Die Nebenfolge im System strafrechtlicher Sanktionen: Eine Untersuchung zur Dogmatik der Nebenfolge sowie zur Einordnung von Normen als Nebenfolge [1 ed.] 9783428546206, 9783428146208

Zwischen Strafen und Maßregeln enthält das StGB eine weitere Sanktion, die unter dem unscheinbaren Titel »Nebenfolgen« f

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Die Nebenfolge im System strafrechtlicher Sanktionen: Eine Untersuchung zur Dogmatik der Nebenfolge sowie zur Einordnung von Normen als Nebenfolge [1 ed.]
 9783428546206, 9783428146208

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Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 263

Die Nebenfolge im System strafrechtlicher Sanktionen Eine Untersuchung zur Dogmatik der Nebenfolge sowie zur Einordnung von Normen als Nebenfolge

Von

Sebastian Sobota

Duncker & Humblot · Berlin

SEBASTIAN SOBOTA

Die Nebenfolge im System strafrechtlicher Sanktionen

Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg

Herausgegeben von Dr. Dres. h. c. Friedrich-Christian Schroeder em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg

und Dr. Andreas Hoyer ord. Prof. der Rechte an der Universität Kiel

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 263

Die Nebenfolge im System strafrechtlicher Sanktionen Eine Untersuchung zur Dogmatik der Nebenfolge sowie zur Einordnung von Normen als Nebenfolge

Von

Sebastian Sobota

Duncker & Humblot · Berlin

Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professor Dr. Volker Erb, Mainz

Der Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat diese Arbeit im Jahre 2014 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 978-3-428-14620-8 (Print) ISBN 978-3-428-54620-6 (E-Book) ISBN 978-3-428-84620-7 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2014 vom Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz als Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Rechte angenommen. Sie entstand während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht von Univ.-Professor Dr. Volker Erb von März 2011 bis Januar 2014. Das Rigorosum fand am 25.09.2014 statt. In der aktualisierten Druckfassung konnten Rechtsprechung und Literatur bis Dezember 2014 berücksichtigt werden. Wie bei jedem größeren Projekt wäre ein erfolgreicher Abschluss ohne die Unterstützung einiger wichtiger Personen nicht möglich gewesen. Ihnen möchte ich im Folgenden besonders danken: Meinem akademischen Lehrer, Herrn Univ.-Professor Dr. Volker Erb, für die Betreuung der Dissertation. Er hat sofort das Potential der Fragestellung gesehen und mich in der Themenwahl bestärkt, als ich selbst noch gar nicht überblickte, wohin mich die Untersuchung führen wird. Für die Anfertigung der Arbeit gewährte er mir große Freiheit. Dem Zweitberichterstatter, Herrn Univ.-Professor Dr. Michael Hettinger, für seine konstruktiven Anregungen und hilfreiche Leihgaben aus seiner rechtsgeschichtlichen Privatbibliothek. Herrn Rechtsreferendar Vincent Werner dafür, dass er mit mir den Fall diskutierte, der mich erst auf das Thema der Untersuchung brachte. Ohne ihn wäre ich wohl niemals darauf gekommen, dass die vermeintlich unscheinbare „Nebenfolge“ eine ganze Abhandlung wert ist. Herrn Rechtsanwalt Dr. Christoph Schallert für fruchtbare Diskussionen und insbesondere das kritische Lektorat. Herrn Univ.-Professor Dr. Dr. Michael Bock für die Erfahrungen in der kriminologischen Forschung und Praxis während meiner Zeit als freier Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl. Die Kriminologie ist für eine sanktionenrechtliche Untersuchung unverzichtbar. Meinen Freunden und insbesondere meinen aktuellen wie ehemaligen Kolleginnen und Kollegen für die persönlich und fachlich anregende Zeit an der Universität.

8

Vorwort

Meinen Eltern, Gabriele und Rainer Sobota, deren Unterstützung Studium und Promotion erst möglich machte. Ihnen widme ich diese Arbeit. Und schließlich danke ich meiner Lebensgefährtin Tanja Pflug. Sie hat mich auch während der zähen Phasen, die eine Promotion so mit sich bringt, stets motiviert und für das private Glück gesorgt, das seinen Anteil am Gelingen der Arbeit hat. Mainz-Kastel, Dezember 2014

Sebastian Sobota

Inhaltsverzeichnis Einleitung/Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Teil Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge A. Das „zweispurige Sanktionensystem“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zur Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sinn (und Zweck) staatlichen Strafens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Absolute Straftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Relative Straftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Theorien der Generalprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Theorien der Spezialprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vereinigungstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zur empirischen Seite der Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Spezialprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Generalprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit zur Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zur Nebenstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Strafqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zur Maßregel der Besserung und Sicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Funktion (vs. Wirkung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Prognosedilemma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abgrenzung zur Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gemeinsamkeiten (und Unterschiede) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anordnungszweck von Strafen und Maßregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sozialethische Qualität von Strafen und Maßregeln . . . . . . . . . . . . . 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Wiedergutmachung als „dritte Spur“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26 26 27 30 31 32 32 34 36 37 38 39 40 40 42 42 43 44 47 47 48 51 53 58 58 62 64 64 65

10

Inhaltsverzeichnis V.

Sanktionen sui generis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verwarnung mit Strafvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auflagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die Nebenfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Entstehungsgeschichte der §§ 45 ff. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Geschichtliche Entwicklung der Ehrenstrafen bis zum RStGB von 1871 . . 1. Antike . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Römischer Rechtskreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Germanischer Rechtskreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. (Hoch-)Mittelalter und Frühe Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. 18. bis Mitte des 20. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemein zur Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Territorialgesetzbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Constitutio Criminalis Theresiana . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Frankreichs Code pénal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bayerisches StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Strafgesetzbücher für Baden und Braunschweig/„Preußische Entwürfe“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Preußisches StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Statusfolgen im Reichsstrafgesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Obligatorischer Rechtsverlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fakultative Aberkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Reformüberlegungen (vor und nach der Jahrhundertwende) . . . . . . . . . . . . IV. Ehrenstrafen im Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Entwurf 1962 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritik am E 1962 (AE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Exemplarisch: Meinungsstand 1960er Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Große Strafrechtsreform und jüngere Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Fazit zur Geschichte der Ehrenstrafen und Statusfolgen . . . . . . . . . . . . . . . .

70 71 72 72 72 74 76 77 78 79 79 80 84 85 86 89 90 93 94 96 97 98 99 99 103

C. Aktueller Stand der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Bestimmung der Nebenfolge in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Bestimmung der Nebenfolge in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kritische Stellungnahme zu den Definitionen der Literatur . . . . . . . . . . . . .

104 105 106 108

D. Was ist eine Nebenfolge? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 I. Sind Nebenfolgen (Neben-)Strafen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 1. § 45 Abs. 1 StGB als Nebenstrafe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

Inhaltsverzeichnis a) b) c) d) e) f) g) h)

II. III.

Absolute Strafdrohung als Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Automatik vs. Wesen der Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absolut = absolut? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konflikt mit der Einheitsfreiheitsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswirkungen der Automatik auf die Strafzumessung . . . . . . . . . . . Die Ansicht Theunes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 45 Abs. 1 i.V. m. §§ 12 Abs. 1, 38 StGB als moderne Ehrenstrafe? aa) Was ist eine Ehrenstrafe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verbrechen = gesteigertes soziales Unwerturteil? . . . . . . . . . . . cc) Historischer Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Nochmals: Konflikt mit der Einheitsfreiheitsstrafe . . . . . . . . . . ee) Zweck des § 45 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gesteigerte Missbilligung, Schuldausgleich und allgemeine Abschreckung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) (Negative) Spezialprävention? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Rechtsverlust zur Normbekräftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Fazit zur modernen Ehrenstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 45 Abs. 2 StGB als Nebenstrafe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Historie/Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Strafqualität/Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. § 45 Abs. 5 StGB als Nebenstrafe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit zur Strafqualität des § 45 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sind Nebenfolgen Maßregeln? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neubestimmung der Nebenfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 113 113 115 116 116 117 119 123 124 126 128 129 131 131 132 135 139 139 140 140 142 145 146 151 151 154 154 156 156 158 159

2. Teil Besonderer Teil: Einzelne Nebenfolgen A. Mögliche Nebenfolgen des StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bekanntgabe der Verurteilung (§§ 165, 200 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfall, Einziehung und Unbrauchbarmachung (§§ 73 ff. StGB) . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

161 161 161 163 164

12

Inhaltsverzeichnis

B. Mögliche Nebenfolgen des Neben(straf)rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 I.

Verbot der Tierhaltung nach § 20 TierSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

164 165 165 165

II.

Unfähigkeit zum Schöffenamt/Amt des ehrenamtlichen Richters . . . . . . . . 1. Regelungsgehalt und -systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

166 166 167 168

III.

Verlust der Beamtenrechte nach § 24 BeamtStG, § 41 BBG . . . . . . . . . . . . 1. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

168 168 169 173

IV.

Verbot der Geschäftsführung gem. § 6 GmbHG/Verbot der Leitung einer Aktiengesellschaft gem. § 76 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

173 173 175 178

Aberkennung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

178 179 180 183

V.

VI. Jagdrechtliche Folgen der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit . . . . . . . . . 183 1. Versagung des Jagdscheins nach § 17 BJagdG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 2. Anordnung der Entziehung des Jagdscheins nach § 41 BJagdG . . . . . . 183 VII. Verlust des Aufenthaltsrechts nach § 53 AufenthG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

184 184 185 188

VIII. Verbot der Beschäftigung durch bestimmte Personen nach § 25 Abs. 1 JArbSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedenken gegen § 25 Abs. 1 Nr. 4 JArbSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

188 188 190 194 195

IX. Ergebnis der Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

Inhaltsverzeichnis

13

3. Teil Einzelne allgemeine Probleme im Zusammenhang mit Nebenfolgen

197

A. Nebenfolge und Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entwicklung in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Frühe Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rezeption in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wende der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Weitere Ausdehnung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kritik der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Berücksichtigung der Nebenfolge beim Schuldausgleich . . . . . . . . . . . . 2. Eintritt der Nebenfolge als Strafwirkung (§ 46 Abs. 1 S. 2 StGB) . . . . 3. Berücksichtigung der Nebenfolge bei der Strafrahmenwahl . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

197 197 199 199 200 201 202 203 205 205 210 214 217

B. Nebenfolge und Registerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Registerrechtliche Behandlung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konflikt mit § 53 BZRG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nebeneinander von § 53 BZRG und Nebenfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erledigung der Nebenfolge durch Gnadenakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entsprechende Anwendung des § 45b StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

218 218 219 219 221 222 223

C. Nebenfolge und rechtliches Gehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Urteilstenor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die herrschende Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritik und Gegenansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Strafbefehl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

224 226 227 228 228 230 230

D. Nebenfolge und Jugendstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzliche Regelungen zur Nebenfolge im JGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erläuterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 6 JGG als abschließende Ausnahme? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vereinbarkeit der Nebenfolge mit dem Erziehungsgedanken . . . . . . . . . 3. Lösung de lege lata: Analoge Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Freiheitsstrafe = Jugendstrafe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

230 231 231 233 233 234 236 237

14

Inhaltsverzeichnis 4. Teil Kritisches Nachwort zur Nebenfolge

239

5. Teil Zusammenfassung der Ergebnisse

242

Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Literatur- und Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. E. a. F. AE AG AktG Alt. AO ArbGG Art. AufenthG AuslG BayObLG BayStGB BBG BeamtStG Bearb. BeckRS Beschl. bez. begr. BGB BGBl. BGH BGHR BGHSt BGHZ BRAO BReg bspw. BT BtMG BVerfG BVerfGE BVerfGG BWahlG

andere Ansicht am Ende alte Fassung Alternativ-Entwurf Amtsgericht Aktiengesetz Alternative Abgabenordnung Arbeitsgerichtsgesetz Artikel Aufenthaltsgesetz Ausländergesetz Bayerisches Oberstes Landesgericht (seit 30.06.2006 abgeschafft) Bayerisches StGB von 1813 Bundesbeamtengesetz Beamtenstatusgesetz Bearbeiter Beck-Rechtsprechung Beschluss bezüglich begründet Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bundesgerichtshof Rechtsprechung Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesregierung beispielsweise Besonderer Teil Betäubungsmittelgesetz Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundeswahlgesetz

16 BZRG bzw. CCC d.h. DJZ E EGGVG EGMR EGStGB EMRK erg. etc. f. FDP ff. FGO fortgef. FS GA gem. Gesamtred. GG ggf. GmbHG GnO GSK GVG h. M. Hervorh. HRRS Hrsg. hrsgg. Hs. HWO i. e. i. e. S. i. H. v. i. R. d. i. S. d. i.V. m. insbes. JA

Abkürzungsverzeichnis Bundeszentralregistergesetz beziehungsweise Constitutio Criminalis Carolina das heißt Deutsche Juristen-Zeitung Entwurf Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch Europäische Menschenrechtskonvention ergänze/ergänzend et cetera folgend Freie Demokratische Partei folgende [Seiten] Finanzgerichtsordnung fortgeführt Festschrift Goltdammer’s Archiv für Strafrecht gemäß Gesamtredaktion Grundgesetz gegebenenfalls Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Gnadenordnung Große Strafrechtskommission Gerichtsverfassungsgesetz herrschende Meinung Hervorhebung/en Höchstrichterliche Rechtsprechung in Strafsachen Herausgeber herausgegeben Halbsatz Handwerksordnung id est (das heißt) im engeren Sinne in Höhe von im Rahmen der/des im Sinne der/des in Verbindung mit insbesondere Juristische Arbeitsblätter

Abkürzungsverzeichnis JArbSchG JGG JR Jura JuS JVA JZ KK KMR krit. LG LK m. m. a.W. m. E. m.Verw. m.w. N. MAH MDR MüKo n. F. NB NJW NK Nr. Nrn. NSDAP NStZ NStZ-RR o. ä. o. g. OGHSt OLG OVG PAO PGO PreußStGB RGBl. RStGB s. S.

17

Jugendarbeitsschutzgesetz Jugendgerichtsgesetz Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristisches Studium Justizvollzugsanstalt Juristenzeitung Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung Kleinknecht Müller Reitberger kritisch Landgericht Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch mit mit anderen Worten meines Erachtens mit Verweis mit weiteren Nachweisen Münchener Anwaltshandbuch Monatsschrift für Deutsches Recht Münchener Kommentar neue Fassung Norddeutscher Bund Neue Juristische Wochenschrift Nomos-Kommentar Nummer Nummern Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Strafrecht Rechtsprechungs-Report oder ähnliche/s oben genannt Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes für die Britische Zone in Strafsachen Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Patentanwaltsordnung Peinliche Gerichtsordnung Karls V. Preußisches Strafgesetzbuch Reichsgesetzblatt Reichsstrafgesetzbuch siehe Seite/n

18 s. a. s. o. SG SGG SK sog. SozBAG SSW st. Rspr. StGB StPO StraFo StrÄG StrRG StV StVG StVollzG TierSchG u. u. a. u. s. f. u. U. u. v. m. Urt. usw. v. Var. VARD Verf. vgl. VwGO WaffG WDO WPO z. B. z. T. ZIS ZJJ ZRP ZStW zusf. zust. ZWH

Abkürzungsverzeichnis siehe auch siehe oben Soldatengesetz Sozialgerichtsgesetz Systematischer Kommentar sogenannt Sozialberufe-Anerkennungsgesetz Satzger Schmitt Widmaier bzw. Satzger Schluckebier Widmaier ständige Rechtsprechung Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Strafverteidiger Forum Strafrechtsänderungsgesetz Strafrechtsreformgesetz Strafverteidiger Straßenverkehrsgesetz Strafvollzugsgesetz Tierschutzgesetz und unter anderem; am Satzende: und andere und so fort unter Umständen und vieles mehr Urteil und so weiter von/vom Variante Vereinigung der Aufsichtsräte in Deutschland Verfasser vergleiche Verwaltungsgerichtsordnung Waffengesetz Wehrdisziplinarordnung Wirtschaftsprüferordnung zum Beispiel zum Teil Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft zusammenfassend zustimmend Zeitschrift für Wirtschaftsstrafrecht und Haftung im Unternehmen

Einleitung/Gang der Untersuchung Auf die Frage, was den Straftäter im Strafverfahren am härtesten trifft, liegt die Antwort nahe: natürlich die Strafe! Sie ist die zentrale und charakteristische Rechtsfolge der Straftat und stellt nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) immerhin nicht weniger als die „schärfste dem Staat zur Verfügung stehende Waffe“ 1 dar. Dass dies nicht immer der Realität entspricht, sondern diverse weitere rechtliche Folgen neben der Verurteilung existieren, die dazu geeignet sind, das berufliche und sonstige soziale Leben des Verurteilten noch nachhaltiger zu beeinträchtigen als die Hauptsanktion,2 soll sogleich anhand des folgenden Beispielsfalls3 verdeutlicht werden, der u. a. den Anstoß zur vorliegenden Untersuchung gab: S ist 25 Jahre alt und hat gerade sein Studium der Sozialen Arbeit erfolgreich abgeschlossen. Kurze Zeit später beginnt er, in seinem Heimatort in einer Hilfs-Einrichtung des Diakonischen Werkes zu arbeiten, in der sozial benachteiligte Jugendliche betreut werden. Dort hatte er auch schon zuvor mehrere Jahre als Student einen Nebenjob. Im Zuge der Einstellung hat S u. a. ein Führungszeugnis gem. § 32 BZRG vorzulegen. Ein paar Wochen später bittet ihn der Leiter der Einrichtung zum Gespräch und eröffnet S, dass er ihn leider nicht einstellen könne. Ursache sei die folgende Eintragung in seinem Führungszeugnis: XX.XX.XXXX AG X. Rechtskräftig seit XX.XX.XXXX Datum der Tat: XX.XX.XXXX Tatbezeichnung: Unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln Angewendete Vorschriften: BtMG § 1 Abs. 1, Anlage I, II, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 29 Abs. 1 Nr. 3 30 Tagessätze zu je 15,00 EUR Geldstrafe Verbot der Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung und Ausbildung Jugendlicher (gesetzlich eingetretene Nebenfolge nach § 25 JArbSchG) Maßnahme nach § 33 BtMG Hintergrund ist ein Vorfall, der sich zwei Jahre zuvor ereignet hat. S wurde damals auf einem Musik-Festival von einer zivilen Polizeistreife kontrolliert und im Besitz

1

BVerfGE 39, 1, 45. Ähnlich Gercke, wistra 2012, 291, 292; Bellinghausen, ZWH 2013, 395. 3 Der Sachverhalt beruht auf realen Ereignissen. Aus Gründen der Anonymisierung wurden identifizierende Details und Namen weggelassen bzw. verändert. 2

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Einleitung von ca. zehn Gramm Cannabis angetroffen. In der Folge erließ das zuständige Amtsgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl, in dem wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BtMG) eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen zu je 15,– A verhängt wurde. Weil S als Student kein Geld für einen Strafverteidiger besaß und er die Verurteilung in Umfang und Folgen als geringfügig einschätzte, ließ er den Strafbefehl rechtskräftig werden und beglich die Geldstrafe. Um das Bundeszentralregister machte er sich zu diesem Zeitpunkt keine Sorgen, glaubte er doch zu wissen, dass Geldstrafen erst ab einer Höhe von über 90 Tagessätzen in das Führungszeugnis aufgenommen werden [§ 32 Abs. 2 Nr. 5 a) BZRG]. Was er in diesem Moment vergaß, war, dass er einige Jahre zuvor noch als Heranwachsender im Zusammenhang mit einer „Anti-Atomkraft“-Demonstration, bei der es zu gewalttätigen Protesten kam, bereits wegen eines vermeintlichen Landfriedensbruchs (§ 125 StGB) mit einem Strafbefehl belegt worden war. Schon bei diesem Vorfall wurde S im Wege des Strafbefehlsverfahrens nur zu einer geringen Geldstrafe (20 Tagessätze zu je 10,– A) verurteilt, weshalb er sich auch damals nicht gegen die Sanktion zur Wehr setzte. Aufgrund dieser Vorverurteilung ist nun aber die Ausnahme in § 32 Abs. 2 Nr. 5 Hs. 2 BZRG einschlägig, sodass beide Verurteilungen samt der Nebenfolge des § 25 JArbSchG (s. § 5 Abs. 1 Nr. 7 BZRG) in das Führungszeugnis aufgenommen werden, obwohl die Geldstrafen jeweils unter 90 Tagessätzen liegen.4 Für die Dauer von 5 Jahren ab Rechtskraft (§ 25 Abs. 1 S. 2 JArbSchG) der zugrundeliegenden Entscheidung kann S nun scheinbar keinen Arbeitsplatz mehr in einer Jugendhilfe-Einrichtung annehmen.

Dieser Fall veranschaulicht, welche gravierenden Wirkungen eine solche – im Fall von § 25 JArbSchG gut versteckte5 – „Nebenfolge“ einer an sich geringfügigen Hauptstrafe entfalten kann. Zugleich stellt sich eine Reihe von Fragen im Zusammenhang mit dieser Nebensanktion, die unabwendbar kraft Gesetzes eintritt und dazu geeignet ist, den Verurteilten härter als die Hauptsanktion zu treffen: Was ist überhaupt eine Nebenfolge? Welchem Zweck dient sie? Hätte das Gericht den Eintritt der Nebenfolge beim Erlass des Strafbefehls vielleicht berücksichtigen müssen? Hätte der Betroffene auf diese gravierende Folge nicht hingewiesen werden müssen? Und statuiert § 25 JArbSchG tatsächlich ein strengeres Verbot, als es die Maßregel des Berufsverbots nach § 70 StGB vermag? Demgegenüber erfolgte in der modernen Rechtswissenschaft lange Zeit eine Fokussierung auf die dogmatischen Probleme der Straftat.6 Das Interesse der jün4 Dass die erste Verurteilung nicht im Führungszeugnis auftaucht, dürfe daran liegen, dass sie wegen Fristablaufs tilgungsreif war und deshalb keine Auskunft über sie erteilt werden durfte (§ 45 BZRG). Trotzdem bewirkt sie die Ausnahme nach § 32 Abs. 2 Nr. 5 Hs. 2 BZRG. 5 Nebenfolgen, die nicht im Ermessen des Gerichts stehen, werden weder tenoriert noch sonst in irgendeiner Weise dem Betroffenen gegenüber bekannt gemacht (z. B. in der Anklage oder dem Strafbefehl). Nicht nur im Strafbefehlsverfahren kann dies, wie im Beispielfall bereits angedeutet, hoch problematisch sein. Auch Kalf in: StV 1991, 132, 138 weist bereits auf den Überraschungseffekt des § 25 JArbSchG hin. Unten unter 3. Teil: B. wird diese Problematik noch einmal vertieft. 6 s. a. LK12 /Häger vor § 38 StGB Rn. 1.

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geren strafrechtlichen Forschung an den Rechtsfolgen der Straftat entzündete sich – nach der Großen Strafrechtsreform in den 1960er-Jahren – zunächst an der lebenslangen Freiheitsstrafe7, deren Verfassungsmäßigkeit das BVerfG schließlich in einem grundlegenden Urteil konstatierte8. Auch wenn die Diskussion um diese besonders scharfe Sanktion9 des StGB bis heute nicht abgerissen ist10, kam es in den letzten Jahrzehnten zunehmend zu einer wissenschaftlichen Diskussion um niedrigschwellige Sanktionen, etwa im Bereich der kurzfristigen Freiheitsstrafe11, des Täter-Opfer-Ausgleichs12 oder der strafprozessualen Verfahrenseinstellung gegen Weisung/Auflage13. In der allerjüngsten Vergangenheit dagegen rückte der Fokus der Wissenschaft (aber auch der kriminalpolitischen und rechtsprechenden Praxis) wieder auf besonders eingriffsintensive Rechtsfolgen, vorwiegend auf die Sicherungsverwahrung14 in all ihren Formen. Ausnehmend wenig Beachtung fanden dagegen die seit ihrer Neukonzeption durch die Große Strafrechtsreform von 1969 unter dem unscheinbaren Namen „Nebenfolgen“ firmierenden Rechtsfolgen einer Verurteilung. Dagegen tobte um die Vorgängernormen der heutigen §§ 45 ff. StGB, den verschiedenen Formen der sog. Ehrenstrafen, Anfang des 20. Jahrhunderts (insbesondere zu Zeiten der Weimarer Republik) noch eine lebhafte Debatte, wie die zahlreichen Monographien und Aufsätze aus dieser Zeit zeigen.15 Doch auch heute lohnt sich ein Blick auf Na-

7

So das BVerfG seinerzeit in BVerfGE 45, 187, 224. BVerfGE 45, 187 ff. 9 Angesichts der jüngeren Entwicklung im Recht der Maßregeln (Sicherungsverwahrung bzw. „Therapieunterbringung“, aber auch Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus) ist m. E. fraglich, ob von der lebenslangen Freiheitsstrafe noch zutreffend als „schärfster“ Sanktion des StGB gesprochen werden kann. 10 s. etwa Laubenthal, Lebenslange Freiheitsstrafe, 1987; Weber, Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe, 1999 und zuletzt Kett-Straub, Lebenslange Freiheitsstrafe, 2010. 11 Exemplarisch: Weigend, JZ 1986, 260 ff.; Streng, ZStW 111 (1999), 827 ff.; Maiwald, GA 1983, 49 ff.; Beulke in: FS Heinz (2012), S. 594 ff. 12 Exemplarisch: Hirsch, ZStW 102 (1990), 534 ff.; Bannenberg, Wiedergutmachung, 1993; Schünemann in: FS Hamm (2008), S. 687 ff.; Richter, TOA und Schadenswiedergutmachung, 2014. 13 s. dazu nur LR-StPO26 /Beulke § 153a StPO Rn. 11 m.w. N. 14 Grundlegend dazu Kinzig, Sicherungsverwahrung, 1996. Ein aktueller Überblick unter Berücksichtigung der neueren Entwicklungen findet sich bei Schönke/Schröder29 / Stree/Kinzig § 66 StGB Rn. 1. 15 Auswahl an Monographien: Marcuse, Ehrenstrafe, 1899; Quanter, Schand- und Ehrenstrafen, 1901; Lemme, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, 1910; Kießlich, Ehrenstrafe, 1911; Holzer, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, 1913; Dolles, Nebenstrafen an der Ehre, 1914; Kalbfleisch, Ehrenstrafen, 1920; Metten, Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte, 1928; Fuchs, Ehrenstrafen, 1928; Kühne, Ehrenstrafen, 1931; Hagen, Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte, 1932; Betz, Ehrenstrafen, 1936; Mantler, Ehrenstrafen, 1936; Ketteler, Ehrenstrafe, 1937; Esser, Ehrenstrafe, 1956; Auswahl an Aufsätzen: O. Freisler, ZStW 42 (1921), 438 ff.; Eb. Schmidt, ZStW 45 (1925), 10 ff.; Grünhut, ZStW 46 (1925), 260 ff. 8

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tur, Systematik und Verbreitung der Nebenfolge. Denn neben dem originär unter der Überschrift „Nebenfolgen“ geschaffenen § 45 StGB gibt es ähnlich formulierte Normen im Neben(straf)recht, die eine erhebliche praktische Relevanz besitzen und gleichzeitig eine Vielzahl rechtlicher Fragen aufwerfen. Um die praktische Relevanz dieser und anderer Nebenfolgen zu verifizieren, wurde vom Verfasser zu Beginn der Untersuchung eine Anfrage16 an das registerführende Bundesamt für Justiz (§ 1 Abs. 1 BZRG) gestellt. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 7 BZRG gehören zum Inhalt der Zentralregistereintragung nämlich auch sämtliche „Nebenfolgen“ einer Straftat. Aus der Aufzählung in § 5 Abs. 1 Nr. 7 BZRG [„die verhängten Strafen, die nach § 59 des Strafgesetzbuchs vorbehaltene Strafe sowie alle kraft Gesetzes eintretenden oder in der Entscheidung neben einer Strafe oder neben Freisprechung oder selbständig angeordneten oder vorbehaltenen Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 des Strafgesetzbuchs) und Nebenfolgen] geht hervor, dass sich das BZRG insoweit ausdrücklich auf die Rechtsfolgen des StGB bezieht, weshalb der Begriff der Nebenfolge in BZRG und StGB identisch ist. Gefragt wurde deshalb, 1. welche Nebenfolgen das Bundesamt für Justiz nach § 5 Abs. 1 Nr. 7 BZRG einträgt und 2. wie häufig (pro Jahr) die jeweilige Nebenfolge eingetragen wird. In seiner Antwort17 teilte das Bundesamt für Justiz mit, dass es weder die nach § 5 Abs. 1 Nr. 7 BZRG einzutragenden Nebenfolgen abschließend aufzählen noch deren Häufigkeit nennen könne. Es gebe nur für einige wenige Nebenfolgen eine eigens programmierte Textkennzahl in der Datenbank (z. B. Kennziffer des § 25 JArbSchG: 2102). Für alle anderen Nebenfolgen – hauptsächlich solche des Nebenstrafrechts – gebe es bloß eine Sammeltextkennzahl, der ein von der mitteilenden Stelle (i. e. der jeweiligen Staatsanwaltschaft) frei zu formulierender Text angefügt werde. Dementsprechend könnte die nötige Abfrage nur durch eine umfassende Analyse der Datenbank erfolgen, für die spezielle Programmierarbeiten und zusätzliche Laufzeiten der Rechner erforderlich wären. Insgesamt sieht sich das Bundesamt für Justiz aufgrund des unverhältnismäßig hohen Aufwandes außer Stande, die gewünschten Informationen zu erteilen. Weil demnach vom Bundesamt für Justiz keine Auskunft zu erhalten ist, soll im Folgenden mithilfe der Kriminalstatistik am Beispiel von § 25 JArbSchG, der nach derzeit herrschender Meinung eine Nebenfolge sein soll,18 die hohe praktische Relevanz strafrechtlicher Nebenfolgen belegt werden: 16

Schreiben vom 20.10.2011, abgedruckt als Anlage 1. Schreiben vom 17.02.2012, abgedruckt als Anlage 2. 18 Zmarzlik/Anzinger § 25 JArbSchG Rn. 7; Rebmann/Uhlig/Pieper § 5 BZRG Rn. 43 f.; Köster/Ruß, Strafvollstreckungsrecht, 2011, S. 14; OLG Karlsruhe NStZ 17

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Da § 25 JArbSchG kraft Gesetzes ohne eine zusätzliche Anordnung durch das Gericht eingreift, kann hier ohne weiteres mittels eines Rückschlusses aus der allgemeinen Strafverfolgungsstatistik auf die tatsächliche Häufigkeit geschlossen werden. Besonders aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang § 25 Abs. 1 Nr. 4 JArbSchG, der den Eintritt der Nebenfolge an jede rechtskräftige Verurteilung wegen einer Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) knüpft. Für das Jahr 2012 weist die Strafverfolgungsstatistik allein 47.194 verurteilte Personen nach BtMG aus.19 Im Jahr 201120 waren es 48.573 und 201021 48.572. In den Jahren zuvor lag die Zahl noch einmal leicht höher: 200922 wurden 51.723 und 200823 sogar 53.334 Menschen wegen einer Straftat nach dem BtMG verurteilt. Das ergibt für die letzten fünf Jahre einen jährlichen Durchschnitt von 49.879 Personen. Hinzu kommen in § 25 JArbSchG alle Personen, • die wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren (Nr. 1) • wegen einer vorsätzlichen Straftat, die sie unter Verletzung der ihnen als Arbeitgeber, Auszubildender oder Ausbilder obliegenden Pflichten zum Nachteil von Kindern oder Jugendlichen begangen haben, zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten (Nr. 2) • wegen einer Straftat nach §§ 109h, 171, 174 bis 174c, 176 bis 181a, 182 bis 184b, 225, 232 bis 233a des Strafgesetzbuches (Nr. 3) oder • wegen einer Straftat nach dem Jugendschutzgesetz oder nach dem Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften wenigstens zweimal (Nr. 5)

rechtskräftig verurteilt worden sind. Aufgrund der detaillierten Tatbestandsvoraussetzungen lässt sich die Anzahl der nach den Nummern 1, 2, 3 und 5 verurteilten Personen anders als die Zahl der Verurteilten wegen (irgend-)einer Straftat nach dem BtMG nicht ohne weiteres aus der Strafverfolgungsstatistik entnehmen. Es ist jedoch abzusehen, dass zu den jährlich ca. 50.000 Verurteilten nach dem BtMG noch viele tausend24 mehr 1990, 396; OLG Hamm BeckRS 1992, 09247; VG Berlin BeckRS 2012, 47784; VG Mainz BeckRS 2008, 35261. 19 Statistisches Bundesamt, Strafverfolgung 2012, S. 90. 20 Statistisches Bundesamt, Strafverfolgung 2011, S. 88. 21 Statistisches Bundesamt, Strafverfolgung 2010, S. 90. 22 Statistisches Bundesamt, Strafverfolgung 2009, S. 88. 23 Statistisches Bundesamt, Strafverfolgung 2008, S. 88. 24 Allein wegen der in § 25 Abs. 1 Nr. 4 JArbSchG genannten Sexualdelikte wurden im Jahr 2010 6.247 Personen verurteilt, s. Statistisches Bundesamt, Strafverfolgung 2010, S. 96 f. Soweit Verurteiltenzahlen zu den einzelnen Nummern des § 25 JArbSchG zugänglich sind, verbietet sich jedoch eine Addition insofern, als Überschneidungen zwischen den einzelnen Nummern nicht nur möglich, sondern äußerst wahrscheinlich sind. Solche liegen bspw. bei den Nummern 1 und 4 nahe, weil qualifizierte

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Einleitung

kommen, die von der Nebenfolge des § 25 JArbSchG betroffen sind. Ferner spricht für die Häufigkeit, aber auch die Problematik der Anwendung besagter Norm, dass das Bundesamt für Justiz im Internet zeitweise eine eigene Informationsseite25 zu § 25 JArbSchG eingerichtet hatte.26 Nicht weniger praktische Relevanz besitzt der kraft Gesetzes eintretende und nach herrschender Meinung27 ebenfalls eine Nebenfolge darstellende § 45 Abs. 1 StGB. Dieser ordnet für alle Verurteilungen zu mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe wegen eines Verbrechens den Verlust der Amtsfähigkeit und der Wählbarkeit an. Auch wenn hier wegen fehlender Details (z. B. „minder schwerer Fall“, Milderungen nach dem Allgemeinen Teil wie z. B. §§ 17 S. 2, 21, 23 Abs. 2, 27 Abs. 2 S. 2 StGB) in der Strafverfolgungsstatistik keine exakten Rückschlüsse möglich sind, kann anhand folgender Verurteilungszahlen zumindest abgeschätzt werden, dass jährlich zigtausende Menschen vom Eintritt dieser Nebenfolge betroffen sind. Im Jahr 2011 wurden etwa ausweislich der Statistik des Statistischen Bundesamts bereits • 1.003 Menschen wegen eines Verbrechens nach §§ 177, 178 StGB • 767 Menschen wegen eines Verbrechens nach §§ 211, 212 StGB (ohne Versuch) • 4.349 Menschen wegen eines Verbrechens nach §§ 249–255, 316a StGB (ohne § 253 StGB) • 5.883 Menschen wegen eines Verbrechens nach § 29a BtMG

zu einer Hauptstrafe nach allgemeinem Strafrecht verurteilt.28 Deshalb verwundert es, dass diese Rechtsfolge in der rechtswissenschaftlichen Literatur bisher ein Schattendasein fristet. Besonders deutlich wird dies daran, dass die Nebenfolge als gesetzlicher terminus technicus offenbar so unbekannt BtM-Delikte oftmals Verbrechen mit einer Mindestfreiheitsstrafe von zwei Jahren sind, s. §§ 30, 30a BtMG. 25 Die Seite ist während der Entstehung dieser Arbeit wieder verschwunden. Unter http://archive-de.com/page/100827/2012-07-10/http://www.bundesjustizamt.de/cln_ 115/nn_2051270/DE/Themen/Buergerdienste/BZR/Jugendarbeitsschutzgesetz/Jugend arbeitsschutzgesetz__node.html?__nnn=true/ (zuletzt abgerufen am 03.01.2015) kann jedoch noch eine Kopie eingesehen werden. 26 Diese Einschätzung wurde dem Verf. auch bei einer ersten telefonischen Anfrage im März 2010 in anderem Zusammenhang bestätigt. Eine Mitarbeiterin des Bundesamtes für Justiz gab an, dass ständig Bürger anrufen, die von § 25 JArbSchG betroffen sind. 27 Fischer62 vor §§ 38 ff. StGB Rn. 5 u. § 45 StGB Rn. 6; Jekewitz, GA 1977, 161, 168; SSW1/2 /Mosbacher § 45 StGB Rn. 1; Beck-OK-StGB/von Heintschel-Heinegg § 45 StGB Rn. 1; Oelbermann, Wahlrecht und Strafe, 2011, S. 226; Bockelmann/Volk, Strafrecht AT, 1987, S. 230; Baumann/Weber, Strafrecht AT, 1985, S. 615; Matt/Renzikowski/Bußmann § 45 StGB Rn. 6 f.; Streng, Sanktionen, 2012, S. 178 (Rn. 364); Rebmann/Uhlig/Pieper § 5 BZRG Rn. 43 f. (zu § 5 BZRG, der die ins BZR aufzunehmenden Sanktionen des StGB aufzählt). 28 Statistisches Bundesamt, Strafverfolgung 2011, S. 152 ff.

Einleitung

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ist, dass (auch Straf-)Juristen den Begriff regelmäßig untechnisch als sonstige Folge einer Verurteilung (im Sinne von Rechtsfolge, die nicht Hauptstrafe ist) verwenden.29 Bevor einzelne Fragen etwa zu der speziellen Rechtsfolge des § 25 JArbSchG (und anderen Nebenfolgen) erörtert werden können, soll im ersten Teil dieser Arbeit zunächst allgemein die Rechtsnatur der Nebenfolge und ihre Stellung im Sanktionensystem des StGB geklärt werden. Hierzu werden zuerst die Grundzüge des strafrechtlichen Sanktionensystems dargestellt (1. Teil: A.). Nach einem Blick auf die Entstehungsgeschichte der mit „Nebenfolgen“ überschriebenen §§ 45 ff. StGB (1. Teil: B.) wird der aktuelle Meinungsstand zu Wesen und Inhalt der Nebenfolge, wie er in Literatur und Rechtsprechung vertreten wird, dargestellt und kritisch gewürdigt (1. Teil: C.). Sodann wird mittels systematischer Auslegung eine eigene Definition der Nebenfolge entwickelt (1. Teil: D.). Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse wird dann im zweiten Teil der Arbeit eine Einordnung und Auslegung einer Reihe von als Nebenfolge diskutierten Rechtsfolgen vorgenommen, wobei zunächst die im StGB befindlichen Rechtsfolgen untersucht werden (2. Teil: A.), bevor der Blick auf eine Auswahl bedeutender und praktisch häufiger Rechtsfolgen im Nebenrecht gerichtet wird (2. Teil: B.). Im dritten Teil der Untersuchung werden einzelne allgemeine Fragestellungen erörtert, die sich im Zusammenhang mit dem Eintritt von Nebenfolgen stellen. Dazu gehören die besonders umstrittene Frage nach ihrer Berücksichtigung bei der Strafzumessung (3. Teil: A.), die registerrechtliche Behandlung der Nebenfolge (3. Teil: B.), der Umgang mit der Nebenfolge im Rahmen des rechtlichen Gehörs (3. Teil: C.) und Besonderheiten bei der Anwendung der Nebenfolge im Jugendstrafrecht (3. Teil: D.). Zum Schluss folgt ein kleines kritisches kriminalpolitisches Nachwort zur Nebenfolge (4. Teil), bevor im fünften Teil der Arbeit der Ertrag der vorliegenden Untersuchung in 15 Thesen zusammengefasst wird (5. Teil).

29 So etwa Parigger in: StraFo 2011, 447, 448, der in seinem Beitrag „Urteilsfolgen neben der Strafe“ unter der Überschrift „Nebenfolgen“ die Maßregeln der Besserung und Sicherung (!) behandelt; dieselbe Verwendung findet sich bei Röth in „Nebenfolgen strafrechtlicher Verurteilung“, StraFo 2012, 354. Und auch der BGH scheint vor einer solchen missverständlichen Verwendung nicht gefeit: „[. . .] über die Sicherungsverwahrung als Nebenfolge (!) einer Straftat . . .“, BGH, Beschl. v. 12.07.2012, Az. V ZB 106/ 12 = NJW 2012, 3181, 3182 (Hervorh. durch Verf.). Den Begriff der Nebenfolge dagegen differenzierend in Nebenfolgen i. S. d. § 45 StGB und Nebenfolgen im weiteren Sinne: Gercke, wistra 2012, 291, 292.

1. Teil

Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge A. Das „zweispurige Sanktionensystem“1 Wenn es um Rechtsfolgen im Strafrecht geht, ist stets von der sog. „Zweispurigkeit des Sanktionensystems“ die Rede. Gemeint ist damit die Unterscheidung zwischen den Strafen (§§ 38 ff. StGB) auf der einen und den Maßregeln der Besserung und Sicherung (§§ 61 ff. StGB) auf der anderen Seite. Das Strafgesetzbuch2 (StGB) unterteilt die Strafe noch in Hauptstrafe, worunter Freiheitsstrafe (§§ 38 f. StGB) und Geldstrafe (§§ 40 bis 43 StGB) fallen, und (kraft gesetzlicher Überschrift) „Nebenstrafe“, unter der lediglich3 das Fahrverbot (§ 44 StGB) firmiert. Im Zusammenhang mit der Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung (§ 56 StGB), aber auch bei der Strafrestaussetzung zur Bewährung (§ 57 StGB) und der Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB) kann das Gericht zudem Weisungen und Auflagen verhängen (§§ 56b, 56c, 57 Abs. 3 S. 1, 59a StGB) – diese Sanktionen fügen sich aber nicht in die soeben genannten Kategorien ein und sollen deshalb eigener Art sein.4 Darüber hinaus gibt es noch einzelne andere Rechtsfolgen, deren Bestimmung und Stellung im StGB Probleme bereiten.5 Für die Zwecke dieser Untersuchung, insbesondere zur Abgrenzung der verschiedenen Rechtsfolgen einer Straftat, ist es notwendig, sich zu Beginn einen Überblick über die beiden Sanktionsspuren zu verschaffen sowie die einzelnen Rechtsfolgen in ihren Grundzügen darzustellen. Aus diesen Erkenntnissen können dann Rückschlüsse auf Inhalt und Einordnung der Nebenfolge gezogen werden.

MüKo2 /Radtke vor § 38 StGB Rn. 68; LK12 /Häger vor § 38 StGB Rn. 8 ff.; Fischer62 vor § 38 StGB Rn. 4. Nach Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 3 (Rn. 4) geht der Begriff auf den schweizerischen Strafrechtslehrer Carl Stoos (1849–1934) zurück. Siehe zu dessen Lehre Kammeier, Maßregelrecht, 1996, S. 4 ff. 2 Im Wehrstrafrecht existiert zusätzlich der sog. Strafarrest, § 9 WStG. 3 Teilweise werden auch § 45 Abs. 2 u. 5 StGB als materielle Nebenstrafe eingeordnet. Siehe etwa Nelles, JZ 1991, 17, 18, Fischer62 vor § 38 StGB Rn. 5 u. § 45 StGB Rn. 7. Eingehend dazu unten 1. Teil: D. I. 2. und 1. Teil: D. I. 3. 4 s. u. 1. Teil: A. V. 5 s. etwa zur umstrittenen Sanktion der Einziehung nach § 74 StGB Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 194 ff. 1

A. Das „zweispurige Sanktionensystem‘‘

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I. Zur Strafe Seitdem der Mensch in staatlicher Gemeinschaft zusammenlebt und sein Zusammenleben durch soziale Normen ordnet, scheint die Verhängung von öffentlichen Strafen Tradition zu sein.6 Dies ergibt insofern einen Sinn, als eine Rechtsnorm nur dann verbindliche Geltung beanspruchen kann, wenn ihr Bruch geahndet wird.7 Doch daraus folgt noch nicht, wie diese Ahndung ausgestaltet sein muss. Deshalb verwundert es nicht, dass in der Literatur viele verschiedene Kategorien gebildet werden, um Strafe zu beschreiben und ihren Inhalt zu bestimmen: „Sinn und Grenzen“ 8, „Legitimation“ 9, „Begriff, Zweck und Grund“ 10 „Ursprung, Rechtfertigung und Wesen“ 11, „Sinn und Aufgabe“ 12, „Begriff, Aufgabe und Wesen“ 13, „Inhalt und Aufgabe“ 14, „Wesen“ 15 u. v. m. Es bleibt jedoch unklar, ob sich diese Kategorien immer trennscharf unterscheiden lassen, bspw. etwa, ob sich eine Rechtfertigung der Strafe ohne Rückgriff auf ihren Zweck erörtern lässt oder beides nicht doch untrennbar miteinander verbunden ist.16 Eine Auseinandersetzung mit oder gar Parteinahme für eine/r bestimmte/n Differenzierung ist allerdings gar nicht erforderlich, damit ein Vergleich zwischen Nebenfolge und Strafe möglich wird. Hierfür genügt es vielmehr, die derzeit in der Rechtswissenschaft anerkannten wesentlichen Merkmale der Strafe darzustellen:17 Jescheck/Weigend etwa als Vertreter der rechtswissenschaftlichen Literatur definieren Strafe in ihrem großen Lehrbuch allgemein als „Ausgleich einer erheblichen Rechtsverletzung durch Auferlegung eines der Schwere von Unrecht und Schuld angemessenen Übels, das eine öffentliche Missbilligung der Tat aus-

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Stratenwerth, Strafrecht AT I, 2000, S. 2 (Rn. 1). Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 64; Stratenwerth, Strafrecht AT I, 2000, S. 2 (Rn. 1). 8 Roxin, JuS 1966, 377. 9 Wiederum: Roxin, JuS 1966, 377, wobei seine Verwendung der Wörter „Rechtfertigung“ und „Legitimation“ nahe legt, dass er sie zugleich mit dem „Sinn“ der Strafe verknüpft. 10 So die nach Höffler/Kaspar, ZStW 124 (2012), 87, 98 in Literatur und Rechtsprechung „im Wesentlichen“ verwendeten Bezugspunkte der Abgrenzung, allerdings ohne Nachweise für die Aussage. 11 Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 63 ff. 12 Welzel, Strafrecht, 1969, S. 1. 13 Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, 2003, S. 9. 14 Jakobs, Strafrecht AT, 1991, S. 5 (Rn. 1). 15 Welzel, Strafrecht, 1969, S. 238. 16 Ähnlich zum inhaltlichen Verhältnis von „Grund“ und „Zweck“ der Strafe: Höffler/Kaspar, ZStW 124 (2012), 87, 99. 17 Ähnlich in Bezug auf die Erörterung der Strafqualität von Auflagen: Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 74 f. 7

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

drückt und dadurch Rechtsbewährung schafft“ 18 und nennen damit – neben Aspekten, die zur Frage des Strafzwecks gehören (dazu sogleich) – wesentliche Elemente der Strafe: Tatbezug, Übelscharakter und öffentliche Missbilligung. Das BVerfG, das seiner Rechtsprechung allerdings keinen konsistenten Strafbegriff zu Grunde legt,19 betont in erster Linie den repressiven Charakter der Strafe, wenn es sie als „missbilligende hoheitliche Reaktion auf schuldhaftes kriminelles Unrecht“ begreift.20 Weiter werde mit der Strafe ein öffentliches sozialethisches Unwerturteil über den Täter21 ausgesprochen.22 Dies entspricht der ursprünglichen Wortbedeutung von „Strafe“ i. S. v. sittlicher Tadel der Bosheit, Schelte, Zurechtweisung.23 In diesem sittlichen Urteil kommt zum Ausdruck, dass sich der Täter gegen Pflichten aus dem Gemeinschaftsleben vergangen hat.24 Gleichzeitig wird dem Täter durch die Strafe ein Übel zugefügt, mit dem der Staat gezielt in die Rechtssphäre des Betroffenen (Freiheit, Vermögen etc.) eingreift.25 Jakobs dagegen begreift Strafe positiv gewendet als „Demonstration von Normgeltung auf Kosten eines Zuständigen“, ohne jedoch abzustreiten, dass dabei stets ein Übel „herausspringt“.26 Er betont damit schon an dieser Stelle die seiner Meinung nach der Übelszufügung vorgehende Aufgabe der Strafe, die verletzte Norm zu stabilisieren (auch dazu sogleich). Das Übel wird je nach Art der Strafe unterschiedlich ausgestaltet, ob „klassisch“ als Entzug der (Fortbewegungs-)Freiheit (Freiheitsstrafe nach §§ 38 f. StGB), durch Schmälerung der finanziellen Freiheit (Geldstrafe nach §§ 40 ff. StGB) oder Entzug einer speziellen Fortbewegungsfreiheit (Fahrverbot nach § 44 StGB). Aufgrund des in der Strafe liegenden Eingriffs in konstitutionelle Freiheitsrechte des Täters ist das Übel immer auch normativer Natur, so dass es – außerhalb der Strafzumessung im engeren Sinne – nicht darauf ankommt, ob der Täter die Strafe tatsächlich als Übel empfindet.27 18

Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 13. Ausführliche Analyse bei Volk, ZStW 83 (1971), 405 ff. 20 BVerfGE 105, 135, 153; s. a. BVerfG NJW 2009, 980, 981: „Der Anwendungsbereich von Art. 103 Absatz 2 GG ist auf staatliche Maßnahmen beschränkt, die eine missbilligende hoheitliche Reaktion auf ein rechtswidriges, schuldhaftes Verhalten darstellen und wegen dieses Verhaltens ein Übel verhängen, das dem Schuldausgleich dient.“ 21 A. A. Bockelmann/Volk, Strafrecht AT, 1987, S. 2: „über die Tat“. 22 BVerfGE 96, 245, 249; s. a. Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 65 m.w. N. 23 Ebert, Strafrecht AT, 2001, S. 230. 24 Bockelmann/Volk, Strafrecht AT, 1987, S. 2 f. 25 Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 65; LK12 /Weigend Einleitung Rn. 57; BVerfGE 9, 137, 144; BVerfGE 22, 125, 132; BVerfGE 109, 133, 168. 26 Jakobs, Strafrecht AT, 1991, S. 6 (Rn. 3). 27 Meier, Sanktionen, 2015, S. 16. Beispiele wären etwa die Geldstrafe (nach § 40 Abs. 1 S. 2 u. Abs. 2 S. 3 StGB maximal A 10.800.000,– als Einzelstrafe und i.V. m. § 54 Abs. 2 S. 2 StGB A 21.600.000,– als Gesamtstrafe) für den Milliardär oder die 19

A. Das „zweispurige Sanktionensystem‘‘

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Ihrem Wesen nach setzt Strafe Schuld voraus.28 Das Unrecht muss dem Täter individuell vorzuwerfen sein und die Strafhöhe wird durch die individuelle Schuld des Täters begrenzt.29 Die Rechtsprechung betont deshalb in diesem Zusammenhang immer wieder die Bestimmung der Strafe, gerechter Schuldausgleich zu sein.30 Ein Abweichen nach oben oder unten führt in der Rechtsmittelinstanz regelmäßig zur Aufhebung des Urteils.31 Andere repressiv erscheinende Sanktionen wie Bußgelder im Ordnungswidrigkeitenrecht und verschiedene Formen der Disziplinarmaßnahmen unterscheiden sich nach herrschendem Verständnis von der Strafe qualitativ durch das Fehlen eines sozialethischen Tadels.32 Das Disziplinarrecht versteht sich dabei als eigenständiges Rechtsgebiet, das einen besonderen Schutz bestimmter Institutionen und ihrer Funktionsbedingungen zum Gegenstand hat.33 Die theoretische Rechtfertigung für diese Trennung vom Kriminalrecht beruht darauf, dass das Disziplinarrecht im Gegensatz zur Kriminalstrafe nicht repressiv als Vergeltung für die begangene Tat, sondern präventiv zum Schutz eines Berufsstandes zum Einsatz kommt.34 In ihrer praktischen Wirkung sind sich Disziplinarmaßnahme und Strafe dagegen nicht selten ähnlich.35 Ob sich auch der den Ordnungswidrigkeiten zugrundeliegende Verstoß qualitativ von den Verstößen unterscheidet, die mit Strafe geahndet werden, und ob kurzfristige Freiheitsstrafe für einen Obdachlosen, der den Winter nicht auf der Straße verbringen möchte [ähnlich schon Eb. Schmidt, ZStW 45 (1925), 10, 16]. 28 BVerfGE 45, 187, 259 f. 29 Dies folgt bereits aus dem verfassungsrechtlichen Schuldprinzip: BVerfGE 45, 187, 260. 30 BGH NJW 1981, 692 f. m.w. N. 31 s. z. B. BGH NStZ 1985, 415. Wie wenig nachvollziehbar diese Überprüfung in der Praxis bisweilen ist, zeigt sich jedoch bspw. an BGH, Beschl. v. 21.03.2012 – 1 StR 100/12, in dem der 1. Strafsenat zu einem Ladendiebstahl von Katzenfutter im Wert von A 72,46 (!) durch eine mehrfach einschlägig vorbestrafte 72-jährige Angeklagte die Auffassung vertritt, dass „die nunmehr für den Diebstahl verhängte Einzelstrafe von einem Jahr und zwei Monaten noch dem Unrechts- und Schuldgehalt der festgestellten Tat entspricht. Sie ist nicht unvertretbar hoch und löst sich noch nicht nach oben von ihrer Bestimmung eines gerechten Schuldausgleichs.“ Dass man diese drakonische Bestrafung eines einfachen Ladendiebstahls „noch“ als „gerechten Schuldausgleich“ bezeichnen kann, muss ernstlich bezweifelt werden. 32 Bez. Ordnungswidrigkeiten: BVerfGE 22, 79 ff.; 45, 272 ff.; LK11/12 /Häger vor §§ 38 ff. StGB Rn. 75 ff.; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 56 ff.; Schönke/ Schröder29 /Stree/Kinzig vor §§ 38 ff. StGB Rn. 37 m.w. N. Bez. Disziplinarmaßnahmen: BVerfGE 21, 384 ff., BVerfG NJW 1967, 1651 ff. 33 NK4 /Hassemer/Neumann vor § 1 StGB Rn. 220; Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 60 (Rn. 134); Stratenwerth, Strafrecht AT I, 2000, S. 28 f. (Rn. 49 f.); Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, 2003, S. 53 (Rn. 29). 34 NK4 /Hassemer/Neumann vor § 1 StGB Rn. 220; LK11/12 /Häger vor § 38 StGB Rn. 77. 35 Man vergleiche etwa eine disziplinarische Geldbuße nach § 7 BDG mit einer Geldstrafe nach § 40 StGB.

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

sich daher materiell bestimmen lässt, was Ordnungswidrigkeit und was Straftat ist, ist dagegen umstritten.36 Bereits bei oberflächlichem Vergleich von Tatbeständen aus dem Ordnungswidrigkeiten- und dem Strafrecht (insbesondere im Straßenverkehrsrecht) lässt sich nicht mehr behaupten, dass den Ordnungswidrigkeiten lediglich der Ungehorsam gegen einen Verwaltungsbefehl zu Grunde liegt.37 Heutzutage überwiegt daher eine gemischt quantitativ-qualitative Auffassung, nach der ein gewisser Bereich an qualifizierten Verstößen (etwa Mord, Raub, Geiselnahme, Vergewaltigung etc.) zwingend pönalisiert werden muss, während außerhalb des Kernbereichs ein in Bezug auf die Sozialgefährlichkeit des Verhaltens und der Subsidiarität der Strafe entsprechender quantitativer Unterschied angenommen wird und es insoweit dem Gesetzgeber überlassen ist, ob er ein missbilligtes Verhalten im Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrecht sanktioniert.38 1. Sinn (und Zweck) staatlichen Strafens Vom Wesen der Strafe zu unterscheiden ist ihr Zweck.39 Je nachdem, ob man den Blick retrospektiv auf die begangene Tat richtet, oder prospektiv auf die Gefahr weiterer Straftaten blickt, kommen verschiedene Sinngebungen der Strafe in Betracht: Nach der ersten Variante verfahren die sog. absoluten Straftheorien, denenzufolge die Strafe allein zum Ausgleich der begangenen Rechtsverletzung dient (punitur, quia peccatum est). Nach der zweiten Variante, den sog. relativen Straftheorien, soll die Strafe dagegen dazu dienen, künftige Rechtsverletzungen zu verhindern (punitur, ne peccetur).40 Die akademische Auseinandersetzung über die Frage, ob Strafe bloß zur Vergeltung begangenen Unrechts dienen soll oder darüber hinaus einen vorbeugenden Zweck verfolgen darf, ist als sog. Schulenstreit in die Strafrechtsgeschichte eingegangen.41 Auch wenn dieser Streit mit dem Kompromiss in Form der sog. Vereinigungstheorien an Brisanz verloren hat, besteht noch immer kein Konsens über die „wahre“ Strafzwecktheorie. Daher ist es heute noch üblich, zwischen den verschiedenen theoretischen Strömungen

36 Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 58 f.; Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 58 f. (Rn. 130 ff.); Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig vor §§ 38 ff. StGB Rn. 37; MüKo2 /Radtke vor §§ 38 ff. StGB Rn. 87; LK11/12 /Häger vor §§ 38 ff. StGB Rn. 75 ff. 37 So aber noch BGHSt 11, 264 ff.; wie hier dagegen: Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 59; Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 58 f. (Rn. 130 ff.). 38 Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 59 m.w. N. 39 In diesem Sinne bereits Ebert, Strafrecht AT, 2001, S. 230. 40 Ebert, Strafrecht AT, 2001, S. 230. Kritisch zu dieser gängigen Differenzierung Jakobs, Strafrecht AT, 1991, S. 15 (Rn. 17), der meint, dass sich die neueren Theorien nicht mehr mit diesem Inhalt gegenüberstellen lassen. 41 Historischer Überblick bei Maurach/Zipf, Strafrecht AT, 1992, S. 74 ff. (Rn. 27 ff.) u. Eb. Schmidt, Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1965, S. 386 ff. Neuerer Blick auf die Historie bei Naucke in: FS Hassemer (2010), S. 559 ff.

A. Das „zweispurige Sanktionensystem‘‘

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zu differenzieren.42 Dies ist auch für den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sinnvoll, denn die Verortung der Nebenfolge innerhalb des Sanktionensystems erfordert die Kenntnis vom jeweiligen spezifischen Zweck der verschiedenen Sanktionen des StGB. Und speziell auf einzelne Strafzwecke wird noch zurückzukommen sein. a) Absolute Straftheorien Auf der einen Seite stehen die Theorien, die wegen ihrer Loslösung von einem über die gerechte Vergeltung des Normbruchs hinausgehenden sozialen Zweck (poena est absoluta ab effectu) als absolute Straftheorien bezeichnet werden.43 Nach ihnen ist die Strafe schon für sich gesehen sinnvoll, weil durch das in ihr liegende Übel das Unrecht der Tat und die Schuld des Täters ausgeglichen werden. Die Strafe dient somit der (Wieder-)Herstellung von Gerechtigkeit. Nach dem absoluten Verständnis ist die Strafe unbedingt von der Erwartung freizuhalten, durch ihre Androhung und Verhängung präventive Wirkungen zu erzielen. Die absoluten Straftheorien gehen zurück auf die Straftheorien, die im Zeitalter der Aufklärung von den Philosophen Immanuel Kant (1724–1804) und Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831) begründet wurden und bis zum Ende des 19. Jahrhunderts herrschend waren.44 Nach ihrer Zurückdrängung durch den Zweckgedanken im 20. Jahrhundert ist in neuerer Zeit jedoch eine Art Renaissance des Strafzwecks der Vergeltung zu beobachten.45 Insbesondere der Grundgedanke der absoluten Straftheorien, die Strafe auf die gerechte Vergeltung des durch die Tat begangenen Unrechts zu beschränken und die Freiheit des Täters nicht sozialen Nützlichkeitserwägungen46 zu opfern, ist auch nach heutigem Verständnis von Strafe noch zutreffend.47 Die Begrenzung der Strafe auf das angemessene Maß ist sogar ein Gebot unseres verfassungs42 Ein Überblick über die grundsätzlichen theoretischen Positionen findet sich auch bei Roxin, JuS 1966, 377 ff. und Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 69 ff. (Rn. 1 ff.); Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, 2003, S. 17 ff. (Rn. 24 ff.); Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 66 ff. Zur Entwicklung der Straftheorien in der Neuzeit aus kriminologischer Sicht Bock, JuS 1994, 89 ff. 43 Überblick über verschiedene absolute Straftheorien bei Binding, Strafrecht AT, 1907, S. 210 ff. 44 s. etwa beim Vertreter der klassischen Strafrechtsschule Binding, Strafrecht AT, 1907, S. 226 ff. Großen Einfluss hatten die absoluten Straftheorien auch auf das RStGB von 1871, s. dazu unten 1. Teil: B. II. 45 NK4 /Hassemer/Neumann vor § 1 StGB Rn. 107 m.w. N. Siehe etwa Walter, ZIS 2011, 636 ff., der für eine Wiederbelebung des Strafzwecks der gerechten Vergeltung plädiert. 46 Wohl aber Nützlichkeitserwägungen im Sinne verfassungslegitimer Zwecke, s. Meier, Sanktionen, 2015, S. 20. 47 So etwa MüKo2 /Radtke vor §§ 38 StGB Rn. 33. Zuvor schon Roxin, JuS 1966, 377, 378.

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

rechtlichen Schuldprinzips.48 Ebenfalls zu berücksichtigen ist, dass das gesellschaftliche Bedürfnis nach Vergeltung eine sozialpsychologische Tatsache ist – ohne eine institutionelle Vergeltung in Form der staatlichen Strafe wären etwa Faustrecht und Lynchjustiz zu befürchten.49 Auf der anderen Seite gerät die Strafe nach dem Verständnis der absoluten Theorien in die Gefahr, zum Selbstzweck zu werden und die Aufgabe des Strafrechts, nämlich den Schutz der Gesellschaft (sog. Rechtsgüterschutz), nicht ausreichend zu berücksichtigen.50 Insbesondere bleibt die Frage unbeantwortet, warum es zur Herstellung von Gerechtigkeit gerade der staatlichen Zufügung eines Strafübels bedarf (und nicht etwa einer sozial-konstruktiven Bewältigung).51 b) Relative Straftheorien Anders als die absoluten beziehen die relativen Straftheorien die Strafe streng auf ihren Zweck, nämlich künftige Straftaten zu verhindern. Innerhalb der präventiven Theorien ist zwischen den verschiedenen Ebenen der Prävention, i. e. nach Adressat und Wirkungsrichtung, zu unterscheiden. aa) Theorien der Generalprävention Nach den Theorien der Generalprävention entfaltet die Strafe ihre sozial nützliche Wirkung auf der Ebene der Allgemeinheit. Negativ verstanden soll die Bevölkerung durch die abstrakte Androhung ebenso wie durch die konkrete Verhängung und Vollstreckung der Strafe davon abgehalten werden, Straftaten zu begehen (sog. Abschreckungsprävention). Dieser Abschreckungsgedanke geht auf die Theorie der Strafandrohung durch Strafgesetze (Theorie des „psychologischen Zwangs“) von Paul Johann Anselm von Feuerbach (1775–1833)52 zurück und lebt auch aktuell wieder in ökonomischen Kriminalitätstheorien 53 auf. Positiv gewendet soll Strafe Generalprävention in der Weise bewirken, dass durch sie die Normgeltung bestätigt wird (sog. Integrationsprävention). Nach die48

Meier, Sanktionen, 2015, S. 21. Die absoluten Straftheorien konvergieren somit mit einer sozialpsychologischen Legitimation der staatlichen Strafe, so Ebert, Strafrecht AT, 2001, S. 232. 50 MüKo2 /Radtke vor §§ 38 StGB Rn. 33; Ebert, Strafrecht AT, 2001, S. 232; NK4 / Hassemer/Neumann vor § 1 StGB Rn. 107; Roxin, JuS 1966, 377, 378. 51 Meier, Sanktionen, 2015, S. 19 f. 52 Vgl. von Feuerbach, Lehrbuch, 1847, S. 36 ff. und dazu Naucke, Kant und die psychologische Zwangstheorie Feuerbachs, 1962. Siehe zum Bayerischen StGB von 1813 unten 1. Teil: B. I. 3. b) ee). 53 s. vertiefend dazu Müller, Ökonomische Grundlagen der Generalprävention, 1996. Überblick über den kriminologischen rational-choice-Ansatz bei Bock, Kriminologie, 2013, S. 71 f. (Rn. 199 ff.). 49

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sem Verständnis dienen Androhung und Verhängung der Strafe dazu, jedermann die fundamentalen Gemeinschaftswerte, wie sie den Straftatbeständen des StGB zu Grunde liegen, zu verdeutlichen.54 Wird ein Gemeinschaftswert durch die Verletzung der ihn schützenden Strafnorm in Frage gestellt (sog. Normgeltungsschaden), bedarf es eines Mindestmaßes an Konsequenz in Form der staatlichen Strafe, um das kollektive Rechtsbewusstsein zu bekräftigen und die Geltung der Norm wiederherzustellen.55 Denn nur die Erfahrung, dass sich die Rechtsordnung gegen das Unrecht durchsetzt und Straftaten nicht ungesühnt bleiben, vermag den Bürger von der Geltung des Rechts zu überzeugen und ihn seinerseits zu rechtstreuem Verhalten zu motivieren.56 In der Rechtsprechung heißt es insoweit plakativ, die Strafe solle gegenüber der Allgemeinheit die „Unverbrüchlichkeit des Rechts“ demonstrieren.57 Obwohl solche Formulierungen den Einwand provozieren, dass Strafe (auch) nach der positiv-generalpräventiven Interpretation wenig mehr als Selbstzweck (Demonstration von Normgeltung) ist, verfolgt sie nach dem zuvor Gesagten einen darüber hinausgehenden Zweck, nämlich der Gesellschaft durch ein verbindliches soziales Regelwerk das friedliche Zusammenleben zu ermöglichen und ähnlichen Normverletzungen potentieller Täter vorzubeugen.58 Im Zusammenhang mit der Normbekräftigung wird jedoch deutlich, dass sich absolute und relative Theorien auch ergänzen.59 So kommt in der Integrationsprävention ebenfalls der Vergeltungsgedanke zum Tragen: Indem die Tat nämlich mit einer gerechten und schuldangemessenen Sanktion vergolten wird, erfüllt die Strafe ihre soziale Funktion, befriedigt das Rechtsgefühl der Allgemeinheit und stabilisiert die Normgeltung.60 Verankert ist die positive Generalprävention nach herrschendem Verständnis de lege lata in der Formulierung „Verteidigung der Rechtsordnung“, die das Gesetz verschiedentlich verwendet (§§ 47 Abs. 1, 56 Abs. 3, 59 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB) und die auch der Bundesgerichtshof (BGH) im Sinne der Theorie von der positiven Generalprävention versteht.61 54

Ebert, Strafrecht AT, 2001, S. 234. Ebert, Strafrecht AT, 2001, S. 234. 56 Ebert, Strafrecht AT, 2001, S. 234 f. 57 BGHSt 24, 40, 44; BVerfGE 45, 187, 255 f. 58 Meier, Sanktionen, 2015, S. 22 f. A. A. NK4 /Hassemer/Neumann vor § 1 StGB Rn. 295, wonach die Theorie der positiven Generalprävention deshalb keine „klassische“ relative sei. Jakobs als Vertreter der Theorie der positiven Generalprävention betont in diesem Zusammenhang dagegen besonders die soziale Funktion der Strafe, die Norm als „Orientierungsmuster für sozialen Kontakt“ zu erhalten, und formuliert die „Einübung in Normanerkennung“ als Aufgabe staatlichen Strafens, Jakobs, Strafrecht AT, 1991, S. 10 (Rn. 11), S. 13 f. (Rn. 15). 59 Ebenso NK4 /Hassemer/Neumann vor § 1 StGB Rn. 107 u. 288. 60 Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 76. 61 So insbes. BGHSt 24, 40, 44 ff. Siehe dazu Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig vor §§ 38 ff. StGB Rn. 12 f. m.w. N. 55

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

Die besondere Überzeugungskraft der Theorie der positiven Generalprävention rührt daher, dass sie mit ihrer Erwartung, durch die Bestrafung des Täters das Vertrauen der übrigen Rechtsgemeinschaft in die Geltung des Rechts stärken oder wenigstens erhalten zu können, die gesellschaftliche Notwendigkeit zu strafen allgemein überzeugend zu begründen vermag.62 Sie legitimiert somit die Bestrafung selbst der Täter, die mangels Sozialisationsdefiziten gar nicht resozialisierungsbedürftig oder sonst rückfallgefährdet sind.63 Und in umgekehrter Richtung kann eine positiv-generalpräventive Sinngebung sogar den Verzicht auf die Bestrafung des Täters legitimieren, wenn im konkreten Fall von der Rechtsgemeinschaft erwartet wird, dass sie den durch den Täter herbeigeführten Normkonflikt auf andere Weise als durch Bestrafung für erledigt ansieht,64 wie z. B. im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs oder durch informelle erzieherische Maßnahmen bei episodenhafter Jugendkriminalität (sog. Diversion, vgl. §§ 45, 47 JGG). Die Hauptschwäche der Theorie der positiven Generalprävention liegt darin, dass sie für sich genommen – genauso wie auch die Theorie der Abschreckungsprävention, die ihrer Natur nach sogar potentiell maßlos ist65 – über keinen inhaltlichen Maßstab zur Begrenzung der Strafe verfügt.66 Gegen die Theorie der negativen Generalprävention wird zudem (schon seit Kant und Hegel) eingewendet, dass der Täter für fremde Zwecke (= die Förderung des allgemeinen Wohls) funktionalisiert wird, was sich kaum mit seiner Menschenwürde vereinbaren lasse.67 Hinzu kommt der bislang fehlende empirische Nachweis, dass Generalprävention tatsächlich wirkt.68 bb) Theorien der Spezialprävention Den spezialpräventiven Theorien geht es um die Wirkung, die die Strafe auf den einzelnen Täter entfaltet. So soll der Täter einerseits je nach Bedarf gebessert, geheilt, erzogen oder resozialisiert69 werden, um in Zukunft die Begehung 62 MüKo2 /Radtke vor §§ 38 StGB Rn. 36; Ebert, Strafrecht AT, 2001, S. 235; Jakobs, Strafrecht AT, 1991, S. 13 (Rn. 15); Meier, Sanktionen, 2015, S. 23; NK4 /Hassemer/Neumann vor § 1 StGB Rn. 288: „reifste der zeitgenössischen Strafzielbestimmungen“. 63 MüKo2 /Radtke vor §§ 38 StGB Rn. 36; Ebert, Strafrecht AT, 2001, S. 235; Jakobs, Strafrecht AT, 1991, S. 13 f. (Rn. 15). Vgl. insoweit nochmals § 47 StGB. 64 MüKo2 /Radtke vor §§ 38 StGB Rn. 36; Roxin in: FS Müller-Dietz (2001), S. 701, 709. 65 Roxin in: FS Müller-Dietz (2001), S. 701, 709. 66 Ebert, Strafrecht AT, 2001, S. 235; Meier, Sanktionen, 2015, S. 24; MüKo2 /Radtke vor §§ 38 StGB Rn. 36. Wird auch eingeräumt von Jakobs, Strafrecht AT, 1991, S. 14 (Rn. 15, Fn. 15). 67 NK4 /Hassemer/Neumann vor § 1 StGB Rn. 282 m.w. N. 68 Dazu sogleich unter 1. Teil: A. I. 2. b).

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weiterer Straftaten zu verhindern (positive Spezialprävention). Diese Art der Individualprävention betont vor allem die unterstützende Einwirkung auf den Täter: Durch gezielte Interventionen sollen kriminogene Faktoren des Straftäters behandelt und auf diese Weise die Chancen für seine Integration bzw. Reintegration in die Gesellschaft verbessert werden (z. B. Behandlungsmaßnahmen im Rahmen des Strafvollzugs wie Schul-/Berufsausbildung zur Eröffnung einer legalen Erwerbsquelle, Suchttherapie zur Vermeidung von Beschaffungskriminalität usw.) oder durch Instrumente wie Diversion, Strafaussetzung zur Bewährung etc. jedenfalls nicht verschlechtert werden. Besonders ausgeprägt ist der Zweck der positiven Spezialprävention im Jugendgerichtsgesetz (JGG), das die Anwendung des Strafrechts gegenüber Jugendlichen und Heranwachsenden nach § 2 Abs. 1 JGG vorrangig dem sog. Erziehungsgedanken unterwirft. Andererseits soll Strafe in spezialpräventiver Hinsicht – negativ verstanden – den Einzelnen von der Begehung weiterer Straftaten abhalten, durch individuelle Abschreckung als unmittelbare Wirkung der Übelszufügung ebenso wie letztlich durch sichernde Verwahrung während der Dauer einer freiheitsentziehenden Strafe. Nachdem es bereits zu Zeiten der Aufklärung frühe Vorläufer einer spezialpräventiven Straftheorie gegeben hatte, wurde Franz von Liszt zu deren Wegbereiter, als er Ende des 19. Jahrhunderts für den „Zweckgedanken im Strafrecht“ eintrat.70 In der Folge beeinflusste er als Begründer der modernen Strafrechtsschule die Kriminalpolitik des 20. Jahrhunderts nachhaltig. Insbesondere in den 1970erJahren war die Lehre von der Resozialisierung herrschend und prägte viele Gesetze (und noch mehr Reformvorschläge).71 Die Stärke der positiv-spezialpräventiven Theorie liegt darin, dass sie dem modernen Verständnis von Rechtsgüterschutz durch Strafrecht ebenso wie dem Gebot der Wiedereingliederung des Straftäters, wie ihn das Verfassungsrecht einfordert,72 entspricht.73 69 Allerdings ist Resozialisierung kein allgemeiner Strafzweck, sondern de lege lata das Vollzugsziel der Freiheitsstrafe in § 2 S. 1 StVollzG. Ebenso Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 179 f. Anders dagegen die wohl h. M.: BVerfGE 35, 202, 235; Fischer62 § 46 StGB Rn. 3. Differenzierend etwa LK11 /Gribbohm vor § 46 StGB Rn. 28 u. Meier, Sanktionen, 2015, S. 25 f. 70 von Liszt, Zweckgedanke, 1883. Vom spezialpräventiven Gedanken besonders beseelt ist etwa das Jugendgerichtsgesetz (JGG) vom 16. Februar 1923 (RGBl. I S. 135). Auch die Schaffung der präventiven Maßregeln der Besserung und Sicherung im Jahr 1933 (dazu sogleich) wurde vom Zweckgedanken inspiriert. 71 NK4 /Hassemer/Neumann vor § 1 StGB Rn. 275 m.w. N. Siehe etwa das Strafvollzugsgesetz vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 581, 2088). 72 St. Rspr. des BVerfG: BVerfGE 35, 203, 235 f.; BVerfGE 45, 187, 238 f.; BVerfGE 98, 169, 200 f.; s. dazu auch Maunz/Dürig/Di Fabio Art. 2 GG Rn. 216 ff. 73 Ebert, Strafrecht AT, 2001, S. 233; NK4 /Hassemer/Neumann vor § 1 StGB Rn. 274.

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

Kritisiert wird dagegen, dass die Theorie mit der spezialpräventiven Notwendigkeit zwar über einen klaren inhaltlichen Maßstab verfügt, aber trotzdem eines immanenten Maßprinzips entbehrt.74 Diese Lücke hat zur Folge, dass die spezialpräventive Theorie dazu verleitet, selbst bei kleinstem Anlass unverhältnismäßig lange und intensive Einwirkungen vorzunehmen (z. B. bei Bagatelltat eines behandlungsbedürftigen und daher rückfallgefährdeten Straftäters), die nicht mit dem Schuldprinzip vereinbar wären.75 Demgegenüber lässt die sich die Bestrafung eines sozial integrierten Einmaltäters mit spezialpräventiven Erwägungen überhaupt nicht legitimieren. Hinzu kommen auch hier die empirischen Befunde aus der Sanktionsforschung, durch die der Glauben an die spezialpräventive Wirksamkeit strafrechtlicher Sanktionen erheblich erschüttert wurde und die heute für die „Krise des Resozialisierungskonzepts“ verantwortlich gemacht werden.76 cc) Vereinigungstheorien In Abkehr von der einen oder anderen strengen Theorie werden seit Mitte des 20. Jahrhunderts in Literatur und Rechtsprechung vorwiegend verschiedene Formen einer sog. Vereinigungstheorie77 vertreten. Ihren Vertretern geht es darum, den Widerspruch zwischen absoluten und relativen Straftheorien (sog. Antinomie der Strafzwecke) aufzulösen. Dies geschieht in der Literatur dialektisch78, in der Rechtsprechung mehr additiv79, wobei die verschiedenen Strömungen die Strafzwecke jeweils unterschiedlich stark gewichten oder z. T. ganz ausblenden (sog. präventive gegenüber vergeltenden Vereinigungstheorien).80 Die gesetzliche Aus74 Ebert, Strafrecht AT, 2001, S. 233; Meier, Sanktionen, 2015, S. 26 f.; Roxin, JuS 1966, 377, 379; die Kritik teilweise einschränkend MüKo2 /Radtke vor §§ 38 StGB Rn. 42. 75 Beispiele (nach Meier, Sanktionen, 2015, S. 26): Die bis 1990 in § 19 JGG a. F. existierende unbestimmte Jugendstrafe und die hochproblematische „Maßregel“ der Sicherungsverwahrung (s. dazu unten 1. Teil: A. III.). 76 Meier, Sanktionen, 2015, S. 27; MüKo2 /Radtke vor §§ 38 StGB Rn. 43 ff.; NK4 / Hassemer/Neumann vor § 1 StGB Rn. 275; s. dazu unten 1. Teil: A. I. 2. a). 77 Überblick über einzelne Vertreter von Vereinigungstheorien im 19. und frühen 20. Jahrhundert bei Koriath, Jura 1995, 625 ff.; s. a. Lesch, JA 1994, 510 ff. u. 590 ff.; Streng, Sanktionen, 2012, S. 19 (Rn. 34); Meier, Sanktionen, 2015, S. 35 ff. Krit. zur Erklärungskraft der Vereinigungstheorien NK4 /Hassemer/Neumann vor § 1 StGB Rn. 287. 78 Roxin, JuS 1966, 377, 387; von Hirsch, Die Existenz der Institution Strafe: Tadel und Prävention als Elemente einer Rechtfertigung, in: Neumann/Prittwitz (Hrsg.), Kritik und Rechtfertigung des Strafrechts, 2005, S. 57 ff. 79 BVerfGE 45, 187, 253 f., das sich aber explizit keiner der vertretenen Auffassungen angeschlossen hat; BVerfGE 39, 1, 57; BVerfGE 32, 98, 109; BVerfGE 28, 264, 278; BVerfGE 21, 391, 404; BGHSt 20, 264, 266; BGHSt 24, 40, 42. 80 s. etwa zur Betonung der Vergeltung gegenüber den übrigen Strafzwecken RGSt 58, 109 ff. Als Beispiel einer rein präventiv orientierten Vereinigungstheorie Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 85 ff. (Rn. 37–46).

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gestaltung der Regeln für die Strafzumessung in § 46 StGB lässt diesem unterschiedlichen Verständnis bewusst Raum,81 wenngleich de lege lata – insbesondere wegen § 46 Abs. 1 S. 2 StGB – grundsätzlich82 den spezialpräventiven Gesichtspunkten der Vorrang vor generalpräventiven Erwägungen eingeräumt wird.83 Ein Beispiel für einen integrierenden Ansatz ist eine u. a. auf Roxin zurückgehende84 Zuordnung der verschiedenen Zwecke der Strafe zu den drei Säulen85 des Strafrechts: Materielles Strafrecht (Androhung; Gesetz), Strafverfahrensrecht (Verhängung; Urteil) und Strafvollzugsrecht (Vollzug). Nach der sog. Dreisäulentheorie (oder: Stufentheorie) kommen die verschiedenen Strafzwecke jeweils in den einzelnen Verfahrensstadien zum Ausdruck.86 Der gesetzlichen Androhung der Strafe wird die (vor allem negative) Generalprävention zugeordnet. Die Verhängung der Strafe soll der Vergeltung bzw. dem Schuldausgleich sowie der Rechtsbewährung (positive Generalprävention) dienen und schließlich kommt etwa im Vollzug der Freiheitsstrafe die Spezialprävention (Besserung, Sicherung) zum Tragen. Allerdings darf diese Verknüpfung nicht als ausschließliche begriffen werden. Es handelt sich vielmehr um eine idealtypische Konstruktion, in der eine besondere Akzentuierung zum Ausdruck kommt.87 Friktionen und Überschneidungen zwischen den verschiedenen Strafzwecken und Stufen bzw. Säulen sind daher möglich, wenn nicht sogar naheliegend.88 Im Einzelnen bleibt auch nach diesem Modell umstritten, ob und welche einzelne/n Zwecke in den jeweiligen Stadien zur Geltung gelangen (dürfen).89 2. Zur empirischen Seite der Strafe Anders als die metaphysische Funktion der Strafe, Schuld zu vergelten, sind die präventiv-straftheoretischen Begründungen der Strafe einer praktischen Er81 NK4 /Streng § 46 StGB Rn. 96. Siehe auch zum für das heutige StGB prägenden Entwurf eines Strafgesetzbuches von 1962: BT-Drs. IV/650 (E 1962 m. Begründung), S. 96 f. 82 Dafür spricht auch § 47 StGB, der aber gleichzeitig eine Ausnahme aus positivgeneralpräventiven Gründen erlaubt. Siehe Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig vor §§ 38 ff. StGB Rn. 11 ff. 83 Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig vor §§ 38 ff. StGB Rn. 11 m.w. N. 84 Roxin, JuS 1966, 377, 381 ff. Als Vertreter einer präventiven Vereinigungstheorie lehnt Roxin die Berücksichtigung der Vergeltung strikt ab und lässt den Schuldausgleich nur als Begrenzung der Strafe dienen (Roxin, JuS 1966, 377, 383 f.). 85 Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 16 f. 86 Müller-Dietz, Grundfragen, 1979, S. 31 ff.; Roxin, JuS 1966, 377, 381; noch detaillierter Schmidhäuser, Sinn der Strafe, 1971, S. 69–81. 87 Müller-Dietz, Grundfragen, 1979, S. 33. 88 So weist Baumann, Strafrecht AT, 1974, S. 17, zu Recht darauf hin, dass gerade das schuldangemessene Strafurteil für eine gute Generalprävention unerlässlich sei. 89 So etwa die Vergeltung bei der Bemessung der Strafe. Wie erwähnt, lehnt dies etwa Roxin in: Strafrecht AT I, 2006, S. 88 ff. (Rn. 34–50) strikt ab.

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

forschung (wenigstens in Ansätzen) zugänglich. Unter Druck gerät der Präventionsgedanke deshalb durch das kriminologische Erfahrungswissen.90 a) Spezialprävention Trotz vielfältiger Versuche91 der sog. Sanktionsforschung, spezialpräventive Effekte der verschiedenen strafrechtlichen Rechtsfolgen nachzuweisen, haben die Untersuchungen bis heute nicht die erwarteten Ergebnisse hervorgebracht. Zwar wird die These von der positiv-spezialpräventiven Unwirksamkeit strafrechtlicher Sanktionen („nothing works“) inzwischen überwiegend als überholt angesehen.92 Dennoch lassen sich bislang nicht die gewünschten Effekte messen, sondern die Erfolgsquoten unterschiedlicher Einwirkungen ähneln sich weitgehend.93 Aus diesen Befunden darf jedoch nicht vorschnell geschlossen werden, dass Sanktionen keine oder eine austauschbare94 präventive Wirkung haben. Zu beachten sind vielmehr die methodischen Probleme beim erfahrungswissenschaftlichen Zugriff auf die Realität, durch die sichere Aussagen über die spezialpräventive Wirkung (weitgehend) vereitelt werden.95 Vielfach ist bereits das Forschungsdesign zur Beantwortung der Fragestellung ungeeignet, weil die Studien wesentliche Aspekte gar nicht berücksichtigen (können).96 Zudem stellt sich stets das Problem sog. intervenierender Variablen, deren Auswirkungen insbesondere auf Kontrollgruppenuntersuchungen niemals auch nur halbwegs sicher bestimmt werden können. Neuerdings gibt es immerhin Erkenntnisse, dass individuell abgestimmte Interventionen signifikant bessere Effekte erzielen als unspezifische

90 Zusammenfassend Bock, JuS 1994, 89 ff.; Bock, Kriminologie, 2013, S. 307 ff. (Rn. 871 ff.). 91 Exemplarisch die große klassische Rückfalluntersuchung von Jehle/Heinz/Sutterer im Auftrag des Bundesjustizministeriums: Legalbewährung, 2003. Fortgeführt von Jehle/Albrecht/Hohmann-Fricke/Tetal, Legalbewährung, 2010 u. Jehle/Albrecht/Hohmann-Fricke/Tetal, Legalbewährung, 2013. 92 Kury in: FS Böhm (1999), S. 251, 266; Meier, JZ 2010, 112; Meier, Sanktionen, 2015, S. 32 ff.; Bock, Kriminologie, 2007, S. 284 (Rn. 830); MüKo2 /Radtke vor §§ 38 StGB Rn. 47 f. 93 Beispiele etwa bei Meier, JZ 2010, 112, 113 f. 94 Kerner, Erfolgsbeurteilung nach Strafvollzug, in: Kerner/Dolde/Mey (Hrsg.), Jugendstrafvollzug und Bewährung, 1996, S. 3, 89; Streng, Die Wirksamkeit strafrechtlicher Sanktionen – Zur Tragfähigkeit der Austauschbarkeitsthese, in: Lösel/Bender/ Jehle (Hrsg.), Kriminologie und wissensbasierte Kriminalpolitik, 2007, S. 65, 71 ff. Zum JGG Heinz, ZJJ 2012, 129 ff. 95 Bock, JuS 1994, 89, 94; Bock, Kriminologie, 2013, S. 310 f. (Rn. 883 f.); Meier, Sanktionen, 2015, S. 30 ff.; MüKo2 /Radtke vor §§ 38 StGB Rn. 47. 96 Der Erfolg einer Maßnahme hängt z. B. maßgeblich davon ab, ob der Proband überhaupt für die Einwirkung geeignet ist und diese ordnungsgemäß durchgeführt wird. Eine „klassische“ Rückfalluntersuchung anhand des Bundeszentralregisters kann darüber keinen Aufschluss geben.

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Maßnahmen.97 Obwohl heute immer noch keine allgemeingültigen Aussagen über die Wirksamkeit der positiven Spezialprävention möglich sind, ist nicht etwa umgekehrt deren Unwirksamkeit erwiesen.98 Die negativ-spezialpräventive Wirkung bei der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe ist dagegen auch empirisch nicht von der Hand zu weisen. Eine solche Sicherung erfolgt jedoch nur dann uneingeschränkt, wenn die Freiheitsentziehung ein Leben lang andauert.99 Andernfalls – und das ist unter Geltung des inzwischen sogar verfassungsrechtlich besonders geadelten100 Schuldprinzips die Regel – besteht die Gefahr, dass nach der Entlassung die Kehrseite des jahrelangen, seiner Natur nach potentiell resozialisierungsfeindlichen Vollzugs101 in Form einer erhöhten Rückfallgefahr zum Tragen kommt. b) Generalprävention Die empirische Überprüfung der generalpräventiven Wirkung des Strafrechts hat ebenfalls mit gravierenden methodischen Problemen zu kämpfen, die sie angesichts der latenten Wirkungsweise der positiven Generalprävention einer Erforschung fast gänzlich entziehen.102 Als (vorsichtige) Bestätigung für die Wirkungen der positiven Generalprävention wird der Befund gedeutet, wonach in Studien, bei denen die Teilnehmer befragt wurden, konformes Verhalten wesentlich mit der moralischen Verbindlichkeit der Strafnorm zusammenhängt.103 Aber auch über die Wirkungen der negativen Generalprävention lassen sich trotz intensiver Bemühungen bislang nicht die gewünschten Aussagen treffen.104 97 Nachweise bei Meier, JZ 2010, 112, 115 ff., der sich deshalb für mehr individualisierende und ursachenbezogene Maßnahmen ausspricht. 98 Ebenso NK4 /Hassemer/Neumann vor § 1 StGB Rn. 275. 99 Streng, Sanktionen, 2012, S. 37 (Rn. 70). 100 Das BVerfG hat das strafrechtliche Schuldprinzip in seinem „Lissabon-Urteil“ zum Teil der Menschenwürde gem. Art. 1 Abs. 1 GG erklärt und unter den Schutz der sog. Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG gestellt, s. NJW 2009, 2267, 2289. 101 Skeptisch zur (Re-)Sozialisierungspotenz des Strafvollzugs Streng, Sanktionen, 2012, S. 133 (Rn. 268). Früher auch schon Welzel, Strafrecht, 1969, S. 243. 102 Bock, JuS 1994, 89, 97, Bock, Kriminologie, 2013, S. 310 (Rn. 880 f.); Dölling, ZStW 102 (1990), 1, 3; Meier, Sanktionen, 2015, S. 29 f.; MüKo2 /Radtke vor §§ 38 StGB Rn. 37; a. A. Schöch, Die Rechtswirklichkeit und präventive Effizienz strafrechtlicher Sanktionen, in: Jehle (Hrsg.), Kriminalprävention und Strafjustiz, 1996, S. 291, 326; Kuhlen, GA 1994, 347, 364 f. 103 Dölling, Zur Bedeutung des Strafrechts für das Legalverhalten von Jugendlichen und Heranwachsenden, in: Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen e. V. (Hrsg.), Jugendgerichtsverfahren und Kriminalprävention, 1984, S. 259, 264. 104 Dies steht in krassem Gegensatz zur Beliebtheit generalpräventiver Begründungen in der Kriminalpolitik, wenn es um Strafschärfungen/Strafbarkeitsausweitungen geht. Siehe etwa die Argumentation im Betäubungsmittelstrafrecht bei Körner/Patzak/ Volkmer Einl. zum BtMG Rn. 30 ff., 34.

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

Bei Studien durch Befragung105 muss berücksichtigt werden, dass die Existenz eines Strafrechts mit entsprechenden Strafdrohungen für alle Bürger selbstverständliche Basis ihrer Einschätzungen ist und somit überhaupt nur eine weitergehende Abschreckung (Strafhöhe, Verfolgungsintensität) erfragt werden kann.106 Als einigermaßen gesichert gilt deshalb lediglich, dass für die Tathäufigkeit weder der Schwere der Strafdrohung noch der vom Täter subjektiv erwarteten strafrechtlichen Sanktion messbare Bedeutung zukommt.107 Dagegen haben sich in Teilbereichen der Kriminalität108 (schwache) Zusammenhänge zwischen dem Entdeckungs- bzw. Sanktionsrisiko und der Häufigkeit der Begehung von Straften nachweisen lassen.109 c) Zwischenfazit Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die positiv-spezialpräventive Wirkung der Strafe bislang empirisch wenig greifbar ist, während der negativ-spezialpräventive Effekt zumindest in Form der Sicherung der Gesellschaft durch die Verwahrung des Täters evident, aber meist zeitlich begrenzt ist. Die tatsächlichen Wirkungsmechanismen der Generalprävention sind bisher nicht zufriedenstellend erforscht und werden es angesichts erheblicher methodischer Probleme wohl auch kaum jemals sein. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Theorien der Generalprävention praktisch widerlegt wären. Die bisherige Forschung legt allerdings nahe, dass die abschreckende Wirkung der Strafe tendenziell überschätzt wird110 und die normbekräftigende Wirkung überwiegend dort stattfindet, wo von vornherein Konsens herrscht111. Gestützt werden die Theorien der Generalprävention demnach nicht durch die Empirie, sondern durch die ihnen eigene schwerlich zu leugnende Plausibilität.112 3. Strafzumessung Der Streit um Sinn und Zweck der Strafe setzt sich auf der Ebene der Strafzumessung fort, denn die Bestimmung der gerechten Strafe setzt ein Bekenntnis 105 Dölling, Strafeinschätzungen und Delinquenz bei Jugendlichen und Heranwachsenden, in: Deutsche Forschungen zur Kriminalitätsentstehung und Kriminalitätskontrolle, Kerner/Kury/Sessar (Hrsg.), 1983, S. 51–85; Schöch in: FS Jescheck, Bd. II (1985), S. 1081 ff. 106 Streng, Sanktionen, 2012, S. 33 (Rn. 61). 107 MüKo2 /Radtke vor § 38 StGB Rn. 38 m.w. N.; Bock, Kriminologie, 2013, S. 310 (Rn. 882); Dölling, ZStW 102 (1990), 1, 3 ff. 108 Vorwiegend „leichtere“ Delikte wie Ladendiebstahl, Leistungserschleichung, Fahren ohne Fahrerlaubnis etc. 109 Überblick bei NK4 /Villmow vor § 38 StGB Rn. 79 m.w. N.; Dölling, ZStW 102 (1990), 1, 4. 110 So auch Meier, Sanktionen, 2015, S. 29. 111 So auch Streng, Sanktionen, 2012, S. 35 (Rn. 66). 112 Ähnlich Meier, Sanktionen, 2015, S. 29.

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zum Strafzweck voraus – woraus sonst sollte sich die Richtschnur ergeben, an der die konkrete Strafe auszurichten ist?113 Wer wie die herrschende Ansicht eine Variante der Vereinigungstheorie favorisiert, steht im Rahmen der Strafzumessung gem. § 46 StGB vor der anspruchsvollen Aufgabe, die ihrer Natur nach z. T. erheblich divergierenden114 Strafzwecke so ins Verhältnis zueinander zu setzen, dass eine schuldgerechte und alle präventiven Zwecke gleichermaßen berücksichtigende Strafe verhängt wird. In der Praxis soll dies die von der Rechtsprechung entwickelte sog. Spielraumtheorie115 leisten. Sie beruht auf der Vorstellung, dass der Richter innerhalb des im Einzelfall einschlägigen gesetzlichen Strafrahmens (unter Berücksichtigung etwaiger Strafrahmenmodifikationen wie minder oder besonders schwerer Fälle, Milderungen nach § 49 StGB etc.) einen konkreten Schuldrahmen bestimmt, indem er die tatschuldangemessene Ober- und Untergrenze der Strafe bildet. Innerhalb dieses „Spielraums“ soll er dann die zulässigen präventiven Strafzwecke berücksichtigen, soweit sie für den Einzelfall Bedeutung haben. Dazu gehört grundsätzlich auch die Generalprävention – ihre straferhöhende Berücksichtigung setzt nach der ständigen Rechtsprechung des BGH jedoch voraus, dass eine gemeinschaftsgefährdende Zunahme von einschlägigen Delikten festgestellt wird und dass die Gefahr der Nachahmung besteht.116 Die Kritik an der Spielraumtheorie ist vielfältig.117 Im Kern lautet der Vorwurf, dass es ihr nicht gelingt, den Zielkonflikt der Strafzwecke, wie ihn eine Vereinigungstheorie zwangsläufig mit sich bringt, im Rahmen der konkreten Strafzumessung zu lösen. Besonders deutlich wird dies am Streit um die praktisch bedeutsame Frage, ob nicht unter bestimmten eng begrenzten Voraussetzungen die durch den Schuldrahmen gezogene Grenze aus präventiven Gründen unterschritten werden darf.118 Außerdem stellt die Strafzumessung auf der Grund113 In diesem Sinne Meier, Sanktionen, 2015, S. 163; Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig vor § 46 StGB Rn. 3. 114 Man denke nur an den Fall eines sozial integrierten Mörders, von dem keine weiteren Straftaten zu erwarten sind. Schuldausgleich und Generalprävention verlangen hier eine hohe Strafe, während aus spezialpräventiver Sicht eine Bestrafung sogar komplett verzichtbar erscheint. Das aktuell geltende StGB hat diese Frage freilich im Sinne der Generalprävention entschieden, wie die zwingend lebenslange Freiheitsstrafe für Mord nach § 211 StGB zeigt. Die Spezialprävention kommt de lege lata nur bei der Vollstreckungsentscheidung nach §§ 57, 57a StGB zum Tragen. 115 BGHSt 7, 28, 32; BGHSt 20, 264, 266 f.; BGHSt 24, 132, 133 f. Siehe dazu NK4 /Streng § 46 StGB Rn. 97; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Strafzumessung, 2012, Rn. 882 ff., 1158 ff.; Streng, Sanktionen, 2012, S. 309 f. (Rn. 626 ff.); MüKo2 /Radtke vor § 38 StGB Rn. 60 f.; Lackner/Kühl28 /Kühl § 46 StGB Rn. 24 ff.; Überblick auch bei Meier, JuS 2005, 769 ff. u. 879 ff. 116 s. nur Fischer62 § 46 StGB Rn. 11 m.w. N. 117 s. etwa Hörnle, Tatproportionale Strafzumessung, 1999, S. 27 ff.; SK-StGB/Horn § 46 StGB Rn. 32. 118 Meier, Sanktionen, 2015, S. 167 f.

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

lage der Spielraumtheorie einen höchst komplexen, letztlich nicht ganz transparenten Vorgang dar.119 Insbesondere ist nicht abschließend geklärt, wie der Tatrichter den konkreten Schuldrahmen bildet – im Urteil muss er ihn nicht einmal benennen.120 Aus diesen Gründen wurden in der Literatur konkurrierende Strafzumessungsmodelle entwickelt.121 Sie unterscheiden sich primär darin, welchen Strafzwecken bei welchen Schritten des Strafzumessungsvorgangs welches (oder gerade kein) Gewicht zukommt.122 Doch auch diesen alternativen Ansätzen gelingt es nur teilweise, die angesprochene Antinomie der Strafzwecke aufzulösen, weshalb sie ebenfalls erheblichen Einwänden ausgesetzt sind.123 Abschließend muss konstatiert werden, dass eine allgemeine, stimmige und transparente Strafzumessungstheorie (jedenfalls auf Grundlage der Vereinigungstheorie) noch nicht gefunden ist, und es angesichts der ihr zu Grunde liegenden potentiellen Unvereinbarkeit der Strafzwecke fraglich erscheint, ob sie überhaupt gefunden wird. 4. Fazit zur Strafe Charakteristisch für Strafe ist demnach der gezielte Grundrechtseingriff in Form eines (zumindest auch normativ zu begreifenden) Übels, mit dem gegenüber dem Täter gleichzeitig die sozialethische Missbilligung ausgedrückt wird. Zweck der Strafe ist nach herrschendem Verständnis sowohl die schuldangemessene Vergeltung begangener als auch die Verhinderung künftiger Straftaten, wobei letzteres empirisch bislang wenig fassbar ist. Im Rahmen der Strafzumessung steht der Rechtsanwender vor der Herausforderung, die verschiedenen Strafzwecke im Einzelfall in eine schuldgerechte Strafe zu integrieren.

