen ihrer Einzelakte (mit) darüber entscheidet, ob der Betroffene sich strafbar macht oder nicht. Aber auch für den Fall der Beibehaltung vorhandener verwaltungsmäßiger Kompetenzen ist strafrechtlich angesichts bekanntgewordener Mißstände zu empfehlen, jedenfalls in den Fällen schwerer Gefährdung (§§ 330, 330 a) eine Strafanzeigepflicht der zuständigen Behörden einzuführen. Eine entsprechende Pflicht, die durch § 258 StGB strafbewehrt werden könnte, ist nach dem Vorbild des Steuerrechts (§116 AO 1977) unlängst der Subventionsverwaltung auferlegt worden (§ 6 SubvG 1976) und wird auch für die öffentlichen Vergabestellen für Fälle des Verdachts von Submissionsabsprachen diskutiert 63 . Da die Verwaltung, wie erwähnt, weithin die wesentlichen Bedingungen des Umweltschutzes setzt, also jedenfalls faktisch die einschlägigen Schutzgüter „verwaltet" und dies selbstverständlich nicht im eigenen Interesse der Verwaltung, sondern im Hinblick auf die gesellschaftliche und rechtliche individuelle Relevanz dieser Schutzgüter geschieht, erscheint es angemessen, zumindest bei dem Verdacht schwerer Gefährdungen und Schädigungen das Verwaltungsermessen hinsichtlich des Ob und Wie der Verfolgung und Ahndung einzuschränken. Für diese Fälle widerspricht es auch nicht dem Kooperationsverhältnis zwischen Verwaltung und Einzelnem, wenn der Verwaltung die Pflicht auferlegt wird, den Strafverfolgungsbehörden vom Verdacht schwerer Umweltdelikte Mitteilung zu machen. 2. Garantenstellung der Amtswalter Eng verbunden hiermit ist das in der politischen Diskussion der neuesten Zeit aufgeworfene Problem der Strafbarkeit von Amts63 Tagungsberichte der Sachverständigenkommission zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität Bd. X (1975) S. 102 f.

44 waltern

bei N i c h t e i n s c h r e i t e n g e g e n ü b e r U m w e l t d e l i k t e n u n d bei

fehlerhafter E r t e i l u n g v o n einschlägigen G e n e h m i g u n g e n 6 4 . D e r E n t w u r f u n d die E n t w u r f s b e g r ü n d u n g befleißigen sich ins o w e i t totaler A b s t i n e n z , w a s i m w e s e n t l i c h e n d a m i t gerechtfertigt w i r d , T ä t e r s c h a f t u n d T e i l n a h m e v o n A m t s t r ä g e r n seien n a c h allgemeinen G r u n d s ä t z e n m ö g l i c h u n d daher hier n i c h t besonders regelungsbedürftig65 . Auch dieses Problem hat in der Reform des Wirtschaftsstrafrechts seine Parallele. So wird etwa diskutiert, ob die in § 4 Abs. 2 UWG statuierte Strafbarkeit des Betriebsinhabers und Betriebsleiters wegen unrichtiger Werbeangaben der Angestellten und Beauftragten nur Selbstverständliches ausdrückt und daher bei der laufenden Reform des § 4 UWG nicht mehr ausdrücklich erwähnt werden soll oder ob diese Klarstellung beizubehalten ist 66 . Kommentare und Lehrbücher schweigen im allgemeinen zu Grundsatz und Einzelheiten der strafrechtlichen Haftung des Betriebsinhabers 67 , und wichtige Fragen des Vorsatzinhaltes sowie der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme sind in diesem Zusammenhang unsicher und umstritten. Auch läßt die neuere Rechtsprechung zu der durchaus vergleichbaren Strafhaftung des Inhabers beherrschter Räumlichkeiten Einschränkungstendenzen erkennen68, deren Obertragbarkeit und Übertragung auf die Strafhaftung des Betriebsinhabers durchaus offen ist. Enthält also § 4 Abs. 2 UWG jedenfalls eine wichtige Klarstellung69, so ist allerdings dem Regierungsentwurf zur Reform des UWG 7 0 zuzugeben, daß eine Regelung dieser Frage allein bei § 4 UWG reichlich punktuell, ja fast willkürlich wirkt. - Zu erinnern ist weiter an die Bestrebungen zur Ergänzung des allgemeinen Untreuetatbestandes durch einen speziellen Straftatbestand der Haushaltsuntreue. Auch hier hat das tradierte Argument, Haushaltsuntreue sei nach § 266 StGB strafbar, lange Zeit die Erkenntnis verdeckt, daß dieser Tatbestand viel zu allgemein gefaßt ist, um von der Strafrechtspraxis auf haushaltsrechtliche Mißbräuche angewandt zu werden 71 . D a ß i m B e r e i c h des U m w e l t s c h u t z e s völlig unklar ist, w o die strafrechtliche

P f l i c h t des A m t s w a l t e r s z u m E i n s c h r e i t e n u n d d a m i t

6 4 Vgl. nur Schulz, ZRP 1979, 102 (103). Weit. Nachw. bei Möhrenschlager a.a.O. S. 101. 65 Möhrenschlager a.a.O. 6 6 Tagungsberichte a.a.O. B d . I X (1975) S. 107ff.; vgl. auch Tagungsberichte Bd. X S. 60f. 6 7 Vgl. Rudolphi, in: SK Bd. I (2. Aufl. 1977) § 13 Rdn. 35 a mit Nachw.; ferner inbes. Göhler, in: Dreher-Festschrift (1977) S.61 Iff.; Schünemann, Grund und Grenzen der unechten Unterlasungsdelikte (1971) S.217ff. sowie: Unternehmenskriminalität und Strafrecht (1979) S.62ff. 6 8 BGHSt 27, 10 (12 f.) mit Nachw. 69 Lampe, in: Tagungsberichte Bd. IX Anl. 6 S. 48 ff.; Tiedemann, Kartellrechtsverstöße S. 189, 201. 7 0 BT-Drucks. 8/2145. 7 1 Dazu zuletzt Kohlmann/Brauns, Zur strafrechtlichen Erfassung der Fehlleitung öffentlicher Mittel (1979); demnächst Volk, Bewirtschaftung öffentlicher Mittel und Strafrecht (1980).

