Die Monetarismus-Kontroverse: Eine Zwischenbilanz [1 ed.] 9783428441266, 9783428041268

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Die Monetarismus-Kontroverse: Eine Zwischenbilanz [1 ed.]
 9783428441266, 9783428041268

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KREDIT und KAPITAL Herausgegeben von Werner Ehrlicher und Hans-Jacob K r ü m m e l Redaktion : Diethard Simmert und Gerhard Zweig Postfach 1429, 5300 Bonn

Die 1968 gegründete Zeitschrift erscheint viermal jährlich im Gesamtumfang von 576 Seiten. Der Bezugspreis beträgt halbjährlich DM48,—. Jedes Heft enthält Abhandlungen namhafter Autoren sowie Berichte und Rezensionen wichtiger Bücher aus dem Gebiet des Geld- und Kreditwesens. A m Schluß jeder Abhandlung werden Zusammenfassungen in deutscher, englischer und französischer Sprache veröffentlicht.

Aus dem Inhalt

Emil-Maria

der letzten

Jahrgänge:

Ciaassen, Weltinflation bei flexiblen Wechselkursen

Stephen F. Frowen und George Kouris, The Existence of a World Demand for Money Function: Preliminary Results Otmar Issing, Zur Rolle der Interbankbeziehungen Manfred Neidner, Der Einfluß der Nicht-Banken auf das gesamtwirtschaftliche Geldangebot Alois Oberhauser, Liquiditätstheorie des Geldes als Gegenkonzept zum Monetarismi Karl W. Roskamp, A Generalized Production Function and its Special Cases Helmut Schlesinger, Neue Erfahrungen der Geldpolitik in der Bundesrepublik Deutschland Steven M. Sheffrin,

Gouvernment Equity-Bonds and Stabilization: A Proposal

George W. Trivoli, System

A Modest Proposal for a Private International Monetary

D U N C K K R

&

H U M B L O T

/

B E R L I N

Die Monetarismus-Kontroverse

Beihefte z u K r e d i t u n d K a p i t a l Heft 4

Die Monetarismus-Kontroverse Eine Zwischenbilanz

Herausgegeben von

Werner Ehrlicher Universität Freiburg

und Wolf-Dieter Becker Technische Hochschule Aachen

D U N C K E R

&

H U M B L O T

·

BERLIN

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe und der Ubersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1978 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1978 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 04126 7

Inhalt

Vorbemerkung der Herausgeber

7

Thomas Mayer: Die Struktur des Monetarismus

9

Martin Bronfenbrenner : Thomas Mayer über den Monetarismus

57

Karl Brunner: Probleme der post-keynesianischen Geldtheorie

67

David Laidler: Mayer über Monetarismus: Anmerkungen aus britischer Sicht

99

Harry G. Johnson: Kommentar zu Mayers Ausführungen über den Monetarismus

111

Philip Cagan: Monetarismus in mehr historischer Perspektive

119

Benjamin M. Friedman: Die theoretische „Nicht-Kontroverse" um den Monetarismus

129

Werner Neubauer: Über die Unmöglichkeit einer monetaristischen Geldpolitik

149

Allan H. Meitzer: Monetaristische, keynesianische und Quantitätstheorie

171

Helmut Frisch: Monetarismus oder monetäre Ökonomie

203

Werner Ehrlicher: Zur Monetarismus-Diskussion in „Kredit und Kapital"

217

Franco Modigliani: Die monetaristische Kontroverse. Oder: Sollten wir auf Stabilitätspolitik verzichten? 247

Vorbemerkung der Herausgeber Dieses Beiheft ist einer m i t besonderem Engagement geführten ökonomischen Kontroverse unserer Tage gewidmet: der Auseinandersetzung der „Monetaristen" m i t den intellektuellen Erben John Maynard Keynes \ Die Diskussion erstreckt sich dabei i n gleichem Maße auf Probleme der theoretischen Analyse monetärer Prozesse wie der geldpolitischen Gestaltung. Dieser Doppelaspekt der Problemstellung war i n der Geschichte der Nationalökonomie für alle großen Kontroversen charakteristisch. Hierzu darf man die Monetaristen-Fiskalisten-Diskussion sicher heute schon rechnen — Phillip Cagan nennt sie i n seinem Beitrag i n einem Zuge m i t der Currency-Banking-Debatte. Der Kreis der diskutierten Probleme weitet sich dabei zunehmend aus. Er reicht i m Bereich der Theorie von der Abgrenzung des Geldbegriffs und der Erklärung der Geldschöpfung über die Determinanten des Geldwertes bis zum Geldwirkungsprozeß; i m Bereich der Geldpolitik von der Frage nach dem zweckmäßigen Instrumentarium bis zu den „richtigen" geldpolitischen Strategien. Die doppelte Aufgabe, Erkenntnis der Grundzusammenhänge der Geldwirtschaft einerseits und sinnvolle Ausgestaltung der Geldpolitik bei Orientierung an bestimmten Zielen andererseits, war vor zehn Jahren auch für die Gründung der Zeitschrift „ K r e d i t und Kapital" maßgebend. Diese Fragen sollten nicht nur einschließen, daß die monetären Probleme nebeneinander aus volkswirtschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Sicht diskutiert werden, sondern auch, daß sich Erkenntnisse der Wissenschaft und Erfahrungen der Praxis gegenseitig befruchten. Bei dieser Orientierung war es nicht erstaunlich, daß die junge Zeitschrift alsbald i n die sich ausbreitende Monetarismus-Debatte involviert wurde. Schon i m ersten Heft erschien ein Beitrag von Harry G. Johnson: „Probleme der Effizienz der Geldpolitik" 1 . Es folgten 1970 die inzwischen oft zitierten Aufsätze von K a r l Brunner: „Eine Neuformulierung der Quantitätstheorie des Geldes" 2 und von David Fand: „ E i n monetaristisches Konzept des Geldwirkungsprozesses" 3 . Besondere Breitenwir1 Harry G. Johnson, Probleme der Effizienz der Geldpolitik, 1. Jg. (1968), S. 127 ff. 2 K a r l Brunner, Eine Neuformulierung der Quantitätstheorie des Geldes, 3. Jg. (1970), S. 1 ff. 3 David Fand, Ein monetaristisches Konzept des Geldwirkungsprozesses, 3. Jg. (1970), S. 361 ff.

8

Vorbemerkung der Herausgeber

kung erzielten die als Beiheft 1 der Zeitschrift herausgegebenen „Proceedings of the First Konstanzer Seminar on Monetary Theory and Monetary Policy". Viele weitere Aufsätze und kritische Diskussionsbeiträge folgten und werden sicher noch folgen. I n der wissenschaftlichen Diskussion ist inzwischen viel Gedankenarbeit geleistet und umfangreiches statistisches Material gesammelt und aufbereitet worden. Die Debatte bezieht noch immer weitere Gebiete der nationalen und internationalen Zusammenhänge ein. I n mancher Hinsicht haben sich die Standpunkte bereits stark angenähert, i n anderen Punkten wurden die jeweiligen Grundpositionen eher noch schärfer formuliert. I n der Geldpolitik hat die Monetarismus-Debatte ihren Niederschlag i n der i n vielen Ländern zu beobachtenden „Neuorientierung" gefunden. Man mag darüber streiten, wie weit der monetaristische Einfluß reicht; daß die Monetarismus-Debatte vielfachen Anstoß zur Neuorientierung gab, kann nicht bezweifelt werden. Nach der weltweiten Erörterung und den sich abzeichnenden Entwicklungen i n der Politik der Zentralbanken schien Mitte der siebziger Jahre ein geeigneter Zeitpunkt für eine erste Zwischenbilanz der Monetarismus-Debatte gekommen zu sein. W i r baten deshalb Professor Thomas Mayer von der University of California, Davis, (der sich selbst wohl keinem der beiden streitbaren Lager eindeutig zuordnen würde) u m einen Übersichtsartikel; er erschien i n zwei Teilen i m 8. Jahrgang der Zeitschrift 4 . Mayers Aufsatz hat zahlreiche Kommentare angeregt. Die Zwischenbilanz stieß auf so ungewöhnliches Interesse, daß sich Verleger, Herausgeber und Redaktion der Zeitschrift zu einer Übersetzung und Z u sammenfassung der Aufsätze i n einem Beiheft entschlossen, u m die wichtigsten Ergebnisse und Kommentare einem möglichst weiten Interessentenkreis i n der deutschsprachigen Welt zugänglich zu machen. Eine amerikanische Ausgabe dieses Beiheftes erscheint bei W. W. Norton & Comp. Inc., New York, Ν. Y. Eine japanische Ausgabe ist i n Vorbereitung. Freiburg/Bonn, i m Oktober 1977 Werner Ehrlicher

Wolf-Dieter Becker

4 Thomas Mayer, The structure of Monetarism, Kredit und Kapital, 8. Jg. (1975), S. 191 ff. und S. 293 ff.

Die Struktur des Monetarismus* Von Thomas Mayer, Davis/Cal.

I n den letzten Jahren ist der Begriff „Monetarismus" immer mehr i n Mode gekommen 1 . Faßt man ihn sehr eng, so steht dahinter die Auffassung, daß die Veränderung der Geldmenge der entscheidende Erklärungsfaktor für die Veränderungen des monetären Einkommens und „Monetarismus" damit lediglich ein neuer Ausdruck für die Quantitätstheorie ist. Faßt man den Begriff jedoch weiter, so schließt er neben der Quantitätstheorie eine Reihe von anderen Aussagen m i t ein. Unglücklicherweise w i r d diese Vielzahl von Ansichten i n der Regel i m ganzen beurteilt, und dies trägt m i t zu der unseligen Trennung der Ökonomen i n Monetaristen und Keynesianer und zu der hieraus resultierenden Polarisierung bei. Meiner Ansicht nach neigen die Keynesianer dazu, einzelne monetaristische Thesen nur deshalb abzulehnen, weil sie den Fehler haben, m i t anderen monetaristischen Behauptungen i n Verbindung zu stehen, während die Monetaristen umgekehrt genauso verfahren. Ich w i l l daher versuchen, i n diesem Aufsatz zwei Dinge zu erreichen: Zum einen sollen die Wechselbeziehungen zwischen den verschiedenen monetaristischen Thesen aufgezeigt werden, wobei es zu veranschaulichen gilt, daß sie i n der Tat ein zusammenhängendes Ganzes bilden. Zum anderen ist jedoch zu zeigen, daß die Verbindung zwischen den verschiedenen monetaristischen Thesen so locker ist, daß man den Wert je* Für hilfreiche Kommentare bin ich K a r l Brunner, Thomas Cargill, H. Cheng, Benjamin Friedman, Milton Friedman, Michael Hamburger, Michael Keran, Allan Meitzer, Franco Modigliani, Manfred J. M. Neumann, Roger Spencer, Edward Shaw, Daniel Vencill und Mitgliedern von Arbeitskreisen und Seminaren beim Board of Governors, Federal Reserve System, bei der San Francisco Federal Reserve Bank und dem M. I. T. zu Dank verpflichtet. Keiner der genannten trägt die Verantwortung für verbleibende Fehler. Übersetzung: Sybille Gißke, Freiburg i. B., Amerikanische Fassung: Kredit und Kapital, 8. Jg. (1975), S. 191 ff. und S. 293 ff. 1 Der Ausdruck „Monetarismus" wurde von K a r l Brunner eingeführt ("The Role of Money and Monetary Policy", Federal Reserve Bank of St. Louis, Review, Vol. 50, Juli 1968, S. 8 - 24) und von David Fand verbreitet, vgl. ζ. B. "Monetarism and Fiscalism", Banca Nazionale del Lavoro, Quarterly Review, Nummer 94, September 1970, S. 3 - 4 3 und „Ein monetaristisches Modell des Geldwirkungsprozesses", Kredit und Kapital, 3. Jg. (1970), S. 361 - 385.

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Thomas Mayer

der einzelnen beurteilen kann, ohne daß man gezwungen wäre, die monetaristische Lehre als Ganzes zu akzeptieren oder abzulehnen. Ich werde jedoch nicht versuchen, die „Gültigkeit" des Monetarismus zu beurteilen. I n einem ersten Schritt ist es notwendig, die Thesen aufzuzeigen, die die Monetaristen kennzeichnen und sie von den Keynesianern unterscheiden. Unglücklicherweise findet man nirgendwo alle monetaristischen Thesen aufgeführt, und ich mußte daher selbst eine Liste zusammenstellen 2 . Dieser Versuch ist eher zu umfassend als zu restriktiv geraten, so daß ich mich auf diese Weise m i t Monetarismus i n dem weiten Sinne einer „Weltanschauung" befasse. Jede derartige Liste ist natürlich ziemlich "willkürlich, und der Leser würde unter Umständen gerne einzelne Punkte bei der folgenden Liste hinzufügen oder weglassen 3 : 1. Gültigkeit der Quantitätstheorie des Geldes, d. h. die Annahme des dominierenden Einflusses monetärer Faktoren für das nominelle Einkommen. 2. Das monetaristische Modell des Transmissionsprozesses. 3. Die Annahme einer inhärenten Stabilität des privaten Sektors. 4. Die Irrelevanz von allokativen Details für die Erklärung von kurzfristigen Veränderungen des Geldeinkommens und der Glaube an einen gut funktionierenden Kapitalmarkt. 5. Die stärkere Betonung der Bedeutung des Preisniveaus als Ganzes als die der einzelnen Preise. 6. Das größere Vertrauen i n kleine als i n große ökonometrische Modelle. 7. Die Verwendung der „Geldbasis" oder ähnlicher Parameter als Indikator für die Geldpolitik. 8. Die Verwendung der Geldmenge als geeignete Zwischenzielgröße der Geldpolitik. 9. Die Befürwortung einer festen Regel für das Geldmengenwachstum. 10. Die Ablehnung eines trade-off zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation zugunsten einer realen Phillips-Kurve. 2 Gleichermaßen gibt es keine autorisierte Liste von keynesianischen Thesen. Ich habe die keynesianische Theorie mehr als eine Theorie interpretiert, die von Ansichten solcher Ökonomen wie James Duesenberry, Franco Modigliani, Paul Samuelson und James Tobin repräsentiert wird und weniger durch extreme Ansichten wie sie bei Ökonomen wie Alvin Hansen zu finden sind. Damit ist das, was ich „keynesianische Theorie" nenne, bis zu einem gewissen Grade eine synthetische Theorie, die wahrscheinlich durch den Monetarismus beeinflußt ist. 8 Meine gesamte Argumentation befaßt sich nur mit der monetaristischen Konzeption in den Vereinigten Staaten.

Die Struktur des Monetarismus

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11. D e r b e i M o n e t a r i s t e n — i m Gegensatz z u a n d e r e n Ö k o n o m e n — höhere H a n g des Zieles G e l d w e r t s t a b i l i t ä t als des Zieles V o l l b e schäftigung. 12. D i e A b n e i g u n g gegenüber s t a a t l i c h e n E i n g r i f f e n . D i e e r s t e n v i e r d i e s e r P u n k t e s i n d v o n K a r l Brunner i n seiner B e s c h r e i b u n g des M o n e t a r i s m u s 4 a u f g e f ü h r t w o r d e n , w ä h r e n d die P u n k t e 2 u n d 7 b i s 9 i n D a v i d Fands Ü b e r b l i c k ü b e r d e n M o n e t a r i s m u s 5 z u find e n sind. A u f d e r Gegenseite d e r A u s e i n a n d e r s e t z u n g w u r d e v o n James Tobin eine C h a r a k t e r i s i e r u n g m i t H i l f e d e r P u n k t e 1, 7, 8, 9 u n d 10 d e r o b i g e n L i s t e v o r g e n o m m e n 6 . P u n k t 5 (die B e t o n u n g des P r e i s n i v e a u s als Ganzes) i s t — o b w o h l e r i n d e r R e g e l n i c h t e x p l i z i t a u f g e f ü h r t w i r d — i m p l i z i t i n der typisch monetaristischen Auseinandersetzung m i t der Inflation, v o r allem i n i h r e r A b l e h n i m g der cost-push-Inflation enthalten. P u n k t 6 (die B e v o r z u g u n g k l e i n e r M o d e l l e ) i s t — o b w o h l e r sicherl i c h n i c h t z u d e n e l e m e n t a r e n T e i l e n der m o n e t a r i s t i s c h e n L e h r e g e h ö r t — e i n P u n k t , d e n die m e i s t e n M o n e t a r i s t e n z u v e r t r e t e n scheinen. P u n k t 10 (die reale P h i l l i p s k u r v e ) i s t v o n L e o n e l l Andersen e i n g e f ü h r t w o r d e n 7 . D e r P u n k t 11 (die größere B e a c h t u n g der I n f l a t i o n ) ist zugegebenermaßen ein ziemlich f r a g w ü r d i g e r P u n k t , der lediglich auf meiner generellen Einschätzung der monetaristischen Veröffentlichungen u n d i h r e r ver4 Brunner, „The »Monetarist Revolution' in Monetary Theory", Weltwirtschaftliches Archiv, Vol. 105, Nummer 1,1970, S. 1 - 30. 5 Fand erwähnt auch noch einen anderen Punkt, die monetaristische A n nahme von langen und variablen Zeitverzögerungen. Aber zur Zeit meinen auch viele Keynesianer, daß Geldpolitik lange Zeitverzögerungen hat. David Fand, „Monetarism und Fiscalism", a.a.O. • James Tobin , The New Economics One Decade Older (Princeton, Ν . J., S. 58 - 59). Tatsächlich bezieht sich Tobin, soweit es Aussage 7 betrifft, mehr auf die Geldmenge als auf die Gesamtreserven, aber dies ist ein weniger wichtiger Unterschied. Ebenso taucht Aussage 8 mehr implizit als explizit in Tobins Liste auf. Paul Samuelson („Reflections on the Merits and Demerits of Monetarism", in: James Diamond , Hrsg., Issues in Fiscal and Monetary Policy, Chicago, Illinois, 1971, S. 7 - 21) führt die Quantitätstheorie und die Geldmengenwachstumsregel als die beiden grundlegenden Vorstellungen des Monetarismus auf. Hierzu fügt er die Annahme der Lohn- und Preisflexibilität und der Reagibilität des Zinses auf die Inflation (zwei Vorstellungen, die als ein Teil der Quantitätstheorie angesehen werden könen) und die Annahme einer realen Phillipskurve mit der damit zusammenhängenden Annahme einer natürlichen Unterbeschäftigungsrate an. Er stellt dann fest (S. 20), daß „es keinen Grund gibt, warum Monetaristen dies vertreten sollten, außer daß alle diese Aussagen zufällig von einem Mann geglaubt werden, Professor Friedman". (Für eine ähnliche Feststellung siehe James Tobin f a.a.O., S. 62.) Damit werden nicht nur die Arbeiten von Brunner und Meitzer ignoriert, sondern auch die verschiedenen Verbindungsglieder, die später diskutiert werden. 7 „The State of the Monetarist Debate", Federal Reserve Bank of St. Louis, Review, Vol. 56, September 1973, S. 5 - 6 . Obwohl Andersen feststellt, daß dies ebenso von „vielen anderen Ökonomen" akzeptiert wird, wird es von Keynesianern häufig zurückgewiesen.

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Thomas Mayer

b a l e n Ü b e r l i e f e r u n g b e r u h t 8 . D e r l e t z t e P u n k t (die A b n e i g u n g gegenü b e r s t a a t l i c h e n E i n g r i f f e n ) i s t eine A n s i c h t , die z u m i n d e s t i n d e n V e r einigten Staaten allgemein v o n Monetaristen vertreten w i r d . Diese z w ö l f P u n k t e s i n d n a t ü r l i c h n i c h t a l l e g l e i c h w i c h t i g . D i e ersten v i e r s i n d die e l e m e n t a r e n Aussagen, d i e d a z u herangezogen w e r d e n k ö n nen, d e n M o n e t a r i s m u s z u kennzeichnen. E i n M o n e t a r i s t b r a u c h t k e i n e n d e r a n d e r e n acht P u n k t e a k z e p t i e r e n 9 . A b e r i n d e r Regel t e n d i e r e n M o n e t a r i s t e n dazu, diese a n d e r e n acht B e h a u p t u n g e n auch a n z u e r k e n nen. I c h m ö c h t e indessen h i e r n u r d i e R e i h e v o n A n s i c h t e n beschreiben, die v o n M o n e t a r i s t e n g e t e i l t w e r d e n u n d n i c h t e t w a A u f f a s s u n g e n d a r s t e l l e n die h i n r e i c h e n d e u n d n o t w e n d i g e B e d i n g u n g e n d a f ü r l i e f e r n , u m einen Ökonomen „ M o n e t a r i s t " zu nennen10. 8 Als typisches Beispiel siehe James Tobins Kritik an den politischen Empfehlungen, die von dem überwiegend monetaristischen „Shadow Open Market Committee" gemacht wurden (James Tobin , „Monetary Policy in 1974 and Beyond"), Brookings Papers on Economic Activity, 1974, S. 219 - 232. 9 So schreibt Allan Meitzer (privater Schriftverkehr) „Ich akzeptiere außer den Punkten 1 bis 4 keinen der anderen Punkte als Teil des Monetarismus. Die anderen Punkte sind für mich Vorstellungen, die ich in unterschiedlichem Maße akzeptiere. Viele stehen mit dem Monetarismus in keiner Beziehung. So ist zum Beispiel ihr Punkt 5 eine Hicks'sdne Vorstellung über den Zusammenhang zwischen den Gütern. Sie sollte von allen Ökonomen akzeptiert werden". Es ist sicherlich wahr, daß die These 5 als ein Theorem über den Güterzusammenhang angesehen werden kann. Aber dennoch muß die Entscheidung, ob man das allgemeine Preisniveau als eine Einheit analysiert oder ob man einzelne Preise betrachtet, eher auf der Grundlage einer Forschungsstrategie als aufgrund einer formalen Theorie gefällt werden. 10 Ich habe den internationalen Aspekt des Monetarismus ausgelassen; die Vorstellung nämlich, daß bei festen Wechselkursen die Geldmenge und das Preisniveau eines Landes nicht nur von der eigenen Geldpolitik, sondern von der Geldpolitik der ganzen Welt abhängt. Zumindest in den Vereinigten Staaten hat diese Vorstellung keine große Rolle in der monetaristischen Diskussion gespielt. Wenn ich sie aber meiner Liste hinzufügen würde, würden sich meine Schlußfolgerungen nicht ändern, weil (wie Harry Johnson ausgeführt hat) „ein richtig verstandener keynesianischer Ansatz über ein Gesamtsystem das gleiche Ergebnis hervorbringen würde". (H. G. Johnson and A. R. Nobay [Hrsg.], Issues in Monetary Economics, London, Oxford University Press, 1974, S. 50). Nebenbei ist sie essentieller Bestandteil der ersten A n nahme, der Quantitätstheorie. Ich habe ebenso eine These weggelassen, die von Brunner erwähnt wird (The Role of Money and Monetary Policy, a.a.O., S. 9), die Annahme nämlich, daß die geldpolitischen Behörden die Geldmenge kontrollieren können. Dies wird heute, ebenso von vielen Keynesianern anerkannt, obwohl eben die Keynesianer mehr dazu neigen, die damit verbundenen Schwierigkeiten zu betonen. Die verschiedenen Hypothesen, die ich als monetaristisch bezeichnet habe, setzen natürlich die Einführung des Ausdrucks „Monetarismus" voraus. Die Quantitätstheorie hat zusammen mit ihrem Transmissionsprozeß eine H i storie ebenso wie (wenn auch wahrscheinlich in geringerem Maße) die folgenden drei Thesen. Die Thesen 6, 7 und 10 sind neuer, da die Probleme, die sie darstellen, neueren Datums sind. Vor hundert Jahren machte sich niemand Gedanken über die angemessene Größe eines ökonometrischen Modells oder über den richtigen monetären Indikator. Die Debatte über die Thesen 8 und 9 kann bis zu einem gewissen Grade bis auf die Banking-school-Currency-

Die Struktur des Monetarismus

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Ich werde so vorgehen, daß ich m i t der Quantitätstheorie beginne und danach jeden einzelnen Punkt der Liste aufgreife, u m zu untersuchen, bis zu welchem Grade er von den vorher diskutierten Punkten abhängig oder unabhängig ist. I. Die Quantitätstheorie Die Quantitätstheorie ist der elementare Bestandteil des Monetarismus. Unter Quantitätstheorie verstehe ich die Aussage, daß Geldmengenveränderungen als dominierender Bestimmungsfaktor der monetären Einkommensentwicklung anzusehen sind 1 1 . Dies ist allerdings noch eine sehr generelle Aussage, die niemanden zu einer speziellen Theorie des Transmissionsprozesses (dieser Komplex w i r d i m nächsten Absatz gesondert behandelt) verpflichtet. E i n sehr wichtiger Aspekt der Auseinandersetzung zwischen Quantitätstheoretikern u n d Keynesianern befaßt sich daher m i t der Anpassungsgeschwindigkeit der Wirtschaft 1 2 . Selbst Keynesianer würden nicht (oder sie sollten es zumindest nicht) abstreiten, daß auf lange Sicht die Entwicklung des nominellen Einkommens von den Veränderungen der Geldmenge determiniert wird. Die oben angeführte Definition der Quantitätstheorie entspricht sowohl der Friedman- als auch der Brunner-Meitzer-Version. Es ist jedoch zweifelhaft, ob sie auch auf die Patinkin-Version zutrifft. Und zwar ist dies aufgrund folgender zwei Eigenschaften des PatinJcin-Modells fraglich: Obwohl Geldmengenvariationen schließlich immer zu entsprechenden Veränderungen des Preisniveaus führen, w i r d uns erstens nicht m i t geteilt, wie lange dieser Prozeß dauert. Deshalb kann jemand das Patinkin-Modell vollkommen akzeptieren, ohne bei der Einkommensprognose für das nächste Jahr den jüngsten Geldmengenvariationen viel Beachtung zu schenken, da er annimmt, daß diese Veränderungen erst für einen wesentlich späteren Gleichgewichtszustand relevant sind 1 3 . Zweischool-Debatte zurückgeführt werden. Die letzten beiden Thesen haben wiederum eine lange Geschichte. Das Neue am Monetarismus ist also vor allem die Kombination dieser Thesen zu einer geschlossenen Theorie. 11 Die moderne keynesianische Theorie unterscheidet sich von der Quantitätstheorie darin, daß sie einen entscheidenden Einfluß von Geldmengenänderungen auf das Einkommen abstreitet. Aber sie behauptet nicht, daß die Geldmenge unwichtig ist. Laut J. R. Hicks (The Crisis in Keynesian Economics, Oxford, 1974, S. 31 - 32) ist Keynes selbst „sicherlich in gewissem Sinne ein Monetarist gewesen. Dennoch wurde er so verstanden, daß Geld w i r kungslos sei". 12 So ist die zunehmende Literatur über Informationskosten für die Monetaristen-Keynesianer-Debatte relevant. Monetaristen messen den Informationskosten mehr Wichtigkeit bei als die Keynesianer. 13 U m es klar auszudrücken: Wenn es lange Verzögerungen bei der W i r kung der Geldimpulse auf das Einkommen gibt, so kann man das Volkseinkommen des nächsten Jahres aufgrund der Veränderungen der Geldmenge vergangener Jahre voraussagen. Wenn die Verzögerungen jedoch sehr variabel sind, ist noch nicht einmal dies möglich.

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Thomas Mayer

tens, o b w o h l Patinkins M o d e l l aussagt, daß V e r ä n d e r u n g e n des G e l d angebots e i n e n p r o p o r t i o n a l e n E f f e k t a u f das G e l d e i n k o m m e n haben, schließt dies n i c h t u n b e d i n g t aus, daß das G e l d e i n k o m m e n g l e i c h z e i t i g v o n der E n t w i c k l u n g a n d e r e r V a r i a b l e r b e e i n f i u ß t w i r d . W e n n aber diese a n d e r e n V a r i a b l e n e i n e n b e d e u t e n d e n E i n f l u ß a u f das E i n k o m m e n ausüben, d a n n m u ß , d i e f ü r M o n e t a r i s t e n entscheidende These, daß Einkommensveränderungen vorwiegend auf Geldmengenveränderungen zurückzuführen sind, nicht länger aufrechterhalten werden. E i n „ P a t i n k i a n e r " k a n n d a h e r f ü r n o r m a l e P r o g n o s e n anstelle des M o d e l l s d e r Q u a n t i t ä t s t h e o r i e ebenso g u t e i n keynesianisches M o d e l l b e n u t z e n . D a b e i s o l l n i c h t a b g e s t r i t t e n w e r d e n , daß Patinkins Modell ein quantitätstheoretisches M o d e l l i s t : A b e r es i s t e i n q u a n t i t ä t s t h e o r e t i s c h e s M o d e l l i n e i n e m a n d e r e n Sinne, als i c h Q u a n t i t ä t s t h e o r i e h i e r d e f i n i e r t habe. S e i n M o d e l l t e i l t z w a r w e i t g e h e n d die a n a l y t i s c h e n V o r g e h e n s weise d e r Q u a n t i t ä t s t h e o r e t i k e r 1 4 , d i e Ergebnisse z u d e n e n es aber k o m m t , sind k u r z f r i s t i g — i m Unterschied zu den Ergebnissen bei langf r i s t i g e r Sicht — n i c h t u n b e d i n g t d i e d e r Q u a n t i t ä t s t h e o r i e 1 5 . D a a b e r d e r M o n t a r i s m u s als w i r t s c h a f t s p o l i t i s c h o r i e n t i e r t e D o k t r i n s e h r s t a r k k u r z f r i s t i g ausgerichtet ist, k a n n d i e Patinkin-Version v o n i h m unterschieden werden.

14 Patinkins Modell benutzt die analytische Vorgehensweise der Quantitätstheorie insoweit, als es den Unterschied zwischen gewünschtem und w i r k lichem Kassenhaltungsgleichgewicht in den Mittelpunkt stellt. Es ist jedoch keynesianisch in dem Gebrauch der Kapitaltheorie, da, wie Patinkin argumentiert hat, die Cambridge Schule die Kapitaltheorie bei der monetären Analyse nicht in erkennbarer Weise herangezogen hat. (Vgl. Don Patinkin, „Keynesian Monetary Theory and the Cambridge School", in H. G. Johnson and A. E. Nobay, a.a.O., S. 3 - 30.) 15 Der Unterschied, die Quantitätstheorie entweder als einen analytischen Ansatz oder als die Schlußfolgerung anzusehen, daß Geld eine große Rolle spielt, ist der Mittelpunkt einer Auseinandersetzung zwischen Friedman und Patinkin. Patinkin stellt auf die Tatsache ab, daß Friedman — wie Keynes, aber im Unterschied zu den vorkeynesianischen Quantitätstheoretikern — die Kapitaltheorie bei seiner monetären Analyse heranzieht und behauptet, daß Friedman eher ein Keynesianer als ein Quantitätstheoretiker ist. (Don Patinkin, „The Chicago Tradition, the Quantity Theory and Friedman", Journal of Money, Credit and Banking, Vol. I, Feb. 1969, S. 46-70, und „Friedman on the Quantity Theory and Keynesian Economics", Journal of Political Economy, Vol. 80, September / Oktober 1972, S. 883 - 905.) Friedman antwortete darauf, indem er Einspruch erhob gegen Patinkins „Neigung anzunehmen, daß die Quantitätstheorie eine Bedeutung, und zwar nur eine einzige Bedeutung hat, nämlich die langfristige Vorstellung, daß Geld neutral ist, obwohl er klar erkennt, und sogar darauf besteht, daß Quantitätstheoretiker (mich selbst eingeschlossen) sich vor allem mit kurzfristigen Schwankungen befassen" („Comments on the Critics", Journal of Political Economy, Vol. 80, September / Oktober 1972, S. 932). Vielleicht sollte man diesen Punkt anders ausdrücken und sagen, daß Friedman die Theorien danach klassifiziert, welche Ergebnisse sie erreichen, während Patinkin sie danach klassifiziert, welche analytische Methode sie gebraucht.

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I I . Der Transmissionsprozeß Die monetaristische Version des Transmissionsprozesses, bei der das Einkommen vorwiegend durch Veränderungen der Geldmenge beeinfiußt wird, folgt logisch aus dem zugrunde gelegten Untersuchungsansatz, der den Ausgleich zwischen realem Geldangebot und Geldnachfrage i n den Mittelpunkt stellt 1 6 . Wenn die Wirtschaftssubjekte über einen Kassenhaltungsüberschuß verfügen, so werden sie diesen durch steigende Ausgaben — die wahrscheinlich sowohl Güter als auch Wertpapiere betreffen — reduzieren. I m Gegensatz dazu stellen die Keynesianer auf relative Erträge ab und drücken den gleichen Sachverhalt daher anders aus. Wenn die Wirtschaftssubjekte einen Überschuß bei der Kassenhaltung haben, so führt das dazu, daß die Erträge aus der Kassenhaltung geringer sind als Erträge, die durch andere Vermögensanlagen erzielt werden können, und es kommt daher zu einem vermehrten Kauf anderer Anlagen. Eine solche Portfolioumschichtung, -die die Erträge unter Berücksichtigung des Risikos usw. ins Gleichgewicht bringen soll, w i r d wahrscheinlich zunächst solche A k t i v a berühren, die dem Geld ähnlich sind, d. h. zuerst Wertpapiere u n d danach erst andere Güter. Folglich berücksichtigen Monetaristen und Keynesianer typischerweise ein unterschiedliches Spektrum von Anlageformen innerhalb ihres Transmissionsprozesses. Der Unterschied w i r d noch deutlicher durch die Tatsache, daß die Keynesianer als Preis des Geldes den Zins heranziehen, da sie Geld als ein M i t t e l betrachten, das entweder selbst nachgefragt oder ausgeliehen wird. Dagegen sehen die Monetaristen das reziproke Preisniveau als den Preis des Geldes an, w e i l Geld dazu benutzt wird, Güter zu kaufen 1 7 . 16 Ich w i l l den monetaristischen Transmissionsprozeß hier nicht bis in jede Einzelheit beschreiben. Friedmans Variante betont Substitutionseffekte und den Einfluß von Geldmengenveränderungen auf den nominellen Zinssatz, während die Brunner-Meitzer-Variante die relativen Preise und Mengeneffekte betont. Beide Varianten legen sehr viel Wert auf die Unterscheidung zwischen nominellem und realem Zins und schenken (um es allgemeiner auszudrücken) Preisveränderungen mehr Beachtung als dies die Keynesianer typischerweise tun. Ich behandle lediglich den Transmissionsprozeß für Veränderungen der Geldmenge und nicht für die Fiskalpolitik etc. Das monetaristische Argument, daß fiskalpolitische Veränderungen die gegenläufigen Veränderungen, wie zum Beispiel das „Crowding Out" hervorrufen, die jene nach einiger Zeit die Wirkungen der fiskalpolitischen Maßnahmen wieder aufheben, ist in W i r k lichkeit ein Teil der vorher behandelten monetaristischen These, daß Veränderungen des Geldeinkommens überwiegend durch Veränderungen der Geldmenge erklärt werden. 17 So schrieb Milton Friedman als Kommentar zu einem Entwurf dieses Aufsatzes (privater Schriftwechsel): „Ich glaube, daß ich einen wichtigen Unterschied zwischen keynesianischer und monetaristischer Betrachtungsweise selbst nicht genügend betont habe, der aber bei einigen Ihrer Kommentare herauskommt. Es handelt sich um den Unterschied zwischen Geld und

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Unglücklicherweise w i r d diese echte Streitfrage genau wie die Kontroverse u m das Meß-Problem (die später behandelt wird) durch die unnötige Auseinandersetzung darüber überdeckt, ob Geld das Einkommen direkt oder indirekt beeinflußt. Der Unterschied ist terminologisch. Man kann die monetaristische Auffassung m i t Hilfe des Zinsbegriffes und die keynesianische Auffassung bei Vernachlässigung des Zinses umformulieren. Da eine Zunahme der realen Geldmenge den fiktiven Zinssatz für die Kassenhaltung verringert, kann ein Monetarist, anstatt davon zu sprechen, daß die Wirtschaftssubjekte über mehr Geld verfügen als sie zu halten wünschen und deshalb die Ausgaben steigern, auch sagen, daß der von den Wirtschaftssubjekten angenommene Zins für die Kassenhaltung gefallen ist, während die Erträge aus anderen Anlagen konstant geblieben sind. Deshalb werden die Wirtschaftssubjekte (direkt u m die Grenzerträge abzugleichen und indirekt aufgrund der gestiegenen Geldmenge) ihre Ausgaben steigern. Umgekehrt kann ein Keynesianer innerhalb seines Liquiditätspräferenzdiagramms zeigen, daß ein Geldmengenanstieg dazu führt, daß die Wirtschaftssubjekte mehr als ihre optimale Geldmenge halten, und daß sie deshalb Wertpapiere kaufen, um die Grenzerträge abzugleichen. Das Wesentliche ist hierbei folgendes: Wenn man von einer gegebenen Nachfragekurve ausgeht — gleichgültig ob es sich hierbei nun um Äpfel oder u m Kassenhaltung handelt —, kann man jede Veränderung entweder m i t Hilfe des Preises (Zins) oder der Menge (Geldmenge) beschreiben. Solange man die Nachfragekurve als gegeben annimmt, spielt dies keine Rolle; man muß unabhängig davon, von welcher Achse des Diagramms man ausgeht, zum selben Ergebnis kommen. Daher ist es innerhalb der formalen Theorie, bei der Meßprobleme ignoriert werden können, unwesentlich, ob man die Analyse m i t Hilfe des Terminus „Geldmenge" oder des Terminus „Zins" formuliert 1 8 . Die Kontroverse über diese Frage ist damit müßig. Es ist von daher nicht überraschend, daß Y. C. Park i n seinem sorgfältigen Übersichtsartikel über den Transmissionsprozeß feststellt, daß „es auf der Ebene einer allgemeinen Beschreibung i m Transmissionsprozeß monetärer Impulse keinen entscheidenden Unterschied zwischen den verschiedenen Geldtheoretikern zu geben scheint" 1 9 .

Kredit, und dabei vor allem um das, was als Preis des Geldes angesehen wird. Der keynesianische Ansatz betrachtet unverändert den Zins als den Preis des Geldes, wohingegen der quantitätstheoretische Ansatz den Zins als den Preis für den Kredit und die Umkehrung des Preisniveaus als den Preis des Geldes ansieht. Dies ist außerordentlich wichtig in bezug auf die Art der Anwendung der Geldnachfragekurve." 18 Vgl. Milton Friedman, A Theoretical Framework for Monetary Analysis", National Bureau of Economic Research, Occasional Paper, Nummer 112 (New York, 1971), S. 28. 19 Y. C. Park, „Some Current Issues on the Transmission Process of Monetary Policy", International Monetary Fund, Staff Papers, März 1972, S. 38.

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Wirkliche Unterschiede gibt es dagegen bei der Beurteilung der Stabilität der Geldnachfrage. Sie ist ein Teil der vorher diskutierten Hypothese, daß Veränderungen des Nominaleinkommens entscheidend von Veränderungen der Geldmenge beeinflußt werden. Wenn die Geldnachfrage instabil ist (im numerischen Sinn; vielleicht aufgrund von Veränderungen der Grenzleistungsfähigkeit der Investitionen), dann ist es kaum noch möglich, aufgrund der Kenntnis eines gestiegenen Geldangebots m i t einiger Sicherheit auf ein tatsächliches Ansteigen der Ausgaben zu schließen. Dies gilt unabhängig davon, ob man den Prozeß mit Hilfe von keynesianischen oder von monetaristischen Begriffen formuliert. Der wirkliche Unterschied zwischen den beiden Schulen besteht vielmehr darin, daß die Keynesianer die Möglichkeit einer instabilen Geldnachfrage wesentlich mehr i n Betracht ziehen als die Monetaristen, was zum Teil auf ihre abweichende Zinstheorie zurückzuführen ist 2 0 . Keynesianer neigen dazu, für die Beurteilung der Ausgabenentwicklung vorwiegend die Zinsentwicklung heranzuziehen, u m damit sowohl Veränderungen der Geldnachfrage als auch des -angebots zu erfassen. A u f der anderen Seite w i r d ein Monetarist (obwohl er prinzipiell zustimmen würde, daß aus Veränderungen des Geldangebots, wenn Veränderungen der Geldnachfrage vorliegen, auch falsche Schlüsse gezogen werden können) diese Gefahr nicht so ernst nehmen wie ein Keynesianer. M a n sollte sich jedoch davor hüten, diesen Unterschied überzubewerten. Obwohl nämlich Keynes anscheinend i n der „Allgemeinen Theorie" tatsächlich davon ausgeht, daß die Geldnachfrage sehr instabil ist, scheinen moderne Keynesianer dies nicht länger anzunehmen. Sie neigen statt dessen zu einer verhältnismäßig stabilen Geldnachfrage: Auf der anderen Seite hat Friedman festgestellt, daß die Quantitätstheoretiker die Geldnachfrage eher für eine stabile Funktion anderer Variabler halten, als daß sie davon ausgehen, sie sei stabil i m numerischen Sinne 21 . Da Zinsveränderungen sowohl Nachfrage- als auch Angebotsveränderungen wiedergeben können, haben sie eindeutig mehr Informationsgehalt als Veränderungen des Geldangebots. Es ist daher zu fragen, 20 Viele Monetaristen nehmen an, daß der nominelle Zinssatz nur sehr allmählich sinkt, wenn die Geldmenge erhöht wird. Er steigt bald wieder auf sein früheres Niveau an und übersteigt es aufgrund des Fisher-Effektes sogar. Die Monetaristen sehen daher den erwarteten realen Zins als ziemlich stabil an. Damit scheint einer der Faktoren, der Schwankungen in der Geldnachfrage hervorrufen kann, nämlich Veränderungen des erwarteten realen Zinssatzes, für die Monetaristen weit weniger wichtig zu sein als für die Keynesianer. Ein anderer Grund, warum Monetaristen die Geldnachfrage als stabil annehmen, ist die später dargestellte Tatsache, daß sie die Ausgabeneigung und damit den erwarteten realen Zins und die Geldnachfrage als stabiler betrachten als dies Keynesianer tun. 21 „The Quantity Theory of Money: A Restatement", reprinted in: Milton Friedman , The Optimum Quantity of Money, a.a.O., Kap. 2.

2 Beihefte zu Kredit und Kapital 4

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warum jemand lieber die Entwicklung des Geldangebots als die der Zinssätze zur Beurteilung heranzieht. Diese Frage bringt uns zum zweiten grundlegenden Punkt, dem Meß-Problem. Bei der bisherigen Diskussion wurde entweder unterstellt, daß beide, „der" Zins und „die" Geldmenge, ohne Fehler meßbar sind, oder daß sie m i t gleich großer Ungenauigkeit gemessen werden können. Diese Annahme muß jedoch i n Frage gestellt werden. Monetaristen ziehen die Geldmenge dem Zins vor, weil sie davon ausgehen, daß die Geldmenge wesentlich besser gemessen werden kann. Die Bezeichnung „Zins", wie sie i n der formalen Analyse benutzt wird, ist ein theoretischer Ausdruck, für den bei jeder empirischen Arbeit ein genau meßbares Äquivalent gefunden werden muß. Die Monetaristen gehen dabei i n der Regel davon aus, daß dies unüberwindliche Schwierigkeiten bereitet. Problematisch ist dabei zum einen, daß „der" Zins ein Konstrukt aus einer Vielzahl von lang- und kurzfristigen Zinssätzen ist, und daß es dabei keine allgemein anerkannte Methode gibt, diese Zinssätze zu einer einzigen Größe zusammenzufassen. Die Theorie der Fristigkeitsstruktur kann hier keine unbedingt zuverlässige Hilfe anbieten. Die zweite Schwierigkeit besteht darin, daß keinesfalls alle Zinssätze, die i n „den" Zinssatz eingehen sollten, am M a r k t beobachtet werden können. So sind die von Haushalten und Firmen intern angenommenen Zinsen eigentlich m i t einzubeziehen; ebenso sollte bei den Kreditkosten nicht nur dem zu zahlenden Zinssatz Beachtung geschenkt werden, sondern ζ. B. auch den Kosten, die durch die Verschlechterung der Bilanzrelationen entstehen. Drittens ist für ökonomische Entscheidungen der erwartete reale Zins von entscheidender Bedeutung, der nicht am M a r k t beobachtet werden und auch durch ökonometrische Verfahren nur unzuverlässig geschätzt werden kann. Da Veränderungen der Inflationsrate i m Vergleich zu Realzinsschwankungen häufig sehr groß sind, kann es dazu kommen, daß die Nominalzinsveränderungen nur ein schwaches A b b i l d der Veränderungen der erwarteten realen Zinssätze darstellen. Deshalb sind die Monetaristen der Meinung, daß die Geldmenge für die Praxis einen wesentlich besseren Maßstab darstellt als der Zins. Es steht den Keynesianern natürlich frei festzustellen, daß die Geldmenge genauso schlecht meßbar ist. Wiederum ist es das Problem, daß der theoretische Begriff „Geld", wie er i n der Quantitätstheorie benutzt wird, kein klar abgrenzbares empirisches Gegenstück hat. Ist etwa M i oder M2 angemessener? Dies ist eine Frage, über die sich die Monetaristen selbst nicht einig sind 2 2 . Vermutlich wäre das exakte Äquivalent 22 I n den Vereinigten Staaten divergierten die Wachstumsraten von M 1 und M 2 in den letzten Jahren in starkem Maße, was wahrscheinlich zum großen

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ein irgendwie gewichtetes Mittelmaß, aber es gibt keine allgemein anerkannte Methode, es zu berechnen 23 . Weiterhin müßte man ebenso wie bei der Zinsberechnung die erwartete Inflationsrate i n irgendeiner Form berücksichtigen, da diese sicherlich die Vorstellungen der Wirtschaftssubjekte über die angemessene Kassenhaltung beeinflußt. Von daher können die Keynesianer ohne weiteres behaupten, daß trotz der Schwierigkeiten bei der Quantifizierung „des" Zinses dieser immer noch genauer ermittelt werden kann als „die" Geldmenge. Die Probleme, die bei der Messung der Geldmenge auftreten, werden sicherlich von den Keynesianern ernster genommen als von den Quantitätstheoretikern. Jemand, der davon ausgeht, daß es nicht möglich ist, die Geldmenge exakt zu messen, steht der empirischen Evidenz, die angeblich zeigt, daß Veränderungen der Geldmenge die Entwicklung des monetären Einkommens erklären, wahrscheinlich skeptisch gegenüber. Aber daraus folgt nicht notwendigerweise, daß ein Keynesianer sich mehr Gedanken über die Schwierigkeiten der Messung des Geldangebots als über die Messung der Zinsen machen muß. Man kann durchaus die Meinung vertreten, daß bei ungenauer Messung beider Variablen die Quantifizierung der Zinsen m i t größeren Ungenauigkeiten behaftet ist als die der Geldmenge. Es gibt sicherlich keinen Punkt der keynesianischen Theorie, der diese Meinung ausschließt. Die Tatsache, daß sich die Argumentation nicht auf den Zinsbegriff, sondern auf den Geldmengenbegriff stützt (und zwar sowohl i n der „Allgemeinen Theorie" als auch i n der nachfolgenden keynesianischen Literatur), kann häufig m i t dem Hinweis erklärt werden, daß man sich auf einer so hohen Ebene der Abstraktion befand, daß Meß-Probleme vernachlässigt werden konnten. Während es daher kaum einen Grund gibt, weshalb ein Quantitätstheoretiker den Zinssatz bei der Beschreibung des Transmissionsprozesses bevorzugen sollte, ist es also leicht einzusehen, daß ein Keynesianer m i t einem Quantitätstheoretiker darin übereinstimmen könnte, die Analyse eher auf die Geldmenge als auf den Zinssatz abzustellen. Ein dritter grundlegender Unterschied zwischen keynesianischem und monetaristischem Transmissionsprozeß ist auf das unterschiedliche Spekt r u m der i n Betracht kommenden Vermögensanlagen zurückzuführen. Teil auf die Habenzinsreglementierung zurückzuführen ist. Zum Beispiel wuchs M t zwischen Dezember 1972 und Dezember 1973 um 6,1 °/o, während M 2 (ausgenommen hohe Certificates of Deposits) um 8,9 °/o wuchs, d. h. um eine 69 % größere Rate. 23 Es gist einige Versuche, das Problem zu klären, ob M 1 oder M 2 eine engere Beziehung zum Einkommen hat. Aber diese Versuche scheiterten an der Tatsache, daß das umgekehrte Kausalverhältnis unter Umständen für eine der Größen enger ist als für die andere.

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Die Monetaristen definieren einen Anstieg des Geldangebots als einen relativen Anstieg i n der Kassenhaltung der Wirtschaftssubjekte i m Vergleich zum Bestand an Wertpapieren und allen Formen von Realkapital. U m die Grenzerträge wieder ins Gleichgewicht zu bringen, verwenden die Wirtschaftssubjekte die überschüssige Kassenhaltung dazu, zusätzlich Wertpapiere, Investitions- und Konsumgüter zu erwerben. Die Keynesianer nehmen dagegen an, daß eine Steigerung der Geldmenge i n der Regel lediglich die Investitionen, nicht aber den Verbrauch ber ü h r t 2 4 . Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens gehen die Keynesianer bei ihrer Zinsargumentation von dem Argument der Kreditkosten aus. Eine Erhöhung der Geldmenge verringert die Zinssätze und die niedrigeren Kreditkosten stimulieren die Nachfrage nach Gütern, die m i t Hilfe von Krediten gekauft werden. Das bedeutet, daß dadurch Unternehmensinvestitionen, der Wohnungsbau und unter Umständen auch die Nachfrage nach dauerhaften Konsumgütern belebt werden 2 5 . Die Nachfrage nach nicht-dauerhaften Konsumgütern w i r d dagegen nicht direkt berührt, da diese normalerweise nicht m i t Hilfe von Kredit gekauft werden. Zweitens gehen die Keynesianer häufig von der vereinfachenden Annahme aus, daß die Konsumneigung nicht direkt durch den Zinssatz beeinflußt wird, und somit eine Geldmengensteigerung lediglich die Investitionen verändert 2 6 . I n welcher Beziehung steht nun der Unterschied beim Spektrum der Vermögensanlagen zu der Bedeutung des Einflusses einer Geldmengenveränderung und damit zu der Frage, ob Veränderungen des Einkommens überwiegend durch Veränderungen der Geldmenge hervorgerufen werden? Geht man kausal-empirisch vor, so besteht eine unmittelbare Beziehung. Wenn Veränderungen i n der Geldversorgung sowohl Verbrauch als auch Investition berühren, dann übt Geld wahrscheinlich einen wesentlich größeren Einfluß auf das Einkommen aus, als wenn es lediglich die Investition (unter Umständen einschließlich der dauerhaften Konsumgüter) berührt 2 7 . Diese Begründimg ist zwar bestechend, aber 24 U m es klar zu sagen: I n dem überwiegend keynesianischen Federal Reserve — M. I. T.-Penn Modell hat der Zins einen starken Effekt auf den Verbrauch. Dies gilt jedoch nicht für die typischeren keynesianischen Modelle. 25 Nach K a r l Brunner („The Monetarist Revolution in Monetary Theory", a.a.O., S. 3) ist das Kreditkosten-Argument eher post-keynesianisch als Teil von Keynes ' eigenen Gedanken. 26 Keynes' Beweise für die Zinselastizität des Verbrauchs sind außerordentlich unbestimmt (The General Theory, London 1936, S. 93-94); aber diese ziemlich willkürliche Beurteilung erlaubt ihm eine starke Vereinfachung. Diese besteht darin, daß er sein Modell zweiteilt, einmal in Entscheidungen über die Einkommensverwendung (Sparen oder Verbrauchen) und zum anderen in Entscheidungen über die Finanzlage (Geld und Wertpapieranlage). Er braucht damit nicht die Rückkoppelungseffekte zu berücksichtigen, die von einer Finanzentscheidung auf den Verbrauch durch die Veränderung der Konsumneigung bei Zinsveränderungen ausgehen.

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dennoch kaum überzeugend. Man kann den keynesianischen Transmissionsprozeß akzeptieren und davon ausgehen, daß Geldmengenveränderungen lediglich über die Investitionen wirken, und kann dennoch die Meinung vertreten, daß die hiervon ausgehende W i r k u n g aufgrund der hohen Zinselastizität der Investitionen sehr groß ist. A u f der anderen Seite kann man annehmen, daß Veränderungen der Geldmenge sowohl Verbrauch als auch Investitionen berühren, und daß der Gesamteffekt dennoch vergleichsweise gering ausfällt. E i n weiterer grundlegender Unterschied bei der Analyse des Transmissionsmechanismus ist neueren Datums. K a r l Brunner und A l l a n Meitzer haben kürzlich eine neue Version des monetaristischen Transmissionsprozesses entwickelt 2 8 . Sie argumentieren, daß die Friedmansche Fassung, die dem entspricht, was hier bisher diskutiert wurde, m i t der i h r zugrunde liegenden Theorie i m wesentlichen keynesianisch ist, und sie entwickelten eine theoretische K r i t i k dieses keynesianischen Transmissionsmechanismus. Diese stellt einen relativen Preis- und Mengenmechanismus i n den Mittelpunkt, der das System tendenziell eher i n ein klassisches als i n ein keynesianisches Gleichgewicht bringt 2 9 . Damit bestehen nunmehr vier Verbindungen zwischen der Hypothese des Primats von Geldmengenveränderungen und der monetaristischen (im Gegensatz zu der keynesianischen) Version des Transmissionsprozesses. Die erste ist die Stabilität der Geldnachfrage, die zweite die relative Meßbarkeit des Geldes und des Zinses, die dritte ist das Spektrum der berücksichtigten Vermögensanlagen und die vierte betrifft die relativen Preis- und Mengeneffekte, wie sie von Brunner und Meitzer diskutiert werden. 27 Obwohl ich dies nur vermuten kann, nehme ich an, daß die Debatte über die Übertragungswege der Geldimpulse deshalb so intensiv war, weil damals empirische Untersuchungen über das Investitionsverhalten der Unternehmer gezeigt hatten, daß der Zins im besten Falle eine sehr geringe Rolle spielt. Die Monetaristen hatten damit eine gute Motivation für ihr Argument, daß die Geldmengenveränderungen nicht nur über Unternehmensinvestitionen w i r ken. Die Keynesianer neigen hingegen dazu, die Unternehmensinvestitionen als das einzige Verbindungsglied zwischen Veränderungen der Geldmenge und des Einkommens zu behandeln. 28 K a r l Brunner und Allan Meitzer, „Money, Debt and Economic Activity", Journal of Political Economy, Vol. 80, September / Oktober 1972, S. 951 -977; Karl Brunner, „A Survey of Selected Issues in Monetary Theory", Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik. Vol. 107, 1971, S. 1 -146. 29 Y. C. Park (a.a.O., S. 31) hat argumentiert, daß „Brunner und Meitzer — im Gegensatz zu ihrem Anspruch die keynesianische Sicht über die Art des Transmissionsprozesses akzeptieren. Was sie abzulehnen scheinen, ist die heuristische Vereinfachung der Wirklichkeit in bezug auf die Möglichkeit der Anlage, wie sie in der keynesianischen Einkommen/Ausgaben-Theorie dargestellt wird. „Diese Feststellung provoziert die Frage, ob man als »keynesianisch* jeden einzelnen Faktor ansehen sollte, der in der ,General Theory* und in der post-keynesianischen Literatur erwähnt wird, oder nicht lediglich nur solche, die besonders betont werden".

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Sind nun diese Verbindungsglieder zwingend i n dem Sinne, daß jemand, der die monetaristische Erklärung für eines dieser Glieder akzeptiert, dies auch bei den anderen tun muß? Die A n t w o r t ist: Nein. Es ist völlig eindeutig, daß jemand den keynesianischen Transmissionsmechanismus akzeptieren und dennoch annehmen kann, daß die Einkommensentwicklung überwiegend durch monetäre Faktoren bestimmt wird. Voraussetzung hierzu ist lediglich die Annahme einer hohen Zinselastizität der Investitionstätigkeit und einer niedrigen Liquiditätspräferenz. Umgekehrt kann man den monetaristischen Transmissionsmechanismus anerkennen und dennoch die Quantitätstheorie als Erklärung für die meisten beobachteten Einkommensveränderungen ablehnen. Selbst wenn nämlich die Geldnachfrage relativ stabil ist (wobei die gravierenden Fehler zu berücksichtigen sind, die bei der Messung entstehen können), kann die Geldmenge relativ noch stabiler sein. Und obwohl jemand, der die Dominanz der monetären Impulse unterstellt, möglicherweise davon ausgeht, daß die Geldmenge relativ gut meßbar ist, kann er andererseits auch annehmen, daß der Zins ebenso gut und sogar besser meßbar ist. Darüber hinaus könnten Geldmengenveränderungen ihren gesamten (starken) Einkommenseffekt auch über die Investitionen erzielen. Schließlich kann man die Brunner -Meitzer- Analyse der relativen Preis- und Mengeneffekte als zutreffend ansehen, aber dennoch davon ausgehen, daß diese Effekte kurz- und mittelfristig verhältnismäßig gering sind. M i t anderen Worten: Man kann von der Stärke des monetären Impulses nicht auf die A r t schließen, wie die Geldmenge das Einkommen beeinflußt und umgekehrt.

Π Ι . Die Stabilität des privaten Sektors I n der Regel unterstellen Monetaristen, daß der private Sektor i n härent stabil ist, wenn er sich selbst überlassen und nicht durch erratische Schwankungen des Geldmengenwachstums gestört wird. Viele, wahrscheinlich die meisten Keynesianer verneinen dies. Die Natur dieser Kontroverse ist aber vielschichtig. Normalerweise bestreiten Keynesianer nicht, daß der private Sektor i n dem Sinne stabil ist, daß er Schwankungen eher dämpft als verstärkt. Wie Lawrence Klein herausgestellt hat, zeigen jedenfalls einige führende keynesianische Modelle, daß die W i r t schaft gegenüber stochastischen Schocks resistent ist 3 0 . Dennoch betrachten die Keynesianer den privaten Sektor i n einem anderen Sinne als instabil. U n d zwar gehen sie davon aus, daß er unvorhersehbaren Schocks unterliegt, die vor allem auf Veränderungen der Grenzleistungs80 „The State of the Monetarist Debate: Comment", Federal Reserve Bank of St. Louis, Monthly Review, Vol. 55, September 1973, S. 11.

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fähigkeit der Investitionen zurückzuführen sind. Für Keynesianer können (und sie t u n dies auch) viele Faktoren tiefgehende Veränderungen i n der Gesamtnachfrage hervorrufen, die dann eben zu abgeschwächten Schwankungen führen können. I m Gegensatz dazu behandeln die Monetaristen die aggregierte Nachfrage als das Ergebnis einer stabilen Geldnachfrage und eines instabilen Geldangebots. Sie sehen den privaten Sektor als stabil an, weil die Geldnachfrage stabil ist, und führen die meisten (wenn auch sicherlich nicht alle) der tatsächlich beobachteten Schwankungen auf die von den monetären Instanzen verursachten Veränderungen des Geldangebots zurück 31 . Daher hängt dieser Streit über die Stabilität des privaten Sektors direkt m i t der Auseinandersetzung über die Quantitätstheorie i n dem Sinne zusammen, daß Veränderungen der aggregierten Nachfrage überwiegend durch Veränderungen des Geldangebots zu erklären sind und weniger durch Veränderungen der Grenzleistungsfähigkeit der Investitionen usw. 3 2 . Aber dennoch besteht keine zwängende Verbindung zwischen Quantitätstheorie und der Stabilität des privaten Sektors. Jemand kann die Quantitätstheorie ablehnen und dennoch eine inhärente Stabilität des privaten Sektors annehmen. So müßte zum Beispiel ein Keynesianer, der annimmt, daß die Fiskalpolitik zeitlich so schlecht organisiert wird, daß sie destabilisierend w i r k t , und daß die Geldpolitik letzten Endes ebenfalls nichts zur Stabilisierung beiträgt, zu dem Ergebnis kommen, daß der private Sektor stabiler ist als dies aufgrund der tatsächlich beobachteten Schwankungen des Brutto-Sozialprodukts erscheint. Diese Anschauung widerspricht weder i n irgendeiner Weise der keynesianischen Theorie, noch setzt sie die Quantitätstheorie voraus. Daher kann man i n seiner Grundeinstellung Keynesianer sein und gleichzeitig die monetaristische Position anerkennen, daß der private Sektor inhärent stabil ist, oder zumindest stabiler als der private u n d der staatliche 81 Ein Ansatz, der auf Ausgaben abstellt, wird wahrscheinlich zu anderen Ergebnissen kommen als einer, der die Geldnachfrage in den Mittelpunkt stellt. Letztere scheint (zumindest auf einer intuitiven Ebene) stabil, während (wiederum intuitiv argumentiert) Ausgaben sehr veränderlich zu sein scheinen. Offensichtlich stehen diese beiden Intuitionen im Konflikt mit dem Walrasschen Gesetz. Vielleicht liegt die Lösung des Konfliktes darin, daß die Neigung für bestimmte Ausgaben, wenn man gleichzeitig jeweils nur einzelne betrachtet, instabil erscheint. Diese Instabilität wird aber zum großen Teil ausgeglichen, wenn sich ein Wirtschaftsbereich in einer Depression befindet und ein anderer gleichzeitig im Boom. 82 Leonell Andersen („The State of the Monetarist Debate", Federal Reserve Bank of St. Louis, Monthly Review, Vol. 55, September 1973, S. 2 - 8) hat einen anderen Umstand als den Unterschied zwischen keynesianischer und monetaristischer Ansicht über die Stabilität des privaten Sektors herausgestellt: Die Länge der Zeit, die benötigt wird, um in die Nähe des Gleichgewichts zu kommen, wenn die Wirtschaft einem Schock ausgesetzt war.

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Sektor zusammen. Es ist allerdings wesentlich schwieriger, sich vorzustellen, daß ein Quantitätstheoretiker von der Instabilität des privaten Sektors ausgehen könnte. I V . Die Vernachlässigung allokativer Details und die Annahme eines gut funktionierenden Kapitalmarktes Einer der Punkte, i n dem sich Monetaristen und Keynesianer unterscheiden, ist, daß die Keynesianer i m Gegensatz zu den Monetaristen bei dem Versuch, kurzfristige Einkommensveränderungen zu erklären, die Geschehnisse i n bestimmten Wirtschaftsbereichen i n den Mittelpunkt stellen. Bei instabilem privaten Sektor (in dem oben definierten Sinne) können Schwankungen i n verschiedenen Branchen beginnen oder i n bestimmten Eigenheiten einer Branche begründet sein. Z u m Beispiel kann ein Zinsanstieg andere Wirkungen auf den Wohnungsbau (und damit auf den gesamten Output) haben, wenn die Banken, die Hypothekarkredite ausleihen, schon knapp an Liquidität sind, als wenn sie umgekehrt ein großes Liquiditätspolster besitzen. U m es grundsätzlicher zu sagen: Die Keynesianer prognostizieren oder erklären die Höhe des Einkommens, indem Sie auf die Ausgabenmotivation jedes einzelnen Bereichs achten. Deshalb müssen sie auch jeden einzelnen Bereich analysieren. I m Unterschied dazu nehmen die Monetaristen an, daß die Ausgaben durch einen Angebots- oder Nachfrageüberschuß der realen Kassenhaltung bestimmt werden. Daher brauchen sie nur das Verhalten auf einem einzigen M a r k t beobachten, nämlich dem M a r k t für reale Kassenhaltung 33 . Die Beachtung allokativer Details, d. h. des Verhaltens verschiedener Wirtschaftsbereiche w i r d durch die bei Keynesianern häufig anzutreffende Tendenz verstärkt, den Kapitalmarkt als unvollkommen anzusehen, und deshalb m i t der Möglichkeit einer A r t „Zuteilung" von Krediten zu rechnen. Daher genügt es den Keynesianern bei der Schätzung der Gesamtnachfrage nicht, wenn nur die Gesamtliquidität der Wirtschaft bekannt ist. Sie wollen auch die Liquidität bestimmter Branchen kennen, wie z. B. die der Banken, die Hypothekarkredite geben 34 . Die Betonung der Unvollkommenheit des Kapitalmarktes und der Möglichkeit einer Kreditrationierung hängt wiederum m i t der bei Keynesianern üblichen Betonung der Kreditkonditionen als einzigem Wirkungskanal zusammen, 83 Dies bedeutet nicht, daß Monetaristen institutionelle Details außer acht lassen können. Sie habe in ihrer Analyse des Geldangebotsprozesses die verschiedenen institutionellen Faktoren (die in den einzelnen Ländern unterschiedlich sind) zu beachten. Dies unterscheidet sich jedoch von der Betrachtung allokativer Details. 34 So ist in dem überwiegend keynesianischen Federal Reserve-M. I. T.-Penn Modell einer der Hauptübertragungswege, über den monetäre Veränderungen das Einkommen berühren, die Kreditrationierung.

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über den die Geldpolitik Einfluß n i m m t 3 5 . Aus diesem Grunde wollen sie möglichst viel über die verschiedenen Zinssätze und finanziellen Märkte wissen, bevor sie den Einfluß der monetären Faktoren auf das Einkommen abschätzen. Die Annahme der Unvollkommenheit des K a pitalmarktes erklärt, w a r u m die Keynesianer ein größeres Interesse an Geldstromanalysen haben als die meisten Monetaristen, obwohl diese doch gerade das zentrale Problem der Monetaristen berühren, das Geld. Ein anderer Grund für die keynesianische Betonung sektoraler Details ist sicherlich die Tendenz vieler Keynesianer, staatliche Interventionen zu befürworten. Effiziente staatliche Eingriffe erfordern natürlich detaillierte Kenntnis über viele Wirtschaftsbereiche, da der Eingriff spezielle Probleme bestimmter Sektoren zum Ziel hat. Schließlich, und dies w i r d i m nächsten Abschnitt diskutiert werden, betrachten viele Keynesianer Inflation als eine Erscheinung, die manchmal — zumindest zum Teil — eher auf die Entwicklung i n speziellen Branchen zurückgeführt werden kann als auf den einzigen allumfassenden Faktor der Geldmenge, von dem die Monetaristen ausgehen. I m Unterschied dazu messen Monetaristen gewöhnlich den allokativen Details bei der Erklärung kurzfristiger Einkommensveränderungen wenig Interesse bei 3 6 . Sie treffen eine scharfe Unterscheidung zwischen den relativen Preisen, die durch die jeweilige Situation i n den verschiedenen Bereichen beeinflußt werden und dem allgemeinen Preisniveau, das durch die Geldmenge beeinflußt wird. Sie bauen ihre Schätzung des Volkseinkommens nicht wie die Keynesianer auf der Addition der Einkommen der verschiedenen Sektoren auf, sondern arbeiten eher „von oben nach unten". Sie schätzen die Gesamtausgaben, indem sie die Geldmengenänderungen zu Rate ziehen, und sie werden erst dann, falls Interesse besteht, die Verteilung dieser gegebenen Gesamtausgaben auf die einzelnen Sektoren untersuchen. Die Annahme eines gut funktionierenden Kapitalmarktes bestärkt die Monetaristen i n ihrer weiteren A n nahme, daß unabhängig von sektoralen Besonderheiten ein gegebener Zuwachs der Geldmenge mehr oder weniger die gleiche W i r k u n g auf die 35 Offensichtlich kann ein so hoch entwickeltes Modell, wie das oben erwähnte, mehrere Wirkungskanäle haben und ist nicht auf den Kanal der Kreditkosten beschränkt. Aber für die meisten keynesianischen Darstellungen sind die Kreditkosten der hauptsächliche Wirkungskanal. 36 Das bedeutet nicht, daß Monetaristen an sich uninteressiert an allokativen Details sind. Sie sind im Gegenteil daran häufig stark interessiert, weil sie meinen, daß staatliche Eingriffe auf den Finanzmärkten ernste Probleme aufwerfen. Ebenso wenden sie sich gegen die Unterdrückung finanzieller Grundzusammenhänge. I n den Vereinigten Staaten sind die Monetaristen gegenüber der Regulation Q (der Habenzinsreglementierung) wesentlich kritischer eingestellt als die Keynesianer. Nur die Verwendung von allokativen Details für die Prognose kurzfristiger Einkommensveränderungen interessiert die Monetaristen weniger als die Keynesianer.

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aggregierte Nachfrage ausüben wird, wenn auch natürlich nicht auf die relativen Einkommen der verschiedenen Sektoren 37 . Aufgrund ihres Glaubens an die Stabilität des privaten Sektors und an die mangelnde Notwendigkeit staatlicher Eingriffe besteht für die Monetaristen auch kaum ein Anlaß, -die Entwicklung der verschiedenen Sektoren i n den Mittelpunkt des Interesses zu stellen 38 . Diese Tendenz w i r d noch durch die Tatsache verstärkt, daß eben die Monetaristen i m Unterschied zu den Keynesianern i n der Regel nicht versuchen, die Wirkungskanäle der Geldpolitik zu spezifizieren; sie stehen daher auch nicht vor dem Problem, die W i r k u n g der monetären Faktoren dadurch abschätzen zu müssen, daß sie deren W i r k u n g auf die verschiedenen Sektoren analysieren. So gesehen ist das monetaristische Desinteresse an allokativen Details bei der Erklärung kurzfristiger Einkommensveränderungen eine natürliche Folge ihrer grundsätzlichen Überzeugungen. Es resultiert aus ihrem Glauben i n die Quantitätstheorie oder aus der überragenden Bedeutung, die Geldangebotsänderungen für die Erklärung des Einkommens beigemessen werden. Es hängt ebenso m i t ihrer Sicht des Transmissionsprozesses zusammen, i n dem Ausgabenmotive und Besonderheiten einzelner Sektoren unwichtig sind, und die Kreditkosten als Ansatz für die Beurteilung des Einflusses monetärer Faktoren abgelehnt werden. Dies bedeutet jedoch nicht, daß Monetaristen notwendigerweise allokative Details bei der Voraussage von Einkommensveränderungen vernachlässigen müssen. Man kann alle anderen grundsätzlichen und charakteristischen monetaristischen Positionen akzeptieren und dennoch annehmen, daß der Kapitalmarkt ausgesprochen unvollkommen funktioniert, so daß Kapitalrationierung ein ernst zu nehmendes Problem ist, und daß damit der Kapitalfluß zwischen den verschiedenen Sektoren eine Rolle für die Bestimmung des Einkommens spielt 3 9 . Ebenso kann ein Monetarist staatliche Eingriffe bevorzugen; entweder weil er der Stabilität des privaten Sektors mißtraut, oder w e i l er staatliche Eingriffe aus irgendwelchen anderen Gründen befürwortet. Prinzipiell kann jemand Monetarist und Sozialist zugleich sein. Gleichzeitig braucht ein Keynesianer nicht an die Unvollkommenheit des Kapitalmarktes und an die Gefahr der Kapitalrationierung zu glau37 Insofern die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes in den verschiedenen Bereichen differiert, haben auch Monetaristen einen Anlaß, die Verteilung des Geldes auf die verschiedenen Sektoren zu analysieren. Als ein bemerkenswertes Beispiel vergleiche Richard Seiden, „The Postwar Rise in the Velocity of Money", Journal of Finance, Vol. 16, Dezember 1961, S. 483 - 545. 38 Die Aussage gilt mit einer Ausnahme. Monetaristen werden möglicherweise der Effizienz eines Sektors immer sehr große Aufmerksamkeit schenken; nämlich dem finanziellen Sektor. Sie werden auf Störungen hinweisen, die in diesem Sektor durch staatliche Eingriffe hervorgerufen werden. 39 Kapitalrationierung macht selbstverständlich die Geldnachfrage weniger stabil.

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ben. Keine dieser Ideen spielt i n der „Allgemeinen Theorie" eine Rolle. U m es noch deutlicher zu machen: Man kann den allgemeinen Rahmen keynesianischer Analysen akzeptieren, ohne an die Instabilität des p r i vaten Sektors und an die Ratsamkeit staatlicher Interventionen zu glauben, und w i r d daher i n diesem Zusammenhang allokativen Problemen nur wenig Bedeutung beimessen. Lediglich die starke keynesianische Beachtung der Ausgabemotive stellt eine grundsätzliche Begründung für das keynesianische Interesse an allokativen Details dar. V. Preisniveau versus Einzelpreise Einer der Hauptunterschiede zwischen Monetaristen und den meisten Keynesianern liegt i n ihrer A r t der Preisniveaubetrachtung 40 . Dies ist eine subtile Unterscheidung, die — wenn überhaupt — selten explizit vorgenommen wird. Grundsätzlich gibt es zwei Methoden der Analyse von Preisniveauveränderungen. Die eine ist, das Preisniveau als ein aggregiertes Phänomen zu betrachten, das durch das Zusammenwirken von lediglich zwei Faktoren — Gesamtnachfrage und Gesamtangebot — bestimmt wird. Dieser Ansatz t r i f f t eine scharfe Unterscheidung zwischen dem allgemeinen Preisniveau und den relativen Preisen. Besondere Ereignisse i n einzelnen Branchen, wie ein Anstieg des Monopolgrades, gewerkschaftliche Macht oder schlechte Ernten berühren zwar eindeutig die relativen Preise, sie schlagen sich i m Preisniveau aber nur i n dem Umfang nieder, i n dem sie auch Gesamtnachfrage oder -angebot beeinflussen. Wenn daher die Preise der Industrie A steigen, ohne daß gleichzeitig die Gesamtnachfrage steigt, dann ist der Anstieg des Preises A nur möglich, wenn entweder der Output reduziert w i r d oder alle anderen Preise i m Durchschnitt sinken. Bei der anderen Betrachtung w i r d das Preisniveau als die gewichtete Summe des Einzelpreises angesehen. Die Preise werden i n diesem Fall durch das Zusammenwirken von Angebot und Nachfrage der einzelnen Industrien unter Berücksichtigung der Preispolitik i n den verschiedenen Branchen erklärt. Veränderungen i n der Gesamtnachfrage werden i n diesem System sicher nicht ignoriert, da sie die Nachfragekurve, der sich jeder Wirtschaftszweig gegenüber sieht, beeinflussen, aber gleichzeitig w i r d dem speziellen Verhalten einzelner Branchen große Bedeutung beigemessen. Beide Möglichkeiten der Analyse von Preisniveauänderungen sind formal korrekt. Obwohl daher jemand, der über alle notwendigen I n 40 U m festzustellen, ob jemand Keynesianer oder Monetarist ist, könnte man um eine schnelle und intuitive Antwort auf die Frage bitten: „Angenommen der ölpreis steigt. Welche Wirkung hat dies auf das allgemeine Preisniveau?"

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formationen verfügt, bei beiden zum selben Ergebnis kommen muß, bedingen sie doch unterschiedliche Forschungsstrategien und führen dam i t i n der Praxis wahrscheinlich zu divergierenden Ergebnissen. Es liegt auf der Hand, daß die Monetaristen die aggregierte Methode der Preisniveaubetrachtung benutzen. Sie betrachten die Veränderungen der Geldmenge, u m Veränderungen der Gesamtnachfrage zu bestimmen und führen die Veränderungen der Gesamtnachfrage auf Preisund Outputveränderungen zurück 4 1 . Bei diesem Ansatz (zumindest i n seiner einfachsten Version) hat die Preissetzung einer einzelnen Branche keinen Einfluß auf das allgemeine Preisniveau, sondern berührt lediglich die relativen Preise 42 . E i n Monetarist w i r d daher normalerweise die Cost-push-Erklärung der Inflation ablehnen. Man sollte vielleicht anmerken, daß die Ablehnung aller Cost-pushPhänomene selbst innerhalb des monetaristischen Systems möglicherweise nicht gerechtfertigt ist. Wenn die Industrie A (bei einer unelastischen Nachfrage) ihre Preise erhöht und damit die Gesamtnachfrage verringert, die den anderen Branchen zur Verfügung steht, so reagieren diese Wirtschaftszweige unter Umständen — zumindest zum Teil — nicht m i t Preissenkungen, sondern m i t Produktionseinschränkungen. Soweit dies geschieht, w i r d durch das Verhalten der Industrie A das allgemeine Preisniveau angehoben und nicht allein der relative Preis für das Gut A. I n welchem Umfang es hierzu kommt, ist eine empirische Frage und hängt wahrscheinlich vom herrschenden Inflationsgrad einer Wirtschaft ab. Ist zum Beispiel bereits ein allgemeiner Preisanstieg vorhanden, wenn die Industrie A ihre Preise erhöht, dann kann eine allgemeine Preisanpassung dadurch erfolgen, daß die anderen Branchen ihre Preise nicht i n dem Umfang anheben, wie sie es sonst getan hätten. A u f der anderen Seite müßten sie i n Zeiten eines stabilen Preisniveaus ihre Einzelpreise absolut senken, u m den Preisanstieg beim Gut A abzugleichen; aber es gibt eine Reihe von empirischen Untersuchungen, die zeigen, daß die Einzelpreise nach unten rigide sind. Der mehr makroökonomisch als mikroökonomisch orientierte Preisniveauansatz der Monetaristen paßt gut zu zwei der vorher diskutierten Charakteristika des Monetarismus. Erstens, wenn ein Preisanstieg i n einem einzelnen Wirtschaftszweig eine Preissenkung i n anderen Bereichen bewirkt, so ist das ökonomische System inhärent stabil; zumindest, soweit eine Cost-push-Inflation i n Betracht kommt. Zweitens, wenn das 41 Vgl. zum Beispiel Keith Carson , „A Monetarist Model for Economic Stabilization", Federal Reserve of St. Louis, Vol. 52, April 1970, S. 7 - 25. 42 Dies gilt natürlich nur, wenn die Zentralbank die Geldmenge nicht vergrößert, falls ein wichtiger Wirtschaftszweig Löhne und Preise erhöht hat, oder auch Arbeitslosigkeit entsteht.

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Preisverhalten einzelner Wirtschaftszweige keinen Einfluß auf das allgemeine Preisniveau hat, dann ist dies ein Grund mehr, u m allokative Details zu vernachlässigen. Dennoch ist anzumerken, daß es sich bei dieser Beziehung keineswegs u m eine logische Zwangsläufigkeit handelt, obw o h l der monetaristische Preisniveausansatz gut zu dem Glauben an die Stabilität des privaten Sektors und an die Irrelevanz allokativer Details paßt. Man kann die monetaristische Hypothese über die Irrelevanz allokativer Details und die Stabilität des privaten Sektors akzeptieren, und dennoch gleichzeitig den keynesianischen Preisniveauansatz als richtig ansehen 43 . Die typisch keynesianische Betrachtung des Preisniveaus unterscheidet sich i n erheblichem Umfang von der monetaristischen. Sicherlich w i r d das Preisniveau auch i m keynesianischen Modell durch Gesamtnachfrage und -angebot bestimmt, aber einem Keynesianer ist m i t dieser Aussage wenig geholfen, da er die Gesamtnachfrage nicht als gegeben annehmen kann 4 4 . I m Gegensatz dazu, ist dies für die Monetaristen möglich: Wenn der Wirtschaftszweig A seinen Preis erhöht, so w i r d dadurch die Gesamtnachfrage nicht verändert, w e i l sie von der Geldmenge abhängt 4 5 . Für Keynesianer ist die Geldmenge dagegen n u r einer von mehreren Bestimmungsfaktoren der Gesamtnachfrage. Obwohl daher der Preisanstieg des Gutes A die reale Geldmenge verringert, kann er ebenso die Grenzleistungsfähigkeit der Investitionen, vor allem i m Wirtschaftszweig A, erhöhen. M i t anderen Worten: Während die Gesamtnachfrage bei den Monetaristen als Budgetbeschränkung fungiert, da sie durch die Geldmenge bestimmt ist, ist sie i m keynesianischen System variabel. Damit ist es für einen Keynesianer zumindest möglich, daß ein Preisanstieg beim Gut A die Gesamtnachfrage so weit steigert, daß die anderen Preise (und Produktionen) nicht fallen müssen, sondern unter Umständen sogar steigen. Da die Wirkung auf die Gesamtnachfrage bei einer Preissteigerung des Gutes A ungewiß ist, sind die Keynesianer versucht, sie zu ignorie43 Der private Sektor kann sogar dann stabil oder immun gegenüber der Cost-push-Inflation sein, wenn der Anstieg einzelner Preise zu keinen entsprechenden Preissenkungen in anderen Bereichen führt. Dies gilt dann (und nur dann), wenn die Kräfte, die den Kostendruck verursachen, schwach sind. Ebenso können erratische Veränderungen der Ausgabeneigung des privaten Sektors sogar dann destabilisieren, wenn der monetaristische Ansatz in bezug auf das Preisniveau zutrifft. Dann werden allokative Details wichtig. 44 Vgl. Sidney Weintraub, Keynes and the Monetarists (New Brunswick, N. J. 1973) Kap. 7. 45 Selbstverständlich ist diese Begründung lediglich eine erste Näherungslösung, weil sie die Tatsache außer acht läßt, daß ein Anstieg des Preisniveaus wegen der in diesem Zusammenhang ebenfalls gestiegenen Zinsen die U m laufgeschwindigkeit erhöht. Trotzdem können Monetaristen glauben, diesen Effekt als unbedeutend vernachlässigen zu können, weil sie annehmen mögen, daß die Zinselastizität der Geldnachfrage gering ist.

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ren. Dieser Versuchung w i r d häufig nicht widerstanden. Ein typisches Beispiel hierfür ist die Arbeit von Otto Eckstein und Gary Fromm, i n der die Wirkungen eines Anstiegs des Stahlpreises auf das allgemeine Preisniveau untersucht werden. Die Arbeit bezieht sowohl den direkten als auch den indirekten Effekt einer Stahlpreiserhöhung, die an den Stahlabnehmer weitergegeben wird, i n die Überlegungen m i t ein. Sie kommt zu dem Schluß, daß „wenn der Stahlpreis sich genau so verhalten hätte wie die anderen industriellen Preise, dann wäre das allgemeine Preisniveau i n den letzten zehn Jahren u m 40 % weniger gestiegen . . ." 4 6 . Für Monetaristen gibt eine solche Aussage lediglich eine rechnerische Beziehung wieder, die keine ökonomische Bedeutung hat, da sie die Gesamtnachfrage und damit die anderen Preise vernachlässigt 47 . Und es ist i n der Tat auch kaum zu erklären, wie es Keynesianer rechtfertigen, die indirekten Rückwirkungen zu ignorieren. Die Wurzeln dieser Übervereinfachung sind jedoch bereits i n der „ A l l gemeinen Theorie" zu finden, da Keynes annahm, daß die Preise von der Lohnrate und dem physischen Grenzprodukt der Arbeit bestimmt werden. Tatsächlich hat besonders Keynes versucht, die Preisniveautheorie m i t mikroökonomischen Faktoren, wie den Grenzkosten, i n Verbindung zu bringen und die Dichotomie zwischen der Bestimmung der einzelnen Preise durch die Grenzkosten usw., und der des Preisniveaus durch makroökonomische Faktoren, wie die Geldmenge und ihre Umlaufgeschwindigkeit, aufzuheben. So schreibt er i m Kapitel 21 der „Allgemeinen Theorie": „Eines der Probleme der vorangegangenen Kapitel w a r es, diesem Doppelleben zu entkommen und die Preistheorie insgesamt wieder i n engen Kontakt m i t der Werttheorie zu bringen 4 8 ." Die keynesianische Tendenz, das Preisniveau als durch die Kosten der einzelnen Wirtschaftszweige determiniert anzusehen, wurde i n den vergangenen Jahren durch eine umfangreiche empirische Literatur untermauert, die die Preise mehr durch Kostenveränderungen als durch Nachfrage Veränderungen bestimmt sieht 4 9 . (Diese Evidenz ist jedoch 46 Otto Eckstein und Garry Fromm, „Steel and the Postwar Inflation", Study Paper Nummer 2, U. S. Congress, Joint Economic Committee, 86. Congress, 1. Session, Washington D. C., 1959, S. 34. 47 Vgl. Denis Karnosky, „A Primer on the Consumer Price Index", Federal Reserve Bank of St. Louis, Review, Vol. 56, Juli 1974, S. 7. 48 „The General Theory", a.a.O., S. 293. 49 Vgl. William Nordhaus, „Recent Developments in Price Dynamics", in Board of Governors, Federal Reserve System, The Econometrics of Price Determination, Conference (Washington, D. C. 1972), vgl. ebenso W. Godley und W. Nordhaus, „Pricing in the Trade Cycle", Economic Journal, Vol. 82, September 1972, S. 853-882. Vielleicht ist die Neigung der Keynesianer, die Preise als kostendeterminiert anzusehen, Zeichen für eine Konvergenz der keynesianischen und der institutionellen Schulen in manchen Zusammenhängen.