II. Zur Nebenstrafe Keine eigene Spur, sondern auf derselben „Sanktionsebene“ wie die (Haupt)Strafe angesiedelt ist die Nebenstrafe.124 Unter der gesetzlichen Überschrift „Nebenstrafe“ findet sich lediglich das Fahrverbot (§ 44 StGB), das auch mate119

Meier, Sanktionen, 2015, S. 168. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Strafzumessung, 2012, Rn. 1188. 121 Kommentierter Überblick über diverse „Theorien“ bei NK4 /Streng § 46 StGB Rn. 97 ff.; Streng, Sanktionen, 2012, S. 309 ff. (Rn. 625 ff.); Meier, Sanktionen, 2015, S. 169 ff. 122 Vgl. insbesondere die sog. Stellenwert- oder Stufentheorie bei SK-StGB/Horn § 46 StGB Rn. 33 ff. Die sog. Theorie der Punktstrafe hingegen widerspricht schon der Prämisse der Spielraumtheorie, dass es überhaupt einen konkreten Schuldrahmen, d.h. mehr als eine gerechte und schuldangemessene Strafe, geben kann. 123 Wie 1. Teil: Fn. 121. 124 NK4 /Herzog/Böse § 44 StGB Rn. 6. 120

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riell in Literatur und Rechtsprechung einhellig125 als solche angesehen wird.126 Deshalb ist die Auslegung der Nebenstrafe untrennbar mit dem Fahrverbot verbunden. 1. Allgemeines Die Nebenstrafe setzt im Gegensatz zu einer Maßregel der Besserung und Sicherung (insbes. § 69 StGB) zwingend eine Verurteilung zur Hauptstrafe (Geldoder Freiheitsstrafe) voraus.127 Das bedeutet, dass im Rahmen der Strafzumessung die Wechselwirkung zwischen Haupt- und Nebenstrafe zu berücksichtigen ist.128 Die verhängten Haupt- und Nebenstrafen dürfen zusammen nicht das Maß der Tatschuld überschreiten.129 Vielmehr ist im Rahmen des tatrichterlichen Rechtsfolgenermessens zu prüfen, wie die Strafzwecke am besten erreicht werden können.130 Charakteristisch für die Nebenstrafe des Fahrverbots ist eine sog. Denkzettelfunktion für den unbesonnenen und leichtsinnigen Kraftfahrer, der auf diese Weise vor einem Rückfall gewarnt und zur Einhaltung seiner verkehrsrechtlichen Pflichten ermahnt werden soll.131 Der Gesetzgeber zielt somit auf einen 125 BT-Drs. IV/651, S. 12 f.; zuvor schon BT-Drs. IV/650 (E 1962 m. Begründung), S. 175 f.; BGHSt 29, 58, 60 f.; BVerfGE 27, 36, 41 f.; Cramer, NJW 1968, 1764; Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig vor § 38 StGB Rn. 30, § 44 StGB Rn. 1; NK4 /Herzog/Böse § 44 StGB Rn. 7; Lackner/Kühl28 /Kühl § 44 StGB Rn. 1; SK-StGB/Wolters § 44 StGB Rn. 2; LK12 /Geppert § 44 StGB Rn. 1; Fischer62 § 44 StGB Rn. 2; MüKo2 / Athing § 44 StGB Rn. 4; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Strafzumessung, 2012, Rn. 379; Warda, GA 1965, 65; Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 242. 126 Es gibt aber noch weitere Sanktionen, die (zumindest materiell) als Nebenstrafen eingestuft werden: Bezüglich der § 45 Abs. 2, 5 StGB wird in der Literatur und früheren Rechtsprechung vertreten, dass es sich um Nebenstrafen handele, s. dazu auch unten 1. Teil: D. I. 2. und 1. Teil: D. I. 3. Bei Einziehung und Verfall nach §§ 73 ff. StGB ist der Strafcharakter umstritten, s. dazu Schönke/Schröder29 /Eser vor § 73 StGB Rn. 12 ff. Außerhalb des StGB wird das zusammen mit einer Strafe auszusprechende Verbot der Jagdausübung gem. § 41a BJagdG als Nebenstrafe angesehen, s. Schönke/ Schröder29 /Stree/Kinzig vor § 38 StGB Rn. 30; Fischer62 vor § 38 StGB Rn. 5; Schlucke/Seibel § 41a BJagdG Rn. 1; Kollmer, Jagdfrevel, 2000, S. 308. 127 Mangels Verurteilung zu einer Hauptstrafe ist das Fahrverbot deshalb nach ganz überwiegender Ansicht nicht mit der Verwarnung mit Strafvorbehalt nach § 59 StGB kombinierbar, s. BayObLG, NStZ 1982, 258 f. m. zust. Anm. Meyer-Goßner; OLG Stuttgart NZV 1994, 405 f.; Fischer62 § 44 StGB Rn. 13; Lackner/Kühl28 /Kühl § 44 StGB Rn. 5; MüKo2 /Athing § 44 StGB Rn. 4; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Strafzumessung, 2012, Rn. 379; Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig § 44 StGB Rn. 10; OLG Frankfurt NZV 2014, 136 f. m. zust. Anm. Timm NZV 2014, 112; a. A. Schöch, JR 1978, 74, 75. 128 BGHSt 29, 58, 60 f. 129 BGHSt 29, 58, 60 f.; OLG Düsseldorf StV 1993, 310. 130 BGHSt 24, 348. 131 BT-Drs. IV/651, S. 12; zuvor schon BT-Drs. IV/650 (E 1962 m. Begründung) S. 176; BVerfGE 27, 36, 41 f.; Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig § 44 StGB Rn. 1; Fischer62 § 44 StGB Rn. 2; LK12 /Geppert § 44 StGB Rn. 2; Warda, GA 1965, 65, 66; MüKo2 /Athing § 44 StGB Rn. 1; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 782.

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

Täter ab, der zwar einen Verkehrsverstoß begangen, aber noch nicht seine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen bewiesen hat.132 Mit der Anknüpfung an den noch geeigneten Fahrer erfolgt zugleich eine Abgrenzung zur Maßregel der Fahrerlaubnisentziehung in § 69 StGB. Dieser ähnliche, aber nicht identische133 Eingriff richtet sich nämlich an den Täter, der zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist, was gleichzeitig eine negative Interventionsprognose hinsichtlich eines Fahrverbots voraussetzt. Beide Rechtsfolgen unterscheiden sich daher in ihren Adressaten.134 Das Fahrverbot ist der minder schwere Eingriff.135 2. Strafqualität Die Nebenstrafe besitzt Strafcharakter.136 Auch wenn im Falle des § 44 StGB regelmäßig ihre primär spezialpräventive „Denkzettelfunktion“ betont wird137, teilt sie daneben alle weiteren Strafzwecke:138 Offenbar wird dies etwa an dem Umstand, dass das Fahrverbot durch den Ausschluss des Täters von der Teilnahme am Straßenverkehr zusätzlich eine zeitlich befristete Sicherung (negative Spezialprävention) bewirkt. Mit ihrem gezielten Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Täters (anlässlich seines Normbruchs) weist die Nebenstrafe eindeutig die Eigenschaft eines Strafübels auf. Dieses gilt in besonderer Weise dem Schuldausgleich, weil es konkret an ein im Straßenverkehr zu missbilligendes Verhalten knüpft und dem Täter den Genuss eben jenes Rechts zeitweise ent-

132 BVerfG NJW 1969, 1623, 1624; Lackner, JZ 1965, 92, 120; Lackner/Kühl28 /Kühl § 44 StGB Rn. 1. 133 Während beim Fahrverbot nach § 44 StGB die Fahrerlaubnis nur vorübergehend (ein bis drei Monate) aufgehoben wird, wird sie ihm nach § 69 StGB endgültig entzogen, sodass der Täter nach Ablauf einer längeren Sperrfrist (§ 69a StGB) eine neue Fahrerlaubnis erwerben muss. Die Entziehung der Fahrerlaubnis verursacht also einen erheblichen Zeit- und Kostenaufwand. 134 Trotzdem ist ausnahmsweise eine Überschneidung denkbar, wenn es sich z. B. um erlaubnisfreie Fahrzeuge handelt oder nach § 69a Abs. 2 StGB bestimmte Fahrzeuge von der Sperre ausgenommen werden, diesbezüglich aber ein kurzfristiges Verbot verhängt werden soll. Siehe Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig § 44 StGB Rn. 2; Fischer62 § 44 StGB Rn. 3. 135 Burmann/Heß/Jahnke/Janker/Burmann § 44 StGB Rn. 2. Das Fahrverbot weist nicht nur eine kürzere Dauer auf, sondern es bewirkt auch nur ein Ruhen der Fahrberechtigung. Die Fahrerlaubnisentziehung führt dagegen zu einem Verlust der Fahrerlaubnis. Siehe oben 1. Teil: Fn. 133. 136 Ganz h. M.: BT-Drs. IV/650 (E 1962 m. Begründung), S. 175 ff.; BVerfGE 27, 36, 41 f.; OLG Köln NZV 1996, 286; MüKo2 /Athing § 44 StGB Rn. 1; Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig § 44 StGB Rn. 1; Lackner/Kühl28 /Kühl § 44 StGB Rn. 1, Fischer62 § 44 StGB Rn. 2; Burmann/Heß/Jahnke/Janker/Burmann § 44 StGB Rn. 2. 137 Exemplarisch OLG Hamm NJW 1971, 1191. 138 Nach Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 243 ist dies sogar verfassungsrechtlich geboten, weil Spezialprävention allein einen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG nicht legitimieren könne.

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zieht, das er zu Lasten der Allgemeinheit missbraucht hat. Schließlich ist eine Normbekräftigung in der Gesellschaft anzunehmen, wenn jemand, der sich im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr strafbar gemacht hat, mit einer verkehrsspezifischen Sanktion belegt wird. Es stärkt das Normvertrauen, wenn die rechtstreue Bevölkerung sieht, wie Verkehrsstraftäter aus dem Straßenverkehr ausgeschlossen werden. Die Einschlägigkeit aller Strafzwecke wird – soweit ersichtlich – nur selten bestritten.139 Formulierungen, wonach „die Vergeltung für begangenes Unrecht im Sinne einer Kriminalstrafe bei dem Fahrverbot [. . .] nicht im Vordergrund steht“ 140 (Hervorh. durch Verf.), stützen dieses Verständnis ebenso wie die Hinweise, dass für die Bemessung des Fahrverbots die allgemeinen Strafzumessungsregeln gelten.141 Umstritten ist jedoch, wie groß die Bedeutung der negativen Generalprävention bei der Verhängung des Fahrverbots ist. So hat das BayObLG vertreten, dass ein Fahrverbot auch dann zur Abschreckung anderer leichtsinniger Kraftfahrer ausgesprochen werden kann, wenn es (nach Ansicht des Tatgerichts) aus spezialpräventiver Sicht keinen Anlass dazu gibt.142 Zur Begründung führt das Gericht aus, Haupt- und Nebenstrafe unterschieden sich nur in dem Umstand, dass die Nebenstrafe nicht selbstständig verhängt werden dürfe.143 Da sich die Strafzumessung folglich nach denselben Maßstäben richte, komme im Rahmen der schuldangemessenen Vergeltung ebenfalls der Strafzweck der Abschreckung zum Tragen.144 Gerade die Generalprävention spiele zudem bei Straßenverkehrsdelikten, die häufig vorkommen und leicht zu vermeiden seien, eine besondere Rolle.145 139 Neben dem Wortlaut zeigt dies auch die immer wiederkehrende Diskussion um eine Einführung des Fahrverbots als Hauptstrafe. Überblick bei LK12 /Geppert § 44 StGB Rn. 118 ff. Gegen die Einbeziehung des Vergeltungsgedankens aber SK-StGB/ Wolters § 44 StGB Rn. 3, der Schuldausgleich als „keinen vernünftigen Zweck dieser Sanktion“ bezeichnet. Hier bleibt jedoch unklar, wie dies mit seinem eigenen Hinweis auf die Anwendung der allgemeinen Strafzumessungsregeln (SK-StGB/Wolters § 44 StGB Rn. 7) zu vereinbaren ist. Im Rahmen der Rechtsfolgenbemessung spielt der Schuldausgleich schließlich eine maßgebliche Rolle, so dass es nahe liegt, einer (neben-)strafenden Sanktion auch diesen Zweck zuzuschreiben, auch wenn er nicht im Vordergrund steht. 140 BVerfGE 27, 36, 41 f. = NJW 1969, 1623, 1624. Missverständlich daher die Interpretation von Herzog/Böse in: NK4 § 44 StGB Rn. 4, wonach das BVerfG das Fahrverbot nicht im Sinne einer Kriminalstrafe verstehe. Wenn die Vergeltungsfunktion nicht im Vordergrund steht, heißt dies doch nicht, dass es eine solche Funktion nicht wenigstens im Hintergrund besitzt. Dies wird auch daran deutlich, dass das BVerfG in § 25 StVG ein Fahrverbot ohne Strafcharakter sieht (BVerfGE 27, 36). Krit. zu letzterem Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 782. 141 s. etwa Fischer62 § 44 StGB Rn. 17 m.w. N. 142 BayObLG MDR 1967, 510. 143 BayObLG MDR 1967, 510. 144 BayObLG MDR 1967, 510. 145 BayObLG MDR 1967, 510.

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

Das Fahrverbot eigne sich dazu, auch auf andere leichtsinnige Fahrer abschreckend zu wirken.146 Diese Argumentation kann allerdings nur im Hinblick auf die systematische Einordnung sowie die Bemessung der Nebenstrafe nach den allgemeinen Strafzumessungsregeln überzeugen. Richtet man sich nach den allgemeinen Strafzumessungsregeln, ist die Generalprävention zwar generell innerhalb des konkreten Schuldrahmens berücksichtigungsfähig,147 allerdings folgt daraus nicht, dass die Nebenstrafe aus rein generalpräventiven Erwägungen heraus verhängt werden darf. Denn nach den erklärten Motiven des Gesetzgebers ist es ausschließlicher kriminalpolitischer Zweck des Fahrverbots, den einzelnen nachlässigen Fahrer zu erziehen.148 Ist dieses Ziel nicht zu erreichen, ist diese Sanktion nicht mehr das geeignete Mittel. Zudem ist entgegen der Auffassung des BayObLG die abschreckende Wirkung des Fahrverbots im Besonderen noch fraglicher als im Allgemeinen149 bei der Strafe, geht es bei Straßenverkehrsdelikten doch überwiegend um vorsatzlos handelnde Täter, bei denen gerade keine Abwägung der Vor- und Nachteile einer Straftat stattfindet.150 Hier ist zu beachten, dass sich der generalpräventive Effekt eines Fahrverbots in Grenzen halten dürfte, weil die Entdeckungswahrscheinlichkeit angesichts der Vielzahl straßenverkehrsrechtlicher Verstöße eher gering ist. Und schließlich sieht das StGB eine Verhängung der Strafe aus rein generalpräventiven Gründen ohnehin nur höchst ausnahmsweise vor.151 Eine Begründung für ein Fahrverbot, die den Verurteilten als bloßes Exempel für die übrigen Verkehrsteilnehmer instrumentalisiert, begegnet letztlich auch verfassungsrechtlichen Bedenken. Das bedeutet aber nicht, dass sich die Praxis152 nicht – zumindest unterschwellig und trotz häufig anderslautender Urteilsbegründung – von generalpräventiven Überlegungen leiten lässt, wenn sie Fahrverbote beispielsweise bei Ersttätern, von denen auch ohne (weitere) Mah146

BayObLG MDR 1967, 510. s. o. 1. Teil: A I. 3., wonach dies nur in engen Grenzen zulässig ist. 148 BT-Drs. IV/651, S. 12: „Der kriminalpolitische Zweck des Fahrverbots erschöpft (Hervorh. durch Verf.) sich also darin, den Täter vor dem Rückfall zu warnen und ihm ein Gefühl dafür zu vermitteln, was es bedeutet, vorübergehend ohne Führerschein zu sein.“ 149 s. dazu oben 1. Teil: A. I. 2. b). 150 So auch NK4 /Herzog/Böse § 44 StGB Rn. 6 m.w. N. 151 Vgl. bspw. § 47 StGB. 152 s. die rechtstatsächlichen Befunde bei NK4 /Herzog/Böse § 44 StGB Rn. 3 ff., die eindrucksvoll die Beliebtheit verkehrsausschließender Sanktionen (auch jenseits der besonders gefährlicher Handlungen im Zusammenhang mit Drogen-/Alkoholrausch) belegen. Für das Jahr 2010 etwa weist die Strafverfolgungsstatistik allein 28.162 Fahrverbote nach § 44 StGB aus, s. Statistisches Bundesamt, Strafverfolgung 2010, S. 330. Im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts wurden im Jahr 2013 nach den Daten des Kraftfahrtbundesamts noch einmal 404.839 (!) Fahrverbote nach § 25 StVG verhängt, abrufbar unter http://www.kba.de/DE/Statistik/Kraftfahrer/Fahrerlaubnisse/fahrerlaub nisse_node.html (zuletzt abgerufen am 03.01.2015). 147

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nung/Denkzettel keine weiteren derartigen Verstöße zu erwarten wären, oder nach längerem Zeitablauf seit der Anlasstat153 verhängt. 3. Fazit Die Nebenstrafe unterscheidet sich von der Hauptstrafe nur durch den Umstand, dass sie nicht selbstständig, sondern nur in Verbindung mit einer Hauptstrafe verhängt werden kann. Sie besitzt demnach volle Strafqualität und teilt die oben dargestellten Zwecke der Hauptstrafe. Für das Fahrverbot als einzig unbestrittene Nebenstrafe ist die spezialpräventive „Denkzettelfunktion“ prägend. Sie akzentuiert diese Sanktion besonders und erlaubt auf diese Weise eine spezifische Ahndung von Straftaten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr.

III. Zur Maßregel der Besserung und Sicherung Vor dem Hintergrund, dass Strafrecht nach allgemeinem Verständnis154 sowie der Rechtsprechung des BVerfG155 die ultima ratio des Rechtsgüterschutzes darstellt, aber Voraussetzung, Zumessungsgrundlage und vor allem Grenze der Strafe die individuelle Schuld156 ist, erscheint es naheliegend, für den (positiv wie negativ spezial-)präventiven Bedarf, der über die Schuld hinausgeht, eine „zweite Spur“ zu schaffen.157 Denn die limitierende Funktion der Schuld führt zwangsläufig dazu, dass es Fälle gibt, in denen die Verhängung einer Strafe allein den spezialpräventiven Bedürfnissen der Allgemeinheit nicht ausreichend Rechnung tragen kann. Meist geht es um vermindert schuldfähige Täter, denen man nur einen geringen Schuldvorwurf machen kann, aber von denen die Begehung weiterer, für die Opfer gravierende Straftaten zu erwarten ist. Die präventive Unzulänglichkeit der Strafe zeigt sich schließlich erst recht bei denjenigen Tätern, die nach § 20 StGB gänzlich exkulpiert und daher überhaupt nicht zu bestrafen sind, aber weiterhin eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen (können). Um diese Lücke im Rechtsgüterschutz zu schließen, hält das StGB zusätzlich zur Strafe die Maßregeln der Besserung und Sicherung158 bereit. 153

s. etwa LG Koblenz NStZ-RR 1996, 117; OLG Hamm BeckRS 2013, 14666. s. nur Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig vor § 38 StGB Rn. 1; MüKo2 /Radtke vor § 38 StGB Rn. 2 ff.; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Strafzumessung, 2012, Rn. 1; Rieß, NStZ 1981, 1, 5. 155 BVerfGE 88, 203, 258; BVerfGE 96, 245, 249; BVerfGE 120, 224, 239 f. 156 Vgl. § 46 StGB. Nach BVerfGE 109, 133 folgt dies aus Art. 1 Abs. 1 i.V. m. Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG und dem Rechtsstaatsprinzip. 157 So auch MüKo2 /Radtke vor § 38 StGB Rn. 68. Zuvor bereits Müller-Dietz, Grundfragen, 1979, S. 70. Für Jakobs „drängt“ sich diese Spur sogar auf, s. Strafrecht AT, 1991, S. 30 (Rn. 53). 158 Bei ihrer Einführung in das StGB im Jahr 1933 durch das „Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung“ (RGBl. I, S. 995) noch „Maßregeln der Sicherung und Besserung“ genannt, wird seit 154

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1. Funktion (vs. Wirkung) Aus der vorgenannten Erwägung ergibt sich, dass es der Zweck der Maßregeln ist, die Bevölkerung vor der Begehung weiterer Straftaten zu schützen.159 Von diesem allgemeinen Zweck sind die rein spezialpräventiven Mittel zu unterscheiden, mit denen er verfolgt wird:160 In der Bezeichnung der Maßregeln kommt bereits sowohl die positive („Besserung“) als auch die negative („Sicherung“) Spezialprävention zum Ausdruck. Dies bedeutet aber nicht, dass die Maßregeln beide Wege immer in gleichem Maße beschreiten. Grundsätzlich entspricht es unserem rechtsstaatlich-humanen Strafrecht, dass die Besserung Vorrang vor der Sicherung genießt, d.h. die Verhinderung von Straftaten nur dann durch bloß sichernde Instrumente angestrebt werden darf, wenn eine Besserung nicht möglich ist.161 Dies folgt überdies aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der es im Hinblick auf die Erforderlichkeit eines Freiheitsentzugs gebietet, dem Täter durch bessernde Einwirkung die Rückerlangung seiner Freiheit zu ermöglichen, bevor er rein sichernd verwahrt wird. Symptomatisch für die unterschiedliche Akzentuierung der Maßregeln sind etwa die §§ 64, 66 StGB. Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB eröffnet das Gesetz inzwischen162 nur noch, wenn die Aussicht eines Behandlungserfolgs hinreichend konkret ist.163 Darin kommt den großen Strafrechtsreformen (1. StrRG vom 25.06.1969, BGBl. I S. 645 und 2. StrRG vom 04.07.1969, BGBl. I S. 717) nun der positiv individualpräventive Vorrang auch sprachlich deutlich. 159 Frisch, ZStW 102 (1992), 343, 358; LK12 /Schöch vor §§ 61 ff. StGB Rn. 29 f.; ähnlich BVerfGE 109, 133, 174; Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig vor § 61 StGB Rn. 3. 160 Diesen Unterschied betonend Schönke/Schröder28 /Stree/Kinzig vor § 61 StGB Rn. 2 u. LK12 /Schöch vor §§ 61 ff. StGB Rn. 30; Dessecker, Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit, 2004, S. 199 ff., 389. 161 LK12 /Schöch vor §§ 61 ff. StGB Rn. 31, zust. Schönke/Schröder28 /Stree/Kinzig vor § 61 StGB Rn. 2; Dessecker, Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit, 2004, S. 199 ff., 389. A.A. MüKo2 /van Gemmeren § 61 StGB Rn. 1, wobei letzterer wohl mehr den allgemeinen Zweck des Maßregelrechts im Blick hat, der nach Ansicht Schöchs (LK12 /Schöch vor §§ 61 ff. StGB Rn. 30) in Rechtsprechung und Lehre oftmals nicht klar genug von den konkret bessernden und sichernden Instrumenten abgegrenzt wird. Siehe etwa BGH NStZ 2002, 533, 534. Van Gemmeren führt an anderer Stelle (MüKo2 / van Gemmeren § 63 StGB Rn. 1) zudem aus, dass die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB „notfalls“ auch bloß sichernd erfolge. Damit impliziert er jedenfalls im Rahmen dieser Maßregel ebenfalls einen Vorrang der Besserung. 162 Das BVerfG urteilte in BVerfGE 91, 1, dass § 64 StGB insoweit mit Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 GG unvereinbar und nichtig ist, als er die Anordnung der Unterbringung unter den Voraussetzungen seines ersten Absatzes auch dann vorsieht, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolgs nicht besteht. Seit dem 20.07. 2007 gilt nun die neue Fassung des § 64 StGB. 163 Dass sich dies auch nach beinahe 20 Jahren noch nicht bei allen Tatgerichten und Sachverständigen herumgesprochen hat, zeigte BGH, Beschl. v. 11.4.2013 – 2 StR 442/ 12.

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ein Vorrang des Besserungsziels zum Ausdruck.164 Bei der Maßregel der Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB überwiegt bislang dagegen nicht nur dem Namen nach die negativ-spezialpräventive Komponente.165 Ein echter Gegensatz besteht freilich zwischen Besserung und Sicherung nicht, wenn man unter Sicherung nicht bloß die Verwahrung des Täters, sondern eine Sicherung der Gesellschaft durch einen gebesserten Täter versteht.166 Eine allgemeine Besserung des Täters ist nämlich kein verfassungsrechtlich zulässiger Zweck.167 Sie wird durch das Strafrecht nur insoweit angestrebt, als sie die Sicherung der Gesellschaft vor künftigen Rechtsbrüchen des Täters bewirkt.168 Besserung ist nach einem solchen Verständnis somit das Mittel zum Zweck der Sicherung. Die Praxis beschränkt sich dagegen auch im Bereich der Maßregeln oftmals nur auf die physische Sicherung durch den Freiheitsentzug.169 Dafür sprechen die insgesamt stark angestiegenen Unterbringungsanordnungen170 und die Zunahme der Verweildauer ab den 1990er-Jahren171.

164

Ebenso LK12 /Schöch vor §§ 61 ff. StGB Rn. 33; Dannhorn, NStZ 2012, 414,

417. 165 In diesem Sinne Bockelmann/Volk, Strafrecht AT, 1987, S. 287 mit Verweis auf BT-Drs. V/4094, S. 19 („Notmaßnahme der Kriminalpolitik“). Zu beachten ist aber die jüngere Rechtsprechung des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit des Vollzugs der Sicherungsverwahrung, insbesondere BVerfGE 128, 326. In seiner Grundsatzentscheidung betont das Gericht das sog. Abstandsgebot zwischen dem Vollzug der Freiheitsstrafe und dem der Sicherungsverwahrung, zu dem u. a. eine Stärkung von Therapie und Behandlung gehöre. In Zukunft müssen die Bundesländer den Vollzug der Sicherungsverwahrung demnach vermehrt auf die positive Spezialprävention ausrichten. Siehe auch § 66c StGB n. F. 166 Bockelmann/Volk, Strafrecht AT, 1987, S. 280. Ähnlich NK4 /Böllinger/Pollähne vor § 61 ff. StGB Rn. 56. 167 BVerfGE 22, 180, 219. 168 Dessecker, Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit, 2004, S. 204, 207; Maurach, Strafrecht AT, 1971, S. 881; NK4 /Böllinger/Pollähne vor § 61 ff. StGB Rn. 56; BT-Drs. IV/650, S. 24; LK12 /Schöch vor §§ 61 ff. StGB Rn. 34. 169 Auf der Tagung „Justizvollzug in Bewegung“ der Kriminologischen Zentralstelle (Wiesbaden) am 28.09.2012 bekundeten bspw. leitende Beamten der Landesjustizministerien, dass die Sicherungsverwahrung bis zum o. g. Urteil des BVerfG vom 04.05.2011 praktisch sehr wohl als bloße Verwahrung für die hoffnungslosen Fälle begriffen worden sei und man auch heute den „Behandlungsoptimismus“ der Karlsruher Richter nicht recht nachvollziehen könne. 170 Vervierfachung seit 1965, s. Heinz, NK 2011, 131, 141, wobei der stärkste Anstieg auf § 64 StGB entfällt. Laut Kinzig, NJW 2011, 177 zudem Verdreifachung der Zahl der in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten zwischen 1996 und 2010. 171 Heinz, NK 2011, 131, 134. In den letzten zehn Jahren hat sich der Anstieg dagegen wieder verlangsamt. Bemerkenswert bleibt aber, dass die Verweildauer im psychiatrischen Krankenhaus nach wie vor ein Vielfaches der durchschnittlichen Dauer der Strafhaft beträgt, s. Heinz, NK 2011, 131, 133.

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

Abschließend bleibt festzuhalten, dass sich bessernde und sichernde Aspekte der Maßregeln nicht immer trennscharf unterscheiden lassen.172 Die freiheitsentziehenden Maßregeln schaffen dabei grundsätzlich erst einmal eine äußere Sicherung, die im Interesse der Gesellschaft wie auch des Untergebrachten selbst durch bessernde Einwirkung gestaltet werden soll. Zu unterscheiden vom Zweck des Instituts sind dessen tatsächliche (Neben-) Wirkungen. Dazu zählen bei den Maßregeln zunächst einmal auch generalpräventive Effekte. So ist davon auszugehen, dass eine Sanktion wie bspw. die Sicherungsverwahrung, die eine zeitlich unbestimmte, zumindest strafähnliche173 Freiheitsentziehung ermöglicht, auf die Allgemeinheit abschreckend wirkt.174 Angesichts der oben dargestellten175 Erkenntnisse aus der Sanktionsforschung dürfte dieser Effekt aber allenfalls schwach sein und sollte daher nicht überschätzt werden. Darüber hinaus wird teilweise sogar ein normbestätigender positiv-generalpräventiver (Neben-)Effekt der Maßregeln angenommen.176 Begründet wird dies damit, dass der Täter mit der Verhängung der Maßregel als „Konfliktursache“ bzw. „Träger der Kosten des geschehenen Normbruchs“ 177 gekennzeichnet werde. Durch diese Zurechnung werde die Norm gegenüber der Allgemeinheit in ihrer Wirkung bestätigt. Nach diesem Verständnis existiert eine Verbindung zur Normgeltung solange, wie überhaupt spürbar gegen den Täter vorgegangen wird.178 In dieser Hinsicht resultiert der generalpräventive Effekt m. E. vorwiegend aus dem Übelscharakter der Maßregel (dazu sogleich). Spezifischer auf den vorwiegend spezialpräventiven Zweck der Maßregeln gemünzt ist die Erwägung, eine Bestätigung der Norm zu erreichen, indem man die faktische Chance ihrer Befolgung durch Besserung oder Sicherung des Täters erhöht.179 Schließlich ist anzunehmen, dass derjenige, dem im Rahmen einer Maßregel beispielsweise die Freiheit (im Falle der §§ 63, 66 StGB sogar potentiell lebenslang) oder Fahrerlaubnis entzogen (§ 69 StGB) oder die Berufsausübung untersagt (§ 70 StGB) wird, diesen staatlichen Eingriff als Übel empfinden wird. Das bedeutet aber nicht, dass die Übelszufügung ein Zweck der Maßregeln wäre. Hier ist vielmehr zwischen der Anordnungs- und der Wirkungsebene zu unterscheiden: Die Maßregel wird nicht angeordnet, um dem Sanktionierten ein Übel zuzufügen, Ähnlich LK12 /Schöch vor §§ 61 ff. StGB Rn. 32. So insbesondere EGMR NJW 2010, 2495 ff. m. Anm. Eschelbach. 174 So auch Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 97 (Rn. 64 ff.). 175 s. 1. Teil: A. I. 2. b). 176 Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 84; Jakobs, Strafrecht AT, 1991, S. 31 (Rn. 54). 177 Jakobs, Strafrecht AT, 1991, S. 23 (Rn. 37). 178 Jakobs, Strafrecht AT, 1991, S. 32 f. (Rn. 57). 179 Jakobs, Strafrecht AT, 1991, S. 33 (Rn. 58), bezogen auf „strafvertretende Maßregeln“. 172 173

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sondern um ihm im Interesse der Gesellschaft ein Sonderopfer zur Verhütung weiterer rechtswidriger Taten abzuverlangen. Dass der Betroffene dies als Übel empfindet180, ist nichts weiter als ein Reflex des Mittels.181 Obwohl ihn dieser „Reflex“ natürlich in gleicher Weise belastet (weshalb das Recht auch diverse Kompensationen vorsieht, dazu sogleich), darf nicht vorschnell von der Wirkung auf den Zweck geschlossen werden. 2. Legitimation Unter dem Titel „Krise der Zweispurigkeit“ wird schon seit einiger Zeit ein Strauß von strukturellen Problemen des Maßregelrechts diskutiert.182 Dazu gehört vor allem die Frage, wie die kriminalrechtlichen Maßregeln legimitiert werden können.183 Zweckfreies Nützlichkeitsdenken allein, d.h. das kriminalpolitische Bedürfnis, die Bevölkerung über die Schuldstrafe hinaus zu schützen, wurde nach den Erfahrungen im Nationalsozialismus (z. B. Entmannung von Sittlichkeitsverbrechern, Todesstrafe für Gewohnheitsverbrecher) nicht mehr als ausreichend angesehen.184 Ohne an dieser Stelle auf sämtliche Rechtfertigungsversuche gesondert einzugehen185, sollen doch die wichtigsten Begründungsansätze dargestellt werden. Die Zulässigkeit der Maßregeln wird jedenfalls dann als unproblematisch beurteilt, wenn die Maßregel nicht tiefer in die Rechte des Betroffenen eingreift, als es eine Strafe getan hätte, bspw. wenn eine freiheitsentziehende Maßregel lediglich an die Stelle einer mindestens ebenso langen Freiheitsstrafe tritt.186 In den Fällen, in denen der Eingriff durch die Maßregel über das Maß an Schuld hinausgeht bzw. überhaupt keine Schuld vorliegt, soll sich die VerhänLK12 /Schöch vor §§ 61 ff. StGB Rn. 37. Nach Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 84 hat die Maßregel dagegen allgemein Übelscharakter. Ähnlich differenzierend wie hier dagegen Jakobs, Strafrecht AT, 1991, S. 31 (Rn. 55). 182 Programmatisch Kaiser, Maßregeln in der Krise, 1990, m.w. N. Siehe auch LK12 / Schöch vor §§ 61 ff. StGB Rn. 21 ff. 183 Dem Maßregelrecht fehlte längere Zeit insbesondere eine der Straftheorie vergleichbare eigenständige Theorienbildung und wissenschaftliche Durchdringung. In den letzten beiden Jahrzehnten haben jedoch wichtige Entscheidungen von BVerfG und BGH sowie grundlegende Beiträge aus Wissenschaft und Praxis zu erheblichen Verbesserungen geführt – so LK12 /Schöch vor §§ 61 ff. StGB Rn. 48. A. A. jedoch NK4 /Hassemer/Neumann vor § 1 StGB Rn. 299; NK4 /Böllinger/Pollähne § 61 StGB Rn. 2; Naucke, Strafrecht, 2002, S. 98 ff. (Rn. 31 ff.), die ein unzureichendes theoretisches Fundament des Maßregelrechts beklagen. 184 Bruns, ZStW 71 (1959), 210, 211; krit. auch Naucke, Strafrecht, 2002, S. 99 (Rn. 35). 185 Überblick bei Kammeier, Maßregelrecht, 1996, S. 195 ff. 186 Stratenwerth, Strafrecht AT I, 2000, S. 22 f. (Rn. 39 f.); LK12 /Schöch vor §§ 61 ff. StGB Rn. 38. 180 181

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gung von Maßregeln aus dem Gedanken der Güterabwägung rechtfertigen187: Das Integritätsinteresse der Gesellschaft überwiegt das Freiheitsinteresse des Einzelnen, wenn der Gebrauch seiner Freiheit mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führt, dass andere in einer Weise beeinträchtigt werden, die schwerer wiegt als die Einschränkungen, die der Verursacher der Gefahr durch die Maßregel hinnehmen muss.188 Der erste Teil dieser Differenzierung ist jedoch im Hinblick auf den Vergleich mit einer hypothetischen Strafe wenig überzeugend, fehlt es doch im Falle von Schuldunfähigkeit an einem tauglichen Vergleichsmaßstab. Handelt der Täter ohne Schuld, kann – auch hypothetisch – keine Freiheitsstrafe gebildet werden, bis zu deren Grenze auch eine freiheitsentziehende Maßregel ohne weiteres legitimiert wäre. Die Schuld ist nämlich integraler Bestandteil der Straftat. Wird sie wegen fehlender Schuldfähigkeit hinzugedacht, handelt es sich um eine völlig andere Tat, so dass es sich nicht erschließt, wie und warum hier ein Vergleich zweier gänzlich unterschiedlicher Taten statthaft sein soll. Auch in den Fällen verminderter Schuld ist eine solche hypothetische Betrachtung nicht möglich, weil der Täter zusätzlich zur Maßregel bereits tatsächlich zu einer (Freiheits-) Strafe verurteilt wird, in deren Bemessung die zusätzliche Verhängung der Maßregel im Übrigen ggf. einzufließen hat189. Überzeugender ist es deshalb, die Rechtfertigung der Maßregeln (wohl mit der herrschenden Ansicht) einheitlich im Gedanken der Güterabwägung bzw. des überwiegenden Interesses zu sehen. Gleichwohl bietet selbst diese Begründung Angriffsfläche, weil sie voraussetzt, dass die Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten messbar ist (s. dazu sogleich), und mit der Anknüpfung an das Schutzbedürfnis der Allgemeinheit durchaus einen utilitaristischen Zug trägt. Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Staat schließlich durch das Grundgesetz zum Schutz von besonders wichtigen Rechtsgütern seiner Bürger verpflichtet ist.190 Und das Verfassungsrecht sieht insbesondere durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch eine Begrenzung vor.191

187

Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 97 (Rn. 66). H.M.: Nowakowski in: FS v. Weber (1963), S. 98, 103 ff.; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 86; Frisch, ZStW 102 (1990), 343, 367 ff.; LK12 /Weigend Einleitung Rn. 75; LK12 /Schöch vor §§ 61 ff. StGB Rn. 38; Schönke/Schröder28 /Stree/Kinzig vor § 61 StGB Rn. 2; Meier, Sanktionen, 2015, S. 273; Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 97 f. (Rn. 66 f.); Kaiser, Maßregeln in der Krise, 1990, S. 48 f.; a. A. Naucke, Strafrecht, 2002, S. 98 f. (Rn. 33), der im Schutzbedürfnis der Gesellschaft nur die Ursache, nicht aber die Rechtfertigung des Maßregelrechts erblickt. 189 s. MüKo2 /Miebach § 46 StGB Rn. 156 ff.; kürzlich BGH StV 2013, 148, 149. Krit. dazu Schäfer/Sander/van Gemmeren, Strafzumessung, 2012, Rn. 433. 190 s. Art. 2 GG. 191 Naucke, Strafrecht, 2002, S. 101 (Rn. 41). 188

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Zusätzlich hat es Bemühungen gegeben, die Maßregeln sozialethisch zu rechtfertigen. Auf Welzel zurück geht die Überlegung, dass nur derjenige ein Recht auf uneingeschränkte Teilhabe am sozialen Leben beanspruchen könne, der imstande sei, nach den Normen der Gemeinschaft zu leben, also insbesondere seine Freiheit nicht zu Lasten anderer auszuleben (s. Art. 2 Abs. 1 GG). Die Freiheit i. S. d. Grundgesetzes wird hier also als gemeinschaftsgebunden verstanden.192 Wer diese innere Freiheit überhaupt nicht besitze (Geisteskranke) oder ihrer infolge von schlechten Anlagen, Lastern und Gewohnheiten (Gewohnheitsverbrecher) nicht hinreichend mächtig sei, könne die volle soziale Freiheit nicht beanspruchen.193 Darin kommt der Gedanke der Verwirkung zum Ausdruck.194 Doch werden auch gegen diese Begründung Bedenken angemeldet. So verstehe es sich keineswegs von selbst, dass der ggf. sogar schuldlos (!) handelnde Täter, dem sein Fehlverhalten also nicht vorwerfbar ist, seine Freiheitsrechte verwirkt.195 Weiter erlaube diese Rechtfertigung keine sinnvolle Abgrenzung zum nichtstrafrechtlichen Wohlfahrts- und Unterbringungsrecht und sei viel zu allgemein, um die spezifischen Besonderheiten und Abgrenzungen innerhalb des modernen Maßregelrechts erklären zu können.196 3. Das Prognosedilemma Maßregeln setzen nach dem zuvor Gesagten voraus, dass sie die Bevölkerung vor einem Rückfall des Täters schützen. Der Gesetzgeber verlangt in dieser Hinsicht kein – ohnehin (noch?) unmögliches197 – sicheres Wissen über künftige Straftaten des Täters, sondern „spricht“ davon, • dass das Gericht die Unterbringung des Täters in einem psychiatrischen Krankenhaus anordnet, wenn eine Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, „daß von ihm [. . .] erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist“ (§ 63 StGB) • dass das Gericht die Unterbringung einer Person in einer Entziehungsanstalt anordnen soll, „[. . .] wenn die Gefahr besteht, daß sie [. . .] erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird “ (§ 64 S. 1 StGB) • dass das Gericht die Unterbringung des Täters in der Sicherungsverwahrung anordnet, „[. . .] wenn er für die Allgemeinheit gefährlich ist“ (§ 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB) 192

Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 86. Welzel, Strafrecht, 1969, S. 245; a. A. LK12 /Weigend Einleitung Rn. 75. 194 Grundlegend Stree, Deliktsfolgen und Grundgesetz, 1960. 195 LK12 /Weigend Einleitung Rn. 75; krit. auch LK11 /Hanack vor § 61 ff. StGB Rn. 31 u. Stratenwerth, Strafrecht AT I, 2000, S. 23 (Rn. 40). 196 NK4 /Hassemer/Neumann vor § 1 StGB Rn. 299. 197 Vgl. etwa die Vision von Philip K. Dick in seiner Science-Fiction-Erzählung „The Minority Report“ (1956), in der drei mutierte Menschen Morde voraussagen und die Täter daher präventiv inhaftiert werden können, ohne dass es tatsächlich zu den Verbrechen kommt. 193

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• dass das Gericht Führungsaufsicht anordnet, „[. . .] wenn die Gefahr besteht, daß er weitere Straftaten begehen wird“ (§ 68 Abs. 1 StGB) • dass das Gericht dem Täter die Fahrerlaubnis entzieht, „[. . .] wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist“ (§ 69 Abs. 1 S. 2 StGB) • dass das Gericht dem Täter die Ausübung des Berufs etc. verbieten kann, „wenn die Gesamtwürdigung [. . .] ergibt, daß er [. . .] erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird“ ( § 70 Abs. 1 S. 1 StGB) bzw. „[. . .], wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht“ (§ 70 Abs. 1 S. 2 StGB)

Trotz dieser subtilen Unterschiede im sprachlichen Gewand, die die verschiedenen normativen Maßstäbe an das Wahrscheinlichkeitsurteil indizieren198, ist die Grundlage jeder Maßregel die Gefährlichkeit des Täters.199 Gefährlich ist ein Täter dann, wenn seine Legalprognose negativ ist, mit anderen Worten, wenn mit weiteren i. d. R. qualifizierten Straftaten zu rechnen ist. Anders als z. B. bei der Strafrestaussetzung zur Bewährung soll die Kriminalprognose bei der Anordnung von Maßregeln nicht bloß zur Beantwortung der Frage dienen, ob eine vorzeitige Entlassung aus der Haft „unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann“ (§ 57 StGB, § 88 JGG). Die negative Kriminalprognose ist hier vielmehr materielle Grundlage des Freiheitsentzugs. Aus diesem Grund steht und fällt die Legitimation der freiheitsentziehenden Maßregeln mit der Zuverlässigkeit der Prognosen.200 Dies hatten auch die Mitglieder des Sonderausschusses für die Große Strafrechtsreform erkannt und seinerzeit in den Beratungen noch dazu aufgefordert, die Prognoseforschung finanziell zu fördern, „damit, wenn der Entwurf Gesetz werde, dem Richter die wissenschaftlichen Methoden an die Hand gegeben werden könnten, die er brauche, um besser und zuverlässiger das kriminalpolitische Konzept anwenden zu können, das ihm das Gesetz zur Verfügung stellen werde.“ 201 Jedenfalls schuf der Gesetzgeber letztlich ein Maßregelrecht, dessen Handhabung seinerzeit noch gar nicht möglich war und das selbst heute jahrzehntelanger Prognoseforschung zum Trotz noch gravierende Probleme bereitet. 198 s. Dessecker, Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit, 2004, S. 130 ff.; LK12 / Schöch vor § 61 StGB Rn. 52; LK11 /Hanack vor § 61 ff. StGB Rn. 109. 199 NK4 /Böllinger/Pollähne vor § 61 ff. StGB Rn. 58: „Materielle Kernvoraussetzung“; Dessecker, Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit, 2004, 2. Teil, S. 128–326; LK12 /Schöch vor § 61 StGB Rn. 51. 200 Ebenso Schönke/Schröder28 /Stree/Kinzig vor § 61 StGB Rn. 2: An einem Überwiegen des durch die Maßregeln bewerkstelligten Schutzes der Allgemeinheit fehle es jedenfalls dann, wenn zutreffende Gefährlichkeitsprognosen nur in einem unzulänglichen Maß erstellt werden können. 201 Schafheutle, Prot. Sonderausschuss IV, S. 881, 896. Auch Müller-Dietz forderte 1979 noch weitere kriminologische Forschung ein, um den Richtern die von ihnen verlangten spezialpräventiven Entscheidungen zu ermöglichen, s. Grundfragen, 1979, S. 79.

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Es liegt zwar in der Natur der Sache, dass sich nicht jede Prognose als wahr erweisen kann. Die kriminologische Forschung nährt indes einen beklemmenden Verdacht. Dort existiert inzwischen eine Reihe Studien202, in denen die tatsächliche Gefährlichkeit von Straftätern203 untersucht werden konnte, denen eine (z. T. extrem) negative Legalprognose gestellt wurde. Die Untersuchungen machten sich dabei einen quasi-experimentellen Zustand zu Nutze, der dadurch entstanden war, dass gegen wegen schwerer Straftaten verurteilte und für hochgefährlich gehaltene Straftäter vielfach aus rechtlichen Gründen keine nachträgliche Sicherungsverwahrung verhängt werden konnte.204 Dies ist deshalb methodisch so wertvoll, weil es nicht möglich ist, Aussagen über die tatsächliche Gefährlichkeit von Untergebrachten zu treffen, während sie inhaftiert sind: Sind sie falsch-positiv als gefährlich eingestuft worden, wird dies niemals bekannt.205 Die Befunde der o. g. Studien sind so eindeutig wie ernüchternd: Jeweils wurde nur ein Bruchteil der Straftäter schwerwiegend rückfällig, und dies z. T. erst Jahre nach der Entlassung,206 so dass sich die Frage stellt, inwieweit auch die wenigen neuen Taten (mangels Kenntnis der situativen Umstände) überhaupt aus der Prognose ableitbar oder nicht eher statistisch zufällige Treffer sind, die die zuvor diagnostizierte Gefährlichkeit gerade nicht bestätigen207. Sogar für die Gruppe der wegen psychischer Erkrankung untergebrachten gefährlichen Straftäter liegen verschiedene Untersuchungen mit ganz ähnlichen Ergebnissen

202 Alex, Nachträgliche Sicherungsverwahrung, 2010 (m. Bespr. Sobota, GA 2011, 190) sowie aktualisiert Alex, Nachträgliche Sicherungsverwahrung, 2013; Kinzig, Legalbewährung gefährlicher Rückfalltäter, 2010; Müller/Stolpmann/Fromberger/Haase/Jordan, MSchrKrim 2011, 253 ff. 203 Und dabei handelt es sich nicht etwa um Straftäter aus dem farblosen Mittelfeld, sondern vielfach um deliktische Extremgruppen, wie sie die Anordnung von (nachträglicher) Sicherungsverwahrung voraussetzt(e). 204 In der Regel, weil die nun diagnostizierte Gefährlichkeit nicht auf „neuen Tatsachen“ (sog. nova) beruhte. Siehe Alex, Nachträgliche Sicherungsverwahrung, 2010, S. 89; Müller, NK 2012, 54, 58. 205 Umgekehrt werden Fälle falsch-negativ als ungefährlich eingeschätzter Straftäter schnell in den Medien und der betreffende Gutachter vor Gericht landen, s. etwa LG Göttingen, NStZ 1985, 410 m. Anm. Kusch, NStZ 1985, 385. 206 In der hochselektiven Stichprobe von Alex (2010, s. o. 1. Teil: Fn. 202) mit 77 vermeintlich hochgefährlichen Straftätern, die aus Rechtsgründen dennoch freigelassen werden mussten, wurde z. B. in den ersten sechs Monaten nach der Entlassung trotz angeblich gegenwärtiger Gefährlichkeit kein einziger in der von § 66b StGB a. F. geforderten Weise („Erhebliche Straftaten [. . .], durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden“) rückfällig. Auch nach durchschnittlich 33 Monaten Beobachtungszeitraum waren noch 50 von 77 Probanden (entspricht ca. 65%) ohne jeden Rückfall geblieben und insgesamt kam es in seiner Gruppe nur zu vier Katalogtaten i. S. d. § 66b StGB a. F. In seiner Nachuntersuchung kommt Alex zu dem aufrüttelnden Fazit, dass in den Jahren nach der Entlassung der eigene Tod für die aus der Sicherungsverwahrung entlassenen Straftäter ebenso wahrscheinlich ist wie eine erneute schwere Straftat, s. Alex, NK 2013, 350, 358. 207 So schon Bock/Sobota, NK 2012, 106, 110.

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vor.208 Insgesamt ist nach diesen Befunden die sich nicht bestätigende Prognose eher die Regel als die Ausnahme. Deshalb ist festzuhalten, dass sich die hohen Erwartungen, die das Gesetz an die Leistungsfähigkeit der Kriminalprognose stellt, auch jahrzehntelanger Forschung zum Trotz nicht erfüllt haben.209 Erstaunlich mutet daher an, unter welchen Prämissen das BVerfG die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der freiheitsentziehenden Maßregeln (konkret: der Sicherungsverwahrung) weiterhin bejaht. So folgt das Gericht forensischen Sachverständigen in der Einschätzung, dass „ein bestimmter und bestimmbarer Anteil der Probanden eine derartige Häufung von Risikofaktoren auf sich versammele, dass eine Gefahr sicher prognostiziert werden könne.“ 210 Weiter heißt es dann: „Auch wenn der Anteil relativ sicherer Prognosen von den sachverständigen Auskunftspersonen unterschiedlich hoch angesehen wird, bildet die Prognose gerade für die seltenen Fälle hochgradiger Gefährlichkeit, die § 67d Abs. 3 StGB im Auge hat, eine taugliche Entscheidungsgrundlage.“ 211 Mag dies in einzelnen Fällen schwerer Serienstraftäter, die ihre Gefährlichkeit mehrfach unter Beweis gestellt haben212, noch denkbar sein, ist die Übertragung dieser These auf Einmaltäter, jugendliche und heranwachsende Täter sowie alte Strafgefangene bereits prinzipiell höchst bedenklich.213 Doch das BVerfG führt diese Rechtsprechung in jüngeren Entscheidungen zum Maßregelrecht fort214 und unterlässt insoweit jede Auseinandersetzung mit der aktuellen kriminologischen Forschung. Der Gesetzgeber ignoriert dieses Problem bisher ebenfalls vollständig, obwohl er in den letzten Jahren unzählige Reformen im Recht der Sicherungsverwahrung vorgenommen hat215. In der Literatur wird dieser neuralgische Punkt nur z. T. ausreichend gesehen und thematisiert.216 Inzwischen wurden die empirischen Befunde vereinzelt auf-

208 Müller, NK 2012, 54, 58 m.w. N. Zuvor gab es bereits ähnliche Befunde aus den USA: „Baxstrom“ 1966, „Dixon“ 1971 – Überblick m.w. N. bei Kinzig, Sicherungsverwahrung, 1996, S. 87 ff. 209 Eine Rolle spielt insoweit auch der Umstand, dass sich in der Praxis vorwiegend die ihrer Natur nach fachfremden Psychiater und forensischen Psychologen mit der Kriminalprognose befassen. Siehe dazu Bock in: FS Heinz (2012), S. 609 ff. 210 BVerfGE 109, 133, 158. 211 BVerfGE 109, 133, 158. 212 s. zur Bedeutung der Wiederholungstat, Streng, JZ 2011, 827, 830 m.w. N. 213 Krit. auch Schöch, GA 2012, 14, 30. 214 BVerfGE 128, 326, 373, dazu Schöch, GA 2012, 14, 30 und Streng, JZ 2011, 827, 828. 215 Kurzer Überblick (Stand 2013) bei NK4 /Böllinger/Dessecker § 66 StGB Rn. 6 ff. 216 s. Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig § 66 StGB Rn. 38, die beklagen, dass „die methodische Problematik von Gefährlichkeitsprognosen nur unzureichend von der Rspr. und teilweise auch der Literatur (vgl. die nur knappen Bemerkungen von Rissing-van Saan/Peglau LK 33 ff.) rezipiert ist.“

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gegriffen und es wird nach Wegen gesucht, das Maßregelrecht trotz der Prognoseschwäche zu rechtfertigen.217 Allgemeine Warnungen und der Appell, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch die hohe Rate der falsch-positiv als gefährlich eingestuften Straftäter zu berücksichtigen218, erscheinen m. E. im derzeitigen kriminalpolitischen Klima, das die Befriedigung einer irrationalen Kriminalitätsfurcht in der Bevölkerung über die auch Straftätern zustehenden Grundrechte stellt, eher wenig Erfolg versprechend. Denn der beispiellose Anstieg der Anordnungen der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung seit Mitte der 1990er Jahre219 vollzog sich weitgehend losgelöst von der realen Kriminalitätsentwicklung220. Aber auch der Gedanke, den Straftäter für das durch wiederholte Straffälligkeit zurechenbar verursachte Prognoserisiko haften zu lassen (im Sinne einer teilweisen Verwirkung grundrechtlichen Schutzes)221, taugt nur auf den ersten Blick zur Rechtfertigung des Freiheitsentzugs auf Grundlage einer Gefährlichkeitsprognose. Denn er setzt voraus, dass die unabwägbare, unverwirkbare Menschenwürde222 der Straftäter nicht berührt ist. Wenn man aber eine Vielzahl tatsächlich ungefährlicher Täter wegsperren muss, um einen echten Rückfalltäter zu „erwischen“, dann werden die übrigen trotz inzwischen tatsächlicher Ungefährlichkeit Eingesperrten zu einem Objekt der Straftatenverhinderung gemacht. Es widerspricht dem Anspruch eines Menschen, wie ein Subjekt behandelt zu werden, und verleugnet seine Individualität, ihn de facto wegen der Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe223, aber ohne jedes verlässliche Wissen um sein eigenes künftiges Legalverhalten vorsorglich wegzusperren. Darin liegt m. E. ein Eingriff in die unantastbare Menschenwürde.224 Hier ist der oben zitierte Wortlaut des Gesetzes eindeutig, der als materielle Grundlage für die freiheitsentziehenden Maßregeln auf die tatsächliche Gefährlichkeit des einzelnen abstellt und sich mit Blick auf den strafrechtlichen Individualisierungsgrundsatz gerade nicht mit der bloßen Gruppenzugehörigkeit begnügt. Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass die Ergebnisse der empirischen Prognoseforschung das System der Maßregeln, das zentral auf die Gefährlichkeit

217 s. etwa Streng, JZ 2011, 827 ff., Streng, StV 2013, 236 ff. sowie Schöch, GA 2012, 14 ff. 218 Schöch, GA 2012, 14, 31. 219 Kinzig, NJW 2011, 177: Verdreifachung der Zahl der Untergebrachten zwischen 1996 und 2010. 220 s. etwa zur konstanten Zahl der immer wieder als Anlass für Gesetzesverschärfungen instrumentalisierten Kindermorde Alex, Nachträgliche Sicherungsverwahrung, 2010, S. 79. 221 Streng, JZ 2011, 827, 830 mit Verweis auf Stree, Deliktsfolgen und Grundgesetz, 1960, S. 221 f., 224; Streng, StV 2013, 236 ff. 222 BVerfGE 109, 133, 150 m.w. N. 223 s. dazu auch Frisch, Prognoseentscheidungen, 1983, S. 68. 224 Zuvor schon Bock/Sobota, NK 2012, 106, 110.

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des einzelnen Straftäters abstellt, grundsätzlich in Frage stellen.225 Während eine Alternative zur Sicherungsverwahrung zwar schwierige Probleme aufwürfe, aber zumindest durch eine Reform des Systems der Freiheitsstrafe denkbar wäre226, erscheint dies bei der Maßregel des § 63 StGB noch einmal schwieriger. Denn in den Fällen der vollständigen Exkulpation ist anders als bei der Sicherungsverwahrung und den Fällen der § 21 i.V. m. § 63 StGB keine Verhängung einer Freiheitsstrafe möglich, durch die Sicherungsbelange wenigstens teilweise kompensiert werden könnten. Nimmt man die o. g. Schwierigkeiten bei der theoretischen Rechtfertigung des Maßregelrechts hinzu, erscheint es daher angemessen, von einer „Krise des Maßregelrechts“ zu sprechen. Ob ein einspuriges System, ergänzt durch ein breit gefächertes System sozialer Hilfen, die bessere Alternative wäre, kann hier jedoch nicht geklärt werden. Frühere Versuche in der Wissenschaft, normative Entscheidungsregeln für die Fälle empirischen Nichtwissens zu finden227, stellen dagegen aus verschiedenen Gründen keine befriedigende Lösung dar228. Insgesamt werden hier grundlegende Fragen zum Umgang mit schuldlos handelnden wie potentiell gefährlichen Straftätern aufgeworfen, zu deren Beantwortung nur der Gesetzgeber berufen ist. 4. Abgrenzung zur Strafe Nicht erst seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR)229, in dem die deutsche Maßregel der Sicherungsverwahrung dem strafrechtlichen Rückwirkungsverbot der EMRK unterstellt wurde, ergeben sich Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen Strafe und Maßregel. Nach einem Blick auf die Gemeinsamkeiten dieser beiden Sanktionsspuren soll deshalb untersucht werden, ob und inwieweit dennoch eine tragfähige Abgrenzung möglich ist. a) Gemeinsamkeiten (und Unterschiede) Aus den vorangegangenen Ausführungen ergeben sich eine Reihe von Überschneidungen zwischen Strafe und Maßregel. Einigkeit besteht darüber, dass 225 A. A. Kaiser, Maßregeln in der Krise, 1990, S. 18, der glaubte, eine „Unerträglichkeit“ des Maßregelrechts dadurch abwenden zu können, dass die Maßregeln weiter formalisiert und auf die Extremgruppen beschränkt werden. Das ist aber eine schwache Hoffnung, denn zum einen wird die aktuelle Kriminalpolitik gerade durch eine Aufweichung der formellen Hürden (z. B. nachträgliche Sicherungsverwahrung für Ersttäter und – zur Tatzeit – Jugendliche, Ausweitung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung) gekennzeichnet und zum anderen sind die Prognosen auch bei Extremgruppen – deren Bestimmung sich übrigens keineswegs von selbst versteht – alles andere als „sicher“, s. o. 226 Vorsichtige Ansätze bei Bock/Sobota, NK 2012, 106, 110. 227 Frisch, Prognoseentscheidungen, 1983. 228 Dazu im einzelnen Bock, NStZ 1990, 457 ff. 229 EGMR NJW 2010, 2495 ff. m. Anm. Eschelbach.

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beide Spuren dazu dienen, Rechtsgüter zu schützen und den Täter wieder in die Rechtsgemeinschaft einzugliedern.230 Teilweise wird sogar vertreten, dass sich Strafe und Maßregel ihrem Zweck nach gar nicht (mehr) wesentlich unterscheiden.231 Besonders deutlich wird die Annäherung zwischen den beiden Spuren etwa beim Vergleich von Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung. Abgesehen von den zuvor schon genannten Gemeinsamkeiten werden beide Sanktionen auch in Zukunft innerhalb derselben Anstalt vollzogen werden.232 Darüber hinaus gleichen sich ihre Vollzugsziele (§§ 2, 129 StVollzG), die jeweils in Eingliederung und Sicherung bestehen. Neben einigen semantischen Unterschieden in der Formulierung weicht im Gesetz lediglich die Reihenfolge der Ziele voneinander ab. Bei der Sicherungsverwahrung dürfte ein möglicher Vorrang der „sicheren Unterbringung“ (§ 129 S. 1 StVollzG) gegenüber der Wiedereingliederung spätestens mit dem jüngsten Grundsatzurteil des BVerfG233 nivelliert sein. Mit der starken Betonung der Therapie rückt das Gericht den Vollzug der Sicherungsverwahrung überdies in die Nähe des Vollzugs der Freiheitsstrafe in sozialtherapeutischen Anstalten (vgl. den nie in Kraft getretenen § 65 StGB234 sowie § 9 StVollzG235).236 Dies wird umso deutlicher, wenn man bedenkt, dass es in beiden Fällen vielfach um Sexualstraftäter geht.237 Gemeinsam mit der Strafe haben die Maßregeln allgemein die Begehung einer rechtswidrigen Tat als Anknüpfungspunkt für ihre Verhängung bzw. Anordnung.238 Allerdings ist die Strafe deutlich stärker auf die begangene Tat ausgerichtet.239 Die Tat steht schon deshalb im Vordergrund, weil die Bemessung der Strafe durch die Tatschuld begrenzt wird. Auch wenn § 62 StGB unter anderem an die Anlasstat anknüpft [„(. . .) darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.“ Hervorh. durch Verf.], existiert eine solche Begrenzung bei den Maßregeln nicht. Nach herrschendem Verständnis und im Einklang mit dem Wortlaut („und“, „sowie“) ist vielmehr eine Gesamtabwägung zwischen der Bedeutung der Anlasstat, der Bedeutung der zu erwartenden Taten und dem Grad der vom Täter ausgehenden Gefahr vorzuLK12 /Schöch vor §§ 61 ff. StGB Rn. 23; SK-StGB/Sinn § 61 StGB Rn. 4. Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 97 (Rn. 65); Schüler-Springorum in: FS Roxin I (2001), S. 1021, 1042; a. A. BVerfG StV 2013, 217 m.w. N. 232 BVerfGE 128, 326, 380. 233 BVerfGE 128, 326. 234 Gleichwohl kommentiert von LK10 /Hanack § 65 StGB. 235 Müller-Dietz in: Grundfragen, 1979, S. 75 sieht in § 9 StVollzG die „stärkste Annäherung“ zwischen Strafe und Maßregel. 236 Ebenso Drenkhahn/Morgenstern, ZStW 124 (2012), 132, 202. 237 §§ 66 ff. StGB, § 9 Abs. 1 StVollzG. 238 LK12 /Schöch vor §§ 61 ff. StGB Rn. 36. 239 Müller-Dietz, Grundfragen, 1979, S. 73. 230 231

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nehmen.240 Nach dem vorrangig spezialpräventiven Zweck der Maßregeln schadet deshalb ein Missverhältnis zwischen Maßregel und Anlasstat nicht, solange die Anordnung zur Bedeutung der zu erwartenden Taten in einem vertretbaren Verhältnis steht.241 Einzig im (Extrem-)Falle, wenn die Anlasstat ein bloßes Bagatelldelikt ist, soll § 62 StGB der Maßregelanordnung entgegenstehen.242 Daraus ergibt sich, dass ein wesentlicher Unterschied zwischen Strafe und Maßregel in ihrer Begrenzung liegt. Im Gegensatz zur Strafe wird die Maßregel nicht durch die Schuld, sondern durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit limitiert.243 Ferner können die beiden Spuren nicht mithilfe der Tatschuld auseinandergehalten werden. Maßregeln der Besserung und Sicherung setzen zwar – anders als Strafe – keine Schuld voraus, allerdings schließt ihr Vorliegen die Anordnung auch nicht aus.244 Die Schuld allein ist demnach ebenso kein trennscharfer Unterscheidungspunkt. Richtig ist lediglich, dass jede Strafe Schuld, jede Maßregel eine fortdauernde Gefährlichkeit voraussetzt.245 Auch in ihrem zeitlichen Bezugspunkt sind sich Strafe und Maßregel inzwischen näher, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Während die Strafe an eine in der Vergangenheit liegende schuldhafte Straftat anknüpfe, sei die Maßregel zukunftsgerichtet, heißt es vielfach.246 Allerdings ist diese zeitliche Unterscheidung allein nicht trennscharf, erschöpft sich die Strafzumessung doch nicht in der bloßen Quantifizierung begangenen Unrechts, sondern beinhaltet sowohl bei der Ausfüllung des Spielraums247 innerhalb des schuldangemessenen Rahmens, bei dem nach § 46 Abs. 1 S. 2 StGB u. a. die zu erwartenden „Wirkungen“ der Strafe zu berücksichtigen sind, als auch ggf. bei der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung oder bei der Verwarnung mit Strafvorbehalt248 die Pflicht zu präventiven, m. a.W. auf die Zukunft gerichtete Erwägungen.249 240 SK-StGB/Sinn § 62 StGB Rn. 5; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 804; Schönke/Schröder28 /Stree/Kinzig § 62 StGB Rn. 3; LK12 /Schöch vor § 62 StGB Rn. 23. 241 SK-StGB/Sinn § 62 StGB Rn. 5; LK12 /Schöch § 62 StGB Rn. 25; BT-Drs. V/ 4094, S. 17, BGHSt 24, 135; Fischer62 § 62 StGB Rn. 3 ff.; Schönke/Schröder28 /Stree/ Kinzig § 62 StGB Rn. 3. 242 Folgt aus BGH NStZ 2008, 210, 212. 243 s. zu diesem Unterschied Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 97 ff. (Rn. 65 ff.). 244 Teilweise können Maßregeln auch bei bloß verminderter Schuld (§ 21 StGB) angeordnet werden (z. B. § 63 StGB), teilweise sogar bei voller Schuldfähigkeit (z. B. §§ 66, 69, 70 StGB). 245 Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 2 (Rn. 3). 246 Vgl. zu dieser gängigen Differenzierung: BVerfGE 109, 133, 174; Eser in: FS Müller-Dietz (2001), S. 213, 215, 235; LK12 /Schöch vor § 61 StGB Rn. 36. 247 Schäfer/Sander/van Gemmeren, Strafzumessung, 2012, Rn. 1158 ff. 248 § 59 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB. 249 So auch schon Müller-Dietz, Grundfragen, 1979, S. 71; ähnlich Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 99 (Rn. 68), der ein solches zeitliches Verständnis zutreffend mit der Vergeltungstheorie verbindet.

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Ihre stärkste Annäherung erfahren Maßregel und Strafe wohl durch § 67 StGB, der den Vertretern der o. g. These von der Einspurigkeit (in den Zielen der beiden Spuren) als zentrales Argument dient. Dort ist geregelt, dass bei gleichzeitiger Anordnung von Freiheitsstrafe und einer freiheitsentziehenden Maßregel (§§ 63, 64 StGB, nicht aber § 66 StGB) in der Regel die Maßregel vor der Freiheitsstrafe vollzogen und ihre Dauer auf sie angerechnet wird (sog. Prinzip des Vikariierens). Nach § 67 Abs. 2 StGB kann auch die Strafe vorweg vollzogen werden, wenn „der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird“. Diese „beliebige, nur am Maßstab der präventiven Effektivität orientierte Austauschbarkeit von Strafe und Maßregel“ beweist nach Roxin „unwidersprechlich, dass der Gesetzgeber den Zweck beider Rechtsfolgen in der Prävention sieht.“ 250 Auch wenn es Gründe gibt, das Rechtsfolgensystem des Strafrechts von seiner originären Aufgabe (Rechtsgüterschutz) her als ein einheitliches zu begreifen251, erscheint der Schluss aus § 67 StGB, dass Maßregel und Strafe identische Zwecke verfolgen, im Ergebnis als zu weitgehend. Das wird bereits daran deutlich, dass § 67 StGB nur auf der Ebene der Vollstreckung und zudem nur bei bestimmten (nicht allen!) freiheitsentziehenden Maßregeln anwendbar ist. Auf der Anordnungsebene sind Maßregel und Strafe dagegen gerade nicht beliebig austauschbar, sondern klar abgrenzbar (dazu sogleich). In der Sache trägt § 67 StGB dem Umstand Rechnung, dass die §§ 63, 64 StGB dem Untergebrachten die Fortbewegungsfreiheit ebenso nehmen, wie dies bei der Freiheitsstrafe der Fall ist. § 67 StGB dient demnach der Kompensation von unverhältnismäßigen Konsequenzen, die im Einzelfall aus dem Nebeneinander beider Spuren resultieren können.252 Eine solche Kompensation wäre m. E. selbst dann noch notwendig, wenn sich der Vollzug der Freiheitsstrafe vom Credo der Resozialisierung gänzlich verabschieden und fortan durch eine bloße Verwahrung ersetzt werden würde. Denn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es, den Straftäter in der Vollstreckung von Sanktionen nicht über Gebühr zu belasten. Dieser Gedanke kommt auch in § 67c Abs. 1 StGB zum Ausdruck, der bei Vorwegvollzug einer Strafe verlangt, dass vor der Überstellung in den Maßregelvollzug die Erforderlichkeit der Unterbringung erneut zu prüfen ist. Auch Roxin geht nicht so weit, wegen der seiner Meinung nach vorliegenden Übereinstimmung in den Zwecken von Strafe und Maßregel einen Abschied von der Zweispurigkeit (hin zu einem rein präventiven Maßregelrecht) zu fordern. Denn mit ihrer Begrenzung durch die Tatschuld stelle die Strafe den im Vergleich zur Maßregel geringeren Eingriff dar.253 Die präventive Unzulänglichkeit der Strafe bedeutet für ihn ein „wichtiges Stück Liberalität“, demgegenüber „ein 250 251 252 253

Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 99 (Rn. 70). So NK4 /Hassemer/Neumann vor § 1 StGB Rn. 300 ff. Ähnlich verstehe ich LK11 /Hanack vor § 61 ff. StGB Rn. 66. Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 100 (Rn. 71).

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totaler Wohlfahrtsstaat“ sozialpolitisch nicht wünschenswert wäre.254 Somit räumt Roxin ein, dass es jedenfalls mit der unterschiedlichen Begrenzung doch einen trennscharfen Unterschied zwischen den beiden Spuren des Sanktionenrechts gibt. b) Anordnungszweck von Strafen und Maßregeln Eine klare Abgrenzung zwischen Strafe und Maßregel ist ferner möglich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass beide Sanktionen Teil einer zum umfassenden Schutz wichtiger Rechtsgüter konzipierten und in dieser Hinsicht stark ausdifferenzierten Rechtsfolgenordnung sind und es somit auf den jeweils spezifischen Zweck und die hierfür gewählten Mittel ankommt.255 Dann wird schnell klar, dass Maßregeln ihrer Konzeption nach allein das Ziel haben, die von einem bestimmten Täter in Zukunft drohenden Straftaten zu verhindern. Die anderen zuvor beschriebenen Wirkungen der Maßregeln (Generalprävention, Übelszufügung) sind nicht ihr Zweck, sondern beruhen letztlich darauf, dass sich Strafe und Maßregel teilweise identischer Mittel (Freiheitsentzug) bedienen. Ohne eine Unterscheidung zwischen diesen beiden verschiedenen Ebenen ist eine Abgrenzung nicht nur innerhalb der strafrechtlichen Sanktionen, sondern auch gegenüber nicht-strafrechtlichen staatlichen Eingriffen (Sanktionen im Ordnungswidrigkeitenrecht, Verwaltungsvollstreckung, Steuer-/Abgabenrecht, landesrechtliche Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus, sonstige Formen geschlossener Unterbringung in Heimen usw.) nicht möglich. Auch das BVerfG stellte daher anfangs bei der Bestimmung, was Strafe sei, nur vordergründig auf das m. E. untaugliche Kriterium der strafgleichen Wirkung ab, während es in der Sache schließlich das „Wesen“ der Strafe für die Abgrenzung fruchtbar macht.256 Wie oben bereits angedeutet, dienen die Entziehung oder Einschränkung der persönlichen Freiheit im Rahmen einer Maßregel funktional dazu, der Gefährlichkeit des Täters zu begegnen – primär als Basis für eine Behandlung und daraus folgende Sicherung, sekundär als bloße Sicherung. Die Zufügung eines Übels, wie sie bei der Strafe gewollt und für sie kennzeichnend ist, wird hier also gerade nicht intendiert.257 Der Täter soll nur so stark belastet werden, wie es seine Gefährlichkeit erfordert, was sich auch daran zeigt, dass nach § 72 Abs. 1 S. 2 StGB unter mehreren geeigneten Maßregeln die für den Täter schonendste zu wählen ist.258 254

Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 100 (Rn. 71). Frisch, ZStW 102 (1990), 343, 357. 256 BVerfGE 22, 125, 131, 132. Siehe dazu die kritische Analyse von Volk, ZStW 83 (1971), 405, 406 f. 257 Kammeier, Maßregelrecht, 1996, S. 230; weitere Nachweise auch bei Mushoff, Strafe – Maßregel – Sicherungsverwahrung, 2007, S. 215. 258 Mushoff, Strafe – Maßregel – Sicherungsverwahrung, 2007, S. 215. 255

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Der wesentliche Unterschied zwischen Strafe und Maßregel findet sich demnach auf der Anordnungsebene. Ihren individualpräventiven, maßregelähnlichen Einschlag erhält die Strafe vornehmlich in der Phase des Strafvollzugs. Allerdings gilt dies uneingeschränkt nur für die Freiheitsstrafe. Beim Vollzug der Geldstrafe kann dagegen schwerlich von positiver Spezialprävention i. e. S. oder Resozialisierung gesprochen werden.259 Denn hier nimmt der Staat dem Bürger gezielt einen Teil seines finanziellen Handlungsspielraums, der heutzutage gleichbedeutend mit der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist.260 Noch deutlicher wird dies im Falle der mittellosen Täter, bei denen an die Stelle der uneinbringlichen Geldstrafe nicht selten261 die potentiell entsozialisierende262 kurzfristige Ersatzfreiheitsstrafe (§ 43 StGB) tritt. Und schließlich ist im Rahmen der Geldstrafe nicht einmal gewährleistet, dass den Täter das intendierte Übel mit seiner Warnfunktion263 tatsächlich trifft. Denn nach der herrschenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur ist die Zahlung einer Geldstrafe durch Dritte keine Straf(vollstreckungs)vereitelung i. S. d. § 258 Abs. 2 StGB.264 Die positiv-spezialpräventive Ausgestaltung des Vollzugs der Freiheitsstrafe beruht dagegen maßgeblich auf verfassungsrechtlichen Wertungen: Wenn der Staat seinen straffälligen Bürgern gezielt ein Übel in Form der Freiheitsstrafe zufügt, so muss der Vollzug dieses als notwendig begriffenen Übels so ausgestaltet werden, dass der von der Wertordnung des Grundgesetzes gedeckte gemeinschaftsbezogene Zweck erreicht werden kann.265 Noch eindeutiger wird die Abgrenzung zwischen Strafe und Maßregel, wenn man wie die Vertreter der absoluten Straftheorien Vergeltung als wesentlichen Strafzweck begreift oder diesen Zweck innerhalb der Vereinigungstheorie besonders betont. Diesen Zweck besitzt die schuldgebundene Strafe im Verhältnis zur Maßregel exklusiv. Nach MüKo2 /Radtke § 40 StGB Rn. 12 zielt die Geldstrafe somit „in erster Linie auf die Bestrafung solcher Täter, die einer intensiveren Einwirkung zum Zwecke zukünftiger Straftatbegehung nicht bedürfen.“ 260 Vgl. dazu die Argumentation des BVerfG in seinen Entscheidungen zur Mindesthöhe von sozialen Leistungen in: NJW 2010, 505 ff. (Hartz IV) und NVwZ 2012, 1024 ff. (Asylbewerber). 261 s. dazu Streng, Sanktionen, 2012, S. 73 (Rn. 141). 262 Ganz h. M.: BVerfG NJW 1970, 1453; BGHSt 22, 199; 24, 40; Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig § 47 StGB Rn. 1; NK4 /Streng § 47 StGB Rn. 2; Fischer62 § 47 StGB Rn. 2; Streng, Sanktionen, 2012, S. 73 (Rn. 141); MüKo2 /Maier § 47 StGB Rn. 2; Lackner/Kühl28 /Heger § 47 StGB Rn. 1. 263 BT-Drs. 14/9358, S. 11; Meier, Sanktionen, 2015, S. 65 f. 264 BGHSt 37, 226; zust. Streng, Sanktionen, 2012, S. 64 (Rn. 123); MüKo2 /Cramer § 258 StGB Rn. 35; Lackner/Kühl28 /Kühl § 258 StGB Rn. 13; NK4 /Altenhain § 258 StGB Rn. 65; abl. Hillenkamp, JR 1992, 74; Scholl, NStZ 1999, 599; LK12 /Ruß § 258 StGB Rn. 24a; differenzierend Schönke/Schröder29 /Stree/Hecker § 258 StGB Rn. 29; Mitsch, JA 1993, 304; Wodicka, NStZ 1991, 486. 265 Grundlegend BVerfGE 33, 1 ff. 259

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c) Sozialethische Qualität von Strafen und Maßregeln Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zwischen Strafe und Maßregel ist der sozialethische Tadel der Strafe. Mit der Strafe wird zum Ausdruck gebracht, dass sich der Täter vorwerfbar gegen Pflichten aus dem Gemeinschaftsleben vergangen hat.266 Im Schuldspruch liegt eine soziale Missbilligung bzw. ein Unwerturteil über den Täter. Die Maßregel dagegen wirft dem Täter das Unrecht der begangenen Tat nicht vor. Sie ist sozialethisch neutral.267 Dies wird insbesondere an der Urteilsformel bei der Maßregelanordnung gegenüber einem Schuldunfähigen deutlich, in der es heißt: „Der Angeklagte wird vom Vorwurf . . . freigesprochen.“ Ähnlich wie im präventiven Polizeirecht wird der Täter als Störer bzw. Gefährder behandelt.268 Die Tat dient lediglich als Anlass, das gefahrenabwehrrechtliche Programm der §§ 61 ff. StGB zu prüfen. Nicht zu überzeugen vermag dagegen der Einwand, dass bei Betrachtung der Lebenswirklichkeit auch die Verhängung von Maßregeln als Ausdruck eines schweren sozialen, u. U. tadelnswerten, Versagens erscheinen müsse.269 Eine solche Fokussierung auf die tatsächliche Wirkung strafrechtlicher Sanktionen steht im Widerspruch zu einer normativen Unterscheidung. Wie schon bei der Diskussion um ihre Zwecke darf die sozialethische Qualität der Maßregel nicht von ihrer tatsächlichen Wirkung her, sondern muss nach ihrem instrumentellen Charakter bestimmt werden. Andernfalls läge in jeder spürbaren staatlichen Reaktion auf rechtswidriges Verhalten ein sozialethischer Tadel (z. B. bei sozialrechtlichen Maßnahmen gegenüber schuldunfähigen Kindern anlässlich einer rechtswidrigen Tat). Eine dem dogmatischen System der Rechtsfolgen angemessene Unterscheidung (auch gegenüber anderen Sanktionen) wäre dann insgesamt nicht mehr möglich. Diese Unterscheidung wird obendrein nicht in den Begriff der Strafe „hineingetragen“, ohne dass diese in jener selbst läge270. Vielmehr ist es umgekehrt: Wenn man aus der Wirkung in der Lebenswirklichkeit einen Tadel entnimmt und ihn dem Wesen der Maßregel zuschreibt, legt man etwas in sie hinein, was der Gesetzgeber nicht in ihr angelegt hat.271 5. Fazit Charakteristisch für die Maßregel ist, dass sie die Gesellschaft anlässlich einer rechtswidrigen Tat vor weiteren Straftaten des Täters schützen soll. Ihr Vollzug 266

s. o. 1. Teil: A. I. Bockelmann/Volk, Strafrecht AT, 1987 S. 279; Mushoff, Strafe – Maßregel – Sicherungsverwahrung, 2007, S. 215 m.w. N.; differenzierend Frisch, ZStW 102 (1990), 343, 361 f. 268 Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, 1996, S. 276. 269 Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 99 (Rn. 69). 270 So aber Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 99 (Rn. 69). 271 Ähnlich Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 175. 267

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soll primär bessernd, hilfsweise bloß äußerlich sichernd auf den Täter wirken, um die Allgemeinheit vor weiteren Taten zu schützen. Im Gegensatz zur Strafe ist die Maßregel schuldunabhängig und sozialethisch neutral. Ihre Anordnung und ihr Vollzug hängen aufgrund ihres rein präventiven Zwecks maßgeblich von der Gefährlichkeit des Täters ab, die in der Praxis allerdings kaum verlässlich zu bestimmen ist und deshalb die „Gefährlichkeit“ des Täters als Legitimation des Maßregelrechts grundsätzlich in Frage stellt. Begrenzt wird die Maßregel durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB). Wenn man den Unterschied zwischen Strafe und Maßregel mit Roxin272 unter Außerachtlassung der streitigen Punkte auf die „kürzeste Formel“ bringen möchte, lässt sich sagen, dass Strafe in jedem Fall Schuld für begangenes Unrecht (Straftat) voraussetzt, während die Maßregel eine in Zukunft fortdauernde Gefährlichkeit des Täters verlangt.

IV. Wiedergutmachung als „dritte Spur“? Eine lebhafte Diskussion hat sich an der weiteren Frage entzündet, ob sich die Maßnahmen der sog. restorative justice als eigene Spur in das deutsche Sanktionenrecht integrieren lassen.273 Einigkeit besteht allerdings insoweit, als es die aktuell geltenden Regelungen im StGB noch nicht rechtfertigen, bereits von einer „Dreispurigkeit“ des StGB zu sprechen.274 So fehlt es den wiedergutmachenden Normen im StGB (z. B. §§ 46 Abs. 2, 46a, 56b, 57 Abs. 3, 57a Abs. 3 StGB) insbesondere noch an einem echten System, wie es etwa der Gesetzesvorschlag AE-WGM275 im Auge hatte. Die fragmentarischen Regelungen, die das StGB heute schon enthält, zeigen aber jedenfalls, dass sich Konfliktbewältigung durch Wiedergutmachung durchaus mit den sonstigen Zielsetzungen unseres Strafrechts vereinbaren lässt.276 Auf eine nähere Darstellung kann hier jedoch verzichtet werden, weil die Nebenfolge keinerlei Bezug zum Recht der Wiedergutmachung aufweist und deshalb auch nicht von einzelnen dieser Normen abzugrenzen ist.

V. Sanktionen sui generis Wie schon zuvor angedeutet, finden sich im StGB vereinzelte Rechtsfolgen, die sich keiner der beiden Hauptspuren (und der Nebenstrafe) zuordnen lassen, und deshalb als Sanktionen eigener Art (sui generis) begriffen werden.

272

Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 3 (Rn. 3). s. dazu: Meier, Sanktionen, 2015, S. 401 ff. und Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 102 ff. (Rn. 72 ff.) jeweils m.w. N. 274 Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 102 f. (Rn. 74); Meier, Sanktionen, 2015, S. 402. 275 AE-WGM, 1992. 276 Näher Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 103 f. (Rn. 73). 273

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1. Verwarnung mit Strafvorbehalt Obwohl es z. T. heißt, die Rechtsnatur der Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB) sei „ungeklärt“ 277, stellt sie nach überwiegender Ansicht eine Sanktion eigener Art dar.278 Weil die Verhängung der Strafe gerade „vorbehalten“ bleibt, ist die Verwarnung mit Strafvorbehalt jedenfalls keine Strafe279 (und mangels einer gleichzeitig verhängten Hauptstrafe auch keine Nebenstrafe). Mit der Anknüpfung an den Schuldspruch in § 59 Abs. 1 S. 1 StGB scheidet schließlich eine Qualifizierung als Maßregel der Besserung und Sicherung aus.280 Ihr Wesen wird daher teils „als Reaktionsmittel eigener Art mit maßnahmeähnlichem Charakter“ angesehen, „das durch Missbilligung der Tat und Inpflichtnahme des Täters eine Besinnungswirkung für die Zukunft anstrebt“ 281, teils als eine Art „Geldstrafe auf Bewährung“ 282 aufgefasst. In jedem Fall handelt es sich um die niedrigschwelligste formelle283 Sanktion des StGB, die bei erfolgreicher Bewährung dazu führt, dass dem Täter Strafmakel, registerrechtliche Konsequenzen284 und sonstige außerstrafrechtliche Nebenwirkungen einer Strafe erspart bleiben. § 59 StGB richtet sich demnach an Täter, bei denen weder Persönlichkeit noch Tatschuld eine über die Verwarnung (und ggf. Auflagen/Weisungen nach § 59a StGB) hinausgehende präventive Einwirkung erforderlich machen. 2. Auflagen Daneben existieren noch Auflagen, die das Gericht nach § 56b StGB im Zusammenhang mit der Straf(rest)aussetzung zur Bewährung (§§ 56, 57 Abs. 3 S. 1 StGB) und auch bei der soeben dargestellten Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB) nach § 59a StGB erteilen kann. Nach dem Wortlaut des Gesetzes in § 56b Abs. 1 S.1 StGB dienen sie der „Genugtuung für das begangene Unrecht“. Im Falle der Geldauflage (§ 56b Abs. 2 S. Nr. 4 StGB) wird sogar teilweise vertreten, dass sie eine Strafe im materiellen Sinne darstellt.285 Diese Qualifizie277 Lackner/Kühl28 /Kühl § 59 StGB Rn. 3; ähnlich Schönke/Schröder29 /Stree-Kinzig § 59 StGB Rn. 3: „zweifelhaft“. 278 Schönke/Schröder29 /Stree-Kinzig § 59 StGB Rn. 3; Lackner/Kühl28 /Kühl § 59 StGB Rn. 3; NK4 /Albrecht § 59 StGB Rn. 2; Beck-OK-StGB/von Heintschel-Heinegg § 59 StGB Rn. 4; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 856; LK12 /Hubrach vor §§ 59 bis 59c StGB Rn. 4; MüKo2 /Groß vor §§ 59 ff. StGB Rn. 1. 279 Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 855 f.; Lackner/Kühl28 /Kühl § 59 StGB Rn. 3. 280 Beck-OK-StGB/von Heintschel-Heinegg § 59 StGB Rn. 4. 281 Lackner/Kühl28 /Kühl § 59 StGB Rn. 3. 282 NK4 /Albrecht § 59 StGB Rn. 2. 283 Anders als informelle „Sanktionen“ wie z. B. § 153a StPO setzt § 59 StGB allerdings ein Urteil (und damit eine öffentliche Hauptverhandlung) oder einen Strafbefehl voraus. 284 § 12 Abs. 2 S. 2 BZRG.

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rung lässt sich aber mit Blick auf die Erteilung von Auflagen im Rahmen des § 59a StGB, der den Regelungen zur Aussetzung einer Freiheitsstrafe nach § 56b StGB stark ähnelt286, nicht aufrechterhalten.287 Denn dann würde das widersprüchliche Ergebnis eintreten, dass eine Hauptsanktion, die eindeutig NichtStrafe ist und auf Fälle fehlender Strafnotwendigkeit abzielt, mit einer strafenden Nebenrechtsfolge verknüpft wird.288 Ein Unterschied zur Strafe besteht ferner darin, dass Auflagen nicht vollstreckt, d.h. nicht als solche durchgesetzt, werden können.289 Überzeugender erscheint es deshalb, mit Lackner/Kühl in den Auflagen lediglich „strafähnliche Maßnahmen“ 290 zu sehen. Diese Ähnlichkeit liegt im primär repressiven Charakter der Auflagen begründet, den sie durch den gezielten Eingriff in Rechtspositionen des Täters gewinnt (Übelszufügung).291 Andererseits ist § 56b StGB (ebenso wie § 59a StGB) bereits systematisch im StGB nicht dem Abschnitt über die Strafen zugeteilt und unterfällt auch nicht dem strengen Schuldprinzip des § 46 StGB.292 Und das nach dem Wortlaut des Gesetzes verfolgte Ziel der „Genugtuung“ ist schließlich dem der Strafe zwar ähnlich, aber eben nicht identisch mit den allgemeinen Strafzwecken. Von Genugtuung wird nämlich dann ausgegangen, wenn die Auflagen in der Rechtsgemeinschaft ein Gefühl der Befriedigung darüber hervorrufen, dass die vom Verurteilten ver285

Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 154. Die Parallele ebenfalls betonend: MüKo2 /Groß § 59a StGB Rn. 1; Schönke/ Schröder29 /Stree-Kinzig § 59a StGB Rn. 4; Lackner/Kühl28 /Kühl § 59a StGB Rn. 2 verweist schlicht auf seine Kommentierung zu § 56b StGB. Nach NK4 /Albrecht § 59a StGB soll er gar „ein perfektes Spiegelbild“ sein, was aber nicht zutrifft. Siehe zu den Unterschieden nämlich Fischer62 § 59a StGB Rn. 4 ff. Dass die Rechtsnatur der Auflagen in §§ 56b und 59a StGB aufgrund dieser kleinen Abweichungen aber unterschiedlich zu bestimmen sei, wird man schwerlich behaupten können. „Auflagen und Weisungen behalten vielmehr die Aufgabe, die ihnen bei der Strafaussetzung zur Bewährung (vgl. §§ 56b, c) obliegt“, so zutreffend Schönke/Schröder29 /Stree-Kinzig § 59a StGB Rn. 4. 287 Eine andere Sicht wäre nur möglich, wenn man die Rechtsnatur der Auflagen in § 56b StGB und § 59a StGB unterschiedlich beurteilen würde, was aber zu begründen wäre. Siehe oben 1. Teil: Fn. 286. 288 Bezüglich des § 59a StGB und der Nebenstrafe des § 44 StGB wird dies von der ganz h. M. ausdrücklich abgelehnt, s. o. 1. Teil: Fn. 127. 289 MüKo2 /Groß § 56b StGB Rn. 1. Ihre Nichtbefolgung kann jedoch nach § 56f StGB mit dem Widerruf der Strafaussetzung geahndet werden. Für die Verwarnung mit Strafvorbehalt verweist § 59b Abs. 1 StGB auf § 56f StGB. 290 Lackner/Kühl28 /Heger § 56b StGB Rn. 1. 291 MüKo2 /Groß § 56b StGB Rn. 2; OLG Zweibrücken JR 1991, 920; Fischer62 § 56b StGB Rn. 2; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 840; Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig § 56b StGB Rn. 2; a. A. OLG Frankfurt NJW 1971, 720: „Mittel, die die Resozialisierung fördern sollen.“ NK4 /Ostendorf § 56b StGB Rn. 1: „Denkzettel für ähnliche Konfliktsituationen.“ Ähnlich OLG Celle NStZ 1990, 148 mit abl. Anm. Arloth. 292 s. MüKo2 /Groß § 56b StGB Rn. 2. 286

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

ursachte Rechtsverletzung nicht ohne Sanktion bleibt.293 Hier spielt demnach der Aspekt der Normbekräftigung durch eine – im Gegensatz zur im Übrigen eher „virtuellen“ 294 Wirkung einer Aussetzungsentscheidung nach §§ 56, 57, 59 StGB – spürbare Sanktionierung des Normbruchs eine Rolle. Auflagen fügen dem Täter ein Übel zu, das ihm durch die nicht vollstreckte Freiheitsstrafe (bzw. vorbehaltene Geldstrafe) erspart bleibt, und sorgen damit für eine unter Schuldgesichtspunkten gleich angemessene Belastung im Sanktionssystem.295 Es ist zwar nicht auszuschließen, dass die Übelszufügung durch Auflagen in manchen Fällen auch spezialpräventiv wirkt, dies ist aber nicht ihre eigentliche Funktion296. Für etwaige echte spezialpräventive Bedürfnisse sind die Weisungen in §§ 56c, 59a Abs. 2 S. 1 Nr. 4 u. 5 StGB zuständig, wie bereits aus systematischen Gründen ersichtlich ist.297 3. Weisungen Eng verwandt mit den Auflagen sind die Weisungen nach §§ 56c, 59a StGB. Auch sie stellen vom Gericht verhängte Verpflichtungen im Rahmen der Straf(rest)aussetzung zur Bewährung oder der Verwarnung mit Strafvorbehalt dar, die nicht als solche erzwungen werden können, deren Nichtbefolgung aber nach §§ 56f, 59b StGB sanktioniert ist.298 Im Unterschied zu den rein repressiven Auflagen zeichnen sich die Weisungen durch ihren individualpräventiven Charakter aus.299 Mit den Weisungen soll in erster Linie die Resozialisierung des Täters gefördert und es sollen Rückfallgefahren verringert werden. Trotz einer teilweise repressiven Wirkung als „aufgedrängte Hilfe“, die z. T. massiv in die Lebensführung eingreift, sind die Weisungen ausschließlich spezialpräventiv konzipiert, ohne Bezug zur strafrechtlichen Schuld. Eine Grenze bildet insoweit aber das Verfassungsrecht.300 Zu beachten ist nicht nur die Verhältnismäßigkeit (d.h. die Weisung darf nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der begangenen Tat stehen), sondern auch das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot (bez. der Formulierung der Weisung) und spezielle Grundrechte wie z. B. die Berufs- oder Religionsfreiheit (Art. 4, 12 GG) begrenzen die Erteilung von Weisungen.301 LK12 /Hubrach § 56b StGB Rn. 2; ähnlich MüKo2 /Groß § 56b StGB Rn. 2 und Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig § 56b StGB Rn. 4. 294 So treffend MüKo2 /Groß § 56b StGB Rn. 2. 295 Meier, Sanktionen, 2015, S. 120 f. 296 Ebenso Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig § 56b StGB Rn. 4. 297 Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig § 56c StGB Rn. 1 m.w. N. 298 MüKo2 /Groß § 56c StGB Rn. 1. 299 Lackner/Kühl28 /Heger § 56c StGB Rn. 1; MüKo2 /Groß § 56c StGB Rn. 2; Fischer62 § 56c StGB Rn. 1a; NK4 /Ostendorf § 56c StGB Rn. 1; OLG Jena NStZ 2006, 39; Beck-OK-StGB/von Heintschel-Heinegg § 56c StGB Rn. 1. 300 MüKo2 /Groß § 56c StGB Rn. 2. 301 Lackner/Kühl28 /Heger § 56c StGB Rn. 2 m.w. N. 293

A. Das „zweispurige Sanktionensystem‘‘

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Zur Sanktion sui generis wird die Weisung, weil sie mit ihrer Anknüpfung an eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe (oder vorbehaltene Geldstrafe) einerseits nur bei schuldhafter Begehung angeordnet werden kann, was ihre Maßregelqualität ausschließt. Andererseits ist ihr Zweck – schon aus systematischen Gründen im Vergleich zur Auflage – rein spezialpräventiv und nicht ahndend, was den Strafcharakter ausschließt. Hinzu kommt wie bei der Auflage, dass auch die Weisung im Zusammenhang mit der nichtstrafenden Verwarnung mit Strafvorbehalt ausgesprochen werden kann (§ 59a StGB), weshalb sie materiell weder Strafe noch Maßregel (s. § 59 Abs. 2 StGB) sein kann.

VI. Die Nebenfolge Doch das Sanktionenrecht des StGB erschöpft sich noch nicht in den beiden zuvor genannten Spuren, ihren Untersanktionen und einzelnen Rechtsfolgen eigener Art. Zwischen302 Strafe und Maßregel gibt es noch die unscheinbar wirkende „Nebenfolge“. Was eine strafrechtliche Nebenfolge ausmacht, insbesondere wie sie sich in das sog. zweispurige Sanktionensystem des StGB einfügt, ist jedoch seit der Einführung der §§ 45 ff. StGB durch das 1. StrRG im Jahre 1969303 nicht abschließend geklärt worden und bis heute umstritten. Genauso wie sich unter der gesetzlichen Überschrift der „Nebenstrafe“ nur das Fahrverbot in § 44 StGB findet, listet das StGB unter der gesetzlichen Überschrift „Nebenfolgen“ nur den „Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts“ in § 45 StGB mit Ausführungsbestimmungen in § 45a StGB (Eintritt und Berechnung des Verlustes) und § 45b StGB (Wiederverleihung von Fähigkeiten und Rechten) auf. Deshalb ist die bisherige Diskussion um Wesen, Inhalt und Anwendung der Nebenfolge – ähnlich, wenngleich nicht im selben Maße wie bei Nebenstrafe und Fahrverbot (s. o. 1. Teil: A. II.) – im Wesentlichen auf § 45 StGB beschränkt. Daneben existieren allerdings noch weitere Rechtsfolgen insbesondere im Neben(straf)recht, die derzeit teilweise als Nebenfolge eingestuft werden und auf die im Folgenden noch einzugehen ist. Dazu gehören z. B. die §§ 165, 200 StGB (Bekanntgabe der Verurteilung), 25 JArbSchG (Verbot der Beschäftigung durch bestimmte Personen), 20 TierSchG (Verbot der Tierhaltung).

302 Auch im nummerischen Sinne liegt § 45 StGB zwischen den §§ 38 ff. StGB und den §§ 61 ff. StGB. 303 Erstes Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 25.06.1969, BGBl. I S. 645: damals als §§ 31 bis 33 StGB a. F. Mit dem 2. StrRG vom 04.07.1969 (BGBl. I S. 717), das nach Maßgabe des Gesetzes über das Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Reform des Strafrechts vom 30. Juli 1973 (BGBl. I S. 909) am 01.01.1975 in Kraft getreten ist, wurden die heute noch geltenden §§ 45 bis 45b geschaffen, die bis auf eine kleine Abweichung in § 45a Abs. 3 StGB mit den §§ 31 bis 33 StGB a. F. wörtlich übereinstimmen.

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

VII. Fazit Nach dieser Darstellung des Sanktionenrechts des StGB ist das Bild der „Zweispurigkeit“ bereits erheblich relativiert. Neben den trotz einiger Überschneidungen klar abgrenzbaren beiden großen Spuren der Strafen und Maßregeln existiert als „Unterspur“ der Strafe die Nebenstrafe und eine bislang unvollkommen dritte Spur der Wiedergutmachung. Dazwischen finden sich überdies vereinzelte Sanktionen eigener Art. All dies fügt sich zusammen zu dem Bild eines sehr ausdifferenzierten Rechtsfolgensystems, das zum Schutz bedeutender Rechtsgüter bestimmt ist. Individuell für jeden Täter und für jeden Einzelfall soll eine Vielfalt an Sanktionen sicherstellen, dass Schuldausgleich und vor allem auch die gewünschten präventiven Zwecke erreicht werden können. Im Folgenden soll nun geklärt werden, wie sich die Nebenfolge in dieses System einfügt.

B. Entstehungsgeschichte der §§ 45 ff. StGB Angesichts des Umstandes, dass unter der gesetzlichen Überschrift „Nebenfolgen“ ausschließlich die §§ 45 ff. StGB zu finden sind, müssen diese Normen der Ausgangspunkt sein, um sich Wesen und Inhalt dieser Rechtsfolge zu nähern. Die §§ 45 ff. StGB lauten in der aktuellen Fassung304: Nebenfolgen § 45 Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts (1) Wer wegen eines Verbrechens zu Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird, verliert für die Dauer von fünf Jahren die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen. (2) Das Gericht kann dem Verurteilten für die Dauer von zwei bis zu fünf Jahren die in Absatz 1 bezeichneten Fähigkeiten aberkennen, soweit das Gesetz es besonders vorsieht. (3) Mit dem Verlust der Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, verliert der Verurteilte zugleich die entsprechenden Rechtsstellungen und Rechte, die er innehat. (4) Mit dem Verlust der Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, verliert der Verurteilte zugleich die entsprechenden Rechtsstellungen und Rechte, die er innehat, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. (5) Das Gericht kann dem Verurteilten für die Dauer von zwei bis zu fünf Jahren das Recht, in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, aberkennen, soweit das Gesetz es besonders vorsieht. § 45a Eintritt und Berechnung des Verlustes (1) Der Verlust der Fähigkeiten, Rechtsstellungen und Rechte wird mit der Rechtskraft des Urteils wirksam. 304 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Art. 1 des Gesetzes vom 23. April 2014 (BGBl. I S. 410) geändert worden ist.

B. Entstehungsgeschichte der §§ 45 ff. StGB

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(2) Die Dauer des Verlustes einer Fähigkeit oder eines Rechts wird von dem Tage an gerechnet, an dem die Freiheitsstrafe verbüßt, verjährt oder erlassen ist. Ist neben der Freiheitsstrafe eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden, so wird die Frist erst von dem Tage an gerechnet, an dem auch die Maßregel erledigt ist. (3) War die Vollstreckung der Strafe, des Strafrestes oder der Maßregel zur Bewährung oder im Gnadenweg ausgesetzt, so wird in die Frist die Bewährungszeit eingerechnet, wenn nach deren Ablauf die Strafe oder der Strafrest erlassen wird oder die Maßregel erledigt ist. § 45b Wiederverleihung von Fähigkeiten und Rechten (1) Das Gericht kann nach § 45 Abs. 1 und 2 verlorene Fähigkeiten und nach § 45 Abs. 5 verlorene Rechte wiederverleihen, wenn 1. der Verlust die Hälfte der Zeit, für die er dauern sollte, wirksam war und 2. zu erwarten ist, daß der Verurteilte künftig keine vorsätzlichen Straftaten mehr begehen wird. (2) In die Fristen wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Verurteilte auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist.

Auch wenn die vorliegende Untersuchung keine rechtshistorische ist, bedarf es einer Darstellung der Entstehungsgeschichte des Verlusts der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts sowohl zum besseren Verständnis des aktuellen Meinungsstandes in Literatur und Rechtsprechung als auch zur Entwicklung eines eigenen Standpunktes. Die Genese der Nebenfolge, wie sie heute im StGB geregelt ist, hängt maßgeblich mit der Entwicklung des StGB seit Mitte des 20. Jahrhunderts zusammen. Deshalb konzentriert sich die Untersuchung im Folgenden neben einzelnen Schwerpunkten wie dem Bayerischen StGB von 1813 auf die jüngere Historie seit der Kodifikation des RStGB, ohne dass sie allerdings auf die Darstellung frühere Epochen gänzlich verzichten kann.

I. Geschichtliche Entwicklung der Ehrenstrafen bis zum RStGB von 1871 Eine vertiefende Darstellung insbesondere der früheren „Ehrenstrafen“ und ihrer Ausgestaltung in den zurückliegenden Epochen vor der Kodifikation des Reichsstrafgesetzbuchs (RStGB)305 ist bereits an anderer Stelle geleistet worden306. Hier soll ein kurzer Überblick genügen.

305 Abdruck etwa bei Vormbaum/Welp, Strafgesetzbuch I oder in synoptischer Form bei Fuchs, StGB 1871–2013. 306 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, Kapitel 3 (S. 79–137); Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 20–26; zuvor etwa Kühne, Ehrenstrafen, 1931, S. 3–13. Kießlich, Ehrenstrafe, 1911, S. 10–23; Hagen, Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte, 1932, S. 7–30.

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

1. Antike Die Geschichte der Ehrenstrafen reicht zurück bis in die Antike. Um den Ursprung und die Entwicklung ehrstrafender Sanktionen nachvollziehen zu können, ist zunächst zwischen dem römischen und dem germanischen Begriff der Ehre zu unterscheiden. a) Römischer Rechtskreis Nach römischem Verständnis wurde dem Bürger seine Ehre (sog. existimatio) erst durch den Staat verliehen und konnte dementsprechend wieder entzogen werden.307 Die römische Ehre bündelte sämtliche politischen Teilhaberechte308, aber auch eine Reihe privatrechtlicher Befugnisse wie z. B. das Recht zu be- und vererben309. Im Laufe der Zeit entwickelten sich verschiedene Formen ihrer Entziehung. Der vollständige Verlust der bürgerlichen Ehre war keine selbstständige Sanktion, sondern Folge schwerer Straftaten (Staatsverbrechen) und erfolgte stets auf Lebenszeit.310 Wichtigste Konsequenz war die Vermögenskonfiskation, weshalb diese Sanktion nur gegen Personen mit anerkannter Rechtspersönlichkeit verhängt und bei „geringen Leuten“ und Unfreien durch Zwangsarbeit ersetzt wurde.311 Später verband man auch mit anderen Delikten als Begleitstrafe den Verlust gewisser Bürgerrechte.312 Daneben existierten echte Schandstrafen, die sogar gegenüber Freigeborenen verhängt werden konnten und die den Verurteilten bereits durch ihren Vollzug in der Öffentlichkeit bloßstellten und entehrten.313 Wurden sie gegen einen römischen Bürger verhängt, verlor er seine Bürgerrechte.314 b) Germanischer Rechtskreis Vorab ist zu bemerken, dass die Quellenlage zur germanischen Ehrenstrafe höchst unsicher ist.315 Als gesichert gilt lediglich, dass sich das germanische Ehr307 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 80; Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 20; Kießlich, Ehrenstrafe, 1911, S. 10. 308 Kießlich, Ehrenstrafe, 1911, S. 10. 309 Goetze, ZStW 55 (1936), 533, 534, dessen Beitrag im historischen Teil sehr akribisch ist, bevor er sich ab S. 566 zu kruden nationalsozialistischen Ideen einer ächtenden Hauptstrafe versteigt. 310 Mommsen, Römisches Strafrecht, 1899, S. 956 f. 311 Mommsen, Römisches Strafrecht, 1899, S. 958. 312 Goetze, ZStW 55 (1936), 533, 534 f.; Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 80; Mommsen, Römisches Strafrecht, 1899, S. 986 ff. 313 Bekannt ist etwa die sog. furca, ein ursprünglich landwirtschaftliches Gerät aus Holz, an das der Straftäter gefesselt wurde, um ausgepeitscht zu werden. Siehe Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 21 m.w. N. 314 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 81; Quanter, Schand- und Ehrenstrafen, 1901, S. 46. 315 Eingehend dazu Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 85 ff.