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seine Garantenstellung beginnt, zeigt die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft bei dem LG Mannheim im Fall der Papierwerke Mannheim-Aschaffenburg12. In dieser Verfügung wird zwar angesichts des Vertrauens der Allgemeinheit in den Schutz besonders wichtiger Rechtsgüter grundsätzlich eine Garantenstellung spezialisierter Aufsichtsbehörden bejaht. Jedoch ist bereits dieser Ausgangspunkt nicht zweifelsfrei, wie ein vergleichender Blick auf andere spezielle Aufsichtsverhältnisse zeigt: Soll wirklich das Nichteinschreiten etwa der Kreditaufsicht gegenüber Devisenspekulationen einer Bank Beihilfe zur Untreue oder gar eine täterschaftliche Untreue, begangen durch Unterlassen, sein? Zwar fehlt es in diesem Beispiel für die Annahme von Täterschaft an dem Pflichterfordernis des Untreuetatbestandes, der ein Sonderdelikt mit beschränktem Täterkreis darstellt. Jedoch wäre auch die Annahme von Beihilfe offenbar kaum haltbar, da die aufsichtsbehördliche Pflicht zum Einschreiten, sofern sie verwaltungsrechtlich zu bejahen ist, nur eine auf Ordnung und Bereinigung der Verhältnisse des Kreditwesens und nicht auf Wahrung des Vermögens der Anteilseigner der Bank gerichtete Verpflichtung darstellt. Selbst wenn man aber von einer anderen Rechtsansicht ausgeht, begründet doch nicht bereits jede rechtliche Schutzpflicht eine auf die Erhaltung individueller Schutzgüter gerichtete Garantenstellung im Sinne des § 13 StGB. Es ist daher auch ganz generell für Amtswalter streitig, ob und wann strafrechtliche Garantenstellungen bestehen73. Zwar sehen zwei Judikate des BGH in Fragestellungen, die das materielle Strafrecht indessen nur als Vorfrage betreffen bzw. nach Art eines obiter dictum bestenfalls streifen, keinen Zweifel an der Garantenstellung eines Zollbeamten (gegenüber einem Kaffeebohnendieb) und eines polizeilichen Dienstvorgesetzten (zur Verhinderung von Meineiden)74. Ebenso hat ein Urteil des AG Hechingen sogar jeden Ermessensspielraum der Ortspolizeibehörde verneint, wenn diese Kenntnis von einer Umweltstraftat (Abwasserverunreinigung durch Textilfragmente) erlangt7®. Eine derartige Annahme ist in7 2 NJW 1976, 585 (587); zust. Dreher/Tröndle (38. Aufl. 1978) § 13 Rdn.6; Möhrenschlager a.a.O. S. 101; Schänke/Schröder/Stree (19.Aufl. 1978) § 1 3 Rdn. 52. 7 3 Zusammenfassend Rudolphi a. a. O. Rdn. 36 mit Nachw. 7 4 BGHSt 8, 186 (189); BGH NJW 1958, 956f. - Vgl. ferner RG JW1939,543 f. m. Anm. Mittelbach (Tödlicher Unfall eines volltrunkenen Kapitäns durch Unterlassen des Einschreitens der Wasserschutzpolizei). 7 5 AG Hechingen NJW 1976, 1222 f.

46 dessen kaum haltbar, und das Urteil des A G ist denn auch nicht rechtskräftig geworden 76 . Richtig ist daher an den hier nur skizzenhaft angedeuteten Äußerungen der Praxis lediglich, wenn die Staatsanwaltschaft Mannheim in ihrer erwähnten Einstellungsverfügung zusammenfassend feststellt: „Die Frage einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit der an Genehmigungsverfahren beteiligten Beamten ist in Rechtsprechung und Wissenschaft weitgehend ungeklärt." Eine ausdrückliche gesetzgeberische Lösung bzw. Klarstellung ist somit wünschenswert. Sie würde sich - anders als bei der Reform des § 4 UWG - auch nicht dem Einwand ausgesetzt sehen, es handele sich hier um das ganz generelle Problem der Garantenstellung von Amtswaltern. Vielmehr geht es bei der Umweltaufsicht um einen breiten und augenfälligen, weitgehend eigenen und insgesamt entscheidungsbedürftigen Bereich, dessen sonderpolizeiliche und nicht auf Re-Aktion beschränkte Eigenart ein gesetzgeberisches Regelungsmodell rechtfertigen würde. Eine ausdrückliche gesetzgeberische Entscheidung würde vor allem auch für die beteiligten, nicht selten rechtsunkundigen Amtswalter die Rechtssicherheit auch über die Randzonen des § 258 StGB - wesentlich verbessern, ohne das verwaltungsrechtliche Ermessen anzutasten. Hilfsweise könnte die Einführung der oben 1. vorgeschlagenen Mitteilungspflicht die Funktion des fehlenden Amtswalter-Straftatbestandes übernehmen, da eine derartige Pflicht zwar nicht über § 258 a, wohl aber über § 258 StGB unmittelbar strafbewehrt werden könnte 77 . Berichte über das Verhalten zuständiger Amtswalter gegenüber ihnen bekannten Bodenverseuchungen im Zusammenhang mit der Lindan(HCH)-Äffäre der Firma Merck78 oder dem Giftgas-Skandal der ehemaligen Chemiefabrik Stoltzenberg in Hamburg-Eidelstedt 79 lassen es jedoch primär angezeigt erscheinen, für grobes Fehlverhalten gegenüber gravierenden Umweltn Zutreffende Bedenken insbes. bei Hermann a.a.O. S.292. - Das genannte Urteil wurde vom LG Hechingen aufgehoben und das Strafverfahren durch unveröff. Beschluß v. 26.5.1977 (Ns 104/76) eingestellt, „weil das Verschulden des Angeklagten gering erscheint". Vgl. (zu der parallelen Mitteilungspflicht nach § 6 SubvG) Tiedemann, in: LK § 264 Rdn. 138. 7 8 FAZ Nr.20 v. 24.1.1979 S.4, Nr.21 v. 25.1.1979 S.8. 7 9 FAZ Nr.218 v. 19.9.1979 S.3, Nr.220 v. 21.9.1979 S.2, Nr.223 v. 25.9.1979 S. 1; Welt am Sonntag Nr.38 v. 23.9.1979 S.6f.; Süddeutsche Zeitung Nr. 221 v. 25.9.1979 S. 1.