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nicht immer leicht zu interpretieren, da Kastenveränderungen wiederum das Ergebnis von Nachfrageveränderungen sein können 50 .) Außerdem hat dieser Ansatz seine Beliebtheit wahrscheinlich auch dadurch erlangt, daß er als erste Näherungslösung oder als elementares Lehrhilfsmittel für die keynesianische Angebotskurve dient, die bei Vollbeschäftigung dichotomisch ist. Wenn Veränderungen der Gesamtnachfrage unterhalb des Punktes der Vollbeschäftigung lediglich den Output und nicht die Preise berühren, dann kann bei der Erklärung des Preisniveaus für eine solche Situation die Tatsache vernachlässigt werden, daß ein Preisanstieg i m Wirtschaftszweig A die Nachfrage für die anderen Sektoren verändert. Aber obwohl viele (wahrscheinlich die meisten) Keynesianer das Preisniveau i n der eben beschriebenen Weise analysieren, ist diese A r t der Preisniveaubetrachtung keineswegs eine notwendige Implikation des keynesianischen Modells. Ein Keynesianer könnte ebenso wie ein Monetarist eher das allgemeine Preisniveau als die einzelnen Preiskomponenten i n den Mittelpunkt seiner Betrachtungen stellen, ohne damit irgendeinen fundamentalen Bestandteil der keynesianischen Theorie aufzugeben. Wie schon oben bemerkt, besteht die einzige Möglichkeit für einen Keynesianer, die Wirkungen eines Preisanstiegs des Gutes A auf die restliche Nachfrage für die übrigen Güter zu ignorieren, darin, daß er annimmt, daß dieser Preisanstieg beim Gut A einen ebenso großen Anstieg der Nachfrage hervorruft. Aber es gibt keinerlei Hinweis i n der keynesianischen Theorie, wonach dies zwangsläufig ist. Der Preisanstieg für das Gut A verringert die reale Kassenhaltung und damit die Nachfrage. Sicherlich kann dies durch einen Anstieg der Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals kompensiert werden, aber das muß nicht geschehen. Die Wirkung eines Preisanstiegs für das Gut A auf die Grenzleistungsf ähigkeit der Investitionen kann sogar negativ sein. Oder wenn sie positiv ist, dann muß sie nicht notwendigerweise so groß sein, daß sie alle W i r kungen aufhebt, die von der Verringerung der realen Kassenhaltung ausgehen. Die keynesianische Theorie schweigt hierzu. So seltsam es auch anmuten mag, es scheint fast keine keynesianische Literatur über den Effekt zu geben, der vom Anstieg eines Einzelpreises auf das Einkommen ausgeht 51 . Es stimmt natürlich, daß eine Nachfrageveränderung für 50 Ein führender Monetarist, Phillip Cagan, hat kürzlich den Vorschlag gemacht, die Abhängigkeit der Preisveränderungen von Kostenveränderungen als ein kurzfristiges Phänomen zu erklären, das auf Schwierigkeiten zurückzuführen ist, die Unternehmen bei der Koordination ihrer Preisveränderungen haben (Phillip Cagan, „Inflation: the Hydra-Headed Monster", Washington, D. C. 1974, S. 21 - 24). 51 Die einzige ernsthafte keynesianische Auseinandersetzung mit diesem Problem, die mir bekannt ist, ist Abraham Bergsons Aufsatz „Price Flexibility and the Level of Income", Review of Economics and Statistics, Vol. X X V . Februar 1943, S. 2 - 5.

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Güter die Ausbringung und nicht die Preise der anderen Güter beeinflussen könnte. Aber ob dies geschieht oder nicht, hängt davon ab, wo w i r uns auf der Gesamtangebotskurve befinden 52 . Die Auseinandersetzung über die Determinanten des Preisniveaus ist daher nicht so sehr ein Streit zwischen Monetarismus und Keynesianismus i m allgemeinen als ein Streit zwischen dem Monetarismus und einer speziellen Form des Keynesianismus. Obwohl diese Form sehr verbreitet ist, und vielleicht von den meisten Keynesianern akzeptiert wird, stellt sie lediglich eine Möglichkeit unter anderen für die Entwicklung des grundlegenden Keynesschen Modells dar. Außerdem braucht auch ein Monetarist die oben diskutierte, typisch monetaristische Position nicht zu akzeptieren. Er kann der Meinung sein, daß ein Preisanstieg beim Gute A schließlich die Preise anderer Güter verringert, obwohl er kurzfristig eher die Ausbringung als die Preise vermindert. Deshalb kann bei diesem Problem ein Keynesianer die typisch monetaristische Sichtweise akzeptieren und ein Monetarist kann die typisch keynesianische Betrachtungsweise annehmen, ohne daß einer von beiden seine grundsätzliche Position aufgibt 5 3 . V I . Große versus kleine Modelle Während Keynesianer normalerweise große Strukturmodelle bevorzugen, haben Monetaristen eine Vorliebe für kleine Modelle der reduzierten Form 5 4 . Die Auseinandersetzung über die Modellgröße schließt 52

Es ist nicht zu klären, ob ein Keynesianer mit größerer Wahrscheinlichkeit annimmt, daß sich die Veränderungen eher im Output als in den Preisen niederschlagen, als ein Monetarist. Einerseits ist es bei Keynesianern wahrscheinlicher, daß sie Preisrigiditäten und Unterbeschäftigungssituationen stärker betonen. Andererseits unterstreichen viele Monetaristen Erwartungseffekte und die antizipatorische Preisbildung bei Inflation. I n dem Maße, in dem die Inflation bei der Preisbildung antizipiert wird, ist es wahrscheinlich, daß ein Rückgang der Nachfrage den Output eher berührt als die Preise (und dies, obwohl bei Inflation die Preisflexibilität nach unten kein Problem ist). 53 Obwohl Monetaristen Preise häufig als ziemlich flexibel ansehen, kann man auch ohne diese Annahme Monetarist sein. 54 Es gibt eine Reihe von kleineren keynesianischen Modellen. Wenn man die Keynesianer-Monetaristen-Debatte durch einen Vergleich der Prognosefähigkeit der monetaristischen und keynesianischen Modelle beurteilen will, dann sollte man die monetaristischen Modelle (wie ζ. B. das Andersen-Modell) nicht mit großen keynesianischen Modellen (wie beispielsweise dem WhartonModell) vergleichen, wie dies manchmal geschieht, sondern mit kleinen keynesianischen Modellen. So ist die Feststellung, daß das Andersen- J or danModell verglichen mit den Wharton- und Ο . Β. E. Modellen recht gut ist (vgl. Yoel Hatovsky und George Treyz, „Forecasts with Quarterly Macroeconomic Models, Equation Adjustment and Benchmark Prediction: The U. S. Experience", Review of Economics and Statistics, Vol. L I V , August 1972, S. 317 - 325), nicht so bedeutsam für die Auseinandersetzung. Wichtig wäre die Feststellung, daß die Leistung des Andersen-Jordan Modells verglichen mit der von kleinen keynesianischen Modellen nicht außergewöhnlich ist. (Siehe S. K. McKnees, „A Comparison of the GNP Forecasting Accuracy of

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viele Probleme ein, die über die Monetarismus-Debatte hinausgehen. Über weite Teile ist dieser Punkt, bei dem es um die Gültigkeit eines Ansatzes m i t einer einzigen Gleichung geht, eher ein Problem der theoretischen Ökonometrie als der Geldtheorie. Darüber hinaus — darauf hat Friedman besonders hingewiesen — w i r d die Frage berührt, ob unser Wissen ausreicht, u m die komplexe Realität durch ein (sogar noch bei den großen Modellen) stark vereinfachendes System darstellen zu können 5 5 . Aus diesem Grund betrachtet Friedman die Debatte der großen versus kleiner Modelle als „fast völlig losgelöst von der Auseinandersetzung der Monetaristen versus Keynesianer" 5 6 . Aber dennoch paßt der Gebrauch von Modellen der reduzierten Form i n verschiedener Hinsicht sehr gut zu den monetaristischen Hypothesen. Eine erste Verbindung ergibt sich aufgrund des Transmissionsprozesses. Wenn Geldmengenänderungen das Einkommen über eine begrenzte A n zahl von Wirkungskanälen beeinflussen, so ist man versucht, jeden einzelnen dieser Kanäle zu berücksichtigen und daher ein umfangreiches Strukturmodell zu benutzen. Wenn jedoch monetäre Veränderungen die Wirtschaft durch eine sehr große Zahl von Möglichkeiten beeinflussen, wie es die Monetaristen behaupten, dann ist es selbst bei einem großen Strukturmodell unwahrscheinlich, daß alle berücksichtigt werden können. E i n Ansatz der reduzierten Form ist deshalb wahrscheinlich verläßlicher. Zweitens: Einer der großen Vorzüge großer Strukturmodelle ist die Tatsache, daß sie detaillierte Informationen über die verschiedenen ökonomischen Sektoren liefern. Dies macht die großen Strukturmodelle für Keynesianer attraktiv, weil sie an allokativen Details interessiert sind. Dies ist aber kein Vorteil für Monetaristen, die an allokativen Einzelheiten kein Interesse haben. Darüber hinaus sind Keynesianer deswegen, w e i l sie Ausgabemotive i n den Mittelpunkt stellen und daher die Menschen als „Konsumenten", „Investoren i n Lagerbeständen" usw. ansehen, natürlicherweise an vielen Sektoren interessiert. A u f der anderen Seite befassen sich die Monetaristen m i t den Menschen nur als Geldbesitzer und sind daher nur an einem einzigen Bereich interessiert, dem Angebot und der Nachfrage nach Geld. Drittens neigt jemand, der davon the Fair and St. Louis Econometric Models", in Federal Reserve Bank of Boston, New England Economic Review, September / Oktober 1973, S. 29 - 34 und J. W. Elliot, „A Direct Comparison of Short-Run GNP Forecasting Models", Journal of Business, Vol. 46, Januar 1973, S. 33 - 60). Die Schwierigkeiten mit dem Wharton - oder Ο . Β. Ε. Modell können unter Umständen mehr in ihren strukturellen als in den keynesianischen Eigenschaften begründet sein. 55 Siehe Milton Friedman, „Comment" in Universities-National Bureau Committee for Economic Research, Conference on Business Cycles (New York, 1951), S. 112 - 114. 56 Privater Schriftwechsel. 3 Beihefte zu Kredit und Kapital 4

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ausgeht, daß der private Sektor instabil i n dem Sinne ist, daß erratische Veränderungen der Ausgabenmotivation ernst zu nehmende Schwankungen erzeugen, zu der Ansicht, daß man bei der Einkommensprognose ein großes Modell benötigt, das den Impulsen dieser unregelmäßigen Einflüsse auf die verschiedenen Sektoren Rechnung trägt. Die Beziehung zwischen der Quantitätstheorie selbst und der Wahl eines großen Strukturmodells oder eines Modells der reduzierten Form ist weit weniger klar. „ E x ante" gibt es wenig Grund (wenn überhaupt einen), warum jemand, der an die Wirksamkeit eines monetären I m pulses glaubt, notwendigerweise Modelle nur der reduzierten Form für erstrebenswert halten sollte. Aber es gibt eine „ex-post"-Beziehung. Sie ist auf die Tatsache zurückzuführen, daß das bekannteste aller Modelle der reduzierten Form, das Andersen-Jordan-Modell, „monetaristische" Ergebnisse liefert, während Strukturmodelle normalerweise „keynesianische" Ergebnisse hervorbringen. Aber die Beziehung zwischen der Modellgröße und den Ergebnissen, die das Modell hervorbringt, ist bei weitem nicht starr. Edward Grämlich hat gezeigt, daß Modelle des Ander sen-Jordan-Typs nicht nur monetaristische Ergebnisse, sondern ebenso keynesianische oder dazwischen liegende Ergebnisse liefern können, da sie jeweils von den monetären Variablen abhängen, die herangezogen werden 5 7 . So gibt es viele Verbindungen zwischen den verschiedenen monetaristischen Vorstellungen und ihrer Vorliebe für Modelle der reduzierten Form. Aber wie bereits angedeutet, sind diese Verbindungen nicht zwingend. Ein Monetarist kann sehr w o h l Modelle der reduzierten Form ablehnen, während ein Keynesianer sie bevorzugen kann, da die Kontroverse überwiegend eine Frage der Schätztechnik ist. Damit soll die Diskussion der sechs monetaristischen Thesen, die sich auf Theorie und Analysetechnik beziehen, beendet sein. Drei der noch verbleibenden Thesen von den ursprünglich zwölf (S. 10 f.) beziehen sich auf die Geldpolitik. Das sind die Wahl eines Indikators, die Wahl einer Zwischenzielgröße und die Verwendung einer Regel für das Geldwachstum 58 .

57 „The Usefulness of Monetary and Fiscal Policy as Discretionary Stabilization Tools", Journal of Money, Credit and Banking, Vol. I l l , M a i 1971, Teil 2, S. 506 - 532. 58 Die Indikator-Target-Dichotomie ist kürzlich von Benjamin Friedman angegriffen worden („Targets, Instruments and Indicators of Monetary Policy", Journal of Monetary Economics, Vol. 1, Oktober 1975, S. 443 - 474). Da ich mich hier jedoch mit der Auseinandersetzung zwischen Monetaristen und Keynesianern befasse, die beide in der Regel von dieser Dichotomie ausgehen, akzeptiere ich sie, ohne ihre Gültigkeit in Frage zu stellen.

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V I I . Monetäre Indikatoren Ein geldpolitischer Indikator ist eine Variable, die die Impulse mißt, das heißt Richtung und Stärke der monetären Politik. Sie sollte daher eine Variable sein, die durch die Zentralbank genau kontrolliert werden kann, und nicht eine endogene wirtschaftliche Variable. Der genaue Wert sollte ohne Verzögerung ermittelbar sein. Außerdem sollte eine hohe Korrelation zur Zwischenzielvariablen (Geldmenge oder langfristiger Zins) bestehen. Diese Anforderungen schließen zunächst sowohl die Geldmenge als auch den langfristigen Zinssatz selbst als monetärer Indikator aus. Für Monetaristen wäre natürlich die Geldmenge der beste Indikator, da aufgrund von Veränderungen der Geldmenge Veränderungen des Einkommens vorhergesagt werden können. Aber zumindest i n den Vereinigten Staaten können genaue Werte der Geldmenge nicht schnell beschafft werden. Dazu kommt, daß die Geldmenge teilweise endogen ist, soweit sie nicht direkt von Zentralbankaktionen abhängt. Daher kann sie nicht als Indikator i n dem Sinne verwendet werden, wie er i n diesem Zusammenhang definiert ist. Ähnlich ist für die Keynesianer der langfristige Zins selbst kein geeigneter Indikator, da er ebenfalls von der Zentralbank nicht genau kontrolliert werden kann. Also können weder Monetaristen noch Keynesianer diejenigen Variablen als Indikator benutzen, die als Zwischenzielvariable am besten zu ihren Modellen passen würden. Beide müssen andere Indikatoren finden, die enger m i t den Zentralbankinstrumenten zusammenhängen. Monetaristen bevorzugen verschiedene Maße der monetären Gesamtreserven, wie zum Beispiel die u m die Wirkungen von Mindestreservesatzänderungen adjustierte Geldbasis oder andere um Zentralbankkredite bereinigte Bankreserven. Diese Größen unterliegen offensichtlich der Kontrolle der Zentralbank, sie können ohne Verzögerung genau bestimmt werden, und sie haben einen starken Effekt auf die Geldmenge, die monetaristische Zwischenzielgröße. A u f der anderen Seite bevorzugen Keynesianer wahrscheinlich den kurzfristigen Zinssatz als Indikator 5 9 . Der kurzfristige Zins kann dann m i t Hilfe der Zinsstrukturtheorie zu einer ihrer Zwischenzielvariablen (dem langfristigen Zins) i n Beziehung gesetzt werden. Außerdem ist der kurzfristige Zinssatz selbst eine Zielgröße für die Keynesianer, da er den Geldstrom zu den Kapitalsammeistellen (und damit z. B. auch die Bautätigkeit) beeinflußt; dies allein macht i h n allerdings noch nicht zum Indikator.

59 Ich habe diese Feststellung so vorsichtig formuliert, da ich mir durchaus nicht sicher bin, ob die meisten Keynesianer tatsächlich den kurzfristigen Zins als Indikator heranziehen. I m Gegensatz zu den Monetaristen haben sich die Keynesianer hierzu kaum geäußert.

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Es ist aber wichtig zu unterstreichen, daß die Wahl des geldpolitischen Indikators bis zu einem gewissen Grade nichts m i t der MonetarismusKeynesianismus-Auseinandersetzung zu t u n hat. Monetaristen wählen aus zwei Gründen eine Geldbasisgröße. Einmal kommen sie bei ihrer Analyse des Geldangebotsprozesses zu dem Schluß, daß dies Variable sind, die die geldpolitischen Impulse am besten anzeigen. Zum anderen glauben sie, daß die „Geldbasis" (korrigiert u m die W i r k u n g von Veränderungen der Mindestreserveregelungen) zumindest für die Verhältnisse i n den Vereinigten Staaten der beste Indikator für zukünftige Veränderungen der Geldmenge ist. Das erste Argument w i r d von Keynesianern kaum bestritten; sei es auch nur deshalb, weil nur wenige Keyenesianer sich überhaupt die Mühe gemacht haben, eine Geldangebotshypothese zu formulieren. Was die zweite Forderung, nämlich der Prognoseeigenschaft von Basisgrößen betrifft, so stimmt es sicherlich, daß man m i t Hilfe solcher Größen die Veränderungen der Geldmenge einigermaßen genau vorhersagen kann. Aber angenommen, es hätte sich gezeigt, daß Veränderungen des kurzfristigen Zinses ein noch besserer Indikator für Geldmengenveränderungen wären. I n diesem Falle sollten die Monetaristen den kurzfristigen Zinssatz als Indikator für die Geldmengenprognose heranziehen. Übrigens liegt die Möglichkeit, daß der kurzfristige Zins eine bessere Prognose für die Geldmenge liefert als die verschiedenen Reservegrößen, durchaus i m Bereich des Möglichen 60 . Falls außerdem irgendwie gezeigt werden könnte, daß der Zins für Federal Funds geldpolitische Veränderungen besser wiedergibt als eine Geldbasisgröße, dann könnten die Monetaristen ihre Geldangebotshypothese aufgeben, ohne daß dadurch der Glaube i n irgendeine der anderen monetaristischen Thesen geschwächt würde. Umgekehrt kann ein Keynesianer die monetären Gesamtreserven durchaus als Politik-Indikator wählen und diese Variable dem kurzfristigen Zins bei der Vorhersage langfristiger Zinssätze vorziehen. Der wenig gesicherte Stand der Zinsstrukturtheorie erfüllt uns ohnehin kaum m i t viel Vertrauen i n eine Vorhersage des langfristigen Zinssatzes aufgrund von Veränderungen des kurzfristigen Zinses. David Fand hat empirisch nachgewiesen, daß „der langfristige Zins i m zyklischen Zusammenhang relativ unabhängig von den kurzfristigen Bewe60 Siehe Richard Davis und Frederick Schadrack, „Forecasting the Monetary Aggregates with Reduced Form Equations", in: Federal Reserve Bank of New York, Monetary Aggregates and Monetary Policy (New York, 1974), S. 60 - 71. Siehe ebenso Fred J. Levine, „Examination of the Money-Stock Control Approach of Burger, Kalish, and Babb", Journal of Money, Credit and Banking, Vol. V, November 1973, S. 924-938; and James Pierce und Thomas Thomson, „Some Issues in Controlling the Stock of Money", in: Federal Reserve Bank of Boston, Controlling Monetary Aggregates I I : The Implementation (Boston, ohne Zeitangabe), S. 115 - 36.

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gungen der kurzfristigen Zinsen ist" 6 1 , obwohl eine ziemlich hohe Korrelation zwischen dem langfristigen und dem kurzfristigen Zinssatz besteht. Außer zur wirtschaftspolitischen Vorhersage kann ein monetärer Indikator auch dazu benutzt werden, die Stärke eines monetären Impulses zu messen, und zwar unabhängig davon, ob dieser vom privaten oder vom öffentlichen Sektor herrührte. Für diesen Zweck werden Monetaristen wieder die Geldmenge benutzen, während Keynesianer einen kurzfristigen Zinssatz bevorzugen werden. Falls daher die Geldmenge um, sagen wir, 10°/o steigt, während der Zins für Federal Funds bei 12 % liegt, dann werden Monetaristen dies als eine Situation des leichten Geldes ansehen, während Keynesianer dies als eine angespannte Geldsituation bezeichnen würden. Diese Unterschiede haben auch eine oberflächliche Verbindung zur Diskussion über den Transmissionsmechanismus, da auch hier die Keynesianer einen Zinssatz betrachten, während die Monetaristen die Geldmenge heranziehen. Die Auseinandersetzung ist jedoch — wie schon oben (S. 16) erörtert — großen Teils terminologisch bedingt und kaum auf eine echte Meinungsverschiedenheit zurückzuführen. (Wie später gezeigt werden wird, ist sie zum Teil Ausdruck des mangelnden Vertrauens vieler Keynesianer i n ihre Wicksellsdtie Tradition.) Ein anderer Unterschied liegt i n dem Umstand, daß die Keynesianer — wie gesagt — den kurzfristigen Zins als einen gültigen Teilindikator ansehen, w e i l er den Geldzufluß zu den Kapitalsammelstellen und damit die Hypothekenvergabe und die Bautätigkeit beeinflußt. (Dies ist ein Wirkungskanal, der i m FRB-MIT-Penn-Modell betont wird.) W i r diskutieren hier eine Komponente des Monetarismus, die nicht i n sehr enger Beziehung zu den anderen Komponenten steht. Die Diskussion über den geeigneten Indikator ist bis zu einem gewissen Grade ein isoliertes technisches Problem. Ihre Einbeziehung i n die MonetarismusKeynesianismus-Auseinandersetzung ist eher ein historischer Zufall. I n der Vergangenheit hatte nämlich der Federal Reserve Board den kurzfristigen Zins und die Geldmarktbedingungen als Indikatoren herangezogen, jedoch i n einem anderen Sinne als es dem hier definierten Indikatorkonzept entsprechen würde. Anstatt die kurzfristigen Zinsen und die Geldmarktsituation n u r als einen Zwischenschritt zum langfristigen Zins (oder der Geldmenge) anzusehen, wurden der kurzfristige Zins und die Geldmarktbedingungen als ein endgültiger Hinweis für den Einfluß der Politik auf das Einkommen bewertet. Bei dieser A r t der Betrachtung (bei der die Geldmenge nicht als ein Teil des Prozesses an61 David Fand , „A Time Series Analysis of the ,Bills-Only 4 Theory of Interest Rates", Review of Economics and Statistics, Vol. X L V I I I , November 1966, S. 369.

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gesehen wird) stehen die Steuerung der kurzfristigen Zinsen und der Geldmarktsituation natürlich i m Gegensatz zum monetaristischen Konzept. Aber aufgrund der Erkenntnisse, die Monetaristen i n die Debatte eingebracht haben, werden heute die Indikatoren nicht mehr i n dieser Weise betrachtet. V I I I . Zwischenzielgrößen für die Geldpolitik Bekanntlich wählen die Monetaristen die Geldmenge als Zwischenzielgröße für die Geldpolitik. A u f der anderen Seite bevorzugen Keynesianer den langfristigen Zins, oder i n manchen Fällen das Volumen der Bankkredite oder die gesamten Kredite. Inwieweit diese Zwischenziele m i t den zugrunde gelegten Theorien übereinstimmen, w i r d am besten durch eine Analyse der Argumente für jedes dieser Zwischenziele klar. Dabei soll m i t dem Vergleich der Zwischenziele Zins und Geldmenge begonnen werden. Auch hier t r i t t das Meß-Problem auf, das bereits i n Verbindung m i t dem Transmissionsprozeß diskutiert wurde (S. 18). Aber bei der Wahl des Zwischenzieles beunruhigt die Keynesianer das Meß-Problem beim Zins weniger. Dies r ü h r t daher, daß ein wichtiger keynesianischer Übertragungsweg für Impulse der Geldpolitik über den Kapitalstrom zu den Kapitalsammeistellen geht. Da dieser Kapitalstrom lediglich vom Vergleich der Zinsen der Kapitalsammelstellen m i t den Zinsen auf dem freien M a r k t abhängt, taucht das Problem nicht auf, vom Nominalzins auf den erwarteten Realzins schließen zu müssen. Das Problem, mehrere beobachtete und angenommene Zinssätze zu „dem" Zinssatz zusammenzufassen, ist gleichfalls weniger relevant. Ein weiterer Übertragungsweg für monetäre Impulse ist der Einfluß des Zinses auf den Kurs der Wertpapiere i m Besitz von privaten Haushalten und damit auf den privaten Verbrauch. Hier spielt das Meß-Problem beim Zinssatz ebenfalls keine Rolle. Hingegen bleibt das Meß-Problem bei dem traditionellen „Kapitalkosteneffekt" des Zinses auf die Investitionen bestehen. Abgesehen von der Meß-Problematik w i r f t die Wahl des Zwischenzieles noch andere Probleme auf, die i n der Unmöglichkeit beruhen, Veränderungen der Liquiditätspräferenz u n d der Ausgabenneigung genau vorherzusagen 62 . Wenn man sowohl die Liquiditätspräferenzkurve als auch die Ausgabenneigung genau kennen würde, dann könnte die 62 Für eine detaillierte Darstellung dieses Arguments siehe William Poole, „Optimal Choice of Monetary Policy Instruments in a Simple Stochastic Macro Model", Quarterly Journal of Economics, Vol. 84, M a i 1970, S. 197-216; und „Rules of Thumb for Guiding Monetary Policy, in: Board of Governors Federal Reserve System Open Market Policies and Operating Procedures, Staff Studies, Washington, D. C., S. 135 - 189.

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Zentralbank leicht denjenigen Zinssatz bestimmen, der ihre Ziele optimieren würde. Da man bei einer genau bekannten Liquiditätspräferenzkurve für jeden Zinssatz eine bestimmte Geldmenge ableiten kann und vice versa, wäre es völlig gleichgültig (von der erörterten Meß-Problematik abgesehen), ob die Zentralbank eine bestimmte Zins- oder Geldmengenzielgröße wählt. I n Wirklichkeit jedoch kennt die Zentralbank das Liquiditätspräferenzschema und die Ausgabenneigung nicht genau. Angenommen die Liquiditätspräferenzkurve bewegt sich unerwartet nach außen. I n diesem Fall beobachtet die Zentralbank einen Zinsanstieg. Wenn sie nun den Zins als Zwischenzielvariable ansieht, so antwortet sie auf diesen Zinsanstieg m i t einer Erhöhung der Geldmenge, die groß genug ist, um den Zins auf das frühere Niveau herunter zu bringen 6 3 . Dadurch w i r d erreicht, daß die gestiegene Geldnachfrage befriedigt wird, oder i n Begriffen der monetären Gleichgewichtsgleichung ausgedrückt, der Anstieg des Cambridge „ k " w i r d durch einen Anstieg von „ M " ausgeglichen, u m so „ P T " konstant zu halten. Wenn die Zentralbank aber statt der Zins- eine Geldmengen-Zwischenzielgröße gewählt hätte, so hätte sie die Geldmenge konstant gehalten und den Zins steigen lassen. Dieser Zinsanstieg würde dann das Einkommen unter sein früheres (als optimal angenommenes) Niveau gedrückt haben. Umgekehrt sei bei bekannter Liquiditätspräferenz-Kurve angenommen, die Ausgabenneigung steige unvorhergesehen an 6 4 . Auch i n diesem Fall kommt es zu einem Zinsanstieg. Wenn die Zentralbank nun ein ZinsZwischenziel hat und auf diesen Zinsanstieg reagiert, so steigert sie durch eine Erhöhung der Geldmenge das Einkommen, ohne dies zu beabsichtigen. M i t anderen Worten: Wenn die Ausgabenneigung ansteigt, dann müßte der Zins auch ansteigen, u m als automatischer Stabilisator zu wirken. Ist daher die Wahrscheinlichkeit einer unvorhergesehenen Veränderung der Ausgabenneigung größer als die der Liquiditätspräferenz, so ist der Zins als Zwischenzielgröße ungeeignet und es wäre ein Geldmengenzwischenziel zu bevorzugen. Ist umgekehrt aber die Liquiditätspräferenzfunktion die eher unvorhersehbare Größe, so ist der Zins als Zwischenziel überlegen 65 . 83

Die Annahme, daß die Wachstumsrate der Geldmenge mit dem Zinssatz negativ korreliert ist, wird dadurch gerechtfertigt, daß die Analyse sehr kurzfristiger Art ist. 64 Es wäre zu bemerken, daß nicht die Stabilität der I S - und der L M Kurve relevant ist, sondern ihre Vorhersehbarkeit, weil die Zentralbank vorhersehbaren Veränderungen wirksam entgegentreten kann. 65 Ein dritter Aspekt bei der Wahl zwischen Geldmengen- und Zinszwischenziel ist auf die Lag-Poblematik bei der Wirkung der Geldpolitik zurückzuführen. Da viele Ausgabenarten nur langsam auf Zinsveränderungen reagieren, neigt die Geldpolitik zu Verzögerungen. Die Verzögerung kann jedoch dann aufgehoben werden, wenn die Zinssätze anfangs über das adäquate neue Niveau hinaus steigen. (Siehe Donald Tucker , „Dynamic Income Adjustments to Money Supply Changes", American Economic Review, Vol. L V I , Juni 1966,

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Wegen beider Probleme bevorzugen die Monetaristen eine Geldmengenzielgröße. I n bezug auf das Meß-Problem gilt, daß wer den monetaristischen Transmissionsprozeß akzeptiert, gleichzeitig annimmt, daß die Geldmenge genauer als der Zins gemessen werden kann. I n bezug auf die relative Prognostizierbarkeit der Liquiditätspräferenz und der Ausgabenfunktion gilt, daß ein Quantitätstheoretiker die Liquiditätspräferenzfunktion (Geldnachfrage) als die stabilere von beiden Funktionen ansehen w i r d 6 6 . Die monetaristische Präferenz für eine Geldmengenzielgröße gegenüber dem Zins ist also als Konsequenz der Quantitätstheorie und ihres Transmissionsmechanismus anzusehen. Abgesehen von Geldmenge und langfristigem Zinssatz gibt es eine mögliche dritte wichtige Zwischenzielgröße für die Geldpolitik. Dies ist die Entwicklung der Kredite, wie z. B. die Veränderung der Bankkredite oder des gesamten Kreditvolumens. Auch i n bezug auf diese Größe bestimmen die Quantitätstheorie und die monetaristische Version des Transmissionsprozesses die Präferenz der Monetaristen. Als Quantitätstheoretiker glauben sie bekanntlich, daß die W i r k u n g einer Geldmengenveränderung auf das Einkommen größer ist als die W i r k u n g einer Veränderung des Volumens der Bankkredite; denn sonst würden sie eine Quantitätstheorie des Bankkredites und nicht die Quantitätstheorie des Geldes vertreten. Darüber hinaus verwerfen sie bei der Analyse des Transmissionsprozesses das Kredit- und VerschuldungsKostenargument 67 . Für einen Keynesianer ist dieser Zusammenhang wesentlich komplexer. Wie oben angedeutet, ist das Problem der Zinsmessung für i h n nur wegen des Ubertragungsmechanismus über die Kapitalkosten von wichtiger Bedeutung. Da verschiedene Keynesianer diesem Übertragungsmechanismus unterschiedliches Gewicht beimessen, ist es allerdings schwer zu sagen, wie wichtig das Meß-Problem für die Wahl der Zwischenzielgröße unter keynesianischem Aspekt ist. Außerdem kann ein Keynesianer durch die Schwierigkeiten bei der Messung der Geldmenge besonders beeindruckt sein; er muß es aber nicht. Zur relativen Vorhersehbarkeit von Liquiditätspräferenz- und Ausgabenfunktion nahm Keynes ursprünglich an, daß sowohl LiquiditätsS. 433 - 499.) Wenn die Zentralbank ein Geldmengenzwischenziel verfolgt, kommt es automatisch zu einer solchen Übersteigerung. Bei einem Zinszwischenziel kann es jedoch sein, daß die Zentralbank die notwendige Übersteigerung nicht zuläßt. Selbst wenn sie auf eine Übersteigerung hinzielt, kann sie nicht wissen, wie groß diese sein sollte. ββ Monetaristen halten auch die Ausgabenmotive für stabil, wenn sie nicht durch Veränderungen des Geldmengenwachstums gestört werden, weil sie den privaten Sektor generell als stabil ansehen. Dennoch halten sie die Geldnachfrage für „stabiler". ®7 Die vierte denkbare Zwischenzielvariable, der kurzfristige Zins und die Geldmarktbedingungen, wird (zumindest in den Vereinigten Staaten) kaum noch ernsthaft erwogen.

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Präferenzfunktion als auch Investitionsfunktion erratischen Schwankungen unterworfen sind, ohne zu bestimmen, welche Funktion die instabilere ist. Moderne Keynesianer messen auf der anderen Seite dem Spekulationsmotiv, das bei Keynes die Quelle der Instabilität der L i q u i ditätspräferenz war, geringere Bedeutung bei und scheinen anzunehmen, daß die Liquiditätspräferenzfunktion einigermaßen stabil und vorhersehbar ist. A u f der anderen Seite gehen aber Keynesianer auch davon aus, daß Investitionen und Verbrauch, obwohl instabil, prognostizierbar sind. Es ist daher kaum zu ermitteln, ob heute Keynesianer typischerweise die Liquiditäts- oder die Ausgabenfunktion für besser prognostizierbar halten. Es ist vielleicht zu vermuten, daß sie insgesamt die Geldnachfrage als die besser voraussehbare Variable ansehen, was konsequenterweise dazu führt, daß sie ein Geldmengenziel bevorzugen müßten. Soweit sie außerdem geistige Erben der Wicksellschen Tradition sind, sollten die Keynesianer gleichfalls eine Geldmengenzwischenzielgröße einer Zinszwischenzielgröße vorziehen. Es war Wickseil, der auf die Gefahren hinwies, die entstehen, wenn der Nominalzins bei sich änderndem natürlichen Zins konstant gehalten w i r d (wie dies bei der Wahl einer Zins-Zwischenzielvariablen notwendigerweise geschieht). Alles i n allem hat die keynesianische Theorie bei der Wahl der Zwischenzielgröße eine mehr oder weniger neutrale Position gegenüber dem Problem „Geldmenge versus Zins". Bei der möglichen dritten Zwischenzielgröße, dem Umfang der Bankoder Gesamtkredite, stehen einige Keynesianer i n scharfem Gegensatz zu den Monetaristen. Aber man kann auch ein guter Keynesianer sein, wenn man die Argumentation des Radcliffe-Reports ablehnt. I X . Die Regelbindung für das Geldmengenwachstum Der nächste zu erörternde Bestandteil des Monetarismus ist die Regel des konstanten Geldmengenwachstums. Eine solche Regel paßt aus mehreren Gründen gut i n das monetaristische Konzept. Erstens hängt sie eng m i t der Quantitätstheorie zusammen. Wenn die Geldnachfrage trendbereinigt wirklich konstant ist, dann würde eine konstante Wachstumsrate des Geldangebots auch zu einer konstanten Wachstumsrate des Einkommens führen 6 8 . E i n Anhänger der Quantitätstheorie w i r d wesentlich stärker dazu neigen, eine konstante Geldmengenwachstumsrate zu befürworten als jemand, der davon ausgeht, daß die Geldnachfrage instabil ist, oder daß Einkommensschwankungen weitgehend auf nicht-monetäre 68 Von der Regelbindung für das Geldmengenwachstum wird angenommen, daß sie zu einer stabilen Wachstumsrate des Einkommens führt; dies kann zugleich mit einer stabilen Rate der Inflation oder Deflation verbunden sein.

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Faktoren zurückzuführen sind, die dem Einfluß der Zentralbank entzogen sind 6 9 . Zweitens paßt das Vertrauen i n ein konstantes Geldmengenwachstum gut zu dem monetaristischen Glauben an die inhärente Stabilität des privaten Sektors. Wenn dies der Fall ist, dann kann durch eine Veränderung der Wachstumsrate der Geldmenge bestenfalls nur eine geringfügig größere Gütermenge erreicht werden. Drittens verlangt die Auffassung von einer konstanten Wachstumsrate der Geldmenge die Annahme eines Geldmengen-Zwischenziels; denn die Wachstumsrate der Geldmenge ist bei Lichte betrachtet nur ein spezieller Fall der Verwendung eines monetären Zwischenziels. Es w i r d also lediglich ein spezielles konstantes Zwischenziel fixiert. Die Regel des konstanten Geldmengenwachstums steht außerdem mit zwei weiteren Komponenten des Monetarismus i n (wenn auch loser) Verbindung; m i t dem Desinteresse an allokativen Details und m i t der monetaristischen Betrachtungsweise des Preisniveaus. Wer an allokativen Zusammenhängen interessiert ist, w i r d sich wahrscheinlich von Zeit zu Zeit m i t dem Einfluß finanzieller Engpässe i n bestimmten Branchen (wie z. B. der Bauwirtschaft) befassen müssen. Es ist daher wahrscheinlich, daß er zumindest gelegentlich meint, die Wachstumsrate der Geldmenge sollte verändert werden, u m einzelne Bereiche zu schützen. Die Wahrscheinlichkeit, daß ein Monetarist, der meint, daß allokative Gegebenheiten außerhalb des Wirkungskreises makroökonomischer Stabilisierungspolitik liegen, so denkt, ist dagegen wesentlich geringer. Die monetaristische Anschauung vom Preisniveau unterstützt eine Befürwortung der Geldmengenregel ferner wegen der weiteren Annahme, daß es eine Cost-push-Inflation nicht gibt. Sie wäre einer derjenigen Punkte, die Anlaß sein könnten, Variationen der Geldmengen-Wachstumsrate zu bevorzugen. Nachdem w i r untersucht haben, i n welchem Umfang eine Regelbindung für das Wachstum der Geldmenge zu den übrigen Annahmen der Monetaristen paßt, ist noch zu prüfen, inwieweit eine solche Regel i m 69 Die Feststellung gilt mit der Einschränkung, daß Monetaristen in der formalen Theorie die Geldnachfrage lediglich in einem funktionalen Sinn als stabil ansehen. Wenn daher viele Variable der Geldnachfragefunktion schwanken, würde die Geldnachfrage und damit das Einkommen auch bei einer konstanten Geldangebotsregel schwanken. Aber nach Friedman und vielleicht den meisten Monetaristen ergibt sich aus der Unterscheidung zwischen funktionaler Stabilität und Konstanz der Geldnachfrage kein ernsthaftes Problem. Wenn die Geldnachfrage eine Funktion des permanenten Einkommens oder Vermögens ist, wächst sie wahrscheinlich mit einer gleichbleibenden Rate. Sicherlich ist sie ebenso eine Funktion des nominellen Zinssatzes. Aber Schwankungen des nominalen Zinssatzes sind weitgehend das Ergebnis von vorhergehenden Schwankungen der Wachstumsrate der Geldmenge und der Preise. Damit würde bei einer Regelbindung des Wachstums der Geldmenge die Umlaufgeschwindigkeit dazu tendieren, sowohl im numerischen als im funktionalen Sinne ziemlich stabil zu bleiben.

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Gegensatz zur keynesianischen Theorie steht. Eine Kontroverse ergibt sich einmal dadurch, daß Keynesianer die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes für veränderlich halten, eine Annahme, die m i t der Auffassung von Labilität des privaten Sektors und m i t der Betonung der Zinselastizität der Geldnachfrage zusammenhängt. Deswegen ergibt sich für einen Keynesianer aus einer konstanten Rate des Geldmengenwachstums noch nicht unbedingt eine befriedigend stabile Einkommensentwicklung. Ein Keynesianer kann jedoch einige der oben gebrachten Argumente akzeptieren, die Monetaristen dazu veranlassen, eine konstante Wachstumsrate zu bevorzugen. Keynesianer müssen es nicht zwangsläufig für erstrebenswert halten, die Wachstumsrate der Geldmenge zu ändern, u m bestimmten Sektoren der Wirtschaft entgegenzukommen. Sie brauchen auch nicht die Wahrscheinlichkeit einer Cost-push-Inflation zu akzeptieren. Sie können durchaus der Ansicht sein, daß die Cost-push-Inflation, obwohl eine ernsthafte Sache, dadurch bekämpft werden sollte, daß zusätzliche Geldnachfrage wegen höherer Preise nicht befriedigt wird. Darüber hinaus können Keynesianer, wie gesagt, sehr w o h l ein Geldmengen-Zwischenziel übernehmen. Trotz des Umstandes, daß die Wachstumsregel für die Geldmenge so gut zu einer großen Anzahl von monetaristischen Vorstellungen paßt, ist sie i n einer sehr wichtigen Hinsicht eine eigenständige These, unabhängig von der Gültigkeit aller anderen monetaristischen Vorstellungen. Dies ist deswegen so, w e i l sich die Hauptargumente für eine konstante Wachstumsregel für die Geldmenge sich grundlegend von allen Argumenten unterscheiden, die bisher diskutiert wurden. Es w i r d nämlich angeführt, daß die Geldpolitik auf die Wirtschaft nur m i t langen nicht vorhersehbaren Zeitverzögerungen einwirkt, oder daß die Zentralbank möglicherweise untätig bleibt, w e i l sie andere Ziele verfolgt als die Stabilisierung des Einkommens 7 0 . Diese Hypothesen sind offensichtlich nicht aus anderen monetaristischen Vorstellungen ableitbar; sie widersprechen aber auch nicht i n entscheidender Weise keynesianischen Vorstellungen. Doch obwohl die beiden Hypothesen streng gesehen weder eine notwendige noch eine hinreichende Bedingung für die Befürwortung einer Geldmengenregel sind, sind sie eng damit verbunden 7 1 . 70 Ein anderer Grund, der zugunsten einer Wachstumsregel für die Geldmenge angeführt wird, lautet, daß sie willkürliche staatliche Eingriffe vermindert, indem sie die Steuerung durch Menschen durch automatische Regelungen ersetzt. 71 Das sind nicht wirklich notwendige Bedingungen, da man für eine Regelbindung für das Wachstum der Geldmenge schon aus dem Grunde eintreten kann, weil sie unkontrollierte Staatsmacht bändigt. Es sind auch deswegen keine ernstlich hinreichenden Bedingungen, weil jemand die Regelbindung in der Annahme ablehnen kann (obwohl sie das Einkommen stabilisieren würde), daß Geldpolitik dazu dienen soll, bestimmte Wirtschaftssektoren zu stabili-

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Wenn daher schlüssig gezeigt werden kann, daß die Wirkungsverzögerungen bei der Geldpolitik so lang und so schwankend sind, daß die diskretionäre Geldpolitik wahrscheinlich destabilisierend w i r k t , oder daß die Zentralbank nicht i n der Lage ist, eine erfolgreiche Stabilisierungspolitik durchzuführen, dann würden viele (wahrscheinlich die meisten) Keynesianer eine Geldmengenregel unterstützen. Die A n nahme, daß diskretionäre Stabilisierungspolitik destabilisierend sein kann, ist i m übrigen w e i t davon entfernt, eine monetaristische Erfindung zu sein. Tatsächlich wurde ein klassischer Artikel, der vor einer solchen Gef ahr warnte, von einem Keynesianer geschrieben, von A. W. Phillips 12. Wenn andererseits überzeugend dargelegt werden kann, daß diskretionäre Politik die Wirtschaft stabilisieren könnte, dann würden wahrscheinlich die meisten Monetaristen auf die Geldwachstumsregel verzichten. Allerdings w i r d ein Monetarist aufgrund der Annahmen einer stabilen Geldnachfrage und der inhärenten Stabilität des privaten Sektors wahrscheinlich erwarten, daß selbst eine erfolgreiche Stabilisierungspolitik nur relativ wenig nützt; aber sie könnte vielleicht doch etwas helfen. Es ist daher nicht überraschend, daß das Vertrauen i n eine Regel des stabilen Geldmengenwachstums nicht zu den Komponenten der Friedmanschen Definition des Monetarismus gehört 7 3 . I n W i r k lichkeit sprengt die Debatte über eine Regel für das Geldmengenwachst u m den Problemkreis „Monetarismus versus Keynesianismus" 74 .

sieren, die staatlichen Finanzen zu unterstützen oder das Zahlungsbilanzgleichgewicht herzustellen usw. Die Annahme, daß Stabilisierungspolitik in Wirklichkeit destabilisiert, mag als Gegensatz zu einer anderen keynesianischen Vorstellung erscheinen, der Instabilität des privaten Sektors. Wenn der staatliche Sektor per Saldo mit zur Instabilität beigetragen hat, würde das bedeuten, daß der private Sektor an sich relativ stabil sein muß. Aber diese Argumentation ist fragwürdig. Zumindest in den Vereinigten Staaten hat sich die diskretionäre Finanzpolitik häufig nicht antizyklisch verhalten; die Staatsausgaben sind oft gerade in Zeiten großer wirtschaftlicher Aktivität gestiegen. Gleichermaßen war die Geldpolitik, wenn man ein Geldmengenmaß heranzieht, in der Nachkriegszeit normalerweise nicht antizyklisch. 72 „Some Notes on the Estimation of Time-Forms of Reactions in Interdependent Dynamic Systems", Economica, Vol. 23, M a i 1956, S. 99 -113. 78 The Counter-Revolution in Monetary Theory (London 1970), S. 26. 74 Jedenfalls ist die Diskussion über die Regelbindung für das Wachstum der Geldmenge auf dem besten Wege, technologisch zu veralten. Jüngere A r beiten stellen die Behauptung auf, daß eine Zwischenposition, nämlich eine stabile Reaktionsfunktion der Zentralbank auf Einkommensveränderungen durchaus sowohl der fixierten Geldwachstumsregel als auch der ad hoc diskretionären Politik überlegen sein kann (siehe J. Phillip Cooper , Development of the Monetary Sector, Prediction and Policy Analysis in the F R B - M I T - P e n n Model, Lexington, Mass., 1974).

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X · Das Fehlen eines Trade-Offs zwischen Inflation und Unterbeschäftigung Nachdem w i r die Grundlagen der monetaristischen Theorie, die Wahl ihrer Schätzmethode und ihre Einstellung zur Geldpolitik betrachtet haben, bleiben noch drei Vorstellungen übrig, die m i t der Wirtschaftspolitik i m allgemeinen zusammenhängen. Eine dieser monetaristischen Vorstellungen ist, daß (außer i n kurzfristiger Sicht) der Phillipskurve reale Größen zugrunde liegen und daß daher, wenn überhaupt, nur ein sehr begrenzter Trade-Off zwischen Inflation und Unterbeschäftigung besteht. Die These von der realen Phillipskurve steht m i t drei bereits diskutierten monetaristischen Vorstellungen i n Verbindung; m i t der Quantitätstheorie, der Stabilität des privaten Sektors und der konstanten Geldmengen-Wachstumsrate. Wenn der Phillipskurve über die für die Analyse relevante Zeitspanne reale Größen zugrunde liegen, dann beeinflußt eine Erhöhung der Geldmenge nicht das Realeinkommen, sondern lediglich die Preise, w e i l sie nur die Lohnhöhe verändert. Außerdem haben auch Veränderungen anderer keynesianischer Variabler, wie ζ. B. der Fiskalpolitik, keinen dauerhaften Einfluß auf das Realeinkommen 75 . Ein Keynesianer kann n u n die These von der realen Phillipskurve akzeptieren und dennoch behaupten, daß für die Erklärung von kurzf ristigen Schwankungen des Realeinkommens Veränderungen der Grenzleistungsfähigkeit der Investitionen wichtiger sind als Veränderungen der Geldmengen-Wachstumsrate. Dies ist deswegen möglich, weil Keynesianer aufgrund ihrer Annahme eines instabilen privaten Sektors davon ausgehen, daß die Wirtschaft sich häufig i n einer Situation befindet, i n der sich die Grenzleistungsfähigkeit der Investitionen verändert hat. Wenn dann aber die Nominallöhne diese Veränderungen noch nicht nachvollzogen haben, w i r d das Realeinkommen beeinflußt. Die Regelbindung des stabilen Geldmengen-Wachstums steht also auch i n Verbindung m i t der realen Phillipskurve. Kehrseite einer Regelbindung ist, daß sie es der Zentralbank auch bei Unterbeschäftigimg nicht erlaubt einzugreifen. Wenn aber lediglich eine sehr kurzfristige A l t e r native zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation besteht, dann würde eine solche Intervention auch nur wenig Positives erreichen. Eine stabile Geldmengen-Wachstumsrate wäre so gesehen noch eher akzeptabel 76 . 75 Vgl. Jerome Stein, „Unemployment, Inflation and Monetarism", American Economic Review, Vol. L X I V , Dezember 1974, S. 867 - 887. Zwei andere Gründe, weshalb die reale Phillipskurve gut zur Quantitätstheorie paßt, sind die Betonung des Unterschieds zwischen realen und nominellen Größen durch die Quantitätstheorie und der Gebrauch von Erwartungs-Anpassungen. Sie sind sowohl in der modernen Quantitätstheorie als auch in der realen PhillipsKurven-Analyse zu finden.

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W i r haben gesehen, daß die reale Phillipskurve i n den monetaristischen Gesamtrahmen paßt. I n welchem Maße ist sie andererseits m i t dem keynesianischen unvereinbar? Eine offensichtliche Unvereinbarkeit ergibt sich aus dem historischen Zusammenhang. I n der „Allgemeinen Theorie" weist Keynes i n scharfer Form Pigous Annahme zurück, daß Arbeiter u m den Reallohn verhandeln (was i n der realen Phillipskurve angenommen wird). Er argumentiert statt dessen, daß Arbeiter sich an einem bestimmten Geldlohn orientieren. Eine zweite Unvereinbarkeit ergibt sich aus dem gängigen keynesianischen (oder besser neokeynesianischen) Modell. I n diesem Modell w i r d die nominelle Phillipskurve dazu herangezogen, das Preisniveau zu bestimmen. Wenn die reale Phillipskurve die nominelle Phillipskurve ersetzt, dann haben die Keynesianer keine Möglichkeit mehr, das Gleichgewichtspreisniveau zu bestimmen 77 . I n dieser Hinsicht würde die Annahme einer realen Phillipskurve die keynesianische Theorie schwächen. Dennoch hat die Auseinandersetzung über die reale oder nominelle Natur der Phillipskurve bis zu einem gewissen Grad m i t der Keynesianismus-Monetarismus-Auseinandersetzung wenig zu tun. I m Grunde handelt es sich u m eine empirische Frage, die eher durch detaillierte Untersuchungen des Arbeitsmarktes zu klären ist, als daß die A n t w o r t von einer fehlgeleiteten Monetarismus-Keynesianismus-Auseinandersetzung zu erwarten wäre. Wenn empirische Untersuchungen schlüssig zeigen, daß der Phillipskurve reale Größen zugrunde liegen, dann können die Keynesianer sicherlich dieses Ergebnis akzeptieren, ohne die keynesianische Theorie zugunsten des Monetarismus aufzugeben. Wenn dagegen die empirische Evidenz zeigt, daß der Phillipskurve nominelle Größen zugrunde liegen, so können umgekehrt Monetaristen m i t diesem Ergebnis ohne weiteres leben. X I . Die starke Beachtung der Inflation Monetaristen scheinen sich i m Vergleich zu den Keynesianern relativ mehr über die nachteiligen Folgen einer nicht antizipierten Inflation zu beunruhigen als über die negativen Wirkungen der Arbeitslosigkeit 7 8 . 78

Die Beziehung zwischen realer Phillipskurve und Regelbindung für das Geldmengenwachstum geht eher von der realen Phillips-Kurve aus als von der Regelbindung. 77 Wenn Preisveränderungen vorliegen, können die Keynesianer ein Modell für Erwartungsanpassung anwenden, um eine modifizierte Phillips-Kurve abzuleiten, die es ermöglicht, das Preisniveau zu bestimmen. Wenn aber die Inflationsrate so lange konstant geblieben ist, daß sich die Erwartungen im vollen Umfang angepaßt haben, dann können Keynesianer weder das Preisniveau noch die Arbeitslosenrate vorhersagen, wenn sie nicht unabhängige Informationen über die Höhe der natürlichen Arbeitslosigkeit haben. Das gleiche gilt jedoch auch für Monetaristen. Sie benötigen ebenfalls einen Fachmann für den Arbeitsmarkt, der über die natürliche Rate der Arbeitslosigkeit Auskunft gibt.

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Diese Entscheidung zwischen zwei Übeln kann zu mehreren der geschilderten Charakteristika des Monetarismus i n Beziehung gesetzt werden. Erstens schenken die Quantitätstheoretiker der Wahrscheinlichkeit von Preisveränderungen wesentlich mehr Beachtung als die Keynesianer. I n der Tat ist einer der Standardvorwürfe der Monetaristen gegenüber den Keynesianern, daß diese annehmen, das Preisniveau sei konstant. 79 . Wer hingegen Preisniveauveränderungen für eine ernst zu nehmende Möglichkeit hält, w i r d natürlicherweise der Gefahr einer potentiellen Inflation mehr Aufmerksamkeit zuwenden als jemand, der dazu neigt, von einem konstanten Preisniveau auszugehen. Außerdem ist hierbei auch die Annahme eines inhärent stabilen privaten Sektors bei einer tolerierbaren Arbeitslosenrate von Gewicht. Obwohl moderne Keynesianer bereitwillig zugeben werden, daß Unterbeschäftigung nicht als dauerhafter Gleichgewichtszustand angesehen werden kann, werden sie trotzdem betonen, daß es häufig zu einer bemerkenswerten Arbeitslosigkeit kommt, die sich für eine verhältnismäßig lange Zeit halten kann. I m Gegensatz dazu vertrauen die Monetaristen mehr auf Koirekturkräfte, die den privaten Sektor wieder i n die Nähe der Vollbeschäftigung zurückbringen, wenn er nicht durch die staatliche Politik gestört wird. Deshalb bereitet den Monetaristen die Arbeitslosigkeit geringere Sorgen als den Keynesianern. Drittens kommt es auf die Regelbindung für das Geldmengenwachst u m an. Eine stabile Wachstumsrate der Geldmenge würde die mögliche Inflationsrate begrenzen, weil dann der Wirtschaft eben nicht die zusätzliche Liquidität zur Verfügung gestellt wird, die sie bei einer Inflationierung benötigt. Wenn man also der Inflation und dem inflationären Hang politischer Prozesse starke Bedeutung zumißt, w i r d eine Regelbindung für das Geldmengenwachstum bevorzugt 8 0 . A u f der anderen Seite kann zusätzliche Arbeitslosigkeit dann entstehen, wenn die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes zurückgeht oder die Produktivität i n unerwartetem Ausmaß steigt und gleichzeitig eine Regelbindung für das Geldmengenwachstum besteht. Deshalb dürften Keynesianer, die vor allem die A r beitslosigkeit i n den Mittelpunkt stellen, eine Regel für ein stabiles Wachstum der Geldmenge ablehnen. 78 Die Abneigung besteht bei den Monetaristen auch gegenüber der vollkommen antizipierten Inflation. Wie Friedman herausgestellt hat (The Optimum Quantity of Money, a.a.O., Kap. 1) sollte das Preisniveau fallen, um die Wirtschaftssubjekte dazu zu veranlassen, die optimale Geldmenge zu haben. 79 Siehe zum Beispiel, Milton Friedman, „Comments on the Critics", a.a.O., S.917 - 918. 80 Selbstverständlich könnte eine konstante Regel für das Geldmengenwachstum zur Inflation führen, wenn sie zu hoch angesetzt ist. Dies wäre der Fall einer voll antizipierten Inflation.

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Eine vierte, aber ziemlich schwache Verbindung besteht darin, daß die Monetaristen durch die Annahme einer realen Phillipskurve jede Hoffnung zunichte machen, Arbeitslosigkeit auf Kosten der Preisniveaustabilität zugunsten der Inflation zu verringern, es sei denn auf kurze Sicht. Die Monetaristen sind zwar durch eine kurzfristige Inflation nicht beunruhigt, sie opponieren aber gegen eine nutzlose inflationäre Politik, die das Ziel haben soll, die Beschäftigung längerfristig anzuheben. Diese Frage steht indessen wiederum nicht i n direktem Zusammenhang zu den Hauptpunkten der Auseinandersetzung zwischen Monetaristen u n d Keynesianern. Wenn w i r ζ. B. schlüssige Beweise für die Gültigkeit der Quantitätstheorie und des monetaristischen Transmissionsprozesses haben, würde dies wahrscheinlich wenig an der relativen Bedeutung ändern, die w i r Inflation und Arbeitslosigkeit beimessen. Diese hängt wesentlich mehr von anderen Problemen ab, wie ζ. B. der W i r k u n g der Inflation auf die Einkommensverteilung und von grundlegenden ethischen Grundsätzen. X I I . Abneigung gegen staatliche Interventionen Das letzte Charakteristikum des Monetarismus (zumindest i n den Vereinigten Staaten) ist eine Abneigung gegen staatliche Eingriffe; sie ist übrigens nicht auf die Makroökonomie beschränkt. Allgemein scheinen die Monetaristen m i t dem Ergebnis des Marktmechanismus wesentlich zufriedener zu sein als die meisten Keynesianer. Es ist natürlich nicht möglich etwa zu beweisen, daß diese Einstellung eher als ein Merkmal des Monetarismus zu betrachten ist, denn als eine Eigenschaft, die jenen Ökonomen, die „Monetaristen" sind, zufällig aus den verschiedenen Gründen zu eigen ist. Die Abneigung gegen staatliche Regelungen paßt aber immerhin sehr gut zu den meisten der von uns untersuchten Konstruktionsbestandteile des Monetarismus. So impliziert die Annahme der Quantitätstheorie eine Ablehnung der antizyklischen Fiskalpolitik. Darüber hinaus kann eine antizyklische Fiskalpolitik dazu führen, daß sich der Staatssektor i n der Rezession mehr ausdehnt als er i m Aufschwung zurückgeht, so daß er langfristig ansteigt 81 . Wenn nun der private Sektor inhärent stabil ist, wäre m i t h i n eine antizyklische Fiskalpolitik weder nötig noch überhaupt erstrebenswert. Wer staatliche Eingriffe ablehnt, w i r d außerdem auch weniger an allokativen Zusammenhängen interessiert sein als jemand, der Informationen über die verschiedenen Branchen braucht, u m staatliche Politik zu planen. Wenn 81 Siehe James Tobin , a.a.O., S. 63. Tobin weist jedoch auch auf eine negative Beziehung hin. So lange die Fiskalpolitik nur eine geringe oder gar keine Wirkung auf das Einkommen hat, kann die Inflation nicht als Entschuldigung für eine Budgetkürzung herangezogen werden.

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die makroökonomische Politik durch das Verhalten der verschiedenen Wirtschaftszweige beeinflußt wird, dann sollten vielmehr manche staatlichen Regelungen sogar abgeschafft werden. Wenn weiterhin die Entwicklung des Preisniveaus weitgehend unabhängig von der Preis- und Lohnpolitik „strategischer" Wirtschaftszweige ist, dann erscheinen staatliche Eingriffe u m so überflüssiger. Da als Zwischenzielgröße der Geldpolitik eher die Geldmenge «als der Zins oder die Bankkredite herangezogen wird, kann der Staat die Bestimmung des Zinsniveaus des Bankkreditvolumens dem freien M a r k t überlassen und seine Aufmerksamkeit auf die Steuerung der Geldmenge konzentrieren, jener Größe, bei der man immer unterstellt, daß sie außerhalb des Wirkungskreises des privaten Marktes liegt. Eine Regelbindung für das Wachstum der Geldmenge reduziert offensichtlich die Notwendigkeit diskretionärer Geldpolitik. Wenn außerdem i m Zusammenhang m i t der Phillipskurve festgestellt wird, daß eine relevante Alternative zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation i n Wirklichkeit nicht besteht, dann braucht der Staat auch hier nicht tätig zu werden. Fernerhin bestehen Zusammenhänge zwischen der Sorge vor der Inflation und der Befürchtung, daß der öffentliche Sektor weiter anwächst. Erstens kann Inflation sehr leicht zu politischem Druck zur Einführung von Lohn- und Preiskontrollen führen. Zweitens erhöht bei einem progressiven Steuersystem die Inflation den Staatsanteil des Einkommens mit der daraus resultierenden Versuchimg, auch die Staatsausgaben zu erhöhen. Der dritte Zusammenhang ist darin zu sehen, daß eine Verhinderung der Inflation indirekt die staatlichen Ausgaben begrenzen kann. Viertens tendiert echtes „deficit spending" (wenn es also durch Geldschöpfung finanziert wird, wie dies oft der Fall ist) dazu, auf die Dauer inflationär zu wirken. Eine K r i t i k des Monetarismus könnte nun versucht sein, den Monetarismus als eine i n der Grundlage „ideologische" Doktrin zu bezeichnen, die zum Ziel hat, scheinbare technische Gründe zu finden, u m die Grundüberzeugung, nämlich die Befürwortung eines ungezügelten Kapitalismus, zu verschleiern. Aber dieser Versuchung, Amateurpsychologe spielen zu wollen, sollte man strikt widerstehen. Die Monetaristen könnten einer solchen K r i t i k nämlich leicht durch eine Umkehr der Argumente begegnen und sagen, daß das „ideologische" Element der Debatte bei den Keynesianern liegt; denn ihre ideologische Bindung an den staatlichen Interventionismus und an die Ausdehnung der Bürokratie sei es, die sie veranlaßt, „monetaristisch" klingende Argumente bei verschiedenen technischen Problemen der Geldpolitik zurückzuweisen. A u f einer Diskussionsebene, die mehr der Mühe wert ist als eine solche Polemik, wäre zu bemerken, daß zwischen der Ablehnung staatlicher 4 Beihefte zu Kredit und Kapital 4

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Eingriffe und dem monetaristischen Konzept i m Grunde nur eine sehr lose Verbindung besteht, obgleich beides gut zueinander paßt 8 2 . Man kann politisch ein radikaler Interventionist sein und dennoch alle anderen monetaristischen Vorstellungen akzeptieren, die w i r bisher diskutiert haben. So kann ein Radikaler sogar konstante Regeln für das Wachstum der Geldmenge auf der Grundlage befürworten, daß dies das Beste ist, was man innerhalb des Kapitalismus überhaupt t u n kann 8 3 . I n der Tat kann selbst ein Planungsfunktionär i n einer fast völlig kontrollierten Wirtschaft, wie z. B. i n China, die Quantitätstheorie nützlicher finden als die keynesianische Theorie 8 4 . Umgekehrt kann einer Extremist des rechten Flügels sein, ohne Monetarist zu sein. X I I I . Einige andere Unterschiede Wenn man nach einer Gemeinsamkeit sucht, die die verschiedenen monetaristischen Vorstellungen verbindet, dann braucht man sich nicht i n eine ideologische Diskussion einzulassen, weil ein methodologisches Element zur Verfügung steht. W i r leben i n einer Welt, die für unser intellektuelles System viel zu komplex ist. Deshalb müssen w i r uns bei der Analyse und bei der Politik für eine von zwei grundsätzlichen Möglichkeiten entscheiden. Die eine Möglichkeit ist, von einer großen A n zahl von Einfluß-Faktoren Kenntnis zu nehmen. W i r erkaufen dies dann damit, daß w i r ihre Beziehungen untereinander lediglich i n einer vagen, verschwommenen Weise begreifen können. Die andere Möglichkeit ist, daß w i r die Dinge drastisch vereinfachen und nur einige wenige überschaubare Faktoren betrachten. Anhand dieser Kriterien kann man die Ökonomen i n „Verschleierer" und „Übervereinfacher" einteilen, u m einmal für beide abfällige Bezeichnungen zu wählen 8 5 . Die Quantitätstheorie ist einfacher als die key82

Siehe ebenda, S. 63. Ein Radikaler (es sei denn, er ist Marxist) braucht die monetaristische Annahme einer inhärenten Stabilität des privaten Sektors nicht abzulehnen, zumal seine Ablehnung des Kapitalismus auf ganz anderen Grundlagen beruhen kann als auf dieser Instabilität. 84 Die keynesianische Grenzleistungsfähigkeit der Investition und der M u l tiplikator spielen in einer zentralgeleiteten Wirtschaft für die Bestimmung des Einkommens eine geringe oder überhaupt keine Rolle. Auf der anderen Seite ist die Quantitätstheorie bedeutsam, wenn die Wirtschaftssubjekte ihre Geldhaltung frei bestimmen. 85 Das bedeutet nicht, daß Monetaristen denken, wir lebten in einer einfachen Welt. Man kann einfache Modelle gerade deshalb verwenden, weil die Welt so komplex ist, daß kein noch verwendbares großes Modell dem gerecht werden kann. Dies ist empirisch unmittelbar einzusehen. Wenn wir versuchen, eine Variable zu prognostizieren, die Determinanten von nur geringer Komplexität hat, dann neigen wir dazu, eine normale „Erklärungs"Regression zu benutzen. Aber wenn wir versuchen, eine Variable mit ausgesprochen komplexen Determinanten vorauszusagen, gebrauchen wir wahrscheinlich ein naives Modell oder ein anderes autoregressives Schema. 83

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nesianische Theorie i n dem Sinne, daß sie weniger Variable heranzieht 86 . Dieser Eindruck ist bei dem monetaristischen Transmissionsprozeß allerdings schon weniger eindeutig. Die monetaristische Betrachtung dieses Prozesses ist sicherlich mehr verschleiert und weniger klar als die keynesianische Betrachtungsweise. Die Monetaristen gehen davon aus, daß der Transmissionsprozeß über eine große Anzahl von Wirkungskanälen arbeitet, von denen einige nicht identifiziert werden können. Wenn man jedoch diesen vagen Transmissionsprozeß m i t Friedmans Methodik angeht, dann kommt man wieder eher zu einer einfachen als zu einer komplizierten Betrachtung unserer Welt. Friedman kommt zu einer engen Beziehung zwischen Veränderungen der Geldmenge und des Nominaleinkommens und w i r d sicherlich kaum durch die Tatsache beunruhigt, daß es schwierig ist, den Transmissionsprozeß genau zu spezifizieren. 87 . Er hält die K r a f t der Voraussage für wichtiger als deskriptiven Realismus 8 8 . Die monetaristische Hypothese, daß der private Sektor inhärent stabil ist, vereinfacht die Analyse ebenfalls. Denn wenn sie zutrifft, so bedeutet dies, daß man sich i n der Makroökonomie u m die Schwankungen der Ausgabenneigung keine Gedanken mehr zu machen braucht. Damit kann man auf die detaillierten keynesianischen Analysen von Verbrauch und Investition ebenso verzichten wie auf viele komplexe Konjunkturtheorien. Auch das Desinteresse des Monetaristen an allokativen Zusammenhängen vereinfacht offensichtlich die Makroökonomie. Das gleiche gilt für die Verwendung von reduzierten statt großen ökonometrischen Modellen und für die Tatsache, daß das allgemeine Preisniveau mehr i n den Mittelpunkt seiner Überlegungen gestellt w i r d als einzelne Preise, die i n einzelnen Branchen eine Rolle spielen.

86 Die Brunner - Meitzer Version der Quantitätstheorie erweckt den Eindruck, komplexer zu sein als die keynesianische Theorie, da sie die keynesianische Theorie wegen der Vernachlässigung einiger wichtiger Effekte kritisiert. Dieser Eindruck ist zum Teil auf die Tatsache zurückzuführen, daß Brunner und Meitzer, wenn sie das keynesianische Modell kritisieren, auf das in hohem Maße übervereinfachte IS-LM-Diagramm abstellen, das nicht den gesamten Keynesianismus wiedergibt. Sie führen einige zusätzliche Variablen ein, lassen indessen auch einige keynesianische Variablen weg. 87 Natürlich geht Friedman davon aus, daß die reine Korrelation zwischen Geld und Einkommen nicht ausreicht, um die Quantitätstheorie zu begründen, sondern daß ein plausibler Transmissionsprozeß notwendig ist. (Siehe Milton Friedman und Anna Schwartz, „Money and Business Cycles", Review of Economic and Statistics, Vol. X L V , Februar 1963. Supplement, S. 59.) Allerdings kann hierfür eine vage, allgemeine Skizze des Transmissionsprozesses ausreichen. 88 Auch K a r l Brunner hat den Typ des deskriptiven Realismus abgelehnt, der Theorien dadurch testet, indem er die Gültigkeit ihrer Annahmen schätzt. (Siehe sein „Assumptions' and the Cognitive Quality of Theories", Synthese, Vol. 20,1969, S. 501 - 525.)

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a Meßprobleme b Spektrum der Vermögensanlage c Stabilität der Geldnachfrage d relative Preis- und Vermögenseffekte e kein Interesse an Ausgabemotiven f Ausgabenmotive und sektorale Eigentümlichkeiten sind unbedeutend g geringe Beachtung für Unstabilität h Gesamtnachfrage bestimmt durch Geldmenge i immun gegen Kosteninflation j Preisgestaltung in einzelnen Branchen unbedeutend 7c einzelne Sektoren uninteressant l Ergebnisse der Modelle m Regelbindung als besondere Art monetären Ziels η keine Notwendigkeit zur Unterstützung einzelner Sektoren ο wenig Notwendigkeit, Fluktuationen auszuschalten p nicht-antizipierte Inflation verhindern q Preisflexibilität im Mittelpunkt r natürliche Arbeitslosenquote

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s kein Trade-Off zwischen „Arbeitslosigkeit — Inflation" t Anpassungserwartungen und Betonung des Unterschiedes von realen und nominellen Größen u reale Variable werden durch Inflation nicht berührt ν das Nichtvorhandensein eines Trade-Off verbessert den mögliehen Nachteil bei der Geldmengenregel tu Unwirksamkeit der Fiskalpolitik x Informationen über Sektoren sind nicht nötig y Interventionen zugunsten einzelner Sektoren makro-ökonomisch nicht notwendig ζ keine Intervention bei Zinsen oder Kreditvolumen

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^ ^ ^ 52 Thomas Mayer

Die Struktur des Monetarismus

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Indem monetäre Gesamtreserven gegenüber einer Kombination von kurzfristigen Zins- und Geldmarktbedingungen als geldpolitischer I n d i kator bevorzugt werden, w i r d geholfen, die geldpolitische Analyse zu vereinfachen. Die Monetaristen haben i n der Tat die Verwendung von Geldmarktkonditionen als Indikator wegen ihrer Komplexität und Ungenauigkeit scharf kritisiert 8 9 . Auch die Regelbindung für das Wachstum der Geldmenge vereinfacht offensichtlich die Geldpolitik. Es ist eines der monetaristischen Hauptargumente, daß w i r nicht über die notwendigen Informationen verfügen (wie zum Beispiel über die Kenntnis des Zeitbedarfs für Reaktionen), u m m i t diskretionärer Politik mehr zu erreichen als m i t einer einfachen Regel für das Geldmengenwachstum. Eine Phillipskurve, die i n Wirklichkeit keinerlei Trade-Off zwischen Unterbeschäftigung und Inflation zuläßt, vereinfacht die Makroökonomie, indem sie die sehr schwierige Frage einer Wahl des optimalen Trade-offs unter den Tisch fallen läßt. Lediglich zwei Komponenten des Monetarismus, die Verwendung einer Geldbasisgröße als Geldmengenzwischenziel und die starke Beachtung der Inflation, passen nicht i n das B i l d der Monetaristen als „Vereinfacher". Es gibt außerdem noch ein anderes Element, das sechs monetaristische Vorstellungen miteinander verbindet. Dies ist die erwähnte Skepsis gegenüber unseren Kenntnissen über die kurzfristigen Zusammenhänge der Wirtschaft. Monetaristen scheinen i n dieser Hinsicht grundsätzlich weniger opimistisch zu sein als Keynesianer. Wenn w i r wirklich zu wenig über das kurzfristige Verhalten der Wirtschaft wissen, dann kann der Umstand, daß die monetaristische Theorie vom Transmissionsprozeß gar nicht erst versucht, die Wirkungskanäle der monetären Impulse i n allen Einzelheiten aufzuzeigen, kaum noch Gegenstand der K r i t i k sein; jeder Versuch dazu wäre vermessen. Wenn zweitens unsere Kenntnis vom kurzfristigen ökonomischen Verhalten begrenzt ist, dann haben w i r auch keine adäquate Methode, u m die Kenntnis allokotiver Details anzuwenden. Drittens wissen w i r dann auch nicht genug, um brauchbare ökonometrische Großmodelle aufzustellen. Viertens ist, je geringer unser Wissen ist, u m so weniger Anlaß für eine Feinsteuerung des Konjunkturablaufs und u m so mehr Anlaß für eine Regelbindung für das Wachstum der Geldmenge 90 u n d folglich auch für die Verwendung eines 89 Siehe K a r l Brunner und Allan Meitzer, Some General Features of the Federal Reserve's Approach to Policy, U.S. Congress, House, Committee on Banking and Currency, Subcommittee on Domestic Finance, 88th Congress, 2nd Session (Washington D.C., 1964). 90 Diese Feststellung gilt mit der Einschränkung, daß ausgesprochen viel Wissen notwendig ist, um die korrekte langfristige Wachstumsratenregel zu bestimmen. Aber die Monetaristen nehmen an, daß die Wirtschaft sich von selbst an jede Wachstumsrate anpassen kann, solange diese Rate stabil bleibt.

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Thomas Mayer

Geldmengenzwischenziels gegeben. Je weniger w i r schließlich über das Verhalten der Wirtschaft wissen, u m so unwahrscheinlicher w i r d es, daß man m i t staatlichen Eingriffen etwas verbessern kann.

X I V . Ergebnis Dieser Aufsatz hat verschiedene Vorstellungen behandelt, die den „Monetarismus" i m weitesten Sinne kennzeichnen. Er hat gezeigt, daß sie zusammen ein logisches Denkgebäude ergeben. M i t einer Ausnahme (der Verwendung einer monetären Basisgröße als geldpolitischem Indikator) passen sie i n diesem Sinne zusammen, daß der definitive Beweis einer der grundlegenderen Thesen der Plausibilität einer Reihe der anderen Thesen erhöhen würde. Grafik 1 zeigt die Verbindungen, die hier zwischen den verschiedenen Vorstellungen herausgearbeitet wurden. Dies bedeutet jedoch nicht, daß Monetarismus etwa ein Paradigma wäre, das als Ganzes akzeptiert oder zurückgewiesen werden muß. Wie i m einzelnen dargelegt, ist (mit Ausnahme der Quantitätstheorie selbst und vielleicht ihres Transmissionsprozesses) jede einzelne monetaristische Vorstellung so beschaffen, daß ein Keynesianer sie akzeptieren kann, während er andere Thesen ablehnt und seine Zugehörigkeit zur grundlegenden keynesianischen Theorie beibehält. Besonders die politischen Vorstellungen sind nicht starr m i t den theoretischen Vorstellungen des Monetarismus verbunden und können ohne Zweifel auch von Keynesianern akzeptiert werden. A u f der anderen Seite braucht jemand, der einige der monetaristischen Vorstellungen anerkennt (einschließlich der zwei grundlegenden: Quantitätstheorie und monetaristische Version des Transmissionsprozesses), nicht zugleich auch alle anderen zu akzeptieren. Deshalb wäre es vielleicht vernünftig, den Ausdruck „Monetarismus" ganz abzuschaffen und jede These des Konzeptes unabhängig zu behandeln. Damit würde die unglückliche Polarisierung der Ökonomen i n Monetaristen und Antimonetaristen abgebaut. Gleichzeitig würde die dam i t einhergehende Tendenz gemildert, die unterschiedlichen Vorstellungen auf einer anderen Grundlage als der der empirischen Evidenz anzuerkennen oder zurückzuweisen 91 .

91 Wie Cyrus Gordon („Ridles in History", New York, 1974, S. 156) es ausgedrückt hat, „alle ,Denkschulen4 sind in Wirklichkeit ,Nicht-Denkschulen', in dem Umfang, in dem sie uns daran hindern, dahin zu kommen, wohin uns die Fakten führen sollten".

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I c h w i l l zugeben, daß dieser R a t z u spät k o m m t , w e i l d e r A u s d r u c k „ M o n e t a r i s m u s " i n z w i s c h e n so g u t e i n g e f ü h r t u n d g e b r ä u c h l i c h ist. A b e r E k l e k t i z i s m u s i s t sicher g e r e c h t f e r t i g t 9 2 .

92 So hat K a r l Brunner argumentiert, daß „ . . . die vier Hauptthesen der monetaristischen Debatte eine Vielzahl von Kombinationen ermöglichen . . Auf die Entwicklung eines solchen Spektrums um ein Mittelfeld sollte sich unsere zukünftige Forschungsaktivitäten konzentrieren. Diese Aktivitäten müßten im Laufe der Zeit zu realen Ergebnissen führen, nämlich daß Ökonomen erfolgreich dem Hang der Medien widerstehen, alle Thesen mit ideologischen Positionen zu versehen. „Comment on ,The State of the Monetarist Debate'", Federal Reserve Bank of St. Louis, Review, Vol. 55, September 1973, S. 14.

Thomas Mayer über den Monetarismus* V o n M a r t i n Bronfenbrenner, Durham, N.C. Wenn ich einen Begriff benutze, dann gibt er genau das wieder, was ich sagen möchte — nicht mehr und nicht weniger. Alice im Wunderland

I. Professor Mayer und ich arbeiteten während unserer gemeinsamen Zeit i n Michigan i n den fünfziger Jahren freundschaftlich und, wie ich hoffe, m i t beiderseitigem Nutzen zusammen 1 . Inzwischen ging er von Michigan aus i n den Westen, ich i n den Osten. Dennoch habe ich etwas Hemmungen, seinen Beitrag kritisch zu kommentieren, auch wenn es auf seine Aufforderung h i n geschieht. Ich habe diesem Ansinnen hauptsächlich i n der Hoffnung entsprochen, daß es m i r gleichsam als Nebenprodukt der Erörterung seiner Vorstellungen gelingt, einige meiner eigenen Ideen abzuklären. II. Mayers Aufsatz über „Die Struktur des Monetarismus" 2 beschäftigt sich sehr ausführlich m i t dem Wesen u n d den Wechselbeziehungen von zwölf Hypothesen, die seiner Meinung nach die gegenwärtige monetaristische Position umschreiben. Die vier ersten Hypothesen (die Quantitätstheorie des Geldes, ein fest umschriebener Transmissionsmechanismus zwischen Geldmengen- und Einkommensänderungen, die Annahme der inhärenten Stabilität des privaten Sektors der Volkswirtschaft und die Irrelevanz allokativer [distributiver] Disaggregation für die Erklärung kurzfristiger makroökonomischer Effekte) betrachtet er als notwendige Bestandteile des Monetarismus, ohne jedoch einen formalen Beweis anzubieten, der einen professionellen Logiker befriedigen könnte. Die übrigen acht Hypothesen, die so bekannte Aspekte wie die Vorliebe * Übersetzung: Norbert Euba, Freiburg i. B., Amerikanische Fassung: Kredit und Kapital, 8. Jg. (1975), S. 473 ff. 1 M. Bronfenbrenner und Th. Mayer: „Liquidity Functions in the American Economy", in: Econometrica, Vol. 28 (1960), S. 810 ff. 2 Kredit und Kapital, 8. Jg. (1975), S. 191 ff. und S. 293 ff.

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für monetäre Regeln, die Gleichgültigkeit gegenüber der Sicherung der Vollbeschäftigung, das Mißtrauen gegenüber der Phillipskurve und der „Einkommenspolitik", die Abneigung gegen eine inflationäre Geldwirtschaft einschließen, sind entweder Argumente, die die ersten „großen Vier" untermauern; oder aber es handelt sich u m deren wirtschaftspolitische Folgerungen bzw. Ableitungen, die i n der Tat von den meisten, jedoch nicht von allen Monetaristen unterstützt werden. Das gesamte Gedankengebäude ist graphisch i n einer Figur zusammengefaßt, die versucht, nicht nur alle zwölf Hypothesen, sondern auch die wesentlichen von Mayer als existent angenommenen Wechselbeziehungen einzuschließen. Jede derartige Konstruktion bleibt unvermeidlich subjektiv, doch hofft Mayer, daß sie seinen Fachkollegen trotzdem eine objektive Hilfestellung gebe. ΠΙ.

Mayer konfrontiert den Monetarismus m i t dem althergebrachten „Keynesianismus", des, sagen w i r , nördlichen Flügels der amerikanischen Demokratischen Partei und ihrer wirtschaftspolitischen Sprecher. Ich für meinen Teil hätte als Antithese den „Fiskalismus" bevorzugt, und zwar ohne eine derartige starke Betonung der Doktrinen des verstorbenen Lord Keynes, wie sie sich i n seiner „Allgemeinen Theorie" von 19363 finden oder i m inflatorischen M i l i e u zehn Jahre nach seinem Tod entwickelt wurden 4 . M i t reinem Fiskalismus sei die These gekennzeichnet, „daß Geld keine Rolle spielt". Das impliziert, daß erstens die wirtschaftlichen Effekte einer fiskalpolitischen Maßnahme von der A r t ihrer Finanzierung unabhängig sind und daß zweitens Veränderungen der Geldmenge keine Auswirkungen auf den Umfang der wirtschaftlichen A k t i v i t ä t haben, es sei denn, sie sind m i t einer fiskalpolitischen Maßnahme zur Einführung (oder zur Absorbierung) zusätzlichen Geldes i n den Wirtschaftskreislauf verknüpft. Ähnlich sei der reine Monetarismus durch die These gekennzeichnet, daß „ n u r Geld eine Rolle spielt". Das impliziert erstens, daß die ökonomischen Wirkungen einer Geldmengenveränderung weitgehend unabhängig davon sind, wie der positive oder negative Zuwachs von 8 Selbst für die Zeit der tiefsten Depression bleibt ein gewisser Zweifel, ob die „Ökonomie von Keynes " so fiskalistisch war, wie die „Keynesianische Ökonomie" später wurde. Zweifel in dieser Richtung begründen teilweise die Neuinterpretation der „Allgemeinen Theorie" von Clower - Leijonhufvud, in der ich eine Verlagerung des Argumentationsschwerpunktes von der Frage der Form zu derjenigen der Beständigkeit bestimmter wesentlicher Funktionenverläufe zu erkennen glaube. Siehe: Axel Leijonhufvud „Über Keynes und den Keynesianismus", Köln 1973. 4 J. M. Keynes, „The Balance of Payments of the United States", in: Economic Journal, Vol. 56 (1956), S. 172 ff.