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verständnis vom römischen in erster Linie durch den Umstand unterschied, dass die Germanen keinem Staat zugehörig waren, der ihnen die bürgerliche Ehre hätte verleihen können.316 Ihre Ehre hat sich vielmehr aus dem Stand der Person im Kreis ebenbürtiger Stammesgenossen ergeben, weshalb hier von einer individualistischen Ehrvorstellung gesprochen wird.317 Die Ehre resultierte im germanischen Rechtskreis aus der Persönlichkeit des unbescholtenen Stammesmitglieds und konnte ihm abgesprochen werden – sie war somit keinesfalls unantastbar.318 Wesentlicher Inhalt des ansonsten nicht klar definierbaren Ehrbegriffs war die Treue.319 Darunter ist der Zusammenhalt in der Stammesgemeinschaft zu verstehen. Wer heimliche und/oder hinterlistige Straftaten beging, verhielt sich treulos und wurde mit der sog. Friedlosigkeit belegt.320 Ihre Existenz und ihr Inhalt sind jedoch aufgrund ideologisch verklärter Rezeption nur unter größtem Vorbehalt zu sehen.321 Sie soll die neben der Todesstrafe besonders einschneidende Rechtsfolge gewesen sein und nicht weniger als den vollständigen Ausschluss aus der Stammesgemeinschaft bedeutet haben. Die Treue habe sich bei Eintritt der Friedlosigkeit geradezu umgekehrt und dazu geführt, dass der Täter nicht nur keine Unterstützung mehr erhielt, sondern von Seiten der Stammesgemeinschaft sogar aktiv gegen ihn eingeschritten werden musste.322 Die Friedlosigkeit sei nicht Folge der Verurteilung gewesen, sondern soll schon unmittelbar mit der Begehung der Straftat selbst eingetreten sein.323 Nur für den Fall, dass der Täter nicht bei der Tat betroffen worden sei, habe sie durch ein Gericht festgestellt werden müssen.324 Daneben sollen als Minus zur Friedlosigkeit auch noch Formen der Recht- und Ehrlosigkeit existiert haben, die eine Minderung von Teilhaberechten bewirkt haben sollen.325 Gegenstand waren etwa die Unfähigkeit zur Bekleidung bestimmter öffentlicher Ämter, Lehensunfähigkeit sowie teilweise Rechtsunfähigkeit.326 316 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 83; Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 21; Kießlich, Ehrenstrafe, 1911, S. 11. 317 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 83; Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 21; Kühne, Ehrenstrafen, 1931, S. 4 f., 11 f. 318 Kießlich, Ehrenstrafe, 1911, S. 11; Dolles, Nebenstrafe an der Ehre, 1914, S. 22 f. 319 Hagen, Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte, 1932, S. 9. 320 Eb. Schmidt, Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1965, S. 29 f. 321 Rüping/Jerouschek, Grundriss Strafrechtsgeschichte, 2011, S. 2, Rn. 2. 322 Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 21 f.; Eb. Schmidt, Geschichte Strafrechtspflege, 1965, S. 29 f.; Fuchs, Ehrenstrafen, 1928, S. 33. 323 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 84; Fuchs, Ehrenstrafen, 1928, S. 32. 324 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 84; Fuchs, Ehrenstrafen, 1928, S. 32. 325 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 84; Fuchs, Ehrenstrafen, 1928, S. 35 ff.; Hagen, Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte, 1932, S. 10 f.; Dolles, Nebenstrafe an der Ehre, 1914, S. 22 f. 326 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 84; Hagen, Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte, 1932, S. 10 f.

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

2. (Hoch-)Mittelalter und Frühe Neuzeit Das Strafrecht des Mittelalters strahlt auf das heutige Strafrecht zwar nicht mehr unmittelbar aus, weshalb der Gegenstand der vorliegenden Untersuchung keine eingehende Analyse seines Rechts erfordert. Dennoch hat sein Strafensystem die folgenden Jahrhunderte geprägt und verdient deshalb einen (Über-) Blick. Die Quellenlage zum Mittelalter ist jedoch teilweise dünn und insgesamt unübersichtlich.327 Zu berücksichtigen ist insbesondere, dass es in dieser Zeit weder ein „Deutschland“ noch eine für das gesamte Gebiet der heutigen Bundesrepublik gültige Kodifikation gab, sondern dass je nach Region z. T. sehr unterschiedlich gestraft wurde, vielfach ohne geschriebenes Recht, also rein gewohnheitsrechtlich. Die Darstellung der strafrechtlichen Sanktionen des Mittelalters soll sich deshalb auf die folgenden allgemeinen Ausführungen beschränken. Das Strafrecht des Mittelalters war von Vergeltung und Abschreckung geprägt328 und besonders durch seine peinlichen Strafen gekennzeichnet329. Nicht von ungefähr verbindet noch heute nahezu jeder die spiegelnden (z. B. Abschneiden der Zunge bei Meineid) oder demütigenden Strafen (z. B. Ausstellung am Pranger) mit dieser Zeit. Allerdings findet sich der Gedanke der Talion, der z. T. auch als Fortschritt in Form einer Begrenzung der Strafe (i. S. v. „Auge nur um Auge, Zahn nur um Zahn“) verstanden wird,330 noch heute im StGB.331 Das Mittelalter gilt als Hochzeit der Schand- und Ehrenstrafen,332 die daher in der strafrechtsgeschichtlichen Forschung bereits näher untersucht worden sind333. Was die Ehrenstrafen betrifft, steht das mittelalterliche Verständnis in der Tradition des germanischen Ehrbegriffs,334 wurde aber auch vom römischen und kirchenrechtlichen Ehrverständnis beeinflusst335. Es bildeten sich damals verschiedenartige Ehrenstrafen heraus, die eng mit der ständischen Zugehörigkeit der zu bestrafenden Person zusammenhingen. Unterteilen lassen sich die vielen Sanktionen allgemein in solche, die beschimpfend waren und den zu Bestrafenden

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Eb. Schmidt, Geschichte Strafrechtspflege, 1965, S. 47. Kießlich, Ehrenstrafen, 1911, S. 12. 329 Rüping/Jerouschek, Grundriss Strafrechtsgeschichte, 2011, S. 27 f. Rn. 63 ff.; Eb. Schmidt, Geschichte Strafrechtspflege, 1965, S. 46, 57 ff. 330 Kurzer Überblick über die Deutung des Bibelspruchs beim Theologen Oeming unter http://www.uni-heidelberg.de/presse/ruca/ruca03-3/auge.html (zuletzt abgerufen am 03.01.2015). 331 s. etwa das Fahrverbot nach § 44 StGB für Delikte im Zusammenhang mit der Straßenverkehr. 332 So schon Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 22. 333 Eingehend zum System damaliger Strafen His, Strafrecht Mittelalter I, 1920, S. 342 ff. (Überblick über die Ehrenstrafen ab S. 569 ff.). 334 Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 22. 335 Kießlich, Ehrenstrafen, 1911, S. 10 f. 328

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demütigen und verunglimpfen sollten, und solche, die ihm dauerhaft („nur“) die Ehre entziehen sollten336 – es gab aber insofern Überschneidungen, als mit der Verurteilung zu einer ehrkränkenden Strafe („Strafe zu Hals und Hand/Haut und Haar“) die Ehrlosigkeit bzw. Rechtslosigkeit eintrat337. Der Entzug der Ehrenrechte betraf aber nur diejenigen Teile der ständischen Gesellschaft, die überhaupt im Besitz der vollen Rechte waren. Bestimmte Bevölkerungsgruppen waren nämlich von vornherein (z. B. Juden338 oder uneheliche Geborene) oder wegen ihres Berufs (Henker, Prostituierte) „anrüchig“ und besaßen deshalb keine volle Rechtsfähigkeit.339 Für Fälle, in denen erst die eigene Handlung zur Verwirkung des Rechts führte, gab es eine Reihe rein ächtender Sanktionen.340 Sie waren meist für sog. unehrliche Vergehen (Diebstahl, Meineid) vorgesehen und führten durch die mit Verurteilung (teilweise – wie bei den Germanen – aber schon durch die Tat selbst) eintretende „Rechtlosigkeit“ zum Verlust bestimmter Teilhaberechte. 341 Gemeint waren mit diesem Begriff wohl ursprünglich die Gerichtsfähigkeit und damit verbundene Rechte (Unfähigkeit zum Richteramt, Zeugen und Eidhelfer; Lehensunfähigkeit; Ausschluss aus Handwerkerzünften).342 Je nach Stadt/Region konnten darüber hinaus aber noch weitere Rechtsverluste eintreten: So führte bspw. in Nürnberg der Ehrverlust zusätzlich zum Verbot, eine Waffe zu tragen.343 Auch in der Schweiz waren Ehr- und Wehrlosigkeit miteinander verbunden („von Ehr und Gewehr setzen“)344 und wurden mit einem abgebrochenen Beimesser symbolisiert, das der Ehrlose bei sich tragen musste345. Auch das Strafrecht der Frühen Neuzeit offenbarte wenig Fortschritt im Bereich der strafrechtlichen Sanktionen. So warnt Radbruch seine Leser vor Lektüre der beinahe drei Jahrhunderte lang geltenden Constitutio Criminalis Caro336 Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 22; His, Strafrecht Mittelalter I, 1920, S. 569. Eine besonders schmerzvolle und gleichzeitig entwürdigende Bestrafung war etwa der sog. Staupenschlag, bei dem Straftäter entweder mit entblößtem Körper mit Rutenschlägen auf den Rücken durch die Gassen geprügelt oder öffentlich am Pranger ausgepeitscht wurde. Mit dem Staupenschlag wurde der Delinquent „infam“ und ehrlos und wurde des Landes verwiesen. Ausführlich dazu und zu vielen weiteren Formen der Schandstrafen: Quanter, Schand- und Ehrenstrafen, 1901, S. 124 ff. 337 s. etwa Friese, Sachsenspiegel, 1898, S. 139. 338 Näher dazu Rüping/Jerouschek, Grundriss Strafrechtsgeschichte, 2011, S. 19 Rn. 42. 339 Quanter, Schand- und Ehrenstrafen, 1901, S. 26; s. zu dieser Differenzierung im Gewohnheitsrecht des Sachsenspiegels Friese, Sachsenspiegel, 1898, S. 209. 340 Überblick etwa bei Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 89 und His, Strafrecht Mittelalter I, 1920, S. 570 ff. 341 Siehe ausführlich am Beispiel des Sachsenspiegels Friese, Sachsenspiegel, 1898, S. 209 ff. 342 His, Strafrecht Mittelalter I, 1920, S. 579. 343 His, Strafrecht Mittelalter I, 1920, S. 582 m.w. N. 344 Osenbrüggen, Alamannisches Strafrecht, 1860, S. 106. 345 His, Strafrecht Mittelalter I, 1920, S. 582 m.w. N.

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

lina (CCC) von 1532, auch Peinliche Gerichtsordnung Karls V. (PGO)346 genannt, ihre Nerven ob der Grausamkeit der angedrohten Strafen „mit dreifach Erz zu wappnen“.347 Wie zuvor im Mittelalter wurden die Straftäter auch nach der CCC gevierteilt348, gerädert349, verbrannt350 oder öffentlich am Galgen gehängt351 – diese an sich schon qualifizierten Todesstrafen konnten sogar noch durch das „Schleifen zur Richtstatt“ oder durch das „Reißen mit glühenden Zangen“ geschärft werden352. Für die minder schweren Delikte sah die CCC fast nur Leibesstrafen vor.353 Jede Berührung mit der Hand des als unehrlich angesehenen Henkers machte auch damals nach der Anschauung des Volkes ehrlos.354 Zum Verlust der Ehre führten insbesondere Pranger, Staupenschlag und Landesverweisung.355 Daneben gab es eine selbständige Ehrenstrafe in Form der Infamie (Ehrlosigkeit).356 Ohne dass dies im Gesetz näher ausgeführt würde, dürfte damit in der Tradition zuvor praktizierter Ehrenstrafen der Verlust der Gerichtsfähigkeit und damit verbundener Rechte gemeint sein. Obwohl die Frühe Neuzeit mit der CCC eine erste – zumindest ihrem anfänglichen Anspruch nach – für das gesamte damalige Reichsgebiet Geltung beanspruchende Strafgesetzkodifikation einen bedeutenden Fortschritt für die Strafgesetzgebung hervor gebracht hat,357 bringt sie als Epoche des Übergangs im Bereich der Ehrenstrafen noch nichts Neues. 3. 18. bis Mitte des 20. Jahrhunderts Eine bedeutende Epoche für die Entwicklung der Ehrenstrafen ist dagegen die der Aufklärung und Territorialgesetzbücher. Nachdem sich der Fortschritt im strafrechtlichen Sanktionensystem bisher kaum merklich vollzog, zeichnet sich in dieser Zeit eine Wende ab.

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Aktuellste Redaktion bei F. C. Schroeder (Hrsg.), PGO, 2000. Radbruch in: Radbruch/Kaufmann (Hrsg.), PGO, 1975, S. 12. 348 Art. 124 PGO: Verräter. 349 Art. 130, 137 PGO für Mörder und Giftmischer. 350 Art. 111, 125 PGO für Brandstifter und Münzfälscher, aber nach Art. 109, 116, 172 PGO auch für Hexen u. a. 351 Art. 159, 162 PGO für Einbruchs- und Rückfalldiebe. 352 Art. 124, 130 f., 137 PGO. 353 Z. B. Art. 107 PGO: Abhauen des Schwurfingers bei Meineid, Art. 123: Ohrenabschneiden für Kuppelei. 354 Radbruch in: Radbruch/Kaufmann (Hrsg.), PGO, 1975, S. 12; Eb. Schmidt, Geschichte Strafrechtspflege, 1965, S. 185. 355 Art. 113, 115, 123, 127, 158, 161, 164 PGO. 356 Art. 107 („aller Ehren entsetzt“), 122 („ehrloß“): Meineid und Kuppelei. 357 Näher dazu Radbruch in: Radbruch/Kaufmann (Hrsg.), PGO, 1975, S. 14 ff. 347

B. Entstehungsgeschichte der §§ 45 ff. StGB

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a) Allgemein zur Aufklärung Die Epoche der Aufklärung legte den Grundstein für die spätere Zurückdrängung der Schand- und Ehrenstrafen im Strafrecht. Mit der Ausrichtung der Strafe auf eine Förderung des Allgemeinwohls (salus publica) gerieten seinerzeit insbesondere die verstümmelnden Strafen unter Rechtfertigungsdruck.358 Derartige Sanktionen waren mit den neuen Leitgedanken des Strafrechts, d.h. der Proportionalität und Nützlichkeit, schwerlich zu vereinbaren.359 Aber auch der Sinn von Ehrenstrafen wurde hinterfragt und es wurde u. a. von dem Kriminologen und Strafrechtsgelehrten Cesare Beccaria die Forderung erhoben, mit der Verhängung der Ehrenstrafe zurückhaltender umzugehen.360 Die gänzliche Abschaffung der Ehrlosigkeit forderte er allerdings genauso wenig wie andere führende Denker der Aufklärung.361 Eine wichtige Begrenzung erfuhr die Ehrenstrafe immerhin insoweit, als sie nur noch den als äußere Ehre begriffenen sozialen Geltungsanspruch des Einzelnen betreffen sollte.362 Als Anknüpfungspunkt für die Sanktion kamen somit nur die vom Staat gewährten bürgerlichen Ehrenrechte in Betracht, während der Wert des Einzelnen als Person dem staatlichen Zugriff entzogen sein sollte.363 Echte Schandstrafen, wie sie im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit noch Hochkonjunktur hatten, verloren dagegen durch die Aufklärung ihre Legitimation vollständig. In dieser Zeit traten sogar erste Ansätze des Besserungsgedankens zu Tage, aus dessen Blickwinkel entehrende Sanktionen geradezu kontraproduktiv erscheinen mussten.364 Es liegt angesichts der weiteren Entwicklung der Ehrenstrafen jedoch nahe, dass in der Anschauung der Bevölkerung nach wie vor anerkannt war, dass bestimmte Straftaten von Ehrlosigkeit zeugten und entsprechend bestraft werden mussten. Manche Aspekte, wie etwa dass die Berührung mit der Henkershand ehrlos machte, waren ohnehin niemals gesetzlich geregelt, sondern „nur“ in der Anschauung des Volkes verwurzelt.365 Dies erklärt, warum dem Aufklärungsgedanken kein schneller Erfolg vergönnt war. Vielmehr benötigte es eine gehörige Zeit, bis das Verständnis der Gleichheit vor dem Gesetz und der Anerkennung des Individuums als Rechtspersönlichkeit gegenüber dem Staat in den neuen Strafrechtskodifikationen zum Ausdruck kam.366 Dies 358

Rüping/Jerouschek, Grundriss Strafrechtsgeschichte, 2011, S. 69 Rn. 166 ff. Sellert/Rüping, Geschichte Strafrechtspflege I, 1989, S. 368 ff. 360 Beccaria, Verbrechen, 1766, S. 112. 361 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 97 f. m.w. N. 362 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 98; Mantler, Ehrenstrafen, 1936, S. 15; Hagen, Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte, 1932, S. 17. 363 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 98; Holzer, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, 1913, S. 7; Fuchs, Ehrenstrafen, 1928, S. 52. 364 So Grünhut, ZStW 46 (1925), 260, 261. 365 Radbruch in: Radbruch/Kaufmann (Hrsg.), PGO, 1975, S. 12; Eb. Schmidt, Geschichte Strafrechtspflege, 1965, S. 185. 366 Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 24. 359

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

wird bereits daran deutlich, dass etwa der napoleonische Code pénal von 1810 – aus heutiger Perspektive betrachtet – trotz seiner revolutionären Genese367 in weiten Teilen restaurativ (und in Bezug auf die Fortschritte in der Rechtsphilosophie rückschrittlich) ausgestaltet war, insbesondere wegen eines rigiden Abschreckungsprinzips durch harte und grausame Strafen (dazu sogleich).368 Eine zumindest teilweise Ausnahme bildete insofern nur das Preußische Allgemeine Landrecht aus dem Jahr 1794, das einerseits immerhin schon zu diesem Zeitpunkt den Besserungsgedanken erwähnte, andererseits aber auch einem paternalistischen Erziehungsauftrag verhaftet war.369 Aus heutiger Sicht als Fortschritt bewertet wird, dass durch die Strafgesetzbücher der Territorialstaaten der Begriff des „Verlusts der bürgerlichen Ehrenrechte“ Einzug in die deutsche Rechtssprache hielt370, weil er wegen seiner Anknüpfung an äußere Teilhaberechte (statt an die personale Ehre/Würde) bereits auf ein Zugeständnis an die Forderungen der Aufklärung hindeute371. Zu diesem Befund passt, dass sämtliche Kodifikationen dieser Zeit noch verschiedene Formen der Ehrenstrafe vorsahen. Auch das soeben erwähnte Preußische Allgemeine Landrecht von 1794 enthielt eine ganze Reihe Ehrenstrafen.372 So führte beispielsweise eine Verurteilung wegen Meineides zum Verlust aller Ämter, der bürgerlichen Ehre und des Gewerbes, was sich mit dem gesellschaftlichen Interesse an der Reinhaltung bestimmter sensibler Positionen erklären lässt373 – und damit der Stoßrichtung des heutigen § 45 StGB gar nicht so unähnlich ist374. b) Territorialgesetzbücher Für eine nähere Betrachtung werden von der Vielzahl verschiedener Kodifikationen nur solche herangezogen, die in derselben Entwicklungslinie wie das Preußische StGB von 1851 stehen. Das Preußische StGB ist nämlich eng mit dem Entwurf eines StGB für den Norddeutschen Bund verwandt, aus dem letztlich der unmittelbare Vorläufer unseres heutigen StGB, das RStGB von 1871, hervorgegangen ist. 367 Seine Vorgänger, die Dekrete von 1790 und 1791, waren dagegen deutlich humaner und besonders auf Wiedereingliederung des Straftäters gerichtet, s. Eb. Schmidt, Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1965, S. 260. 368 Schlosser, Rechtsgeschichte, 2012, S. 226; Eb. Schmidt, Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1965, S. 261. Näher dazu sogleich. 369 Schlosser, Rechtsgeschichte, 2012, S. 210. 370 Holzer, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, 1913, S. 7. 371 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 99. 372 Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 24; Kühne, Ehrenstrafen, 1931, S. 5; Fuchs, Ehrenstrafen, 1928, S. 53 f.; Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 100. 373 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 100. 374 s. dazu unten 1. Teil: D. I. 1. h) ee) (3).

B. Entstehungsgeschichte der §§ 45 ff. StGB

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aa) Constitutio Criminalis Theresiana Den Versuch, ein umfassendes System der Ehrenstrafen zu schaffen, unternahm als erstes Gesetzbuch die Österreichische Constitutio Criminalis Theresiana von 1768.375 Allgemein steht sie charakteristisch für die Zerrissenheit damaliger Strafgesetze zwischen dem Zeitgeist der Aufklärung und alter Tradition und Volksanschauung.376 Im Bereich der Ehrenstrafen wird dies daran deutlich, dass es einerseits Begrenzungen auf bestimmte Delikte gab, für die Ehrlosigkeit verhängt werden konnte377, dass neuerdings für die (abgesehen von der Todesstrafe) fakultative Verhängung der Ehrenstrafen die Gesinnung des Täters ausschlaggebend war378 und für den Täter sogar erstmals die Möglichkeit einer Rehabilitierung existierte379. Andererseits enthielt die Theresiana auch die herabwürdigende Prangerstrafe. Mit aufklärerischen Gedanken unvereinbar erscheinen ferner die exkludierenden Strafen, die eine vollständige Auslöschung der bürgerlichen Existenz bedeuteten.380 Schlosser sieht die Theresiana insgesamt wegen ihrer theokratischen Strafrechtsauffassung und ihrer grausamen Strafen sogar als schon bei ihrem Inkrafttreten nicht mehr zeitgemäß an.381 bb) Frankreichs Code pénal Der französische Code pénal von 1810, dem großer Einfluss auf das Preußische382 und das Bayerische StGB383 zugesprochen wird, setzte zu Abschreckungszwecken auf eine selbst für damalige Zeiten bemerkenswerte Härte der Strafen. In rechtstechnischer Hinsicht schlug er den neuen Weg ein, die Strafen allgemein wie auch speziell die Ehrenstrafen an bestimmte Deliktsarten zu knüpfen.384 Dazu waren die Delikte je nach Gewicht des Gesetzesverstoßes in Verbrechen, Vergehen und Übertretungen unterteilt (Art. 1 Code pénal). Für Verbrechen exis375 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 99; O. Freisler, ZStW 42 (1921), 438, 439; Mantler, Ehrenstrafen, 1936, S. 15. 376 O. Freisler, ZStW 42 (1921), 438, 439. 377 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 99. 378 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 99; Mantler, Ehrenstrafen, 1936, S. 15. 379 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 99 f.; Fuchs, Ehrenstrafen, 1928, S. 51. 380 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 100. 381 Schlosser, Rechtsgeschichte, 2012, S. 236. 382 Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 25; Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 101; Dolles, Nebenstrafe an der Ehre, 1914, S. 18, O. Freisler, ZStW 42 (1921), 438, 440; Hälschner, Deutsches Strafrecht I, 1881, S. 587; Brandt, Entstehung des Code pénal, 2002, S. 485. 383 Brandt, Entstehung des Code pénal, 2002, S. 485. 384 Näher zum Sanktionensystem des Code pénal Brandt, Entstehung des Code pénal, 2002, S. 107–125.

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

tierte wiederum ein abgestuftes System von Leibes- und Ehrenstrafen oder von Ehrenstrafen allein (Art. 6 Code pénal). Zu den entehrenden Leibesstrafen zählten etwa Todesstrafe, lebenslange Zwangsarbeit und Deportation (Art. 6 Code pénal). Diese Hauptstrafen waren entehrend, weil mit ihnen „akzessorische Nebenstrafen“ 385 an der Ehre einhergingen. Wurde ein Täter bspw. zu lebenslanger Zwangsarbeit oder Deportation verurteilt, trat unmittelbar der sog. „bürgerliche Tod“ (mort civile) ein, der gleichbedeutend mit der Vernichtung der rechtlichen Existenz war386 – eine besonders einschneidende Sanktion. Dem Gedanken der abgestuften Bestrafung entsprach es, dass die zeitige Zwangsarbeit einen Rechtsverlust von geringerem Umfang nach sich zog (Art. 28 Code pénal). Als reine Ehrenstrafen sah der Code pénal den Schandpfahl, die Verbannung und den Verlust der bürgerlichen Rechte vor (Art. 8 Code pénal). Der selbständig entehrende Verlust der bürgerlichen Rechte bestand in der Entsetzung und Ausschließung von allen öffentlichen Ämtern und Ehrenstellen sowie im Verlust der in Art. 28 Code pénal näher bezeichneten Rechte (Art. 34 Code pénal), darunter auch das Recht, Waffen zu tragen und in der Armee zu dienen. Im Zusammenhang mit Züchtigungsstrafen (Art. 9 Code pénal) konnte das Gericht ferner nach Ermessen Wahl- und Stimmrecht, Wählbarkeit und weitere einzelne Rechte aberkennen (Art. 42 Code pénal). Darüber hinaus kannte der Code pénal klassische demütigende Strafen wie die öffentliche Brandmarkung, öffentlich vollzogene Schärfungen der Todesstrafe oder die Zurschaustellung des Verurteilten am Schandpfahl (Art. 13, 20, 22 Code pénal), die wiederum zusätzlich die genannten Rechtsverluste bedingen konnten (so z. B. Art. 28 Code pénal für die Verurteilung zum Schandpfahl). cc) Bayerisches StGB Nähere Betrachtung verdient ferner das von dem Strafrechtsgelehrten Paul Johann Anselm von Feuerbach geprägte Bayerische StGB vom 16.05.1813.387 Diese Kodifikation wird bis heute in der strafrechtsgeschichtlichen Literatur überwiegend sehr positiv rezipiert.388 Das liegt – wohl neben einer Prise idealisierender Verklärung seines Schöpfers – daran, dass das Bayerische StGB erheblichen Einfluss auf weitere Partikulargesetzbücher hatte (und sogar auf das heute geltende Recht hat) sowie zumindest in Teilen bemerkenswert fortschrittlich 385

Brandt, Entstehung des Code pénal, 2002, S. 107. Art. 18 Code pénal. Zuvor schon in Art. 22 ff. des Code civil von 1804 geregelt. Er umfasste jegliche Form der Rechts- und Geschäftsfähigkeit, s. Brandt, Entstehung des Code pénal, 2002, S. 112. 387 s. zuvor die Entwürfe eines Strafgesetzbuches für Bayern von 1802 und 1810, Nachdruck 2000. 388 s. dazu die Analyse von Roth, Die Rezeption des bayerischen StGB durch Legislative und Wissenschaft, in: Koch/Kubiciel/Lähnig/Pawlik (Hrsg.), Feuerbachs Bayerisches Strafgesetzbuch, 2014, S. 525 ff. 386

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war.389 Doch ein Blick auf sein Sanktionensystem390 ergibt ein gemischtes Bild: Einerseits ist das System der Strafen im Vergleich zum früheren bayerischen Recht durch den weitgehenden Verzicht auf die verschiedenen Verstümmelungsstrafen und Qualifikationen der Todesstrafe391 „humanisiert“ – andererseits ist es aus heutiger Sicht wegen der weitgehenden Ausblendung spezialpräventiver Gedanken insgesamt doch sehr streng.392 Dies erklärt sich primär mit dem straftheoretischen Verständnis von Feuerbachs („psychologischer Zwang“)393, das es konsequent erscheinen lässt, z. B. die Todesstrafe als (vermeintlich) abschreckendste aller Strafen394 – zeitgenössischer Kritik zum Trotz395 – beizubehalten und öffentlich396 zu vollstrecken. Der Bevölkerung wurde der Zusammenhang zwischen der Straftat und ihrer Ahndung (im Sinne der negativen Generalprävention) zudem besonders demonstriert, indem der Verurteilte auf Brust und Rücken eine Tafel mit der Aufschrift seines Verbrechens tragen musste.397 „Fortschrittlich“ war insoweit lediglich, dass die Tötung ausschließlich durch die im Vergleich zum früher üblichen Galgen und Strick ehrenhafte398 Enthauptung399 vollzogen wurde. Neben der Todesstrafe kannte das Bayerische StGB verschiedene 389 Roth, Die Rezeption des bayerischen StGB durch Legislative und Wissenschaft, in: Koch/Kubiciel/Lähnig/Pawlik (Hrsg.), Feuerbachs Bayerisches Strafgesetzbuch, 2014, S. 525, 536, 541 f. Neben dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz im Allgemeinen Teil sticht im Besonderen Teil der Verzicht auf die Pönalisierung der einvernehmlich praktizierten männlichen Homosexualität besonders hervor – ein Schritt, den die BRD erst 1994 (!) gänzlich wagte. Siehe dagegen BVerfGE 6, 389 ff. aus dem Jahr 1957, wonach „lesbische Liebe und männliche Homosexualität im Rechtssinne als nicht vergleichbare Tatbestände erscheinen“ und der § 175 StGB a. F. nicht gleichheitswidrig und damit verfassungsgemäß sei. 390 Überblick bei Czeguhn, Das Bayerische Strafgesetzbuch von 1813 und die dort geregelten Strafarten, in: Koch/Kubiciel/Lähnig/Pawlik (Hrsg.), Feuerbachs Bayerisches Strafgesetzbuch, 2014, S. 227 ff.; Brandt, Entstehung des Code pénal, 2002, S. 272 ff. 391 Das Bayerische StGB kannte als zusätzliche Schärfung der Todesstrafe (immerhin: „nur“) die der Exekution vorangehende halbstündige Zurschaustellung des Verurteilten am Pranger. 392 Eb. Schmidt, Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1965, S. 263 f.; s. a. Hälschner, Deutsches Strafrecht I, 1881, S. 583. 393 s. o. 1. Teil: Fn. 52. 394 Naucke, Kant und die psychologische Zwangstheorie Feuerbachs, 1962, S. 60 f. Siehe auch Anmerkungen zum BayStGB I, 1813, S. 35 f. 395 Beccaria, Verbrechen, 1766, S. 110 ff. Siehe zur hierdurch losgetretenen Diskussion Overath, ZNR 2000, 111, 117 ff. Ohne Festlegung, aber mit dem Hinweis auf den „unentschiedenen Streit“ über die Rechtmäßigkeit der Todesstrafe von Feuerbach, Lehrbuch, 1832, S. 102. 396 Dies betont von Feuerbach, Lehrbuch, 1832, S. 99. 397 Art. 5 BayStGB. So auch schon Art. 10 des Entwurfs eines Strafgesetzbuches für Bayern von 1810. Siehe zu Pranger und Zurschaustellung des Straftäters in Sträflingskleidung im BayStGB auch Kühne, Ehrenstrafen, 1931, S. 6, 14. 398 s. zu dieser Unterscheidung schon in der Carolina von 1532 Radbruch in: Radbruch/Kaufmann (Hrsg.), PGO, 1975, S. 12.

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

Formen der Freiheitsstrafe, von denen die sog. Kettenstrafe in Art. 7 BayStGB besonders hervorsticht. Sie war zwingend lebenslang und der Häftling war dazu verpflichtet, öffentlich (!) Schwerstarbeit zu leisten. Zusätzlich wurde er vor der Vollstreckung zu Abschreckungszwecken für eine Stunde am Ort des Verbrechens öffentlich ausgestellt.400 Mit der Kettenstrafe (ebenso wie mit der Todesstrafe401) ging zudem der „bürgerliche Tod“ des Verurteilten einher, der eine umfassende Rechtlosstellung bedeutete (insbes. Verlust der Rechtsfähigkeit).402 Das war ein Unikum in den deutschen Partikularstrafgesetzbüchern des 19. Jahrhunderts403 und entsprach dem französischen Code pénal. Allerdings soll es dabei nicht um eine Ehrenstrafe gegangen sein, sondern nach Schmidt lag dem „bürgerlichen Tod“ der „rationalistisch-schematische“ Gedanke zu Grunde, dass es widersinnig wäre, einen zu (tatsächlich) lebenslanger Haft Verurteilten als „bürgerlich lebend“ zu behandeln.404 Zu diesem Verständnis passt, dass sich die automatischen Rechtsverluste je nach Art der Freiheitsstrafe unterschieden, bei der (unbestimmten, aber immer zeitigen) Zuchthausstrafe auf die Dauer der Inhaftierung begrenzt waren und auf sie bei der Gefängnisstrafe sogar gänzlich verzichtet wurde405. Interessant ist in diesem Zusammenhang zudem der Umstand, dass die Zwangsarbeit – anders als bei der lebenslangen Kettenstrafe – nicht öffentlich geleistet werden sollte, weil die Verfasser des Bayerischen StGB (nach Auffassung der amtlichen Kommentatoren406) befürchteten, damit „in den Sträflingen das Ehrgefühl und jeden Trieb zur Besserung zu ersticken“ 407. Jenseits der 399 Art. 5 BayStGB. Nach Brandt, Entstehung des Code pénal, 2002, S. 276, Fn. 1247 m.w. N. wurde die Enthauptung nach französischem Vorbild mit dem Fallbeil anstelle des grausameren Richtschwerts vollzogen. 400 Nach Brandt, Entstehung des Code pénal, 2002, S. 277 handelte es sich dabei um eine Anlehnung an die Strafe des „Schandpfahls“ des französischen Code pénal von 1810. 401 Auch bei späterer Begnadigung. 402 s. dazu Brandt, Entstehung des Code pénal, 2002, S. 277. 403 So schon Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 102; Betz, Ehrenstrafen, 1936, S. 20. 404 Eb. Schmidt, Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1965, S. 264; ähnlich Czeguhn, Das Bayerische Strafgesetzbuch von 1813 und die dort geregelten Strafarten, in: Koch/Kubiciel/Lähnig/Pawlik (Hrsg.), Feuerbachs Bayerisches Strafgesetzbuch, 2014, S. 227, 234 m. Verweis auf die Anmerkungen zum BayStGB I, 1813, S. 89. 405 s. dazu Czeguhn, Das Bayerische Strafgesetzbuch von 1813 und die dort geregelten Strafarten, in: Koch/Kubiciel/Lähnig/Pawlik (Hrsg.), Feuerbachs Bayerisches Strafgesetzbuch, 2014, S. 227, 233 ff. 406 Durch das königliche Publikationspatent von 1813 wurde allen Staatsdienern und Privatgelehrten verboten, einen Kommentar zum Bayerischen StGB zu drucken. Die Auslegung wurde allein durch die im selben Jahr herausgegeben amtlichen „Anmerkungen zum Strafgesetzbuche für das Königreich Bayern“ bestimmt. Pikanterweise konnte von Feuerbach selbst daran nicht mehr mitwirken, sondern sie wurden maßgeblich von seinem „Intimfeind“ von Gönner verfasst. Siehe dazu Eb. Schmidt, Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1965, S. 266 f. 407 Anmerkungen zum BayStGB I, 1813, S. 89.

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„endgültigen“ Strafen (Tod oder lebenslange Kettenstrafe) für die schwersten Delikte (Verbrechen) verfolgte das Gesetz also durchaus auch einen Besserungszweck408 und beschränkte die entwürdigenden Elemente der Bestrafung auf das Maß, was zur Abschreckung für erforderlich gehalten wurde. Gleichwohl betrafen Strafen wie die Kettenstrafe (nicht zuletzt wegen ihrer Vollstreckungsmodalitäten) über den Bereich bürgerlicher Teilhaberechte hinaus den Kernbereich der personalen Ehre des Delinquenten und erscheinen deshalb aus heutiger Sicht als „wenig human“ 409. Neben den genannten Regelungen zu automatischen Rechtsverlusten, die schon als Folge der jeweiligen Strafart eintraten, enthält das Bayerische StGB im 6. Teil des ersten Kapitels noch einige wenige besondere Bestimmungen über „Ehrenstrafen und demütigende Strafen“. Insofern besteht erneut eine Ähnlichkeit zum französischen Recht.410 Das Gesetz beschränkt sich auf einen abschließenden Katalog gesetzlich normierter Ehrenstrafen, die in Art. 22 BayStGB unterschieden wurden.411 Dazu gehörten etwa Dienstentsetzung und Unfähigkeit zu Ehrenstellungen/öffentlichen Ämtern (als Ehrenstrafen) sowie Degradation (Herabstufung eines Beamten), Verweis, Widerruf und Abbitte (als demütigende Strafen). Ein besonderes Anliegen der Autoren des Bayerischen StGB war es, das freie richterliche Ermessen einzuschränken.412 Dies hatte für die Ehrenstrafen zur Folge, dass das Gesetz den Richter – im Gegensatz zu vorausgegangenen Regelungen – zur Beantwortung der Frage, ob eine Straftat entehrend sei, nicht bloß auf die wenig greifbaren sittlichen Anschauungen des Volkes verwies, sondern die Entehrung regelmäßig nur mit den schwersten Strafen (Freiheitsstrafe mit Zwangsarbeit) verband, die wiederum den schwersten Delikten vorbehalten waren.413 Hier besteht eine weitere Ähnlichkeit zum französischen Code pé408

Die Besserung des Verurteilten taucht auch explizit als Voraussetzung der Begnadigung in Art. 12 BayStGB auf. Nach den Anmerkungen zum BayStGB I, 1813, S. 89 erhoffte man sich vom Vollzug der zeitigen Zuchthausstrafe einen „gebesserten Menschen“. 409 Eb. Schmidt, Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1965, S. 264; a. A. Brandt, Entstehung des Code pénal, 2002, S. 485: „nahezu durchweg humane Sanktionen“. 410 Brandt, Entstehung des Code pénal, 2002, S. 287. 411 Art. 24 Abs. 1 BayStGB bestimmte ausdrücklich, dass keine weiteren Ehrenstrafen angewendet werden durften. So auch schon Art. 10 des Entwurfs eines Strafgesetzbuches für Bayern von 1810. Kurzer Überblick über alle Schand- und Ehrenstrafen des Bayerischen StGB bei Czeguhn, Das Bayerische Strafgesetzbuch von 1813 und die dort geregelten Strafarten, in: Koch/Kubiciel/Lähnig/Pawlik (Hrsg.), Feuerbachs Bayerisches Strafgesetzbuch, 2014, S. 227, 235. 412 Eb. Schmidt, Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1965, S. 264. 413 Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 24; Hälschner, Deutsches Strafrecht I, 1881, S. 582. In Art. 23 BayStGB wurde angeordnet, dass der Verlust des Adels und aller Würden, Staats- und Ehrenämter eine „notwendige Folge“ der Verurteilung zu Todes-, Ketten-, Zuchthaus- und Arbeitshausstrafe war. Die einzelnen Tatbestände des Besonderen Teils ordneten dann die jeweilige Strafart an.

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nal,414 die das Recht immerhin bestimmter machte. Ein wichtiger Unterschied zu früheren Formen der Ehrenstrafen bestand schließlich darin, dass das Bayerische StGB mit ihnen bewusst auf Bürger in gehobenen gesellschaftlichen Positionen abzielte, von denen ein gesetzeskonformes Verhalten in besonderem Maße erwartet wurde.415 Nur solche konnten Amt und Adel überhaupt erlangen oder verlieren. Nach der Vorstellung der amtlichen Kommentatoren differenzierte der bayerische Gesetzgeber zwischen einer allgemeinen Menschen- und Bürgerehre, die unangetastet bleiben sollte, und einer spezifischen Standes- und Amtsehre, die Gegenstand der genannten Ehrenstrafen war.416 Ganz konsequent ist dieses Anliegen allerdings nicht umgesetzt worden, denn die mit besonders einschneidenden Rechtsverlusten und öffentlicher Demütigung verbundene Ketten- oder Zuchthausstrafe konnte bei adligen und sonstigen begüterten Straftätern nicht ohne weiteres verhängt werden.417 Insgesamt ist die Haltung von Feuerbachs zu den Ehrenstrafen ambivalent. Einerseits schränkt er ihre Anwendung erheblich ein und bricht z. T. mit alten Traditionen. Andererseits sind sie für ihn doch irgendwie selbstverständlich418 und fügen sich auch in seine Theorie des psychologischen Zwangs ein. dd) Strafgesetzbücher für Baden und Braunschweig/„Preußische Entwürfe“ In manchen anderen territorialen Gesetzbüchern (Strafgesetzbuch für das Großherzogtum Baden 1845419, Braunschweigisches Strafgesetzbuch von 1840, Preußische Entwürfe von 1833 und 1836) findet sich dagegen das Bestreben, die Ehrenstrafe nicht als unselbständige Folge, sondern als selbstständige Sanktion, die von der Strafart losgelöst ist, nach der Maßgabe der niedrigen Gesinnung des Täters zu verhängen.420 Dieser Weg wurde aber stark kritisiert und in der Folge aufgegeben.421

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Hälschner, Deutsches Strafrecht I, 1881, S. 583. Czeguhn, Das Bayerische Strafgesetzbuch von 1813 und die dort geregelten Strafarten, in: Koch/Kubiciel/Lähnig/Pawlik (Hrsg.), Feuerbachs Bayerisches Strafgesetzbuch, 2014, S. 227, 235; Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 102; Brandt, Entstehung des Code pénal, 2002, S. 287 f. 416 Anmerkungen zum BayStGB I, 1813, S. 40 f. 417 Kalbfleisch, Ehrenstrafen, 1920, S. 46. Siehe zu der alternativen Festungsstrafe für adlige Straftäter Czeguhn, Das Bayerische Strafgesetzbuch von 1813 und die dort geregelten Strafarten, in: Koch/Kubiciel/Lähnig/Pawlik (Hrsg.), Feuerbachs Bayerisches Strafgesetzbuch, 2014, S. 227, 233 f. 418 Vgl. auch sein Lehrbuch, 1847, S. 256 f., in dem von Feuerbach selbst keine Kritik an den Ehrenstrafen äußert, wohingegen der spätere Herausgeber Mittermaier auf S. 257 f. deutlich gegen Ehren- und Schandstrafen Stellung nimmt. 419 s. dazu insgesamt die Untersuchung von Baldes, Strafgesetzbuch Baden, 1999. 420 O. Freisler, ZStW 42 (1921), 438, 439. 421 s. dazu die Note von Mittermaier in: von Feuerbach, Lehrbuch, 1847, S. 257 f. 415

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ee) Preußisches StGB Das letzte für die Entwicklung der Ehrenstrafe bedeutsame Territorialgesetzbuch ist das Preußische StGB von 1851, das im RStGB von 1871 deutliche Spuren hinterlassen hat.422 Ähnlich dem französischen Code pénal von 1810 und dem Bayerischen StGB unterschied das Preußische StGB je nach Schwere der Delikte zwischen Verbrechen, Vergehen und Übertretungen. Ebenfalls nach französischen Vorbild war mit bestimmten Strafen der dauerhafte Verlust der bürgerlichen Ehre als unmittelbare Folge einer Verurteilung verbunden (insbesondere bei der Zuchthausstrafe nach § 11 PreußStGB).423 Allerdings war das preußische Recht in Fortsetzung der Tradition, das Sanktionensystem im Geiste der Aufklärung zu humanisieren, erheblich milder ausgestaltet.424 Dafür sorgte – in Abkehr vom früheren Landrecht – nicht nur die genaue gesetzliche Umschreibung der Strafen und ihres Vollzugs, sondern auch der Verzicht auf qualifizierende Todesstrafen, Brandmarkung, öffentliche Ausstellung des Straftäters u. v. m.425 Ferner waren die entehrenden Strafen insofern milder, als sie nur bei Verbrechen angedroht wurden.426 Für Taten (auch Verbrechen), deren Ahndung die Ehre explizit unberührt lassen sollte, war als besondere Form der Freiheitstrafe sogar die (ehren-)folgenlose Einschließung vorgesehen (§ 13 PreußStGB).427 Schließlich wurde auf die strengste Ehrenstrafe, den „bürgerlichen Tod“, komplett verzichtet. Der lebenslange Verlust der bürgerlichen Ehre (§ 12 PreußStGB) erfolgte entweder akzessorisch (wie bei Verhängung der Zuchthausstrafe) oder war fakultativ als Nebenstrafe zu verhängen (§ 7 PreußStGB bei der Todesstrafe). Daneben sah das Preußische StGB verschiedene weitere entehrende Nebenstrafen vor, die nur in Verbindung mit einer Hauptstrafe verhängt werden konnten. Dazu gehörten etwa die zeitige Aberkennung der bürgerlichen Ehre (§ 21 PreußStGB) oder die zeitige Amtsunfähigkeit (§ 25 PreußStGB), die Beschränkung der Vermögensverfügung (§§ 73, 110 PreußStGB), die öffentliche Bekanntmachung des Urteils (§ 30 PreußStGB) sowie die Landesverweisung für Ausländer (§§ 29, 117–120, 146 PreußStGB). Statt wie früher üblich ohne nähere Umschreibung Ehrlosigkeit

422 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 105; O. Freisler, ZStW 42 (1921), 438, 440; Hälschner, Deutsches Strafrecht I, 1881, S. 587; Brandt, Entstehung des Code pénal, 2002, S. 486. 423 Sie konnte aber auch fakultativ zusätzlich zur Todesstrafe ausgesprochen werden, § 7 PreußStGB. 424 Brandt, Entstehung des Code pénal, 2002, S. 398 ff. 425 Brandt, Entstehung des Code pénal, 2002, S. 402. 426 Bemerkenswert ist weiter, dass die Todesstrafe – anders als die Zuchthausstrafe – nichts stets entehrend war, sondern nur ausnahmsweise bei besonders schweren Fällen (§ 7 PreußStGB). Siehe dazu Brandt, Entstehung des Code pénal, 2002, S. 406. 427 Brandt, Entstehung des Code pénal, 2002, S. 416.

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

(Infamie) oder den Verlust der bürgerlichen Ehre anzuordnen, unternahm es der preußische Gesetzgeber, ein echtes System der Ehrenstrafen zu schaffen.428 Der automatische Ehrverlust hatte zur Folge, dass der Verurteilte für sein ganzes Leben, d.h. auch nach Verbüßung seiner Strafe, entehrt war und der in § 12 PreußStGB benannten Rechte verlustig ging – anders war dies bei §§ 21, 25 PreußStGB, die es dem Richter erlaubten, die bürgerlichen Ehrenrechte bzw. die Amtsfähigkeit nach seinem Ermessen für eine bestimmte Dauer abzuerkennen; bei manchen Delikten war die Untersagung freilich zwingend429. Der Umfang des Verlusts der bürgerlichen Ehrenrechte war in § 12 PreußStGB näher aufgeschlüsselt: Er umfasste den „Verlust des Rechts, die Preußische National-Kokarde zu tragen, die Unfähigkeit, öffentliche Ämter, Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen zu führen oder zu erlangen, sowie den Verlust des Adels“. Weiter führte er zur „Unfähigkeit, Geschworener zu sein, in öffentlichen Angelegenheiten zu stimmen, zu wählen oder gewählt zu werden, oder die aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen oder andere politische Rechte auszuüben“; hinzu kamen „die Unfähigkeit, als Zeuge oder Sachverständiger eidlich vernommen zu werden, oder als Zeuge bei der Aufnahme von Urkunden zu dienen; die Unfähigkeit, Vormund, Nebenvormund, Kurator, gerichtlicher Beistand oder Mitglied eines Familienrathes zu sein [. . .]“ und schließlich „der Verlust des Rechts, Waffen zu tragen und die Unfähigkeit, in die Armee einzutreten.“ Abweichend vom französischen Vorbild (vgl. Art. 42 Code pénal) war keine Möglichkeit vorgesehen, den Verlust auf einzelne der bürgerlichen Ehrenrechte zu beschränken. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Preußische StGB einen wichtigen Fortschritt in der Entwicklung der Ehrenstrafen darstellt. Sowohl in regelungstechnischer Hinsicht430 als auch in der materiellen Ausgestaltung der Ehrenstrafen prägte es die ihm nachfolgenden Gesetzbücher.431 Fortschrittlich ist insbesondere die erhebliche Entschärfung der Ehrenstrafen, die nicht nur in ihrer klaren gesetzlichen Begrenzung in zeitlicher wie materieller Hinsicht zum Ausdruck kommt, sondern auch darin, dass auf die faktisch entehrenden und demütigenden Strafen, die durch des Henkers Hand vollstreckt wurden, weitestgehend verzichtet wurde.

II. Statusfolgen im Reichsstrafgesetzbuch Eine zentrale Bedeutung für die Entwicklung des modernen Strafrechts allgemein wie auch speziell des heutigen StGB kommt dem RStGB von 1871 zu.432 428

Überblick bei Brandt, Entstehung des Code pénal, 2002, S. 421 ff. s. etwa §§ 85, 106, 113, 137, 143, 147 PreußStGB u. v. m. 430 Etwa im Hinblick auf automatische und selbständige Ehrenstrafen und die Schaffung einer nicht entehrenden Freiheitsstrafe. 431 Das wird sogleich beim RStGB deutlich. 432 s. z. B. die bis heute nahezu unveränderten §§ 242 (Diebstahl), 249 (Raub), 253 (Erpressung) RStGB. 429

B. Entstehungsgeschichte der §§ 45 ff. StGB

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Seine Statusfolgen sind deshalb näher zu untersuchen. Obwohl es insgesamt noch latent von einer in den Dienst der Generalprävention gestellten Vergeltungstheorie geprägt war und schon kurz nach seinem Inkrafttreten unter kriminalpolitischen Druck (s. o. Schulenstreit433) geriet, war es das erste moderne rechtsstaatliche Gesetzbuch für das gesamte damalige Reichsgebiet.434 Sein Sanktionensystem war im Bereich der Strafe435 stark ausdifferenziert und sollte es dem Richter bereits bei der Wahl der Strafart ermöglichen, jede Tat entsprechend ihrer Schwere gerecht zu vergelten.436 Zu diesem Zwecke konnte sich der Richter (je nachdem, welche Strafarten der entsprechende Tatbestand erlaubte) zwischen Todesstrafe (§ 13 RStGB), Zuchthaus (§§ 14 f. RStGB), Gefängnis (§ 16 RStGB), Festungshaft (§ 17 RStGB), Haft (§ 18 RStGB) und Geldstrafe (§§ 27 ff. RStGB) entscheiden. In besonderem Maße charakteristisch für das RStGB ist die Aufteilung innerhalb der freiheitentziehenden Strafen in diverse Formen, die sich meist durch einen verschieden ausgestalteten Arbeitszwang unterschieden437. Insoweit steht das RStGB in der Tradition insbesondere des Bayerischen StGB von 1813.438 Für die Zuchthausstrafe war bspw. kennzeichnend, dass sie mit zusätzlichen strafschärfenden Folgen einherging. So waren die Insassen zu körperlich anstrengender Zwangsarbeit verpflichtet (§ 15 RStGB) und durch die Verurteilung nach der damaligen Anschauung im Volk als sog. „Zuchthäusler“ stigmatisiert439. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte die Zuchthausstrafe selbst nicht entehrend wirken.440 Diese Vorstellung entsprach dem ursprünglich germanischen Ehrverständnis, wonach Ehre dem innersten Wesen der Persönlichkeit zugehörig und für den Staat deshalb indisponibel sei.441 Sie steht auch im Einklang mit dem Menschenbild der Aufklärung (Menschenwürde). Ferner war man allgemein der Auffassung, dass der Täter grundsätzlich durch das Verbrechen selbst und nicht erst durch die Strafe entehrt ist.442 Diese Erwägungen stehen aber nicht nur in 433

s. o. 1. Teil: Fn. 41. Prägnanter Überblick bei Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 108 ff. (Rn. 1 ff.). 435 Spezialpräventive Instrumente wie die Maßregeln der Besserung und Sicherung fehlten ihm dagegen noch vollständig. 436 Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 108 (Rn. 2). 437 s. dazu Schwarze, RStGB, 1871, S. 83 f. 438 s. o. 1. Teil: B. I. 3. b) ee). 439 Hälschner, Deutsches Strafrecht I, 1881, S. 620. 440 von Olshausen, RStGB, 1916, § 31 Nr. 1 m.w. N. Vgl. aber Meyer, StGB für den Norddeutschen Bund, Berlin 1871, S. 34 (zu § 20), 39 ff. (zu § 31). 441 Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 26. 442 Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 28; Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 117 f. m.w. N.; Hälschner, Deutsches Strafrecht I, 1881, S. 620 m.w. N., Entwurf eines StGB für den NB, 1870, S. 49; Schwarze, RStGB, 1871, S. 95: „Nicht erst die Strafe, sondern das Verbrechen entehre.“ S. a. Rüdorff, RStGB, 1871, S. 142; Hagen, Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte, 1932, S. 31; Dolles, Neben434

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einem Spannungsverhältnis zur tatsächlichen Wirkung einer Zuchthausverurteilung in der Gesellschaft443, sondern vor allem auch zur Ausgestaltung des Gesetzes selbst.444 Denn § 20 RStGB sah vor, dass im Falle alternativer Androhung von Zuchthaus oder Festungshaft nur dann auf Zuchthaus erkannt werden durfte, „wenn festgestellt wird, dass die strafbar befundene Handlung aus einer ehrlosen Gesinnung entsprungen ist“ (Hervorh. durch Verf.). Dies kann nur so verstanden werden, dass, wenn auch nicht die Strafe selbst den Täter entehrt, so doch jedenfalls mit der Verhängung der Zuchthausstrafe die Ehrlosigkeit des Täters besiegelt wird. In den Augen von Wissenschaft, Praxis und Bevölkerung hatte sie daher eindeutig entehrenden Charakter.445 Mit den freiheitsentziehenden Sanktionen zusammen hängt auch die Reihe strafbedingter Statusminderungen in den §§ 31 ff. RStGB. Diese Normen gehen wiederum zurück auf Regelungen im Preußischen StGB von 1851, die in den Entwurf für ein Strafgesetzbuch des Norddeutschen Bundes übernommen worden waren.446 Angesichts der zwischenzeitlich erfolgten Gründung des deutschen Kaiserreichs wurde dieser Entwurf mit wenigen Änderungen zum Reichsgesetz.447 Aufgrund ihres ehrstrafenden Charakters waren die Statusfolgen schon im Gesetzgebungsverfahren für ein StGB für den Norddeutschen Bund durchaus umstritten448, wurden im Ergebnis aber von der Mehrheit mitgetragen.449 Ausschlaggebend dafür war, dass die für besonders problematisch450 gehaltene automatische Kopplung des Verlusts der bürgerlichen Ehrenrechte an bestimmte Strafaussprüche, wie sie wohl nach französischem Vorbild Einzug in die deutschen Partikulargesetze gehalten hatte, erheblich eingeschränkt und stattdessen das richterliche Ermessen durch den Ausbau fakultativer Verhängung gestärkt wurde.451 In der Folge fand daher keine nennenswerte Debatte mehr über die Legitimation entehrender Strafen statt.452 strafe an der Ehre, 1914, S. 53. Dieser Sichtweise entspricht auch der Verzicht auf i. e. S. demütigenden Strafen im RStGB. 443 So schon Entwurf eines StGB für den NB, 1870, S. 49. 444 Hälschner, Deutsches Strafrecht I, 1881, S. 620; Hagen, Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte, 1932, S. 31; Rüdorff, RStGB, 1871, S. 132. 445 Schwarze, RStGB, 1871, S. 90, 95 f.; Grünhut, ZStW 46 (1925), 260, 261; Hälschner, Deutsches Strafrecht I, 1881, S. 620 m.w. N.; differenzierend Kühne, Ehrenstrafen, 1931, S. 26 f. 446 s. Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 110 m.w. N. 447 Gesetz v. 15. Mai 1871, RGBl. 1871 S. 127. Siehe dazu Rüdorff, StGB für das Deutsche Reich mit Commentar, 1871, S. XIII ff. 448 Entwurf eines StGB für den NB, 1870, S. 48 ff. 449 s. Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 110 m.w. N. 450 Schließlich liege auf der Hand, dass kein auch noch so schweres Verbrechen per se „gemein und niederträchtig“ ist, so Dolles, Nebenstrafe an der Ehre, 1914, S. 52. 451 Entwurf eines StGB für den NB, 1870, S. 48 ff. Siehe dazu Dolles, Nebenstrafe an der Ehre, 1914, S. 52 ff. 452 Mantler, Ehrenstrafen, 1936, S. 33.

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Das RStGB differenzierte zwischen zwei verschiedenen Formen der Statusminderung: 1. Obligatorischer Rechtsverlust In § 31 RStGB war als gesetzliche Folge der Verurteilung zur Zuchthausstrafe geregelt, dass der Verurteilte dauernd unfähig „zum Dienste in dem Deutschen Heere und der Kaiserlichen Marine sowie zur Bekleidung öffentlicher Ämter“ ist. Der Gesetzgeber hatte sein Anliegen, die Zuchthausstrafe an sich nicht entehrend zu gestalten, auch insofern nicht konsequent zu Ende geführt, als er auf diese Weise der historischen Entwicklung Zugeständnisse gemacht hat.453 Ein in solcher Weise Bestrafter erschien nicht mehr tragbar in angesehener Position, zu der das Militär ebenso wie die § 31 Abs. 2 RStGB genannten Ämter und Tätigkeiten (Advokat, Notar, Geschworener, etc.) damals zweifellos zählten454. Es ging somit um eine Reinhaltung des öffentlichen Dienstes ebenso wie um die Wahrung staatlicher Autorität.455 Schon damals war der Charakter dieser automatischen Folge umstritten. Teilweise wurde ihr Strafcharakter zu-456, teilweise mit Blick auf das unterschiedliche Wesen der automatischen im Vergleich zur fakultativen Statusminderung abgesprochen457. Ein seinerzeit führender Kommentar listet § 31 RStGB nicht als Strafe, sondern formuliert jeweils neutral: „von Rechts wegen eintretende Folge“.458 Dies steht auch im Einklang mit der Gesetzgebungsgeschichte: In den Beratungen zu einem StGB für den Norddeutschen Bund wurde die Bedeutung des richterlichen Ermessens für den Ausspruch einer Ehrenstrafe betont, weil es nicht möglich sei, jedem Täter eines Delikts, das mit Zuchthausstrafe bewehrt ist, eine ehrlose Gesinnung zu unterstellen, und es zur Bestimmung der Ehrlosigkeit nicht bloß auf die Schwere des Delikts ankomme.459 Die fakultative Aberkennung wird daher in den Beratungen als Nebenstrafe bezeichnet, während im Zusammenhang mit § 28 Entwurf NB-StGB (= der spätere § 31 RStGB) der Begriff „Ehrenfolge“ fällt.460 Er stellt nach Ansicht des Reichstages eine notwendige Ausnahme vom Prinzip des richterlichen Ermessens dar, um die dort genannten 453 454 455 456 457

von Olshausen, RStGB, 1916, § 31 Nr. 1. Dolles, Nebenstrafe an der Ehre, 1914, S. 59. Lemme, Verlust der bürgerlichen Ehre, S. 33. Jedenfalls im „weiteren Sinne“: Kühne, Ehrenstrafen, 1931, S. 16. So etwa von Liszt/Eb. Schmidt, Lehrbuch, 1921, S. 248 f.; Frank, RStGB, 1908,

S. 53. 458

von Olshausen, RStGB, 1916, § 31 Nr. 1; s. a. vor §§ 13 ff. Nr. 3. Entwurf eines StGB für den NB, 1870, S. 49; Rüdorff, Commentar RStGB, 1871, S. 143; a. A. Schwarze, RStGB, 1871, S. 95. 460 Entwurf eines StGB für den NB, 1870, S. 50. Diese Bezeichnung wird aber nicht durchgehalten, wenn dort im Weiteren auch von „den übrigen Ehrenfolgen“ gesprochen wird, was den Begriff gleichzeitig zum Oberbegriff macht. 459

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

besonders sensiblen Bereiche zu schützen („besonderes Vertrauen und ein nach jeder Seite ungeschwächtes Ansehen“; „erhöhte Pflicht, seine Handlungen dem Gesetze gemäß einzurichten“).461 Diese Einteilung des Ehrverlusts in notwendige Folge einer anderen Strafe und selbständige Strafe findet sich auch schon zuvor bei von Feuerbach462 sowie im Bayerischen463 und Preußischen StGB464. Tatsächlich erscheint aus heutiger Sicht fraglich, ob § 31 RStGB Strafcharakter besaß. In erster Linie liegt das am Eintritt ex lege, auf den im Zusammenhang mit dem heutigen § 45 Abs. 1 StGB noch ausführlich eingegangen wird (s. u. 1. Teil: D. I. 1.). Und anders als noch in § 11 PreußStGB, der den „Verluste der bürgerlichen Ehre“ vorsah, tritt nach § 31 RStGB nur der Verlust zweier einzelner Rechte ein, die vom Gesetz (im Unterschied zu §§ 32, 35 RStGB) nicht mehr als „bürgerliche Ehrenrechte“ bezeichnet werden.465 Vor dem Hintergrund des Zwecks des § 31 RStGB, das Ansehen exponierter Ämter und Berufe zu schützen, erscheint er weniger als eigenständige Rechtsfolge, sondern mehr als präventiver Annex der Zuchthausstrafe.466 Denn das Gesetz verknüpft ihn mit jeder Verurteilung zu Zuchthaus und erlaubt auch keinerlei Absehen vom Eintritt. Mit dem o. g. verbreiteten Verständnis, dass die Tat selbst bereits und nicht erst die Strafe den Täter entehrt, ist dies zudem vereinbar, da § 31 RStGB selbst nicht die Ehre schmälert, sondern lediglich an eine solche Bewertung (ausgedrückt durch die Verhängung der Zuchthausstrafe) anknüpft. Der neutrale Begriff „Folge“ ist daher überzeugend. 2. Fakultative Aberkennung In den §§ 32, 35 RStGB war die fakultative Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte geregelt, die nur im Zusammenhang mit einer Verurteilung zur Hauptstrafe möglich war. Dementsprechend wurde diese Sanktion einhellig als Nebenstrafe eingeordnet.467 In den §§ 33, 34 RStGB waren die Ehrenrechte näher benannt. Dazu zählten: 461 Entwurf eines StGB für den NB, 1870, S. 50; ähnlich Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 28. 462 von Feuerbach, Lehrbuch, 1847, S. 256 f. Vgl. auch Art. 32 des Entwurfs eines Strafgesetzes für Bayern von 1810. 463 Art. 23 BayStGB. 464 §§ 11, 21 ff. PreußStGB 465 Worauf auch von Olshausen, RStGB, 1916, § 31 Nr. 1 hinweist. 466 Ähnlich Frank, RStGB, 1908, S. 53, der insoweit von einem „Inhalt der Hauptstrafe selbst“ spricht. 467 von Olshausen, RStGB, 1916, § 32 Nr. 1; s. a. vor §§ 13 ff. Nr. 3; Entwurf eines StGB für den NB, 1870, S. 48 ff.; Hälschner, Deutsches Strafrecht I, 1881, S. 605 ff.; von Liszt/Eb. Schmidt, Lehrbuch, 1921, S. 266; Dolles, Nebenstrafe an der Ehre, 1914, S. 42 ff.; Hagen, Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte, 1932, S. 32; Kühne, Ehrenstrafen, 1931, S. 16; Frank, RStGB, 1908, S. 55.

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• der „dauernde Verlust der aus öffentlichen Wahlen für den Verurtheilten hervorgegangenen Rechte, ingleichen den dauernden Verlust der öffentlichen Ämter, Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen“ (§ 33 RStGB) • „die Unfähigkeit, während der im Urtheile bestimmten Zeit – die Landeskokarde zu tragen; – in das Deutsche Heer oder in die Kaiserliche Marine einzutreten; – öffentliche Ämter, Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen zu erlangen; – in öffentlichen Angelegenheiten zu stimmen, zu wählen oder gewählt zu werden oder andere politische Rechte auszuüben; – Zeuge bei Aufnahmen von Urkunden zu sein; – Vormund, Nebenvormund, Kurator, gerichtlicher Beistand oder Mitglied eines Familienraths zu sein, es sei denn, daß es sich um Verwandte absteigender Linie handele und die obervormundschaftliche Behörde oder der Familienrath die Genehmigung ertheile.“ (§ 34 RStGB)

Die Verhängung stand in Abkehr vom französischen Recht und – wegen dessen Ausstrahlung auf das bayerische und preußische Recht – auch in Abkehr vom Bayerischen StGB und Preußischen StGB regelmäßig im Ermessen des Richters.468 Sie war ohne Einschränkungen bei einer Verurteilung zur Todes- oder Zuchthausstrafe möglich. Im Falle der Gefängnisstrafe setzte die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte aus Gründen der Proportionalität im Verhältnis zur Hauptstrafe eine Höhe von mindestens drei Monaten oder eine die Zuchthausstrafe wegen mildernder Umstände vertretende Gefängnisstrafe voraus.469 Zusätzlich musste das Gesetz bei Verhängung einer Gefängnisstrafe die Aberkennung ausdrücklich vorsehen, was bei einer ganzen Reihe von Delikten der Fall war.470 Nach § 32 Abs. 2 RStGB war die Dauer der Aberkennung allgemein begrenzt, bei Gefängnisstrafe noch einmal stärker. Einbezogen waren vielfach Delikte gegen Rechtsgüter des Staates471, aber auch „Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit“ 472 und klassische „unehrliche“ Taten473. Die Aberkennung war bei Verbrechen wie Vergehen, nicht aber bei bloßen Übertretungen möglich. Teilweise war die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte gar obligatorisch,

468

s. Entwurf eines StGB für den NB, 1870, S. 48 ff. Entwurf eines StGB für den NB, 1870, S. 50. 470 Vollständige Übersicht bei Fuchs, Ehrenstrafen, 1928, S. 90 f. 471 s. etwa §§ 109 (Wahlbestechung), 142 (Untauglichmachung zur Wehrpflicht), 143 (Täuschung zwecks Wehrpflichtentziehung), 150 (Münzverringerung) RStGB. 472 s. etwa §§ 173 (Beischlaf zwischen Verwandten), 175 (Männliche Homosexualität/Sodomie) und 180 (Kuppelei) RStGB. 473 s. etwa §§ 248 (Bei Gefängnisstrafe für Diebstahl/Unterschlagung) und 266 (Untreue) RStGB. Einen Überblick über „ehrlose“ Delikte bietet Dolles, Nebenstrafe an der Ehre, 1914, S. 89 f. 469

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

wenn es sich um besonders „unehrliche“ Taten handelte.474 Diese Automatik stellte aber – ähnlich wie heute die absolute Strafandrohung bei Mord nach § 211 StGB – die Ausnahme dar. Umstritten war seinerzeit, nach welchen Kriterien das Gericht sein Ermessen im Rahmen der §§ 32, 35 RStGB ausüben sollte. Es wurde gefordert, dass die Schwere der Tat und die Tatmotive die Ehrenrührigkeit zeigen müssten.475 Angesichts der o. g. Bestimmung des § 20 RStGB (bei alternativer Androhung von Zuchthaus und Festungshaft darf Zuchthaus nur bei Vorliegen einer „ehrlosen Gesinnung“ verhängt werden) und der Eröffnung des Aberkennungsermessens in § 32 RStGB bei jeder Zuchthausstrafe war somit die „ehrlose Gesinnung“ maßgeblich.476 Darunter wurde bspw. verstanden, „dass die betreffende Person die Missachtung der Rechtsgenossen verdient, weil die Gesinnung im Widerspruch steht zu den Maximen, deren konstante Befolgung in der Gemeinschaft den ,Ehrenmann‘ kennzeichnet.“ 477 Eine andere Definition lautete: „Ehrlos handelt, wer um ethisch niedrig stehender, insbesondere auch egoistischer kleinlicher Interessen höhere Werte im Bewusstsein dieser Divergenz aufs Spiel setzt. Maßstab sind die allgemeinen ethischen Anschauungen einer Kulturepoche bzw. eines Kulturkreises. Von ehrloser Gesinnung ist dann zu sprechen, wenn dieses Verhalten durch die psychische Eigenart des Täters erklärt wird, die dem konstanten Grundstock seines psychischen Verhaltens entstammt und im einzelnen Falle auf die Willensbetätigung im Bewusstsein des Handelnden eingewirkt hat.“ 478 Der Begriff und seine Ausfüllung durch die Rechtswissenschaft wurden wegen ihrer Unbestimmtheit und individualethischen Ausrichtung heftig kritisiert.479 Diese Kritik ist berechtigt, wenn man etwa auf die offenkundig zirkuläre erstgenannte Definition der ehrlosen Gesinnung (von ehrloser Gesinnung ist, wer sich nicht als Ehrenmann verhält) blickt. In § 35 RStGB existierte ferner als Minus zur vollständigen eine (ebenfalls fakultative) teilweise Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte in Form des Verlustes der Amtsfähigkeit. 474 Dazu zählte nach § 161 RStGB der Meineid (§§ 153–155 RStGB), nach § 181 RStGB die schwere Kuppelei und nach §§ 302d, 302e RStGB der gewerbs- und gewohnheitsmäßige Wucher. 475 Lemme, Verlust der bürgerlichen Ehre, S. 25; Fuchs, Ehrenstrafen, 1928, S. 89; von Olshausen, RStGB, 1916, § 32 Nr. 3. 476 Schwarze, RStGB, 1871, S. 90; Hagen, Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte, 1932, S. 45. 477 v. Calker in: Vergleichende Darstellung AT, Band III, 1908, S. 177; genannt auch bei von Liszt/Eb. Schmidt, Lehrbuch, 1932, S. 420 Fn. 3. 478 Guckenheimer, Ehrlose Gesinnung, 1921, S. 57 u. 87; ihm folgend Hagen, Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte, 1932, S. 45. 479 von Liszt/Eb. Schmidt, Lehrbuch, 1932, S. 420 Fn. 3 m.w. N. Überblick auch bei Kelker, Gesinnungsmerkmale, 2007, S. 30 f.; ferner Eb. Schmidt, ZStW 45 (1925), 10, 28 ff.; Gallas, Niederschriften GSK I, 1956, S. 220.

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III. Reformüberlegungen (vor und nach der Jahrhundertwende) Bereits vor der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert waren die Ehrenstrafen des RStGB Gegenstand einer rechtswissenschaftlichen Diskussion. Es standen sich – grob differenziert – die Position „Spezialprävention durch Wiedereingliederung“, aus deren Sicht die Ehrenstrafen kontraproduktiv erschienen, und die Position „Reinhaltung des öffentlichen Lebens/generalpräventiver Ausschluss“, die für eine Beibehaltung statusmindernder Sanktionen stritt, gegenüber.480 Ganz eindeutig ließen sich die Grenzen allerdings nicht ziehen, denn der Vorreiter der Spezialprävention Franz von Liszt etwa sprach sich in seinem „Marburger Programm“ dafür aus, bei „unverbesserlichen Gewohnheitsverbrechern“ obligatorisch die bürgerlichen Ehrenrechte dauerhaft abzuerkennen.481 Nach der Jahrhundertwende bis zur Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wurde die Diskussion durch immer wieder neue Reformvorschläge und Gesetzesentwürfe befeuert.482 Auch wenn die Gruppenbildung im Streit um die Ehrenstrafe nicht deckungsgleich mit dem allgemeinen strafrechtlichen Schulenstreit war, unterscheidet sich die Ausgestaltung der Ehrenstrafen in den Entwürfen je nachdem, wie groß der Einfluss der klassischen oder modernen Strafrechtsschule darin war.483 Während die moderne Schule konsequent für die Abschaffung der hergebrachten Ehrenstrafen eintrat und sich für eine Regelung in den zivil- und öffentlich-rechtlichen Gesetzen aussprach,484 forderte die klassische Schule die Beibehaltung der Ehrenstrafen485. Eine Zwischenform stellt der Entwurf von 1925 als Antwort auf den Radbruch’schen E 1922 dar: Er sprach sich zwar für die Abschaffung der Ehrenstrafen aus, wollte aber gleichwohl den Verlust der Amtsfähigkeit und Wählbarkeit als Sicherungsmaßregel im RStGB beibehalten.486 480

Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 28. von Liszt, Der Zweckgedanke im Strafrecht (sog. Marburger Programm), 1883, Nachdruck 2002, S. 46 f. Deshalb weist auch Eb. Schmidt in: ZStW 45 (1925), S. 15 darauf hin, dass dieser Streit nicht unmittelbar Teil des strafrechtlichen Schulenstreits war. Ebenso Gallas, Niederschriften GSK I, 1956, S. 218 mit Hinweis auf Dohna, der zwar Mitglied in der IKV und damit Anhänger der modernen Richtung gewesen ist, sich aber gleichwohl für die Beibehaltung der Ehrenstrafen ausgesprochen hat. 482 Überblick bei Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 29–32 u. Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 119–126. 483 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 122. 484 s. etwa O. Freisler, ZStW 42 (1921), 438, 441 f.; Eb. Schmidt in ZStW 45 (1925), 10, 26; Grünhut, ZStW 46 (1925), 260. Plakativ auch Radbruch, StGB-E 1922, S. 53, der „die moralische Lynchjustiz, welche leider die Gesellschaft vielfach gegen Vorbestrafte übt, und die das schwerste Hindernis ihrer Wiedereingliederung in die Gesellschaftsordnung bildet, nicht gerechtfertigt wissen [will] durch Richtersprüche, welche den Verurteilten für verlustig der Ehre erklären. Nicht als Entehrter, sondern als Entsühnter soll der Bestrafte in die Gesellschaft zurückkehren.“ 485 Kahl, DJZ 1923, 507; s. a. VE 1909, S. 162 ff. 486 E 1925, S. 44. 481

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

Allerdings gab es hier ein Patt, das dazu führte, dass die Regelungen des ursprünglichen RStGB weitestgehend487 unangetastet blieben. Ein Kompromiss deutet sich in den späteren Entwürfen insofern an, als sich die Zielsetzung der Statusminderungen weg von einer vergeltenden Ehrenstrafe hin zu einer sichernden, generalpräventiven Maßnahme (Ehrenfolge) bewegte.488

IV. Ehrenstrafen im Nationalsozialismus Mit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten trat eine Zäsur in der Entwicklung der Ehrenstrafen ein489: Die lebhafte Diskussion der vorausgegangen Jahrzehnte um ihre kriminalpolitischen Vor- und Nachteile, in der mehr und mehr Stimmen ihre Begrenzung forderten, wurde jäh beendet und fortan durch die völkische Ideologie des Nationalsozialismus dominiert490. Das Strafrecht der Nationalsozialisten war Gesinnungsstrafrecht und betrachtete die Täterpersönlichkeit allein im Rahmen ihrer Eigenschaft als Glied der Volksgemeinschaft, was zu einer Wiedereinführung und Ausweitung entehrender Sanktionen führte.491 Die Ehre im nationalsozialistischen Sinne wurde dem einzelnen Bürger nur wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgemeinschaft zugesprochen.492 Sie fungierte im nationalsozialistischen Staat als ein ähnlich konstituierendes Gut wie Freiheit und Eigentum im liberalen Staat, sodass sich die Ehrenstrafe als probate Sanktion anbot.493 Der Ehrverlust stellte aus dieser Perspektive eine besonders einschneidende Sanktion dar.494 Zur Reinhaltung der Volksgemeinschaft sollte die Ehrenstrafe in Form der „Ächtung“ beitragen und in Zukunft ein zentrales Instrument im Sanktionensystem darstellen.495 Zur vollständigen Umsetzung einer großen Reform des Sanktionensystems, wie sie insbesondere Roland Freisler vorschwebte496, kam es nicht. Mit der berüchtigten lex van der Lubbe wurde jedoch rückwirkend die To-

487 1923 wurde immerhin die exkludierende Sanktion des „Verweises“ aus dem RStGB gestrichen. 488 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 126. 489 Ebenso Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 32. 490 Programmatisch: Goetze, ZStW 55 (1936), 533, 566 ff. 491 Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 32; Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 126; Schaffstein, DStr 1934, 273, 280. 492 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 128; Mantler, Ehrenstrafen, 1936, S. 57. 493 Kubiciel, ZStW 118 (2006), 44, 58; Dahm, DJZ 1934, 822, 826 f. 494 Goetze, ZStW 55 (1936), 533, 567 spricht gar von „Auslöschung“. 495 Goetze, ZStW 55 (1936), 533, 567. 496 R. Freisler, Strafensystem, 1934, S. 100 ff. R. Freisler sprach sich unter anderen für die Wiedereinführung des Prangers und verschiedener Formen der Ächtungsstrafe aus.

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desstrafe für Hochverrat und schwere Brandstiftung eingeführt.497 Weil die Todesstrafe nun durch das auch damals noch als besonders schmachvoll empfundene (sogar öffentliche) Hängen am Galgen vollstreckt werden konnte, hielten wieder – ähnlich wie im Mittelalter – demütigende Schärfungen der Todesstrafe Einzug in das Recht.498 Ansonsten kam es zur Erweiterung des Begriffs der öffentlichen Ämter um solche in der NSDAP und ihren Gliederungen.499 § 20 StGB, der eine Entscheidungsregel für die Fälle alternativer Androhung von Zuchthaus oder Festungshaft vorsah, wurde noch 1933 restriktiver ausgestaltet und verlangte für die Erkennung auf Festungshaft neben ausschließlich ehrenhaften Motiven nun auch, dass sich die Tat nicht gegen das „Wohl des Volkes“ gerichtet hat.500 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Reformen zumindest in den Anfangsjahren des „Dritten Reichs“ nicht ausschließlich Ausdruck nationalsozialistischen Gedankenguts waren, sondern sich Unterschiede zwischen dem Kernstrafrecht und den Sondergesetzen finden.501 Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Nationalsozialismus ein Wiederaufleben der Ehrenstrafen bezweckte. Seiner Ideologie entsprach eine Verwendung des Strafrechts als Machtinstrument gegen „Feinde“, wozu sich auch die exkludierende Ehrenstrafe bestens eignete.502 Hinzu kamen abschreckende und beschimpfende Schärfungen der Sanktionen. Zu einer vollkommenen Umsetzung nationalsozialistischer Vorstellungen in einem neuen System der Ehrenstrafen kam es zwar nicht503, allerdings ließ sich das bereits geltende Recht im Sinne der Nationalsozialisten auslegen und ermöglichte eine vielfache Verhängung von Statusminderungen gegenüber „Feinden des Volkes“.504

497 „Gesetz über Verhängung und Vollzug der Todesstrafe“ vom 29.3.1933, RGBl. I S. 151. 498 Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 33. 499 Ketteler, Ehrenstrafe, 1937, S. 34. 500 Mit dem „Gesetz zur Abänderung strafrechtlicher Vorschriften“ vom 26.5.1933 (RGBl. I, S. 295) erhielt er folgende Fassung: „Wo das Gesetz die Wahl zwischen Zuchthaus oder Gefängnis und Festungshaft gestattet, darf auf Festungshaft nur dann erkannt werden, wenn die Tat sich nicht gegen das Wohl des Volkes gerichtet und der Täter ausschließlich aus ehrenhaften Beweggründen gehandelt hat.“ 501 So Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 33 mit Verweis auf Peters, Die Umgestaltung des Strafgesetzes 1933–1945, in: Flitner (Hrsg.), Deutsches Geistesleben und Nationalsozialismus, 1965, S. 160, 166 ff. 502 Ebenso Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 129 mit dem Hinweis auf die (wegen ihrer leicht zugänglichen Logik) Anfälligkeit der Ehrenstrafe für solchen Missbrauch u. Gallas, Niederschriften GSK I, 1956, S. 219. 503 Was vermutlich auch am Beginn des 2. Weltkriegs lag, so Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 113 (Rn. 12). 504 s. Beispiele bei Wagner, Volksgerichtshof, 1974, S. 15 f., 81 f., 99, 116, 143, 190 u. v. m.

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V. Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg Nach dem Ende des 2. Weltkriegs beseitigte der Alliierte Kontrollrat das legislative Unrecht des Nationalsozialismus, indem er diejenigen strafgesetzlichen Bestimmungen aufhob, mit denen der NS-Staat seine Herrschaft gestützt hatte.505 Die §§ 31–39 des zunächst weitergeltenden RStGB wurden jedoch nicht verändert, woraus gefolgert werden kann, dass die Alliierten an der grundsätzlichen Berechtigung der Möglichkeit, bürgerliche Ehrenrechte abzuerkennen, keine Zweifel hatten506. Das ist insoweit nachvollziehbar, als die betroffenen Regelungen des RStGB schließlich von den Nationalsozialisten kaum geändert, sondern allenfalls durch ihre exzessive Anwendung gegenüber politischen Gegnern missbraucht worden waren. Demnach galten in den Anfangsjahren der Bundesrepublik507 die ursprünglichen Regelungen des RStGB weiter. Auch der frühere § 20 StGB wurde erst 1953 geändert.508 Während die Existenz der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte in der Literatur überwiegend noch anerkannt war509, gab es angesichts von spektakulären politischen Verfahren gegen Kommunisten die – z. T. wohl politisch motivierte – Kritik an ihrer Anwendung, sie würden als (Macht-)Instrument im Kampf gegen politisch missliebige Personen eingesetzt510. Eine erste marginale Änderung erfuhren die Statusminderungen im Jahr 1953, als das 3. StrÄG511 einige inzwischen obsolete Rechtsverluste aus dem Gesetz entfernte.512 An der grundsätzlichen Regelung änderte sich jedoch nichts. Bewegung in die Diskussion um die alten Ehrenstrafen kam erst mit dem vom damaligen Justizminister Dehler in Auftrag gegebenen Gutachten513 zur Vorbereitung einer Strafrechtsreform. Darin wurde u. a. die Forderung erhoben, die Zuchthausstrafe abzuschaffen, weil sie durch ihre entehrende Wirkung (vgl. § 20 StGB a. F.) das größte Hemmnis für die Resozialisierung des Täters sei.514 Im Jahr 505

s. u. a. Kontrollratsgesetz Nr. 11 vom 30.01.1946 (ABlKR Nr. 3, S. 55) Ebenso Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 35 Fn. 143. 507 Auf die Darstellung der Entwicklung in der Deutschen Demokratischen Republik wird vorliegend mangels Einflusses auf das geltende Recht verzichtet. Ein Überblick findet sich bei Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 129 ff. 508 Mit dem 3. Strafrechtsänderungsgesetz vom 04.08.1953 (BGBl. I S. 735) erhielt er folgende Fassung: „Wo das Gesetz die Wahl zwischen Zuchthaus und Einschließung gestattet, darf auf Zuchthaus nur dann erkannt werden, wenn festgestellt wird, daß die strafbare Handlung einer ehrlosen Gesinnung entsprungen ist. 509 Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 35 m.w. N. 510 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 131 f. m.w. N. 511 Gesetz v. 04.08.1953, BGBl. I S. 735. 512 So wurde mangels eines zum damaligen Zeitpunkt existierenden Heeres bspw. die Dienstunfähigkeit in Heer und Marine aus § 31 StGB gestrichen. 513 Materialien zur Strafrechtsreform I, 1954 (Gutachten der Strafrechtslehrer) und II, 1954 (Rechtsvergleichende Arbeiten). 514 Heinitz, Materialien zur Strafrechtsreform I, 1954, S. 64 f. 506

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1954 wurde schließlich die Große Strafrechtskommission einberufen, die sich auch eingehend mit der Zukunft der Ehrenstrafen befasste.515 Die Kommission war sich einig, die Bezeichnung „Ehrenstrafe“ fallen zu lassen.516 Der Sache nach hielt man die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte aber nach wie vor für notwendig – im langwierigen Beratungsprozess517 umstritten blieb nur, wie sie im künftigen Recht konkret ausgestaltet werden sollte.518 1. Der Entwurf 1962 Die verschiedenen Reformvorschläge in den Beratungen mündeten schließlich in den bekannten, aber gleichwohl in seiner Reinform nie zum Gesetz gewordenen Entwurf von 1962 (E 1962)519, der aus heutiger Sicht im Sanktionenrecht eher konservativ erscheint und straftheoretisch der Vergeltung und Generalprävention einen Vorrang vor der Spezialprävention (insbes. der Resozialisierung) einräumt.520 Was das System der Sanktionen betrifft, schließt der E 1962 an das RStGB an und differenziert weiterhin zwischen verschiedenen Formen der Freiheitsstrafe, insbesondere indem er die Zuchthausstrafe beibehielt.521 § 45 StGB-E sollte nach dem Willen seiner Verfasser die Zuchthausstrafe von den anderen Strafarten abgrenzen.522 Zu diesen „Wirkungen der Zuchthausstrafe“ nach § 45 StGB-E zählten etwa folgende Statusminderungen als (zwingende) Folge: Verlust der Amtsfähigkeit, verschiedene Berufsverbote (Anwalt, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Arzt, Apotheker etc.) und der Verlust der Wählbarkeit. Nach § 45 Abs. 2 StGB-E waren auch akademische Grade, Titel und öffentliche Würden verloren. Die Folgen traten grundsätzlich dauerhaft ein, konnten jedoch – insoweit abweichend von RStGB und frühem StGB – gem. § 59 StGB-E nach dem Ablauf von 10 Jahren erlassen werden. Aus Gründen der Resozialisierung wurde zudem die Bezeichnung der „Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte“ aus dem Gesetzestext ent-

515 s. Niederschriften GSK I, 1956, S. 217–239 sowie X, 1959, Anhang B, Nr. 25, S. 192. Bericht von der Beratung über die Ehrenstrafen bei Dreher, ZStW 67 (1955), 229 ff. 516 Gallas, Niederschriften GSK I, 1956, S. 239. 517 Einzelheiten bei Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 36 f. u. Oelbermann, Wahlrecht und Strafe, 2011, S. 231 ff. 518 s. z. B. Eb. Schmidt, Niederschriften GSK I, 1956, S. 231. 519 BT-Drs. IV/650 (E 1962 m. Begründung). 520 Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 116 (Rn. 18). 521 Siehe auch Busch, Deutsche Strafrechtsreform, 2005, S. 41, 43, der darauf hinweist, dass sich die Kommission der Resozialisierungsfeindlichkeit der Zuchthausstrafe durchaus bewusst war, sie aus generalpräventiven Gründen und wegen der Abschaffung der Todesstrafe gleichwohl für unentbehrlich hielt. 522 BT-Drs. IV/650 (E 1962 m. Begründung), S. 164.

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fernt, in der Sache hielt die Kommission die genannten Konsequenzen jedoch zur Reinhaltung des öffentlichen Lebens für notwendig.523 In § 56 StGB-E war zudem eine fakultative Aberkennung der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts vorgesehen. Ihre Notwendigkeit begründet der Entwurf allerdings nicht gesondert. Aus der zusätzlichen fakultativen Regelung im StGB kann lediglich geschlossen werden, dass den Verfassern die rechtlichen Möglichkeiten in anderen Gesetzen nicht ausreichten.524 Im Übrigen wird in der Begründung nur darauf hingewiesen, dass ein solch schwerer Eingriff in die soziale Stellung des Einzelnen eine schwere Straftat voraussetze.525 Unklar bleibt vor allem, nach welchen Maßstäben der Richter sein Ermessen ausüben soll, nachdem doch die Ehrenstrafe überwunden werden sollte526 und damit der vielfach kritisierte Begriff der „ehrlosen Gesinnung“ aus dem Gesetzentwurf entfernt worden war. Schließlich wollte man nicht einmal die gesetzliche Bezeichnung „Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte“ beibehalten.527 2. Kritik am E 1962 (AE) Im allgemein diskursiv lebhaften Klima der 1960er-Jahre entfaltete sich bald eine intensive Diskussion um den E 1962. Insbesondere unter den damals jungen Strafrechtswissenschaftlern formierte sich Widerstand gegen den im Sanktionenrecht als eher rückschrittlich wahrgenommenen Entwurf 1962. So kam es, dass 14 junge deutsche und schweizerische Hochschullehrer gemeinsam 1966 den Alternativ-Entwurf eines StGB (AE) veröffentlichten.528 Inhaltlich wurde darin explizit eine Gegenposition zum E 1962 eingenommen, die sich durch den gänzlichen Verzicht auf den Vergeltungsgedanken im StGB und stattdessen dem Bekenntnis zu General- und vor allem der Spezialprävention auszeichnete.529 Im Sanktionenrecht bedeutete dies etwa eine Abkehr von den Differenzierungen innerhalb der Freiheitsstrafe (insbesondere die Abschaffung der Zuchthausstrafe, die vom E 1962 noch für absolut zwingend gehalten wurde530), einen strikten Verzicht auf die resozialisierungsfeindliche kurzfristige Freiheitsstrafe unter sechs Monaten und die Schaffung der positiv-spezialpräventiv ausgerichteten Sozialtherapeutischen Anstalt als Maßregel für chronisch rückfällige Täter.531 523

BT-Drs. IV/650 (E 1962 m. Begründung), S. 163 f. BT-Drs. IV/650 (E 1962 m. Begründung), S. 163; Lambrecht, Strafrecht und Disziplinarrecht, 1997, S. 182. 525 BT-Drs. IV/650 (E 1962 m. Begründung), S. 175 f. 526 BT-Drs. IV/650 (E 1962 m. Begründung), S. 163 f. 527 BT-Drs. IV/650 (E 1962 m. Begründung), S. 163 f. 528 AE, 1966. Als BT-Drs. V/2285 von der FDP-Fraktion in den Bundestag eingebracht. 529 Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 116 ff. (Rn. 20 ff.). 530 BT-Drs. IV/650 (E 1962 m. Begründung), S. 164. 524

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Konsequent war es vor diesem Hintergrund, dass sich die Verfasser des AE auch deutlich gegen die Beibehaltung der Ehrenstrafen aussprachen und sie wegen ihrer Resozialisierungsfeindlichkeit komplett aus dem Entwurf entfernt hatten. Ihre Funktion sollten nur noch einzelne Statusfolgen in den jeweiligen Spezialgesetzen (wie etwa dem Beamtengesetz, den Wahlgesetzen oder der Rechtsanwaltsordnung) übernehmen.532 3. Exemplarisch: Meinungsstand 1960er Jahre Im geltenden Recht hatte sich in den 1960er-Jahren für § 31 StGB a. F., der von Rechts wegen als Folge der Verurteilung zu Zuchthausstrafe die dauernde Unfähigkeit zur Bekleidung von öffentlichen Ämtern bestimmte, die Bezeichnung „Ehrenfolge“ durchgesetzt.533 Sie wurde wegen ihrer unbedingten Verknüpfung mit der Zuchthausstrafe als Teil der Hauptstrafe und nicht als Nebenstrafe angesehen.534 Die fakultativen Aberkennungsregelungen der §§ 32, 35 StGB a. F. wurden dagegen als Nebenstrafen begriffen, weil auf sie besonders erkannt werden musste.535 Die Anordnung stand im pflichtgemäßen Ermessen des Richters und war jedenfalls bei ehrlosem Handeln des Täters angezeigt, setzte ein solches aber nicht zwingend voraus.536 4. Große Strafrechtsreform und jüngere Geschichte Die Diskussionen um E 1962 und AE führten schließlich mit dem 1. und 2. Strafrechtsreformgesetz (StrRG)537 zu einer umfassenden Novellierung (nicht nur) des Allgemeinen Teils des StGB.538 Obwohl der AE den weiteren Gesetzge531

So Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 117 (Rn. 21). AE, 1969, S. 77. 533 Schwarz-Dreher, 1965, Überschrift zu § 31 StGB; Schönke/Schröder12 § 31 StGB Rn. 7; Pfeiffer/Maul/Schulte, 1969, Überschrift zu § 31 StGB; a. A. Petters/Preisendanz § 31 StGB Anm. 1; Jescheck, Strafrecht AT, 1969, S. 513 spricht von „Nebenwirkung“. 534 Schwarz-Dreher, 1965, § 31 StGB 1); StGB; Schönke/Schröder12 § 31 StGB Rn. 1; auch Jescheck, Strafrecht AT, 1969, S. 513 f. schlägt die Rechtsverluste der Zuchthausstrafe als deren Wirkung zu. 535 Schwarz-Dreher, 1965, § 32 StGB 1) A. u. § 35 StGB 3); StGB; Schönke/Schröder12 § 32 StGB Rn. 1; StGB u. § 35 StGB Rn. 1; Pfeiffer/Maul/Schulte, 1969, § 32 StGB 1. u. § 35 StGB 1.; Jescheck, Strafrecht AT, 1969, S. 520 f.; Kohlrausch/Lange § 35 StGB I.; zu § 32 StGB a. F. auch BGHSt 5, 198 f.; zu § 35 StGB a. F. BGH bei Dallinger, MDR 1956, 9; Göhler, Prot. Sonderausschuss V, S. 2567. 536 BGHSt 5, 198 f. 537 Erstes Gesetz zur Reform des Strafrechts (1. StrRG), verkündet am 25.06.1969 (BGBl. I S. 645), in Kraft getreten am 01.09.1969 bzw. am 1. April 1970; Zweites Gesetz zur Reform des Strafrechts (2. StrRG), verkündet am 04.07.1969 (BGBl. I S. 717), in Kraft getreten am 01.01.1975. 538 Überblick über die Strafrechtsreformgesetze bei Busch, Deutsche Strafrechtsreform, 2005, S. 51 ff. 532

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bungsprozess – insbesondere im Sanktionenrecht – stark beeinflusste539, war die Position, die Statusminderungen komplett aus dem StGB zu entfernen, nicht mehrheitsfähig540. Immerhin gelang es aber, mit der nun eingeführten einheitlichen Freiheitsstrafe die stigmatisierende Zuchthausstrafe abzuschaffen.541 Damit wurde auch der § 20 StGB a. F. gestrichen, der zuletzt die Verhängung der Zuchthausstrafe bei alternativer Androhung von Zuchthaus und Einschließung an die „ehrlose Gesinnung“ knüpfte. Dies entspricht einem der zentralen Anliegen der Reform, die entehrenden Strafen zu beseitigen.542 Der Begriff der Ehrlosigkeit war damit vollständig aus dem Sanktionensystem verschwunden. Mit der Abschaffung der Zuchthausstrafe waren aber ebenfalls die mit ihr verbundenen Statusminderungen reformbedürftig.543 Zu Beginn der Beratungen sollte die bisherige Regelung noch zugunsten einer allgemeinen rein fakultativen Statusminderung abgeschafft werden, die sich nach dem Vorbild des § 56 StGB-E 1962 (nur) auf den Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts erstrecken sollte.544 Gleichzeitig wurde im Ausschuss aber konsentiert, dass es jedenfalls außerhalb des StGB weiterhin automatische Regelungen geben sollte – wobei dies von den Unterstützern des AE als sachgerecht empfunden wurde, weil entsprechende Sonderregelungen dem Einzelfall besser angepasst werden könnten.545 Letztlich sprach sich dennoch die Mehrheit des Ausschusses – vorwiegend aus pragmatischen Gründen, um den Gesetzgebungsprozess nicht zu verzögern – für die Beibehaltung einer automatischen Sanktion im StGB aus.546 Es sollte eine zentrale Regelung über den Verlust bestimmter staatsbürgerliche Rechte im StGB existieren, an die außerstrafrechtliche Gesetz anknüpfen konnten,547 weil andernfalls wohl erhebliche Folgeänderungen in Einzelgesetzen zu befürchten gewesen wären548. Wegen der Resozialisierungsaufgabe des Strafrechts wollte man zudem eine zentrale Wiederverleihungsmöglichkeit durch den Strafrichter gewährleisten.549 Eine zusätzliche inhaltliche Ausdehnung auf bestimmte Berufsverbote (z. B. Arzt und sonstige Heilberufe) wurde abgelehnt.550 539 Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 118 (Rn. 24); Busch, Deutsche Strafrechtsreform, 2005, S. 55 f. 540 Sturm, JZ 1970, 81, 83. 541 Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 119 (Rn. 25 f.). 542 Prot. Sonderausschuss V, S. 501, 503; BT-Drs. V/4094, S. 8. 543 Sturm, JZ 1970, 81, 83; LK11 /Hirsch § 45 StGB Rn. 1. 544 BT-Drs. V/4049, S. 15. 545 BT-Drs. V/4049, S. 15. 546 BT-Drs. V/4049, S. 15; Prot. Sonderausschuss V, S. 2567. 2571. 547 Sturm, JZ 1970, 81, 83; LK11 /Hirsch § 45 StGB Rn. 3; nach BT-Drs. V/4049, S. 16 drohte andernfalls wegen der Landesgesetzgebungskompetenzen eine Rechtszersplitterung. 548 s. dazu Lambrecht, Strafrecht und Disziplinarrecht, 1997, S. 185. 549 BT-Drs. V/4049, S. 16.

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In der Sache stellte der Ausschuss auch hier wieder maßgeblich auf das Ziel ab, dass bestimmte schwerwiegend straffällig gewordene Personen von exponierten Stellungen in Politik, Justiz und Verwaltung ferngehalten werden müssten.551 Zur Begründung wurde nun nicht mehr auf eine „entehrende Handlungsweise“ des Täters abgestellt, sondern auf die soeben genannten „gewichtigen Interessen der Allgemeinheit, erheblich straffällig gewordene Personen von der Wahrnehmung besonderer Aufgaben im Gemeinschaftsleben“ auszuschließen.552 Für die Wiedereingliederung des Straftäters nahm man keine besonderen Hindernisse an und verwies im Übrigen darauf, dass es gar nicht möglich sei, den Zugang zu solchen Aufgaben und Positionen von einer individuellen Prüfung im Einzelfall abhängig zu machen, da eine dafür notwendige Zulassungsstelle häufig nicht vorgesehen sei, noch vorgesehen werden könne (so z. B. bei Wahlen zu den gesetzgebenden Körperschaften).553 Das Ergebnis dieser Überlegungen waren die §§ 31–33 StGB a. F., die mit dem 2. StrRG zu den heutigen §§ 45–45b StGB wurden.554 Im Wesentlichen entsprach dies der Konzeption der Statusminderungen im E 1962.555 Abweichungen ergaben sich lediglich insofern, als die automatische Aberkennung statt an die Zuchthausstrafe nun an die Verurteilung wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von über einem Jahr anknüpfte (§ 45 Abs. 1 StGB), der im E 1962 noch dauerhafte Verlust der Statusrechte jetzt auf fünf Jahre begrenzt und der Rechtsverlust auf die Amtsfähigkeit, Wählbarkeit und das Wahlrecht beschränkt wurde.556 Insgesamt ist die Neuregelung damit erheblich milder als das frühere Recht, wozu auch die neu geschaffene Möglichkeit einer vorzeitigen Wiederverleihung der Rechte (§ 45b StGB) beiträgt.557 § 45 Abs. 1 StGB stellt lediglich insoweit eine geringfügige Verschärfung dar, als er den Verlust auch der Wählbarkeit für jede Verurteilung wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von über einem Jahr vorsieht, während zuvor für den Richter lediglich die Möglichkeit bestand, neben der Zuchthausstrafe auf diesen Verlust zu erkennen (oder 550

BT-Drs. V/4049, S. 15. Sturm, JZ 1970, 81, 83. 552 BT-Drs. V/4049, S. 15. Ähnlich schon zuvor BT-Drs. IV/650 (E 1962 m. Begründung), S. 163 f. 553 BT-Drs. V/4049, S. 16. 554 Bis auf eine kleine technische Änderung sind die Normen inhaltsgleich, s. MüKo2 /Radtke § 45 StGB Rn. 2; LK11 /Hirsch § 45 StGB Rn. 1. 555 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 134 f. 556 Die noch im E 1962 aufgezählten Berufsgruppen wurden aus dem StGB gestrichen, was sich im Ergebnis jedoch nicht weiter auswirkte, weil in die berufsspezifischen Gesetze entsprechende Regelungen eingefügt wurden. Siehe Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 135. 557 So explizit BT-Drs. V/4049, S. 16; Kunert, NJW 1970, 537, 541; LK11 /Hirsch § 45 StGB Rn. 4. Auch die Wiederverleihungsmöglichkeit fand sich bereits im E 1962 als § 59 StGB-E. 551

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wenn er auf Gefängnisstrafe von mindestens drei Monaten erkannte, entweder weil er bei einem Verbrechen mildernde Umstände annahm oder es gesetzlich zugelassen war).558 Die Verschärfung ist aber in Teilen nur eine scheinbare, denn nach den Wahlgesetzen wie z. B. § 15 Abs. 2 Nr. 2 BWahlG ist nicht wählbar, wem infolge Richterspruchs die Amtsfähigkeit entzogen wurde559 – der Verlust der Amtsfähigkeit zog also den Verlust der Wählbarkeit vielfach bereits nach sich, weshalb die Kumulation des Rechtsverlusts in § 45 Abs. 1 StGB keine echte Verschärfung ist. Seit der Großen Strafrechtsreform gab es keine weiteren gesetzgeberischen Reformen bezüglich der §§ 45 ff. StGB. Auch in den jüngeren Reformüberlegungen zum Sanktionenrecht spielten die Statusminderungen keine besondere Rolle.560 In der Literatur wird jedoch nach wie vor ihre gänzliche Abschaffung gefordert.561 Der Vorwurf, dass im Wege des § 45 Abs. 1 StGB dem „größten Teil der in Deutschland Gefangenen“ automatisch das passive Wahlrecht entzogen werde,562 ist allerdings ausweislich der amtlichen Rechtpflegestatistik schlicht unzutreffend563.