47 sachverhalten nicht auf die Wirksamkeit des Disziplinarrechts zu vertrauen, sondern insoweit einen selbständigen Straftatbestand einzuführen, der unter Gleichheitsgesichtspunkten zwar nicht bereits jeden umweltrechtlichen Planungsfehler und jede fehlerhafte Erteilung von Genehmigungen und Auflagen, wohl aber das Nichteinschreiten gegenüber erheblichen Umweltverschmutzungen unter Strafe stellen sollte80.

80 Vgl. Abs. 2 des Tatbestandsvorschlages von Triffterer, Stellungnahme zum Entwurf eines Sechzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes - Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität - (16.StrÄndG) v. 20.6.1979, Deutscher Bundestag 8. Wahlperiode 6. Ausschuß Protokoll Nr. 73 Teil II, S.221f.

Anhang 1.

Entwurf eines Sechzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes - Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität - (16.StrÄndG) BT-Drucksache 8/2382 - Auszug 17. Nach § 323 c wird folgender Abschnitt eingefügt: „Achtundzwanzigster Abschnitt Straftaten gegen die Umwelt § 324 Verunreinigung eines Gewässers (1) Wer unbefugt ein Gewässer verunreinigt oder sonst dessen Eigenschaften nachteilig verändert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe. §325 Luftverunreinigung und Lärm · (1) Wer beim Betrieb einer Anlage, insbesondere einer Betriebsstätte oder einer Maschine, unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten 1. Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Freisetzen von Staub, Gasen, Dämpfen oder Geruchsstoffen, verursacht, die geeignet sind, außerhalb des zur Anlage gehörenden Bereichs die Gesundheit eines anderen, Tiere, Pflanzen oder andere Sachen von bedeutendem Wert zu schädigen, oder 2. nicht nur vorübergehend erheblichen Lärm verursacht, der geeignet ist, außerhalb des zur Anlage gehörenden Bereichs die Gesundheit eines anderen zu schädigen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt nicht für Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.

49 (4) Verwaltungsrechtliche Pflichten im Sinne des Absatzes 1 verletzt, wer grob pflichtwidrig gegen eine vollziehbare Anordnung oder Auflage, die dem Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen dient, verstößt oder wer eine Anlage ohne die zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen erforderliche Genehmigung oder entgegen einer zu diesem Zweck erlassenen vollziehbaren Untersagung betreibt. § 326 Umweltgefährdende Abfallbeseitigung (1) Wer unbefugt Abfälle, die 1. Gifte oder Erreger gemeingefährlicher und übertragbarer Krankheiten bei Menschen oder Tieren enthalten oder hervorbringen können, 2. explosionsgefährlich, selbstentzündlich oder nicht nur geringfügig radioaktiv sind oder 3. nach Art, Beschaffenheit oder Menge geeignet sind, nachhaltig ein Gewässer, die Luft oder den Boden zu verunreinigen oder sonst physikalisch, chemisch oder biologisch nachteilig zu verändern, außerhalb einer dafür zugelassenen Anlage oder unter wesentlicher Abweichung von einem vorgeschriebenen oder zugelassenen Verfahren behandelt, lagert, ablagert, abläßt oder sonst beseitigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 ist auf nichtgefaßte gasförmige Stoffe nicht anzuwenden. (2) Ebenso wird bestraft, wer radioaktive Abfälle, zu deren Ablieferung er nach dem Atomgesetz oder einer auf Grund des Atomgesetzes erlassenen Rechtsverordnung verpflichtet ist, nicht abliefert. (3) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Versuch strafbar. (4) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. (5) Die Absätze 1 bis 4 sind nicht anzuwenden, wenn schädliche Umwelteinwirkungen, insbesondere für Menschen, Gewässer, die Luft, den Boden, Nutztiere oder Nutzpflanzen, wegen der geringen Menge der Abfälle offensichtlich ausgeschlossen sind. §327 Unerlaubtes Betreiben von Anlagen (1) Wer ohne die erforderliche Genehmigung oder entgegen einer vollziehbaren Untersagung eine kerntechnische Anlage betreibt, eine betriebsbereite oder stillgelegte kerntechnische Anlage innehat oder eine solche Anlage oder ihren Betrieb wesentlich ändert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

50 1. eine genehmigungsbedürftige Anlage im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder 2. eine Abfallbeseitigungsanlage im Sinne des Abfallbeseitigungsgesetzes ohne die jeweils zum Betrieb oder zu einer wesentlichen Änderung des Betriebs erforderliche Genehmigung oder Planfeststellung oder entgegen einer vollziehbaren Untersagung betreibt. (3) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe 1. in den Fällen des Absatzes 1 Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe, 2. in den Fällen des Absatzes 2 Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. §328 Unerlaubter Umgang mit Kernbrennstoffen (1) Wer ohne die erforderliche Genehmigung oder entgegen einer vollziehbaren Untersagung 1. Kernbrennstoffe außerhalb einer kerntechnischen Anlage bearbeitet, verarbeitet oder sonst verwendet oder von dem in einer Genehmigung festgelegten Verfahren für die Bearbeitung, Verarbeitung oder sonstige Verwendung wesentlich abweicht oder die in der Genehmigung bezeichnete Betriebsstätte oder deren Lage wesentlich ändert, 2. Kernbrennstoffe a) außerhalb der staatlichen Verwahrung aufbewahrt b) befördert oder c) einführt, ausführt oder sonst in den Geltungsbereich oder aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes verbringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer 1. Kernbrennstoffe, zu deren Ablieferung er auf Grund des Atomgesetzes verpflichtet ist, nicht unverzüglich abliefert, 2. Kernbrennstoffe an Unberechtigte herausgibt. (3) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe. § 329 Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete (1) Wer entgegen einer auf Grund des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassenen Rechtsverordnung über ein Gebiet, das eines besonderen Schutzes vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen oder Geräusche bedarf oder in dem während austauscharmer Wetterlagen ein starkes Anwachsen schädlicher Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen zu befürchten ist, Anlagen innerhalb des Gebietes betreibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe be-