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Geld i n die Wirtschaft einfließt oder i h r entzogen wird, und zweitens, daß fiskalpolitische Maßnahmen abgesehen von ihren monetären Konsequenzen zu vernachlässigende Wirkungen auf die wirtschaftliche A k t i vität haben. W i r wollen auch, ohne uns große Gedanken über die Messung als solche zu machen, annehmen, es ließe sich irgendein Spektrum festlegen, an dessen einem Ende die reinen Fiskalisten (sofern es solche gibt) und an dessen anderem die reinen Monetaristen (unter Gültigkeit derselben Einschränkung) stehen. Klassifizierungsversuche, wie Mayer sie vornimmt, sind dann wertvoll, wenn Ökonomen — wie Mayer meines Erachtens unterstellt — dazu neigen, sich u m die beiden Endpunkte zu gruppieren m i t nur wenigen Eklektikern i n der Mitte. Sie haben jedoch — und ich selbst neige immer mehr dieser Erkenntnis zu 5 — wenig Sinn, wenn die Verteilung mehr oder weniger gleichmäßig über das gesamte Spektrum streut (mit Ausnahme vielleicht an den beiden Extrempunkten), ohne daß Lücken oder weiße Flecken existieren, die eine eindeutige Trennimg von Monetaristen und Fiskalisten zulassen. Mindestens i n zwei anderen Punkten ergeben sich ebenfalls Schwierigkeiten: (1) Eine expansive fiskalpolitische Maßnahme w i r d von einer expansiven Geldpolitik begleitet, u m einen Anstieg der Zinssätze und eine Verringerung des Multiplikatoreffektes zu verhindern. Ist der daraus resultierende Einkommenszuwachs nun der expansiven Fiskalpolitik (im Hicksschen Sinne der Verschiebung der IS-Kurve) oder ihrer monetären Begleiterscheinung (der Verschiebung der LM-Kurve) zuzuschreiben 6 ?

5 Von meinen eigenen Kollegen an der Duke University haben sich kürzlich (mich eingeschlossen) etwa sieben mündlich oder schriftlich zu dem Dreieck Makroökonomie — Geldpolitik — Fiskalpolitik geäußert. Von diesen würde ich drei als entschieden mehr flskalistisch, zwei als entschieden mehr monetaristisch orientiert als mich selbst und den übrigen als in der Nähe meines Standpunkts innerhalb meines hypothetischen Spektrums klassifizieren. 6 Nach meiner eigenen eklektischen (und wenig originellen) Meinung hängt die Antwort von der Zins-Elastizität der beiden Funktionen ab. Eine zinsunelastische IS-Funktion und/oder eine unendlich zinselastische LM-Funktion führen zu einer fiskalistischen Antwort. Eine unendlich zinselastische I S Funktion und/oder eine zinsunelastische LM-Funktion führen zu einer monetaristischen Antwort. Die Realität der siebziger Jahre liegt irgendwo dazwischen, wenngleich die Realität der dreißiger Jahre, als Keynes seine „Allgemeine Theorie" schrieb, auch mehr dem Fiskalismus entsprochen haben mag. Die Position, die man als „normativen" Fiskalismus kennzeichnen kann, hat jedoch nichts mit dem Verlauf makoökonomischer Funktionen zu tun. Wie auch immer die Verläufe sein mögen, es bedarf einer Geldpolitik, die den A n stieg des nominellen Zinsniveaus verhindert, um die expansiven Wirkungen der Fiskalpolitik zu sanktionieren. Etwas Ähnliches für den normativen Monetarismus ist mir nicht bekannt.

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(2) Nehmen w i r an, daß die Mundellsdie Aufgabenteilung wirtschaftspolitischer Instrumente 7 (Fiskalpolitik zur Sicherung des binnenwirtschaftlichen u n d Geldpolitik zur Sicherung des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts) richtig ist. Ist dies n u n eine fiskalistische oder eine monetaristische Position? Da Mayers Argumentation sich zu 95 % m i t einer geschlossenen Volkswirtschaft beschäftigt, w i r d er Mundell vermutlich als einen Fiskalisten bezeichnen. Ich selbst bin m i r — besonders für den Fall kleiner Länder m i t hoher internationaler Verflechtung — über meinen eigenen Standpunkt zu diesem Problemkreis noch unsicher. IV. Selbst auf die Gefahr hin, pedantisch zu erscheinen, wünschte ich, daß mehr MakroÖkonomen — einschließlich Mayer — bei der Beschreibung der Funktionen, die sie zu ihrer Analyse heranziehen, sorgfältig zwischen Stabilität und Variabilität unterscheiden würden. U m diesen Unterschied zu kennzeichnen, sei ein Hickssches IS-LM-Modell i n einem (Y, r)-Raum m i t den Fehlervariablen (Verschiebungsparameter) et und et angenommen. Dies kann folgendermaßen beschrieben werden: IS-Kurve

r t — a — bY t + et (a, b > o)

LM-Kurve

r t = α + ßY t + et (α < α, β > ο)

Die Auflösung nach Yt ergibt: v Y

_ t-

(g - oc) + (e t - et) ϊ+β

Das Ergebnis stellt entsprechend aller m i r bekannten herkömmlichen Definitionen eine stabile makroökonomisch-statische Lösung dar. (Mit anderen Worten: Weder die IS- noch die L M - F u n k t i o n haben eine falsche Neigung.) Aber gleichzeitig ist der stabile Gleichgewichtswert von Yt hochgradig variabel, und zwar insbesondere dann, wenn die Fehlervariablen (et, et) negativ miteinander korreliert sind. Entsprechend erhalten w i r bei der Auflösung des Gleichungssystems nach dem Zinssatz r t: β (a + b) + b (oc + st)

Dieser Ausdruck ist ebenfalls stabil, aber variabel, insbesondere wenn die Fehlervariablen positiv korreliert sind. 7 Robert A. Mundell, „The Appropriate Use of Monetary and Fiscal Policy for Internal and External Stability", in: I M F Staff Papers, Vol. 9 (1962), S. 70 ff.

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Welche Bedeutung hat das? Erstens folgt daraus, daß bei instabilen Märkten mehr für Intervention und direkte Kontrolle spricht als bei nur variablen Märkten. Zweitens folgt daraus, daß es zwar eine Reihe begrifflich stabiler Funktionen geben mag (Investitionsfunktionen, Phillipskurven, möglicherweise sogar auch Liquiditätspräferenzfunktionen), diese aber über einen weiten Bereich der Verschiebungsparameter (nicht nur der ökonomischen, sondern auch der sozialen wie politischen) so variabel sein mögen, daß ihre Nutzung für Modellkonstruktionen, Planungsvorhaben, empirische Forschung und ähnlichem zu enttäuschenden Ergebnissen führt. (Dies gilt, so fürchte ich, besonders für die einst so vielversprechende Phillipskurve m i t ihrem eleganten Trade-off zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation.) V. Mayers Fußnoten zeigen, daß er über die Vertretbarkeit seiner acht untergeordneten Hypothesen laufend m i t führenden Monetaristen diskutiert hat. Diese Hypothesen sind zugegebenermaßen von der Logik her für den Monetarismus keine unverzichtbaren Positionen, wenngleich viele (wahrscheinlich die meisten) Monetaristen sie akzeptieren. Mayers K r i t i k e r werfen i h m vor, daß er jene Minderheit, die eine oder mehrere dieser genannten acht Hypothesen nicht akzeptiert, i n seinem Spektrum unberücksichtigt läßt. I n folgendem Punkt b i n ich — wie ich meine, aus Überlegungen, die schon Schumpeter anstellte — auf der Seite Mayers: Wenn w i r nämlich i m Sinne von Schumpeter fragen, welche große „Vision" des ökonomischen Prozesses die Entwicklung der monetaristischen Ideologie eigentlich inspiriert hat, so müssen w i r unser Augenmerk eher auf diese letztere Gruppe von Hypothesen als auf Mayers vier erste relativ abstrakte und formale Hypothesen richten. Sollte ich unter diesen acht Hypothesen auswählen, so würde ich mich entscheiden für (1) ein regelgebundenes Geldmengenwachstum als eine „second best"Leitlinie für die Geldpolitik (Mayers Hypothese 9), (2) die daraus folgende Nutzimg der Geldmenge als geldpolitisches Z w i schenziel anstelle des Zinssatzes (seine Hypothese 8), (3) die Bereitschaft, Arbeitslosigkeit als Preis für eine Anti-Inflationspolitik zu tolerieren (Hypothese 11), verbunden m i t der Ablehnung der PhillipskuTve (nach Phillips' Aufsatz aus dem Jahre 1958)8 als eines 8 A. W. Phillips, „The Relation between Unemployment and the Rate of Change of Money Wages in the United Kingdom, 1861 -1957", in: Economica, Vol. 25 (1958), S. 283 ff. Bezüglich der für die Anwendung in den Vereinigten Staaten maßgeblichen Studie siehe: Paul A. Samuelson und Robert M. Solow, „Analytical Aspects of Anti-Inflation Policy", in: American Economic Review, Vol. 50 (1960), Pap. & Proc., S. 177 ff.

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zuverlässigen Trade-off-Indikators (Hypothese 10) und eine i m wesentlichen aus dem Streben nach Freiheit resultierende Abneigung gegenüber einer „zurückgestauten Inflation" sowie solch direkten Eingriffen wie Einkommenspolitik, Rationierung und Zuteilung (Hypothese 12)9. VI. Ich selbst möchte — wiederum auf der Grundlage von Schumpeter — anregen, Mayers Gruppe von sekundären Hypothesen eine weitere (neunte) hinzuzufügen u n d damit die Gesamtzahl auf 13 zu erhöhen 10 . Dies ist die strittige These, daß der geldpolitische Entscheidungsträger (das Federal Reserve Board i n den heutigen Vereinigten Staaten) i n der Tat die Macht und folglich auch die Verantwortung zur Regulierung des Geldangebots hat. Hierin kommt die monetaristische Auffassung zur Geltung, daß die großen Konjunkturschwankungen i n den Vereinigten Staaten i n der Vergangenheit wie heute ihre Ursache i n erster Linie i n einer falschen Geldpolitik hatten und haben, während sie ungerechterweise dem marktwirtschaftlichen System angelastet werden. Diese Hypothese ist wenigstens aus drei Gründen — zwei rein binnenwirtschaftlichen und einem internationalen — anfechtbar. (1) Bezeichnet M die Geldmenge und Β die Geldbasis, so g i l t 1 1 :

Hierbei stellt

j den Reservesatz der Geschäftsbanken dar, den diese

zumindest innerhalb gesetzlich fixierter Grenzen selbst bestimmen kön9 Ein besonders zutreffendes Beispiel ist Milton Friedman, „What Price Guideposts?", in: George P. Shultz und Robert A. Aliber (Hrsg.), „Guidelines: Informal Controls and the Market Place", Chicago 1966, S. 17 - 39. 10 Sollte Mayer abergläubisch sein, könnte diese Hypothese an die Stelle seiner Hypothese 6, die Bevorzugung kleiner Modelle gegenüber Großmodellen, gesetzt werden, welche nur relativ schwach mit den monetaristischen Grundeinsichten verbunden erscheint. 11 Die untenstehende Ableitung basiert auf Phillip Cagan, „Determinants and Effects of Changes on the Stocks of Money, 1960 -1975", New York 1965, S. 12: M = C + D (C = Bargeldumlauf, D = Bankeinlagen) Β = C + R (R = Bankreserven)

M _ C + D _ M ^ M M

M

1 M

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Mj

Thomas Mayer über den Monetarismus nen, und

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j die vom Publikum bestimmte Bargeldquote. Es w i r d von

zahlreichen Autoren (die prominentesten sind J. G. Gurley und E. S. Shaw) 12 behauptet, die Kontrolle der Geldbasis Β durch das Federal Reserve sei nicht dazu geeignet, die Geldmenge M i n konjunkturellen Boom- oder Rezessionsphasen zu steuern. (2) Das Federal Reserve ist ein Geschöpf des Kongresses und kann daher landläufige politische Meinungen, so abwegig sie auch sein mögen, nicht ignorieren. So gab es unter der Führung des Kongreßabgeordneten Wright Patman, der über drei Jahrzehnte Vorsitzender des Committee on Banking and Currency des Repräsentantenhauses war u n d eine expansionistische Wirtschaftspolitik befürwortete, immer wieder Versuche, insbesondere die antiinflationäre Ausrichtung des Federal Reserve durch die Limitierung der Maßnahmen, die eine Politik des „knappen Geldes" beinhaltet, einzuschränken. (Zur Politik des „knappen Geldes" zählen die Anhebung der Nominalzinsen und die Heraufsetzung der Anforderungen an die Kreditwürdigkeit, Kreditbeschränkungen gegenüber bestimmten Gesellschaften, die i n ungewöhnlichem Maße von aufgenommenen Mitteln abhängig sind, sowie der Druck auf Sparinstitute, der aus der „Disintermediation" resultiert, sobald Einlagen auf der Suche nach höheren Zinseinkommen abgezogen werden.) Einige neuere K r i t i k e r aus dem Kongreß, wie Senator W i l l i a m Proxmire und Abgeordneter Henry Reuss lassen bei ihren Vorschlägen eine größere Sympathie gegenüber dem Monetarismus erkennen 13 . (3) Existieren fixe Wechselkurse und ein freizügiger kurzfristiger Kapitalverkehr, so w i r d die Macht eines jeglichen nationalen geldpolitischen Entscheidungsträgers durch die Tendenz zum internationalen Ausgleich der Zinssätze begrenzt. Expansive geldpolitische Maßnahmen, die i m Inland die kurzfristigen Zinssätze reduzieren, werden so von Kapitalabflüssen konterkariert und umgekehrt. Das Entstehen des Eurodollarmarktes während der 60er Jahre hat die außenwirtschaftlichen Probleme der geldpolitischen Kontrolle für die Vereinigten Staaten weiter verschärft. Dieser M a r k t w a r für die ausländischen Banken wie die Aus12 J. G. Gurley und E. S. Shaw, „Money in a Theory of Finance", Washington 1960. 13 Das verspätete Auftreten „monetaristischer" Kritik am Federal Reserve Board innerhalb des Kongresses selbst unterstützt die von den Monetaristen gegenüber dem Board in Verbindung mit seiner Unfähigkeit in der Vergangenheit erhobenen Vorwürfe, „selbst dann zu fliehen, wenn niemand verfolgt". So leugnen beispielsweise Friedman und Schwartz, daß die Furcht von einem Goldabfluß in der Zeit der Weltwirtschaftskrise und des Goldstandards eine rationale Erklärung für die Angst des Federal Reserve vor einer expansiven Offenmarktpolitik abgab. Milton Friedman und Anna J. Schwartz, „The Great Contraction 1929 - 1933", Princeton 1965, S. 103 - 110.

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landsabteilungen der amerikanischen Banken zu einem Instrument geworden, i n großem Umfang Dollardepositen auf der Grundlage von Geldern zu schöpfen, die keinerlei Reserveanforderungen oder Meldepflichten unterliegen, so daß das Federal Reserve Board nur mehr oder weniger ungenau das gesamte Volumen an umlaufenden und außerhalb des amerikanischen Geldmarktes befindlichen Dollars schätzen kann. Es ist ganz offensichtlich schwierig, eine Menge zu kontrollieren, deren Größe man nicht m i t hinreichender Präzision kennt. Die Grundlage für eine skeptische Betrachtung des Monetarismus wurde von einem Herausgeber des „ W a l l Street Journal" 1 4 folgendermaßen zusammengefaßt: „Nach einer so großen Zahl staatlicher Eingriffe über so viele Jahre hin hat sich die Privatwirtschaft eine hohe Geschicklichkeit erworben, auf Geldimporte und Geldsubstitute, hauptsächlich Handelskredite und Kreditkarten, auszuweichen, die beide Liquiditätsquellen darstellen", d. h. auszuweichen auf autonome Veränderungen der Geldumlaufsgeschwindigkeit. VII. Bevor ich schließe, möchte ich noch drei Randbemerkungen zu Mayers Darstellung von einzelnen Hypothesen machen: 1. Hinsichtlich der vermeintlichen „black box" — dem Transmissionsmechanismus monetärer Veränderungen auf den realen Sektor einer Volkswirtschaft — hätte Mayer etwas genauer darlegen sollen, welche Vorstellungen seiner Meinung nach die Monetaristen über diesen Prozeß haben, oder ob sie tatsächlich hoffnungslos zerstritten sind. Für meine Person muß jede Erklärung die auf dem Pigou- und dem Keynes- Effekt beruhende Hypothese einschließen, daß monetäre Impulse — unabhängig von und zusätzlich zu ihren Wirkungen über nominale wie reale Zinsvariationen — güterwirtschaftliche Größen über Veränderungen des Preisniveaus beeinflussen. Wenn das zutrifft, dann ist es doch von Bedeutung, „ob man die Analyse i n Form von M oder von r formuliert", da trotz einiger wesentlicher Überschneidungen ihre Wirkungen signifikant 14 Jude Wanniski, „The Mundell - Laffer Hypotheses — A New View of the World Economy", in: Public Interest, Jg. 1975, S. 38 f., der Professor Robert Mundell zitiert. Allgemeiner formuliert, scheint die monetaristische Theorie der Zahlungsbilanz selbst inkonsistent mit jeglichem Ansatz, der inländischen geldpolitischen Entscheidungsträgern eine überragende Macht zuschreibt. Dies hat seine Ursache darin, daß der Monetarismus ein Zahlungsbilanzdefizit(-überschuß) in erster Linie in einem Überangebot von (Übernachfrage nach) Geld und einem Unterlaufen der Autorität des Entscheidungsträgers begründet sieht. Vgl.: Donald Kemp, „A Monetary View of the Balance of Payments", in: Federal Reserve Bank of St. Louis Review, Vol. 57 (1975), No. 4, S. 14 ff. sowie die dort zitierten Quellen (einschließlich Professor Mundell).

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unterschiedlich sind. Es ist leicht, die Unentschlossenheit der Monetaristen zu kritisieren, sich zwischen den Definitionen des Geldes (Mi, M2... M n) zu entscheiden (ich habe die Definitionen schon bis zu M7 gehen sehen). Aber die K r i t i k e r müssen Professor Friedman insbesondere kondizieren, daß seiner (nach meinem besten Wissen unbewieseMi

nen) Ansicht nach alle Relationen

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augenfällig konstant seien,

wenn man von solchen Beschränkungen wie dem Verzinsungsverbot für Sichteinlagen und den Zinsobergrenzen auf Spareinlagen gemäß der „Regulation Q" absieht. Ferner habe ich Fragen zu Mayers Aussage bezüglich eines Teils des Transmissionsprozesses: „ E i n Anstieg der realen Geldmenge reduziert den impliziten realen Zinssatz der Kassenhaltung" (kursiv von ihm), sofern sie nicht i n der Tat einen Anstieg des Preisniveaus impliziert 1 5 . 2. Es mag nicht mehr als mein aufgeblasenes Ego i m Spiele sein, wenn ich die Aufmerksamkeit auf die Existenz eines Kompromißvorschlages (von m i r selbst) 16 lenke, der einen Mittelweg zwischen der Friedman-Shaw-Regel konstanten Geldmengenwachstums (Mayers Hypothese 9) und der vollständigen Ermessensfreiheit, die das Federal Reserve Board üblicherweise anstrebt, aufzuzeigen versucht. Der angesprochene Kompromiß besteht darin, daß die jährliche Zuwachsrate der Geldmenge Gm auf den Umfang (G n + G„ — Gv) festgelegt wird, d. h. auf die Summe der geschätzten Zuwachsraten des Arbeitskräftepotentials plus des geschätzten Produktivitätszuwachses pro Arbeitsstunde minus der geschätzten Veränderungsrate der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes (zu realen Zinssätzen, die für das kommende Jahr erwartet werden). 15 Mayer hat meine Schwierigkeiten an diesem Punkt in persönlicher Korrespondenz beseitigt. Unter „implizitem Realzins" versteht er, was ich als den Grenznutzen eines Realkassenzuwachses bezeichnen würde. Ich glaube nicht, daß wir uns mehr als begrifflich unterscheiden. 16 M. Bronfenbrenner, Monetary Rules: A New Look, in: Journal of Law and Economics, Vol. 8 (1965), S. 173 ff. Wenn wir die übliche Quantitätsgleichung wie folgt schreiben

M V = p Y = ρΝπ woraus folgt log M + log V = log ρ + log Ν -f log π d log M + d log V = d log ρ + d log Ν + d log π dM M

dV _ dp V ~ Ρ

dN

du π

Gm + Gv = Gp + Gn + Gn so ergibt sich die i m Text genannte Formel, wenn Gp = ο ist, d. h. Preisniveaustabilität aufrechterhalten wird. 5 Beihefte zu Kredit und Kapital 4

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Martin Bronfenbrenner

3. Mayers Hypothese 10 lautet: Ablehnung eines Trade-Off zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation zugunsten einer realen Phillipskurve. Meine Vorstellung von der „realen Phillipskurve" der Monetaristen entspricht genau einer natürlichen (aber nicht zwangsläufig starren) A r beitslosenrate. Mayer meint zweifelsohne etwas anderes; aber es w i r d nicht klar, was er genau meint, sofern er nicht von einer kurzfristigen Hilfsgröße ausgeht, die Geldillusion m i t einschließt und sich m i t der Zeit der natürlichen Arbeitslosenrate annähert. VIII. Zum Schluß vier zusammenfassende Antworten: Ist Mayers Unterfangen der Mühe wert? Ich denke ja. Ist sein Satz von Hypothesen eindrucksvoll? Ja! Ist seine graphische Zusammenfassung der vielfältigen Wechselbeziehungen zwischen den Hypothesen hilfreich? Ja, aber nur für jemanden, der sich wie Mayer selbst die Komponenten sorgfältig erarbeitet. Schließt Mayers Studie auf diesem Gebiet weitere und möglicherweise erheblich abweichende Versuche anderer Wissenschaftler aus, ähnliche Linien aufzuzeigen? Nein, und so wie ich Thomas Mayer kenne, wäre er der letzte, der so etwas verlangen würde.

Probleme der post-keynesianischen Geldtheorie Ein Beitrag zu der von Thomas Mayer eröffneten Diskussion* Von K a r l Brunner, Rochester Ν . Y. und Bern Das „keynesianische Kreuz" und seine implizite Vernachlässigung monetärer Prozesse beherrschte i n den frühen Nachkriegs jähr en die Analyse stabilitätspolitischer Maßnahmen und trat vor kurzem i n dem Gewand der Neo-Cambridge-Theorie wieder i n Erscheinung. Die Geldtheorie, wie sie am besten von der Arbeit Patinkins i n den frühen fünfziger Jahren und dem klassischen Beitrag von L l o y d Metzler repräsentiert wird, wurde vom Kontakt m i t der Analyse stabilitätspolitischer Maßnahmen sicher abgeschirmt. Patinkin setzte den von Hicks eingeschlagenen Weg fort und integrierte Geld- und Werttheorie. Die grundlegende Arbeit von L l o y d Metzler hatte auf Teile der Wachstumstheorie Einfluß, gab den Anstoß zu einer monetären Interpretation der Makrotheorie und formte die monetäre Theorie der Zahlungsbilanz. Metzler und Patinkin lieferten bedeutende Beiträge zur schrittweisen Entwicklung der Geldtheorie. Letztere befand sich aber noch immer i n einer A r t schizophrenen Zustands, der sich bei der langsamen Entwicklung eines Wissensgebietes wahrscheinlich nicht vermeiden läßt. Geldtheorie und die Erörterung geld- und kreditpolitischer Maßnahmen gehörten zu verschiedenen Welten. Einerseits lieferte die Geldtheorie den wirtschaftspolitischen Entscheidungsträgern kaum eine Grundlage zur Lösung der aktuellen Probleme, m i t denen diese konfrontiert waren, andererseits vollzog sich die Diskussion geldpolitischer Maßnahmen und Institutionen gewöhnlich i m wesentlichen ohne Rekurs auf die Geldtheorie. Das IS/LM-Schema bot keine Grundlage für die Diskussion der Kreditpolitik und war der Beziehung zwischen Kredit und Geld nicht gewachsen. Die Leitideen, nach denen sich die Einschätzung der w i r t schaftspolitischen Entscheidungsträger richtete, entwickelten sich über viele Jahre hindurch unabhängig von der akademischen Geldtheorie und * Siehe Kredit und Kapital, 8. Jg. (1975), S. 191 ff. und 293 ff. — Dieser Aufsatz bildet einen Teil eines durch die National Science Foundation geförderten Projekts. Er basiert auf der mit Allan H. Meitzer über viele Jahre hindurch gemeinsam entwickelten Forschungsarbeit. Der entscheidende Einfluß dieser engen Zusammenarbeit wird dankbar bestätigt.—Übersetzung: Norbert Euba, Freiburg i.B. Amerikanische Fassung: Kredit und Kapital, 9. Jg. (1976), S. 24 ff.

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enthielten Vorstellungen, die zentralen und wohl abgesicherten Hypothesen der ökonomischen Theorie widersprachen 1 . Die wissenschaftliche Literatur konnte noch Ende der fünfziger Jahre keine klare Erklärung für das Verhalten monetärer Aggregate anbieten. So findet man keine Analyse über die A r t des Zusammenwirkens von geldpolitischen Entscheidungsträgern, Kreditinstituten und Öffentlichkeit. Ohne eine solche durch geeignete Informationen ergänzte Untersuchung können aber Erörterungen der Geld- und Kreditpolitik sowie die von geldpolitischen Entscheidungsträgern i n öffentlichen Verlautbarungen vertretenen A n sichten jedoch schwerlich größere Bedeutung beanspruchen. Ähnlich hat sich die Diskussion über die Zinssätze i m wesentlichen m i t gelehrten Gedankenspielen über Bestands- und Stromgrößen sowie m i t Fragen beschäftigt, ob solche Definitionen begrifflich äquivalent gemacht werden können, ohne daß diese eine brauchbare Erklärung für das zu beobachtende Verhalten der Zinssätze lieferten. Des weiteren fehlte zu jener Zeit eine zureichende Erklärung für das gleichzeitige Auftreten rückläufiger Sozialproduktsentwicklung, wachsender Arbeitslosigkeit und weiter zunehmender Geldmenge sowie steigender Preise. Dieses Phänomen konnte von den Keynesianern bzw. der aktuellen Geldtheorie nur durch ein Aufgebot von Ad-hoc-Annahmen erklärt werden, die w i l l k ü r lich für diesen Zweck zurechtgeschnitten wurden. Die Einsicht i n diesen Stand der Dinge trug zur „monetaristischen Revolution" i n der Geld- und Makrotheorie bei. Die implizite Trennung unserer sprachlichen Aktivitäten einerseits i n eine wirtschaftspolitische Diskussion, die ohne Theorie auskam (oder sogar den am meisten gesicherten Teilen der ökonomischen Theorie widersprach), und andererseits i n eine Geldtheorie, die kaum eine sachdienliche Anregung zur Beurteilung und Interpretation der Geld- und Kreditpolitik lieferte, stellte eine ernsthafte intellektuelle Herausforderung dar. Das Ringen u m eine Geldtheorie, die sich auf solche wirtschaftspolitischen Probleme anwenden läßt, m i t denen wirtschaftspolitische Entscheidungsträger normalerweise konfrontiert werden, wurde zur zentralen Aufgabe der monetaristischen Neubetrachtung der Geld- und Makrotheorie. Das monetaristische Bestreben Schloß daher eine entschiedene Ablehnung von „platonischen Spielen" m i t ein, wie sie oft i n unserer Fachliteratur kultiviert werden 2 . 1 I n diesem Zusammenhang soll besonders auf die verschiedenen Versionen der Free-Reserve-Doktrin hingewiesen werden. Diese Hypothesen werden in dem bald erscheinenden und zusammen mit Allan H. Meitzer verfaßten Buch, Theory and Practice of Central Banking, ausführlicher untersucht. 2 Hans Albert legte eine ausgezeichnete Kritik der in unserer Fachliteratur betriebenen „platonischen Spiele" vor: „Modell-Platonizismus. Der neoklassische Stil des ökonomischen Denkens in kritischer Beleuchtung", in: Logik der Sozialwissenschaft, hrsg. von E. Topitsch, Köln/Berlin 1967.

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Die angestrebte Verknüpfung von Wirtschaftspolitik und -theorie erklärt auch die übrigen „Ursprünge" monetaristischer Evolutionen. Die schrittweise Entwicklung des Gedankengebäudes wurde durch die Suche nach deutlichen empirischen Regelmäßigkeiten stark geprägt. Dieses Suchen beeinflußte große Teile des monetaristischen Denkens und bestimmte die entstehende Theorie. Schließlich kam inan der erforderlichen Makroanalyse durch die Ausweitung der Preistheorie auf die makroökonomische Ebene und gesamtwirtschaftliche Probleme nahe. Diese Konzeption stand i m Widerspruch zu den vorherrschenden keynesianischen Ansichten und berührte die Interpretation der Geldnachfrage (ζ. B. die Bedeutungslosigkeit der Liquiditätsfalle 3 ). Sie beeinflußte ferner die Erklärung der Zinselastizität der gesamtwirtschaftlichen Güternachfrage, die Ansichten über den Multiplikator und über die Bedeutung von Verbrauch und Investition i m Multiplikatorprozeß sowie die Berücksichtigung eines Kreditmarkts i m Rahmen einer vollständigen Beschreibung der relevanten Portfolioanpassungen. Die zentrale Frage der monetaristischen Bemühungen war die Entwicklung einer rationalen Grundlage für die Wirtschaftspolitik, die eine systematische Bewertung und Interpretation erlaubt. Diese Aufgabe war der Grund für die Suche nach klaren und verwendbaren empirischen Regelmäßigkeiten, die durch eine wachsende Zahl von Versuchen ergänzt wurde, die keynesianische Standardtheorie durch eine preistheoretisch begründete Makrotheorie zu ersetzen. Beinahe eine Generation ist vergangen, seitdem die ersten fragenden Zweifel i n der Nachkriegsliteratur geäußert wurden. Zudem leitete Harry Johnsons erster Uberblicksartikel über die Geldtheorie eine Periode rasch zunehmender Forschung ein. Die Geldtheorie lebte auf und entwickelte sich sprunghaft. Die anwachsende Zahl von Untersuchungen und die anhaltenden Diskussionen veränderten Schritt für Schritt Formulierungen und Inhalt der Geldtheorie, und die Ansichten der an diesem Vorgang aktiv Beteiligten blieben kaum auf dem Niveau der mittleren sechziger Jahre stehen. Daher erscheint es sehr angebracht, heute einen Uberblick über die A r t der Probleme zu geben, die hinter den üblichen Etiketten stehen. Diese Etiketten stellten i n den vergangenen Jahren oft eher ein psychologisches Hindernis für ein gegenseitiges Verständnis und eine gründliche Analyse als einen ökonomischen Kunstgriff dar, u m alternative Mutmaßungen und theoretische Ideen zu3 Bei preistheoretischer Interpretation bedeutet eine Liquiditätsfalle einen bei jedem Transaktionsniveau auftretenden Überschuß der marginalen Transaktionskosten über den Grenznutzen. Diese Konstellation lag in den dreißiger Jahren nur für den Federal-Funds-Markt vor. Auf allen übrigen Finanzmärkten gingen die Transaktionen weiter und stellten so die Übertragung geldpolitischer Impulse auf die wirtschaftliche Aktivität und das Preisniveau sicher.

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sammenzufassen. Mayers Überblick über die wesentlichen Probleme sollte daher als ein wertvoller Beitrag begrüßt werden; denn er lenkt die Aufmerksamkeit von der jahrelangen Diskussion m i t emotionsgeladenen Etiketten ab und legt die Betonung auf den wirklichen Charakter der Fragen, denen die zukünftigen Bemühungen dienen sollten. Mayers begrüßenswerter Versuch verdient unsere Aufmerksamkeit. Die nachfolgenden Abschnitte dieses Beitrags sind diesem Zweck gewidmet 4 . Der Aufbau meines Diskussionsbeitrages spiegelt dabei eine fest umrissene Ansicht über die Struktur der Probleme wider. Mayer unterscheidet zwölf getrennte Aspekte, die zur Erleichterung für den Leser i n einer Tabelle zusammengefaßt sind. Diese Darstellung ist ziemlich unstrukturiert und vermag die Abhängigkeiten und Wechselbeziehungen zwischen den Problembereichen nicht zu vermitteln. Mayer betont die relative Unabhängigkeit der verschiedenen Probleme, was sinnvoll und wichtig ist. Er übersieht aber einen anderen wichtigen Aspekt, nämlich die logische Struktur zwischen den Problemen. Die unter Punkt 1 bis 4 genannten Grundprobleme bilden das Kernstück, sind jedoch nicht völlig unabhängig voneinander. Die nachfolgende Diskussion macht einige Querverbindungen sichtbar, die unterschwellig die aktuelle Gruppenbildung gleicher theoretischer Position beeinflussen. Die Punkte 5 bis 11 sind i m wesentlichen abgeleitete Konsequenzen und hängen von den bezüglich der Grundfragen getroffenen Entscheidungen ab. I m einzelnen stellen die Punkte 5 und 6 spezielle Aspekte der Probleme dar, die i n Punkt 4 enthalten sind. Das Indikator(d. h. das Interpretations-) und das Zwischenzielproblem (d. h. das Strategieproblem), die unter den Punkten 7 und 8 aufgeführt sind, folgen i m wesentlichen aus den Antworten auf die bei den Grundproblemen auftauchenden Fragen und aus den zu diesem Zweck eingeführten Spezifizierungen. Außerdem stellt Punkt 9 nur eine spezielle Formulierung des unter Punkt 8 aufgeführten Strategieproblems dar. Die Punkte 10 und 11 umschreiben i m wesentlichen dieselbe Fragestellung, und die A n t w o r t ist wiederum davon abhängig, welche Entscheidungen hinsichtlich der Grundprobleme getroffen werden. Sie hängt insbesondere von den Ansichten über das Wesen des Transmissionsprozesses ab. Es ist 4 Die Natur dieser Probleme wurde bei verschiedenen Gelegenheiten erörtert. Der Leser sei verwiesen auf: "The Monetarist Revolution in MonetaryTheory", in: Weltwirtschaftliches Archiv, Vol. 105 (1970), S. I f f . ; "A Survey of Selected Issues in Monetary Theory", in: Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik, Vol. 107, S. 1 ff. Vgl. auch die zusammen mit Allan H. Meitzer verfaßten Beiträge: "An Aggregative Theory for a Closed Economy" und "Monetarism: The Principal Issues, Areas of Agreement and the Work Remaining", die für die geldtheoretische Konferenz an der Brown University im November 1974 vorbereitet wurden; diese Beiträge sind inzwischen von North Holland Publishing Co. in einem Konferenzband veröffentlicht worden.

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ferner darauf hinzuweisen, daß Punkt 11 ein weitverbreitetes Mißverständnis wiederholt. Dieses Problem w i r d als eine Angelegenheit des relativen Interesses, d. h. als Angelegenheit der persönlichen Präferenzen dargestellt. Diese Charakterisierung ist äußerst irreführend. Man kann schwerlich i n Abrede stellen, daß Präferenzordnungen von sozialen Zuständen berührt werden. Aber das Problem umfaßt i n Wirklichkeit mehr. Die widerstreitenden Positionen werden i n sensibler Weise von den Kernproblemen geformt, die die jeweiligen Folgen aktivistischer monetär-fiskalischer Expansionsmaßnahmen bestimmen. Der letzte Punkt umfaßt eine Reihe von Problemen, die für die Zukunft der westlichen Gesellschaften von großer Bedeutung sind. Diese stehen jedoch i n keiner engen Beziehung zu den i n der Geldtheorie diskutierten Themen. Vermutlich existiert zwischen den unter diesem Punkt anzutreffenden Positionen und den Kernproblemen eine statistische Beziehung, die mehr als nur historisch zufällig ist. Weder politische Prozesse noch politische Probleme, wie sie Mayer miteinschließt, sind i n meinem Diskussionsbeitrag enthalten. Er beschäftigt sich m i t den Kernaspekten der Geldtheorie. Damit w i r d jedoch keineswegs die Bedeutsamkeit von Polit i k und politischen Institutionen bestritten. I m Gegenteil, ihre Bedeutung verlangt eine ausführliche Analyse i n einem eigenen Aufsatz 4 3 . I. Das Wesen des Transmissionsmechanismus (I): Der Umfang von Substitutionsbeziehungen der Vermögensaktiva Das IS/LM-Modell definiert für unseren Zweck ein vertrautes Bezugsschema. Es ist i n zwei verschiedenen Interpretationen anzutreffen, die weitgehend unterschiedlich und einander widersprechende Hypothesen beinhalten. Die „HicJcssche" Version läßt für Geld nur eine begrenzte Reihe von Substitutionsbeziehungen zu. So steht Geld nur zu „Bonds", die eine Gruppe von Finanzaktiva repräsentieren, i n Substitutionsbeziehung, während weder „Bonds" noch Geld i n substitutivem Verhältnis zu Realaktiva stehen. Letztere wiederum sind durch abschreckende Transaktionskosten i n den Portfolios eingefroren. Der „Zinssatz" repräsentiert eine Ertragsrate für finanzielle Vermögenstitel. Darüber hinaus erklärt die Lehrbuchdarstellung der Hicksschen Version die Zinselastizität der Gesamtnachfrage i m wesentlichen über die relativen Kreditkosten. Die m i t den verschiedenen Ausgabenkategorien verbundene jeweilige Höhe dieser Kosten bestimmt das Ausmaß der Zinselastizität. Die Hickssckie Version beherrschte die Lehrbücher und insbesondere die ökonometrischen Modelle. 4a Eine erste Arbeit zu diesem Thema wurde von K a r l Brunner und W i l liam Meckling unter dem Titel "The Perception of Man and the Conception of Government" in Journal of Money, Credit and Banking, Februar 1977, veröffentlicht.

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Eine alternative Interpretation ist m i t Metzlers klassischem Beitrag verbunden 5 . Die Metzlersche Version beherrschte die Wachstumstheorie und die monetäre Theorie der Zahlungsbilanz. Sie ordnete Geld i n ein weitreichendes Netz von Substitutionsbeziehungen ein, wobei Geld m i t allen anderen Vermögensformen i n vollen Substitutionsbeziehungen steht. Die Substituierbarkeit ist nicht auf eine Untergruppe vorhandener A k t i v a beschränkt. Diese generelle Substituierbarkeit w i r d durch ein charakteristisches Metzlersches Postulat ergänzt, nämlich daß finanzielle und reale A k t i v a „perfekte Substitute" sind. Diese Annahme bringt ein Grundmuster allgemeiner Substituierbarkeit m i t dem impliziten ZweiAktiva-Modell des IS/LM-Systems i n Einklang. Der gesamte Anpassungsprozeß der Portfolios w i r d wiederum durch eine Geldmarktgleichung beschrieben. Jedoch gibt der „Zinssatz" i n diesem Falle den realen Ertrag realer A k t i v a zuzüglich der antizipierten Geldentwertungsrate wieder. Implizit verwirft die Metzlersche Version das Kreditkostenargument der Zinselastizität der Gesamtnachfrage sowie die Existenz einer Liquiditätsfalle völlig. Das Metzlersche Postulat „perfekt substituierbarer" finanzieller und realer A k t i v a läßt zwei Deutungen zu. Es kann einmal Ausdruck der Hypothese sein, finanzielle Aktiva, die kein Geld darstellen, seien relativ enge Substitute zu realen Vermögensgütern, während Geld i n relativ loseren Substitionsbeziehungen sowohl zu finanziellen als auch zu realen A k t i v a stehe. Das Postulat kann aber auch als eine die Analyse einschränkende unvollständige Darstellung eines Anwendungsbereiches gedeutet werden. Das heißt i n diesem Fall nicht, daß finanzielle und reale A k t i v a relativ enge Substitute sind. Unter diesen Umständen bedeutet die Annahme „vollkommener Substituierbarkeit" lediglich, daß die Analyse auf Erfahrungen beschränkt ist, die i m Vergleich zur relativen Variabilität finanzieller und realer A k t i v a große monetäre Schwankungen zeigen. Die alternative Deutung dieses geläufigen Paradigmas konfrontiert uns m i t den ersten Problemen dieses Abschnitts. W i r lehnen das Hicks' sehe Postulat beschränkter Substitutionsbeziehungen für Geld ab, wie w i r auch die erste Interpretation der Metzlerschen Version verwerfen. Dagegen akzeptieren w i r aber die zweite Variante der Metzlerschen Analyse als eine sinnvolle Annäherung für solche Phasen, i n denen monetäre Störungen vorherrschen. Allerdings haben w i r Vorbehalte, die Metzlersche Analyse i n der Weise auf Zahlungsbilanzprobleme anzuwenden, wie dies i n den vergangenen fünfzehn Jahren geschehen ist. Das Metzlersche Postulat w i r d i n dieser A r t der Analyse gewöhnlich 5 Lloyd Metzler , "Wealth, Saving and the Rate of Interest", in: The Journal of Political Economy, Vol. 59 (1951), S. 93 ff.

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durch die Annahme perfekter Substituierbarkeit von finanziellen A k t i va, die auf unterschiedliche Währungen lauten, ergänzt. Das Ergebnis ist eine generell perfekte Substitutionalität, die der Analyse jede kürzerfristige Relevanz für Perioden ohne sehr große Geldentwertung nimmt. Ein nützlicherer Ansatz m i t weniger beschränktem Anwendungsbereich scheint sich aus der zweiten Interpretation des MetzZerschen Ansatzes zu ergeben. Entsprechend unterstellen w i r für das A k t i v u m Geld einen allgemeinen und unvollkommenen Bereich von Substitutionsbeziehungen i n sämtliche Richtungen über das gesamte Spektrum von Vermögenstiteln. Diese Hypothese kommt i n der theoretischen Analyse über die Ergänzung der Geldmarktgleichung durch eine Kreditmarktgleichung zum Ausdruck. Portfolioanpassungen, die gleichzeitig drei Gruppen von A k t i v a berühren, sind unter der Annahme genereller und unvollkommener Substituierbarkeit m i t expliziten Wechselbeziehungen zwischen zwei Märkten für Vermögensaktiva verbunden. I n diesem Zusammenhang ist es nicht logisch zwingend, wenn w i r uns i n dem vorliegenden Beitrag auf den Kredit- und Geldmarkt konzentrieren. Vielmehr veranlaßt die relative Bequemlichkeit empirischer Forschung ein solches Vorgehen sowie die Chance, Thesen bezüglich des Bankkredits, der K r e ditpolitik und der Rolle finanzieller Intermediation und Desintermediation i m monetären Prozeß direkt zu analysieren 6 . Eine unmittelbare Folgerung aus der allgemeinen und unvollkommenen Substituierbarkeit impliziert die Ablehnung einer häufig und lange Zeit hindurch wiederholten Charakterisierung unseres Grundproblems. Die Substitutionalitäts-Prämisse bedeutet, daß die Neigungseigenschaften der I S / L M Kurven weder hinreichende noch notwendige Bedingung für irgendwelche Thesen hinsichtlich der relativen Effizienz geldpolitischer Impulse sind. Insbesondere sind Aussagen über die Fiskal- und Geldpolitik nicht entscheidend von der Höhe der Zinselastizität der Geldnachfrage abhängig. Weder die Abhängigkeit der Geldnachfrage von Zinssätzen noch die i n einer Elastizität ausgedrückte absolute Stärke dieser Abhängigkeit stellen einen wichtigen Punkt dar. Diese analytische Tatsache spiegelt eine bedeutsame Konsequenz der allgemeinen Substituierbarkeit wider. Das Modell vergrößert den Umfang an Transmissionswegen, über die monetäre Impulse auf die wirtschaftliche A k t i v i t ä t und das Preisniveau übertragen werden, erheblich, wobei die explizite Formalisierung dieses Grundgedankens variieren kann. Eine spezielle Darstellung dieser Grundidee bietet das Brunner-Meltzer-Modell, indem es die Bedeutung der Anpassung relativer Preise über das gesamte Spektrum 6 Eine ausführliche Diskussion der im Text angesprochenen Aspekte findet sich in den Kommentaren, die in der Diskussion auf der im November 1974 an der Brown Universität abgehaltenen Konferenz über den Monetarismus vorgetragen wurden. (Vgl. die Angaben unter Fußnote 4.)

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von Vermögensgütern — zwischen bestehenden und neu zu produzierenden A k t i v a sowie zwischen Vermögensanlagen und realem Konsum — oder Aktivaerträgen betont. Andere Formalisierungen der Grundidee sind sicher ebenfalls möglich und können später nutzbringend untersucht werden. I n dieser Hinsicht ist Mayers getrennte Bezugnahme 7 auf den Umfang der Substitutionsbeziehungen und den „Brunner-MeltzerMechanismus" der relativen Preise und Mengenanpassungen etwas irreführend. Das Grundproblem ist i n diesem Punkt der Umfang der Substitutionsbeziehungen, während der „Brunner-Meltzer-Mechanismus" nur einen speziellen Versuch zur analytischen Formalisierung darstellt, u m die Verästelungen des Grundgedankens zusammenhängend zu untersuchen. Dies ist nicht der Ort, u m die Implikationen der alternativen Substitutionshypothesen und ihren Bezug auf wirtschaftspolitische Probleme oder die Wahl der Forschungsstrategie zur Beurteilung der Konsequenzen wirtschaftspolitischer Maßnahmen i m einzelnen zu diskutieren. Diese Aspekte wurden bei anderer Gelegenheit, auf die der Leser verwiesen sei 8 , ausführlich dargestellt. E i n anderer Aspekt sei aber beiläufig unterstrichen. Man findet gelegentlich Behauptungen, die die Existenz oder Relevanz des Substitutionsproblems verneinen. Derartige Behauptungen basieren auf oberflächlichen Eindrücken. E i n sorgfältiges Literaturstudium zeigt sehr deutlich die Existenz unterschiedlicher Hypothesen. Überdies bestätigt eine theoretische Analyse der divergierenden Ansätze die empirische Bedeutung dieses Problems sowie seine Signifikanz für Fragen der Wirtschaftspolitik. Diese Bedeutung spiegelt sich i n substantiell unterschiedlichen Thesen zur Wirtschaftspolitik w i der, wie sie sich aus den alternativen Hypothesen ergeben. Unser unmittelbares Interesse richtet sich jedoch gegenwärtig auf die Feststellungen, die Mayer i n seinem Uberblick über die Probleme vorbringt und die unsere ausdrückliche Aufmerksamkeit erfordern. Thomas Mayer argumentiert auf Seite 33, daß ein Monetarist die W i r t schaftssubjekte nur als Halter von Geld sieht und sich damit nur für einen Bereich, nämlich Geldangebot und Geldnachfrage interessiert. Ferner liest man auf Seite 19: „Während es daher kaum einen Grund gibt, weshalb ein Quantitätstheoretiker den Zinssatz bei der Beschreibung des Transmissionsprozesses bevorzugen sollte, ist es leicht einzusehen, daß ein Keynesianer m i t einem Quantitätstheoretiker darin übereinstimmen könnte, die Analyse eher auf die Geldmenge als auf den Zinssatz abzustellen." Anderswo hebt Mayer als einen weiteren Streitpunkt i m Zusammenhang m i t der A r t des Transmissionsmechanismus 7

Thomas Mayer, S. 21 f. Der Leser sei auf meinen Artikel "A Survey of Selected Issues in Monetary Theory" (vgl. Fußnote 4) verwiesen. 8

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die relative Stabilität der Geldnachfrage hervor. Schließlich richtet sich große Aufmerksamkeit auf die relative Meßbarkeit sowie auf die relativen Meßfehler bei Geldmenge und Zinssatz. Ferner kann man lesen, daß Monetaristen die Geldmenge dem Zins vorziehen, w e i l sie davon ausgehen, „daß die Geldmenge wesentlich besser gemessen werden kann". Nach Mayers Ansicht beeinflußt die relative Meßbarkeit der beiden Größen die Eigenschaften des Transmissionsmechanismus. Die erste Aussage ist ein Beispiel für eine i n der Literatur oft anzutreffende subtile Verlagerung der Aufmerksamkeit auf einen irrelevanten Aspekt. Die Vermischung von Aussagen über Personen und Aussagen über Ansichten, die von diesen Personen geäußert wurden, kommt unglücklicherweise viel zu häufig vor. Die erste A r t von Aussage beinhaltet eine Behauptung über Personen und nicht über einen Teil der Analyse. Sie ist als eine Behauptung über „Monetaristen" genannte Personen schlichtweg falsch. „Monetaristen" befassen sich m i t mannigfachen Dingen, und ihre Aufmerksamkeit erstreckt sich auf viele Seiten des menschlichen Lebens. Dies alles mag jemanden für eine Klatschgeschichte schrecklich interessieren, es bleibt aber für die Entwicklung der Geldtheorie ganz unerheblich. Was ist nun, nachdem der irrelevante persönliche Bezug beiseitegeräumt ist, über die zweite Hälfte der angesprochenen Behauptung zu sagen? Man findet i n der Tat i n der Fachliteratur, besonders i n Artikeln, die sich m i t der „monetären Theorie der Zahlungsbilanz" beschäftigen, Ausführungen, die sich hauptsächlich m i t dem Geldmarkt oder m i t Geldangebot und Geldnachfrage beschäftigen. Es ist aber völlig falsch und irreführend, solche Formulierungen als eine allgemeine Beschreibung der „monetaristischen Analyse" zu verwenden. Die Brunner-Meltzer-Analyse betont i m Gegenteil die Funktion des Kreditmarktes und untersucht ausführlich die Wechselbeziehungen zwischen Märkten für Vermögensgüter einerseits und für den Output andererseits, die über die Budgetrelation des staatlichen Sektors Rückkoppelungseffekten unterliegen 9 . Ähnlich irreführend ist es, die „monetaristische Analyse" dahingehend zu charakterisieren, daß sie sich i m wesentlichen (oder ausschließlich) m i t Anpassungsprozessen der Volkswirtschaft an ein Uberschußangebot an Geld beschäftigt (Mayer, S. 23). Brunner und Meitzer haben i n den vergangenen Jahren die kurz- und langfristigen Folgen der Staatsschuld i n ihren wesentlichen Einzelheiten herausgearbeitet. Ebenso zeigten sie die langfristigen Folgen auf, die sich bei zunehmender 9 Dieses Thema wurde gemeinsam mit Allan H. Meitzer in einer Reihe von Beiträgen herausgearbeitet, die mit einem Beitrag zur ersten Konstanzer Konferenz über Geldtheorie und Geldpolitik 1970 beginnt. Dieser Aufsatz ist in dem Konferenzband veröffentlicht: "A Monetarist Framework for Aggregative Analysis", in: Beihefte zu Kredit und Kapital, Heft 1, Berlin 1972, S. 31 ff.

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Unsicherheit über wirtschaftspolitische Tendenzen oder wachsende I n stabilität der „Spielregeln" für private Investoren und Produzenten ergeben 10 . Die zweite Behauptung (oben genannt und auf Seite 201 zu finden) wiederholt ein eingewurzeltes Mißverständnis über die A r t des zu untersuchenden Problems. Die benutzte Terminologie ist i n diesem Zusammenhang etwas unglücklich gewählt. Die Begriffe „Quantitätstheorie" und „Quantitätstheoretiker" sind recht zweideutig und werden häufig i n bewußt ideologischer oder politischer Absicht benutzt (gewiß nicht von Mayer). Die analytische Situation ist andererseits durch die große Zahl von Veröffentlichungen eindeutig bestimmt. Eine sorgfältige Untersuchung der vorliegenden Analysen sollte i n der Tat deutlich machen, daß sich die Probleme, die sich um den Umfang der Substitutionsbeziehungen drehen, nicht sinnvoll als Wahl zwischen „Zinsbetrachtung" oder „Geldmengenbetrachtung" kennzeichnen lassen. Die „Betrachtung" als solche charakterisiert noch keineswegs i n brauchbarer Weise irgend eine monetäre Analyse. Jene stellt keine Aussage über theoretische Behauptungen dar, sondern ist vielmehr — unabhängig davon, wie die fragliche analytische Struktur genau aussieht — eine Äußerung über das Verhalten einer Person zu einem bestimmten Zeitpunkt. Eine Prüfung der publizierten Analysen macht deutlich, daß die Geldmenge nicht als Bestandteil des Transmissionsmechanismus gesehen wird. Letzterer ist gekennzeichnet durch einen Prozeß relativer Preise, der auf der einen Seite alle A k t i v a und ihre Erträge, auf der anderen Seite dagegen nur eine kleine Gruppe von Zinssätzen auf finanzielle Vermögenstitel umfaßt. Nebenbei sei angemerkt, daß sich die auf Seite 17 geäußerte Behauptung über die relative Stabilität der Geldnachfrage nicht auf die A r t des Transmissionsprozesses bezieht. Sie w i r d daher an der ihr zukommenden Stelle bei der Behandlung des Impulsproblems erörtert. Mayer schreibt schließlich dem Meßproblem eine große Bedeutung zu und diskutiert ausführlich die „relative Meßbarkeit" von Geldmenge und Zinssatz. Er argumentiert, daß die monetaristische Analyse des Transmissionsprozesses implizit für die Geldmenge einen relativ geringen Meßfehler unterstellt, während die Keynesianer dazu neigen, dies den Zinssätzen zuzuschreiben. Das ist schlicht und einfach falsch und gehört zu der gelegentlich i n der Literatur gepflegten „schöpferischen Interpretation". Relative Meßfehler haben zu dem oben beschriebenen Problem überhaupt keine logische Beziehung. E i n verallgemeinerter Prozeß der relativen Preise ist m i t jeder Verteilung von Meßfehlern vereinbar. Das gilt ebenso für die Hickssche Position beschränkter Substitutionsbeziehungen. Die relativen Meßfehler bestimmen die geeigneten 10

Der Leser sei auf die in Fußnote 4 aufgeführten Beiträge verwiesen.

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Strategien für die empirische Forschung, sie diskriminieren jedoch i n keiner Weise zwischen den alternativen Auffassungen über den Transmissionsmechanismus. Sie sind einzig und allein für das Zwischenzielproblem relevant, d. h. für die Wahl der optimalen geldpolitischen Strategie. I I . Das Wesen des Transmissionsmechanismus (II): Eigenschaften der Phillipskurve Eine zweite Gruppe von wichtigen Problemen, die sich unter den ersten Fragenkomplex subsumieren lassen, dreht sich u m die Phillipskurve und die Rolle der Erwartungen. Mayer erfaßt diese Aspekte i n seinen Punkten 10 und 11. Die Kennzeichnung i m Punkt 11 ist etwas verfehlt, und die bedeutenden Beiträge, die i n den vergangenen Jahren zu diesem Thema veröffentlicht wurden, bedürfen weiterer Ausführungen. Die kurz- und langfristigen Eigenschaften der Phillipskurve wurden i n den letzten Jahren ausführlich diskutiert. Insbesondere dreht sich die Kontroverse u m die Existenz eines lang- und eines kurzfristigen Trade-Off zwischen Inflation und Output (oder dem Grad der Arbeitslosigkeit). Drei Auffassungen haben sich i n der Literatur herausgebildet. Eine erste These behauptet die dauernde Existenz eines Trade-Off i n kürzerer wie i n längerer Frist, die durch eine geeignete Handhabung geld- und fiskalpolitischer Maßnahmen genutzt werden kann. Eine andere These erkennt zwar die Existenz eines wirtschaftspolitisch nutzbaren Trade-Off auf kürzere Sicht an, leugnet aber seine langfristige Existenz. Sie unterstellt, daß sich der Trade-Off i n absehbarer Zeit (bevor „ w i r alle tot sind") auflöst. Insbesondere argumentiert diese zweite These, daß sich die Arbeitslosigkeit (oder Beschäftigungsmenge) auf längere Sicht einer natürlichen Größe annähert, die von den vorherrschenden Institutionen und den Strukturen der auf die Wirtschaft einwirkenden realen Schocks bestimmt wird. Diese natürliche Beschäftigungsmenge stellt sich unabhängig von der Geldpolitik ein, reagiert aber auf fiskalpolitische Maßnahmen (steuer- und transferpolitischer Art). Die dritte These verneint i m Gegensatz zu den ersten beiden Konzeptionen für jeden relevanten Zeithorizont das Auftreten irgend eines Trade-Off. Dies bedeutet eine nachdrückliche Bejahung der Hypothese von der E x i stenz einer natürlichen Rate für Output und Beschäftigung. Die drei alternativen Hypothesen kommen zu radikal unterschiedlichen Schlußfolgerungen hinsichtlich der Übertragung finanzpolitischer Impulse auf reale Größen und das Preisniveau. Auch führen sie zu einer völlig unterschiedlichen Einschätzung des für eine sinnvolle W i r t schaftspolitik verfügbaren Aktionsfeldes. Die erste These w i r d — wenn überhaupt — höchst selten von der monetaristischen Analyse akzeptiert.

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Sie bleibt eine charakteristisch keynesianische Position. Dagegen schließt die monetaristische Analyse typischerweise die zweite und dritte Hypothese ein. Die entscheidenden Unterschiede zwischen den drei Hypothesen spiegeln fundamental divergierende Ansichten über die Rolle von Erwartungen und die A r t des Angebotsverhaltens auf dem Gütermarkt wider. Das IS/LM-Schema erweist sich i n dieser Hinsicht als ziemlich unvollständig. Die üblicherweise m i t diesem Schema verbundene Beschreibung des gesamtwirtschaftlichen Angebots beruht i m wesentlichen auf zwei extremen Annahmen. Die Hickssctie Version unterstellt eine horizontale Angebotskurve, d. h. die Preise werden als konstant angenommen. Die Metzlersche Version geht dagegen von einer vertikalen Angebotskurve aus, d. h. Preise und Löhne sind vollständig flexibel und der Output w i r d als „Vollbeschäftigungsoutput" angenommen. Die Phillipskurve ersetzt dieses simple Reaktionsmuster durch eine allgemeinere Theorie. Die dritte These führt natürlich zu einem Metzlerschen Verhaltensmuster, bietet aber eine rationale Erklärung für dieses Ergebnis. Die keynesianische These schließt nicht zwangsläufig Erwartungen aus, sie weist ihnen aber eine relativ bescheidene Rolle zu. Sie können zwar zu einer Verschiebung der Phillipskurve beitragen, wesentliche Verlagerungen der Phillipskurve werden jedoch häufig strukturellen Wandlungen auf dem Arbeitsmarkt einschließlich verschiedener „costpush"-Prozesse zugeschrieben. Diese Einschätzung der Rolle der Erwartungen berührt gleichfalls die Zinssatzerklärung. Das vor kurzer Zeit zu beobachtende hohe nominale Zinsniveau spiegelt entsprechend einer weitverbreiteten keynesianischen Ansicht ein hohes Niveau realer Zinssätze wider. Der Inflationsaufschlag trägt bei dieser Betrachtungsweise nur zu einem kleineren Teil zu den beobachteten nominalen Zinsbewegungen bei. Das gesamte Erklärungsmodell der Arbeits- und Kreditmarktprozesse scheint das Schwergewicht auf reale Faktoren zu legen. Die Phillipskurve ist daher relativ stabil bzw. ihre Verschiebung resultiert meist aus „realen Vorgängen", die einen langfristigen Trade-Off bestehen lassen. Diese Ansichten werden von den Vertretern der zweiten und dritten These entschieden abgelehnt. Die Rolle der Erwartungen sowie die Anpassimg von Löhnen und Preisen lenken die Wirtschaft zu einer natürlichen Rate der Arbeitslosigkeit hin. Darüber hinaus gehen die Inflationserwartungen m i t einem größeren Gewicht i n die Erklärung von Nominalzinsschwankungen ein. Die dritte These benutzt außerdem eine sehr spezielle Hypothese bezüglich der Erwartungsbildung. Erwartungen werden rational aus Vorstellungen analog dem Modell gebildet, daß die Erwartungen selbst sowie ihre Wirkungen umfaßt. Demgemäß sind die psychologischen Erwartungen m i t den i n einem spezifizierten stochastischen Modell definierten mathematischen Er-

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Wartungen i d e n t i s c h 1 1 . D i e V e r b i n d u n g v o n r a t i o n a l e n E r w a r t u n g e n m i t einer bestimmten Gruppe v o n Output-Angebotsfunktionen hat zur Folge, daß k e i n systematisch a n t i z i p i e r t e r m o n e t ä r e r I m p u l s d i e r e a l e n G r ö ß e n beeinflussen k a n n . O u t p u t , A r b e i t s l o s i g k e i t u n d r e a l e r Z i n s satz v e r ä n d e r n sich u n a b h ä n g i g v o n systematischen m o n e t ä r e n I m p u l sen u n d u n t e r l i e g e n i m w e s e n t l i c h e n e i n e m Z u f a l l s p r o z e ß . Systematische geldpolitische Impulse w e r d e n b e i m Vorherrschen rationaler E r w a r t u n g e n a u g e n b l i c k l i c h i n P r e i s e f f e k t e t r a n s f o r m i e r t . Das Lucas-SargentModell eines m i t r a t i o n a l e n E r w a r t u n g e n v e r k n ü p f t e n G ü t e r a n g e b o t s b e s e i t i g t so j e g l i c h e M ö g l i c h k e i t e i n e r systematischen N u t z u n g des T r a d e O f f m i t t e l s f i n a n z i e l l e r M a n i p u l a t i o n e n . D e r T r a d e - O f f v e r s c h w i n d e t sog a r k u r z f r i s t i g . D i e a k t u e l l e A r b e i t s l o s i g k e i t s r a t e f ä l l t u n t e r diesen U m s t ä n d e n z u j e d e m Z e i t p u n k t m i t d e r (schwankenden) n a t ü r l i c h e n A r b e i t s losigkeit zusammen12. 11 Dieser Gedanke stammt ursprünglich von Jack Muth. Für die monetäre Analyse umfassend weiterentwickelt wurde er von Robert Lucas, Thomas Sargent, Neil Wallace und Robert Barro. 12 Es sei eine Phillips-Beziehung (1) pt — ριΛ = f (Sf, nt) ; f h f 2>0

angenommen, wobei pt den log des Preisniveaus in t, E t_ïp t die (in t-1) erwartete Inflationsrate über den Zeitraum (t-1) bis t und s eine Zustandsvariable repräsentiert, die in der Weise vom Output y und dem Realkapital Κ abhängt, daß s = s (y. Κ) gilt. Weiterhin sei unterstellt, daß f 2 = 1 und nt = E t. tp t — ριΛ sind. Daraus folgt, daß (2) P* = EMP* + f * ( y , K ) Unter den üblichen Nebenbedingungen für f* ergibt sich somit (3) y = h (K, pt — E ulp t) ; ht, h2> 0 Gleichung (3) gibt die Art der Angebotsfunktion wieder, wie sie von Lucas und Sargent - Wallace benutzt wird. Aufgrund derselben Annahmen läßt sich (1) aus (3) ableiten. Unter den getroffenen Annahmen sind somit Gleichung (1) und (3) äquivalent. Sie sind jedoch gewöhnlich mit unterschiedlichen ökonomischen Interpretationen verbunden. Gleichung (1) wird immer dann benutzt, wenn man ausdrücken will, daß die Ursachenkette vom Output zum Preisniveau läuft, während Gleichung (3) dann Anwendung findet, wenn man zum Ausdruck bringen will, daß die Ursachenkette vom Preisniveau zum Output läuft. Man könnte auch mit Stanley Fischer argumentieren, daß sich aus der Zeitstruktur der (formal oder stillschweigend) abgeschlossenen Verträge ein Muster ergibt, das mit der Output-Angebots-Gleichung (3') (30 y t = h (Κ, Pt-E^Pt, pt-E t_ 2pt); hh h2, h 3 > 0 umschrieben wird. Fischer unterstellt zu diesem Zweck, daß die Lohnabschlüsse für zwei Perioden getroffen werden. I n jeder Periode wird ein Teil der Kontrakte neu ausgehandelt. Fischer demonstriert, daß bei Gültigkeit der Output-Angebots-Gleichung (37) die geldpolitischen Entscheidungsträger systematisch das Niveau und die Schwankungen des Outputs beeinflussen können. Der Leser sei verwiesen auf Stanley Fischer: "Long Term Contracts, Rational Expectation and the Optimum Money Supply", in: The Journal of Political Economy, Vol. 84 (1976), Fischers Analyse macht auf ein interessantes Problem bezüglich der Interpretation rationaler Erwartungen aufmerksam. Es erscheint recht zweifelhaft, daß die postulierte Überlappung von Lohnver-

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Die zweite These betrachtet rationale Erwartungen i m Sinne von Muth als ein längerfristiges Phänomen. Sie geht ebenso davon aus, daß sich rationale Erwartungen auf der Basis verfügbarer Informationen i m Rahmen gewisser Vorstellungen über die Natur jenes Prozesses bilden, der die erwarteten Größen entstehen läßt. Die konditionierenden Vorstellungen fallen jedoch kaum m i t der Struktur der Hypothese zusammen, die die Erwartungen miteinschließt. Das Vorhandensein von ausdrücklichen oder stillschweigenden vertraglichen Vereinbarungen auf den Arbeits- und Gütermärkten, das i m wesentlichen Ausdruck unvollkommener Information ist, determiniert eine Verzögerungsstruktur, die eine volle Anpassung von Preisen und Löhnen an die der Situation zugrundeliegenden Entwicklung verhindert. Diese von vertraglichen Vereinbarungen gekennzeichnete Situation kann als eine Abweichung von dem durch Muths rationale Erwartungen postulierten Informationsstand interpretiert werden, die sich langfristig den anfallenden Informationen über die zugrundeliegende Entwicklung anpaßt. Die zweite These legt somit den Akzent auf einen Lernprozeß m i t systematischer Revision der Information und der Vorstellungen. Es ist gezeigt worden, daß rationale Erwartungen i n diesem weiteren Sinne tatsächlich i n einem Bayessdien Schema formuliert werden können, u m einen sich anpassenden Prozeß der Erwartungsbildung zu erhalten 1 3 . Die Lern- und Informationsprobleme, die i n diesem allgemeinen Ansatz hervorgehoben werden, bestimmen ebenso die unterschiedliche Bedeutung des monetären Wachstums und der monetären Akzeleration. Diese Größen wurden als einfache empirische Annäherungen an analytische Kategorien (antizipierte u n d nicht antizipierte Bewegungen) angeboten. Die Analyse schrieb dem monetären Wachstum i m wesentlichen einen Preiseffekt und kaum einen Outputeffekt zu. Dabei hingen die Wirkungen auf den Output m i t der monetären Beschleunigung, nicht jedoch m i t der Geldmenge oder deren Wachstumsrate zusammen 14 .

trägen mit rationalen Erwartungen konsistent ist. Ich vermute, daß rationale Erwartungen auch in der Struktur der Verträge Anpassungsprozesse auslösen. Eine einfache Umformulierung von Gleichung (3') führt zu einer der Phillipskurve ähnlichen Beziehung (wobei die üblichen Eigenschaften von h angenommen werden). (1') Vt — Pm = Q(V,K; nt i π ιΛ\ E t. 2pt — E*. 2 Pm) mit den Eigenschaften gt > 0 i — 1... 4 und g3 + 0 4 = 1 und g4 = g5 13 Benjamin Friedman, "Rational Expectations are Really Adaptive After All", Havard Institute of Economic Research, Discussion Paper 430, August 1975. 14 Robert Barro machte kürzlich einen interessanten Vorschlag zur Verbesserung dieser Näherungslösung: "Unanticipated Money Growth and Unemployment in the United States." Dieser Beitrag ist auf Anfrage erhältlich.

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Vertreter der zweiten These würden geltend machen, daß sich i n einer Welt, die sich gemäß Muths Hypothese von rationalen Erwartungen verhält, Aufregungen u m Indexbindungen nicht lohnen. Weiterhin legen aber die Schwierigkeiten, auf die man bei der Abschätzung des zukünftigen Kurses der geldpolitischen Instanzen bzw. bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit ihrer öffentlichen Ankündigungen hinsichtlich zukünftiger geldpolitischer Maßnahmen trifft, eine gewisse Vorsicht bezüglich der Unterstellung rationaler Erwartungen i m engeren Sinne für kurze Zeiträume nahe. Die Probleme, die sich beim Abwägen der Richtigkeit offizieller Interpretationen vergangener Ereignisse und Maßnahmen ergeben, verstärken diese Vorsicht noch. Andererseits könnte ein Vertreter der zweiten These, wenn er sich m i t der „keynesianischen Position" befaßt, ein ursprünglich von Pigou formuliertes Argument wiederholen, daß sich i n der langen Frist m i t allen Störungen und Veränderungen der tatsächlich verfügbaren Ressourcen deren aktuelle Nutzung mit dem verfügbaren Ressourcenbestand verändert. Außerdem erscheint der aufwärts gekrümmte Funktionsverlauf von Arbeitslosigkeit und Inflation i n den zur Darstellung der Phillipskurve typischerweise benutzten Graphiken unvereinbar m i t einer eingewurzelten „keynesianischen Position". Ein Keynesianer könnte sich zwar auf die i n den dreißiger Jahren m i t den Arbeitsmärkten gemachten Erfahrungen berufen, um die zweite und dritte These zu verwerfen 1 5 . Diese sind i n der Tat ein ziemlich ungelöstes Problem. Der Fall bleibt jedoch offen, und zukünftige Forschungsarbeit w i r d sowohl die Arbeitsmarkterfahrungen der späten dreißiger Jahre wie auch die der letzten zehn Jahre miteinander aussöhnen und unter eine einheitliche Hypothese subsumieren müssen 18 . Es wäre ein ernster Fehler, sich m i t der mittleren These zufrieden zu geben („weil sie i n der Mitte ist"). Einige bedeutsame Probleme, die sich jenseits alt eingesessener Stellungen bewegen, gehören nach wie vor i n diesen Fragenkomplex. Sie drehen sich u m die Erklärung der beobachteten Schwankungen realer Größen sowie die Anpassung von Preisen und Löhnen. Die erste und zweite These implizieren i m Gegensatz zur dritten, daß sich Preise und Löhne kurzfristig nicht v o l l an die zugrundeliegende (und nur unsicher identifizierte) Entwicklung anpassen. Die zweite und dritte These behaupten andererseits die Existenz und praktische Bedeutung einer von geldpolitischen Eingriffen unabhängi15 Diesen Punkt betonte Robert Gordon in seinem Aufsatz: "Recent Developments in the Theory of Inflation and Unemployment", in: The Journal of Monetary Economics, Vol. 2 (1976). 18 Dieses Problem ist von David Coulter von der Carnegie-Mellon Universität neu überdacht worden. Er zeigt, daß sich die im Lucas-Rapping-Modell enthaltenen und von Albert Reese kritisierten Probleme eleminieren lassen, wenn die Staatsnachfrage nach Arbeitskräften richtig in die Analyse einbezogen wird.

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gen natürlichen Rate der Arbeitslosigkeit. Außerdem schreiben die beiden ersten Thesen den beobachtbaren Schwankungen realer Größen eine systematische Komponente zu. Die dritte These impliziert i n diesem Zusammenhang i m wesentlichen eine Generalisierung der These von Slutsky. Danach sind Schwankungen realer Variablen Ausdruck eines Zufallsprozesses ohne systematische Zeitstruktur. Es sollte beachtet werden, daß die anregenden Arbeiten über rationale Erwartungen, die Robert Lucas, Thomas Sargent, Neil Wallace und Robert Barro der Fachwelt vorgelegt haben, uns gezwungen haben, die Rolle anfallender Informationen und die Auswirkungen sich verändernder wirtschaftspolitischer Muster zu überdenken. Dieser Anstoß berührt insbesondere die Diskussion, die sich kürzlich i m Sommer und Herbst 1975 über die Wirkungseinrichtung finanzieller Maßnahmen abspielte. I I I . Das Wesen des Transmissionsmechanismus (III): Finanzpolitik und „Crowding Out" I n diesem Abschnitt soll der Finanzpolitik einige Aufmerksamkeit gewidmet werden. I n vielen Diskussionen entstand der Eindruck, als konzentrierten sich die intellektuellen Auseinandersetzungen u m die Geldpolitik auf die Annahmen über die Finanzpolitik. Insbesondere wurde häufig behauptet, daß die „monetaristische Analyse" der Finanzpolitik keine niveaubestimmende Bedeutung beimißt. Ohne Zweifel hat sich die theoretische Erörterung der Finanzpolitik i n den letzten zehn Jahren i n einigen Teilen der „monetaristischen Analyse" allmählich geändert. Die seit 1970 von Brunner-Meitzer entwickelte Analyse weist der Finanzpolitik kurz- und langfristig verschiedene Rollen zu. Aus dieser Analyse ergibt sich eine eindeutige Wirkung fiskalpolitischer Maßnahmen auf Output und Preisniveau. Die kürzerfristige Wirkung weicht aber wesentlich von der längerfristigen ab. Kurzfristig erhöhen wachsende Staatsausgaben den Output des privaten Sektors, wobei seine Zunahme invers von der Reaktion der Preise auf Veränderungen des Outputs abhängt. Außerdem w i r d diese Reaktion durch das Ausmaß bestimmt, i n dem die Geldlohnerwartungen der Produzenten sowie die Preiserwartungen der Nachfrager von den expansiven fiskalpolitischen Maßnahmen beeinflußt werden. Passen sich die Preis- und Lohnerwartungen voll an die fiskalpolitischen Maßnahmen an, so w i r d ein Anstieg der Staatsnachfrage nach Arbeit oder privatem Output völlig über das Preisniveau absorbiert und führt zu keiner Veränderung des Output i m privaten Sektor. Unter diesen Umständen bewirkt eine Zunahme der staatlichen Güternachfrage auch auf kurze Sicht ein völliges „Crowding Out". Die zusätzliche Absorption von Gütern durch den staatlichen Sektor impliziert einen entsprechenden Rückgang der vom privaten Sektor

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beanspruchten Güter. Diese Analyse steht i m Widerspruch zum gewöhnlichen auf dem IS/LM-Schema basierenden Verfahren, das eine spezielle Position der L M - K u r v e als notwendige und hinreichende Bedingung für kurzfristiges „Crowding Out" bestimmt. Die Brunner-MeitzerAnalyse dagegen mißt den Eigenschaften der Geldnachfrage, die i m A n stieg der L M - K u r v e zum Ausdruck kommen, keine besondere Bedeutung zu. Entscheidend sind die Neigung der Güterangebotskurve sowie die Reaktion von Nominallohn- und Preisniveauerwartungen auf fiskalpolitische Maßnahmen. Ein deutlicher kurzfristiger Effekt der Finanzpolitik auf den Output setzt daher eine flache Güterangebotskurve (d. h. eine geringe Elastizität der Preisbildung i n bezug auf den Output) und eine relativ schwache Reaktion der Erwartungen (in kurzfristiger Sicht) voraus. Eine uneingeschränkte Multiplikatorwirkung (d. h. ein negatives „Crowding Out") ergibt sich bei annähernd flachen Angebotskurven, nicht reagierenden Erwartungen und einem Rückkoppelungseffekt über die Märkte für Vermögensgüter, bei dem positive Reaktionen der A k tivapreise vorherrschen. Positives „Crowding Out" ergibt sich kurzfristig immer dann, wenn diese Bedingungen verletzt werden. Die Rückwirkungen über die Budgetrelation hängen den fiskalpolitischen Maßnahmen mittelfristig finanzielle Konsequenzen an. Die kurzfristige W i r k u n g w i r d daher durch den Effekt ergänzt, den die Ausweitung der finanziellen Bestände auslöst. Daraus folgt, daß sich die Gesamtwirkung der Fiskalpolitik aus einem rein fiskalischen Effekt (d. h. der Anstoßwirkung) und einem finanziellen Effekt zusammensetzt. Der letztere geht entsprechend der hier vertretenen Analyse über den reinen fiskalischen Effekt hinaus. Die Wirkungsmuster, die den Anstoßeffekt fiskalpolitischer Maßnahmen auf Output und Preisniveau formen, bestimmen auch die mittelfristige Reaktion, die die Anpassungen der finanziellen Bestände an einen zugrunde liegenden fiskalpolitischen Status darstellt. Man muß jedoch annehmen, daß die Erwartungen auf längere Sicht eher reagibel sind. Damit wächst die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines gewissen „Crowding Out"-Effektes. Diese Anmerkungen zu einem kürzer- bis mittelfristigen „Crowding Out" bedürfen jedoch einiger Einschränkungen. Sie ließen das relative Niveau der wirtschaftlichen A k t i v i t ä t außer acht, d. h. die vernachlässigten die Wechselwirkung eines wachsenden Produktionsniveaus m i t der natürlichen Rate der Arbeitslosigkeit. Bei einem unter dem normalen Output liegenden Produktionsniveau beschleunigen fiskalpolitische Expansionsmaßnahmen die Annäherung des Produktionsniveaus an den normalen Output, während sie ein über dem normalen Output liegendes Produktionsniveau nur vorübergehend steigern. Diese Abweichungen vom normalen Output setzen natürlich voraus, daß Erwartungen und Preisniveau nicht voll den zugrundeliegenden Umständen angepaßt sind.

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Es ergibt sich daher, daß unter diesen Umständen fiskalpolitische Maßnahmen i n kurz- bis mittelfristiger Sicht das Volumen des privaten Output beeinflussen. Kürzerf ristiges „Crowding Out" erscheint daher vor allem für solche Produktionsniveaus bedeutsam, die über dem normalen Output liegen. Jüngste theoretische Erörterungen deuten aber an, daß es bei dem Problem nicht um das kurzfristige „Crowding Out" geht. Die Brunner Meitzer-Analyse impliziert, daß es für jede gegebene Kombination fiskalpolitischer Maßnahmen ein langfristiges Niveau finanzieller Bestände und ein entsprechendes Preisniveau gibt. Ebenso ist m i t jeder Kombination fiskalpolitischer Eingriffe ein normales Outputniveau verbunden, das von der langfristigen Kapitalintensität, der normalen A r beitslosigkeit sowie dem normalen Arbeitskräfteangebot für den privaten Sektor abhängt. Fiskalpolitische Maßnahmen beeinflussen die Determinanten des normalen Output. Insbesondere vermindern wachsende Realausgaben des staatlichen Sektors das normale Outputniveau des privaten Bereichs. Diese Abnahme des normalen Output bringt das durch Staatsausgaben ausgelöste langfristige „Crowding Out" zum Ausdruck. Diese langfristigen Wirkungen sind i n das System m i t vorherrschenden budgetpolitischen Maßnahmen notwendigerweise eingebaut und werden i m Laufe der Zeit sichtbar. Möglicherweise t r i t t das langfristige „Crowing Out" auch zusammen m i t einem kurzfristig uneingeschränkt wirksamen Multiplikatoreffekt auf. Das Auftreten sowohl kurz- als auch langfristiger „Crowding Out"Wirkungen w i r d unter anderem auch von Tobin und Buiter diskutiert. Insbesondere der zweite Autor behauptet das genaue Gegenteil, nämlich daß wachsende reale Staatsausgaben den langfristigen Output und den langfristigen Realkapitalbestand erhöhen. Buiter entwickelt seine Behauptung i m Rahmen eines Metzlerschen Modells. Die Frage bleibt völlig offen und w i r d i n der Zukunft sicherlich einige Aufmerksamkeit erfordern 17 . Die sich ergebenden Thesen scheinen durch die Darstellung des Budgets, die A r t der ausgabenpolitischen Maßnahmen, die Reaktion der Steuereinnahmen sowie die Annahmen über die Substitution von A k t i v a beeinflußt zu sein. Die Lösung dieses Streitpunktes hat auf unsere Bewertung zukünftiger Entwicklungen einen nachhaltigen Einfluß.

17 Für eine ausführliche Analyse vgl. die in Fußnote 4 aufgeführten Beiträge. Eine alternative Ansicht findet sich bei James Tobin und William H. Buiter sowie in Buiters Aufsatz: "The Long-Run Effects of Fiscal Policy", Econometric Research Program, Research Memorandum No. 187, Oktober 1975.

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IV. Die Probleme der internen Stabilität und der Impulsdominanz Eine i m November 1974 an der B r o w n University abgehaltene Tagung über den Monetarismus konzentrierte sich ausdrücklich auf Sachverhalte, die zum Transmissionsmechanismus gehören. Die übrigen grundlegenden Fragen wurden weitgehend ausgeklammert und kamen nur i n mündlichen Stellungnahmen von Friedman, Meitzer und Brunner zur Sprache. Die Fragen sind jedoch auch heute noch offen. Jeder Literaturüberblick, jede kritische Uberprüfung oder analytische Interpretation wirtschaftspolitischer Debatten macht die A r t dieser Probleme deutlich 1 8 . Die keynesianische Theorie betont traditionellerweise die fundamentale Instabilität des privaten Sektors. Diese Auffassung ist zum Teil m i t der keynesianischen Ablehnung der Hypothese von einer natürlichen Beschäftigungsrate verbunden. I n diesem Zusammenhang sei eine der verschiedenen Verbindungen zwischen den unter den vier Kategorien aufgelisteten Problemen erwähnt. Die Behauptung eines „grundlegenden Defekts i m Preismechanismus" oder die These von der „inhärenten I n stabilität des privaten Sektors" führt zwangsläufig zur Ablehnung der Vorstellung einer natürlichen Beschäftigungsrate. Keynesianer streiten häufig ab, daß der private Sektor ein Selbststeuerungsprozeß ist. Gelegentlich w i r d zwar behauptet, der Prozeß steuere sich selbst, er pendele sich aber tendenziell bei „unannehmbaren" Beschäftigungsniveaus ein. Diese Position kann jedoch nicht m i t der ersten oben diskutierten These über den Mechanismus des Arbeitsmarktes und der Ablehnung der Hypothese einer natürlichen Beschäftigungsrate i n Einklang gebracht werden. Darüber hinaus bleibt das K r i t e r i u m der „Unannehmbarkeit" recht vage und inhaltsleer. Die von den herrschenden institutionellen Gegebenheiten bestimmte tatsächliche natürliche Beschäftigungsrate kann i n der Tat suboptimal sein. Die These von der natürlichen Beschäftigungsrate ist nicht m i t dem Merkmal sozialer Optimalität verbunden. Diese stellt ein eigenes und zusätzliches Problem dar, das einer genaueren Untersuchung wert ist. Verfechter der zweiten und dritten These behaupten speziell, daß große und andauernde Veränderungen der natürlichen Beschäftigungsrate demographische Trends und wirtschaftspolitische Maßnahmen des Staates widerspiegeln. Aus ihrer Analyse folgt, daß geeignete Veränderungen i n den wirtschaftspolitischen Maßnahmen sowie spezielle institutionelle Änderungen die natürliche Beschäftigungsrate erhöhen dürften. W i r sollten uns jedoch vor diesem „Kann-sein-Trugschluß" i n acht nehmen. Die Tatsache, daß es mög18 James Tobin betont in einem Aufsatz, der in den Proceedings der American Economic Association (American Economic Review, Pap. & Proc. Vol. 65 [1975], S. 195 ff.) enthalten ist, die Bedeutung der vermuteten Instabilität des privaten Sektors. Sein Beitrag für die Brown University Conference nahm jedoch auf dieses fundamentale Problem keinen Bezug.

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lieh ist, bedeutet noch nicht, daß die sozialen Vorteile solcher Maßnahmen zwangsläufig größer sind als die damit verbundenen sozialen Kosten 19 . Vertreter der zweiten (oder dritten) These behaupten außerdem, daß die Struktur der Abweichungen von der natürlichen Beschäftigungsrate wie auch die Höhe der natürlichen Rate selbst wesentlich von der wachsenden Instabilität der von gesetzgebenden Körperschaften staatlicher Bürokratie oder nationalen Gerichten auferlegten „Spielregeln" beinflußt werden. Diese institutionelle Entwicklung w i r d durch erratische und unvorhersehbare wirtschaftspolitische Maßnahmen verstärkt, die viele Branchen einer Volkswirtschaft treffen. Die Vorstellung einer grundlegenden Instabilität des privaten Sektors hat weitreichende Konsequenzen. Sie hat eine aktivistische und hochgradig interventionistische Konzeption der Wirtschaftspolitik zur Folge. Der Staatssektor erscheint notwendigerweise als „letzter Stabilisator". Die Instabilitätsthese begünstigt die Entwicklung einer umfangreichen Bürokratie, die sich Tag für Tag um zahlreiche Einzelregelungen von Vorschriften und Programmen kümmert. Die alternative Hypothese kehrt die traditionelle keynesianische Betrachtungsweise i m wesentlichen um. Sie behauptet, der private Sektor sei i m Prinzip ein Schocks absorbierender, stabilisierender und sich selbst steuernder Prozeß. I n stabilität geht hauptsächlich von staatlichen Maßnahmen aus und ist bei dem politischen Prozeß inhärent. Gelegentlich w i r d auch argumentiert, daß diese Instabilität m i t der relativen Größe des staatlichen Sektors zunimmt. Diese Auffassung hat offensichtlich völlig andere Konsequenzen für eine rationale Wirtschaftpolitik und institutionelle Ordnung. Es ist i n diesem Zusammenhang wichtig zu erkennen, daß w i r hier m i t ernsten Erkenntnisproblemen hinsichtlich einer Grundeigenschaft des sozialen Prozesses konfrontiert werden. Die kognitiven Aspekte dieser Probleme sollten trotz der i n der öffentlichen Diskussion häufig verwendeten ideologischen Verbrämung, Ausflüchte und halbtheologischen Rhetorik beachtet werden 2 0 . Die Anerkenntnis eines jenseits aller ideologischer Rhetorik existierenden kognitiven Kerns sollte zu weiterer Untersuchung und Forschung m i t Ziel einer Verdeutlichung der genauen Streitpunkte ermuntern, u m Beobachtungen für die diskriminierende Beurteilung besser nutzen zu können. Der bloße Hinweis auf das Auftreten ökonomischer Schwankungen schafft noch keine diskriminierende Evidenz. N u r nebenbei sei hier angemerkt, daß alle öko19 Martin Feldstein trug wahrscheinlich am effektivsten zu Klärung verschiedener im Text angesprochener Probleme bei. Seine jüngsten Veröffentlichungen über Sozialversicherung und Arbeitslosigkeit sind besonders instruktiv. 20 Die in Deutschland in den vergangenen Jahren zu beobachtende öffentliche Diskussion litt ziemlich darunter, daß eine ernsthafte kognitive Anstrengung leichtfertig als ideologische Rhetorik und Absicht abgetan wurde.