558

LK11 /Hirsch § 45 StGB Rn. 4; BT-Drs. V/4049, S. 16; Kunert, NJW 1970, 537,

541. 559

BT-Drs. V/4049, S. 16; Kunert, NJW 1970, 537, 541. Schöch, Gutachten C, 1992, C17/18 nennt z. B. die Statusfolgen unter den Fragen, „die im vorliegenden Gutachten nicht weiter vertieft werden können, die aber bei einer breiteren Reformdiskussion durchaus erörterungsbedürftig wären.“ 561 Baumann/Weber, Strafrecht AT, 1985, S. 602 f., 615; Nelles, JZ 1991, 17, 23 f.; Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 185; Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 208; LK11 /Hirsch vor § 45 StGB Rn. 5; Streng, Sanktionen, 2012, S. 178 f. (Rn. 365); Stein, GA 2004, 22; Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig § 45 StGB Rn. 1; Lambrecht, Strafrecht und Disziplinarrecht, 1997, S. 184 ff.; LK12 /Theune vor § 45 StGB Rn. 5; wohl auch Oelbermann, Wahlrecht und Strafe, 2011, S. 296. 562 Oelbermann, Wahlrecht und .Strafe, 2011, S. 296. 563 Statistisches Bundesamt, Strafvollzug 2013. Mitnichten ist es so, dass der Großteil der Inhaftierten eine Freiheitsstrafe von über einem Jahr wegen eines Verbrechens verbüßt. Von den 58.073 Gefangenen im Jahr 2012 verbüßten nämlich 11.793 Gefangene Freiheitsstrafen wegen (ggf. qualifizierten, aber ohne § 244a StGB) Diebstahlsdelikten, weitere 6.553 wegen Betruges und Untreue, 7.069 wegen Körperverletzungsdelikten (ohne § 226 StGB), 2.321 wegen Verkehrsstraftaten, 1.156 wegen Urkundendelikten und 3.054 wegen einfachen BtM-Delikten nach § 29 Abs. 1 BtMG. Das sind insgesamt schon einmal 31.946 nicht wegen eines Verbrechens verurteilte Gefangene. Hinzu kommen (teils mit Überschneidungen) sämtliche Jugendliche (§ 6 Abs. 2 JGG) und teilweise auch Heranwachsenden (§ 106 Abs. 2 JGG) sowie fast alle aufgrund Ersatzfreiheitsstrafe Inhaftierten (2003: ca. 6,7–8,8% s. http://www.rsf.uni-greifswald.de/ duenkel/gis/archiv/gefangenenraten/ersatzfreiheitsstrafe.html, zuletzt abgerufen am 03.01.2015). Zu berücksichtigen ist auch, dass es bei allen Stichtagsergebnissen der Strafvollzugsstatistik methodisch bedingte Verzerrungen gibt: So sind die zu kurzzeitigen Strafen verurteilten Strafgefangenen im Vergleich zu den langzeitig Einsitzenden unterrepräsentiert. Denn je kürzer die Freiheits- bzw. Jugendstrafe ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, in die jährlich nur einmal durchgeführte Stichtagserhebung einbezogen zu werden. Weil solche kurzfristigen Strafen eher selten wegen der mit erhöh560

B. Entstehungsgeschichte der §§ 45 ff. StGB

103

VI. Fazit zur Geschichte der Ehrenstrafen und Statusfolgen Die Geschichte der Ehrenstrafen bis zum Ende der territorialen Strafgesetzbücher zeigt verschiedene Ausprägungen dieser Sanktionsform. Immer ging es darum, für besonders verachtenswerte Straftaten eine besondere Bestrafung vorzusehen. Dabei lassen sich insgesamt grob zwei Kategorien von Ehrenstrafen bilden: Solche, die den Straftäter durch ihren Vollzug entwürdigten, und solche, die dem Verurteilten begleitend zur Hauptstrafe (bzw. ihr nachfolgend) oder selbständig als Nebenstrafe bestimmte (Ehren-)Rechte ganz oder teilweise absprachen, was von einem teilweisen Verlust gesellschaftlicher Teilhaberechte bis hin zur vollständigen Auslöschung der rechtlichen Existenz („bürgerlicher Tod“) führen konnte.564 Die letztgenannten Formen waren entweder mit bestimmten Delikten oder bestimmten Strafarten verknüpft.565 Allerdings wurde insoweit auch vertreten, dass es sich um zwei Seiten derselben Medaille handelte: Mit den demütigenden Schandstrafen sei der Ehrlose bloß kenntlich gemacht worden – später sei dies unkörperlich durch die Entziehung bürgerlicher Ehrenrechte erfolgt.566 Für diese Anschauung spricht, dass der Vollzug der Schandstrafe vielfach zur Folge hatte, dass der Bestrafte aus der Gemeinschaft ausgestoßen wurde,567 was damit ebenso wie die Aberkennung von Teilhaberechten seinen Status berührte. Darüber hinaus hat sich auch der Begriff der Ehre gewandelt: Während in der Antike der sittliche Wert einer Person noch durch ihr Verhältnis zum Staate bestimmt wurde, d.h. die Anerkennung durch die Staatsgewalt, ist in der Moderne die Stellung des Einzelnen zum Staat eine andere, weshalb die Ehre überwiegend zu einer sozialen geworden ist.568 Dies erklärt sich aus dem Gedanken der Aufklärung, nach dem der einzelne Bürger eine Subjektstellung gegenüber dem Staat genießt, so dass ihm seine Ehre (Würde) nicht mehr abgesprochen werden kann, sondern allenfalls bestimmte Formen der sozialen Teilhabe versagt werden können.569 Exkludierende Sanktionen gerieten wegen des Aufkommens des Besserungsgedankens insgesamt unter Rechtfertigungsdruck und wurden nach und nach zurückgedrängt. Insbesondere die echten Schandstrafen wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts überwunden. Allerdings geschah dies keineswegs von heute auf morgen, sondern gestaltete sich als zäher Prozess. Selbst das rechtsstaatlich ten Strafrahmen versehenen Verbrechen verhängt werden dürften, sind die Zahlen insofern noch gering veranschlagt. 564 So ähnlich schon Eb. Schmidt, ZStW 45 (1925), 10 u. Gallas, Niederschriften GSK I, 1956, S. 217. 565 Charakteristisch war dies insbesondere für den französischen Rechtskreis. 566 Dolles, Nebenstrafe an der Ehre, 1914, S. 14; Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 136; ähnlich O. Freisler, ZStW 42 (1921), 438, 441 („eine Art unkörperliche Brandmarkung“). 567 s. o. zum Beispiel schon im alten Rom 1. Teil: B. I. 1. a). 568 Hälschner, Deutsches Strafrecht I, 1881, S. 614. 569 s. dazu Kießlich, Ehrenstrafe, 1911, S. 1 ff.

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

als besonders fortschrittlich gepriesene Bayerische StGB von 1813 verzichtete nicht auf demütigende Rituale bei der öffentlichen Vollstreckung seiner harten Strafen und war – abgesehen von den o. g. Einschränkungen – auch sonst im Bereich der Ehrenstrafen streng ausgestaltet. Deutlich humaner erscheint dagegen schon das Preußische StGB von 1851, das die die Ehrenstrafen systematisierte und im Geiste der Aufklärung erheblich abmilderte. In der Folge fanden sich nunmehr nur noch einzelne Reste demütigender und ausstoßender Strafen, während die nun etablierte (teilweise) „Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte“ an Bedeutung gewann. Dieses Institut fand sich auch noch in den §§ 32 ff. RStGB und bis 1970 in den §§ 32 ff. StGB a. F. Solange auf der Rechtsfolgenseite der Begriff der Ehrenrechte verwendet wurde, kam es auf tatbestandlicher Seite auf eine ehrlose Gesinnung o. ä. des Täters an, die entweder durch eine entehrende Hauptstrafe wie die Zuchthausstrafe oder einen gesonderten Ausspruch der Ehrenstrafe als Nebenstrafe zum Ausdruck gebracht wurde. Schon zu Zeiten, in denen noch das gesteigerte sozialethische Unwerturteil der ehrlosen Gesinnung verwendet wurde, d.h. bis ins 20. Jahrhundert hinein, wurde aber zur Begründung der Statusminderungen schon vermehrt auf präventive Belange abgestellt.570 Es ging weniger um die Stigmatisierung des Täters als ehrlose Gestalt als um den Schutz wichtiger Allgemeininteressen. Dementsprechend verminderte sich der Umfang der abzuerkennenden Rechte auf einen besonders schützenswerten Kernbereich, insbesondere im Vergleich zwischen RStGB und StGB, aber auch vom StGB a. F. zum nun geltenden StGB n. F. Es ging nun vorwiegend noch um das Ansehen wichtiger Ämter und Mandate, das durch den Ausschluss schwerer Straftäter besonders geschützt werden sollte. Gleichzeitig wurde die Dauer befristet und es wurden Rehabilitierungsvorschriften geschaffen. Mit der großen Strafrechtsreform verschwand der Begriff der Ehre bzw. der Ehrlosigkeit schließlich vollständig aus dem Sanktionenrecht des StGB. Auch die entehrende Zuchthausstrafe wurde nun abgeschafft. Einzig in § 45 StGB sind unter der Überschrift „Nebenfolgen“ noch Statusminderungen vorgesehen, deren Charakter im Folgenden noch zu untersuchen ist.

C. Aktueller Stand der Diskussion Bereits vor über 20 Jahren konstatierte Nelles, dass sich Rechtsprechung und Lehre wenig für eine prinzipielle Einordnung der Nebenfolge in das Sanktionensystem des StGB interessierten.571 Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Inzwischen wurde der unter der Überschrift „Nebenfolgen“ firmierende § 45 StGB zwar in einigen Monographien behandelt, aber nie ging es um eine allge570 Bereits Kießlich, Ehrenstrafe, 1911, S. 8 f. bezweifelt, dass die damaligen Strafen noch als „Ehrenstrafen“ bezeichnet werden können. 571 Nelles, JZ 1991, 17, 18.

C. Aktueller Stand der Diskussion

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meine Bestimmung der Nebenfolge, sondern immer um bestimmte Fragestellungen im Zusammenhang mit der Rechtsfolge des § 45 StGB, d.h. der strafrechtlichen Aberkennung bestimmter Teilhaberechte572, oder ganz allgemein um das Sanktionenrecht573. Anders ausgedrückt wurden bisher die folgenden wichtigen Fragen aufgeworfen: „Was ist § 45 StGB?“ 574, „Ist § 45 StGB eine Nebenfolge?“ 575 oder „Ist § 45 StGB eine Ehrenstrafe?“ 576. Und auch die Kommentarliteratur hat sich aufgrund ihrer Aufgabe als Gesetzeskommentierung naturgemäß regelmäßig auf die Rechtsnatur einzelner Normen wie §§ 45, 165, 200 StGB beschränkt. Soweit ersichtlich, ging es speziell bei § 45 StGB meist um die Frage, nach welchen Kriterien das Ermessen im Rahmen des § 45 Abs. 2 (und Abs. 5) StGB auszuüben sei, insbesondere ob die allgemeinen Strafzumessungsregeln Anwendung finden sollen.577 Dagegen wurde die ganz grundsätzliche Frage „Was ist überhaupt eine Nebenfolge?“ noch nicht zum Gegenstand einer Untersuchung gemacht, obwohl sie neben dem wissenschaftlichen Bedürfnis nach einer dogmatischen Klärung insbesondere auch wegen der großen praktischen Bedeutung im Registerrecht (s. Fallbeispiel in der Einleitung) einer Antwort bedarf.578 Nach wie vor fehlt es an einer materiellen Bestimmung und Systematisierung der Nebenfolge. Bevor dieser Versuch hier unternommen wird, soll zunächst der aktuelle Meinungsstand dargestellt werden.

I. Die Bestimmung der Nebenfolge in der Rechtsprechung Die Rechtsprechung bleibt eine Definition der Nebenfolge gänzlich schuldig und beschäftigt sich auch nur sehr spärlich mit den unter der Überschrift „Nebenfolgen“ firmierenden §§ 45 ff. StGB, was zum einen mit der extrem geringen praktischen Relevanz der im richterlichen Ermessen stehenden § 45 Abs. 2 und Abs. 5 StGB zu tun haben dürfte.579 Zum anderen eröffnet der praktisch un572 s. Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991; Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009; Oelbermann, Wahlrecht und Strafe, 2011. 573 Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006. 574 Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 246; Nelles, JZ 1991, 17 f.; Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 45; Oelbermann, Wahlrecht und Strafe, 2011, S. 221; Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 161. 575 Nelles, JZ 1991, 17 f. 576 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 14. 577 Exemplarisch MüKo2 /Radtke § 45 StGB Rn. 5. 578 Was jedoch nicht heißt, dass im Rahmen der anderen Fragestellungen keine Aspekte behandelt werden, die auch für die hier im Zentrum stehende Frage bedeutsam sind. 579 So gab es im Jahr 2012 bundesweit nur eine einzige (!) Aberkennung nach § 45 Abs. 2, 5 StGB, s. Statistisches Bundesamt, Strafverfolgung 2012, S. 362. Im Jahr 2011 waren es immerhin zwei, s. Statistisches Bundesamt, Strafverfolgung 2011, S. 324.

106

1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

gleich häufigere (weil automatische) Verlust nach § 45 Abs. 1 StGB dem Richter keine eigene Entscheidung, weshalb er in der Rechtsprechung kaum zum Streitgegenstand taugt. Bis heute gibt es daher nur wenige Entscheidungen, in denen die Nebenfolgen überhaupt eine Rolle spielen.580 Regelmäßig wird eine Entscheidung des BGH aus den 1950er-Jahren angeführt, in der er entschieden hat, dass die Aberkennung der Amtsfähigkeit keine Sicherungsmaßnahme, sondern Nebenstrafe sei.581 Diese Entscheidung ist jedoch ein Relikt aus vergangener Zeit und erging zum alten § 35 StGB in seiner noch vor der Großen Strafrechtsreform gültigen Fassung.582 Damals verwendete das Gesetz noch den Begriff „Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte“, die entehrende Zuchthausstrafe (s. § 20 StGB a. F.) war noch nicht abgeschafft und die Aberkennung von Teilhaberechten nach § 32 StGB war (wenn auch nicht nur) von der „ehrlosen Gesinnung“ des Täters abhängig583. Dennoch hat sich der BGH in jüngeren Entscheidungen nicht mit dem Charakter des neuen § 45 StGB beschäftigt,584 sondern lediglich auf seine alte Entscheidung Bezug genommen.585 Daraus wird man folgern müssen, dass der BGH mit der herrschenden Ansicht zum alten Recht586 die fakultativen Regelungen des § 45 Abs. 2, 5 StGB als Nebenstrafe begreift, während er § 45 Abs. 1 StGB ohne weitere Ausführungen eine Nebenfolge nennt587. Ganz eindeutig ist seine Position aber nicht, denn er nennt in der o. g. Entscheidung von 2008 auch § 45 Abs. 2 StGB eine Nebenfolge, weist aber im Rahmen der Strafzumessung darauf hin, dass es sich dem „Sinngehalt“ nach um eine Nebenstrafe handele.588 Insoweit besteht eine Nähe zur Ansicht von Stree/Kinzig, die in § 45 Abs. 2 StGB eine „Nebenfolge mit strafähnlichem Charakter“ sehen.589

II. Die Bestimmung der Nebenfolge in der Literatur Im Schrifttum hat sich bisher keine einheitliche Meinung herausgebildet. Wesen und Inhalt der Nebenfolge sowie die Einordnung von Normen als Nebenfol580 In der juris-Datenbank finden sich Stand 12/2014 nur ca. ein Dutzend BGH-Entscheidungen zu § 45 StGB, von denen die wenigsten im Kern von der Nebenfolge handeln. Eine Ausnahme zum Zusammenspiel der berufsrechtlichen Regelungen für Rechtsanwälte mit § 45 Abs. 1 StGB bei einem ehemaligen DDR-Juristen: BGH NJW 2001, 2407. 581 BGH bei Dallinger, MDR 1956, 9. 582 Zutreffend daher auch Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 47 (Fn. 233). 583 BGHSt 5, 198 f. 584 Dies konstatiert auch LK12 /Theune § 45 StGB Rn. 15. 585 BGH NJW 2008, 929. 586 s. o. 1. Teil: B. V. 3. 587 So in BGH NJW 2001, 2407, 2408. 588 BGH NJW 2008, 929, 930. In BGHSt 35, 28, der sich mit der Unfähigkeit zum Schöffenamt beschäftigt, wird § 45 Abs. 2 StGB ebenfalls als Nebenfolge bezeichnet. 589 Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig § 45 StGB Rn. 8.

C. Aktueller Stand der Diskussion

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gen sind vielmehr stark umstritten. Vielfach wird auch hier auf eine Definition der Nebenfolge ganz verzichtet.590 Soweit es dann speziell um die Einordnung des § 45 StGB geht, fällt auf, dass der automatische Verlust von Amtsfähigkeit und Wählbarkeit nach § 45 Abs. 1 StGB – soweit ersichtlich – ganz überwiegend (und meist ohne Definition oder nähere Begründung) als Nebenfolge verstanden wird591, während § 45 Abs. 2 StGB meist als Nebenstrafe beurteilt wird592. Teilweise wird auch mit Blick auf die Entstehungsgeschichte593 in der Sache davon ausgegangen, dass § 45 StGB insgesamt Nebenstrafen bzw. Ehrenstrafen enthalte, die bloß umetikettiert worden seien.594 Eine andere Ansicht sieht in allen Absätzen des § 45 StGB Nebenfolgen.595 Z. T. wird schließlich noch vertreten, dass § 45 StGB als materiell nicht-strafrechtliche Rechtsfolge einheitlich dem Beamten- und Wahlrecht zuzuordnen sei.596 Dementsprechend fehlt es an 590 Meier, Sanktionen, 2015, S. 437 f.; Streng, Sanktionen, 2012, S. 178 f. (Rn. 363 ff.); Kindhäuser § 45 StGB Rn. 1 u. vor §§ 38–45b StGB Rn. 3; SSW1/2 /Mosbacher § 45 StGB Rn. 1 ff.; SK-StGB/Wolters § 45 StGB Rn. 1 ff. 591 Dies konstatierte bereits Nelles, JZ 1991, 17, 18. Nachweise Stand heute: Fischer62 vor §§ 38 ff. StGB Rn. 5 u. § 45 StGB Rn. 6; Lackner/Kühl28 /Kühl 28 § 45 StGB Rn. 2; Jekewitz, GA 1977, 161, 168; SSW1/2 /Mosbacher § 45 StGB Rn. 1; BeckOK-StGB/von Heintschel-Heinegg § 45 StGB Rn. 1; Oelbermann, Wahlrecht und Strafe, 2011, S. 226; Bockelmann/Volk, Strafrecht AT, 1987 S. 230; Baumann/Weber, Strafrecht AT, 1985, S. 615; Matt/Renzikowski/Bußmann § 45 StGB Rn. 6 f. Nach LK11/12 /Häger vor § 38 StGB Rn. 48 ist § 45 StGB kraft gesetzlicher Überschrift Nebenfolge, die Abs. 2 u. 5 aber „der Sache nach Nebenstrafe“. A. A. Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 46; Schmidhäuser, Strafrecht AT, 1975, S. 772 u. Schmidhäuser, Strafrecht AT, 1984, S. 456; Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 164. 592 Lackner/Kühl28 /Kühl § 45 StGB Rn. 3; Fischer62 vor § 38 StGB Rn. 5 u. § 45 StGB Rn. 7; nach LK11/12 /Häger vor § 38 StGB Rn. 48 ist § 45 StGB kraft gesetzlicher Überschrift Nebenfolge, die Abs. 2 u. 5 aber „der Sache nach Nebenstrafe“; Matt/Renzikowski/Bußmann § 45 StGB Rn. 7; Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 46; Jekewitz, GA 1977, 161, 168; Oelbermann, Wahlrecht und Strafe, 2011, S. 226; Unklar bei LK12 /Theune § 45 StGB, der einerseits die Nebenfolgen insgesamt als Strafen qualifiziert (Rn. 1, 15), andererseits aber trotzdem von Nebenfolgen spricht (Rn. 10, 15); Beck-OK-StGB/von Heintschel-Heinegg § 45 StGB Rn. 4. 593 s. o. 1. Teil: B. 594 Für „Ehrenstrafe“: Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 148 ff., 164; Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 268 ff.; Schmidhäuser, Strafrecht AT, 1975, S. 772 („[. . .] die den Charakter einer Ehrenstrafe nicht verleugnen können“); Baumann/ Weber, Strafrecht AT, 1985, S. 602 f., 615; für Nebenstrafe: Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 785; Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 45 ff. Vgl. die Ausgestaltung der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte als Nebenstrafe in § 56 StGB-E 1962 (Begründung, S. 174 f.). 595 Meier, Sanktionen, 2015, S. 439 ff.; Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig vor § 38 StGB Rn. 32 u. § 45 StGB Rn. 8; SSW1/2 /Mosbacher § 45 StGB Rn. 1 ff., 4 (allerdings „strafähnlich“); Bockelmann/Volk, Strafrecht AT, 1987 S. 230; wohl auch Welzel, Strafrecht, 1969, S. 254. 596 Nelles, JZ 1991, 17 ff.; ihr folgend NK4 /Albrecht § 45 StGB Rn. 6. Für eine solche Lösung de lege ferenda Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 104.

108

1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

einer konsentierten Definition der Nebenfolge. Folgende Definitionen finden sich zurzeit in der Literatur: Stree/Kinzig definieren (stellvertretend für ein verbreitetes Verständnis) Nebenfolgen allgemein als „Rechtsfolgen der Straftat, die keinen spezifischen Strafcharakter haben.“ 597 Sie konkretisieren diese Aussage lediglich dahingehend, dass die Grenze zur Nebenstrafe „fließend“ sei und „Nebenfolgen Rechtsinstitute mit Doppelcharakter“ seien, „bei denen zwar ein repressives Element vorhanden ist, das aber nicht eindeutig ihren Charakter bestimmt“.598 Nach von Heintschel-Heinegg zeichnen sich Nebenfolgen dadurch aus, dass sie „automatisch an die Haupttat anknüpfen, z. B. § 45 Abs. 1 StGB, § 165 StGB, § 200 StGB.“ 599 Häger formuliert im Leipziger Kommentar in Anlehnung an Maurach/Gössel/ Zipf600 sowie Jescheck/Weigend601, dass Nebenfolgen Rechtsfolgen einer Straftat seien, „die einen aus verschiedenen Elementen zusammengesetzten Rechtscharakter haben, da sie sich weder nur als Nebenstrafen, noch als Sicherungsmaßnahmen, noch rein als Schadensersatz auffassen lassen.“ 602

III. Kritische Stellungnahme zu den Definitionen der Literatur Gerade diese letztgenannte Definition steht symptomatisch für die Unzulänglichkeit bisheriger Bestimmungen der Nebenfolge. Sie erscheint weniger als eine eigenständige Interpretation der Nebenfolge, sondern vielmehr als konturloser Sammelbegriff, unter den Rechtsfolgen gefasst werden, über deren Natur man 597 Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig vor § 38 StGB Rn. 31. Ebenso MüKo2 /Radtke vor §§ 38 ff. StGB Rn. 75. 598 Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig vor § 38 StGB Rn. 31. Die Definition von Stree/Kinzig steht allerdings in Widerspruch zu ihrer eigenen Auslegung des § 45 StGB: So soll § 45 StGB einerseits eine Nebenfolge im vorgenannten Sinne sein (Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig vor § 38 StGB Rn. 32), d.h. keinen spezifischen Strafcharakter besitzen. Andererseits wird allen Varianten des § 45 StGB in Abgrenzung zu einer präventiven Interpretation ein „strafähnlicher Charakter“ zugesprochen (Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig § 45 StGB Rn. 8) mit der Konsequenz, dass im Rahmen des § 45 Abs. 2 die allgemeinen Strafzumessungsregeln anzuwenden seien. 599 Beck-OK-StGB/von Heintschel-Heinegg § 38 StGB Rn. 4. Ähnlich formulieren Rebmann/Uhlig/Pieper bezüglich des Begriffs „Nebenfolgen“ i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 7 BZRG, dass Nebenfolgen „nicht nur solche nach § 45 StGB, sondern alle . . . kraft Gesetzes eintretenden“ wie der Wortlaut der Vorschrift besagt, damit auch jene, die sich aus Nebengesetzen ergeben“, seien, s. Rebmann/Uhlig/Pieper § 5 BZRG Rn. 43. 600 Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT, 1989, S. 526, die dementsprechend zwischen Nebenfolgen mit und ohne Strafcharakter unterscheiden und entgegen dem Gesetzeswortlaut (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB: „Maßnahme“) auch Verfall, Einziehung und Unbrauchbarmachung als Nebenfolgen „mit gemischtem Charakter“ begreifen (S. 487). 601 Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 785. 602 LK12 /Häger vor § 38 StGB Rn. 47.

C. Aktueller Stand der Diskussion

109

sich nicht so recht im Klaren ist.603 Insbesondere die Bestimmung anhand der inhaltlichen Elemente „Nebenstrafe, Sicherungsmaßnahme und Schadensersatz“ erweckt den Eindruck eines Zirkelschlusses. Denn sie stellen doch bloß einzelne Zwecke der zurzeit überwiegend als Nebenfolge eingestuften §§ 45, 165, 200 StGB dar. Während die Bestimmung der Nebenfolge anhand des § 45 StGB, der nun einmal die einzige Norm unter der gesetzlichen Überschrift „Nebenfolgen“ ist, zwangsläufig zirkulär gerät, erschließt sich die Übernahme der Zwecke der §§ 165, 200 StGB in eine allgemeine Definition der Nebenfolge nicht. Denn besagte Normen stehen weder im selben Abschnitt noch werden sie vom Gesetz als Nebenfolge bezeichnet. Sie unterscheiden sich auch sonst von der Regelungstechnik des § 45 StGB (§ 45 Abs. 1 StGB: kraft Gesetzes; § 45 Abs. 2, 5 StGB: Ermessen; dagegen §§ 165, 200 StGB: auf Antrag des Verletzten) und stellen lediglich nach teilweise in der Literatur vertretener Ansicht Nebenfolgen dar604. Legt man ihre Zwecke einer allgemeinen Definition der Nebenfolge zu Grunde, zäumt man das Pferd von hinten auf. Und auch der nebenstrafende Charakter der Nebenfolge ist begründungsbedürftig, hat doch der Gesetzgeber die Nebenfolge gerade nicht der Nebenstrafe zugeschlagen, sondern eine eigene gesetzliche Überschrift geschaffen. Auch hier entsteht der Eindruck eines Zirkelschlusses, indem der Charakter der § 45 Abs. 2, 5 StGB, die überwiegend materiell als Nebenstrafe verstanden werden605, in die allgemeine Definition der Nebenfolge übernommen wird. Doch auch die kurze Definition von Stree/Kinzig u. a., wonach Nebenfolgen schlicht Rechtsfolgen ohne spezifischen Strafcharakter seien, überzeugt nicht. Eine Definition, die nur besagt, was die Nebenfolge nicht ist (Nebenfolge ungleich Strafe), ist eklatant unterbestimmt und enthält keinen eigenständigen materiellen Gehalt. Es fehlt dieser Definition insbesondere an einem spezifischen Zweck der Nebenfolge, obwohl doch regelmäßig der Zweck einer Sanktion wichtige Hinweise für ihre Auslegung und Abgrenzung von anderen Rechtsfolgen liefert.606 Darüber hinaus erschließt sich nicht, worin der „Doppelcharakter“ der Nebenfolge genau bestehen soll, wenn lediglich als ein Aspekt ihr unspezifischer (?) Strafcharakter genannt wird. Auch die Abgrenzung zur Strafe gelingt dieser Definition nicht, denn im Rahmen der § 45 Abs. 2, 5 StGB ist umstritten, ob ihnen durch die gesetzgeberische Ausgestaltung in dem als Nebenfolge über-

603 Das mag auch daran liegen, dass der Begriff der Nebenfolge erst durch die Große Strafrechtsreform ein technischer Begriff des StGB geworden ist, während er zuvor tatsächlich untechnischer Sammelbegriff war. 604 Lackner/Kühl28 /Kühl § 165 StGB Rn. 1 i.V. m. § 200 StGB Rn. 1; Fischer62 vor § 38 StGB Rn. 5, § 165 StGB i.V. m. § 200 StGB Rn. 1; LK12 /Ruß § 165 StGB Rn. 1; SK-StGB/Rudolphi/Rogall § 165 StGB Rn. 1; Schönke/Schröder29 /Lenckner/Bosch § 165 StGB Rn. 1. 605 s. nur Fischer62 § 45 StGB Rn. 7 und auch LK12 /Häger vor § 38 StGB Rn. 48. 606 s. etwa oben bei der Abgrenzung von Strafe und Maßregel 1. Teil: A. III. 4.

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

schriebenen § 45 StGB der spezifische Strafcharakter nun fehle oder ob es sich materiell nicht doch um Nebenstrafen handele607. Schließlich lässt eine solche Definition, die lediglich gegen eine der beiden „Sanktionsspuren“, nämlich die der Strafe, abgrenzt, das Verhältnis zur Maßregel im Dunkeln608, wodurch die wesentliche Funktion einer Definition der Nebenfolge, nämlich die Abgrenzung innerhalb des Sanktionensystems des StGB zu ermöglichen, nicht erreicht wird. Was die Definition von Heintschel-Heineggs betrifft, so gelingt ihr zunächst die Abgrenzung zu anderen Sanktionen, weil sie mit dem Gesichtspunkt der Automatik ein trennscharfes Kriterium enthält. Weder Strafe noch Maßregel treten nämlich allgemein kraft Gesetzes ein.609 Es bleibt jedoch unklar, warum es heißt, dass Nebenfolgen an die „Haupttat“ anknüpfen, denn der als Beispiel genannte § 45 Abs. 1 StGB knüpft doch gar nicht an die Tat, sondern eine bestimmte Verurteilung an. Doch auch wenn mit Haupttat womöglich Hauptstrafe gemeint ist,610 ist die Aufzählung in der Definition unstimmig, weil die darüber hinaus genannten §§ 165, 200 StGB nicht automatisch kraft Gesetzes eintreten, sondern die Bekanntgabe der Verurteilung nur auf Antrag des Verletzten erfolgt. Ferner enthält seine Definition der Nebenfolge keinen bestimmten Zweck, womit ihr ein Inhalt im engeren Sinne gänzlich fehlt. Die kritische Betrachtung ergibt, dass die derzeit existierenden Definitionen ihrer Aufgabe, dem Begriff der Nebenfolge einen abgrenzungsfähigen Inhalt zu verleihen, nur unzulänglich gerecht werden. Es ist daher erforderlich, eine neue Definition zu entwickeln, um Inhalt und Stellung der Nebenfolge im Sanktionensystem zu klären. Auf deren Grundlage kann dann untersucht werden, welche Normen überhaupt als Nebenfolgen einzustufen sind, und wie die mit der Nebenfolge zusammenhängenden allgemeinen Probleme bspw. im Register- und Strafzumessungsrecht zu behandeln sind.

D. Was ist eine Nebenfolge? Bevor der Versuch unternommen wird, eine eigene Bestimmung der Nebenfolge vorzunehmen, muss vorab geklärt werden, ob die Nebenfolge überhaupt eine eigene Rechtsfolge darstellt. Erweist sich nämlich, dass der Begriff der Nebenfolge lediglich ein Etikett für eine der Sache nach als Strafe oder Maßregel 607 s. nur Lackner/Kühl28 /Kühl § 45 StGB Rn. 3: „Soweit die Aberkennung eines besonderen Ausspruchs bedarf (Abs. 2, 5), handelt es sich materiell um Nebenstrafen, die das Gesetz allerdings, um den hier nur am Rande mitspielenden Strafgedanken nicht zu betonen, als Nebenfolgen bezeichnet“. 608 So zu Recht auch Nelles, JZ 1991, 17, 18. 609 So auch Nelles, JZ 1991, 17, 18. 610 Diese Ähnlichkeit zur Nebenstrafe betont nämlich MüKo2 /Radtke vor §§ 38 ff. StGB Rn. 75.

D. Was ist eine Nebenfolge?

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einzustufende Sanktion ist, und schlägt man sie folglich einer der beiden Sanktionsspuren des StGB zu, ist eine eigene Definition der Nebenfolge obsolet. Nur wenn man Nebenfolgen als eigene Sanktionsform begreift, ist eine materielle Bestimmung, insbesondere auch in Abgrenzung zu den anderen beiden Spuren, vonnöten. Was ihre Einordnung in das strafrechtliche Sanktionensystem betrifft, so sind drei Möglichkeiten denkbar: 1. Nebenfolgen sind (Neben-)Strafen. 2. Nebenfolgen sind Maßregeln. 3. Nebenfolgen sind Sanktionen eigener Art (sui generis).611

I. Sind Nebenfolgen (Neben-)Strafen? Nach dem oben Gesagten612 zeichnet sich Strafe dadurch aus, dass sie gezielt in Form eines (normativen) Übels in Grundrechte eingreift und dabei gleichzeitig die sozialethische Missbilligung der Tat ausdrückt. Ihr Zweck ist die schuldangemessene Vergeltung begangener genauso wie die Verhinderung künftiger Straftaten. Dieser Definition müssten also auch die Nebenfolgen in § 45 StGB entsprechen, wenn sie in der Sache Strafcharakter hätten. Da diese Nebenfolgen immer eine Verurteilung zu Hauptstrafe voraussetzen, könnten sie naturgemäß nur Nebenstrafen sein. Wie aber bereits oben ausgeführt,613 besitzt auch die Nebenstrafe vollständige Strafqualität, so dass die Nebenfolge, sollte sie denn Nebenstrafe sein, all die o. g. Voraussetzungen erfüllen müsste. Jedoch setzt die Frage, ob Nebenfolgen nur ein Etikett für Nebenstrafen sind, voraus, dass es einen Inhalt gibt, den man auf seine Vereinbarkeit mit dem Begriff der Strafe hin untersuchen kann. Zu diesem Zwecke soll an dieser Stelle zunächst einmal unterstellt werden, dass die Rechtsfolgen des § 45 StGB, den der Gesetzgeber immerhin mit „Nebenfolgen“ überschreibt, tatsächlich Nebenfolgen sind – im Fall des § 45 Abs. 1 StGB entspricht dies zudem der ganz herrschenden Ansicht614, was freilich noch nichts über deren Richtigkeit besagt und im Folgenden kritisch zu untersuchen ist. § 45 StGB enthält drei verschiedene Rechtsfolgen: In Abs. 1 ist der kraft Gesetzes eintretende Verlust der Amtsfähigkeit und der Wählbarkeit geregelt. Die Absätze 2 und 5 enthalten dagegen fakultative Regelungen, die es in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts stellen, dem Verurteilten die Amtsfähigkeit und 611 612 613 614

Aufbau nach Nelles, JZ 1991, 17, 18. s. o. 1. Teil: A. I. s. o. 1. Teil: A. II. 2. s. o. 1. Teil: Fn. 591.

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

das passive Wahlrecht (Abs. 2) oder sogar das aktive Wahl- bzw. Stimmrecht (Abs. 5) zu entziehen, soweit das Gesetz es besonders vorsieht (z. B. in §§ 92a, 101, 109i, 358 StGB). Aufgrund der Besonderheiten dieser Regelungstechnik und nicht zuletzt auch aus historischen Gründen615 bietet es sich an, den automatischen und fakultativen Verlust getrennt zu untersuchen. In diesem Zusammenhang kann unter Umständen bereits geklärt werden, ob die Absätze 1 und 2 des § 45 StGB eine einheitliche Rechtsnatur aufweisen oder unterschiedlich zu qualifizieren sind (sog. Dualistische Lösung/Interpretation616). 1. § 45 Abs. 1 StGB als Nebenstrafe? Während man darüber, ob die übrigen Aspekte der Strafe im Falle des § 45 Abs. 1 StGB einschlägig sind, durchaus streiten kann (was im Zusammenhang mit der fakultativen Aberkennung nach Abs. 2 auch getan wird und hier im nächsten Abschnitt ebenfalls noch zu tun ist), gerät die automatische Rechtsfolge in erster Linie mit dem Strafzweck der schuldangemessenen Vergeltung in Konflikt. Die Vertreter in der Literatur, die Abs. 1 als Nebenfolge und nicht als Nebenstrafe begreifen, führen deshalb zur Begründung hauptsächlich an, dass eine Rechtsfolge, die ohne weitere richterliche Entscheidung an die Verurteilung wegen einer Straftat anknüpft, nicht auf einem Akt der Strafzumessung beruht und daher keine Strafe sein kann.617 Dagegen wenden Geiger618, Mosbacher619 und Weinrich620 ein, dass es beim Straftatbestand des Mordes (§ 211 Abs. 1 StGB) ebenfalls keinen Strafzumessungsspielraum gebe, sondern „gleichsam automatisch“ 621 die lebenslange Freiheitsstrafe verhängt werde. Während Geiger und Weinrich folgerichtig zu dem Ergebnis kommen, dass § 45 StGB materiell Strafe (genauer: „Ehrenstrafe“) sei622, relativiert Mosbacher, indem er in § 45 StGB letztlich nur eine „strafähnliche Sanktion“ erblickt623. Es erscheint aber insgesamt fraglich, ob der Vergleich mit § 211 StGB tragfähig ist.

615 Das dem StGB vorausgehende RStGB regelte automatischen und fakultativen Verlust der Statusrechte noch in zwei getrennten Normen, s. o. 1. Teil: B. II. 1. und 1. Teil: B. II. 2. 616 Begriff nach Nelles, JZ 1991, 17, 18 u. MüKo2 /Radtke § 45 StGB Rn. 6. 617 Einwand geht zurück auf Schafheutle, Prot. Sonderausschuss V, S. 587. In der Sache ähnlich: Nelles, JZ 1991, 17, 18 oben und ihr folgend Oelbermann, Wahlrecht und Strafe, 2011, S. 221; MüKo2 /Radtke § 45 StGB Rn. 6; LK11 /Hirsch § 45 StGB Rn. 1; Streng, Sanktionen, 2012, S. 178 (Rn. 364). 618 Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 252 f., 254 f. 619 SSW1/2 /Mosbacher § 45 StGB Rn. 3. 620 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 151. 621 SSW1/2 /Mosbacher § 45 StGB Rn. 3. 622 Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 200, S. 270; Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 154. 623 SSW1/2 /Mosbacher § 45 StGB Rn. 3.

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a) Absolute Strafdrohung als Ausnahme Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die lebenslange Freiheitsstrafe an sich nach § 38 Abs. 1 StGB bereits eine Ausnahmestellung genießt. Ihre zwingende Verhängung in einzelnen Fällen624 ist eine weitere Zuspitzung.625 Sie stellt eine antizipierte Strafzumessung durch den Gesetzgeber für Fälle der größtmöglichen Schuld dar, die damit insgesamt einen absoluten Ausnahmecharakter begründet.626 Es ist aber methodisch unzulässig, aus einer solchen extremen Ausnahme zu schließen, dass Strafe allgemein auch kraft Gesetzes eintreten und eine Sanktion, die immer kraft Gesetzes eintritt, daher Strafe sein kann. b) Automatik vs. Wesen der Strafe Ihrem Wesen nach setzt Strafe vielmehr Zumessung voraus, weil sie nach der individuellen Schuld zu bemessen ist. Der Gesetzgeber stellt typischerweise Strafrahmen zur Verfügung, weil er nicht allgemein zu einer abschließenden Entscheidung in der Lage ist.627 Eine ausnahmsweise antizipierte Strafzumessung durch das Gesetz mit der Folge einer absoluten Strafandrohung wiederum muss deshalb so bestimmt sein, dass bei Vorliegen der Tatbestandsmerkmale nur eine einzige Entscheidung angemessen und eine weitere Zumessung durch den Richter überflüssig ist.628 Genau dies glaubte der Gesetzgeber mit seiner Kasuistik der Mordmerkmale erreicht zu haben.629 § 45 Abs. 1 StGB ist auf der Tatbestandsseite dagegen viel weniger bestimmt als die Mordmerkmale. So fällt es angesichts der enormen Bandbreite einschlägiger Delikte bereits schwer, überhaupt eine Gemeinsamkeit zwischen allen Verurteilungen wegen eines Verbrechens zu mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe zu bilden.630 Viel mehr als ein gewisses Maß 624 Neben § 211 Abs. 1 StGB nur noch bei § 212 Abs. 2 StGB (trotz der Formulierung „ist“ wird die lebenslange Freiheitsstrafe hier aber relativiert durch den „besonders schweren Fall“, dessen Annahme dem Gericht im Rahmen der „Gesamtbetrachtung“ wiederum einen weiten Beurteilungsspielraum eröffnet), § 6 Abs. 1, 7 Abs. 1 Nr. 1 und 2 sowie 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB. 625 Zu Recht kritisch zu absoluten Strafdrohungen NK4 /Streng § 46 StGB Rn. 7. 626 s. nur MüKo2 /Schneider § 211 StGB Rn. 6 f. 627 Hettinger in: FS 140 Jahre GA (1993), S. 77, 78 f. 628 So Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 255 bez. § 45 Abs. 1 StGB: Der Gesetzgeber habe lediglich für alle Fälle vorweg entschieden, dass bei Vorliegen des Tatbestandes zumindest so viele Strafzwecke verwirkt seien, dass der Eintritt der Rechtsfolge immer zulässig ist. 629 MüKo2 /Schneider § 211 StGB Rn. 7. Auch daran wird heute vielfach deutliche Kritik geäußert und fast alle Vorschläge zur Reform der Tötungsdelikte verabschieden sich mit guten Gründen von der absoluten Strafandrohung bei Mord. Siehe aktuell Kubik/Zimmermann, StV 2013, 582 und Deckers/Fischer/König/Bernsmann, NStZ 2014, 9, 15 f. jeweils m.N. zu weiteren Reformvorschlägen. 630 Ebenso, allerdings im Zusammenhang mit der Frage nach abstrakter Gefährlichkeit, die in der Anlasstat zum Ausdruck kommt: Nelles, JZ 1991, 17, 18.

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an Schuld (abstrakt: Verbrechen, § 12 Abs. 1 StGB; konkret: mehr als 12 Monate Freiheitsstrafe verwirkt) lässt sich dem Tatbestand des § 45 Abs. 1 StGB nicht entnehmen. Die Erwägung, dass das Wesen der Strafe regelmäßig eine Bemessung durch den Richter verlangt, wird ferner durch die Rechtsprechung des BVerfG gestützt. In seiner viel beachteten Entscheidung631 zur Verfassungswidrigkeit der Vermögensstrafe (§ 43a StGB) hatte sich das Gericht mit der Frage zu beschäftigen, ob sich der weite Spielraum bei der Verhängung der Vermögensstrafe mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG vereinbaren lässt. In diesem Zusammenhang setzt sich das BVerfG ausführlich mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit von Strafdrohungen auseinander und führt unter anderem aus, dass absolut angedrohten Strafen die Gefahr droht, in Konflikt mit dem Schuldgrundsatz zu geraten, weil sie dem Richter eine „Abmessung der Strafe an den Einzelheiten von Unrecht und Schuld nicht eröffnen“.632 Keinesfalls dürfe der Richter durch eine zu starre gesetzliche Strafandrohung gezwungen sein, eine Strafe zu verhängen, die nach seiner Überzeugung Unrecht und Schuld des Täters nicht entspräche.633 Weiter heißt es sogar, dass das Schuldprinzip zur Vermeidung unverhältnismäßiger und ungerechter Strafen tendenziell die Bestimmung von Strafrahmen einfordere.634 Auch zuvor hatte das BVerfG in seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe die Bedeutung des Schuldgrundsatzes für die Ausgestaltung der Strafdrohung dahingehend konkretisiert, dass dem Richter die Möglichkeit eingeräumt werden müsse, die Strafen bei Taten von unterschiedlicher Schwere anzupassen.635 Nur weil es diese Möglichkeit aufgrund der allgemeinen Regelungen des StGB (insbes. § 21 StGB) und einer möglichen restriktiven Auslegung der Mordmerkmale durch den Tatrichter hinreichend gewährleistet sah (und gleichzeitig eine einheitliche Strafpraxis als Gebot der materiellen Gerechtigkeit einstufte), sah das Gericht die absolute Strafdrohung beim Mord – man möchte meinen: gerade noch so – als mit dem Schuldgrundsatz vereinbar an.636 Mit diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung von Strafandrohungen lässt sich eine Sanktion wie § 45 Abs. 1 StGB, die ausschließlich automatisch eintritt, dem Richter keinerlei eigene Entscheidung zubilligt637, eine starre Höhe besitzt und insbesondere nicht einmal in Ausnahmefällen BVerfGE 105, 135, krit. dazu MüKo1 /Radtke § 43a StGB Rn. 28 ff. m.w. N. BVerfGE 105, 135, 154. 633 BVerfGE 105, 135, 154 und zuvor schon BVerfGE 54, 100, 109. 634 BVerfGE 105, 135, 155. 635 BVerfGE 45, 187, 260. 636 BVerfGE 45, 187, 261. 637 Vgl. dazu MüKo2 /Radtke § 45 StGB Rn. 18: „Es erfolgt kein Wertungsakt des Gerichts.“ 631 632

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ein Absehen638 von ihrem Eintritt ermöglicht, nicht vereinbaren. Auf die Friktionen, die § 45 Abs. 1 StGB im Rahmen der Strafzumessung verursacht, wird zudem sogleich noch einmal zurückgekommen.639 Auch der Gesetzgeber war sich der Problematik einer automatischen Sanktion bewusst, als er mit der Großen Strafrechtsreform die §§ 31–33 StGB a. F. (= §§ 45–45b StGB) schuf. Zu Recht befürchtete er, dass eine solche Automatik „im Einzelfall zu unangemessenen Härten führen könnte“, und erwog daher eine rein fakultative Lösung für die Statusminderungen.640 Letztlich waren es dann eher pragmatische Gründe, die ihn dazu bewogen, trotz dieser Bedenken an der Automatik festzuhalten.641 In der Sache ging der Gesetzgeber ohnehin gar nicht davon aus, mit § 45 Abs. 1 StGB ein zusätzliches Strafübel zu schaffen, sondern wollte lediglich im StGB eine zentrale Regelung für etwas schaffen, das seiner Auffassung nach in anderen Gesetzen zwingende Folge bestimmter Verurteilungen sei.642 c) Absolut = absolut? Wie bereits das BVerfG konstatierte,643 ist die Androhung lebenslanger Freiheitsstrafe des Weiteren weit weniger absolut, als es bei der Lektüre des Gesetzes zunächst den Anschein hat. Bei näherer Betrachtung fällt nämlich auf, dass im Rahmen zwingender Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe sehr wohl Strafzumessung stattfindet, denn § 57a StGB, der die Strafrestaussetzung zur Bewährung bei lebenslanger Strafe regelt, nötigt den Tatrichter644 i. R. d. § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB zu einer Quantifizierung der Schuld, indem er ggf. eine „besondere Schwere“ festzustellen hat, die dann praktisch wie eine weitere Qualifikation wirkt645. Darüber hinaus eröffnen verschiedene Normen (z. B. §§ 13 Abs. 2 17 S. 2, 21, 23 Abs. 2, 27 Abs. 2 StGB) im Einzelfall eine Milderungsmöglichkeit nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB mit der Folge, dass aus der lebenslangen eine zeitige Freiheitsstrafe wird. Die Rechtsprechung schränkt die Absolutheit lebenslanger Freiheitsstrafe beim Mord im Übrigen noch weiter ein, indem sie mit der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des BGH eine Art „minder schweren Fall des Mordes“ in Fällen heimtückischer Begehung geschaffen hat und fortan bei Vorliegen außergewöhnlicher schuldmindernder Umstände, auf Grund derer die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe als un638

Vgl. dagegen bei der Strafe §§ 23 Abs. 3, 46a, 60 StGB. s. u. 1. Teil: D. I. 1. f). 640 Prot. Sonderausschuss V, S. 2565; BT-Drs. V/4094, S. 15. 641 s. o. 1. Teil: B. V. 4. 642 BT-Drs. V/4094, S. 16. 643 BVerfGE 45, 187, 261. 644 s. zur Zuständigkeitsverteilung zwischen Schwurgericht und Vollstreckungsgericht nur Fischer62 § 57a StGB Rn. 7. 645 Fischer62 § 57a StGB Rn. 7 m.w. N. 639

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verhältnismäßig erscheint, eine Anwendung des Strafrahmens des § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB erlaubt.646 Auch sonst bemüht sich der BGH nach Kräften, die absolute Strafandrohung bei Mord durch restriktive Auslegung der Mordmerkmale zu relativieren.647 Daran zeigt sich erneut, wie wenig sich eine Automatik mit dem Wesen der Strafe vereinbaren lässt – § 45 Abs. 1 StGB eröffnet aber all diese Möglichkeiten zur Vermeidung seines zwingenden Eintritts nicht! Der historische Gesetzgeber hatte 1941 wohl nicht zuletzt wegen dieser Probleme mit einer absoluten Strafdrohung in § 211 RStGB, der seinerzeit noch zwingend die Todesstrafe vorsah, in Abs. 3 eine Ausnahmevorschrift geschaffen, die eine Umwandlung in lebenslange Zuchthausstrafe ermöglichte. Im neuen StGB war dann jedoch keine entsprechende Ausnahmeregelung zur Vermeidung lebenslanger Freiheitsstrafe mehr vorgesehen.648 d) Konflikt mit der Einheitsfreiheitsstrafe649 Darüber hinaus entsteht ein weiterer Konflikt: Begreift man diese Automatik für alle Fälle der (ungemilderten) Verurteilung wegen eines Verbrechens als gesetzliche Nebenstrafe, wäre sie Teil der abstrakten Strafdrohung für Verbrechen. Nach dem Klammerprinzip des Allgemeinen Teils des StGB müsste man dann in die Strafdrohung jedes Verbrechenstatbestandes aus dem Besonderen Teil zusätzlich hineinlesen „Freiheitsstrafe unter Verlust der Amtsfähigkeit und des passiven Wahlrechts“, was nicht weniger als eine eigene Strafart begründen würde650. Auf diese Weise würde sozusagen „durch die Hintertür“ eine der zentralen Errungenschaften der Reform des Sanktionenrechts, nämlich der Abschied von der entehrenden Zuchthausstrafe651 durch die Einführung der Einheitsfreiheitsstrafe, wieder rückgängig gemacht.652 § 45 Abs. 1 StGB als Strafe zu begreifen, widerspräche demnach der vom Gesetzgeber gewollten Einheitsfreiheitsstrafe.653 e) Regelungstechnik Schließlich besteht ein weiterer Unterschied zwischen der automatischen lebenslangen Freiheitsstrafe bei Mord und dem automatischen Rechtsverlust nach § 45 Abs. 1 StGB darin, dass erstere an eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige 646

BGHSt 30, 105. s. nur MüKo2 /Schneider § 211 StGB Rn. 23 ff. m.w. N. 648 s. hierzu vertiefend Jähnke in: FS Spendel (1992), S. 537, 539 ff. 649 s. dazu nochmals unten 1. Teil: D. I. 1. h) cc). 650 So Nelles, JZ 1991, 17, 19. 651 Prot. Sonderausschuss V, S. 501, 503; BT-Drs. V/4094, S. 8. 652 Nelles, JZ 1991, 17, 19. 653 Nelles, JZ 1991, 17, 19; Jekewitz, GA 1977, 161, 169; NK4 /Albrecht § 45 StGB Rn. 6. 647

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und schuldhafte Tat (= Straftat) anknüpft, während der automatische Verlust von Amtsfähigkeit und Wählbarkeit nicht nur eine Straftat, sondern darüber hinaus auch bereits eine Verurteilung zu einer Strafe in bestimmter Höhe voraussetzt. § 45 Abs. 1 StGB setzt somit erst einen Schritt später ein als die Hauptsanktion. Er ist nicht die Rechtsfolge einer Straftat, sondern die Folge einer bestimmten Verurteilung.654 § 45 Abs.1 StGB ist deshalb schon aus regelungstechnischen Gründen keine Strafe. f) Auswirkungen der Automatik auf die Strafzumessung Freilich setzt auch die Nebenstrafe des § 44 StGB immer eine Verurteilung zur Hauptstrafe voraus – allerdings nicht zeitlich vorgelagert. Die Nebenstrafe wird zudem gerade nicht automatisch verhängt und erfordert demnach keine Hauptverurteilung in bestimmter Höhe, sondern sie wird nach den allgemeinen Strafzumessungsgrundsätzen und vor allem im Zusammenspiel mit der Hauptstrafe bemessen655. Eine solche Wechselwirkung ist im Rahmen des § 45 Abs. 1 StGB nicht ohne weiteres möglich, weil sein „ob“ und sein „wie (lang)“ gar nicht zur Disposition stehen. Hier könnte das Gericht allenfalls vorab bei der Strafzumessung der Hauptstrafe (§ 46 Abs. 1 S. 2 StGB) dafür sorgen, dass der Tatbestand des § 45 Abs. 1 StGB gar nicht erst erfüllt ist. Dies führt hier speziell aber zu einem unlösbaren Konflikt, weil dem Richter ein Unterschreiten der Tatbestandsschwelle für den Eintritt der Nebenfolge in der Regel gar nicht möglich ist656: Denn § 45 Abs. 1 StGB setzt eine mindestens einjährige Freiheitsstrafe voraus und gilt nur für Verbrechen, deren Mindeststrafe immerhin ein Jahr Freiheitsstrafe beträgt (§ 12 Abs. 1 StGB). Ein Unterschreiten ist also nur ausnahmsweise möglich, wenn entweder ein „minder schwerer Fall“ vorliegt oder eine Regelung die Strafmilderung nach § 49 StGB erlaubt. Soweit tatsächlich ein „minder schwerer Fall“ in Betracht kommt, hat Hirsch allerdings unter Hinweis auf eine ältere Entscheidung des BGH657 vertreten, dass einzelne Strafmilderungsgründe allein bei der konkreten Strafzumessung zu berücksichtigen seien und prinzipiell kein Unterschreiten der gesetzlichen Mindeststrafe durch eine andere Strafrahmenwahl erlauben.658 In einer späteren Entschei654

s. dazu bez. des ähnlichen § 31 RStGB Dolles, Nebenstrafe an der Ehre, 1914,

S. 60. 655

s. o. 1. Teil: A. II. 1. Zutreffend Nelles, JZ 1991, 17, 20. Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 248 u. 260 verkennt dagegen, dass i. R. d. § 45 Abs. 1 StGB die Mindeststrafe von Verbrechen dazu führt, dass ein „Zuwenig“ gar nicht ohne Weiteres verhängt werden kann. 657 Urt. des BGH v. 17.8.1962 – 4 StR 248/62. 658 LK10 /Hirsch § 46 StGB Rn. 90. 656

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

dung hat der BGH diese Auffassung allerdings zurückgewiesen und stattdessen geurteilt, dass eine gesetzliche Folge der Verurteilung (damals: der zwingende Verlust der Beamtenrechte nach Landesgesetz) schon bei der Auswahl des Strafrahmens zu berücksichtigen sei.659 Diese Konstruktion ist aber von vornherein auf die Fälle beschränkt, in denen das Gesetz überhaupt einen „minder schweren Fall“ vorsieht.660 Folgt man trotz der erheblichen Einwände in der Literatur661 der Ansicht der Rechtsprechung und eröffnet im Einzelfall die Anwendung eines „minder schweren Falls“, hätte dies immerhin zur Folge, dass der Richter unter der im Rahmen des § 45 Abs. 1 StGB tatbestandsmäßigen einjährigen Freiheitsstrafe bleiben kann. Damit ist dann freilich wenig gewonnen, wenn im Einzelfall gerade und nur eine Strafe i. H. v. einem Jahr Freiheitsstrafe schuldangemessen ist. In diesem Fall würde durch den zwingenden Eintritt des § 45 Abs. 1 StGB das Maß der Schuld überschritten. Sieht man in § 45 Abs. 1 StGB eine automatische Nebenstrafe, müsste die zu verhängende Freiheitsstrafe entsprechend gesenkt werden, damit die Gesamtstrafe noch schuldangemessen ist.662 Dann läge sie jedoch unter der Grenze von einem Jahr und die Folge träte gar nicht mehr ein, weshalb die Strafe insgesamt zu niedrig wäre. Eigentlich müsste die Strafe nun wieder erhöht werden, was dann aber wiederum zum Eintritt der Nebenfolge führen würde, usw. usf. Nelles spricht insoweit treffend von einer „unentscheidbaren Schleife“ 663. Der Richter steht hier letztlich vor der Wahl, entweder eine insgesamt zu hohe oder zu niedrige Strafe verhängen zu müssen. Aus verfassungsrechtlichen Gründen muss sich der Richter nach Auffassung der Rechtsprechung für die zu geringe Strafe entscheiden.664 In beiden Fällen wird jedoch die schuldangemessene Strafe verfehlt. Auch daran zeigt sich, dass die Regelungstechnik des § 45 Abs. 1 StGB mit dem Strafzweck der schuldangemessenen Vergeltung nicht zu vereinbaren ist. Selbst die Ansicht der Rechtsprechung, die es ggf. erlaubt, einen „minder schweren Fall“ anzunehmen, führt nicht dazu, dass im Einzelfall schuldangemessene Rechtsfolgen verhängt werden können. Der zwingende Eintritt kraft Gesetzes lässt sich nicht in eine schuldangemessene Strafzumessung integrieren.

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BGHSt 35, 148 ff. = NJW 1988, 2749 ff. Vgl. etwa das Verbrechen der Rechtsbeugung nach § 339 StGB, für das kein „minder schwerer Fall“ existiert. 661 Bruns, JZ 1988, 467; Streng, NStZ 1988, 485 und ihm zustimmend Nelles, JZ 1991, 17, 20 f.; Nicolaus, Mittelbare Straftatfolgen, 1992, S. 109 ff. 662 Die wohl herrschende Ansicht hält auch die Berücksichtigung nichtstrafender gesetzlicher (Neben-)Folgen im Rahmen des § 46 Abs. 1 S. 2 StGB für zwingend, s. nur MüKo2 /Miebach § 46 StGB Rn. 37; Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig § 46 StGB Rn. 55 m.w. N.; BGH wistra 1983, 145; krit. Streng, NStZ 1988, 485. Darauf wird unten unter 3. Teil: A. noch einmal vertieft eingegangen. 663 Nelles, JZ 1991, 17, 20. 664 BGHSt 35, 148, 151. 660

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g) Die Ansicht Theunes Es gibt allerdings noch eine andere Stimme in der Literatur, die § 45 Abs. 1 StGB als Nebenstrafe begreift und sich zur Begründung nicht bloß mit dem Hinweis auf die absolute Strafandrohung bei Mord begnügt: Theune will die Abs. 1, 2 und 5 des § 45 StGB einheitlich als Nebenstrafen qualifizieren.665 Dafür spricht nach seiner Auffassung in systematischer Hinsicht, dass die Nebenfolgen im Dritten Abschnitt des StGB unter dem Ersten Titel „Strafen“ eingeordnet sind.666 Weiter knüpfe ihr Eintritt jeweils an ein bestimmtes durch die Höhe der Freiheitsstrafe definiertes Maß der Schuld an.667 Und schließlich sei nicht einzusehen, warum identische Rechtsfolgen (§ 45 Abs. 1 und 2 StGB) allein wegen ihrer unterschiedlichen Anordnung (zwingend kraft Gesetzes/im Ermessen des Richters) einmal als Strafe und einmal als Nicht-Strafe begriffen werden sollten.668 Der Strafcharakter einer Rechtsfolge bestimme sich nach materiell rechtlichen Grundsätzen und nicht nach dem Entscheidungsspielraum des Richters.669 Soweit sich nicht bereits aus dem bisher zum Wesen der Strafe Gesagten ergibt, dass Theune nicht gefolgt werden kann, ist folgendes zu ergänzen: Sein „systematisches Argument“ ist nicht geeignet, den Schluss auf die Strafqualität des gesamten § 45 StGB zu tragen. Völlig unerörtert bleibt in seiner Argumentation nämlich, dass die gesetzliche Überschrift der §§ 45 ff. StGB nicht „Nebenstrafen“, sondern „Nebenfolgen“ lautet bzw. dass die §§ 45 ff. StGB überhaupt eine eigene Überschrift besitzen. In systematischer Hinsicht kann man daher genauso gut anführen, dass die Stellung des § 45 StGB unter der Überschrift „Nebenfolgen“ gegen eine Einordnung als Strafe spricht.670 Mehr als eine gewisse Nähe zur Strafe kann mit der Stellung des § 45 StGB nicht begründet werden. Diese Nähe zur Strafe erscheint aber auch für einen nicht-strafenden § 45 Abs. 1 StGB sachgerecht, denn er knüpft als weitere Rechtsfolge schließlich an eine bestimmte Strafverurteilung an. Eine Erklärung für dieses auf den ersten Blick widersprüchliche Bild liefert die oben geschilderte Entstehungsgeschichte des heutigen § 45 StGB, die maßgeblich vom E 1962 geprägt wurde.671 Dort war in § 45 StGB-E 1962 unter der Überschrift „Wirkungen der Zuchthausstrafe“ (und nicht LK12 /Theune § 45 StGB Rn. 1. Ebenso Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 270. 666 LK12 /Theune § 45 StGB Rn. 1; ebenso LK11 /Hirsch § 45 StGB Rn. 1; dies im Hinblick auf die Abs. 2 und 5 betonend: MüKo2 /Radtke § 45 StGB Rn. 7. 667 LK12 /Theune § 45 StGB Rn. 1. 668 LK12 /Theune § 45 StGB Rn. 1; ebenso Nelles, JZ 1991, 17, 18; Meier, Sanktionen, 2015, S. 439. 669 LK12 /Theune § 45 StGB Rn. 1. 670 In diesem Sinne etwa Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 785 f. Ähnlich zur Uneindeutigkeit der Systematik des § 45 StGB Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 249. Siehe auch unten 1. Teil: D. I. 2. c). 671 s. o. 1. Teil: B. V. 665

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

als eigenständige Strafe) eine gesetzliche Rechtsminderung vorgesehen. In § 56 StGB-E 1962 wurde dagegen eine fakultative Statusminderung ausdrücklich als Nebenstrafe geschaffen. Nachdem sich aber die Große Strafrechtskommission mehrheitlich für die Abschaffung der Zuchthausstrafe ausgesprochen hatte, war es nicht mehr möglich, die Statusminderungen, die man trotz aller Bedenken weiterhin in der Sache für notwendig hielt, nach dem Vorbild des E 1962 auszugestalten. Das Ergebnis war eine gemeinsame Norm unter der Überschrift „Nebenfolgen“ – mit der gemeinsamen Regelung zweier verschiedener Formen der Statusminderung (kraft Gesetzes/fakultativ) in einer Norm konnte § 45 StGB nämlich nicht mehr einheitlich als Nebenstrafe bezeichnet werden. Der Begriff „Nebenfolgen“ ist hier daher in Übereinstimmung mit der früheren Verwendung672 auch als Oberbegriff zu verstehen. Unberücksichtigt lässt Theune weiter, dass § 45 Abs. 1 StGB durch seine Ausgestaltung als automatische Rechtsfolge in der Tradition der §§ 31 RStGB, 31 StGB a. F. steht, denen schon nach der damals jeweils herrschenden Ansicht kein Strafcharakter zugebilligt wurde.673 Und der Gesetzgeber selbst ging bei der Reform des § 45 Abs. 1 StGB auch gar nicht davon aus, dass darin ein zusätzliches Strafübel enthalten sei. Er wollte lediglich im StGB eine zentrale Regelung (aber mit Wiederverleihungsmöglichkeit) für Folgen schaffen, die nach seiner Meinung ohnehin in anderen Nebengesetzen und Berufsordnungen zwingend an eine bestimmte Strafverurteilung knüpfen würden.674 Weiter ist zu fragen, ob es zutrifft, dass der Strafcharakter einer Rechtsfolge allein nach materiell-rechtlichen Gesichtspunkten zu bewerten ist, denn dann wäre eine anderslautende Überschrift durch den Gesetzgeber in der Tat unbeachtlich. Gerade bei der Strafe erscheint es allerdings schwierig, ihr Vorliegen unabhängig vom Willen des Gesetzgebers zu bestimmen. Wie oben bereits im Zusammenhang mit der Abgrenzung zwischen Strafe und Ordnungswidrigkeit675 bzw. Strafe und Maßregel ausgeführt,676 kommt es bei der Charakterisierung einer Sanktion maßgeblich auf das an, was der Gesetzgeber in sie hineinlegt. So ist Häger darin zuzustimmen, dass sich etwa die Ahndung einzelner Verhaltensweisen als Straftat oder Ordnungswidrigkeit in Grenzfällen (bspw. im Straßenverkehrsrecht) gerade nicht qualitativ überzeugend begründen lässt.677 Es ist und bleibt insoweit maßgeblich die Aufgabe des demokratisch legitimierten Gesetzgebers festzulegen, welche Verstöße er mit Strafe belegt. Ebenso obliegt es ihm – abgesehen von rechtsstaatlichen Kautelen im Einzelfall678 –, Sanktionen Straf672 673 674 675 676 677

s. o. 1. Teil: Fn. 460. s. o. 1. Teil: B. II. 1. und 1. Teil: B. V. 3. BT-Drs. V/4094, S. 16. s. o. 1. Teil: A. I. am Ende. s. o. 1. Teil: A. III. 4. c). LK12 /Häger vor §§ 38 ff. StGB Rn. 76.

D. Was ist eine Nebenfolge?

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charakter zuzuweisen oder sie sozialethisch neutral zu belassen. Bei der tadelnden Funktion der Strafe handelt es sich um eine rein normative Entscheidung, die der Gesetzgeber nur für die Strafe getroffen hat [weshalb Maßregel und Ordnungswidrigkeit trotz vieler Gemeinsamkeiten mit der Strafe keinen sozialethischen Tadel ausdrücken, s. o. 1. Teil: A. I. am Ende und 1. Teil: A. III. 4. c)]. Zur Veranschaulichung dieses Umstandes besonders geeignet ist ein Vergleich zwischen der Nebenstrafe des Fahrverbots in § 44 StGB und der „Nebenbuße“ des Fahrverbots in § 25 StVG: § 44 StGB Fahrverbot (1) Wird jemand wegen einer Straftat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, zu einer Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe verurteilt, so kann ihm das Gericht für die Dauer von einem Monat bis zu drei Monaten verbieten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art zu führen. Ein Fahrverbot ist in der Regel anzuordnen, wenn in den Fällen einer Verurteilung nach § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a, Abs. 3 oder § 316 die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 unterbleibt. [. . .] § 25 StVG Fahrverbot (1) Wird gegen den Betroffenen wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24, die er unter grober oder beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, eine Geldbuße festgesetzt, so kann ihm die Verwaltungsbehörde oder das Gericht in der Bußgeldentscheidung für die Dauer von einem Monat bis zu drei Monaten verbieten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art zu führen. Wird gegen den Betroffenen wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a eine Geldbuße festgesetzt, so ist in der Regel auch ein Fahrverbot anzuordnen. [. . .]

Trotz teilweise identischen Wortlauts, identischer Regelungstechnik, identischen Zwecks679 und in der Sache sogar vollkommen identischer Wirkung ist § 25 StVG keine Nebenstrafe. Der einzige Unterschied zur Nebenstrafe des Fahrverbots besteht darin, dass das Fahrverbot als Rechtsfolge einer Ordnungswidrigkeit nur neben einer Geldbuße verhängt werden kann. Unter der Prämisse Theunes, dass die Rechtsnatur einer Rechtsfolge nur materiell-rechtlich bestimmt werden kann, ist die unterschiedliche Einstufung der beiden Fahrverbote nicht zu erklären. Damit ist auch schon zum letzten gewichtigen Argument Stellung bezogen: Nicht nur Theune führt an, dass eine identische Einbuße, wie sie die Absätze 1 678 Vgl. z. B. die Diskussion um ein Rückwirkungsverbot bei Maßregeln der Besserung und Sicherung. Abgelehnt von BVerfGE 109, 133, 182 ff. Krit. dazu Kinzig, NJW 2004, 911 ff. 679 s. nur Burmann/Heß/Jahnke/Janker/Janker § 25 StVG Rn. 1b: „Denkzettel- u. Besinnungsmaßnahme“. Vgl. im Übrigen oben 1. Teil: A. II. 1.

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und 2 des § 45 StGB vorsehen, auch materiell einheitlich beurteilt werden müsse.680 Dies scheint im ersten Zugriff durchaus einzuleuchten, kann aber bei näherer Betrachtung letztlich nicht überzeugen: Oelbermann macht es sich in diesem Zusammenhang zwar zu einfach, wenn er bloß erwidert, dass Freiheitsstrafe und stationäre Maßregel der Besserung und Sicherung schließlich auch den Freiheitsentzug zur Konsequenz haben können, weshalb nicht einzusehen sei, dass die verschiedenen Absätze des § 45 StGB nicht unterschiedliche Rechtsnaturen aufweisen können681. Hier reduziert er der Sache nach deutlich verschiedene Sanktionen auf den gemeinsamen Aspekt des Freiheitsentzuges. Von einer identischen Einbuße kann allerdings schon deshalb nicht gesprochen werden, weil bspw. die Begrenzung des Freiheitsentzuges eine ganz andere ist (Schuld vs. Verhältnismäßigkeit), der Vollzug im Falle von Strafe und Maßregel zudem regelmäßig anders ausgestaltet ist, überwiegend in getrennten Anstalten682 stattfindet und insbesondere der Anordnungszweck unterschiedlich ist683. Aus ähnlichen Gründen sehen auch die Nebenstrafe des Fahrverbots nach § 44 StGB und die Maßregel der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB nur ähnliche, aber keine identischen Einbußen vor.684 Dass eine unterschiedliche Rechtsnatur von Sanktionen auch dort, wo wir es tatsächlich mit identischen Einbußen zu tun haben, keinen Einzelfall darstellt, zeigen indes Verfall und Einziehung nach §§ 73 ff. StGB. Bei allem Streit um die Rechtsnatur dieser Institute685 ist hier anerkannt, dass die Einziehung nach § 74 StGB je nach Anwendungskonstellation einmal Straf- und einmal Sicherungscharakter aufweist.686 Denn wenn sich die Einziehung nach § 74 Abs. 3 StGB gegen einen schuldlos Handelnden richtet, kann sie keine Strafe sein.687 Hier findet sich die unterschiedliche Rechtsnatur sogar innerhalb desselben Paragraphen, für den auch einheitlich die Ausführungsbestimmungen der §§ 74a–74f StGB gelten – hier besteht eine weitere Parallele zu § 45 StGB, auf den insgesamt die §§ 45a, 45b StGB Anwendung finden. 680 LK12 /Theune § 45 StGB Rn. 1. Ebenso Nelles, JZ 1991, 17, 18; Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 163; Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 45; Meier, Sanktionen, 2015, S. 439. 681 Oelbermann, Wahlrecht und Strafe, 2011, S. 226. 682 Programmatisch insoweit auch das vom BVerfG in BVerfGE 109, 133 ff. u. BVerfGE 128, 326 ff. aus der Taufe gehobene „Abstandsgebot“ zwischen dem Vollzug der Freiheitsstrafe und dem der Sicherungsverwahrung, der in räumlich getrennten Abteilungen derselben JVA stattfinden darf. Vgl. auch den neuen § 66c StGB. 683 s. o. 1. Teil: A. III. 4. b). 684 s. o. 1. Teil: A. II. 1. 685 s. nur Schönke/Schröder29 /Eser vor § 73 StGB Rn. 12 ff. m.w. N. 686 Schönke/Schröder29 /Eser § 74 StGB Rn. 39 ff.; MüKo2 /Joecks § 74 StGB Rn. 2 ff.; Lackner/Kühl28 /Heger § 74 StGB Rn. 1 f.; Fischer62 § 74 StGB Rn. 2; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 789. 687 MüKo2 /Joecks § 74 StGB Rn. 2; Fischer62 § 74 StGB Rn. 2.

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Im Gegensatz zum Verweis auf den (Fortbewegungs-)Freiheitsentzug bei Freiheitsstrafe und stationärer Maßregel zutreffend ist es deshalb, auf die Ausgestaltung des Fahrverbots einmal als Nebenstrafe in § 44 StGB und einmal als „Nebenbuße“ in § 25 StVG oder auf die unterschiedliche Rechtsnatur der Einziehung nach § 74 Abs. 1 u. 2 auf der einen und § 74 Abs. 3 StGB auf der anderen Seite abzustellen, woraus jeweils folgt, dass identische Eingriffe eine unterschiedliche Rechtsnatur aufweisen können. Wegen der hier genannten Besonderheiten der Regelungstechnik des § 45 Abs. 1 StGB ist deshalb im Ergebnis Radtke zuzustimmen, der darauf hinweist, dass die Absätze des § 45 StGB „auf Grund ihrer materiellen Voraussetzungen – Verlust ex lege bzw. fakultative Aberkennung durch Urteil – so verschiedenartig [sind], dass eine unterschiedliche materielle Einordnung angebracht und – unter Berücksichtigung der o. g. Argumente – sogar notwendig ist.“ 688 h) § 45 Abs. 1 i.V. m. §§ 12 Abs. 1, 38 StGB als moderne Ehrenstrafe? Es gibt schließlich noch Stimmen, die in § 45 Abs. 1 StGB bzw. der Verbrechensstrafe von über einem Jahr, mit der § 45 Abs. 1 StGB verbunden ist, nach wie vor eine Ehrenstrafe sehen.689 Begründet wird dies damit, dass § 45 Abs. 1 StGB ausschließlich an Verbrechen i. S. d. § 12 Abs. 1 StGB anknüpfe und die Verurteilung wegen eines solchen ein gesteigertes Unwerturteil über die Tat zum Ausdruck bringe.690 Das Verbrechen fungiere als Ersatz für die inzwischen abgeschaffte Zuchthausstrafe, an die im alten Recht die Statusfolgen geknüpft waren:691 Mit der Einstufung als Verbrechen drücke der Gesetzgeber im modernen Recht die gesteigerte Missbilligung aus, die zuvor in der Androhung der Zuchthausstrafe zum Ausdruck gekommen sei.692 Schließlich sei das Verbrechen traditionelle Voraussetzung für die Verhängung der Zuchthausstrafe gewesen.693 Nach dieser Auffassung existiert im StGB also nicht die sog. Einheitsfreiheitsstrafe 694, sondern die Freiheitsstrafe von über einem Jahr wegen eines Verbrechens stellt MüKo2 /Radtke § 45 StGB Rn. 8. Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 148 ff., 164; Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 268 ff.; Schmidhäuser, Strafrecht AT, 1975, S. 772 („[. . .] die den Charakter einer Ehrenstrafe nicht verleugnen können“); Baumann/Weber, Strafrecht AT, 1985, S. 602 f., 615. 690 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 151. 691 s. 1. Teil: B. V. 3. 692 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 152. 693 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 152 m. Verweis auf Jescheck/ Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 55. 694 So aber die ganz h. M. Siehe nur Streng, Sanktionen, 2012, S. 80 (Rn. 156); Schäfer/Sander/van Gemmeren, Strafzumessung, 2012, Rn. 150; Schönke/Schröder29 /Stree/ Kinzig vor § 38 StGB Rn. 28; NK4 /Villmow vor § 38 StGB Rn. 8; LK12 /Häger vor § 38 StGB Rn. 35. 688 689

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als Ehrenstrafe eine eigenständige Sanktion innerhalb der Freiheitstrafen dar.695 Die Automatik des § 45 Abs. 1 StGB soll danach dem Strafcharakter nicht entgegenstehen, weil Strafe auch automatisch verhängt werden könne, wie aus § 211 StGB ersichtlich werde.696 Zudem enthalte § 45 Abs. 1 StGB ein eigenständiges Strafübel697, weil seine Wirkung selbst bei gnadenweisem Erlass der Hauptstrafe weiter bestehe.698 aa) Was ist eine Ehrenstrafe? Spätestens an dieser Stelle ist nun zu fragen, was eine Ehrenstrafe eigentlich ausmacht. Der Vergleich mit alten Formen der Schand- und Demütigungsstrafen kann an dieser Stelle nicht weiterhelfen, weil sie seit langer Zeit überwunden sind.699 Doch auch die „jüngeren“ Institute der „Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte“ in ihren verschiedenen Formen werden nach wie vor z. T. als Ehrenstrafen bezeichnet. Kießlich etwa begreift die Ehrenstrafe Anfang des 20. Jahrhunderts stellvertretend für die damalige Epoche700 „als das vom Staate verhängte Übel, welches sich gegen die bürgerliche Ehre des Täters richtet.“ 701 Dazu komme es, wenn eine strafgerichtliche Verurteilung wegen einer „entehrenden Handlung“ erfolge.702 Zur Feststellung bedürfe es einer moralischen Bewertung, die zwar rein rechtlicher Natur sei, aber maßgeblich von den ethischen Anschauungen im Volk abhänge.703 Gallas definiert die Ehrenstrafe in seinem Vortrag vor der Großen Strafrechtskommission im Jahr 1954 dagegen wie folgt: „Ehrenstrafe ist eine Strafe, die ein gesteigertes sozialethisches Unwerturteil über die Tat und den Täter durch einen Eingriff in die soziale Geltung des Täters zum Ausdruck bringt.“ 704 695

Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 152 f. Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 151; Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 252 f., 254 f. 697 Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 254. 698 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 153. 699 s. o. 1. Teil: B. VI. 700 Inhaltlich ähnlich Kühne, Ehrenstrafen, 1931 S. 1 ff. Dolles, Die Nebenstrafen an der Ehre, 1914, S. 16 definiert: „Strafen, die den Delinquenten wegen besonders ehrenrühriger strafbarer Handlungen, die er sich hat zuschulden kommen lassen, als ehrlos darstellen, [. . .], also rechtliche Zurücksetzungen, in welchen gleichfalls die ihnen zugrunde liegende besondere Ehrlosigkeit des Täters, seine Unwürdigkeit, bürgerliche Ehrenrechte zu besitzen, zum Ausdruck kommt.“ Er sieht zwar auch in der Rechtsminderung eine Schmälerung der Ehre, betont aber gleichzeitig, dass sie infolge der besonders ehrlosen Tat erfolgt, und liegt damit auf derselben Linie wie Kühne und Kießlich. 701 Kießlich, Ehrenstrafe, 1911, S. 8. 702 Kießlich, Ehrenstrafe, 1911, S. 6. 703 Kießlich, Ehrenstrafe, 1911, S. 7. 704 Gallas, Niederschriften GSK I, 1956, S. 217. 696

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Weinrich formuliert in neuerer Zeit auf letztere Definition bezugnehmend: „Die Ehrenstrafe ist damit eine staatliche Sanktion, die wegen eines Verhaltens in der Vergangenheit schuldbezogen gezielt in die Partizipationsfähigkeit oder in die Partizipationsmöglichkeit eingreift. Sie hat zum Ziel, gesellschaftliche Stabilität zu wahren und zu erzeugen, sie beinhaltet ein gesteigertes soziales Unwerturteil.“ 705 Auf § 45 Abs. 1 StGB bezogen konkretisiert er: „§ 45 Abs. 1 StGB stellt also den Ausdruck eines gesteigerten soziales [sic!] Unwerturteils dar, das sich auf die Rechtsstellung des Bürgers niederschlägt und in der Konsequenz mit dem gesellschaftlichen Status seine Partizipationsmöglichkeit beeinträchtigt.“ 706 Doch diese neueren Definitionen überzeugen mit Blick auf die oben geschilderte Historie nicht. Sie berücksichtigen nicht ausreichend, dass früher nach überwiegendem Verständnis nicht die Strafe den Täter entehrte, sondern der Täter sich durch die ehrlose Tat bereits selbst entehrt hatte.707 Bei den früheren Ehrenstrafen selbst noch in Form der Aberkennung einzelner „bürgerlicher Ehrenrechte“ ging es deshalb immer um die Frage, ob die Tat eine entehrende ist.708 Die Ehrenstrafe besaß insofern deklaratorischen Charakter, als sie die Ehrlosigkeit offiziell besiegelte.709 An diese Bewertung knüpften dann Statusminderungen an – ihre stigmatisierende Wirkung erhielten sie durch den Rückschluss von der Rechtsminderung auf eine zuvor begangene ehrlose Tat. Die o. g. neueren Definitionen leiden demnach an einem konstruktiven Fehler: das gesteigerte soziale Unwerturteil wurde bei der Ehrenstrafe nicht durch einen Eingriff in die Partizipationsfähigkeit ausgedrückt, sondern wegen einer solchen Bewertung von Tat und Täter („ehrlose Gesinnung“) wurden anschließend Statusrechte gemindert. Deutlich wird dies insbesondere an der Zuchthausstrafe, die zum einen bei besonders verwerflichen Delikten angeordnet war und zum anderen verhängt werden konnte, wenn die Tat einer „ehrlosen Gesinnung“ entsprungen war (§ 20 RStGB, § 20 StGB a. F.). Das gesteigerte soziale Unwerturteil lag also in der Zuchthausstrafe selbst. Erst im Anschluss daran trat die „Folge“ der §§ 31 RStGB, 31 StGB a. F. ein. Ebenso war dies bei den Nebenstrafen der §§ 32, 35

705

Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 77, 137. Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 154. 707 s. o. zur Ausgestaltung der Ehrenstrafen/-folgen im RStGB 1. Teil: B. II. 708 s. etwa Hälschner, Deutsches Strafrecht I, 1881, S. 606: „Die Ehrenstrafe besteht in allen Fällen in der Entziehung von Rechten, die als Ehrenrechte in dem Sinne betrachtet werden, dass ihr Besitz an eine bestimmte sittliche Qualifikation des Berechtigten gebunden erscheint, und die deshalb demjenigen entzogen werden, der durch die von ihm verübte strafbare Handlung es kund tat, dass ihm diejenigen sittlichen Eigenschaften mangeln, welche die notwendige Voraussetzung ihrer Ausübung bilden. Durch das Strafurteil soll daher nur ausgesprochen werden und rechtlich festgestellt werden, dass dem Verurteilten diejenigen Rechte als unvermeidliche Folge einer Tat verloren gegangen sind, die als Beweis dafür dient, dass bei ihm die Voraussetzungen, unter denen sie ihm zuerkannt waren, mangeln.“ (Hervorh. durch Verf.) 709 s. o. 1. Teil: Fn. 708. 706

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RStGB, 32, 35 StGB a. F. der Fall, deren fakultative Anordnung auf Tatbestandsseite ebenfalls von einer „ehrlosen Gesinnung“ abhängen sollte.710 Die Ehrenstrafe wird demnach richtigerweise durch das Zusammenspiel der beiden Aspekte gekennzeichnet: Sie drückt wegen einer den Täter entehrenden Straftat ein gesteigertes sozialethisches Unwerturteil über den Charakter des Täters aus („ehrlos“) und mindert deshalb seine Statusrechte. bb) Verbrechen = gesteigertes soziales Unwerturteil? Die Verbrechensfreiheitsstrafe von über einem Jahr könnte gleichwohl unter die hier vertretene Definition der Ehrenstrafe fallen, wenn in der Einstufung eines Straftatbestandes als Verbrechen zugleich das gesteigerte Unwerturteil enthalten wäre, dass es sich bei der begangenen Tat um eine „ehrlose“ handelt. Dies entspricht dem Ausgangspunkt der Ansicht von Weinrich u. a., wonach das entehrende Verdikt der Zuchthausstrafe seit der Großen Strafrechtsreform durch die Anknüpfung an besonders schwere Straftaten, d.h. Verbrechen nach § 12 Abs. 1 StGB, ersetzt worden sei. Diese Ansicht berücksichtigt aber nicht genügend, dass die Unterscheidung zwischen Verbrechen und Vergehen in § 12 StGB – wie auch Weinrich anerkennt711 – heute in erster Linie eine gesetzestechnische Funktion erfüllt, indem sie durch Bezugnahme auf die Deliktsart Verweisungen erleichtert.712 In sachlicher Hinsicht ist zwar richtig, dass der Unterteilung eine besondere Strafwürdigkeit bzw. ein höherer Unwertgehalt zu Grunde lag.713 Allerdings betrifft dies eine rein quantitative Steigerung des Unrechts714, während es bei der früheren Zuchthausstrafe um eine qualitative Erhöhung in Form der Bewertung der Tat als ehrlos ging.715 Deshalb ist es nicht schlüssig, dass nun allein die abstrakte

710

s. o. 1. Teil: B. II. 2. und 1. Teil: B. V. 3. Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 150. 712 s. nur MüKo2 /Radtke § 12 StGB Rn. 6 m.w. N.; LK12 /Hilgendorf § 12 StGB Rn. 1. Relevant ist sie beispielsweise im materiellen Recht für die Strafbarkeit des Versuchs (§ 23 Abs. 1 StGB) oder des Versuchs der Beteiligung (§ 30 StGB). Prozessual sind diverse Ermittlungsmaßnahmen nicht beim Verdacht eines Vergehens zulässig (z. B. § 100a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StPO). 713 Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 55; Lackner/Kühl28 /Heger § 12 StGB Rn. 1; Fischer62 § 12 StGB Rn. 2. Vielleicht mag mit dem Begriff des Verbrechens im öffentlichen Bewusstsein heute teilweise noch schwerwiegenderes Unrecht assoziiert werden, so MüKo2 /Radtke § 12 StGB Rn. 9. Ob die juristische Unterscheidung in der Allgemeinbevölkerung tatsächlich bekannt ist, darf aber bezweifelt werden. Siehe etwa http://de.wiktionary.org/wiki/Verbrecher (zuletzt abgerufen am 03.01.2015), wo es heißt, dass von einem „Verbrecher“ auch schon bei leichten Straftaten gesprochen wird. 714 Fischer62 § 12 StGB Rn. 2. 715 s. dazu etwa Kahl/von Liszt/von Lilienthal/Goldschmidt, Gegenentwurf StGB, 1911, S. 101 ff. 711

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Schwere des Delikts, wie sie in der Ausgestaltung als Verbrechen zum Ausdruck kommt, Anlass für ein gesteigertes Unwerturteil i. S. d. Ehrenstrafe sein soll. Bereits zum alten RStGB hat die herrschende Ansicht zutreffend besagt, dass es nicht nur die Schwere der Tat sei, wegen der die Verhängung einer entehrenden Sanktion angezeigt sei: In den Beratungen zu einem StGB für den Norddeutschen Bund wurde vielmehr die Bedeutung des richterlichen Ermessens für den Ausspruch einer Ehrenstrafe betont – eben weil es nicht einmal möglich sei, jedem Täter eines Delikts, das mit Zuchthausstrafe bewehrt ist, eine ehrlose Gesinnung zu unterstellen.716 Genau dies tun jetzt aber die Vertreter der These, dass die Verbrechensfreiheitsstrafe von über einem Jahr eine Ehrenstrafe sei. Hier wird zudem deutlich, dass deren o. g. Definition zirkulär ist: Weil § 45 Abs. 1 StGB an das Verbrechen anknüpfe, komme in der Verbrechensstrafe ein gesteigertes soziales Unwerturteil zum Ausdruck. Und weil das Verbrechen eine besondere Missbilligung enthalte, knüpfe § 45 Abs. 1 StGB an das Verbrechen an. Es fehlt hier an der Verbindung zwischen der Verurteilung und dem Eintritt der Rechtsminderung, die bis zur Großen Strafrechtsreform die „ehrlose Gesinnung“ des Täters (entweder qua Verhängung der Zuchthausstrafe oder im Rahmen des Ermessens bei der fakultativen Aberkennung bejaht) bildete, aber nun schlicht nicht mehr existiert. Nicht zutreffend erscheint es weiter, aus der abstrakten Deliktsschwere abzuleiten, dass als Anknüpfungspunkt für eine zusätzlich belastende Sanktion die Bezugnahme auf die Unterscheidung zwischen Verbrechen und Vergehen folgerichtig wäre.717 Dies wird bereits daran deutlich, dass § 45 Abs. 1 StGB nicht nur eine Verurteilung wegen eines Verbrechens voraussetzt, sondern darüber hinaus verlangt, dass die Freiheitsstrafe tatsächlich über einem Jahr liegt. Wenn es um die Schwere der Tat gehen soll, wäre es doch zielführender, allgemein an die konkrete Strafhöhe anzuknüpfen, denn diese spiegelt wegen der detaillierten Strafzumessungsanforderungen des § 46 StGB den wirklichen Unrechtsgehalt der Tat viel eher wider, als es die abstrakte Einteilung des § 12 StGB zu leisten im Stande ist.718

716 Entwurf eines StGB für den NB, 1870, S. 49; Rüdorff, StGB für das Deutsche Reich mit Commentar, 1871, S. 143; a. A. Schwarze, RStGB, 1871, S. 95. Aus diesem Grund sah auch etwa der Gegentwurf für ein StGB 1911 von von Liszt u. a. bei der Verhängung der Zuchthausstrafe ein Absehen von dieser Regelvermutung vor, s. Kahl/ von Liszt/von Lilienthal/Goldschmidt, Gegenentwurf StGB, 1911, S. 101 ff. 717 So aber Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 151. 718 Daneben ist die geltende Einteilung auch nicht immer nachvollziehbar: Ob beispielsweise der „Besitz einer nicht geringen Menge Betäubungsmittel“ (darunter fällt auch Cannabis zum Eigenverbrauch) nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (Verbrechen) tatsächlich einen höheren Unwertgehalt aufweist als eine gefährliche Körperverletzung (z. B. in der Variante der Nr. 5 „lebensgefährdenden Behandlung“) nach §§ 223, 224 Abs. 1 StGB (Vergehen), muss ernstlich bezweifelt werden.

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Zu berücksichtigen ist überdies, dass im modernen Recht der Unterschied zwischen Vergehen und Verbrechen erheblich nivelliert ist: Die inflationäre Schaffung719 von „besonders schweren“ und „minder schweren Fällen“ verwischt den verschiedenen Unrechtsgehalt der Tatbestände weitgehend.720 Und auch das Argument, dass das Verbrechen die traditionelle Voraussetzung für die Verhängung der Zuchthausstrafe gewesen sei721, verfängt heute nicht mehr. Denn gerade wegen der Abschaffung der Zuchthausstrafe, die früher mit dem Verbrechen verbunden war (vgl. § 1 Abs. 1 StGB a. F.), spielt die Unterscheidung heute materiell keine große Rolle mehr.722 Die Gesamtentwicklung des schwindenden materiellen Unterschieds zwischen Vergehen und Verbrechen wird schließlich im Prozessrecht deutlich: Hier kommt es etwa für die Zuständigkeit des Amtsgerichts nicht mehr allgemein darauf an, ob ein Vergehen oder Verbrechen vorliegt, sondern es wird jenseits der „Kapitaldelikte“ des § 74 Abs. 2 GVG überwiegend auf die zu erwartende Strafhöhe abgestellt (vgl. §§ 24 Abs. 1 Nr. 2, 25 GVG).723 Vor diesem Hintergrund wird vorliegend die Einschätzung, dass die Anknüpfung des § 45 Abs. 1 StGB an die Verurteilung wegen eines Verbrechens noch das gesteigerte Unwerturteil im Sinne einer Ehrenstrafe ausdrückt, nicht geteilt. cc) Historischer Kontext Die Bedenken gegen eine moderne Ehrenstrafe werden noch verstärkt, wenn man in den Blick nimmt, welche weiteren Änderungen des StGB im historischen Kontext der Schaffung der §§ 31–33 StGB a. F., die mit dem 2. StrRG zu den heutigen §§ 45–45b StGB wurden, erfolgten. Wie bereits im historischen Teil ausgeführt,724 wurde seinerzeit die entehrende Zuchthausstrafe abgeschafft. Hinfällig wurde damit ebenso § 20 StGB a. F., der den Rechtsbegriff der „ehrlosen Gesinnung“ enthielt, der auch für die Aberkennung nach § 32 StGB a. F. von Bedeutung war.725 Zudem wurde mit der Großen Strafrechtsreform die Begrifflichkeit der fakultativen Aberkennung von Statusrechten verändert. Statt der „Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte“, wie es bspw. bis zum 1. April 1970 in § 32 Abs. 1 StGB a. F. hieß, spricht der neue § 31 StGB a. F. nur noch vom 719 s. zur Auswirkung der letzten größeren Strafrechtsmodernisierung auf die Strafrahmen des Besonderen Teils des StGB Hettinger in: FS Küper (2007), S. 95 ff. 720 MüKo2 /Radtke § 12 StGB Rn. 9; BGH NStZ 2006, 393; LK12 /Hilgendorf § 12 StGB Rn. 4. Siehe auch nochmals Hettinger in: FS Küper (2007), S. 95 ff. 721 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 152 m. Verweis auf Jescheck/ Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 55. 722 MüKo2 /Radtke § 12 StGB Rn. 9; LK12 /Hilgendorf § 12 StGB Rn. 4. Anders noch im Jahr 1985: LK10 /Tröndle § 12 StGB Rn. 6. 723 MüKo2 /Radtke § 12 StGB Rn. 9; LK12 /Hilgendorf § 12 StGB Rn. 4. 724 s. o. 1. Teil: B. V. 4. 725 BGHSt 5, 198 f.

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„Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts“. In der Fortführung der Tradition früherer Reformbestrebungen zu Zeiten der Weimarer Republik726 ist der Begriff der Ehre vollständig aus dem Sanktionenrecht entfernt worden. Vor dem geschichtlichen Hintergrund, dass der Gesetzgeber die resozialisierungsfeindlichen, weil exkludierenden Ehrenstrafen explizit überwinden wollte,727 ist es deshalb besonders erklärungsbedürftig, wenn heute noch – ohne jeden Anhaltspunkt im Wortlaut des Gesetzes – in der Verbrechensfreiheitsstrafe von über einem Jahr eine moderne Ehrenstrafe gesehen wird. Besondere Bedeutung kommt hier dem Umstand zu, dass selbst der konservative E 1962, der die Neukonzeption der Statusfolgen wesentlich prägte,728 davon ausging, trotz Beibehaltung der Zuchthausstrafe und der Ausgestaltung der fakultativen Aberkennung von Statusrechten als Nebenstrafe die Ehrenstrafen zu überwinden.729 In diesem Zusammenhang ist auch Weinrichs Position zur Auslegung des alten Rechts zu widersprechen. Mit einer Mindermeinung zum alten RStGB bejaht er die Strafqualität des § 31 RStGB.730 Wie oben bereits im historischen Teil untersucht,731 ist es bezüglich der Regelung im RStGB aber überzeugender, darin mit der seinerzeit überwiegenden Auffassung eine „Folge“ und keine eigene „Strafe“ zu sehen. Mit der hier vertretenen Sicht in Einklang steht die herrschende Meinung zum StGB a. F., die in § 31 StGB a. F. eine „Ehrenfolge“ sah (und dagegen in den §§ 32, 35 StGB a. F. jeweils Nebenstrafen).732 dd) Nochmals: Konflikt mit der Einheitsfreiheitsstrafe Mit der Historie unmittelbar zusammen hängt der bereits oben erwähnte Konflikt733 mit der sog. Einheitsfreiheitsstrafe, wenn man die Verbrechensfreiheitsstrafe im Anwendungsbereich des § 45 Abs. 1 StGB als moderne Ehrenstrafe begreift. Nach ganz herrschender Meinung existiert seit der Großen Strafrechtsreform, mit der die vier unterschiedlichen Formen der Freiheitsstrafe (Zuchthaus, Gefängnis, Haft, Einschließung) abgeschafft wurden, nur noch eine einheitliche Form der Freiheitsstrafe (§ 38 StGB).734 Darin wird heute eine der wichtigsten 726

s. o. 1. Teil: B. III. Prot. Sonderausschuss V, S. 501, 503; BT-Drs. V/4094, S. 8. 728 s. o. 1. Teil: B. V. 1. und 1. Teil: B. V. 4. 729 BT-Drs. IV/650 (E 1962 m. Begründung), S. 163 f. 730 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 151. 731 s. o. 1. Teil: B. II. 1. 732 s. o. 1. Teil: B. V. 3. 733 s. o. 1. Teil: D. I. 1. d). 734 s. nur Streng, Sanktionen, 2012, S. 80 (Rn. 156); Schäfer/Sander/van Gemmeren, Strafzumessung, 2012, Rn. 150; Fischer62 vor § 38 StGB Rn. 5; Schönke/Schröder29 / Stree/Kinzig vor § 38 StGB Rn. 28; NK4 /Villmow vor § 38 StGB Rn. 8; LK12 /Häger vor § 38 StGB Rn. 35; Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 119 (Rn. 25 f.). 727

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Reformen des Sanktionenrechts gesehen.735 Sieht man in der Verbrechenfreiheitsstrafe von über einem Jahr die besondere Form der Freiheitsstrafe als Ehrenstrafe, so behauptet man gegen den erklärten Willen des Gesetzgebers eine Aufspaltung der Freiheitsstrafe. Einen ähnlichen Konflikt gab es zwar auch zu Zeiten des RStGB, als der Gesetzgeber die Zuchthausstrafe nicht als entehrend verstanden wissen wollte, während Rechtswissenschaft, Justiz und Bevölkerung sie als entehrende Sanktion begriffen. Allerdings trug der Gesetzeswortlaut der Auffassung des Gesetzgebers nicht ausreichend Rechnung, sondern erkannte durch § 20 RStGB die Sichtweise der Gegenansicht implizit an.736 Im heutigen Recht fehlt es allerdings an einer solchen gesetzlichen Verankerung, die als Argument für das Fortbestehen der Ehrenstrafe in Gestalt der Verbrechensfreiheitsstrafe i.V. m. § 45 Abs. 1 StGB dienen könnte. Die Ansicht Weinrichs u. a. hätte zudem die merkwürdige Konsequenz, dass allein die Verbrechensfreiheitsstrafe von über einem Jahr eine Ehrenstrafe wäre. Anders als die Zuchthausstrafe im alten Recht, die immer mit § 31 StGB a. F. verknüpft war (und in milderen Fällen deshalb durch die Gefängnisstrafe ersetzt werden konnte, s. z. B. § 146 Abs. 2 StGB a. F.), wäre die Verbrechensfreiheitsstrafe in manchen Fällen also keine Ehrenstrafe. Wenn aber die Deliktsnatur als Verbrechen ausschlaggebend für das gesteigerte soziale Unwerturteil sein soll, ergibt dies keinen Sinn. Die Anknüpfung an die Deliktsnatur erscheint zudem gar nicht sachgerecht, weil es keine Möglichkeit gibt, bei schweren Vergehen, die ohne Weiteres zur Verhängung einer Freiheitsstrafe von weit über einem Jahr taugen, zur Anwendung des § 45 Abs. 1 StGB zu gelangen.737 Das wäre aber folgerichtig, wenn es – wie bei § 12 StGB – auf die Schwere des Delikts ankommen soll, die durch die Strafhöhe (bzw. den Strafrahmen) ausgedrückt wird. Zudem sind nicht alle Delikte, die im alten Recht mit Zuchthaus bewehrt waren, im neuen Recht als Verbrechen ausgestaltet.738 Und schließlich wäre die neue Ehrenstrafe in Form der Verbrechenstrafe von über einem Jahr zumindest formal schärfer als die alte Zuchthausstrafe, denn nach § 31 StGB a. F. war nur der (freilich dauerhafte) Verlust der Amtsfähigkeit zwingende Folge der Verurteilung zu Zuchthaus, während der Verlust der Wählbarkeit nur zusätzlich im Rahmen der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte nach § 32 StGB a. F. ausgesprochen werden konnte.739

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Roxin, Strafrecht AT I, 2006, S. 119 (Rn. 25 f.); ähnlich Nelles, JZ 1991, 17, 19. s. o. 1. Teil: B. II. 737 Auch die fakultative Verhängung der § 45 Abs. 2, 5 StGB hilft insoweit nicht, weil ihre Anwendung nur in ausdrücklich angeordneten Fällen eröffnet ist. 738 s. z. B. § 173 StGB a. F., § 171 StGB a. F., § 243 StGB a. F. Dieser Einwand findet sich auch schon bei Corves, Prot. Sonderausschuss V, S. 2574. 739 Nelles, JZ 1991, 17, 19. Dass diese Verschärfung nur eine scheinbare ist, wurde oben bereits erwähnt, s. 1. Teil: B. V. 4. am Ende. 736

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ee) Zweck des § 45 Abs. 1 StGB § 45 Abs. 1 StGB i.V. m. mit der Verbrechensfreiheitsstrafe von über einem Jahr wegen eines gesteigerten sozialen Unwerturteils als entehrende Strafe zu begreifen, erscheint schließlich im Hinblick auf den Zweck des § 45 Abs. 1 StGB zweifelhaft. (1) Gesteigerte Missbilligung, Schuldausgleich und allgemeine Abschreckung? Ein solches Fortleben der früheren Zuchthausstrafe als eine allgemeine Strafe, die in der Disqualifizierung des Verurteilten zur Bekleidung öffentlicher Ämter und Mandate besteht,740 erscheint im modernen Sanktionenrecht, das sich zu den verschiedenen – insbesondere relativen – Straftheorien bekennt,741 nicht legitim.742 Das liegt insbesondere an der Bedeutung des für die relativen Straftheorien charakteristischen Zweckgedankens, aus dessen Warte eine über das mit jeder Strafe verbundene „normale“ Unwerturteil hinausgehende Missbilligung nicht zu rechtfertigen ist.743 Gerade dem Besserungswilligen, der eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft anstrebt, würden so Hindernisse bereitet, die letztlich sogar kontraproduktiv wirken können.744 Wegen der Verknüpfung des § 45 Abs. 1 StGB mit der allgemeinen und indisponiblen (§ 12 Abs. 3 StGB) Deliktsnatur als Verbrechen würde diese (zudem noch automatische) Sanktion zwangsläufig auch Täter treffen, bei denen ein solch qualifiziertes Unwerturteil unberechtigt wäre, denn es sind unschwer Fälle denkbar, in denen ein „Verbrechen“ nicht von „ehrloser Gesinnung“ zeugt.745 Und auch wenn man Strafe als Sühne für begangenes Unrecht begreift, erschiene eine Sanktionsart, die den Täter nach Verbüßung der Strafe nicht als Entsühnten, sondern als Entehrten in die Gesellschaft entlässt, illegitim.746 Ebenso wenig wäre die Ehrenstrafe in Form

740 Hinzu kommen weitere Rechtsverluste im Nebenrecht, die an den strafrechtlichen Verlust der Amtsfähigkeit/Wählbarkeit anknüpfen, s. z. B. § 7 BRAO, § 97 HWO, § 38 SG, § 16 WPO, § 40 StBerG, § 21 PAO. 741 s. o. 1. Teil: A. I. 1. b) cc). 742 Nelles, JZ 1991, 17, 19. 743 s. Radbruch, StGB-E 1922, S. 53, der im Zusammenhang mit der Ehrenstrafe von „moralischer Lynchjustiz“ spricht. 744 O. Freisler, ZStW 42 (1921), 438, 441; Kaffka, Prot. Sonderausschuss V, S. 501; BT-Drs. V/4094, S. 8; Müller-Emmert, Prot. Sonderausschuss V, S. 584 („äußerst resozialisierungsfeindlich“); Prot. Sonderausschuss V, S. 2565. 745 Zu denken ist wiederum an das BtMG, mit dem auch Fälle von kaum erkennbarer Strafwürdigkeit als Verbrechen geahndet werden. Vgl. etwa den Fall bei Sobota, NStZ 2013, 509 f. und dazu noch einmal eingehend Schallert/Sobota, StV 2013, 724 ff. 746 Nelles, JZ 1991, 17, 19; Grünhut, ZStW 46 (1925), 260; Radbruch, StGB-E 1922, S. 53; Eb. Schmidt, ZStW 45 (1925), 10, 27; O. Freisler, ZStW 42 (1921), 438, 442.