51 straft. Ebenso wird bestraft, wer innerhalb eines solchen Gebietes Anlagen entgegen einer vollziehbaren Anordnung betreibt, die auf Grund einer in Satz 1 bezeichneten Rechtsverordnung ergangen ist. Die Sätze 1 und 2 gelten riicht für Kraftfahrzeuge, Schienen-·, Luft- oder Wasserfahrzeuge. (2) Ebenso wird bestraft, wer innerhalb eines Wasser- oder Quellenschutzgebietes entgegen einer zu deren Schutz erlassenen Rechtsvorschrift 1. betriebliche Anlagen zum Lagern, Abfüllen oder Umschlagen wassergefährdender Stoffe betreibt, 2. wassergefährdende Stoffe in Rohrleitungsanlagen befördert oder 3. im Rahmen eines Gewerbebetriebes Kies, Sand, Ton oder andere feste Stoffe abbaut. (3) Ebenso wird bestraft, wer innerhalb eines Naturschutzgebietes oder eines Nationalparks entgegen einer zu deren Schutz erlassenen Rechtsvorschrift 1. Bodenschätze oder andere Bodenbestandteile abbaut oder gewinnt, 2. Abgrabungen oder Aufschüttungen vornimmt, 3. Gewässer schafft, verändert oder beseitigt, 4. Moore, Sümpfe, Brüche oder sonstige Feuchtgebiete entwässert oder 5. Wald rodet und dadurch wesentliche Bestandteile eines solchen Gebietes beeinträchtigt(4) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. §330 Schwere Umweltgefährdung (1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer 1. eine Tat nach § 324 A b s . l , § 326 A b s . l , 2, § 327 A b s . l , 2, § 328 Abs. 1, 2 oder nach § 329 Abs. 1 bis 3 begeht, 2. unbefugt a) die natürliche Zusammensetzung der Luft nachteilig verändert, b) erheblichen Lärm oder Erschütterungen beim Betrieb einer Anlage, insbesondere einer Betriebsstätte oder Maschine, verursacht oder c) ionisierende Strahlen freisetzt, 3. eine Rohrleitungsanlage zum Befördern wassergefährdender Stoffe oder eine betriebliche Anlage zum Lagern, Abfüllen oder Umschlagen wassergefährdender Stoffe ohne die erforderliche Genehmigung, Eignungsfeststellung oder Bauartzulassung oder entgegen einer vollziehbaren Untersagung, Anordnung oder Auflage, die zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen ergangen ist, oder unter grob pflichtwidrigem Verstoß gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik betreibt oder

52 4. Kernbrennstoffe, sonstige radioaktive Stoffe, explosionsgefährliche Stoffe oder sonstige gefährliche Güter als Führer eines Fahrzeuges oder als sonst für die Sicherheit oder die Beförderung Verantwortlicher ohne die erforderliche Genehmigung oder Erlaubnis oder entgegen einer vollziehbaren Untersagung, Anordnung oder Auflage, die zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen ergangen ist, oder unter grob pflichtwidrigem Verstoß gegen Rechtsvorschriften zur Sicherung vor den von diesen Gütern ausgehenden Gefahren befördert, versendet, verpackt oder auspackt, verlädt oder entlädt, entgegennimmt oder anderen überläßt oder Kennzeichnungen unterläßt und dadurch Leib oder Leben eines anderen, fremde Sachen von bedeutendem Wert, die öffentliche Wasserversorgung oder eine staatlich anerkannte Heilquelle gefährdet. Satz 1 Nr. 2 gilt nicht für Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge. (2) Ebenso wird bestraft, wer durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 bezeichneten Handlungen 1. die Eigenschaften eines Gewässers oder eines landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzten Bodens derartig beeinträchtigt, daß das Gewässer oder der Boden auf längere Zeit nicht mehr wie bisher genutzt werden kann oder 2. Bestandteile des Naturhaushalts von erheblicher ökologischer Bedeutung derart beeinträchtigt, daß die Beeinträchtigung nicht, nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten oder erst nach längerer Zeit wieder beseitigt weiden kann. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. (3) Der Versuch ist strafbar. (4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter durch die Tat 1. Leib oder Leben einer großen Zahl von Menschen gefährdet oder 2. den Tod oder eine schwere Körperverletzung (§ 224) eines Menschen leichtfertig verursacht. (5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 die Gefahr oder die Beeinträchtigung fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 fahrlässig handelt und die Gefahr oder die Beeinträchtigung fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. § 330 a Schwere Gefährdung durch Freisetzen von Giften (1) Wer Gifte in der Luft oder in einem Gewässer verbreitet oder sonst freisetzt und dadurch einen anderen in die Gefahr des Todes oder einer

53 schweren Körperverletzung (§ 224) bringt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. (2) Wer die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. § 330 b Einziehung Ist eine Straftat nach § 326 Abs. 1, 2, § 327 Abs. 1 oder § 328 Abs. 1, 2 begangen worden, so können 1. Gegenstände, die durch die Tat hervorgebracht oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind, und 2. Gegenstände, auf die sich die Tat bezieht, eingezogen werden. § 330 c Begriffsbestimmungen Im Sinne dieses Abschnitts ist 1. ein Gewässer: ein oberirdisches Gewässer und das Grundwasser im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes und das Meer; 2. eine kerntechnische Anlage: eine Anlage zur Erzeugung oder zur Bearbeitung oder Verarbeitung oder zur Spaltung von Kernbrennstoffen oder zur Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe; 3. eine betriebliche Anlage zum Lagern, Abfüllen oder Umschlagen wassergefährdender Stoffe: auch eine Anlage in einem öffentlichen Unternehmen; 4. ein gefährliches Gut: ein Gut im Sinne des Gesetzes über die Beförderung gefährlicher Güter und einer darauf beruhenden Rechtsverordnung und im Sinne der Rechtsvorschriften über die internationale Beförderung gefährlicher Güter im jeweiligen Anwendungsbereich."

54 2.