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nometrischen Modelle, wenn man sie systematisch unter diesem Blickwinkel prüft, die Instabilitätsthese nicht stützen. Sie beschreiben einen hochgradig stabilen und Schocks absorbierenden Prozeß 21 . Es läßt sich ebenso systematisch abschätzen, ob das beobachtete Verhalten und die beobachteten Entwicklungen besser über eine Hypothese „der Gemeinwohl-Orientierung" oder über eine Hypothese „unternehmerischer Orientierung" bestehender Bürokratien und gesetzgebender Körperschaften erklärt werden können 2 2 . Die Hypothese „der Gemeinwohl-Orientierung" läßt den staatlichen Sektor als grundsätzlich stabilisierend erscheinen, wohingegen aus der These von der „unternehmerischen Orientierung" folgt, daß der politische Prozeß dominant instabilisierend w i r k t . W i r d der private Sektor (sei es i m engen Sinn einiger Keynesianer 23 oder i m weiten Sinne der Verfechter einer natürlichen Beschäftigungsrate) als grundsätzlich sich selbst steuernd anerkannt, so richtet sich unsere Aufmerksamkeit auf die Erklärung von zu beobachtenden Schwankungen realer Variabler. Ein zentrales Problem, das sich i n vielen w i r t schaftspolitischen Diskussionen widerspiegelt, betrifft das systematische Auftreten eines vorherrschenden Impulsmusters. Nach einer These ist es eine historische Tatsache (und nicht ein Ausdruck ontologischer Realität), daß monetäre Impulse die zu beobachtenden Schwankungen realer Größen dominieren. Diese Impulshypothese widerspricht natürlich der strengen These rationaler Erwartungen und kann nur m i t der ersten und zweiten These über die Arbeitsmarktprozesse verknüpft werden. Die Lehrbuchversionen der keynesianischen Theorie legen das Schwergewicht ausdrücklich auf fiskalpolitische Maßnahmen. Danach hängt die Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung über einen kürzeren Zeitraum entscheidend von der Veränderung fiskalischer Größen ab. Eine Wicksellsche Tradition erkennt andererseits als treibende Kraft die autonomen Veränderungen unternehmerischer Erwartungen. Diese Tradition wurde gelegentlich als „Stimmungshypothese" ökonomischer Schwankungen bezeichnet. 21 Mehr Details in dieser Richtung enthält meine Besprechung der beiden Bände "Econometric Models of the Cyclical Behavior", herausgegeben von Bert Hickman , Columbia University Press, in: The Journal of Economic Literature, Vol. 111 (1973), S. 926 ff. 22 Elemente einer „Hypothese unternehmerischer Orientierung" des politischen Prozesses und der Bürokratie werden in meinem Kommentar zu Robert Gordons Aufsatz "The Demand for and the Supply of Inflation" genannt. Dieser Aufsatz wird unter der Schirmherrschaft des National Bureau of Economic Research in einem Konferenzband der Zeitschrift The Journal of Law and Economics veröffentlicht. Eine ausführlichere Darstellung dieser Hypothese enthält der Beitrag von William Meckling, den er für das Dritte Interlaken-Seminar über Ideologie und Analyse 1976 vorbereitet hatte. 23 Der oben angeführte Zusatz „im engeren Sinne" meint eine Gleichgewichtsanpassung realer Stromgrößen an den Kranz vorgegebener wirtschaftspolitischer Parameter.

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Die Hypothese eines „dominanten Impulsmusters" w i r d häufig in Frage gestellt. Die Alternative ist eine i m wesentlichen eklektische Betrachtung, die den Einfluß sich ändernder Impulskombinationen geltend macht. Es sei jedoch noch einmal darauf hingewiesen, daß die Ergebnisse ökonometrischer Modelle die eklektische Thesen kaum stützen. Darüber hinaus bleibt eine eklektische Hypothese i m wesentlichen inhaltsleer und bietet gewöhnlich keinen empirischen Gehalt. Dies muß jedoch nicht so sein. Ein modifizierter eklektischer Ansatz könnte verschiedene der alternativ aufgezeigten dominanten Impulskräfte sehr wohl systematisch kombinieren. Aus dieser Kombination könnte ein systematisches Muster entstehen, das verschiedene (möglicherweise) unabhängige Faktoren zusammenfaßt. E i n Beispiel i n dieser Richtung bietet die Kombination von Fiskal- und Geldpolitik, wie sie kürzlich von Brunner-Meitzer entwickelt wurde. Es sollte ebenfalls beachtet werden, daß Brunner-Meitzer i n neueren Arbeiten der Rolle finanzpolitischer Maßnahmen (oder Verhaltensweisen) ein wachsendes Gewicht eingeräumt haben. Der gesamte Bereich staatlichen Verhaltens, der die Vorhersehbarkeit sowie den Umfang und die Auslegung der „Spielregeln" systematisch aushöhlt, scheint i n Zukunft mehr Aufmerksamkeit zu erfordern. Diese Aufmerksamkeit sollte sich auch auf die systematische Verwässerung der Eigentumsrechte erstrecken, die sich i n allen westlichen Ländern aus dem politischen Prozeß ergibt. Diese Verwässerung mindert die Kapitalintensität einer Wirtschaft und erhöht den natürlichen Umfang der Arbeitslosigkeit. Beides reduziert seinerseits das natürliche Outputniveau. W i r brauchen kaum auf die Dritte Welt zu verweisen, u m diese Entwicklung zu exemplifizieren. E i n Thema, das Mayer i m Abschnitt über den Transmissionsmechanismus anspricht, w i r d richtigerweise als Teil des Impulsproblems untersucht. Er hebt richtig hervor, daß die relative Stabilität der Geldnachfrage ein Diskussionsgegenstand war. Die These einer hochgradig instabilen Geldnachfrage wurde insbesondere von einigen Gruppen innerhalb der Federal Reserve Bürokratie geteilt. Diese Doktrin ersetzte das ausgediente Free-Reserve-Konzept, das das Denken des Federal Reserve über viele Jahrzehnte bestimmt hatte. Die Möglichkeit einer instabilen Geldnachfrage wurde i n einer eingängigen Weise von James Tobin verallgemeinert. Er argumentiert, daß autonome Veränderungen von Angebot und Nachfrage i n weiten Bereichen finanzieller A k t i v a gleichfalls Impulse auslösen, die das Preisniveau und den Output beeinflussen. Diese Ansicht harmoniert natürlich mit der eklektischen These vom Wesen des Impulsproblems, die die Dominanz irgendeines speziellen Impulsmusters (über die Zeit) leugnet. Ein „Finanzmarkt-Eklektizismus" i n Zusammenhang m i t der traditionellen zinsorientierten Politik der Zentralbanken impliziert jedoch ein Verhaltensmuster, das i m W i -

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derspruch zur beobachteten Beziehung zwischen monetärer Akzeleration (Dezeleration) und nachfolgender Expansion (Verlangsamung) w i r t schaftlicher A k t i v i t ä t steht. Darüber hinaus stützten die bislang vorliegenden empirischen Arbeiten zur Geldnachfrage die Instabilitätsthese nicht. Es läßt sich vermuten, daß die geldpolitischen Instanzen i n diesem Punkt durch ihre übliche kurzsichtige Uberschätzung der Rolle zufälliger, über den kurzfristigen Horizont hinausreichender Ereignisse i n die Irre geführt wurden. Das Impuls- und Stabilitätsproblem schließt auch die „cost-push"-Kontroverse ein. Dieser Begriff w i r d i n der Literatur recht uneinheitlich benutzt und gelegentlich auf völlig unterschiedliche Interpretationen angewandt, die aus widerstreitenden Hypothesen stammen. Es ist daher notwendig, zwei verschiedene Ansichten zu klären, denen man i n der Literatur begegnet und die (bei gleichen Wertsystemen) zu völlig unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Schlußfolgerungen führen. Beide A n sichten erklären die Lohn-Preis-Bewegungen auf divergierende Weise. Die eine These geht dahin, daß sich Löhne und Preise i n Reaktion auf die Marktbedingungen entwickeln und systematisch durch sich ändernde Marktbedingungen modifiziert werden. Die andere These behauptet, daß sich Preise und Löhne (zumindest zum Teil) unabhängig von den M a r k t bedingungen verändern und die Wirksamkeit autonomer sozialer Kräfte widerspiegeln. Die erste i m wesentlichen preistheoretische Hypothese subsumiert Lohn-Preis-Bewegungen unter den Wirkungsablauf des Transmissionsmechanismus. Daraus ergibt sich eine Erklärung des „cost push", die m i t den grundlegenden preistheoretischen Vorstellungen i n Einklang steht. Dieser Begriff bezieht sich auf eine genau feststellbare Phase i m Anpassungsprozeß. Finanzielle Dezelerationen führen i m Rahmen eines überkommenen Inflationsprozesses gleichzeitig zu einem Anstieg des Preisniveaus und einem Rückgang des Outputs, d. h. einer Zunahme der Arbeitslosigkeit. Die A r t des durch Erwartungsanpassungen und durch Erfahrungen m i t früheren wirtschaftspolitischen Maßnahmen geprägten Transmissionsprozesses bestimmt zusammen mit der Stärke und Dauer der finanziellen Dezeleration die Länge und Intensität dieser zwischenzeitlichen Anpassungsphase. Der zweite Erklärungsansatz, der auf einem Ersatz der Preistheorie durch soziologische Uberlegungen beruht, reiht das zu beobachtende Verhalten von Löhnen und Preisen i n den Bereich der Impulskräfte ein. „Cost push" i n diesem Sinne bedeutet einen wichtigen Impuls, der durch institutionelle Gegebenheiten und soziologische Faktoren jenseits der i n der Preistheorie zusammengefaßten Reaktionsmuster erklärt werden soll. Die Unterscheidung i n eine preistheoretische und eine soziologische Deutung der Preis-Lohn-Bewegung erscheint analytisch sinnvoller als die herkömmliche Klassifikation i n „demand-pull"- und „cost-push"-

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Erklärungssätze. Insbesondere verhinderte die Mehrdeutigkeit des „costpush"-Begriffs die Entwicklung angemessener empirischer Testverfahren. Demgegenüber regt die preistheoretisch formulierte Alternative zu analytischen Formulierungen an, die hinsichtlich des Grundproblems zu diskriminierenden Testverfahren führen. Bemerkenswerterweise übersehen viele Ökonomen gelegentlich dieses Problem und die Existenz ernstlich widerstreitender (d. h. logisch unvereinbarer) Hypothesen zu diesem Gegenstand. So schreibt beispielsweise Robert Gordon, daß „Monetaristen dazu neigten, jede Behauptung, daß die Inflation von nichtökonomischen Faktoren verursacht werde, . . . als einen Widerspruch zum monetaristischen Ansatz anzusehen . . ." 2 4 . Es erscheint notwendig zu betonen, daß die „institutionelle" oder „soziologische" Deutung der beobachteten Preis-Lohn-Bewegungen, die eine ausdrückliche Verwerfung des preistheoretischen Musters (d. h. die Behauptung einer NichtReaktion auf sich ändernde Marktbedingungen) impliziert, kein monetaristisches Hirngespinst ist. Der Ansatz w i r d tatsächlich vertreten und bei vielen Gelegenheiten vorgetragen. Die „New York Times" hat dieser Auffassung i n Leitartikeln, die i m wesentlichen von Galbraithschem Geist erfüllt waren, ihre Weihe erteilt. Das „Science Magazine" fügte 1975 einen Leitartikel hinzu, der diese Position sehr explizit vertrat. W i r können vernachlässigen, daß dieser „soziologische Erklärungsansatz", der das wiedergibt, was man i n t u i t i v für das Offensichtliche hält (wie die ptolemäische Ansicht über das Verhältnis von Erde und Sonne), die Vorstellungen der Intelligenzia beherrscht. Wichtiger für unseren Zweck sind die professionellen Ökonomen, die diesen Ansatz vertreten. Abba Lerner behauptete, ein gesamtwirtschaftlicher Nachfrageausfall, der m i t steigenden Preisen einhergeht, offenbare die Existenz von besonderen, unabhängig von den Marktbedingungen wirkenden Kräften. Sir John Hicks mahnt uns, daß die englischen „Schwierigkeiten nicht monetärer Natur sind und daher auch nicht mit monetären M i t t e l n behoben werden können." Geldpolitik als notwendige wie hinreichende Bedingung für eine Inflation w i r d somit abgelehnt. Und Roy Harrod behauptet, daß „die Ursachen für die Lohn-Preis-Explosion soziologischer A r t sind." E i n ins einzelne gehender Uberblick über den „soziologischen Erklärungsansatz" w i r d bei anderer Gelegenheit vorgelegt, um zu demonstrieren, daß er trotz der gegenteiligen Versicherung, „niemand meine, was tatsächlich gesagt w i r d " , häufig zu finden ist. Es ist i n diesem Zusammenhang erwähnenswert, daß Robert Gor don einen nützlichen Beitrag zur beispielhaften Verdeutlichung unserer Argumentation liefert. Er formuliert i n dem oben genannten Beitrag eine cost push-Theorie der Inflation und Arbeitslosigkeit. Der für unseren Zweck bedeutsame Aspekt liegt darin, daß der i n seiner Analyse eingeführte cost-push-Fak24

Siehe den Aufsatz unter Fußnote 15.

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tor völlig unabhängig von den sich verändernden Marktbedingungen w i r k t und weder auf die erwarteten wirtschaftspolitischen Verhaltensmuster noch auf die Marktbedingungen reagiert. Er w i r k t als völlig autonome Größe (verglichen m i t preistheoretischen Prozeßabläufen), die Löhne, Arbeitslosigkeit und Preise steuert 25 . Die oben skizzierten alternativen Erklärungsansätze sind Ausdruck vorhandener und echter Unterschiede i n der Sichtweise des Wirtschaftsprozesses. Sie haben erheblichen Einfluß darauf, welche wirtschaftspolitischen Maßnahmen als zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Inflation geeignet erscheinen. Die Existenz ausgeprägter Unterschiede zwischen den i n öffentlicher Diskussion vorgelegten Programmen und Vorschlägen sollte auch für einen notorischen „Konsensus-Sucher" offensichtlich sein. Zudem können diese Unterschiede nicht nach der üblichen Methode der Massenmedien auf „ideologische Positionen" oder „Unterschiede i m Wertsystem" reduziert werden. Die Differenz i n den Vorschlägen und Programmen spiegeln einen fundamentalen Dissenz i n der Weltanschauung wider. Es erscheint sinnvoller, sich diesen K o n f l i k t bewußt zu machen, und unsere Aufmerksamkeit auf dieses Problem zu lenken, damit man i n zukünftigen Bemühungen weitere Erkenntnisse gewinnt. V. Die Beziehung zwischen allokativer Detaildarstellung und aggregativen Prozessen Mayers Ausführungen enthalten einige nützliche Merkmale der i n diesen Themenbereich fallenden Probleme. Diese Aspekte wurden auch auf der B r o w n University-Tagung über den Monetarismus i m wesentlichen vernachlässigt. Eine solche Mißachtung wäre durchaus zulässig, wenn es sich um ein i n der Hauptsache esoterisches Problem von kosmetischer Bedeutung handeln würde. Darum geht es hier aber nicht. A l t e r native Vorstellungen über die Beziehungen zwischen allokativer Detaildarstellung (im Querschnitt und über die Zeit) und aggregativen Prozessen spiegeln fundamental unterschiedliche Auffassungen über den Erkenntnisprozeß als solchen wider. Sie sind außerdem für wesentliche Unterschiede bei der Empfehlung und der Bewertung wirtschaftspolitischer Maßnahmen maßgebend. 25 Dieser Punkt wird in meinem Kommentar zu Gordons Aufsatz entwickelt, der ebenfalls im "Journal of Law and Economics" veröffentlicht wird (vgl. Fußnote 22). Gor don erkennt richtig die Unangemessenheit der herkömmlichen Klassifizierung der Inflationstheorien. Er übersieht aber, daß sich die Hypothesen, die eine durchgängige und systematische Reaktion von Preisen und Löhnen (inklusive administrierter Preise) behaupten, und die „soziologischen" Hypothesen, die eine derartige Reaktion verneinen, wirklich widerstreiten.

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A u f der einen Seite finden w i r (besonders unter ökonometrisch arbeitenden Wissenschaftlern, die m i t der Konstruktion von Großmodellen befaßt sind) die explizite Auffassung, daß aggregatives Verhalten m i t detaillierten Allokationsprozessen verbunden ist. Es zeigt sich hier eine weitere Wechselbeziehung zu Aspekten anderer Problembereiche. Häufig w i r d eine eklektische Position bezüglich des Impulsproblems eingenommen, um die Abhängigkeit gesamtwirtschaftlichen Verhaltens von weitreichenden Allokationsprozessen zu begründen. Gesamtwirtschaftliche Schwankungen werden auf den kumulierten Effekt von Veränderungen und Störungen zurückgeführt, die überall an allen Ecken und Enden der Wirtschaft auftreten. Daher kann man auf allokative Details nicht verzichten, wenn man den Verlauf gesamtwirtschaftlicher Schwankungen modellmäßig richtig erfassen w i l l . Diese These impliziert außerdem, daß Großmodelle das gesamtwirtschaftliche Verhalten besser erklären als kleinere Modelle. Insbesondere w i r d angenommen, daß sich die Sequenz expandierender Modelle dem „wahren Modell" (stochastisch ?) annähert. Der alternative Ansatz lehnt diese implizit deskriptivistische Wissenschaftskonzeption ab. Er wendet sich gleichfalls gegen eine von Grund auf instrumentalistische Forschungsstrategie, wie sie von zahlreichen Ökonometrikern gepflegt wird. Dieser instrumentalistische Ansatz zeigt sich deutlich i m großen Gewicht, das auf Vorhersagen (ohne Beziehung zu Testaussagen) und „sophistische Manipulationen" gelegt wird, ohne daß der Formulierung testbarer kognitiver Aussagen bzw. Behauptungen über die Umwelt größere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Diese instrumentalistische Konzeption hat deutlich die Umformulierungen bestimmt, die i m Laufe der Jahre an der Gruppe der Brookings-Modelle vorgenommen wurden. Die Konzentration auf kognitive Kriterien enth ü l l t darüber hinaus die Gefahren eines gehegten Prinzips, nämlich „daß alles von allem abhängt". Die Geschichte unseres über Tausende von Jahren gehenden Erkenntnisprozesses zeigt, daß unser Kenntnisstand deshalb zunahm, w e i l dieses inhaltsleere Prinzip bewußt mißachtet wurde. Brauchbare und gut gewählte Formulierungen von Hypothesen implizieren, daß man zwischen relevanten Größenordnungen unterscheidet und solche Unterschiede systematisch ausnutzt. Diese alternative Betrachtung lehnt damit entschieden die Vorstellung ab, daß i m Prinzip „alle allokativen Details" i n die Analyse eingehen sollten. Sie weist insbesondere die Ansicht zurück, daß die Berücksichtigung von mehr Details die sich ergebende Erklärung gesamtwirtschaftlicher Schwankungen verbessert. Damit w i r d nicht behauptet, daß alle Allokationsmuster von relativ untergeordneter Bedeutung sind sowie (beinahe) ausgeklammert und zu Restgrößen abgestempelt werden können. Es w i r d i m wesentlichen nur eine These analytischer Selbstbeschrän-

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kung aufgestellt. Man bestimmt eine kleine Gruppe von Allokationsmustern, die man als besonders relevant ansieht, und vernachlässigt die übrigen. Sie werden nicht ausgeklammert, w e i l ein von einem Hegelsehen „Geist" oder einer „Idee" verkündetes ontologisches Gesetz die Irrelevanz des ausgeklammerten Details bestimmt. Man kann sich durchaus i m klaren sein, daß das weggelassene Detail einigen Einfluß ausübt. Sein Nichtberücksichtigen ist lediglich Ausdruck einer überprüfbaren empirischen Hypothese, daß dieser Einfluß meist von untergeordneter Bedeutung ist und die Güte der Erklärung nur marginal verbessert. Diese Annahme kann natürlich immer wieder neu i n Frage gestellt und überprüft werden. Solche Neubewertungen können gelegentlich durchaus die Gruppe der als relevant oder irrelevant eingestuften Details entsprechend der Neuformulierung der aggregativen Hypothese abändern. Aber es gibt bisher kaum Evidenz, die die deskriptivistisch-instrumentalistische Forderung nach Berücksichtigung „aller Details" stützt. Die Ergebnisse der immer größer werdenden Modelle vermögen diese Grundforderung nicht zu rechtfertigen 26 . Die verfehlte deskriptivistisch-instrumentalistische Wissenschaftskonzeption, die immer größere Modelle hervorbringt, führt außerdem zu Immunisierungsmustern, die die herausgearbeiteten Konstruktionen vor der kritischen Konfrontation m i t relevanten Beobachtungen abschirmt. Solche Immunisierungen haben natürlich eine versteckte A b lehnung von Erkenntnisstandards zur Folge. Der ganze Eifer läuft unter diesen Umständen w i r k l i c h auf die Aufgabe jeglichen Erkenntnisziels hinaus. Die Konzentration auf Prognosen hat die Aufmerksamkeit der Praktiker von der Suche nach geeigneten Testverfahren abgelenkt. Darüber hinaus sind die Prognoseverfahren mit ihrer „sophistischen Manipulation" von Konstanten, erwarteten exogenen Variablen und erwarteten Zufallsgrößen einfach unvereinbar m i t den Anforderungen, die an eine überprüfbare empirische Hypothese zu stellen sind. Das Ganze w i r d — wie ich an anderer Stelle ausgeführt habe — zu einer Übung i n Zahlenkunde 2 7 . Noch ein weiterer Aspekt verdient i n diesem Zusammenhang A u f merksamkeit. Die Größe der Modelle führt häufig dann zu Schwierigkeiten m i t dem Problem der „Freiheitsgrade", wenn die Zahl der prädeterminierten Variablen über die Zahl der Beobachtungspunkte hinausgeht. U m Schätzungen durchführen zu können und auch um die an28 Der Leser sei auf meine Besprechung der beiden Hickman- Bände (Fußnote 21) verwiesen. Er sollte insbesondere beachten, daß die von Laurence Klein vorgenommene Neuformulierung des Brookings Modells in die entgegengesetzte Richtung geht. Es ergab sich eine kleinere Struktur mit mehr 0,1-Variablen. 27 Dieser Punkt wurde in meiner Besprechung (Fußnote 21) ausgeführt.

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fänglichen Leerformeln m i t einigem Inhalt zu füllen, wurden dann verschiedene Hilfsverfahren angewendet. Diese sind aber alle implizit m i t zusätzlichen, durch die Rechenmethode bestimmten Hypothesen behaftet, deren Gehalt, Struktur und Bedeutung jedoch ziemlich unklar bleiben 2 8 . Der Erkenntnisgehalt der Endkonstruktion bleibt somit i m wesentlichen unklar, die Immunisierung ist unter diesen Umständen vollkommen. Es ist logisch unmöglich irgendwelche relevanten Testsätze zu bestimmen; die Rechenkunst hat die Wissenschaft besiegt. Neuere analytische Entwicklungen stellen die Relevanz dieser anspruchsvollen ökonometrischen Versuche ebenfalls i n Frage. So zwang uns die Diskussion um die Rolle der Erwartungen zur Einsicht, daß die Handlungen der Wirtschaftssubjekte durch einen umfassenden und kontinuierlichen Lernprozeß mitbestimmt werden. Daraus folgt, daß Variationen i n den wirtschaftspolitischen Mustern und neue Erfahrungshorizonte die Reaktionsweisen verändern, die durch die Strukturmerkmale eines ökonometrischen Modells wiedergegeben werden. Die Information über die Entwicklung der Zinssätze i n den letzten zehn Jahren ist i n das Bewußtsein eines wachsenden Teils der Öffentlichkeit gedrungen. W i r erwarten daher andere und i m Vergleich zu den frühen sechziger Jahren sensiblere Reaktionsmuster i n bezug auf Veränderungen des relativen Zinssatzes. I n ähnlicher Weise dürften zehn Jahre Inflation und wiederholte Fehlschläge der Wirtschaftspolitik die kurzfristigen Reaktionen von Preisniveau und Output auf nominelle Impulse verändert haben. A u f dieses Problem hat erstmals Robert Lucas m i t einer entsprechenden Analyse die Fachwelt aufmerksam gemacht 29 . Aus seiner Untersuchung folgt insbesondere, daß die Reaktionsstruktur einer Volkswirtschaft nicht unbeeinflußt bleibt, wenn sich die wirtschaftspolitischen Muster ändern. Es läßt sich vermuten, daß die Wirkung des Lernprozesses ökonometrische Großmodelle mit einer genauen strukturellen Detaillierung weitaus stärker beeinflußt als Modelle i n kleinerer und kompakterer Form. Zudem sind gedrängtere Formulierungen weniger für eine Immunisierung gegenüber kritischen Tests geeignet. Ferner kön28

Dieses Problem analysiert Robert Basman im einzelnen in einem wichtigen Kapitel, "The Brookings Quarterly Econometric Model: Science of Number Mysticism?", in: Problems and Issues in Current Econometric Practice, hrsg. von K a r l Brunner, Columbus, Ohio 1972. 29 Robert Lucas: "Some International Evidence on Output-Inflation Tradeoffs", in: American Economic Review, Vol. 63 (1973), S. 326 ff.; und "Econometric Policy Evaluation: A Critique", Carnegie-Rochester Conference Series, Vol. 1 (1976). Die Wirkungsweise des „Lucas-Effekts" hat Michael Hamburger insbesondere für den Trade-Off zwischen Inflation und Output in seinem Beitrag: "Inflation, Unemployment and Macroeconomic Policy in Open Economies: A n Empirical Analysis", Carnegie-Rochester Conference Series, Vol. 6 untersucht. Dieser Band erscheint in Kürze.

Probleme der post-keynesianischen Geldtheorie nen sie die Ergebnisse des Lernprozesses der Öffentlichkeit einfacher berücksichtigen. Die fundamentale Thematik, die w i r i n diesem Abschnitt behandeln, umfaßt viele wichtige Aspekte. Sie berührt i n diffiziler Weise die widerstreitenden Auffassungen hinsichtlich des relevanten Erklärungshorizontes. Die Betonung einer allokativen Detaildarstellung ist oft m i t Versuchen verbunden, i n einer Quer- und Längsschnittanalyse so viele Einzelheiten wie möglich zu erklären. Dies kommt i n dem Bemühen zum Ausdruck, sehr kurzfristige Bewegungen von Löhnen, Preisen und anderen Variablen systematisch zu erklären. Die alternative These geht davon aus, daß es sich bei diesen kurzfristigen Schwankungen zu einem großen Teil um schwer identifizierbare Störungen unterschiedlichsten Ursprungs handelt. Sie behauptet insbesondere, daß w i r m i t ausreichender Annäherung nur solche Bewegungen und Strukturen erklären können, die nicht kurzfristig sind. Dies scheint insbesondere für die Inflation zu gelten. Darüber hinaus macht die Hypothese geltend, daß die andauernden Versuche kurz- und sehr kurzfristiger Erklärungen nur zu einer Vermengung der unvermeidbaren nicht identifizierbaren Störungen m i t systematischen Effekten führen. Offensichtlich wächst die Bereitschaft, beobachtete Abweichungen von einer früher errechneten kurzfristigen Regression als Evidenz dafür zu interpretieren, daß „sich die Umwelt verändert h a t " 3 0 .

30 Viele spezielle Diskussionen sollten als Verdeutlichung dieses Grundproblems verstanden werden. Das gilt für die Frage, ob die Art und Weise, in der Geld und Kredit in das System eingeführt werden, im einzelnen wirklich von Bedeutung ist. Das gilt ebenso für die neueren Versuche, das Preisniveau zu erklären. Eine Erklärung geht davon aus, daß Lage und Form der Häufigkeitsverteilung von Preisänderungen ungeachtet wirtschaftspolitischer Handlungsmuster entscheidend von ausgewählten Teilbereichen von Preisänderungen innerhalb der Verteilung abhängig ist. Eine andere Erklärung verneint dies und behauptet, daß die Lage der Verteilung vor allem von nominellen und weitreichenden realen Schocks beeinflußt wird. Der Unterschied zwischen den beiden Erklärungsansätzen beruht wahrscheinlich in gewissem Umfang auf dem unterschiedlichen Zeithorizont, der angesprochen wird. Die zweite Erklärung erkennt eine Rückkoppelung von wirtschaftspolitisch sensitiven Segmenten der Preisänderungen auf die Lage der Verteilung an, vorausgesetzt die Zentralbank betreibt eine akkomodierende Politik. Schließlich bleibt noch der Methoden-Streit über „Ein-Gleichungs-versus Strukturmodelle" und über die „black boxes". Zwei Aspekte sollten hier angesprochen werden. Der Vorwurf der einen Seite, mit „black boxes" zu operieren, entspricht dem Vorwurf der anderen Seite, es würden irrelevante Details angeführt. Die Fähigkeit, mehr Gleichungen zu formulieren, sichert noch keine bedeutsame Information, noch ist das Weglassen von Details eine Erfolgsgarantie. Das Problem ist oben ausgeführt worden. Zum Streit „Ein-Gleichungs-versus Strukturmodelle" läßt sich teilweise dasselbe sagen. Es sei angemerkt, daß „Ein-Gleichungsmodelle" oft nützliche Testaussagen für eine „Struktur" oder genauer für eine „Klasse von Strukturen" liefern. Unter diesen Umständen wird die Kontroverse bedeutungslos.

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Karl Brunner VI. Schlußbetrachtung

Meine Ausführungen vernachlässigen einige Probleme, die Mayers ausführlicher Uberblick ansprach. Die politische Analyse sowie die Analyse politisch-institutioneller Prozesse, die Mayer i n seinem letzten Punkt anspricht, sollen für eine andere Gelegenheit aufgespart werden. Die wirtschaftspolitische Untersuchung konzentriert sich bei Mayer korrekterweise auf das Indikator- und Zwischenzielproblem. Das Indikatorproblem bezieht sich auf die richtige Interpretation der Geldpolitik und der monetären Trends; das Zwischenzielproblem beschreibt die Wahl der optimalen wirtschaftspolitischen Strategie geldpolitischer Instanzen. Die Analyse sowohl des Interpretations- wie auch des Strategieproblems w i r d i m wesentlichen bestimmt durch die grundlegenden Spezifikationen i n bezug auf den Transmissionsmechanismus, das Impulsmuster, die i n terne Stabilität und die Relevanz allokativer Details. Dieselbe Gruppe von Grundmerkmalen determiniert auch weiterreichende Unterschiede der wirtschaftspolitischen Konzeption. Eine aktivistische Ausprägung von „feinsteuernden" finanzwirtschaftlichen Maßnahmen basiert gewöhnlich auf einer Kombination von Spezifikationen, die die interne Instabilität betonen, und einer (im Hinblick auf das aggregative Verhalten) für wichtig gehaltenen weitreichenden allokativen Detaillierung. Das gilt für die meisten Programme einer extensiven Kreditsteuerung oder für Vorschläge zur Kreditselektion. Interpretations- wie Strategieprobleme werden gegenwärtig noch immer heftig diskutiert. Sie hatten auch auf die Bewertung und den vorgeschlagenen Kurs der Geldpolitik i m Sommer 1975 bzw. i m Winter 1975/76 Einfluß. Diese Situation und die weitgefächerten wirtschaftspolitischen Implikationen der Grundprobleme lenken unsere Aufmerksamkeit auf die analytische und empirische Arbeit, die bei wichtigen Fragen und sich widersprechenden Hypothesen noch zu t u n bleibt. Solche kognitiven Anstrengungen werden i n Zukunft über die traditionellen Grenzen wirtschaftspolitischer Analyse hinausgehen. Mayers letzter Punkt reißt diesen Problemkreis an. Die Bewertung des „Staates" schließt mehr als persönliche Präferenzen und Werte ein. Sie erfordert eine Analyse, insbesondere empirische Hypothesen über das Verhalten von Bürokratien, Gesetzgebungskörperschaften und die Folgen verschiedener institutioneller Regelungen. Der offensichtlich hartnäckige Disput zwischen den Befürwortern eines größeren und den Vertretern eines sehr begrenzten staatlichen Sektors läßt sich letztlich (jenseits einfacher ideologischer Empfindungen) auf verschiedene A n nahmen über den Menschen und sein Verhalten unter unterschiedlichen institutionellen Strukturen zurückführen 31 . Es ist erwähnenswert, daß die von den Verfechtern eines begrenzten staatlichen Sektors ver-

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tretene Auffassung als eine natürliche Verallgemeinerung der preistheoretischen Grundlage des Transmissionsprozesses erscheint. Jenseits aller dieser „esoterischen" Betrachtungen werden noch nicht durchdachte Probleme und Fragen des Wirtschaftsablaufs und der zukünftigen gesellschaftlichen Entwicklung sichtbar. U m dieser Herausforderung zu begegnen, benötigen w i r die entschlossene Arbeit vieler kompetenter Forscher.

31 Dieser Problemkreis wird in einem Beitrag William Mecklings für das Dritte Interlakener Seminar über Ideologie und Analyse, der in der „Schweizerischen Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik" (1976) erscheint, zur Diskussion gestellt. Zwei andere Beiträge, die Gerard Gäfgen/ Hans Georg Monissen und Willi Meyer für das Dritte Interlakener Seminar vorbereitet hatten, untersuchen weitere Einzelheiten dieses Problemkreises.

7 Beihefte zu Kredit und Kapital 4

Mayer über Monetarismus Anmerkungen aus britischer Sicht* Von David Laidler, London/Ont. (Can.) Die Grenzen zwischen Monetarismus und anderen wissenschaftlichen Schulen sind i n der Tat verschwommen, wie Mayers Aufsatz sehr klar gezeigt hat. Monetaristische Vorstellungen sind nicht immer logisch voneinander abhängig, obwohl miteinander i n Beziehung stehend. Darin kommt sicher zum Ausdruck, daß der Monetarismus keine starre orthodoxe Lehre, sondern eine sich weiter entwickelnde, sich verbreitende und vor allem eine pragmatische Doktrin ist. Deshalb muß das, was „Monetarismus" genannt w i r d und seine Charakteristika zu sein scheinen, auch von Fall zu Fall differieren. Mayers Aufsatz hat sich — das ist keine K r i t i k — m i t dem Monetarismus beschäftigt, wie er i n den Vereinigten Staaten verstanden wird. L Zwei Aspekte des Monetarismus sind i n den Auseinandersetzungen über makroökonomische Politik i n Großbritannien von größerer Bedeutung gewesen als sie es i n denVereinigten Staaten waren. I m Mittelpunkt der Debatten standen einmal die Frage, inwieweit Unterbeschäftigung und Inflation konkurrierende wirtschaftspolitische Zielsetzungen sind, und andererseits Probleme der Wirtschaftspolitik i n einer offenen Volkswirtschaft. Dieses unterschiedliche Interesse resultiert aus zwei Quellen. Erstens ist es eine Tatsache des politischen Lebens i n Großbritannien, daß der dauernden Aufrechterhaltung eines hohen Beschäftigungsstandes als einem Ziel der Wirtschaftspolitik wesentlich mehr Bedeutung beigemessen w i r d als i n den Vereinigten Staaten. Zweitens ist Großbritannien eine kleine, bestenfalls mittelgroße Volkswirtschaft, die i n hohem Maße außenhandelsabhängig ist. Jede ökonomische Doktrin muß diese Tatbestände berücksichtigen, wenn sie erfolgreich auf die britische W i r t schaft angewendet werden soll. Mayer diskutiert den ersten dieser beiden Problemkreise nur kurz und den zweiten überhaupt nicht. Ich habe an Mayers Aufsatz substantiell wenig zu bemängeln und glaube daher, * Übersetzung: Hans Hermann Franche, Freiburg i. B. Englische Fassung: Kredit und Kapital, 9. Jg. (1976), S. 56 ff.

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daß ich am sinnvollsten zu der Diskussion und der anregenden Auseinandersetzung beitragen kann, wenn ich Mayers Kommentar zum Monetarismus ergänze, indem ich diese beiden Fragen i n einiger Ausführlichkeit darstelle. Ich werde diese beiden Problemkreise nacheinander behandeln, und zwar zunächst die Wahl zwischen Inflation und Unterbeschäftigung als politische Zielsetzung. II. Mayer argumentiert, daß Monetaristen verglichen m i t anderen Ökonomen der Inflation relativ größere Beachtung schenken als der Unterbeschäftigung, daß aber die Unterschiede hier mehr von moralischen Urteilen abhängen und für den Kern der Monetarismus-KeynesianismusDebatte eigentlich periphär sind. Damit mag er für die Auseinandersetzungen i n Amerika Recht haben. Britische Monetaristen haben aber immer ebensoviel Aufmerksamkeit für die Aufrechterhaltung der Vollbeschäftigung gezeigt wie ihre keynesianischen Opponenten. Gleichzeitig sind britische Keynesianer insgesamt Verfechter der Aufrechterhaltung fester Wechselkurse gewesen und damit zumindest aus diesem Grunde (wenn keinem anderen) gegenüber dem V o r w u r f gefeit gewesen, den Ernst der Inflation als ökonomisches und soziales Problem zu unterschätzen1. Trotzdem sind die Unterschiede der Auffassungen über die geeignete Politik gegenüber Inflation und Unterbeschäftigung i n Großbritannien extrem scharf. Sie reflektieren zwar grundsätzliche Differenzen bei der Beurteilung ökonomischer Theorien und Tatbestände, aber nicht i n der Einschätzung sozialer Wertbegriffe. Britische Monetaristen betrachten die Inflation als ein makroökonomisches Problem, dem m i t makroökonomischen Maßnahmen zu begegnen ist. Sie vertreten die Auffassung, daß, wenn eine geeignete makroökonomische Politik betrieben wird, die Unterbeschäftigung zu einem Problem der mikroökonomischen Analyse und Politik wird. Britische Keynesianer vertreten eine diametral andere Ansicht. Der monetaristische Argumentationszusammenhang ist sehr einfach. Er ergibt sich vor allem aus dem monetaristischen Glauben an die Quantitätstheorie des Geldes und an eine reale Phillipskurve aber auch an die inhärente Stabilität des privaten Sektors, sofern eine entsprechende Geldpolitik betrieben w i r d 2 . Die D o k t r i n einer realen Phillipskurve ist 1

Vgl. ζ. B. den Radcliffe-Report, in dem das Schwergewicht der Diskussion davon ausgeht, daß die Aufrechterhaltung fester Wechselkurse erwünscht ist. 2 Die Qualifizierung ist bedeutsam: Man kann glauben, daß der private Sektor stabil ist, sofern das Geldangebot einer Regelbindung unterworfen ist, daß er jedoch in hohem Maß unstabil ist, wenn Geldpolitik betrieben wird, die das Niveau der nominalen Zinssätze festlegt. Da in England das Niveau der nominalen Zinssätze i m Mittelpunkt der Geldpolitik steht, ist in der

Mayer über Monetarismus : Anmerkungen aus britischer Sicht

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gleichbedeutend mit der Auffassung, daß i n einer Volkswirtschaft jederzeit eine „natürliche Arbeitslosenrate" existiert. Umgekehrt impliziert diese Ansicht, daß jeder Versuch, die tatsächliche Arbeitslosenrate unter das natürliche Niveau zu senken, eine laufende Beschleunigung der I n flation zur Folge hat. Gleichzeitig impliziert die Existenz einer stabilen gesamtwirtschaftlichen Geldnachfragefunktion, daß eine laufend steigende Inflationsrate ohne eine laufend steigende Geldmengenexpansion nicht möglich ist. So werden Monetaristen durch diese beiden Hypothesen unmittelbar zu dem Schluß gezwungen, daß die Aufrechterhaltung einer konstanten Inflationsrate voraussetzt, jeden Versuch zu unterlassen, die gleichgewichtige Arbeitslosenrate der Volkswirtschaft durch makroökonomische politische Maßnahmen zu beeinflussen. Außerdem führt die Annahme der Stabilität des privaten Sektors zu dem Schluß, daß sich, sofern eine stabile Inflationsrate aufrechterhalten w i r d (was ein konstant wachsendes Geldangebot impliziert), die Volkswirtschaft tatsächlich ihrer natürlichen Arbeitslosenrate nähern wird. Die Auffassung, daß der private Sektor stabil sei, ist durchaus m i t der keynesianischen Hypothese kompatibel, daß die Grenzleistungsfähigkeit der Investitionen relativ instabil sei. Hier stimme ich möglicherweise m i t Mayer nicht überein 3 ; denn wenn der private Sektor stabil sein soll, solange das Geldangebot einem stabilen Wachstumspfad folgt, ist es erforderlich, daß die Geldnachfragefunktion hinreichend stabil und zinsunelastisch ist, damit Veränderungen i n der Grenzleistungsfähigkeit der Investitionen i n stärkerem Maße zu Zinsniveauveränderungen führen als zu Variationen des Produktions- und Beschäftigungsniveaus. Es ist nicht erforderlich, daß die Grenzleistungsfähigkeit der möglichen Investitionen stabil bleibt 4 . Natürlich w i r d damit nicht impliziert, daß die natürliche Arbeitslosenrate immer konstant sein wird. Das vorangehende Argument ist nicht hinreichend dafür, daß die Arbeitlosenrate etwa sich selbst überlassen bleiben soll, wenn makroökonomische Politik betrieben wird. Für die Herstellung eines kompletten Argumentationszusammenhanges ist eines derjenigen Charakteristika des Monetarismus heranzuziehen, die i h n zwar durchziehen und dennoch nicht logisch m i t anderen verknüpft sind: nämlich Skepsis gegenüber dem Wissen über das tatsächliche Wirtschaf tsgeschehen i n quantitativen Größen. Monetaristen können die logische monetaristischen Debatte in diesem Land sehr viel aneinander vorbeigeredet worden. Wenn Monetaristen von einer „gegebenen Geldpolitik" sprachen, meinten sie, daß das Geldangebot auf einem vorgegebenen Zeitpfad gehalten wurde, während Keynesianer die Aufrechterhaltung eines gegebenen Niveaus der nominalen Zinssätze meinten. Zu diesen Fragen vgl. Laidler (1973). 3 Vgl. Thomas Mayer, Die Struktur des Monetarismus, Kredit und Kapital, 8. Jg. (1975), S. 191 ff. und S. 293 ff.; hier: S. 204 ff. 4 Vgl. Fußnote 2 oben.

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Kohärenz eines Politikkonzepts nicht i n Frage stellen, das die natürliche Arbeitslosenrate i n der Weise aktiv als Zielgröße anstrebt, daß diskretionäre Geld- und Finanzpolitik betrieben wird. N u r solange für eine solche Wirtschaftspolitik jede verläßliche empirische Information fehlt, sind sie i n bezug auf die Praktikabilität einer solchen Politik pessimistisch 5 . Wegen ihrer Beurteilung der Kosten, die i n Form zunehmender Inflation bestehen würden, wenn etwa eine zu niedrig angesetzte A r beitslosenrate als Zielgröße gewählt würde, ziehen sie makroökonomische, insbesondere geldpolitische Eingriffe vor, u m die konstante Inflationsrate nicht i n Frage zu stellen 6 . Das bedeutet nicht, daß Monetaristen sich damit abfinden müssen, daß die Arbeitslosenrate sich selbst überlassen bleibt. Denn auch wenn sie glauben, daß die Volkswirtschaft bei gleichbleibender monetärer Expansion sich ihrer natürlichen Arbeitslosenrate nähern oder u m sie pendeln wird, ist dies noch kein Anlaß, eine solche „natürliche" Rate etwa für sozial wünschenswert zu halten. I n Großbritannien ist Monetarismus stark m i t dem Bemühen verbunden, politische Konzepte zu entwickeln, die die natürliche Arbeitslosenrate zu senken vermögen, die also die Phillipskurve nach links verschieben 7 . Solche politischen Konzepte zielen natürlich dahin, die Struktur der Arbeitsmärkte zu beeinflussen. Sie schließen gleichzeitig Maßnahmen ein, die sowohl die berufliche als auch die geographische Mobilität der Arbeit erhöhen sollen. Aus britischer Sicht könnte eine solche Politik durchaus die Zurückdrängung bestimmter staatlicher Interventionen einschließen, von denen angenommen wird, daß sie die Arbeitsmobilität verringern (ζ. B. die Abschaffung von Mietpreiskontrollen und öffentlichen Wohnungsbausubventionen). Aber sie könnte auch die Ausweitung von staatlich initiierten Umschulungsprogrammen oder sogar Subventionen für die Beschäftigung i n unterentwickelten Regionen des Landes 5 Darüber hinaus gibt es keinen Grund, daß die natürliche Arbeitslosenrate im Zeitablauf konstant bleibt. Sie kann von demographischen und institutionellen Veränderungen in einer Weise beeinflußt werden, die beim gegenwärtigen Wissensstand kaum erklärbar ist. Sie kann daher wirklich unmöglich vorausgesagt werden. 6 Für die britischen Verhältnisse ist es wichtig, auf die wechselseitigen Beziehungen zwischen Geld- und Finanzpolitik zu achten, die durch die öffentliche Budgetrestriktion hervorgerufen werden. Die Notwendigkeit der Zentralregierung, sich zu verschulden, ist eine wichtige Quelle der monetären Expansion. Die relative Unabhängigkeit von Geld- und Fiskalpolitik, die so oft in amerikanischen Diskussionen über globale Nachfragesteuerung als gesichert unterstellt wird, ist für die britische Volkswirtschaft in wesentlich geringerem Maße kennzeichnend. 7 Daher gibt es nichts inhärent „Monetaristisches" an diesem Aspekt des britischen Monetarismus. Eine Übereinstimmung darin ist allen Lehren gemeinsam gewesen. Zur Diskussion des Arbeitslosenproblems von einem Autor, der üblicherweise für einen Monetaristen gehalten wird, vgl. Britain (1975).

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einschließen. So ist der britische Monetarismus weit davon entfernt, sich nicht m i t dem Problem der Arbeitslosigkeit zu befassen oder ideologisch einer extrem marktwirtschaftlichen Problemlösung anzuhängen. Vielmehr besteht das Merkmal, das i h n von der orthodoxen keynesianischen Lehre unterscheidet, darin, daß er die Beschäftigungspolitik grundsätzlich als mikroökonomische Angelegenheit betrachtet. Hauptaufgabe der orthodoxen keynesianischen Lehre ist dagegen das Bestreben, die Arbeitslosenrate zur zentralen Zielgröße der globalen Nachfragepolitik zu machen 8 . Dabei w i r d nicht immer deutlich, ob Keynesianer den Veränderungen der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, die die Beschäftigung beeinflussen sollen, auch einen systematischen Einfluß auf die Inflation zuerkennen, oder ob sie der Auffassung sind, daß die Entwicklung der Löhne und Preise i m Zeitablauf von soziologischen Faktoren bestimmt wird, die von außen auf das ökonomische System einwirken 9 . Immerhin scheinen sie sich darin einig zu sein, daß wirksame Maßnahmen gegen die Inflation direkte Kontrollen der Löhne und Preise einschließen. — Kurz und gut, das von Mayer angeführte relativ größere Interesse der Keynesianer für die Entwicklung einzelner Preise führt sie dazu (insbesondere aus britischer Sicht), für einen essentiell mikroökonomischen Ansatz zur Kontrolle des Preisniveaus einzutreten. Daher bevorzugen britische Monetaristen die Inflationsrate als politische Zielgröße, wenn sie über makroökonomische Politik diskutieren, während der Keynesianer die Arbeitslosenrate wählt; und zwar nicht wegen differierender ethischer Werturteile, sondern aufgrund einer eindeutig wissenschaftlichen Meinungsverschiedenheit darüber, welche Variable am sinnvollsten von der makroökonomischen Politik gesteuert werden sollte. ΠΙ.

Ich habe schon erwähnt, daß Großbritannien eine relativ kleine offene Volkswirtschaft ist, und daß jede Analyse seiner wirtschaftspolitischen Probleme dies zur Kenntnis nehmen muß. Ich glaube, daß es möglich ist, zwischen dem zu unterscheiden, was w i r als die monetaristische Betrach8 Vgl. ζ. B. die empirischen Ergebnisse der Treasury Representatives, nachgedruckt vom House of Commons (1974); als früheres Beispiel vgl. den Radcliff e Report. 9 Harrod (1972) und Wiles (1973) sind zwei besonders extreme Beispiele für die Ansicht, daß die Ursachen der Inflation soziologischer Natur sind. Die Lektüre der von Lord Kahn und Mr. Posner dem Expenditure Commitee des House of Commons vorgelegten empirischen Ergebnisse oder vor allem derjenigen der Treasury Representatives mag vermuten lassen, daß hinsichtlich eines gewissen, wenn auch marginalen, Einflusses der gesamtwirtschaftlichen Nachfrageveränderungen auf die Inflationsrate Übereinstimmung besteht. Vgl. House of Commons (1974).

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tung der Inflation als internationales Phänomen, die monetaristische Sicht der zwischenstaatlichen Inflationsübertragung und den monetaristischen Aspekt der zentralen Probleme der Reform des internationalen Währungssystems bezeichnen könnten. Keine dieser Ansichten hat ihren Ursprung i n Großbritannien, noch ist ihre jüngste Entwicklung ausschließlich auf die Arbeit britischer Ökonomen zurückzuführen. Sie sind vielmehr für jede offene Volkswirtschaft von besonderer Bedeutung und daher auch für Großbritannien wichtig. Da Mayer über den Fall der relativ geschlossenen Volkswirtschaft der Vereinigten Staaten schreibt, beschäftigt er sich nicht m i t diesen Fragestellungen, so daß es sinnvoll erscheint, einige Seiten dieses Aufsatzes ihrer Diskussion zu widmen. Wie Mayer richtig bemerkt, konzentriert sich der Monetarismus darauf, die Entwicklung des allgemeinen Preisniveaus (das schließlich nichts anderes als der reziproke Wert des Preises für Geld ist) zu erklären. Der Monetarismus tendiert dazu, die Bedeutung der Entwicklung einzelner Preise herunterzuspielen. Dies ist ein Teil der Auffassung, daß allokative Details bestenfalls von zweitrangiger Bedeutung sind, wenn man die Volkswirtschaft insgesamt untersucht. Aber wenn man aggregierte Phänomene untersucht, muß man sich auch eine Meinung darüber bilden, welches Aggregat für die Untersuchung relevant sein soll. Daß Inflation und Arbeitslosigkeit nationale politische Probleme sind, bedeutet sicher, daß Daten verstanden und erklärt werden müssen, die bis zum Grad der nationalen Volkswirtschaft aggregiert sind. Aber daraus folgt nicht, daß die Grenzen des Nationalstaates gleichzeitig die Grenzen der „gesamten Volkswirtschaft" bestimmen, auf die die makroökonomische Theorie sinnvollerweise angewendet werden sollte. Dieses methodische Problem existiert (oder sollte jedenfalls existieren) sowohl für Keynesianer als auch für Monetaristen. M i t der Betonung der Geldmenge als makroökonomische Schlüsselvariable ziehen die Monetaristen die Grenzen ihrer „Gesamtwirtschaft" u m ein Gebiet, i n dem eine bestimmte Währung allgemeines Zahlungsmittel ist. Für Anhänger der Quantitätstheorie des Geldes ist implicite notwendig, daß i n einer Welt, i n der feste Wechselkurse zwischen frei konvertierbaren Währungen gelten, ein für die gesamte Weltwirtschaft ermittelter Preisindex die relevante Variable i m Sinne der Quantitätstheorie ist. Obwohl das System von Bretton-Woods weder für völlig feste Wechselkurse noch für vollständig freie Konvertibilität sorgte, haben britische Monetaristen trotzdem die Auffassung vertreten, daß das bis Ende 1971 existierende internationale Währungssystem eine hinreichende Annäherung an den theoretischen Idealtyp darstellt, der es nahelegt, den Inflationsprozeß auf der Ebene der Weltwirtschaft zu analysieren. Sie haben daher Inflationsprobleme i n jeweils einzelnen Ländern

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so behandelt, als ob sie es bloß m i t Mechanismen zu tun hätten, die inflationäre Impulse i n einzelne „Regionen" der Weltwirtschaft übertragen und nicht als Probleme, die m i t Hilfe von Theorien über die Entstehung der Inflation zu behandeln wären 1 0 . Dieser Ansatz der Behandlung von Inflationsproblemen i m Rahmen der Weltwirtschaft unterscheidet sich wesentlich von dem der Keynesianer. Diese ignorieren die internationalen Aspekte der Inflation zwar nicht, aber sie scheinen das Konzept eines „Weltpreisniveaus" auch nicht für nützlich zu halten. Wenn sie die Inflation als weltweites Phänomen diskutieren, dann richten sie i h r Interesse statt dessen auf die Entwicklung der Preise für bestimmte einzelne Welthandelsgüter: ö l und andere Rohstoffe, landwirtschaftliche Erzeugnisse usw. Sie konzentrieren sich auf die einzelnen Märkte als Ursprünge von inflationären Impulsen, die alle offenen Volkswirtschaften betreffen 11 . Der Gegensatz zwischen dem monetaristischen und keynesianischen Erklärungsansatz der Inflation auf der Ebene der Weltwirtschaft reflektiert daher einen Unterschied, auf den oben schon hingewiesen wurde und der auch von Mayer erwähnt wurde. Die Monetaristen beschäftigen sich vor allem m i t der Entwicklung eines aggregierten Preisindex, und die Keynesianer richten ihre Aufmerksamkeit mehr darauf, die Entwicklung der Preise für einzelne Güter zu analysieren. Aber Monetaristen können ihre Analyse nicht auf die Ebene der Weltwirtschaft beschränken. Nationale Inflationsraten sind von außerordentlicher Bedeutung und sie müssen ihren Blick daher auch darauf richten, wie Preistendenzen i n der Weltwirtschaft auf die einzelnen Länder übergreifen. Einen Schlüssel liefert hier die Theorie der internationalen Verteilung des weltwirtschaftlichen Geldangebots 12 . Monetaristen wei10

Die grundlegende Arbeit über die monetäre Theorie der Zahlungsbilanz stammt natürlich von H. G. Johnson (1973) und (wesentlich früher geschrieben und weiterverbreitet) Mundell (1971). Die konzentrierteste Darstellung dieser Fragen, soweit sie die monetaristische Diskussion beeinflussen, wurde von Harry G. Johnson (1972) gegeben. Vgl. auch Laidler und Nobay (1975). Sehr viel empirische Arbeit zur Überprüfung der Stabilität einer „Welt"-Geldnachfragefunktion und der Stabilität der realen „Welt"-Phillipskurve ist von meinen früheren Kollegen in Manchester geleistet worden. Vgl. Gray u. a. (1975), Duck u. a. (1975). 11 Dies scheint sicher die Ansicht von Sir John Hicks zu sein. Beim Vergleich von Hicks (1974 und 1975) ist es in diesem Zusammenhang wert, darauf hinzuweisen, daß Hicks im letzteren Aufsatz damit übereinstimmt, daß der Kernpunkt der Differenzen zwischen Keynesianern und Monetaristen (implizit für britische Verhältnisse) in ihrer Betrachtung der Vorgänge auf dem Arbeitsmarkt und in besonderem der Phillipskurve liegt. Unglücklicherweise ordnet er dann den Monetaristen mehr den Glauben an die nominale als an die reale Phillipskurve zu, so daß seine dann folgende Kritik an seinen Opponenten vollständig vorbeigeht. 12 Eine Theorie der Entstehung des Welt-Geldangebots braucht hier nicht auch noch gebracht zu werden. Monetaristen haben tatsächlich nur allmählich

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sen nachdrücklich auf den Einfluß von Devisenzu- und -abflüssen für die Entwicklung des binnenwirtschaftlichen Geldangebots hin. Der Fähigkeit der einzelnen Zentralbank, derartige Einflüsse durch kompensierende Offenmarktoperationen usw. zu neutralisieren, messen sie weniger Bedeutung bei als Keynesianer es tun. Obwohl sie die logische Möglichkeit einer kurzfristig erfolgreichen Neutralisierung nicht verneinen, sind Monetaristen doch der Ansicht, daß die Wirkungen derartiger Operationen auf die internationalen Zinssätze ausreichen, u m Kapitalbewegungen zu induzieren, die das anfängliche Zahlungsbilanzungleichgewicht verstärken und schnell alle Kompensationsmaßnahmen unterminieren. Es wäre falsch, den Monetaristen die Ansicht zu unterschieben, daß inflationäre Impulse ausschließlich oder nur überwiegend durch Devisenzuflüsse i n einzelne Länder übertragen werden. Wenn es überhaupt einen Sinn hat, über das Weltpreisniveau zu sprechen, dann muß es auch sinnvoll sein, von einem Weltmarkt für Güter und Dienste (oder wenigstens von einem M a r k t für weltweit gehandelte Güter und Dienste) zu reden. Die binnenwirtschaftlichen Preise derartiger Welthandelsgüter müssen dann als weltmarktbestimmt angesehen werden. Veränderungen der Weltinflationsrate greifen auf diese Weise direkt auf die binnenwirtschaftliche Inflationsrate durch einen Mechanismus über, der „direkter internationaler Preiszusammenhang" genannt werden kann. Devisenbewegungen sorgen also dafür, daß sich das binnenwirtschaftliche Geldangebot an die geschilderten Veränderungen des Binnenpreisniveaus anpaßt, anstatt daß sie diese i n irgendeiner Weise verursachen 13 . Es gibt verschiedene Variationen des oben nur i n groben Zügen dargestellten Mechanismus. Einige Monetaristen vertreten die Ansicht, daß der internationale Preiszusammenhang lediglich die These bestätigt, daß sich das Gesetz des einheitlichen Preises auch über nationale Grenzen hinweg für jedes Gut durchsetzt, bei dem Arbitrage möglich ist. Andere halten den Weg für maßgeblich, auf dem veränderte Zukunftserwartungen i n die um Erwartungen ergänzte (oder reale) Phillipskurve Eingang finden. Sie argumentieren, daß der Zeitfaktor bei der Entwicklung der eine sorgfältig ausgearbeitete Analyse dieses Aspekts ihrer Position geliefert. Immerhin sind derartige Arbeiten jetzt erschienen, vgl. Swoboda (1975) und Parkin u. a. (1975). 18 Wenn diese Sicht der internationalen Transmission von Preisniveauveränderungen richtig ist, dann stellt auch die Möglichkeit einer Neutralisierung von Devisenströmen nicht die vollständige Kontrolle über das Preisniveau sicher, obwohl sie einem einzelnen Land die Herrschaft über sein Geldangebot geben könnte. Die Neutralisierung von Reservezuflüssen angesichts einer weltweiten Inflation kann den binnenwirtschaftlichen Einkommens- und Beschäftigungsgrad sowie das Binnenpreisniveau von nicht international gehandelten Gütern und Diensten beeinflussen, aber sonst gar nichts. Vielleicht ist es auf diesen Faktor zurückzuführen, daß es Deutschland nicht gelang, sich von der weltweiten Inflation zu lösen, ohne Anfang 1973 die Deutsche Mark aufzuwerten.

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Preise der Weltwirtschaft einen bedeutenden Einfluß auf das Preisbildungsverhalten auf den binnenwirtschaftlichen Märkten ausübt 14 . Obwohl nicht einheitlich, unterscheidet sich die monetaristische Analyse aber streng vom keynesianischen Erklärungsansatz der internationalen Inflationsübertragung. Letzterer hält den Anstieg der Importpreise für Nahrungsmittel und Rohstoffe als „cost-push"-Faktor für entscheidend, der die binnenwirtschaftliche Inflation i m oben genannten Sinne beeinflußt, oder er sieht einen (wenig spezifizierten) Demonstrationseffekt als entscheidend an, m i t dem ein militanter Druck der Gewerkschaften über nationale Grenzen hinweg übertragen wird. Die bisherige Diskussion wurde unter der Prämisse fester Wechselkurse geführt, aber dieses System brach 1971 zusammen. Gegenwärtig gibt es eine schnell zunehmende monetaristische Literatur über flexible Wechselkurse, die sich — was nach der obigen Analyse zu erwarten w a r — auf die Quantitätstheorie des Geldes zur Bestimmung des nationalen Preisniveaus und auf verschiedene Varianten der Kaufkraftparitätentheorie zur Bestimmung der Wechselkurse richtet. Diese neue Literatur behandelt noch ein Versuchsstadium. Darüber hinaus gibt es keine einheitliche monetaristische Auffassung über die relativen Vorzüge fester und flexibler Wechselkurse 15 . Immerhin scheint es eine besondere monetaristische Ansicht über das Wesen der aktuellen internationalen Währungsprobleme und der zu ihrer Lösung erforderlichen Schritte zu geben, wie ich i m folgenden zeigen werde. Eine Kombination der Quantitätstheorie des Geldes und der monetaristischen Auffassung über die internationale Inflationsübertragung, wie sie oben dargestellt wurde, impliziert, daß ein Land seine eigene Inflationsrate längerfristig nur kontrollieren kann, wenn es auch sein eigenes Geldangebot kontrollieren kann. Dies ist wiederum nur möglich, wenn flexible Wechselkurse bestehen. Der früher dargestellte Pessimismus i m Hinblick auf die Möglichkeiten, Devisenbewegungen bei festen Wechselkursen zu kompensieren, legt es zumindest für relativ kleine Länder 14 Die erste dieser beiden Ansichten ist die ältere und liegt Aufsätzen ζ. B. von Dornbusch (1973) und Mussa (1974) zugrunde. Cross und Laidler (1975) stellten fest, daß sich eine solche Anpassung empirisch nicht recht bestätigen ließ. Sie konnten zeigen, daß der erwartungstheoretische Erklärungsansatz der internationalen Inflationsübertragung auf empirischer Basis eindeutig vorzuziehen war, wenngleich nicht problemlos. Es sei darauf hingewiesen, daß dann folgende Arbeiten, über die in Laidler (in Kürze verfügbar) berichtet wird, gezeigt haben, daß der erwartungstheoretische Ansatz sich besser bestätigte als eine „Cost-push infolge Importpreisinflation" — Hypothese über die internationale Inflationsübertragung. 15 Die auf der Saltsjöbaden-Konferenz von 1975 vorgelegten Aufsätze, die im Scandinavian Economic Journal von 1976 veröffentlicht werden sollten, sind eine hervorragende Quelle zur neueren monetaristischen und keynesianischen Analyse flexibler Wechselkurse.

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nahe, hierfür ein möglichst schnell wirkendes Verfahren zu wählen. Für sich allein genommen veranlaßt daher diese Überlegung Monetaristen dazu, flexiblen Wechselkursen den Vorzug zu geben. Aber es sind auch noch andere Aspekte von Bedeutung. Einem großen Teil der monetaristischen Analyse liegt die Auffassung zugrunde, daß Geld eine gesellschaftliche Einrichtung ist, u m die Verwendung von Ressourcen durch die Bereitstellung von Informationen zu ökonomisieren; insbesondere derjenigen, die auf die Arbeiten von Brunner und Meitzer zurückgeht 1 6 . Daher sind sich die Monetaristen sehr wohl bewußt, daß stark schwankende Wechselkurse Ineffizienz der internationalen Wirtschaft bewirken können. Wenn ein System flexibler Wechselkurse m i t derartigen starken Schwankungen verbunden wäre (die Gegner behaupten häufig, daß dies der Fall ist), dann wäre es für Monetaristen schwer, flexible Wechselkurse zu verteidigen. Indessen ergibt sich aus ihrer Analyse, daß flexible Wechselkurse nur dann stark schwanken, wenn auch die nationalen Geldpolitiken stark schwanken und zwischen den einzelnen Ländern divergieren. Es gibt keine Veranlassung für ein starkes Schwanken der Wechselkurse, wenn alle Länder feste geldpolitische Regeln befolgen. Wenn es eine stattliche Reihe von nationalen Regelbindungen gäbe, wäre sichergestellt, daß flexible Wechselkurse i m Zeitverlauf tatsächlich ausgesprochen konstant sind. Kurzum, der entscheidende Faktor — Regelbindungen für das nationale Geldmengenwachstum —, der die Stabilität an sich flexibler Wechselkurse sicherstellen würde, würde auch eine Währungsordnung m i t festen Wechselkursen ermöglichen. Ausgehend von diesem Argument streben einige Monetaristen an, feste Wechselkurse und eine von irgendeiner supranationalen Instanz fixierte weltweite Rate des Geldmengenwachstums einzuführen, weil dadurch die Effizienz i n der Weltwirtschaft vergrößert wird. Sie erwarten von Veränderungen der offiziellen Reservehaltung, daß sie die W i r kungen kurzfristiger Schwankungen der Produktionstätigkeit und der Inflationsraten u m ihre langfristigen Trends i n den einzelnen Ländern absorbieren. Andere wollen es den Marktkräften überlassen, Schwankungen der Reservehaltung privater Spekulanten und der flexiblen Wechselkurse u m ihre langfristigen Gleichgewichtswerte abzugleichen. Wieder andere weisen darauf hin, daß eine gewisse Flexibilität der Wechselkurse den politischen Entscheidungsträgern ein zusätzliches Politikinstrument liefert. Sie halten daher ein sogenanntes „schmutziges Floaten" für eine wünschenswerte Regelung 17 . 16

Siehe insbesondere Brunner und Meitzer (1971). Die monetaristische Begründung fester Wechselkurse wird energisch von Parkin (1973) vertreten. Friedmans klassischer Aufsatz (1953) ist immer noch eine hervorragende Quelle zur Begründung flexibler Wechselkurse. Boyer 17

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Es besteht also zwischen den Monetaristen keine Übereinstimmung über das am besten geeignete Wechselkurssystem. Das ist jedoch für die von ihnen gemeinsam vertretene Position zweitrangig: Der Schlüssel für die Stabilität der Wechselkurse liegt nicht i n der A r t der Organisation der Devisenmärkte, sondern i n der Koordination der Geldpolitik der einzelnen Länder. Der Unterschied zwischen dieser Auffassung und der noch bestehenden orthodoxen keynesianischen Lehre ist erheblich. Die orthodoxen Keynesianer messen der Wechselkursordnung selbst zentrale Bedeutung zu und widmen sowohl den ökonomischen als auch den politischen Problemen einer Harmonisierung der nationalen Geldpolitiken wenig Aufmerksamkeit, wenn überhaupt 1 8 . IV. Meine Kommentare erfordern keine lange abschließende Zusammenfassung. Ich habe versucht, Mayers Diskussion i n konstruktiver Weise zu analysieren und zu ergänzen. Offensichtlich unterscheiden sich die Grundzüge des „Monetarismus" aus britischer Sicht (wenn auch mehr i n der Betonung als i m inhaltlichen Kern) etwas von der amerikanischen Version der Doktrin. Aber davon abgesehen betreffen auch die i n diesem Kommentar herausgestellten Problemkreise ebenso wie die von Mayer analysierten Auffassungen Fragen der Tatsachen und der Logik. Daher sind sie auch grundsätzlich durch ökonomische Analyse und empirische Evidenz lösbar. I n dem Maße, wie eine Klassifikation einzelner Lehrsätze als „monetaristisch" und „antimonetaristisch" ihre wissenschaftliche Behandlung einschränkt, wäre daher ein solcher Klassifikationsprozeß beklagenswert. Es gibt, wie Mayer sagt, gute Gründe, den Begriff „Monetarismus" abzuschaffen; doch ich teile seinen Pessimismus bezüglich der Wahrscheinlichkeit, daß dies noch möglich ist. Literaturverzeichnis Boy er, R.: Optimal Dirty Floating, University of Western Ontario, mimeo 1975. — Britain, S.: Second Thoughts on Full Employment Policy, Centre for Policy Studies, London, 1975. — Brunner, Κ . und Meitzer, Α. Η . : The Uses of (1975), der vielleicht nicht als Monetarist charakterisiert werden möchte, zieht es vor, feste und flexible Wechselkurse als Extremfälle eines Spektrums von Währungsordnungen anzusehen. Er argumentiert auf der Basis eines im Grunde monetaristischen Modells, daß die optimale Wechselkursordnung häufig zwischen diesen beiden Extremen liegen wird. 18 Beispielsweise widmete der „Economic Report of the President" von 1974 der internationalen Währungsordnung und der Frage alternativer Wechselkurssysteme sehr viel Aufmerksamkeit, ohne dabei inkompatible Geldpolitiken in verschiedenen Ländern als eine Quelle der Wechselkursschwankungen zu erwähnen. Für eine Erhellung der Fragestellungen, die in die Auseindersetzung über die Probleme des internationalen Währungssystems eingeschlossen sind, siehe Zis (1975 a, 1975 b).

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Kommentar zu Mayers Ausführungen über den Monetarismus Von Harry G. Johnson t, Chicago und Genf*

Anhaltende und ernsthafte akademische Auseinandersetzungen um Begriffe wie „Monetarismus" sind aus zwei Gründen ein unter Umständen gefährliches Unterfangen. Z u m einen gibt es Grund zu der A n nahme, daß der verbreitete Gebrauch des Begriffs (auch wenn Mayer das Verdienst, den Terminus populär gemacht zu haben, einem A r t i k e l von Brunner aus dem Jahre 1968 und einem A r t i k e l von Fand aus dem Jahre 1970 zuschreibt) eher dem Wunsch von Zeitungskolumnisten und anderen Zaungästen entgegenkommt, wissenschaftliche Kontroversen m i t schlagwortartig gekennzeichneten „Schulen" einzufangen. Zum anderen führt es zumindest zu irreführenden Vereinfachungen, wenn man Prozesse akademischer wissenschaftlicher Forschung und Auseinandersetzung m i t Feindbild-Vorstellungen oder nach dem Muster „demokratischer Wahl" einzufangen versucht. I m Kontext der amerikanischen W i r t schaftspolitik spiegelte die schnelle Verbreitung des Begriffs „Monetarismus" die wirtschaftspolitischen Probleme und Auseinandersetzungen unter dem Stichwort „Geldpolitik versus Fiskalpolitik" wider, die auf den politischen Erfolg der „New Economics" von Walter Heller und der nachfolgenden „New Economics" der Nixon-Administration folgten. Daher ist der Begriff Monetarismus m i t der Bürde historischen Gepäcks und der politischen Leidenschaft jener Periode behaftet. Diese Gefahr ist besonders i n wirtschaftspolitischen Diskussionen und Debatten i n anderen Ländern als den USA augenfällig — insbesondere i m Vereinigten Königreich, wo m i t der neueren Literatur nicht vertraute geldpolitische Amateure wie Nicholas Kaldor und J. R. Hicks m i t dem Begriff „Monetarismus" jeglichen Ökonomen und jeden Standpunkt kennzeichnen, der von ihrer eigenen Sicht der Probleme britischer Wirtschaftspolitik abweicht. (Tatsächlich stützt sich i n Großbritannien die Mehrheitsmeinung auf das A x i o m „Monetarismus" = M i l t o n Friedman, „Die * Kredit und Kapital, 8. Jg. (1975), S. 191 ff. und S. 293 ff. Der „Kommentar" wurde an der London School of Economics im Rahmen des International Monetary Research Programm geschrieben und vom Social Research Council unterstützt. — "Übersetzung: Brita Grosseschmidt, Düsseldorf. Englische Fassung: Kredit und Kapital, 9. Jg. (1976), S. 145 ff.

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Sicht des Schatzamtes" = blanker Unsinn; entsprechend gilt i n denselben Kreisen die Sequenz „Keynesianismus" = Einkommenspolitik.) Solche Risiken intellektueller Stereotypisierung und geschichtlicher Versteinerung muß man unglücklicherweise i n Kauf nehmen, wenn es sinnvoll und vernünftig ist, die auf einem Gebiet tätigen Forscher und Autoren sachgemäß einzuordnen. Vor diesem Hintergrund gesehen hat Thomas Mayer sich erfolgreich darum bemüht, die wichtigsten „monetaristischen" Thesen zusammenzustellen und zu bestimmen, welche für die monetaristische Position „wesentlich" und welche „ f a k u l t i t i v " sind, oder dazu passen oder ästhetisch damit harmonieren. Die Schlüsselthese für die Unterscheidung des Monetarismus von seiner gegenwärtigen Alternative ist die erste i n Mayers Schema. Sie ist auch die subtilste. Unglücklicherweise formuliert sie Mayer eingangs zweideutig und konzentriert sich bei der Diskussion sehr eng auf die nach dem zweiten Weltkrieg erschienene oder „zeitgenössische" Literatur (und zwar unter Ausschluß der sehr frühen Nachkriegsliteratur wie ζ. B. derjenigen zum Stichwort Liquiditätspräferenz versus loanable funds, die nur die Auseinandersetzungen der 30er Jahre fortführte). Die erwähnte Zweideutigkeit liegt darin, daß der Ausgangskatalog der Hauptursachen für Veränderungen des Nominaleinkommens den Undefinierten Ausdruck „monetäre Faktoren" oder „der Einfluß monetärer Faktoren" enthält; denn damit können entweder Faktoren gemeint sein, die zu Änderungen der Geldnachfrage, oder Faktoren, die zu Angebotsvariationen führen. Es zeigt sich jedoch, daß Mayer „monetäre Faktoren" i n dem spezifischen Sinn (von Änderungen) des Geldangebots bei Annahme einer stabilen Geldnachfrage versteht. Diese Spezifikation ist es, die den Monetarismus sowohl von der breiteren Strömung der quantitätstheoretischen Tradition — zu der auch Keynes und die Keynesianer gehören — als auch von der älteren Vorkriegsgeneration der Quantitätstheoretiker unterscheidet. Diese Spezifizierung macht es auch erforderlich, die erste These durch den Rest der ersten vier, sechs, acht oder dem ganzen Dutzend der aufgezählten Thesen zu ergänzen. I n einem subtilen Sinn ist es die These von der Existenz einer stabilen Geldnachfrage, die den Monetarismus von der klassischen Tradition der Quantitätstheorie des Geldes und „den Monetarismus" von seinem keynesianischen Widerpart unterscheidet. (Beide Ansätze können von einem dritten oder genauer gesagt einer Mischung von zwei inkonsistenten Ansätzen unterschieden werden: Nämlich erstens, daß das Geldangebot des privaten Wirtschaftssystems auf die Geldnachfrage vollkommen elastisch reagiert, so daß die Geldnachfrage unerheblich ist und ihre Analyse nicht lohnt. Und zweitens, daß die Geldbehörde das Geldangebot auf die Geldnachfrage elastisch reagieren läßt, um die Zinssätze zu kontrollieren, und sich bei den festgelegten Zinssätzen zur Steuerung

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der Wirtschaft auf irgendwelche Kreditkontrollen stützt. Daraus folgt i n gleicher Weise die Unerheblichkeit der Geldtheorie.) U m diesen Punkt herauszuarbeiten, bietet es sich an, i n eine kurze und impressionistische Darstellung der Entwicklung der Geldtheorie und ihrer Aufgabe i m Rahmen der ökonomischen Analyse abzuschweifen. Die klassische Quantitätstheorie i n ihrer Formulierung als Verkehrsgleichung hatte die nützliche und notwendige Absicht, die Theorie des realen Gleichgewichts (der relativen Preise und Mengen), das von Faktormengen, Technologie und Präferenzen determiniert ist, von der Bestimmung der Geldlöhne und -preise zu trennen. Daraus resultierte, was als „die klassische Dichotomie" oder „die Neutralität des Geldes" oder „das Homogenitätspostulat" bekannt geworden ist. Diese Zielsetzung erlaubte eine Konzentration auf die „reale" Analyse. Sie war für sich genommen schwierig genug, wenn es vor allem darum ging, die systematischen Beziehungen der einzelnen Teile gesamtwirtschaftlicher A k t i vität herauszuarbeiten. Hingegen blieb die Frage nach dem Mechanismus offen, der die Neutralität des Geldes durchsetzt, sowie die nach der Zeit, die ihre Durchsetzung erfordern würde (die klassische NichtKalenderzeit „long run"). Bekanntlich wurden i m Laufe der Zeit zwei alternative Mechanismen, der Mechanismus der „gewünschten Kassenhaltung" von Walras und der Cambridge-Schule und der Einkommen-Ausgaben-Mechanismus von Wicksell und Keynes entwickelt. Diese Alternativen bilden auch heute noch einen Hauptpunkt der Unterscheidung zwischen der „monetaristischen" und der „keynesianischen" Schule. Man beachte, daß beide bei korrekter Formulierung ein vollständiges simultanes Gleichgewicht von Bestands- und Strommärkten implizieren. Gleichwohl w i r d dieser Punkt durch die übliche Praxis verdeckt, die m i t dem ökonomischen Wachstum verbundenen Prozesse der Akkumulation realer und monetärer A k t i v a außer acht zu lassen oder auf ein M i n i m u m zu beschränken, damit sich die Analyse auf die Kalenderzeit-Perspektive konjunktureller und stabilitätspolitischer Probleme leichter anwenden läßt. Demgegenüber richtet der Einkommen-Ausgaben-Ansatz sein Augenmerk auf die Wirkungen von Bestandsungleichgewichten bei der Bestimmung der relativen Preise (insbesondere des Zinsniveaus), die ein Ungleichgewicht zwischen Einkommen- und Ausgabenströmen verursachen und dadurch die Größe der Ströme verändern. Das Modell der gewünschten Kassenhaltung hingegen konzentriert sich direkt auf Ungleichgewichte zwischen gewünschten und tatsächlichen Beständen, wobei sich Änderungen i n den Strömen beiläufig ergeben. I n einer Theorie, die zeigen sollte, daß Geld ein „Schleier" über der realen Wirtschaft war, und sich aus dem Vorhandensein des Geldes 8 Beihefte zu Kredit und Kapital 4

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und der Existenz einer Geldwirtschaft kein wesentlicher Unterschied gegenüber den Abläufen i n einer naturalen Tauschwirtschaft ergab, war der Entwurf eines Mechanismus zur Auflösung eines monetären Ungleichgewichts zunächst primär eine Frage logischer Vollständigkeit und Konsistenz. Diese Formulierung entsprach dem klassischen und neoklassischen Interesse an langfristigen Zusammenhängen und der Spezifikation der größtmöglichen Langfristigkeit i n Form des „klassischen stationären Zustandes". M i t der Entwicklung der Ökonomie zu einem fachspezifischen und „praktischen" (als Gegensatz zu einem philosophischen) Forschungsgegenstand sowie m i t der wachsenden Rezeption des Konjunkturzyklus als eines charakteristischen Phänomens des kapitalistischen Systems verlagerte sich der Schwerpunkt geldtheoretischen Interesses jedoch allmählich von der langfristig orientierten Darstellung monetärer Neutralität zu dem kürzerfristigen Problem „der Bedingungen des monetären Gleichgewichts". — Als wichtigste M a r k steine sind die Arbeiten von Wicksell, Robertson, Keynes und Hayek sowie von Wickseils Nachfolgern i m Rahmen der Stockholmer Schule zu nennen. I n einer heuristischen Formulierung setzt monetäres Gleichgewicht i n der Zeit (über mehrere Perioden) die Gleichheit der realen Ersparnis, die die Wirtschaftssubjekte aus ihrem laufenden Einkommen tätigen wollen, m i t der realen Investition, die sie unternehmen wollen, und die Gleichheit von Änderungen der nachgefragten Geldmenge m i t Änderungen der von der Geldbehörde angebotenen Geldmenge voraus. (Diese Formulierung sieht von bestimmten augenfälligen Schwierigkeiten ab, die damit verbunden sind, daß die Geldversorgung i n einer wachsenden Wirtschaft bei konstantem Preisniveau zunehmen muß und daß sich die gewünschte finanzielle Intermediation zwischen der Ersparnis i n Form monetärer A k t i v a und der Investition i n Form realer Kapitalanlagen ändern kann). Stellt man dieses Problem auf die genannte Weise dar, so w i r d es notwendig, den Neutralitätsbegriff aus einer langfristigen Gleichgewichtstendenz einer Geldwirtschaft, die m i t parametrischen Änderungen des nominalen Geldangebots (oder der realen Geldnachfrage) konfrontiert wird, i n ein kurzfristiges dynamisches Ziel der Wirtschaftspolitik zu verwandeln. Dieses Vorgehen erzeugt das Szenarium, i n dem der „Monetarismus" und der „Keynesianismus" als konkurrierende Ansätze erscheinen. Man beachte nebenbei, daß dieser erforderliche Wechsel der Perspektive erklärt, warum Mayer Patinkin ganz richtig nicht zur monetaristischen Schule zählt: Patinkins Arbeiten haben sich weitgehend auf die erste Phase des Interesses an der Entwicklung der Quantitätstheorie beschränkt, die sich m i t der langfristigen monetären Neutralität und speziell m i t der Konstruktion einer integrierten Theorie der relativen und absoluten Preise i n einer Geld-

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Wirtschaft befaßte. M i t der Realisierung kurzfristiger Stabilität als wirtschaftspolitisches Ziel haben seine Arbeiten sich nicht beschäftigt. Nachdem das Argument so weit skizziert worden ist, läßt sich die dynamische Neutralität des Geldes durch Variationen eines jeden der vier Hauptbestandteile des Systems, bzw. der vier Hauptfaktoren, die die dynamische Entwicklung des Systems beeinflussen, kennzeichnen: die Spar- (oder Konsum-)neigung, die Investitionsneigung, die Geldnachfrage (deren aktive Komponente „das Horten" oder „die eigentliche Liquiditätspräferenz" oder „die Nachfrage nach A k t i v a " ist, wie sie i n chronologischer Reihenfolge nacheinander beschrieben wurde) und das Geldangebot. Üblicherweise pflegen Geldtheoretiker das Problem dadurch zu vereinfachen, daß sie den Konsum als passives Element behandeln. Diese Konvention w i r d hier der Einfachheit halber übernommen, wenngleich m i t der notwendigen Warnung, daß damit durchweg einige wichtige Fragestellungen ausgeschlossen werden müssen, die i n Mayers aufgelisteten Thesen, insbesondere der dritten, vierten, zwölften und möglicherweise fünften impliziert sind. M i t dieser Vereinfachung — oder anders ausgedrückt, durch Subsummierung von Änderungen der Konsum- und der Investitionsausgaben unter dem allgemeinen Begriff „realer" Störungen — kommen w i r schnell zu einer Klassifikation der Modelle monetärer Störungen anhand der „normalen" oder häufigsten A r t der Störung: Störungen aufgrund von Änderungen des privaten KassenhaltungsVerhaltens; Störungen aufgrund von Änderungen des behördlichen (oder staatlichen) Geldangebotsverhaltens; und Störungen aufgrund von Änderungen des privaten realen Ausgabenverhaltens. Als Beispiele für die zweite A r t von Störungen läßt sich zwar zunächst Wicksells Analyse des „kumulativen Prozesses" i n Form einer Divergenz zwischen dem „Geld"-zins und dem „natürlichen" Zins interpretieren. Ferner kann man auch Keynes ' gelegentlich geäußerte Ansicht dazu zählen, die Geldbehörden seien i n Wirklichkeit nicht bereit, die Geldpolitik i n dem für den Ausgleich von Ungleichgewichten innerhalb des privaten Sektors erforderlichen Umfang einzusetzen. Schließlich kann man auch bestimmte Aspekte der Hayefcschen Diskussion des Konjunkturzyklus so auslegen. Dennoch kann man allgemein sagen, daß keiner der führenden Geldtheoretiker vor dem Zweiten Weltkrieg staatlich verursachte Änderungen der Geldmenge als eine (oder „die") Hauptquelle monetärer Störungen angesehen hat. Die primäre Instabilitätsquelle bildeten vielmehr nachfragebedingte Ungleichgewichte innerhalb des privaten Sektors, und zwar sowohl solche monetärer als auch solche realer wie auch solche gemeinsamer A r t . Robertson ging sogar so weit zu behaupten, eine fähige Zentralbank müsse i n der Lage sein, zwischen 8*

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Änderungen der Nachfrage nach Geldhorten und Änderungen der Geldnachfrage, die m i t Ausgabenänderungen verbunden sind, zu unterscheiden. Zumindest teilweise aufgrund der Tatsache, daß die Geldtheorie jener Zeit keine angemessene Theorie der Nachfrage nach Vermögenstiteln und der stark von Zukunftserwartungen beeinflußten Nachfrage hatte, wurde die Möglichkeit von Änderungen der Nachfrage nach Horten nicht, wie die moderne Theorie es ausdrücken würde, i n Form einer stabilen Funktion erwartungsgemäß unabhängiger Variabler dargestellt. Sie wurde vielmehr als Instabilität der Geldnachfrage oder als Instabilität der Umlaufsgeschwindigkeit formuliert — einer Instabilität, die durch diskretionäre Geldpolitik (oder bei einigen Autoren durch eine monetäre Regel für die Praxis der Geldpolitik) zur Erreichung von Preisstabilität zu kompensieren war. Diese Charakterisierung konnte von Keynes und den Keynesianern wiederum leicht lächerlich gemacht werden, nachdem Keynes erst einmal über die Multiplikatorbeziehung und die Konsumneigung die Änderungen der Gesamtausgaben m i t Ä n derungen der Investitionstätigkeit verknüpft hatte, die ihrerseits teilweise (jedoch nicht vollständig) durch den Einfluß der Geldpolitik auf den Zins beherrschbar waren. Die moderne Quantitätstheorie und die auf i h r basierende monetaristische „Schule" sind i n einigen grundlegenden Punkten von der neoklassischen Quantitätstheorie abgerückt. Das ist teils als eine weitgehend politische A n t w o r t auf den Keynesianismus, teils als eine Reflektion verbesserter theoretischer Grundlagen zu verstehen, die i n hohem Maße dem Einfluß der „Allgemeinen Theorie" selbst zugeschrieben werden können. E i n wesentlicher Unterschied zwischen dem neuen quantitätstheoretischen und dem keynesianischen Ansatz besteht jedoch darin, daß die erwartete Inflationsrate als eine Determinante des relativen Ertrags des Geldes explizit i n die Geldnachfragefunktion eingeführt wird. Das wiederum gibt die Basis für die geldpolitisch wichtigen Unterscheidungen zwischen realen und nominalen Zinssätzen sowie zwischen Änderungen der realen und der nominalen Kassenhaltung ab. Die deutlichste Abweichung, deren Hauptelement die Prämisse einer stabilen Geldnachfrage ist, besteht i n der Annahme, daß Ungleichgewichte primär nicht aus der Instabilität des Verhaltens des privaten Sektors (sei sie i m Ausgabe- oder i m Geldnachfrageverhalten begründet), sondern aus der Instabilität des Verhaltens der geldpolitischen Entscheidungsträger herrühren. I n direktem oder indirektem Zusammenhang damit stehen die meisten anderen Mayer'sehen Thesen, insbesondere die Thesen 2 - 6 . Sie laufen weitgehend auf die Behauptung hinaus, der private Sektor könne, sofern er i n Ruhe gelassen werde, für sich selber sorgen und bedürfe keiner detaillierten Spezifizierung, Analyse oder Kontrolle

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i m Prozeß monetärer Analyse und wirtschaftspolitischer Stabilisierung. Der genannte Zusammenhang gilt aber auch für die Thesen 7 - 9 , die darauf abzielen, die Geldpolitik diskretionärem Handeln und semantischer Verwirrung so wenig wie möglich zugänglich zu machen, sowie für die These 12, die natürlich aus der Annahme folgt, staatliches Handeln sei die primäre Ursache monetärer Störungen. Die Konzentration auf die Schlüsselbeziehung Geldnachfrage und das aus dieser Beziehung über die Determinante Geldmenge resultierende Nominaleinkommen befreite — was zu beachten ist — die Quantitätstheorie von dem großen A l p traum, sie „unterstelle" Vollbeschäftigung und stehe folglich m i t der beobachteten Tatsache der Massenarbeitslosigkeit i n einem nicht reparablen Widerspruch, wie ihr die keynesianische K r i t i k nachsagte. I m vorangegangenen Abschnitt sind die Thesen 10 und 11 aus Mayers Katalog nicht erwähnt worden. Was den Trade-off der Phillips-Kuwe betrifft, so möchte ich diesen Teil des Systems für einen lange nach Keynes entstandenen und nur peripher keynesianischen Baustein des Systems halten. Er war für ein bestimmtes Stadium während der Demontage der keynesianischen Prämisse starrer oder exogen determinierter Löhne wichtig und ist daher für die Keynesianismus-MonetarismusDebatte nicht entscheidend. Darüber hinaus ist aber die u m Erwartungen erweiterte Phillips-Kurve (bei der es i m Anschluß an eine monetäre Störung einen kurzfristigen, aber keinen langfristigen Trade-off gibt) zu einem integralen Werkzeug moderner geldtheoretischer Forschung geworden. Bezüglich der Inflation ist Mayers Behauptung etwas ungenau, doch möchte ich für meinen Teil sagen, daß Monetaristen sich weniger als andere Ökonomen gleichzeitig u m Inflation und Arbeitslosigkeit Gedanken machen; teils, w e i l sie beides als logische Folge eines monetären Ungleichgewichts und nicht als unerklärliches Fehlverhalten des privaten Sektors ansehen, und teils weil sie mehr daran interessiert sind, die behaupteten sozialen Kosten zum Gegenstand ökonomischer Analyse zu machen. Läßt man diese beiden Thesen entweder außer acht, w e i l sie von spezifischerem Bezugspunkt und Gehalt sind als ihre Behauptung i m pliziert, oder weil sie ein allgemeines Urteil verkörpern, das auf Mayers umfänglichen Literaturstudien basiert, so muß man Mayers generelle These akzeptieren, daß die aufgeführten Kernsätze einen sich ineinanderfügenden Satz von Bausteinen bilden, der für die Formulierung eines kohärenten Modells einer geldpolitischen Sichtweise ausreichend ist. M a n muß auch beipflichten, daß es auch möglich ist, einige der Thesen zu akzeptieren oder zu verwerfen und trotzdem alles i n allem ein Monetarist oder auch ein Nicht-Monetarist zu bleiben. Es bleibt nur noch hinzuzufügen, daß (wie Mayer selbst bemerkt) einige Auswahlkombinationen aus der Speisekarte ein ziemlich unverdauliches intellektuel-

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les Menü abgeben würden, während es einige exzentrische Geschmacksrichtungen gibt (ζ. B. die Vorliebe für große Modelle oder das Mißtrauen gegenüber dem Staat), die „Ketchup zu allem" verlangen. Literaturhinweise Hicks, J. R., The Crisis in Keynesian Economics, Oxford 1974. — Derselbe: What Is Wrong With Monetarism, Lloyd's Bank Review, Oktober 1975, S. 1 - 13. — Kaldor, Ν., The New Monetarism, Lloyd's Bank Review, Juli 1970, S. 1 - 1 8 .