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von § 45 Abs. 1 StGB i.V. m. mit der Verbrechensfreiheitsstrafe für den mit der Strafe bezweckten gerechten Schuldausgleich geeignet, weil sie als allgemeine Sanktion eine Vielzahl von Tätern von vornherein nicht erreichen kann: Nur wenige Bürger sind Beamte oder Mandatsträger bzw. möchten dies werden.747 Und für jemanden, der sich wirklich außerhalb der Rechtsgemeinschaft stellt, zählt der Besitz der „Ehrenrechte“ wie Amtsfähigkeit und Wählbarkeit als soziale Teilhaberechte nicht viel, weshalb ihr Verlust für ihn gar kein Übel darstellt.748 Schließlich ist nur ein begrenzter negativ-generalpräventiver Effekt plausibel, denn jemand, den die Androhung der Hauptstrafe (hier immerhin Freiheitsentzug) nicht von der Begehung einer Straftat abhält, wird sich auch nicht durch eine zusätzliche Ehrenstrafe abschrecken lassen.749 Eine abschreckende Wirkung wäre allenfalls auf den Kreis derer zu erwarten, die ein Amt oder Mandat anstreben.750 (2) (Negative) Spezialprävention? Kein Zweck des § 45 Abs. 1 StGB ist ferner die (negative) Spezialprävention.751 Zwar könnte man die Regelung des § 45b StGB, der für eine Wiederverleihung der Rechte u. a. [ähnlich wie die §§ 56, 57 StGB bei der Straf(rest)aussetzung zur Bewährung] auf eine positive Legalprognose des Täters abstellt, so deuten, dass § 45 Abs. 1 StGB im Sinne der negativen Spezialprävention verhindern soll, dass ein Straftäter in seiner Funktion als Amtsträger o. ä. erneut straffällig wird und so nicht nur dem Ansehen seines Amtes o. ä. noch mehr schadet, sondern auch die Funktionsfähigkeit des Staates gefährdet. In der Sache kann dies aber nicht der eigentliche Zweck sein, weil § 45 Abs. 1 StGB nach dieser Deutung die Erwägung zu Grunde läge, dass die Begehung irgendeines (!) Verbrechens unwiderleglich die Gefährlichkeit des Straftäters i. S. einer spezifischen Rückfallgefahr belegt.752 Selbst wenn man einmal die grundsätzlichen methodischen Unzulänglichkeiten bei der Prognose menschlichen Verhaltens (speziell: Legalverhaltens) beiseitelässt,753 ist eine solche Annahme gleich in zweifacher 747

Nelles, JZ 1991, 17, 19. O. Freisler, ZStW 42 (1921), 438, 441 („Wirklich Ehrlose, für die sie ja eigentlich bestimmt ist, trifft sie kaum, da diese in dem Besitz der Rechte, die ihnen entzogen werden, kaum einen Gewinn sehen . . .“); Eb. Schmidt, ZStW 45 (1925), 10, 25 f. 749 O. Freisler, ZStW 42 (1921), 438, 441. 750 Nelles, JZ 1991, 17, 19. 751 So auch Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 785: „Da das Gesetz ersichtlich nicht die Abwendung solcher Gefahren intendiert, die sich aus weiteren gleichartigen Straftaten des Verurteilten für die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung ergeben könnten . . .“. 752 So auch Nelles, JZ 1991, 17, 18; MüKo2 /Radtke § 45 StGB Rn. 10. Ähnlich auch Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 785. 753 s. o. 1. Teil: A. III. 3. 748

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Hinsicht kriminologisch unhaltbar: Erstens, weil es nicht möglich ist, allein aus der (insgesamt zudem eher willkürlich festgelegten) Deliktsnatur als Verbrechen eine zwingend negative Rückfallprognose abzuleiten.754 Zu den Verbrechen zählen nämlich die verschiedensten Straftatbestände: Von Landesverrat (§ 94 StGB), Geldfälschung (§ 146 StGB), Meineid (§ 154 StGB), Sexuelle Nötigung (§ 177 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), über Raub (§ 249 StGB), Brandstiftung (§ 306 StGB), Rechtsbeugung (§ 339 StGB) und Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) ist die gesamte Bandbreite strafrechtlicher Normen (und dementsprechend völlig verschiedener Tätergruppen mit extrem unterschiedlichen Rückfallquoten755) zu finden. Hier ist überdies zu berücksichtigen, dass selbst unter die jeweiligen Tatbestände z. T. völlig verschiedene Fallgruppen subsumiert werden können. Es ist daher nicht erkennbar, wie die formale Anknüpfung an den Verbrechenstatbestand irgendeine Aussage über die individuelle Gefährlichkeit des Täters erlauben soll. Zweitens ist es kriminologisch ebenfalls unhaltbar, allein aus der einmaligen Begehung einer Straftat kriminalprognostische Schlüsse zu ziehen. Denn bspw. in den Fällen, in denen sich die Stellung der Tat im Lebenslängsschnitt des Täters einem sog. „kriminellen Übersprung“ 756 annähert, spricht alles dafür, dass es sich um einen einmaligen Bruch im Leben des Täters handelt. Es besteht dann kein innerer Zusammenhang zwischen der allgemeinen Lebensführung und der Tatbegehung, insbesondere finden sich in der Biographie des Täters keine kriminogenen Verhaltensweisen und Einstellungen. In diesen Fällen ist die weitere Prognose „günstig“, d.h. es ist nicht mit weiteren Straftaten zu rechnen, obwohl es sich bei der Straftat im Rahmen eines „kriminellen Übersprungs“ durchaus um ein schwerwiegendes Delikt wie z. B. ein Verbrechen handeln kann.757 Auch das BVerfG stellte kürzlich ausdrücklich klar (im Zusammenhang mit der Entnahme von Körperzellen nach § 81g StPO, die nur zulässig ist, „wenn wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen den Beschuldigten künftig Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sind.“), dass allein aus der einmaligen Begehung einer (ggf. sogar erheblichen) Straftat nicht auf zukünftige Taten geschlossen werden kann.758 Es

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s. nochmals Nelles, JZ 1991, 17, 18. s. zu den deliktsspezifischen Rückfallquoten die allgemeine Rückfalluntersuchung von Jehle/Albrecht/Hohmann-Fricke/Tetal, Legalbewährung, 2013, S. 95 ff. 756 Erläuterung bei Bock, Kriminologie, 2013, S. 224 f. (Rn. 602 ff.). 757 Bock, Kriminologie, 2013, S. 225 (Rn. 607). 758 BVerfG, Beschl. v. 29.09.2013 – 2 BvR 939/13 = HRRS 2013 Nr. 1053. Das folgt hier auch unmittelbar aus der Gesetzessystematik. Würde allein die einmalige Begehung einer „Straftat von erheblicher Bedeutung“ ausreichen, wären die sonstigen Tatbestandsmerkmale überflüssig. 755

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bedürfe vielmehr einer Darlegung positiver, auf den Einzelfall bezogener Gründe für eine negative Legalprognose.759 § 45 Abs. 1 StGB als negativ-spezialpräventiv wirkende Sanktion, die automatisch eintritt und keine im Hinblick auf die konkrete Person anzuwendenden Tatbestandsmerkmale enthält,760 würde im Übrigen einen nicht zu rechtfertigenden Bruch mit dem strafrechtlichen Individualisierungsgrundsatz761 bedeuten, nach dem strafrechtliche Eingriffe stets höchstpersönlich und unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls zu erfolgen haben. Insbesondere ist es unzulässig, Täter nach Gruppenzugehörigkeit zu sanktionieren762, wie dies bei einer negativspezialpräventiven Lesart des § 45 Abs. 1 StGB durch die Zusammenfassung der Täter zur Gruppe der „Verbrecher“ der Fall wäre. Die Rechtsprechung betont vielmehr, dass im Rahmen von spezialpräventiven Entscheidungen (z. B. bei der Bestimmung der „Gefährlichkeit“ i. S. d. §§ 66 ff. StGB) eine rechtliche Gesamtbewertung der Persönlichkeit des Angeklagten sowie der Symptom- und Anlasstaten unter Einbeziehung aller objektiven und subjektiven Umstände, aus welchen sich Anhaltspunkte für die Beurteilung der Gefährlichkeit ergeben, erforderlich ist.763 Es ist auch gar nicht ersichtlich, wie § 45 Abs. 1 StGB in spezialpräventiver Hinsicht die Gefährlichkeit des Täters reduzieren soll:764 So setzt er weder voraus, dass der Täter Beamter765 oder Mandatsträger ist, noch dass er dies werden möchte. Ein Konnex zwischen Delikt und Rechtsverlust nach § 45 StGB bestünde angesichts der enormen Bandbreite möglicher Anlassdelikte nur zufällig in Fällen, in denen der Täter gerade sein Amt/Mandat etc. zur Begehung der Anlasstat ausgenutzt hat. Daran knüpft § 45 Abs. 1 StGB aber gar nicht an (im Gegensatz zu den § 45 Abs. 2, 5 StGB, deren Anwendung nur bei Delikten eröffnet 759

BVerfG, Beschl. v. 29.09.2013 – 2 BvR 939/13 = HRRS 2013 Nr. 1053. Vgl. nämlich im Gegensatz dazu die Formulierung der Maßregel des § 69 StGB, die zwar dem Wortlaut nach kein Ermessen enthält, dafür aber extrem wertungsbedürftige Tatbestandsmerkmale („wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist“). Die Auslegung dieses Rechtsbegriffs ist nichts anderes als eine Prognosestellung, denn „ungeeignet ist der Täter nach ständiger Rechtsprechung, wenn eine Würdigung seiner körperlichen, geistigen und charakterlichen Voraussetzungen und der sie wesentlich bestimmenden objektiven und subjektiven Umstände ergibt, dass die Teilnahme des Täters am Kraftfahrzeugverkehr zu einer nicht hinnehmbaren Gefährdung der Verkehrssicherheit führen würde.“ – BGH NStZ 2004, 144, 145. 761 s. dazu BGHSt 24, 40, 42 und zur kriminologischen Bedeutung desselben insbesondere für kriminalprognostische Fragen Bock, Kriminologie, 2013, S. 121 (Rn. 328). 762 s. jüngst zur Sicherungsverwahrung BGH BeckRS 2014, 13711. Zuvor BGH NStZ 2009, 323; BGH NStZ-RR 2009, 75. 763 BGH NStZ 2005, 265; BGH NStZ-RR 2005, 39 f.; Zusf. Schönke/Schröder29 / Stree/Kinzig § 66 StGB Rn. 39. 764 Nelles, JZ 1991, 17, 19 zur spezial-präventiven Wirkung des Verlusts des passiven Wahlrechts. 765 Anders die §§ 41 BBG, 24 BeamtStG. 760

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ist, die mit dem Schutz des Staates und seiner Institutionen zusammenhängen, s. z. B. § 92a StGB)!766 In solchen Fällen erschiene seine Existenzberechtigung ohnehin aus systematischen Gründen zweifelhaft, denn mit der Maßregel des Berufsverbots hält das Gesetz in § 70 StGB bereits eine besondere negativ-spezialpräventive Sanktion bereit767. Im Vergleich zu § 45 Abs. 1 StGB ist sie überdies – ihrem Wesen als individualpräventive Maßregel entsprechend – vielfach detaillierter: Sie verlangt nicht nur, dass der Täter die Anlasstat „unter Mißbrauch seines Berufs oder Gewerbes oder unter grober Verletzung der mit ihnen verbundenen Pflichten“ begangen hat, sondern auch, dass die „Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen lässt, dass er bei weiterer Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges erhebliche rechtswidrige Taten der bezeichneten Art begehen wird“. Hinzu kommt, dass das Berufsverbot nach § 70 StGB im Gegensatz zu § 45 Abs. 1 StGB stets bemessen werden muss (Regelfall: ein bis fünf Jahre; ausnahmsweise lebenslang nach § 70 Abs. 1 S. 2 StGB). Warum bei § 45 Abs. 1 StGB dagegen immer zwingend fünf Jahre notwendig sein sollen (die zudem teilweise auch erst nach der Verbüßung der Freiheitsstrafe zu laufen beginnen, s. § 45a Abs. 2 StGB), lässt sich allein mit spezialpräventiven Argumenten nicht begründen. (3) Rechtsverlust zur Normbekräftigung Nachdem somit dargelegt ist, dass der Zweck des § 45 Abs. 1 StGB weder die zusätzliche Stigmatisierung i. S. d. Ehrenstrafe noch die negativ-spezialpräventive Verhinderung amts- oder mandatsbezogener Straftaten ist, soll nun untersucht werden, was denn sein tatsächlicher Zweck ist und wie sich dieser zu der These Weinrichs u. a. von der modernen Ehrenstrafe verhält. Soweit § 45 Abs. 1 StGB eine auf den einzelnen Straftäter bezogene Komponente aufweist, setzt diese schon einen Schritt vor der Begehung amts- und mandatsbezogener Taten an: Es soll nicht verhindert werden, dass ein „Verbrecher“ sein Amt, Mandat etc. zur Begehung von Straftaten ausnutzt oder dessen Ansehen durch weitere Delinquenz schmälert, sondern der zu verhindernde Schaden liegt allgemein in der Bekleidung der Position durch eine erheblich straffällig gewordene Person.768 In den Beratungen der Großen Strafrechtkommission wurde in diesem Zusammenhang der Gesichtspunkt der Zuverlässigkeit betont: Mit einer automatischen Sperre solle zumindest zeitweise verhindert werden, dass eine 766 Dass dies nur auf den ersten Blick stimmig ist, zeigt allerdings ein Beispiel von Nelles, JZ 1991, 17, 19. In der Tat erscheint es wenig nachvollziehbar, jemandem das Wahlrecht zu entziehen, der „beschimpfenden Unfug“ an einer „öffentlich gezeigten Flagge des Bundes [. . .]“ verübt, wie es die §§ 90a, 92a StGB aber erlauben. 767 MüKo2 /Athing/Bockemühl § 70 StGB Rn. 2. 768 Göhler, Prot. Sonderausschuss V, S. 2571; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 785.

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Person, die durch ihre gravierende Straffälligkeit ihre Unzuverlässigkeit gezeigt habe, mit einer Aufgabe betraut werde, deren Schlechterfüllung die Gesellschaft erheblich zu schädigen geeignet sei.769 Dies gilt für Ämter genauso wie für Mandate aus öffentlichen Wahlen, die zudem noch missbrauchsanfällige Privilegien wie Indemnität770 und Immunität gewähren.771 Allerdings kann es auch bei dieser „Zuverlässigkeit“ nicht darum gehen, dass vom Täter tatsächlich weiteres Fehlverhalten erwartet wird, weil der Tatbestand des § 45 Abs. 1 StGB keine solche Voraussetzung enthält und aus einer bestimmten Straftat allein noch keine allgemeine Unzuverlässigkeit folgt.772 Gemeint ist hier richtigerweise ein verlorenes Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Täters,773 wodurch eine positiv-generalpräventive Zweckgebung des § 45 Abs. 1 StGB offenbar wird774. Mit dem Ausschluss soll das Vertrauen der Bürger in staatliche Institutionen und repräsentative Funktionen gewahrt werden. Die Bekleidung entsprechender Ämter und Mandate durch schwerwiegend straffällig gewordenen Personen würde Zweifel an der zuverlässigen Erfüllung dieser für die Allgemeinheit wichtigen Aufgaben wecken. Hier zeigt sich erneut775 die Stärke der positiv-generalpräventiven Theorie, eine allgemeine, d.h. von individuellen Umständen wie der spezialpräventiven Erforderlichkeit unabhängige Legitimation für strafrechtliche Eingriffe zu bieten. Diese positiv-generalpräventive Interpretation wird durch weitere Aspekte gestützt: Schon bei den Vorgängernormen des § 45 Abs. 1 StGB (§ 31 RStGB, § 31 StGB a. F.) ging es um die „Reinhaltung“ von exponierten Positionen (und nicht um eine zusätzliche Stigmatisierung des Täters776 – denn letztere Funktion erfüllte bereits die Verhängung der Zuchthausstrafe). Der Gesetzgeber der Strafrechtsreform stellte daher bei der Schaffung des § 45 StGB nicht mehr auf eine 769

Göhler, Prot. Sonderausschuss V, S. 2567. Nach Art. 46 Abs. 1 GG und § 36 StGB genießen Abgeordnete des Bundestags (der Bundesversammlung oder eines Gesetzgebungsorgans eines Landes) Schutz davor, wegen ihrer Abstimmung oder wegen einer Äußerung, die sie in der Körperschaft oder in einem ihrer Ausschüsse getan haben, außerhalb der Körperschaft zur Verantwortung gezogen zu werden. 771 Krit. zum Verlust der Wählbarkeit aber Jekewitz, GA 1977, 161, 169. 772 Man denke wiederum an – auch schwere – Taten, die in einer einmaligen Notoder Konfliktlage begangen werden, s. soeben die Ausführungen zum „kriminellen Übersprung“. 773 In diesem Sinne auch die Formulierung in der Begründung zum prägenden E 1962 in BT-Drs. IV/650, S. 163: „unzuverlässig und vertrauensunwürdig“. 774 Vgl. die Kernaussagen der Theorie der positiven Generalprävention oben unter 1. Teil: A. I. 1. b) aa). 775 s. o. 1. Teil: A. I. 1. b) aa) am Ende. 776 So auch Güde, Prot. Sonderausschuss V, S. 587: „Es handle sich (erg.: bei der Folge) nicht um ein moralisches Unwerturteil des Richters, sondern um seine Überlegung, ob der Betreffende nach der Tat, die er begangen habe, und nach der Strafe, die ihm auferlegt wurde, noch gewisse öffentliche Funktionen ausüben könne.“ 770

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„entehrende Handlungsweise“ des Täters ab, sondern auf die „gewichtigen Interessen der Allgemeinheit, erheblich straffällig gewordene Personen von der Wahrnehmung besonderer Aufgaben im Gemeinschaftsleben“ fernzuhalten.777 Darin kommt eine im Vergleich zur früheren Ehrenstrafe veränderte Zweckgebung zum Ausdruck. Es geht hier nicht mehr darum, dem Täter wegen seiner „ehrlosen Gesinnung“ ein zusätzliches Übel aufzuerlegen.778 Dazu passt, dass der Gesetzgeber den Rechtsbegriff der „bürgerlichen Ehrenrechte“ aus dem Gesetz entfernt hat und nur noch neutral vom Verlust der Amtsfähigkeit und Wählbarkeit spricht. In Zeiten des demokratisch legitimierten Rechtsstaats ist es nämlich mitnichten so, dass der Staat seine Bewohner wie etwa im römischen Recht erst als „Bürger“ anerkennt, indem er ihnen die gesellschaftliche Partizipationsfähigkeit qua „Ehrenrechte“ verleiht, oder wie in einer Monarchie die bürgerlichen Teilhaberechte „gewährt“, die er sodann im Kontext des Strafrechts wieder entziehen kann779. Die Aberkennung der grundsätzlich gegebenen Amtsfähigkeit und Wählbarkeit findet ihre Legitimation im neuen Recht also in ihrer positiv-generalpräventiven Funktion.780 Mit der Reinhaltung des öffentlichen Lebens von Personen, die erheblich straffällig geworden sind, soll die Normgeltung bekräftigt werden.781 Es wäre eine schwere Belastung für das Normvertrauen der Bevölkerung, wenn „Verbrecher“ nach ihrer Verurteilung (weiter oder überhaupt) in öffentlichen Ämtern fungieren würden. Dem Bürger soll vielmehr demonstriert werden, dass ein schwerwiegender Normbruch nicht folgenlos bleibt. Auf diese Weise kann der Einzelne auch darin bestärkt werden, sich normgemäß zu verhalten. Der Staat selbst hat schließlich ein Interesse daran, nicht durch Bürger als Beamte repräsentiert zu werden, die sich gegen elementare Regeln der Gesellschaft, wie sie allgemein im Strafgesetz und vor allem in den Verbrechenstatbeständen verkörpert sind, vergangen haben.782

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BT-Drs. V/4049, S. 15. Dass es dem Gesetzgeber bei § 45 Abs. 1 StGB nicht um ein zusätzliches Strafübel ging, wird auch daran ersichtlich, dass er davon ausging, dass eine bestimmte Verurteilung ohnehin ein Hinderungs- und Beendigungsgrund für eine bestimmte Aufgabe oder ein bestimmtes Amt ist, und eine Regelung im StGB deshalb nicht die Entscheidung einer Sachfrage darstellt, sondern nur eine „Klammerfunktion“ für die Nebengesetze erfüllt. Siehe BT-Drs. V/4094, S. 16. 779 s. Stein, GA 2004, 22, 30 m.w. N. 780 Bei SSW1/2 /Mosbacher § 45 StGB Rn. 2 bleibt unklar, ob er mit „generalpräventiven Gesichtspunkten“ die positive oder negative Seite der Generalprävention meint. Letzteres wäre wenig überzeugend, s. o. 1. Teil: D. I. 1. h) ee) (1) und 1. Teil: A. I. 2. b). 781 Ähnlich Meier, Sanktionen, 2015, S. 437: „[. . .] um die in der Allgemeinheit aufgetretene Beunruhigung zu beseitigen und den Rechtsfrieden wiederherstellen“. 782 Dazu passend Göhler, Prot. Sonderausschuss V, S. 2571: „Wer gegen Gemeinschaftsgüter schwer gefehlt hat, benötigt zu seiner Wiedereingliederung in die Gemeinschaft keineswegs die Funktion, für die Gemeinschaft als deren Repräsentant tätig zu werden.“ 778

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Mit dieser Begründung bewegt sich der Zweck des § 45 Abs. 1 StGB weg von einem Strafübel, das für sich selbst steht, hin zu einer Art eigener Maßregel783, die wichtige Interessen der Allgemeinheit schützt.784 Gleichzeitig drückt er einen besonderen strafrechtlichen Schutz wichtiger Ämter und Mandate aus.785 Eine solche Regelung ist im Strafgesetz auch richtig verortet, denn sie steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verurteilung. Es ist daher sachgerecht, wenn eine solche allgemeine Folge direkt mit der Strafverurteilung einhergeht und nicht erst im Nebenrecht erfolgt.786 Andernfalls wäre zu befürchten, dass die Regelungen in den Nebengesetzen allzu unterschiedlich ausfielen.787 Dass die Wiederverleihungsmöglichkeit nach § 45b StGB eine positive Legalprognose bezüglich vorsätzlicher Straftaten voraussetzt, erklärt sich in diesem Zusammenhang also nicht mit einem negativ-spezialpräventiven Zweck,788 sondern damit, dass bei Straftätern, von denen aufgrund der individuellen Umstände ihrer Person in Zukunft rechtstreues Verhalten zu erwarten ist, eine Wiedereingliederung nicht durch das Andauern des Rechtsverlusts nach § 45 StGB behindert werden soll. In diesem Fall überwiegt das Resozialisierungsinteresse des Straftäters das Bedürfnis der Gesellschaft nach besonderer Normbekräftigung. Um dennoch den positiv-generalpräventiven Effekt nicht vollständig zu relativieren, sieht § 45b Abs. 1 Nr. 1 StGB vor, dass mindestens die Hälfte der Ausschlusszeit vorüber sein muss, d.h. auch bei positiver Prognose ist keine sofortige Übernahme von Amt, Mandat etc. möglich. Dass diese im Vergleich zur früheren Ehrenstrafe neuen Zwecke der Statusminderung nach § 45 Abs. 1 StGB überhaupt eine gesetzliche Regelung rechtfertigen, räumen sogar die Verfasser des AE ein, die auf die Folgen selbst gar nicht verzichten wollten, sondern denen es vorwiegend darum ging, den Standort vom Strafrecht in die berufs-, wahlrechtlichen usw. Nebengesetze zu verlagern.789 Für diese Verlagerung spricht, dass sie die Überwindung der Ehrenstrafen noch deut-

783 Allerdings nicht in dem spezialpräventiven Sinne, dass weitere gleichartige Straftaten verhindert werden sollen, s. zuvor. 784 Ähnlich schon zum RStGB O. Freisler, ZStW 42 (1921), 438, 442. 785 Nicht nachvollziehbar ist daher die Einschätzung von Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 785, die das Ziel des § 45 StGB zwar als präventiv, aber „außerstrafrechtlich“ bezeichnen. Aufgabe des Strafrechts ist schließlich der Rechtsgüterschutz und § 45 StGB erfüllt die Funktion, besondere öffentliche Positionen besonders zu schützen. Dies ist kein Einzelfall im Sanktionenrecht, wie Fahrverbot und Fahrerlaubnisentziehung als besondere Rechtsfolgen für den Straßenverkehr zeigen. Auch hier steht neben dem Strafrecht das Verwaltungsrecht (Fahrerlaubsnisrecht) bereit, ohne dass die Sanktionen deshalb „außerstrafrechtlich“ würden. 786 Ähnlich Göhler, Prot. Sonderausschuss V, S. 2571. 787 Sturm, Prot. Sonderausschuss V, S. 2573. Vgl. dazu unten insbesondere die Friktionen bei § 25 JArbSchG unter 2. Teil: B. VIII. 3. 788 s. soeben 1. Teil: D. I. 1. h) ee) (2). 789 So zutreffend Dreher, Prot. Sonderausschuss V, S. 2571.

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licher zu Tage treten ließe. In der Sache wäre der Resozialisierung der Täter aber kaum gedient, denn für die berufliche und sonstige soziale Wiedereingliederung sind befristete Minderungen von Teilhaberechten gleich hinderlich – ihre Wirkung unterscheidet sich nicht danach, ob sie im StGB oder in den Nebengesetzen geregelt sind. Vielmehr bietet die Bündelung beim Strafrichter den der Resozialisierung des Straftäters dienlichen Vorteil, dass die Statusrechte in einem gesetzlich bestimmten Verfahren nach §§ 462 f. StPO durch eine zentrale Stelle wiederverliehen werden können.790 ff) Fazit zur modernen Ehrenstrafe Die gesamte Geschichte der Ehrenstrafe zeigt, dass diese Form der Sanktion im Laufe der Zeit, insbesondere nach der Aufklärung, immer mehr zurückgedrängt worden ist. Nachdem auch die letzten sprachlichen Fragmente („bürgerliche Ehrenrechte“; „ehrlose Gesinnung“) aus dem Gesetz getilgt wurden und der Gesetzgeber allein die generalpräventive Funktion betont, erscheint es daher zutreffend, im Hinblick auf § 45 Abs. 1 StGB lediglich von einer Nachwirkung791, einem Nachklang792 bzw. Überbleibsel793 der früheren Ehrenstrafen zu sprechen.794 Mit der Großen Strafrechtsreform ist es dem Gesetzgeber gelungen, den Charakter des § 45 Abs. 1 StGB von einem nachgelagerten Teil der entehrenden Zuchthausstrafe hin zu einer eigenständigen primär positiv-generalpräventiven Sanktion zu verändern. An diesem Punkt besteht damit eine teilweise Übereinstimmung mit der Ansicht von Weinrich u. a., deren Definitionen der Ehrenstrafe z. T. auch den Zweck der positiven Generalprävention („Wahrung gesellschaftlicher Stabilität“) abdecken. Die o. g. Definitionen der Ehrenstrafe betonen aber in erster Linie den für die Ehrenstrafe charakteristischen Zweck, ein gesteigertes Unwerturteil über den Täter auszudrücken – diesen Zweck verfolgt § 45 Abs. 1 StGB m. E. allerdings gerade nicht, weshalb diese Ansicht im Ergebnis abzulehnen ist. i) Zwischenergebnis Als Ergebnis zu der Frage, ob § 45 Abs. 1 StGB materiell eine Nebenstrafe oder Ehrenstrafe ist, steht somit fest, dass § 45 Abs. 1 StGB weder selbst (Neben-)Strafe ist noch in Verbindung mit der Verbrechensfreiheitsstrafe von über einem Jahr als Ehrenstrafe bezeichnet werden kann. 790 Dreher, Prot. Sonderausschuss V, S. 2571; Meier, Sanktionen, 2015, S. 441; MüKo2 /Radtke § 45 StGB Rn. 45; LK12 /Theune, § 45 StGB Rn. 3. Siehe zur Problematik, die die nebengesetzlichen Regelungen im Registerrecht auslösen, unten 3. Teil: B. 791 Stein, GA 2004, 22, 31. 792 Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 785 f. 793 LK11/12 /Häger vor § 38 StGB Rn. 48; ebenso Kubiciel in LTO v. 27.11.2012. 794 Ähnlich bezüglich des Strafcharakters der Nebenfolgen Streng, Sanktionen, 2012, S. 178 (Rn. 364); NK4 /Albrecht § 45 StGB Rn. 1 „erinnert“ § 45 StGB an Ehrenstrafen.

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

2. § 45 Abs. 2 StGB als Nebenstrafe? Noch nicht geklärt ist damit allerdings, ob der Absatz 2 des § 45 StGB eine andere Rechtsnatur aufweist als Abs. 1 StGB. Anders als Abs. 1 tritt die Rechtsfolge des § 45 Abs. 2 StGB nicht kraft Gesetzes ein, weshalb das zentrale Argument gegen die Strafqualität des Abs. 1 hier nicht einschlägig ist. Zudem wurde oben bereits dargelegt, dass eine identische Rechtseinbuße nicht zwingend eine identische Rechtsnatur bedeutet.795 Denn ebenso wie bei § 25 StVG die Anknüpfung an eine Geldbuße (und nicht wie beim fast identischen § 44 StGB an eine Hauptstrafe) die Strafqualität ausschließt, steht die Automatik des § 45 Abs. 1 StGB einer Strafqualität entgegen. Zu untersuchen ist daher, ob § 45 Abs. 2 StGB materiell eine Nebenstrafe darstellt. Wie bereits erwähnt, sieht die herrschende Meinung in § 45 Abs. 2 StGB entgegen seiner Überschrift tatsächlich eine Nebenstrafe.796 Andere Stimmen beurteilen ihn dagegen als „Nebenfolge mit strafähnlichem Charakter“ 797 oder „Sanktion eigener Art mit schwerpunktmäßig strafrechtlichem Charakter“ 798. a) Regelungstechnik Vorab ist festzuhalten, dass Abs. 2 des § 45 StGB sich von der Regelungstechnik des Abs. 1 wesentlich unterscheidet. Anders als es die gesetzliche Automatik des Abs. 1 vorsieht, steht es hier im Ermessen des Gerichts, neben der Haupt-

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s. o. 1. Teil: D. I. 1. g). Lackner/Kühl28 /Kühl § 45 StGB Rn. 3; Fischer62 vor § 38 StGB Rn. 5 u. § 45 StGB Rn. 7; LK11/12 /Häger vor § 38 StGB Rn. 48; Matt/Renzikowski/Bußmann § 45 StGB Rn. 7; MüKo2 /Radtke § 45 StGB Rn. 23; Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 49; Jekewitz, GA 1977, 161, 168; Beck-OK-StGB/von Heintschel-Heinegg § 45 StGB Rn. 4; wohl auch BGH NJW 2008, 929, 930; unklar bei LK12 /Theune § 45 StGB, der einerseits die Nebenfolgen insgesamt als Strafen qualifiziert (Rn. 1, 15), andererseits aber trotzdem von Nebenfolgen spricht (Rn. 10, 15). Auch die Interpretation des § 45 StGB einheitlich als Ehrenstrafe muss für § 45 Abs. 2 StGB Nebenstrafcharakter bedeuten: Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 148 ff., 164; Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 268 ff.; Schmidhäuser, Strafrecht AT, 1975, S. 772 („[. . .] die den Charakter einer Ehrenstrafe nicht verleugnen können“); Baumann/ Weber, Strafrecht AT, 1985, S. 602 f., 615. 797 Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig § 45 StGB Rn. 8; ähnlich SSW1/2 /Mosbacher § 45 StGB Rn. 4: „strafähnliche Sanktion.“ 798 LK11 /Hirsch § 45 StGB Rn. 1 (ähnlich MüKo2 /Radtke § 45 StGB Rn. 9). Diese Formulierung ist aber tautologisch, denn dass eine Sanktion aus dem StGB einen strafrechtlichen Charakter aufweist, erscheint mehr oder weniger selbstverständlich und führt auch in der Sache nicht weiter, weil es eine Vielzahl von unterschiedlichen Sanktionen innerhalb des StGB gibt, die es gerade abzugrenzen gilt. Gemeint sein dürfte mit der o. g. Formulierung vielmehr die Gegenposition zu der Ansicht in Fn. 596, die die Nebenfolgen dem Rechtsgebiet der jeweiligen Rechtswirkung (z. B. Beamten- und Wahlrecht) zuweist, also in ihnen materiell nicht-strafrechtliche Sanktionen erblickt. 796

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strafe zusätzlich auf die Aberkennung von Amtsfähigkeit und Wählbarkeit zu erkennen, soweit das Gesetz es jeweils zulässt (z. B. bei den §§ 92a, 101, 109i, 358 StGB). Für die Nebenstrafe ist charakteristisch, dass sie nur neben der Hauptstrafe verhängt werden kann und im Zusammenspiel mit dieser zu bemessen ist.799 Diese Anforderungen erfüllt der § 45 Abs. 2 StGB: Das Gericht entscheidet nicht nur über das „ob“ der Aberkennung, sondern ihm ist hier insbesondere auch eine Bemessung der Dauer möglich (zwischen zwei und fünf Jahren – anders § 45 Abs. 1: zwingend fünf Jahre). Die Regelungstechnik des § 45 Abs. 2 StGB entspricht damit der einer Nebenstrafe. Hinzu kommt eine weitere technische Ähnlichkeit zur Nebenstrafe des § 44 StGB.800 Das (zusätzliche) Fahrverbot weist eine besondere tatbestandliche Verbindung zur Straftat auf, nämlich dass diese „im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen“ wurde. Oft (aber nicht ausschließlich) sind somit Verkehrsstraftaten, wie die in § 44 Abs. 1 S. 2 StGB genannten §§ 315c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 und 316 StGB, der Anlass für ein Fahrverbot.801 § 45 Abs. 2 StGB operiert zwar auf Tatbestandsseite nicht wie § 44 Abs. 1 S. 1 StGB mit einer inhaltlichen Komponente, sondern knüpft (wie § 44 Abs. 1 S. 2 StGB) starr an bestimmte Straftatbestände. Dazu zählt das Gesetz die: §§ 80– 90b i.V. m. 92a StGB; §§ 93–100a i.V. m. 101 StGB; 102 StGB; §§ 107,107a, 108, 108b i.V. m. 108c StGB; § 109e und § 109f i.V. m. § 109i StGB; § 129a Abs. 8 StGB; § 264 Abs. 6 StGB; §§ 332, 335, 339, 340, 343, 344, 345 Abs. 1, 3, §§ 348, 352 bis 353b Abs. 1, §§ 355 und 357 i.V. m. 358 StGB; § 375 AO. All diese Tatbestände teilen dasselbe übergeordnete Schutzgut: Sie dienen – zumindest im weiteren Sinne – dazu, die Funktionsfähigkeit des demokratischen Rechtsstaats zu gewährleisten.802 Die Anwendung des § 45 Abs. 2 StGB ist also nur in Fällen eröffnet, in denen der Täter gegen ein Strafgesetz verstoßen hat, das den Staat und seine Einrichtungen schützen soll. Er stellt somit eine besondere Nebensanktion für Fälle dar, in denen eine Gefährdung staatlicher Interessen angenommen wird. Im Ergebnis besteht daher eine Ähnlichkeit zur Nebenstrafe des Fahrverbots, das eine besondere Zusatzsanktion für Straftaten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr darstellt.

799 800

s. o. 1. Teil: A. II. 1. Ebenso Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 260: „konstruktiv vergleich-

bar“. s. nur NK4 /Herzog/Böse § 44 StGB Rn. 10 ff. Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 49 ff., 55; Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 261; Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 154 f.; Stein, GA 2004, 22, 30; LK12 /Hirsch § 45 StGB Rn. 14. 801 802

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b) Historie/Wortlaut Für die Einordnung des § 45 Abs. 2 StGB als Nebenstrafe spricht auch seine Entstehungsgeschichte.803 Anders als beim § 45 Abs. 1 StGB, dessen Vorgängernormen nur nach einer teilweise vertretenen Ansicht Strafcharakter besessen haben sollen,804 wurden die § 32 RStGB und § 32 StGB a. F. als Vorläufer des § 45 Abs. 2 StGB seit jeher einhellig als Nebenstrafen aufgefasst.805 Im E 1962, der mit dem § 56 StGB-E 1962 die Vorlage für den heutigen § 45 Abs. 2 StGB bildete, wird die fakultative Aberkennung durch das Gericht sogar ausdrücklich als Nebenstrafe bezeichnet.806 Auf § 56 StGB-E 1962 nimmt der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung explizit Bezug,807 so dass es naheliegt, dass er sich dieser Interpretation anschließen wollte. Dagegen lässt sich nun aber einwenden, dass sich der Gesetzgeber mit der Überschrift „Nebenfolgen“ von der Charakterisierung als Nebenstrafe distanziert hat. Zudem berühren die inhaltlichen Änderungen an den Rechtsverlusten durch die Große Strafrechtsreform immerhin Aspekte, die mit der Strafqualität durchaus zu tun haben könnten: So waren die früheren §§ 31 ff. StGB a. F. der Sache nach Ehrenstrafen/Ehrenfolgen, die entweder an die entehrende Zuchthausstrafe knüpften oder sonst auf die „ehrlose Gesinnung“ des Täters abstellten.808 Die resozialisierungsfeindlichen Ehrenstrafen sollten mit der Strafrechtsreform aber gerade überwunden werden,809 so dass von der Ehrlosigkeit u. ä. (insbesondere der Zuchthausstrafe) im modernen Sanktionenrecht nichts geblieben ist. Und auch die sonstige Verwendung des Begriffs im StGB könnte man so verstehen, dass die fakultative Nebenfolge des § 45 Abs. 2 StGB etwas anderes als Nebenstrafe ist.810 Der Einwand bezüglich des Wortlauts „Nebenfolge“ ist aber eher formal und lässt unberücksichtigt, dass sich der § 45 Abs. 2 StGB materiell von seinen Vor803

Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 249: „Es läge nah [. . .].“ s. o. 1. Teil: B. II. 1. und 1. Teil: B. V. 3. 805 s. o. 1. Teil: B. II. 2. und 1. Teil: B. V. 3. 806 BT-Drs. IV/650 (E 1962 m. Begründung), S. 18. 807 BT-Drs. V/4094, S. 16. 808 s. o. 1. Teil: B. V. 3. 809 Prot. Sonderausschuss V, S. 501, 503; BT-Drs. V/4094, S. 8. 810 In den §§ 52 Abs. 4 S. 2, 55 Abs. 2 S. 1 StGB z. B. werden „Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8)“ als Sanktionen neben der Strafe aufgezählt, auf die „erkannt“ werden kann/muss. Die §§ 101, 108c, 109i, 358 StGB sind mit „Nebenfolgen“ überschrieben und beziehen sich nur auf § 45 Abs. 2 und 5 StGB. Das spricht m. E. aber nur dafür, dass die Verwendung des Begriffs der Nebenfolge im StGB rein technisch erfolgt und sich stets auf den so bezeichneten § 45 StGB bezieht. In § 472b Abs. 3 StPO werden dagegen die in § 472b Abs. 1 StPO benannten Verfall, Einziehung, Vorbehalt der Einziehung, Vernichtung und Unbrauchbarmachung als Nebenfolgen bezeichnet, obwohl sie nach der Terminologie des StGB „Maßnahmen“ nach § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB sind. 804

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gängernormen so gut wie gar nicht unterscheidet. Schon in der Vergangenheit wurde der Begriff der „Ehrenfolgen“ als Oberbegriff für die Nebenstrafen an der Ehre und die Ehrenfolgen im engeren Sinne verwendet.811 Eine solche Verwendung des Begriffs der Nebenfolge findet sich auch in der Begründung zum Entwurf des 1. StrRG, wo die frühere Nebenstrafe812 des § 32 StGB a. F. als „Nebenfolge des Verlustes der bürgerlichen Ehrenrechte“ bezeichnet wird.813 Ähnlich formuliert Sturm in den Beratungen des Sonderausschusses: „Teils handle es sich dabei um automatische Nebenfolgen der Zuchthausstrafe (§ 45), teils könnten die Folgen als Nebenstrafen neben dem Gefängnis verhängt werden (§ 56).“ 814 (Hervorh. durch Verf.) Und schließlich findet sich an einer anderen Stelle im Bericht des Sonderausschusses ein Hinweis darauf, dass die duale Interpretation des mit Nebenfolgen überschriebenen § 45 StGB historisch belegt ist: Im Zusammenhang mit Sonderregeln im Jugendstrafrecht heißt es dort, dass der Nichtanwendung des § 45 StGB auf Jugendliche der Gedanke zugrunde liegt, dass sich „bestimmte Nebenstrafen und Nebenfolgen“ (Hervorh. durch Verf.) nicht eignen.815 Schließlich ist zu berücksichtigen, wie sich der Sonderausschuss die Überwindung der Ehrenstrafe tatsächlich vorgestellt hat, denn die Forderung des AE, die Statusminderungen komplett aus dem StGB zu streichen und es dem jeweiligen Berufs-, Standes- und Wahlrecht zu überlassen, die Eignung der Person zu regeln,816 fand keine Mehrheit817. Vielmehr war man sich anfangs einig, eine fakultative Regelung nach dem Vorbild der Nebenstrafe des § 56 StGB-E 1962 zu schaffen.818 Schon nach seiner eigenen Begründung sollte der E 1962 aber keine „Ehrenstrafen im eigentlichen Sinne“ enthalten, weil eine solche Brandmarkung nicht mehr zeitgemäß sei.819 Bei der fakultativen Aberkennung gewisser Statusrechte sollte die Rechtsminderung lediglich bezwecken, dem Täter die durch die Tat verwirkte Rechtsstellung zu entziehen.820 Es ging nicht um den Zweck der Anprangerung oder Bloßstellung des Verurteilten, sondern die Aufgabe des Rechtsverlusts war die „Reinhaltung des öffentlichen Lebens“.821 Nach der Kon811

s. o. 1. Teil: Fn. 460. s. o. 1. Teil: B. V. 3. 813 BT-Drs. V/4094, S. 15. 814 Sturm, Prot. Sonderausschuss V, S. 581. Hier könnte mit „Folge“ auch nur die Rechtsfolge i. e. S. (= Rechtsverlust) gemeint sein. 815 BT-Drs. V/4094, S. 44. 816 s. o. 1. Teil: B. V. 2. 817 BT-Drs. V/4094, S. 15. 818 BT-Drs. V/4094, S. 15. 819 BT-Drs. IV/650 (E 1962 m. Begründung), S. 163. 820 BT-Drs. IV/650 (E 1962 m. Begründung), S. 164. In diesem Sinne auch Gallas, Niederschriften GSK I, 1956, S. 217. 821 BT-Drs. IV/650 (E 1962 m. Begründung), S. 164. 812

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zeption des E 1962 war also aus der früheren Ehrenstrafe eine bloße Nebenstrafe geworden. Aus der Sicht der Kommission bedeutete die Überwindung der Ehrenstrafe also nicht, dass eine Rechtsminderung keine Nebenstrafqualität besitzen kann. Entscheidender als die gesetzliche Bezeichnung „Nebenfolge“ ist demnach der Verzicht auf den früheren gesetzlichen Begriff der „bürgerlichen Ehrenrechte“.822 Teilweise wird mit Blick auf die Entstehungsgeschichte jedoch behauptet, der Gesetzgeber habe die Rechtsnatur des § 45 StGB bewusst offen gelassen.823 Dies habe daran gelegen, dass der Sonderausschuss gegen Ende der Legislaturperiode in Zeitnot geraten sei.824 Die zuvor anvisierte Abschaffung der Statusminderungen im StGB bei gleichzeitiger Neuregelung in den einzelnen Nebengesetzen sei damit nicht mehr möglich gewesen, ohne die Einführung der Einheitsfreiheitsstrafe zu gefährden.825 Deshalb habe man mit der „Reinhaltung des öffentlichen Lebens“ eine Kompromisslösung gewählt, die keine abschließende Festlegung beinhalte.826 Diese Sicht überzeugt aber nicht, denn wie oben im Rahmen der Entstehungsgeschichte gezeigt,827 ist dieser Sicherungsaspekt keineswegs neu, sondern schon zu Zeiten des Deutschen Reichs ein wesentlicher Legitimationsgrund für die Statusminderungen gewesen. Die Konzeption des neuen § 45 StGB stellt zwar einen Kompromiss dar, entspricht aber weitgehend dem E 1962, der zwischen den gesetzlichen Wirkungen der Zuchthausstrafe in § 45 StGB-E 1962 und der Nebenstrafe in § 56 StGB-E 1962 unterschied828. Der neue § 45 StGB bündelt diese beiden Aspekte lediglich in einer Norm, ohne dabei aber die jeweilige Regelungstechnik zu verändern. Wie soeben ausgeführt, ist die gesetzliche Bezeichnung des § 45 StGB als „Nebenfolgen“ nicht schädlich, weil der Begriff „Folge“ schon in der Vergangenheit als Oberbegriff 829 für „Folgen im engeren Sinne“ und

822 Zudem fehlt es dem E 1962 am Merkmal der „ehrlosen Gesinnung“ zur Abgrenzung zwischen verschiedenen Arten der Freiheitsstrafe (anders § 20 StGB a. F.). Die Zuchthausstrafe sollte vielmehr nur den schwersten Delikten (z. B. Mord etc.) und für Gewohnheitsverbrecher (z. B. berufsmäßiger Diebstahl) vorbehalten sein, so BT-Drs. IV/650 (E 1962 m. Begründung), S. 164. 823 So aber Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 250. 824 Prot. Sonderausschuss V, S. 2573 f. 825 Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 251 m. Verweis auf Göhler, Prot. Sonderausschuss V, S. 2571. 826 Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 250. 827 s. o. 1. Teil: B. VI. 828 s. o. 1. Teil: B. V. 1. 829 So auch Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 249 mit Verweis auf BT-Drs. V/4094, S. 15 f., wo der Begriff „Nebenfolge“ auch für die Nebenstrafe des Verlusts der bürgerlichen Ehrenrechte nach § 32 StGB a. F. verwendet wird. Siehe auch oben 1. Teil: Fn. 460 u. 1. Teil: D. I. 1. g) am Anfang.

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„Strafen“ bzw. als Bezeichnung der Rechtsfolge (des Rechtsverlusts)830 gebraucht wurde Der Gesetzgeber setzt in seiner Gesetzesbegründung auch keine neuen Akzente oder spricht von Übergangslösung, sondern schließt sich zur Rechtfertigung der Statusminderungen bloß früheren Argumentationen (insbesondere des E 1962) an. Die materiellen Änderungen beziehen sich wegen der Schaffung der Einheitsfreiheitsstrafe in erster Linie auf den § 45 Abs. 1 StGB, während § 45 Abs. 2 StGB mit seinen Vorgängern – abgesehen vom Umfang des Rechtsverlusts – nahezu identisch ist. Wie soeben dargelegt, schließt die Befreiung des Sanktionenrechts vom Begriff der Ehrlosigkeit allgemein und speziell des § 45 StGB vom Begriff der „bürgerlichen Ehrenrechte“ den Strafcharakter nicht aus. Der Schluss, dass der Gesetzgeber an der früheren Rechtsnatur festhalten wollte, erscheint deshalb zutreffend. Dass dies nicht explizit in der Gesetzesbegründung auftaucht, bedeutet kein „Offenlassen“. Die historische Sicht spricht daher für den (Neben-)Strafcharakter des § 45 Abs. 2 StGB. c) Systematik Die Nähe zu seinen Vorgängern wird ferner durch die systematische Stellung des § 45 StGB bestätigt. So wurde er in den Dritten Abschnitt des StGB unter den 1. Titel „Strafen“ eingegliedert und wäre bei Negierung eines zumindest im Hinblick auf § 45 Abs. 2 StGB teilweisen Strafcharakters die einzige Sanktion dieses Abschnitts, die vollständig nicht-strafend wäre.831 Andererseits lässt sich einwenden, dass § 45 StGB nun einmal nicht gemeinsam mit dem Fahrverbot nach § 44 StGB unter der Überschrift „Nebenstrafen“ firmiert, sondern eine eigene Überschrift „Nebenfolgen“ erhalten hat. Dies beruht aber – wie soeben ausgeführt – darauf, dass der Begriff der Nebenfolge in der Gesetzesüberschrift (in Übereinstimmung mit der früheren Verwendung)832 auch als Oberbegriff zu verstehen ist. Mit der gemeinsamen Regelung zweier verschiedener Formen der Statusminderung (kraft Gesetzes/fakultativ) in einer Norm war es nicht mehr möglich, den § 45 StGB einheitlich als Nebenstrafe zu bezeichnen.833 Ähnlich ist dies bei der Einziehung nach § 74 StGB, die einerseits in der Variante nach Abs. 1, 2 (Neben-)Strafcharakter besitzt, andererseits nach Abs. 3 gegenüber dem schuldlosen Täter reine Sicherungsmaßnahme ist834. Obwohl § 74 StGB nicht im Abschnitt „Strafe“ zu finden ist, enthält er (auch) eine Nebenstrafe.

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s. o. 1. Teil: Fn. 814. Ähnlich Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 249. 832 s. o. 1. Teil: Fn. 460. 833 Anders der E 1962, der den Rechtsverlust einmal in § 45 StGB-E als „Wirkung der Zuchthausstrafe“ und einmal in § 56 StGB-E als „Nebenstrafe“ regelt. 834 s. dazu nur MüKo2 /Joecks § 74 StGB Rn. 2 f. 831

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

Die Position des § 45 StGB im Abschnitt über die Strafen ist schließlich sachgerecht, weil § 45 Abs. 1 StGB mit seiner Anknüpfung an eine bestimmte Strafverurteilung als Annex der Strafe835 erscheint. d) Strafqualität/Zweck Das erste Charakteristikum der Strafe, die gezielte Zufügung eines Übels, erfüllt § 45 Abs. 2 StGB ohne weiteres: Die Aberkennung der Amtsfähigkeit stellt einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit (bei Amtsträgern) bzw. Berufswahlfreiheit (bei Nicht-Amtsträgern) dar. Daneben ist der grundgesetzliche Anspruch auf gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern nach Art. 33 Abs. 2 GG betroffen. Die Ansicht, dass § 45 Abs. 2 StGB gleichzeitig in die nach Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG geschützte Ehre eingreift,836 kann dagegen nicht überzeugen. Über das in jeder Kriminalstrafe zum Ausdruck kommende sozialethische Unwerturteil hinaus837 ist bei § 45 Abs. 2 StGB kein weiterer Eingriff in die Ehre ersichtlich.838 Wie oben bereits gezeigt,839 lässt sich dem heutigen Gesetz – anders als früheren Sanktionen, durch die „bürgerliche Ehrenrechte“ wegen „ehrloser Gesinnung“ entzogen wurden – keine zusätzliche Herabwürdigung mehr entnehmen. Zu beachten ist hier nämlich, dass die Anwendung der Vorgängernormen des § 45 Abs. 2 StGB, den Nebenstrafen an der Ehre nach §§ 32, 35 RStGB, nicht nur bei Amts- und Staatsschutzdelikten, sondern auch bei sonstigen, von der damaligen Bevölkerung als ehrlos empfundenen Taten wie z. B. Sittlichkeitsdelikten, Diebstahl, Untreue etc. eröffnet war.840 Diese Verknüpfung fehlt heute im Gesetz, woran deutlich wird, dass sich der Gesetzgeber von dieser damaligen sittlichen Bewertung durch die Bevölkerung distanziert hat. Soweit die Rechtsfolgen zu einer Minderung an äußeren Teilhaberechten führen, betreffen sie im Übrigen die o. g. spezielleren Grundrechte und gerade nicht den personalen Achtungsanspruch, wie ihn Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG meint. Schon zu Zeiten der Weimarer Republik wurde aber bezweifelt, dass die Aberkennung von Statusrechten tauglich sei, dem Täter ein Übel zuzufügen.841 Denn jemanden, der mit seiner Kriminalität einen „Trennungsstrich“ zwischen 835

So Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT, 1989, S. 487 (Rn. 21). Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 254. 837 Im Falle einer Nebenstrafe ist dieses Verdikt ohnehin bereits in der Hauptstrafe enthalten. 838 So auch Gallas, Niederschriften GSK I, 1956, S. 217 zur Frage, ob eine Nebenstrafe, die einem Amtsträger wegen eines Amtsdeliktes die Amtsfähigkeit aberkennt, eine Ehrenstrafe sei. 839 s. o. 1. Teil: B. V. 4. 840 s. o. 1. Teil: B. II. 2. 841 Eb. Schmidt, ZStW 45 (1925), 10, 25 f.; O. Freisler, ZStW 42 (1921), 438, 441. 836

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sich und der Gesellschaft gezogen hat, lasse es kalt, wenn man ihm gegenüber den Ehrverlust erkläre und ihn von der Teilhabe am Staatsleben ausschließe.842 Diese Erwägungen bezogen sich in erster Linie auf das sog. Schwerverbrechertum, d.h. Gewohnheitstäter. Auf den ersten Blick scheint dieser Einwand tatsächlich Zweifel an der Eignung der Statusminderung als Strafe zu wecken. Doch durchgreifen kann er aus zwei Gründen nicht: Zum einen ist das Übel der Strafe als staatlicher Eingriff in die Grundrechte (auch) normativ zu verstehen, weshalb es prinzipiell nicht schadet, wenn eine Strafe nicht immer als Übel empfunden wird843 – das gilt nämlich in Einzelfällen selbst für die beiden Hauptstrafen des StGB, deren Qualität als Übel dennoch niemand ernsthaft in Frage stellt.844 Zum anderen ist zu bedenken, dass die Statusminderung – anders als bspw. die frühere Zuchthausstrafe – nicht als allgemeine Hauptstrafe, sondern als zusätzliche Nebenstrafe vorgesehen ist. Insoweit besteht wiederum eine Nähe zu anderen Nebenstrafen wie z. B. dem Fahrverbot nach § 44 StGB: Auch das Fahrverbot stellt nur für denjenigen ein Übel dar, der auf das Fahrzeugführen angewiesen ist (z. B. im Rahmen seiner Berufstätigkeit).845 Und ebenso, wie das Fahrverbot nur im Zusammenhang mit einer straßenverkehrsbezogenen Anlasstat verhängt werden darf, ist die Anwendung des § 45 Abs. 2 StGB nur eröffnet, wenn der Täter einen Straftatbestand erfüllt, der die Funktionsfähigkeit des Staates schützen soll846. Es entspricht dabei dem Prinzip einer individualisierten strafrechtlichen Sanktionierung, wenn das Zusammenspiel von Haupt- und Nebenstrafe im Einzelfall eine angemessene Reaktion erlaubt. Mit dem in der Verknüpfung von Anlasstat und Nebenstrafe zu Tage tretenden Gedanken der Talion847 wird dem Täter sein Fehlverhalten beson842 Eb. Schmidt, ZStW 45 (1925), 10, 25. Dort wird auch ein treffender Witz aus einer zeitgenössischen Illustrierten zitiert: Richter: „Der Angeklagte wird zu zwei Monaten Gefängnis, 1500 Mark Geldstrafe und einem Jahre Ehrverlust verurteilt. Haben Sie noch etwas zu sagen, Angeklagter?“ – Der Angeklagte: „Verzeihen Sie, Herr Richter, könnte nicht die ganze Strafe in lebenslänglichen Ehrverlust umgewandelt werden?“ 843 s. o. 1. Teil: A. I. 844 Vgl. die Beispiele in 1. Teil: Fn. 27. 845 Eine ähnliche Situation ergibt sich auch bei der Nebenstrafe des Verbots der Jagdausübung nach § 41a BJagdG. Beim Fahrverbot liegt hier einer der Gründe, warum dieses nicht zur Hauptstrafe aufsteigen sollte. Siehe etwa Streng, ZRP 2004, 237 ff. und zuletzt Zopfs in: FS Wolter (2013), S. 813 ff. Anders aber aktuell die Pläne der Bundesregierung im Koalitionsvertrag unter http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Stati scheSeiten/Breg/koalitionsvertrag-inhaltsverzeichnis.html (zuletzt abgerufen am 03.01. 2015), S. 146. 846 Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 49 ff., 55; Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 261; Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 154 f.; Stein, GA 2004, 22, 30; LK12 /Hirsch § 45 StGB Rn. 14. Dasselbe gilt auch für die Nebenstrafe des Verbots der Jagdausübung nach § 41a BJagdG, das ebenfalls diese Kopplung zwischen Anlasstat und Sanktion aufweist. 847 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 155; Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 56; ähnlich Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 787:

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

ders eindringlich vor Augen geführt. Bei der Nebenstrafe des Fahrverbots wird darin gerade die Ursache für deren besondere spezialpräventive Wirksamkeit („Denkzettelfunktion“)848 gesehen und deshalb mehrheitlich eine Entkopplung von Verfehlungen im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr abgelehnt.849 Mit der zusätzlichen Verhängung der Nebenstrafe ist es demnach möglich, den Strafausspruch besonders wirksam zu gestalten und beispielsweise auch im Einzelfall Schwächen der Hauptstrafen auszugleichen.850 Und § 45 Abs. 2 StGB richtet sich nicht an den Täterkreis der Gewohnheitsverbrecher, sondern kommt primär für solche Täter in Betracht, insbesondere Amts- und Mandatsträger, für die der Verlust von Amtsfähigkeit und Wählbarkeit tatsächlich ein empfindliches Übel darstellt. Dies wird am Katalog der Anlasstaten wie etwa an § 358 StGB ersichtlich, die typischerweise nicht von Gewohnheitsverbrechern begangen werden (können). Ist die Anwendung hingegen bei Tätern eröffnet, für die eine Statusminderung kein Übel darstellt und dementsprechend zur negativ-spezialpräventiven Einwirkung auf den Täter sinnlos erscheint, kann dies bei der Ermessensausübung des Richters berücksichtigt werden und wird regelmäßig zum Absehen von der Verhängung der Nebenstrafe und einer entsprechenden Bemessung (= Erhöhung) der Hauptstrafe führen.851 § 45 Abs. 2 StGB erlaubt es also grundsätzlich, als gezieltes Übel (gemeinsam mit der Hauptstrafe) einen gerechten Schuldausgleich zu erreichen. Was die Strafzwecke betrifft, bereitet die Einordnung des § 45 Abs. 2 StGB als Nebenstrafe ebenfalls keine Probleme. Denn anders als bei § 45 Abs. 1 StGB, der bei der (vorliegend freilich abgelehnten) Zuerkennung eines Ehrenstrafcharakters wegen seiner Verbindung mit der Verbrechensfreiheitsstrafe über 12 Monaten eine allgemeine Ehrenstrafe darstellen würde,852 erlaubt der fakultative § 45 Abs. 2 StGB eine individuelle Sanktionierung, die auch begrifflich frei von Ehrminderung ist. Wenn beispielsweise nach § 358 StGB anlässlich eines Amtsdeliktes die Möglichkeit eröffnet wird, dem Täter nach § 45 Abs. 2 StGB (hier: nur) die Amtsfähigkeit abzuerkennen, wird ein spezialpräventiver Zweck deut-

„spiegelnde Strafe“. Ähnlich Gallas, Niederschriften GSK I, 1956, S. 217: „tatproportionale Übelszufügung.“ 848 s. o. 1. Teil: A. II. 1. 849 Franke, ZRP 2002, 20 ff.; Streng, ZRP 2004, 237 ff.; Kilger, ZRP 2009, 13 ff.; DAV, becklink 1002085. 850 Angenommen ein besonders vermögender Jäger begeht im Rahmen der Jagdausübung eine fahrlässige Körperverletzung, für die nur eine Geldstrafe (und keine Freiheitsstrafe) schuldangemessen erscheint, so erlaubt die zusätzliche Nebenstrafe des Verbots der Jagdausübung nach § 41a BJagdG eine wirksame spezialpräventive Intervention, die eine Geldstrafe allein nicht zu leisten vermocht hätte. 851 Der eingeschränkte Kreis geeigneter Adressaten wird freilich durch die extrem geringe praktische Relevanz des § 45 Abs. 2 StGB beleget, s. o. 1. Teil: Fn. 579. 852 s. dazu oben 1. Teil: D. I. 1. h).

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lich:853 Für die Dauer von bis zu fünf Jahren kann dieser Täter kein Amt mehr bekleiden, es sei denn, ihm werden die Rechte nach § 45b StGB wegen einer positiven Legalprognose wiederverliehen. So wirkt der Ausschluss zunächst negativ-spezialpräventiv in der Weise, dass er zumindest zeitweise verhindert, dass der Täter (mangels Amtes) wieder ein Amtsdelikt begehen kann. Zusätzlich soll mit der zeitweisen Amtsunfähigkeit auf den Täter selbst (nochmals negativspezialpräventiv) eingewirkt werden, damit er künftig von der Begehung solcher Taten abgeschreckt wird. Daneben kommt im Katalog der Delikte, die eine Anwendung des § 45 Abs. 2 StGB eröffnen, ein besonderer Schutz für staatliche Einrichtungen zum Ausdruck:854 Die Erfüllung wichtiger, der Allgemeinheit dienender Aufgaben soll nicht in die Hände von Personen gelegt werden, die sich gezielt gegen das Gemeinwesen vergangen haben.855 Ebenso soll das Ansehen öffentlicher Ämter verteidigt werden.856 Und auch eine negativ-generalpräventive Wirkung zumindest auf den Teil der Bevölkerung, der Amtsträger o. ä. ist bzw. werden will, ist plausibel. Dass diese nicht allgemein ist, liegt an der Natur des § 45 Abs. 2 StGB als spezielle Nebenstrafe. In positiv-generalpräventiver Hinsicht ist schließlich ein normbekräftigender Effekt zu erwarten, wenn etwa qualifiziert straffällige Amtsträger von der Bekleidung eines Amtes ausgeschlossen werden. Dem Bürger soll hier demonstriert werden, dass der Staat auf die Einhaltung strafrechtlicher Normen besonderen Wert legt und Fehlverhalten seiner eigenen Repräsentanten konsequent ahndet. Nur wer sich rechtstreu verhält, bewahrt seine Amtsfähigkeit. Dass auf diese Weise das Normvertrauen gestärkt wird, ist schließlich daran ersichtlich, dass umgekehrt Fälle, in denen eine amtsbezogene Straftat nicht zum Verlust der Stellung führt, in der Bevölkerung zu massivem Vertrauensverlust in das Strafrecht führen. Anschaulich wird dies etwa am Fall eines prügelnden Polizei-Chefs aus Rosenheim: Dieser hatte nach den rechtskräftigen Feststellungen des Landgerichts Traunstein einen Schüler (!) im Rahmen seiner Dienstausübung (!) grundlos (!) schwer misshandelt (Verlust eines Schneidezahns, Riss-Quetsch-Wunden und Hämatome am Kopf) und wurde kürzlich zu nur elf Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, damit ein „sozial integrierter Täter nicht aus der sozialen Ordnung herausgerissen wird.“ Im Leser-

853 Ebenso Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 155; Streng, Sanktionen, 2012, S. 178 (Rn. 364); SK-StGB/Horn § 45 StGB Rn. 12; a. A. Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 785. Nach Gallas, Niederschriften GSK I, 1956, S. 217 liegt eine solche Übelszufügung „auf der Linie des allgemeinen Strafbegriffs.“ 854 Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 155; Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 55. 855 Was nach Fischer62 § 45 StGB Rn. 9 ein wichtiger Gesichtspunkt bei der Verhängung und Bemessung nach § 45 Abs. 2 StGB sein soll. 856 Streng, Sanktionen, 2012, S. 178 (Rn. 364); Meier, Sanktionen, 2015, S. 438; BTDrs. V/4094, 15 f.; Nelles JZ 1991, 17, 21; MüKo2 /Radtke § 45 StGB Rn. 10; Bockelmann/Volk, Strafrecht AT, 1987 S. 230.

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forum der Süddeutschen Zeitung bspw. häuften sich in der Folge empörte Kommentare, in denen mindestens Unverständnis für eine solch milde Bestrafung des Beamten, die ihm (vermutlich) den Verbleib im Amt beschert, geäußert wurde.857

Soweit § 45 Abs. 2 StGB in bestimmten Fällen auch die Aberkennung des passiven Wahlrechts erlaubt, wird aber bezweifelt, dass auf diese Weise den Strafzwecken gedient werden kann.858 Zwar könne eine negativ-generalpräventive Wirkung auf Personen mit Ambitionen auf ein Amt eine gewisse Rolle spielen, jedoch sei der Effekt wegen der „nur“ fünfjährigen Dauer fragwürdig.859 Außerhalb dieses Personenkreises sei der Effekt schwer vorstellbar und könne – weil dem Verurteilten regelmäßig „egal“ – keine Sühne-Wirkung entfalten.860 Und schließlich sei die Aberkennung der Wählbarkeit nicht resozialisierungsfördernd.861 Diese Einwände im Hinblick auf das passive Wahlrecht vermögen jedoch nicht zu überzeugen. Ebenso wie bei der Bekleidung öffentlicher Ämter bedürfen öffentliche Mandate eines besonderen Schutzes. Die o. g. präventiven Zwecke sind daher bezüglich der beamtenähnlichen Mandate in gleicher Weise einschlägig.862 Denn eine zuverlässige Erfüllung von gemeinschaftsbezogenen Aufgaben ist durch Mandatsträger ebenso wie durch Amtsträger zu gewährleisten und würde bei der Bekleidung durch Täter z. B. eines Staatsschutzdeliktes (§ 92a StGB) selbst dann ernsthaft gefährdet erscheinen, wenn eine Mehrheit der Wähler die Person zuvor tatsächlich gewählt hätte. In Regionen mit schwacher Wahlbeteiligung würden hierzu nicht einmal besonders viele Stimmen benötigt. Es erschiene geradezu absurd, wenn ausgerechnet ein wegen Staatsschutzdelikten verurteilter Straftäter aus öffentlichen Wahlen ein Mandat mit dem Privileg der parlamentarischen Immunität erhalten könnte. Hier ist zudem zu berücksichtigen, dass – abgesehen von den Parteien selbst – weder Stelle noch Verfahren existieren, um Bewerber im politischen Wettkampf auf ihre Eignung und Zuverlässigkeit hin zu überprüfen.863 Ferner drohte dem Ansehen des Mandats Schaden, wenn in qualifizierter Weise straffällig gewordene Personen gewählt werden könnten und würden. Dass ein allgemein abschreckender Effekt nicht auf die ganze Bevölkerung zu erwarten ist, schadet der Rechtsnatur als Nebenstrafe ohnehin aus den oben 857

Siehe http://www.sueddeutsche.de/bayern/gewalt-gegen-jugendlichen-rosenheim er-polizeichef-zu-bewaehrungsstrafe-verurteilt-1.1534201 (zuletzt abgerufen am 03.01. 2015). Die Kommentarfunktion wurde inzwischen leider deaktiviert. 858 Oelbermann, Wahlrecht und Strafe, 2011, S. 259 f.; wohl auch Stein, GA 2004, 22. 859 Oelbermann, Wahlrecht und Strafe, 2011, S. 259. 860 Oelbermann, Wahlrecht und Strafe, 2011, S. 259. 861 Oelbermann, Wahlrecht und Strafe, 2011, S. 259. 862 Dies räumt auch Oelbermann, Wahlrecht und Strafe, 2011, S. 258 ein, wenn er konstatiert, dass die Aberkennung des passiven Wahlrechts noch unter den Schutz „besonderer Aufgaben im Gemeinschaftsleben“ subsumiert werden könnte. 863 Göhler, Prot. Sonderausschuss V, S. 2567.

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genannten Gründen nicht. Es spricht auch nicht gegen den Strafzweck des § 45 Abs. 2 StGB, dass die Dauer „nur“ fünf Jahre beträgt. Vielmehr wäre es in systematischer Hinsicht bedenklich, wenn eine Nebenstrafe massiver in die Rechtsposition des Straftäters eingriffe, als es die Hauptstrafe vermag, und damit die Proportionalität zwischen Haupt- und Nebensanktion zerstörte.864 Sollte es im Einzelfall das Bedürfnis eines noch längeren Ausschlusses geben – wobei zusätzlich die Berechnung des Verlusts nach § 45a Abs. 2 StGB zu beachten ist, die in schweren Fällen dazu führen wird, dass es tatsächlich deutlich mehr als fünf Jahre Verlust sein werden – existiert im Übrigen noch die Möglichkeit, vom BVerfG eine Verwirkung der Grundrechte anordnen zu lassen (Art. 18 GG, §§ 36–42 BVerfGG, insbes. § 39 Abs. 2 BVerfGG). Schließlich verkennt der Einwand, eine solche Sanktion sei nicht resozialisierungsfördernd, dass Resozialisierung kein allgemeiner Strafzweck ist, sondern das Vollzugsziel der Freiheitsstrafe darstellt865. Sähe man dies anders, wären sämtliche Hauptstrafen gravierenden Bedenken ausgesetzt, denn es ist beispielsweise nicht ersichtlich, wie die Verhängung einer Geldstrafe gegenüber armen Menschen oder einer langen Freiheitsstrafe gegenüber ansonsten sozial integrierten Einmaltätern deren Resozialisierung fördern soll. Die Strafzwecke rechtfertigen daher auch die Aberkennung des passiven Wahlrechts.866 e) Zwischenergebnis Die Untersuchung der Rechtsnatur des § 45 Abs. 2 StGB hat ergeben, dass er materiell eine Nebenstrafe darstellt. Für die weitere Untersuchung, was eine Nebenfolge ist, bleibt er demnach außen vor. 3. § 45 Abs. 5 StGB als Nebenstrafe? Auch § 45 Abs. 5 StGB, der es dem Gericht in besonderen Fällen (z. B. § 92a StGB) erlaubt, dem Verurteilten zusätzlich zur Hauptstrafe das aktive Wahlrecht abzuerkennen, wird ganz überwiegend als Nebenstrafe aufgefasst.867 Weil er 864 Selbst die nach rein spezialpräventiven Gründen zu bemessende Maßregel des Berufsverbots nach § 70 StGB ist im Regelfall auf fünf Jahre begrenzt. Auch die Nebenstrafe des Fahrverbots nach § 44 StGB kann „nur“ bis zu drei Monate betragen, obwohl im Einzelfall ein längerer Ausschluss (und trotzdem noch keine Entziehung nach § 69 StGB) angezeigt sein kann (z. B. bei einer einzelnen schweren Straftat im Straßenverkehr durch einen Täter, auf den mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe auf Bewährung nicht so gut eingewirkt werden kann wie mit einem längeren Fahrverbot). Der Gesichtspunkt der Proportionalität findet sich auch schon bei den Beratungen zur Schaffung eines StGB für den Norddeutschen Bund: Entwurf eines StGB für den NB, 1870, S. 50. 865 s. o. 1. Teil: Fn. 69. 866 Zust. mit Blick auf den „besonderen rechtfertigenden Grund in der Art der begangenen Tat“ auch Jekewitz, GA 1977, 161, 170. 867 H.M.: Jekewitz, GA 1977, 161, 166; Lackner/Kühl28 /Kühl § 45 StGB Rn. 3; Beck-OK-StGB/von Heintschel-Heinegg § 45 StGB Rn. 4, 6; Fischer62 vor § 38 StGB

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§ 45 Abs. 2 StGB bis auf den unterschiedliche Rechtsverlust gleicht, gilt für ihn zunächst grundsätzlich dasselbe, wie soeben zu § 45 Abs. 2 StGB ausgeführt. Allerdings ordnet er nicht den Verlust von Amtsfähigkeit und Wählbarkeit an, sondern nimmt dem Sanktionierten das Recht, aktiv zu wählen bzw. zu stimmen. Aus diesem Grund ist diese Regelung in der Literatur gravierenden Bedenken ausgesetzt, die bis hin zum Vorwurf der Verfassungswidrigkeit reichen.868 Und tatsächlich ist ein Verlust des aktiven Wahlrechts nicht mit den präventiven Zwecken zu legitimieren, die es im Falle des § 45 Abs. 2 StGB erlauben, dem Täter das zusätzliche Übel der Amts- und Mandatsunfähigkeit aufzuerlegen. Denn es ist nicht erkennbar, wie die Ausübung des Stimmrechts durch einen Straftäter gewichtige Interessen der Allgemeinheit gefährden oder gar beeinträchtigen soll (negative Spezialprävention).869 Das liegt nicht nur am verschwindend geringen Einfluss einer einzelnen Stimme,870 sondern auch daran, dass staatsgefährdende Parteien gar nicht zur Wahl zugelassen werden871 und einzelne vertrauensunwürdige bzw. die Interessen der Allgemeinheit bedrohende Personen bereits wegen § 45 Abs. 1 u. 2 StGB gar nicht wählbar sind. Es existiert im Übrigen nichts, das durch den Entzug des aktiven Wahlrechts wieder gutgemacht werden könnte (Sühnefunktion)872; insbesondere fehlt es an der Verknüpfung zu einer Anlasstat, die mit der Stimmabgabe durch den Straftäter zu tun hat,873 weshalb ein normbeRn. 5 u. § 45 StGB Rn. 7; LK11/12 /Häger vor § 38 StGB Rn. 48; Matt/Renzikowski/ Bußmann § 45 StGB Rn. 7; MüKo2 /Radtke § 45 StGB Rn. 23; Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 49; LK12 /Theune § 45 StGB Rn. 31. Auch die Interpretation des § 45 StGB einheitlich als Ehrenstrafe muss für § 45 Abs. 2 StGB Nebenstrafcharakter bedeuten: Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 148 ff., 164; Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 251; Schmidhäuser, Strafrecht AT, 1975, S. 772 („[. . .] die den Charakter einer Ehrenstrafe nicht verleugnen können“); Baumann/Weber, Strafrecht AT, 1985, S. 602 f., 615. 868 Oelbermann, Wahlrecht und Strafe, 2011, S. 259 f.; Stein, GA 2004, 22; Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 251 f.; Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 92 ff.; a. A. MüKo2 /Radtke § 45 StGB Rn. 41. 869 Ebenso Stein, GA 2004, 22, 30. A. A. aber noch BT-Drs. IV/650 (E 1962 m. Begründung), S. 163: „Es muß auch verhindert werden können, daß jemand, der seine asoziale Gesinnung durch schwere Straftaten erwiesen hat, nach der Strafverbüßung durch Ausübung des Wahl- oder Stimmrechts auf die Geschicke des Staates oder der Gemeinde Einfluß ausüben kann. Bei Entscheidungen, die im Namen des Staates getroffen, bei Handlungen, die in seinem Namen vorgenommen werden, und bei der Bildung des Gesamtwillens muß es möglich sein, Personen von einer Einflußnahme auszuschließen, die sich schwerster Straftaten schuldig gemacht haben.“ 870 Oelbermann, Wahlrecht und Strafe, 2011, S. 259; Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 251. 871 Stein, GA 2004, 22, 30; Oelbermann, Wahlrecht und Strafe, 2011, S. 259 f.; Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 104. 872 Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 251. 873 Selbst § 108c StGB, der neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wegen einer Tat nach §§ 107, 107a, 108 und 108b den Entzug des aktiven Stimmrechts erlaubt, bezieht sich auf Anlassdelikte, die einen Verstoß gegen den ordnungsge-

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kräftigender Effekt nicht plausibel ist (positive Generalprävention). Nicht einmal eine negativ-generalpräventive Wirkung durch die drohende Aberkennung des aktiven Wahlrechts erscheint in einer angeblich zunehmend politikverdrossenen Gesellschaft und angesichts tendenziell abnehmender Wahlbeteiligung874 naheliegend. Eine positiv-spezialpräventive Nützlichkeit erscheint sogar abwegig – vielmehr ist zu erwarten, dass sich der Entzug des Stimmrechts als belastendes Stigma negativ auf das Selbstbild des Straftäters auswirkt.875 Mit den allgemeinen Strafzwecken vereinbar ist eine solche Sanktion daher nicht, weshalb auch unklar blebt, nach welchen Kriterien das pflichtgemäße Ermessen im Rahmen des § 45 Abs. 5 StGB auszuüben sein soll – die allgemeinen Strafzumessungsregeln scheinen aus den genannten Gründen jedenfalls nicht geeignet876. Letztlich bleibt mit dem gezielten Eingriff in die Handlungsfreiheit nur die Übelsqualität.877 Einem Bürger das vom BVerfG als „vornehmstes Recht des Bürgers im demokratischen Staat“ 878 bezeichnete Wahlrecht zu nehmen, kann nur so verstanden werden, ihn des Wahlrechts für unwürdig zu erklären. Mangels eines Bezugs zur Anlasstat bleibt hier nur die Demütigung des Straftäters, die in der Tradition früherer Schandstrafen als staatlicher Eingriff in die Ehre des Betroffenen bewertet werden muss (vgl. bereits den alten § 34 RStGB und die Begründung zum E 1962879). Im Gegensatz zur Aberkennung von Amtsfähigkeit und Wählbarkeit, die in einem rechtsstaatlich-modernen Präventionsstrafrecht nach wie vor ihre Legitimation hat,880 erscheint die Aberkennung des aktiven Wahlrechts als überholte, weil rein exkludierende Ehrenstrafe881. Aus diesen Gründen bestehen ernstliche Zweifel, inwiefern sich die Exklusion bestimmter Straftäter vom aktiven Wahlrecht mit dem Grundsatz der Allgemein-

mäßen Ablauf einer Wahl pönalisieren. Es geht dort also um Eingriffe in die Wahl von außen und nicht um die Ausübung des Wahlrechts selbst. 874 http://de.wikipedia.org/wiki/Wahlbeteiligung (zuletzt abgerufen am 03.01.2015). Der minimale Anstieg bei der Bundestagswahl 2013 von 70,8 % (2009) auf 71,5 % ändert nichts daran, dass die Beteiligung weit entfernt von den Werten bspw. der 1970er Jahre (1972: 91,1%) ist. Auf kommunaler Ebene ist die Wahlbeteiligung zudem noch einmal deutlich geringer. 875 s. etwa das bedrückende Interview mit dem über 7 Jahre zu Unrecht (vgl. http:// www.strate.net/de/dokumentation/index.html, zuletzt abgerufen am 03.01.2015; OLG Nürnberg NJW 2013, 2692; BVerfG NJW 2013, 3228; becklink 1034049) zwangsweise in der Psychiatrie untergebrachten Gustl Mollath, der sehr darunter litt, dass ihm nach § 13 Nr. 3 BWahlG das aktive Wahlrecht entzogen war: http://www.sueddeutsche.de/ bayern/gespraech-mit-mollath-man-fuehlt-sich-wie-der-letzte-dreck-1.1635202 (zuletzt abgerufen am 03.01.2015). 876 So aber bspw. MüKo2 /Radtke § 45 StGB Rn. 9, 23. 877 Ähnlich Geiger, Rechtsnatur der Sanktion, 2006, S. 252. 878 BVerfGE 1, 14, 33. 879 s. o. 1. Teil: Fn. 869. 880 s. o. 1. Teil: D. I. 1. h) ee) (3) und 1. Teil: D. I. 2. d). 881 Oelbermann, Wahlrecht und Strafe, 2011, S. 261; Stein, GA 2004, 22, 29 f.

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heit der Wahl vereinbaren lässt. Nach Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG ist schließlich zu gewährleisten, dass alle Staatsbürger gleichen Zugang zur Wahl haben und nicht etwa bestimmte Bevölkerungsgruppen von der Wahl ausgeschlossen werden.882 Ausnahmen von diesem fundamentalen Grundsatz dürfen nur aus „zwingendem Grund“ erfolgen.883 Im Fall der hier in Rede stehenden „staatsbürgerlichen Mängel“ 884 ist ein solcher Grund – ganz unabhängig vom Problem einer Konkretisierung dieses unscharfen Kriteriums – aber nicht ersichtlich, es handelt sich insoweit lediglich um die Fortsetzung der alten (und eigentlich überwundenen885) Tradition, ehrlosen Straftätern die „bürgerlichen Ehrenrechte“ abzuerkennen.886 In Zeiten der konstitutionellen Monarchie, in denen der Herrscher als Inhaber der Staatsgewalt das Wahlrecht gewährte, mag die strafweise Aberkennung dieses Rechts zulässig gewesen sein.887 In einer parlamentarischen Demokratie beruht aber die Legitimation staatlicher Gewalt auf dem allgemeinen Wahlrecht der Bevölkerung.888 Dass der Gesetzgeber seinem Bekenntnis zur Überwindung der Ehrenstrafen zum Trotz eine Sanktion wie den § 45 Abs. 5 StGB beibehalten hat, kann deshalb nur als Versäumnis bewertet werden, das – obgleich in der Praxis zu Recht kaum noch angewendet889 – möglichst bald beseitigt werden sollte. Zur Bestimmung der Nebenfolge kann demnach auch § 45 Abs. 5 StGB keinen Beitrag leisten. 4. Fazit zur Strafqualität des § 45 StGB Die Untersuchung der drei Sanktionen des § 45 StGB hat ergeben, dass § 45 Abs. 1 StGB keine Nebenstrafe bzw. Ehrenstrafe ist, § 45 Abs. 2 StGB eine Nebenstrafe darstellt und § 45 Abs. 5 eine verfassungsrechtlich bedenkliche Art Ehrenstrafe ist. Die § 45 Abs. 2 und 5 StGB scheiden damit aus der weiteren Betrachtung aus.

II. Sind Nebenfolgen Maßregeln? Nachdem nun geklärt ist, dass § 45 Abs. 1 StGB jedenfalls keine Nebenstrafe oder Ehrenstrafe ist, stellt sich die Frage, ob er vielleicht materiell als Maßregel 882

Näher Maunz/Dürig/Klein, Art. 38 GG Rn. 88 ff. St. Rspr. BVerfGE 4, 375, 382; BVerfGE 11, 266, 271 f.; BVerfGE 28, 220, 225; BVerfGE 36, 139, 141. 884 Maunz/Dürig/Klein Art. 38 GG Rn. 94. 885 s. o. 1. Teil: B. VI. 886 Stein, GA 2004, 22, 28 ff.; Schwarz, Strafgerichtliche Aberkennung, 1991, S. 92 ff. 887 Stein, GA 2004, 22, 30. 888 Maunz/Dürig/Klein, Art. 38 GG Rn. 68. 889 s. o. 1. Teil: Fn. 579. 883

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einzuordnen ist. Soweit ersichtlich, wird dies in der Literatur nicht vertreten, sondern im Gegenteil aus verschiedenen Gründen abgelehnt.890 In systematischer Hinsicht spricht bereits die Stellung des § 45 StGB im Abschnitt des StGB über die „Strafe“ gegen eine Einstufung als Maßregel.891 Und auch im (allerdings nicht abschließenden) Katalog über die Maßregeln des StGB in § 61 StGB wird § 45 StGB nicht genannt. Gegen die Einstufung als Maßregel spricht ferner die Regelungstechnik des § 45 Abs. 1 StGB, denn eine Maßregel wird typischerweise nicht automatisch kraft Gesetzes verhängt.892 Wo dies ausnahmsweise bei der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB doch der Fall ist, wird der zwingende Eintritt der Rechtsfolge auf Tatbestandsseite durch großen Beurteilungsspielraum kompensiert („wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist“). Derartige Voraussetzungen, die dementsprechend ein Absehen von der Anordnung ermöglichen, enthält § 45 Abs. 1 StGB dagegen nicht. Der Eintritt seiner Folgen ist absolut zwingend. Zudem handelt es sich bei der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB regelmäßig „nur“ um einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit, während § 45 Abs. 1 StGB sogar die besonders geschützte Berufsfreiheit betrifft. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit bedeutsam und zeigt sich etwa an der Maßregel des Berufsverbots in § 70 StGB, die aus diesem Grund zusätzlich im Ermessen des Gerichts steht und – anders als § 45 Abs. 1 StGB – auch in ihrer Dauer zu bemessen ist. § 45 Abs. 1 StGB weicht überdies in einer weiteren regelungstechnischen Hinsicht von den Maßregeln ab, weil er immer eine Verurteilung wegen einer schuldhaften Tat (Freiheitsstrafe über einem Jahr wegen Verbrechens) voraussetzt893 und – anders als für die rein präventiven Maßregeln charakteristisch – ausgerechnet gegenüber schuldunfähigen Tätern gar nicht anwendbar ist. Es gibt zwar die Maßregel der Sicherungsverwahrung, die für voll schuldfähige Täter gedacht war894 – sie stellt aber als einzige für schuldfähige Straftäter vorgesehene Maßregel ihrerseits eine Ausnahme dar, aus der nicht gefolgert werden kann, dass Maßregeln allgemein auch nur an schuldhaft begangene Straftaten anknüpfen.

890 Nelles, JZ 1991, 17, 18; ihr folgend Oelbermann, Wahlrecht und Strafe, 2011, S. 222; Zust. ohne Begründung LK11 /Hirsch § 45 StGB Rn. 15. 891 Nelles, JZ 1991, 17, 18; ihr folgend Oelbermann, Wahlrecht und Strafe, 2011, S. 222. 892 Ebenso Nelles, JZ 1991, 17, 18. 893 Nelles, JZ 1991, 17, 18: „untypisch“. 894 Dieser Adressatenkreis ist mit BVerfGE 128, 326 aber beseitigt worden, denn nun verlangt das BVerfG in Anlehnung an das ThUG in sog. Altfällen eine „psychische Störung“, die für die hohe Gefährlichkeit kausal sein muss (s. im Anschluss daran Art. 316f EGStGB). Krit. zu dieser Einebnung der Unterschiede zwischen § 63 StGB und § 66 StGB Bock/Sobota, NK 2012, 106, 108 f.

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Schließlich fehlt es § 45 Abs. 1 StGB materiell an Maßregelqualität. Wie oben dargelegt, ist sein Zweck zwar überwiegend präventiv,895 aber nicht in dem Sinne, wie er für die Maßregeln typisch ist. Denn dann müsste § 45 Abs. 1 StGB dem teleologischen Prinzip des Maßregelrechts folgen und so verstanden werden, dass die Begehung irgendeines Verbrechens unwiderleglich die Gefährlichkeit des Straftäters i. S. einer spezifischen Rückfallgefahr belegt896 und diese durch den Verlust der Amtsfähigkeit und der Wählbarkeit reduziert werden könnte. Wie bereits oben ausgeführt,897 ist dies aber offenkundig nicht der Fall.898 Damit bleibt festzuhalten, dass § 45 Abs. 1 StGB auch keine Maßregel ist.

III. Neubestimmung der Nebenfolge Von den o. g. drei denkbaren Möglichkeiten (Strafe, Maßregel oder Sanktion eigener Art) verbleibt somit nur noch die Einordnung des § 45 Abs. 1 StGB als Sanktion sui generis. Anders als die Absätze 2 und 5 stellt er eine Nebenfolge im engeren Sinne dar. Anhand seiner Merkmale soll im Folgenden eine abgrenzungsfähige Definition mit eigenem Gehalt gewonnen werden. 1. Regelungstechnik Besonders ins Auge fällt die hier zuvor schon mehrfach erwähnte Regelungstechnik des § 45 Abs. 1 StGB, dessen Rechtsminderungen immer automatisch kraft Gesetzes eintreten. Dies stellt ein Unikum im Sanktionenrecht des StGB dar, das sich aus diesem Grund als besonders trennscharf erweist und die Ursache dafür sein dürfte, dass § 45 Abs. 1 StGB schon nach der bisher herrschenden Auffassung in Rechtsprechung899 und Literatur900 meist ohne nähere Begründung als Nebenfolge bezeichnet wird. Auch von Heintschel-Heinegg stellt zutreffend darauf ab, dass sich Nebenfolgen durch ihren automatischen Eintritt auszeichnen.901 895

s. o. 1. Teil: D. I. 1. h) ee) (3). Nelles, JZ 1991, 17, 18; ähnlich wiederum Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 785. 897 s. o. 1. Teil: D. I. 1. h) ee) (2). 898 Ebenso Nelles, JZ 1991, 17, 18 f.; Oelbermann, Wahlrecht und Strafe, 2011, S. 222 f. 899 s. o. 1. Teil: C. I. 900 s. o. 1. Teil: C. II. 901 Beck-OK-StGB/von Heintschel-Heinegg § 38 StGB Rn. 4. Ähnlich formulieren Rebmann/Uhlig/Pieper bezüglich des Begriffs „Nebenfolgen“ i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 7 BZRG, dass Nebenfolgen „nicht nur solche nach § 45 StGB, sondern ,alle . . . kraft Gesetzes eintretenden‘ wie der Wortlaut der Vorschrift besagt, damit auch jene, die sich aus Nebengesetzen ergeben“, seien, s. Rebmann/Uhlig/Pieper § 5 BZRG Rn. 43 m. Verw. auf OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.10.1978 – 3 VAs 7/78. 896

D. Was ist eine Nebenfolge?

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Das Kriterium der Automatik ist ferner ohne weiteres mit dem Wortlaut „Nebenfolge“ vereinbar. Als Folge bezeichnet der Duden: „1. Etwas, was aus einem bestimmten Handeln, Geschehen folgt; Auswirkung eines bestimmten Handelns, Geschehens 2. das Aufeinanderfolgen von etwas, Reihe von zeitlich aufeinanderfolgenden Dingen“ 902 Die Rechtsfolge des § 45 Abs. 1 StGB, die immer automatisch an einen bestimmten Tatbestand anknüpft, lässt sich zwanglos als dessen (rechtliche) Wirkung beschreiben.903 Sie ist sowohl „Auswirkung“ der Verurteilung zur Verbrechensfreiheitsstrafe von über einem Jahr als auch etwas zeitlich Nachfolgendes, weil sie erst nach der Verurteilung eintritt. Mit dem Wortlaut „Nebenfolge“ steht die Automatik daher in Einklang. Zusätzlich fällt in historischer Sicht auf, dass als Folge im engeren Sinne immer der automatische Rechtsverlust nach einer Strafverurteilung begriffen wurde. So wurde bereits Mitte des 19. Jahrhunderts im Zusammenhang mit der alten „Ehrlosigkeit“ zwischen selbständigen Ehrenstrafen und unselbständigen Ehrenfolgen unterschieden: Wörtlich wurden die automatischen Rechtsverluste der Art. 7 und 14 BayStGB sogar damals schon als „Nebenfolgen anderer Strafen“ bzw. „Nebenfolgen der Freiheitsstrafen“ bezeichnet.904 Auch der alte § 31 RStGB, der dieselbe automatische Regelungstechnik wie der aktuelle § 45 Abs. 1 StGB verwendet, wurde stets „Folge“ genannt.905 Ein entsprechender Gebrauch (automatisch = Folge) findet sich schließlich sowohl bei der herrschenden Ansicht zum § 31 StGB a. F.906 als auch in den Beratungen des Sonderausschusses zur Strafrechtsreform907. Ein erster Bestandteil der Definition einer Nebenfolge ist demnach der automatische Eintritt kraft Gesetzes. Hinzu kommt eine weitere Besonderheit in regelungstechnischer Hinsicht: Wie bereits oben im Zusammenhang mit der Frage, ob § 45 Abs. 1 StGB (Neben-) 902

http://www.duden.de/rechtschreibung/Folge (zuletzt abgerufen am 03.01.2015). Dazu passt im Übrigen auch die historische Überschrift zum § 45 StGB-E 1962, der den Verlust bestimmter Statusrechte als „Wirkungen der Zuchthausstrafe“ bezeichnete. 904 Mittermaier in: von Feuerbach, Lehrbuch, 1847, S. 257 f. 905 von Olshausen, RStGB, 1916, § 31 Nr. 1 u. vor §§ 13 ff. Nr. 3; von Liszt/ Eb. Schmidt, Lehrbuch, 1921, S. 248 f.; Frank, RStGB, 1908, S. 53; Holzer, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, 1913, S. 43. Siehe auch schon zur Vorgängernorm im Entwurf eines StGB für den NB, 1870, S. 50. 906 Zum alten Recht etwa Schwarz-Dreher, 1965, Überschrift zu § 31 StGB; Schönke/Schröder12 § 31 StGB Rn. 7. 907 Müller-Emmert, Prot. Sonderausschuss V, S. 584 u. 2573; Schafheutle, Prot. Sonderausschuss V, S. 587; Göhler, Prot. Sonderausschuss V, S. 2565; Sturm, Prot. Sonderausschuss V, S. 2575. 903

158

1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

Strafe sein kann, erörtert,908 schließt die Nebenfolge nicht wie die Rechtsfolgen der Strafe oder Maßregel an die Erfüllung eines Straftatbestandes an, sondern wirkt sich erst einen Schritt später aus, nämlich nach der Subsumtion unter einen Verbrechenstatbestand und der Verhängung und Bemessung der Freiheitsstrafe. Das bedeutet, dass die Nebenfolge als Annex zur Strafe909 eine schuldhafte Tatbegehung verlangt. Gegenüber schuldlos Handelnden ist der Eintritt der Nebenfolge ausgeschlossen.910 Charakteristisch ist demnach zusätzlich das Anknüpfen an eine Hauptstrafe. Auf diese Weise ist jedem der beiden Wortteile der Nebenfolge eine Funktion zugeordnet: Neben, d.h. neben der Verurteilung zur Hauptstrafe; Folge, d.h. automatischer Eintritt kraft Gesetzes. 2. Sinn und Zweck Im Rahmen der Prüfung, ob § 45 Abs. 1 i.V. m. 38, 12 StGB materiell eine Ehrenstrafe ist, wurde bereits ausführlich der Zweck des § 45 Abs. 1 StGB untersucht.911 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass § 45 Abs. 1 StGB nicht als zusätzliches Strafübel gedacht ist, sondern einen ausschließlich präventiven Zweck verfolgt. Für die Nebenfolge bedeutet dies allgemein, dass mit der Rechtsminderung gegenüber gravierend straffällig gewordenen Personen (z. B. in Form des Ausschlusses von Ämtern und Mandaten) nicht Straftätern ein sensibles Betätigungsfeld versagt werden soll, das zu weiteren Straftaten genutzt werden könnte (negative Spezialprävention im strafrechtlichen Sinne). Dieser Aspekt mag für den Gesetzgeber zwar eine willkommene Nebenwirkung sein, kann aber nicht der Hauptzweck der Nebenfolge sein, weil sich eine automatische spezialpräventive Sanktion weder mit dem kriminologischen Erfahrungswissen zur Prognose von künftigen Normbrüchen noch mit dem strafrechtlichen Individualisierungsgrundsatz verträgt.912 Überdies wäre eine solche Rechtsfolge im System strafrechtlicher Sanktionen obsolet, weil diese Funktion bereits von den Maßregeln der Besserung und Sicherung, bei Nebenfolgen mit berufsregelnder Tendenz speziell vom Berufsverbot nach § 70 StGB, erfüllt wird913.

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s. o. 1. Teil: D. I. 1. e). So Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT, 1989, S. 487 (Rn. 21). 910 Führt aber eine im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) begangene Straftat zur Maßregelunterbringung nach § 63 StGB, verliert der Betroffene nach §§ 13 Nr. 3, 15 Abs. 2 Nr. 1 BWahlG sein aktives und passives Wahlrecht, weshalb es der Rechtsminderung des § 45 StGB in Fällen gravierender Kriminalität eines gefährlichen Schuldunfähigen nicht bedarf. 911 s. o. 1. Teil: D. I. 1. h) ee). 912 s. o. 1. Teil: D. I. 1. h) ee) (2). 909

D. Was ist eine Nebenfolge?

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Die Legitimation der Nebenfolge ergibt sich deshalb primär aus dem positivgeneralpräventiven Zweck, das Normvertrauen der Bevölkerung zu stärken. Wie an der Automatik ersichtlich wird, ist die Nebenfolge eine Rechtsfolge, die der Gesetzgeber allein auf eine bestimmte Strafverurteilung stützt. Dem liegt der Gedanke zu Grunde, dass es im Anschluss an eine solche Straftat ohne erneute Entscheidung im Einzelfall und unabhängig von einer spezifischen Rückfallgefahr, auf die die Nebenfolge ersichtlich nicht abstellt, „reinigender Maßnahmen“ 914 bedarf, um den Rechtsfrieden wiederherzustellen. Über die unmittelbare Einbuße hinaus, die dem Täter mit der Strafe auferlegt wird, soll gegenüber der Allgemeinheit deutlich gemacht werden, dass es für den Straftäter nicht weiter geht wie zuvor, sondern ein solcher Normbruch im wahrsten Sinne des Wortes nicht „folgenlos“ bleibt. Auf diese Weise sollen auch besonders sensible Bereiche (wie z. B. Ämter, Mandate, Berufe) selbst davor geschützt werden, dass ihr Ansehen durch die Bekleidung mit einer schwerwiegend straffälligen Person geschädigt wird. Es liegt im Interesse der Allgemeinheit, dass exponierte Stellungen und besondere Rechte nicht Personen anvertraut werden, die wegen der Begehung einer schweren Verfehlung kein Vertrauen in ihre Zuverlässigkeit mehr genießen. Um dieses gesamtgesellschaftlichen Ziels willen nimmt es der Gesetzgeber augenscheinlich in Kauf, dass die Rechtsminderung durch eine Nebenfolge im Einzelfall ein Reintegrationshindernis bereiten kann. Als weiteres inhaltliches Kriterium kommt zu den beiden soeben genannten folglich der positiv-generalpräventive Zweck hinzu. 3. Ergebnis Als Ergebnis lässt sich folgende neue Definition festhalten: Nebenfolgen sind Rechtsminderungen, die kraft Gesetzes (= automatisch) an eine Verurteilung zur Hauptstrafe anknüpfen und einem positiv-generalpräventiven Zweck dienen. Auf diese Weise gewinnt die Nebenfolge einen eigenständigen Gehalt und kann ohne weiteres von den anderen Sanktionen des StGB abgegrenzt werden. Aufgrund der Automatik gibt es zwar keine915 Überschneidungen mit Strafe und 913 s. dazu oben 1. Teil: A III. 1. Zum Nebeneinander von § 45 StGB und § 70 StGB: BGH NStZ 2002, 198. 914 So treffend Meier, Sanktionen, 2015, S. 437 915 Wie bereits erwähnt (s. o. 1. Teil: D. II.), eröffnet die Fahrerlaubnisentziehung nach § 69 StGB dem Tatrichter zwar kein Ermessen, aber wegen ihres weiten Beurteilungsspielraums auf Tatbestandsseite (Prognosestellung bei der Frage der „Ungeeignetheit“) kann nicht von einer „echten“ Automatik gesprochen werden. An der Maßregelqualität des § 69 StGB ist wegen der eindeutigen Bestimmung in § 61 StGB ohnehin nicht zu rütteln, sodass die Abgrenzung zur Nebenfolge im hier vertretenen Sinne keine Schwierigkeiten bereitet.