Resolution des XII. Internationalen Strafrechtskongresses in Hamburg vom 16. bis 22. September 1979 S E K T I O N II (Umweltschutz) Präambel 1. Der Schutz der Umwelt wird in unserer Zeit immer dringender. Die Menschheit, die mit Stolz auf ihre wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften, auf den Aufschwung der Kultur und der Bildung blickt, wird von der Selbstzerstörung bedroht. 2. Es müssen daher wirksame Maßnahmen getroffen werden, die das Leben und die Lebensqualität gegen die Bedrohung schützen. Dieses Ziel erfordert eine Lösung der Konflikte, die zwischen der wirtschaftlichen Entwicklung und dem Schutz der Umwelt entstehen können. Es macht ferner die Koordinierung und Kooperation nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene notwendig. Empfehlungen auf nationaler Ebene 3. Auf einem Gebiet, auf dem es vor allem darum geht, die Umwelt präventiv zu schützen, stehen nichtstrafrechtliche Maßnahmen im Vordergrund. Dem Strafrecht kommt in erster Linie die Aufgabe zu, die Durchsetzung dieser nichtstrafrechtlichen Maßnahmen, insbesondere des Verwaltungsrechts und des Zivilrechts, sicherzustellen. Insoweit erfüllt das Strafrecht eine Hilfsfunktion. Andererseits ist es aber auch erforderlich, daß das Strafrecht bei gravierenden Umweltverstößen unabhängig von den außerstrafrechtlichen Regelungen eingreift. 4. Zur Gewährleistung eines wirksamen Umweltschutzes ist es unabdingbar, über den Schutz der Rechtsgüter Leben und Gesundheit hinaus zur Zeit mindestens auch das Wasser, die Luft und den Boden als Rechtsgüter anzuerkennen, die durch das Strafrecht zu schützen sind. Es ist darüber hinaus notwendig, baldmöglichst auch den Schutz weiterer Güter wie der Flora und der Fauna zu verbessern sowie übermäßigen Lärm und übermäßige Erschütterungen zu bekämpfen. 5. Diese Zielsetzung beinhaltet, daß sich das Strafrecht nicht auf die traditionellen Tatbestände beschränken darf, sondern daß spezielle Bestimmungen zum Schutz der Umwelt eingeführt oder weiterentwickelt werden müssen. Diese Vorschriften sollen die Anwendung von strafrechtlichen Sanktionen, sei es für die Verletzung von verwaltungsrechtlichen oder gerichtlichen Anordnungen und Regeln, sei es für jede andere Form der Gefährdung der Umwelt, vorsehen.

55 6. Da schwere Beeinträchtigungen der Umwelt meist von juristischen Personen sowie von privaten, öffentlichen oder staatseigenen Unternehmen begangen werden, ist entweder deren strafrechtliche Verantwortlichkeit vorzusehen oder aber durch Androhung zivilrechtlicher oder verwaltungsrechtlicher Sanktionen deren Verpflichtung zur Achtung der Umwelt zu gewährleisten. 7. Natürliche Personen müssen nicht nur dann strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie die Straftat unmittelbar begangen haben, sondern auch soweit sie als Leiter von Unternehmen oder als öffentliche Amtsträger eine Anordnung oder eine Genehmigung zur Begehung der Straftat erteilt haben oder die Straftat haben geschehen lassen. 8. Zur Gewährleistung der Effektivität des Umweltschutzes ist eine Beschränkung auf finanzielle Sanktionen abzulehnen. Vielmehr ist, soweit das jeweilige Rechtssystem es erlaubt, eine breite Palette von Sanktionen vorzusehen, wie insbesondere die zeitweilige Untersagung der Produktion, die Schließung des Unternehmens, die Untersagung der Berufsausübung, die Veröffentlichung der Verurteilung und in besonders schweren Fällen Freiheitsstrafen. 9. Um das Umweltstrafrecht wirksam zu gestalten, muß mit Hilfe einer Palette von geeigneten Maßnahmen die Vorbeugung, Aufdeckung und die Verfolgung von Umweltstraftaten erleichtert werden. Eine wichtige Möglichkeit dazu bietet die Förderung des öffentlichen Bewußtseins für die Bedeutung derartiger Straftaten. Empfehlungen

auf internationaler

Ebene

10. Es reicht nicht aus, die Umwelt nur auf nationaler Ebene zu schützen. Es liegt im Wesen der Umwelt, daß auch nichtnationale Territorien, insbesondere das Meer und der kosmische Raum, durch Verschmutzungshandlungen, durch mißbräuchliche Ausbeutung der Naturschätze oder durch andere Formen des Angriffes geschädigt werden können. 11. Zudem besteht die Notwendigkeit eines internationalen Schutzes auch dann, wenn schädigende Verhaltensweisen von.einem Staat gegen die Umwelt eines anderen Staates oder durch eine ausländische Rechtspersönlichkeit (natürliche Person, juristische Person, Schiff usw.) begangen oder geduldet werden oder wenn eine Umweltbeeinträchtigung durch irgendeine Form von Fahrlässigkeit von einem nationalen oder internationalen Territorium auf einen benachbarten Staat ausstrahlt. 12. Es sind daher für die Zukunft internationale Prinzipien, Normen und Mindesttoleranzgrenzen zu erarbeiten, die zunächst durch die nationalen Rechtsprechungen unter möglichst weitgehender gegenseitiger Anpassung zu verwirklichen sein werden. 13. Schwerwiegende vorsätzliche Angriffe auf die Umwelt sind als international strafbare Verbrechen einzustufen und in geeigneter Weise zu bekämpfen.