Monetarismus in mehr historischer Perspektive Von Philip Cagan, New York/N. Y.* Bullionisten versus Anti-Bullionisten, die Currency-Schule versus Banking-Schule, und nun die Monetaristen versus Fiskalisten: Was ist das für ein großartiger Sport, an einer berühmten Auseinandersetzung teilzunehmen! Er ermutigt zu Höhenflügen des Denkens und der ökonomischen Forschung, ganz zu schweigen von Konferenzen und finanziellen Spenden. Die Teilnehmer an früheren Auseinandersetzungen sind i n zahllosen Doktorarbeiten und Dogmengeschichten unsterblich gemacht worden [9, 16]. Aber leider kümmert sich heute niemand mehr u m die Geschichte des ökonomischen Denkens. Daher müssen w i r für uns selbst sorgen; deswegen diese Sammlung von Kommentaren. Aber kümmert sich eigentlich außer den Teilnehmern selbst jemand besonders u m diese Auseinandersetzung? Wahrscheinlich nicht. Trotzdem haben diese Problemstellungen weitreichende Implikationen für die A r t der Wirtschaftspolitik und sind von ernster Natur. Thomas Mayer hat i n seiner sorgfältigen Übersicht die historischen Vorgänger des heutigen Monetarismus weitgehend vernachlässigt**. Ich meine, daß sie Aufmerksamkeit verdienen. I. Die herrschende Lehrmeinung in den 40er und den frühen 50er Jahren Niemand, der nicht selbst m i t der herrschenden ökonomischen Lehrmeinung der 40er Jahre und frühen 50er Jahre Kontakt gehabt hat, kann sich den Stand des geldtheoretischen und -politischen Denkens i n dieser Profession richtig vorstellen. Die Quantitätstheorie des Geldes wurde als unwichtig eingeschätzt und kaum tatsächlich für wert gehalten, sie bei Fragen zur gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, Unterbeschäftigung und sogar Inflation zu erwähnen. Man muß die Zeitschriften aus dieser Periode einmal durchsehen! Die Analysen enthielten möglicherweise eine * Die Kommentare von Anna J. Schwartz zu einer früheren Fassung waren sehr hilfreich. — Übersetzung: Hans Hermann Franche, Freiburg i. B. Amerikanische Fassung: Kredit und Kapital, 9. Jg. (1976), S. 154 ff. ** 8. Jg. (1975), S. 191 ff. und S. 193 ff.

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„ L M " - K u r v e , wobei sie Hicks [4] berühmter Keynes- Interpretation folgten, doch die textliche Diskussion von Theorie u n d Politik erwähnte die Quantitätstheorie des Geldes i n kaum einem Aufsatz. Lehrbücher für elementare Volkswirtschaftslehre u n d sogar f ü r Geld und K r e d i t erwähnten die Quantitätstheorie des Geldes, w e n n überhaupt, nur u m sie lächerlich zu machen. Diese Lehrbücher produzierten aber ganze Kohorten von professionellen Ökonomen, die wiederum die Lehrer von Horden von Ökonomie-Studenten wurden. Es gab natürlich eine ganze Reihe von Ausnahmen, die bekanntesten an der Universität von Chicago sowie unter einigen Lehrern der monetären Ökonomie, deren geistiges Erbe bis i n die 20er Jahre zurückreichte. Aber wenn man den Berufsstand als ganzes durchging, dann lockte die Erwähnung der Quantitätstheorie des Geldes erstaunte, ungläubige Blicke oder ein verstohlenes Lächeln der Herablassung hervor. Monetarismus ist eine Reaktion auf diese frühere, unwirtliche U m gebung. I n der Tat, w e n n es nicht eine Zeit gegeben hätte, i n der die meisten professionellen Ökonomen sagten „money does not matter", dann wäre es auch keinem eingefallen, „money does matter" zu sagen [7]. A m Anfang w a r ein großer Teil der monetaristischen Botschaft darauf gerichtet, den Berufsstand einfach wieder m i t dem bekannt zu machen, was zunächst abgelehnt u n d dann während der 30er und 40er Jahre weitgehend vergessen worden war. Daß dieser Zweck n u n erreicht ist, ist zweifellos mehr einigen Dekaden Inflation zu verdanken als den Predigten der Monetaristen. Trotzdem, heute, w o die Monetaristen die Wildnis hinter sich gelassen haben, werden ihnen n u r wenige die Befriedigung darüber absprechen wollen, daß sie das Interesse an Geldtheorie und - p o l i t i k und deren bevorzugte Anerkennung i n Lehrbüchern wieder erneuert haben. I I . Die relative Bedeutung des Geldes I n der Tat hat der Monetarismus inzwischen soviel Aufmerksamkeit erregt, daß seine Gegner schon befürchten, er könne alles andere hinwegfegen. Sie haben ein Gespenst erschaffen, daß Monetaristen den A n spruch erheben, „ o n l y money matters". Er ist nie erhoben worden. Was die Gegner i r r t ü m l i c h f ü r einen solchen Anspruch hielten, w a r vielleicht, daß (was i n bescheidenem Maße i n den Schriften einiger Monetaristen auch der F a l l ist) i n der Liste von Einflußfaktoren auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage das Geld an erster Stelle stehen sollte. Das dieser These zugrunde liegende Argument lautet, daß Geldmengenveränderungen unausweichlich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage beeinflussen, wenn auch häufig n u r langsam. Die anderen Einflußfaktoren haben un-

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sichere Effekte. I m Gegensatz zum Gelde hängen sie von Verteilungswirkungen, Geldillusion oder gleichzeitigen Veränderungen der Geldmenge ab, bei denen sich die Nettoeffekte materiell von Fall zu Fall unterscheiden können. Das Problem wurde auf der B r o w n University Conference on Monetarism 1974 vorgetragen [15]. Keiner der dort Anwesenden bestritt die Bedeutung des Geldes, und die meisten Beiträge beschäftigten sich damit, welche Bedeutimg — wenn überhaupt — der Fiskalpolitik zukomme. Die Fiskalisten wiesen darauf hin, daß die größeren ökonometrischen Modelle eine starke W i r k u n g aufgrund von Veränderungen der öffentlichen Ausgaben oder Steuersätze zeigten. Aber dabei w i r d nicht deutlich, inwieweit diese Effekte auf der keynesianischen Struktur der Modelle und der gleichzeitigen Erhöhung der Geldmenge beruhen. I n theoretischer Sicht hängen die Wirkungen fiskalischer Maßnahmen (bei konstanter Geldmenge) von der Zinselastizität der Kassenhaltung (weil die W i r kungen eines öffentlichen Haushaltsdefizits auf die Zinssätze, die zu einer intensiveren Nutzung der Kassenbestände führen, erforderlich sind, um eine Zunahme der Ausgaben zu finanzieren) und von dem Ausmaß ab, i n dem zukünftige Steuerbelastungen, die durch die Zinslast der öffentlichen Anleihen hervorgerufen werden, auf deren Gegenwartswert diskontiert werden (weil die Wirkungen öffentlicher Verschuldung durch eine Zunahme der Spartätigkeit der Steuerzahler aufgehoben werden können) [5a]. Ich habe i n meinen Kommentaren auf der Konferenz, die auch veröffentlicht wurden, darauf hingewiesen, daß alles dies das Ausmaß der langfristigen (sagen w i r , ein Jahr oder noch länger) W i r kungen der Fiskalpolitik unsicher macht 1 . Unter der Voraussetzung, daß die anfängliche W i r k u n g einer Veränderung der Ausgaben aufgrund einer fiskalischen Maßnahme auftritt, bevor sich die späteren Gegenwirkungen bei der privaten Ausgabetätigkeit, die m i t der Finanzierung der Maßnahme verbunden sind, durchsetzen, w i r d die W i r k u n g wahrscheinlich kurzfristig wesentlich bedeutender sein. Aber sogar dann kann der kurzfristige Effekt einer Steuersenkimg nur gering sein, wenn die Öffentlichkeit sie als nur vorübergehend ansieht. Die Stärke des M u l t i plikatoreffekts von fiskalischen Ausgaben ist kurzfristig wegen der veränderlichen Größe und Geschwindigkeit der damit verbundenen Gegenwirkungen unsicher (ganz zu schweigen von administrativen Verzögerungen). Geldpolitische Maßnahmen zeigen das weitgehend entgegengesetzte Verlaufsmuster. Ihre Wirkungen treten später auf und sind kurzfristig von Fall zu Fall unterschiedlich und unsicher. Aber sie haben zusam1 Wenn die verschiedenen Vermögenseffekte der Fiskalpolitik beachtet werden, dann ist auch die Wirkungsrichtung ungewiß (8). Trotzdem stützen sich die wesentlichen monetaristischen Thesen nicht auf Vermögenseffekte.

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men einen eindeutigen langfristigen Effekt, abgesehen von den üblichen Meinungsverschiedenheiten über die technische A r t der Geldmengenveränderung (Offenmarktoperationen, Mindestreservesatzänderungen usw.). Eine gleichmäßige Geldmengenveränderung tendiert dazu, langfristig eine proportionale Veränderung der aggregierten Gesamtnachfrage hervorzurufen. Langfristig gibt es keine wichtigen Einschränkungen oder Widerstände gegen die Wirkungen von Geldmengenveränderungen auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Eine Veränderung der Kassenhaltung aufgrund von Zinsänderungen ist eine Gegenwirkung, aber sie kann nicht für immer anhalten und ist zum größten Teil kurzfristiger Natur. Die These, daß Geldmengenveränderungen unausweichliche langfristige Wirkungen auf die aggregierte Nachfrage haben, ist nur dann einzuschränken, wenn die Geldmengenveränderung eine politische Reaktion auf tatsächliche oder antizipierte Veränderungen der Gesamtnachfrage ist. Die Politik paßt manchmal die Geldmenge an Nachfrageveränderungen an, die bereits von anderen kurzfristigen Einflußfaktoren hervorgerufen wurden. I n solchen Fällen w i r d die kausale Verknüpfung zwischen Geldmenge und Gesamtnachfrage undurchsichtig, w e i l die Geldmenge dann eine endogene Variable ist und keine unabhängige Quelle von Störungen des wirtschaftlichen Geschehens. Aber die mögliche Endogenität der Geldmenge w i r d vom Monetarismus nicht verneint. Alles, worauf Monetaristen bestehen, ist, daß die Geldmenge i n angemessener Weise kontrolliert werden sollte und daß, sofern dies geschieht, dadurch die aggregierte Gesamtnachfrage kontrolliert werden kann. Ob die Geldmenge an die Spitze der die Gesamtnachfrage beeinflussenden Größen gehört oder nicht, ist dann keine theoretische Fragestellung, wenn Geld nicht, wie es früher war, am Ende der möglichen Einflußgrößen i n Vergessenheit gerät. Die Frage ist empirisch und w i r d durch das Gewicht der Evidenz gelöst werden. Es war die Bedeutung, die der Suche nach empirischer Evidenz zukommt, die M i l t o n Friedman und Anna Schwartz motivierte, ihre monumentale Untersuchung der monetären Geschichte der USA vorzunehmen [3]. Sie fanden ihre Auffassung bestätigt, daß die Geldmenge i n diesem Zeitraum die wichtigste Quelle für Störungen der Wirtschaft der Vereinigten Staaten gewesen ist. Obwohl es viele versuchen, ist es schwer vorstellbar, ihren Ergebnissen i n großem Umfang Ausnahmebedingungen zu unterstellen. Wenn w i r umgekehrt vorgehen und den Schluß ziehen, daß die Geldmenge eine ernste potentielle Quelle für Störungen bleiben wird, sofern sie nicht angemessen kontrolliert wird, dann betreten w i r wieder monetaristisches Territorium.

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I I I . Eine monetäre Regelbindung Die vorangegangene empirische Feststellung von der Bedeutung des Geldes legt es auf den ersten Blick sehr nahe, eine Politik des konstanten Geldmengenwachstums zu betreiben, die bête noire für die Gegner des Monetarismus. Das ist kein völlig neuer Vorschlag. Unmittelbare Vorgänger waren Henry Simons frühere Argumente für eine konstante Geldmenge [14] 2 . Diese hat den Vorzug einer einfachen Durchführung der Politik und würde horrende politische Fehler vermeiden, die i n der Vergangenheit zu verheerenden Schwankungen der Geldmenge geführt haben. Sie hat hingegen den Nachteil, das Preisniveau nicht zu stabilisieren. L l o y d Mints schlug vor, daß die Geldpolitik auf eine Kontrolle der Geldmenge gerichtet sein sollte anstatt das Preisniveau zu stabilisieren [10]. Sein Vorschlag hat inzwischen an Anziehungskraft verloren, weil das Preisniveau kein sensitiver Indikator für die Geldpolitik ist, ein Einwand, der durch die Erfahrung der letzten Jahre erhärtet wurde. W i r haben gelernt, daß das Geld die Preise m i t einer langen Verzögerung beeinflußt, und daß die Veränderungen der Preise und der ökonomischen A k t i v i t ä t kurzfristig nicht eng miteinander korrelieren. Infolgedessen würde eine Politik, die die Preise zu stabilisieren versucht, kurzfristig nicht erfolgreich sein und erhebliche Veränderungen des Geldmengenwachstums zur Folge haben. Es ist daher natürlich, auf die Geldmenge selbst als besten Indikator für die Politik zurückzugreifen und eine bei langfristiger Preisstabilität konstante Wachstumsrate vorzuschlagen. Da sich der langfristige Trend der Geldumlaufsgeschwindigkeit von Zeit zu Zeit verändert, können auch geringe periodische Veränderungen i n der fixierten Wachstumsrate der Geldmenge vorgenommen werden, u m näherungsweise eine langfristige Konstanz des Preisniveaus zu erreichen. Ein häufig vertretenes Argument gegen einen solchen Vorschlag ist, daß eine diskretionäre Politik einer festen Regelbindung immer überlegen sein muß. Wenn die Verantwortlichen die Wachstumsrate der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage zu stabilisieren versuchen, dann w i r d ein konstantes Geldmengenwachstum n u r zufällig und zeitweise die optimale Politik sein und sollte daher nicht i m voraus festgelegt werden. Man sollte die Verantwortlichen selbst die beste Politik wählen lassen, nach der sie vorgehen; wenn ein konstantes Geldmengenwachstum das beste ist, werden sie sich schon dafür entscheiden. Das ist ein albernes Argument und t r i f f t nicht den Kern. Die monetaristische Position basiert auf der Tatsache unserer Unkenntnis und den 2 Vgl. auch Robertsons Diskussion (11) der Politikauffassungen in den 20er Jahren.

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daraus notwendig folgenden Fehlern, während das Gegenargument die Optimierung eines bekannten Modells der Volkswirtschaft annimmt. Sobald stochastische Größen zur Berücksichtigung von Unsicherheit hinzugefügt werden, fällt die Optimierungspolitik kurzfristig zu einer weitgehenden Konstanz der politischen Instrumentenvariablen zusammen, wenn der Grad an Unsicherheit zunimmt. Friedman hat darauf hingewiesen [1], daß die politischen Entscheidungsträger über eine ausgesprochen gute Voraussicht und Kenntnis der Wirkungen ihrer Maßnahmen verfügen müssen, bevor sie hoffen können, die Instabilität der Gesamtnachfrage mehr zu verringern als zu vergrößern. Vielleicht werden sie dies eines Tages; aber wer kann schon so optimistisch sein? Aber dies ist nicht alles. Neben den Wirkungen stochastischer Größen, die i n Modellen Unsicherheit repräsentieren sollen, ist i n ihnen ein unbekannter Grad an Mißspezifizierung enthalten, der die politischen Irrtumsmöglichkeiten w e i t über das Maß der beiden Standardabweichungen für normale stochastische Größen hinaus verstärken kann. Außerdem beeinflußt die A r t der von den Entscheidungsträgern betriebenen Politik ihrerseits die Reaktion der Volkswirtschaft. Mints [10, S. 9 und a.a.O.] vertritt die Ansicht, daß die allgemeine Erwartung einer auf die Stabilisierung des Preisniveaus gerichteten Politik dazu beiträgt, das Preisniveau tatsächlich stabil zu halten. Ungewisse diskretionäre politische Maßnahmen untergraben zur Stabilisierung beitragende Verhaltensweisen der privaten Wirtschaftssubjekte. Dabei zieht Benjamin Klein [5] den Schluß, daß die Abschaffung des Goldstandards i n der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen und das Fehlen einer eindeutigen politischen Anweisung zur Stabilisierung des Preisniveaus zu stärkeren Schwankungen des Preisniveaus führten als üblich. Er stellt fest (um es technisch auszudrücken), daß Veränderungen i m Preisniveau normalerweise regressiv waren, aber nun einen zufälligen Verlauf nahmen. Derselbe Punkt ist i m Zusammenhang m i t der neuen Idee „rationaler Erwartungsbildung" weiterentwickelt worden [6,12, 13]. Wenn die W i r t schaftsisubjekte ihre ökonomischen Entscheidungen auf rational entwickelte Zukunftserwartungen gründen (d. h. unter Verwendung aller zur Verfügung stehenden Informationen und ökonomischen Erkenntnisse), dann werden sie auch berücksichtigen, was bezüglich der Finanzund Zentralbankpolitik angekündigt oder bekannt ist. Die Konsequenzen sind bemerkenswert und interessant. Die Standard-Phillips-Kurve ist vertikal (d. h., daß zwischen Inflation und Unterbeschäftigung keine Alternative besteht), und die Geldpolitik hat keinen Einfluß auf den Output und die Beschäftigimg, sondern nur auf die Preise. Solche auf rationaler Erwartungsbildung basierende Modelle sollten zwar nicht als genaue Beschreibungen ökonomischen Verhaltens aufge-

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faßt werden. Aber es ist eine empirische Frage, ob sie gerade heutzutage schlechtere Annäherungen an die Realität sind als die verschiedenen ökonometrischen Modelle, auf denen Vorschläge für diskretionäre politische Eingriffe basieren. Aus diesen ökonometrischen Modellen werden optimale diskretionäre politische Maßnahmen abgeleitet, u m einen „tradeoff" zwischen Inflation und Beschäftigung herzustellen. Dies gelingt, weil sie auf Verzögerungsmomenten und ad-hoc-mechanistischen Erwartungsbildungen der Wirtschaftssubjekte beruhen, die i m Sinne der Modelle selbst eindeutig irrational sind 3 . Die neueren Arbeiten über rationale Erwartungsbildung gehen, obw o h l sie i n der monetaristischen Tradition verankert sind, über diese hinaus. Monetarismus basiert nicht auf rationaler Erwartungsbildung und erfordert diese nicht. Tatsächlich müssen sich anerkannte Monetaristen nicht allen diskretionären geldpolitischen Maßnahmen widersetzen. Unter besonderen Umständen können sie sogar von Vorteil sein. Die monetaristische Auffassung geht vielmehr dahin, daß diskretionäre Geldpolitik i n der Vergangenheit nicht immer vorteilhaft war, und ihre Anwendung auch i n Zukunft nicht ohne jede Einschränkung als vorteilhaft angesehen werden kann; diskretionäre Maßnahmen sollten daher auf jeden Fall sehr eingeschränkt und m i t Vorsicht unternommen werden. Da i m übrigen die Aufrechterhaltung eines i n vernünftigem Rahmen konstanten Geldmengenwachstums den Entscheidungsträgern viel zu t u n gibt, ist eine Regelbindung für das monetäre Wachstum alles andere als „passive" Politik. Monetaristen stimmen m i t ihren Opponenten nicht über den Grad an ökonomischer Stabilität überein, der m i t einer Politik des konstanten oder nahezu konstanten monetären Wachstums erreicht werden kann. Die Monetaristen sagen, daß die so zustande kommende Stabilität (die nicht mehr durch binnenwirtschaftliche Einflüsse gestört wird) wahrscheinlich die beste ist, die erreicht werden kann, und deshalb „gut genug" ist. Die Opponenten sagen, sie sei „nicht gut genug", und meinen, sie wüßten, wie man es besser macht. Die Frage t r i f f t den K e r n der Auseinandersetzung und scheint beim Stande der gegenwärtig verfügbaren Evidenz einer für alle zufriedenstellenden Lösung nicht zugänglich zu sein. Dazu brauchen w i r Erfahrungen m i t einem konstanten monetären Wachstum. Die deutsche Geldpolitik hat sich i n diese Richtung bewegt, und der 3 Als einer, der dazu beigetragen hat, Hypothesen über mechanistische Erwartungsbildungen in einer Studie über Hyperinflationen zu popularisieren (lange bevor Erwartungsbildungshypothesen in empirische Modelle Eingang fanden), begrüße ich Arbeiten zur rationalen Erwartungsbildung als sinnvolle Ergänzung.

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Federal Reserve Board i n den Vereinigten Staaten hat dies unter dem Druck des Kongresses ebenso getan. Vielleicht w i r d die Zukunft die notwendig Evidenz bringen. M a n muß Verständnis dafür haben, daß ein i n vernünftigem Rahmen konstantes monetäres Wachstum, das mitten i n einer rapiden Inflation und Desorganisation der Weltwirtschaft eingeführt wird, mehr als nur einige wenige Jahre benötigt, u m vorteilhafte Wirkungen zu zeigen. Auseinandersetzungen tendieren dazu, extreme Ansichten zu betonen. Man sollte daher hervorheben, daß Monetaristen nicht etwa behaupten, daß ein i m wesentlichen konstantes monetäres Wachstum (und dessen notwendige Konsequenz, nämlich frei floatender Wechselkurse) zu einem von Störungen und Schwankungen des wirtschaftlichen Geschehens freien tausendjährigen Reich führen. Sie behaupten nur, daß die ökonomische Instabilität wesentlich geringer sein w i r d als i n der Vergangenheit. Monetaristen mögen untereinander darüber unterschiedlicher Auffassung sein, ob einige diskretionäre geldpolitische Maßnahmen und kurzfristige Veränderungen des Geldmengenwachstums bei sonst konsistenter Politik von Vorteil und einen Versuch wert sind. Wegen der W i r kungsverzögerungen beim monetären Wirkungszusammenhang w i r d jedoch diskretionäre Geldpolitik eine Politik konstanten Geldmengenwachstums bestenfalls nur geringfügig übertreffen; schlechtere Resultate sind hingegen eine reale Gefahr.

I V . Ist diskretionäre Fiskalpolitik erforderlich? Monetaristen w i r d vorgeworfen, daß sie die Ansicht vertreten, die Fiskalpolitik sei ohne Wirkung. Dies t r i f f t nicht zu. Die Verteidigung derartiger Wirkungen, die von Fiskalisten vertreten wurde, ist vielmehr eine A n t w o r t auf ein anderes monetaristisches Argument. Sie sagen nämlich, daß die i m allgemeinen der Fiskal- gegenüber der Geldpolitik eingeräumte Präferenz ein Nachteil ist, und daß die Priorität umgekehrt werden sollte. Fiskalpolitische Maßnahmen (insbesondere Ausgaben zur Beseitigung von Arbeitslosigkeit) haben offensichtlich kurzfristige W i r kungen; nichts i m monetaristischen Denken steht ihrer Verwendung für kurzfristige Stabilisierungszwecke entgegen, insbesondere angesichts der langen Wirkungsverzögerungen bei der Geldpolitik. Friedman hat ζ. B. auf die vorteilhaften automatischen kurzfristigen Stabilisationseffekte des öffentlichen Budgets hingewiesen und vorgeschlagen, diese nichtdiskretionär einzusetzen. Man könnte auch ernsthaft über eine aktive diskretionäre Fiskalpolitik nachdenken [2]. I n theoretischer Sicht sehe ich keinen grundsätzlichen Konflikt einer solchen Auffassung m i t dem Monetarismus.

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Die Auseinandersetzung entsteht wegen der Durchführung der Fiskalpolitik i n der Praxis. Hier beurteilen die Monetaristen die Glorifizierung der Fiskalpolitik skeptisch. Wenn Monetaristen die Erfahrungen m i t der Fiskalpolitik aufrechnen, dann haben öffentliche Ausgabenveränderungen ebenso lange administrative Verzögerungen wie die „outside lags" der Geldpolitik. Antizyklische Steuersatzveränderungen, auf die sich die fiskalische Stabilisierungspolitik i n den Vereinigten Staaten konzentriert hat, haben wiederum nur unsichere Wirkungen auf die Verbrauchsausgaben. Wegen Prognosefehlern ist der Stabilisierungsbeitrag der Steuerpolitik i n mäßig ausgeprägten Konjunkturzyklen ohnehin fragwürdig. I n ernsten, langanhaltenden Rezessionen ist er hingegen wahrscheinlich sinnvoll u n d auch allgemein anerkannt. Wie dem aber sei, Steueränderungen zu Stabilisierungszwecken sind i n Demokratien wegen ihrer Wirkungen auf die Einkommensverteilung nur schwer zu kontrollieren. Die Konsequenzen daraus sind die bekannte Präferenz demokratischer Regierungen für Steuersenkungen und die Aufrechterhaltung von Budgetdefiziten, auch wenn diese unangebracht sind. Aber vielleicht sind die Probleme der Fiskalpolitik nicht unüberwindlich, sie sind jedoch gewaltig. Zunächst sollten jedenfalls die monetaristischen Vorschläge von großen Gruppen anderer Ökonomen nicht aggressiv aufgefaßt werden, eingeschlossen die Neo-Keynesianer, die trotz allem die Erfolgsaussichten eines stabilen monetären Wachstums bezweifeln. Ob diskretionäre fiskalpolitische Maßnahmen trotz ihrer Risiken zusätzlich wünschenswert sind, hängt davon ab, wie erfolglos eine monetaristische Politik sein wird. Die monetaristische Position ist die, daß nach einigen Jahren eines i m wesentlichen stabilen monetären Wachstums, diskretionäre fiskalpolitische Veränderungen als Stabilisierungsinstrument nicht mehr erforderlich sind. V. Abschließende Bemerkung Aus der dargestellten Diskussion geht hervor, daß der Monetarismus aus meiner Sicht mehr eine Sammlung von Vorschlägen zur Wirtschaftspolitik und der sie unterstützenden empirischen Forschungstätigkeit ist als ein besonderes theoretisches Modell der Volkswirtschaft. I m K e r n der monetaristischen Auffassung steht, daß Geld sehr wichtig ist, und daß ein i m wesentlichen stabiles monetäres Wachstum i m Mittelpunkt der Stabilisierungspolitik stehen sollte 4 . 4 U m Mißverständnisse zu vermeiden, sollte ich hinzufügen, daß dies eine Politik für eine Volkswirtschaft ist, die sich bereits auf dem gewünschten Wachstumspfad befindet. Wenn w i r jedoch, wie in der Inflation von 1975 - 76, weit vom gewünschten Wachstumspfad entfernt starten, dann können wir uns diesem nur allmählich nähern.

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Philip Cagan Literaturverzeichnis

[1] Milton Friedman, The Effect of a Full-Employment Policy on Economic Stability: A Formal Analysis, in seinen Essays in Positive Economics, Chicago, 1953. — [2] Milton Friedman, A Monetary and Fiscal Framework for Economic Stability, American Economic Review, June 1948, 245-64, wieder abgedruckt in seinen Essays, ibid. — [3] Milton Friedman und Anna J. Schwartz, A Monetary History of the United States 1867-1960, National Bureau of Economic Research, 1963. — [4] John R. Hicks, Mr. Keynes and the "Classics", A Suggested Interpretation, Econometrica, 1937, wieder abgedruckt in W. Fellner und Β. F. Haley (Hrsg.), Readings in the Theory of Income Distribution, Philadelphia, 1946. — [5] Benjamin Klein, Our New Monetary Standard: The Measurement and Effects of Price Uncertainty, 1880-1973, Economic Inquiry, Dec. 1975, 461 - 84. — [5 a] Levis A. Köchin, Are Future Taxes Anticipated by Consumers? Journal of Money, Credit and Banking, Aug. 1974, 385 - 94. — [6] Robert E. Lucas Jr., Econometric Policy Evaluation: A Critique, manuscript, 1973, in Kürze in einem von K a r l Brunner herausgegebenen Band, der bei North Holland erscheinen wird. — [7] A. James Meigs, Money Matters, Harper and Row, 1972. — [8] Lawrence H. Meyer und William R. Hart, On the Effects of Fiscal and Monetary Policy: Completing the Taxonomy, American Economic Review, September 1975. 762 - 67. — [9] Lloyd W. Mints, A History of Banking Theory, Chicago, 1945. — [10] Ibid., Monetary Policy for a Competitive Society, McGraw Hill, 1950. — [11] D. H. Robertson, Lectures on Economic Principles, vol. I l l , Staples Press, London, 1959. — [12] Thomas J. Sargent und Neil Wallace, Rational Expectations and the Theory of Economic Policy, Federal Reserve Bank of Minneapolis, Studies in Monetary Economics 2, June 1975. — [13] Dieselben, Rational Expectations, the Optimal Monetary Instrument, and the Optimal Money Supply Rule, Journal of Political Economy, April 1975, 241 - 54. — [14] Henry C. Simons, Economic Policy for a Free Society, Chicago, 1948. — [15] Jerome L. Stein (Hrsg.), Monetarism, North Holland, Amsterdam, 1976. — [16] Jacob Viner, Studies in the Theory of International Trade, Harper, 1937.

Die theoretische „Nicht-Kontroverse" um den Monetarismus Von Benjamin M. Friedman, Cambridge/Mass.* I. Vorbemerkung Während der zwei Jahrzehnte seit der Veröffentlichung der „Studies i n the Quantity Theory of Money" [20] ist die Kontroverse um den Gehalt und die relativen Vorzüge dessen, was später „Monetarismus" genannt worden ist, erst herangereift, dann ausgereift und beginnt nun sogar, überreif zu werden. M i t Thomas Mayers [28] ausgezeichnetem systematischen Uberblick drängt sich die Frage auf, ob die Zeit für eine Bestandsaufnahme nicht vielleicht gekommen ist. Was also war „die monetaristische Kontroverse" überhaupt? Eine A n t w o r t auf die Frage nach dem allgemeinen Einfluß der m i t der monetaristischen Kontroverse verbundenen Diskussionen geht dahin, daß die meisten Ökonomen den makroökonomischen Prozeß heute anders sehen, als sie es vor 20 Jahren getan hätten. I n scharfem Gegensatz zu den Ansichten, die i m Sog der Untersuchungen von Oxford [3, 29] und der Harvard Business School [15] vorherrschend waren, sind die meisten Ökonomen heute der Meinung, daß die Geschehnisse auf den Finanzmärkten für die Bestimmung nicht-finanzieller ökonomischer A k t i v i t ä t eine wichtige Rolle spielen. Der Zusammenhang zwischen Preisen, Erträgen und Mengen von Vermögenstiteln — „Geld" nicht ausgeschlossen— „spielt eine Rolle". Was i n ökonomischen Diskussionen jedoch zu oft untergeht, ist die Unterscheidung zwischen empirischen und theoretischen Hypothesen. Diese Unterscheidung ist für die Einschätzung der monetaristischen Kontroverse besonders wichtig. Je mehr die Hauptbeteiligten an der Debatte zunehmend präzise herausgearbeitet haben, was sie über bestimmte Fragen denken, ist es immer klarer geworden, daß der charakteristische Gehalt des Monetarismus ein Bündel empirischer Hypo* Der Autor, Assistant Professor of Economics an der Harvard University, ist der National Science Foundation für die Zuwendung SOC 74 — 21027 und James Duesenberry, Michael Hamburger, Thomas Mayer und Allan Meitzer für hilfreiche Kommentare zu einer früheren Fassung dieses Beitrags zu Dank verpflichtet. — Ubersetzung: Brita Grosseschmidt, Düsseldorf. Amerikanische Fassung: Kredit und Kapital, 9. Jg. (1976), S. 347 ff. 9 Beihefte zu Kredit und Kapital 4

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thesen ist. Die Kontroverse hat andererseits die Forscher i n beiden Lagern ermuntert, auch ihre theoretische Analyse zu schärfen und zu erweitern. Als Ergebnis kann man indessen festhalten, daß jene Lektionen, die die Ökonomen bislang vom Monetarismus gelernt und übernommen haben, primär Lektionen über empirische Fragestellungen sind. Daraus folgt weiter, daß die verbleibenden Streitpunkte heute (die monetaristische Kontroverse ist nicht vorüber und w i r d es vermutlich niemals sein) ebenfalls primär empirische Fragen bezüglich relativer Varianzen und Elastizitäten zur Unterscheidung der Effekte erster und η-ter Ordnung und ähnliches umfassen. Vom theoretischen Standpunkt hat die Kontroverse heute den Zustand einer „Nicht-Kontroverse" erreicht.

I I . Theorie und Empirismus in Mayers Systematik Mayers Ubersichtsartikel stellt zwölf Thesen als die grundlegenden Bausteine der Glaubensstruktur heutiger „monetaristischer" Ökonomen heraus. Obwohl weite Teile seiner Arbeit die Beziehungen zwischen diesen zwölf Thesen sorgfältig herausarbeiten und zeigen, w a r u m ein Anhänger der einen These durchaus auch anderen aus derselben Sammlung anhängen mag, gab Mayer sich auch beträchtliche Mühe darzulegen, daß die Annahme oder das Verwerfen aller zwölf Thesen zusammen keine notwendige Bedingung für konsistentes analytisches Denken ist. Von Mayers zwölf Thesen ist keine einzige i n ihrem charakteristischen Gehalt theoretischer Natur. U m es anders auszudrücken, während jeder dieser Hypothesen irgendeine theoretische Struktur zugrunde liegt, umfaßt diese theoretische Basis i n jedem Fall nicht mehr und nicht weniger als das, was die meisten „keynesianischen" Ökonomen heutzutage ebenfalls glauben. Was die meisten dieser „monetaristischen" Thesen von dem unterscheidet, was ein „keynesianischer" Ökonom meinen dürfte, ist ihre explizite Aussage über die Größe einer oder mehrerer Parameter des üblichen zugrundeliegenden theoretischen Rahmens, den Monetaristen und Keynesianer gleichermaßen akzeptieren 1 . Was an1 Man kann die empirische / theoretische Unterscheidung natürlich trivialisieren, indem man entweder sagt, daß alle Modelle Spezialfälle eines allgemeineren Modells mit bestimmten Parametern sind, die entweder gleich Null oder Unendlich gesetzt werden, oder daß viele theoretische Hypothesen Gegenstand empirischer Untersuchung sind. Verfährt man so, so entledigt man sich jedoch eines nützlichen Konzepts, das insbesondere für die Betrachtung der Entwicklung der monetaristischen Kontroverse im allgemeinen und Mayers Übersichtsartikel i m besonderen von Bedeutung zu sein scheint. I n einem gewissen Umfang besteht der Prozeß wissenschaftlicher Auseinandersetzung darin, theoretische Meinungsverschiedenheiten über verschiedene Paradigmen in eine Übereinstimmung über ein gemeinsames Paradigma zu verwandeln (das, wenn es geeignet erscheint, Gegenstand empirischer Untersuchung sein kann).

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sonsten Mayers Thesen betrifft, so ist ihr charakteristischer Gehalt eine Frage persönlicher Präferenzen; solche sind entweder implizite Annahmen über empirische Fragen wie die Größenordnung von Parameterwerten oder es handelt sich um nicht diskutierbare und nicht erklärbare Geschmacksfragen, über die sich nicht streiten läßt. Eine kurze Betrachtung von elf der Mayerschen Thesen — seine Behandlung des „monetaristischen Modells des Transmissionsprozesses'' w i r d i m Augenblick beiseite gelassen — läßt erkennen, welche Thesen empirischer Natur und welche i n persönlichen Präferenzen begründet sind: Die Quantitätstheorie des Geldes i m Sinne einer Dominanz des Einflusses monetärer Faktoren auf das Nominaleinkommen (Mayers These 1) ist zweifellos eine empirisch begründete Vorstellung. Sie schließt nicht-monetäre Einflüsse nicht aus, sondern behauptet nur einfach (wahrscheinlich i m Sinne einer Varianzanalyse), daß sie hinter monetären Faktoren zurückstehen 2 . Darüber hinaus ist hier — wie Mayers Diskussion der Quantitätstheorie klar macht — das Nettoergebnis monetärer Einflüsse auf das Nominaleinkommen relevant und nicht die spezielle Weise, i n der diese Einflüsse zustande kommen. I m Begriffsapparat formaler Kausalmodelle liegt dabei eine Hypothese über die Größenordnungen von Koeffizienten der reduzierten Form sowie über die Varianzen von als exogen angenommenen Faktoren vor, nicht aber eine über die Spezifikation des zugrundeliegenden strukturellen Systems. Die Stabilität des privaten Sektors (These 3 ) ist (zumindest i m Kontext der monetaristischen Kontroverse) ebenfalls ein empirisches Problem 3 . E i n gegebenes System ist je nach den Werten bestimmter Parameter 4 typisch stabil oder instabil, und zwar i n beiden Fällen oszillatorisch oder monoton. Bei der Bedeutung, die die Stabilitätsfrage für die monetaristische Kontroverse hat, ist es genauso wichtig zu wissen, daß die Zeit, die ein gestörtes stabiles System für die Rückkehr zum Gleichgewicht benötigt, ebenfalls von bestimmten Schlüsselparameterwerten abhängig ist. Deshalb ist die Frage der Stabilität des privaten Sektors von Anfang an eine empirische Frage. 2 Diskussionen darüber, ob die relevante zu erklärende Variable die Varianz des Nominaleinkommens oder die Varianz um den Trend sei oder welches die für die Schätzung dieser Varianzen relevante Zeiteinheit sei, ändern nichts an der grundsätzlich empirischen Natur der quantitätstheoretischen These. 3 I n Anlehnung an Clower [13] und Leijonhufvud [27] haben eine Anzahl von Autoren in jüngerer Zeit diese Frage in einem theoretischen Zusammenhang untersucht, der mit der monetaristischen Kontroverse noch keine Berührung gefunden hat. Tobins Beitrag [45] zu diesem Schrifttum führt ihn am dichtesten an die vom Monetarismus aufgeworfenen Fragen heran. 4 Für eine Diskussion dieses Stabilitätsaspekts in Zusammenhang mit Cagans Geldnachfragemodell in [12] vgl. Friedman [17].

*

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Die Leugnung der Bedeutung allokativer Details (selbst für kurze Frist) zusammen m i t der daraus folgenden Annahme eines funktionsfähigen Kapitalmarktes (These 4) ist wieder eine grundlegend empirische Frage der Trennung primärer von zweitrangigen Effekten. Sicher würde Mayer nicht behaupten wollen, Monetaristen seien der Ansicht, das ökonomische System funktioniere vollständig friktionsfrei. Das w ü r de bedeuten, daß für jeden enttäuschten Möchtegern (-Bauherrn), der keinen Hypothekarkredit bekommen kann, wenn die kurzfristigen Marktzinssätze die Höchstsätze für Spareinlagen überschreiten, irgend jemand anderes einspringt, der irgendwo i n der Wirtschaft i n genau demselben Umfang Nominalausgaben tätigt; oder daß jeder i n dürftigen Verhältnissen lebende Medizinstudent dies aus Gründen persönlicher Präferenzen oder aufgrund von Zweifeln über seine zukünftigen Erwerbschancen und nicht wegen der Risikoaversion der Banken tut, die sich i n ihren Kreditvergabepraktiken niederschlägt. Mayer kennzeichnet den monetaristischen Ansatz i n dieser Hinsicht dahingehend, daß er die Ausgabentätigkeit als von der Nettoüberschußnachfrage nach einem einzigen A k t i v u m (der Realkasse) bestimmt ansieht. E i n kurzer Blick auf Friedmans „Restatement" [21] zeigt aber, daß die Nettoüberschußnachfrage nach anderen A k t i v a (ζ. B. Produktivkapital, Läger, Häusern, langlebigen Konsumgütern) theoretisch ebenfalls von Belang sein kann. Wie die Bejahung der Quantitätstheorie, so spiegelt das Auslassen des spezifischen Moments der Zusammensetzung eher empirische als theoretischen Einschätzungen wider 5 . Da Mayers erste vier Thesen die bekanntesten und wichtigsten Elemente des heutigen „Monetarismus" sind, können die verbleibenden acht noch kürzer abgehandelt werden. Die Konzentration auf das allgemeine Preisniveau anstatt auf die Preise einzelner Sektoren (These 5) und die Verwendung kleiner anstelle großer ökonometrischer Modelle (These 6) sind Elemente einer Forschungsstrategie, die natürlich aus der empirischen Außerachtlassung der Bedeutung allokativer Detaildarstellung folgt 6 . Der Einsatz der Reservebasis als Instrument der Geldpolitik (These 7) und die Verwendung der Geldmenge als Zwischenziel (These 8) stellen nur unter der Bedingung bestimmter Parameterwerte optimale geldpolitische Verfahren dar, wie Poole [38] sowie Pierce und Thomson [37] i n ihren Analysen dieser zwei Gegenstände jeweils gezeigt haben 7 . 5 Mayers eigene Ausführungen zu dieser These legen die Vermutung nahe, daß sich das, was er im Sinn hatte, besser mit „Nebensächlichkeit" als mit „Irrelevanz" beschreiben läßt. β Teile von Mayers Diskussion der Preisniveaufrage scheinen auf ein fundamentales theoretisches Problem hinzudeuten, aber die Ausführungen sind in dieser Hinsicht wenig überzeugend.

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Eine Regel konstanten Geldmengenwachstums (These 9) ist dann — und nur dann — eine optimale geldpolitische Strategie, wenn die Varianz einiger bedeutsamer Finalform-Parameter des ökonomischen Systems unendlich ist oder wenn vollkommene Risikoaversion besteht. Genauso stellt eine vollständig aktivistische, am Sicherheitsäquivalent orientierte Politik dann (und nur dann) die optimale geldpolitische Strategie dar, wenn die Varianzen aller relevanten Finalform-Parameter des ökonomischen Systems gegen N u l l gehen (oder wenn die Risikoaversion N u l l ist). Ob der optimale Grad an Steuerungsaktivität i m allgemeinen näher an der nicht-diskretionären Regel der Konstanz oder näher am Sicherheitsäquivalent liegt, hängt, wie Brainard [8] gezeigt hat, direkt von der Struktur der Varianzen und Kovarianzen der Finalform-Parameter des Systems ab 8 . Somit ist die Vorliebe für eine konstante nichtdiskretionäre Steuerungsregel (als erste Annäherung an die optimale wirtschaftspolitische Strategie) implicite ein Urteil über Parameterwerte. Der Glaube an das Nichtvorhandensein einer Alternative zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit (These 10) ist, wie ein Vergleich der A n sichten von Phelps-Friedman [23, 35, 36] und Tobin [44] über die Phillipskurve zeigt, weitgehend eine empirische Hypothese die Geldlohnillusion betreffend. Größere Sorge vor Inflation als vor Arbeitslosigkeit (These 11) und die Abneigung gegenüber staatlicher Intervention (These 12) sind sicher eine Frage persönlicher Präferenzen. Sie mögen empirische Einschätzungen widerspiegeln (ζ. B. daß die Wirtschaft nach einer kontraktiven Störung schnell zum Vollbeschäftigungsgleichgewicht zurückkehrt oder daß eine Kombination von Gier und Dummheit demokratisch gewählter Volksvertreter typischerweise dazu verleitet, die falschen Dinge zu tun), oder sie mögen auch ein Reflex mehr abstrakter philosophischer Prinzipien sein. I n beiden Fällen sind sie ohne theoretischen Gehalt i m makroökonomischen Sinn. M i t Ausnahme des „monetaristischen Modells des Transmissionsprozesses" zielt demnach keine der charakteristischen „monetaristischen" Thesen Mayers i n ihrem grundsätzlichen unterscheidenden Gehalt auf ein theoretisches makroökonomisches Problem.

7 Das Indikator-Problem ist nicht eindeutig definiert und für die Geldpolitik nicht wichtig, solange der Indikator nicht mit dem Instrument identisch ist, das die Zentralbank fixiert; vgl. Friedman [16]. 8 Friedman [19] faßt in seiner klassischen Behandlung dieses Problems den relevanten Teil der Varianz-Kovarianz-Struktur in einem einzigen Korrelations-Koeffizienten zusammen.

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Benjamin M. Friedman Ι Π . Mayer über die monetaristischen Ansichten zum Transmissionsmechanismus

Wie verhält es sich m i t dem Transmissionsmechanismus? I m Rahmen der Kontroverse u m den Monetarismus ist dieser Ausdruck zu einem vertrauten Kürzel für die Kennzeichnung des Teils der Struktur des ökonomischen Systems geworden, der sich auf den Einfluß des Geldes auf das Nominaleinkommen (oder was immer das Geld sonst beeinflussen mag) bezieht. Daher ist die Diskussion des Transmissionsmechanismus fast schon ex deflnitione ein Kernstück des theoretischen Gehalts, den die monetaristische Kontroverse gehabt haben mag. Mayers Behandlung des monetaristischen Modells des Transmissionsprozesses stellt vier Elemente heraus, die wahlweise als „ . . . materielle(r) Unterschied(e) zwischen den keynesianischen und monetaristischen Transmissionsprozessen" und als „ . . . Bindeglied zwischen der Hypothese des Primats von Geldmengenänderungen und der monetaristischen — i m Gegensatz zur keynesianischen — Version des Transmissionsprozesses" gekennzeichnet werden: (1) die Stabilität der Geldnachfrage, (2) die Meßbarkeit des Geldes i m Verhältnis zu derjenigen der Zinssätze, (3) das Spektrum der Aktiva, die Berücksichtigung finden, und (4) die relativen Preis- und Mengeneffekte, die von Brunner und Meitzer diskutiert werden. Wegen der zentralen Bedeutung, die der These des Transmissionsprozesses für die gesamte Frage des theoretischen Gehalts — oder seines Mangels — i n der monetaristischen Kontroverse von heute zukommt, ist es nützlich, jede der vier Unterthesen gesondert zu behandeln. Zunächst bürdet ein kurzer Blick auf Seite 167 der „Allgemeinen Theorie" [26] sofort jedem hoffnungsvollen Exegeten, der den Glauben an die theoretische Instabilität der Geldnachfrage als Teil des üblichen keynesianischen Rüstzeugs behaupten w i l l , die Beweislast auf. Lassen sich die Argumente für eine Verhaltensgleichung erst einmal spezifizieren, wie Keynes es i n seinem berühmten Ausdruck M = L j ÎY) + L2 (r) getan hat, dann sind die zwei bekanntesten Vorstellungen über die Stabilität dieser Beziehung (die Varianz der impliziten additiven Restschwankung und die Varianz-Kovarianz-Struktur der Koeffizienten der rechten Seite der Gleichung) beide empirische Fragen. Mayers Unterscheidung zwischen „numerischer" und „funktioneller" Stabilität ist i n ihrem K e r n einfach eine Frage nach den Variablen, die auf die rechte Seite der Verhaltensgleichung gehören. Die meisten Ökonomen würden behaupten, daß die schlichte Geldnachfragefunktion M = f (Y), die ζ. B. Friedman [22] verwendet, i n dem Sinne instabil sei, daß sie den systematischen Einfluß des aktuellen Zinssatzes, wie er i n dem lagerhaltungstheoretischen Modell von Baumol [4] und Tobin [40]

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berücksichtigt wird, außer acht läßt. Die stabile Beziehung wäre M = f (Y, r). Ähnlich würde eine strenge Interpretation des keynesianischen Modells der spekulativen Geldnachfrage implizieren, daß die Funktion M = f (Y, r) ebenfalls instabil ist, weil sie den Unterschied zwischen dem aktuellen und dem zukünftig erwarteten Zinssatz vernachlässigt. Die stabile Beziehung wäre demnach M = f{Y,r,r — r e). Das Argument i n bezug auf andere theoretisch bestimmte Variablen wie ζ. B. die erwartete Inflationsrate oder genauer gesagt die institutionellen Einflüsse auf die Geldnachfrage wie etwa Höchstzinssätze für Einlagen (oder ζ. B. auch Zinsverbot für Sichteinlagen) läuft genau analog. Hat man sich erst einmal über die Spezifikation der Verhaltensgleichung geeinigt, so werden Fragen der Stabilität zu empirischen Problemen der Varianzanalyse. Da Friedmans „Restatement" eine theoretische Spezifikation der Geldnachfragefunktion anbietet, die auf der rechten Seite der Gleichung viele Variablen zuläßt, und da die empirischen Arbeiten der Monetaristen zur Geldnachfrage meistens 9 (wie der kürzlich von Goldfeld [25] zusammengefaßte keynesianische Ansatz) Zinssätze auf der rechten Seite als Variablen enthalten, ist es klar, daß die Stabilität der Geldnachfragefunktion i n jeder ihrer verschiedenen Versionen eher ein empirisches als ein theoretisches Problem ist 1 0 . Wie verhält es sich zum einen m i t der „Liquiditätsfalle", die i n der Literatur zur Geldnachfrage vor einigen Jahren viel Aufmerksamkeit gefunden hat? Wie steht es zum anderen m i t den i n letzter Zeit heftig diskutierten „Crowding-out"-Effekten, die m i t kreditfinanzierten Maßnahmen der Fiskalpolitik verbunden sind? Beide Themen enthalten essentiell empirische Fragen nach der Stabilität der Geldnachfragefunktion i n bezug auf die Existenz einer Vermögensvariablen oder einer Gesamtvermögensrestriktion. Die keynesianische Liquiditätsfalle erfordert die Funktion M = f (Y, r) i n einer Form, die an irgendeinem Punkt r* nicht einwertig und für r < r* nicht definiert ist 1 1 . I m Vergleich dazu gibt die kontinuierlich und umfassend definierte Funktion M = f (Y, r, W) dann eine Liquiditätsfalle wider, wenn für r < r* ^

= 1 gilt. Ähnlich

hängt, wie Blinder und Solow [5, 6] und Tobin [46] gezeigt haben, die Mechanik der „Crowding-out"-Analyse davon ab, ob sich die Funktion M = f (Y, r) verlagert, wenn dem System von außen Wertpapiere zu9

Für ein frühes Beispiel vgl. Meitzer [30]. Nach Friedman [16] ergibt sich, daß die Verwendung der Geldmenge als einfache Zwischenzielvariable nur dann die optimale geldpolitische Strategie darstellt, wenn die Geldnachfragefunktion sowohl zinsunelastisch als auch vollständig stabil im Sinne einer Varianz der Restschwankungen von Null ist. 11 Formuliert man das Problem in dieser Weise, so lassen sich die Schwierigkeiten der Ausführungen von Patinkin [34, Kapitel 14] vermeiden, nach denen die Vorstellung von einer Liquiditätsfalle ein logischer Widerspruch per se ist. 10

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geführt werden. Einfach ausgedrückt geht es hier darum, daß die Funktion M = f (Y, r) instabil ist, weil die korrekt spezifizierte Geldnachfragefunktion M = f (Y, r, W) lauten sollte. Das Problem besteht abermals nicht darin, ob die Geldnachfrage eine stabile Verhaltensfunktion oder ein unsystematisches Ergebnis ist, sondern ob eine bestimmte Spezifikation dieser Beziehung dadurch als „instabil" erscheinen kann, daß der additiven Restschwankung und den verschiedenen auf der rechten Seite aufgeführten Koeffizienten Wirkungen zugerechnet werden, die auf die systematische Abweichung einer nicht berücksichtigten Variablen zurückgehen. Fragen dieser A r t sind empirischer Natur und liegen weit außerhalb der „Stabilitäts"-Thematik, wie Mayer sie auf die monetaristische Kontroverse bezogen hat 1 2 . Das zweite Problem, das m i t Mayers Behandlung des „Transmissionsmechanismus" aufgeworfen wird, ist das relative Ausmaß der Meßprobleme i n Verbindung m i t der „Geld — versus — Zinssatz"-Debatte. Wie sich aus Mayers Diskussion ergibt, entspricht keinem dieser beiden Konzepte notwendigerweise eine Menge oder ein Preis, die direkt beobachtbar sind. Veränderungen der erwarteten zukünftigen Inflationsrate und der Risikodifferenzen der Vermögenstitel machen die Identifikation „des" Zinssatzes schwierig. Veränderungen des Anlageverhaltens und institutioneller Bedingungen komplizieren die Identifikation „der" Geldmenge. Es läßt sich a priori nicht entscheiden, welche Schwankungsquellen i n einer gegebenen Wirtschaft gravierender sind. Die A n t w o r t muß Ergebnis empirischer Beurteilung sein. Wie würde man darüber hinaus (selbst wenn die genauen Varianzen der zwei jeweiligen Meßfehler bekannt wären) ihre relative Bedeutung bewerten, d.h. ihren relativen Beitrag zur Prognose- oder Steuerungsvarianz des Nominaleinkommens oder irgendeiner anderen Schlüsselvariablen, die das letztliche Entscheidungskriterium darstellt? Ist eine Meßfehlervarianz für den Zinssatz von x\ °/o pro Jahr mehr oder weniger unangenehm als eine Meßfehlervarianz für die Geldmenge v n #2 Mrd. Dollar zum Quadrat? Die A n t w o r t setzt empirische Informationen über wichtige Aspekte des gesamtwirtschaftlichen Systems voraus. E i n anderes potentielles Problem, das sich auch nicht a priori ausschalten läßt, besteht i n diesem Zusammenhang darin, daß ein Vergleich der 12 Der Anhang von Ando-Shell zu Ando und Modigliani [2] ist in dieser Hinsicht recht ungewöhnlich, da er die Unabhängigkeit der Geldnachfrage von einer Vermögensvariable theoretisch zu zeigen versucht (statt wie Goldfeld [25] zu argumentieren, daß eine Vermögensabhängigkeit a priori einsichtig, empirisch jedoch nicht signifikant ist). Dieser Standpunkt ist insofern keynesianisch, als er das „Crowding-out"-Problem vermeidet, insoweit aber anti-keynesianisch, als er eine Liquiditätsfalle ausschließt. (Beide Hypothesen erfordern jedoch eine Neuformulierung in einer Geld-Welt bei kurz- und langfristiger Betrachtung und nicht in einer Geld-Wertpapiere-Welt.)

Die theoretische „Nicht-Kontroverse" um den Monetarismus

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jeweiligen Meßfehlerquellen bei dem Zinssatz und der Geldmenge für verschiedene Zeiteinheiten zu einem unterschiedlichen Ergebnis führen könnte. Wie soll man sich entscheiden, wenn sich die Inflationserwartungen, die bei der Identifizierung „des" Zinssatzes zu Meßfehlern führen, je Quartal nur langsam verändern, i m Verlauf einer Dekade aber zu großen Abweichungen führen, während die institutionellen Faktoren, die bei der Identifizierung irgendeines bestimmten als „die" Geldmenge beobachtbaren Aggregats zu Meßfehlern führen, schon von Quartal zu Quartal heftige Variationen auf weisen, sich jedoch i m Verlauf einer Dekade i m großen und ganzen ausgleichen? Selbst die Wahl der richtigen Zeiteinheit für einen solchen Vergleich ist wesentlich ein empirisches Problem. Das dritte von Mayer i m Zusammenhang m i t dem „Transmissionsmechanismus" untersuchte Problem ist das „Spektrum der Vermögenstitel", für die die Nettoüberschußnachfrage i n Reaktion auf einen A n stieg (Rückgang) der Kassenhaltung des Publikums steigen (fallen) kann. Nach einer von Mayer skizzierten, oft wiederholten Ansicht verwenden Monetaristen einen verallgemeinerten Portfolioansatz, nach dem die Reaktion aller „Vermögenstitel", die sowohl Wertpapiere als auch „Realanlagen" wie Kapitalgüter und Konsumgüter umfassen, von N u l l verschieden ist. Keynesianer bedienen sich a priori eines verkürzten A n satzes, bei dem eine Nullreaktion für (nicht-dauerhafte) Konsumgüter unterstellt wird. Wenn dies zutreffend ist, dann würde dieser Unterschied i n der Tat einen wesentlichen Punkt theoretischer Unterscheidung i m K e r n der Monetarismus-Kontroverse bedeuten. Mag die „keynesianische" Hälfte dieser theoretischen Unterscheidung auch eine haltbare Beschreibung des Modells der „Allgemeinen Theorie" selbst sein 13 , so ist sie für die moderne keynesianische Position, die für eine Einschätzung der heutigen Monetarismus-Kontroverse von Bedeutung ist, nichtsdestoweniger i n keiner Weise zwingend. Als wesentlicher Punkt ist zunächst anzumerken, daß die einzige Ausgabenkategorie i n jedwedem Disput der Verbrauch von Dienstleistungen und nicht-dauerhaften Gütern ist. Langlebige Konsumgüter und Wohneigentum werden von Keynesianern wie von Monetaristen analog zu den Kapitalgütern der Unternehmer als Vermögensanlagen behandelt, die Erträge (in Form von Dienstleistungen) erbringen, und i n ein allgemeines Modell der Portfolioentscheidungen miteinbezogen. Die Tatsache, 13

Selbst in der „Allgemeinen Theorie" gründete Keynes seine Vereinfachung auf die empirisch begründete Ansicht, die Zinselastizität des Verbrauchs sei hinreichend gering, um zinsinduzierte Konsumeffekte im Vergleich zu einkommensinduzierten Konsumeffekten, die den Kern des Multiplikatorprozesses bildeten, bei der beobachteten Schwankung der Zinssätze unbedeutend werden zu lassen; vgl. [26, S. 80 f.].

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daß nur Dienstleistungen und nicht-dauerhafte Güter i n Frage stehen, ist insofern wichtig, als diese Ausgabenkategorie ex definitione kein „ A k t i v u m " darstellt, das analog zu allen anderen A k t i v a behandelt werden kann. Wie die Muße ist der nicht-dauerhafte Konsum ein Strom, dessen Integral über die Zeit keine physische Menge darstellt, die gekauft oder verkauft werden kann, sondern einfach eine Anhäufung vergangener und/oder zukünftiger A k t i v i t ä t über die Zeit. Daher ist es zumindest irreführend zu unterstellen, daß erhöhte Kassenbestände „ i m monetaristischen Modell des Transmissionsmechanismus" die Nettoüberschußnachfrage des Publikums nach „ . . . allen A r t e n von Realanlagen" ansteigen lassen, was das Publikum dazu bringt, durch Verausgabung der „ . . . Überschußkasse zum Kauf von . . . Konsumgütern" die Grenzerträge abzugleichen. Wie Merton [31] und Samuelson [39] i m expliziten Rahmen miteinander verknüpfter Spar- und Portfolioentscheidungen gezeigt haben, ist es keineswegs einfach, die Bestimmung einer reinen Stromgröße zusammen m i t Variablen für Vermögensbestände i n ein allgemeines Portfoliomodell zu integrieren. Die Standardlösung dieses Problems ist heutzutage wahrscheinlich das von Modigliani, Brumberg und Ando [1, 33] entwickelte „Lebenszeit"-Sparmodell, nach dem der Wert des Bestandes an Konsumtivvermögen (einschließlich der Kassenhaltung) eine Schlüsseldeterminante für den Strom von Verbrauchsausgaben (einschließlich nicht-langlebiger Güter und Dienstleistungen) ist. Dieses theoretische Modell hat einer beachtlichen Menge an empirischen Arbeiten oft „keynesianischer" Ökonomen als Grundlage gedient, die den Einfluß des Vermögens auf die Verbrauchsausgaben zu ermitteln versuchten 14 . Es gibt a priori keinen Grund, für unterschiedliche A r t e n von Vermögenszuwächsen und verschiedene Ausgabenkategorien eine Gleichartigkeit der Effekte anzunehmen. So sind es empirische Fragen, ob die Kassenhaltung einen genauso großen Effekt hat wie andere Vermögenstitel und ob der nicht-langlebige Verbrauch genauso stark wie andere Ausgaben beeinflußt w i r d 1 5 . Unter dem theoretischen Aspekt der Kennzeichnung von Unterschieden zwischen den monetaristischen und keynesianischen Modellen des „Transmissionsprozesses" zeigt jedoch „das Spektrum der 14

Vgl. zum Beispiel de Leeuw und Grämlich [14], Modigliani [32], Tobin und Dolde [47] und Friend und Lieberman [24]. Viele dieser empirischen Arbeiten haben den Marktwert des Aktienbesitzes der Verbraucher in den Mittelpunkt gestellt. Aber diese Betonung ist angesichts der relativen Größe und Veränderlichkeit der Aktienbestände der Konsumenten im Vergleich zur Kassenhaltung und zu anderen Vermögensformen natürlich. Der springende Punkt ist der, daß die Abhängigkeit des nicht-dauerhaften Konsums von den Kassenbeständen nicht a priori ausgeschlossen wird. 15 Bosworth's Ergebnisse [7] z. B. legen den seltsamen Schluß nahe, daß Wertänderungen des Aktienvermögens den nichtlanglebigen Verbrauch, nicht jedoch den Kauf langlebiger Konsumgüter stimulieren.

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Vermögenstitel", das i m Portfoliomodell berücksichtigt wird, mehr Ubereinstimmungen als Unterschiede. I V . Brunner / Meitzer und Tobin über den Transmissionsprozeß Der vierte „wesentliche Unterschied" zwischen den monetaristischen und keynesianischen Transmissionsprozessen ist i n Mayers Ubersichtsartikel die Brunner-Meltzer-Analyse [9,10], die „ . . . auf einen Prozeß relativer Preise und auf Bestandseffekte abzielt, die das System tendenziell i n Richtung auf ein klassisches und nicht auf ein keynesianisches Gleichgewicht bringen". Da Mayer diesen Unterscheidungspunkt ohne Erklärung nur anführt und das Brunner-Meitzer-Modell etwas schwierig ist, verlangt diese Thematik eine etwas ausführlichere Behandlung. Insbesondere ist ein Vergleich des „monetaristischen" Modells von Brunner und Meitzer m i t einem „keynesianischen" Modell wie dem von Tobin [43] ein nützlicher Weg, das Ausmaß der theoretischen Kontroverse zwischen alternativen Modellen des Transmissionsprozesses zu ermessen. Das Brunner-Meitzer-Modell besteht aus expliziten Darstellungen ökonomischen Verhaltens auf drei Märkten — dem Güter-, dem Bankkredit· und dem Geldmarkt 1 6 . Die Gütermarktgleichungen umfassen (1) die Gleichgewichtsbedingung für den realen Output des privaten Sektors y, (2) die Bestimmungsgleichung der privaten Ausgaben d und (3) des Preisniveaus p: (1) (2) (3)

y = d+ g d = d (i-π, p, p*, P, e, p = p(y,K,v>,

W Ä ), d 3 , d 4 , d 5 , d 6 , d 7 > 0 > d lf d 2 Φ),

Pi, p 3 , p 4 > 0 > p 2

Dabei bezeichnet g die Staatsausgaben, i den nominellen Zinssatz, η die am Kreditmarkt erwartete Inflationsrate, p* das von den Käufern erwartete Preisniveau, Ρ den Preis der vorhandenen Realaktiva, Κ den Bestand an Realkapital, w den Leistungslohnsatz, Φ das von den Anbietern erwartete Preisniveau, und Suffixe zeigen partielle Ableitungen an. Hilfsgleichungen bestimmen (4) das Nicht-Humankapital W n, (5) das Humankapital Wh und (6) den erwarteten Ertrag pro Einheit Realkapital e: (4) (5)

(6)

W n = PK + v (i, τ ) S + (1 + ω) B, WÄ = WÄ(y,r) , e = e (y, τ),

W

Ä j

v t0

e1 > 0

16 Für das hier dargestellte Brunner-Meitzer-Modell vgl. [10]. Dieses Modell hat verschiedene Stadien der Formgebung durchlaufen und ist während einer Reihe von Jahren in mehreren veröffentlichten Quellen erschienen.

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Dabei bedeuten ν den Preis staatlicher Wertpapiere pro Nennbetrag, τ einen Vektor von Steuersätzen, S den Nennwert ausstehender staatlicher Wertpapiere, ω das Verhältnis des Nettowerts des Bankensystems zur Geldbasis und Β die Geldbasis selber. Die Kreditmarktgleichungen stellen (7) eine markträumende Gleichgewichtsbedingung, (8) den Kreditschöpfungsmultiplikator des Geschäftsbankensystems a und (9) die den Banken von den Nicht-Banken angebotene Aktivamenge ο dar 1 7 » 1 8 : (7)

aB = ο

(8)

a = a (i, ρ, Ρ,

(9)

W h, e),

a l f α3, α 4 > 0 > α 2

ο = ο (i-π, Ρ, ρ, ρ*, Φ, e, S, W n, W h), σ3, σ 4 , σ5, σ6, σ 7 > 0 > oh σ 2.

Brunner und Meitzer erkannten den Kreditmarktgleichungen begrifflich die Rolle zu, i zusammen m i t a und ο (unmittelbar) zu determinieren 1 9 . Die Geldmarktgleichungen stellen analog (10) eine markträumende Gleichgewichtsbedingung, (11) den Geldschöpfungsmultiplikator des Geschäftsbankensystems m und (12) die vom Nicht-Bankensektor gewünschte nominale Geldmenge L dar 2 0 : (10)

mB = L

(11)

m = m (i, ρ, Ρ, W n, W h),

(12) L· = L (i, ρ*, Φ, e, ρ, Ρ,

ml t m2>

0 > m3, m 4

W Ä ), L 5 , L 6 , L 7 , L 8 > 0 > L^ Lg, Lg, L 4 .

Brunner und Meitzer erkannten den Geldmarktgleichungen begrifflich die Rolle zu, Ρ zusammen m i t m und L (unmittelbar) zu determinieren. 17 Obwohl das Modell in der in [10] vorgelegten Form Termineinlagen nicht erwähnt, müssen Termineinlagen als zusätzlicher Vermögenstitel im Modell vorhanden sein, damit die Kredit- und Geldschöpfungsmultiplikator-Funktionen des Bankensystems nicht inkonsistent werden; vgl. Friedman und Froewiss [18]. Einige frühere Fassungen des Modells enthielten den Zins auf Termineinlagen i t als explizites Argument der Gleichungen (8) und (9), und Brunner und Meitzer haben in [11] klargestellt, daß die Version des Modells in [10] das implizite Vorhandensein von i t in diesen zwei Gleichungen unterstellt. ôa 18 I n der früheren Fassung in [9] finden sich die Spezifikationen τ — > 0,

η



,

-τ— 0.

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Die letzte Komponente des Modells ist die Darstellung der Holle des Staates i n der Wirtschaft. Die fiskalische Budgetrestriktion ist (13)

pg + wlg + IS — t — Β + S

wobei pg und wlg staatliche Käufe von Gütern resp. von Arbeitsleistungen bedeuten; Hilfsgleichungen bestimmen (14) die Zinszahlungen I pro Nennwerteinheit der Staatsschuld und (15) die Steuereinnahmen t: (14) (15)

1 = 1 (i), t = t (p, y, wlg, τ)

l

t

> 0 t l f t 2, t 3 > 0

Die Finanzierungsstruktur des Nettodefizits ergibt sich als (16)

Β — μ (pg + wlg + IS - t) + ν

(17)

S = (1 - ν [pg + wlg + IS - 1] - ν

wobei μ ex definitione den Teil eines Defizits bezeichnet, der durch die Emission oder Reduktion der Geldbasis Β finanziert wird, und ν den Teil der Geldbasis B, der unabhängig vom Defizit emittiert oder abgebaut wird. Da eine der Gleichungen (13), (16) und (17) überflüssig ist, besteht das Modell i n dieser Form aus einem System von 16 unabhängigen Beziehungen für die 16 gemeinsam determinierten Variablen (y , d, p, W n, Wj h e, a, a, i, m, L, Ρ, I, t, B, S). Dieses System ist i n der Lage, auf geldpolitische Maßnahmen Reaktionen zu erzeugen, und Brunner und Meitzer haben den sich ergebenden Transmissionsmechanismus ausführlich herausgearbeitet 2 1 . Der Hauptaspekt dieses Mechanismus, den Mayer als substantiellen Unterschied gegenüber keynesianischen Modellen des Transmissionsprozesses anführt, ist die Abhängigkeit von relativen Preis- und Mengeneffekten. Anders ausgedrückt: geldpolitische Maßnahmen der Form von w ^ O stören das Gleichgewicht auf dem M a r k t für Vermögenstitel und lösen dadurch Portfolioanpassungen aus, die ihrerseits Ρ und i verändern 2 2 . So erhöht ζ. B. ein Offenmarktkauf von Wertpapieren (v > 0) das Depositenangebot der Geschäftsbanken und ihre Nachfrage nach werbenden Anlagen; es bedarf eines Sinkens von i und eines Anstiegs von P, u m die Depositennachfrage und das Kreditangebot des Publikums zu erhöhen und dadurch das Gleichgewicht auf dem M a r k t für Vermögenstitel wieder herzustellen. Diese Veränderungen von Ρ 21 Das Brunner-Meitzer-Modell kann auch auf fiskalpolitische Maßnahmen reagieren, aber eine Diskussion der Unterschiede zwischen monetären und fiskalischen Effekten i m Modell würde hier wenig zur Untersuchung des Transmissionsmechanismus des Modells für die Geldpolitik beitragen. Vgl. die Analyse der „bbe-Kurve" in [10]. 22 Ceteris paribus variiert e invers mit P.

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und i führen dann zu weiteren Anpassungen auf dem Gütermarkt, w e i l d direkt von Ρ und i abhängig ist, weil eine Unmenge indirekter Effekte infolge des direkten Einflusses von Ρ und i auf W n wirksam werden und w e i l schließlich ρ von y abhängig ist. Wie unterscheidet sich dies monetaristische Modell des Transmissionsprozesses von seiner keynesianischen Alternative? Tobins Modell I I [43] besteht aus expliziten Darstellungen ökonomischen Verhaltens auf drei Märkten — dem Kapitalmarkt, dem M a r k t für (kurzfristige) Staatspapiere und dem Geldmarkt 2 3 . Obwohl Tobin sein Modell i n einer kompakteren Form vorgelegt hat, w i r d es hier für die Zwecke des Vergleichs nützlicherweise i n einer die dem oben skizzierten Brunner-Meitzer-Modell analogen Form dargestellt. Die Kapitalmarktgleichungen umfassen (I) eine markträumende Gleichgewichtsbedingung i n realen Größen, (II) die Nachfrage des Publikums nach Kapital /κ als Teil des Realvermögens und (III) eine Definition der realen Ertragsrate des Kapitals r ^ : (I)

f KW

= qK

0 = f^ >

f Kz

|

Dabei bezeichnet Κ den Realkapitalbestand, q das Verhältnis des Marktpreises des Kapitals zu seinen Reproduktionskosten (gleich bedeutend m i t P/p i m Brunner-Meitzer-Modell), Y das Realeinkommen, rs und TM die Realerträge der Staatspapiere resp. des Geldes, R die Grenzproduktivität des Kapitals i m Verhältnis zu den Reproduktionskosten und W den Real Vermögensbestand, der definiert w i r d als (IV)

'

W = qK + — + —

Ρ

Ρ

wobei 5 der nominale Betrag ausstehender Staatspapiere und M die nominale Geldmenge sind. 23 Tobins Modell hat auch während einer Reihe von Jahren verschiedene Versionen der Darstellung durchlaufen; vgl. z.B. Tobin [42]. Das ausführlichere Modell I I I , das auch in [43] dargestellt wird, ist insofern dem BrunnerMeltzer-Modeil vergleichbarer, als es zwischen den Vermögenstiteln und Verbindlichkeiten des Publikums und denen des Bankensystems unterscheidet, so daß solche Posten wie Einlagen, Kredite und Geldbasis explizit definiert sind. U m das analytische Problem der „relativen Preiseffekte und Mengeneffekte" zu erkennen, ist das einfachere Modell I I jedoch ausreichend.

Die theoretische „Nicht-Kontroverse" um den Monetarismus

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Die Gleichungen für den M a r k t staatlicher Wertpapiere bestehen analog aus (V) einer markträumenden Gleichgewichtsbedingung i n realen Größen, (VI) der Nachfrage des Publikums nach Staatstiteln fs als Teil des Realvermögens und (VII) einer Definition von rs: (V) (VI)

fs* =

f

fs = / s ( r K , r s , r M , - | ) , fs 2 > 0 > f Sl,

(VII)

rs = i

s

fs 3,f si

- π

Dabei bedeuten is den Nominalzins auf Staatspapiere und π die erwartete Inflationsrate. Die Geldmarktgleichungen bestehen analog aus (VIII) einer markträumenden Geichgewichtsbedingung i n realen Größen, (IX) der Geldnachfrage des Publikums fM als Teil des Realvermögens und (X) einer Definition von ta/: fa Wasf

(VIII) ( I X)

(X)

ÎM = ÎM ( TK> rS> rM> -j^J > /if r

M = hl~

3'

ΪΜ 4>

°>

f Mi' fil

2

*

Dabei bezeichnet im den Nominalertrag des Geldes, der normalerweise N u l l ist. Da sich die Vermögenskomponenten entsprechend der Vermögensdefinition (IV) zu Eins aufaddieren müssen, ist die Zahl der Ableitungen der Nachfragefunktion nach Vermögenstiteln (II), (VI) und (IX) begrenzt, d. h. eine der vier Verhaltensgleichungen ist überflüssig. Tobins Modell ist also i n dieser Form ein System von neun unabhängigen Gleichungen für die neun Variablen (ίκ, τκ, q, W, fs, rs, is, Îm , rjif) 24 . Dieses System ist ebenfalls i n der Lage, Reaktionen auf geldpolitische Maßnahmen zu erzeugen, und auch Tobin hat den sich ergebenden Transmissionsmechanismus sorgfältig analysiert. I m Gegensatz zu der Schlußfolgerung i n Mayers A r t i k e l ist der Hauptaspekt dieses Mechanismus jedoch wiederum seine Abhängigkeit von relativen Preis- (Ertrags-) und Mengeneffekten. Geldpolitische Maßnahmen der Form dM = — dS 24 Tobin wies ausdrücklich darauf hin, daß je nach dem Sortiment neun als endogen angenommener Variablen verschiedene Interpretationen des Modells möglich sind.

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Φ 0 stören das Gleichgewicht auf dem M a r k t für Vermögenstitel und lösen dadurch Portfolioanpassungen aus, die τκ, q, rs, is, rj& und W verändern. Der Mechanismus ist also dem von Brunner und Meitzer verwendeten i m wesentlichen identisch. Während Tobins Modell den M a r k t für Vermögenstitel detaillierter als das Brunner-Meitzer-Modell darstellt, ist es i n der Einbeziehung des Gütermarktes weniger explizit. Nichtsdestoweniger ließ Tobin klar erkennen, daß die Gleichung für die private Güternachfrage, die er graphisch als eine Form der IS-Kurve i m Raum (R, Y) darstellte, positiv von q abhängig ist 2 5 . Genau wie i m Brunner-Meitzer-Modell führen daher von geldpolitischen Maßnahmen ausgelöste Anpassungsbewegungen auf dem Vermögensmarkt ihrerseits zu weiteren Anpassungsreaktionen auf dem Gütermarkt. Darüber hinaus wenden sowohl das Tobin- Modell wie das BrunnerMeltzer-Modell dieselbe Disaggregationsmethode an, um die Frage der „Vermögensaggregation" ganz zu umgehen, die i n der monetaristischen Kontroverse von einem Jahrzehnt eine wichtige Rolle gespielt hatte. Dieses Problem, das zu jener Zeit so viel Aufmerksamkeit erregt hatte, betraf insbesondere die Implikationen bezüglich der Substitution von

Vermögensaktiva, die im Zusammenhang mit dem Ubergang aus der allein durch zwei Vermögenstitel (Geld und Kapital) gekennzeichneten Keynes-Hicks-Metzler-Welt i n eine m i t den drei Vermögenstiteln Geld, Kapital und Wertpapiere 2 6 . Sollten Wertpapiere als (annähernd) perfekte Substitute für Kapital behandelt werden, woraus sich als einzige (oder prinzipielle) Trennungslinie diejenige zwischen Geld und NichtGeld ergäbe, oder waren Wertpapiere als (annähernd) perfekte Substitute für Geld anzusehen, m i t der Konsequenz einer einzigen (oder prinzipiellen) Trennungslinie zwischen Realkapital und allen Finanzaktiva 2 7 ? Sowohl Tobin wie Brunner und Meitzer haben diese Frage einfach auf die Weise erledigt, daß sie die volle dreifache Vermögensdisaggregation beibehielten und anerkannten, daß i m Prinzip die Nachfrage nach jedem Vermögenstitel (unter anderem) vom Ertrag aller anderen A k t i v a abhängig ist. Relative Substitutierbarkeiten sind deshalb nicht eine theoretische Angelegenheit konkurrierender Paradigmen, sondern eine em25 Nach ( I I I ) erfordert jede Veränderung in r K bei gegebenem R eine inverse Veränderung in q; vgl. Fußnote 22. Tobin zeigte die Art der Güterangebotsgleichung nicht auf, die zu seinem Modell passen würde; im Brunner-MeitzerModell beschreibt die Preissetzungsgleichung (3) das Anbieterverhalten. 26 Vgl. ζ. B. die Ausführungen bei Tobin [41]. Es wurde dabei gewöhnlich angenommen, daß die fraglichen Wertpapiere zum Nennwert angesetzt und nicht indexiert sind. 27 Für ein Argument, das diese Frage danach löst, ob es sich bei den Wertpapieren um kurzfristige oder langfristige Titel handelt, vgl. Leijonhufvud [27].