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1. Teil: Allgemeiner Teil: Die Nebenfolge

Maßregel, dennoch gibt es einige Annäherungen: So begründet die Anknüpfung an eine Verurteilung zur Hauptstrafe auf der einen Seite eine gewisse Nähe zur Strafe. Insoweit handelt es sich – wie gezeigt – um einen Annex zur (Haupt-) Strafe916. Auf der anderen Seite nähert sich der ausschließlich präventive Zweck den Maßregeln an: Mit der Funktion, zugunsten der Allgemeinheit bestimmte sensible Bereiche besonders zu schützen, legitimiert sich die Nebenfolge ähnlich wie die Maßregel durch Interessen der Gesellschaft, die gegenüber denen des verurteilten Straftäters überwiegen.917 Im Unterschied zur Maßregel bezweckt die Nebenfolge aber keine individualpräventive Einwirkung auf den rückfallgefährdeten Straftäter, sondern spricht ihm wegen verlorenen Vertrauens und zur Wahrung gesellschaftlicher Stabilität Rechte und Fähigkeiten ab. Man kann insofern von einer Art positiv-generalpräventiven Maßregel sprechen. Die Nebenfolge steht somit als eigenständige Sanktion zwischen den beiden Spuren des strafrechtlichen Sanktionensystems. Anlässlich einer weiteren einzelnen Sanktion sui generis sogleich von einer „dritten Spur“ zu sprechen,918 erscheint letztlich aber nicht angemessen. Andernfalls müssten auch die weiteren Sanktionen, die weder der einen noch der anderen Spur zuzuordnen sind, wie etwa die Verwarnung mit Strafvorbehalt nach § 59 StGB919, ebenfalls eine eigene Spur bilden, was zu nicht weniger als einer „Vielspurigkeit“ des Sanktionensystems führen würde. Obwohl sich besagte Sanktionen sui generis von den beiden Hauptspuren abgrenzen lassen, sind diese Unterscheide m. E. nicht so bedeutend, dass ihnen sogleich eine eigene Spur zugesprochen werden müsste. Dazu wäre es schon erforderlich, dass zusätzlich zu einzelnen Unterschieden zwischen den Rechtsfolgen ein eigenes System erkennbar wird, das sich grundlegend von den anderen Spuren unterscheidet.920 Man könnte deshalb im Hinblick auf die Nebenfolge allenfalls von einer „Zwischenspur“ sprechen für Fälle, in denen es über die Hauptsanktion hinaus einen besonderen positiv-generalpräventiven Bedarf gibt.

916

So Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT, 1989, S. 487 (Rn. 21). s. o. 1. Teil: D. I. 1. h) ee) (3). 918 So aber Nelles, JZ 1991, 17, 18. 919 s. o. 1. Teil: A. V. 1. 920 So nämlich zwischen Strafe und Maßregel (1. Teil: A. III. 4.) und im Ansatz auch die Regelungen zur Wiedergutmachung (1. Teil: A. IV.). 917

2. Teil

Besonderer Teil: Einzelne Nebenfolgen Ausgehend von dieser neuen Definition stellt sich die Frage, ob und ggf. welche Normen jenseits des § 45 Abs. 1 StGB als Nebenfolgen einzustufen sind. Im zweiten Teil der Arbeit wird deshalb untersucht, welche der bisher in Literatur oder Rechtsprechung als Nebenfolgen eingeordneten Sanktionen und sonstigen als Nebenfolge in Betracht kommende Normen auch nach der hier vertretenen Definition als Nebenfolge einzuordnen sind.

A. Mögliche Nebenfolgen des StGB Zunächst werden die im StGB befindlichen Rechtsfolgen untersucht, die aktuell als Nebenfolge begriffen werden. Wie bereits oben analysiert,1 zählen die § 45 Abs. 2 u. 5 StGB – obwohl gesetzlich mit „Nebenfolgen“ überschrieben – nicht dazu. Es existieren jedoch noch weitere Normen im StGB, die in der Literatur als Nebenfolge qualifiziert werden.

I. Bekanntgabe der Verurteilung (§§ 165, 200 StGB) Die Bekanntgabe der Verurteilung, die das Gesetz bei bestimmten Formen der Beleidigung (§§ 185 ff. StGB) und der falschen Verdächtigung (§ 164 StGB) nach §§ 165, 200 StGB ermöglicht,2 wird – entgegen der wohl herrschenden Ansicht3 – in der Literatur vielfach als Nebenfolge4 oder strafähnliche Nebenfolge5 eingeordnet.6 Dies ist aber aus verschiedenen Gründen nicht überzeugend. 1

s. o. 1. Teil: D. I. 2. e) und 1. Teil: D. I. 3. Zusätzlich wird in § 103 Abs. 2 StGB (Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten) die Anwendung des § 200 StGB eröffnet. 3 In Rechtsprechung und Teilen der Literatur: RGSt 73, 24; BGHSt 10, 306, 310; NK4 /Vormbaum § 165 StGB Rn. 4; Beck-OK-StGB/Valerius § 165 StGB Rn. 1; OLG Nürnberg NJW 1951, 124 (Doppelcharakter: „nicht nur eine Nebenfolge, sondern auch Nebenstrafe“); Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT, 2009, S. 312 (Rn. 24); SKStGB/Rudolphi/Rogall § 200 StGB Rn. 1; NK4 /Zaczyk § 200 StGB Rn. 1; MüKo2 / Regge/Pegel § 200 StGB Rn. 1. 4 Fischer62 vor § 38 StGB Rn. 5, § 165 StGB i.V. m. § 200 StGB Rn. 1; LK12 /Ruß § 165 StGB Rn. 1; SK-StGB/Rudolphi/Rogall § 165 StGB Rn. 1; Schönke/Schröder29 / Lenckner/Bosch § 165 StGB Rn. 1; Schönke/Schröder29 /Lenckner/Eisele § 200 StGB Rn. 1; Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig vor § 38 StGB Rn. 32; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 788; Meier, Sanktionen, 2015, S. 450 f. 2

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2. Teil: Besonderer Teil: Einzelne Nebenfolgen

Zuerst ist zu berücksichtigen, dass die Bekanntgabe der Verurteilung nur auf Antrag des Verletzten erfolgt. Eine echte Automatik im Sinne der hier vertretenen Definition der Nebenfolge liegt damit gar nicht vor. Darüber hinaus entspricht die Urteilsbekanntgabe in inhaltlicher Hinsicht nicht dem Zweck einer Nebenfolge: Die §§ 165, 200 StGB bezwecken eine Art strafrechtlicher Folgenbeseitigung für rechtswidrige Angriffe auf die Ehre, wie sie durch die §§ 164, 185 ff. StGB pönalisiert sind. Dem Verletzten soll Genugtuung verschafft werden und er soll öffentlichkeitswirksam rehabilitiert werden.7 Dem Grunde nach wird hier ein originär zivilrechtlicher Anspruch auf Widerruf/Folgenbeseitigung der ehrverletzenden Behauptung im Strafrecht besonders ausgestaltet.8 Es geht bei der Bekanntgabe der Verurteilung demnach nicht um das generalpräventive Bedürfnis nach Normbekräftigung in der Allgemeinheit, sondern ausschließlich um Interessen des Verletzten9, weshalb die Bekanntgabe der Verurteilung nicht als Nebenfolge einzuordnen ist. Mit ihr einher geht zwar eine öffentliche Bloßstellung des Verurteilten, die wohl der Grund ist, warum ihr von Rechtsprechung und Teilen der Literatur als zusätzlicher Statusminderung (Neben-)Strafqualität zugesprochen wird.10 Aber auch dieser Effekt passt unabhängig davon, ob beabsichtigt und daher strafqualitätsbegründend oder unbeabsichtigt und deshalb strafqualitätsausschließend, nicht zum Charakter der Nebenfolge, weil sie, wie oben gezeigt,11 zwar aus den alten Ehrenstrafen hervorgegangen ist, diese im neuen Recht jedoch endgültig überwunden hat und fortan eine neue Funktion erfüllt. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass die Bekanntgabe der Verurteilung nach §§ 165, 200 StGB, deren Rechtsnatur – wie an den o. g. verschiedenen Auffassungen in Literatur und Rechtsprechung ersichtlich wird – insgesamt unklar ist, nur deshalb als Nebenfolge eingestuft wird, weil der zurzeit (noch) herrschende Begriff der Nebenfolge seinerseits unklar ist. Mit dem § 45 Abs. 1 StGB gemeinsam 5 Lackner/Kühl28 /Kühl § 165 StGB Rn. 1 i.V. m. § 200 StGB Rn. 1; LK12 /Hilgendorf § 200 StGB Rn. 1; SSW1/2 /Sinn § 200 StGB Rn. 1. 6 Offen gelassen bei MüKo2 /Zopfs § 165 StGB Rn. 1, der aber die Existenzberechtigung der Urteilsbekanntgabe anzweifelt. Nach Bockelmann/Volk, Strafrecht AT, 1987 S. 231 ist „zweifelhaft, ob sie sich in eine der genannten Kategorien einordnen lassen.“ Nach Streng, Strafrechtliche Sanktionen, 2012, Rn. 95 (S. 55) ist die Bekanntgabe der Verurteilung keine echte Sanktion, sondern eine Nebenfolge im untechnischen Sinn. 7 s. nur MüKo2 /Zopfs § 165 StGB Rn. 1. 8 Nach Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 788 f. ließe sich deshalb auf die Bekanntgabe „ohne Schaden verzichten“. 9 Ähnlich Streng, Sanktionen, 2012, S. 60 (Rn. 114). 10 NK4 /Zaczyk § 200 StGB Rn. 1. Eingehend zur Bekanntgabe der Verurteilung als Form von moderner Ehrenstrafe Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009, S. 158 ff. A. A. Schönke/Schröder29 /Lenckner/Bosch § 165 StGB Rn. 1, nach denen die Bloßstellung/Übelszufügung keinesfalls Sinn, sondern nur unbeabsichtigte Nebenwirkung sei. 11 s. o. 1. Teil: B. VI.

A. Mögliche Nebenfolgen des StGB

163

hat die Bekanntgabe der Verurteilung lediglich, dass ihre Vorgängernormen in der Vergangenheit zu den sog. Ehrenstrafen zählten. Nach der Großen Strafrechtsreform, in der die Nebenfolge als eine eigenständige Sanktion im StGB ausgestaltet worden ist, sind jedoch keine Gemeinsamkeiten mehr erkennbar.12 Mit der Neubestimmung der Nebenfolge im hier vertretenen Sinne ist es daher an der Zeit, den Begriff der Nebenfolge von seiner Funktion als „Auffangbecken“ des Sanktionenrechts für Rechtsfolgen, die sich in keine der großen Kategorien einpassen, zu befreien. Die Bekanntgabe der Verurteilung ist keine Nebenfolge.

II. Verfall, Einziehung und Unbrauchbarmachung (§§ 73 ff. StGB) Aufgrund ihrer „Zwittererscheinung“ je nachdem, ob Verfall, Einziehung und Unbrauchbarmachung gegenüber einem schuldhaft oder schuldlos handelnden Täter Anwendung finden, werden sie im Lehrbuch von Maurach/Gössel/Zipf als „Nebenfolgen mit gemischtem Charakter“ eingestuft.13 Zunächst einmal widerspricht diese Sicht, wie sie auch selbst einräumen,14 der gesetzlichen Systematisierung dieser Sanktionen in § 11 Abs. 1 Nr. 8 als „Maßnahmen“.15 Materiell passt diese Einordnung immerhin zum Verständnis der Nebenfolge als Sanktion mit Mischcharakter, wie sie etwa von Stree/Kinzig vertreten,16 in der vorliegenden Untersuchung aber abgelehnt wird. Nach der hier vertretenen Definition fallen Verfall, Einziehung und Unbrauchbarmachung offenkundig nicht unter den Begriff der Nebenfolge, weil sie keines der Kriterien der Nebenfolge erfüllen: Sie treten weder kraft Gesetzes ein, noch setzen sie eine Verurteilung zur Hauptstrafe voraus. Und schließlich dienen sie nicht ausschließlich (positiv general-) präventiven Zwecken, sondern weisen z. T. Strafcharakter auf 17.

12 Wenn der Gesetzgeber die Bekanntgabe der Verurteilung als Nebenfolge begriffen hätte, wäre es naheliegend gewesen, sie nach dem Vorbild des § 45 StGB auszugestalten, indem er sie im Allgemeinen Teil des StGB regelt und im Besonderen Teil jeweils auf sie verweist. Das ist aber gerade nicht geschehen. Die systematische Stellung im Besonderen Teil bringt stattdessen eine besondere Verknüpfung mit den jeweiligen (primär) individualschützenden Straftatbeständen zum Ausdruck und spricht ebenfalls gegen eine Zuordnung zur Nebenfolge. 13 Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT, 1989, S. 487 (Rn. 22). 14 Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT, 1989, S. 487 (Rn. 21). 15 Zust. zur Einordnung als „Maßnahme“: Parigger, StraFo 2011, 447, 451; MüKo2 / Joecks vor § 73 StGB Rn. 11, 34; NK4 /Saliger vor § 73 StGB Rn. 1; Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig vor § 38 StGB Rn. 33; Schönke/Schröder29 /Eser vor § 73 StGB Rn. 1 mit dem Hinweis, dass es lediglich um eine verweisungstechnische Zusammenfassung teils gleichbehandelter Tatfolgen handelt, mit der über die unterschiedliche Rechtsnatur dieser Sanktionen nichts ausgesagt wird. 16 s. o. 1. Teil: C. II. 17 s. etwa MüKo2 /Joecks § 74 StGB Rn. 2 f. zur Einziehung.

164

2. Teil: Besonderer Teil: Einzelne Nebenfolgen

III. Ergebnis Weil die Einstufung von Urteilsbekanntgabe, Verfall, Einziehung und Unbrauchbarmachung als Nebenfolge vorliegend abgelehnt wird und weitere Nebenfolgen im StGB nicht ersichtlich sind, ist § 45 Abs. 1 StGB die einzige Nebenfolge des StGB.

B. Mögliche Nebenfolgen des Neben(straf)rechts Neben dem StGB gibt es im sog. Nebenstrafrecht eine Vielzahl weiterer Sanktionen, deren Qualifizierung als Nebenfolge vertreten wird oder denkbar ist. Insbesondere in den verschiedenen berufsrechtlichen Gesetzen existiert eine Reihe von Normen, die ihrer Struktur (automatischer Eintritt aufgrund strafrechtlicher Verurteilung) und Zielsetzung (Prävention) nach als Nebenfolge in Betracht kommen.18 Das liegt auch daran, dass der Umfang der Rechtsverluste, die das Kernstrafrecht an bestimmte Verurteilungen bzw. Strafen knüpfte, mit der Zeit immer geringer wurde.19 Die Rechtsverluste wurden allerdings nicht abgeschafft, sondern eben vielfach nur in andere Gesetze verlagert. Darauf wird an den entsprechenden Stellen zurückzukommen sein. Aufgrund der großen Anzahl denkbarer Nebenfolgen (zusätzlich auch im Landesrecht) ist es nicht möglich, sämtliche der in Betracht kommenden Folgen strafrechtlicher Verurteilung zu analysieren, ohne Rahmen und Fragestellung der vorliegenden Arbeit zu sprengen. Im Ergebnis ist dies aber unschädlich, weil die vorliegend vertretene Definition trennscharfe Kriterien anbietet, mit denen die in dieser Untersuchung noch nicht näher betrachteten Normen eingeordnet werden können. Für die verschiedenen allgemeinen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Nebenfolge, die im dritten Teil der Arbeit untersucht werden, ist es gleichwohl nötig, zumindest einen Überblick über eine Reihe charakteristischer und praktisch bedeutsamer als Nebenfolgen in Betracht kommende Normen zu geben. Die folgende Auswahl orientiert sich daher an diesen beiden Kriterien und beinhaltet überwiegend diejenigen Sanktionen des Nebenrechts, deren Einordnung als Nebenfolge aktuell in der Literatur vertreten wird. In diesem Zusammenhang soll schließlich der bereits im Beispielsfall der Einleitung genannte § 25 JArbSchG näher betrachtet werden.

I. Verbot der Tierhaltung nach § 20 TierSchG Die erste Rechtsfolge, die untersucht werden soll, ist das Verbot der Tierhaltung nach § 20 TierSchG. Nach Rebmann/Uhlig/Pieper soll es sich bei diesem 18

Z. B.: § 49 BNotO, § 7 BRAO, § 38 SG, § 46 StBerG, § 24 DRiG. s. dazu etwa die Entwicklung der §§ 31 ff. RStGB hin zu den §§ 31 ff. StGB (s. o. 1. Teil: B. II. und 1. Teil: B. V.) 19

B. Mögliche Nebenfolgen des Neben(straf)rechts

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Verbot um eine Nebenfolge i. S. d. § 5 BZRG handeln, der den technischen Begriff der Nebenfolge als Sanktion des StGB verwendet.20 1. Regelungsgehalt Nach § 20 TierSchG kann das Gericht einem Tierhalter, der eine Straftat nach § 17 TierSchG begangen hat, für ein bis fünf Jahre oder sogar für immer verbieten, mit Tieren Umgang zu haben (Tiere halten, Handel sowie sonstiger berufsmäßiger Umgang mit Tieren), wenn die Gefahr besteht, dass er weiterhin rechtswidrige Taten nach § 17 TierSchG begehen wird. Dies kann unabhängig davon erfolgen, ob die Anlasstat schuldhaft oder schuldlos begangen wurde. 2. Einordnung Die Einordnung als Nebenfolge ist mit der hier vertretenen Ansicht nicht vereinbar: Weder tritt das Verbot der Tierhaltung automatisch ein, noch knüpft es an eine Verurteilung zu einer Hauptstrafe an. Vielmehr springt die Ähnlichkeit zur Maßregel des Berufsverbots nach § 70 StGB ins Auge.21 So räumt § 20 TierSchG dem Richter ein Ermessen ein und die Anordnung hängt – wie für die Maßregel allgemein charakteristisch22 – maßgeblich von einer individuellen Gefährlichkeitsprognose ab. Auch die Unabhängigkeit von einer schuldhaften Anlasstat ist typisch für eine Maßregel der Besserung und Sicherung, die als rein spezialpräventive Maßnahme gerade keine Schuld des Täters voraussetzt.23 Die strafrechtliche Ahndung der Zuwiderhandlung gegen das Verbot in § 20 Abs. 3 TierSchG entspricht dabei der Strafbarkeit bei Zuwiderhandlung gegen ein Berufsverbot nach § 145c StGB.24 3. Ergebnis Das Verbot der Tierhaltung ist demnach nicht als Nebenfolge, sondern als Maßregel der Besserung und Sicherung einzuordnen25.

20

Rebmann/Uhlig/Pieper § 5 BZRG Rn. 43. So auch MüKo2 /Pfohl § 20 TierSchG Rn. 1. 22 s. o. 1. Teil: A. III. 1. 23 s. o. 1. Teil: A. III. 24 MüKo2 /Pfohl § 20 TierSchG Rn. 8. 25 Wohl h. M.: Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig § 61 StGB Rn. 1; Lorz/Metzger § 20 TierSchG Rn. 2; MüKo2 /Pfohl § 20 TierSchG Rn. 1; Erbs/Kohlhaas/Metzger § 20 TierSchG Rn. 2; Kluge/Ort/Reckewell § 20 TierSchG Rn. 1; Hirt/Maisack/Moritz § 20 TierSchG Rn. 1. 21

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2. Teil: Besonderer Teil: Einzelne Nebenfolgen

II. Unfähigkeit zum Schöffenamt/Amt des ehrenamtlichen Richters Weitere Nebenfolgen könnten in den verschiedenen Rechtsnormen zu sehen sein, durch die Personen dauerhaft ihre Fähigkeit zur Bekleidung des Schöffenamtes bzw. Amt eines ehrenamtlichen Richters verlieren. 1. Regelungsgehalt und -systematik In § 32 GVG, § 18 FGO, § 21 VwGO, §§ 21, 103 ArbGG, § 17 SGG, ist geregelt, dass bestimmte Personen von der Bekleidung des Schöffenamtes bzw. Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter ausgeschlossen sind. Diese Normen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie vielfach auf Tatbestandsseite an den Eintritt der Nebenfolge des § 45 Abs. 1 StGB oder die Verhängung der Nebenstrafe des § 45 Abs. 2 StGB anknüpfen. Soweit nur auf den Verlust der Amtsfähigkeit infolge eines Richterspruchs Bezug genommen wird, ist die Unfähigkeit, das Amt des ehrenamtlichen Richters/Schöffen zu bekleiden, bereits aus regelungstechnischen Gründen keine Nebenfolge, weil sie nicht an die Verurteilung zu einer Hauptstrafe, sondern an den Eintritt einer Nebenfolge bzw. die Verhängung einer Nebenstrafe anknüpft (§ 32 Nr. 1 Alt. 1 GVG, § 18 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 FGO, § 21 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 ArbGG, § 103 Abs. 1 S. 2 ArbGG, § 21 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 VwGO, § 17 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 SGG). Sie erweitern demnach lediglich den Umfang des Rechtsverlusts durch § 45 StGB. Diese Verweisungsmöglichkeit durch die Nebengesetze war bei der Großen Strafrechtsreform ein wesentlicher Grund dafür, den Verlust der Amtsfähigkeit und Wählbarkeit in der zentralen Norm des § 45 StGB beizubehalten.26 Teilweise weisen die Normen jedoch insofern einen eigenständigen Regelungsgehalt auf, als sie den automatischen Verlust der Schöffenfähigkeit bzw. die Unfähigkeit, ehrenamtlicher Richter zu sein, noch für weitere Fälle vorsehen. Als Nebenfolge in Betracht kommen nach der hier vertretenen Definition allerdings nur die automatischen Rechtsverluste, die aus präventiven Gründen an eine Verurteilung zur Hauptstrafe anknüpfen. Damit scheiden diejenigen Regelungen aus der weiteren Betrachtung aus, die den Rechtsverlust präventiv noch weiter vorverlagern, indem sie nicht der Verurteilung wegen einer Straftat folgen, sondern bereits bei Einleitung eines Ermittlungsverfahrens oder Erhebung der Anklage wegen einer Tat eintreten, die den Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter zur Folge haben kann. Namentlich sind dies die § 32 Nr. 2 GVG (Schöffenunfähigkeit schon bei Einleitung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens), § 18 Abs. 1 Nr. 2 FGO, § 21 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG, § 21 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 17 Abs. 1 Nr. 2 SGG (etwas weniger streng: Unfähigkeit zum Amt des 26

s. o. 1. Teil: Fn. 547.

B. Mögliche Nebenfolgen des Neben(straf)rechts

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ehrenamtlichen Richters, wenn Anklage wegen einer Tat erhoben ist, die den Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter zur Folge haben kann). In § 32 Nr. 1 Alt. 2 GVG, § 18 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2, 3, 4 FGO, § 21 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 ArbGG, § 21 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 VwGO, § 17 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 SGG ist ferner wortgleich geregelt, dass auch Personen, die „wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt“ wurden, vom Amt des Schöffen bzw. eines ehrenamtlichen Richters ausgeschlossen sind. 2. Einordnung Wie sich bereits aus ihrem Inhalt ergibt, scheiden die ersten beiden Varianten der Schöffenunfähigkeit bzw. der Unfähigkeit zum ehrenamtlichen Richter als Nebenfolge aus, weil sie entweder an den Rechtsverlust nach § 45 StGB anknüpfen oder schon im Ermittlungsverfahren bzw. bei Anklage eintreten, d.h. nicht eine Verurteilung zur Hauptstrafe voraussetzen. Angesichts des Umstandes, dass der Rechtsverlust in der letzten Variante (§ 32 Nr. 1 Alt. 2 GVG, § 18 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2, 3, 4 FGO, § 21 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 ArbGG, § 21 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 VwGO, § 17 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 SGG) jeweils kraft Gesetzes eintritt und allein eine bestimmte Verurteilung zur Hauptstrafe voraussetzt, liegt es nahe, diese Normen als strafrechtliche Nebenfolgen einzuordnen. Auch ihr Zweck trägt diese Einstufung. Der Ausschluss qualifiziert straffälliger Personen dient der Wahrung des Vertrauens der Allgemeinheit und der Verfahrensbeteiligten in die Objektivität und Integrität eines Schöffen bzw. ehrenamtlichen Richters.27 Ähnlich wie bei § 45 Abs. 1 StGB wird hier ein präventiver Zweck verfolgt. Es soll sowohl das Ansehen des Amtes als ehrenamtlicher Richter/Laienrichter geschützt werden als auch eine zuverlässige Erfüllung dieser für die Allgemeinheit – ganz gleich, ob im Verfahren vor den ordentlichen Gerichten oder den Arbeits-, Finanz- und Verwaltungsgerichten – wichtigen Aufgabe sichergestellt werden. Schließlich ist ein normbekräftigender Effekt bezweckt, wenn Personen mit einer entsprechenden Vorverurteilung von den genannten Ehrenämtern ausgeschlossen werden. Hier wäre zu befürchten, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Verbindlichkeit des Rechts Schaden nimmt, 27 So der BGH in BGHSt 35, 28 zwar explizit nur zu § 32 Nr. 2 GVG. Dieser Zweck muss allerdings genauso für Nr. 1 gelten, denn wenn schon das „Schweben“ eines Ermittlungsverfahrens über einem Laienrichter das Vertrauen der Bevölkerung in die Objektivität und Integrität der Justiz schädigen kann, muss dies erst recht für eine rechtskräftige Verurteilung gelten. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob eine Person als Schöffe im Strafverfahren oder als ehrenamtlicher Richter in sonstigen Verfahren auftritt, wie bereits an der Regelung im GVG deutlich wird, das schließlich sowohl für das Zivil- als auch das Strafverfahren gilt. Deshalb ist der Zweck in GVG, FGO, ArbGG, VwGO und SGG identisch. Dafür spricht auch, dass die Tatbestandsmerkmale in allen Verfahrensordnungen vollkommen übereinstimmen, d.h. in den einzelnen Verfahrensordnungen kein abweichender Maßstab Anwendung findet.

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2. Teil: Besonderer Teil: Einzelne Nebenfolgen

wenn ausgerechnet schwerwiegend straffällige Personen nach ihrer Verurteilung noch die Fähigkeiten besäßen, – und sei es nur im Ehrenamt – „Recht zu sprechen“. Für die Einordnung als strafrechtliche Nebenfolge spricht schließlich die Entstehungsgeschichte des Verlusts der Schöffenfähigkeit bzw. der Fähigkeit, ehrenamtlicher Richter zu sein, denn bei ihnen handelt es sich um eine ursprünglich strafrechtliche Rechtsminderung, die bereits in § 31 Abs. 2 RStGB als „Folge“ der Zuchthausstrafe und zuvor bspw. in § 12 PreußStGB enthalten war. Die bloße Verlagerung in die spezielleren Nebengesetze ohne wesentliche sachliche Änderung28 lässt ihren materiell-rechtlichen Charakter unberührt. 3. Ergebnis Die § 32 Nr. 1 Alt. 2 GVG, § 18 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2, 3, 4 FGO, § 21 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 ArbGG, § 21 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 VwGO, § 17 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 SGG stellen somit Nebenfolgen einer strafrechtlichen Verurteilung dar.

III. Verlust der Beamtenrechte nach § 24 BeamtStG, § 41 BBG Eine in der Praxis besonders häufige Folge strafrechtlicher Verurteilung ist der Verlust der Beamtenrechte nach den Regelungen des Beamtenrechts. Diese Rechtsminderungen infolge strafrechtlicher Verurteilung könnten Nebenfolgen im hier vertretenen Sinne sein. 1. Regelungsgehalt § 24 BeamtStG (für Beamte der Länder und Kommunen) und § 41 BBG (für Bundesbeamte) regeln in Abs. 1 S. 1 nahezu wortgleich, dass Beamte bei bestimmten strafrechtlichen Verurteilungen mit der Rechtskraft des Urteils ihre Beamtenstellung verlieren. Im Einzelnen lauten sie in der aktuellen Fassung29: § 41 BBG Verlust der Beamtenrechte (1) Werden Beamtinnen oder Beamte im ordentlichen Strafverfahren durch das Urteil eines deutschen Gerichts

28 Nach wie vor gründet der Ausschluss vom Schöffenamt/Amt des ehrenamtlichen Richters allein auf der strafrechtlichen Verurteilung. Die neue Regelung ist allerdings strenger als das alte Recht, tritt sie doch bei jeder Verurteilung zu mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe wegen eines vorsätzlichen Delikts ein, während sie früher die Verurteilung zur seltener angedrohten Zuchthausstrafe voraussetzte. 29 Bundesbeamtengesetz vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160), das zuletzt durch Art. 2 des Gesetzes vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3386) geändert worden ist, bzw. Beamtenstatusgesetz vom 17. Juni 2008 (BGBl. I S. 1010), das durch Art. 15 Abs. 16 des Gesetzes vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160) geändert worden ist.

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1. wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr oder 2. wegen einer vorsätzlichen Tat, die nach den Vorschriften über Friedensverrat, Hochverrat, Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates oder Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit oder, soweit sich die Tat auf eine Diensthandlung im Hauptamt bezieht, Bestechlichkeit strafbar ist, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt, endet das Beamtenverhältnis mit der Rechtskraft des Urteils. Entsprechendes gilt, wenn die Fähigkeit zur Wahrnehmung öffentlicher Ämter aberkannt wird oder wenn Beamtinnen oder Beamte aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Artikel 18 des Grundgesetzes ein Grundrecht verwirkt haben. (2) Nach Beendigung des Beamtenverhältnisses nach Absatz 1 besteht kein Anspruch auf Besoldung und Versorgung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Amtsbezeichnung und die im Zusammenhang mit dem Amt verliehenen Titel dürfen nicht weiter geführt werden. § 24 BeamtStG Verlust der Beamtenrechte (1) Wenn eine Beamtin oder ein Beamter im ordentlichen Strafverfahren durch das Urteil eines deutschen Gerichts 1. wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr oder 2. wegen einer vorsätzlichen Tat, die nach den Vorschriften über Friedensverrat, Hochverrat und Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates, Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit oder, soweit sich die Tat auf eine Diensthandlung im Hauptamt bezieht, Bestechlichkeit, strafbar ist, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt wird, endet das Beamtenverhältnis mit der Rechtskraft des Urteils. Entsprechendes gilt, wenn die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter aberkannt wird oder wenn die Beamtin oder der Beamte aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Artikel 18 des Grundgesetzes ein Grundrecht verwirkt hat. (2) Wird eine Entscheidung, die den Verlust der Beamtenrechte zur Folge hat, in einem Wiederaufnahmeverfahren aufgehoben, gilt das Beamtenverhältnis als nicht unterbrochen.

2. Einordnung Im ersten Zugriff könnten in diesen beiden Normen weitere strafrechtliche Nebenfolgen zu sehen sein. Immerhin knüpfen sie zum Schutz des Berufsbeamtentums automatisch an die Verurteilung zu einer Hauptstrafe. Doch nach der Auffassung der Rechtsprechung und Literatur soll es sich bei diesen beamtenrechtlichen Regelungen um einen wegen Amtsunwürdigkeit kraft Gesetzes eintretenden dienstrechtlichen (und nicht strafrechtlichen) Rechtsverlust handeln.30 Begrün30 BVerwGE 20, 21, 23; Battis § 41 BBG Rn. 2; Lenders/Peters/Weber/Grunewald/ Lösch § 41 BBG Rn. 589; Fürst/Zängl § 48 BBG a. F. Rn. 3 (Kommentierung bezieht

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2. Teil: Besonderer Teil: Einzelne Nebenfolgen

dungen für diese Ansicht finden sich nur spärlich. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) führt lediglich aus, dass zwischen den Folgen, die kraft strafrechtlicher Normen eintreten (das waren zum Zeitpunkt des Urteils im Jahr 1964 noch die §§ 31–36 StGB a. F., wobei das Gericht explizit von „strafrechtlichen Nebenfolgen“ spricht), und den Wirkungen des öffentlichen Dienstrechts zu unterscheiden sei.31 In der Sache stellt das BVerwG also auf den Standort des Rechtsverlusts ab. In der Kommentarliteratur wird zwar darauf verwiesen, dass der automatische Amtsverlust in den Beamtengesetzen mit Blick auf die Entstehungsgeschichte strafrechtlichen und nicht dienstrechtlichen Ursprungs sei, dennoch soll es sich „rechtssystematisch“ um eine dienstrechtliche und keine strafrechtliche Norm handeln.32 Auch hier beruht die Qualifizierung als dienstrechtliche Sanktion also lediglich auf dem Standort der Normen im Beamtenrecht. In der Tat erscheint es auf den ersten Blick rätselhaft, warum der Gesetzgeber den Verlust der Amtsfähigkeit einmal im StGB (§ 45 StGB) und noch einmal im Beamtenrecht (§ 24 Abs. 1 S. 1 BeamtStG, § 41 Abs. 1 S. 1 BBG) geregelt und dabei sogar noch unterschiedliche Tatbestandsschwellen errichtet hat: So muss nach § 45 Abs. 1 StGB ein Verbrechen mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe geahndet werden, während im Beamtenrecht jede Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Straftat zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe genügt. Weil wegen des Systems der Strafrahmen nicht jede vorsätzliche Straftat, die mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr geahndet werden kann, ein Verbrechen ist, erfassen die Regelungen des Beamtenrechts fast33 alle Vergehen und sind somit strenger. Auch in ihrer Wirkung unterscheiden sich die beiden Rechtsfolgen: § 45 Abs. 1 StGB bedingt einen fünfjährigen Verlust der Amtsfähigkeit unabhängig von der Bekleidung eines Amtes. Bei Tätern, die in einem Beamtenverhältnis stehen, stellt § 45 Abs. 3 StGB klar, dass zusätzlich der Verlust bestehender Rechte und Stellungen hinzukommt. Die § 24 Abs. 1 S. 1 BeamtStG, § 41 Abs. 1 S. 1 BBG bestimmen dagegen ausschließlich die Beendigung eines bestehenden Beamtenverhältnisses mit Rechtskraft des Strafurteils. Dies erklärt die zusätzliche und verschärfte Regelung im Beamtenrecht. Während der fünfjährige Verlust der Amtsfähigkeit, wie ihn § 45 Abs. 1 StGB vorsieht, jedermann trifft – ganz gleich, ob Beamter oder Nicht-Beamter –, richten sich die § 24 Abs. 1 S. 1 BeamtStG, § 41 Abs. 1 S. 1 BBG ausschließlich an beamtete Straftäter. Aus diesem Grund ist es letztlich sachgerecht und nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber diese spezielle Verschärfung für Beamte im speziellen Beamtenrecht platziert hat. sich noch auf § 48 BBG a. F., der 2009 unverändert zum § 41 BBG wurde); nicht erörtert bei Lambrecht, Strafrecht und Disziplinarrecht, 1997, S. 153 ff. 31 BVerwGE 20, 21, 23. 32 Fürst/Zängel § 48 BBG a. F. Rn. 1 ff., 3. 33 Vereinzelt kennt das StGB noch Strafrahmen, die Freiheitsstrafe nur bis zu sechs Monaten androhen: s. §§ 107b, 160, 184e und 285 StGB.

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Eine Qualifizierung als strafrechtliche Nebenfolge scheidet jedoch nicht schon deshalb aus, weil der Verlust der Beamtenrechte in den Beamtengesetzen geregelt ist. Denn es ist üblich, dass sich strafrechtliche Sanktionen nicht ausschließlich im StGB befinden, sondern auch vielfach in anderen Rechtsgebieten angesiedelt sind. Regelmäßig stehen flankierende strafrechtliche Normen wegen des Sachzusammenhangs in den Nebengesetzen.34 Auf der anderen Seite lässt sich allein aus der ähnlichen bzw. teilweise identischen Wirkung des Rechtsverlusts nicht schließen, dass der Verlust der Beamtenrechte im StGB und in den Beamtengesetzen dieselbe Rechtsnatur aufweisen muss – schließlich gilt dies nicht einmal innerhalb des § 45 StGB, dessen Abs. 2 nach hier vertretener und von der wohl überwiegenden Zahl der Stimmen in Rechtsprechung und Literatur geteilten Auffassung trotz einer mit der Nebenfolge in Abs. 1 identischen Einbuße eine Nebenstrafe darstellt35. Da der Verlust der Beamtenstellung in den Beamtengesetzen automatisch eintritt und eine Hauptstrafe voraussetzt, könnte eine Einordnung als strafrechtliche Nebenfolge nach hier vertretener Auffassung nur bestritten werden, wenn die § 24 Abs. 1 S. 1 BeamtStG, § 41 Abs. 1 S. 1 BBG einen anderen Zweck verfolgen würden. Nach der oben erarbeiteten Definition dienen strafrechtliche Nebenfolgen ausschließlich einem präventiven Zweck.36 Charakteristisch ist die Bestätigung der Normgeltung, indem nach einer bestimmten Strafverurteilung automatisch „reinigende Maßnahmen“ 37 eingreifen. Darin kommt ein besonderer Schutz von sensiblen Stellungen wie Ämtern und Mandaten zum Ausdruck. Ferner legitimiert sich der Rechtsverlust durch das verlorene Vertrauen in die Zuverlässigkeit der qualifiziert straffällig gewordenen Person. Zur Zweckbestimmung der § 24 Abs. 1 S. 1 BeamtStG, § 41 Abs. 1 S. 1 BBG heißt es in Literatur und Rechtsprechung: Achtung, Vertrauen und die Integrität des Beamten seien bei den besonders schwerwiegenden Verfehlungen i. S. d. § 24 Abs. 1 S. 1 BeamtStG, § 41 Abs. 1 S. 1 BBG so stark beeinträchtigt, dass eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses weder dem Dienstherrn noch der Öffentlichkeit zugemutet werden könne.38 Es geht hier also um die Entfernung von Beamten, die wegen schweren Fehlverhaltens für den öffentlichen Dienst untragbar sind.39 Dies lässt sich ohne weiteres unter den für die Nebenfolge charakteristischen Zweck der positiven Generalprävention fassen. Es wäre gegenüber der Öf34 Vgl. etwa die in dieser Untersuchung bereits erwähnten § 20 TierSchG (strafrechtliche Maßregel) und § 41a BJagdG (Nebenstrafe). 35 s. o. 1. Teil: D. I. 2. 36 s. o. 1. Teil: D. III. 2. Speziell zu § 45 Abs. 1 StGB: 1. Teil: D. I. 1. h) ee). 37 So Meier, Sanktionen, 2015, S. 437 zum Zweck des § 45 StGB. 38 Fürst/Zängl § 48 BBG a. F. Rn. 6 m. Verw. auf BVerwGE 34, 353, 356; BVerwGE 84, 1. 39 Metzler-Müller/Rieger/Seeck/Zehntgraf/Seeck § 24 BeamtStG 1.; Tegethoff/Kugele/Buchheister § 41 BBG Rn. 3.

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2. Teil: Besonderer Teil: Einzelne Nebenfolgen

fentlichkeit schlechthin nicht zu rechtfertigen, wenn der Staat einen gravierend oder dienstbezogen straffällig gewordenen Beamten nicht umgehend aus dem Dienst entließe, sondern weiterhin als staatlichen Repräsentanten in seinen Reihen duldete. Diesen Aspekt betont schließlich die Rechtsprechung, die nicht nur darauf abstellt, dass die Weiterbeschäftigung des straffälligen Beamten dem Staat als Arbeitgeber, sondern auch der Öffentlichkeit nicht mehr zugemutet werden könne.40 Der Zweck des automatischen Amtsverlustes ist also nicht – wie für das Disziplinarrecht typisch – nach innen gerichtet, sondern soll gerade nach außen gegenüber der Gesellschaft die Normgeltung besonders bekräftigen. Mit der automatischen Beendigung des Beamtenverhältnisses werden zudem Ansehen und Würde des Amtes geschützt und es wird eine zuverlässige Aufgabenerfüllung sichergestellt. Sinn und Zweck der § 24 Abs. 1 S. 1 BeamtStG, § 41 Abs. 1 S. 1 BBG im engeren Sinn ist es im Übrigen gerade, ein ordentliches Disziplinarverfahren zu vermeiden, wenn eine strafrechtliche Verurteilung von bestimmtem Gewicht vorliegt.41 Das bedeutet, dass das Beamtenverhältnis hier allein aufgrund einer genuin strafrechtlichen Entscheidung beendet wird. Eine disziplinarrechtliche Bewertung durch den Dienstherrn findet nicht statt, sondern die Beendigung des Beamtenverhältnisses legitimiert sich – wie für die strafrechtliche Nebenfolge charakteristisch – allein aus der strafgerichtlichen Entscheidung. Dazu passt, dass es keine Beschränkung auf amtsbezogene Taten gibt, sondern im Falle ihrer Erheblichkeit auch eine rein außerdienstliche Straftat genügt.42 Die § 24 Abs. 1 S. 1 BeamtStG, § 41 Abs. 1 S. 1 BBG halten überdies nicht die sonst üblichen abgestuften Sanktionen des Disziplinarrechts (Verweis, Geldbuße, Kürzung der Bezüge, Degradierung etc.) bereit, vielmehr ordnen sie in Übereinstimmung mit § 45 Abs. 3 StGB den sofortigen Verlust der Beamtenstellung an. Ferner ist anzumerken, dass die Abgrenzung zwischen dem Strafrecht insgesamt und dem Disziplinarrecht nicht immer so eindeutig ist, wie es bei der speziellen Sanktion der Strafe (insbesondere wegen ihrer Vergeltungs-/Sühnefunktion für begangenes Unrecht, an der es anderen Rechtsfolgen fast immer fehlt) der Fall ist. Denn die Nebenfolge ist nach hier vertretener Definition keine ahndende Sanktion, sondern soll ausschließlich präventiven Zwecken dienen. Sie ist der Strafe nur deshalb nah, weil sie auf Tatbestandsseite eine Verurteilung zur Hauptstrafe voraussetzt.

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s. o. 2. Teil: Fn. 38. BVerwG NJW 2000, 3297; Metzler-Müller/Rieger/Seeck/Zehntgraf/Seeck § 24 BeamtStG 1.; Tegethoff/Kugele/Buchheister § 41 BBG Rn. 4; Lenders/Peters/Weber/ Grunewald/Lösch § 41 BBG Rn. 589; Fürst/Zängl § 48 BBG a. F. Rn. 6 m.w. N. 42 Auch Parigger, StraFo 2011, 447, 454 weist darauf hin, dass außerdienstliche Straftaten nicht immer disziplinare Bedeutung haben. Trotzdem sehen die § 24 Abs. 1 S. 1 BeamtStG, § 41 Abs. 1 S. 1 BBG auch in solchen Fällen ohne weitere Prüfung des Einzelfalls die sofortige Beendigung des Beamtenverhältnisses vor. 41

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Aus diesen Gründen kann der Einwand, dass auf diese Weise – wie für das Disziplinarrecht allgemein typisch – primär die Integrität des Berufsbeamtentums geschützt werden soll und es sich deshalb beim Verlust der Beamtenstellung materiell nicht um eine strafrechtliche, sondern eine beamtenrechtliche Maßnahme handelt, nicht überzeugen. Bestätigt wird die materielle Zuordnung des dienstrechtlichen Amtsverlusts zum Strafrecht letztlich durch seine Entstehungsgeschichte: Zunächst existierte nämlich der Amtsverlust nur im Strafrecht (damals noch RStGB) als Folge bestimmter Verurteilungen und als Nebenstrafe.43 Zu Zeiten des Nationalsozialismus wurde der Amtsverlust dann erstmals durch Regelungen im Beamtenrecht ergänzt und verschärft.44 Diese Regelungen wurden von den Folgegesetzen bis in die heutige Zeit übernommen.45 Der Sache nach wurde hier also eine strafrechtliche Sanktion in das Beamtengesetz übernommen und erweitert, was aus dem o. g. Grund (spezielle Nebenfolge für Beamten) sachgerecht erscheint. Mit der Einstufung als strafrechtliche Nebenfolge erklärt sich außerdem die Bewertung in der Literatur, dass sich der automatische Amtsverlust wegen strafrechtlicher Verurteilung „grundlegend“ von den sonstigen Beendigungsgründen des Beamtenrechts unterscheidet.46 3. Ergebnis Im Ergebnis sind die § 24 Abs. 1 S. 1 BeamtStG, § 41 Abs. 1 S. 1 BBG somit als strafrechtliche Nebenfolgen einzuordnen.

IV. Verbot der Geschäftsführung gem. § 6 GmbHG/ Verbot der Leitung einer Aktiengesellschaft gem. § 76 AktG Auch die § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 GmbHG sowie § 76 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AktG könnten als strafrechtliche Nebenfolgen zu qualifizieren sein. 1. Regelungsgehalt Nahezu wortgleich bestimmen sie die sog. Inhabilität aufgrund strafrechtlicher Verurteilung. Ihr Wortlaut in der aktuellen Fassung47:

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s. o. 1. Teil: B. II. 1. und 1. Teil: B. II. 2. Gesetz zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des allgemeinen Beamten-, des Besoldungs- und des Versorgungsrechts v. 30.06.1933, RGBl. I, S. 433. 45 Überblick bei Fürst/Zängel § 48 BBG a. F. Rn. 1 ff. 46 Fürst/Zängel § 48 BBG a. F. Rn. 3. 47 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 4123-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Art. 27 des Gesetzes vom 23. Juli 2013 (BGBl. I S. 2586) geändert 44

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2. Teil: Besonderer Teil: Einzelne Nebenfolgen

§ 6 GmbHG Geschäftsführer (2) Geschäftsführer kann nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein. Geschäftsführer kann nicht sein, wer 1. als Betreuter bei der Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten ganz oder teilweise einem Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) unterliegt, 2. aufgrund eines gerichtlichen Urteils oder einer vollziehbaren Entscheidung einer Verwaltungsbehörde einen Beruf, einen Berufszweig, ein Gewerbe oder einen Gewerbezweig nicht ausüben darf, sofern der Unternehmensgegenstand ganz oder teilweise mit dem Gegenstand des Verbots übereinstimmt, 3. wegen einer oder mehrerer vorsätzlich begangener Straftaten a) des Unterlassens der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Insolvenzverschleppung), b) nach den §§ 283 bis 283d des Strafgesetzbuchs (Insolvenzstraftaten), c) der falschen Angaben nach § 82 dieses Gesetzes oder § 399 des Aktiengesetzes, d) der unrichtigen Darstellung nach § 400 des Aktiengesetzes, § 331 des Handelsgesetzbuchs, § 313 des Umwandlungsgesetzes oder § 17 des Publizitätsgesetzes oder e) nach den §§ 263 bis 264a oder den §§ 265b bis 266a des Strafgesetzbuchs zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist; dieser Ausschluss gilt für die Dauer von fünf Jahren seit der Rechtskraft des Urteils, wobei die Zeit nicht eingerechnet wird, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Satz 2 Nr. 3 gilt entsprechend bei einer Verurteilung im Ausland wegen einer Tat, die mit den in Satz 2 Nr. 3 genannten Taten vergleichbar ist.48 § 76 AktG Leitung der Aktiengesellschaft (3) Mitglied des Vorstands kann nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein. Mitglied des Vorstands kann nicht sein, wer 1. als Betreuter bei der Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten ganz oder teilweise einem Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) unterliegt, 2. aufgrund eines gerichtlichen Urteils oder einer vollziehbaren Entscheidung einer Verwaltungsbehörde einen Beruf, einen Berufszweig, ein Gewerbe oder einen Geworden ist, bzw. Aktiengesetz vom 6. September 1965 (BGBl. I S. 1089), das zuletzt durch Art. 26 des Gesetzes vom 23. Juli 2013 (BGBl. I S. 2586) geändert worden ist. 48 Diese Entsprechungsklausel für „vergleichbare“ Auslandsverurteilungen wirft freilich schwierige Fragen auf, die bisher wenig geklärt sind und im Rahmen der vorliegenden Arbeit auch nicht geklärt werden können. Hier wäre es notwendig, allgemeine Maßstäbe aufzustellen, wann eine Verurteilung im Ausland materiell-rechtlich und prozessual „vergleichbar“ mit den Katalogtaten der § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 GmbHG, § 76 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AktG ist.

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werbezweig nicht ausüben darf, sofern der Unternehmensgegenstand ganz oder teilweise mit dem Gegenstand des Verbots übereinstimmt, 3. wegen einer oder mehrerer vorsätzlich begangener Straftaten a) des Unterlassens der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Insolvenzverschleppung), b) nach den §§ 283 bis 283d des Strafgesetzbuchs (Insolvenzstraftaten), c) der falschen Angaben nach § 399 dieses Gesetzes oder § 82 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, d) der unrichtigen Darstellung nach § 400 dieses Gesetzes, § 331 des Handelsgesetzbuchs, § 313 des Umwandlungsgesetzes oder § 17 des Publizitätsgesetzes, e) nach den §§ 263 bis 264a oder den §§ 265b bis 266a des Strafgesetzbuchs zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist; dieser Ausschluss gilt für die Dauer von fünf Jahren seit der Rechtskraft des Urteils, wobei die Zeit nicht eingerechnet wird, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Satz 2 Nr. 3 gilt entsprechend bei einer Verurteilung im Ausland wegen einer Tat, die mit den in Satz 2 Nr. 3 genannten Taten vergleichbar ist.

2. Einordnung Auch hier tritt mit der Rechtskraft einer bestimmten Verurteilung automatisch ein fünfjähriger Rechtsverlust ein, weshalb die Inhabilität eine strafrechtliche Nebenfolge sein könnte. Der Zweck dieser Regelungen soll im Schutz der Allgemeinheit und speziell der Gläubiger liegen.49 In jedem Fall kommt in diesem gesetzlichen Ausschluss bestimmter Straftäter ein besonderer Schutz für die sensiblen Führungspositionen in einer Kapitalgesellschaft zum Ausdruck. Zweifel wirft aber die übrige Interpretation des Zwecks der Inhabilität auf. Es heißt, es sollen Personen, die mit der Begehung einschlägiger Wirtschaftsdelikte ihre Ungeeignetheit50 bzw. Unzuverlässigkeit51 demonstriert haben, daran gehindert werden, andere mit ihren unternehmerischen Tätigkeiten zu gefährden.52 Der Gesetzgeber behauptet hier also in erster Linie einen negativ-spezialpräventiven Zweck, weitere Wirtschaftsstraftaten des Täters zu verhindern. Dafür könnte ferner die 49 Baumbach/Hueck/Fastrich § 6 GmbHG Rn. 11; Beck-OK-GmbHG/Wisskirchen/ Kuhn § 6 GmbHG Rn. 20; Henssler/Strohn § 6 GmbHG Rn. 28; Michalski/Tebben § 6 GmbHG Rn. 26; MüKo-GmbHG/Goette § 6 GmbHG Rn. 24, 30; Spindler/Stilz § 76 AktG Rn. 131; Fleischer, WM 2004, 154; Parigger, StraFo 2011, 447, 453. 50 Hölters/Weber § 76 AktG Rn. 71. 51 MüKo-GmbHG/Goette § 6 GmbHG Rn. 24, 30. 52 BT-Drs. 16/6140, S. 32 f.; zuvor BT-Drs. 8/1347, S. 31, wonach mit § 6 Abs. 2 GmbHG a. F. verhindert werden soll, „dass Personen, die wegen bestimmter Konkursdelikte bestraft worden sind [. . .], alsbald ihre Geschäfte unter dem Deckmantel einer anonymen Kapitalgesellschaft wieder aufnehmen und hierdurch Dritte gefährden.“

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2. Teil: Besonderer Teil: Einzelne Nebenfolgen

Auswahl einschlägiger wirtschaftsstrafrechtlicher Delikte auf Tatbestandsseite sprechen.53 Die zwingende Inhabilität setzt jedoch nur eine strafrechtliche Verurteilung voraus bei gleichzeitigem Verzicht auf sonstige persönliche Eignungskriterien oder eine Würdigung der Person als unzuverlässig.54 Wegen der empirischen Unmöglichkeit, aus einer strafrechtlichen Verurteilung allein eine negative Prognose (= Unzuverlässigkeit) abzuleiten,55 kann die Inhabilität deshalb nicht überzeugend mit einer ausschließlich negativ-spezialpräventiven Zielsetzung begründet werden.56 Es sind ohne weiteres Fälle denkbar, in denen dem Geschäftsführer einer GmbH oder dem Vorstand einer AG trotz der Begehung einer einschlägigen Straftat keine negative Prognose gestellt werden kann (insbesondere bei Delikten aus einer einmaligen Not- oder Konfliktlage heraus). Sähe man dies anders, würde sich überdies die Frage stellen, ob die gesetzlich vorgesehene Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 StGB – jedenfalls bei einer Strafhöhe von bis zu zwei Jahren (§ 56 Abs. 2 StGB) – bei der Verurteilung wegen einer Katalogtat nach den § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 GmbHG, § 76 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AktG nicht grundsätzlich ausscheiden müsste. Das tut sie bekanntlich aber nicht, sondern nicht selten stellen Tatgerichte gerade sozial gut situierten Wirtschaftskriminellen eine positive Legalprognose und setzen die Strafe zur Bewährung aus (wenn die sonstigen Voraussetzungen des § 56 StGB erfüllt sind). Eine negativ-spezialpräventive Lesart der § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 GmbHG, § 76 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AktG würde in solchen Fällen in Widerspruch zum Strafurteil treten. An dieser Stelle sei zudem nochmals darauf verwiesen, dass auch das BVerfG anerkennt, dass allein aus der einmaligen Begehung einer (ggf. sogar erheblichen) Straftat nicht automatisch auf zukünftige Taten geschlossen werden kann.57 Wenn die Inhabilität tatsächlich primär dem Zweck diente, weitere Straftaten des Verurteilten zu verhindern, würden zusätzliche Friktionen im System der strafrechtlichen Sanktionen entstehen. Dort existiert für dieses negativ-spezialpräventive Bedürfnis nämlich bereits das Berufsverbot nach § 70 StGB, das einem reinen Sicherungszweck dient und nur auf spezialpräventive Gesichtspunkte gestützt werden darf 58. Wegen des darin liegenden schwerwiegenden Eingriffs in 53 Der Katalog enthält aber nicht nur einschlägige Wirtschaftsstraftaten wie die Insolvenzverschleppung u. ä., sondern mit § 263 StGB auch den einfachen Betrug ohne Zusammenhang zum Gesellschaftsrecht oder Kapitalmarkt. 54 s. aber § 6 Abs. 2 Nr. 1 und 2 GmbHG. 55 Man denke wiederum an den sog. „kriminellen Übersprung“, s. Bock, Kriminologie, 2013, S. 224 f. (Rn. 602 ff.). 56 s. dazu bereits oben im Zusammenhang mit § 45 Abs. 1 StGB: 1. Teil: D. I. 1. h) ee) (2). 57 BVerfG, Beschl. v. 29.09.2013 – 2 BvR 939/13 = HRRS 2013 Nr. 1053. 58 Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig § 70 StGB Rn. 1; OLG Karlsruhe StV 1993, 403; LK12 /Hanack § 70 StGB Rn. 1; MüKo2 /Athing/Bockemühl § 70 StGB Rn. 1; NK4 / Pollähne § 70 StGB Rn. 1.

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die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) verlangt die Rechtsprechung hier eine besondere Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, die den Richter in concreto dazu anhält, sich anhand einer Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten die Überzeugung zu bilden, dass die Gefahr (d.h. die Wahrscheinlichkeit) künftiger ähnlicher erheblicher Rechtsverletzungen durch den Täter besteht.59 Es wäre eine weitere erhebliche Unstimmigkeit, wenn die Rechtsprechung das negativ-spezialpräventive Berufsverbot aus den genannten Gründen (zu Recht) nur äußerst restriktiv anwendete, während derselbe Zweck zusätzlich eine einzelfallunabhängige Automatik kraft Gesetzes legitimieren soll. Schließlich ist zu bemerken, dass auch eine negativ-spezialpräventive Wirkung der Inhabilität in der Praxis nicht immer gewährleistet ist, denn das Verbot der Geschäftsführung/Leitung kann nicht verhindern, dass der Täter bspw. in formal anderer Funktion in einer GmbH arbeitet und die Gesellschaft dann über einen als Geschäftsführer installierten „Strohmann“ faktisch doch führt. Dem automatischen Eintritt der § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 GmbHG, § 76 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AktG muss deshalb primär ein Zweck zu Grunde liegen, der es in jedem Einzelfall rechtfertigt, dem Täter die Geschäftsführungs- bzw. AG-Leitungsfähigkeit abzuerkennen. Ein solcher lässt sich vorwiegend in der Generalprävention finden, die als Zweck der Inhabilität grundsätzlich anerkannt ist.60 Entscheidend ist bei den Verboten der § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 GmbHG, § 76 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AktG – wenngleich in der gesellschaftsrechtlichen Literatur bisher nicht so benannt – richtigerweise der positiv-generalpräventive Zweck: Das Interesse der Allgemeinheit, dass die sensiblen Führungspositionen in Kapitalgesellschaften nur mit integren Personen besetzt werden, verlangt es, dass Personen, die einschlägige Wirtschaftsdelikte begangen haben oder sich anderweitig betrügerisch verhalten haben, zumindest für eine gewisse Dauer ab ihrer Verurteilung kraft Gesetzes daran gehindert sind, weiterhin oder überhaupt in solch herausgehobenen wirtschaftlichen Positionen tätig zu sein („Reinigungsfunktion“).61 Gerade im Wirtschaftsleben und besonders an der Börse spielt Ver59

BGH, Urt. v. 25.04.2013 – 4 StR 296/12 = BeckRS 2013, 08436 m.w. N. Für den Zweck i. S. einer Nebenfolge weniger relevant ist die negativ-spezialpräventive Wirkung der Inhabilität. So nimmt man an, dass das Verbot der Geschäftsführung bzw. Leitung einer AG eine abschreckende Wirkung auf andere Führungskräfte entfaltet (s. Fleischer, WM 2004, 154 mit Verweis auf empirische Untersuchungen von Tiedemann). Ein solcher Effekt ist bei der Wirtschaftskriminalität aus kriminologischer Sicht durchaus plausibel, weil sie ihrer Natur nach eher einer Kosten-Nutzen-Analyse zugänglich ist als diverse Delikte der sog. Alltagskriminalität [s. Bock, Kriminologie, 2007, S. 65 (Rn. 180)]. 61 In der Sache ähnlich, obschon nicht als positive Generalprävention bezeichnet: MüKo-GmbHG/Goette § 6 GmbHG Rn. 24: „[. . .] es deswegen nicht hingenommen werden kann, dass Personen, die sich in dieser Beziehung als unzuverlässig erwiesen haben, die nämlich wegen einer Insolvenzstraftat haben verurteilt bzw. gegen die ein dasselbe Geschäftsfeld betreffendes Gewerbe- oder Berufsverbot hat verhängt werden müssen, als organschaftliche Vertreter einer Gesellschaft mit beschränktem Haftungs60

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2. Teil: Besonderer Teil: Einzelne Nebenfolgen

trauen eine herausragende Rolle, weshalb es legitim erscheint, den Vertrauensverlust infolge der Straftat (unabhängig von etwaiger Unzuverlässigkeit oder Rückfallgefahr, für die eine solche Straftat stehen kann, aber eben nicht muss) mit einem zeitweisen Rechtsverlust zu besiegeln. Die Normgeltung der speziellen wirtschaftsstrafrechtlichen Gebote im Gesellschaftsrecht wird noch einmal besonders demonstriert, wenn die Verletzung elementarer Pflichten eines Geschäftsführers oder AG-Vorstands, wie sie dem Deliktskatalog der § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 GmbHG, § 76 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AktG regelmäßig zu Grunde liegt,62 über die Strafverurteilung hinaus Einbußen nach sich zieht. Die Legitimation, dem Täter allein aufgrund einer bestimmten Straftat die Geschäftsführungs- bzw. AG-Leitungsfähigkeit abzuerkennen, ergibt sich deshalb primär aus positiv-generalpräventiven Erwägungen, was nicht heißt, dass es dem Gesetzgeber nicht recht ist, dass der verurteilte Straftäter für fünf Jahre jedenfalls nicht als Verantwortlicher einer Kapitalgesellschaft Straftaten begehen kann. Mit diesem vorwiegend positiv-generalpräventiven Zweck erfüllt die Inhabilität alle Kriterien einer strafrechtlichen Nebenfolge. 3. Ergebnis Die § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 GmbHG, § 76 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AktG sind Nebenfolgen strafrechtlicher Verurteilung.

V. Aberkennung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG) Die Aberkennung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit könnte eine weitere Nebenfolge sein.

fonds bestellt werden.“ Ein aktuelles Beispiel für das starke Bedürfnis nach der Besetzung herausgehobener Wirtschaftspositionen mit integren Personen liefert der „Fall Hoeneß“: Wegen der privaten Verfehlungen des Präsidenten des FC Bayern München (das LG München hat Hoeneß im März 2014 wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt) forderte die Vereinigung der Aufsichtsräte in Deutschland (VARD) schon vor seiner rechtskräftigen Verurteilung den Rücktritt, s. http://www.sueddeutsche.de/sport/zweifel-an-integritaet-des-bayernpraesideten-aufsichtsratsvereinigung-fordert-hoeness-ruecktritt-1.1815674 (zuletzt abgerufen am 03.01.2015). Inzwischen hat Hoeneß alle Ämter in der FC Bayern München AG niedergelegt. 62 Auch der oben in 2. Teil: Fn. 53 erwähnte Betrug ohne Zusammenhang mit dem Gesellschaftsrecht (§ 263 StGB) bedingt einen abstrakten Vertrauensverlust, der es m. E. rechtfertigt, den Täter von den genannten unternehmerischen Tätigkeiten auszuschließen, selbst wenn es sich um eine rein private Anlasstat handelt. Ein verurteilter „Betrüger“, der kurz nach seiner Verurteilung bereits wieder als Führungskraft in einer GmbH/AG tätig wäre, ließe sowohl an der Verbindlichkeit der Strafnormen zweifeln als auch das Vertrauen in eine integre Wirtschaft schwinden.

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1. Regelungsgehalt § 5 WaffG hat aktuell folgenden Inhalt63: § 5 WaffG Zuverlässigkeit (1) Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen Personen nicht, 1. die rechtskräftig verurteilt worden sind a) wegen eines Verbrechens oder b) wegen sonstiger vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung zehn Jahre noch nicht verstrichen sind, 2. bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie a) Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden, b) mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden, c) Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind. (2) Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen nicht, die 1. a) wegen einer vorsätzlichen Straftat, b) wegen einer fahrlässigen Straftat im Zusammenhang mit dem Umgang mit Waffen, Munition oder explosionsgefährlichen Stoffen oder wegen einer fahrlässigen gemeingefährlichen Straftat, c) wegen einer Straftat nach dem Waffengesetz, dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen, dem Sprengstoffgesetz oder dem Bundesjagdgesetz zu einer Freiheitsstrafe, Jugendstrafe, Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind oder bei denen die Verhängung von Jugendstrafe ausgesetzt worden ist, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind, 2. Mitglied a) in einem Verein, der nach dem Vereinsgesetz als Organisation unanfechtbar verboten wurde oder der einem unanfechtbaren Betätigungsverbot nach dem Vereinsgesetz unterliegt, oder b) in einer Partei, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht nach § 46 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes festgestellt hat, waren, wenn seit der Beendigung der Mitgliedschaft zehn Jahre noch nicht verstrichen sind, 63 Waffengesetz vom 11. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3970, 4592; 2003 I S. 1957), das zuletzt durch Art. 4 Abs. 65 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154) geändert worden ist.

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2. Teil: Besonderer Teil: Einzelne Nebenfolgen

3. einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgen oder unterstützen oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt haben, die a) gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder b) gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind, oder c) durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, 4. innerhalb der letzten fünf Jahre mehr als einmal wegen Gewalttätigkeit mit richterlicher Genehmigung in polizeilichem Präventivgewahrsam waren, 5. wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften eines der in Nummer 1 Buchstabe c genannten Gesetze verstoßen haben. (3) In die Frist nach Absatz 1 Nr. 1 oder Absatz 2 Nr. 1 nicht eingerechnet wird die Zeit, in welcher der Betroffene auf behördliche oder richterliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. (4) Ist ein Verfahren wegen Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 oder des Absatzes 2 Nr. 1 noch nicht abgeschlossen, so kann die zuständige Behörde die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens aussetzen. (5) Die zuständige Behörde hat im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung folgende Erkundigungen einzuholen: 1. die unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister; 2. die Auskunft aus dem zentralen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister hinsichtlich der in Absatz 2 Nr. 1 genannten Straftaten; 3. die Stellungnahme der örtlichen Polizeidienststelle, ob Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit begründen; die örtliche Polizeidienststelle schließt in ihre Stellungnahme das Ergebnis der von ihr vorzunehmenden Prüfung nach Absatz 2 Nr. 4 ein. Die nach Satz 1 Nr. 2 erhobenen personenbezogenen Daten dürfen nur für den Zweck der waffenrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung verwendet werden.

2. Einordnung Ohne weitere Entscheidung der Behörde knüpft § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG die zehnjährige Aberkennung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit an eine bestimmte Verurteilung zur Hauptstrafe. Der Zweck dieser Rechtsminderung ist offenkundig präventiv: In diesen Fällen ist die zu Tage getretene und rechtskräftig abgeurteilte Verletzung der Rechtsordnung von einem solchen Gewicht, dass das Vertrauen in die Zuverlässigkeit im Umgang mit Waffen für die Dauer der ZehnJahres-Frist als nicht wieder herstellbar angesehen wird.64 Darin liegt ein positiv64

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generalpräventiver Zweck, denn mit diesem an die strafrechtliche Verurteilung anschließenden Ausschluss wird die Normgeltung besonders bestätigt: Ohne dass notwendig mit der Fortsetzung des Fehlverhaltens gerechnet wird, erscheint es nach der Begehung schwerer Straftaten (Verbrechen und sonstige mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe geahndete vorsätzliche Straftaten) als nicht hinnehmbar, wenn solche Straftäter weiterhin die Fähigkeit zum staatlich legitimierten (!) Schusswaffenbesitz besitzen würden.65 Eindrücklich wird die Notwendigkeit dieser Rechtsminderung wiederum durch die umgekehrte Vorstellung: Ein legaler Waffenbesitz für gravierend Straffällige wäre dazu geeignet, das Normvertrauen in der Bevölkerung zu untergraben. Im Anschluss an eine strafrechtliche Verurteilung bedarf es also auch im Waffenrecht „reinigender Maßnahmen“. Somit erfüllt § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG alle Voraussetzungen, um nach der hier vertretenen Auffassung als strafrechtliche Nebenfolge eingeordnet zu werden. Wenn die Rechtsnatur des § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG in der Literatur überhaupt erörtert wird,66 gibt es jedoch Stimmen, die den Charakter der Norm anders beurteilen: Zum einen heißt es, die Vorschrift habe „strafrechtlich keine eigenständige Bedeutung“ 67, ohne dass dies näher erläutertet würde. Und nach König/Papsthart soll die Aberkennung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit „nicht als eine Art strafrechtliche Nebenfolge im weiteren Sinne zu verstehen“ sein, sondern „ein auf die Person bezogenes habituelles Merkmal“ darstellen, „dem immer und notwendig ein prognostischer Einschlag anhaftet.“ 68 Letztlich sei daher das an den Tag getretene (Fehl-)Verhalten „nicht eigentlicher Grund, sondern Indiz für das Vorliegen von Unzuverlässigkeit und damit für eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von Fehlverhalten in der Zukunft.“ 69 Dieser Einwand geht jedoch insofern fehl, als die „Indiz-Funktion“ der strafrechtlichen Verurteilung zwar bei den anderen Varianten des § 5 WaffG gegeben ist. Im Gegensatz zu den Regelvermutungen des Abs. 2 bestimmt § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG jedoch eine absolute Unzuverlässigkeit, die für die Dauer von zehn Jahren unwiderleglich ist und damit zwingend einen ebenso langen Rechtsverlust bedeutet. Die Behörde hat hier gerade kein Ermessen70 oder auch nur Beurteilungsspielraum, nicht einmal in Härtefällen71. Der Gesetzgeber weist in der Gesetzesbegründung

65 Man denke beispielsweise an einen verurteilten Bankräuber, der als Sportschütze o. ä. weiterhin als Inhaber einer Waffenbesitzkarte legaler Waffenbesitzer wäre. 66 Offen gelassen etwa bei Steindorf/Heinrich/Papsthart § 5 WaffG Rn. 1 ff.; Heller/ Soschinka, Waffenrecht, 2013, S. 175 f. (Rn. 741 ff.); Apel/Bushart § 5 WaffG Rn. 1 ff.; Gade/Stoppa § 5 WaffG Rn. 1 ff. 67 MüKo2 /Heinrich § 5 WaffG Rn. 1. 68 König/Papsthart § 5 WaffG Rn. 2. 69 König/Papsthart § 5 WaffG Rn. 2. 70 Gade/Stoppa § 5 WaffG Rn. 1. 71 Steindorf/Heinrich/Papsthart § 5 WaffG Rn. 4.

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zudem ausdrücklich auf die Parallele zu den – vorliegend als strafrechtliche Nebenfolgen eingestuften72 – Regelungen im Beamtenrecht hin, wo ähnliche Verfehlungen ebenfalls zum Rechtsverlust führen.73 Erst bei der Nr. 2 des § 5 Abs. 1 WaffG (und im Abs. 2) geht es dann tatsächlich um eine Prognose künftigen Verhaltens („2. Bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie [. . .] werden.“), worauf der Gesetzgeber im Übrigen in der Gesetzesbegründung hinweist.74 Im Zusammenhang mit der Nr. 1 betont er dagegen den Gesichtspunkt des verlorenen Vertrauens in die Zuverlässigkeit und nicht etwa eine gesetzliche Prognose künftiger Straftaten unter Verwendung von Waffen. Hier gilt erneut, dass eine solche aus kriminologischer Sicht seriöserweise nicht ausschließlich auf eine einzige – zudem nicht einmal i. S. d. Waffenrechts „einschlägige“ 75 – strafrechtliche Verurteilung zu stützen wäre.76 Dies wird auch an § 5 Abs. 2 WaffG deutlich, der an bestimmte Straftaten etwa im Zusammenhang mit dem Umgang mit Waffen, Munition oder explosionsgefährlichen Stoffen anknüpft und es insoweit bei einer im Rahmen einer Gesamtwürdigung des Einzelfalls widerlegbaren Regelvermutung belässt.77 § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG begnügt sich dagegen mit der Verurteilung zu einer Hauptstrafe von bestimmtem Gewicht und ist damit positiv-generalpräventiver Annex zur Strafe. Die Entscheidung, die waffenrechtliche Zuverlässigkeit abzuerkennen, fußt allein auf der strafgerichtlichen Bewertung eines erheblichen Verstoßes gegen Strafgesetze und ist deshalb materiell dem Strafrecht zuzuordnen. Diese Zuordnung steht schließlich im Einklang mit der Historie des Waffenverbots: Wie oben bereits erwähnt, führten bereits die alten Ehrenstrafen des Mittelalters ebenso wie die Rechtsverluste nach französischem Code pénal und Preußischem StGB dazu, dass der Ehrlose das Recht verlor, Waffen zu tragen.78 Ebenso wie die originäre Nebenfolge des § 45 Abs. 1 StGB geht die heute in § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG geregelte Aberkennung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit also auf die alten Ehrenstrafen zurück. Im geltenden Recht hat sie lediglich eine zeitgemäße Legitimation erhalten, die aber nach wie vor ganz eng mit dem Strafrecht (s. Anlass und Zweck der Aberkennung) verbunden ist. Die Ansicht, nach der § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG keine strafrechtliche Nebenfolge darstellen soll, vermag deshalb nicht zu überzeugen.

72

s. o. 2. Teil: B. III. BT-Drs. 14/7758, S. 54. 74 BT-Drs. 14/7758, S. 54. 75 Steindorf/Heinrich/Papsthart § 5 WaffG Rn. 5 m.w. N. aus der Rechtsprechung: „Auf einen wie auch immer gearteten Waffenbezug kommt es nicht an.“ 76 Man denke wiederum an den sog. „kriminellen Übersprung“, s. Bock, Kriminologie, 2013, S. 224 f. (Rn. 602 ff.). Siehe allgemein oben 1. Teil: D. I. 1. h) ee) (2). 77 Näher dazu Steindorf/Heinrich/Papsthart § 5 WaffG Rn. 13 f. 78 s. o. 1. Teil: Fn. 343; 1. Teil: B. I. 3. b) bb) und 1. Teil: B. I. 3. b) bb) ee). 73

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3. Ergebnis Bei der Aberkennung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 S. 1 WaffG handelt es sich um eine strafrechtliche Nebenfolge im Sinne der hier vertretenen Definition.

VI. Jagdrechtliche Folgen der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit Im Zusammenhang mit dem Verlust der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit als strafrechtlicher Nebenfolge sind auch die Versagung und die Anordnung der Entziehung des Jagdscheins nach §§ 17, 41 BjagdG näher zu betrachten. 1. Versagung des Jagdscheins nach § 17 BJagdG In § 17 BJagdG findet sich zunächst keine Anknüpfung an eine strafrechtliche Verurteilung, sondern sein Abs. 1 S. 2 nimmt Bezug auf die §§ 5, 6 WaffG. Denjenigen, denen die Zuverlässigkeit im waffenrechtlichen Sinne fehlt, kann nur ein sog. Falknerjagdschein nach § 15 Abs. 7 BJagdG, d.h. ohne Befugnis zum Schusswaffengebrauch, ausgestellt werden. § 17 BJagdG beinhaltet folglich keine eigenständige Nebenfolge, sondern erweitert lediglich den Rechtsverlust nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG: Die fehlende waffenrechtliche Zuverlässigkeit führt zwingend zur Versagung des normalen Jagdscheins.79 2. Anordnung der Entziehung des Jagdscheins nach § 41 BJagdG In § 41 BJagdG ist ferner die Anordnung der Entziehung des Jagdscheins geregelt. In Fällen, in denen „jemand wegen einer rechtswidrigen Tat nach § 38 BJagdG“ (Nr. 1) oder „nach den §§ 113, 114, 223 bis 227, 231, 239, 240 StGB, sofern derjenige, gegen den sich die Tat richtete, sich in Ausübung des Forst-, Feld-, Jagd- oder Fischereischutzes befand“ (Nr. 2), oder „nach den § § 292 bis 294 StGB“ (Nr. 3) „verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt wurde, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so ordnet das Gericht die Entziehung des Jagdscheins an, wenn sich aus der Tat ergibt, daß die Gefahr besteht, er werde bei weiterem Besitz des Jagdscheines erhebliche rechtswidrige Taten der bezeichneten Art begehen.“ Anlässlich einschlägiger Anlasstaten entzieht das Gericht also dem Täter seinen Jagdschein, wenn es ihm eine negative Legalprognose in Bezug auf Taten stellt, die im Zusammenhang mit der Ausübung der Jagd stehen. Auch wenn das Gesetz dem Gericht hier formal kein Er-

79 Steindorf/Heinrich/Papsthart § 5 WaffG Rn. 2; OVG Saarlouis, Beschl. v. 15.11. 2007 – 1 A 425/07 = BeckRS 2008, 30838.

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messen80 einräumt, handelt es sich bei § 41 BJagdG nicht um eine Nebenfolge. Wie für die Maßregeln der Besserung und Sicherung charakteristisch, setzt die Entziehung des Jagdscheins keine schuldhafte Anlasstat (und deshalb auch nicht die für die Nebenfolge erforderliche Verurteilung zur Hauptstrafe) voraus, sondern gründet materiell auf einer individuellen Gefährlichkeitsprognose. Sie ist ausschließlich spezialpräventiv ausgerichtet. Die Parallele zur Maßregel der Fahrerlaubnisentziehung nach § 69 StGB ist insoweit unübersehbar.81 Der Gesetzgeber hat diese Angleichung ganz bewusst vorgenommen und weist in der Gesetzesbegründung darauf hin, dass er die Entziehung des Jagdscheines mit der allgemeinen Ansicht zum alten Recht auch künftig als Maßregel der Besserung und Sicherung verstanden haben will.82 § 41 BJagdG ist somit als Maßregel der Besserung und Sicherung einzustufen.83

VII. Verlust des Aufenthaltsrechts nach § 53 AufenthG Der zwingende Verlust des Aufenthaltsrechts infolge strafrechtlicher Verurteilung könnte jedoch eine weitere Nebenfolge sein. 1. Regelungsgehalt § 53 AufenthG regelt aktuell folgendes84: § 53 AufenthG Zwingende Ausweisung Ein Ausländer wird ausgewiesen, wenn er 1. wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsoder Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist oder wegen vorsätzlicher Straftaten innerhalb von fünf Jahren zu mehreren Freiheits- oder Jugendstrafen von zusammen mindestens drei Jahren rechtskräftig verurteilt oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist, 2. wegen einer vorsätzlichen Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz, wegen Landfriedensbruches unter den in § 125a Satz 2 des Strafgesetzbuches genannten Voraus80 Aber dafür einen weiten Beurteilungsspielraum bei der Ausfüllung der übrigen Tatbestandsmerkmale (insbesondere bei der Prognose). 81 s. a. Erbs/Kohlhaas/Metzger § 41 BJagdG Rn. 4, der auf Kommentierungen zu § 69 StGB sinngemäß verweist. Nach Parigger, StraFo 2011, 447, 451 sei § 41 BJagdG dem § 69 StGB „nachgebildet“; ebenso Schuck/Seibel § 41 BJagdG Rn. 1; Kollmer, Jagdfrevel, 2000, S. 306. 82 BT-Drs. VI/3250, S. 406. 83 Ebenso Erbs/Kohlhaas/Metzger § 41 BJagdG Rn. 1; Parigger StraFo 2011, 447, 451 f.: „reine Sicherungsmaßnahme“; Schuck/Seibel § 41 BJagdG Rn. 1; Kollmer, Jagdfrevel, 2000, S. 307 f. 84 Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), das zuletzt durch Art. 3 des Gesetzes vom 6. September 2013 (BGBl. I S. 3556) geändert worden ist.

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setzungen oder wegen eines im Rahmen einer verbotenen öffentlichen Versammlung oder eines verbotenen Aufzugs begangenen Landfriedensbruches gemäß § 125 des Strafgesetzbuches rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren oder zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist oder 3. wegen Einschleusens von Ausländern gemäß § 96 oder § 97 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist.

2. Einordnung Die Ausweisung folgt hier zwingend einer bestimmten strafrechtlichen Verurteilung zu einer Hauptstrafe,85 sodass zwei der drei Kriterien der Nebenfolge ohne weiteres gegeben sind. An der grundsätzlichen Automatik der Ausweisung ändert die Relativierung durch § 56 AufenthG nichts, der in den dort aufgelisteten Fällen besonderen Ausweisungsschutzes die eigentlich zwingenden Ausweisungsgründe auf eine Regelvermutung reduziert (§ 56 Abs. 1 S. 3 u. 4 AufenthG). Es stellt sich jedoch die Frage, ob der Zweck des § 53 AufenthG präventiv im Sinne einer strafrechtlichen Nebenfolge ist. In Literatur und Rechtsprechung wird ganz überwiegend vertreten, dass die Ausweisung allgemein eine Maßnahme der polizeilichen Gefahrenabwehr sei und nicht dem Zweck diene, ein bestimmtes Verhalten zu ahnden, sondern einer künftigen Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder einer Beeinträchtigung anderer erheblicher Belange der Bundesrepublik vorzubeugen.86 Teilweise wird explizit auf den Aspekt der Spezialprävention87 bzw. der besonderen Gefährlichkeit des straffälligen Ausländers88 verwiesen. Allerdings ist bei dieser Zweckbestimmung zu berücksichtigen, dass sie sich auf die Ausweisung allgemein bezieht, die grundsätzlich im Ermessen der Ausländerbehörde steht und deshalb eine angemessene Entscheidung im Einzelfall ermöglicht (s. §§ 52, 54, 55 AufenthG). Zudem sind die zitierten Urteile des BVerwG zu einer früheren Fassung des (Ende 2004 endgültig durch das neue AufenthG abgelösten) Ausländergesetzes (AuslG) ergangen, das noch gar keine zwingende Ausweisung wegen erheblicher Straftaten kannte, sondern immer eine Ermessensentscheidung im 85 Dies gilt nicht für die letzte Variante in Nr. 1 (Anordnung der Sicherungsverwahrung), wobei in solchen Fällen wegen der hohen formellen Hürden der §§ 66 ff. StGB häufig auch eine den anderen Varianten der Nr. 1 entsprechende Verurteilung zur Hauptstrafe vorliegen wird. Die Maßregel der Sicherungsverwahrung richtet sich nämlich nach der gesetzlichen Konzeption an den (ggf. vermindert) schuldfähigen, aber nicht schuldunfähigen Täter. 86 Erbs/Kohlhaas/Senge § 53 AufenthG Rn. 1; BVerwG MDR 1969, 245; BVerwGE 35, 291, 293; OVG Hamburg NJW 1980, 542. Hofmann/Hoffmann/Alexy § 53 AufenthG Rn. 3; Renner/Bergmann/Dienelt/Dienelt § 53 AufenthG 53.0.1.1. 87 Hofmann/Hoffmann/Alexy § 53 AufenthG Rn. 4. 88 Renner/Bergmann/Dienelt/Dienelt § 53 AufenthG 53.0.1.1.

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Einzelfall verlangte.89 In einer der damaligen Entscheidungen führt das BVerwG deshalb aus: „Durch die Ausweisung wird nicht ein bestimmtes menschliches Verhalten geahndet, sondern einer künftigen Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung oder einer künftigen Beeinträchtigung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland vorgebeugt. Deshalb begründet eine strafrechtliche Verurteilung allein nicht bereits die Ausweisung.“ 90 (Hervorh. durch Verf.) § 53 AufenthG sieht heutzutage aber die Ausweisung allein aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung vor. Wenn diese Norm tatsächlich den allgemeinen Zweck der Ausweisung als Maßnahme der polizeilichen Gefahrenabwehr teilen würde, müsste aus einer entsprechenden strafrechtlichen Verurteilung eine unwiderlegbare Gefahrenprognose folgen.91 Das lässt sich – wie schon mehrfach ausgeführt92 – aus kriminologischer Sicht allein mit der Schwere der Delikte aber nicht begründen.93 Deshalb wird heute zu § 53 AufenthG zutreffend vertreten, dass dieser auch generalpräventive Zwecke verfolgt.94 Mit dieser Zweckbestimmung wiederum nähert sich die zwingende Ausweisung gem. § 53 AufenthG einer strafrechtlichen Nebenfolge an, die ihrer Natur nach schließlich ebenfalls nicht ahndend, sondern präventiv ist. Für die Einordnung als strafrechtliche Nebenfolge spricht dabei weniger die der Ausweisung von der Rechtsprechung zugeschriebene, empirisch ohnehin eher zweifelhafte negative Generalprävention in Form der Abschreckung anderer in Deutschland lebender Ausländer95 als die 89 BVerwGE 35, 291: „Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 AuslG kann ein Ausländer ausgewiesen werden, wenn er wegen eines Verbrechens oder Vergehens verurteilt worden ist. Der Kläger ist wegen eines Vergehens verurteilt worden. Da aber die Ausweisung kein gebundener Verwaltungsakt ist, ist sie dadurch, daß der gesetzliche Tatbestand erfüllt ist, noch nicht ohne weiteres rechtmäßig. Bei der Beratung des Ausländergesetzes war zwar erwogen worden, bei einigen Ausweisungstatbeständen – u. a. der hier einschlägigen Bestimmung – der Verwaltung die Ausweisung zwingend vorzuschreiben (BT-Drs. IV/868; BR, 249. Sitzung vom 26. Oktober 1962 S. 203). Jedoch verblieb es wie schon für das bisherige Aufenthaltsverbot nach der Ausländerpolizeiverordnung vom 22. August 1938 (RGBl. I S. 1053) bei einer Kannvorschrift.“ 90 BVerwG MDR 1969, 245, 246. 91 Dies wird auch in der Rechtsprechung bezweifelt, s. BVerwG JR 1970, 192 ff. Deshalb wurde dort auch schon früh vertreten, dass die Ausweisung auch geboten sein kann, „wenn kein ausreichender Anhaltspunkt dafür vorliegt, daß der wegen eines Verbrechens oder Vergehens verurteilte Ausländer sich erneut strafbar machen oder auf andere Weise die Rechtsordnung mißachten werde“ – BVerwGE 35, 291 ff. m.w. N. 92 s. o. 1. Teil: D. I. 1. h) ee) (2). 93 Zu den Delikten mit der größten Rezidivrate zählt etwa der eher der Bagatellkriminalität zugehörige einfache Diebstahl, während auf der anderen Seite bei den schweren Tötungsdelikten die Rückfälligkeit mit am geringsten ist. Siehe Jehle/Albrecht/Hohmann-Fricke/Tetal, Legalbewährung, 2010, S. 7 u. Jehle/Albrecht/Hohmann-Fricke/Tetal, Legalbewährung, 2013, S. 9. Siehe auch nochmals zum sog. „kriminellen Übersprung“ Bock, Kriminologie, 2013, S. 224 f. (Rn. 602 ff.). 94 Erbs/Kohlhaas/Senge § 53 AufenthG Rn. 5; Hofmann/Hoffmann/Alexy § 53 AufenthG Rn. 9.

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Funktion der Normbekräftigung in der Allgemeinheit, indem schwerwiegend straffälligen Ausländern automatisch das Aufenthaltsrecht aberkannt wird: Wenn Fremde durch die Begehung schwerer Straftaten demonstrieren, dass sie nicht willens oder in der Lage sind, nach den in Deutschland geltenden Gesetzen zu leben, wird mit der zwingenden Ausweisung infolge solcher Straftaten die Normgeltung gegenüber der hiesigen Bevölkerung besonders bestätigt. Auch in diesen Fällen bedarf es nach der Verurteilung „reinigender Maßnahmen“, um das Normvertrauen der Allgemeinheit zu erhalten und den Rechtsfrieden zu bewahren. Gerade die Fälle von ausländischen Serientätern sorgen dank medialer Aufbereitung regelmäßig für große Beunruhigung in der Bevölkerung und nicht selten werden Stimmen laut, die sogar die Wehrhaftigkeit der deutschen Justiz in Zweifel ziehen. In diesen Situationen ist zusätzlich zur Strafe eine Folgesanktion angezeigt, die gegenüber der Allgemeinheit deutlich macht, dass schwere Straftaten eines Ausländers im Aufenthaltsrecht nicht folgenlos bleiben. Dieser Zweck ist in den von § 53 AufenthG aufgelisteten Fällen stets einschlägig. Zu klären bleibt nur noch, inwieweit § 53 AufenthG daneben den negativ-spezialpräventiven Zweck verfolgt, weitere Straftaten des Ausländers in Deutschland durch die Ausweisung zu verhindern. Für einen solchen Nebenzweck sprechen insbesondere die Nummern 2 und 3 des § 53 AufenthG, die in den bezüglich der Strafhöhe weniger schweren Fällen verlangen, dass die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist – die Versagung der Bewährung erfolgt bei einer Strafhöhe von unter zwei Jahren nämlich regelmäßig nur bei einer ungünstigen Legalprognose (s. § 56 StGB), d.h. der Richter rechnet mit weiteren Straftaten.96 Und auch die letzte Variante des § 53 Nr. 1 AufenthG, die an die nur bei hochgradig gefährlichen Straftätern zulässige Anordnung der Sicherungsverwahrung anschließt, deutet auf einen negativ-spezialpräventiven Zweck hin. Ein zumindest in Teilen auch spezialpräventiver Zweck steht der Einordnung als Nebenfolge jedoch nicht entgegen, solange sich die Rechtsfolge primär durch die positive Generalprävention legitimiert, was nach dem oben Gesagten bei § 53 AufenthG der Fall ist. Nur mit dieser Interpretation lässt sich der gesamten Norm ein tragfähiger Zweck zuordnen. Soweit in Literatur und Rechtsprechung betont wird, dass die zwingende Ausweisung rein ordnungsrechtlicher Natur sei, zielt dies, wie an den oben zitierten Aussagen („nicht geahndet“) deutlich wird, auf die Abgrenzung zur Strafe ab.97 Das Strafrecht erschöpft sich aber schon lange 95

So aber BVerwG JR 1970, 192 ff. Nach dem Gesetzeswortlaut des § 56 Abs. 2 StGB sind bei Freiheitsstrafen von über einem Jahr für eine Bewährungsentscheidung zwar „besondere Umstände“ erforderlich, diese werden aber in der Praxis in beinahe drei Vierteln der Fälle bejaht, s. Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig § 56 StGB Rn. 1, 35. 97 s. dazu Hofmann/Hoffmann/Alexy § 53 AufenthG Rn. 3 m.w. N. auch zu den Stimmen, die der Ausweisung einen Strafcharakter zubilligen. Anders insbesondere BVerfG NVwZ-Beil. 2001, 58, wonach dies nicht der Fall sei. 96

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nicht mehr in den ahndenden Sanktionen wie Haupt- und Nebenstrafe, sondern hält mit den Maßregeln der Besserung und Sicherung zusätzlich rein spezialpräventive Sanktionen und mit der Nebenfolge – nach hier vertretener Auffassung – auch eine positiv-generalpräventive Sanktion bereit, die im Anschluss an die Verurteilung zur Hauptstrafe in verschiedenen Rechtsgebieten ihre bereinigende Wirkung entfaltet. § 53 AufenthG ist eine solche strafrechtliche Nebenfolge. 3. Ergebnis Der Verlust des Aufenthaltsrechts nach § 53 AufenthG stellt eine Nebenfolge dar.

VIII. Verbot der Beschäftigung durch bestimmte Personen nach § 25 Abs. 1 JArbSchG Die letzte Rechtsfolge, die hier auf ihre Qualifizierung als Nebenfolge hin untersucht wird, ist das bereits im Beispielsfall der Einleitung genannte Verbot der Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung und Ausbildung Jugendlicher gem. § 25 Abs. 1 JArbSchG. 1. Regelungsgehalt Zunächst soll der Regelungsgehalt des § 25 Abs. 1 JArbSchG näher betrachtet werden. Die ganze Norm im aktuellen Wortlaut98: § 25 JArbSchG Verbot der Beschäftigung durch bestimmte Personen (1) Personen, die 1. wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren, 2. wegen einer vorsätzlichen Straftat, die sie unter Verletzung der ihnen als Arbeitgeber, Ausbildender oder Ausbilder obliegenden Pflichten zum Nachteil von Kindern oder Jugendlichen begangen haben, zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, 3. wegen einer Straftat nach den §§ 109h, 171, 174 bis 184g, 225, 232 bis 233a des Strafgesetzbuches, 4. wegen einer Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz oder 5. wegen einer Straftat nach dem Jugendschutzgesetz oder nach dem Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften wenigstens zweimal rechtskräftig verurteilt worden sind, dürfen Jugendliche nicht beschäftigen sowie im Rahmen eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 1 nicht beaufsichtigen, nicht anweisen, nicht ausbilden und nicht mit der Beaufsichtigung, Anweisung oder Ausbil98 Jugendarbeitsschutzgesetz vom 12. April 1976 (BGBl. I S. 965), das zuletzt durch Art. 3 Abs. 7 des Gesetzes vom 20. April 2013 (BGBl. I S. 868) geändert worden ist.

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dung von Jugendlichen beauftragt werden. Eine Verurteilung bleibt außer Betracht, wenn seit dem Tage ihrer Rechtskraft fünf Jahre verstrichen sind. Die Zeit, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist, wird nicht eingerechnet. (2) Das Verbot des Absatzes 1 Satz 1 gilt auch für Personen, gegen die wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 58 Abs. 1 bis 4 wenigstens dreimal eine Geldbuße rechtskräftig festgesetzt worden ist. Eine Geldbuße bleibt außer Betracht, wenn seit dem Tage ihrer rechtskräftigen Festsetzung fünf Jahre verstrichen sind. (3) Das Verbot des Absatzes 1 und 2 gilt nicht für die Beschäftigung durch die Personensorgeberechtigten.

Das Verbot der Beschäftigung u. a. durch bestimmte Personen ist im Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) angesiedelt und somit (vgl. Wortlaut des § 25 Abs. 1 S. 1 JArbSchG) auf den Anwendungsbereich beschränkt, wie er in § 1 JArbSchG geregelt ist.99 Dort wird festgelegt, wen das Gesetz schützt und wer für diesen Schutz verantwortlich ist. Mit dem JArbSchG soll Gefahren für die Gesundheit, Arbeitskraft und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen umfassend vorgebeugt werden, die von der Art oder der Dauer einer abhängigen Arbeit ausgehen.100 Anwendbar ist somit auch das Verbot des § 25 JArbSchG von vornherein nur auf Arbeitgeber/Ausbilder unter 18-jähriger Personen, die mit einer der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 JArbSchG aufgeführten Tätigkeiten beschäftigt werden. Dazu zählen Tätigkeiten im Rahmen der Berufsausbildung (Nr. 1), als Arbeitnehmer oder Heimarbeiter (Nr. 2), sonstige Dienstleistungen, die der Arbeitsleistung von Arbeitnehmern oder Heimarbeitern ähnlich sind (Nr. 3), und Tätigkeiten in einem der Berufsausbildung ähnlichen Ausbildungsverhältnis (Nr. 4). Nicht anwendbar ist das Verbot der Beschäftigung u. ä. daher auf Betreuungsverhältnisse, die außerhalb von abhängiger Beschäftigung/Ausbildung o. ä. stattfinden. Dies gilt insbesondere für die Tätigkeit als Erzieher in einer Kindertagesstätte o. ä., als Lehrer in einer Schule oder Lernhilfeeinrichtung und als Betreuer in einer sozialen Einrichtung, soweit dort keine Minderjährigen ausgebildet oder beschäftigt werden.101 Für den Beispielsfall aus der Einleitung bedeutet dies, dass das Verbot nach § 25 JArbSchG gar nicht einschlägig ist, weil S dort keine Jugendlichen im Rahmen ihrer Ausbildung oder Arbeit betreut, sondern sie lediglich in ihrer Freizeit beaufsichtigt. Der Leiter der Einrichtung ist somit fälschlicherweise davon ausgegangen, dass er S nicht einstellen kann. Darauf wird sogleich noch einmal zurückgekommen. 99

Zmarzlik/Anzinger § 25 JArbSchG Rn. 14. ErfK/Schlachter § 1 JArbSchG Rn. 1; Weyand § 1 JArbSchG Rn. 3; BT-Drs. 7/ 2305, S. 18. 101 Bei der staatlichen Anerkennung als Erzieher gilt ein ähnlicher persönlicher Eignungsmaßstab, weshalb eine bestimmte Vorverurteilung hier die persönliche Eignung ebenfalls in Frage stellen kann, allerdings nicht zwingend kraft Gesetzes wie durch § 25 JArbSchG. Siehe etwa zu § 5 SozBAG-Berlin das Urt. des VG Berlin v. 12.01.2012 – 3 K 243.10 = BeckRS 2012, 47784. 100

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Wie das Beispiel zeigt, ist die registerrechtliche Eintragung in der Form „Verbot der Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung und Ausbildung Jugendlicher (gesetzlich eingetretene Nebenfolge nach § 25 JArbSchG)“ höchst bedenklich. Es fehlt der klarstellende Hinweis, dass sich das – auch für viele andere (insbesondere soziale) Berufe denkbare – Verbot der Beaufsichtigung Jugendlicher nur auf Rechtsverhältnisse nach § 1 JArbSchG bezieht. Hier besteht die Gefahr, dass – wie im Beispielsfall der Einleitung geschehen – ein juristisch unkundiger Arbeitgeber fälschlicherweise davon ausgeht, dass ein Bewerber kraft gesetzlichen Verbotes von der Tätigkeit ausgeschlossen ist. Deshalb besteht dringender Handlungsbedarf beim Bundesamt für Justiz, den Eintragungstext zu korrigieren, dehnt doch die missverständliche Formulierung den Anwendungsbereich des Verbots faktisch über die gesetzlichen Grenzen hinweg aus. Dies ist nicht zuletzt deshalb ein untragbarer Zustand, weil hierin ein gesetzlich nicht gedeckter Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 GG liegt. 2. Einordnung In Rechtsprechung und Literatur wird § 25 JArbSchG regelmäßig als (gesetzliche) Nebenfolge bezeichnet.102 Oft beziehen sich die gerichtlichen Entscheidungen allerdings auf Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Registerrecht. Wie an der Aufzählung des § 5 Abs. 1 Nr. 7 BZRG (Strafe, Strafvorbehalt, Maßnahme nach § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB, Nebenfolge) ersichtlich wird und im Laufe dieser Arbeit bereits mehrfach erwähnt wurde, handelt es sich dort um die Verwendung des Begriffs der Nebenfolge im technischen Sinne des StGB, sodass im Registerrecht kein vom materiellen Strafrecht abweichender Begriff herrscht. Weil die bislang verfügbaren Einordnungen naturgemäß noch nicht auf der Grundlage der hier vertretenen Definition erfolgt sind, ist im Folgenden genauer zu untersuchen, ob § 25 JArbSchG tatsächlich eine Nebenfolge darstellt. Die ersten zentralen Voraussetzungen erfüllt § 25 Abs. 1 JArbSchG dabei ohne weiteres: Er tritt immer kraft Gesetzes ein und setzt eine Verurteilung zur Hauptstrafe voraus.103 102 Zmarzlik/Anzinger § 25 JArbSchG Rn. 7; Rebmann/Uhlig/Pieper, BZRG § 5 Rn. 43 f.; Köster/Ruß, Strafvollstreckungsrecht, 2011, S. 14; OLG Karlsruhe NStZ 1990, 396; OLG Hamm BeckRS 1992, 09247; VG Berlin BeckRS 2012, 47784; VG Mainz BeckRS 2008, 35261. 103 In § 25 Abs. 2 JArbSchG wird das Verbot aus Abs. 1 auf Personen erweitert, gegen die wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 58 Abs. 1 bis 4 JArbSchG wenigstens dreimal eine Geldbuße rechtskräftig festgesetzt worden ist. Abs. 3 enthält schließlich mit Blick auf den speziellen Schutz der Familie (Art. 6 GG) eine Ausnahme des Verbots für die Personensorgeberechtigten des Minderjährigen. Hier greifen anstelle des JArbSchG die familienrechtlichen Vorschriften, insbesondere § 1666 Abs. 1 BGB (s. dazu ErfK/Schlachter § 25 JArbSchG Rn. 3; Zmarzlik/Anzinger § 25 JArbSchG Rn. 23). § 25 Abs. 3 JArbSchG kann schon deshalb keine Nebenfolge sein, weil er an die Ahndung eines Fehlverhaltens als Ordnungswidrigkeit anknüpft.