56 14. Die wesentlichen Aufgaben bestehen in der zukünftigen Ausarbeitung oder Anwendung von regionalen wie universellen Konventionen und Umweltcodices, die als Modell für nationale Gesetze dienen können. Diese Konventionen sollen die Unterzeichnerstaaten verpflichten, umweltgefährdende Handlungen strafrechtlich zu sanktionieren und in derartigen Fällen internationale Rechtshilfe einschließlich der Auslieferung vorzusehen. Solange solche Konventionen noch nicht geschaffen sind,;sollte die außerterritoriale Anwendung nationalen Rechts als Lösung diepen. 15. Es ist außerdem notwendig, Informationen über solche Umweltbeeinträchtigungen auszutauschen, die die internationale Gemeinschaft betreffen; insbesonderesollten die bereits bestehenden Organisationen ermutigt werden, eine Bekämpfung von Umweltverstößen in ihr Betätigungsfeld aufzunehmen. 16. Es besteht ein ebenso dringendes Bedürfnis, Grundsätze zur Lösung von Gesetzeskonflikten auszuarbeiten, um die Spannungen zu verringern, die aus der einseitigen Anwendung nationalen Rechts entstehen können. 17. Es erscheint endlich höchst wünschenswert, die zwischenstaatliche Zusammenarbeit im Hinblick auf eine regionale bis hin zu einer späteren überregionalen Rechtsprechung weiterzuentwickeln. Allgemeine

Schlußfolgerungen

18. Die aufgeführten Empfehlungen beinhalten die Mindestanforderungen, die von jedem Staat zum einheitlichen Schutze der Umwelt im gemeinsamen Interesse der Entwicklungsländer und der Industriestaaten beachtet werden sollten. 19. Der Konflikt zwischen kurzfristigen wirtschaftlichen und langfristigen ökologischen Interessen muß zum Vorteil der letzteren gelöst werden.

3. Europarat: Resolution (77) 28 On the Contribution of Criminal Law to the Protection of the Environment (Adopted by the Committee of Ministers on 28 September 1977, at the 275th meeting of the Ministers' Deputies) The Committee of Ministers, Considering that various aspects of present-day life, especially industrial development, entail a degree of pollution which is particularly dangerous to the community; Considering that the health of human beings, animals and plants and the beauty of landscapes must be protected by all possible means;

57 Considering that while recourse to the criminal law in this field should be a last resort, nevertheless use must be made of it when other measures are not observed or are ineffective or inadequate; Considering that it is in the interests of the member states of the Council of Europe to develop a common policy directed towards effective protection of the environment; Having regard to the conclusions of the 7th Conference of European Ministers of Justice, held in Basle in 1972, Recommends governments of member states to examine carefully all the problems raised in the report, with a view to adopting possibly one or more of the measures proposed, taking account of the fundamental principles of their constitution and their criminal law. These measures might be the following: 1. examination of criminal penalties for damage to the environment and whilst maintaining the traditional penalties of fine and imprisonment (possibly conditional) in the most serious cases: a) introduction in this field of particular forms of pecuniary penalty, such as daily fines ("astreintes"), day fines, suspended fines and conditional fines, b) allocation of proceeds from pecuniary penalties for pollution to environmental uses, c) introduction in this field of measures such as restoration of the former state possibly ordered in connection with a suspended custodial penalty, work for the benefit of the community, disqualifications (as principal penalties) and publication of convictions; 2. re-examination of the principles of criminal liability, with a view, in particular, to the possible introduction in certain cases of the liability of corporate bodies, public or private; 3. examination of the advisability of criminalising acts and omissions which culpably (intentionally or negligently) expose the life or health of human beings or property of substantial value to potential danger; 4. re-examination of criminal procedure in matters of environmental protection and in particular: a) creation of specialist branches of courts and offices of public prosecution to deal with environmental cases, b) means of giving persons or groups the right to become associated with criminal proceedings for the defence of the interests of the community, c) creation of a special criminal register of persons convicted for pollution, independently of the general criminal register, d) exclusion from amnesty of serious environmental offences; Draws attention to the advantages which certain member states may derive from gradually compiling in a single collection in particular the criminal provisions relating to environmental protection with a view to:

58 a) subsequent consolidation at a national level, e. g. by codification, of the entire legislation on the environment in so far as this appeared desirable or feasible, b) an eventual future harmonisation of all legislations of the member states of the Council of Europe in this field; Recommends to the governments of member states that they ensure wide circulation within their departments concerned of the report by the European Committee on Crime Problems on the contribution of criminal law to the protection of the environment; Invites the governments of member states to report to the Secretary General of the Council of Europe every five years on the action they have taken on the recommendations contained in this resolution.

4.

Urteil des Bundesgerichtshofs

vom 13.März 1975 - 4 StR 28/75 (unveröffentlicht) Leitsätze: 1. Das Interesse an Aufrechterhaltung der Produktion und an Erhaltung der Arbeitsplätze vermag nicht die vorsätzliche Beschädigung der Gesundheit von Anwohnern zu rechtfertigen (§ 34 StGB). 2. Zu den Grenzen der rechtfertigenden Wirkung einer behördlichen Genehmigung von luftverschmutzenden Betrieben. 3. Das Nichteinschreiten der zuständigen Behörde gegenüber einem luftverschmutzenden Betrieb kann die Unvermeidbarkeit des Verbotsirrtums der Betriebsleiter begründen. Gründe: Der Angeklagte B. ist Geschäftsführer der B.-Werke GmbH in F., der Mitangeklagte M. war deren technischer Leiter. Die B.-Werke stellen seit ihrer Gründung im Jahre 1851 Flaschenverschlüsse her, bei deren Fabrikation ab 1966, seitdem anstelle von Korkscheiben Kunststoff als Dichtungsmittel verwendet wird und nur noch Metallverschlüsse produziert werden, Dämpfe von Lacklösemitteln und sog. Weichmachern auftreten, die durch Abzugsrohre über das Werksdach abgelassen werden. Diese Dämpfe führten bei zahlreichen Bewohnern der zwischen 30 und 300 Metern vom Betriebsgelände entfernten, teilweise erst seit wenigen Jahren erschlossenen Wohngebiete, vor allem bei entsprechender Windrichtung, zu Augentränen, Brennen im Hals, Hustenreiz, Kopfweh, Atem- und Schlaf-