Die theoretische „Nicht-Kontroverse" um den Monetarismus

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pirische Frage, die die Elastizitäten der explizit i m Modell berücksichtigter Funktionen i n bezug auf explizit i n diesen Funktionen berücksichtigten Argumente betrifft. Welches Fazit soll man aus all diesem ziehen? Vielleicht sind Brunner und Meitzer keine Monetaristen! Oder vielleicht ist Tobin kein Keynesianer! Möglich. Eine näherliegende Schlußfolgerung ist jedoch die, daß diese alternativen Mechanismen i m großen und ganzen identisch sind, sobald Monetaristen und Keynesianer den „Transmissionsmechanismus" klar spezifizieren, durch den die Geldpolitik i n ihren jeweiligen theoretischen Modellen verwirklicht wird. Z u diesem Kernpunkt, der die Quintessenz der theoretischen Dimension der monetaristischen Kontroverse ist, lassen sich kaum bedeutsame Meinungsverschiedenheiten finden. V. Schlußbetrachtung Vom Standpunkt der Theorie aus ist das Etikett „Monetarist" eine A r t Schulabzeichen. Wie andere solcher Vereinsembleme mag es Informationen über die institutionellen Zugehörigkeiten des Trägers oder über seine Ausdrucksweise oder über seine Vorlieben und Neigungen oder sogar darüber vermitteln, wer seine Freunde sind. Es vermittelt jedoch keinerlei Information über die theoretischen Vorstellungen des Trägers bezüglich des Geldes und seiner Rolle i m makroökonomischen System. Theoretische Fragen gibt es zuhauf, doch stehen diese nicht m i t der monetaristischen Kontroverse i n Zusammenhang. Statt dessen liegt der Schwerpunkt der monetaristischen Kontroverse — teilweise als Ergebnis zwanzigjähriger Diskussion — heutzutage nur i m Bereich empirischer Fragen. Literaturhinweise [1] Ando , Albert und Modigliani, Franco, The Life Cycle Hypothesis of Saving: Aggregate Implications and Tests, American Economic Review, Bd. L I I I (1963), S. 55 - 84. — [2] Ando , Albert und Modigliani , Franco, Some Reflections on Describing Structures of Financial Sectors, in: Fromm und Klein (Hrsg.), The Brookings Model: Perspective and Recent Developments, Amsterdam 1975. — [3] Andrews , P. W. S., A Further Inquiry into the Effects of Rates of Interest, Oxford Economic Papers, Bd. I I I (1940), S. 32 - 73. — [4] Baumol, William J., The Transactions Demand for Cash: A n Inventory Theoretic Approach, Quarterly Journal of Economics, Bd. L X V I (1952), S. 545 - 556. — [5] Blinder, Alan S. und Solow, Robert M., Does Fiscal Policy Matter?, Journal of Public Economics, Bd. I I (1973), S. 318 - 337. — [6] Blinder, Alan S. und Solow, Robert M., Analytical Foundations of Fiscal Policy, in: Blinder et al., The Economics of Public Finance, Washington 1974. — [7] Bosworth, Barry, The Stock Market and the Economy, Brookings Papers on Economic Activity, 1975, Nr. 2, S. 257 - 290. — [8] Brainard, William C., Uncertainty and the Effectiveness of Policy, American Economic Review, 10 Beihefte zu Kredit und Kapital 4

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Uber die Unmöglichkeit einer monetaristischen Geldpolitik Von Werner Neubauer, Saarbrücken I. Monetarismus i n Deutschland: Gegenrevolution wogegen? Eine neue wirtschaftswissenschaftliche Lehre hat die besten Aussichten auf einen Siegeszug dann, wenn an die überkommene Lehre fast alle glauben, aber fast alle von ihr enttäuscht sind. Eben diese Lage herrschte Ende der Fünfziger Jahre i n den USA, als der sogenannte Monetarismus seine Offensive antrat und gleich drei Angriffsspitzen ins Feld führen konnte. Die erste richtete sich gegen die i n den USA damals herrschende Überzeugung, daß konjunkturpolitische Wirksamkeit nur von der Fiskalpolitik, kaum von der Geld- und Kreditpolitik zu erwarten sei. Die Skepsis der Geld- und Kreditpolitik gegenüber hatte ihren guten Grund: Die am Ende des Zweiten Weltkrieges aufgelaufene riesige Staatsschuld ließ eine Inflationsbekämpfung m i t den herkömmlichen M i t t e l n der Geld- und Kreditpolitik nicht zu, und die für diese Situation maßgeschneiderte availability doctrine hatte sich als unrealistisch herausgestellt. Aber leider: Auch die Fiskalpolitik erfüllte die i n sie gesetzten Hoffnungen nicht. Die Botschaft Friedmans, daß die Geldpolitik mächtiger sei als die Fiskalpolitik, nur i n einem anderen Sinne als bisher geglaubt, ließ da gewiß aufhorchen. Die zweite Angriffsspitze richtete sich gegen die herrschende Vorstellung vom Wirkungsmechanismus der Geld- und Kreditpolitik. Hatte sowohl die tradierte Theorie als auch Roosas availability doctrine die Bankkreditgewährung zum eigentlichen Hebel erklärt — der freilich nicht griff —, so war nun bei K a r l Brunner zu lesen, von derlei „wornout textbook legends" sei man losgekommen 1 . Friedman lehrte zwischen dem (traditionellen) „credit view" und dem „monetary view" zu unterscheiden2. Die Vermögensstruktur der Nichtbanken, nicht ihre Kreditfinanzierung sollte n u n der Ansatzpunkt der Geldpolitik sein. ι Brunner , K.: The Report of the Commission on Money and Credit, in: The Journal of Political Economy, Vol. 69 (1961), S. 608. 2 Friedman , M.; Meiselman , D.: The Relative Stability of Monetary Velocity and the Investment Multiplier in the United States 1894 - 1958, in: Stabilization Policies, Commission on Money and Credit, 1963, S. 217.

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Die dritte Angriffsspitze — von den ersten beiden durchaus abtrennbar — zielte auf den Glauben an die Verpflichtung zu einer antizyklisch intervenierenden Zentralbankpolitik und an deren Nützlichkeit. Diese Politik sei, so Friedman, bei Lichte besehen nicht nur überflüssig, sondern sogar schädlich, da sie allermeist prozyklisch statt antizyklisch wirke. Und i n der Tat: Wirksame Stabilisierung hatte sie damals auch nicht erreicht. Was ist, etwa 15 Jahre danach, aus dieser Theorie und ihren Intentionen geworden? I n einer temperamentvollen Diskussion wurden die Positionen der „Monetaristen" nicht nur differenziert und modifiziert, sondern auch teilweise zurückgenommen. Das Geschehen verlagerte sich auf Nebenschauplätze. Thomas Mayer hat i n dieser Zeitschrift eine A r t Zwischenbilanz gezogen3. I n diesem und i n den sich anschließenden Dikussionsbeiträgen — darunter auch einer von K a r l Brunner — herrscht eine Stimmung des rückblickenden Gedenkens. Der deutsche Leser registriert die veränderte Tonlage besonders aufmerksam. Denn i h m konnte bei rechter Würdigung der i n der Bundesrepublik herrschenden Verhältnisse der auch hierzulande entfachte, sehr rezeptionsgespeiste Disput u m den „Monetarismus" immer schon etwas aufgesetzt und unmotiviert erscheinen. Als die „monetaristische" D o k t r i n u m das Jahr 1970 i n die deutsche Literatur Eingang fand, stießen zwei der drei skizzierten Angriffsspitzen ins Leere. Der Feldzug gegen den Ausschließlichkeitsanspruch der Fiskalpolitik und für die Respektierung der Rolle des Geldes kam mangels Gegner nicht so recht i n Schwung. Denn die deutsche Konjunkturpolitik bestand seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges bis 1967 aus nichts anderem als aus Geld- und Kreditpolitik. Erst i n der Folgezeit gab es überhaupt antizyklische Fiskalpolitik, doch blieb sie ein Sorgenkind, über das sich niemand Illusionen machte. Das Bestreben der praktizierten und der i n den deutschsprachigen Lehrbüchern empfohlenen W i r t schaftspolitik war und blieb der „konzertierte" Einsatz beider Instrumentarien — einer gewiß bescheidenen Weisheit einstweilen letzter Schluß, auf den sich wohl auch die US-amerikanische Diskussion wieder zubewegt. Auch das Verdikt des Liberalen Friedman gegen die antizyklische Geldpolitik konnte i n der Bundesrepublik kaum Resonanz finden. Über jeden Zweifel erhabene Liberale waren und sind i n der Bundesrepublik Befürworter einer antizyklischen Geldpolitik. Die Bundesbank s Mayer, Th.: The Structure of Monetarism (I), in: Kredit und Kapital, 8. Jg. (1975), S. 191 - 2 1 8 und: The Structure of Monetarism (II), in: Kredit und Kapital, 8. Jg. (1975), S. 293 - 316.

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brauchte den Vorwurf, sie selbst produziere die Konjunkturschwankungen anstatt sie zu bekämpfen, schon deshalb nicht zu fürchten, w e i l i h r j a immer wieder vorgeworfen wurde, sie reagiere zu spät auf sich anbahnende Konjunkturbewegungen. U n d schließlich verbietet sich i n einem i n die Weltwirtschaft so stark integrierten Lande die Vorstellung von der „Stabilität des privaten Sektors" (was immer dies sein mag) ganz von selbst. Die deutsche K o n j u n k t u r p o l i t i k muß eine reaktive sein. Was von dem Disput u m den Monetarismus die deutschen Verhältnisse w i r k l i c h angeht, ist die Frage nach dem Wirkungsmechanismus der Geldpolitik und nach deren adäquaten Instrumenten. Wie ist es u m die Validität des monetaristischen Konzepts der Geldwirkungen und der Geldpolitik bestellt? I n Friedmans Worten: Ist der „monetary v i e w " dem „credit v i e w " stabilitätspolitisch unterlegen oder überlegen oder muß die Devise lauten: „credit v i e w " plus „monetary view"? A u f dem Hintergrund der deutschen Verhältnisse ist dies die entscheidende Frage. Weil es gar nicht u m das Für und Wider einer monetären Stabilitätspolitik schlechthin geht, sondern u m das F ü r und Wider einer ganz speziellen Version monetärer Stabilitätspolitik, spricht man besser, w e i l informativer, von „Neoquantitätstheorie" anstatt von Monetarismus. Der Prüfung der Validität des neoquantitätstheoretischen Konzepts angesichts der institutionellen und strukturellen Gegebenheiten i n der Bundesrepublik Deutschland sind die folgenden Überlegungen gewidmet. Dabei steht natürlich auch die logische Konsistenz dieser Theorie an sich zur Debatte. E i n weit verbreitetes dogmengeschichtliches Interesse muß dabei ausgespart bleiben: das an der Zuordnung der einen oder anderen Hypothese zum keynesianischen bzw. monetaristischen Denkgebäude. Es soll dahingestellt bleiben, ob n u n Keynes ein Keynesianer w a r und ob Friedman insgeheim ein Keynes- Adept ist. Die neoquantitätstheoretische Version von Geldpolitik ist metaphorisch zu beschreiben als ein Stück i n zwei Sätzen, deren jeder ein Thema m i t Variationen zum Inhalt hat. Außerdem besitzt dieses Stück noch eine kurze Introduktion. I n der I n t r o d u k t i o n geht es u m die Geldmengendefinition. Der erste Satz ist eine sogenannte Geldangebotstheorie, welche zeigen soll, daß und wie die geldpolitischen Instanzen die Geldmenge kontrollieren können. Das variierte Thema ist eine Multiplikatorrelation zwischen der sogenannten Geldbasis und der Geldmenge. I m zweiten Satz soll erklärt werden, daß und wie die Geldmenge das nominale Sozialprodukt determiniert. Das variierte Thema ist die Quantitätsgleichung (Verkehrsgleichung), j e nach Version m i t mehr oder weniger theoreti-

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schem Komfort ausgestattet. Das Denkmuster der Quantitätsgleichung, eine schlichte Proportionalitätsaussage, wurde auf die sogenannte Geldangebotstheorie übertragen, so daß beide Sätze des Stückes den gleichen formalen Aufbau haben. Vereinfacht lassen sich die beiden theoretischen Relationen schreiben: Bm = M und MV = Y (B Geldbasis, m Multiplikator, M Geldmenge, V Einkommenskreislaufgeschwindigkeit des Geldes, Y nominales Sozialprodukt). Beide Gleichungen haben zunächst keinen synthetischen Gehalt, da sie als Definitionsgleichungen für m bzw. V aufgefaßt werden müssen. Die Variablen m und V bedeuten nicht selbständige, empirisch beobachtbare Phänomene (wie etwa B, M, Y), sondern sind ausschließlich durch die beiden Gleichungen definiert. Der operationale Gehalt dieser beiden Gleichungen hängt ab von den Eigenschaften der Relationen M Y m = — und V = — , von ihrer Entwicklung i n der Zeit und ihren Bestimmungsfaktoren. Den behaupteten geldpolitischen Sinn haben beide Relationen nur, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: (1) Β muß von den geldpolitischen Instanzen hinreichend exakt gesteuert werden können. (2) Die Relationen m und V müssen i m Zeitablauf entweder hinreichend konstant oder variabel, aber hinreichend steuerbar sein, oder sich variabel, nicht steuerbar, aber voraussehbar entwickeln, ohne dabei W i r kungen geldpolitischer Maßnahmen zu konterkarieren. Darüber, ob beide Bedingungen erfüllt werden können, entscheiden institutionelle und strukturelle Gegebenheiten der jeweils betroffenen Volkswirtschaften wesentlich mit. I I . Geldmengendefinition: unsichere Fundamente Von einer Theorie, die der Geldmenge eine Schlüsselrolle zuspricht, sollte man erwarten, daß sie die differentia specifica, die Geld von Nichtgeld scheidet, klar beim Namen nennt. Dabei könnte je nach Fragestellung durchaus m i t mehreren Geldmengenbegriffen nebeneinander gearbeitet werden; nur müßte die jeweilige analytische Rolle dieser Begriffe klargestellt werden. Aber die Neoquantitätstheorie bleibt hier Klarheit schuldig, j a erhebt die Unklarheit zum Programm: A u f eine exakte Abgrenzung komme es gar nicht an; zur Geldmenge solle jeweils das gehören, was zur Erklärung der Sozialproduktsentwicklung am besten geeignet sei 4 . Diese „empirische Gelddefinition", die i n der Nachfolge Friedmans von vielen Autoren gepriesen wird, kann nicht 4 Es heißt auch, die Geldmengendefinition müsse die „Stabilität der Geldnachfragefunktion" gewährleisten. Den bislang niemals befriedigend präzisierten Begriff der „Stabilität der Geldnachfragefunktion" hat schließlich Friedman selbst als fragwürdig und unbrauchbar hingestellt (Friedman, M. u. Schwartz, Α.: Monetary Statistics of the United States, 1970, S. 197).

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zum Ziel führen, w e i l nach dem K r i t e r i u m maximaler Korrelation m i t dem Sozialprodukt beliebige Variable, wenn sie nur i n engem Zusammenhang m i t dem Sozialprodukt stehen, i n die Geldmenge eingerechnet werden müßten, und w e i l die neoquantitätstheoretische Wirkungshypothese (M Y) ihre Falsifizierbarkeit verliert, wenn die Geldmenge von vornherein auf die Bestätigung dieser Hypothese h i n definiert w i r d . Die weit verbreitete (von Friedman abweichende) Konvention, die Geldmenge i m Sinne von M i (Bargeld plus Sichtguthaben inländischer Nichtbanken bei inländischen Banken) zu definieren, stellt zurecht auf die zentrale Geldfunktion (nicht auf eine Geldwirkung) ab (Zahlungsmittelfunktion, Tauschmittelfunktion), kann aber theoretisch nicht befriedigen, w e i l nach diesem K r i t e r i u m zwar ein Geldstrom definiert werden kann (nämlich an Hand eines Zahlungsstromes!), nicht aber ein Geldbestand; denn sub specie der Emöglichung von Zahlungen (Zahlungspotential) muß zu dem Bestand an „effektivem Geld" der Bestand an „potentiellem Geld" (völlig liquide A k t i v a , freie Kreditlinien) h i n zugezählt werden (Geldpotential). Z u der Behauptung, die Geldmengen M i , Ms . . . , M n würden letztlich halbwegs parallele Entwicklungen haben und könnten sich daher gegenseitig vertreten, kann man seine Zuflucht nicht nehmen: Die letzten Jahre haben das i n der Bundesrepublik Deutschland überdeutlich gezeigt. Eben deshalb hat die Deutsche Bundesbank Ms (inklusive Quasigeld und Spareinlagen m i t gesetzlicher Kündigungsfrist) eingeführt 5 . Der eigentliche theoretische Defekt, für den die Definitionsunsicherheit nur ein Symptom ist, besteht darin: Die Neoquantitätstheoretiker sind sich selbst nie ganz k l a r darüber geworden, ob das Geld seine behaupteten Wirkungen deshalb habe, w e i l es L i q u i d i t ä t oder deshalb, w e i l es finanzielles Vermögen (als Gegenstück zum Sachvermögen) darstellt, ob die Geldmenge als repräsentative Teilmenge des gesamten Liquiditätspotentials oder aber des Geldvermögens (im Sinne der Terminologie der Deutschen Bundesbank) gemeint sein soll. Das gesamte vermögenstheoretische Konzept der Neoquantitätstheorie spricht für die zweite Interpretation, viele Argumente Friedmans i m Zusammenhang m i t der Gelddefinition sind aber fast unverhüllt liquiditätstheoretische 6 .

5 Siehe Deutsche Bundesbank, Saisonbereinigte Wirtschaftszahlen, Reihe 4 der Statistischen Beihefte zu den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank ab März 1976. 6 Ausführlicher zur Geldmengendefinition siehe Neubauer, W.: Über Adäquationsprobleme in der Geldstatistik, in: Allgem. Statistisches Archiv, Bd. 60 (1976), Doppelheft 3/4, (im Druck).

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I I I . Die sogenannte Geldangebotstheorie: Geldpolitische Apologetik Die geldpolitische Steuerung von Produktion und Beschäftigung mittels der Geldmenge ist gewiß dann unerreichbar, wenn die Geldmenge selbst nicht unter hinreichend strikter Kontrolle der Zentralbank steht. Ein Ökonom, dem nicht daran gelegen ist, zu den Kombattanten i m Streit u m die Neoquantitätstheorie zu gehören, hat es leicht einzuräumen, daß die Zentralbank eine Reihe liquiditäts- und zinspolitischer Instrumente besitzt, mittels derer sie Einfluß auf die Geldmenge (etwa i m Sinne von Mi) nehmen kann: Einfluß auf die Geldentstehung aus dem Kreditgeschäft der Banken, aus Devisengeschäften, Offenmarktgeschäften und der Monetisierung von längerfristigen Einlagen ebenso wie auf die Geldvernichtung über diese Kanäle sowie durch die Bildung von längerfristigen finanziellen Aktiven, die nicht zur Geldmenge gehören. Gleichzeitig aber würde dieser Ökonom wohl seine Zweifel nicht verhehlen, ob m i t all diesen Instrumenten die Geldmengenexpansion i n besonders engen Grenzen dirigiert werden könne. Die Neoquantitätstheorie ist i n zweifacher Hinsicht anspruchsvoller: Die Geldmenge sei so genau zu steuern, daß dies für stabilitätspolitische Zwecke ausreiche, und die dazu allein nötige und allein taugliche I n strumentvariable sei die Zentralbankgeldmenge (Geldbasis), die von der Zentralbank mittels rein liquiditätspolitischer Maßnahmen (Mengenpolitik) kontrolliert werden könne und müsse. Diese Theorie hat verwirrenderweise den Namen Geldangebotstheorie erhalten — und zwar vermöge der Unterstellung, die von der Zentralbank „angebotene" (und von der Volkswirtschaft gezwungenermaßen auch entgegengenommene) Zentralbankgeldmenge würde über einen hinreichend konstanten Multiplikator (m) die Höhe der Geldmenge determinieren. Diese sogenannte Geldangebotstheorie ist schon nicht i n ihrem U r sprungsland, noch weniger i n der Bundesrepublik Deutschland m i t den Fakten vereinbar. Ihre schwachen Stellen sind die unterstellte Rolle der sogenannten Geldbasis und die behauptete Konstanz des M u l t i plikators. 1. Die Rolle der Geldbasis Die Verfassung der amerikanischen Wertpapier- und Finanzmärkte i n den Fünfziger Jahren vereitelte die traditionellerweise auf die L i quiditätsreserven der Banken und die Zinssätze gerichtete Geld- und Kreditpolitik. Dank der dortigen institutionellen Regelungen hatte der Federal Reserve Board noch am ehesten Kontrolle über die Zentralbankgeldmenge. Die vor allem von K . Brunner und A. Meitzer entwickelte Geldangebotstheorie hatte den Sinn, dafür zu argumentieren, daß auch i n dieser Lage noch wirksame Geldpolitik betrieben werden

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konnte. Wenn man diese ganz spezielle historische und ökonomische Ausgangslage und den apologetischen Zug dieser Theorie verkennt, läßt man sich entweder zu einer ungerechtfertigten Rezeption verleiten oder man kommt zu so kritischen Urteilen, wie sie Neidner über Brunner gefällt hat 7 . Die Vertreter dieser sogenannten Geldangebotstheorie erkannten bald, daß von der Zentralbankgeldmenge w o h l gesagt werden darf, daß nur auf dieser Basis Bargeld i n Umlauf kommen und Bankguthaben entstehen können. Aber so exogen, zentralbankkontrolliert und der privaten Wirtschaft oktroyiert, wie es der Intention dieser Theorie entsprach, ist die Geldbasis nicht: der von den Banken auf eigene I n i tiative aufgenommenen Zentralbankkredite wegen („borrowed reserves", F), die i n den USA von begrenzter, i n der Bundesrepublik Deutschland von überragender Bedeutung sind. Man hat nun die Wahl: Entweder man bleibt bei der ursprünglichen Definition der Geldbasis (Bargeldumlauf plus Zentralbankguthaben der Banken, B), behandelt sie aber nur als (teils endogenen) Indikator der Geldmengen- und Einlagenentwicklung, nicht jedoch als exogene Instrumentvariable i n der Hand der Zentralbank 8 . Läßt man sich darauf ein, dann ist die Brunnersche Geldangebotstheorie für alle Volkswirtschaften, i n denen die Zentralbankgeldmenge i n hohem Grade endogen ist (also auch für die Bundesrepublik Deutschland) kein brauchbares Konzept wirksamer Geldpolitik. E i n für diese Länder adäquates Konzept muß die Nachfrage der Banken nach den Refinanzierungskrediten erklären und steuern helfen, und zwar über die Zinsstrukturpolitik, die aus der neoquantitätstheoretischen Geldpolitik ausdrücklich verbannt ist. So waren die deutschen Banken seit dem Zweiten Weltkrieg fast immer i n der Lage, sich auf eigene Initiative bei der Bundesbank Zentralbankgeld zu beschaffen. M i t Ausnahme einer kurzen Episode i m Jahre 1973 existierten immer freie Liquiditätsreserven. U n d die Banken waren auch immer i n der Lage, Zentralbankgeld zu vernichten: durch Rückzahlung von Refinanzierungskrediten und durch Erwerb von Geldmarktpapieren. Die Zentralbankgeldmenge war i n der Bundesrepublik Deutschland bislang keine auch nur halbwegs exogene I n strumentvariable der Bundesbank 9 . Andererseits hatte und hat die auf 7 Neidner, M.: Die Bestimmungsgründe des Volkswirtschaftlichen Geldangebots 1976, S. 259 ff. 8 Der Unterschied zwischen einem bloßen Indikator und einer Instrumentvariablen ist der gleiche wie der zwischen einem Thermometer, das die herrschende Temperatur nur anzeigt, und einem Thermostat, mit dem die gewünschte Temperatur hergestellt werden kann.

» Siebke, J.; Willms, M.: Theorie der Geldpolitik 1974, S. 132.

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die freien Liquiditätsreserven der Banken gerichtete Liquiditätspolitik den Sinn, die Versorgung der Volkswirtschaft m i t Zentralbankgeld zu regulieren. Immer dann, wenn der Bestand an freien Liquiditätsreserven gegen N u l l geht, kann die Bundesbank die Zentralbankgeldversorgung am kurzen Zügel lenken. Die Alternative ist, die Geldbasis so zu modifizieren, daß man sie als exogen gelten lassen kann. Dies ist der Sinn der „adjusted base", Β a = Β — F. Diese Differenz ändert sich nicht, wenn F sich ändert; denn Δ F führt ceteris paribus notwendigerweise zu einem gleich großen Δ Β m i t gleichem Vorzeichen. Aber der Preis für diese A r t Exogenität ist, daß der sachlogische Sinn der Geldbasis verloren geht. Denn geborgtes Zentralbankgeld kann ebenso Basis der Geldentstehung sein wie nicht geborgtes. Wenn Ba N u l l werden, M aber jeden beliebigen endlichen Wert annehmen kann, dann besteht zwischen Ba und M eben keine direkte Beziehung mehr, die sich i n der Relation Ba · ma = M sinnvoll ausdrücken ließe. Die Kontrolle von Β ist dann gewiß keine zureichende A r t von Geldpolitik mehr. U m die sogenannte Geldangebotstheorie an die Verhältnisse i n der Bundesrepublik anzupassen, haben Siebke und Willms eine weitere Modifikation der Basis vorgeschlagen. Der Bestand der Banken an Geldmarktpapieren soll zu Ba hinzuaddiert werden, weil es den deutschen Kreditinstituten i n der Regel freisteht, Zentralbankgeld durch Geldmarktpapiere et vice versa zu substituieren (bereinigte Geldbasis) 10 . Gewiß steigt dadurch der Grad der Exogenität, aber die sachlogische Beziehung zur Geldmenge w i r d noch weiter gelockert. Die Geldmarktpapiere sind gerade noch nicht Basis der Geldmengenexpansion geworden. Die „adjusted base" und die „bereinigte Geldbasis" von Siebke und Willms sind analytisch unzweckmäßige Kreuzungen aus dem Konzept der Geldbasis und dem der frei verfügbaren Liquiditätsreserven der Banken (free reserves). Die wie immer auch definierte Geldbasis hat aber m i t Liquiditäts10 Diesen Befund kann auch eine Untersuchung von M. J. M. Neumann nicht widerlegen, der — wie vor ihm schon M. Willms — zu zeigen versuchte, daß die Deutsche Bundesbank auch schon vor 1972 eine recht weitgehende Kontrolle über die Zentralbankgeldmenge ausüben konnte. Er kommt zu dem Schluß, daß die Bundesbank im Zeitraum 1959 - 1972 in der Lage gewesen sei, „im Durchschnitt 77 Prozent der unkontrollierbaren Zentralbankgeldzu- und -abströme durch ihre Instrumente zu kompensieren". Abgesehen davon, daß Neumann die angeblich steuerbaren Zentralbankgeldströme allzu weitherzig abgrenzt, folgt aus seiner Untersuchung nur, daß die „nicht kompensierten" 23 Prozent ausgereicht haben, den Bedarf der Banken an Zentralbankgeld zu decken. Die Banken hätten sich mehr Zentralbankgeld beschaffen können, wenn sie mehr gebraucht hätten. (Neumann, M. J. M.: A Theoretical and Empirical Analysis of the German Money Supply Process 1958 - 1972, 1974, Diskussionsbeiträge Nr. 6, Institut für Banken und Industrie, Geld und Kredit am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität Berlin).

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reserven nichts zu tun. Sie ist ein ex-post-Korrelat der zurückliegenden Geld- und Einlagenexpansion, nicht ein Reservoir für die zukünftige Geld- und Einlagenexpansion. Es führt kein Weg daran vorbei: Man kann Exogenität der — wie auch immer modifizierten — Basis und deren sachlogisch gehaltvolle Beziehung zur Geldmenge nicht zugleich haben, wenn man nicht die institutionellen Regelungen der Geldpolitik entsprechend einrichtet. Änderungen dieser A r t sind aber weder i n den USA noch i n der Bundesrepublik beabsichtigt. Wenn nun zur Zeit auch i n der Bundesrepublik Deutschland viel von der Steuerung der Zentralbankgeldmenge, einer angeblich neuen Bundesbankpolitik, die Rede ist, so darf man sich dadurch nicht den Blick trüben lassen für das, was wirklich geschieht. Die Deutsche Bundesbank hat i n bewundernswürdiger Konsequenz eine eigene Definition von „Zentralbankgeld" entwickelt, die ganz und gar darauf angelegt ist, die eingetretene Bargeld- und Einlagenexpansion möglichst exakt anzuzeigen. Exogenität dieser A r t Zentralbankgeldmenge ist nicht i m mindesten angestrebt. Nicht die Zentralbankgeldversorgung der Volkswirtschaft, sondern die Zentralbankgeldverwendung allein für den Bargeldumlauf und die inländische Einlagenexpansion w i r d gemessen. Es wäre völlig verfehlt, diese Zentralbankgeldmenge als causa efficiens der monetären Entwicklung, die „monetäre Expansion" als eine Folge der Expansion der „Zentralbankgeldmenge" aufzufassen. Die Deutsche Bundesbank operiert auch heute m i t den liquiditäts- und zinspolitischen Instrumenten, die sie schon vor 1972 gebraucht hat. M i t der Gesamtheit dieser I n strumente steuert sie die monetäre Expansion und folglich auch die Entwicklung ihres Indikators. Die Zentralbankgeldmengensteuerung i n der Bundesrepublik Deutschland hat m i t der i n der Neoquantitätstheorie propagierten nicht mehr als den Namen gemeinsam — und damit schon zuviel. 2. Die Rolle des Multiplikators I n einer Volkswirtschaft, i n der die wie auch immer definierte Basis keine Instrumentvariable der Zentralbank ist, verdient die Konstanz oder Inkonstanz des Multiplikators nur geringes geldpolitisches Interesse. Bezeichnenderweise verzichten Geldangebotstheoretiker, denen nicht an der Verteidigung der Neoquantitätstheorie gelegen ist, auf die pointierte Gegenüberstellung der Basis (als der angeblichen Instrumentvariablen) und des Multiplikators als eines Reaktionskoeffizienten. Gleichwohl verdient festgestellt zu werden, daß der Multiplikator i m Zeitablauf keineswegs so konstant ist, wie das von Neoquantitätstheoretikern immer wieder behauptet wurde. Die Geldangebotstheorie vom

Werner Neubauer

158

Typ Brunner / Meitzer erinnert an die sogenannte naive Quantitätstheorie, die eine konstante Kreislaufgeschwindigkeit des Geldes voraussetzt. Die konstante Kreislaufgeschwindigkeit ist mittlerweile durch eine Kreislaufgeschwindigkeitsfunktion ersetzt worden. Die systematische, marktbedingte Variabilität des Multiplikators m jedoch w i r d von der neoquantitätstheoretischen Geldangebotstheorie nur zögernd zugestanden; ihre geldpolitischen Konsequenzen werden ignoriert. Als Belege für die behauptete Multiplikatorkonstanz werden eine Reihe von statistischen Messungen präsentiert, die aber alle nicht beweisen, was sie beweisen sollen: (1) Daß der Bestandsmultiplikator

M Β

— i m Zeitablauf numerisch nur

kleine Schwankungen aufweist, w i r d ebenso oft mißinterpretiert γ wie die geringe Variabilität der Kreislaufgeschwindigkeit — . Nulli merisch unscheinbare Veränderungen von — haben erhebliche w i r t schaftspolitische Bedeutung. Die für die Stabilitätspolitik entscheidenden Größen sind die Veränderungen von Β und M. Eine neoquantitätstheoretisch orientierte Geldpolitik w i l l bestimmte Veränderungen von M bewirken, indem sie bestimmte Veränderungen von Β ansteuert. Diese Politik kann nur gelingen, wenn die Veränderungen von M und Β i n einem hinreichend konstanten bzw. steuerbaren, wenigstens aber voraussehbaren Verhältnis zueinander stehen. Es ist eine nicht nur statistisch, sondern auch geldpolitisch interessante Feststellung, daß eine derart feste Beziehung zwischen den absoluten Veränderungen (Δ Μ , Δ Β), nicht zwischen den relativen Veränderungen (RM, RB) bestehen muß. Die Begründüng: 1. Ein Δ M muß entweder m i t einem gleich großen Δ Β einhergehen (Bargeldzuwachs) oder mit einem tendenziell proportionalen: Δ Β = r Δ Μ (Einlagenzuwachs, r mittlerer Mindestreservesatz). 2.: Das Volumen von M ist erheblich größer als das von B. Aus beiden Sätzen folgt, d a ß ^ j - ^ , nicht-^^-den Sachzusammenhang adäquat beschreibt und daß

Δ t> RB

]\B

von Periode zu Periode auch dann nicht

konstant sein kann, wenn ^ί ^ konstant ist. ΔΒ

Von einer hinreichenden Konstanz des marginalen Multiplikators - j ^ - i m Zeitablauf kann keine Rede sein. Zur Steuerung oder wenigstens zur Prognose der Schwankungen dieses Multiplikators bietet die neoquantitätstheoretische Geldangebotstheorie keine Handhabe. I n der folgenden Tabelle sind die Werte des marginalen M u l t i p l i k a tors für die Bundesrepublik und den Zeitraum 1971 - 1975 wieder-

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gegeben. I m Zähler stehen die Differenzen von Mi, Mg und M3 i n der Definition der Deutschen Bundesbank. I m Nenner stehen die Differenzen jener „Zentralbankgeldmenge", die die Deutsche Bundesbank als Bestandsgröße errechnet und veröffentlicht (feste Reservesätze, saisonbereinigt; zur Kennzeichnung w i r d das Symbol Ζ verwendet). Es ist zu beachten, daß diese Zentralbankgeldmenge auf eine möglichst enge Beziehung zum inländischen Bargeld- und Einlagenvolumen, also auf einen möglichst konstanten Multiplikator hin konstruiert ist und daß sie dem Bedarf recht elastisch angepaßt werden konnte. Die i m Sinne der neoquantitätstheoretischen Fragestellung relevanten Schwankungen des Multiplikators sind deshalb noch erheblich höher als die i n der Tabelle dargestellten. Nur sind eben die i m Sinne der neoquantitätstheoretischen Fragestellung relevanten Schwankungen i n der Bundesrepublik nicht meßbar, weil es hier keine exogene Zentralbankgeldmenge gibt 1 1 . AM Marginale

Multiplikatoren

in der Bundesrepublik

Deutschland 1971 - 1975

Jahresendstandswerte Jahr

0

Jahresdurchschnittswerte

Δ M1 ΔΖ

Δ Μ2 ΔΖ

ΔΜ % ΔΖ

1

2

3

AM t ΔΖ 4

ι

Δ Μ2 ΔΖ

ΔΜ 3 ΔΖ



6

1971

1,50

2,91

4,15

1,78

3,09

1972

1,53

2,98

4,28

1,52

2,77

4,29

1973

0,29

4,33

4,61

0,83

4,19

4,69

1974

2,46

2,14

5,75

1,40

3,39

5,98

1975

2,30

0,38

4,16

2,56

-0,13

4,16

Quellen für die Werte Μ ι , M2, M3 und Z : Statistische Beihefte zu den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank, Reihe 4, Saisonbereinigte Wirtschaftszahlen. Es wurden auch saisonbereinigte Werte der Geldmengen verwendet, weil die Werte von Ζ (nur) saisonbereinigt vorliegen. Die Jahresendstandswerte von Ζ sind Durchschnitte des Monats Dezember. 11 Eine vergleichende Graphik der Wachstumsraten der Geldmenge und der „erweiterten Basis" (B e korrigiert um kumulierte, durch Mindestreservesatzveränderungen freigesetzte bzw. gebundene Zentralbankgeldbeträge!) (anstatt der „Zentralbankgeldmenge der Deutschen Bundesbank") für die Bundesrepublik Deutschland von 1958 bis 1972 findet sich bei Neumann, M. J. M. : A Theoretical and Empirical Analysis of the German Money Supply Process 1958 - 1972, 1974, Chart 1, App. Β. Die Diskrepanz in den Wachstumsraten und die Veränderungen der „Elastizitäten" sind beeindruckend.

160

Werner Neubauer

Die Zahlen der Tabelle zeigen, daß die Schwankungen der auf M i und Mg bezogenen Multiplikatoren enorm sind: bei Jahresendstandsrechnung naturgemäß noch ausgeprägter als bei Jahresdurchschnittsrechnung. Daß die Multiplikatorreihe für M3 gleichmäßiger verläuft, überrascht nicht. Daneben zeigt die Tabelle auch, daß Μι , M2 und M3 eklatant divergierende Entwicklungen genommen haben, so daß auch die Zeitreihen der Multiplikatoren stark abweichenden Verlauf haben. (Man vergleiche die Spalten 1 und 2 bzw. 4 und 5 für 1973 und 1975!) Eigentlich sollten schon diese wenigen Zahlen zur Einsicht verhelfen, daß alles Reden von „der Geldmenge" inhaltslos ist, wenn nicht sachlich fundierte Begriffsspezifikationen geliefert werden. (2) Manfred J. M. Neumann berechnete für die Bundesrepublik i n den Jahren 1959 bis 1972 die jährlichen Veränderungsraten des M u l t i plikators M\!B e (B e = extended base, korrigiert um kumulierte, durch Mindestreservesatzänderungen freigesetzte bzw. gebundene Zentralbankgeldbeträge, Quartals werte). Er erhielt eine mittlere Veränderungsrate von „ n u r " 0,24 ϋ/ο bei einer Standardabweichung von 2,03 ϋ/ο. Die höchste Wachstumsrate betrug + 4,49 ε (p, y ), hängt von der relativen Reaktion der Inlands- und Auslandskäufe sowie ihren Anteilen an den Gesamtausgaben ab. Gleichung (6) zeigt, daß die Ausgabengleichung EE die i n Abbildung 1 dargestellte negative Steigung hat. Die Lage von EE hängt von M und M * ab. Gleichung (20 ist die aggregierte Angebotskurve yy. Der Schnittpunkt von EE m i t yy bestimmt das Preisniveau und die Höhe des I n landsoutputs.

Monetaristische, keynesianische und Quantitätstheorie

183

Abbildung 1 Die klassische Anpassung an eine reale Störung

Abbildung 1 weist einige Merkmale des klassischen Systems auf. Bei Output i/o und Preisniveau p* befindet sich das System i m StromgrößenGleichgewicht. Der reale Output nimmt einen langfristigen Gleichgewichtswert yo ein, und ρ = ρ*; so ist yo, p* ein langfristiger Gleichgewichtspunkt m i t X = 1. Nehmen w i r nun an, daß eine reale Störung den Output reduziert und das Preisniveau auf jene Höhe hebt, die durch den Schnittpunkt von y y und EE dargestellt wird. Der Betrag der Inlandsausgaben für einheimische Güter fällt, wenn ρ steigt. Die Exporte nehmen ab, die Importe nehmen zu. Die Verschiebung der yy-Kurve entlang der EE-Kurve führt die Wirtschaft i n ein kurzfristiges Stromgrößen-Gleichgewicht auf dem Outputmarkt bei pi. Beim Preisniveau p i sind die Inlandspreise höher als die Weltpreise, so daß w i r dort ein Defizit i n der Bilanz der laufenden Posten haben. Gleichung (4) bedeutet, daß das Inland Währungsreserven verliert; dR —rr < 0. Der Verlust an Reserven senkt R und reduziert dadurch die Ausdt gaben und das inländische Preisniveau. Wenn ρ den Wert p * X erreicht,

184

Allan

. Meitzer

w i r d der Abfluß an Reserven g e s t o p p t , - ^ = o, und der Ausgabenrückat

gang hört auf. E i n neues kurzfristiges Gleichgewicht zeigt sich beim Schnittpunkt von E'E' m i t yy'. I n Abb. 1 w i r d die Outputhöhe durch yi dargestellt; X w i r d als 1 angenommen. Wenn die reale Störung andauert, müssen die Geldlöhne fallen, u m den Output von y\ nach yo zu bewegen. Thorntons Analyse läßt vermuten, daß eine nicht erwartete, einmalige Störung eine Anpassung der Geldlöhne erzeugt, die kleiner ist als jene der Preise. Daher halte ich i n diesem Beispiel die Geldlöhne starr. Wenn die Störung vorbei ist, kehrt das kurzfristige Outputangebot wieder nach yy zurück 1 5 . Bleiben die Ausgaben bei E'E', dann ist das Inlandspreisniveau kleiner als p*X. Dies ist eine Lage, die m i t einem Zahlungsbilanzgleichgewicht nicht vereinbar ist. Die Exporte steigen und die Importe fallen; die Ausgaben werden von den Auslands- auf die Inlandsmärkte umgelenkt. Dies führt zu einer Zunahme von R und zu einer Verschiebung der Ausgabenkurve entlang yy. Der Währungsreservenbestand wächst; die Geldmenge und Preise steigen; und das langfristige Gleichgewicht w i r d wiederhergestellt 1 6 . Die klassische Quantitätstheorie behandelt den Output jedes Landes sowohl kurz- als auch langfristig als ein Güterbündel. Sie betont kurzfristige Veränderungen der relativen Preise zwischen inländischen und ausländischen Gütern sowie Veränderungen der Produktionskosten (Löhne) i n Relation zum Marktpreis. Eine teilweise Wiederbelebung dieser Gedankenführung findet man i n der monetären Theorie der Zahlungsbilanz, wo man, u m die W i r k u n g von kurzfristigen Veränderungen der relativen Preise möglichst gering zu halten, „the law of one price" heranzieht und oft unzutreffend auf die Weltpreise ausdehnt 17 . Die 15 Nach dem erst jüngsten Verschwinden der Peruanischen AnchovisSchwärme und dem ständigen Preisanstieg von importiertem öl, ist uns der Unterschied zwischen vorübergehender und permanenter realer Störung vertraut. 16 Der Vermögensverlust während des Anpassungsprozesses von einem langfristigen Gleichgewicht zum nächsten wird hier vernachlässigt. Das oben wiedergegebene Zitat von Thornton (1965, S. 118) zeigt, daß Realvermögenswirkungen von Preisänderungen im Gegensatz zu Patinkins (1965) Behauptung von (einigen) klassischen Autoren erkannt wurden. Thornton war sich bewußt, daß sich das Vermögen änderte, doch scheint er diese Änderung als Sekundäreffekt und die Reallohn- und Outputmengenänderung als Primäreffekt betrachtet zu haben. W i r können nur vermuten, daß Thornton's Bezugnahme auf „alle möglichen Güter" die Kassenhaltung miteinschließt, obwohl er speziell über Realkasseneffekte weder Hinweise noch Erklärungen abgibt. 17 Eine in jüngeren und älteren Schriften unterschiedliche Rolle wird den Zinssätzen bei der Geldnachfragefunktion und bei der Zahlungsbilanzanpassung zugewiesen. Da p* das erwartete Preisniveau ist, können wir Gleichung (4) folgendermaßen umformen:

Monetaristische, keynesianische und Quantitätstheorie

185

Betonung i n der monetären Theorie liegt häufig nur auf den Bestimmungsfaktoren des langfristigen Bestandes an Reserven und des Geldangebots. Eine solche Betonung mag einst nützlich gewesen sein, um die Theorie des Zahlungsbilanzausgleichs von ihrem keynesianischen Erbe zu befreien. Jedoch scheint die Vernachlässigung der kurzfristigen A n passung ein Schritt von jenem gedanklichen Feinheitsgrad zurück zu sein, wie er von klassischen Ökonomen wie Thornton erreicht wurde. Die keynesianische Theorie führte die Anpassung der A k t i v a als die hauptsächliche Anpassung an geldpolitische Maßnahmen ein. Die langsame Angleichung der Geldlöhne, wie sie von Thornton erkannt wurde, wurde stärker hervorgehoben, aber man nahm auch von den Preisen an, daß sie sich nur langsam anglichen. Die klassische Betonung der A n passung von Inlands- i n Relation zu Auslandspreisen ersetzte man durch Änderungen des Marktzinssatzes. Die Wirkung von Verschiebungen der relativen Preise auf den Gütermärkten wurde für äußerst gering gehalten (Elastizitätspessimismus). Die relativen Preise identifizierte man mit Marktzinssätzen, die ihrerseits m i t den Kosten der Haltung von Geld anstelle von kurzfristigen Guthaben oder m i t den Kreditkosten gleichgesetzt wurden. Die Wirksamkeit der Geldpolitik war von der Reaktion der Ausgaben auf die Zinssätze bzw. von der Steigung der IS-Kurve abhängig; die Wirksamkeit der Fiskalpolitik wurde von der Reaktion der Geldnachfrage auf die Zinssätze bzw. von der Steigung der L M Kurve bestimmt. Häufig wiederholt ist uns diese Gedankenführung i n zwischen vertraut geworden, und sie wurde erst kürzlich wieder von Tobin und Buiter (1976) dargelegt. Viele Lehrbücher arbeiten die Einzelheiten des keynesianischen Transmissionsmechanismus heraus; weder werde ich sie hier wiederholen noch werde ich m i t der jetzt wohlbekannten Unterscheidung zwischen Keynes und den Keynesianern jonglieren. Diese Trennung war nicht Bestandteil der Diskussion während der ersten 25 Jahre oder länger (Johnson 1961). Die Kernpunkte der monetaristischen K r i t i k wurden erst zu jener Zeit voll entwickelt, als diese Unterscheidung i n den Blickwinkel rückte. Die monetaristische Analyse betont die Rolle der relativen Preise i m geldpolitischen Transmissionsprozeß viel mehr als die Quantitäts- oder keynesianische Theorie. Zinssatzänderungen werden nicht auf Veränderungen der Kreditkosten beschränkt, sondern beziehen die relativen Preise vieler unterschiedlicher A k t i v a und des Outputs m i t ein. Schwanp*/ ρ kann man als einen Zinssatz auffassen und als Argument der Geldnachfragefunktion und damit Umlaufsgeschwindigkeit einführen. Da die Ausgaben in Gleichung (6) von ρ in Relation zu p* abhängen, ergibt sich durch die Einbeziehung von „Zinssätzen" keine wesentliche Änderung im Formalaufbau des Modells.

Allan

186

. Meitzer

kungen der relativen Preise und der Komponenten des Realvermögens sind die hauptsächlichen Wege, über die sich die Reaktion auf staatliche Maßnahmen von den Aktiva-Märkten zum Output und Preisniveau h i n ausbreitet. Der klassische Anpassungsmechanismus i n Form von Preisniveauänderungen taucht i n der monetaristischen Analyse wieder auf, aber jetzt führen Preisniveauänderungen zur Substitution zwischen neu produzierten Gütern und bestehenden A k t i v a sowie zwischen aus- und inländischen A k t i v a und Output. Die Substitution über eine breite Skala bestehender A k t i v a verändert sowohl die relativen Preise der A k t i v a als auch die Preise der A k t i v a i n Relation zu neu produzierten Gütern. Brunner und Meitzer (1963,1976). Die Bedeutung, die den relativen Preisen i n der keynesianischen Analyse beigemessen wird, ist je nach Abstraktionsgrad unterschiedlich. I n den allgemeinen makroökonomischen Gleichgewichtsmodellen w i r d einer weiten Skala an Substituten das größte Gewicht verliehen und weitaus weniger bei der Diskussion wirtschaftspolitischer Maßnahmen oder wirtschaftspolitischer Implikationen (siehe Fußnote 8). Keynesianische Ökonomen definieren häufig den klassischen Anpassungsmechanismus weg, indem sie die Preise i n Unterbeschäftigungsperioden konstant halten; siehe Tobin und Buiter (1976). E i n fixes Preisniveau überläßt der Portfolioanpassung, die man oft eng als Substitution zwischen Geld und kurzfristigen Wertpapieren auffaßt, die Arbeit, wie sie elegant i m allgemeinen makroökonomischen Gleichgewichtsmodell beschrieben wird. Die zusätzliche Annahme, daß Anleihen und Realkapital, oder Anleihen und Geld perfekte Substitute sind, bringt das formale Modell m i t wirtschaftspolitischen Empfehlungen i n engeren Zusammenhang. Die Zinsraten i n Friedmans (1956) Geldnachfragefunktion können nicht auf eine einzige Ertragsrate, „den Zinssatz" der keynesianischen Theorie reduziert werden, indem man annimmt, daß alle Preisänderungsraten völlig antizipiert werden. Die Differenz zwischen dem Zinssatz auf Anleihen und Aktien beträgt ungefähr (1956, S. 9) r

h~ 0

r

p~ 6

1 dr h —— dt

1 dr p l dp ——— H r dt ρ dt e

Hierbei sind r& und r e die Zinssätze auf Anleihen und Aktien,

1 dr

r

-jat

ist der erwartete (oder realisierte) Kapitalgewinn oder -verlust auf A n leihen oder Aktien, und

ist die erwartete (oder tatsächliche) I n -

flationsrate. Die „rationale Erwartung", daß die tatsächliche gleich der erwarteten Inflationsrate ist, reicht nicht aus, u m die Erträge auf Anleihen und

Monetaristische, keynesianische und Quantitätstheorie

187

Aktienkapital abzugleichen. Schwankungen der Einkommensströme, besonders der erwarteten Einkommen, die den Eigentümern von Realkapital zufallen, führen kurzfristige Änderungen der relativen Preise von A k t i v a und Output herbei. Staatliche Maßnahmen berühren die zukünftigen Ertragserwartungen, indem die maßgeblichen Steuersätze variiert, die empfundenen Risiken geändert, der den Risikoträgern zukommende Nettonutzen gesteigert und gesenkt w i r d usw. K o n j u n k t u r schwankungen (ob sie nun von realen Störungen oder von Veränderungen der Finanzaktivabestände herbeigeführt wurden) berühren die laufenden und zukünftigen A k t i v a - und Outputpreise. Weiterhin w i r d Friedmans Geldnachfrage von einer Änderung der erwarteten Inflationsrate insoweit berührt, als die Preise der vorrätigen Güter sich i n Relation zum Nutzwert der Güterdienste verschieben. Friedman läßt ähnlich wie Thornton den Vermögenseffekt einer Änderung der Aktivawerte unberücksichtigt, aber ich kenne keinen Beweis, daß dieser Wirkungskanal für kurzfristige Anpassungen weniger wichtig ist als andere. Wenn w i r die Aktivapreise m i t Ρ und den Preis des Outputs (oder seines Nutzenstromes) wie zuvor m i t ρ bezeichnen, so gehen die relativen Änderungsraten der beiden Preisniveaus pro Periode i n die Geldnachfrage ein und werden zu einem Bestandteil des Anpassungsprozesses. Einige Ökonomen, die sich bei ihren wirtschaftspolitischen Absichten nicht als Monetaristen betrachten, akzeptieren das, was ich die monetaristische Anpassungstheorie genannt habe; ebenso wie viele Ökonomen einst die keynesianische Theorie der Anpassung anerkannt haben, ohne jedoch die wirtschaftspolitischen Behauptungen über das Versagen der Geldpolitik völlig zu übernehmen. Die Anpassungs- oder Transmissionstheorien liefern einen Rahmen dafür, die Evidenz zu beurteilen sowie Schlußfolgerungen über die relativen Wirkungen, den Umfang und die zeitliche Abfolge der Anpassung zu ziehen. Wer i m allgemeinen eine monetaristische Transmissionstheorie akzeptiert, kann weiterhin keynesianische Schlußfolgerungen ziehen und eine keynesianische Wirtschaftspolitik empfehlen, wenn er spezifische Aspekte ablehnt oder Annahmen über empirische Größen macht. Tobin und Buiter (1976) nehmen an, daß das Preisniveau oder die Inflationsrate starr bleiben, wenn A r beitslosigkeit herrscht. Damit lehnen sie einen wichtigen Bestandteil des monetaristischen Anpassungsprozesses ab, ohne die Gültigkeit des theoretischen Rahmens zu bestreiten. Ando und Modigliani (1975) verneinen, daß die Geldnachfrage vom Vermögen und von vielen der eben diskutierten relativen Preise abhängt. Aus ihrem theoretischen Rahmen und ihren Urteilen über relevante Reaktionen ziehen Brunner und Meitzer monetaristische Konsequen-

188

Allan H. Meitzer

zen für die Wirtschaftspolitik. I n ihrer Version der monetaristischen Theorie (1972, 1976) hängt die Reaktion des Outputs auf Veränderungen der Geldmenge von der kreditfinanzierten Fiskalpolitik, von den Elastizitäten des Preisniveaus auf die Geldbasis und von dem staatlichen Schuldenbestand ab. Je stärker das Preisniveau auf die Geldbasis reagiert, u m so größer ist die Reaktion auf geldpolitische Maßnahmen. Je weniger das Preisniveau auf Staatsausgaben und auf die Emission von Staatspapieren zur Finanzierung von Defiziten reagiert, um so kleiner ist die Reaktion auf fiskalpolitische Maßnahmen. Die Beurteilung der relativen Reaktion des Preisniveaus auf monetäre und fiskalische Variable führen Brunner und Meitzer zu monetaristischen wirtschaftspolischen Schlußfolgerungen. Stein (1974) kommt auf andere A r t und Weise 18 zu sehr ähnlichen Konsequenzen. Weder schließt die Annahme einer gemeinsamen Anpassungstheorie wirtschaftspolitische Meinungsverschiedenheiten aus, noch macht sie alle verbleibenden Differenzen von Werturteilen abhängig. I I . Die Interpretation der Arbeitslosigkeit Die monetaristisch-keynesianische Debatte ist nicht auf Meinungsverschiedenheiten über die A r t und Weise beschränkt, i n der aggregierte Ausgaben, Output und Preisniveau zu einem neuen Gleichgewicht gebracht werden. Auch i n der Frage der Bedeutung und bei der Interpretation der „aktuellen" Arbeitslosigkeit unterscheiden sich die Auffassungen. Der folgende Abschnitt setzt die alternativen Interpretationen zu den jeweiligen Beschäftigungstheorien i n Beziehung. Die Keynesianer folgen Keynes und halten jede konjunkturelle A r beitslosigkeit für unfreiwillig und für das Ergebnis unzureichender Ausgaben des privaten Sektors. Selbst wenn die Arbeitslosen volle Kompensationszahlungen erhielten, die gleich dem aktuellen Geldlohn sind, verliert die Gesellschaft jenen Output, der bei Vollbeschäftigung zusätzlich produziert worden wäre. Deshalb verursachen staatliche Maßnahmen zur Beseitigung von Arbeitslosigkeit geringe Kosten und stiften großen gesellschaftlichen Nutzen. Wenn aber die Inflationsrate bei jener vollkommen antizipierten Rate, die auf die Rezession folgt, bleibt, dann sind die gesellschaftlichen Kosten, die den gesellschaftlichen N u t zen expansiver Maßnahmen aufheben können, gering. I n der keynesianischen Theorie ist die konjunkturelle Arbeitslosigkeit nicht nur unfreiwillig, sondern sie ist auch ungewiß bezüglich Zeitpunkt, Dauer und Häufigkeit. Die Arbeiter können Arbeitslosig18 Stein (1976), Meitzer (1977) sowie Korteweg und Meitzer (1978) bringen Beweise, die zeigen, daß in allen untersuchten Ländern und Zeitperioden die Inlandspreise auf die inländische Fiskalpolitik nur wenig reagierten.

Monetaristische, keynesianische und Quantitätstheorie

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keit nicht dadurch reduzieren, daß sie die Geldlöhne zurückschrauben, zumindest t u n sie es nicht. Die Starrheit der Geldlöhne nach unten gibt eine Erklärung für ein Uberschußangebot an Arbeit; und die i m Vergleich zum Preisniveau langsamere Anpassung der Löhne erklärt, warum die Reallöhne i n Rezessionsperioden steigen. Die heutige Sozialpolitik beruht auf dieser keynesianischen Interpretation. Die gängige Definition von Arbeitslosigkeit behandelt sämtliche konjunkturelle Arbeitslosigkeit als „unfreiwillig". E i n Arbeiter ist zum Beispiel dann arbeitslos, wenn man i h n als jemanden beschreibt, der innerhalb von vier Wochen mindestens einmal nach Beschäftigung Ausschau gehalten hat 1 9 . Das Problem beginnt m i t der Zweideutigkeit der keynesianischen Definition der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit. Keynes (1936, S. 15) nannte Arbeitslosigkeit „unfreiwillig", wenn ein Preisniveauanstieg, der die Reallöhne reduziert, die Beschäftigung erhöht. Die Definition und ihre nachfolgende Anwendung durch Keynesianer und Politiker läßt zwei Unterscheidungen außer acht. Die eine liegt i n dem Unterschied zwischen erwarteten und unerwarteten Preis- und Lohnänderungen; die andere ist die Unterscheidung zwischen erwartetem Einkommen und laufenden Einnahmen. Die erstere wurde schon i n der ausführlichen Diskussion der Phillips-Kurve verdeutlicht; die zweite Frage, bis zu welchem Grade Einkommens- und Beschäftigungsschwankungen erwartet werden, ist noch offen. Die klassische Interpretation der Arbeitslosigkeit weicht von der keynesianischen ab. Das oben wiedergegebene Zitat von Thornton (1965, S. 118 f.) verneint nicht die Möglichkeit konjunktureller Arbeitslosigkeit. I m Gegenteil, Thornton beschreibt Arbeitslosigkeit als „außergewöhnliche und vorübergehende Krise", die aus jenen Gründen resultiert, die weitgehend als keynesianisch bekannt sind: Die Geldlöhne sind nach unten h i n starrer als die Preise. Für Thornton jedoch sind die Geldlöhne nach oben h i n genauso starr, wenn die erwartete Inflation konstant bleibt. Thorntons Charakterisierung der Arbeitslosigkeit als „außergewöhnliche und vorübergehende Krise" ist nicht weniger zweideutig als der Keynessche Begriff „unfreiwillig". Jedoch ist der Mechanismus, der Beschäftigung erzeugt, verständlicher. Für klassische Theoretiker sind konjunkturelle Schwankungen der Beschäftigung und des Outputs eine Folge realer Störungen, die auf die laufend nachgefragte Gütermenge über eine Verschiebung des Angebots wirken, sowie eine Folge monetärer Störungen, die auf die Ausgaben Einfluß nehmen. Verschiebungen 19 Feldstein (1976) diskutiert einige der Arten, auf die diese Definition ausgedehnt wird.

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der aggregierten Ausgaben und des aggregierten Angebots führen größere Preis- als Geldlohnschwankungen herbei. Somit verändern sich die Reallöhne bei wachsenden Ausgaben umgekehrt zum Preisniveau und bei steigendem Angebot direkt m i t dem Preisniveau. Arbeitslosigkeit und Reallöhne verhalten sich positiv zueinander, wenn sie auf einen Rückgang der Ausgaben, aber sie verhalten sich negativ, wenn sie auf einen Rückgang des Angebots folgen. Thornton (1965, S. 237 - 239) drückt die Beziehung von Preisen und Output deutlich aus 20 . Die klassische und die monetaristische Auslegung der Arbeitslosigkeit unterscheiden sich von der keynesianischen Interpretation auf ähnliche Weise. Beide behandeln den Typ der Arbeitslosigkeit, wie man i h n während leichter Konjunkturschwankungen beobachten kann, nämlich als ein vorübergehendes Phänomen. Die monetaristische Auslegung datiert zwar die modernen formalen Ausarbeitungen von Azariadis (1975), Baily (1974), Lucas (1977), Phelps (1970), sowie Phelps und Taylor (1977) über die Beschäftigungs- und Konjunkturtheorie auf frühere Erkenntnisse zurück. Aber die neuen Arbeiten dieser und anderer Ökonomen, von denen viele keine Monetaristen sind, liefern eine bessere Grundlage für eine monetaristische Interpretation. Die monetaristische Auslegung beginnt m i t Friedmans (1957) Unterscheidung zwischen permanentem und transitorischem Einkommen (oder zwischen dem als erwarteten Strom definierten Einkommen und den laufenden Einnahmen) 2 1 . Nehmen w i r an, daß ein Arbeiter, der sich ge20 Thorntons Beweisführung (S. 237 - 239) klingt modern. Ein Produzent vermengt den Zusatzgewinn, der aus dem Preisanstieg seiner Lagerbestände herrührt „mit anderen Gewinnen seiner Geschäftstätigkeit und wird durch den offenbaren Erfolg seiner Unternehmungen dazu verleitet, diese mit außergewöhnlichem Unternehmungsgeist fortzusetzen". I m folgenden zitiert Thornton anerkennend aus Humes „Essay on Money" (Kursivschrift bei Thornton ). „,Meiner Meinung nach ist es nur während dieses Zeitintervalls oder während der zwischen Gelderwerb und Preisanstieg angesiedelten Situation der FalV (Mr. Hume meint hier wohl ohne Zweifel den Abschluß und nicht den Beginn des Preisanstiegs), ,daß die steigende Gold- und Silbermenge für das Gewerbe günstig ist'." Eine Fußnote zu dieser Passage übt Kritik an Hume, weil er andeutet, daß die gestiegene Geldmenge die relativen Preise im Inland ändert. Thornton argumentiert für den Mechanismus, wie er in einem vorangehenden Abschnitt diskutiert wurde. Der Geldanstieg lenkt Geld dadurch ins Ausland, daß er „den Goldpreis der Waren über ihr Niveau in anderen Ländern unter Berücksichtigung der Transportkosten" hebt. Jedoch braucht dies Zeit, wie Thornton seine Leser in derselben Fußnote erinnert. „Französische Autoren bestätigen, daß die Banknoten von Mr. Laws Bank so lange erschienen, daß sie einen sehr mächtigen Einfluß darauf hatten, die Nachfrage nach Arbeit auszudehnen und den sichtbaren . . . Besitz des Königreiches zu vermehren." 21 Friedmans bedeutender Beitrag zur Beschäftigungstheorie (1968) stützt sich nicht auf diese Unterscheidung zwischen permanentem und transitorischem Einkommen, sondern betont stattdessen den Unterschied zwischen erwarteten und nidit erwarteten Lohn- oder Nominaleinkommensänderungen. Unerwartete und transitorische Änderungen sind natürlich miteinander verwandt und berühren beide die Reallöhne. I n den Wirtschaftswissenschaf-

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mäß der „permanent income"-Hypothese verhält, die Erfahrungen einer konjunkturell bedingten „Entlassung" macht. Die „permanent income"Theorie besagt, daß er zunächst an sich keinen Grund hat, sofort nach einer alternativen Beschäftigung zu suchen oder seinen Reallohn zu reduzieren. Solange wie seine Erfahrung m i t den Erwartungen übereinstimmt, die er unter Einschluß späterer Erfahrungen bei seiner Berufs- oder Karrierewahl hegte, betrachtet er seine Entlassung gewissermaßen wie eine Momentaufnahme der erwarteten Zeitaufteilung zwischen Arbeit und Freizeit, die er seinerzeit zur Bestimmung seines permanenten Einkommens und Lebenskonsums getroffen hatte. Jeder Tag ohne Arbeit enthält nun Informationen, die zu einer Revision seines erwarteten Einkommens führen. Aber dies hat kaum Wirkung auf solche Industriearbeiter, die laufend konjunkturellen A u f - und Abschwüngen der Beschäftigung und des Outputs unterworfen sind. Jeder Tag ohne Arbeit w i r d von i h m als Teil der aktuellen Arbeitslosigkeit gezählt. Solange aber wie er die dauerhaften Einkommenserwartungen nicht revidiert, bleibt das permanente Einkommen unverändert und der Arbeiter ist in einem ökonomischen Sinn nicht arbeitslos. Es gibt keinen Verlust an aggregiertem Output. Ein Arbeiter w i r d i m ökonomischen Sinn arbeitslos, wenn er sein permanentes Einkommen nach unten revidiert. Er erwartet dann nicht länger, daß gegenwärtige Freizeit und zukünftiger Verdienst m i t seinem Lebens-Konsumplan vereinbar sind. Er sieht sich vor die Wahl gestellt, Einkommen und Konsum entweder dadurch zu reduzieren, daß er untätig bleibt oder i n einer neuen Beschäftigung seinen laufenden Reallohn zurückschraubt. Wenn diese seine Erwartungen richtig sind, dann ist sein persönlicher Einkommensverlust ein Maß für den gesellschaftlichen Outputverlust. Der Unterscheidung zwischen aktueller und ökonomischer Arbeitslosigkeit entspricht die herkömmliche Trennung zwischen laufenden Einnahmen und Einkommen, und ist für die klassische und moderne Theorie von grundsätzlicher Bedeutung. Bei den klassischen Ökonomen, wie auch bei Friedman (1957) ist das erwartete Einkommen bekannt; der Zeitverlauf der Einnahmen ist ungewiß. Die laufenden Einnahmen schwanken zwar um das erwartete Einkommen; aber so lange wie die Erwartungen konstant bleiben, w i r d der gegenwärtige Wert jeder negativen Abweichung durch erwartete positive Abweichungen ausgeglichen. Wenn nun negative Abweichungen demgegenüber nicht kompensiert ten werden sie aber nicht in derselben Weise verwendet. Die Unterscheidung zwischen erwartet und unerwartet trennt laufende oder zukünftige von vergangenen Inflationswirkungen auf die Realwerte. Die Unterscheidung zwischen permanent und transitorisch bezieht sich auf die Wirkungen von Konjunkturschwankungen auf laufende Einnahmen und Beschäftigung.

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werden, dann ändern sich die Erwartungen; die Arbeiter sind dann i m ökonomischen Sinne arbeitslos. Es gibt für den Zeitverlauf der Einnahmen zwei Unsicherheitsherde, die für das Einkommens-Aggregat wesentlich sind: Die realen und nominalen Störungen, die i n das durch die Gleichungen (6) und (2') zusammengefaßte klassische Modell eingeführt wurden. Beide Störungen verändern den laufenden Output y i n Relation zum erwarteten Output F (Κ, L), i n Gleichung (2'). Nominale Störungen verändern das Preisniveau i n Relation zu den Geldlöhnen, und reale Störungen verändern den laufenden Output über ε. Wenn die beobachteten Schwankungen des laufenden Outputs A b b i l d der erwarteten zeitlichen Verteilung des erwarteten Lebenseinkommens sind, dann macht eine Abweichung des aktuellen Outputs von y0 =

F(K,L)

für das gesamte Lebenseinkommen keine Revision der Pläne notwendig. A l l e Änderungen der individuellen Pläne heben sich gegenseitig auf. Das erwartete Einkommen der Gemeinschaft bleibt m i t der Produktionsmöglichkeit y 0 i n Übereinstimmung 2 2 . Soviel ich weiß, lieferten die klassischen Autoren keine ökonomische Erklärung dafür, daß die Lohnanpassung langsamer vonstatten geht als die Preisanpassung. Wie Thornton nimmt auch Keynes zunächst an, daß die Löhne sich schleppend anpassen und gibt dann eine Erklärung, die auf einer bestimmten Reihe von Annahmen über Erwartungen beruht (1936, Kap. 19). Die „permanent income"-Theorie der Beschäftigung versucht, als erste das schwierige Inferenzproblem zu berücksichtigen, dem die einzelnen Arbeiter und Angestellten i n einer Wirtschaft gegenüberstehen, welche realen und nominalen Störungen unterliegt. Die relativen Preise und das allgemeine Preisniveau ändern sich. E i n A r beiter, der entlassen wird, kann nicht sicher sein, ob diese Änderung permanent oder vorübergehend ist, ob er und viele andere bald ihre frühere Beschäftigung wiederaufnehmen können — Feldstein (1976) —, oder ob sie eine andere Arbeit suchen müssen. Ein Angebot, die Reallöhne i n der Rezession zur Aufrechterhaltung der Beschäftigung einzu22 Diese Aussage macht Korrekturen notwendig, die (1) Unterschiede zwischen Geld- und Tauschwirtschaften und (2) alle möglichen Differenzen bei dem nicht-pekuniären Nutzen von Schuldpapieren und Realkapital in Betracht ziehen. Der Grund ist, daß der Nutzen des Geldes und jeglicher nicht-pekuniäre Nutzen von Schuldpapieren und Kapital Teil des für den Verbrauch verfügbaren Einkommens ist, der aber nicht in den Marktwert des produzierten Einkommens einbezogen wird. (Der Ausdruck Einkommen wird hier wie im Text als von den laufenden Einnahmen verschieden verwendet.) Wenn der nicht-pekuniäre Nutzen ähnlich wie y 0 als ein langfristiges Konzept, das unabhängig von den laufenden Einnahmen ist, angesehen wird, berührt die obige Einschränkung nicht das hauptsächliche Problem im Text.

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schränken, führt zu größerer Veränderlichkeit des erwarteten Einkommens, und zwar m i t der Wirkung, daß die laufenden Einnahmen geglättet werden. Wenn sich aber die Arbeiter nicht sicher sein können, daß die Einkommensreduktion, die aus heute niedrigen Reallöhnen resultiert, später nicht von Reallohnsteigerungen vollständig kompensiert wird, dann werden sie den Lebenskonsum und damit den gesellschaftlichen Nutzen einschränken. Die „permanent income"-Theorie gibt den Arbeitern keinen Grund, die Reallöhne zu reduzieren, solange ihre Einkommens-Erwartungen unverändert bleiben. Abbildung 2 Die Wirkung von Ausgabenänderungen auf dem Output-Markt

Abbildung 2 zeigt die Wirkung von Ausgabenänderungen auf Output und Preise. Das erwartete Einkommen bleibt bei der Marke der V o l l beschäftigung y 0, aber laufender Output und Einnahmen schwanken. Eine nominale Störung soll die Ausgaben auf EiEi senken; die laufende Produktion geht auf yi zurück und das Preisniveau fällt dann auf pi. Bei p m erreicht die Wirtschaft ein vorübergehendes kurzfristiges 13 Beihefte zu Kredit und Kapital 4

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Gleichgewicht. Die Nachfrage nach Arbeitskraft geht zurück. Die Höhe des Arbeitsangebots hängt von ρ ab; so erhöht sich die angebotene Menge, wenn ρ fällt. Die Geldlöhne w gehen zurück, wenn die Annahme zutrifft, daß die Lohnänderungen geringer als die Preisänderungen sind. Die Beschäftigung ist kleiner als das Beschäftigungsniveau L0 beim Output yof so daß vorübergehend eine bestimmte Arbeitslosigkeit herrscht. So lange das aggregierte erwartete Einkommen bei y 0 bleibt, verändert sich der erwartete Lebensverdienst aus dem Einsatz von Arbeitskraft nicht. Die Differenz ist transistorisches Einkommen 2 3 . I n der „permanent income"-Theorie variiert die aktuelle Arbeitslosigkeit zyklisch. I n der keynesianischen Theorie sind die Geldlöhne vollständig starr, und die Arbeitsangebotskurve zeichnet man als ein umgekehrtes „ L " beim Lohnsatz w 0. Solange sich nicht das erwartete Lebenseinkommen ändert, reduzieren die Arbeiter i n der „permanent income"Theorie die Reallöhne nicht, indem sie während der Rezession etwa die Geldlöhne auf W2 senken. Aber sie halten die Geldlöhne auch nicht zum Lohnsatz wo aufrecht. U m wo beizubehalten, müßten die Arbeiter eine größere Beschäftigungseinschränkung hinehmen, als m i t ihren Lebensplänen und aktuellen Erwartungen übereinstimmt. So lange, wie die Erwartungen über die zukünftigen Preise und für das permanente Einkommen unverändert bleiben, sind die Geldlöhne nach der „permanent income "-Theorie sowohl nach oben, als auch nach unten „starr". I n Zeiten hoher Ausgaben, wie sie i n Abbildung 2 durch E2E2 dargestellt sind, befindet sich der Output bei 1/2, und das Preisniveau ist p2 beim Schnittpunkt von E2E2 m i t yy. Wenn Thorntons A n nahme richtig ist, steigen die Geldlöhne weniger als die Preise, so daß die Reallöhne fallen. Die Arbeiter könnten den Reallohnsatz heben, indem sie das Arbeitsangebot einschränken. Statt dessen betrachten sie den reduzierten Reallohn und die angestiegene Beschäftigung während dieser Periode als Teil ihrer Erfahrung, welche gestiegene Reallöhne und geringere Beschäftigung als Folge nominaler rezessionsverursachender Störungen, niedrigere Reallöhne und eingeschränkte Beschäftigung als Folge negativer realer Störungen sowie höhere Reallöhne und größere Beschäftigung als Folge positiver realer Störungen interpretiert. Solange wie der aktuelle Saldo der Gewinne und Verluste des Realeinkommens m i t dem erwarteten Lebenseinkommen konsistent bleibt, gibt es keinen Grund für eine Verschiebung der Arbeitsangebotskurve als eine Funktion des Reallohns 24 . 23 Die klassische und die „permanent income"-Theorie der Beschäftigung müßten für Inflations- und Wachstumsperioden begrifflich in Lohnänderungsraten relativ zu Preis- und Outputänderungsraten umformuliert werden. Diese Modifikation wird im Text vernachlässigt und hat keine Bedeutung für die hier dargestellte Analyse.

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Die „permanent income"-Theorie der Beschäftigung bestreitet nicht, daß Arbeiter m i t den Reallöhnen „spekulieren" können, indem sie mehr Arbeit anbieten, wenn die Reallöhne steigen, und die Arbeit einschränken, wenn die Reallöhne fallen. Die Theorie unterstellt jedoch, daß die Arbeiter als Gruppe die Löhne und die Nachfrage nach Arbeitskraft vorhersehen müssen, wobei sie temporäre von permanenten und reale von nominalen Störungen zu trennen haben. Diese Aufgabe ist leichter i n einer klassischen Welt, i n der relative Preisänderungen auf den relativen Preis inländischer zu ausländischer Produktion beschränkt sind. I n einer monetaristischen Wirtschaft reagieren hingegen auch die relativen Preise bestehender A k t i v a sowie inländischer, neu produzierter Güter und Dienstleistungen auf reale und nominale Störungen und verändern die Allokation der Ausgaben und den Output, was von den Gesamtwirkungen zu trennen ist. Das Inferenzproblem w i r d hier also schwieriger. Die „permanent income"-Theorie besagt, daß die Reallöhne ansteigen, wenn die Rezession von einer nominalen Störung hervorgerufen wird, und daß sie fallen, wenn die Rezession durch reale Störungen herbeigeführt wird. Die von Modigliani (1977, S. 7) diskutierte einfache Korrelation zwischen Reallöhnen und Arbeitslosigkeit enthält keine Information über die „permanent income"-Theorie (oder irgendeine andere Theorie), bis sie m i t einer Aussage über die vorherrschende Ursache von Rezessionen und Booms verbunden wird. Eine positive Verknüpfung zwischen Reallöhnen und Arbeitslosigkeit während Rezessionsphasen unterstützt die „permanent income"-Hypothese, wenn Rezessionen i n der Hauptsache von Verschiebungen der Gesamtnachfrage verursacht werden. Die wirtschaftspolitischen Äußerungen der Monetaristen heben eine umfassende negative reale Störung i n den letzten Jahren hervor: das ölembargo und den nachfolgenden Anstieg des relativen Preises von ö l 1973/74. A l l e anderen Rezessionen nach dem zweiten Weltkrieg können staatlichen Maßnahmen und (in erster Linie) der Geldpolitik als hauptsächliche treibende Kräfte i n der Wirtschaft zugeschrieben werden. Ein Vergleich der Wendepunkte von Reallöhnen und ökonomischer A k t i v i tät stellt zwar noch keinen entscheidenden Test für die „permanent income"-Theorie dar, aber er liefert einige Evidenz für eine Hauptschlußfolgerung dieser Theorie 2 5 . Tabelle 1 vergleicht die oberen und unteren 24 Feldstein (1976) zeigt, daß im Verlaufe relativ leichter Konjunkturschwankungen ein Anstieg der aktuellen Arbeitslosigkeit viele Arbeiter nicht zur Beschäftigungssuche verleitet. Die Arbeiter erwarten, so legt seine Studie berechtigterweise nahe, daß die meisten nach kurzer Zeit wieder zu ihrer früheren Arbeit zurückkehren werden. Für sie, wie für Thornton , ist die aktuelle und erwartete Arbeitslosigkeit ein vorübergehendes Phänomen. 25 I n die Wahl der unteren Wendepunkte der Reallöhne schleichen sich Werturteile ein. 1953 und 1960 fallen die Reallöhne nicht. Die Veränderungsrate wird in diesen beiden Fällen fast oder genau Null. Einen unteren und

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Wendepunkte wirtschaftlicher A k t i v i t ä t m i t den Tiefpunkten der Reallöhne von 1948 bis 1974. Tabelle 1 Zeitpunkte für die Wendemarken der Reallöhne und der Wirtschaftstätigkeit 1948 -1974 (USA) Unterer Wendepunkt der Reallöhne 2. 2. 1. 2. 4. 4.

Quartal Quartal Quartal Quartal Quartal Quartal

1948 1952 1958 1960 1969 1974

oberer Wendepunkt der Wirtschaftstätigkeit November Juli August April Dezember November

1948 1953 1957 1960 1969 1973

unterer Wendepunkt der Wirtschaftstätigkeit Oktober Mai April Februar November März

1949 1954 1958 1961 1970 1975

Quelle: BCD, Juni 1976, S. 112, 93; BCD, Februar 1977, S. 105.

Entsprechend der Hypothese stiegen i n den ersten fünf Nachkriegszyklen die Reallöhne während des ganzen oder doch des größten Teils der Kontraktion. Bei vier der fünf Zyklen fällt der Tiefpunkt der Reallöhne m i t dem Höchstpunkt der vorangehenden Expansion zusammen oder liegt noch davor. I n der Rezession von 1957/58 fielen die Reallöhne während der ersten Monate der Kontraktion, begannen aber vor dem wirtschaftlichen Tiefpunkt wieder zu steigen. I n der sechsten Rezession war eine reale Störung m i t einer monetären Kontraktion verbunden. Letztere kam nahezu ein Jahr nach der realen Störung und folgte einer scharfen Reduktion des Geldmengenwachstums. Die Reallöhne sanken nach der realen Störung, erreichten einen unteren Wendepunkt während der monetären Kontraktion i m 4. Quartal 1974 und stiegen dann wieder an. Die Reallohnbelebung während dieser Rezession ist ebenfalls m i t der „permanent income"-Hypothese vereinbar. Für frühere Zeitabschnitte dieses Jahrhunderts sind Quartalsdaten der Reallöhne nicht verfügbar. Von 1900 bis 1917 fielen die drei größten Veränderungsraten der Reallöhne i n Rezessionsjähre. Bei zweien erreichte die Wirtschaftstätigkeit ihren Tiefpunkt i m Verlaufe des Jahres (1904 und 1908), und bei einer (1913) dauerte die Kontraktion das ganze Jahr an. Die höchsten Zuwachsraten der Reallöhne fallen also m i t den einzigen Rezessionen, die damals vorkamen, zusammen. Erneut scheint hier die Evidenz m i t der „permanent income"-Theorie der Beschäftigung konsistent zu sein, obwohl gewiß noch detailliertere Tests oberen Wendepunkt der Reallöhne als Folge des Beginns des Koreakrieges habe ich weggelassen. Damals gab es keine Rezession.

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erforderlich sind, um die Wirkungen nominaler und realer Störungen auseinanderzuhalten. Die Arbeiter als Gruppe können nicht erwarten, daß sie passende vertragliche Vorkehrungen treffen können, die sowohl Beschäftigung als auch Reallöhne garantieren, wenn unerwartete reale und nominale Störungen die relativen Preise und die Zusammensetzung von Ausgaben und Output verändern. Das beste, was sie erreichen können, ist, daß sie die Kosten der Einnahmenschwankungen auf ein solches M i n i m u m reduzieren, daß jene Risiken erträglich werden, die natur- und geschäftsbedingt solchen finanziellen Vereinbarungen anhaften. Solche vertraglichen Vereinbarungen teilen die Kosten der Risikoübernahme unter den Arbeitskräften interpersonal auf. Formal oder formlos vereinbarte Dienstaltersregelungen gestatten es erfahrenen Arbeitern, Beschäftigungsschwankungen dadurch zu reduzieren, daß sie variable Reallöhne akzeptieren. Die Diskussion von Abb. 2 zeigt, daß langsame Geldlohnanpassung sowie Gesamtausgabenschwankungen antizyklische Reallohnbewegungen bei den Beschäftigten implizieren. Für die Beschäftigten kompensiert der Einnahmenüberschuß über das Einkommen i n Rezessionsphasen den Einkommensüberschuß über die Einnahmen i n Expansionsphasen. Für die Arbeitslosen ist die Situation umgekehrt. Sie sind arbeitslos i n Perioden relativ hoher Reallöhne und arbeiten i n Perioden niedriger Reallöhne. Dienstaltersregelungen bürden diese Alternative jungen Arbeitern auf, gestatten es aber auch, daß diese neuen Arbeiter andere Zukunftserwartungen hegen können. Wo nämlich die betrieblichen Ausbildungskosten hoch sind, kann man damit rechnen, daß die Arbeitgeber Dienstaltersregelungen anbieten, um den späteren Nutzen der früheren Ausbildung zu erhalten 2 6 . Dienstaltersklauseln sind nicht das einzige Mittel, m i t Hilfe dessen Arbeiter sich auf Risiken einstellen, die natur- und geschäftsbedingt sind und den finanziellen oder sozialen Vereinbarungen anhaften. Arbeiter m i t einer besonderen Präferenz für gleichmäßig laufende Einnahmen werden solche Beschäftigungen annehmen oder i n solche Branchen eintreten, wo sie Kontinuierlichkeit erwarten können (wie i m öffentlichen Dienst) oder wo sie wenigstens voraussehbar ist (wie i m Lehrberuf, bei gemeinnützigen Einrichtungen sowie bei der Herstellung der meisten nicht-dauerhaften Verbrauchsgüter). 26 Gordon (1977) zeigt, daß Frauen und Teenager in der Gruppe jener Arbeiter dominierten, die ihre Dienste in Zeiten hoher Beschäftigung anbieten wollten. Steigende Preise und starre Geldlöhne verführen die Unternehmer dazu, Arbeiter mit geringerer Ausbildung und Erfahrung einzustellen. Dienstaltersbestimmungen stellen einerseits sicher, daß solche Arbeiter bei sinkenden Ausgaben und steigenden Reallöhnen nicht durchgehalten werden. Andererseits geben sie der Firma auch Mittel zur Hand, bei den betreffenden Arbeitern die Reallöhne zu kürzen, ohne die Geldlöhne zu senken.