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Fraglich ist allein, ob § 25 Abs. 1 JArbSchG denn auch den präventiven Zweck der Nebenfolge aufweist, wie sie ihn nach hier vertretener Ansicht voraussetzt. In der Literatur wird sein Zweck meist mit negativ-spezialpräventiven Gesichtspunkten beschrieben: So heißt es etwa, Unerfahrene und noch nicht gefestigte Jugendliche sollten vor den Gefahren bzw. negativen Einflüssen geschützt werden, die von bestimmten Straftätern ausgehen.104 Oder: Ungeeignete Personen sollten Jugendliche nicht beschäftigen dürfen105 bzw. bei bestimmten Personen bestünden aufgrund ihrer Vorstrafe Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit.106 Diese Interpretation wird auf den ersten Blick gestützt durch die Nummern 2, 3 und 5 des § 25 Abs. 1 JArbSchG, in denen das Verbot überwiegend an Delikte knüpft, die zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen begangen werden bzw. mindestens Zweifel an der Eignung zur Ausbildung Minderjähriger wecken.107 Doch ein ausschließlich negativ-spezialpräventiver Zweck vermag § 25 Abs. 1 JArbSchG nicht zu tragen.108 Denn auch hier widerspricht es dem kriminologischen Erfahrungswissen, allein aus einer109 (ggf. qualifizierten) Verurteilung zwingend in jedem Fall einen negativen Einfluss auf oder sogar eine Gefahr für den Jugendlichen abzuleiten.110 Dies ist dem Gesetzgeber eigentlich bekannt, weshalb

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Zmarzlik/Anzinger § 25 JArbSchG Rn. 2. Lakies/Schoden § 25 JArbSchG Rn. 1. 106 Weyand § 25 JArbSchG Rn. 1; ErfK/Schlachter § 25 JArbSchG Rn. 1 107 Bei Nr. 2 folgt dies bereits aus dem Wortlaut („Straftat, die sie unter Verletzung der ihnen als Arbeitgeber, Ausbildender oder Ausbilder obliegenden Pflichten zum Nachteil von Kindern oder Jugendlichen begangen haben“). Innerhalb der Nr. 3 sind dies die §§ 171 (Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht) 174 bis 174c (Sexueller Mißbrauch von Schutzbefohlenen, Sexueller Mißbrauch von Gefangenen, behördlich Verwahrten oder Kranken und Hilfsbedürftigen in Einrichtungen, Sexueller Mißbrauch unter Ausnutzung einer Amtsstellung, Sexueller Mißbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses) 176 bis 181a (Sexueller Mißbrauch von Kindern, Schwerer sexueller Mißbrauch von Kindern, Sexueller Mißbrauch von Kindern mit Todesfolge, Sexueller Mißbrauch widerstandsunfähiger Personen, Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger, Ausbeutung von Prostituierten, Zuhälterei), 182 bis 184e (Sexueller Mißbrauch von Jugendlichen, Verbreitung pornographischer Schriften, Verbreitung gewalt- oder tierpornographischer Schriften, Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften, Verbreitung, Erwerb und Besitz jugendpornographischer Schriften, Verbreitung pornographischer Darbietungen durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste), 225 (Mißhandlung von Schutzbefohlenen), 232 bis 233a (Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft, Förderung des Menschenhandels), die zumindest auch Kinder und Jugendliche besonders schützen sollen. 108 Vgl. oben zu § 45 Abs. 1 StGB 1. Teil: D. I. 1. h) ee) (2). 109 Bei § 25 Abs. 1 Nr. 5 JArbSchG wären es immerhin zwei. 110 Ohne weiteres sind selbst bei Delikten nach § 174 StGB (Sexueller Mißbrauch von Schutzbefohlenen) Konstellationen denkbar, in denen aus der Begehung der Anlasstat keine Gefahr für andere Jugendliche folgt. Man denke etwa an einen Arbeitgeber, der sich in seine beinahe 18-jährige Auszubildende verliebt und einvernehmlch eine Beziehung mit ihr eingeht. Allgemein ist auch hier der sog. „kriminelle Übersprung“ zu bedenken, s. Bock, Kriminologie, 2013, S. 224 f. (Rn. 602 ff.). 105

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er bei spezialpräventiven Sanktionen wie den Maßregeln der Besserung und Sicherung oder sonstigen Zuverlässigkeitsbeurteilungen immer eine Gesamtwürdigung der Person verlangt, aus der sich eine im Einzelfall erst zu erstellende negative Prognose ergeben muss.111 Darauf verzichtet § 25 Abs. 1 JArbSchG vollständig. Es liegt also nahe, dass das Gesetz hier noch weitere Zwecke verfolgt. Aufschlussreich ist insoweit die Historie des Beschäftigungsverbotes, das auf den alten § 39 JArbSchG von 1960 zurückgeht.112 Dort war geregelt, dass das Beschäftigungsverbot zum einen für Personen gilt, denen die „bürgerlichen Ehrenrechte“ entzogen waren (§§ 31 ff. StGB a. F.). Zum anderen waren Personen von der Beschäftigung Jugendlicher ausgeschlossen, die bestimmte Delikte zum Nachteil Jugendlicher begangen hatten. An die Stelle des Verlusts der bürgerlichen Ehrenrechte, der mit der Großen Strafrechtsreform abgeschafft wurde,113 ist nun in § 25 Abs. 1 Nr. 1 JArbSchG die Verurteilung zu mehr als zwei Jahren Freiheitstrafe wegen eines Verbrechens getreten. Dass die Deliktsnatur als Verbrechen im Einzelfall keinerlei Rückschlüsse auf die spezifische Wiederholungsgefahr zulässt, liegt auf der Hand und wurde bereits im Rahmen von § 45 Abs. 1 StGB erörtert114. Hier ist vielmehr ein positiv-generalpräventiver Zweck einschlägig: Wiederum ähnlich dem Gedanken, der § 45 Abs. 1 StGB in Bezug auf den Verlust der Amtsfähigkeit und Wählbarkeit zu Grunde liegt,115 ist bei bestimmten schweren Delikten das Vertrauen der Gesellschaft in die Zuverlässigkeit einer Person als Arbeitgeber/Ausbilder von Jugendlichen derart erschüttert, dass es zur Normstabilisierung erforderlich ist, ihr für eine bestimmte Zeit ein Beschäftigungsverbot zu erteilen – unabhängig davon, ob tatsächlich eine Fortsetzung des Fehlverhaltens oder ein schlechter Einfluss auf den Minderjährigen zu befürchten ist. Dasselbe Bedürfnis besteht bei Anlassdelikten zum Nachteil Jugendlicher: Auch wenn im Einzelfall die Voraussetzungen für ein Berufsverbot nach § 70 StGB nicht vorliegen, würde es die Verbindlichkeit der in § 25 Abs. 1 Nr. 2, 3 u. 5 JArbSchG genannten Straftatbestände zum Schutze Minderjähriger in Frage stellen, wenn ein Verurteilter unmittelbar im Anschluss an eine solche Straftat weiterhin Jugendliche in einem missbrauchsanfälligen Abhängigkeitsverhältnis wie dem Arbeitsverhältnis o. ä. beschäftigen dürfte. Mit dem Zweck der positiven Generalprävention lässt sich § 25 Abs. 1 JArbSchG insgesamt stimmig begründen. Dass es dem Gesetzgeber daneben ursprünglich darum ging, durch das automatische Verbot abstrakte Gefahren auszuschließen,116 steht einer Einord111

s. nochmals oben 1. Teil: D. I. 1. h) ee) (2). BGBl. I S. 665. Siehe zur Entstehungsgeschichte des § 25 JArbSchG auch knapp Zmarzlik/Anzinger § 25 JArbSchG Rn. 1. 113 s. o. 1. Teil: B. V. 4. 114 s. 1. Teil: D. I. 1. h) ee) (2). 115 s. 1. Teil: D. I. 1. h) ee) (3). 116 So die ursprüngliche Begründung im RegE, BT-Drs. III/317, S. 29 f.: „Daß Personen, die die bürgerlichen Ehrenrechte nicht besitzen, jugendliche Arbeiter und Lehr112

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nung als strafrechtlicher Nebenfolge im hier vertretenen Sinne nicht entgegen. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass dieser Begründung noch das mittlerweile überkommene Verständnis der Ehrenstrafen zu Grunde lag. Wie oben geschildert,117 erfolgte der Verlust der „bürgerlichen Ehre“ auch noch zu Zeiten der Bundesrepublik regelmäßig, wenn der Täter bei Begehung der Tat eine „ehrlose Gesinnung“ aufgewiesen hat (entweder ausgedrückt durch eine selbständige Nebenstrafe an der Ehre oder die entehrende Zuchthausstrafe). Geht man davon aus, dass dies damals als qualitative Bewertung der Täterpersönlichkeit galt, erschließt sich nach der ratio der früheren Ehrenstrafen die Annahme einer „Gefahr“ bei Beschäftigung Jugendlicher durch einen „Ehrlosen“. Es erscheint aber eher abwegig, dass diese Erwägungen heute noch in derselben Weise gelten können. In diesem Zusammenhang soll auch noch einmal auf die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung bereits mehrfach hingewiesenen118 Friktionen mit dem Berufsverbot nach § 70 StGB hingewiesen werden, wenn man automatischen berufsregelnden Strafsanktionen einen individualpräventiven Zweck zuspricht: Wenn § 25 Abs. 1 JArbSchG genauso wie das Berufsverbot die Straftatenverhinderung bezwecken sollte, würde in dem Fall, der dem oben zitierten Urteil des BGH zu Grunde lag,119 folgendes geradezu absurdes Ergebnis eintreten: Der Täter, den das Gericht wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a. zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten (!) verurteilt hat, dürfte – zumindest theoretisch120 – nach Verbüßung der Strafe wieder als Erzieher o. ä. arbeiten, weil weder Landgericht noch BGH die strengen Voraussetzungen für ein spezialpräventives Berufsverbot als erfüllt angesehen haben. Gleichzeitig wäre es ihm aber wegen derselben spezialpräventiven Bedürfnisse der Allgemeinheit für weitere fünf Jahre nach Entlassung aus der Haft (§ 25 Abs. 1 S. 3 JArbSchG) versagt, minderjährige Arbeitnehmer/Auszubildende zu betreuen. Das kann nicht richtig sein. Überzeugender ist es daher, § 25 Abs. 1 JArbSchG in seiner Gesamtheit als primär positiv-generalpräventive Sanktion (mit erwünschten spezialpräventiven Nebenwirkungen) zu bewerten.

linge nicht anleiten dürfen, weil sie für die Jugendlichen eine Gefahr bedeuten, ist bereits in §§ 106, 126 GewO, § 17 der Handwerksordnung und § 81 HGB ausgesprochen. § 35 stellt ein allgemeines Verbot dieser Art auf, das für alle unter dieses Gesetz fallende Beschäftigungen gilt. Darüber hinaus müssen aber auch Personen, die Straftaten bestimmter Art, insbesondere Sittlichkeitsdelikte, begangen haben, von einer Beschäftigung Jugendlicher ausgeschlossen werden.“ 117 s. o. 1. Teil: B. V. 3. 118 s. o. 1. Teil: D. I. 1. h) ee) (2) und 2. Teil: B. IV. 2. 119 BGH, Urt. v. 25.04.2013 – 4 StR 296/12 = BeckRS 2013, 08436 m.w. N. 120 Falls sich ein Arbeitgeber trotz der Vorstrafe dafür entschiede, den Verurteilten einzustellen. Die Eintragung im BZR und Führungszeugnis bedingt schließlich jenseits des § 25 JArbSchG kein Einstellungsverbot. Zudem könnte sich der Verurteilte mit einer Betreuungseinrichtung selbstständig machen.

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3. Bedenken gegen § 25 Abs. 1 Nr. 4 JArbSchG An dieser Stelle soll der Blick noch einmal auf den bereits im Beispielsfall der Einleitung genannten § 25 Abs. 1 Nr. 4 JArbSchG gerichtet werden. Er knüpft das Verbot der Beschäftigung u. a. an jede Verurteilung nach BtMG. Diese Nummer wirft mehr Fragen auf als die anderen. Anders als die übrigen Nummern des § 25 Abs. 1 JArbSchG, die entweder bestimmte schwere Verfehlungen (Nr. 1) oder qualifizierte Delikte zum Nachteil Minderjähriger (Nrn. 2, 3, 5) voraussetzen, soll hier jeder Verstoß gegen das BtMG einen Vertrauensverlust in die verurteilte Person begründen, der es zur Bestätigung der Normgeltung (und ggf. zur Verhinderung negativer Einflüsse auf den Jugendlichen) verlangt, dass die Person nicht mehr in weisungsbefugter Position gegenüber minderjährigen Arbeitnehmern auftreten darf. Zwar ist es richtig, dass der Gesetzgeber mit der Drogenprohibition durch das BtMG (vorgeblich) einen Schutz der Jugend vor den Gefahren des Betäubungsmittelkonsums bezweckt,121 aber die abstrakten Straftatbestände des BtMG reichen noch viel weiter und erfassen ohne Weiteres eine Vielzahl von Konstellationen, in denen ein Zusammenhang mit dem Jugendschutz vernünftigerweise nicht erkennbar und ein Rechtsverlust nach § 25 JArbSchG nicht gerechtfertigt ist: So ist nach § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BtMG der Besitz geringer Mengen Betäubungsmittel zum (per se nicht einmal strafbaren!) Eigenkonsum strafbar, obwohl es keinen Erfahrungssatz gibt, wonach ein Konsument (nicht Händler) seinen Stoff an andere (und dann auch noch Jugendliche!) abgibt. Nach § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 i.V. m. § 29 Abs. 4 BtMG wären sogar Eltern strafbar, die es fahrlässig (!) gestatten, dass ihr volljähriges Kind im Keller des Elternhauses illegale Drogen konsumiert. Diese Täter dürfen bei einer Verurteilung nach dem BtMG, die trotz der §§ 29 Abs. 5, 31a BtMG und den allgemeinen Möglichkeiten zur Verfahrenseinstellung aus Opportunitätsgründen regelmäßig stattfindet,122 keine Jugendlichen mehr beschäftigen, ausbilden etc. Vom Zweck des § 25 Abs. 1 JArbSchG gedeckt wären allenfalls die betäubungsmittelrechtlichen Sachverhalte, in denen eine Person wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Var. 3 BtMG) verurteilt wird (insbesondere wegen Verkaufs an Minderjährige) oder Verbrechen nach §§ 29a Abs. 1 Nr. 1 (Abgabe von BtM als über 21-Jähriger an unter 18-Jährige), 30a Abs. 2 Nr. 1 BtMG begeht (über 21-Jähriger bestimmt einen unter 18-Jährigen zum Handeltreiben u. ä.). Hier drohte in der Tat ein erheblicher Vertrauensverlust 121 s. zu den gesetzgeberischen Motiven bei der Genese des BtMG Körner/Patzak/ Volkmer, Einl. zum BtMG, Rn. 29 ff. 122 s. a. hier noch einmal das Beispiel aus der Einleitung, wo es m. E. angesichts des Sachverhaltes (Besitz von zehn Gramm Cannabis zum Eigenkonsum) für die strafrechtliche Verurteilung im Wege des Strafbefehls keinen nachvollziehbaren Grund gab (vgl. § 31a BtMG; §§ 153 f. StPO).

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in die Verbindlichkeit der Strafgesetze, wenn ein solcher Täter in der Folge weiterhin oder überhaupt Minderjährige beschäftigen, ausbilden usw. dürfte. Eine solche Konstellation setzt § 25 Abs. 1 Nr. 4 JArbSchG aber gar nicht voraus. Deshalb verwundert es, dass dieser Problematik in Rechtsprechung und Literatur bislang keine Beachtung geschenkt wird. Es findet sich nur eine Entscheidung des OLG Hamm im Beschlussverfahren nach §§ 23 ff. EGGVG, in der aber den von der Verurteilten vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken (in der Entscheidung nicht näher mitgeteilt) jedenfalls für den zu beurteilenden Fall (drei Verurteilungen zu Bewährungsstrafe vermutlich wegen Handeltreibens mit BtM) keine Bedeutung zugemessen wurde.123 Dass § 25 Abs. 1 Nr. 4 JArbSchG wegen dieser Entscheidung verfassungsrechtlich unbedenklich sei, wird man nach dem soeben Gesagten nicht behaupten können, greift er doch offenkundig in die nach Art. 12 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit ein, ohne durch einen generalpräventiven (oder spezialpräventiven) Zweck gerechtfertigt zu sein. Ob er sogar verfassungswidrig ist oder zumindest verfassungskonform auszulegen wäre124, kann und muss im Rahmen dieser Arbeit nicht geklärt werden. In jedem Fall schießt diese Variante nach hier vertretener Auffassung deutlich über das Ziel hinaus und sollte deshalb dringend überarbeitet werden.125 4. Ergebnis § 25 Abs. 1 JArbSchG stellt eine Nebenfolge im hier vertretenen Sinne dar, weil er infolge einer bestimmten Strafverurteilung automatisch kraft Gesetzes eintritt und primär positiv-generalpräventiven Zwecken dient. Bedenklich erscheinen aber zum einen sein Eintragungstext im BZR, der wegen seiner unge-

123

OLG Hamm, Beschl. v. 14.01.1988 – 1 Vas 89/87. Das erscheint zumindest auf den ersten Blick schwierig, weil § 25 Abs. 1 JArbSchG kraft Gesetzes eintritt und somit kein Richter eine Entscheidung über seinen Eintritt fällen kann, bei der er eine verfassungskonforme Auslegung (d.h. Begrenzung auf die o. g. Delikte nach dem BtMG) vornehmen könnte. 125 Eine weitere Widersprüchlichkeit des § 25 Abs. 1 Nr. 4 wird offenbar, wenn man ihn mit Nr. 5 vergleicht: Obwohl das BtMG allenfalls abstrakt dem Jugendschutz dient und konkret eine Vielzahl von Verhaltensweisen pönalisiert, die keinerlei Bezug zum Jugendschutz haben, reicht hier eine (und zwar jede!) Verurteilung aus, um das Beschäftigungsverbot in Kraft zu setzen. Dagegen muss ein Täter gegen das konkret den Jugendlichen schützende JuSchG (das immer noch im Gesetz genannte Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften wurde mit JuSchG vom 23. Juli 2002, BGBl. I S. 2730, zusammengefasst) mindestens zweimal verstoßen, bevor ihm die Beschäftigung/Ausbildung Jugendlicher versagt wird. Noch absurder wirkt die Regelung des § 25 Abs. 1 Nr. 4 JArbSchG, wenn man sich die folgenden beiden Fälle vor Augen hält: Wer vorsätzlich Schnaps an einen Jugendlichen abgibt, handelt nach §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 28 Abs. 1 Nr. 10 JuSchG nur ordnungswidrig und wird vom Verbot des § 25 JArbSchG gar nicht berührt. Wer dagegen – wie im Beispielsfall – eine kleine Menge Cannabis zum Eigenverbrauch besitzt, macht sich strafbar und fällt unter das Verbot des § 25 JArbSchG. Das verstehe, wer will. 124

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nauen Formulierung faktisch zu einer gesetzlich nicht gedeckten Ausdehnung des Verbots auf Kosten des Verurteilten führt, und zum anderen die Variante des § 25 Abs. 1 Nr. 4 JArbSchG, deren viel zu weit geratener Tatbestand Sachverhalte jenseits des Normzwecks erfasst.

IX. Ergebnis der Einordnung Die Untersuchung ausgewählter Rechtsfolgen des Nebenrechts hat ergeben, dass jedenfalls die § 32 Nr. 1 Alt. 2 GVG, § 18 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2, 3, 4 FGO, § 21 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 ArbGG, § 21 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 VwGO, § 17 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 (Unfähigkeit zum Schöffenamt bzw. Amt des ehrenamtlichen Richters), § 24 Abs. 1 S. 1 BeamtStG, § 41 Abs. 1 S. 1 BBG (Verlust der Beamtenrechte für Beamten), § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 GmbH, § 76 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AktG (Verbot der Geschäftsführung bzw. der Leitung einer Aktiengesellschaft), § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG (Aberkennung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit), § 53 AufenthG (Verlust des Aufenthaltsrechts), und § 25 Abs. 1 JArbSchG (Verbot der Beschäftigung u. a. durch bestimmte Personen) als Nebenfolgen im hier vertretenen Sinne einzuordnen sind. Mit ihrem automatischen Eintritt infolge strafrechtlicher Verurteilung legitimieren sie allein aus der strafgerichtlichen Entscheidung. In verschiedenen vom Gesetzgeber als besonders schützenswert beurteilten Bereichen wird so gegenüber der Allgemeinheit zum Ausdruck gebracht, dass qualifizierte Delikte auch jenseits der Hauptstrafe nicht ohne „Folge“ bleiben. Ganz überwiegend unabhängig von einer im Einzelfall bestehenden Rückfallgefahr verliert der Straftäter automatisch bestimmte Rechte, Fähigkeiten und Erlaubnisse, weil das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit nicht mehr gegeben ist. Auf diese Weise wird die Verbindlichkeit der zuvor verletzten Strafgesetze besonders bekräftigt.

3. Teil

Einzelne allgemeine Probleme im Zusammenhang mit Nebenfolgen Im Rahmen des ersten Teils der Untersuchung wurden bereits bestimme Fragestellungen angesprochen, die sich zwar allgemein im Zusammenhang mit dem Eintritt von Nebenfolgen stellen, aber besser in dem Wissen, welche weiteren Nebenfolgen neben § 45 Abs. 1 StGB existieren, untersucht werden können. Im Folgenden werden deshalb die Probleme erörtert, die sich bei der Nebenfolge im Zusammenhang mit der Strafzumessung (A.), dem Registerrecht (B.), dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs (C.) und der Anwendung des Jugendstrafrechts (D.) stellen.

A. Nebenfolge und Strafzumessung Wie oben bereits im Zusammenhang mit der Frage, ob die Automatik des § 45 Abs. 1 StGB einer Strafqualität entgegensteht, angedeutet,1 ergeben sich besondere Probleme, wenn eine strafzumessungsrelevante Sanktion zwingend kraft Gesetzes eintritt. Die Nebenfolge tritt nach hier vertretener Auffassung ausschließlich automatisch ein. Es stellt sich aber zunächst allgemein die Frage, ob der Eintritt der Nebenfolge bei der Strafzumessung zu berücksichtigen ist.

I. Problemaufriss Diese Frage führt zunächst zu dem im Strafzumessungsrecht besonders umstrittenen Fall des Zusammentreffens von Strafrecht und Disziplinarrecht. Auch wenn die Nebenfolge nach hier vertretener Ansicht keine disziplinarische, sondern eine strafrechtliche Sanktion darstellt, findet sie sich – wie die vorliegende Untersuchung gezeigt hat2 – vielfach als nebenstrafrechtliche Sanktion in den berufsregelnden Gesetzen. Bisher wird sie deshalb in Rechtsprechung und Literatur stets als zusätzliche disziplinarische Sanktion erörtert. Meist geht es um den in der Praxis besonders häufigen automatischen Verlust der Beamtenstellung nach § 24 Abs. 1 S. 1 BeamtStG, § 41 Abs. 1 S. 1 BBG, der in Literatur und Rechtsprechung (anders als § 45 Abs. 1 StGB) überwiegend dem Beamtenrecht 1 2

s. o. 1. Teil: D. I. 1. f). s. o. 2. Teil: B.

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3. Teil: Einzelne allgemeine Probleme

zugerechnet wird, nach hier vertretener Auffassung allerdings eine strafrechtliche Nebenfolge darstellt.3 Ungeachtet dieser abweichenden Einordnung stellen sich in der Sache dieselben Fragen, sodass im Folgenden auf den Diskurs zur Wechselwirkung zwischen Strafrecht und Disziplinarrecht Bezug genommen werden kann. Sowohl die Kriminalstrafe als auch die Disziplinarmaßnahme knüpfen an dasselbe Verhalten des Straftäters an, so dass sich die Frage stellt, in welchem Verhältnis die beiden Gebiete zueinander stehen und wie sich die jeweiligen Sanktionen – auch vor dem Hintergrund des Doppelbestrafungsverbots nach Art. 103 Abs. 3 GG4 – gegenseitig beeinflussen. Weitgehend anerkannt ist lediglich, dass der Strafrichter im Rahmen der Strafzumessung eine bereits vor der Strafverurteilung verhängte Disziplinarmaßnahme berücksichtigen muss, wenn sie Aspekte des allgemeinen Schuldausgleichs und der speziellen Strafzwecke enthält.5 Wesentlich umstrittener ist die umgekehrte Reihenfolge: Erst findet das Strafverfahren statt und im Anschluss daran folgt das disziplinarrechtliche Verfahren.6 In gleicher Weise ist die Situation bei der Nebenfolge gelagert, die wegen ihrer Regelungstechnik immer erst im Anschluss an die strafgerichtliche Verurteilung eintritt. Hier stellt sich die Frage, ob die (beruflichen) Konsequenzen durch die Rechtsminderung (oder sogar nur deren möglicher Eintritt) Einfluss auf die Strafzumessung haben. Dies gilt nicht nur dann, wenn die Nebensanktion selbst Strafe ist, wie z. B. beim Fahrverbot nach § 44 StGB für den Berufskraftfahrer, sondern auch für den Fall, dass sie – wie die Nebenfolge – Nicht-Strafe ist. Denn sie könnte nach § 46 Abs. 1 S. 2 StGB zu den „Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind“ zu zählen und damit im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen sein. Nicht nur der BGH subsumiert darunter mittlerweile in ständiger Rechtsprechung obligatorische berufsrechtliche Folgen der Bestrafung, wie sie auch vielfach durch die oben benannten Nebenfolgen bestimmt sind, und verlangt, dass deren Eintritt je-

3

s. o. 2. Teil: B. III. 3. s. dazu näher Mestek-Schmülling, Mittelbare Straftatfolgen, 2004, S. 105 ff.; Lambrecht, Strafrecht und Disziplinarrecht, 1997, S. 27 ff. 5 NK4 /Streng § 46 StGB Rn. 142; Streng, NStZ 1988, 485, 486; Nicolaus, Mittelbare Straftatfolgen, 1992, S. 31 ff.; Mestek-Schmülling, Mittelbare Straftatfolgen, 2004, S. 113. Auf der Hand liegt dies etwa bei der disziplinaren Arreststrafe nach § 22 WDO, die sich nicht nur auf Laufbahn und Dienststellung bezieht, sondern auch als Übel auferlegt wird. Siehe dazu BVerfGE 21, 378 u. Nicolaus, Mittelbare Straftatfolgen, 1992, S. 35 ff. 6 Dies entspricht auch der gesetzlichen Wertung in § 22 Abs. 1 S. 1 BDG, wonach das Disziplinarverfahren ausgesetzt wird, wenn gegen den Beamten wegen des Sachverhalts, der dem Disziplinarverfahren zugrunde liegt, im Strafverfahren die öffentliche Klage erhoben worden ist. S. a. § 14 BDG, dem offenbar ebenfalls zu Grunde liegt, dass das Strafverfahren dem Disziplinarverfahren vorausgeht. 4

A. Nebenfolge und Strafzumessung

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denfalls in die Strafzumessungserwägungen einbezogen werden muss.7 Inzwischen fordert er sogar, dass der Eintritt der Nebenfolge schon bei der Strafrahmenwahl, also bei der Entscheidung über das Vorliegen eines „minder schweren Falles“, berücksichtigt werden muss.8 Während früher regelmäßig beklagt wurde, dass diese Thematik in der Literatur „wenig geklärt“ 9 sei bzw. „auffällig wenig erörtert“ 10 werde, liegen mittlerweile mehrere Monographien vor, die sich mit den Auswirkungen mittelbarer Straftatfolgen auf die Strafzumessung beschäftigen.11 Auf deren Erkenntnisse kann vorliegend aufgebaut werden, soweit sie speziell für die Nebenfolge relevant werden. Für die vorliegende Untersuchung irrelevant ist dagegen die Frage, ob auch bloß mögliche disziplinarische Folgen bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind, weil die Nebenfolge nach hier vertretener Auffassung nicht disziplinarisch ist und ausschließlich automatisch eintritt.

II. Entwicklung in Rechtsprechung und Literatur Zunächst soll zum besseren Verständnis der Problematik ein Überblick über die wechselhafte Rechtsprechung12 und deren Rezeption in der Literatur gegeben werden. Anschließend wird die Frage erörtert, ob und ggf. inwieweit Nebenfolgen bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind. 1. Frühe Rechtsprechung In der ersten Entscheidung zu der Frage, ob die Strafzumessung den obligatorischen Verlust des Amtes berücksichtigen muss, entschied damals noch der Oberste Gerichtshof (OGH) für die Britische Zone, dass es unzulässig sei, einen kraft Gesetzes als zwingende Folge der Strafverurteilung eintretenden Verlust der 7 BGH bei Holtz, MDR 1979, 634 f.; BGH NStZ 1981, 342 f.; BGH StV 1981, 235; BGH NStZ 1982, 507; BGHSt 32, 68, 79; BGH bei Mösl, NStZ 1983, 160, 162 f.; BGH bei Mösl, NStZ 1983, 493, 494; BGH bei Mösl, NStZ 1984, 158, 161; BGH NStZ 1985, 215; BGH bei Detter, NStZ 1990, 221; BGH NStZ-RR 1997, 195; BGH StV 2004, 71 f.; BGH bei Detter, NStZ 2014, 441, 442; ihm folgend: Schäfer/Sander/van Gemmeren, Strafzumessung, 2012, Rn. 737 f.; MüKo2 /Miebach § 46 StGB Rn. 37; Beck OK-StGB/von Heintschel-Heinegg § 46 StGB Rn. 57; Schönke/Schröder29 /Stree/ Kinzig § 46 StGB Rn. 55; LK12 /Theune § 46 StGB Rn. 15; SK-StGB/Horn § 46 StGB Rn. 139. 8 BGHSt 35, 148 ff. 9 Streng, NStZ 1988, 485. 10 Bruns, Leitfaden, 1980, S. 220. 11 s. Nicolaus, Mittelbare Straftatfolgen, 1992; Lambrecht, Strafrecht und Disziplinarrecht, 1997; Mestek-Schmülling, Mittelbare Straftatfolgen, 2004. 12 Müller-Dietz in: FS Spendel (1992), S. 413, 424: „bemerkenswerte Kehrtwendung“.

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3. Teil: Einzelne allgemeine Probleme

Beamtenrechte strafmildernd heranzuziehen.13 Zur Begründung führte das Gericht aus, dass einem verurteilten Beamten sonst im Gegensatz zu anderen Tätern ein besonderer Strafmilderungsgrund zugutekäme.14 Der BGH folgte zunächst dieser Ansicht und urteilte, dass der Verlust der Beamtenrechte wegen einer Freiheitsstrafe von über einem Jahr bei der Strafzumessung ebenso wenig zu berücksichtigen sei wie vergleichbare Erwägungen bei einem Berufssoldaten.15 2. Rezeption in der Literatur In der Literatur wurde diese Rechtsprechung unterschiedlich bewertet. Auf der einen Seite widersprach Bruns der Begründung des OGH, dass ein verurteilter Beamter sonst im Gegensatz zu anderen Tätern einen besonderen Strafmilderungsgrund hätte, mit der Erwägung, dass schließlich die anderen Täter auch von einer solchen Folge verschont blieben.16 Im Übrigen sei es längst anerkannt, „dass sämtliche Nebenfolgen und Nebenwirkungen auf den Täter berücksichtigt werden müssen“, und zwar auch dann, „wenn man ihm vorhalten kann, er habe sie sich selbst zuzuschreiben.“ 17 Ein derartiger Nachteil wie der Verlust der Beamtenstellung sei einschneidend und stelle eine mittelbare Folge der Bestrafung dar, die genauso wie der Arbeitsplatzverlust von nichtbeamteten Straftätern berücksichtigt werden müsse.18 Daneben merkte Welzel an, dass die Strafe auf verschiedene Täter unterschiedlich wirke: Die gleiche kurze Strafe könne für den einen nur eine kurze Episode und daher gerecht sein, dagegen könne sie bei anderen – etwa Beamten – gleichbedeutend mit dem Existenzverlust und damit ungerecht sein.19 Auf der anderen Seite rechtfertigte Koffka die Nichtberücksichtigung mit dem Argument, dass die beamtenrechtliche Bestimmung an die strafrechtliche Würdigung der Tatschwere anknüpfe.20 Aus dem (damaligen) § 14 BDO (jetzt § 14 BDG) ergebe sich, dass die Kriminalstrafe bei den Disziplinarmaßnahmen zu be13

OGHSt 2, 69. OGHSt 2, 69, 72. 15 BGH, Beschl. v. 17.8.1962 – 4 StR 248/62 (unveröffentlicht); BGH, Urt. v. 7.4. 1970 – 1 StR 487/69 (nur in Teilen veröffentlicht in NJW 1970, 1332); BGH, Urt. v. 31.10.1967 – 5 StR 451/67 (unveröffentlicht). In letzterer Entscheidung habe der BGH allerdings nicht beanstandet, dass die Strafkammer die beamtenrechtliche Folge einer Strafe dieser Höhe „mitbedacht“ hatte, so Bruns, Leitfaden, 1980, S. 221. 16 Bruns, Leitfaden, 1980, S. 220. 17 Bruns, Strafzumessungsrecht, 1974, S. 360; Bruns, Leitfaden, 1980, S. 220. 18 Bruns, Strafzumessungsrecht, 1974, S. 408 f. (Fn. 35); zust. bez. der Berücksichtigung bei Nicht-Beamten LK9 /Koffka § 13 StGB Rn. 74. 19 Welzel, Strafrecht, 1969, S. 259. 20 LK9 /Koffka § 13 StGB Rn. 74. 14

A. Nebenfolge und Strafzumessung

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rücksichtigen sei, und nicht etwa umgekehrt.21 Dagegen wendete Bruns wiederum ein, dass letzteres im Grundsatz zwar richtig sei, aber sich daraus nicht folgern lasse, dass derartige Nebenfolgen gar nicht bei der Strafzumessung berücksichtigt werden dürften.22 3. Wende der Rechtsprechung Nach der Einführung des § 46 Abs. 1 S. 2 StGB vollzog der BGH im Jahr 1979 dann eine Wende23 und entschied nun, dass es dem Tatrichter „nicht verwehrt“ sei, eine zwingend vorgeschriebene beamtenrechtliche Konsequenz bei der Straffestsetzung „mit in Betracht zu ziehen“.24 In der Sache stellte der BGH – ähnlich wie Bruns – darauf ab, dass zwar beamtenrechtliche Konsequenzen an die strafrechtliche Würdigung der Tatschwere anknüpften und deshalb in der Regel die Kriminalstrafe bei der nachfolgenden Verhängung der Disziplinarstrafe zu berücksichtigen sei und nicht umgekehrt, aber daraus nicht folge, dass der Tatrichter die Folgen nicht dennoch berücksichtigen könne.25 Gleichwohl hob der BGH das erstinstanzliche Urteil auf, weil ihm nach Lektüre der Urteilsgründe unklar blieb, ob dem Landgericht die beamtenrechtliche Folge „bewusst“ war und es bei Berücksichtigung der Nebenfolge nicht doch auf eine geringere Strafe erkannt hätte.26 Diese Linie bestätigte der BGH in einer weiteren Entscheidung aus demselben Jahr.27 Wie die Aufhebung der erstinstanzlichen Urteile zeigte, war die „Möglichkeit der Berücksichtigung“ tatsächlich vielmehr eine Pflicht!28 Später verzichtete der BGH auf den – zudem in der Sache ohnehin eher als unverbindliche Floskel vorangestellten – Vorbehalt, dass „in der Regel“ die Kriminalstrafe bei der nachfolgenden Verhängung der Disziplinarstrafe zu berücksichtigen sei und nicht umgekehrt.29 Heute verlangt der BGH in ständiger Rechtsprechung, dass bei der Festsetzung der schuldangemessenen Strafe im Rahmen des § 46 Abs. 1 S. 2 StGB auch die berufs- und standesrechtlichen Folgen der Verurteilung als Wirkungen der Strafe, die von ihr für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, zu berücksichtigen sind.30

LK9 /Koffka § 13 StGB Rn. 74. Bruns, Leitfaden, 1980, S. 221. 23 So Streng, NStZ 1988, 485. 24 BGH bei Holtz, MDR 1979, 634, 635 (= Beschl. v. 28.03.1979 – 4 StR 51/79). 25 BGH bei Holtz, MDR 1979, 634, 635 (= Beschl. v. 28.03.1979 – 4 StR 51/79). 26 BGH bei Holtz, MDR 1979, 634, 635 (= Beschl. v. 28.03.1979 – 4 StR 51/79). 27 BGH bei Holtz, MDR 1980, 271, 272 (= Urt. v. 13.12.1979 – 4 StR 562/79). 28 So auch Terhorst, JR 1989, 184, 185 u. Nicolaus, Mittelbare Straftatfolgen, 1992, S. 19. 29 So die Beobachtung von Nicolaus, Mittelbare Straftatfolgen, 1992, S. 19. Letztmalig erwähnt in BGH wistra 1983, 145. 30 BGH NJW 2013, 1892; BGH NStZ-RR 2010, 39 m.w. N. 21 22

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3. Teil: Einzelne allgemeine Probleme

4. Weitere Ausdehnung der Rechtsprechung Im Anschluss wurde die Rechtsprechung zur Berücksichtigung berufsrechtlicher Folgen bei der Strafzumessung noch weiter ausgedehnt. Der BGH entschied nicht nur, dass es dem Tatrichter nicht verwehrt sei, nach pflichtgemäßem Ermessen sogar nur mögliche disziplinarische Konsequenzen zu berücksichtigen, wenn sie durch die Kriminalstrafe ausgelöst werden und deshalb die Sanktion empfindlicher zu machen geeignet sind.31 Wenig später folgte sogar die Forderung, dass die Nebenfolge des Verlusts der Beamtenrechte als bestimmender Strafzumessungsgrund schon bei der Wahl des Strafrahmens, also bei der Frage nach der Anwendung eines „minder schweren Falls“, Berücksichtigung finden müsse.32 Zur Begründung führte der BGH aus: Bei der erforderlichen Gesamtabwägung seien nicht nur diejenigen Folgen zu berücksichtigen, die der Tat vorausgehen oder sie begleiten, sondern auch diejenigen, die ihr nachfolgen.33 Dazu gehörten die gezielten (!) wie ungezielten Wirkungen der Strafe auf das künftige Leben des Straftäters in der Gesellschaft.34 Gerade die Nebenfolge des Verlusts der Beamtenstellung wiege so schwer, dass sie die staatliche Reaktion erheblich verschärfe und deshalb bei der Bestimmung des gerechten Schuldausgleichs berücksichtigt werden müsse.35 Die Berücksichtigung dürfe nicht auf den konkreten Akt der Strafzumessung beschränkt werden, sondern müsse bereits bei der vorgeschalteten Frage über das Vorliegen eines „minder schweren Falls“ erfolgen, weil hier bereits alle strafzumessungsrelevanten Umstände zugrunde zu legen seien.36 Die der konkreten Strafzumessung vorgelagerte Wahl eines milderen Strafrahmens könne nämlich nicht ohne Einfluss auf die anschließend festzusetzende Strafhöhe bleiben.37 Der Tatrichter habe nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob der Fall mit dem Eintritt der Nebenfolge so sehr vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint.38 Schließlich bedeute die Wahl des milderen Strafrahmens noch kein endgültiges Ausbleiben der Nebenfolge.39 Im Einzelfall müsse aus rechtsstaatlichen Gründen aber sogar eine unter dem eigentlichen Schuldmaß liegende Strafe hingenommen werden.40

31 32 33 34 35 36 37 38 39 40

BGH wistra 1982, 225, 226. BGHSt 35, 148. BGHSt 35, 148, 149 m. Verweis auf BGH, Beschl. v. 04.10.1985 – 2 StR 403/85. BGHSt 35, 148, 149. BGHSt 35, 148, 149. BGHSt 35, 148, 149. BGHSt 35, 148, 150. BGHSt 35, 148, 150. BGHSt 35, 148, 150. BGHSt 35, 148, 151.

A. Nebenfolge und Strafzumessung

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5. Kritik der Literatur In der Literatur stieß diese letzte Entscheidung auf erheblichen Widerspruch. Zunächst wurde sie von Bruns kritisch besprochen,41 dessen Kritik an den früheren Urteilen von OGH und BGH zuvor noch den Anstoß zur Wende in der Rechtsprechung gegeben hatte. Er monierte, dass das Urteil schon im Ausgangspunkt fehl gehe, wenn es zu den „Umständen, die der Tat nachfolgen“, auch Rechtsfolgen wie den Verlust der Beamtenrechte zähle, anstatt sich auf Umstände des Sachverhaltes zu beschränken, die der Täter selbst herbeigeführt hat.42 In dieser Verwechslung der tatsächlichen Voraussetzungen und einer Rechtsfolge liege gar ein „schlimmer Fehler“.43 Weiter kritisierte Bruns, dass der BGH dieses Mal erneut keine sachliche Begründung dafür liefere, warum denn nun – entgegen der früheren Rechtsprechung und einigen Stimmen in der Literatur – der zwingende Verlust der Beamtenstellung bei der Strafzumessung (und jetzt sogar bei der Strafrahmenwahl) zu berücksichtigen sei, wenn die Reihenfolge doch in der Regel umgekehrt sei.44 Darüber hinaus bleibe unklar, warum eine Nebenfolge als Wirkung i. S. d. § 46 Abs. 1 S. 2 StGB (der vom BGH in dieser Entscheidung allerdings nicht einmal zitiert wird) begriffen werde und wieso sie zu einem Zeitpunkt zu berücksichtigen sei, zu dem ihr Eintritt noch gar nicht sicher sei.45 Gerade der Wortlaut des § 46 Abs. 1 S. 2 StGB, der auf die „zu erwartenden“ Wirkungen abstellt, verlange eine Wahrscheinlichkeitsprognose, die je nach Einzelfall unterschiedlich ausfallen könne und deshalb den Leitsatz des BGH („[. . .] ist zu berücksichtigen“) zu relativieren geeignet sei.46 Insgesamt spare die Entscheidung alle problematischen Vorfragen aus und sei daher „allgemein wenig überzeugend“.47 Auch Streng besprach die BGH-Entscheidung äußerst kritisch.48 Nach seiner Auffassung gibt eine Strafwirkung i. S. d. § 46 Abs. 1 S. 2 StGB nichts zur Beurteilung des Falls her, wie er durch Tat und Täter gekennzeichnet ist.49 Zudem verkenne die Entscheidung des BGH, dass die Annahme eines „minder schweren Falles“ der Legitimierung eines niedrigeren Strafrahmens diene, der als Rahmen der konkreten Strafzumessungsentscheidung gem. § 46 StGB Abs. 1 S. 1 StGB aber zentral der Tatschuld Rechnung zu tragen habe – das bedeute dann für die (spezialpräventiv relevanten) Wirkungen i. S. d. S. 2, dass diese nur im Rahmen 41 42 43 44 45 46 47 48 49

Bruns, JZ 1988, 467. Bruns, JZ 1988, 467. Bruns, JZ 1988, 467, 468. Bruns, JZ 1988, 467, 468. Bruns, JZ 1988, 467, 468. Bruns, JZ 1988, 467, 468. Bruns, JZ 1988, 467, 468. Streng, NStZ 1988, 485. Streng, NStZ 1988, 485.

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3. Teil: Einzelne allgemeine Probleme

der Schuld berücksichtigt werden und nicht etwa einen Strafrahmen bedingen können, der von der schuldadäquaten Strafe wegführe.50 Zu beachten sei ferner das System der gesetzlichen Strafrahmen, deren Mindeststrafe die konsequente Berücksichtigung mittelbarer Straftatfolgen ohnehin nur bedingt möglich mache.51 Hier zeige sich die primäre Schuldorientierung der Strafrahmen, die es verbiete, „minder schwere Fälle“ unter dem Aspekt der schuldunabhängigen Strafwirkungen i. S. von § 46 Abs. 1 S. 2 StGB festzulegen.52 Des Weiteren erschließe sich nicht, warum nun nicht-ahndende Disziplinarmaßnahmen wie die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bei der Bestimmung des gerechten Schuldausgleichs berücksichtigt werden.53 Wenn der BGH solche Nebenwirkungen der „Strafempfindlichkeit“ zuordne, müsste er konsequenterweise allgemein eine Zurückdrängung formeller Sanktionen betreiben, weil diese regelmäßig zu einem sozialen Ansehensverlust führten.54 Eine allgemein anerkannte Berücksichtigung der Strafempfindlichkeit berge aber die Gefahr einer „Klassenjustiz“ und „Ausländerdiskriminierung“ und widerspreche dem gesetzlichen System einer Differenzierung zwischen verwirkter Schuldstrafe und dennoch möglichem Absehen von Strafe (§ 60 StGB).55 Eine „merkwürdige Inkonsequenz“ erblickt Streng darin, dass der BGH sonst in ständiger Rechtsprechung verlangt, die Bestimmung der Strafhöhe (= Strafdauer) von der Strafaussetzungsfrage zu trennen, d.h. dass der Tatrichter nicht eine Strafhöhe von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verhängen darf, damit sie noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann.56 Dies geschehe, obwohl die Strafaussetzung oder Nichtaussetzung die Härte der Strafe bzw. das Strafleiden des Verurteilten sogar mehr beeinflusse als die Strafhöhe an sich.57 Es bleibe ein Rätsel, warum diese unmittelbaren Strafwirkungen einer (Nicht-)Aussetzung bei der Bestimmung der schuldangemessenen Strafe unberücksichtigt bleiben müssen, während die bloß mittelbaren beruflichen Strafwirkungen zwingend zu berücksichtigen seien.58 Im Ergebnis spricht sich Streng dafür aus, zu erwartende oder schon erfolgte nicht-ahndende Disziplinarmaßnahmen auf der Grundlage des § 46 Abs. 1 S. 2 StGB bei der Strafzumessung im engeren Sinne zu berücksichtigen.59 Hingegen seien nicht-ahndende disziplinarische Folgen der Tat und der Strafe bei der Bestimmung des gerechten Schuldaus50

Streng, NStZ 1988, 485, 486. Streng, NStZ 1988, 485, 486. 52 Streng, NStZ 1988, 485, 486. 53 Streng, NStZ 1988, 485, 486. 54 Streng, NStZ 1988, 485, 487. 55 Streng, NStZ 1988, 485, 487. 56 BGH StV 1988, 294; BGHSt 29, 319, 321 f.; BGHSt 32, 60, 65; BGH NJW 54, 40, BGH bei Detter, NStZ 2002, 415, 418; BGH NStZ-RR 2008, 369, BGH MDR 1981, 64. 57 Streng, NStZ 1988, 485, 487. 58 Streng, NStZ 1988, 485, 487. 59 Streng, NStZ 1988, 485, 487. 51

A. Nebenfolge und Strafzumessung

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gleichs durch die Kriminalstrafe und insbesondere bei der Strafrahmenwahl unbeachtlich.60

III. Stellungnahme Wie schon die Kritik der Literatur zeigt, sind die Begründungen der Rechtsprechung zur Einbeziehung mittelbarer Straftatfolgen wenig systematisch. Es bedarf daher zunächst einer Differenzierung zwischen den verschiedenen Optionen, um zu untersuchen, ob und wie der Eintritt der Nebenfolge bei der Strafzumessung zu berücksichtigen ist. Folgende Möglichkeiten sind im Wesentlichen denkbar:61 1. Der Eintritt der Nebenfolge ist im Rahmen des Schuldausgleichs (§ 46 Abs. 1 S. 1 StGB) zu berücksichtigen. 2. Der Eintritt der Nebenfolge ist als Wirkung i. S. d. § 46 Abs. 1 S. 2 StGB bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. 3. Der Eintritt der Nebenfolge ist in die Strafrahmenwahl („minder schwerer Fall“) miteinzubeziehen. Diese drei Thesen werden nun überprüft. 1. Berücksichtigung der Nebenfolge beim Schuldausgleich Nach § 46 Abs. 1 S. 1 StGB ist die „Schuld“ Grundlage für die Zumessung der Strafe. Dabei baut dieser Begriff der Schuld nach der überwiegenden Ansicht auf den im Sinne der Vorwerfbarkeit auf, wie er bei der Prüfung der Strafbarkeit eines Verhaltens gemeint ist (Strafbegründungsschuld).62 Gemeint ist an dieser Stelle jedoch eine Strafzumessungsschuld, die ausgefüllt wird durch die Bewertung, wie stark die Rechtsordnung durch die Tat gestört worden ist.63 Die Recht-

60

Streng, NStZ 1988, 485, 487. Eine weitere Option, auf deren Diskussion vorliegend verzichtet wird, weil sie eng mit der Berücksichtigung im Rahmen des Schuldausgleichs zusammenhängt, ist die Berücksichtigung der Nebenfolge wegen der gesteigerten Strafempfindlichkeit. Zu Recht abl. Nicolaus, Mittelbare Straftatfolgen, 1992, S. 67 ff.; Streng, Sanktionen, 2012, S. 357 f. (Rn. 720 ff.); a. A. Mestek-Schmülling, Mittelbare Straftatfolgen, 2004, S. 125 ff., 130; Lambrecht, Strafrecht und Disziplinarrecht, 1997, S. 74 ff. 62 MüKo2 /Miebach § 46 StGB Rn. 23; Fischer62 § 46 StGB Rn. 5; SSW1/2 /Eschelbach § 46 StGB Rn. 74; Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig § 46 StGB Rn. 9a; SKStGB/Horn § 46 StGB Rn. 42; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Strafzumessung, 2012, Rn. 574 ff.; LK12 /Theune § 46 StGB Rn. 4 f.; Lackner/Kühl28 /Kühl § 46 StGB Rn. 23; Gössel in: FS Tröndle (1989), S. 362; Hörnle, JZ 1999, 1080, 1082 f.; Beck OK-StGB/ von Heintschel-Heinegg § 46 StGB Rn. 2; differenzierend NK4 /Streng § 46 StGB Rn. 22; Streng, Sanktionen, 2012, S. 253 ff., 255 (Rn. 521 ff., 527). 63 Wie 3. Teil: Fn. 62. Siehe auch Hettinger, Doppelverwertungsverbot, 1982, S. 111 ff., 119 f. 61

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3. Teil: Einzelne allgemeine Probleme

sprechung drückt dies in der Formulierung aus, dass die Schwere der Tat in ihrer Bedeutung für die verletzte Rechtsordnung sowie der Grad der persönlichen Schuld des Täters die Grundlage der Strafzumessung seien.64 Es geht also um das konkrete Maß an Vorwerfbarkeit, das anhand einer breiten Wertungsbasis zu bestimmen ist (vgl. den nicht abschließenden § 46 Abs. 2 StGB). Die auf diese Weise bemessene Schuld ist durch Strafe (und ggf. Nebenstrafe) auszugleichen.65 Umstritten, aber für die hier zu behandelnde Frage nicht entscheidend ist dabei, welche Strafzwecke mit der Bestrafung des Täters verfolgt werden dürfen und vor allem, wie sie im Verhältnis zueinander konkret zu gewichten sind.66 Für die vorliegende Untersuchung stellt sich die Frage, ob die Nebenfolge als belastende mittelbare Straftatfolge für den Schuldausgleich zu berücksichtigten ist. Dies käme prinzipiell unter zwei Aspekten in Betracht:67 1. Für den Fall, dass die Nebenfolge materiellen Strafcharakter aufwiese. 2. Dann, wenn man unabhängig vom Strafcharakter in der schweren Belastung für den Täter einen Umstand erblickte, der zur Berücksichtigung im Rahmen des Schuldausgleichs berechtigt. Wie sich aus der vorliegend vertretenen Definition der Nebenfolge ergibt,68 scheidet die erste Option aus, weil die Nebenfolge keinen Strafcharakter besitzt.69 Sie könnte aber zu berücksichtigen sein, weil sie den Täter wie eine Strafe belastet. In dieser Weise lässt sich die Rechtsprechung des BGH verstehen, in der die Anhäufung von Kriminalstrafe und Nebenfolge als „Gesamtheit dieser Sanktionen“ bezeichnet wird.70 Und auch Bruns fordert, dass alle belastenden Straftatfolgen – ob schuldabhängig oder nicht – derart aufeinander abgestimmt werden müssen, dass sie in ihrer Kumulation noch schuldangemessen sind.71

64

BGHSt 20, 266. SSW1/2 /Eschelbach § 46 StGB Rn. 18 ff. 66 Überblick etwa bei MüKo2 /Miebach § 46 StGB Rn. 27 ff. Siehe auch oben 1. Teil: A. I. 3. 67 Ähnlich bez. aller mittelbaren Straftatfolgen Nicolaus, Mittelbare Straftatfolgen, 1992, S. 33 f. 68 s. o. 1. Teil: D. III. 3. 69 Ähnlich bez. nicht-ahndender Disziplinarmaßnahmen Nicolaus, Mittelbare Straftatfolgen, 1992, S. 49 f. 70 BGHSt 35, 148, 150. In diesem Sinne auch Schäfer/Sander/van Gemmeren, Strafzumessung, 2012, Rn. 724 („Gesamtsanktion“); Horn in: SK-StGB § 46 StGB Rn. 137 interpretiert diese Rechtsprechung ebenfalls in der Weise, dass im Rahmen einer Gesamtbetrachtung die Summe aller Nachteile schuldadäquat sein muss. Ebenso wie hier Nicolaus, Mittelbare Straftatfolgen, 1992, S. 51 f. 71 Bruns, MDR 1987, 177, 180. Ähnlich auch speziell zu § 45 StGB Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 786. 65

A. Nebenfolge und Strafzumessung

207

Gegen diese Sicht spricht jedoch eine Vielzahl von Argumenten, von denen hier nur die wichtigsten dargelegt werden sollen:72 Ein erster Einwand gegen die Einbeziehung aller belastenden Straftatfolgen und damit auch der Nebenfolge in den Schuldausgleich ergibt sich daraus, dass auf diese Weise auf Zumessungsebene jegliche theoretische Unterscheidung zwischen Strafe und nicht-strafender Folge aufgegeben würde.73 Schließlich soll es doch originäre Aufgabe der Strafe sein, das Unrecht der Tat durch die Auferlegung eines tatschuldangemessenen Übels zu sühnen.74 Wenn nun aber sämtliche Einbußen infolge der Straftat in den Schuldausgleich einbezogen würden, wäre jeder dogmatischen Differenzierung im Rechtsfolgensystem der Boden entzogen und letztlich wohl sogar die Frage nach der Legitimität der Strafe neu zu stellen.75 Die Schuld kann naturgemäß nur Grenze einer (zumindest auch) vergeltenden Sanktion sein. Nur bei der Zumessung des schuldangemessenen Übels kann die Strafempfindlichkeit des Täters berücksichtigt werden, wohingegen der Eingriffsumfang einer präventiven Sanktion nicht von der Tatschuld begrenzt sein kann. Interessanterweise wird eine „Wechselwirkung“ von Strafe und Maßregel genau aus diesem Grund (Zweispurigkeit des Sanktionensystems, dogmatische Trennung zwischen den jeweils unterschiedlich legitimierten Strafen und Maßregeln) z. T. vehement abgelehnt.76 Es stellt sich die Frage, wieso die Maßregelverhängung gar nicht oder nur ganz begrenzt in die Strafzumessung einfließen soll, während die präventive Nebenfolge nach derzeit herrschender Meinung zu einem erheblichen Strafrabatt berechtigt. Ein weiteres Problem im Falle ihrer Berücksichtigung beim Schuldausgleich besteht darin, dass Nebenfolgen von vornherein nur bestimmte Tätergruppen betreffen und deshalb eine ungerechte Privilegierung bewirken können, die in der Literatur teilweise in die Nähe einer „Klassenjustiz“ gerückt wird.77 Nicolaus veranschaulicht dies an folgendem (Extrem-)Beispiel:78 72

Näher dazu Nicolaus, Mittelbare Straftatfolgen, 1992, S. 53–67. Nelles, JZ 1991, 17, 21. 74 s. o. 1. Teil: A. I. 75 Nelles, JZ 1991, 17, 21. 76 s. etwa Schäfer/Sander/van Gemmeren, Strafzumessung, 2012, Rn. 433. 77 Streng, NStZ 1988, 485, 487; Nicolaus, Mittelbare Straftatfolgen, 1992, S. 55; Wird auch eingeräumt von: Bruns, Strafzumessung, 1985, S. 197; Terhorst, JZ 1989, 184, 187; Müller-Dietz in: FS Spendel (1992), S. 413, 430; Nelles, JZ 1991, 17, 21. Wenig überzeugend dagegen der Einwand von Theune in: LK12 § 46 StGB Rn. 15, dass es sich nicht um ein „Beamtenprivileg“ handele, sondern schließlich auch bei Rechtsanwälten, Steuerberatern, Notaren, Apothekern und selbstständigen Unternehmern eine Berücksichtigung der beruflichen Nebenfolgen stattfinde. Damit bestätigt er indirekt den Vorwurf der „Klassenjustiz“, denn es handelt sich bei seiner Aufzählung aus der Rechtsprechung durchgehend um Berufe und Tätigkeiten, die typischerweise von einer gehobenen gesellschaftlichen Schicht ausgeübt werden. Noch immer studieren in Deutschland nämlich fast ausschließlich junge Menschen, deren Eltern selbst einen hohen Bildungsgrad haben, s. dazu die Zusammenfassung einer aktuellen Studie auf 73

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3. Teil: Einzelne allgemeine Probleme

Ein Beamter und ein Nicht-Beamter begehen – mit dem gleichem Maß an Schuld handelnd – eine Tat in Mittäterschaft, für die an sich jeweils eine Freiheitsstrafe von 14 Monaten verwirkt wäre. Wegen des zu erwartenden Verlusts der Beamtenrechte senkt der Richter die Strafe für den Beamten nun auf 11 Monate. Der nicht-beamtete Mittäter erhält dagegen die vollen 14 Monate. In diesem Extremfall wird der Beamte gleich dreifach (!) privilegiert:79 1. wird die tat- und schuldangemessene Strafe um drei Monate gesenkt. 2. tritt aufgrund dieser Milderung die automatische Nebenfolge des Verlusts der Beamtenstellung gar nicht mehr ein. 3. kann die nun verhängte Freiheitsstrafe unter den erleichterten Voraussetzungen des § 56 Abs. 1, 3 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden, während beim nicht-beamteten Mittäter nach § 56 Abs. 2 StGB „besondere Umstände“ erforderlich sind.

In ähnlicher Weise werden Angehörige anderer Berufsgruppen (z. B. Ärzte, Apotheker, Rechtsanwälte, Richter, Notare, Steuerberater u. ä.) begünstigt, wenn mittelbare berufliche Straftatfolgen in Form einer Nebenfolge bei der Bestimmung des zum Schuldausgleich Erforderlichen zu einem „Strafrabatt“ führen. Wer hingegen z. B. als Arbeits- und Vermögensloser über die eigentliche Strafwirkung hinaus wenig bis nichts zu verlieren hat, erhält die ungemilderte Strafe.80 Unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit ist dies bedenklich. Daran ändert der Einwand von Bruns nichts, dass schließlich die anderen Täter auch von einer solchen Folge verschont blieben.81 Denn erstens ist dies bei vielen Tätern keineswegs sicher, weil selbst ohne zwingende gesetzliche Regelung ein Arbeitsplatzverlust droht82. Hier wird die Bereitschaft des Gerichts, diese mögliche http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/seltener-bildungsaufstieg-abgehaengt-bleibtabgehaengt-a-809306.html (zuletzt abgerufen am 03.01.2015). 78 Nicolaus, Mittelbare Straftatfolgen, 1992, S. 55. 79 Es wäre sogar noch eine weitere Steigerung denkbar, wenn man mit der Rechtsprechung wegen des drohenden Amtsverlusts („bestimmender Strafzumessungsgrund“) zusätzlich noch einen „minder schweren Fall“ annimmt, der dem Mittäter versperrt bleibt. Dieser Umstand kann nach Ansicht der Rspr. (s. nur BGH bei Dallinger, MDR 1975, 541 m.w. N.) sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der konkreten Strafzumessung verwertet werden, ohne gegen das Doppelverwertungsverbot zu verstoßen (näher dazu Hettinger, Doppelverwertungsverbot, 1982, S. 211 ff.). 80 Terhorst, JZ 1989, 184, 187. Verschärft wird die Benachteiligung armer Menschen durch die Regelung des § 43 StGB, der an die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe die wesentlich eingriffsintensivere Freiheitsstrafe treten lässt. Auch § 41 StGB dient entgegen seiner ursprünglichen Intention, besonders habgierige Menschen durch eine zusätzliche Geldstrafe individuell fühlbarer zu bestrafen, heute eher dazu, vermögenden Tätern im Rahmen eines „Deals“ durch eine zusätzliche Geldstrafe eine Freiheitsstrafe in nicht zur Bewährung aussetzbarer Höhe zu ersparen. Siehe etwa BGH, Beschl. v. 24.09.2013 – 2 StR 267/13. 81 Bruns, Leitfaden, 1980, S. 220. 82 Durch Auskünfte aus dem Bundeszentralregister (Führungszeugnis etc.) erfahren die meisten Arbeitgeber von der Delinquenz ihrer Angestellten. Zudem sind Strafprozesse öffentlich (§ 169 GVG) und die Presse berichtet (zumindest regional) regelmäßig auch über kleinere Verfahren.

A. Nebenfolge und Strafzumessung

209

negative Folge strafmildernd zu berücksichtigen, aber geringer ausgeprägt sein, weil sie nicht so exakt vorhersehbar ist wie eine zwingende gesetzliche Nebenfolge. Zweitens trifft die Nebenfolge den Täter nicht ohne Grund als weiteres Übel, von dem andere Täter verschont blieben, sondern weil ihn z. B. als Beamten oder Waffenbesitzer besondere Pflichten treffen. Dass der hohe soziale Status eines Täters im Übrigen keineswegs zwingend eine Einbahnstraße in Richtung Strafmilderung wegen höherer Strafempfindlichkeit begründet, wird daran ersichtlich, dass man solchen Tätern vor Gericht wegen ihres Berufs, ihrer Bildung, Herkunft und Vermögensverhältnisse regelmäßig eine „größere Erfahrung und Einsichtsfähigkeit“ sowie einen „höheren Grad der Vermeidbarkeit“ attestiert.83 Das legt ein höheres Maß an Pflichtverletzung nahe, weshalb es widersprüchlich erscheint, einen schulderhöhenden Faktor strafmildernd zu berücksichtigen.84 Besonders frappierend ist der Widerspruch bei beamteten Straftätern, denen der Gesetzgeber immerhin als Kehrseite seiner umfangreichen Fürsorge und Alimentation eine besondere Treuepflicht auferlegt, die auch im Privaten gilt.85 In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass sich die (insbesondere im Vergleich zu „normalen“ Angeklagten) milde Bestrafung von Beamten und anderen Menschen mit hohem (beruflichen) Status negativ auf die positiv-generalpräventive Funktion des Strafrechts auswirken kann.86 Denn das Strafrecht soll durch die gerechte Bestrafung des Normbruchs die Normgeltung bestätigen und das Vertrauen der Bevölkerung in eine gerechte Rechtsordnung stärken.87 Die vielfache Verhängung von Strafen, die sich wegen der Einbeziehung mittelbarer Folgen vom gerechten Schuldausgleich nach unten lösen, ist aber dazu geeignet, in der Allgemeinbevölkerung die Akzeptanz des Strafrechts zu untergraben. An den Reaktionen in der Bevölkerung auf Fälle wie den des prügelnden Polizeichefs aus Rosenheim kann dies exemplarisch beobachtet werden.88 Speziell nach vorliegend vertretenem Verständnis steht diese Wirkung in diametra-

83 84

Terhorst, JZ 1989, 184, 187; Müller-Dietz in: FS Spendel (1992), S. 413, 430. Auf diese Ambivalenz hinweisend Müller-Dietz in: FS Spendel (1992), S. 413,

430. 85

Vgl. §§ 4, 60 ff. BBG, §§ 33 ff. BeamtStG. Streng, NStZ 1988, 485, 487; Nicolaus, Mittelbare Straftatfolgen, 1992, S. 58 f. 87 s. dazu oben 1. Teil: A. I. 1. a). 88 s. o. 1. Teil: D. I. 2. d) und auch kürzlich den Fall eines anderen prügelnden Polizisten, der einer gefesselten (!) zierlichen Frau mit einem Faustschlag das Gesicht zertrümmerte und ebenfalls mit einer milden Strafe unterhalb der Jahresgrenze belegt wurde: http://www.sueddeutsche.de/muenchen/fall-teresa-z-zehn-monate-auf-bewaeh rung-fuer-pruegelpolizisten-1.1740342 (zuletzt abgerufen am 03.01.2015). Die Leserkommentare (inzwischen leider deaktiviert) zum Artikel zeigten wiederum anschaulich, auf wie wenig Akzeptanz ein solches Urteil und seine Begründung in der Bevölkerung treffen. 86

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3. Teil: Einzelne allgemeine Probleme

lem Verhältnis zum Zweck der Nebenfolge, der schließlich gerade in der Normbekräftigung liegt (dazu sogleich noch einmal eingehend). Ein letzter gewichtiger Einwand wurde oben bereits im Zusammenhang mit der Kritik der Literatur an der Berücksichtigung der Nebenfolge bei der Strafrahmenwahl angedeutet: Nach § 46 Abs. 1 S. 1 StGB ist die Schuld „Grundlage“ der Strafzumessung – gemeint ist damit die Tatschuld.89 Auf diese Tatschuld kann die Nebenfolge als zeitlich nachfolgende, bloß mittelbare und rechtliche Straftatfolge aber gar keinen Einfluss ausüben.90 Folgen der Straftat können überdies auch als „Wirkungen“ i. S. § 46 Abs. 1 S. 2 StGB nur innerhalb des schuldangemessenen Strafrahmens berücksichtigt werden.91 Sie sind nicht dazu geeignet, die Strafzumessung von der Tatschuld zu lösen, und setzen aufgrund ihrer Regelungstechnik eine Bewertung der Schuld schon voraus. Dieser Einwand führt sogleich weiter zu der Diskussion, ob der Eintritt der Nebenfolge tatsächlich als Strafwirkung begriffen werden kann. 2. Eintritt der Nebenfolge als Strafwirkung (§ 46 Abs. 1 S. 2 StGB) Im Zentrum der Diskussion steht die Frage, ob die o. g. Ansicht der Rechtsprechung zutreffend ist, dass der Eintritt der Nebenfolge jedenfalls als „Wirkung“ der Strafe i. S. d. sog. „Sozialklausel“ in § 46 Abs. 1 S. 2 StGB bei der Strafzumessung zu berücksichtigen ist. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob der Eintritt einer Nebenfolge überhaupt als „Wirkung“ der Strafe verstanden werden kann.92 Denn der Eintritt der Nebenfolge ist keine Auswirkung der Strafe selbst, sondern gesetzliche Folge einer bestimmten Verurteilung.93 Dennoch geht die überwiegende Ansicht in der Literatur mit der Rechtsprechung davon aus, dass der Wortlaut des Gesetzes einer Berücksichtigung nicht entgegenstehe: Wegen des spezialpräventiven Zwecks des § 46 Abs. 1 S. 2 StGB sollen als Wirkung der Strafe sämtliche beabsichtigten (!) und unbeabsichtigten, mittelbaren und unmittelbaren Auswirkungen der Strafe und der Tat in die Strafzumessung einbezogen werden.94 Materiell bestehen gewichtige Bedenken gegen eine solche Einbeziehung der Nebenfolge in die Strafzumessung. Sie ähneln den oben referierten Einwänden, 89

s. o. 3. Teil: A. II. 5. s. a. Nicolaus, Mittelbare Straftatfolgen, 1992, S. 53 f., 57 f. 91 Streng, NStZ 1988, 485, 486; Nicolaus, Mittelbare Straftatfolgen, 1992, S. 58. 92 So schon Bruns, JZ 1988, 467, 468; Nelles, JZ 1991, 17, 20. 93 Nicolaus, Mittelbare Straftatfolgen, 1992, S. 80. 94 Mestek-Schmülling, Mittelbare Straftatfolgen, 2004, S. 137; Lambrecht, Strafrecht und Disziplinarrecht, 1997, S. 70 f.; Terhorst, JR 1989, 184 f.; Bruns, Leitfaden, 1980, S. 75 f.; im Ergebnis auch Nicolaus, Mittelbare Straftatfolgen, 1992, S. 79 ff.; MüllerDietz in: FS Spendel (1992), S. 413, 420; Fischer62 § 46 StGB Rn. 7, 9; LK10 /Hirsch § 46 StGB Rn. 14 ff. 90

A. Nebenfolge und Strafzumessung

211

die in der Literatur gegen die Berücksichtigung mittelbarer Straftatfolgen bei der Annahme eines „minder schweren Falls“ vorgebracht werden. Die Ähnlichkeit erklärt sich damit, dass nach der Rechtsprechung die Prüfung eines (unbenannten) „minder schweren Falls“ eine Gesamtwürdigung der Tat und des Täters erfordert95 und sich deshalb mit den konkreten Strafzumessungsfaktoren des § 46 StGB überlappt96. Im Kern beruhen die Bedenken darauf, dass es sich bei der Nebenfolge nicht um eine ungewollte entsozialisierende Folge der Strafe handelt, wie sie nach überwiegendem Verständnis durch § 46 Abs. 1 S. 2 StGB vermieden werden soll.97 Der Gesetzgeber hat vielmehr ganz bewusst einen Rechtsverlust an eine Verurteilung in bestimmter Höhe geknüpft.98 Er hat die Nebenfolge zum einen ausschließlich präventiv und nicht als Strafe ausgestaltet. Zum anderen hat er durch die Automatik den Konflikt mit spezialpräventiven Bedürfnissen im Einzelfall abstrakt zugunsten der positiven Generalprävention entschieden. Anders als bei der Nebenstrafe, die im Wechselspiel mit der Hauptstrafe bemessen wird,99 tritt die Nebenfolge zeitlich nachfolgend ein und setzt eine der Tatschuld angemessene Bestrafung bereits voraus. Der Eintritt der Nebenfolge kann damit gar keine Auswirkung auf das durch den Strafausspruch bereits ausgedrückte Maß an Schuld (§ 46 Abs. 1 S. 1 StGB) haben, weshalb seine Berücksichtigung zweckwidrig ist. Der Gesetzgeber hat es dem Richter insbesondere durch die Regelungstechnik (Automatik) bei gleichzeitigem Verzicht auf eine allgemeine Möglichkeit, vom Eintritt der Nebenfolge abzusehen,100 verwehrt, sich im Einzelfall von der gesetzlichen Wertung zu lösen, dass bestimmte Strafverurteilungen aus primär positiv-generalpräventiven Gründen zusätzliche Rechtsminderungen verlangen. Diese gesetzgeberische Entscheidung wird durch die Einbezie95

BGHSt 29, 319, 322: „Für die Annahme eines solchen Falles kommt es darauf an, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem Maße abweicht, daß die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten ist.“ 96 s. a. Hettinger, Doppelverwertungsverbot, 1982, S. 211 ff. 97 Bruns, Leitfaden, 1980, S. 75; NK4 /Streng § 46 StGB Rn. 34; Lackner/Kühl28 / Kühl § 46 StGB Rn. 27; LK11 /Gribbohm § 46 StGB Rn. 22; SSW1/2 /Eschelbach § 46 StGB Rn. 143; Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig § 46 StGB Rn. 5; Müller-Dietz in: FS Spendel (1992), S. 413, 415; MüKo2 /Miebach § 46 StGB Rn. 36; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Strafzumessung, 2012, Rn. 717; s. insbesondere BGHSt 24, 40, 42 f.: „Bei diesem Grundsatz der ,Individualisierung‘ geht es nicht allein um die gezielte Einwirkung auf einen schon entsozialisierten Täter, die Verurteilung und sinnvoller Vollzug erreichen sollen (Resozialisierung), sondern auch um die Vermeidung unbeabsichtigter Nebenwirkungen von Verurteilung und Vollzug, etwa der Gefahr, daß die Strafe einen bisher sozial ausreichend eingepaßten Täter aus der sozialen Ordnung herausreißt.“ (Hervorh. durch Verf.) 98 Ebenso Nicolaus, Mittelbare Straftatfolgen, 1992, S. 65: „vom Gesetzgeber so gewollt“. 99 s. o. 1. Teil: A. II. 1. 100 s. aber §§ 6 Abs. 2, 106 Abs. 2 JGG.

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3. Teil: Einzelne allgemeine Probleme

hung der Nebenfolge in die Bemessung der Strafe konterkariert.101 Hier ist noch einmal zu betonen, dass sie im Extremfall sogar zu einer „widersinnigen doppelten Strafmilderung“ 102 führt: Das Gericht bemisst die Strafe wegen der in die Gesamtberechnung einzukalkulierenden Nebenfolge tatschuldunterschreitend – gerade wegen dieser milderen Bestrafung tritt die Folge aber gar nicht mehr ein!103 Vollkommen zu Recht hat Koffka deshalb – wie oben bereits erwähnt – die früher vom BGH vertretene Nichtberücksichtigung der beamtenrechtlichen Folgen mit dem Argument gerechtfertigt, dass diese an die strafrechtliche Würdigung der Tatschwere anknüpfen und nicht umgekehrt.104 Diese Erwägung gilt auch allgemein für die Nebenfolge, weil sie präventiv ausgerichtet ist und an die strafrechtliche Bewertung anschließt. Die Rechtsprechung liefert nicht ein einziges Argument, warum diese Reihenfolge, die nach den eigenen Worten „in der Regel“ sogar richtig sei, im Falle der Nebenfolge umzukehren sei.105 Speziell zur Berücksichtigung der Nebenfolge des Verlusts der Beamtenrechte ist hier zudem anzumerken, dass der Gesetzgeber mit dem 30. Abschnitt über die „Straftaten im Amt“ (§§ 331–358 StGB) einen besonderen Schutz des Vertrauens der Bevölkerung in die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes installiert hat.106 Diese Delikte kennzeichnet eine Verletzung des Treueverhältnisses zum Staat oder des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Integrität des Beamtenapparates. 107 Es ist schon von daher nicht nachvollziehbar, dass ein persönlicher Umstand, der die Amtsstraftaten besonders qualifiziert und – wie die Nebenfolgen im Beamtenrecht zeigen108 – selbst bei außerdienstlichen Straftaten jenseits der §§ 331–358 StGB berührt ist, ausgerechnet strafmildernd wirken soll, obwohl der Gesetzgeber das exakte Gegenteil bezweckt. Insgesamt bedingt die Berücksichtigung der Nebenfolge bei der Strafzumessung erst den oben bereits erwähnten systemwidrigen Rückkopplungsprozess mit seiner an sich „unentscheidbaren Schleife“ 109, der die 101 Völlig zu Recht wird es in der Literatur als einen kompetenzwidrigen Eingriff in die Gewaltenteilung bewertet, wenn Richter die für zu streng befundenen beamtenrechtlichen Folgen durch die Verhängung einer schuldunterschreitenden Strafe unterlaufen: Nicolaus, Mittelbare Straftatfolgen, 1992, S. 64; Streng, NStZ 1988, 485, 487; SKStGB/Horn § 46 StGB Rn. 138. 102 NK4 /Streng § 46 StGB Rn. 143. 103 NK4 /Streng § 46 StGB Rn. 143; Streng, NStZ 1988, 485; zust. Müller-Dietz in FS Spendel (1992), S. 413, 431 u. SK-StGB/Horn § 46 StGB Rn. 138. 104 LK9 /Koffka § 13 StGB Rn. 74; in diese Richtung auch Müller-Dietz in: FS Spendel (1992), S. 413, 430: „Schon der Umstand, dass das Disziplinarrecht an das Strafrecht anknüpft, fordert die Frage heraus, ob und inwieweit der Tatrichter bei der Strafzumessung nun seinerseits drohende disziplinarrechtliche Folgen in Rechnung stellen muss.“ 105 So schon Bruns, JZ 1988, 467, 468. 106 Schönke/Schröder29 /Heine vor §§ 331 ff. StGB Rn. 1. 107 Schönke/Schröder29 /Heine vor §§ 331 ff. StGB Rn. 1. 108 s. o. 2. Teil: B. III. 2. 109 Nelles, JZ 1991, 17, 20.

A. Nebenfolge und Strafzumessung

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Strafe im Ergebnis von einer schuldangemessenen Höhe wegführt.110 Es ist daher mit Sinn und Zweck der Nebenfolge nicht zu vereinbaren, wenn ihr Eintritt zugunsten des Täters in die Strafzumessung einfließt. Gestützt wird diese Sicht gleich in zweifacher Hinsicht durch den Rechtsgedanken des § 60 StGB. Dort sieht das Gesetz vor, dass der Täter schon durch die Folgen der von ihm begangenen Straftat angemessen bestraft sein kann (poena naturalis), wodurch eine staatliche Sanktion (poena civilis) überflüssig wird.111 Auch wenn es sich hierbei um eine Ausnahmevorschrift handelt, lässt sich aus ihr zumindest ableiten, dass der Gesetzgeber ein Absehen von einer eigentlich verwirkten Strafe grundsätzlich nur wegen unbeabsichtigter schwerer Folgen für den Täter vorsieht. Mit diesem Rechtsgedanken ist es nicht vereinbar, eine schuldunterschreitende Strafe gerade mit der Vermeidung beabsichtigter Folgen zu begründen. Zum anderen ergibt sich aus der Differenzierung zwischen verwirkter Schuldstrafe (§ 60 S. 2 StGB) und dennoch möglichem Absehen von Strafe (S. 1), dass unser Strafrecht die Strafempfindlichkeit bzw. das „Schon-Bestraft-Sein“ durch die Folgen der Tat selbst nicht in die Bestimmung der Schuldstrafe einbezogen sehen möchte, sondern systematisch erst im Anschluss an die schuldadäquate Bemessung eine Kompensation zulässt.112 Schließlich ist nochmals auf die Unstimmigkeit in der Rechtsprechung zum Strafzumessungsrecht hinzuweisen, die entsteht, wenn man den Eintritt der Nebenfolge in die Bestimmung der Strafhöhe einbezieht. Es leuchtet in keiner Weise ein, warum ein auf elf Monate Freiheitsstrafe lautendes Urteil aufgehoben wird, wenn die Strafhöhe damit begründet wird, dass die Strafaussetzung zur Bewährung ermöglicht werden sollte,113 während die gleiche Strafe Bestand hat, wenn sie in dem Bestreben ausgeurteilt wurde, dem Angeklagten den Eintritt einer Nebenfolge zu ersparen!114 Dem Verbot, Strafzumessung und Strafaussetzung zu vermengen, liegt zu Grunde, dass die Vermengung zu gegenseitigen Wechselwirkungen führt, die mit dem Grundsatz, dass die konkrete Strafe unabhängig von der späteren Frage der Vollstreckungsmodalitäten zu finden ist, nicht vereinbart werden kann.115 Dieser Grundsatz erwächst aus der Methodik der Strafzumessung, die nach der Rechtsprechung im Wesentlichen in drei116 (nach

110 111

s. o. 1. Teil: D. I. 1. f). NK4 /Albrecht § 60 StGB Rn. 1; Schönke/Schröder29 /Stree-Kinzig § 60 StGB

Rn. 1. 112 Streng, NStZ 1988, 485, 487. Ähnlich ist dies bei den Regelungen zur Strafaussetzung zur Bewährung, die es in einem zweiten Schritt erlauben, von der Vollstreckung der Schuldstrafe aus spezialpräventiven Gründen abzusehen. Siehe dazu sogleich. 113 So BGHSt 29, 319. 114 So auch SK-StGB/Horn § 46 StGB Rn. 138. 115 Bruns, JR 1981, 335, 336; Nicolaus, Mittelbare Straftatfolgen, 1992, S. 65. 116 s. nur Schäfer/Sander/van Gemmeren, Strafzumessung, 2012, Rn. 882 ff.

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3. Teil: Einzelne allgemeine Probleme

der Literatur wahlweise fünf 117 oder mehr118) voneinander streng zu trennenden Schritten erfolgt: Zunächst ist über den anzuwendenden Strafrahmen zu entscheiden, dann folgt die konkrete Festsetzung der Strafhöhe und erst dann die Entscheidung, ob eine Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen ist. Dies gilt unabhängig davon, ob man mit der Rechtsprechung der sog. Spielraumtheorie119 folgt oder ein anderes Modell120 wie die sog. Stellenwerttheorie121 bevorzugt.122 In jedem Fall vollzieht sich die Entscheidung, ob die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird oder nicht, erst nach ihrer Bestimmung und ist somit eine Folgeentscheidung ohne Einfluss auf die Strafhöhe.123 Diese Abfolge folgt unmittelbar aus dem Gesetz, das die Aussetzungsentscheidung in § 56 StGB davon abhängig macht, ob der Täter zu einer Freiheitsstrafe von einer bestimmten Höhe verurteilt wird. Das Gesetz knüpft hier also an eine konkrete Festsetzung an. Bezieht man nun in die vorangehende Bemessung auch die nachfolgende Entscheidung ein, unterläuft man bewusst gesetzgeberische Grenzen.124 Deshalb ist es richtig, dass Rechtsprechung und Literatur die Vermengung von Strafzumessungs- und Strafvollstreckungsentscheidung als fehlerhaft bewerten.125 Nicht nachvollziehbar ist dagegen, warum dies bei der Nebenfolge anders sein soll.126 Die Nebenfolge knüpft genauso wie die Strafaussetzungsmöglichkeit in § 56 StGB an bestimmte Strafgrenzen. Eine Vermengung dieser Folgeentscheidung mit der vorausgehenden Strafbemessung führt auch hier dazu, dass der Gesetzeszweck unterlaufen wird. Insgesamt ist die Berücksichtigung der Nebenfolge bei der Strafzumessung daher widersprüchlich und sinnwidrig und somit eindeutig abzulehnen. 3. Berücksichtigung der Nebenfolge bei der Strafrahmenwahl Nachdem die Berücksichtigung der Nebenfolge bei der Strafzumessung im engeren Sinne abgelehnt worden ist, bleibt nur noch zu erörtern, ob der Eintritt der 117

Bruns, ZStW 94 (1982), 111, 115; Bruns, Strafzumessung, 1985, S. 6. Meier, Sanktionen, 2015, S. 163 ff. 119 s. o. 1. Teil: A. I. 3. 120 s. o. 1. Teil: Fn. 121. Dies gilt z. B. auch für die Theorie der tatproportionalen Strafzumessung, die Strafe zentral nach der Tatschwere bemisst, auf die der Eintritt der Nebenfolge naturgemäß keinen Einfluss haben kann. 121 SK-StGB/Horn § 46 StGB Rn. 33 ff. 122 Nicolaus, Mittelbare Straftatfolgen, 1992, S. 66. 123 Nicolaus, Mittelbare Straftatfolgen, 1992, S. 66. 124 Bruns, JR 1981, 335, 336; Nicolaus, Mittelbare Straftatfolgen, 1992, S. 66. 125 So auch wieder kürzlich der BGH zu einem umgekehrten Fall (Gericht setzt Strafe bewusst jenseits von zwei Jahren Freiheitsstrafe fest, damit es sich nicht zur Frage der Strafaussetzung zur Bewährung äußern muss) in Beschl. v. 10.10.2013 – 2 StR 355/13 = HRRS 2013 Nr. 1082. 126 Streng, NStZ 1988, 485, 487; Nicolaus, Mittelbare Straftatfolgen, 1992, S. 65 ff. A. A. Mestek-Schmülling, Mittelbare Straftatfolgen, 2004, S. 131. 118

A. Nebenfolge und Strafzumessung

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Nebenfolge dazu geeignet ist, über die Annahme eines „minder schweren Falls“ einen milderen Strafrahmen zu eröffnen. Der BGH fordert insoweit, dass der Eintritt der Nebenfolge als bestimmender Strafzumessungsgrund schon bei der Wahl des Strafrahmens Berücksichtigung finden müsse.127 Diese Forderung basiert auf der von der Rechtsprechung favorisierten, in der Literatur aber zum Teil kritisierten128 Gesamtwürdigungslehre, nach der in die Entscheidung über den Ausnahmestrafrahmen „alle Umstände einzubeziehen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters bedeutsam sind, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen.“ 129 Hier ist zunächst anzumerken, dass die Formel des BGH, wonach es zur Bestimmung des „minder schweren Falls“ auch auf die der Tat nachfolgenden Umstände ankomme, keineswegs neu ist,130 sondern in einer langen Tradition steht: Schon in das StGB für den Norddeutschen Bund von 1870, das mit wenigen Änderungen zum RStGB von 1871, dem unmittelbaren Vorgänger unseres heutigen StGB wurde,131 floss nach dem Vorbild des Preußischen StGB von 1851 die Regelungstechnik der „mildernden Umstände“ ein.132 Ohne dass der Gesetzgeber dem Richter eine Richtschnur für die Auslegung und Anwendung dieses Instituts gegeben hätte, wurden darunter schon immer Umstände gefasst, die der Tat nachfolgten, insbesondere Aspekte, die heute mit dem Begriff des Nachtatverhaltens beschrieben werden, wie z. B. Reue, Geständnis und Schadenswiedergutmachung.133 An diesem Zustand änderten auch die folgenden Jahrzehnte mit all ihren Reformen nichts. Deshalb ist es aus historischer Sicht zutreffend, den „minder schweren Fall“ als einen Fall geringerer Strafwürdigkeit zu begreifen und über seine Anwendung mithilfe einer breiteren, die strenge Tatschuld überschreitenden Betrachtung zu entscheiden, zu der auch die Tatfolgen zählen.134 Gleichwohl werden heute gewichtige Argumente für eine engere Sicht vorgetragen – allerdings ist diese Kritik richtigerweise an den Gesetzgeber (und nicht die Rechtsprechung) zu richten, der es insbesondere bei und nach der Großen Strafrechtsreform135 unterlassen hat, ein stimmiges System der Regelstrafrahmen 127

BGHSt 35, 148 zum Verlust der Beamtenrechte. s. etwa Streng, Sanktionen, 2012, S. 248 f. (Rn. 512); Horn in: GS Kaufmann (1989), S. 573; Frisch/Bergmann, JZ 1990, 944. 129 BGHR StGB vor § 1 StGB „minder schwerer Fall“, Gesamtwürdigung 5. 130 s. zuvor auch RGSt 48, 308, 310. 131 s. o. 1. Teil: Fn. 447. 132 Hettinger in: FS 140 Jahre GA (1993), S. 77, 86 f. m.w. N. 133 Hettinger in: FS 140 Jahre GA (1993), S. 77, 86 f. m.w. N. 134 Hettinger in: FS 140 Jahre GA (1993), S. 77, 109; Lambrecht, Strafrecht und Disziplinarrecht, 1997, S. 95 ff.; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Strafzumessung, 2012, Rn. 1105; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 1996, S. 271; Mestek-Schmülling, Mittelbare Straftatfolgen, 2004, S. 147; differenzierend Nicolaus, Mittelbare Straftatfolgen, 1992, S. 110 ff. 135 s. dazu Hettinger in: FS 140 Jahre GA (1993), S. 77, 100 ff. 128

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3. Teil: Einzelne allgemeine Probleme

und der Modifikationen durch „besonders schwere“ und „minder schwere Fälle“ zu schaffen.136 Auch wenn sich der Begriff des „minder schweren Falls“ grammatikalisch als umfassender, zeitlich nicht begrenzter Lebenssachverhalt verstehen lässt,137 wird vertreten, dass es überzeugender sei, unter „Fall“ nur den konkreten geschichtlichen Vorgang zu begreifen, wie er etwa dem prozessualen Tatbegriff138 zu Grunde liegt.139 Wenn nämlich Umstände, die mit der Qualität der eigentlichen Tatbestandserfüllung nicht das Geringste zu tun haben, zur Begründung eines „minder schweren Falles“ herangezogen werden, bestehe die Gefahr, den Begriff des „Falles“ zur „leeren Worthülse [zu] denaturieren und funktionslos [zu] stellen.“ 140 Eine solche begriffliche Beschränkung beruht auf dem systematischen Verständnis, dass jeder „minder schwere Fall“ vor der Folie des Grunddelikts zu sehen sei. Wie sich aus der Regelung des Sonderstrafrahmens innerhalb desselben Tatbestands ergebe, sei zu seiner Bestimmung eine Bewertung des spezifischen Tatunrechts vorzunehmen.141 Weiter werden Gerechtigkeitsbedenken angemeldet: Wenn Faktoren ohne deliktsspezifischen Zusammenhang, die bei jedem Delikt gleichermaßen bedeutsam sind,142 nur bei den ausgewählten Tatbeständen mit einem „minder schweren Fall“ einen milderen Strafrahmen bedingen können, während sie sonst bloß innerhalb des Regelstrafrahmens berücksichtigt werden können, erscheine dies willkürlich.143 Allerdings ist auch dieser Vorwurf an den Gesetzgeber zu richten, der für das nicht nur wegen weitgehender Überlappungen insgesamt wenig stimmige Geflecht der Normal- und Sonderstrafrahmen verantwortlich ist.144

136

Hettinger in: FS 140 Jahre GA (1993), S. 77, 112 f. So Nicolaus, Mittelbare Straftatfolgen, 1992, S. 110; Mestek-Schmülling, Mittelbare Straftatfolgen, 2004, S. 144. 138 BGHSt 35, 60, 62: „[. . .] Denn die Tat als Prozeßgegenstand ist nicht nur der in der Anklage umschriebene und dem Angeklagten zur Last gelegte Geschehensablauf; vielmehr gehört zu ihm das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorgang nach der Auffassung des Lebens ein einheitliches Vorkommnis bildet.“ 139 In diese Richtung NK4 /Streng § 46 StGB Rn. 144; Frisch, JR 1986, 89, 93. 140 Frisch, JR 1986, 89, 93. 141 Streng, NStZ 1988, 485; Nicolaus, Mittelbare Straftatfolgen, 1992, S. 113; Mestek-Schmülling, Mittelbare Straftatfolgen, 2004, S. 144 f., die darauf hinweist, dass der Gesetzgeber mit seiner Verwendung des Begriffs „Fall“ regelmäßig Bezug auf die Tatbegehung und somit das spezifische Tatunrecht nimmt. Siehe etwa § 176a Abs. 1 StGB, wonach der sexuelle Missbrauch von Kindern „in den Fällen des § 176 Abs. 1 und 2“ mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft wird. 142 Dies gilt nach der Rechtsprechung auch für die Nebenfolge allgemein, die allen möglichen Delikten (z. B. allen Verbrechen) nachfolgen kann. Nach dem zuvor Gesagten ist die Nebenfolge nach hier vertretener Auffassung dagegen nicht in die Strafzumessung einzubeziehen. 143 Frisch/Bergmann, JZ 1990, 944, 950. 144 s. nochmals Hettinger in: FS Küper (2007), S. 95 ff. 137

A. Nebenfolge und Strafzumessung

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Eine Entscheidung für die eine oder andere Ansicht ist an dieser Stelle aber nicht notwendig. Für die Frage, ob der Eintritt einer gesetzlichen Nebenfolge dazu berechtigt, einen „minder schweren Fall“ anzunehmen, sind vielmehr zwei Argumente entscheidend. Erstens weist Bruns zu Recht darauf hin, dass es sowohl bei der Bewertung des Tatbildes als auch der Strafwürdigkeit um die (ggf. sogar nachfolgenden) tatsächlichen Umstände geht, während die Einbeziehung von Rechtsfolgen einen schweren Fehler darstellt.145 Dies wird durch einen Blick auf die Historie des „minder schweren Falls“ gestützt, der zeigt, dass es früher immer schon um (ggf. nachfolgende) Umstände, niemals aber um Rechtsfolgen ging, die eine mildere Bestrafung rechtfertigen sollen.146 Zweitens – und das hängt eng mit dem ersten Einwand zusammen – ist der zeitlich nachfolgende Eintritt der Nebenfolge als zusätzliche nicht-strafende Einbuße eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers. Diese verbietet es, ausgerechnet wegen einer beabsichtigten rechtlichen Folge im Ergebnis eine mildere Bestrafung vorzunehmen. Richtigerweise kann es daher selbst unter Zugrundelegung der Maßstäbe der Rechtsprechung, d.h. den „minder schweren Fall“ als Fall einer geminderten Strafwürdigkeit zu begreifen und dabei auch zeitlich nachfolgende (ggf. sogar rechtliche) Folgen einzubeziehen, nur um solche Fälle gehen, in denen den Täter unbeabsichtigte Folgen treffen.147

IV. Ergebnis Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Nebenfolge trotz der mit ihr verbundenen zusätzlichen Belastungen für den Täter keinen Einfluss auf die Strafzumessung haben darf. Sie ist weder im Rahmen des Schuldausgleichs noch als Strafwirkung i. S. d. § 46 Abs. 1 S. 2 StGB zu berücksichtigen und ist auch kein Umstand, der zur Annahme eines „minder schweren Falls“ berechtigt. Im Kern stützt sich die hier vertretene Ansicht auf die Entscheidung des Gesetzgebers, die Nebenfolge als primär positiv-generalpräventive Sanktion von Strafe und Nebenstrafe zu trennen und durch ihren automatischen Eintritt von der Entscheidung im Einzelfall abzukoppeln. Die Gegenansicht konterkariert nicht nur den ausdrücklichen (!) Willen des Gesetzgebers, sondern verursacht überdies heftige Friktionen und Widersprüche im Strafzumessungsrecht, die im Ergebnis zu nicht gerechtfertigten Unterschreitungen der schuldangemessenen Strafe führen und deshalb sogar geeignet erscheinen, der Akzeptanz des Strafrechts in der Bevölkerung zu schaden.

145 146 147

Bruns, JZ 1988, 467 f. Hettinger in: FS 140 Jahre GA (1993), S. 77, 87, 88, 94, 99, 103 f. Vgl. nochmals den Rechtsgedanken des § 60 StGB.

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3. Teil: Einzelne allgemeine Probleme

B. Nebenfolge und Registerrecht Eine wichtige Rolle, um den tatsächlichen Vollzug der Nebenfolgen zu gewährleisten, spielt das Registerrecht. Schließlich muss der Eintritt der Nebenfolge denjenigen bekannt gemacht werden, die den Rechtsverlust bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen haben (d.h. in erster Linie Behörden, Arbeitgeber etc.).

I. Registerrechtliche Behandlung allgemein Nach § 5 Abs. 1 Nr. 7 BZRG gehören zum Inhalt der Zentralregistereintragung sämtliche Nebenfolgen einer Straftat. Weil § 35 Abs. 2 BZRG bestimmt, dass Nebenfolgen bei der Feststellung der Frist nach § 34 BZRG unberücksichtigt bleiben, wird daraus gefolgert, dass sie jeweils das Schicksal der Haupteintragung teilen.148 Das bedeutet auch, dass eine strafrechtliche Nebenfolge nicht isoliert eingetragen werden kann. Im Führungszeugnis erscheint sie nur dann, wenn hinsichtlich der Haupteintragung keine Ausnahmeregelung eingreift. Denn im Interesse der Resozialisierung des Verurteilten werden nicht alle Angaben aus dem Bundeszentralregister in das Führungszeugnis übernommen: § 32 Abs. 1 S. 1 BZRG sieht zwar vor, dass sämtliche in den §§ 4 bis 16 BZRG bezeichneten Eintragungen in das Führungszeugnis aufgenommen werden. In § 32 Abs. 2 Nr. 1 bis 12 BZRG werden von dieser Regel allerdings zahlreichende Ausnahmen gemacht, damit Bagatellverurteilungen, Jugendverfehlungen, vorläufige Entscheidungen u. ä. nicht zum Stigma werden. Von dieser Ausnahme werden wiederum Ausnahmen gemacht. Die erste „Gegenausnahme“ findet sich bereits in § 32 Abs. 1 S. 2 BZRG: Abs. 2 Nr. 3 bis 9 gelten nicht für Verurteilungen nach den §§ 174 bis 180 oder 182 StGB. Weitere „Ausnahmen von der Ausnahme“ finden sich in § 32 Abs. 3 und 4 BZRG für den Fall, dass es sich um ein Führungszeugnis für Behörden (§§ 30 Abs. 5, 31 BZRG) handelt. Seit dem 1. Mai 2010 sieht das BZRG in den §§ 30a, 31 zusätzlich ein sog. „erweitertes“ Führungszeugnis vor.149 Ein solches wird entweder in den gesetzlich speziell angeordneten Fällen (§ 30a Abs. 1 Nr. 1 BZRG) oder zur Prüfung der persönlichen Eignung i. S. d. § 72a SGB VIII bzw. sonstiger Eignung für erzieherische Tätigkeiten (§ 30a Abs. 1 Nr. 2 BZRG) erteilt. Auch für das erweiterte Führungszeugnis gelten gem. § 32 Abs. 5 BZRG eine ganze Reihe „Ausnahmen von den Ausnahmen“ des § 32 Abs. 2 Nr. 3 bis 9 BZRG. Hier geht es um den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor der Betreuung durch einschlägig vorbestrafte Täter (nun bspw. zusätzlich bei im Vergleich zu § 32 Abs. 1 S. 2 148

Götz/Tolzmann § 33 BZRG Rn. 7; Rebmann/Uhlig/Pieper § 33 BZRG Rn. 17. 5. Gesetz zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes vom 16. Juli 2009, BGBl. I S. 1952. 149

B. Nebenfolge und Registerrecht

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BZRG einfacheren Sexualdelikten wie den §§ 183 bis 184f StGB oder anderen jugendschutzrelevanten Straftaten wie der Misshandlung von Schutzbefohlenen nach § 225 StGB). Nach § 31 Abs. 2 BZRG können Behörden unter denselben Voraussetzungen wie private Träger das erweiterte Führungszeugnis erhalten.

II. Konflikt mit § 53 BZRG Da Nebenfolgen das Schicksal der Haupteintragung teilen,150 aber die Dauer der durch die Nebenfolgen bewirkten Rechtsverluste teilweise viele Jahre beträgt, ist es möglich (und im Fall von Bagatellverurteilungen, die nach § 32 Abs. 2 BZRG gar nicht erst ins Führungszeugnis aufgenommen werden, sogar naheliegend), dass etwa ein durch die Nebenfolge statuiertes Verbot länger existiert, als die ihm zugrunde liegende Verurteilung zur Hauptstrafe im Führungszeugnis erscheint.151 Nach § 53 BZRG darf sich der Verurteilte aber als unbestraft bezeichnen und braucht den der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt nicht zu offenbaren, wenn die Verurteilung nicht in das Führungszeugnis oder nur in ein Führungszeugnis nach § 32 Abs. 3, 4 aufzunehmen (Nr. 1) oder zu tilgen (Nr. 2) ist. Hier entsteht ein Konflikt zwischen der Wirkung der Nebenfolge und dem Schweigerecht für den Verurteilten aus § 53 BZRG: Einerseits darf er sich als „nicht vorbestraft“ bezeichnen und muss auch keine Auskunft über den zugrunde liegenden Sachverhalt geben, andererseits trifft ihn infolge dieser Strafverurteilung noch der Rechtsverlust durch die Nebenfolge. Teilweise ist der Verstoß gegen ein durch die Nebenfolge angeordnetes Verbot sogar selbst sanktionsbewehrt.152 Der Verurteilte kann sein Recht aus § 53 BZRG in einem solchen Fall nicht effektiv ausüben, wenn er gleichzeitig (u. U. unter Androhung von Strafe) dazu verpflichtet ist, dem Verbot der Nebenfolge zu gehorchen. Diese beiden Wertungen stehen sich diametral gegenüber, so dass zunächst einmal kein Ausgleich möglich erscheint. Eine Lösung des Konflikts gestaltet sich insgesamt schwierig: 1. Nebeneinander von § 53 BZRG und Nebenfolge Denkbar wäre zunächst, einer der beiden Regelungen den Vorrang gegenüber der anderen einzuräumen. Das könnte in der Weise geschehen, dass die Nebenfolge und § 53 BZRG nebeneinander stehen bleiben, solange sich der Verurteilte außerhalb des Anwendungsbereichs der Nebenfolge bewegt. Er dürfte sich zwar als „nicht vorbestraft“ bezeichnen, müsste aber gleichzeitig dem Verbot der Ne-

150 151 152

s. o. 3. Teil: Fn. 148. So bereits Götz/Tolzmann § 5 BZRG Rn. 31. s. etwa § 58 JArbSchG.

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3. Teil: Einzelne allgemeine Probleme

benfolge gehorchen. Sobald eine Überschneidung eintritt, ginge die Nebenfolge de facto vor. In einem solchen Fall käme die Aufnahme einer entsprechenden Tätigkeit wohl von vornherein nicht in Betracht, weil der Verurteilte sonst auf das durch die Nebenfolge angeordnete Verbot hinweisen und damit implizit seine frühere Delinquenz trotz seines Schweigerechts in § 53 BZRG offenbaren müsste.153 Gewährleistet ist die Offenbarung aber ohnehin nur in den Fällen, in denen der Verstoß gegen die Nebenfolge als Ordnungswidrigkeit oder Straftat geahndet wird. In den übrigen Fällen könnte man eine Offenbarungspflicht dagegen nicht annehmen; schließlich kann vom Verurteilten nicht ernsthaft erwartet werden, dass er die Nebenfolge selbst vollstreckt. Der Gesetzgeber hat es hier in der Hand, die Nebenfolge durch Sanktionierung der Zuwiderhandlung verbindlich zu machen, wenn er es denn für nötig erachtet.154 Für diese Lösung spricht lediglich, dass der Gesetzgeber den Eintritt der Nebenfolge zwingend an bestimmte Verurteilungen geknüpft hat, also offensichtlich auch in diversen Bagatellfällen davon ausgeht, dass aus präventiven Gründen eine Rechtsminderung notwendig ist. Allerdings widerspricht ein Vorrang der Nebenfolge der derzeitigen Konzeption des Registerrechts. Dort ist anerkannt, dass Nebenentscheidungen das Schicksal der Haupteintragung teilen.155 Ist eine Haupteintragung nicht eintragungsfähig, getilgt oder tilgungsreif, verschwindet mit ihr die Nebeneintragung. Mit diesem systematischen Verständnis lässt es sich nicht vereinbaren, dass eine Nebenfolge längere Zeit Wirkung entfalten soll, als es die Hauptfolge kann. Ihre Berechtigung finden Tilgungsregelung und Schweigerecht immerhin im verfassungsrechtlich anerkannten Resozialisierungsinteresse des Verurteilten.156 Der Gesetzgeber hat offenbar übersehen, dass er materiell widerstreitende Regelungen geschaffen hat, indem er Nebenfolgen sowohl mit einer längeren Dauer als die Tilgungsfrist der Hauptstrafe als auch einer geringeren Tatbestandsschwelle als die Eintragungsgrenzen in § 32 BZRG versehen hat. Besonders misslich wirkt sich in diesem Zusammenhang aus, dass nicht nur die Dauer der Nebenfolge meist starr, sondern auch ihr Eintritt immer absolut zwingend ist. Um der

153 Alternativ könnte er ohne Begründung auf die Stelle/Arbeit verzichten, was aber ebenfalls als eine nicht zumutbare „Selbstvollstreckung“ der Nebenfolge erscheint. Siehe sogleich. 154 Ebenso könnte er bestimmen, dass Nebenfolgen entgegen dem Gedanken des § 34 BZRG unabhängig von der Haupteintragung in das Führungszeugnis aufzunehmen sind. 155 s. o. 3. Teil: Fn. 148. 156 Schriftl. Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform in: BT-Drs. VI/ 1550, Einleitung sowie S. 3, 21 ff.; BR-Drs. 676/69, S. 14 f.; BVerfG NJW 1974, 179, 181. Siehe auch BVerfGE 35, 202 (Lebach); Rebmann/Uhlig/Pieper vor § 51 BZRG Rn. 1 ff., § 51 BZRG Rn. 1, vor § 53 BZRG Rn. 1 ff., § 53 BZRG Rn. 1; Götz/Tolzmann § 51 BZRG Rn. 4 ff. u. § 53 BZRG Rn. 4.