59 Beschwerden, Brechreiz und Übelkeit. Spätestens seit einer Besprechung am 14. Juli 1971 „hielten die Angeklagten es.für möglich und nahmen es in Kauf, daß echte körperliche Beeinträchtigungen schwerwiegender Art vorlagen, schwerer, als sie es möglicherweise bis dahin angenommen hatten" (UA Bl. 21). Vor und nach diesem Zeitpunkt unternommene Versuche, Abhilfe zu schaffen - unter anderem wurde die Fabrikation in eine neu errichtete, von den Wohngebieten weiter entfernte Halle verlegt - blieben erfolglos. Es war technisch nicht möglich, die für den menschlichen Organismus nachteiligen Bestandteile vor allem der Weichmacherdämpfe zu beseitigen, was auch dem Gewerbeaufsichtsamt bei mehrfach mit diesem Ziel erteilten Auflagen bekannt war. Zur Einstellung des Betriebs, der etwa 500 Arbeitnehmer beschäftigt, war6n die Angeklagten nicht befugt. Erst eine im Mai 1973 in Betrieb genommene Versuchsanlage zur sog. katalytischen Nachverbrennung der Dämpfe erbrachte ein zufriedenstellendes Ergebnis, worauf die B.-Werke ab April 1974 entsprechende Anlagen montieren ließen. Das Landgericht hat die Angeklagten von dem Vorwurf, sich durch die Emission der Dämpfe mit den ihnen bekannten Folgen mindestens seit 14. Juli 1971 eines fortgesetzten gemeinschaftlichen Vergehens der Körperverletzung gemäß §§ 223, 232,47 StGB (a. F.) zum Nachteil der Anwohner schuldig gemacht zu haben, mit der Begründung freigesprochen, sie hätten in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum gehandelt (vgl. die auszugsweise Veröffentlichung des Urteils in BB 1974, 1415). Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft, die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat keinen Erfolg. 1. Die Strafkammer hat die erwähnten, auf die Lacklösemittel- und Weichmacherdämpfe zurückzuführenden körperlichen Beschwerden, die über lediglich unerhebliche Beeinträchtigungen weit hinausgehen, zutreffend als Gesundheitsbeschädigungen im Sinne des § 223 StGB gewertet. Jedes Hervorrufen oder Steigern eines vom Normalzustand der körperlichen Funktionen abweichenden Zustandes, d. h. einer wenn auch nur vorübergehenden pathologischen Verfassung, erfüllt dieses Tatbestandsmerkmal (vgl. LK StGB 9. Aufl. § 223 Rdn. 11-15 m. w. Hinw.). Zu diesen Gesundheitsbeschädigungen ist es dadurch gekommen, däß die Angeklagten als die für den Produktionsablauf Verantwortlichen die Dämpfe im Wissen um ihre Gefährlichkeit weiter emittierten, d . h . die Produktion nicht einstellten. N u r wenn sie das getan hätten, wären die Körperverletzungen vermieden worden. Ihre Tathandlung bestand also im Fortführen der Produktion so wie sie lief. Keinen rechtlichen Bedenken begegnet auch die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten hätten spätestens seit der Besprechung vom 14. Juli 1971, bei der mit Strafanzeige gedroht worden war, mit bedingtem Vorsatz gehandelt. 2. Der Tatbestand des § 223 StGB indiziert zwar die Rechtswidrigkeit (vgl. auch Maurach Dt. Str. R. 4. Aufl. AT/S.286; Lackner StGB 9. Aufl.

60 Vorbem. III 3 vor § 13). Rechtfertigungsgründe schließen dieses Indiz der Rechtswidrigkeit jedoch aus. Den Angeklagten steht indessen kein Rechtfertigungsgrund zur Seite. a) Es kann offen bleiben, ob Handlungen, die zwar vom Wortlaut einer Strafbestimmung umfaßt sind, sich aber völlig im Rahmen der normalen, geschichtlich gewordenen sozialen Ordnung bewegen, aus dem Bereich des Unrechts auszuscheiden sind (sog. Lehre von der Sozialadäquanz; vgl. dazu L K vor § 51 Rdn. 19-22; Welzel, Das Deutsche Strafrecht 11. Aufl. S. 55 ff.), und ob es bei ihnen bereits an der Tatbestandsmäßigkeit fehlt oder ein Rechtfertigungsgrund besteht (vgl. B G H S t 2 3 , 2 2 6 , 2 2 8 ) . Denn der Bereich des sozial Üblichen und deshalb allgemein Anerkannten oder zumindest Geduldeten ist bei so schwerwiegenden und nachhaltigen Rechtsgutsbeeinträchtigungen, wie sie hier festgestellt sind, eindeutig verlassen. Aus dem gleichen Grund braucht auch zu der Frage der Rechtfertigung auf Grund des sog. erlaubten Risikos (vgl. LK a . a . O . vor § 51 Rdn.23-25) nicht Stellung genommen zu werden. b) Das Landgericht hat die Frage der Rechtfertigung allein unter dem Gesichtspunkt des rechtfertigenden Notstandes geprüft. Es meint dazu, die Sicherung der Arbeitsplätze sowie die Aufrechterhaltung der Produktion dürfe selbst im Hinblick darauf, daß die Gemeinschaft von der Leistungsfähigkeit der Industrie lebe, nicht dazu führen, daß anwohnende Bürger Körperverletzungen hinnehmen müssen. Die seit dem 1. Januar 1975 geltende Neufassung des Strafgesetzbuches enthält im § 34 eine Kodifizierung der Grundsätze, welche die Rechtsprechung und Lehre unter der Bezeichnung „übergesetzlicher Notstand" entwickelt haben. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung liegen hier in der Tat nicht vor. Zwar kann auch die Aufrechterhaltung der Produktion und die Erhaltung der Arbeitsplätze ein Rechtsgut i.S. des § 34 StGB sein (vgl. die Nachweise bei Dreher StGB 35. Aufl. § 34 Anm. 2). Zum Schutz dieses Rechtsguts haben die Angeklagten die Produktion weiterlaufen lassen. Anders konnte dieses Rechtsgut auch nicht geschützt werden: es befand sich also in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr. Eine solche Gefahr rechtfertigt es aber bei Abwägung der widerstreitenden Interessen nicht, die Gesundheit der Anwohner aufs Spiel zu setzen. Wenn auch die Rangordnung der Rechtsgüter in einer pluralistischen Gesellschaft auf Schwierigkeiten stößt, so geben doch die Reihenfolge der in § 34 StGB genannten Rechtsgüter einen Anhaltspunkt, desgleichen die Grade des strafrechtlichen Schutzes, die ihren Ausdruck in den Strafdrohungen finden (vgl. Dreher a . a . O . § 34 Anm. 3 B). Um die Produktion aufrechterhalten zu können und damit die Arbeitsplätze zu sichern, darf nicht eine Gesundheitsbeschädigung als Mittel zur Abwehr der Gefahr für das geschützte Rechtsgut eingesetzt werden. c) Da die Rechtswidrigkeit den Widerspruch zur Rechtsordnung im ganzen ausdrückt, ist sie auch einheitlich für die gesamte Rechtsordnung zu beantworten (LK a . a . O . vor § 51 Rdn. 10 und 27 m.w.Nachw.). Wenn