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Arbeiter i n Branchen, die größeren Beschäftigungsschwankungen unterliegen, könnten i m Prinzip Verträge auf Zahlung von Reallöhnen abschließen (bis zu einem gewissen Grad t u n sie das auch). Eine Indexierung von Lohnvereinbarungen reduziert zwar die Kosten von Nominalpreisänderungen, aber sie vernachlässigt die Kosten, die den Arbeitern und Unternehmern durch Änderungen der relativen Preise auferlegt werden. Die monetaristische Theorie mißt Schwankungen der relativen Preise von A k t i v a und Output wesentlich größere Bedeutung bei als die keynesianische oder klassische Theorie. Deshalb hat sie Gründe für die Ablehnung von Verträgen, die Reallohnzahlungen vorsehen. Ein besonders schwieriges Problem ist die Frage, ob Unternehmen und A r beiter nicht von vornherein damit einverstanden sein sollten, die Reallöhne ex post anzupassen. Dies wäre immerhin eine Möglichkeit, Verlierer für Verluste zu entschädigen, die aus unerwarteten realen und nominalen Störungen resultieren. I n den Arbeitsmarkttheorien von Azariadis (1975) und Baily (1974) können jene Arbeiter, die variable Einkommen beziehen, eine zusätzliche Geldleistung dafür verlangen, daß sie das Risiko von Einnahmenschwankungen tragen. Ob eine derartige Abfindung gefordert oder bezahlt wird, hängt von der A r t der Einkommen, den Präferenzen der Grenzanbieter von Arbeitskraft und den sozialen Regelungen zur Risikoverteilung ab 2 7 . Der Entschädigungsbetrag, der dafür verlangt und bezahlt wird, daß die Kosten der Einnahmenschwankungen hingenommen werden, berührt zwar die Lohnstruktur, aber nicht die Interpretation der Arbeitslosigkeit. Wenn die Veränderlichkeit der Einnahmen (Einkünfte) richtig erwartet wird, dann ist der zeitliche Verlauf der Einnahmen zwar unsicher, aber das erwartete Einkommen ist bekannt. Die aktuelle A r beitslosigkeit berührt den Lebenskonsum nur, wenn sie den Wert des permanenten oder erwarteten Einkommensstroms ändert. Bezeichnenderweise betrachtet man Lehrer während der Sommerferien nicht als „unfreiwillig arbeitslos"; ebensowenig sind Bauarbeiter bei Regen und Industriearbeiter bei kurzfristigen, geringfügigen konjunkturellen Rückschlägen „unfreiwillig arbeitslos". Soziale Maßnahmen, die die aktuelle Arbeitslosigkeit i m Verlaufe von Rezessionen einschränken, erhöhen das aktuelle Realeinkommen nur dann, wenn die Arbeiter die laufende Beschäftigung durch gegenwärtige und zukünftige Freizeit substituieren. Wenn das permanente Einkommen von Beschäftigungsmaßnahmen nicht berührt wird, w i r d auch das lang27 Professoren und Staatsbeamte beeinflussen die Bestimmungen, die für die Arbeitslosenunterstützung maßgebend sind und die die Arbeitslosigkeit definieren. Beide Gruppen umschließen eine unverhältnismäßig große Zahl an Bediensteten mit starken Präferenzen für eine geringe Variabilität der Einkünfte. Wer aber trägt die Kosten der Arbeitslosenversicherung?

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fristige Angebot an Arbeitskraft nicht betroffen. Die Beschäftigung von heute w i r d ζ. B. gegen zukünftige Freizeit eingetauscht. Die Arbeiter ziehen aus dem Tausch i n dem Ausmaß Gewinn, wie sie alternativ Beschäftigungs- oder Freizeitperioden vorziehen, oder, wie es ihnen i m Falle einer positiven Zeitpräferenz möglich ist, die Veränderlichkeit der Einnahmen ohne Einkommensverlust zu reduzieren. Die „permanent income"-Theorie macht das Arbeitskraftangebot sowohl von den Reallöhnen als auch von dem erwarteten Lebenseinkommen und nicht allein von den Reallöhnen abhängig. Die Theorie erklärt, warum Geldlöhne nach unten und oben h i n starr erscheinen (sofern die erwartete Inflationsrate unverändert bleibt). Aber sie erklärt die Rigidität der Löhne nicht m i t Fehlerwartungen oder Ungleichgewichten. Die Theorie erfordert keine „Auktionsmärkte" für Arbeit, was ein Hauptpunkt i n Modiglianis (1977) K r i t i k an der Lehre von den rationalen Erwartungen ist. Viel bedeutender für die Ergebnisse ist vielmehr die Folgerichtigkeit i n den Einkommensplanungen der Arbeiter. Die Arbeiter müssen erwarten, Arbeit zu Reallöhnen anbieten zu können, die es ihnen erlauben, das für ihre Konsumerwartungen erforderliche permanente Einkommen zu verdienen. Arbeitsmarktdaten scheinen aufzuzeigen, daß freiwillige Arbeitsniederlegung („Fehltage") verstärkt i n Perioden ununterbrochen hoher A r beitskraftnachfrage auftaucht. Wie Gordon (1977) und andere bemerkt haben, bleibt man der Arbeit nicht fern, um eine Stelle zu suchen. Die Arbeiter „machen blau" aus vielen Gründen; aber einer dieser Gründe liegt darin, daß sie die Zeitaufteilung zwischen Arbeit und Freizeit anpassen, u m zu jener Arbeitskraftangebotskurve zurückzukehren, die durch i h r permanentes Einkommen bestimmt wird. Die Daten über „Fehltage" scheinen diese Theorie zu stützen. Das permanente Einkommen ist für die Einzelnen oder für die Gesellschaft nicht unveränderlich. I m Verlaufe dieses Jahrhunderts mögen die Erfahrungen i n Großbritannien während der 20er und 30er Jahre und i n vielen Ländern während der 30er oder 60er Jahre die Lebensverdiensterwartungen geändert haben. Eine lange Depression vermindert wahrscheinlich das erwartete Einkommen sowie die Wachstumsrate der Reallöhne. Eine lange Expansion erhöht voraussichtlich das erwartete Einkommen und ermutigt dadurch die Arbeiter, weniger Entlassungen zu erwarten. „Blaumachen" und häufigere Abwesenheit vom Arbeitsplatz sind einige der Mittel, die die Arbeiter dafür benutzen, u m Zuwächse an permanentem Einkommen zwischen Gütererwerb und Freizeit aufzuteilen. Schwankungen der ökonomischen A k t i v i t ä t und Beschäftigung verändern die Einnahmen. Die keynesianische Theorie behandelt alle kon-

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junkturellen Einnahmeänderungen als unfreiwillige Arbeitslosigkeit. Man zahlt Arbeitslosenunterstützung, u m die privaten Kosten der Arbeitslosigkeit gleichmäßiger zu verteilen. Der Verlust durch Arbeitslosigkeit w i r d i n jedem Fall zu einem gesellschaftlichen Verlust; das ist jener Output, den man bei vollbeschäftigter Wirtschaft zusätzlich gehabt hätte. Die klassischen Theoretiker beschrieben konjunkturelle Arbeitslosigkeit als außergewöhnlich und vorübergehend. Z u ihrer Interpretation liefert die „permanent income"-Theorie eine besser gesicherte Fundierung und eine Erklärung der Ausdrücke „außergewöhnlich" und „vorübergehend". Wenn das erwartete oder permanente Einkommen i m Verlaufe leichter Konjunkturrückschläge konstant bleibt, gibt es keinen Verlust an Output. Konjunkturschwankungen verändern die Einnahmen i n Relation zum Einkommen, aber noch nicht die Einkommen selbst. Arbeitslosenunterstützung glättet zwar die Einnahmen, kann aber die Einkommen nur i n dem Ausmaß verändern, wie die Reallöhne sich nicht völlig an die verringerte Veränderlichkeit der Einnahmen angleichen. Die monetaristischen Empfehlungen zur Wirtschaftspolitik stehen der klassischen Theorie näher als der keynesianischen Theorie. Das kann man daran erkennen, wie sehr die Reallöhne und die „natürliche" Rate der Arbeitslosigkeit betont werden, und wie oft man leugnet, daß sich Beschäftigung und Output während Konjunkturschwankungen unabhängig von den Preisen bewegen. Die klassische und die monetaristische Konjunkturtheorie erkennen, daß Risiken natur- und geschäftsbedingt sind. Z u diesen Risiken fügen sie die Unsicherheit hinzu, die durch gesellschaftliche Regelungen ins Spiel gebracht wird. Der Goldstandard, der einst als M i t t e l angesehen wurde, u m solche Schwankungen zu minimieren, die durch monetäre Interventionen verursacht wurden, ging i n der Depression der 30er Jahre unter. Das Bretton-Woods-System und die weit verbreitete A n wendung keynesianischer Politik stärkte i n den 50er und 60er Jahren den Glauben, daß die neuen wirtschaftspolitischen Instrumente das Risiko verminderten. Für viele ging diese Illusion m i t der Weltinflation der frühen 70er Jahre und m i t der nachfolgenden Erfahrung jener Volkswirtschaften zu Ende, die von der „Feinsteuerung" und von festen Wechselkursen abgingen 28 . 28 I n einem neuen Artikel zeigt Mayer (1977), daß die durchschnittliche A r beitslosigkeit und der Verlust an Output von 1900 bis 1929 unter dem Goldstandard nicht signifikant größer ist als unter dem Dollarstandard von 1948 oder 1953 bis 1975. Mayer erkennt, daß die durchschnittliche Arbeitslosenrate oder ihre Varianz ein nicht völlig adäquates Maß für die von wirtschaftspolitischen Instrumenten herbeigeführten Konjunkturschwankungen sind, wenn Unterschiede im Ausmaß realer Störungen und Änderungen gesellschaftlicher Regelung vernachlässigt werden. Zudem hängen die Risiken oder Kosten, die durch solche gesellschaftlichen Regelungen auftreten, nicht nur von der Veränderlichkeit des Outputs, sondern auch der Preise ab.

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Π Ι . Schlußbetrachtung Thomas Mayers summarische Darstellung der monetaristischen Vorstellungen umfaßt sowohl viel vom Geist als auch von der Substanz des monetaristischen Standpunktes sowie von den Grundlagen der monetaristischen Empfehlungen zur Wirtschaftspolitik. Seine Kommentatoren kritisieren zwar spezifische Aspekte, erkennen aber die allgemeinen Ausführungen an. Sie stimmen alle darin überein, daß die verbleibenden Streitfragen i n der Monetaristen-Debatte nur empirischer, nicht aber analytischer Natur sind. Die Monetaristen und einige moderne Keynesianer akzeptieren nämlich ähnliche Theorien über die Anpassung an reale und nominale Störungen. Ich verglich diesen allgemeinen theoretischen Rahmen m i t den frühen keynesianischen und klassischen Theorien und zeigte einige der hauptsächlichen Änderungen auf, die den allgemeinen theoretischen Rahmen von den früheren Theorien unterscheiden. Unterschiede zwischen den Empfehlungen der Monetaristen und Keynesianern zur Wirtschaftspolitik können nicht völlig durch Meinungsverschiedenheiten über den Umfang der jeweiligen Reaktionen erklärt werden, obwohl diese Differenzen beträchtliche Aufmerksamkeit bei Diskussionen über die Geld- und Fiskalpolitik auf sich ziehen. Zwei miteinander verwandte Streitfragen sind bis vor kurzem i m Verlaufe der Monetaristen-Kontroverse i m Hintergrund geblieben. Dennoch sind sie Ausgangspunkt vieler wirtschaftspolitischer Meinungsunterschiede und helfen, wie ich glaube, bei der Erklärung, warum Ökonomen, die dieselbe formale Analyse anerkennen, als „Monetaristen" oder „ K e y nesianer" eingestuft werden können. Eine der Streitfragen betrifft die A r t und die Bedeutung der Arbeitslosigkeit. Die Keynesianer behandeln wie Keynes jede konjunkturelle Arbeitslosigkeit als „unfreiwillig", als einen Produktionsverlust für die Gesellschaft sowie als einen Einkommensverlust für die Arbeitslosen, sofern er nicht kompensiert wird. Diese Gedankenführung läßt die Unterscheidung zwischen Einkommen und laufenden Einnahmen außer acht, die als grundlegend für das von den Ökonomen benützte Zeitpräferenzmodell gilt. Die Monetaristen unterscheiden (wie die Hauptrichtung der klassischen Ökonomen) zwischen laufenden Einnahmen und dauerndem Einkommen und betrachten einen großen Teil der während leichter Konjunkturzyklen beobachteten Arbeitslosigkeit als eine Folge von Einnahmenschwankungen. Konjunkturelle Arbeitslosigkeit verändert die permanenten oder erwarteten Einkommensströme sowie den Verbrauch nur dann, wenn Einnahmenschwankungen eine völlige Neubewertung der Durchschnittshöhe oder der Veränderlichkeit von Verdiensten aus bestimmten Tätigkeiten und i n der Summe verursachen.

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Soziale Vorkehrungen können die natur- und geschäftsbedingten Risiken erhöhen oder verringern. Staatliche Maßnahmen, die die Relation zwischen Risiko und Ertrag ändern, die das Risiko sozialisieren oder kollektivieren oder die Konjunkturschwankungen reduzieren, verändern das erwartete Einkommen und die Variabilität der Einkommensströme. Optimale soziale Regelungen minimieren die Konjunkturschwankungen i n einer Gesellschaft, i n der Individuen m i t Präferenz für eine Glättung variabler Ströme den Ton angeben. Das Ausmaß, bis zu dem gesamtwirtschaftliche Maßnahmen Konjunkturschwankungen reduzieren und das Risiko senken ohne die Erträge einzuschränken, w i r d durch die altbekannte analytische Streitfrage „rules versus authority" determiniert. Diese Streitfrage, die lange i m Hintergrund der MonetaristenDebatte stand, taucht nun als ein zentrales Problem i n Diskussionen über die wirtschaftspolitischen Implikationen einer Theorie auf, die rationale Erwartungen i n i h r System einbezieht; siehe Lucas (1977), Prescott (1977), Phelps und Taylor (1977).

Monetarismus oder monetäre Ökonomie* Von Helmut Frisch, Wien Die spontane Reaktion auf Professor Mayers Beitrag „The Structure of Monetarism" 1 zeigt, daß er ein zentrales Thema der gegenwärtigen theoretischen Diskussion angeschnitten hat. Mayer charakterisiert den gegenwärtigen Monetarismus durch 12 Postulate von unterschiedlichem Gewicht. I m Abschnitt I dieses Beitrages diskutiere ich Postulat I aus Mayers Liste: „Die Dominanz des Impulses monetärer Faktoren auf das Nominaleinkommen (die Neo-Quantitätstheorie des Geldes)". Dabei w i r d betont, daß die Neo-Quantitätstheorie als Theorie des Nominaleinkommens völlig t r i v i a l ist, sofern nicht gezeigt wird, wie ein monetärer Impuls i n einen realen Effekt (Produktions- und Beschäftigungseffekt) und i n einen Preiseffekt zerlegt werden kann. Dies zeigt das sogenannte Akzelerationstheorem, welches durch die Kombination von zwei Friedman-Modellen (1970, 1971) formuliert w i r d 2 . Die wenigen empirischen Arbeiten, die existieren, machen es allerdings zweifelhaft, ob von einer „Dominanz" monetärer Impulse auf Produktion und Beschäftigung gesprochen werden kann. I n Abschnitt I I w i r d ein wichtiger Aspekt i m monetaristischen Transmissionsprozeß, nämlich die Bildung inflationärer Erwartungen (die Mayer i n seiner Liste vernachlässigt) näher betrachtet. Hier w i r d gezeigt, daß das Akzelerationstheorem zwar m i t dem Modell adaptiver Erwartungsbildung vereinbar ist, nicht jedoch m i t dem Modell rationaler Erwartungen. I m Sinne der Hypothese rationaler Erwartungen (REH) erzeugt ein monetärer Impuls nur inflationäre Effekte und keine realen Effekte. Neuere empirische Arbeiten für die Vereinigten Staaten i n der Periode nach dem zweiten Weltkrieg vermitteln den Eindruck, daß die Akzeleration oder Dezeleration der Rate der Geldmengenexpansion regelmäßig nicht antizipiert wurde. Daher erscheint das Akzelerationstheorem m i t den Daten eher vereinbar zu sein als die REH. * Englische Fassung: Kredit und Kapital, 10. Jg. (1977), S. 321 ff. Übersetzt vom Verfasser. 1 Thomas Mayer, The Structure of Monetarism, Kredit und Kapital, Vol. 8 (1975), p. 191 - 215 and p. 293 - 313. 2 Milton Friedman, A Theoretical Framework of Monetary Analysis, J. P. E. 78 (1970), p. 318 - 327. A Monetary Theory of Nominal Income, J. P. E. 79 (1971), p. 323 - 337.

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Es überrascht, daß Mayer den „crowding-out"-Effekt vernachlässigt, den manche Autoren (z.B. J. Stein) 3 zum Hauptunterschied zwischen Monetaristen und Neo-Keynesianern gemacht haben. Der CrowdingOut-Effekt sagt, daß Staatsausgaben, die nicht durch Geldschöpfung sondern durch Steuererhöhungen und/oder durch eine Zunahme der Staatsverschuldung finanziert werden, eine Reduktion der Privatausgaben zur Folge haben, die die erhöhten Staatsausgaben teilweise (oder auch ganz) kompensieren. Die Vernachlässigung des Crowding-OutEffekts bringt einen Optimismus bezüglich der staatlichen Stabilisierungspolitik zum Ausdruck, während seine Betonung das Gegenteil unterstreicht. Abschnitt I I I dieses Aufsatzes diskutiert den Crowding-OutEffekt als Unterscheidungskriterium zwischen Monetaristen und NeoKeynesianern. Der fundamentale Unterschied zwischen Monetarismus und monetärer Ökonomie liegt jedoch i m „Stabilitätspostulat", wonach der private Sektor der Wirtschaft immanent stabil sei (Abschnitt IV). Dieses Postulat oder, wie Mayer öfters betont, dieser „Glaube" gehört zur „Weltanschauung" der Monetaristen (zu den „presuppositions", wie A . Leijonhufvud sagt) und es w i r d stets i m Gegensatz zu dem „Instabilitäts-Postulat" der Neo-Keynesianer formuliert. Nach einer Diskussion eines mehr operationalen Konzepts der Stabilität w i r d auf die Schule der „älteren" Monetaristen wie K . Wicksell, G. Myrdal und F. A. Hayek hingewiesen, die statt des Stabilitätsbegriffes den „kumulativen Prozeß" verwendet haben. Dieser beruht auf der Annahme, daß der monetäre Sektor der W i r t schaft (zum Unterschied von dem realen Sektor) instabil sei, da bei einer Diskrepanz zwischen Realzins und Marktzins durch eine Sequenz von Ausgabeänderungen u n d Preisänderungen das System sich vom Gleichgewicht wegbewegt. I. Das Akzelerationstheorem Das Akzelerationstheorem kann als die gegenwärtige Neufassung der Quantitätstheorie aufgefaßt werden. Es impliziert, daß allein eine Akzeleration oder Dezeleration der Wachstumsrate der Geldmenge reale Effekte erzeugt (d. h. Änderungen der Beschäftigung und der Produktion), während eine konstante Wachstumsrate der Geldmenge nur die Inflationsrate bestimmt. Beispielsweise sagt D. Laidler: „Die Wirkungen einer Änderung der Wachstumsrate des Geldangebots beeinflussen anfänglich das Niveau des Realeinkommens und die Inflationsrate, auf lange Sicht nur die Inflationsrate 4 ." 8 Jerome L. Stein , Inside the monetarist black box, in: J. L. Stein (ed.), „Monetarism", p. 183 - 232, Amsterdam (1976). 4 David Laidler , A n Elementary Monetarist Model of Simultaneous Fluctuations in Prices and Output, in: H. Frisch (ed.), „Inflation in Small Coun-

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I n den Modellen von M. Friedman (1970, 1971), D. Laidler (1976) und K . Brunner (1970)5 erscheint das Akzelerationstheorem i n Verbindung m i t einer weiteren Hypothese, nämlich dem Satz, daß die Wirkung einer monetären Akzeleration (Dezeleration) n u r einen temporären Einfluß auf Beschäftigung und Produktion hätte. Beide Sätze kann man zusammen i n einer besonders einfachen Formulierung des Friedman-Modelles finden. Vereinigt man die zwei Friedman-Modelle aus 1970 und 1971, ergibt sich folgende Theorieskizze: (1)

η = π* + a (y-y*) + γ (logX — logX*)

(2)

a: = χ* + (I-α) (y-y*) — γ (logX — logX*)

(3)

y = y* +

1

(m - y*)

Liste der Variablen: π χ y X m R β

= = = = = = =

Inflationsrate Wachstumsrate des Realeinkommens Wachstumsrate des Nominaleinkommens Niveau des Realeinkommens Wachstumsrate der Geldmenge Änderungsrate der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes Anpassungskoeffizient der Inflationserwartungen

Dieses System linearer Differentialgleichungen bringt das Akzelerationstheorem klar zum Ausdruck. N i m m t i n Gleichung (3) die exogene Rate des Wachstums der Geldmenge zum Unterschied von der erwarteten Wachstumsrate (WR) des Nominaleinkommens zu (m > y*), so entsteht eine positive Differenz (y-y*). Die Gleichungen (1) und (2) zeigen, wie die Differenz von aktueller und erwarteter WR des Nominaleinkommens die Inflationsrate η und die WR des Realeinkommens χ beeinflußt. Dabei können die Parameter oc und (I-α) als Preis und Produktionselastizitäten interpretiert werden. Das System besitzt eine kausale Interpretation. Eine Zunahme i n der WR des Geldangebots erzeugt reale Effekte via den Gleichungen (1) und (2), wobei dessen Ausmaß durch das Verhältnis ——— bestimmt ist. 1 — oc

d

Ein Prozeß der Erwartungsanpassung von dem Typ: (y*) = β (y-y*) erhöht y* i m Zustand des Ungleichgewichtes bis die steady state-situation yt = y* = mt erreicht ist. I n dem neuen Gleichgewichtstries", Lecture Notes in Economics and Mathematical Systems, SpringerVerlag (1976), p. 76. 8 K a r l Brunner, The Monetarist Revolution in Monetary Theory, Weltwirtschaftliches Archiv, 105 (1970).

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zustand sind die Effekte einer Akzeleration des Wachstums der Geldmenge verschwunden und die aktuellen Wachstumsraten gleich den antizipierten. Beabsichtigt man erneut reale Effekte zu erzeugen, muß die Wachstumsrate der Geldmenge erneut erhöht werden. E i n dauernder Effekt auf das reale System kann nur durch eine permanente Akzeleration des Wachstums der Geldmenge erzielt werden. Das Akzelerationstheorem ist m i t dem ersten Postulat Mayers der „Dominanz des Einflusses monetärer Faktoren auf das Nominaleinkommen" vereinbart, und es enthält auch Elemente des monetaristischen Transmissionsprozesses. Z w e i Fragen ergeben sich unmittelbar: (1) Das Akzelerationstheorem ist eine empirische Hypothese und daher überprüfbar. Die einzige (mir bekannte) Studie, die das Akzelerationstheorem einem direkten statistischen Test unterwirft, stammt von P. Korteweg (1976) und bezieht sich auf die Niederländische Wirtschaft i m Zeitraum 1955 bis 1972. I n seiner Untersuchung versucht der A u t o r zwischen der „monetären Impulshypothese", der „fiskalistischen" und der „außenwirtschaftlichen Impulshypothese" zu unterscheiden. P. Korteweg kommt zu dem Ergebnis: "Not rejected are the weak foreign and monetary impulse hypothesis. That is : changes i n output growth without foreign and monetary impulses are highly unlikely 6 ." Die empirischen Ergebnisse widersprechen dem Akzelerationstheorem nicht; sie widersprechen jedoch seiner Interpretation i n einem kausalen Sinne, wonach eine Beschleunigung des Wachstums des Geldangebots stets eine Änderimg i n der realen Produktion erzeugt 7 . Eine Änderimg der Wachstumsrate des Realeinkommens ist stets m i t Änderungen der Wachstumsrate des Geldangebots korreliert; aber nicht jede Änderung der Rate der Geldmengenexpansion induziert eine Änderung der Wachstumsrate des Realeinkommens. (2) Die Dauer des realen Effekts hängt von dem Tempo der Anpassung der Inflationserwartungen ab. Dies hat die weitere Frage nach dem Mechanismus der Erwartungsbildung, der m i t der monetaristischen Theorie kompatibel ist, zur Folge.

β P. Korteweg, Inflation, Economic Activity and the Operation of Fiscal, Foreign and Monetary Impulses in the Netherlands — A Preliminary Analysis 1953 - 1973, De Economist (1976), p. 616. 7 I m Sinne der schwachen Version der Impulshypothese tritt ein Ereignis nicht ein ohne den vorausgegangenen Impuls; im Sinne der starken Version tritt ein Ereignis jedesmal ein, wenn der spezifizierte Impuls eintritt.

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Π . Endogene Erwartungen Die zentrale Frage nach dem Mechanismus der Erwartungsbildung w i r d i n Th. Mayers „Structurers" nicht gestellt, obgleich gerade die Erwartungen eine fundamentale Rolle i m Verständnis des Akzelerationstheorems und des monetaristischen Transmissionsprozesses bilden. Das Akzelerationstheorem erscheint vereinbar m i t dem Modell adaptiver Erwartungsbildung, welches explizit oder implizit bei der Mehrheit der monetaristischen Autoren angenommen w i r d (M. Friedman 1970, 1971; K . Brunner 1970; D. Laidler 1976). Verhalten sich die Wirtschaftssubjekte i m Sinne des Modells adaptiver Erwartungsbildung, können die realen Variablen des Systems (Produktion und Beschäftigung) durch eine Ä n derung der Wachstumsrate des Geldangebotes (wegen des Auftretens einer nichtantizipierten Inflation) beeinflußt werden. Betrachten w i r den Arbeitsmarkt, der gewöhnlich von monetaristischen Autoren vernachlässigt w i r d (E. Ciaassen) 8. Beginnen w i r m i t einer Gleichgewichtssituation, i n der die Wachstumsrate der Geldlöhne w durch das Wachstum der Grenzproduktivität der Arbeit g und die erwartete Inflationsrate π* bestimmt w i r d : w = g + π*

Die Wachstumsrate des realen Marktlohnes ergibt sich jedoch aus der Differenz w — π, wobei η die aktuelle Inflationsrate repräsentiert: w — π = g Λ- (π* — π)

T r i t t eine nicht antizipierte Inflation als Folge einer Beschleunigung des Wachstums der Geldmenge auf, fällt die Wachstumsrate des realen Marktlohnes unter die der Grenzproduktivität der Arbeit und die A r beitslosenrate sinkt (Profitmaximierung vorausgesetzt) unter das Niveau der „natürlichen" Rate u*, die dem steady state-Zustand entspricht, i n welchem die Inflation v o l l antizipiert w i r d (π = π*). Die Situation kann durch folgenden (linearisierten) Anpassungsprozeß formuliert werden: dN — = Ν γ (g (Ν) - (w - π))

Der Zuwachs der Beschäftigung ist der Rentabilitätsdifferenz g — ( w — π ) proportional. Das Modell adaptiver Erwartungsanpassung impliziert, daß die Geldlöhne weiter ansteigen, solange eine positive Differenz (π — η*) besteht. I m neuen steady state m i t η — π* = 0 ist das voraus8 E. Ciaassen , Short-Period Fluctuations in Nominal and Real Income: A Monetarist Model, in: E. Claassen and P. Salin (ed.), „Stabilization Policies in Interdependent Economies", North-Holland (1972).

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gegangene Niveau der Reallöhne wieder erreicht; die Arbeitslosenrate erneut auf u* gestiegen und die Inflationsrate nunmehr dauernd erhöht. Jeder weitere Versuch, die aktuelle Arbeitslosenrate unter das Niveau der „natürlichen" u* zu reduzieren, erfordert eine Beschleunigung des Wachstums des Geldangebotes. Eine Akzeleration der Wachstumsrate des Geldangebots induziert nur dann reale Effekte, wenn eine nichtantizipierte Inflation entsteht, die temporär den Marktreallohn unter das Grenzprodukt der Arbeit senkt. Diese Überlegung läßt sich i n dem folgenden Satz zusammenfassen: Das Akzelerationstheorem wird durch das Entstehen einer nichtantizipierten Inflation erklärt, die sich als Folge einer Änderung in der Expansionsrate des Geldangebotes ergibt. Während — wie erwähnt — Autoren wie M. Friedman, D. Laidler und J. Stein (in seinem „synthetischen" Modell 1976) m i t dem adaptiven Modell der Erwartungsanpassung arbeiten, v e r t r i t t eine andere Gruppe von Autoren, Monetaristen i n einem weiteren Sinne, wie Th. Sargent 9 und Th. J. Sargent und N. Wallace 10 sowie R. E. Lucas 11 die Hypothese „rationaler Erwartungen" (REH). Die zentrale Idee der REH besteht i n der Annahme, daß die Erwartimg wirtschaftlicher Variablen von denjenigen wirtschaftlichen Parametern bestimmt wird, die nach der ökonomischen Theorie diese Variable i n der Realität bestimmen. (Th. J. Sargent und W. Wallace 1975.) Genauer formuliert: Rationale Erwartungen der Inflationsrate π* sind unverzerrte Schätzer der aktuellen Inflationsrate π, unter Berücksichtigung aller Informationen zu Beginn der Periode t. Vom logischen Standpunkt hebt die R E H die Existenz des Akzelerationstheorems auf. Da jedes Wirtschaftssubjekt das Modell kennt, erzeugt jede Änderung der Wachstumsrate des Geldangebotes nicht nur eine Änderung der aktuellen Inflationsrate, sondern zugleich eine Änderung i n der erwarteten Inflationsrate, so daß eine W i r k u n g auf die realen Variablen des Systems ausgeschlossen ist. Dagegen scheint die ökonometrische Analyse der REH das Akzelerationstheorem zu bestätigen. Besonders aufschlußreich erscheint die öko9 Th. J. Sargent, Rational Expectations, the Real Rate of Interest, and the Natural Rate of Unemployment, Brookings Papers on Economic Activity, 2 (1973). 10 Th. J. Sargent and N. Wallace, Rational Expectations, the Optimal Monetary Instrument, and the Optimal Money Supply Rule, J. P. E. 83 (1975), p. 251 - 254. 11 R. E. Lucas, jr., Econometric Testing of the Natural Rate Hypothesis, in: O. Eckstein (ed.), „The Econometrics of Price Determination" (1972), p. 50 - 59.

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nometrische Studie von R. J. Barro 12 für die USA (1976). Die Arbeit kann als ein dezisiver ökonometrischer Test für das Akzelerationstheorem und die REH gewertet werden. Die zentrale Hypothese der Studie lautet, daß nur nichtantizipierte Änderungen der Geldmenge die realen Variablen des Systems, wie die Arbeitslosenrate und das Produktionsniveau, beeinflussen. Diese Hypothese wurde dadurch überprüfbar gemacht, daß die antizipierte Rate des Geldmengenwachstums ( = systematische Komponente) als jene Rate definiert wurde, die durch eine reduzierte Formgleichung vorhergesagt werden kann, wobei das Wachstum der Geldmenge durch die Staatsausgaben, die verzögerte Rate des Geldmengenwachstums und die verzögerte Arbeitslosenrate erklärt wird. Die nichtantipizierte Komponente des Geldmengenwachstums wurde dann als Differenz zwischen der aktuellen u n d der — mittels der reduzierten Formgleichung — prognostizierten Wachstumsrate der Geldmenge (mt — mt*) gemessen. Die laufenden und die u m zwei Jahre verzögerten Werte der nichtantizipierten Wachstumsrate der Geldmenge zeigen einen beträchtlichen Einfluß auf die Arbeitslosenrate und die reale Produktion i m Sinne des Akzelerationstheorems. Die Ergebnisse zeigen, daß von 1961 bis 1967 i n einer Periode relativ konstanten Wachstums die „nichtantizipierte" Komponente der Geldexpansion sehr klein war. Die Akzeleration der Geldmenge i m Jahre 1968 ( + 2,5 °/o) wurde jedoch nicht antizipiert, was i n der Folge die Arbeitslosenrate unter 3,5 %, also unter das Niveau der natürlichen Rate drückte. Eine nichtantizipierte Dezeleration der Geldmenge 1960 (—3,9%) erklärt das scharfe Ansteigen der Arbeitslosenrate auf 6,7 °/o. Die empirische Evidenz spricht für das Akzelerationstheorem und gegen die REH. R. Barros Ergebnis zeigt, daß für die USA i n der Periode 1960 -1975 eine Akzeleration (bzw. Dezeleration) der Wachstumsrate des Geldangebotes regelmäßig nicht (!) antizipiert wurde "und somit zu Veränderungen von Beschäftigung und Produktion geführt hat. Warum spricht die empirische Evidenz für das Akzelerationstheorem und nicht für die REH? Dafür gibt es mehrere Gründe: (1) Existierende Preis- und Lohnkontrakte machen kurzfristige Preisund Lohnänderungen eher schwierig, so daß für Teile des Preis- und Lohnsystems adaptives Anpassungsverhalten realistisch erscheint 13 . (2) Es ist nicht ausgeschlossen, daß Wirtschaftssubjekte bedingte mathematische Erwartungen i m Rahmen eines Modells und unter Benützung aller Informationen bilden, aber verschiedene Wirtschafts12 R. J. Barro , Unanticipated Money Growth and Unemployment in the United States, A. E. R. 67 (2) 1977, p. 101 - 115. 13 See W. Poole , Rational Expectations in the Macro Model, Brookings Papers on Economic Activity 2 (1976), p. 484 f.

14 Beihefte zu Kredit und Kapital 4

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Subjekte verwenden verschiedene Modelle. Sie sind rational bezüglich eines bestimmten Modells, aber dieselbe Information hat für verschiedene Wirtschaftssubjekte eine verschiedene Bedeutung und führt zu verschiedenen Aktionen. (3) Das regelmäßige Auftreten einer signifikanten nichtantizipierten Komponente i m Wachstum des Geldangebotes, wann immer sich die Wachstumsrate des Geldangebotes ändert, zeigt, daß die Wirtschaftssubjekte zwar die prädeterminierten Variablen des Modells kennen, jedoch nicht alle exogenen Variablen i m Zeitpunkt der Prognose, (ζ. B. die Fiskalvariablen des Zeitpunktes t - 1 , aber nicht den Wert der Variablen i m Zeitpunkt t.) (4) Das Akzelerationstheorem kann als ein Spezialfall der Hypothese betrachtet werden, daß nur die nichtantizipierte Komponente der Änderungsrate des Geldangebots Effekte auf den realen Sektor der W i r t schaft erzeugt. I I I . Der „Crowding-Out"-Effekt Interessanterweise hat Th. Mayer den Crowding-Out-Effekt als Unterscheidungsmerkmal zwischen Monetaristen und Neo-Keynesianern nicht diskutiert. Der Crowding-Out-Effekt bezieht sich auf die Wirkung unterschiedlicher Methoden der Finanzierung eines Budgetdefizits. „Ob Defizite eine Inflation erzeugen, hängt davon ab, wie sie finanziert werden. Wenn sie, wie dies häufig geschieht, durch Geldschöpfung finanziert werden, erzeugen sie ohne Zweifel einen Inflationsdruck. Werden sie durch Kredite von seiten des Publikums finanziert, welche Zinssätze dafür auch notwendig seien, können sie noch immer einen geringen Inflationsdruck erzeugen. I h r Haupteffekt w i r d jedoch darin bestehen, die Zinssätze höher zu machen als sie andernfalls sein würden" (M. Friedman, 1972)14. Der Crowding-Out-Effekt, hervorgehoben von M. Friedman und den Ökonometrikern des St. Louis-Modells 1 5 , behauptet, daß Staatsausgaben, die nicht von einer Zunahme der Geldmenge begleitet sind (die also entweder durch Steuererhöhungen oder Staatsanleihen finanziert werden), ein Crowding Out von Privatausgaben verursachen und somit keinen nennenswerten Nettoausgabeneffekt erzeugen. Folgt man J. Stein 16, so bildet die Ablehnung oder die Annahme des Crowding-Out-Effektes einen zentralen Unterschied zwischen den bei14 M. Friedman, Comments on the Critics, in: R. J. Gordon (ed.), „Milton Friedman's Monetary Framework", The University of Chicago Press (1974), p. 140. 15 L. C. Anderson and Κ . M. Carlson, A Monetarist Model for Economic Stabilization, Federal Reserve Bank, St. Louis (1970).

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den Schulen, den Monetaristen und den Neo-Keynesianern. J. Stein betrachtet folgende Situation: Die Regierung reduziert die Steuern und finanziert das hierdurch hervorgerufene Budgetdefizit durch den Verkauf von Staatsanleihen (bonds), wodurch sich die Zusammensetzung des Finanzvermögens, das Verhältnis Bonds/Geldmenge erhöht. Wegen der Zunahme dieser Relation kann der Anleihemarkt nur dann i m Gleichgewicht sein, wenn der Marktzins steigt. A m Gütermarkt r u f t der gestiegene Marktzins zwei entgegengesetzte Effekte hervor: Einen positiven ae . Vermögenseffekt i n der Ausgabenfunktion tiven Crowding-Out-Effekt:

^

< 0; (

> 0, sowie einen negamißt den Effekt einer

Änderung der Vermögensrelation Bonds/Geldmenge auf den Marktzins). Dabei gibt es drei mögliche Situationen: Der Crowding-Out-Effekt kann stärker oder schwächer sein als der (positive) Vermögenseffekt bzw. letzteren genau kompensieren. Die beiden entgegengesetzten Effekte können zur Formulierung des Unterschieds von Monetarismus und Neo-Keynesianismus herangezogen werden: 3π -^-pr- < 0



Monetaristen π = Inflationsrate

3π ggj- > 0

Neo-Keyniesianer

Erweist sich der Effekt eines durch Anleihen beim Publikum finanzierten Budgetdefizits auf die Inflationsrate als nicht positiv, ist das Modell monetaristisch, erweist er sich als positiv, kann das Modell als neokeynesianisch bezeichnet werden. Der Crowding-Out-Effekt ist eine empirisch testbare Hypothese. F. Modigliani und A. Ando 17 haben kürzlich mittels einer Simulationsstudie versucht, die W i r k u n g des Crowding-Out-Effekts abzuschätzen. Sie unterstreichen, daß der Crowding-Out-Effekt als Folge eines monetären Impulses nur einer von mehreren Effekten ist. Finanziert man einen Zuwachs der Staatsausgaben (AG) durch die Plazierung von A n leihen, ergeben sich folgende Effekte: 18 Jerome L. Stein , Inside the Monetarist Black Box, in: „Monetarism", J. Stein (ed.), Studies in Monetary Economics, Vol. 1 (1976), North-HollandPubl.-Comp., p. 193 f. 17 F. Modigliani and A. Ando, Impacts of Fiscal Actions on Aggregate Income and the Monetarist Controversy: Theory and Evidence, in: J. Stein (ed.), „Monetarism". Studies in Monetary Economics, Vol. 1 (1976), NorthHolland, p. 25 f.

14*

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(1) eine direkte W i r k u n g auf das Realeinkommen (AG men),

Realeinkom-

(2) ein induzierter Konsumeffekt, (3) ein Akzeleratoreffekt, (4) Preiseffekte, (5) Vermögenseffekte, (6) ein Crowding-Out-Effekt und (7) ein Realkasseneffekt

(Pigou-Patinkin-Effekt).

Nach Modigliani und Ando können w i r annehmen, daß die Effekte (3), (5) und (7) empirisch unbedeutend sind und (6) kontraktiv w i r k t . Die Simulationsstudie zeigt weiter, daß der k o n t r a k t i l e Mechanismus eher langsamer w i r k t als die wichtigeren expansiven Mechanismen. Das Realeinkommen nimmt somit als Folge eines monetären Impulses zunächst zu (in der Modigliani-AndoSimulation erreicht der Impuls nach fünf Quartalen seinen Spitzenwert), wegen des Crowding-OutEffektes jedoch bewegt sich das System mittelfristig ( 2 - 3 Jahre) wieder zum Ausgangspunkt zurück. Die Vernachlässigung des Crowding-OutEffekts durch das neo-keynesianische Modell bringt einen Optimismus bezüglich der staatlichen Stabilisierungspolitik zum Ausdruck, während die Monetaristen gerade diesen Optimismus—durch Betonung desCrowding-Out-Effektes — i n Frage stellen. Der Crowding-Out-Effekt ist zweifellos ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zwischen den beiden Schulen und von stärkerem Gewicht als die folgenden Postulate, die i n Th. Mayers Beitrag diskutiert werden: (4) „Die Irrelevanz der allokativen Feinstruktur für die Erklärung von kurzfristigen Änderungen i m Geldeinkommen, (6) größeres Vertrauen auf kleine statt auf große ökonometrische Modelle, (7) Verwendung der Geldbasis oder ähnlicher Größen als Indikator der Geldpolitik, (8) Verwendung der Geldmenge als echtes Ziel der Geldpolitik." Die Betonung des Crowding-Out-Effekts liefert jedoch eine Begründung für den Punkt (9) i n Th. Mayers Liste: „Ablehnung des wirtschaftspolitischen Interventionismus."

I V . Die Stabilität des privaten Sektors Ein zentrales Thema des gegenwärtigen Monetarismus ist das Stabilitätspostulat des privaten Sektors der Wirtschaft. I n der Formulierung Mayers: „Der Monetarismus glaubt i m allgemeinen, daß der private Sektor inhärent stabil sei, sofern er sich selbst überlassen bleibt und nicht durch erratisches monetäres Wachstum gestört w i r d " (Th. Mayer, op. cit. p. 204). Tatsächlich w i r d die Hypothese (bzw. der „Glaube") von der

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Stabilität des privaten Sektors von allen Monetaristen akzeptiert (M. Friedman 16, K . Brunner und A. Meitzer 19, D. Laidler [op cit., 1976]). Dieses Postulat t r i f f t den Kernpunkt der gegenwärtigen Monetarismusdiskussion. Die monetaristische Theorie unterscheidet sich grundsätzlich vom Keynesianismus durch den „Glauben", daß dem ökonomischen System eine starke Tendenz, zum Gleichgewicht zu konvergieren, innewohnt. Der Unterschied beider „Schulen" zeigt sich gewöhnlich jedoch auf der Ebene der „Kosmologie" (um einen Ausdruck von A. Leijonhufvud zu verwenden) und nicht explizit i m formalen Modell. Die „Vision", wie das ökonomische System grundsätzlich funktioniert, unterscheidet den Monetarismus vom Keynesianismus. Auch wenn man die Warnung Mayers berücksichtigt, zu behaupten, der Monetarismus sei i m Grunde eine „Ideologie" („ideological doctrine"), sowie der Versuchung widersteht, Amateur-Psychoanalyse zu betreiben (Th. Mayer, op. cit., p.), w i r d man das Stabilitätspostulat eher zu den Sätzen zählen, die das Vorverständnis der Theorie bilden (zu den „pre-suppositions" nach A. Leijonhufvud 20), als zu den Sätzen, die konstitutiv für das Modell sind. A u f der Ebene der ökonomischen Theorie kann das Stabilitätsproblem auf zwei Fragen reduziert werden: (1) Zeigt der private Sektor eine Tendenz, zum Gleichgewichtspunkt zu konvergieren? (2) Konvergiert das ökonomische System monoton oder oszillatorisch? Der aus der Physik geborgte Stabilitätsbegriff ist i n den Sozialwissenschaften kaum brauchbar. Auch wenn ein System nach einer Störung zum Gleichgewichtspunkt konvergiert, unterscheiden sich die Modelle nach dem Tempo des Abbaues der Störungen. G. Tintner 21 hat kürzlich vorgeschlagen, den Begriff der „Halbwertszeit" als operationales Maß für Stabilitätsuntersuchungen einzuführen. Dauert es ζ. B. 10 Jahre, bis eine Störung etwa auf die Hälfte abgebaut ist, so ist das System ökonomisch instabil, dauert es 10 Monate, kann es als stabil bezeichnet werden. Hierbei handelt es sich u m die Analyse eines einmaligen Impulses. Jede nicht antizipierte Änderung exogener Variabler erzeugt jedoch einen neuen Impuls m i t darauffolgenden Schwingungen, so daß i n jedem konkreten Zeitpunkt ein System von sich überlagernden Schwingungen (sich ver18 M. Friedman, The Role of Monetary Policy, A. E. R., Vol. 58 (1968), p. 1 - 1 7 . 19 Κ . Brunner and Α. Meitzer, A n aggregative theory for a closed economy, in: J. Stein (ed.), „Monetarism", op. cit., p. 69 - 103. 20 A. Leijonhufvud, Schools, ^evolutions' and research programmes in economic theory, in: S. J. Latsis (ed.), „Methods and Appraisal in Economics", London (1976), p. 65 - 99. 21 G. Tintner/ B. B ö h m / R . Rieder, Is the Austrian Economy Stable?, unpubl. Manuscript, University of Technology Γ*976ί, Vienna.

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stärkend oder kompensierend) besteht. Somit ist das wirtschaftliche System i m Durchschnitt vom Gleichgewicht entfernt, so daß der gewöhnliche Stabilitätsbegriff i n diesem Zusammenhang weitgehend unbrauchbar erscheint. Die zweite Frage bezieht sich auf die Stabilität des Anpassungsprozesses. Die Konjunkturtheorie vom Hicks-Samuelson-Typ erklärt den A n passungsprozeß durch die Verzögerungsstruktur der Systemvariablen, die als Lösung eine Differenzen-(Differential-)gleichung zweiter Ordnung ergibt. Je nach der Größe der Parameter erzeugt diese Gleichung einen monotonen Anpassungsprozeß oder zyklische Schwingungen, die explosiv oder gedämpft sein können. Existiert die Lösung als ein monotoner Anpassungsprozeß oder i n Form gedämpfter Schwingungen, so ist das System stabil. I n der gegenwärtigen monetaristischen Literatur wurde bisher m i t Verzögerungsstrukturen kaum experimentiert. Das einfachste, streng monetaristische Modell, das eine Verzögerungsstrukt u r besitzt und in der Literatur bekannt ist, wurde von D. Laidler ([4] 1976) formuliert. Es besteht aus drei Gleichungen. Einer Geldmarktgleichung, einer durch einen Erwartungsparameter erweiterten Phillipskurve und einem adaptiven Inflationserwartungsprozeß vom diskutierten Typ. Die Lösung des Modells ergibt eine Differenzengleichung zweiter Ordnung für die Überschußnachfrage. Dieses Modell zeigt, daß eine Ä n derung i n der Wachstumsrate der Geldmengenexpansion oder i n der antizipierten Kapazitätswachstumsrate des realen GNP zyklische Schwankungen erzeugt. Wenn bereits ein einfaches monetaristisches Modell durch eine Änderung der exogenen Variablen zu zyklischen Schwankungen führt, ist es schwer zu verstehen, warum Stabilitätspolit i k nicht möglich und nicht wünschbar sein sollte. Jedenfalls gehört auch die Folgerung Th. Mayers: „Wenn der private Sektor inhärent stabil ist, sollte jedenfalls eine antizyklische Politik weder notwendig noch erstrebenswert sein" (op. cit., p. 306), eher zur „Kosmologie" der Monetaristen, als zu den Sätzen, die auf der Ebene des wissenschaftlichen Modellbaues liegen. Das Stabilitätspostulat ist eine Spezialität des gegenwärtigen Monetarismus. Die ältere monetaristische Schule von K . Wicksell, G. Myrdal und F. von Hayek war hier etwas vorsichtiger. Anstelle des Stabilitätspostulates steht i n diesen Modellen das Konzept des „kumulativen" Prozesses. I n Wicksells Modell erzeugt bekanntlich jede Diskrepanz zwischen dem Marktzins und dem „natürlichen" Zins eine Sequenz von Ausgabenund Preiserhöhungen, die erst zum Stillstand kommen, wenn die Zinsdifferenz verschwunden ist. Der kumulative Prozeß Wicksells kann stabil sein i n dem Sinne, daß er einen Mechanismus der Selbstkorrektur besitzt, oder er kann — bei

Monetarismus oder monetäre Ökonomie

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unbegrenzter Kreditschöpfung — von zeitlich unbegrenzter Dauer sein (Th. M. Humphrey 22). I n der monetaristischen Konjunkturtheorie von F. A. von Hayek 23 ist der kumulative Prozeß eindeutig instabil, und i m Gegensatz zu Wicksell ergeben sich nicht nur Inflationsprozesse, sondern auch Änderungen i m realen Sektor der Wirtschaft. I m Modell Hayeks erzeugt eine Zunahme der Geldmenge — d u r c h expansive Kreditgewährung durch das Bankensystem — eine Reduktion des Marktzinses unter den natürlichen Zins, der sich bei einem Gleichgewicht von freiwilligem Sparen und geplanten Investitionen ergibt. Die Geldschöpfung führt zu einem „first round" Effekt: Die zusätzlichen Kreditmittel werden zum Ankauf von Investitionsgütern durch Unternehmer ausgegeben. Dies erzeugt sowohl Inflationseffekte als auch eine Umstrukturierung des realen Sektors. Die relativen Preise von Investitionsgütern u n d Konsumgütern verschieben sich (zugunsten der Investitionsgüter), und i n der Folge werden Arbeiter und „nichtspezifische" Produktionsmittel von ihrer bisherigen Verwendung abgezogen und i m Investitionsgütersektor zum Einsatz gebracht. I m Zuge dieser Strukturverschiebung entsteht eine Überschußnachfrage i m Arbeitsmarkt. Steigende Geldlöhne sowie die (relative) Abnahme der Konsumgütererzeugung führt zu einem Ansteigen der Konsumgüterpreise. I n diesem Expansionsprozeß existiert nun ein kritischer Punkt, ab welchem der Marktzins wieder zu steigen beginnt. Wenn die freiwillige Sparneigung an diesem Punkt des Expansionsprozesses nicht steigt — was Hayek annimmt — ist eine zusätzliche Geldschöpfung, d. h. eine Beschleunigung der Expansion des Geldangebots erforderlich 24 . I m Hayekmodell endet der kumulative Prozeß i n einer „Krise", allerdings bleibt der obere Wendepunkt des Zyklus etwas i m dunkeln. Der private Sektor ist i m Hayek- Modell inhärent instabil, da eine A b weichung vom Gleichgewicht das System vom Gleichgewicht wegführt. Der kumulative Prozeß w i r d durch permanente Geldschöpfung — bei steigender Zuwachsrate — aufrechterhalten. I m Gegensatz zum gegenwärtigen Monetarismus betrachten die führenden Monetaristen der 20er und 30er Jahre das monetäre privatwirtschaftliche System als inhärent instabil, wobei Störungen des Systems ( = eine Diskrepanz zwischen 22 Th. M. Humphrey , Interest Rates, Expectations, and the Wicksellian Policy Rule, Atlantic Economic Journal, Vol. I V (1976), p. 9 - 20. 28 F. A. von Hayek , Prices and Production, London (1932), Lecture I I I . 24 Es ist nicht uninteressant zu bemerken, daß Hayek bereits das Akzelerationstheorem benützte, wie folgende Stelle zeigt: "All this must mean a return to shorter or less round-about methods of production if the increase in the demand for consumers' goods is not compensated by a further proportional injection of money by new bank loans granted to producers ... And as long as the banks are going on progressively increasing their loans it will, therefore, be possible to continue the prolonged methods of production or perhaps even to extend them still further." (F. A. Hayek , op. cit., p. 80.)

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Helmut Frisch

Marktzins und Realzins) einen kumulativen Prozeß auslösen. Würde man das HayeJc-Modell durch einen modernen Mechanismus der Bildung von Inflationserwartungen erweitern, könnte sich eine interessante Alternative zur gegenwärtigen monetaristischen Literatur ergeben.

Zur Moiietarismus-Diskussion in „Kredit und Kapital" Von Werner Ehrlicher, Freiburg i. Br. I . Vorbemerkung I m 8. Jahrgang (1975) dieser Zeitschrift haben w i r einen Aufsatz von Professor Thomas Mayer, Davis/Cal., über „The Structure of Monetarism" 1 7 2 veröffentlicht. A n diesen Beitrag hat sich eine lebhafte Debatte angeschlossen, an der sich M a r t i n Bronfenbrenner, K a r l Brunner, Phillip Cagan, Benjamin Friedman, Helmut Frisch, Harry G. Johnson, David Laidler, A l l a n Meitzer und Werner Neubauer beteiligt haben. Die Beiträge werden hier zusammengefaßt i n deutscher Übersetzung herausgegeben. Die Diskussion soll damit nicht abgeschlossen werden; Herausgeber und Redaktion hoffen i m Gegenteil, durch die zusammengefaßte Veröffentlichung weitere Stellungnahmen, insbesondere auch betont kritische, anzuregen. Die allgemeine Monetarismus-Kontroverse der letzten beiden Jahrzehnte wie auch die Debatte i n „Kredit und Kapital" waren nämlich bisher oft mehr eine Auseinandersetzung i m eigenen Hause der Monetaristen, i n der die eigene Position durch verfeinernde K r i t i k ergänzt und weiter geklärt wurde, als eine Widerlegung und Auseinandersetzung m i t den Gegenpositionen, die i n der Erklärung der sich schnell verändernden Realität ebenfalls immer weiter differenziert wurde. Insofern sind auch Mayers Aufsatz und die dazu i n „Kredit und Kapital" veröffentlichten Beiträge mehr eine Zwischenbilanz des Monetarismus selbst als eine Kontroverse u m ihn. I I . Der theoretisch-politische Doppelaspekt der Debatte Bei der Monetarismus-Debatte handelt es sich i m gleichen Maße u m Probleme der theoretischen Analyse wie der politischen Gestaltung. Mayer stellt i n seinem Beitrag die theoretischen Argumente stärker i n den Vordergrund; andere Autoren, die sich an der Debatte beteiligt haben, betonen mehr das wirtschafts- bzw. geldpolitische Konzept des Mo1/2 Mayer, Th.: The Structure of Monetarism, Kredit und Kapital, 8. Jg., 1975, S. 191 ff. u. 293 ff. — Der nachstehend abgedruckte Aufsatz ist zuerst erschienen in: Kredit und Kapital, 10. Jg., 1977, S. 429 ff.

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netarismus. Dieser Doppelaspekt der Problemstellung war i n der Geschichte der Nationalökonomie für alle großen Kontroversen (und dazu darf man die Monetaristen-Fiskalisten-Debatte sicher heute schon rechnen) charakteristisch. Man könnte sogar sagen, daß theoretische Kontroversen nur dann eine große Breitenwirkimg erzielt haben und über den Kreis der Fachgelehrten hinaus bekannt wurden, wenn damit Probleme der politischen Gestaltung — sei es der gesamten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung oder einzelner Teilbereiche — involviert waren. Dabei spielen unterschiedliche Gewichtung und Beurteilung einzelner Voraussetzungen sicher ebenso wie bestimmte Zielvorstellungen über die Gestaltung und den Ablauf des ökonomischen Prozesses eine Rolle für die konzipierten ökonomischen Systeme. Die Wechselbeziehung zwischen theoretischen Vorstellungen und w i r t schaftspolitischen Konzepten ist i n der Regel nicht so einfach, daß sich die politischen Konzepte als zwangsläufige Schlußfolgerung wertfrei analysierter Grundzusammenhänge oder die Theorie als nachträgliche Rechtfertigung ideologisch geprägter wirtschafts- oder gesellschaftspolitischer Vorstellungen interpretieren ließen. Insofern ist es sicher richtig, wenn sich Thomas Mayer scharf dagegen wendet, den Monetarismus als eine ideologische Doktrin zu bezeichnen, die darauf hinausliefe, scheinbar technische Gründe für eine bestimmte Grundüberzeugung (nämlich einen „unfettered capitalism") zu finden oder umgekehrt der keynesianischen Seite eine ideologisch begründete Vorliebe für staatliche Eingriffe und für eine Ausdehnimg der Bürokratie zu unterstellen 3 . Wenn man die beiden Grundhaltungen jedoch nicht i n diesem Sinne negativ als Verteidigung eines ungehemmten Kapitalismus bzw. als Befürwortung ungehinderter Ausdehnung der Bürokratie interpretiert, sondern positiv als Vertrauen i n die Lenkungskräfte des Marktes bzw. als Überzeugung von der Notwendigkeit einer Korrektur gesellschaftlich unerwünschter Entwicklungen, dann handelt es sich u m Grundpositionen, die die Entwicklung der Wirtschaftswissenschaften immer begleitet haben, und die als Hintergrundvorstellungen die großen Kontroversen i n der Geschichte der Nationalökonomie entscheidend mitgeprägt haben. Bei grundsätzlicher Anerkennung des Ordnungssystems der Marktwirtschaft führt das stärkere Vertrauen i n die Marktkräfte zur Anerkennung eines breiteren Handlungsspielraumes der einzelnen, während die Vorstellung, daß gewisse Lenkungsfunktionen zentral wahrgenommen werden müssen, gewisse Einschränkungen dieses HandA.a.O., S. 3 .

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lungsspielraumes unvermeidlich machten. Derartige unterschiedliche Vorstellungen wirken sich nicht nur i n den wirtschaftspolitischen Konzepten, sondern auch i n den Grundannahmen der theoretischen Analyse aus. I n diesem Beitrag soll i m Anschluß an den Aufsatz von Thomas Mayer ein gewisser Überblick über die bisherige Debatte gegeben und dabei der hier herausgearbeitete theoretisch-politische Doppelaspekt der Fragestellung i n den Vordergrund gerückt werden. Ein solcher Versuch zur Systematisierung gegensätzlicher Positionen der Monetaristen und der Fiskalisten w i r d dem Anliegen von Thomas Mayer vielleicht insofern nicht ganz gerecht, als seine Absicht gerade dahin geht, derartige schematische Unterscheidungen i n „Schulen" oder „Richtungen" zu überwinden. Er spricht schon auf den ersten Seiten seines Beitrags von der unseligen Trennung der Ökonomen i n Monetaristen und Keynesianer. Er w i l l deshalb gerade zeigen, daß es sich nicht u m antagonistische Positionen handelt, die sich gegenseitig ausschließen, sondern daß die bestehenden Gegensätze überwiegend i n unterschiedlichen Annahmen über empirische Sachverhalte begründet sind. So sagt Mayer zwar, daß er die Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen monetaristischen Thesen aufzeigen w i l l , u m zu veranschaulichen, daß diese „do indeed form a coherent whole" 4 , gleichwohl w i l l er seine Darstellung nicht als Konstruktion eines geschlossenen theoretischen Systems verstanden wissen 5 . I n dieser Intention ist auch das zweite und vielleicht noch wichtigere Anliegen Mayers begründet, nämlich die Diskussion über die allgemeinen Grundpositionen der Monetaristen einerseits und der Fiskalisten andererseits i n eine Reihe von Einzelthesen aufzulösen, bei deren Diskussion zwar von beiden Richtungen häufig entgegengesetzte A n t w o r ten gegeben werden, deren Erkläruaigsgehalt und Gültigkeit man jedoch unabhängig von bestimmten Grundpositionen beurteilen kann. I n diesem Sinne versucht Mayer zu zeigen, daß der einzige unverzichtbare Bestandteil der monetaristischen Lehre eigentlich nur seine erste These — die Quantitätstheorie — ist, während hinsichtlich der weiteren elf 4

Mayer, Thomas, a.a.O., S. 191. Als wir mit ihm darüber sprachen, wie wir diesen Ausdruck „zusammenhängendes Ganzes" übersetzen sollten, wurde deutlich, daß er diese Formulierung mit großem Bedacht gewählt hatte und jede Assoziation in Richtung auf ein „geschlossenes System" vermeiden wollte. So ist auch sein Tableau Monétariste bzw. seine „interrelation of monetarist propositions" (a.a.O., S. 310) mehr als eine Zusammenfassung möglicher Beziehungen als ein logisch geschlossenes und damit in mathematische Formeln übersetzbares System zwingender Zusammenhänge zu verstehen. 5

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folgenden Thesen ein Monetarist auch die übliche keynesianische Position und ein Keynesianer auch die vorherrschende monetaristische Position einnehmen könne. Auch i n mehreren anderen Beiträgen w i r d unterstrichen, daß der Gegensatz zwischen Monetaristen und Keynesianern nicht i n verschiedenen theoretischen Grundpositionen angelegt sei, daß also letztlich nicht theoretische Systeme gegeneinander stünden, sondern daß es mehr die divergierenden Annahmen über typische Verhaltensweisen von Individuen, Gruppen und Institutionen seien, die zu gegensätzlichen Thesen führten. Durch diesen Hinweis auf unterschiedlich bewertete Tatbestände sollen Ansatzpunkte für die empirische Forschung aufgezeigt werden, durch deren Ergebnisse die Divergenzen i m einzelnen überwunden werden müßten. Ich teile die von Mayer und offenbar der Mehrheit der Teilnehmer an der Diskussion vertretene Auffassung, daß die divergierenden Thesen (und zwar nicht nur die geldpolitischen, sondern auch die geldtheoretischen) nur oder i n erster Linie i n unterschiedlichen Annahmen über empirische Sachverhalte begründet sind, nicht ganz. Bei wichtigen Thesen sind nicht die empirischen Faktoren, sondern ihre theoretische Deutung maßgebend; und diese wiederum ist nicht unbeeinflußt vom w i r t schaftspolitischen Konzept. Die Frage, unter welchen Bedingungen man noch von der gleichen Theorie sprechen kann, die bei unterschiedlichen Annahmen über die Werte der Determinanten natürlich zu verschiedenen Ergebnissen führt, und wann von einer anderen Theorie gesprochen werden muß, ist zunächst i n gewissem Umfang eine Abgrenzungsfrage. Wenn B. Friedman den Nachweis, daß die Monetarismus-Debatte das Stadium einer „Theoretical Nondebate" erreicht hat, i n der Weise zu führen versucht, daß er die unterschiedlichen Positionen von Keynesianern und Monetaristen i m Rahmen der zwölf Thesen Mayers auf jeweils unterschiedliche Annahmen über Parameterwerte zurückführt, so ist dieser Beweis insofern nicht schlüssig, als diese Thesen nach beiden Seiten nicht als Darstellung eines i n sich geschlossenen Begründungszusammenhanges dargestellt sind, und insofern — gerade für die Keynesianische Theorie — nicht geprüft ist, ob alle ihre wesentlichen und notwendigen Bausteine i n den Mayer 1 sehen Thesen enthalten sind. Mayer wollte m i t seinen Thesen nur ein Gerüst, die „ S t r u k t u r " des Monetarismus, aufzeigen und hat diese Thesen — und nur diese — jeweils m i t den entsprechenden A u f fassungen von Keynesianern konfrontiert. Mayer w i l l schon den Monetarismus nicht als eine geschlossene Theorie darstellen; dazu hätte er

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nicht Einzelthesen relativ unverbunden nebeneinander stellen dürfen, sondern hätte i n erster Linie den logischen Zusammenhang dieser Thesen herausarbeiten müssen. Das war aber gerade nicht seine Absicht; denn dann hätte er stark schematisieren und vereinfachen müssen. Den Versuch, eine keynesianische Theorie auch nur i n rohem Umriß darzustellen, unternimmt er überhaupt nicht. Er formuliert nicht einmal eine der Quantitätstheorie analoge Schlüsselthese, sondern beschränkt sich — wie oben zitiert — auf eine sehr allgemeine und obendrein nur negative Kennzeichnimg der keynesianischen Position. Insofern ist Friedman's Prüfung der Mayer'sehen Thesen kein Vergleich zweier theoretischer Systeme. Die unterschiedlichen Annahmen, die angeblich empirisch überprüfbare Sachverhalte betreffen, beziehen sich auf das Verhalten von Individuen, Gruppen oder Institutionen. Betrachtet man diese — ζ. B. i m Rahmen der Philiips-Kurven-Diskussion — näher, dann zeigt sich, daß i n der Theorie hier nicht mit empirisch überprüfbaren Reaktionsweisen gearbeitet wird, sondern daß Annahmen darüber gemacht werden, wie sich die Menschen verhalten sollten. Derartige normative Elemente i n den Ausgangsannahmen theoretischer Modelle sind i n der Entwicklung des ökonomischen Denkens keineswegs eine Seltenheit, sondern sind sogar eher dominierend. Dabei finden sich zwei Begründungen für diesen Ansatz, die letztlich jedoch i n der gleichen Vorstellung angelegt sind. Die erste Vorstellung läuft darauf hinaus, daß die Wirtschaftswissenschaft nur jenen Ausschnitt der Wirklichkeit zu untersuchen hat, der durch ökonomisches Handeln geprägt ist. Dementsprechend w i r d ein „Erkenntnisobjekt" 6 konstruiert, das auf der Basis „ökonomischer" Verhaltensweisen einen bestimmten Systemzusammenhang konstruiert. Dieses sogenannte ökonomische Verhalten w i r d dann recht verschieden i n terpretiert, läuft aber häufig auf ein Verhalten hinaus, m i t dem zu rechnen wäre, wenn die Märkte i n einer bestimmten Weise geordnet wären. Damit gehen auch i n dieses zunächst relativ abstrakt wirkende methodologische Konzept wirtschaftspolitische Ordnungsvorstellungen ein. Derartige ordnungspolitische Vorstellungen können auch unmittelbar die Annahmen über die Reaktionen der Wirtschaftssubjekte prägen, wenn sie aus Überlegungen abgeleitet werden, welches Verhalten erforderlich sei, damit der Marktmechanismus funktionieren kann. Die wei6 Amonn, Α.: Objekt und Grundbegriffe der theoretischen Nationalökonomie, Wien und Leipzig 1911.

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tere Explikation derartiger Vorstellungen führt dann z. B. i n arbeitsmarkttheoretischen Überlegungen dazu, daß der Mangel entsprechender Verhaltensweisen als fehlende Bereitschaft, sich i n den Wirtschaftsprozeß zu integrieren, interpretiert und dementsprechend darauf zurückzuführende Arbeitslosigkeit als „freiwillig" interpretiert wird. Hieraus w i r d deutlich, daß wirtschaftspolitische Vorstellungen keineswegs nur als Zielvorgaben i n wirtschaftspolitische Konzepte aufgenommen werden, sondern auch als Ausgangsdaten i n scheinbar wertfreie theoretische Modelle eingehen können und auf diesem Umweg zur Begründung wirtschaftspolitischer Schlußfolgerungen beitragen. I I I . Die kontroversen Geldtheorien 1. Monetaristische

und keynesianische

Grundpositionen

Thomas Mayer bezeichnet die Quantitätstheorie als die konstituierende Aussage des Monetarismus; sie ist dementsprechend der Inhalt seiner ersten These. Die zweite, dritte und vierte These — ein bestimmter Transmissionsmechanismus zwischen Änderung der Geldmenge und induzierten Veränderungen des nominellen Einkommens (2. These), der Glaube an die Stabilität des privaten Sektors (3. These) sowie die Vernachlässigung allokativer Details (4. These) — werden nach Mayer zwar i n der Regel zu weiteren Definitionen des Monetarismus herangezogen; die Auseinandersetzung m i t diesen weiteren Thesen führt ihn jedoch zu dem Ergebnis, daß man jede dieser Thesen vertreten könne, ohne deshalb Monetarist zu sein, wie auch umgekehrt nicht jeder Monetarist diese Thesen vertrete. I n noch stärkerem Maße würde dies für die weiteren acht Thesen gelten; kein Monetarist müsse — wie Mayer bereits i n der Einführung sagt — eine dieser weiteren acht Thesen akzeptieren. Als unabdingbare Grundthese des Monetarismus verbleibt demnach nur die Quantitätstheorie. Für ihre Kennzeichnung beschränkt sich Mayer auf die Feststellung, „that changes i n the money stock are the dominant determinant of changes in money income" 7 . Er fügt selbst hinzu, daß dies eine sehr allgemeine Aussage sei, die noch keine speziellen Annahmen über den Transmissionsmechanismus enthalte, weshalb sich auch ein wesentlicher Teil der Diskussionen der Monetaristen m i t der Anpassungsgeschwindigkeit der Wirtschaft befasse. Noch imbestimmter A.a.O., S.

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als diese Kennzeichnung der monetaristischen Grundposition ist die Definition der Gegenposition, bei der sich Mayer an dieser Stelle i n einer Fußnote auf die Feststellung beschränkt: „The modern keynesian theory differs from the quantity theory i n denying that changes i n the money stock dominate changes i n income, but i t does not claim that changes i n the money stock are unimportant" 8 . Johnson weist darauf hin, daß es diese Unbestimmtheit der Definition der Quantitätstheorie sei, die die Ergänzung dieser These „by the rest of the first four, six, eight, or whole dozen propositions" 9 notwendig mache. Diese Feststellung ist sicher richtig und wenn man Johnson noch zustimmt, daß auch Keynes i n den breiteren Strom der quantitätstheoretischen Tradition gehört, dann gibt Mayers erste These, die eigentlich das Unterscheidungskriterium der divergierenden Richtungen sein müßte, nicht mehr viel her. Mayer dürfte sich durch diese Fragestellung i n seinem Anliegen wahrscheinlich eher bestätigt als attackiert fühlen, da es i h m ja gerade u m die Überwindung der Gegensätze geht. Es ist für den gegenwärtigen Stand der Debatte sicher auch charakteristisch, daß die Mehrheit der Beteiligten mittlere Positionen einnimmt. Bronfenbrenner sagt i n diesem Sinne 10 , daß die Auffassungen i n einem Spektrum, das von dem einen Ende der reinen Fiskalisten zum anderen Ende der reinen Monetaristen reichte, etwa gleichmäßig über das ganze Feld gestreut und nur die beiden Endpunkte nicht besetzt wären. Während Bronfenbrenner daraus allerdings den Schluß zieht, daß bei einer derartigen Verteilung die zugrunde liegende Klassifikation nur noch wenig sinnvoll wäre, ist eine allgemeine Standortbestimmung der Debatte nur dann informativ, wenn sie von einer Kennzeichnung der extremen Positionen ausgeht und von hier aus die Zwischenpositionen beschreibt. Eine solche Kennzeichnung kann entsprechend dem herausgestellten Doppelaspekt der Debatte entweder von den theoretischen Grundvorstellungen oder von den wirtschaftspolitischen Konzepten ausgehen. Mayer wählt die erstere Möglichkeit; er stellt dementsprechend die Quantitätstheorie als Schlüsselthese an den Anfang und ergänzt sie dann durch weitere theoretische Thesen. Erst an späterer Stelle (mit dem Hinweis auf den mehr akzidentiellen Charakter dieser Thesen) werden die wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Monetaristen ein» A.a.O., S. 195, Fußnote 11. » A.a.O., S. 146. A.a.O., S. 475.

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geführt. I m Hinblick auf die theoretischen Streitfragen könnte man i m Anschluß an die traditionelle Kennzeichnung von einer Kontroverse zwischen der neoquantitätstheoretischen und der einkommenstheoretischen oder keynesianischen Position sprechen. Stellt man mehr auf die divergierenden wirtschaftspolitischen Konzepte ab, dann könnte man zwischen monetaristischer und fiskalistischer Position unterscheiden. I n der theoretischen Debatte ist der wesentliche Streitpunkt die Determination des Geldwertes. Die extremen Antworten auf diese Frage haben sich seit der Debatte zwischen den Currency- und den BankingTheoretikern i m Grund wenig geändert: — von den Currency-Theoretikern über die älteren Quantitätstheoretiker bis zu den Neoquantitätstheoretikern w i r d die Auffassung vertreten, daß Veränderungen der Geldmenge der wichtigste Bestimmungsgrund des Geldwertes bzw. des Preisniveaus seien. Die Monetaristen stellen i n der Regel für kurze Sicht auf das monetäre Einkommen, d. h. das Preisniveau und das Realeinkommen, auf längere Sicht auf das Preisniveau ab. — Von den Banking-Theoretikern über die verschiedenen Varianten der Einkommenstheoretiker bis zu den Keynesianern w i r d demgegenüber die Auffassimg vertreten, daß die Veränderungen des Geldwertes bzw. des Preisniveaus i n erster Linie durch nicht-monetäre Faktoren bestimmt sind. Als Determinanten des Geldwertes werden vor allem Kostenfaktoren der Einzelpreisbildung — von der Höhe der Lohnsätze über Produktivitätsfortschritte bis zu Veränderungen der Importpreise — angeführt. Entsprechend dieser unterschiedlichen Auffassung von den Bestimmungsgründen des Geldwertes w i r d der Geldmenge i n beiden theoretischen Thesen eine sehr verschiedene Stellung und Bedeutung eingeräumt: — Die Quantitätstheoretiker unterscheiden zwischen nominaler und realer Geldmenge. Die nominale Geldmenge w i r d als eine exogen — i n der Regel durch politische Entscheidungsträger — festlegbare und festgesetzte Größe betrachtet. Die reale Geldmenge ergibt sich als endogene Gleichgewichtsgröße aus dem Zusammenspiel des realen und monetären Sektors. — Die Keynesianer bzw. Einkommenstheoretiker richten den Blick vorwiegend auf die kurzfristige Entwicklung und unterscheiden inso-

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weit nicht zwischen nominaler und realer Geldmenge. Sie sind der Auffassung, daß die Geldmenge innerhalb eines relativ breiten Rahmens nicht exogen steuerbar, sondern eine endogene — insbesondere durch die Entwicklung des Einkommens — determinierte Größe sei. Eine weitere lange i n die Dogmengeschichte zurückreichende Kontroverse betrifft die Auffassungen über die Bestimmungsgründe des Zinses. — Die Quantitätstheoretiker unterscheiden seit I r v i n g Fisher zwischen nominalen und realen Zinssätzen. Den Realzins erklären sie aus nichtmonetären Faktoren, den Marktzins bringen sie über die Einführung einer Erwartungsvariablen mit den Veränderungen des Preisniveaus i n Verbindung. — Die Einkommenstheoretiker unterscheiden — wiederum i n der kurzfristigen Analyse — i n der Regel nicht zwischen nominalen und realen Zinsen; sie betrachten den Zinssatz, der wesentlich durch das Geldangebot beeinflußt werden kann 1 1 , als monetäres Phänomen. 2. Die monetaristische

Quantitätstheorie

Mayer definiert die monetaristische Interpretation der Quantitätstheorie — wie schon zitiert — i n der Form, daß Veränderungen der Geldmenge der dominierende Bestimmungsfaktor von Veränderungen des monetären Einkommens seien. I n dieser Version ist die determinierte Größe unbestimmt formuliert, denn Veränderungen des monetären Einkommens können sowohl aus Veränderungen des Realeinkommens als auch des Preisniveaus resultieren. Welche Wirkung hier eintritt oder dominiert, hängt — wenn man davon absieht, daß bei Vollbeschäftigung natürlich nur eine Preiswirkimg auftreten kann — davon ab, wie der trade-off zwischen Inflation und Beschäftigung (Mayers 10. These) beurteilt wird. Es ist etwas überraschend, daß Mayer diesen Zusammenhang erst i n seiner 10. These aufgreift und auch dort mehr (keineswegs ausschließlich) als wirtschaftspolitisches Problem darstellt. Er begründet dies indirekt m i t der Bemerkung, daß die Auseinandersetzung über die reale oder nominale Natur der Phillips-Kurve bis zu einem gewissen Grade m i t der Keynesianismus-MonetarismusAuseinandersetzung wenig zu t u n habe 12 . Auch Johnson nimmt diese Begründung auf und weist darauf hin, daß das Phillips-Kurven-Pro11 Vgl. dazu Fand, D.: Ein monetaristisches Modell des Geldwirkungsprozesses, Kredit und Kapital, 3. Jg., 1970, S. 361 ff. 12 A.a.O., S. 304.

15 Beihefte zu Kredit und Kapital 4

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blem ein lange nach Keynes entstandener und nur periphärer Baustein des keynesianischen Systems sei. Es ist interessant, daß Brunner, der sich i n seinem Beitrag ausdrücklich nur m i t der theoretischen Seite der Monetarismus-Diskussion und hierbei wiederum i m wesentlichen nur m i t Mayers ersten vier Thesen auseinandersetzen w i l l , die Phiilips-Kurven-Problematik als Teil des Transmissionsproblems ansieht und i n einem eigenen Abschnitt, den er „Das Wesen des Transmissionsmechanismus I I : Eigenschaften der Phillips-Kurve" überschreibt, behandelt. Er kommt zu dem Ergebnis, daß sich inzwischen drei verschiedene Hypothesen zur Philiips-Kurve herausgebildet haben 1 3 : — Eine erste These behauptet die dauernde Existenz eines trade-off i n kürzerer wie i n längerer Frist, die durch eine geeignete Handhabung geld- und fiskalpolitischer Maßnahmen genutzt werden können, — eine zweite Hypothese erkennt die Existenz eines wirtschaftspolitisch nutzbaren trade-off auf kürzere Sicht an, leugnet aber seine längerfristige Existenz, — eine dritte These verneint für jeden relevanten Zeithorizont die Existenz irgendeines trade-off. Die erste Auffassung wäre als „rein" keynesianisch, die letztere als „rein" monetaristisch einzustufen. Die meisten Keynesianer vertreten eine zwischen der ersten und der zweiten liegende Position; die Möglichkeit, auch auf längere Frist einen tendenziell höheren Beschäftigungsstand zu erreichen, w i r d damit begründet, daß sich strukturelle Umschichtungen, die i m Laufe der wirtschaftlichen Entwicklung ständig nötig sind, bei einem anhaltenden Nachfragesog und der dadurch ausgelösten Inflationstendenz leichter durchsetzen können. Die Mehrzahl der Monetaristen kann zwischen der zweiten und der dritten Position eingereiht werden. Die dritte Auffassung ergibt sich auch aus der Annahme, daß bei einem anhaltenden Inflationsprozeß eine zunehmende Rationalisierung der Erwartungen erfolgt, die einen trade-off ausschließt. Die mittlere Position geht von der Annahme aus, daß sich i m Zug der wirtschaftlichen Entwicklungen durch exogene Faktoren i m mer wieder Abweichungen von der natürlichen Unterbeschäftigungsrate einstellen können und die Geldpolitik kurzfristig zur schnelleren Überwindimg solcher Störungen genutzt werden kann. « A.a.O., S. 33 ff.

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Mayers Interpretation der Quantitätstheorie w i r d von dieser Kontroverse insofern nicht berührt, als er seine erste These so formuliert, daß nur eine Determination des monetären Einkommens behauptet w i r d und die Frage, ob die Wirkung stärker auf das Preisniveau oder die Beschäftigimg bzw. den Output gerichtet ist, offenbleibt. I n seinen weiteren Thesen stellt er jedoch als wesentlich für die monetaristische Position heraus, daß der Beschäftigungsgrad und der Output durch reale Faktoren bestimmt seien und sich auf das „natürliche" Beschäftigungsniveau bzw. das „natürliche" Produktionsvolumen einstellten. Bei A n erkennung einer exogenen, realen Determiniertheit des Outputs ergibt sich dann doch eine nähere Spezifikation der monetaristischen Quantitätstheorie, die wieder auf die traditionelle Version hinausläuft, nämlich daß Veränderungen der Geldmenge der wesentliche Bestimmungsgrund des Preisniveaus seien. Läßt man gleichwohl zunächst noch offen, ob die monetaristische Interpretation der Quantitätstheorie mehr auf die Determination des monetären Einkommens oder des Geldwertes abstellt, so ist weiter zu prüfen, wie der behauptete relativ strenge Zusammenhang zwischen Veränderungen der Geldmenge und Veränderungen des monetären Einkommens begründet wird. Dabei ist es vielleicht nicht uninteressant, zunächst den Antworten nachzugehen, die i n der dogmengeschichtlichen Entwicklung auf diese Frage gegeben wurden. Die ältere Quantitätstheorie hat den Übertragungsmechanismus von Geldmengenänderungen auf das Preisniveau als mehr oder weniger selbstevident unterstellt und nicht sonderlich problematisiert. I h r Anliegen war, der Theorie der relativen Preise, die die Steuerung des realen Wirtschaftsablaufs erklärt, eine Theorie der absoluten Preise an die Seite zu stellen. Dabei wurde die m i t der Umlaufsgeschwindigkeit gewichtete Geldmenge als effiziente Kaufkraft oder Nachfrage interpretiert, die ein gegebenes Gütervolumen zu einem bestimmten Preisniveau umsetzt. Von der Cambridge-Schule wurde später der Kassenhaltungsmechanismus entwickelt, der die Wirkungen auf das Preisniveau als Folge einer Anpassung der tatsächlichen Kassenhaltung an die gewünschte Kassenhaltung interpretiert. Wicksell und Keynes gingen davon aus, daß monetäre I m pulse nicht nur Veränderungen des nominalen, sondern des realen N i veaus der Wirtschaftstätigkeit auslösen können, und haben die Übertragung dieser Impulse m i t dem Einkommen-Ausgaben-Mechanismus erklärt. Die jüngere Entwicklung hat besondere Anstöße durch die Portfoliotheorie erhalten, deren grundsätzlicher Ansatz heute weitgehend 1 *

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allgemein akzeptiert wird, wobei die Steuerungsmechanik i m einzelnen unterschiedlich gesehen wird. Mayer weist allerdings m i t Recht darauf hin, daß die Abweichungen zwischen den Ansätzen von M i l t o n Friedman, den Keynesianern und Brunner/Meitzer geringer sind, als es gelegentlich dargestellt wird. Gemeinsam ist allen neueren Varianten des Transmissionsmechanismus, daß sie sich nicht mehr darauf beschränken, aus wenigen großen Aggregaten eine Gleichgewichtssituation abzuleiten, sondern daß sie zu zeigen versuchen, wie über die Veränderung einzelner Preise, Zinssätze, Erträge oder Kosten ein vielfältiger Substitutionsprozeß ausgelöst wird, der mehr oder weniger schnell und i n größerer oder geringerer Breite schließlich als monetäre Nachfrage den realen Sektor ereicht. Wenn die Quantitätstheoretiker nun heute — entsprechend Mayers erster These — einen relativ engen Zusammenhang zwischen Veränderungen der Geldmenge und dem monetären Einkommen behaupten, dann kann man, ohne auf die Argumente i m einzelnen einzugehen, rein logisch folgern, daß ein solcher Zusammenhang nur bestehen kann, — wenn die monetären Impulse nicht über Veränderungen der Geldnachfrage versickern, — wenn die private Nachfrage keinen anderen und stärkeren exogen begründeten Einflüssen als den Veränderungen der Geldmenge unterliegt, — wenn die monetären Impulse sich ohne Behinderung i n einzelnen Wirtschaftsbereichen über die gesamte Wirtschaft auswirken können. Bei diesen drei Bedingungen, die also logische Voraussetzung der Gültigkeit der Quantitätstheorie i m interpretierten Sinne sind, handelt es sich aber u m die zweite, dritte und vierte These Mayers, nämlich die Annahmen der Stabilität der Geldnachfrage, der Stabilität des gesamten privaten Sektors sowie der Irrelevanz allokativer Details (einschließlich voller Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes). Nach diesen Überlegungen bereitet es gewisse Schwierigkeiten, Mayer zu folgen, wenn er eingangs sagt, ein Monetarist müsse nur seiner ersten These — der Quantitätstheorie — zustimmen, hinsichtlich der übrigen Thesen könne er durchaus Vorstellungen anhängen, die von den typisch monetaristischen Auffassungen abweichen. Die vorgetragene A r gumentation läuft darauf hinaus, daß man die Quantitätstheorie nur vertreten kann, wenn man die drei weiteren Thesen voll akzeptiert; denn

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die ersten vier Thesen Mayers stellen — jedenfalls wenn man den Zusammenhang zwischen Geldmenge und Einkommen relativ eng sieht — einen i n sich geschlossenen Begründungszusammenhang dar; die zweite, dritte und vierte These sind insoweit nicht Ergänzung oder Erweiterung, sondern Begründung der ersten These. Wenn Mayer hier eine grundlegend abweichende Meinung vertritt, dann ist dies nur möglich, weil er den quantitätstheoretischen Zusammenhang offenbar nicht so streng sieht. Seine Interpretation, daß die Veränderungen der Geldmenge der wichtigste Bestimmungsgrund des Einkommens sei, ist also so zu verstehen, daß es neben dieser Determinante durchaus noch andere wichtige Determinanten gibt, die bei Konzeption einer geschlossenen Theorie zu berücksichtigen wären. Interpretiert man den quantitätstheoretischen Zusammenhang i n dieser Weise etwas lockerer, dann ist es auch konsequent, wenn man — wie es Mayer als m i t der monetaristischen Position verträglich ansieht — hinsichtlich der einen oder anderen der drei weiteren Thesen eine abweichende Auffassung vertritt, da sich daraus ja dann solche Auflockerung ergibt. I V . Das keynesianische System i n Thesen Der Versuch, das keynesianische System i n ähnlicher Form durch einen Katalog relativ allgemein akzeptierter Hauptthesen darzustellen, wie es Mayer für das monetaristische Konzept getan hat, ist problematisch, da es sehr viel mehr Versionen des keynesianischen als des monetaristischen Systems gibt, deren Besonderheiten bei einer Generalisierung nicht nur ausgeklammert werden, sondern die es auch erschweren, bestimmte Aussagen als wesentlich zu bezeichnen. Das ist zunächst darin begründet, daß das Denken i n keynesianischen Kategorien nicht nur i n der Wissenschaft weiter verbreitet ist und damit entsprechend stärkere Differenzierungen erfahren hat, sondern daß diese Kategorien auch i n die laufende Interpretation des Wirtschaftsgeschehens eingegangen sind. Dazu kommt, daß die von Land zu Land verschiedenen institutionellen und ökonomischen Bedingungen i n den theoretischen Konzepten zusätzlich Niederschlag gefunden und zu einer weiteren Differenzierung der Lehre geführt haben. So ist das Spektrum dessen, was man als keynesianische Lehre bezeichnen kann, sehr breit, und allgemein anerkannte Thesen lassen sich schwer herausheben. Da es uns i m folgenden darum geht, die Gegenposition zum Monetarismus, die i n der bisherigen Debatte nur hinsichtlich einiger Thesen

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und nicht als geschlossenes System dargestellt wurde, etwas deutlicher werden zu lassen, ist es zweckmäßig, weniger auf jene Versionen zurückzugreifen, die sich dem Monetarismus mehr angenähert haben, sondern an jene anzuschließen, die der auf die Banking-Theorie zurückgehenden Tradition und damit i m Sinne Bronferibrenners u bzw. Schumpeters der anderen großen „Vision" des ökonomischen Prozesses verhaftet geblieben sind. I n diesem Sinne möchte ich die keynesianische Theorie durch vier Hauptthesen kennzeichnen: 1. Der Geldwert ist mikroökonomisch determiniert. Die Veränderungen des allgemeinen Preisniveaus ergeben sich aus der Aggregation der realwirtschaftlich begründeten Veränderimg der Einzelpreise. 2. Die nominelle Geldmenge ist i n höherem Grade endogen als exogen bestimmt; die Geldversorgung der Wirtschaft ist sehr elastisch. 3. Die private Nachfrage ist tendenziell instabil; multiplikative und akzelerative Mechanismen verstärken exogene Impulse. 4. Das Niveau der Beschäftigung und des Outputs sind makroökonomisch determiniert. 1. These: Der Geldwert ist mikroökonomisch-realwirtschaf tlich determiniert. Wie kein Monetarist heute noch die Auffassung vertritt, daß die Geldmenge der einzige Bestimmungsgrund des Geldwertes oder des nominellen Einkommens sei, so ist heute auch kein Keynesianer mehr der Meinung, daß die Geldmenge für die Entwicklung des allgemeinen Preisniveaus bedeutungslos wäre. Während Monetaristen aber weiterhin i n den Veränderungen der Geldmenge die wichtigste Determinante von Veränderungen des nominellen Einkommens bzw. des Geldwertes sehen, kann man i n der keynesianischen Lehre keine dominierende makroökonomische Größe für die Bestimmung des allgemeinen Preisniveaus finden. Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Lehren liegt sogar darin, daß die Monetaristen das Preisniveau als eine makroökonomisch determinierte Größe ansehen, während es von den Keynesianern als das Aggregat der mikroökonomisch determinierten Einzelpreise interpretiert wird. Nach keynesianischer Auffassung unterliegt der Prozeß der Bildung des Gesamtpreisniveaus aus den EinA.a.O., S.