B. Nebenfolge und Registerrecht

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Wertung des § 53 BZRG zu entsprechen, müsste demnach die Wirkung der Nebenfolge beseitigt werden können. Dies könnte auf zwei Wegen geschehen: 2. Erledigung der Nebenfolge durch Gnadenakt Eine erste Option bietet das Gnadenrecht der Exekutive. So sehen die Gnadenordnungen der Länder in der Regel vor, dass strafrechtliche Folgen durch Ausübung des Gnadenrechts durch den Ministerpräsidenten (oder einen delegierten Minister bzw. nach den landesrechtlichen GnO regelmäßig die ihm untergeordnete Staatsanwaltschaft157) ganz oder teilweise beseitigt oder gemildert werden können.158 In 3, 3.2 der rheinland-pfälzischen GnO ist beispielsweise geregelt, dass auch Nebenfolgen zum Inhalt der Gnadenentscheidung gehören. Dies entspricht dem herrschenden Verständnis und dem Wortlaut von § 3 der ursprünglichen Gnadenordnung des Bundes von 1935.159 Die Nachteile dieser Lösung liegen auf der Hand: Ein Gnadenakt steht im freien Ermessen der Exekutive und eine ablehnende Entscheidung ist nicht gerichtlich überprüfbar.160 Die Erfolgsaussichten werden regelmäßig als gering eingeschätzt.161 Zudem ist ein solches Verfahren kaum dazu geeignet und gedacht, massenhaft gesetzliche Ungereimtheiten zu beseitigen. Seinem Wesen nach geht es dem Gnadenrecht vielmehr um die erforderliche Korrektur ursprünglich rechtmäßiger, aber im Nachhinein unbilliger Einzelfallentscheidungen.162 Insgesamt ist das Gnadenrecht daher nicht dazu geeignet, den Konflikt zwischen der Nebenfolge und § 53 BZRG befriedigend zu lösen. 157

Siehe z. B. § 3 Abs. 1 HGnO. Die Gnadenentscheidung bezieht sich in jedem Fall nur auf die Rechtsminderung durch die Nebenfolge und nicht unmittelbar auf die Registervergünstigung, für die das BZRG besondere Regelungen bereithält (§§ 39, 49 BZRG), s. Jescheck, Strafrecht AT, 1988, S. 826. 159 s. nur Müller/Schlothauer/Birkhoff, MAH, § 26 III. 1. Rn. 19 m.w. N. Dabei schadet es nicht, wenn der Begriff der Nebenfolge, wie er in den GnO verwendet wird, möglicherweise – abweichend von der hier vertretenden Definition – als Oberbegriff für verschiedene nicht-strafende Nebenentscheidungen verstanden würde. Denn dieses Verständnis wäre weiter und würde den hier vertretenen engen Begriff der Nebenfolge in jedem Fall erfassen. 160 BVerfGE 25, 352 ff.; Müller-Dietz, DRiZ 1987, 474, 475; Meier berichtet in MschrKrim 2000, 176 ff. zudem davon, dass der empirische Zugang zu den Entscheidungskriterien schwierig ist. 161 Leipold, NJW-Spezial 2007, 183, 184; Müller/Schlothauer/Birkhoff, MAH, § 26 IV. 3. Rn. 139. Angesichts des Umstands, dass die Gnadenentscheidungen vielfach an die Staatsanwaltschaften delegiert sind, verwundert dies nicht weiter. Denn dort wird die Bereitschaft, (Vollstreckungs-)Entscheidungen, an denen man zuvor noch im ordentlichen Verfahren selbst beteiligt war, nun außerordentlich zu revidieren, eher gering ausgeprägt sein. 162 BVerfGE 25, 352, 360; Pflieger, ZRP 2008, 84, 86 f.; Müller/Schlothauer/Birkhoff, MAH, § 26 I 2. Rn. 6, II. 2. Rn. 14. 158

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3. Teil: Einzelne allgemeine Probleme

3. Entsprechende Anwendung des § 45b StGB Eine andere Lösung bietet die Wiederverleihungsmöglichkeit in § 45b StGB. Dort ist geregelt, dass die nach § 45 Abs. 1, 2 und 5 StGB aberkannten Rechte und Fähigkeiten vorzeitig wiederverliehen werden können, wenn mindestens die Hälfte der angeordneten Dauer des Rechtsverlusts vorüber ist und dem Verurteilten eine positive Legalprognose in Bezug auf vorsätzliche Straftaten gestellt wird. Mit dieser Rehabilitationsmöglichkeit soll eine bessere Anpassung der Nebenfolgen an die Verhältnisse des Verurteilten ermöglicht und dessen Resozialisierung gefördert werden.163 Für die Entscheidung über die Wiederverleihung ist das Vollstreckungsgericht zuständig, das ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheidet (§§ 462 Abs. 1, 462a Abs. 1 StPO). Es existieren Anhörungspflichten für das Gericht (§ 462 Abs. 2 S. 1 StPO) und der Beschluss ist gerichtlich anfechtbar (§ 462 Abs. 3 S. 1 StPO). Zweckmäßig ist ferner, dass der Verurteilte mit einem eigenen Antrag frühzeitig auf eine Entscheidung nach § 45b StGB hinwirken kann.164 Nach seinem Wortlaut findet § 45b StGB jedoch nur auf die Nebenfolgen und Nebenstrafen des § 45 StGB Anwendung. Doch die Interessenlage ist bei anderen Nebenfolgen vergleichbar, sodass eine analoge Anwendung in Betracht kommt.165 Die umfangreichen Regelungen zur Resozialisierung des Verurteilten, die sich sonst in StGB, BZRG und anderen Gesetzen finden, lassen darauf schließen, dass der Gesetzgeber diese Regelungslücke nicht bewusst geschaffen hat, sondern dass sie ihm planwidrig unterlaufen ist. In der Sache ist es kein Unterschied, ob dem Verurteilten Amtsfähigkeit und Wählbarkeit oder andere Tätigkeiten, Positionen oder rechtliche Fähigkeiten durch eine Nebenfolge abgesprochen werden. Jeweils behindern diese Einschränkungen seine Wiedereingliederung, weshalb eine vergleichbare Interessenlage gegeben ist. Unter den Voraussetzungen des § 45b StGB, der immerhin einen gewissen Zeitablauf und die positive Legalprognose bezüglich vorsätzlicher Straftaten fordert, wiegt das Resozialisierungsinteresse des Verurteilten regelmäßig schwerer als das Interesse des Gesetzgebers und der Gesellschaft an einem weiteren präventiven Ausschluss, sodass die analoge Anwendung von § 45b StGB eine sachgerechte Lösung verspricht. Dies gilt besonders in den vorliegend relevanten Fällen von Bagatellverurteilungen und längerem Zeitablauf seit Begehung der Tat. Aus Grün163

MüKo2 /Radtke § 45b StGB Rn. 1; Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig § 45b StGB

Rn. 1. 164 Der Antrag kann bereits vor Ablauf der Mindestdauer gestellt und bei Ablehnung jederzeit erneuert werden, s. Schönke/Schröder29 /Stree/Kinzig § 45b StGB Rn. 6. 165 In diese Richtung auch Götz/Tolzmann § 5 BZRG Rn. 31, die sich eine Norm nach dem Vorbild des § 56e StGB wünschen, die es dem Gericht erlauben würde, die Entscheidung nachträglich zu ändern oder aufzuheben. Siehe zu den Voraussetzungen einer Analogiebildung allgemein Horn, Einführung, 2011, S. 126 ff. m.w. N.; speziell zum Strafrecht LK12 /Dannecker § 1 StGB Rn. 244 ff.

B. Nebenfolge und Registerrecht

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den der Verhältnismäßigkeit ist also eine allgemeine Wiederverleihungsmöglichkeit notwendig. Eine zentrale Regelung im StGB mit einem entsprechendem Verfahren nach der StPO war früher im Übrigen ein wichtiges Argument für die Beibehaltung der Statusminderungen in Form des § 45 StGB.166 Ebenso wie bestimmte Nebengesetze an den Verlust nach § 45 StGB anknüpfen, sollten daher (sozusagen als Kehrseite) Rechte und Fähigkeiten, die durch Nebenfolgen im Nebenrecht aberkannt wurden in entsprechender Anwendung des § 45b StGB (oder durch eine gesetzliche Neuregelung) wiederverliehen werden können. Dafür spricht schließlich der Umstand, dass inzwischen einzelne Rechtsminderungen wie z. B. der Verlust der Schöffenfähigkeit aus dem StGB (§ 31 Abs. 2 StGB a. F.) in die Nebengesetze (§ 32 Nr. 1 Alt. 2 GVG) verlagert wurden. Ohne eine entsprechende Anwendung des § 45b StGB bzw. eine neu zu schaffende gesetzliche Regelung würde die Wiederverleihungsmöglichkeit des neuen Rechts nicht einmal alle Rechtsverluste der alten Ehrenstrafen erfassen – und das ausgerechnet nach der Großen Strafrechtsreform, die sich immerhin eindeutig der Resozialisierung des Straftäters verpflichtet hatte167. Für den Fall, dass ein Antrag auf Wiederverleihung der aberkannten Rechte und Fähigkeiten Erfolg hat, wäre das Register, in das die Rechtsminderung in der vorliegenden Konstellation ja gerade nicht eingetragen ist, ohne weitere Korrekturen richtig, sodass ein zusätzlicher Antrag nach §§ 39, 49 BZRG entbehrlich wäre. 4. Ergebnis Eine Lösung für den Konflikt zwischen Nebenfolge und § 53 BZRG ist demnach de lege lata in Teilen möglich, wenn man eine analoge Anwendung des § 45b StGB anerkennt, durch die Rechtsminderungen qua Nebenfolge vorzeitig wieder beseitigt werden können. Damit könnte in vielen Fällen mit Ablauf der Tilgungsfrist für die Haupteintragung (§ 34 BZRG: meist 3 oder 5 Jahre) auch die Nebenfolge rechtzeitig aufgehoben werden – allerdings nur, soweit die materiellen Voraussetzungen des § 45b StGB erfüllt sind. Bei Bagatellverurteilungen, die von Anfang an nicht im Führungszeugnis erscheinen, könnte wegen der Mindestablaufzeit, die § 45b StGB verlangt, de lege lata dagegen nur das Gnadenrecht Abhilfe schaffen. Eine extensive Anrufung der Gnadenstellen würde dort vielleicht ein Bewusstsein für die Problematik schaffen und eine Reform der gesetzlichen Regelungen initiieren, die wegen der gesetzlichen Friktionen offensichtlich dringend nötig ist. Bislang wird in der Praxis anscheinend vielfach der Weg über das Registerrecht gewählt, indem beim Bundesamt für Justiz ein Antrag auf Entfernung der Nebenfolge aus dem Register gestellt wird.168 Weil die 166

s. o. 1. Teil: Fn. 790. s. o. 1. Teil: B. V. 4. 168 s. Kalf, StV 1991, 132, 138; OLG Hamm BeckRS 1992, 09247, OLG Hamm BeckRS 1988, 07266; s. a. Weblink in 1. Teil: Fn. 25. 167

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3. Teil: Einzelne allgemeine Probleme

Voraussetzungen der §§ 39, 49 BZRG jedoch in diesen Fällen regelmäßig gar nicht vorliegen, verspricht dieses Vorgehen keinen Erfolg.

C. Nebenfolge und rechtliches Gehör Ein weiteres allgemeines Problem im Zusammenhang mit der Nebenfolge ergibt sich aus dem Umstand, dass der Betroffene vielfach von ihrem Eintritt völlig überrascht wird.169 Zwar ist unter Verteidigern regelmäßig bekannt, dass eine Verurteilung nicht nur eine Strafe nach sich ziehen, sondern eine Fülle weiterer rechtlicher wie tatsächlicher Nachteile bedeuten kann, zu denen u. a. die zeitweilige Rechtsminderung durch eine Nebenfolge zählt,170 aber nicht alle Verteidiger haben immer alle Folgen vor Augen und nicht alle Beschuldigten haben einen Verteidiger. Im Hinblick auf den verfassungsmäßig garantierten Grundsatz des rechtlichen Gehörs ist dies hochproblematisch, denn schließlich umfasst dieses Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG nicht nur die Gelegenheit für den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten, sich zum zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern,171 Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen,172 und auf der anderen Seite die grundsätzliche Pflicht des Gerichts, diese Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen173.174 Darüber hinaus sichert Art. 103 Abs. 1 GG nämlich das Vorfeld dieser grundrechtlich geschützten Position ab, damit das Recht der Prozessbeteiligten, sich zu äußern, nicht zur inhaltsleeren Form verkommt.175 Zur wirksamen Wahrnehmung des Anhörungsrechts ist es insoweit erforderlich, dass der Beschuldigte hinlängliche Informationen über die Einleitung, über den Hauptinhalt und über den derzeitigen Stand des gerichtlichen Verfahrens erhält.176

169 s. o. das Beispiel aus der Einleitung. Ebenso am Beispiel des § 25 JArbSchG bereits Kalf, StV 1991, 132, 138. Allgemein auf versteckte Nebenfolgen (im untechnischen Sinn) hinweisend Bellinghausen, ZWH 2013, 395. 170 Parigger, StraFo 2011, 447; Röth, StraFo 2012, 354; Gercke, wistra 2012, 291; Bellinghausen, ZWH 2013, 395; Müller/Schlothauer, MAH, Teil F: Außerstrafrechtliche Folgen des Strafverfahrens. 171 BVerfGE 60, 175, 210. 172 BVerfGE 6, 19, 20; BVerfGE 15, 303, 307; BVerfGE 36, 85, 87. 173 BVerfGE 42, 364, 367; BVerfGE 60, 250, 252. 174 BVerfGE 64, 135 ff., 143 f. 175 BVerfGE 64, 135 ff., 143 f. 176 BVerfG HRRS 2013 Nr. 840 Rn. 21; Dahs, Rechtliches Gehör, 1965, S. 23; Maunz/Dürig/Schmid-Aßmann, Art. 103 GG Rn. 70. Eine einfachrechtliche Konkretisierung dieser staatlichen Pflicht findet sich etwa in § 265 StPO, der das Strafgericht bei einer Änderung des rechtlichen Gesichtspunktes zu einem Hinweis verpflichtet, damit sich der Angeklagte sachgerecht verteidigen kann (und z. B. nicht aus „heiterem Himmel“ nach einem anderen Straftatbestand verurteilt wird).

C. Nebenfolge und rechtliches Gehör

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Zu diesen wichtigen Informationen zählt auch der mögliche Eintritt einer Nebenfolge. Obwohl der Eintritt der Nebenfolge nach hier vertretener Ansicht nicht strafmildernd zu berücksichtigen ist,177 ist es für eine sachgerechte Verteidigung unbedingt erforderlich, über diese drohende Konsequenz im Bilde zu sein. Denn für manchen Angeklagten wiegt der Rechtsverlust infolge dieser Nebensanktion um einiges schwerer als die Hauptstrafe. Wegen des automatischen Eintritts und der starren Grenzen der Nebenfolge kann zwar nicht unmittelbar über ihren Eintritt verhandelt werden. Doch selbst ohne Berücksichtigung der Nebenfolge bei der Strafzumessung kann etwa durch entsprechende Betonung sonstiger Strafmilderungsgründe auf eine Strafe unterhalb der Tatbestandsschwelle der Nebenfolge hingewirkt werden.178 Nicht selten wird eine energische Verteidigung als solche schon zu einer milderen Bestrafung führen, weil der Richter auch außerhalb einer Verständigung ein Interesse daran haben dürfte, ein Urteil zu fällen, das möglichst ohne eine weitere Entscheidung in der Rechtsmittelinstanz rechtskräftig wird.179 Wie wichtig die Verteidigung als solche gegen einen strafrechtlichen Vorwurf ist, wird am Beispielsfall aus der Einleitung deutlich: Für S wäre es ein Leichtes gewesen, nach § 410 StPO einen Einspruch gegen den Strafbefehl zu erheben und damit eine Hauptverhandlung zu erzwingen (§ 411 StPO). Aus seiner Sicht war dies aber nicht erforderlich, weil S – an sich nachvollziehbar – davon ausgegangen ist, dass sich angesichts der milden Bestrafung der Aufwand für eine öffentliche Hauptverhandlung, zu der man besser in Begleitung eines Strafverteidigers erscheint, nicht lohnt. Im Wissen um die ihn zusätzlich viel stärker belastende Nebenfolge der Verurteilung hätte die Situation dagegen anders ausgesehen, denn auch wenn der Anwendungsbereich des § 25 JArbSchG bei seiner angestrebten Tätigkeit tatsächlich gar nicht eröffnet ist,180 beschwert ihn die Eintragung wegen des viel zu weit geratenen Eintragungstextes faktisch massiv. Obschon die Strafe moderat ist, wäre es für einen Verteidiger in einem solchen Fall – insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich lediglich um den Besitz einer „geringen“ Menge Cannabis zum Eigenkonsum handelte (vgl. §§ 29 Abs. 5, 31a BtMG) – durchaus realistisch gewesen, eine Einstellung des Verfahrens zu erreichen, notfalls nach § 153a StPO gegen Auflage. Dann wäre die Nebenfolge gar nicht erst eingetreten.

Angesichts der unterschiedlichen Standorte von Nebenfolgen im gesamten Recht ist es dabei keineswegs einfach, eine umfassende Information des Beschuldigten sicherzustellen. Neben der Beratung durch einen Strafverteidiger, der in 177

s. o. 3. Teil: A. IV. Wenn in einem solchen Fall die Verurteilung selbst tatsächlich weniger zu fürchten ist als der Eintritt der Nebenfolge, bietet sich für den Angeklagten auch eine Verständigung (§ 257c StPO) an, bei der er im Gegenzug für ein Geständnis eine deutliche Strafmilderung (ca. ein Drittel) erhält. 179 Einen Anreiz bietet insofern § 267 Abs. 4 StPO, der es dem Richter im Falle des Rechtsmittelverzichts bzw. der Nichteinlegung eines Rechtsmittels innerhalb der Frist erlaubt, ein abgekürztes Urteil zu schreiben. 180 s. o. 2. Teil: B. VIII. 1. 178

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3. Teil: Einzelne allgemeine Probleme

diesem Fall insbesondere stets die für den Mandanten relevanten berufsregelnden Gesetze im Blick haben muss, kommen zwei Ansatzpunkte für eine staatliche Hinweispflicht auf die möglichen Folgen einer Verurteilung in Betracht: Anklage und Urteil.

I. Urteilstenor Zuerst soll untersucht werden, ob der Eintritt der Nebenfolge in die Urteilsformel (sog. Tenor) aufzunehmen ist. In diesem Fall könnte sich der Verurteilte immerhin mit einem Rechtsmittel gegen eine Verurteilung wehren, die den Eintritt einer Nebenfolge bedingt. Um zu klären, ob die Nebenfolge im Urteil erscheinen muss, ist ein Blick auf den Inhalt des Urteilstenors notwendig. Er richtet sich nach § 260 Abs. 4 StPO. Dessen Sätze 1 bis 4 regeln dabei den obligatorischen Inhalt, während die Fassung der Urteilsformel nach Satz 5 „im übrigen dem Ermessen des Gerichts unterliegt“. Im systematischen Einklang mit der Aufzählung der essentialia in den ersten Sätzen181 und der Funktion des Urteils als verfahrensbeendende Entscheidung verstehen Rechtsprechung und Literatur § 260 Abs. 4 StPO in der Weise, dass zum obligatorischen Inhalt des Urteilsspruchs alle, aber auch nur die richterlich verhängten Rechtsfolgen der Tat zählen.182 Für die Nebenfolge im hier verstandenen Sinn als kraft Gesetzes eintretende Rechtsfolge bedeutet dies, dass sie nicht im Tenor auftaucht. Soweit es in der Literatur teilweise heißt, dass die Nebenfolgen zum Ausspruch über die Rechtsfolgen gehören,183 sind damit wohl nur die mit „Nebenfolgen“ überschriebenen § 45 Abs. 2 u. 5 StGB gemeint, deren Verhängung im richterlichen Ermessen steht,184 die aber nach hier vertretener Auffassung als Nebenstrafe eingeordnet werden und deshalb ohnehin als Teil des Rechtsfolgenausspruchs zu tenorieren sind185. Zum Teil wird der Begriff Nebenfolge in diesem Zusammenhang bloß untechnisch als Oberbegriff für nicht-strafende Rechtsfolgen der Verurteilung verwendet.186 Jedenfalls entspricht es der 181 Rechtliche Bezeichnung der Tat, bei Geldstrafe auch Höhe und Anzahl der Tagesätze, Entscheidung über vorbehaltene Sicherungsverwahrung, Bewährungsentscheidungen, Entscheidung über Verwarnung mit Strafvorbehalt oder Absehen von Strafe. 182 BGHSt 27, 287, 289; BGH NStZ 1983, 524; KK-StPO/Schoreit § 260 StPO Rn. 36; LR-StPO24/25 /Gollwitzer § 260 StPO Rn. 69; LR-StPO26 /Stuckenberg § 260 StPO Rn. 30, 34; Pfeiffer § 260 StPO Rn. 15; Beck-OK-StPO/Eschelbach § 260 StPO Rn. 21; SK-StPO/Velten/Schlüchter § 260 StPO Rn. 29; Radtke/Hohmann/Reinhart § 260 StPO Rn. 6; Meyer-Goßner/Schmitt § 260 StPO Rn. 28 ff. 183 Beck-OK-StPO/Eschelbach § 260 StPO Rn. 21 und KK-StPO/Schoreit § 260 StPO Rn. 28; LR-StPO24/25 /Gollwitzer § 260 StPO Rn. 52, 68, 70; LR-StPO26 /Stuckenberg § 260 StPO Rn. 67, 68, 86, 88. 184 Vgl. etwa BGH NStZ 2008, 283 f., der bez. des § 45 Abs. 2 StGB von „Anordnung der Nebenfolge“ spricht. 185 s. o. 1. Teil: D. 2. u. 1. Teil: D. 3. 186 Haller/Conzen, Strafverfahren, 2014, S. 316 (Rn. 722), die den Begriff der Nebenfolge in einem Klammerzusatz mit der Maßregel der Fahrerlaubnisentziehung aus-

C. Nebenfolge und rechtliches Gehör

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Praxis, dass gesetzlich eintretende Nebenfolgen im Sinne der vorliegenden Untersuchung nicht in der Urteilsformel erscheinen, sondern dem Verurteilten deshalb regelmäßig erst nach der Beantragung eines Führungszeugnisses auffallen187. Die Frage, ob man im Rahmen des Ermessens nach § 260 Abs. 4 S. 5 StPO de lege lata eine Tenorierung der Nebenfolge verlangen muss, ist trotz des oben geschilderten Überraschungseffektes zu verneinen. Dies liegt zum einen daran, dass die Urteilsformel möglichst knapp und präzise auszufallen und im Rahmen der Rechtsfolgen lediglich die getroffenen Anordnungen zu verlautbaren hat.188 Es wäre daher nach dem oben Gesagten systemfremd, auch die gesetzlichen Nebenfolgen, die einer Entscheidung durch das Gericht entzogen sind,189 in den Tenor aufzunehmen. Es erscheint zum anderen fraglich, ob mit einer Tenorierung dem rechtlichen Gehör des Betroffenen wirklich gedient wäre. Zwar könnte ihn die Information im Urteil, dass die Verurteilung diese oder jene Nebenfolge bedingt, zur Rechtsmitteleinlegung bewegen – vielfach ist es dann für eine effektive Verteidigung aber schon zu spät. Nur bei Verfahren, die in erster Instanz vor dem Amtsgericht stattfinden (§ 24 GVG), wäre über das Rechtsmittel der Berufung (§ 312 StPO) eine weitere Tatsacheninstanz mit umfassenden Verteidigungsmöglichkeiten eröffnet. Gerade bei schweren Vorwürfen, die erstinstanzlich vor dem Landgericht verhandelt werden (§ 74 GVG), stünde dagegen nur die selten erfolgreiche Revision190 zur Verfügung, die in jedem Fall einen Rechtsfehler im Urteil voraussetzt (§ 337 StPO). In der Sache wäre dem Betroffenen durch die Aufnahme gesetzlicher Nebenfolgen in die Urteilsformel also nicht wirklich geholfen.

II. Anklage Vielversprechender ist es deshalb zu untersuchen, ob die Anklageschrift tauglich ist, der staatlichen Informationspflicht im Rahmen des rechtlichen Gehörs ausreichend Rechnung zu tragen. Der wesentliche Inhalt der Anklageschrift ist in § 200 StPO geregelt. Zum Inhalt des Anklagesatzes zählen demnach auch „die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften.“ Die Anklage erfüllt nicht nur eine Umgrenzungsfunktion, indem sie den zu untersuchenden Lebenssachverhalt absteckt (Tat im prozessualen Sinne; §§ 155 Abs. 1, füllen. Ähnlich SK-StPO/Velten/Schlüchter § 260 StPO Rn. 36 ff. u. LR-StPO26 /Stuckenberg § 260 StPO Rn. 86, die Verfall, Einziehung etc. unter den Begriff „Nebenfolgen“ fassen. 187 Götz/Tolzmann § 5 BZRG Rn. 31. 188 BGHSt 27, 287, 289. 189 Ausnahme in § 106 Abs. 2 JGG bei der Anwendung allgemeinen Strafrechts auf Heranwachsende. 190 Vgl. die rechtstatsächliche Untersuchung von Barton, Revisionsrechtsprechung, 1999 und Barton in: FS Fezer (2008), S. 347. Siehe auch García unter http://blog.dele gibus.com/2011/12/04/bundesgerichtshof-die-schiere-freude-am-strafen/ (zuletzt abgerufen am 03.01.2015).

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3. Teil: Einzelne allgemeine Probleme

264 Abs. 1 StPO),191 sondern soll insbesondere den Angeschuldigten darüber informieren, was ihm konkret vorgeworfen wird und mit welchen Rechtsfolgen er im Falle einer Verurteilung zu rechnen hat, damit er sich schon im Zwischenverfahren sachgerecht verteidigen kann.192 Obwohl es nach dieser Zweckbestimmung nahe liegt, die Aufnahme der möglichen Nebenfolgen schon in den Anklagesatz für obligatorisch zu halten, ist diese Frage umstritten. 1. Die herrschende Ansicht Die Rechtsprechung und Teile der Literatur gehen davon aus, dass die Anklageschrift keinen Hinweis auf den möglichen Eintritt einer gesetzlichen Nebenfolge enthalten muss.193 Eine Begründung liefert die herrschende Ansicht allerdings nicht, der BGH formuliert vielmehr apodiktisch: „Vorschriften über bloße strafrechtliche Nebenfolgen der tatbestandsmäßigen Handlung, also auch solche über bloße Nebenstrafen, brauchen dagegen nicht in den Anklagesatz und den diesen zulassenden Eröffnungsbeschluß aufgenommen zu werden, gleichgültig, ob die Folgen zwingend angedroht werden [. . .] oder ob sie in das Ermessen des Tatrichters gestellt sind.“ 194 Immerhin die Andeutung einer Begründung findet sich bei Meyer-Goßner, der meint, dass „Bestimmungen, die gleichermaßen für alle in Betracht kommenden Straftaten gelten“, nicht in die Anklageschrift aufgenommen werden müssen.195 Dazu zählt er insbesondere alle Nebenstrafen und Nebenfolgen.196 2. Kritik und Gegenansicht Doch auch dieser letztgenannte Begründungsversuch ist nicht tragfähig: Erstens gelten die Nebenfolgen gerade nicht für alle Straftaten, sondern unterscheiden sich auf der Tatbestandsseite zum Teil sehr deutlich.197 Und zweitens legt 191 BGH NStZ 2005, 282 f.; BGH NStZ 2006, 649; BGH NStZ 2010, 159 f.; OLG Oldenburg NStZ-RR 2011, 250 f.; s. dazu auch Beck-OK-StPO/Ritscher § 200 StPO Rn. 1. 192 Beck-OK-StPO/Ritscher § 200 StPO Rn. 1; Radtke/Hohmann/Reinhart § 200 StPO Rn. 1; KMR/Seidl § 200 StPO Rn. 1; LR-StPO26 /Stuckenberg § 200 StPO Rn. 6 f. 193 Und auch keinen Hinweis auf mögliche Nebenstrafen: RGSt 5, 137, 138 f.; BGHSt 2, 86, 88; 18, 66; 22, 336, 338; Meyer-Goßner/Schmitt § 200 StPO Rn. 14; KKStPO/Schneider § 200 StPO Rn. 18; Radtke/Hohmann/Reinhart § 200 StPO Rn. 12 („nicht zwingend“). 194 BGHSt 22, 336, 338. 195 Meyer-Goßner/Schmitt § 200 StPO Rn. 14. 196 Meyer-Goßner/Schmitt § 200 StPO Rn. 14. Er nennt explizit § 45 StGB. 197 s. o. 2. Teil: B. Das gilt auch für die Nebenstrafen der §§ 44, 45 Abs. 2, 5 StGB, 41a BJagdG, die ausschließlich bei bestimmten Straftaten verhängt werden dürfen.

C. Nebenfolge und rechtliches Gehör

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allein der Umstand, dass sie allgemeine Folge bestimmter Verurteilungen sind, keineswegs nahe, dass der regelmäßig rechtsunkundige (und häufig nicht anwaltlich beratene) Beschuldigte nicht auf ihren Eintritt hingewiesen werden muss. Es ist in diesem Zusammenhang nicht nachvollziehbar, warum er in der Anklageschrift auf die ihm viel eher bekannten und überdies unschwer im Gesetz nachzuschlagenden Tatbestände und primären Rechtsfolgen aufmerksam gemacht werden muss, während die in der Regel viel unbekannteren, weil zum Teil gut versteckten Nebenfolgen nach herrschender Meinung nicht erwähnt werden müssen. Wenig verwunderlich ist deshalb, dass sich Stimmen in der Literatur zu einer Gegenansicht formiert haben und mit Blick auf die Informationsfunktion der Anklageschrift verlangen, dass auch Nebenfolgen unter die „anzuwendenden Strafvorschriften“ i. S. d. § 200 Abs. 1 S. 1 StPO gefasst werden.198 Kurz und knapp formulierte seinerzeit Hanack, dass er die Nichtaufnahme der Nebenfolge in den Anklagesatz, wie sie in der oben zitierten Entscheidung BGHSt 22, 336 proklamiert wird, „schon nach dem Gesetzeswortlaut für falsch und insbesondere für ganz unvereinbar mit dem Zweck [hält], den die Anklageschrift auch für den Beschuldigten hat.“ 199 Dem kann nur zugestimmt werden. Strafrechtliche Nebenfolgen sind eindeutig Strafvorschriften und Sinn und Zweck der Anklage gebieten es, auf den möglichen Eintritt der Nebenfolge hinzuweisen. Denn nur wenn der Angeklagte auf diese zusätzlichen, mitunter besonders einschneidenden Konsequenzen aufmerksam gemacht wird, kann er die Tragweite des Vorwurfs richtig einschätzen und sich angemessen verteidigen. Dies gilt in besonderem Maße für den unverteidigten Angeklagten, von dem nicht ernsthaft erwartet werden kann, dass er sämtliche der detaillierten Regelungen in den Nebengesetzen kennt. Die Sichtweise der Rechtsprechung behindert dagegen die sachgerechte Verteidigung des Beschuldigten und dies – was am schwersten wiegt – ohne erkennbaren Grund oder überhaupt eine Begründung! Für die Staatsanwaltschaft wäre es ein Leichtes, bei Abfassung der Anklage auf den möglichen Eintritt gesetzlicher Nebenfolgen hinzuweisen. Eine Prognose über den anzuwenden Straftatbestand und die konkrete Straferwartung muss sie ohnehin anstellen, um das zuständige Gericht zu ermitteln (s. nur §§ 24, 74 GVG). Weil die Nebenfolge auf ihrer Tatbestandsseite von starren Grenzen abhängig ist, kann auf dieser Basis gleichzeitig ihr Eintritt abgeschätzt werden. Denkbar wäre etwa ein Textbaustein, der eine

198 Zuerst Hanack, JZ 1971, 218, 220; AK-StPO/Loos § 200 StPO Rn. 12; KMR/ Seidl § 200 StPO Rn. 28; eine Festlegung meidend LR-StPO26 /Stuckenberg § 200 StPO Rn. 35, der die Aufnahme aber für „stets sachgerecht“ hält. Ebenfalls befürwortend Pfeiffer § 200 StPO Rn. 4, dessen Formulierung („die erstrebten Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßregeln“) jedoch nahe legt, dass er unter Nebenfolgen primär im Ermessen des Gerichts stehende Rechtsfolgen versteht. Ähnlich SK-StPO/Paeffgen § 200 StPO Rn. 11, der Nebenfolgen mit dem Klammerzusatz „§§ 73 ff. StGB“ versieht. 199 Hanack, JZ 1971, 218, 220.

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3. Teil: Einzelne allgemeine Probleme

Übersicht sämtlicher Nebenfolgen enthält – einmal zusammengestellt könnte er stets wiederverwendet werden. 3. Ergebnis Mit Blick auf die Informationsfunktion der Anklageschrift ist zu verlangen, dass man unter die „anzuwendenden Strafvorschriften“ i. S. d. § 200 Abs. 1 S. 1 StPO auch die möglichen gesetzlichen Nebenfolgen fasst. Die Anklageschrift muss deshalb alle in Betracht kommenden automatischen Nebenfolgen der Verurteilung enthalten, damit der Anspruch des Angeschuldigten auf rechtliches Gehör in diesem Bereich nicht faktisch leerläuft.

III. Strafbefehl Entsprechendes gilt für einen Strafbefehl i. S. d. § 407 StPO, durch den ebenfalls öffentliche Klage erhoben wird (§ 407 Abs. 1 S. 4 StPO). Nach § 409 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StPO muss er „die angewendeten Vorschriften [. . .]“ enthalten, zu denen nach dem oben Gesagten auch die gesetzlichen Nebenfolgen zu zählen sind. Gerade in diesem abgekürzten schriftlichen Verfahren ohne Hauptverhandlung und weitere Hinweismöglichkeiten durch das Gericht ist es für den Betroffenen besonders wichtig, umfassend über die möglichen Rechtsfolgen informiert zu sein. Hier ist allgemein zu befürchten, dass der rechtsunkundige Adressat die Bedeutung eines Strafbefehls verkennt, weshalb es umso mehr angezeigt ist, ihn umfassend aufzuklären – auch wenn dies dazu führen kann, dass der ökonomische Zweck dieser Erledigungsvariante verfehlt wird und letztlich doch eine Hauptverhandlung anberaumt werden muss. Dies ist aus rechtsstaatlichen Gründen aber hinzunehmen. Dies wird wiederum am Beispielsfall aus der Einleitung deutlich. Hier hat S zwar nicht verkannt, dass der Strafbefehl für den Fall, dass kein Rechtsmittel eingelegt wird, einem rechtskräftigen Urteil gleichsteht (§ 410 Abs. 3 StPO). Dennoch hat er die Tragweite der Verurteilung wegen der fehlenden Information über den Eintritt von Nebenfolgen völlig falsch eingeschätzt. Ein Hinweis auf § 25 JArbSchG hätte ihn sicherlich dazu bewogen, mindestens den Rat eines Rechtsanwaltes einzuholen oder vorsorglich Einspruch gegen den Strafbefehl einzulegen (§ 410 Abs. 1 S. 1 StPO).

D. Nebenfolge und Jugendstrafrecht Eine letzte allgemeine Fragestellung, die es zu erörtern gilt, stellt das Zusammentreffen von Nebenfolgen mit der Anwendung des Jugendstrafrechts dar. Das JGG hält wegen der Besonderheiten der Reifungskriminalität vor allem auf der Rechtsfolgenseite spezielle Regelungen für jugendliche und heranwachsende Straftäter (§ 1 JGG) bereit, sodass es naheliegt, dass auch für die Nebenfolgen Besonderheiten gelten.

D. Nebenfolge und Jugendstrafrecht

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I. Gesetzliche Regelungen zur Nebenfolge im JGG Die diesbezüglichen Abweichungen vom allgemeinen Strafrecht sind in §§ 6, 8 Abs. 3, 106 Abs. 2 JGG geregelt. Unter der gesetzlichen Überschrift „Nebenfolgen“ verbietet § 6 Abs. 1 JGG die Anwendung der § 45 Abs. 2, 5 StGB auf Jugendliche (und Heranwachsende, soweit auf sie das JGG Anwendung findet, § 105 Abs. 1 JGG). Satz 2 sieht ferner das Verbot der Urteilsbekanntgabe (§§ 165, 200 StGB) vor. In Abs. 2 bestimmt das Gesetz, dass die gesetzliche Nebenfolge des § 45 Abs. 1 StGB nicht eintritt. § 8 Abs. 3 JGG erlaubt dagegen, dass neben Erziehungsmaßregeln, Zuchtmitteln und Jugendstrafe auf die nach JGG „zulässigen Nebenstrafen und Nebenfolgen“ erkannt wird. Und in § 106 Abs. 2 JGG wird dem Richter die Möglichkeit gegeben, bei der Anwendung von Erwachsenenstrafrecht auf einen Heranwachsenden vom Eintritt der gesetzlichen Nebenfolge des § 45 Abs. 1 StGB abzusehen.

II. Erläuterung Zunächst einmal fällt auf, dass der Begriff der Nebenfolge im JGG weiter gefasst ist als im StGB:200 Erfasst sind nach § 6 JGG nicht nur die Nebenstrafen und Nebenfolge des § 45 StGB, sondern auch die Sanktion sui generis der Bekanntgabe der Verurteilung201. Die Formulierung in § 8 Abs. 3 JGG legt ferner nahe, dass alle sonstigen Rechtsfolgen des allgemeinen Strafrechts (abgesehen von Strafe und Maßregel) vom Begriff eingeschlossen sind, wie z. B. Verfall202, Einziehung und Unbrauchbarmachung u. a.203 Damit unterscheidet sich der Begriff der „Nebenfolge“ im Gesetzestext des JGG deutlich von der hier vertretenen Definition, die nur die automatisch eintretenden Rechtsminderungen aus präventiven Gründen erfasst. Für den Untersuchungsgegenstand bedeutet dies, dass im Folgenden diejenigen Regelungen im JGG betrachtet werden, die sich auf Nebenfolgen im hier vertretenen Sinn beziehen. Im Einzelnen sind dies lediglich die §§ 6 Abs. 2, 106 Abs. 2 JGG, die den Nichteintritt der gesetzlichen Nebenfolge des § 45 Abs. 1 StGB bzw. die Möglichkeit anordnen, von ihrem zwingenden Eintritt abzusehen. Nach der Gesetzesbegründung des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform darf auf diese bestimmten Nebenstrafen und Nebenfolgen (§ 45 StGB) nicht erkannt werden, weil sie sich nicht für Jugendliche eignen.204 Die fehlende erzieheMüKo2 /Altenhain/Laue § 6 JGG Rn. 6; Ostendorf § 6 JGG Rn. 2. s. dazu oben 2. Teil: A. I. 202 So auch BGH NJW 2010, 3106. 203 MüKo2 /Altenhain/Laue § 6 JGG Rn. 6; Ostendorf § 6 JGG Rn. 2; Eisenberg § 6 JGG Rn. 5 f. 204 BT-Drs. V/4094, S. 44. 200 201

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3. Teil: Einzelne allgemeine Probleme

rische Eignung des § 45 StGB wird in der Literatur damit begründet, dass der Jugendliche sonst von der Teilnahme am politischen Leben ausgeschlossen und damit die Einübung von verantwortungsvollem gemeinschaftsbezogenen Handeln eher verhindert würde.205 Der Verzicht auf den Eintritt gesetzlicher Nebenfolgen im Jugendstrafrecht erklärt sich zudem historisch: Schon § 57 Abs. 1 Nr. 5 RStGB (1871)206 und § 9 Abs. 5 JGG a. F. (1923) nahmen Jugendliche von den Vorgängernormen der heutigen Nebenfolgen, dem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, aus.207 Zur Möglichkeit, bei Heranwachsenden, auf die allgemeines Strafrecht angewendet wird, vom Eintritt der gesetzlichen Nebenfolge des § 45 Abs. 1 StGB nach § 106 Abs. 2 JGG abzusehen, wird in der Literatur fast einhellig vertreten, dass davon im Interesse der Wiedereingliederung des jungen Straftäters regelmäßig Gebrauch gemacht werden sollte.208 Umstritten ist dagegen, inwiefern es mit dem JGG vereinbar ist, dass andere als die ausdrücklich im Gesetz genannten Nebenfolgen Anwendung finden. Soweit damit auch an dieser Stelle Rechtsfolgen gemeint sind, die nach hier vertretener Ansicht gar keine Nebenfolgen sind – meist weil sie im Ermessen des Richters stehen (wie z. B. Verfall, Einziehung etc.) – braucht darauf nicht näher eingegangen zu werden. Im Rahmen des Ermessens kann in diesen Fällen ohnehin entschieden werden, ob die Anordnung erzieherisch sinnvoll ist oder nicht.209 Fraglich ist aber, ob zusätzlich in anderen als den in §§ 6, 106 JGG genannten Fällen vom Eintritt gesetzlicher Nebenfolgen abzusehen ist. In der Literatur wird dies vereinzelt befürwortet: Der Eintritt gesetzlicher Nebenfolgen sei nur in den inhaltlichen Grenzen zulässig, wie sie sich aus den allgemeinen Grundsätzen des JGG ergeben, insbesondere bezüglich der Vereinbarkeit mit erzieherischen Belangen.210 Nur soweit diese Grenzen nicht überschritten seien, müsse auch im 205 MüKo2 /Altenhain/Laue § 6 JGG Rn. 1; Ostendorf § 106 JGG Rn. 5; Oelbermann, Wahlrecht und Strafe, 2011, S. 220 f. 206 § 57 RStGB bestimmte ferner, dass bei Jugendlichen an die Stelle der Zuchthausstrafe eine Gefängnisstrafe in gleicher Höhe tritt, sodass die obligatorische Folge des § 31 RStGB bei ihnen ebenfalls nicht eintreten konnte. 207 MüKo2 /Altenhain/Laue § 6 JGG Rn. 2; Oelbermann, Wahlrecht und Strafe, 2011, S. 221. 208 Brunner/Dölling § 106 JGG Rn. 3; Eisenberg § 106 JGG Rn. 9; Diemer/Schatz/ Sonnen/Sonnen § 106 JGG Rn. 17; Ostendorf § 106 JGG Rn. 5; Meier/Rössner/Trüg/ Wulf/Rössner § 106 JGG Rn. 6 („sinnvoll, wenn [. . .] die Resozialisierung fördern kann“); differenzierend MüKo2 /Altenhain/Laue § 106 JGG Rn. 11. 209 So auch Ostendorf § 6 JGG Rn. 4 und Richtlinien zum Jugendgerichtsgesetz (RiJGG) zu § 6 JGG. 210 Eisenberg § 6 JGG Rn. 4 mit Verweis auf sein allgemeines Verständnis zur Konkurrenz von Jugendstrafrecht und allgemeinem Strafrecht, wonach die Grundsätze des JGG dem allgemeinen Strafrecht immer vorgehen, soweit ein Widerspruch bzw. ein nicht jugendgerechtes Ergebnis droht (Eisenberg § 2 JGG Rn. 27 ff.).

D. Nebenfolge und Jugendstrafrecht

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Jugendstrafrecht eine nach allgemeinem Strafrecht zwingende Nebenfolge angeordnet werden.211 Überwiegend wird jedoch vertreten, dass § 6 JGG eine abschließende Ausnahmevorschrift sei und alle sonstigen gesetzlichen Nebenfolgen auch bei Anwendung des JGG eintreten müssten.212 Insbesondere sei es nicht möglich, die eindeutige gesetzgeberische Entscheidung unter Berufung auf erzieherische Interessen zu unterlaufen.213

III. Folgerungen Zur Beantwortung der Frage, wie sich die Nebenfolge allgemein zum Jugendstrafrecht verhält, ist der letztgenannte Punkt zu erörtern. In der Tat stellt sich die Frage, inwiefern es mit den Grundprinzipien des Jugendstrafrechts vereinbar ist, wenn einem Jugendlichen (oder Heranwachsenden) im Anschluss an eine bestimmte Verurteilung automatisch kraft Gesetzes und damit ohne Rücksicht auf erzieherische Belange für mehrere Jahre Rechte und Fähigkeiten abgesprochen werden. Dabei ist der wohl herrschenden Ansicht zuzugeben, dass eine Entscheidung des Gesetzgebers, nur die in § 6 JGG genannten Rechtsfolgen auszuschließen, während gleichzeitig alle anderen Nebenfolgen zulässig sein sollen, zu respektieren wäre. Aber dies gilt nur für den Fall, dass sich der Gesetzgeber tatsächlich bewusst so entschieden hat. Hier sind allerdings Zweifel angebracht: 1. § 6 JGG als abschließende Ausnahme? Die Verwendung eines weiten Begriffs der Nebenfolge in § 6 JGG, unter den viele andere Rechtsfolgen fallen, legt nahe, dass der Gesetzgeber seinerzeit in § 45 Abs. 1 StGB die einzige kraft Gesetzes eintretende Nebenfolge erblickte und ihren Eintritt im JGG konsequenterweise ausschließen wollte.214 Viele andere von ihm (eher untechnisch) als Nebenfolgen begriffene Rechtsfolgen standen dagegen im Ermessen des (Jugend-)Richters, in dessen Rahmen erzieherische Belange ohnehin berücksichtigt werden können.215 Deshalb bestand keine 211

Eisenberg § 6 JGG Rn. 4. MüKo2 /Altenhain/Laue § 6 JGG Rn. 8; Brunner/Dölling § 6 JGG Rn. 1; Diemer/ Schatz/Sonnen/Diemer § 6 JGG Rn. 3, 4; Meier/Rössner/Trüg/Wulf/Rössner § 6 JGG Rn. 4. 213 MüKo2 /Altenhain/Laue § 6 JGG Rn. 8; Diemer/Schatz/Sonnen/Diemer § 6 JGG Rn. 3. 214 Die strukturparallelen und in dieser Untersuchung als Nebenfolge eingestuften Rechtsfolgen im Nebenrecht hat der Gesetzgeber bisher nicht als solche bezeichnet. 215 Anders dagegen die Bekanntgabe der Verurteilung nach §§ 165, 200 StGB, die der Gesetzgeber bei Jugendlichen ebenfalls ausschloss (§ 6 Abs. 1 S. 2 JGG). Sie tritt zwar nicht automatisch ein, aber auf Antrag des Verletzten, weshalb der Richter keinen Einfluss auf ihre Anordnung hat. Ihr Ausschluss ist demnach folgerichtig. 212

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3. Teil: Einzelne allgemeine Probleme

Notwendigkeit, auch sie bei Anwendung des JGG generell auszuschließen. Für dieses Verständnis spricht insbesondere die Formulierung des § 8 Abs. 3 JGG: „Neben Erziehungsmaßregeln, Zuchtmitteln und Jugendstrafe kann auf die nach diesem Gesetz zulässigen Nebenstrafen und Nebenfolgen erkannt werden.“ Auf kraft Gesetzes eintretende Nebenfolgen ist eben nicht durch das Gericht zu erkennen, weshalb sie m. E. nicht zu den nach JGG „zulässigen Nebenfolgen“ gehören können. Hinzu kommt, dass manche der hier als Nebenfolgen eingestuften Normen bei der letzten Redaktion des § 6 JGG im Jahre 1974216 noch gar nicht existierten.217 Und bis heute gab es schließlich keine systematische Klärung und Einordnung der Nebenfolge. Deshalb scheint m. E. der Schluss zulässig, dass der Gesetzgeber die weiteren gesetzlichen Nebenfolgen seinerzeit gar nicht im Blick hatte bzw. haben konnte. Dies würde aber bedeuten, dass die Argumentation der herrschenden Literaturansicht nicht tragfähig ist, weil gerade keine abschließende Regelung durch den Gesetzgeber vorliegt, die mit weiteren Einschränkungen unterlaufen würde. 2. Vereinbarkeit der Nebenfolge mit dem Erziehungsgedanken Damit steht die systematische Frage im Raum, ob es gewollt sein kann, bei Jugendlichen nur den Eintritt der gesetzlichen Nebenfolge des § 45 Abs. 1 StGB auszuschließen und alle anderen Nebenfolgen des Nebenrechts einschränkungslos anzuwenden. Bedenken gegen eine solche Sicht erwachsen zunächst aus der grundsätzlichen Zielsetzung des Jugendstrafrechts. Nach ganz herrschender, inzwischen vom Gesetz ausdrücklich geteilter Ansicht (§ 2 JGG) dient das JGG in erster Linie der individualpräventiven Einwirkung auf den Jugendlichen, um Rückfälle zu verhindern, m. a.W.: der Erziehung zu einem Leben ohne Straftaten.218 Der Erziehungsgedanke ist das zentrale Leitprinzip des Jugendstrafrechts, hinter dem alle anderen Strafzwecke regelmäßig zurückzustehen haben.219 Wie 216

Art. 26 Nr. 4 EGStGB. Das Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutzgesetz – JArbSchG) mit seiner Nebenfolge in § 25 JArbSchG datiert z. B. vom 12. April 1976 (BGBl. I S. 965). Die Vorgängernorm des § 39 Abs. 1 JArbSchG 1960 (BGBl. I S. 665) knüpfte in einer Variante noch an den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und konnte auch deshalb noch keine Nebenfolge sein, weil es die Nebenfolge im StGB noch gar nicht gab. Auch der vorliegend als strafrechtliche Nebenfolge eingestufte § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG existierte damals nicht in dieser Form (keine Automatik infolge strafrechtlicher Verurteilung, sondern Prognoseentscheidung im Rahmen der Zuverlässigkeit; s. Waffengesetz (WaffG) – Neufassung vom 19. September 1972, BGBl. I 1797. Das Gleiche gilt für den Verlust des Aufenthaltsrechts nach § 53 AufenthG. 218 Ostendorf, Jugendstrafrecht, 2011, S. 81 ff.; Ostendorf, Grdl. zu §§ 1, 2 JGG Rn. 3 ff.; Eisenberg Einl. JGG Rn. 14 sowie § 2 JGG Rn. 5 ff.; Diemer/Schatz/Sonnen/ Sonnen § 2 JGG Rn. 1 f.; Brunner/Dölling Einf. II JGG Rn. 4 ff.; Meier/Rössner/ Schöch, Jugendstrafrecht, 2013, S. 11 f. (Rn. 14 ff.); MüKo2 /Altenhain/Laue § 2 JGG Rn. 1 ff.; Meier/Rössner/Trüg/Wulf/Rössner § 2 JGG Rn. 3 ff. 219 s. dazu ausführlich Grunewald, Erziehungsgedanke, 2003. 217

D. Nebenfolge und Jugendstrafrecht

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oben untersucht,220 finden sich Nebenfolgen aber vielfach in berufsregelnden Nebengesetzen und sind deshalb allgemein dazu geeignet, die (Re-)Integration des Straftäters zu behindern. Gerade der vielfach durch die Nebenfolgen berührte Leistungsbereich eines Menschen spielt eine ganz wesentliche Rolle für die Legalbewährung.221 Und auch sonst birgt eine Rechtsminderung infolge einer Strafverurteilung die Gefahr, dass der Verurteilte in der Gesellschaft auf Jahre stigmatisiert ist.222 Denn diese Gefahr besteht selbst bei Nebenfolgen ohne beruflichen Bezug, etwa wenn ein jugendliche Straftäter nicht gemeinsam mit Freunden in den Schützenverein (etwa im Rahmen eines regional verankerten Brauchtums) eintreten kann, weil ihm durch eine Nebenfolge die waffenrechtliche Zuverlässigkeit noch zehn Jahre nach der Jugendverurteilung abgesprochen ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG). Während solche Reintegrationshindernisse bei erwachsenen Straftätern vorwiegend aus Gründen der positiven Generalprävention hingenommen werden,223 ist im Jugendstrafrecht umstritten, inwiefern solche Belange überhaupt Berücksichtigung finden können.224 In jedem Fall beschränkt sich deren Rolle auf „Schuldausgleich im Dienste positiver Generalprävention“ bei der Verhängung der Jugendstrafe (§ 17 Abs. 2 JGG)225 und ist dort mehr „willkommener Nebeneffekt“ 226 als echter Zweck. Für eine weitergehende Berücksichtigung positiv-generalpräventiver Aspekte gibt es im Jugendstrafrecht wegen dessen individueller erzieherischer Ausrichtung weder Platz noch Bedarf. Dem Erziehungsgedanken des JGG entspricht es vielmehr, auf gesetzliche Nebenfolgen möglichst zu verzichten, wie es § 6 Abs. 2 JGG bezüglich des § 45 Abs. 1 StGB auch ausdrücklich vorsieht. Wie kritisch der Gesetzgeber zur einzelfallunabhängigen Automatik der Nebenfolge steht und wie gering sein Interesse an positiver Generalprävention gegenüber Reifungskriminalität ist, zeigt sich schließlich an dem Umstand, dass er selbst bei Heranwachsenden, auf die Erwachsenenstrafrecht (!) angewendet wird, die Möglichkeit geschaffen hat, vom Eintritt des § 45 Abs. 1 StGB abzusehen (§ 106 Abs. 2 JGG). Die Automatik der Nebenfolge aus primär positiv-generalpräventiven Gründen verträgt sich allgemein nicht mit der individualpräventiven Ausrichtung des Jugendstrafrechts, dem es gerade auf Rechtsfolgenseite immer auf größtmögliche Flexibilität ankommt. 220

s. o. 2. Teil: B. s. zu seiner Bedeutung bei der kriminologischen Einzelfallanalyse Bock, Kriminologie, 2013, S. 153 ff. (Rn. 429–435), S. 175 ff. (Rn. 477–479) u. S. 190 (Rn. 504). 222 Die Verhinderung einer Stigmatisierung des Jugendlichen dürfte aber gerade bei den Ausschlüssen in § 6 Abs. 1 JGG das zentrale Motiv des Gesetzgebers sein, warum sich diese Rechtsfolgen seiner Meinung nach nicht für Jugendliche eignen (BT-Drs. V/ 4094, S. 44). 223 s. o. 1. Teil: D. I. 1. h) ee) (3). 224 Überblick m.w. N. bei Laubenthal/Baier/Nestler, Jugendstrafrecht, 2010, S. 309 f. (Rn. 725). 225 Ostendorf, Jugendstrafrecht, 2011, S. 84. 226 Meier/Rössner/Trüg/Wulf/Rössner § 2 JGG Rn. 4; ähnlich BT-Drs. 16/6293, S. 10. 221

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3. Teil: Einzelne allgemeine Probleme

Im Hinblick auf Sinn und Zweck der Nebenfolge ist dies aber nicht schädlich, weil das legitime gesellschaftliche Bedürfnis, die Normen durch „reinigende Maßnahmen“ nach der Verurteilung zu bekräftigen, gegenüber Jugendlichen und Heranwachsenden erheblich gemindert ist. Es ist weitgehend bekannt und anerkannt, dass Jugendkriminalität ein ubiquitäres und passageres Phänomen ist.227 Das bedeutet, dass die Begehung von Straftaten während der Reifungsphase „normal“ ist und regelmäßig kein Symptom einer kriminellen Karriere darstellt.228 Es ist deshalb nicht zu erwarten, dass die Verbindlichkeit strafrechtlicher Normen in der Bevölkerung Schaden nimmt, wenn man gegenüber jugendlichen Straftätern auf Rechtsminderungen infolge der Verurteilung verzichtet. Bei jungen Tätern legt das Gesetz schließlich selbst eine allgemein geminderte Schuld nahe.229 Das Schuldmaß spielt für die Bewertung, ob eine positiv-generalpräventive Folgesanktion notwendig ist, aber eine bedeutende Rolle, wie daran ersichtlich ist, dass viele Nebenfolgen eine hohe Tatbestandsschwelle aufweisen (Verbrechensqualität und bestimmte Strafhöhe). Und wegen der Episodenhaftigkeit der Jugendkriminalität käme auch einer etwa vom Gesetzgeber unterschwellig mitbedachten negativ-spezialpräventiven Nebenwirkung bei der Nebenfolge weniger Bedeutung zu. In fast allen Fällen wächst sich die Reifungskriminalität aus, ohne dass ein großes Rückfallrisiko besteht.230 Ein zusätzlicher Ausschluss von bestimmten Rechten, Fähig- oder Tätigkeiten ist dann zum Schutz bestimmter sensibler Bereiche weniger wichtig – vor allem in der Abwägung mit anderen wichtigen Belangen wie der Erziehung des Jugendlichen. Deshalb lässt sich festhalten, dass es der Zweck der Nebenfolge nicht verlangt, sie im Jugendstrafrecht (bis auf §§ 6 Abs. 2, 106 Abs. 2 JGG) einschränkungslos anzuwenden. Im Ergebnis ist daher Eisenberg231 zuzustimmen, der den Eintritt der Nebenfolgen nur innerhalb der allgemeinen Grenzen des JGG für zulässig hält, wie sie sich vorwiegend aus dem Erziehungsgedanken ergeben (§ 2 Abs. 1 S. 2 JGG). 3. Lösung de lege lata: Analoge Anwendung Im Anschluss an diese Bewertung stellt sich nun aber die Frage, wie diese Beschränkung tatsächlich umzusetzen ist, wo doch die Nebenfolge stets kraft Gesetzes eintritt. In Betracht kommt hier de lege lata nur eine entsprechende Anwendung von §§ 6 Abs. 2, 106 Abs. 2 JGG auf sämtliche Nebenfolgen im hier 227

s. nur Bock, Kriminologie, 2013, S. 332 f. (Rn. 941 ff.). Bock, Kriminologie, 2013, S. 332 f. (Rn. 941). 229 s. § 106 I JGG, der allgemein eine Milderung der lebenslangen Freiheitsstrafe zulässt, wenn auf einen heranwachsenden Täter Erwachsenenstrafrecht angewendet wird. 230 Überblick über empirische Studien zur sog. Entwicklungskriminologie bei Bock, Kriminologie, 2013, S. 93 ff. (Rn. 259 ff.). 231 s. o. 3. Teil: Fn. 210. 228

D. Nebenfolge und Jugendstrafrecht

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vertretenen Sinne. Aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt sich zwanglos, dass die erforderlichen Voraussetzungen für eine Analogiebildung (planwidrige Regelungslücke, vergleichbare Sach- und Rechtslage) vorliegen. Nur auf diese Weise kann dem Erziehungsgedanken bei der Anwendung der Nebenfolge angemessen Rechnung getragen werden. 4. Freiheitsstrafe = Jugendstrafe? Am Rande sei hier noch auf einen bemerkenswerten Umstand hingewiesen: Der Strafrechtsausschuss ging seinerzeit davon aus, dass die Regelung des § 6 Abs. 2 JGG notwendig wäre, um den alten Rechtszustand, d.h. keine Rechtsminderung gegenüber Jugendlichen,232 auch nach der Großen Strafrechtsreform beizubehalten.233 Dabei wurde offenbar die Frage übersehen, ob die Nebenfolgen überhaupt eintreten, wenn ein Straftäter zu einer Jugendstrafe verurteilt wird. Schließlich verlangen sie auf Tatbestandsseite regelmäßig die Verurteilung zu einer bestimmten Freiheits- und nicht Jugendstrafe. Es ist allgemein anerkannt, dass die Jugendstrafe etwas qualitativ anderes als die Freiheitsstrafe darstellt (sog. Aliud).234 Daran ändert der Umstand nichts, dass sie vielfach der Freiheitsstrafe gleichgestellt wird, etwa wenn sie unter bestimmten Umständen in das Bundeszentralregister eingetragen wird (und nicht nur in das Erziehungsregister). In solchen Fällen nennt das Gesetz nämlich ausdrücklich die Jugendstrafe (z. B. § 32 Abs. 2 BZRG) oder formuliert allgemein „Strafe“ (z. B. § 4 Nr. 1 BZRG). Dies gilt auch innerhalb der Nebenfolgen, von denen der o. g. § 53 AufenthG bspw. explizit die Verurteilung zur Jugendstrafe enthält.235 Das wird man schon wegen der Wortlautgrenze im Strafrecht nicht anders verstehen können, als dass die Nebenfolgen, die eine Verurteilung zur Freiheitsstrafe verlangen, bei Verhän232 Die o. g. automatischen Rechtsminderungen bei Verhängung der Zuchthausstrafe griffen gegenüber Jugendlichen nicht ein, weil gegen sie keine Zuchthausstrafe verhängt werden konnte. 233 BT-Drs. V/04094, S. 44: „§ 6 Abs. 2 JGG ist neu. Er schließt ausdrücklich aus, daß die automatischen Folgen des § 31 Abs. 1 StGB (1. StrRG) bei Jugendlichen eintreten. Im geltenden Recht war dies nicht erforderlich, da solche Folgen nur an die Zuchthausstrafe geknüpft sind, die nach dem Rechtsfolgensystem des JGG bei Jugendlichen nicht verhängt werden kann. Da die Folgen nach § 31 Abs. 1 StGB (1. StrRG) bei Verurteilung wegen eines Verbrechens zu Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr eintreten sollen, bedarf es ihres ausdrücklichen Ausschlusses für den Fall der Verurteilung zu Jugendstrafe, um den geltenden Rechtszustand aufrechtzuerhalten.“ 234 Näher Eisenberg/Schlüter, NJW 2001, 188, 190; Laubenthal/Baier/Nestler, Jugendstrafrecht, 2010, S. 310 (Rn. 726). 235 Ähnlich § 5 WaffG, der in der Nebenfolge des Abs. 1 Nr. 1 eine Freiheitsstrafe verlangt, während die Regelvermutung in Abs. 2 Nr. 1 a. E. explizit die Jugendstrafe nennt. Das wird man nicht anders verstehen können, als dass der Gesetzgeber bewusst differenziert: Die primär positiv-generalpräventive Nebenfolge in Abs. 1 Nr. 1 besitzt andere Tatbestandsmerkmale als die von der Waffenbehörde im Rahmen der persönlichen Eignung zu überprüfende Regelvermutung des Abs. 2 Nr. 1.

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3. Teil: Einzelne allgemeine Probleme

gung einer Jugendstrafe gar nicht einschlägig sind. Dann wäre § 6 Abs. 2 JGG eigentlich überflüssig, weil § 45 Abs. 1 StGB nun einmal nach seinem Wortlaut die Verurteilung zur Freiheitsstrafe verlangt. In der fachrechtlichen Literatur zu einzelnen Nebenfolgen wird dies jedoch z. T. anders gesehen:236 Dort wird der Begriff „Freiheitsstrafe“ etwa in § 25 Abs. 1 JArbSchG als „Oberbegriff“ verstanden, unter den auch die Jugendstrafe falle.237 Jedenfalls sei dem Gesetz nichts zu entnehmen, was gegen die Einbeziehung der Jugendstrafe spreche.238 Insbesondere schließe § 6 JGG nur bestimmte Nebenfolgen aus und eine Gefährdung von beschäftigten Jugendlichen sei auch bei nach JGG verurteilten Personen nicht ausgeschlossen.239 Diese Argumentation geht allerdings schon im Ansatz fehl, wenn sie den Begriff der Freiheitsstrafe zum Oberbegriff erklärt, obwohl das Gesetz ihn nur als terminus technicus kennt und – sprachlich zutreffend – den Begriff der „Strafe“ als Oberbegriff verwendet: Siehe 3. Abschnitt des StGB, 1. Titel „Strafen“, darunter die Überschrift zu § 38 StGB: „Dauer der Freiheitsstrafe“. Wenig Sinn ergibt schließlich die Erläuterung von Zmarzlik/Anzinger, dass im Falle des § 25 Abs. 1 Nr. 2 JArbSchG eine Jugendstrafe von mehr als drei Monaten zu verlangen sei.240 Eine Jugendstrafe von drei Monaten kann es gar nicht geben, weil ihr Mindestmaß nach § 18 Abs. 1 JGG sechs Monate beträgt. Nach dem oben Gesagten241 kann ferner weder behauptet werden, dass § 6 JGG eine abschließende Sonderregelung ist, noch dass Nebenfolgen wie der § 25 JArbSchG mit dem Erziehungsgedanken im JGG vereinbar sind. Insgesamt erscheint es daher nicht zulässig, unter das Tatbestandsmerkmal „Freiheitsstrafe“ auch die „Jugendstrafe“ zu subsumieren. Es lässt sich vielmehr gut vertreten, dass die Nebenfolgen bereits de lege lata gegenüber Jugendlichen nur dann eintreten, wenn sie auf Tatbestandsseite ausdrücklich die Verurteilung zu einer Jugendstrafe erfassen. Soweit dies der Fall ist, bedürfte es der vorliegend befürworteten analogen Anwendung der §§ 6 Abs. 2, 106 Abs. 2 JGG dann nicht.

236 Ohne Begründung etwa Erbs/Kohlhaas/Ambs § 25 JArbSchG Rn. 4: „Darunter fallen auch Jugendstrafen von entsprechender Höhe.“ 237 Zmarzlik/Anzinger § 25 JArbSchG Rn. 7; Rebmann/Uhlig/Pieper § 5 BZRG Rn. 44. Auch Fischer62 § 38 StGB Rn. 2 will zwischen der Freiheitsstrafe i. S. d. § 38 StGB und einer Freiheitsstrafe i. S. jeder freiheitsentziehenden Strafe differenzieren und meint, es müsse jeweils nach dem Sinngehalt der Vorschrift festgestellt werden, welcher Begriff gemeint ist. Das halte ich aus den nachgenannten Gründen für problematisch. 238 Zmarzlik/Anzinger § 25 JArbSchG Rn. 7. 239 Rebmann/Uhlig/Pieper § 5 BZRG Rn. 44; Zmarzlik/Anzinger § 25 JArbSchG Rn. 7. 240 Zmarzlik/Anzinger § 25 JArbSchG Rn. 7. 241 s. o. 3. Teil: D. III. 1.

4. Teil

Kritisches Nachwort zur Nebenfolge An verschiedenen Stellen der Arbeit ist bereits angeklungen, dass die Nebenfolge zu einer erheblichen Verschärfung strafrechtlicher Verurteilingen führen kann und ihr Eintritt auch sonst verschiedene Friktionen im Sanktionenrecht auslöst. Ihr Wesen ist dabei ambivalent: Auf der einen Seite entspringt die Nebenfolge dem nachvollziehbaren und im Grunde durchaus berechtigten Bedürfnis der Gesellschaft, dass das Leben des Straftäters abseits der eigentlichen Strafwirkung nicht weitergehen darf, als ob nichts geschehen wäre, bzw. dass bestimmte sensible Felder (Ämter, exponierte Berufe, besondere Teilhaberechte und Erlaubnisse etc.) einen besonderen (mitunter sogar eher symbolischen, weil eine spezifische Rückfallgefahr im Einzelfall weder verlangt wird, noch vernünftigerweise in den jeweiligen Tatbestand hineingelesen werden kann) Schutz vor verurteilten Straftätern genießen müssen. Dieses Bedürfnis liegt bspw. den Nebenfolgen des § 45 Abs. 1 StGB, der bei einer gewissen Schwere der Verfehlung den fünfjährigen Verlust der Amtsfähigkeit und Wählbarkeit anordnet, oder § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG, der bestimmten Straftätern für zehn Jahre die waffenrechtliche Zuverlässigkeit abspricht, zu Grunde. Auf der anderen Seite ist bereits das historische Erbe der Nebenfolge belastet, ist sie doch aus den höchst umstrittenen weil personal abwertenden und ausgrenzenden Ehrenstrafen hervorgegangen.1 Zwar konnte im Rahmen dieser Untersuchung gezeigt werden, dass sich ihre Legitimation im geltenden Recht nicht mehr aus der früher für zwingend gehaltenen Exklusion „Ehrloser“ speist, sondern vorwiegend auf dem Gedanken der positiven Generalprävention beruht.2 Dennoch besteht hier – wie auch sonst im Recht3 – die Gefahr, dass unter dem Deckmantel der modernen Figur von „Normbekräftigung in der Gesellschaft“ eine eigentlich überwundene Verschärfung des Strafrechts betrieben wird, die sich nur schwer mit dem Wiedereingliederungsgedanken vereinbaren lässt, wie ihn unsere

1

s. zur Entstehungsgeschichte der §§ 45 ff. StGB 1. Teil: B. s. das Fazit zur Geschichte der §§ 45 ff. StGB unter 1. Teil: B. VI. und die Neubestimmung der Nebenfolge unter 1. Teil: D. III. 3 s. etwa zur Gefahr, unter dem Deckmantel der positiven Generalprävention den Vergeltungsgedanken im JGG salonfähig zu machen Ostendorf, Jugendstrafrecht, 2011, S. 84. 2

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4. Teil: Kritisches Nachwort zur Nebenfolge

Verfassung einfordert4. Denn dass mit der Nebenfolge eine strafunabhängige Verschärfung der Strafe einhergeht, welche die Resozialisierung des Straftäters eher behindert und schlimmstenfalls zu einer langfristigen gesellschaftlichen Exklusion führt, kann schwerlich geleugnet werden. Diese Erkenntnis dürfte wohl der Grund dafür sein, dass die Rechtsprechung diese gesetzliche Verschärfung seit den 1970er-Jahren mit der (vorliegend allerdings als zweckwidrig abgelehnten) Berücksichtigung der Nebenfolge bei der Strafzumessung unterläuft5. Hinzu kommt die Automatik der Nebenfolge, durch die der Gesetzgeber der positiven Generalprävention einen allgemeinen Vorrang vor individuellen Bedürfnissen im Einzelfall einräumt. Eine solche Regelungstechnik ist ihm zwar bei einer nichtstrafenden Sanktion nicht von vornherein verwehrt, steht aber doch in einem erheblichen Spannungsverhältnis zum strafrechtlichen Individualisierungsgrundsatz. Ebenfalls problematisch erscheint schließlich, dass der Beschuldigte (zumindest nach derzeit herrschender Ansicht zur Reichweite des rechtlichen Gehörs) nicht auf den möglichen Eintritt der Nebenfolge aufmerksam gemacht werden muss. Hier besteht nach wie vor die Gefahr, dass der Verurteilte im Nachhinein von dieser zusätzlichen Einbuße überrascht wird. Bei grundsätzlicher Akzeptanz der gesetzgeberischen Entscheidung für die Nebenfolge bestehen im Ergebnis also doch einige Bedenken gegen diese Sanktion. Wie im Zuge dieser Untersuchung bereits verschiedentlich gezeigt, kann ihnen aber zumindest teilweise de lege lata begegnet werden.6 De lege ferenda ist zusätzlich folgendes zu fordern: Wichtig erscheint zunächst, dass die vorliegend vertretene Forderung, die Wiederverleihungsmöglichkeit des § 45b StGB auf alle Nebenfolgen analog anzuwenden,7 gesetzlich geregelt wird. Auf diese Weise könnte immerhin die z. T. sehr lange Dauer des Rechtsverlusts (z. B. zehn Jahre bei § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG) in geeigneten Fällen gemindert werden. Wünschenswert wäre zudem eine allgemeine gesetzliche Regelung, die es dem Richter erlaubt, im Einzelfall ausnahmsweise schon bei der Verurteilung den Nicht-Eintritt der Nebenfolge anzuordnen, wenn die Rechtsminderung entbehrlich ist8. Als Vorbild könnte insoweit die Regelung des § 106 Abs. 2 JGG dienen. Damit wären die größten unnötigen Härten der Nebenfolge beseitigt.

4 s. zu verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zur gesetzlichen Ausbildung eines wirksamen Resozialisierungskonzepts nur Maunz/Dürig/Di Fabio Art. 2 GG Rn. 216 ff. 5 s. o. 3. Teil: A. 6 s. etwa die hier vorgeschlagenen Lösungen zu Konflikten der Nebenfolge mit dem Registerrecht (3. Teil: B. II. 3.), rechtlichen Gehör (3. Teil: C. II. 2.) und Jugendstrafrecht (3. Teil: D. III. 3.). 7 s. o. 3. Teil: B. II. 3. 8 Etwa weil individuelle Belange das positiv-generalpräventive Interesse überwiegen.

4. Teil: Kritisches Nachwort zur Nebenfolge

241

Darüber hinaus sollte eine Klarstellung durch den Gesetzgeber erfolgen, dass der Beschuldigte in der Anklageschrift (bzw. im Strafbefehl) auf den möglichen Eintritt einer Nebenfolge hinzuweisen ist, damit er die Tragweite des Vorwurfs richtig einschätzen und sich sachgerecht verteidigen kann. Ferner sollten im JGG aus erzieherischen Gründen alle gesetzlichen Nebenfolgen nach dem Vorbild des § 45 Abs. 1 StGB behandelt werden (Nicht-Eintritt bei Anwendung von JGG; fakultative Nicht-Anwendung bei Heranwachsenden). Auch hier wäre eine klarstellende Regelung sinnvoll, damit nicht auf die analoge Anwendung der §§ 6 Abs. 2, 106 Abs. 2 JGG zurückgegriffen werden muss. Schließlich sollte der Gesetzgeber allgemein darauf achten, den Anwendungsbereich der Nebenfolgen auf die Sachverhalte zu beschränken, bei denen die positive Generalprävention einen Rechtsverlust nach strafrechtlicher Verurteilung tatsächlich gebietet. Konkret bedeutet dies, dass die Tatbestandsschwellen für den Eintritt der Nebenfolgen nicht zu niedrig angesetzt werden dürfen. Wie etwa an dem vorliegend besonders kritisierten § 25 Abs. 1 Nr. 4 JArbSchG ersichtlich wird,9 ist dies im geltenden Recht nicht immer der Fall. Mit diesen mehr oder weniger weitreichenden Konsolidierungen kann die Nebenfolge ihre Funktion als positiv-generalpräventiver Annex zur Strafe erfüllen, ohne die Belange der Gesellschaft einschränkungslos über die Interessen des Straftäters zu stellen.

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s. o. 2. Teil: B. VIII. 3.

5. Teil

Zusammenfassung der Ergebnisse Zusammenfassend lässt sich der Ertrag der vorliegenden Arbeit in folgenden 15 Thesen festhalten: 1. Das strafrechtliche Sanktionensystem gliedert sich in die beiden großen Spuren der Strafen und der Maßregeln der Besserung und Sicherung. Trotz einiger Gemeinsamkeiten beim Vollzug des Freiheitsentzugs im Rahmen von Freiheitsstrafe und stationären Maßregeln lassen sie sich klar voneinander abgrenzen: Die Strafe charakterisiert eine gezielte Übelszufügung durch den Staat, die durch die Tatschuld begrenzt wird. Gleichzeitig soll sie präventive Zwecke verfolgen, die sich allerdings empirisch kaum fassen lassen. Die Maßregel ist dagegen schuldunabhängig und ausschließlich individualpräventiv. Sie rechtfertigt sich allein aus einer Güterabwägung und wird durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Ihre materielle Grundlage ist eine individuelle Gefährlichkeitsprognose, die praktisch jedoch kaum verlässlich zu stellen ist und deshalb erhebliche Legitimationsprobleme verursacht. 2. Zwischen diesen beiden großen Spuren gibt es eine Vielzahl von Einzelsanktionen, die im Falle der Nebenstrafe eine Unterspur der Strafe darstellen, sich sonst aber nicht zweifelsfrei zuordnen lassen und deshalb das Sanktionenrecht als Rechtsfolgen sui generis weiter ausdifferenzieren. Dazu gehören etwa die Verwarnung mit Strafvorbehalt, die Auflagen und die Weisungen. 3. Die Entstehungsgeschichte der §§ 45 ff. StGB führt zurück bis in die Antike, in der es sowohl im römischen als auch im germanischen Reich bereits Formen der sog. Ehrenstrafen gab, die dem Täter wegen einer Straftat Rechte und Fähigkeiten aberkannten. Auch alle folgenden Rechtsordnungen kannten verschiedene Ausprägungen dieser Sanktionsform. Ihr Sinn wurde erst in der Epoche der Aufklärung nachhaltig hinterfragt, was aber nichts daran änderte, dass die neu entstehenden Territorialgesetzbücher die Tradition ausschließender und entehrender Sanktionen – z. T. jedoch bereits deutlich abgeschwächt (so etwa das Preußische StGB von 1851) – fortführten. 4. Noch der unmittelbare Vorgänger unseres StGB, das RStGB von 1871, sah die entehrende Zuchthausstrafe vor, auf deren Verhängung kraft Gesetzes bestimmte Rechtsverluste (Amtsfähigkeit, Wählbarkeit, Geschworenenfähigkeit, bestimmte Berufe) folgten. Zusätzlich konnten diese „bürgerlichen Ehrenrechte“ im Wege einer Nebenstrafe aberkannt werden. Im Wesentlichen blieb dieser

5. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse

243

Rechtszustand trotz lebhafter Reformdiskussionen zu Zeiten der Weimarer Republik und dem legislativen Rückschritt durch den Nationalsozialismus bis zu der und auch nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland erhalten. 5. Erst die Große Strafrechtsreform von 1969 befreite das StGB schließlich von Zuchthausstrafe wegen „ehrloser Gesinnung“ und strafender Aberkennung „bürgerlicher Ehrenrechte“. Einzig der Verlust von Amtsfähigkeit und Wählbarkeit infolge oder neben strafrechtlicher Verurteilung ist in § 45 StGB erhalten geblieben. Es geht diesem Rechtsverlust jedoch nicht mehr um die gesellschaftliche Exklusion „Ehrloser“, sondern seine neue Legitimation bezieht er nun aus der Wahrung gesellschaftlicher Interessen: Erheblich straffällig gewordene Personen sollen zur Wahrung des Rechtsfriedens von der Wahrnehmung besonderer Aufgaben im Gemeinschaftsleben ausgeschlossen werden. 6. Im geltenden Recht ist der Begriff der Nebenfolge – obwohl seit über 40 Jahren als gesetzliche Überschrift vor den §§ 45 ff. StGB eingeführt – höchst unklar. Die Rechtsprechung beschäftigt sich nicht mit einer Definition oder Einordnung. In der Literatur werden verschiedene Definitionen angeboten, die aber eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Sanktionen unter dem Begriff der „Nebenfolge“ bündeln, keinen eigenständigen Gehalt aufweisen und deshalb auch keine Abgrenzung im System strafrechtlicher Sanktionen ermöglichen. 7. Eine dogmatische Untersuchung der mit „Nebenfolgen“ überschriebenen §§ 45 ff. StGB ergibt, dass jedenfalls § 45 Abs. 1 StGB (in erster Linie wegen seiner Automatik) weder der Kategorie der Strafe noch der der Maßregel zugeordnet werden kann, sondern eine Sanktion eigener Art darstellt. Er ist auch i.V. m. § 12 Abs. 1 StGB keine „moderne Ehrenstrafe“. § 45 Abs. 2 StGB ist dagegen materiell eine Nebenstrafe, die Aberkennung des Stimmrechts nach § 45 Abs. 5 StGB sogar eine Art klassische Ehrenstrafe. 8. Ausgehend von der originären Nebenfolge des § 45 Abs. 1 StGB ist die Nebenfolge allgemein als Rechtsminderung, die kraft Gesetzes (= automatisch) an eine Verurteilung zur Hauptstrafe anknüpft und einem positiv-generalpräventiven Zweck dient, zu definieren. Sie bestätigt als „bereinigende“ Maßnahme nach einem Normbruch die Normgeltung und ordnet wegen des verlorenen Vertrauens in die Zuverlässigkeit des Straftäters unabhängig von einer konkreten Rückfallgefahr den zeitweisen Verlust einzelner Rechte und Fähigkeiten an. Auf diese Weise sollen einzelne sensible Bereiche (Ämter, Berufe, Rechte etc.) in besonderem Maße geschützt werden. 9. Die Einordnung der verschiedenen als Nebenfolge diskutierten Rechtsfolgen anhand dieser Definition ergibt, dass im StGB nur die Nebenfolge des § 45 Abs. 1 StGB existiert. 10. Im Nebenrecht hat der Gesetzgeber jedoch eine ganze Reihe weiterer Nebenfolgen geschaffen. Dazu zählen insbesondere die vorliegend untersuchten

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5. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse

• § 32 Nr. 1 Alt. 2 GVG, § 18 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2, 3, 4 FGO, § 21 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 ArbGG, § 21 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 VwGO, § 17 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 SGG (Verlust der Schöffenfähigkeit bzw. Fähigkeit, ehrenamtlicher Richter zu sein) • § 24 Abs. 1 S. 1 BeamtStG, § 41 Abs. 1 S. 1 BBG (Verlust der Beamtenrechte für Beamten) • § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 GmbH, § 76 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AktG (Verbot der Geschäftsführung bzw. der Leitung einer Aktiengesellschaft) • § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG (Aberkennung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit) • § 53 AufenthG (Verlust des Aufenthaltsrechts) • § 25 Abs. 1 JArbSchG (Verbot der Beschäftigung u. a. durch bestimmte Personen), die allesamt kraft Gesetzes an eine bestimmte Hauptverurteilung anschließen und primär dem genannten präventiven Zweck dienen. 11. Allgemein ist die Nebenfolge (entgegen der herrschenden Ansicht zur Einbeziehung gesetzlicher Folgen im Nebenrecht) als Nicht-Strafe bei der Strafzumessung nicht zu berücksichtigen, weil sie erst auf eine bestimmte Strafverurteilung folgt. Sie ist als vom Gesetzgeber beabsichtigte präventive Rechtsminderung insbesondere keine entsozialisierende „Wirkung“ der Strafe (§ 46 Abs. 1 S. 2 StGB), die es zu verhindern gilt, und ihr Eintritt berechtigt auch nicht zur Annahme eines „minder schweren Falles“. 12. Die Nebenfolge ist nach § 5 Abs. 1 Nr. 7 BZRG in das BZR einzutragen und teilt jeweils das Eintragungsschicksal der Hauptstrafe. In bestimmten Fällen entsteht wegen der Eintragungsgrenzen und Tilgungsfristen des BZRG ein Konflikt zwischen der Rechtsminderung durch die Nebenfolge und dem Schweigerecht des Verurteilten nach § 53 BZRG. Abhilfe kann hier zumindest in Teilen eine analoge Anwendung der Wiederverleihungsmöglichkeit des § 45b StGB auf alle Nebenfolgen im hier vertretenen Sinne schaffen. Darüber hinaus besteht Handlungsbedarf für den Gesetzgeber, den Konflikt zwischen Schweigerecht und Wirkung der Nebenfolge im Fall von Bagatellverurteilungen zu lösen. Sonst bleibt nur das materiell wie systematisch ungeeignete Gnadenrecht der Exekutive. 13. Die Nebenfolge ist wegen ihres Eintritts kraft Gesetzes keine Entscheidung des Gerichts und erscheint deshalb zu Recht nicht im Urteilstenor. Sie ist jedoch entgegen der aktuell herrschenden Ansicht als „anzuwendende/angewendete Rechtsvorschrift“ in die Anklage/den Strafbefehl aufzunehmen, damit der Beschuldigte im Rahmen seines Anspruchs auf rechtliches Gehör so vollständig informiert wird, dass er sich angemessen verteidigen kann. 14. Die Nebenfolge steht als automatische primär positiv-generalpräventive Sanktion in einem Spannungsfeld mit dem Erziehungsgedanken im Jugendstraf-

5. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse

245

recht. Um die Wiedereingliederung/Erziehung jugendlicher und heranwachsender Täter nicht zu behindern und weil das Bedürfnis nach Bestätigung der Normgeltung bei Reifungskriminalität ohnehin gemindert ist, ist die gesetzliche Wertung der §§ 6 Abs. 2, 106 Abs. 2 JGG durch eine entsprechende Anwendung dieser Normen auf alle Nebenfolgen im hier vertretenen Sinne auszudehnen, soweit man es überhaupt für zulässig hält, im Tatbestand der Nebenfolgen die Jugendstrafe unter den Begriff der Freiheitsstrafe zu subsumieren. 15. Kriminalpolitisch ist das Wesen der Nebenfolge ambivalent: Sie entspringt einerseits dem berechtigten Bedürfnis der Gesellschaft, dem Straftäter vorwiegend aus generalpräventiven Gründen nach qualifizierten Verurteilungen bestimmte Rechte und Fähigkeiten abzusprechen. Andererseits führt die Entscheidung des Gesetzgebers, mit dem automatischen Eintritt infolge einer Strafverurteilung die positive Generalprävention abstrakt über jedes widerstreitende Interesse im Einzelfall zu stellen, zu einer erheblichen Verschärfung der Hauptstrafen und birgt sogar die Gefahr einer weiteren Entsozialisierung des Straftäters. Hier bedarf es einiger Konsolidierungen, um das System der Nebenfolge im Gesetz klarer zu konturieren und bestehende Unstimmigkeiten zu beseitigen.

Anlagen 1. Anfrage an das Bundesamt für Justiz vom 20.11.2011

Anlagen

2. Antwort des Bundesamts für Justiz vom 17.02.2012

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Anlagen

Anlagen

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Literatur- und Quellenverzeichnis Alex, Michael: Nachträgliche Sicherungsverwahrung – ein rechtsstaatliches und kriminalpolitisches Debakel, Holzkirchen/Obb. 2010 (zitiert als: Alex, Nachträgliche Sicherungsverwahrung, 2010). – Rückfallhäufigkeit und langer Beobachtungszeitraum – Die Wahrscheinlichkeit des Todes potentieller Rückfalltäter ist ebenso hoch wie das Risiko eines erneuten Gewalt- oder Sexualdelikts, in: Neue Kriminalpolitik, Heft 3, 2013, S. 350–361. – Nachträgliche Sicherungsverwahrung – ein rechtsstaatliches und kriminalpolitisches Debakel, 2. Aufl., Holzkirchen/Obb. 2013 (zitiert als: Alex, Nachträgliche Sicherungsverwahrung, 2013). Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches: Allgemeiner Teil, vorgel. von Baumann, Jürgen u. a., Tübingen 1966 (zitiert als: AE, 1966). Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches: Allgemeiner Teil, vorgel. von Baumann, Jürgen u. a., 2. Aufl., Tübingen 1969 (zitiert als: AE, 1969). Alternativkommentar zur Strafprozessordnung, Band 2, Teilband 1, §§ 94–212b, hrsgg. v. Wassermann, Rudolf, Neuwied/Kriftel/Berlin 1992 (zitiert als: AK-StPO/Bearbeiter). Anmerkungen zum Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern, Band 1, bearb. von Paul Johann Anselm von Feuerbach, Nachdruck der Ausgabe München 1813, Goldbach 2002 (zitiert als: Anmerkungen zum BayStGB I, 1813). Apel, Erich/Bushart, Christoph: Waffenrecht, Band 2: Waffengesetz Kommentar, 3. Aufl., Stuttgart 2004 (zitiert als: Apel/Bushart). Arbeitskreis deutscher und schweizerischer Strafrechtslehrer (Hrsg.): Alternativentwurf zur Wiedergutmachung, München 1992 (zitiert als: AE-WGM, 1992). Arloth, Frank: Anmerkung zu OLG Celle, Beschluss vom 04.07.1989 – 1 Ws 195/89, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht, Heft 3, 1990, S. 148–149. Baldes, Jasmin: Die Entstehung des Strafgesetzbuches für das Großherzogtum Baden von 1845, Hamburg 1999 (zitiert als: Baldes, Strafgesetzbuch Baden, 1999). Bannenberg, Britta: Wiedergutmachung in der Strafrechtspraxis, Bonn 1993 (zitiert als: Bannenberg, Wiedergutmachung, 1993). Barton, Stephan: Die Revisionsrechtsprechung des BGH in Strafsachen, Neuwied 1999 (zitiert als: Barton, Revisionsrechtsprechung, 1999). – Die erweiterte Revision in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Rechtstatsächliche Befunde: 1970 und 2005, in: Wesslau, Edda/Wohlers, Wolfgang (Hrsg.), Festschrift für Gerhard Fezer zum 70. Geburtstag, Berlin 2008, S. 333–351. Battis, Ulrich: Bundesbeamtengesetz, 4. Aufl., München 2009 (zitiert als: Battis).

Literatur- und Quellenverzeichnis

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– Strafgesetzbuch Kommentar, begr. v. Schönke, Adolf, fortgef. v. Schröder, Horst, mitkommentiert von Lenckner, Theodor/Cramer, Peter/Stree, Walter u. a., 28. Aufl., München 2010 (zitiert als: Schönke/Schröder28 /Bearbeiter). – Strafgesetzbuch Kommentar, begr. v. Schönke, Adolf, fortgef. v. Schröder, Horst, bearb. v. Eser, Albin (Gesamtred.) u. a., 29. Aufl., München 2014 (zitiert als: Schönke/Schröder29 /Bearbeiter). Schroeder, Friedrich-Christian (Hrsg.): Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. (Carolina), Stuttgart 2000 (zitiert als: F. C. Schroeder (Hrsg.), PGO, 2000). Schuck, Marcus (Hrsg.): Bundesjagdgesetz, 1. Aufl. 2010 (zitiert als: Schuck/Bearbeiter). Schüler-Springorum, Horst: Von Spuren keine Spur, in: Schünemann, Bernd (Hrsg.), Festschrift für Claus Roxin zum 70. Geburtstag, Band I, Berlin/New York 2001, S. 1021–1043. Schünemann, Bernd: Der Ausbau der Opferstellung im Strafprozess – Fluch oder Segen?, in: Michalke, Regina (Hrsg.), Festschrift für Rainer Hamm zum 65. Geburtstag, Berlin 2008, S. 687–700. Schwarz-Dreher, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, begr. v. Schwarz, Otto, fortgef. v. Dreher, Eduard, 27. Aufl., München 1965 (zitiert als: Schwarz-Dreher, 1965). Schwarze, Friedrich Oskar: Commentar zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich v. 31.05.1870, Leipzig 1871 (zitiert als: Schwarze, RStGB, 1871). Sellert, Wolfgang/Rüping, Hinrich: Studien- und Quellenbuch zur Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, Band 1: Von den Anfängen bis zur Aufklärung, Aalen 1989 (zitiert als: Sellert/Rüping, Geschichte Strafrechtspflege I, 1989). SK-StGB – Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, hrsgg. v. Wolter, Jürgen, Stand: 140. Ergänzungslieferung 10/2013, Köln 2013 (zitiert als: SK-StGB/Bearbeiter). SK-StPO – Systematischer Kommentar zur Strafprozessordnung, Band IV: §§ 198–246, hrsgg. v. Wolter, Jürgen, 4. Aufl., Köln 2011 (zitiert als: SK-StPO/Bearbeiter). Sobota, Sebastian: Besprechung von Alex, Michael, Nachträgliche Sicherungsverwahrung – ein rechtsstaatliches und kriminalpolitisches Debakel, 2010, in: Goltdammer’s Archiv für Strafrecht, 2011, S. 190–192. – Bandenmäßiger Anbau zum Eigenkonsum? Zur Notwendigkeit einer teleologischen Reduktion des Bandenbegriffs im BtMG, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht, Heft 9, 2013, S. 509–514. Spindler, Gerald/Stilz, Eberhard: Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl., München 2010 (zitiert als: Spindler/Stilz). Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Fachserie 10, Reihe 3, Rechtspflegestatistik: Strafverfolgung für das Jahr 2008, Wiesbaden 2009 (zitiert als: Statistisches Bundesamt, Strafverfolgung 2008). – Fachserie 10, Reihe 3, Rechtspflegestatistik: Strafverfolgung für das Jahr 2009, Wiesbaden 2010 (zitiert als: Statistisches Bundesamt, Strafverfolgung 2009).

Literatur- und Quellenverzeichnis

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– Fachserie 10, Reihe 3, Rechtspflegestatistik: Strafverfolgung für das Jahr 2010, Wiesbaden 2011 (zitiert als: Statistisches Bundesamt, Strafverfolgung 2010). – Fachserie 10, Reihe 3, Rechtspflegestatistik: Strafverfolgung für das Jahr 2011, Wiesbaden 2012 (zitiert als: Statistisches Bundesamt, Strafverfolgung 2011). – Fachserie 10, Reihe 3, Rechtspflegestatistik: Strafverfolgung für das Jahr 2012, Wiesbaden 2013 (zitiert als: Statistisches Bundesamt, Strafverfolgung 2012). – Fachserie 10, Reihe 4.1, Rechtspflegestatistik: Strafvollzug – Demographische und kriminologische Merkmale der Strafgefangenen zum Stichtag 31.3.2012, Wiesbaden 2013 (zitiert als: Statistisches Bundesamt, Strafvollzug 2013). Stein, Katrin: „Wer die Wahl hat . . .“ – Der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl und der Ausschluss vom Wahlrecht wegen strafgerichtlicher Verurteilung, in: Goltdammer’s Archiv für Strafrecht, 2004, S. 22–32. Steindorf, Joachim/Heinrich, Bernd/Papsthart, Christian: Waffenrecht: WaffR, 9. Aufl., München 2010 (zitiert als: Steindorf/Heinrich/Papsthart). Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern, verf. von Paul Johann Anselm von Feuerbach, Nachdruck der Ausgabe München 1813, Goldbach 2000 (zitiert als: BayStGB). Stratenwerth, Günter: Strafrecht Allgemeiner Teil I, 4. Aufl., Köln 2000 (zitiert als: Stratenwerth, Strafrecht AT I, 2000). Stree, Walter: Deliktsfolgen und Grundgesetz, Tübingen 1960 (zitiert als: Stree, Deliktsfolgen und Grundgesetz, 1960). Streng, Franz: Mittelbare Strafwirkungen und Strafzumessung – Zur Bedeutung disziplinarrechtlicher Folgen einer Verurteilung für die Bejahung minder schwerer Fälle, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht, Heft 11, 1988, S. 485–487. – Modernes Sanktionsrecht?, in: Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft, Band 111, 1999, S. 827–862. – Allgemeines Fahrverbot und Gerechtigkeit – Spezielle und generelle Anmerkungen zur Kriminalpolitik, in: Zeitschrift für Rechtspolitik, Heft 7, 2004, S. 237–240. – Die Wirksamkeit strafrechtlicher Sanktionen – Zur Tragfähigkeit der Austauschbarkeitsthese, in: Lösel, Friedrich/Bender, Doris/Jehle, Jörg-Martin (Hrsg.), Kriminologie und wissensbasierte Kriminalpolitik: Entwicklungs- und Evaluationsforschung, Mönchengladbach 2007, S. 65–92. – Die Zukunft der Sicherungsverwahrung nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – Zum Urteil des Zweiten Senats des BVerfG vom 4.5.2011, in: Juristenzeitung, Heft 17, 2011, S. 827–835. – Strafrechtliche Sanktionen, 3. Aufl., Stuttgart 2012 (zitiert als: Streng, Sanktionen, 2012). – Zur Legitimation der Sicherungsverwahrung, in: Strafverteidiger, Heft 4, 2013, S. 236–243. Sturm, Richard: Die Strafrechtsreform – Zum Allgemeinen Teil des StGB nach dem Ersten Gesetz zur Reform des Strafrechts, in: Juristenzeitung, Heft 3, 1970, S. 81– 87.

270

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Terhorst, Bruno: Die Folgen der Tat und ihre Auswirkungen auf den Täter, in: Juristische Rundschau, Heft 5, 1989, S. 184–188. Timm, Frauke: Zur rechtlichen Unmöglichkeit eines Fahrverbots (§ 44 StGB) neben einer Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB ) – Zugleich Besprechung des Beschlusses des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 15.5.2013 (2 Ss 139/13), in: Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht, Heft 3, 2013, S. 112–114. Volk, Klaus: Der Begriff der Strafe in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, in: Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft, Band 83, 1971, S. 405–434. Vormbaum, Thomas/Welp, Jürgen: Das Strafgesetzbuch, Band 1: 1870–1953, Baden-Baden 1999 (zitiert als: Vormbaum/Welp, Strafgesetzbuch I). Wagner, Walter Die Deutsche Justiz und der Nationalsozialismus, Band 3: Der Volksgerichtshof im nationalsozialistischen Staat, München 1974 (zitiert als: Wagner, Volksgerichtshof, 1974). Walter, Tonio: Vergeltung als Strafzweck – Prävention und Resozialisierung als Pflichten der Kriminalpolitik, in: Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik, Heft 7, 2011, S. 636–647. Warda, Günter: Das Fahrverbot gemäß § 37 StGB, in: Goltdammer’s Archiv für Strafrecht, 1965, S. 65–92. Weber, Hartmut-Michael: Die Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe, Baden-Baden 1999 (zitiert als: Weber, Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe, 1999). Weigend, Thomas: Die kurze Freiheitsstrafe – eine Sanktion mit Zukunft?, in: Juristenzeitung, Heft 6, 1986, S. 260–269. Weinrich, Christoph: Statusmindernde Nebenfolgen als Ehrenstrafen im Sanktionensystem des StGB, Baden-Baden 2009 (zitiert als: Weinrich, Statusmindernde Nebenfolgen, 2009). Welzel, Hans: Das Deutsche Strafrecht, 11. Aufl., Berlin 1969 (zitiert als: Welzel, Strafrecht, 1969). Weyand, Joachim: Jugendarbeitsschutzgesetz, Baden-Baden 2012 (zitiert als: Weyand). Wodicka, Josef M.: Anmerkung zu BGH, Urteil vom 07.11.1990 – 2 StR 439/90, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht, Heft 10, 1991, S. 487–488. Zmarzlik, Johannes/Anzinger, Rudolf: Jugendarbeitsschutzgesetz, 5. Aufl., München 1998 (zitiert als: Zmarzlik/Anzinger). Zopfs, Jan: Steter Tropfen höhlt den Stein? – Zur Reform der Fahrverbotsstrafe, in: Zöller, Mark Alexander (Hrsg.), Festschrift für Jürgen Wolter, Berlin 2013, S. 813–829.

Sachwortverzeichnis Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte 91, 97, 104, 128, 154 Aberkennung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit 178 Aberkennung des Stimmrechts 151 Abschreckungsprävention 32, 34 Absolute Strafdrohung 113 Alternativentwurf 98 Amtsunwürdigkeit 169 Anklage 227 Anordnungsebene 63 Antinomie der Strafzwecke 36, 42 Auflagen 66 Ausweisung 185 Automatik 113 – und Strafzumessung 117 Bayerisches StGB 80 Bekanntgabe der Verurteilung 161 Berufsverbot 135, 176, 192 bürgerlicher Tod 80, 82, 85, 103 Bürgerrechte 72 Cannabis 20, 225 Code pénal 79 Constitutio Criminalis Carolina 76 Constitutio Criminalis Theresiana 79 Ehrenfolge 99 Ehrenstrafe – Aberkennung des Stimmrechts als 151 – Definition der 124 – moderne 123 Ehrenstrafen – Geschichte der 71 – im Mittelalter 74 – im Nationalsozialismus 94

– im Reichsstrafgesetzbuch 86 – in den Territorialgesetzbüchern 78 – in der Antike 72 – in der Frühen Neuzeit 75 – und die Epoche der Aufklärung 76 ehrlose Gesinnung 88, 92, 99, 104 Einheitsfreiheitsstrafe 116, 129 Entwurf 1962 97 Entziehung des Jagdscheins 183 Entziehungsanstalt 48 Erziehungsgedanke 35, 234 Erziehungsregister 237 Fahrerlaubnisentziehung 44, 159, 184 Fahrverbot 42 Freiheitsstrafe, lebenslange 114 Friedlosigkeit 73 Führungszeugnis 19, 193, 208, 218 Geldstrafe 28 Generalprävention 32 – negative 32 – positive 32 Geschichte der §§ 45 ff. StGB 70 Gewohnheitsverbrecher 51, 53, 144, 148 Gnadenrecht 221 Große Strafrechtskommission 97 Große Strafrechtsreform 99 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 48, 52, 60, 61 Güterabwägung 52 Homosexualität 81, 91 Immunität 136, 150 Indemnität 136 Infamie 76

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Sachwortverzeichnis

Inhabilität 173 Integrationsprävention 32, 33 Jagdrecht 183 Jugendstrafe 237 Kettenstrafe 82 Kriminalprognose 53 Legalprognose 54, 132, 138, 176, 183, 187, 222 Leibesstrafe 76, 80 Maßnahmen 163 Maßregel der Besserung und Sicherung 47 – Abgrenzung zur Strafe 58 – Funktion der 48 – Legitimation der 51 minder schwerer Fall 117 Mord 112 Nationalsozialismus 51, 96, 173 Nebenfolge 69 – Abgrenzung zur Maßregel 154 – Abgrenzung zur Nebenstrafe 111 – als Strafwirkung 210 – Bestimmung in der Literatur 106 – Bestimmung in der Rechtsprechung 105 – Neubestimmung der 156 – praktische Relevanz der 22 – Regelungstechnik der 156 – Sinn und Zweck der 158 – und Jugendstrafrecht 230 – und minder schwerer Fall 214 – und negative Spezialprävention 158 – und rechtliches Gehör 224 – und Registerrecht 218 – und Schuldausgleich 205 – und Strafzumessung 197 Nebenfolgen, im Nebenstrafrecht 164 Nebensanktion 151 Nebenstrafe 42

Ordnungswidrigkeit 30, 121 Preußisches StGB 85 Prognoseforschung 54, 57 Rechtsgüterschutz 32, 35, 47, 61 Regelungstechnik – des § 45 Abs. 1 StGB 116 – des § 45 Abs. 2 StGB 140 Resozialisierung 35, 63, 68, 96, 97, 139, 151, 218, 222, 240 Rückwirkungsverbot 58, 121 Sanktionen sui generis 65 Sanktionensystem – des BayStGB 81 – des RStGB 87 – des StGB 26 Sanktionsforschung 38 Schuldunfähigkeit 52, 158, 183 Schulenstreit 30, 87, 93 Schweigerecht 220 Sexualdelikt 219 Sexueller Mißbrauch 191 Sicherungsverwahrung 21, 49, 50, 55, 59, 155 Spezialprävention 34 – negative 35 – positive 35 Spielraumtheorie 41 Straßenverkehrsdelikt 46 Strafbefehl 230 Strafe 27 – Empirie der 37 – Zumessung der 40 – Zweck der 30 Strafrecht und Disziplinarrecht 197 Straftheorien – absolute 31 – relative 32 Strafverfolgungsstatistik 23, 24, 46 Talion 74, 147

Sachwortverzeichnis Tatschuld 43, 59, 60, 61, 66, 203, 207, 210, 211, 215 Todesstrafe 51, 73, 79, 80, 81, 85, 87, 95, 116 Unfähigkeit zum Schöffenamt 166 Unwerturteil 28, 64, 104, 123, 124, 126, 130, 131, 146 Urteilstenor 226 Verbot der Beschäftigung u. a. 188 Verbot der Geschäftsführung/Leitung einer AG 173 Verbot der Tierhaltung 164 Verbrechen 79, 83, 85, 114, 116, 123, 126, 181, 192 Vereinigungstheorien 30, 36

Verfall und Einziehung 122 Verhältnismäßigkeitsprüfung 57 Verlust der Beamtenrechte 168, 197 Verlust des Aufenthaltsrechts 184 Vermögenskonfiskation 72 Verwarnung mit Strafvorbehalt 66 Vollstreckung 32, 39, 61, 82 Weisungen 68 Wiedergutmachung 65 Zentralregistereintragung 22, 218 Zuchthausstrafe 85, 87 Zwangsarbeit 72, 82, 83, 87 Zweck des § 45 Abs. 1 StGB 131 Zweispurigkeit 26

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