61 ein bestimmtes Verhalten auf Grund zivilrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Vorschriften erlaubt ist, kann auch unter strafrechtlichen Gesichtspunkten die Rechtswidrigkeit entfallen. So könnte die Weiterführung des Betriebs trotz der von ihm ausgehenden wesentlichen Beeinträchtigungen dann nicht als rechtswidrig anzusehen sein, wenn seine Stillegung von den betroffenen Anliegern nicht verlangt werden konnte. Eine solche Duldungspflicht käme möglicherweise in Betracht, wenn die Voraussetzungen des § 26 GewO (dem jetzt § 14 des am 1. April 1974 in Kraft getretenen Bundes-Immissionsschutzgesetzes entspricht) oder des § 906 Abs. 2 BGB vorliegen würden, wonach bei einer behördlich genehmigten Anlage bzw. bei Ortsüblichkeit nicht die Einstellung des Gewerbebetriebs, sondern nur die Herstellung von Schutzeinrichtungen bzw. angemessener Ausgleich/Schadloshaltung verlangt werden kann. Das angefochtene Urteil enthält allerdings weder zur Frage der behördlichen Genehmigung noch zu der der Ortsüblichkeit ausdrückliche Feststellungen. Dem Zusammenhang der Urteilsgründe ist jedoch zu entnehmen, daß es sich nicht um eine genehmigungspflichtige Anlage gehandelt hat. Anlagen zur Herstellung von Kronenkorken bedürfen erst seit der Verord-" nung über genehmigungsbedürftige Anlagen nach § 16 der Gewerbeordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Juli 1971 (BGBl. I S . 888) einer Genehmigung (§ 1 Nr. 10 der Verordnung). Nach § 25 Abs. 3 GewO können zwar auch für die unter § 16 Abs. 4 GewO fallenden, nur anzeigepflichtigen Anlagen nachträgliche Anordnungen über Anforderungen an die technische Einrichtung und den Betrieb der Anlage getroffen werden. Diese müssen aber, wie § 25 Abs. 3 GewO ausdrücklich hervorhebt, nach dem jeweiligen Stand der Technik auch erfüllbar sein. Soweit Auflagen des Gewerbeaufsichtsamts erfüllbar waren, sind die Angeklagten dem aber nachgekommen. Was die Frage der Ortsüblichkeit angeht, so ergeben die Feststellungen über die Lage des Betriebs, daß die B.-Werke der einzige Industriebetrieb in dem zum Vergleich heranzuziehenden Bezirk sind und nach den gegenwärtigen Verhältnissen ( B G H Z 1 5 , 1 4 6 ; B G H L M Nr. 5 zu § 906 BGB) der Umgebung nicht (mehr) das Gepräge geben, wobei es unerheblich ist, ob dies mit auf entsprechende Planung der Stadt F. zurückzuführen ist. Es kann daher offen bleiben, ob selbst bei behördlicher Genehmigung der Anlage oder bei ortsüblicher Benutzung des Grundstücks die Weiterführung des Betriebs gleichwohl dann rechtsmißbräuchlich wäre, wenn sie erkennbar zu erheblichen Gesundheitsschädigungen, unter Umständen sogar mit lebensgefährlichen Folgen, für die Anwohner führt. 3. Das Landgericht hat deshalb zu Recht die Rechtswidrigkeit des Handelns der Angeklagten bejaht. Es hat ihnen aber mit jedenfalls im Ergebnis zutreffender Begründung einen unvermeidbaren Verbotsirrtum zugebilligt. Nach den Feststellungen sind die Voraussetzungen des § 17 StGB n.F. erfüllt, d.h. den Angeklagten fehlte bei Begehung der Tat die Einsicht, Un-

62 recht zu tun; auch konnten sie diesen Irrtum nicht vermeiden. Sie wußten natürlich, daß sie keine Körperverletzungen begehen durften. Darum geht es aber nicht. Die Unrechtseinsicht fehlte ihnen deshalb, weil sie von der verfehlten Rechtsauffassung ausgingen, die Anwohner müßten die körperlichen Beeinträchtigungen hinnehmen, da sonst der Betrieb hätte eingestellt werden müssen, wozu die Angeklagten nicht einmal befugt waren. Sie handelten also in der Annahme, daß ihnen ein Rechtfertigungsgrund zur Seite stünde. Trotz aller Gewissensanspannung (vgl. dazu BGHSt 2, 194 ff.) und Einsatzes ihrer Erkenntniskräfte und sittlichen Wertvorstellungen sind sie dem Irrtum unterlegen, es sei erlaubt, den Betrieb weiterzuführen, auch wenn dies mit Körperverletzungen der Anwohner verbunden war. In dieser Auffassung mußten sie sich dadurch bestärkt sehen, daß auch die Behörden, insbesondere das Gesundheitsamt, trotz Kenntnis der Sachlage keinen Anlaß sahen, auf eine Einstellung des Betriebs zu drängen oder sie anzuordnen. Die Angeklagten hatten zudem aus ihrer Sicht alles getan, um die ihnen erteilten Auflagen zu erfüllen. All das rechtfertigt es hier, die Unvermeidbarkeit des Irrtums zu bejahen. Auf die Frage, ob die Einstellung des Betriebs den Angeklagten aus persönlichen Gründen zumutbar war oder ob sie ihnen als zwecklos erscheinen mußte, weil sie als für den Betrieb Verantwortliche dann abgelöst und durch andere ersetzt worden wären, kommt es dabei entgegen der Ansicht des Landgerichts allerdings nicht an, denn es gibt keinen allgemeinen Schuldausschließungsgrund der Unzumutbarkeit (vgl. Lackner a . a . O . Vorbem. III vor § 32; Wittig JZ 1969, 546).