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zelpreisen keinen wesentlichen makroökonomischen Restriktionen. Die wichtigsten Determinanten der Einzelpreise, die ihrerseits untereinander zum Teil noch i n einem gewissen Zusammenhang stehen, sind die Lohnhöhe, die Gewinnaufschläge, der Produktivitätsfortschritt, die Höhe der indirekten (in gewissem Umfang auch der direkten) Steuern und die Preise der Importgüter. Eine Schlüsselstellung i m Prozeß der Bildung des Preisniveaus aus den Einzelpreisen nehmen die Vorgänge der Einkommensentstehung und Einkommensverwendung ein, da die Einkommen auf der einen Seite als Kostenfaktoren oder Gewinnaufschläge i n die Angebotspreise eingehen und auf der anderen Seite die Grundlage der monetären Nachfrage sind. Der angebots-nachfrageseitige Zusammenhang ist am deutlichsten bei den Löhnen: Die i m Gefolge einer Lohnerhöhung beabsichtigte Preiserhöhimg hat insofern hohe Realisierungschancen, als die erhöhten Löhne tendenziell zu einer Steigerung der Konsumgüternachfrage führen. Erhöhte Gewinnaufschläge stehen oft m i t der Planung zusätzlicher Investitionen i n Zusammenhang und erhöhen über diese Komponente die monetäre Nachfrage. Veränderungen der Steuersätze haben — soweit sie nicht konjunkturpolitisch orientiert sind — i n einer entsprechenden Ausgabenplanung der Gebietskörperschaften ihre Ursache. Die keynesianische Hauptthese von der mikroökonomischen Determiniertheit des allgemeinen Preisniveaus enthält die für den Quantitätstheoretiker schwer nachvollziehbare Annahme, daß die Veränderungen einzelner Preise i n ihrer Wirkung auf das Gesamtpreisniveau nicht durch entgegengesetzte Bewegungen anderer Preise kompensiert werden. Für den Keynesianer taucht diese Schwierigkeit nicht auf, da er annimmt, daß entweder die Geldmenge sehr elastisch ist und damit keine gesamtwirtschaftliche Restriktion darstellt (unsere 2. These), oder daß bei unzureichender Elastizität der Geldmenge die daraus resultierende gesamtwirtschaftliche Restriktion sich primär i n einem Rückgang der Beschäftigung und des Outputs niederschlägt (unsere 4. These). 2. These: Die Geldmenge ist eine endogen bestimmte Größe. Die These von der Endogenität der Geldmenge wurde von der Banking-Theorie i n der bekannten Formulierung vertreten, daß sich die Wirtschaft immer die Geldmenge schaffe, die sie benötige. Bei dieser Aussage handelt es sich zunächst u m eine empirische Feststellung über die herrschende Geldordnung, insbesondere die institutionalisierte Geld-

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schöpfungsmechanik. Moderne Geldwirtschaften enthalten i n der Regel Elemente aus den drei reinen Geldsystemen und den sie konstituierenden Geldschöpfungsmechanismen — dem Waren-Geldsystem, dem Kredit-Geldsystem und dem interventionistischen Geldsystem 15 ; dem entspricht auch, daß die Geldschöpfung i n solchen Volkswirtschaften auf mehrere Komponenten — die Refinanzierungskomponente, die außenwirtschaftliche Komponente und die fiskalische Komponente™ — abgestützt ist. Bei diesen einzelnen Komponenten sind neben der Zentralbank die Geschäftsbanken und die Nichtbanken i n einem jeweils verschiedenen Maße am Prozeß der Geldschöpfung beteiligt, so daß die Initiative zur Schöpfung von Zentralbankgeld und i n stärkerem Maße von Buchgeld der Geschäftsbanken nicht nur von der Zentralbank, sondern auch von den Geschäftsbanken und den Nichtbanken ausgehen kann. Daraus leitet Werner Neubauer i n seinem Diskussionsbeitrag eines der Argumente für die „Unmöglichkeit einer monetaristischen Geldpolitik" ab 1 7 . Die Endogenität der Geldmenge zeigt sich am deutlichsten i n der mangelnden Fähigkeit der Zentralbanken, generelle Lohnerhöhungen, die wesentlich über den Produktivitätsfortschritt hinausgehen, und die daraus resultierenden Preiserhöhungen abzuwehren. Das Geschäftsbankensystem hat i m allgemeinen die Elastizität und muß diese wohl auch haben, u m der Wirtschaft die zur Finanzierung einer allgemeinen Lohnerhöhung erforderlichen Kredite zur Verfügung zu stellen. Schon die Finanzierung eines relativ kontinuierlichen Wachstums durch die Geschäftsbanken wäre kaum denkbar, wenn diese sich ohne jegliche Elastizität ständig an der Grenze ihres Finanzierungsspielraums bewegen müßten. U m die unterschiedlichen Bewegungen i n einzelnen Branchen und Bereichen und die daraus resultierende unterschiedliche A n spannung bei einzelnen Banken und Bankgruppen auffangen zu können, müssen wechselnd freie Finanzierungsspielräume vorhanden sein. Diese werden bei zusätzlicher Anspannung durch allgemeine Lohnsteigerungen — zum Teil über den Geldmarkt — bei gewissen Zinssteigerungen ausgenützt. Darüber hinaus werden Liquiditätsreserven der Nichtbanken entweder unmittelbar oder angeregt durch die Zinssteigerung is vgl. Ehrlicher, W.: Geldtheorie, HdSW, 4. Bd., Stuttgart-Tübingen-Göttingen, 1965, S. 249 ff. ie Vgl. Ehrlicher, W.: Die außenwirtschaftliche Komponente der Geldversorgung, Jahrbuch für Sozialwissenschaft, Bd. 14 (1963), Festschrift für A n dreas Predöhl, S. 591 ff. 1 7 A.a.O., S. 71 ff.

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mobilisiert. M i t der Finanzierung der Lohnsteigerung sind dann aber auch die Einkommen geschaffen, deren Verausgabung die Durchsetzung entsprechender Preissteigerungen ermöglicht. Wollte die Notenbank diesen Prozeß aufhalten und kann die A n kündigimg einer entsprechend scharfen Restriktionspolitik die Tarifpartner nicht von der Durchsetzung der allgemeinen Lohnerhöhung abhalten, dann kann die Preiserhöhung n u r verhindert werden, wenn die Schärfe der restriktiven Maßnahmen die Elastizität des Banksystems überspielt und die Gewährung zusätzlicher Kredite verhindert, was zu Entlassungen und zu Zusammenbrüchen führt. Eine derartig rigorose Politik, bei der der Vorwurf, bewußt Unternehmenszusammenbrüche herbeizuführen, eher gegen die Zentralbanken als gegen die Tarifpartner gerichtet würde, ist praktisch kaum vorstellbar und würde politisch die Position der Zentralbank i n Frage stellen. Die volle Ausschaltung der Elastizität des Geschäftsbankensystems und eine weitgehend exogene Determination der nominellen Geldmenge wäre nur i n einer konsequent am interventionistischen Geldsystem orientierten Geldordnung möglich. Diese müßte entweder einstufig konstruiert sein oder bei zweistufigen Bankensystemen eine hundertprozentige Mindestreservedeckung des Buchgeldes der Geschäftsbanken vorsehen, wie dies ja i n einer älteren Forderung der Monetaristen auch vorgeschlagen wurde. Dagegen stellt sich allerdings die Frage, ob eine marktwirtschaftlich organisierte und i n internationale Wirtschaftsbeziehungen integrierte Volkswirtschaft m i t einer derartig zentralistischen oder jedenfalls i m Geschäftsbankensystem weitgehend unelastischen Geldordnung funktionsfähig wäre. Die Erfahrung spricht insofern dagegen, als die Zentralbank bisher i n Zeiten der Rezession und abnehmender Wachstumsraten die Geschäftsbanken und die Wirtschaftseinheiten immer sehr reichlich m i t Liquidität versorgen mußte, u m die Basis für einen neuen Wirtschaftsaufstieg zu schaffen. Umgekehrt führte dies dazu, daß die Bremsen der Zentralbank i m W i r t schaftsaufschwung nur relativ langsam ziehen konnten, da über restriktive Maßnahmen zunächst die freien Liquiditätsreserven abgebaut werden mußten. A n dieser Stelle w i r d die keynesianische Argumentation durch unsere 3. These von der tendenziellen Instabilität der privaten Nachfrage gestützt bzw. ergänzt. I n einer monetaristischen Welt tendenzieller Stabilität des privaten Sektors würde es keine schärferen K o n j u n k t u r -

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ausschläge geben, so daß eine relativ zentralistisch gesteuerte, am Wachstum des Produktionspotentials orientierte Geldversorgung denkbar wäre. Ob man sich allerdings von einem relativ unelastischen Geschäftsbankensystem eine hohe schockabsorbierende Wirkung erwarten dürfte, mag dahingestellt bleiben.

3. These: Der Wirtschaftsablauf tendiert zur Instabilität. Die monetaristische Stabilitätsthese bzw. ihr keynesianisches Gegenstück die Instabilitätsthese hat zwei verschiedene Aspekte und begegnet uns dementsprechend zweimal i n Mayers Thesen; zum einen als Stabilität bzw. Instabilität der Geldnachfrage bei der Behandlung des Transmissionsmechanismus (Mayers 2. These) und als tendenzielle Stabilität bzw. Instabilität der privaten Nachfrage (Mayers 4. These). Hinsichtlich der Geldnachfrage ist der Gegensatz darin begründet, daß verschiedene Sachverhalte angesprochen sind; während die Keynesianer m i t der Behauptung einer Instabilität der Geldnachfrage auf die i m Konjunkturverlauf zu beobachtenden Schwankungen der Kreislaufgeschwindigkeit des Geldes abstellen, interpretieren die Monetaristen die Stabilität der Geldnachfrage als „stabile Funktion einer begrenzten Zahl erklärender Variablen". Da sie als wesentliche Determinanten der Geldnachfrage zum einen das sich relativ kontinuierlich entwickelnde „permanente" Einkommen (und nicht das stärker schwankende Periodeneinkommen) und zum anderen den zyklisch schwankenden Zinssatz ansehen, verträgt sich die Annahme, daß die Geldnachfrage eine stabile Funktion dieser Variablen sei, durchaus m i t ihrer zyklischen Veränderung. Während die Keynesianer allerdings aus der beobachteten Instabilität der Geldnachfrage i m K o n j u n k t u r veri auf die Forderung nach verstärkter antizyklischer Geldpolitik ableiten, läßt sich die monetaristische Forderung nach Regelbindung der Geldmenge m i t der angedeuteten Theorie der Geldnachfrage nur i n Einklang bringen, wenn man akzeptiert, daß bei der Regelbindung der Geldversorgung die konjunkturellen Schwankungen weitgehend gedämpft und sich damit auch die Determinanten der Geldnachfrage so entwickeln würden, daß sich über die „stabile Beziehimg" auch kurzfristig eine hohe Konstanz der Geldnachfrage oder der Kreislaufgeschwindigkeit des Geldes ergibt.

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Der zweite Aspekt der These von der tendenziellen Instabilität bzw. Stabilität der privaten Nachfrage begegnet uns i n beiden Theorien i n zwei Versionen. Zum einen unterstellen die Keynesianer, daß die p r i vate Nachfrage, insbesondere die Investitionsgüternachfrage, aufgrund tendenzieller Instabilität der Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals relat i v starken Schwankungen unterliegt; zum anderen nehmen sie an, daß derartige Impulse über die als Multiplikator und Akzelerator bezeichneten Zusammenhänge eine wesentliche Verstärkung erfahren, die sich angesichts der unterstellten Elastizität der Geldversorgung v o l l auswirken können. Demgegenüber unterstellen die Monetaristen, daß autonome — d. h. also nicht wirtschaftspolitisch bedingte — Schwankungen der privaten Nachfrage relativ schwach sind und daß darüber hinaus die Selbststeuerungsmechanismen der Wirtschaft eine hohe schockabsorbierende Fähigkeit haben. Von einigen der Autoren, die sich an der Debatte beteiligt haben, w i r d behauptet, daß es sich bei der Stabilitäts- bzw. Instabilitätsthese um eine empirische Frage handle, und die Monetaristen haben für verschiedene Länder i n immer wieder modifizierten Ansätzen eine Vielzahl empirischer Studien vorgelegt, u m ihre Stabilitätsthese zu beweisen. Die Keynesianer haben zunächst keinen unmittelbaren Anlaß, ihre Instabilitätsthese empirisch zu belegen, denn die von ihnen behauptete Instabilität der privaten Nachfrage, insbesondere der privaten Investitionen, ist durch 150jährige Geschichte des Konjunkturverlaufs hinreichend belegt. Die Monetaristen meinen nun wiederum nicht diese vordergründige Instabilität der absoluten Werte, sondern die dahinter stehenden Nachfragefunktionen. Sie versuchen, ihre Stabilitätsthese durch empirische Untersuchungen der Entwicklung von Geldmenge, Output, Preisen und Einkommen zu begründen. Sie kommen dabei zu dem Ergebnis, daß die Entwicklungen der Geldmenge und der nominellen Einkommen eine hohe Parallelität aufweisen. Aus der Zeitverschiebimg der Einkommensreihe folgern sie, daß die beobachtete Instabilität des Einkommens i n der Instabilität der Geldversorgung begründet sei, während aus der Parallelität der beiden Reihen der Schluß auf eine relative Stabilität des privaten Sektors gezogen werden könne. Diese Beweisführung scheint m i r von vornherein problematisch und ich halte es für fragwürdig, ob man hier überhaupt von einer empirischen Frage sprechen kann. Bei diesen Überlegungen w i r d auf der einen Seite das nomi-

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nelle Einkommen — und nicht das Preisniveau oder der Output — als determinierte Größe angesehen, zum anderen w i r d längerfristig eine Konstanz (oder jedenfalls ein bestimmter Trend) und kurzfristig eine stabile Abhängigkeit der Geldnachfrage bzw. der Umlaufsgeschwindigkeit als gesichert angesehen. Unter diesen Annahmen bedarf die längerfristige Parallelität von Geldmengen- und Einkommensentwicklung keines empirischen Beweises; die Größen müssen definitionsgemäß ex post übereinstimmen, da die Quantitätsgleichung eine Tautologie i n dem Sinne ist, daß ein bestimmtes nominelles Einkommen bei Annahme einer gegebenen Umlaufsgeschwindigkeit nur entstanden sein kann, wenn eine bestimmte Geldmenge vorhanden war. A u f die Frage nach der Kausalität, d. h. also, ob Veränderungen des Einkommens Veränderungen der Geldmenge ausgelöst haben oder ob der umgekehrte Zusammenhang dominiert hat, sagt die Parallelität der Entwicklung der beiden Zeitreihen nichts aus. Wenn aus der Zeitverzögerung der Einkommensreihe der Schluß „post hoc, ergo propter hoc" gezogen wird, dann ist dies — wie z. B. i n M i l t o n Friedmans fünf Gründen 1 8 — nur über die Plausibilität bestimmter theoretischer Argumente, die dann u. U. zusätzliche empirische Forschungen anregen können, möglich. Da sich Argumente finden lassen und auch vorgebracht wurden 1 9 , die die Determiniertheit der Geldmenge aus zeitlich späteren Veränderungen des Einkommens erklären, bleibt die 3. These vorläufig mehr eine Frage der Plausibilität theoretischer Argumente als der Werte von Parametern. 4. These: Die Beschäftigung und der Output sind makroökonomisch determiniert. W i r haben uns i n der Aufreihung der Thesen, die das keynesianische System erfassen sollen, u m eine gewisse Parallelität zu den vier Hauptthesen, über die Mayer das theoretische System der Monetaristen beschreibt, bemüht. Deshalb haben w i r an die Spitze des Katalogs, der bei Mayer durch die Quantitätstheorie angeführt wird, die keynesianische These von der mikroökonomisch-realwirtschaftlichen Determiniertheit des Geldwertes gestellt. Unsere zweite These von der Endogenität 18

Friedman, M.: The National Bureau Enters Its 45th Year, 44th Annual Report, wiederabgedruckt in: Die optimale Geldmenge, Die Geldstudien des National Bureau, München 1970, S. 278 ff. 19 Z . B . Tobin , J., Money and Income: Post Hoc Ergo Propter Hoc, The Quarterly Journal of Economics, Vol. 84 (1970), S. 301 ff.

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der Geldversorgung ergänzt die erste These insofern, als eine mikroökonomische Bestimmung des Preisniveaus nur vorstellbar ist, wenn die Geldmenge keine gesamtwirtschaftliche Restriktion darstellt. Die an dritter Stelle — wiederum parallel zu Mayers Stabilitätsthese der Monetaristen — diskutierte Instabilitätsthese leitet zu der i n der vierten These zu beantwortenden Frage über, wodurch i m keynesianischen System das Niveau der realen Wirtschaftstätigkeit — also Beschäftigung und Output — determiniert sind. Die A n t w o r t geht dahin, daß die Beschäftigung und der Output — makroökonomisch — durch die monetäre Gesamtnachfrage bestimmt sind, die ihrerseits — bei tendenziell instabiler privater Nachfrage — wesentlich durch die Geldpolitik und die Finanzpolitik beeinflußt wird. M i t diesen vier Thesen scheint uns das theoretische System der Keynesianer i n einer gewissen A b rundung gekennzeichnet. Wenn man unabhängig von Mayers Vorlage dieses System nachzeichnen wollte, würde man den Thesenkatalog w o h l besser i n der umgekehrten Reihenfolge aufstellen. Diese Folge böte sich schon aus dogmengeschichtlicher Sicht an: Die aktuellen Probleme, die John M. Keynes bei der Konzeption seiner „Allgemeinen Theorie" 2 0 bewegt haben, waren durch die Weltwirtschaftskrise geprägt; sein zentrales Problem war die Determination des Niveaus der realen Wirtschaftstätigkeit, insbesondere der Beschäftigung und des Outputs. Der neue Gedanke, durch die seine Theorie säkulare Bedeutung gewann, lag i m Nachweis der Möglichkeit eines Gleichgewichts bei Unterbeschäftigung; er entwickelte diesen Gedanken aus der Analyse der Vorgänge der Einkommensentstehung und Einkommensverwendung. Auch die gleichzeitige methodologische Wendung zum makroökonomischen Ansatz war ein wesentliches Element dieser Keynes 9sehen Revolution. So wäre es bei einer gesonderten Darstellung der keynesianischen Theorie zutreffender, als erste These die makroökonomische Determiniertheit des Niveaus der realen Wirtschaftstätigkeit aufzuführen; ihr hätte die These von der Instabilität des privaten Sektors zu folgen, da i n der Keynes' sehen Theorie die Schwankungen der Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals eine zentrale Rolle spielen; sodann wären die Endogenität der Geldmenge und die mikroökonomische Determiniertheit des Preisniveaus aufzuführen. 20 Keynes, J. M.: The General Theory of Employment Interest and Money, London 1936.

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Keynes zentrale Frage nach den Bestimmungsgründen der Beschäftigung galt von der klassischen Theorie bis zum Monetarismus als sekundäres Problem. Die klassische Vorstellung, daß das ökonomische System automatisch zur Vollbeschäftigung tendiere, wurde bei den Monetaristen durch die Vorstellung von der „natürlichen" Unterbeschäftigungsrate oder des „natürlichen" Outputniveaus abgelöst. Diese Rate bzw. dieses Niveau werden mikroökonomisch durch die Höhe der Reallöhne, die Grenzproduktivität, die Mobilitätskosten der Arbeit, die Informationskosten über die Arbeitsmarktsituation und ähnliche realwirtschaftliche Faktoren erklärt. Dementsprechend sollte die Beschäftigungspolitik nach monetaristischer Vorstellung auch i n der mikroökonomischen Ebene m i t Maßnahmen zur Steigerung der Produktivität der Arbeit, zur Förderung der Arbeitsmobilität, zur Senkung der Informationskosten über den Arbeitsmarkt u. ä. ansetzen. Der angebotstheoretischen Erklärimg des Niveaus der Wirtschaftstätigkeit stellte Keynes — wie oben angedeutet — die Vorstellung entgegen, daß die Höhe der monetären Nachfrage das Niveau der ökonomischen A k t i v i t ä t bestimme. Unter den Komponenten der Gesamtnachfrage kommt i n seinem System den autonomen Investitionen und der Staatsnachfrage eine Schlüsselrolle zu. Da diese beiden Nachfragekomponenten i m Gegensatz zu der quantitativ zwar bedeutsameren Komponente des Konsums, der als Funktion des Einkommens und damit als abhängige Variable gesehen wird, als exogen determinierte Größen gelten, bestimmen sie das Gleichgewichtsniveau des Gesamtsystems, das bei verschiedenen Höhen der Beschäftigung liegen kann. Die Geldpolit i k w i r k t auf die Investitionstätigkeit über den Einfluß auf das Zinsniveau i n seinem Verhältnis zur Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals ein. Die Geldpolitik und die Finanzpolitik werden dementsprechend als die geeigneten Instrumente zur Beeinflussung des Beschäftigungsgrades und des Outputs angesehen. V. Die geldpolitischen Konzeptionen Die theoretischen Positionen haben sich inzwischen — worauf Mayer und andere Autoren wiederholt hinweisen — soweit angenähert, daß man besonders die Behandlung von Einzelproblemen oft nur noch tendenziell als mehr keynesianisch oder quantitätstheoretisch einstufen kann. Besonders stark überschneiden sich die Auffassungen bei der Analyse der Wirkungen auf kurze Sicht. Auch die Vorschläge für kurzfristig orientierte stabilitätspolitische Maßnahmen divergieren oft nicht

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wesentlich. Dies gilt allerdings nur insoweit, als es sich u m Maßnahmen bei ernsthaften Störungen des wirtschaftlichen Gleichgewichts — sei es bei stärkerer Unterbeschäftigung oder bei höheren Inflationsraten — handelt. I n diesen Fällen, in denen ein Abbau der Arbeitslosigkeit ohne interventionistische Hilfen sehr lange Zeit i n Anspruch nehmen oder eine schnelle Reduktion der Inflationsraten über eine Regelbindung der Geldmenge m i t einem starken Ansteigen der Arbeitslosigkeit verbunden wäre, halten auch Monetaristen fiskalistisch orientierte Eingriffe für wirksam und vertretbar. Dies w i r d dann allerdings i n der Regel noch damit begründet oder gerechtfertigt, daß solche Störungen die Folge früherer interventionistischer Maßnahmen seien und neuerliche Eingriffe dazu dienten, die Heranführung der Wirtschaft an eine Regelbindung der Geldversorgung zu erleichtern. Von dieser kurzfristig orientierten Politik i n einem als Übergangszustand betrachteten Stadium abgesehen, stehen sich die geldpolitischen Konzeptionen der Monetaristen und Fiskalisten i n der Regel jedoch schärfer konturiert gegenüber als die theoretischen Konzeptionen. Sucht man i n Mayers Katalog nach einer ähnlich allgemeinen und für die wirtschaftspolitische Gesamtkonzeption charakteristischen These, wie es i n theoretischer Hinsicht die Quantitätstheorie ist, dann könnte man m i t Bronfenbrenner 21 zur Kennzeichnimg des Monetarismus Mayers 9. These — die Regelbindung des Geldmengenwachstums als konstitutive Verhaltensregel der monetaristischen Geldpolitik — an die Spitze des Katalogs stellen. I h r hätte nach Bronfenbrenners Auffassung an nächster Stelle die Verwendung der Geldmenge als geldpolitisches Z w i schenziel (Mayers 8. These) zu folgen, sodann die Bereitschaft, Arbeitslosigkeit als Preis für eine Antiinflationspolitik zu tolerieren (Mayers 11. These) verbunden mit der Ablehnung der Phillips-Kurve als eines zuverlässigen Trade-off-Indikators (Mayers 10. These) und schließlich die i m wesentlichen aus dem Glauben an die Willensfreiheit resultierende Abneigung gegen eine zurückgestaute Inflation und gegen Direkteingriffe (Mayers 12. These). Als 13. eigene These fügt Bronfenbrenner noch die Macht der Zentralbanken zur Regulierung des Geldangebots hinzu. Ich habe schon angedeutet, daß ich es als problematisch ansehe, w i r t schaftspolitische Aussagen, die sich nicht auf Rezepte zu einzelnen Problemen beschränken, sondern als umfassende Konzeptionen eingestuft 2i A.a.O., S. 477.

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werden müssen, als Konsequenz bestimmter theoretischer Aussagen anzusehen. Dagegen spricht i m Rahmen der hierzu erörterten Probleme auch, daß Monetaristen einerseits und Fiskalisten andererseits i n ihren jeweiligen wirtschaftspolitischen Vorschlägen sehr viel einheitlichere Auffassungen vertreten als i n ihren theoretischen Analysen. Ich möchte den Angelpunkt der divergierenden wirtschaftspolitischen Auffassungen daher weder i n den abweichenden theoretischen Ergebnissen, noch — wie Bronfenbrenner — i n unterschiedlichen Vorstellungen auf dem Teilbereich der Geldpolitik, sondern i n den grundlegenden wirtschaftspolitischen Zielvorstellungen suchen. I n diesem Sinne möchte ich den wirtschaftspolitischen Thesenkatalog wie folgt gliedern: 1. Ordnungspolitische Grundvorstellungen 2. Allgemeine ablaufspolitische Prioritäten 3. Geldpolitische Regeln. Zu 1.: I n den ordnungspolitischen Grundvorstellungen sind sich die Monetaristen i n ihrer Abneigung gegen staatliche Eingriffe einig; sie sind m i t den Ergebnissen des Marktmechanismus wesentlich zufriedener als die Keynesianer. Mayer meint allerdings, man könne nicht beweisen, ob diese Haltung mehr ein Bestandteil des Monetarismus oder mehr ein Charakteristikum sei, das Ökonomen, die Monetaristen sind, zufällig aus den verschiedensten Gründen anhafte; die Abneigung gegen staatliche Regelung passe aber sehr gut zu den meisten der vorher aufgeführten Thesen. Mayer führt die Abneigung gegen staatliche Eingriffe bewußt als letzte These auf; denn er wendet sich — wie schon eingangs betont — scharf dagegen, den Monetarismus als eine i n der Anlage ideologische Doktrin zu bezeichnen, „die m i t scheinbar technischen Gründen die Befürwortimg eines ungezügelten Kapitalismus verschleiern möchte". Für Mayer ist die ordnungspolitische Fundierung einer wirtschaftspolitischen Konzeption offenbar als ideologieverdächtig negativ einzustufen. Ich halte es für gar nicht denkbar, ein wirtschaftspolitisches Konzept aus theoretischen Überlegungen und Analysen abzuleiten, ohne daß i n diese Überlegungen irgendwann Wertvorstellungen eingehen. Deshalb möchte ich die „Abneigung gegen staatliche Eingriffe" nicht an das Ende des politischen Konzepts stellen und damit diese These als relativ nebensächliches Element eines Systems ansehen, das ohne Staat recht gut zurechtkommen kann, sondern setze sie umgekehrt an den Anfang des Entwurfs eines wirtschaftspolitischen Konzepts, das mög-

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liehst weit ohne Staatseingriffe auskommen möchte. (Das soll nicht ausschließen, daß solche ordnungspolitischen Grundvorstellungen aus vielfältigen theoretischen Überlegungen über die Problematik staatlicher Eingriffe i n den Ablaufprozeß entstanden sind.) Ebenso wenig sollte man die größere Bereitschaft der Keynesianer zu prozeßpolitischer Globalsteuerung auf den von ihnen erbrachten theoretischen Nachweis der Möglichkeit eines Unterbeschäftigungsgleichgewichts zurückführen, sondern darin nur eine zusätzliche Begründung für ihre ordnungspolitische Grundvorstellung sehen, den Wirtschaftsprozeß durch Globalmaßnahmen i n Hinblick auf bestimmte Ziele zu steuern. Ich möchte diese meine Auffassung damit begründen, daß jedes rational konstruierte wirtschaftspolitische Konzept von einem Koordinationsprinzip der wirtschaftlichen Entscheidungen und Handlungen ausgehen muß. Das w i r d am deutlichsten i n Euchens polaren Systemen der Zentralverwaltungswirtschaft und der Verkehrswirtschaft 2 2 ; es gilt i n gleicher Weise aber für die Ausgestaltung einer Ordnung, die sich an dem Prinzip „Soviel individuelle Entscheidimgsfreiheit wie möglich, soviel Planung wie nötig" orientiert. Wenn man wissenschaftliche Vertreter der Wirtschaftspolitik, die sich bei der Auswahl der von ihnen behandelten Probleme an diesem Prinzip orientieren, (wie oben für die theoretischen Positionen) von einer Extremposition, die relativ weniger individuelle Entscheidungsfreiheit für möglich und relativ mehr Planung für nötig hält, bis zur anderen extremen Position aufreihen würde, die relativ viel individuelle Entscheidungsfreiheit für möglich und relativ wenig Planung für nötig hält, so wären i n einem solchen Schema die extremen Positionen sicher nicht am stärksten besetzt. Es ergäbe sich aber wahrscheinlich auch keine Massierung i n der Mitte, wo die Positionen ineinander übergehen, sondern am dichtesten wären wohl die mittleren Positionen auf beiden Flügeln besetzt. Ich halte es nicht für eine abzulehnende Ideologisierung der Wissenschaft, wenn als Voraussetzung der konstruktiven wirtschaftspolitischen Konzepte dargelegt wird, welcher individuelle Entscheidungsfreiraum für möglich und in welchem Rahmen Planung für nötig gehalten wird, sondern bin der Meinung, daß ein i n dieser Hinsicht voraussetzungsloses rationales wirtschaftspolitisches Denken gar nicht möglich ist. 22 Euchen, Walter, Die Grundlagen der Nationalökonomie, 8. Aufl., BerlinGöttingen-Heidelberg 1965.

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I n diesem Sinne möchte ich aus wirtschaftspolitischer Sicht das wichtigste Kennzeichen des Monetarismus i n der ordnungspolitischen Forderung nach möglichst weitgehender Freiheit von Staatseingriffen ansehen, während m i r für die fiskalische Position der Glaube an die Notwendigkeit einer globalen Stabilitätspolitik grundlegend erscheint. Zu 2.: Die stärkere Beachtung der Inflation gegenüber der Arbeitslosigkeit stuft Mayer als vorletztes Charakteristikum der monetaristischen Position ein, wobei er vorsichtig dahingehend formuliert, daß sich die Monetaristen mehr als die Keynesianer über die nachteiligen Folgen einer nichtantizipierten Inflation und relativ weniger über die negativen Wirkungen der Arbeitslosigkeit zu beunruhigen scheinen. Er sieht dabei vier Beziehungen zu früher aufgeführten monetaristischen Positionen; zunächst stufe der Quantitätstheoretiker die Wahrscheinlichkeit von Preis Veränderungen höher ein, sodann glaube er mehr an die Korrekturkräfte, die den privaten Sektor i n die Nähe der Vollbeschäftigung bringen, weiterhin begrenze die Regelbindung des Geldmengenwachstums die mögliche Inflationsrate und schließlich mache die Annahme einer realen Phillips-Kurve die Hoffnung, die Arbeitslosigkeit (außer auf kurze Sicht) auf Kosten der Inflation zu verringern, zunichte. Mayer betont auch an dieser Stelle, daß die Bewertung von Inflation und Arbeitslosigkeit aber „far removed from the main area of monetarist-Keynesian contention" ist und daß es — wenn schlüssige Beweise für die Gültigkeit der Quantitätstheorie oder des monetaristischen Transmissionsprozesses vorlägen — wohl wenig an der relativen Bedeutung ändern würde, die der einzelne Inflation und Arbeitslosigkeit beimißt. „This depends much more on other issues, such as the effects of inflation on income distribution, and on fundamentally ethical judgements 23 ." Sieht man die Konzepte der Monetaristen und der Fiskalisten als wirtschaftspolitische Konzepte, dann liegt es nahe, Mayers letzte Aussage über die metaökonomische Determiniertheit der Wertung zwischen den beiden Übeln der Arbeitslosigkeit und Inflation an den Anfang zu stellen und die geldpolitischen Vorstellungen als Konsequenz i n dem Sinne anzusehen, daß die Regelbindung des Geldmengenwachstums höhere Sicherheit vor Inflation bei Inkaufnahme gewisser Beschäftigungsschwankungen bedeutet, die bei konsequenter monetaristischer Politik A.a.O., S. 3 .

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angesichts des Vertrauens in die Stabilität des privaten Sektors jedoch gering wären. Umgekehrt w i r d ein Fiskalist i n betonter Sorge vor möglicher Arbeitslosigkeit die Geldmengenregel ablehnen und eine interventionistische Politik befürworten, von der er eine Stabilisierung der Beschäftigung bei Inkaufnahme von Preisbewegungen erwartet. Eine interessante abweichende Interpretation der Einstellung zu A r beitslosigkeit und Inflation findet sich bei Laidler, der sagt, daß jedenfalls bei den britischen Monetaristen und Keynesianern eine unterschiedliche Bewertung der beiden Ziele vorläge, wobei die Monetaristen aufgrund ihrer Vorstellungen über wirtschaftliche Steuerungsmechanik die Inflationsrate als Ziel der makroökonomischen Politik, die Arbeitslosigkeit als Ziel der mikroökonomischen Politik, während die Keynesianer umgekehrt aufgrund einer anderen Sicht der Zusammenhänge die Inflationsrate als Ziel mikroökonomischer und die A r beitslosigkeit als Ziel makroökonomischer Politik ansehen 24 . Zu 3. Geldpolitische Regeln: I m Rahmen der geldpolitischen Regeln möchte ich zwischen den Vorstellungen über die geldwirtschaftliche Ordnung und den Postulaten zur Geldversorgung unterscheiden. Die monetaristischen Anforderungen an die Geldordnung lassen sich nach Bronfenbrenner dahingehend formulieren, daß die Zentralbank die Macht haben muß, die Geldversorgung der Wirtschaft i m engeren Rahmen zu regulieren und daß sie dafür auch die Verantwortung tragen sollte. Unter den Regeln der Geldversorgung möchte ich an erster Stelle Mayers 9. These — die Regelbindung des Geldmengenwachstums — anführen; daraus folgt die Forderung nach Verwendung der Geldmenge als Zwischenzielgröße und der Geldbasis als Indikator der Geldpolitik. W i r wollen uns hier auf die Behandlung der Regelbindung beschränken. a) Geldwirtschaftliche Ordnung: Es mag zunächst überraschen, daß Mayer die Forderung, die Zentralbank müsse die Geldschöpfung beherrschen, u m eine monetaristische Politik durchführen zu können, nicht selbst aufstellt. I n Deutschland wurde von den Liberalen bzw. Neo-Liberalen von jeher die Auffassung vertreten, daß die Geldversorgung desto zentralistischer organisiert sein müsse, je dezentraler die 24

Laidler , David, a.a.O., S. 60 „Thus, when discussing macroeconomic policies, the British monetarist emphasies the inflation rate as a policy target and the Keynesian the unemployment rate, not because of any difference in ethical judgement, but because of a straightforward scientific difference about which variable macro policy is best adapted to influencing." 16*

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übrige Wirtschaft gesteuert wird. So sagt Gestrick: „Es ergibt sich unausweichlich die merkwürdige Tatsache, daß eine möglichst störungsfrei ablaufende Verkehrswirtschaft eine zentral geleitete, m i t allen notwendigen Machtmitteln für die Beherrschung des Geld- und Kreditsystems arbeitende Kreditpolitik braucht (im Original gesperrt)." 25 Auch bei Walter Euchen findet sich die Forderung: „Die Währungspolitik besitzt daher für die Wettbewerbsordnung ein Primat 2 6 ." Erst i n jüngerer Zeit werden — angeregt durch Friedrich A. von Hayeh 27 — Überlegungen angestellt, ob sich eine inflationsfreie Geldversorgung i m Rahmen einer wettbewerbswirtschaftlich organisierten Bankwirtschaft ohne zentrales Institut erreichen ließe. Bisher bewegen sich diese Überlegungen aber noch auf sehr abstrakter Ebene und stellen nur die Grundsatzfrage zur Diskussion; Ansätze für die Realisierungsmöglichkeit einer derartigen Ordnung werden noch nicht aufgezeigt. Es kann daher im liberalen Lager noch als weitgehend allgemeine Auffassung angesehen werden, daß i m Rahmen einer am Ziel der Geldwertstabilität orientierten Wirtschaftspolitik der Währungspolitik ein Primat zukommt und dementsprechend der Zentralbank die Machtmittel zur Steuerung der Geldversorgung einzuräumen sind. Wenn sich Mayer selbst zu dieser Frage nicht äußert, so mag dies damit zusammenhängen, daß diese Bedingung i m Rahmen des US-amerikanischen Bankensystems i n höherem Umfang gegeben ist als i m europäischen und speziell i m westdeutschen Bankensystem. Während die Geldschöpfung des Federal Reserve Systems ziemlich ausschließlich auf der fiskalischen Komponente beruht, die von der Notenbank über die Offenmarktpolitik relativ leicht steuerbar ist, dominieren i n der Bundesrepublik Deutschland die außenwirtschaftliche und die Refinanzierungskomponente; erstere ist auch nach Freigabe der Wechselkurse — da diese begrenzt ist — nur bedingt, letztere nur m i t großen Verzögerungen durch die Notenbank steuerbar. Da sich schon von der liberalen Position her die Forderung nach einer zentral gesteuerten Geldpolitik ergibt, kann die stärker interventionistisch orientierte keynesianische Position nicht wesentlich abweichen. Eine gewisse Akzentverschiebung ergibt sich insofern, als die 25 Gestrick, Hans: Kredit und Sparen, 3. Aufl., Düsseldorf und München 1957, S. 107 f. 20 Euchen, Walter: Grundsätze der Wirtschaftspolitik, 2. Aufl., Tübingen und Zürich 1955, S. 256. 27 v. Hayeh , Friedrich Α.: Choice in Currency — A Way to Stop Inflation, London 1976.

Zur Monetarismus-Diskussion in „Kredit und Kapital"

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Keynesianer von ihrer Vorstellung der Endogenität der Geldversorgung her nicht die Forderung nach Steuerbarkeit der Geldversorgung, sondern nach Beeinflußbarkeit der Zinsentwicklung erheben. Die grundsätzliche ordnungspolitische Frage nach einer starken zentralen geldpolitischen Instanz w i r d aber von beiden Seiten i n gleicher Weise beantwortet. b) Geldpolitische Regeln: Die Forderung, die Geldversorgung an bestimmten Regeln zu orientieren, hat i m Rahmen der liberalen Tradition ebenfalls eine lange Geschichte. Sie hat ihren Ursprung i n der Forderung nach Neutralität des Geldes, die ihrerseits schon i n der Indifferenzvorstellung der Klassiker angelegt ist. Der Begriff der Neutralität taucht dann bei Wicksell i n seinen Untersuchungen über „Geldzins und Güterpreise" auf 2 8 . I n den 30er Jahren w i r d das Problem ausführlich zwischen A. von Bilimovic, W. Egle, F. A. von Hayek, J. G. Koopmans und A. Mahr diskutiert 2 9 . Bei dieser Diskussion wurde der Begriff des neutralen Geldes zunächst nicht i m Sinne einer geldpolitischen Maxime verstanden, sondern diente der Analyse der Bedingungen, die gegeben sein müßten, damit sich i n einer Geldwirtschaft das gleiche reale Niveau der Wirtschaftstätigkeit und die gleichen Relationen wie i n einer Naturaltauschwirtschaft herausbilden. I m Zusammenhang damit wurde auch der Unterschied zwischen wertstabilen und neutralem Geld herausgearbeitet. Erst als Konsequenz aus diesen Überlegungen wurde gefragt, welche Form der Geldversorgung notwendig wäre, u m Neutralität zu gewährleisten. Dabei wurde übereinstimmend festgestellt, daß es sehr schwierig sei, eine theoretisch befriedigende und gleichzeitig praktikable Lösung anzubieten; dementsprechend wurden auch verschiedene Auffassungen vertreten, die sich zwischen der Forderung nach Konstanz der Geldversorgung und einer Geldpolitik, die Stabilität des Preisniveaus ansteuert, bewegen. Die Schwierigkeit einer am Ziel der Neutralität orientierten Geldpolitik liegt darin, daß der technische Fortschritt i n vollem Umfang durch Preissenkungen weitergegeben werden müßte. Eine solche Lösung würde aber wahrscheinlich 28 Wicksell, Knut: Geldzins und Güterpreise, Jena 1898, S. 300 ff. v. Bilimovic , Α.: Zum Problem des neutralen Geldes, Zeitschrift für Nationalökonomie, Bd. 6, 1935, S. 53 ff.; Egle, W., Zur Frage des neutralen Geldes, Zeitschrift für Nationalökonomie, Bd. 9, 1939, S. 12 ff.; v. Hayek, F. Α.: Preise und Produktion, Wien 1931, ders.: Über neutrales Geld, Zeitschrift für Nationalökonomie, Bd. 4, 1933, S. 659 ff.; Koojimans, J.: Zum Problem des „neutralen Geldes", in: Beiträge zur Geldtheorie, hrsg. von F. A. von Hayek , Wien 1933, S. 211 ff.; Mahr, Alexander, Neutrales Geld und wertstabiles Geld?, Weltwirtschaftliches Archiv, Bd. 38, 1933, S. 16 ff. 20

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die Durchsetzung technischer Fortschritte behindern. Milton Friedman hat zunächst eine Geldmengenregel vorgeschlagen, bei der ein Teil des technischen Fortschritts i n Preissenkungen weitergegeben wurde; erst später hat er eine Regel gewählt, die die Stabilität des Preisniveaus, d. h. i n der Diktion dieser Diskussion „wertstabiles Geld" sichern soll. Die Grundvorstellung der Fiskalisten geht dahin, daß zum einen der Wirtschaftsablauf tendenziell instabil und daß zum anderen durch eine diskretionäre Wirtschaftspolitik ein höheres Maß an Stabilität und damit ein besseres Wirtschaftsergebnis erreichbar sei. Sie lehnen dementsprechend feste Regelbindungen für die Geldversorgung ab und sind der Auffassung, daß die Geldpolitik zur Beeinflussung der Nachfrage über die Steuerimg der Zinssätze und die Finanzpolitik zur unmittelbaren Beinflussung der Nachfrage über die Variation der Ausgaben und zur mittelbaren Beeinflussung über die Variation der Steuersätze eingesetzt werden soll. Dabei schreiben sie der Finanzpolitik eine wesentlich stärkere Stellung zu.

Die monetaristische Kontroverse. Oder: Sollten wir auf Stabilitätspolitik verzichten? Von Franco Modigliani, Cambridge/Mass.* I n den letzten Jahren, insbesondere seit Beginn der gegenwärtigen Rezession, haben professionelle Ökonomen und die Öffentlichkeit sehr viel über die heftige Auseinandersetzung zwischen „Monetaristen und Keynesianern" oder zwischen „Monetaristen und Fiskalisten" gehört. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Schulen bestehen nach allgemeiner Vorstellung vor allem darin, ob das Geldangebot oder fiskalpolitische Variable größeren Einfluß auf die gesamtwirtschaftliche A k t i vität haben, und damit der besser geeignete Ansatz für stabilitätspolitische Maßnahmen sind. Meine zentrale These lautet, daß diese Vorstellung der Auseinandersetzung kaum gerecht wird, und daß die damit zusammenhängenden Streitfragen von weit größerer praktischer Bedeutung sind. I n Wirklichkeit gibt es zwischen führenden Monetaristen und Nichtmonetaristen keine schwerwiegenden analytischen Meinungsverschiedenheiten. Von M i l t o n Friedman wurde einmal behauptet, er habe gesagt: „jetzt sind w i r alle Keynesianer", und ich neige stark dazu zu erwidern: „ w i r sind alle Monetaristen" — sofern m i t Monetarismus gemeint ist, daß der Geldmenge eine führende Rolle bei der Bestimmung des Outputs und der Preise zukommt. I n der Tat ist die Liste derer, die i n diesem Sinne schon lange Zeit Monetaristen gewesen sind, recht umfassend, so unter anderen John Maynard Keynes u n d auch ich selbst, wie meine A r t i k e l von 1944 und 1963 zeigen. Das spezifische Problem der monetaristischen Schule und der eigentliche Streit m i t den Nichtmonetaristen ist i n Wirklichkeit nicht der Mo* Presidential address, vorgetragen auf der neunundachtzigsten Tagung der American Economic Association, Atlantic City, New Jersey, 17. September 1976. Die Liste derer, denen ich für ihren Beitrag zur Entstehung der hier vorgeführten Gedanken zu Dank verpflichtet bin, ist zu groß, um in diese Fußnote aufgenommen zu werden. Zwei langjährige Mitarbeiter, denen ich besonders viel schulde, sollen hervorgehoben werden, Alberto Ando und Charles Holt Richard Cohn, Rüdiger Dornbusch und Benjamin Friedman möchte ich für ihre wertvolle Kritik an früheren Entwürfen Dank sagen, ebenso David Modest für die Durchführung der Simulationen sowie anderer Berechnungen, die im Text erwähnt sind. Übersetzung und Abdruck mit freundlicher Erlaubnis der American Economic Review (März 1977). Übersetzer: Gerhard Förster, Freiburg.

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netarismus, sondern die mögliche Rolle, die der Stabilitätspolitik zugewiesen werden sollte. Nichtmonetaristen akzeptieren, was ich als die grundlegende praktische Aussage der General Theory betrachte: Eine Wirtschaft, die auf privates Unternehmertum gegründet ist und Buchgeld benutzt, muß, kann und sollte deshalb auch durch geeignete geldund fiskalpolitische Maßnahmen stabilisiert werden. Monetaristen sind demgegenüber der Auffassung, daß es nicht unbedingt nötig sei, die Wirtschaft zu stabilisieren. Aber selbst wenn eine derartige Stabilisierung für nötig gehalten würde, sei sie nicht möglich, da die Stabilitätspolitik die Instabilität wahrscheinlich eher erhöhe als verringere; und wie ich glaube, gehen zumindest einige Monetaristen so weit, daß sie der Regierung selbst i m unwahrscheinlichen Fall einer gewissen Wirksamkeit der Stabilitätspolitik die notwendigen Machtbefugnisse nicht anvertraut sehen möchten. Was mich dazu bewogen hat, auf diese Kontroverse einzugehen, ist die derzeitige Ausbreitung des Monetarismus i n einer vereinfachten, oberflächlichen Fassung und sein wachsender Einfluß auf das praktische w i r t schaftspolitische Handeln. Letzterer hat zumindest während der ökonomischen Beben der letzten drei Jahre eine nicht unbedeutende Rolle gespielt, was ich nachfolgend zeigen werde. I m weiteren Verlauf werde ich zunächst einen Überblick über die Hauptargumente geben, die die Notwendigkeit der Stabilitätspolitik begründen. Sie gehen davon aus, daß bei Fehlen derartiger politischer Maßnahmen ein gewisser Grad an Instabilität besteht. Danach werde ich die Frage des vermeintlich destabilisierenden Effektes stabilitätspolitischer Maßnahmen untersuchen. Mein Hauptaugenmerk w i r d auf den traditionellen Typ der Störungen gerichtet sein, d. h. auf abrupte Veränderungen der Nachfrage. Vor Abschluß meiner Ausführungen werde ich noch einige Überlegungen zu den m i t dem neueren Typ von Störungen, d. h. m i t Schocks auf der Angebotsseite zusammenhängenden schwierigen Problemen anstellen. I. Keynesianische Argumente für die Stabilitätspolitik 2. Die „General Theory" Keynes' ungewöhnliche These von der Notwendigkeit einer Stabilitätspolitik, wie sie durch die frühen Interpreten der General Theory herausgearbeitet wurde (z. B. John Hicks, Modigliani, 1944), resultierte aus dem Zusammenspiel eines grundlegenden Beitrags zur traditionellen Geldtheorie — der Liquiditätspräferenz — und einer unorthodoxen Hypothese über die Funktionsweise des Arbeitsmarktes — den nach unten vollkommen unelastischen Löhnen.

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Die Liquiditätspräferenz ist Ursache dafür, daß eine Veränderung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage (die i m weitesten Sinn als jedes Ereignis definiert werden könnte, das zu einer Änderung des markträumenden oder gleichgewichtigen Zinssatzes führt) eine entsprechende Variation der realen Geldnachfrage oder der Umlaufsgeschwindigkeit und dam i t der für die Vollbeschäftigung notwendigen realen Geldmenge hervorruft. Solange die Löhne vollkommen flexibel sind, könnte und würde die Vollbeschäftigung selbst bei einem konstanten nominalen Angebot dadurch erhalten bleiben, daß Lohn- und Preisänderungen die erforderliche Variation des realen Geldangebotes herbeiführen. I n diesem Fall wäre zur Erhaltung der Preisstabilität eine antizyklische Geldpolitik nötig. Unter der keynesianischen Lohnhypothese kann sich der klassische Preisanpassungsprozeß jedoch nur i m Falle einer gestiegenen Nachfrage einstellen. I m Fall eines Nachfragerückgangs verhindert die Starrheit der Löhne den notwendigen Anstieg des realen Geldangebots und das damit zusammenhängende Sinken der Zinssätze. Daher muß ein konstantes nominales Geldangebot vom ursprünglichen Gleichgewicht weg zu einer neuen stabilen Gleichgewichtslage führen, die durch einen niedrigeren Output und einen unfreiwilligen Beschäftigungsrückgang gekennzeichnet ist. Dieser w i r d deshalb als „unfreiwillig" bezeichnet, w e i l er nicht aus einer Verschiebung der nominellen Angebots- und Nachfragekurven, ausgedrückt i n Reallöhnen, resultiert, sondern aus einem unzureichenden realen Geldangebot. Das Wesen dieses Gleichgewichts ist i m Hicksschen IS-LM-Schema elegant eingefangen, das unserer Generation von Ökonomen fast ebenso vertraut wurde wie das NachfrageAngebots-Schema früheren Ökonomen. Diese Analyse bedeutet, daß ein fixes Geldangebot weit entfernt von der traditionellen Vorstellung, annähernde Stabilität der Preise und des Outputs zu gewährleisten, zu einer eher instabilen Wirtschaft führen muß, i n der sich länger anhaltende Arbeitslosigkeit und Stagnation sowie Perioden inflationärer Schübe abwechseln. Der Grad der nach unten gerichteten Instabilität hängt teilweise vom Ausmaß der exogenen Nachfragestörungen und teilweise von der Stärke dessen ab, was man als den „Hic/csschen Mechanismus" bezeichnen könnte. Damit meine ich den Umfang des Rückgangs der Zinssätze und damit die i m Vergleich zur u r sprünglichen Verschiebung geringere Einkommensveränderung, die aus der Verschiebung der IS-Kurve i m Zusammenspiel m i t der L M - K u r v e resultiert. Die Stabilisierungsfähigkeit dieses Mechanismus w i r d durch verschiedene Parameter des Systems geregelt. Insbesondere w i r d die Wirtschaft um so instabiler sein, je größer die Zinselastizität der Geldnachfrage und je kleiner die Zinselastizität der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage ist. Schließlich w i r k t auch ein großer Multiplikator destabilisierend, da er bei einer gegebenen Störung eine größere Verschiebung der IS-Kurve m i t sich bringt.

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Gleichwohl kann man der Instabilität durch eine entsprechende Stabilisierungspolitik leicht entgegenwirken. Uber die Geldpolitik könnte man das nominale Geldangebot so verändern, daß es sich der Veränderung der realen Nachfrage anpaßt, die aus den gesamtwirtschaftlichen Nachfragestörungen resultiert. Fiskalpolitik über Ausgaben und Steuern könnte wiederum diese Störungen neutralisieren, so daß Vollbeschäftigung m i t der ursprünglichen nominalen Geldmenge vereinbar ist. I m allgemeinen können Geld- und Fiskalpolitik i n Kombination miteinander verwendet werden. Da aber eine erkennbare Unsicherheit über die Reaktion der Nachfrage auf Zinsänderungen besteht, sowie geldpolitisch ausgelöste Zinsänderungen auf Schwierigkeiten und wesentliche Verzögerungen (die sogenannte Liquiditätsfalle) stoßen können, die auf Erwartungsänderungen beruhen, wurde die Fiskalpolitik als vorteilhafter angesehen. 2. Die frühen Keynesianer Die frühen Jünger des neuen keynesianischen Evangelismus, noch von den Erinnerungen an die große Depression geplagt, tendierten häufig dazu, über Keynes* Pessimismus bezüglich einer möglichen Instabilität hinauszuschießen. Die Bedeutung, die sie der Liquiditätsfalle beimaßen, unterstützte die Annahme einer sehr zinselastischen Geldnachfrage. Die fehlende Unterscheidung zwischen kurz- und langfristiger marginaler Sparneigung führte zur Überschätzung der langfristigen Sparrate und förderte damit die Beschäftigung m i t der Stagnation. Außerdem trug sie zur Unterschätzung aer kurzfristigen Sparneigung und damit zur Überbewertung des kurzfristigen Multiplikators bei. Von den Zinssätzen nahm man an, daß sie bestenfalls auf die Nachfrage nach langlebigen Anlageinvestitionsgütern wirkten, wobei die Zinselastizität als gering angesehen wurde. Somit glaubte man, daß Störungen eine große W i r kung hätten. Schließlich nahm man an, daß sich die Investoren i n unberechenbarer Weise von ihrem „Gefühl" leiten ließen, so daß die Investitionsnachfrage eine wichtige Störungsquelle darstellte. Alles dies berechtigte zu dem Ruf nach einer sehr aktiven Stabilitätspolitik. Da gerade die Umstände, die auf Nachfragestörungen eine heftige Reaktion auslösen, auch dazu führen, daß die Wirkung der Fiskalpolitik stark, die der Geldpolitik schwach ausfällt, bestand die Neigung, sich auf die Fiskalpolitik als Hauptinstrument zu konzentrieren, u m die Wirtschaft i n der Nähe der Vollbeschäftigung zu halten. 3. Die Phillips-Kurve I n den zwei Jahrzehnten nach Erscheinen der „General Theory" kam es zu einer Reihe von Weiterentwicklungen des keynesianischen Systems; besonders zu erwähnen ist die Dynamisierung des Systems, die Diskussion um die Bedeutung der Steuern bzw. der Ausgaben sowie des M u l t i -

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plikators bei ausgeglichenem Budget. Weiterhin wurden erste Versuche unternommen, zentrale Parameter durch ökonometrische Methoden und Modelle zu schätzen. Die i n Anbetracht der anstehenden Problematik aber weitaus wichtigste Weiterentwicklung war die Aufdeckung einer „stabilen" statistischen Beziehung zwischen der Änderungsrate der Löhne und der Arbeitslosenrate, die seither als die Phillips-Kurve bekannt ist. Diese Relation und ihre Verallgemeinerung durch Richard Lipsey, die die Wirkung neuerer Inflationserscheinungen berücksichtigt, gewann breite Zustimmung, selbst bevor sie theoretisch begründet werden konnte. Dies geschah teilweise auch deshalb, w e i l sie die irritierenden Erfahrungen der Jahre 1954 und 1958 erklären konnte, als die Löhne trotz der starken Zunahme der Arbeitslosigkeit weiter stiegen. Weiterhin konnte m i t ihrer Hilfe die ziemlich unfruchtbare „cost push"-„demand p u l l " Kontroverse überwunden werden. I n den darauffolgenden Jahren wurde der Entwicklung theoretischer Grundlagen für die Phillips-Kurve, die insbesondere auf Theorieansätzen aufbauen, die den Prozeß der Arbeitsplatzsuche i n den Vordergrund stellen (ζ. B. Edmund Phelps u. a.), ziemlich viel Aufmerksamkeit geschenkt. Dieser Ansatz vermittelte neue Einsichten i n das Wesen der A r beitslosigkeit, indem er sie i n erster Linie auf den Arbeitsplatzwechsel und auf die Zeit der Arbeitssuche und nicht auf das reine Fehlen von Arbeitsplätzen zurückführte. I n gewissem Sinne ist jede Arbeitslosigkeit friktionell, zumindest i n entwickelten Ländern. Gleichzeitig erklärte er, wie das Angebot an zusätzlichen Arbeitsplätzen über eine Vermehrung offener Stellen und somit eine verringerte Zeit der Arbeitssuche zu einer tendenziellen Reduzierung der Arbeitslosigkeit führt. Die Berücksichtigung der Phillips-Kurvenbeziehung implizierte einige bedeutsame Änderungen i m keynesianischen System, die zum Teil bis zum späteren monetaristischen Angriff aus dem Blickfeld verschwanden. Da die Lohnänderungsrate stetig m i t der Arbeitslosenquote abnahm, gab es nicht länger eine einzige Vollbeschäftigungsrate, sondern vielmehr eine ganze Reihe von Gleichgewichtsraten, die m i t jeweils unterschiedlichen Inflationsraten verbunden waren (und vermutlich eine unterschiedliche langfristige Rate des Geldmengenwachstums verlangten). Dadurch verlor auch die Vorstellung eines stabilen Unterbeschäftigungsgleichgewichts an Stringenz. Ein Nachfragerückgang konnte zwar noch immer einen anfänglichen Anstieg der Arbeitslosigkeit verursachen, jedoch würde dieser am Ende durch eine verringerte Wachstumsrate der Löhne das reale Geldangebot erhöhen, was dazu führen würde, daß die Arbeitslosigkeit zu der m i t dem gegebenen langfristigen Geldmengenwachstum konsistenten Gleichgewichtsrate zurückkehrt. A u f der praktischen Ebene wurden durch diese Erkenntnisse jedoch die Argumente nicht i n Frage gestellt, die dafür sprechen, dauerhaften

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Nachfragestörungen lieber durch Stabilitätspolitik entgegenzuwirken, als sich darauf zu verlassen, daß der langsame Lohnanpassungsprozeß m i t dem Nachteil sich hinziehender Arbeitslosigkeit und instabiler Preise zum Gleichgewicht zurückführt. I n der Tat schien sich der Anwendungsbereich der Stabilitätspolitik i n dem Sinne auszudehnen, daß die Träger der Stabilitätspolitik nun die Möglichkeit besaßen, die Arbeitslosenrate zu wählen, bei der die Beschäftigung stabilisiert werden sollte, wobei sie jedoch die damit verbundene Inflation zu akzeptieren hatten. Schließlich machte die zusätzliche Abhängigkeit der Lohnänderungen von der vergangenen Inflation eine Unterscheidung zwischen kurz- und langfristiger Phillips-Kurve notwendig, wobei die letztere jene Inflationsrate i m langfristigen Gleichgewicht aufzeigt, die m i t einer gleichbleibenden A r beitslosenquote verbunden ist. Die Tatsache, daß der langfristige Tradeo f f zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation notwendigerweise weniger vorteilhaft war als der kurzfristige, eröffnete neue Aussichten auf eine Politik des „genieße jetzt, zahle später" und brachte sogar ein unterhaltsames Schrifttum über politische Konjunkturzyklen und darüber hervor, wie man i m Sattel bleibt, indem man die Phillips-Kurve reitet (siehe z. B. Ray Fair, W i l l i a m Nordhaus). I I . Der Angriff der Monetaristen 1. Das Stabilisierungsvermögen

des Hicksschen Mechanismus

Der Angriff der Monetaristen auf den Keynesianismus war von A n fang an nicht auf das keynesianische System als solches gerichtet, sondern auf die Frage, ob es tatsächlich eine Notwendigkeit zur Stabilisierung implizierte. Er beruhte auf einer radikal unterschiedlichen Einschätzung sowohl der empirischen Werte der Parameter, die das Stabilisierungsvermögen des Hicksschen Mechanismus maßgeblich beeinflussen, als auch des Umfangs sowie der Dauer der Reaktion auf Störungen bei gegebenem fixen Geldangebot. Aus dieser unterschiedlichen Einschätzung heraus hielt man es für gerechtfertigt, die praktische Bedeutung des keynesianischen Systems i m Unterschied zu seiner analytischen Gültigkeit grundsätzlich i n Frage zu stellen. Die Liquiditätspräferenz war zwar ein eleganter Beitrag zur Geldtheorie, i n der praktischen Anwendung erwies sich aber die ohnehin nicht sonderlich große Zinsreagibilität der Geldnachfrage oder der Umlaufsgeschwindigkeit als so klein, daß sie nach einer wohlbekannten Veröffentlichung von Milton Friedman (1969) nicht einmal empirisch ermittelt werden konnte. A u f der anderen Seite war der Einfluß der Zinssätze auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage groß und keineswegs auf die traditionellen Anlageinvestitionen beschränkt, sondern eher umfassend wirksam. Die Schwierigkeit, dies empirisch zu ermitteln, rührte daher,

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daß erstens man nur eine beschränkte Anzahl meßbarer Marktraten betrachtete, und zweitens die einzelnen Komponenten durchaus nicht stabil zu sein brauchen, wenn man m i t der einen oder anderen Reaktion des Aggregates rechnen kann. Schließlich implizierte Friedmans berühmter Beitrag zur Theorie der Konsumfunktion (1957) (und meine eigene A r beit an der „life cycle "-Hypothese m i t Richard Brumberg und anderen, Modiglianis Rückblick, 1975) eine sehr hohe kurzfristige marginale Sparneigung i n bezug auf vorübergehende Einkommensänderungen und daher einen geringen kurzfristigen Multiplikator. Dies alles rechtfertigte den Schluß, daß (i) obwohl Nachfragestörungen qualitativ durchaus i m Keynesschen Sinne wirken können, der Hickssche Mechanismus quantitativ jedoch so stark ist, daß deren unmittelbarer Einfluß gering und vorübergehend sein würde, vorausgesetzt, die Geldmenge wächst gleichmäßig; (ii) fiskalpolitische Maßnahmen, wie auch andere Nachfragestörungen kleine und vorübergehende Effekte auf die Nachfrage haben würden, während die Wirkungen von Geldmengenänderungen auf das Geldeinkommen stark und dauerhaft sein würden; und daß deshalb (iii) die beobachtete Instabilität der Wirtschaft, die sich ohnehin als mäßig herausstellte, wie die Nachkriegsperiode zeigte, höchstwahrscheinlich das Ergebnis des instabilen Geldmengenwachstums war, sei es als Folge eines fehlgeleiteten Bemühens der Einkommensstabilisierung oder anderer Ziele, die entweder irrelevant waren, oder, wie i m Fall der Zahlungsbilanzziele, durch Preisgabe der fixen Wechselkurse irrelevant wurden. 2. Die Preisgabe der Annahme starrer und die vertikale Phillips-Kurve

Löhne

Die schwerwiegendste Herausforderung stellte Friedmans „Presidential Address" 1968 dar, die auf Gedanken aufbaute, die auch Phelps (1968) unabhängig von i h m entwickelte. Seine Kernaussage lautete, daß die Löhne, trotz des äußeren Scheins, i n Wirklichkeit vollkommen flexibel waren und es dementsprechend keine unfreiwillige Arbeitslosigkeit gäbe. Der empirische Beweis der gegenteiligen Position einschließlich der Phillips-Kurve sei nur eine statistische Täuschung, die aus einer fehlenden Unterscheidung zwischen den tatsächlichen und den unerwarteten Preisänderungen herrührte. Friedmans Bezeichnung der „natürlichen Arbeitslosenrate" scheint die keynesianische Vorstellung wieder aufleben zu lassen, daß zu jedem beliebigen Zeitpunkt nur eine einzige Vollbeschäftigungsrate existiert. Ein unvorhergesehener Nachfragerückgang veranlaßt die Unternehmen i n Friedmans Wettbewerbswelt, Preise, Output und Beschäftigung entlang der kurzfristigen Grenzkostenkurve zu reduzieren, sofern nicht der Nominallohn m i t den Preisen sinkt. Aber die Arbeiter interpretieren die

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Reduktion der Nominallöhne fälschlicherweise als eine Beschneidung der Reallöhne, indem sie die laufende und voraussichtliche Senkung der Preise nicht richtig beurteilen. Daher reduzieren sie unter der Annahme einer positiv geneigten Angebotsfunktion das Arbeitsangebot. A m Ende steigt der tatsächliche Reallohn so lange, bis der damit verbundene Rückgang der Arbeitsnachfrage dem reduzierten Angebot entspricht. Somit sinkt der Output nicht auf Grund des Nachfragerückgangs, sondern wegen der völlig freiwilligen Reduzierung des Arbeitsangebots, die auf eine falsche Vorstellung zurückzuführen ist. Der Beschäftigungsrückgang kann weiterhin nur temporär sein, da sich die Erwartungen, zumindest beim Ausbleiben weiterer Störungen, bald an die realisierten Werte angleichen müssen. Genau der gleiche Mechanismus w i r k t i m Falle eines Nachfrageanstiegs, so daß die Reagibilität von Löhnen und Preisen auf beiden Seiten der natürlichen Rate die gleiche ist. I m Endergebnis unterstellt auch Friedmans Modell eine Relation vom Phillips-Typ zwischen Inflation, Beschäftigung oder Arbeitslosigkeit und früherer I n flation, vorausgesetzt, die letztgenannte Variable w i r d als ein sinnvoller Indikator für die Inflationserwartungen angesehen. Allerdings stellt sie die normale Erklärung auf den Kopf: Nicht (Uber-)Beschäftigung verursacht Inflation, sondern die unerwartete Komponente der Inflationsrate ruft Überbeschäftigung hervor. Eine grundlegende Implikation des Friedmanschen Modells ist, daß der Koeffizient der Preiserwartungen genau Eins sein muß. Diese Spezifikation bedeutet, daß die langfristige Phillips-Kurve vertikal verlaufen muß; gleichgültig welche Form die kurzfristige Phillips-Kurve aufweist, die durch die Beziehung zwischen erwarteten und tatsächlichen Preisänderungen und durch die Elastizität des Arbeitsangebots i n bezug auf den vermeintlichen Reallohn bestimmt ist. Friedmans ungewohnte Umkehr der Argumentation bedeutete eine erneute Unterstützung der Behauptung, daß Stabilitätspolitik nicht w i r k lich notwendig sei; denn durch die flexiblen Löhne erhielt der Hickssche Mechanismus m i t Ausnahme vielleicht von vorübergehenden Verzerrungen eine wirksame Verstärkung durch Änderungen des realen Geldangebots. A u f die gleiche Weise unterstützte die Tatsache, daß der Pfad der Vollbeschäftigung schmal wie eine Rasierklinge sei, den Standpunkt, daß sich stabilitätspolitische Maßnahmen zwangsläufig als destabilisierend herausstellen müssen. 3. Die Revolution der makroökonomischen rationalen Erwartungen Den Todesstoß aber sollte die bereits arg mitgenommene keynesianische Position nur kurz danach erhalten, als i n Friedmans Modell die sogenannte rationale Erwartungshypothese, oder REH, eingeführt wurde.

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Ganz grob formuliert besagt die Hypothese (deren Ursprung John Muth zugeschrieben wird), daß rational handelnde Wirtschaftssubjekte bemüht sein werden, ihre Erwartungen über relevante zukünftige Variable durch höchst gründlichen Gebrauch aller verfügbaren Vergangenheitsinformationen zu bilden. Sie stellt einen fundamentalen und fruchtbaren Beitrag dar, der schon i n vielen wichtigen Fällen Anwendung gefunden hat, ζ. B. i n Verbindung m i t spekulativen Märkten und als Grundlage für eine geistreiche kritische Anmerkung durch Robert Lucas (1976) über gewisse Merkmale ökonometrischer Modelle. Was mich hier nur interessiert, ist ihre Anwendung i n der Makroökonomie, oder MREH, die m i t Autoren wie Lucas (1972), Thomas Sargent (1976) und Sargent und Neil Wallace (1975) verbunden ist. Der Kern von MREH ist das Postulat, daß die Arbeiter i n Friedmans Modell rationale Erwartungen hegen. Dies führt zu einer Reihe bemerkenswerter Implikationen: (i) Fehler i n den Preiserwartungen, die die einzige Ursache für eine Abweichung von der natürlichen Rate sind, können zwar nicht verhindert werden, sind aber nur kurzlebig und zufällig. Insbesondere ist eine dauerhafte Arbeitslosigkeit über der natürlichen Rate nicht möglich, da dies eine hohe Autokorrelation i n den Fehlergrößen der Erwartungsbildung bedeuten würde, was aber nicht i n Einklang m i t dem Modell der rationalen Erwartung steht; (ii) jegliche Versuche, die Wirtschaft über festgelegte geld- und fiskalpolitische Regeln zu stabilisieren, müssen zwangsläufig total unwirksam sein, da ihre Effekte bei der Bildung rationaler Erwartungen vollständig vorweggenommen werden; (iii) auch kann die Regierung ad hoc Maßnahmen nicht erfolgreich einsetzen, u m Störungen abzugleichen. Der private Sektor achtet schon genau auf jede zu erwartende Störung; deshalb könnte die Polit i k der Regierung begreiflicherweise nur dann helfen, wenn sie bessere Informationen besitzt als die Öffentlichkeit. Dies ist aber gerade auf Grund der Definition der rationalen Erwartungen unmöglich. Unter diesen Bedingungen führen stabilitätspolitische Maßnahmen höchstwahrscheinlich zu weiteren destabilisierenden Effekten. Dies sind gewiß bemerkenswerte Schlußfolgerungen und eine bedeutende Wiederentdeckung — denn dies alles wurde vor 40 Jahren von Keynes an einer wohlbekannten Stelle der „General Theory" gesagt: „Wenn die Arbeiter tatsächlich immer in der Lage wären, Schritte zu unternehmen (und dies auch tun würden), wann immer auch die Beschäftigung geringer als die Vollbeschäftigung ist, um ihre Geldnachfrage gemeinsam soweit zu reduzieren, daß Geld in Relation zum Lohnsatz so reichlich vorhanden ist, daß der Zinssatz auf das mit Vollbeschäftigung verträgliche Niveau fallen würde, dann hätten wir in der Tat eine auf Vollbeschäftigung gerichtete Geldpolitik der Gewerkschaften anstatt des Bankensystems" (S. 297).

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Das einzig Neue dabei ist, daß M R E H Keynes 9 „Wenn" zu Beginn durch ein „Weil" ersetzt. Akzeptiert man diese kleine Korrektur, so sind die Argumente gegen eine Stabilitätspolitik vollständig. Die Wirtschaft ist aus sich heraus ziemlich stabil, abgesehen vielleicht von den Auswirkungen des Herumpfuschens der Regierung. Und soweit eine kleine Instabilität übrigbleibt, so liegt es außerhalb der Macht des Menschen, geschweige der Regierung, diese zu verringern. I I I . Inwieweit ist die monetaristische Argumentation richtig? 1. Das monetaristische Modell des Lohn-Preis-Verhaltens U m den Gegenangriff anzusetzen, beginnt man sinnvollerweise m i t dem monetaristischen Modell des Preis- und Lohnverhaltens. Hier gilt es, zwischen dem Modell an sich und einer spezifischen Implikation des Modells zu unterscheiden, nämlich daß die langfristige Phillips-Kurve senkrecht oder, was den Kern des Problems anbelangt, Geld langfristig neutral ist. Diesem Schluß steht heute, zumindest i n erster Annäherung, kein ernsthafter Einwand von Nichtmonetaristen gegenüber. Die Aussage aber, daß sich die Wirtschaft ceteris paribus langfristig an jede ad infinitum konstante Geldmenge oder deren η-te Ableitung anpassen wird, läßt sich zwar aus einer Vielzahl von Modellen ableiten, ist aber auf jeden Fall, wie ich später zeigen werde, von sehr geringer praktischer Bedeutung. Was nicht akzeptiert werden kann, ist das oben dargestellte spezifisch monetaristische Modell und seine Implikation, daß jede Arbeitslosigkeit eine freiwillige, flüchtige Reaktion auf kurzzeitige Fehleinschätzungen ist; es ist weder m i t der mikro- noch m i t der makroökonomischen Evidenz verträglich. Es erscheint m i r nützlich, m i t einer K r i t i k am Modell der makroökonomischen rationalen Erwartungen und m i t der Frage zu beginnen, warum das Keynessche „Wenn" nicht durch ein „Weil" ersetzt werden sollte. A u f der logischen Ebene hat Benjamin Friedman die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, daß die MREH kein explizites Lernmodell enthält, und er hat angedeutet, daß sie deshalb auch kein kurzfristiges, sondern nur ein langfristiges Gleichgewicht beschreibt, bei dem kein Wirtschaftssubjekt mehr ungeplante Größen realisiert. Dann sind die Implikationen von M R E H aber alles andere als aufsehenerregend, und ihre politische Relevanz ist nahezu gleich Null. A u f der institutionellen Ebene hat Stanley Fischer gezeigt, daß schon die bloße Anerkennung langfristiger Verträge genügt, Lohnrigidität zu erzeugen, so daß man dadurch einen beträchtlichen Spielraum für Stabilitätspolitik erhält. Aber der gröbste Fehler der MREH ist ihre Unvereinbarkeit m i t der Empirie: Würde die Hypothese gelten, wären die Abweichungen der Arbeitslosigkeit von der na-

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türlichen Rate gering und vorübergehend; i n diesem Fall wäre weder die „General Theory" noch dieser Aufsatz geschrieben worden. Sargent (1976) hat versucht, diesem fatalen Fehler abzuhelfen, indem er die These aufstellte, daß die langanhaltenden und großen Schwankungen der A r beitslosigkeit nur die entsprechenden Variationen der natürlichen Rate selbst widerspiegeln. M i t anderen Worten: Was i n den dreißiger Jahren i n den Vereinigten Staaten passierte, war ein schwerer A n f a l l ansteckender Faulheit! Ich kann nur sagen, daß, trotz Sargents Scharfsinn, weder ich, noch, so nehme ich an, die meisten anderen zumindest unter den Nichtmonetaristen schon gänzlich dazu bereit sind, das Gebiet der W i r t schaftsschwankungen den Sozialpsychologen zu überlassen! Schwerwiegende Einwände gelten auch gegen Friedmans modelltheoretische Sicht des Gütermarktes als eines vollkommenen Konkurrenzmarktes, auf dem der Reallohnsatz immer gleich dem kurzfristigen Grenzprodukt der Arbeit ist, sowie gegen seine Behandlung der Arbeit als ein homogenes Gut, das auf einem Auktionsmarkt getauscht wird, wo es beim bestehenden Lohn niemals irgendeine Überschußnachfrage der Unternehmen oder ein Uberschußangebot der Arbeiter gibt. Die Unzulänglichkeiten dieses Modells als eine sinnvolle Formalisierung der heutigen westlichen Volkswirtschaften sind so zahlreich, daß nur einige der wichtigsten hier erwähnt werden können. Friedmans Interpretation der Arbeitslosigkeit als eine freiwillige Verringerung des Arbeitsangebotes könnte bestenfalls eine Erklärung für Veränderungen des Arbeitskräftepotentials geben, und dann nur unter der fragwürdigen Annahme einer deutlich positiv geneigten A n gebotsfunktion. Sie kann aber nicht so leicht Änderungen der Arbeitslosigkeit erklären. Weiterhin kann sie weder m i t der wohlbekannten Tatsache, daß steigende Arbeitslosigkeit von einem Rückgang und nicht von einem Anstieg der Kündigungen begleitet ist, noch m i t der Rolle der Kurzarbeit**, auf die M a r t i n Feldstein neuerlich die Aufmerksamkeit gelenkt hat, i n Einklang gebracht werden. Außerdem unterstellt sein Wettbewerbsmodell des Gütermarktes, das auch i n der „General Theory" Gültigkeit hat, daß die u m die langfristige Produktivitätsentwicklung bereinigten Veränderungen der Reallöhne m i t den zyklischen Schwankungen der Beschäftigung und des Outputs sowie m i t den Änderungen der Geldlöhne negativ signifikant korreliert sein sollen. Aber schon 1938 zeigte John Dunlop, daß ein derartiger Schluß etwa 80 Jahren britischer Erfahrungen widersprach; seine Resultate wurden durch neuere Tests ** Das amerikanische Idiom „lay-off" bedeutet, daß ein Arbeiter seine Stellung verliert, ihm jedoch zugesagt wird, daß er seinen Arbeitsplatz später wahrscheinlidh wieder bekommen wird. Da es diese Form der kurzzeitigen Arbeitsunterbrechung in Deutschland nicht gibt, wird im folgenden die. Übersetzung „Kurzarbeit" verwendet werden, zumal gesamtwirtschaftlich kein Unterschied besteht (Anmerkung des Übersetzers). 17 Beihefte zu Kredit und Kapitai 4

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von Ronald Bodkin für die Vereinigten Staaten und Kanada i n etwa bestätigt. Ähnliche Tests meinerseits m i t Viertel] ahresdaten ergeben eine eindrucksvolle Bestätigung dafür, daß i n den letzten beiden Jahrzehnten vom Ende des Korea-Krieges bis 1973 der Zusammenhang zwischen trendbereinigtem Einkommen des privaten nichtlandwirtschaftlichen Sektors und entweder der Beschäftigung oder der Änderung des Nominaleinkommens überwiegend positiv und auch sehr signifikant ist 1 . Diese statistischen Ergebnisse weisen dagegen auf das oligopolistische Preismodell — nach dem der Preis durch das langfristige Durchschnittskostenminimum und einen Aufschlag bestimmt wird, der Überlegungen bezüglich der Markteintrittsschranken wiedergibt (siehe Modigliani, 1958) — sowie auf einige Lags bei der Anpassung der Preise an die Kosten. Dieses Modell unterstellt, daß die Unternehmen auf eine Nachfrageänderung m i t dem Bestreben reagieren, den Output und die Beschäftigung anzupassen, ohne daß sich die Preise i n Relation zu den Löhnen deutlich ändern. Die daraus resultierenden Änderungen i n den verfügbaren Arbeitsplätzen w i r k e n anfänglich nicht auf die Löhne, sondern durch Kurzarbeit, Kündigungen und Änderungen i m Umfang der offenen Stellen und daher über die durchschnittliche Dauer der Arbeitsplatzsuche eher auf die Arbeitslosigkeit. Wenn dann die offenen Stellen i m weiteren Verlauf über eine k r i tische oder „natürliche" Marke ansteigen, werden die Unternehmen bestrebt sein, diese durch Erhöhimg des relativen Lohnangebots abzubauen, wodurch sie die Lohnänderungsrate anheben. Daher werden Löhne und Preise zur Akzeleration tendieren, solange besetzte A r beitsplätze oder offene Stellen über und die Arbeitslosigkeit unter einer kritischen Schwelle bleiben, die als die „inflationsfreie Rate" bezeich1 I n einer logarithmierten Regression des privaten nichtlandwirtschaftlichen deflationierten Stundenlohnes auf den Output pro Mann und Stunde, die Zeit und die private nichtlandwirtschaftliche Beschäftigung, beträgt der Koeffizient der letzten Variablen 0,17 mit einem t-Wert von 5, wobei die Schätzfunktion um die Autokorrelation erster Ordnung korrigiert wurde. Ähnliche, wenn auch weniger signifikante Ergebnisse, gab es für den Fabrikationsbereich. Wenn die Beschäftigung durch die Änderung der nominalen Einkommenszahlungen ersetzt wird, beträgt der Koeffizient 0,40 mit einem t-Wert von 6,5. Wird schließlich (trotz negativer Verzerrungen durch Meßfehler in der Preisvariablen) die Änderung der Einkommenszahlung durch die Preisänderung ersetzt, beträgt der Koeffizient dieser Variablen nur -0,09 mit einem völlig nichtsignifikanten t-Wert von 0,7. Der Zeitraum nach 1973 wurde als für unsere Absichten irrelevant aus den Tests ausgeschlossen, da die Inflation in erster Linie durch eine exogene Preisstörung und weniger durch einen Nachfrageüberhang hervorgerufen wurde. Infolge der Störung stiegen die Preise und, bis zu einem gewissen Grad, die Löhne rapide an, während die Beschäftigung und die Reallöhne fielen. Deshalb führt die Hinzunahme der beiden letzten Jahre tendenziell zu einer Scheinkorrelation, die den positiven Zusammenhang zwischen den Reallöhnen und der Beschäftigung erhöht und die Korrelation zwischen den Reallöhnen und der Veränderung der Nominallöhne bzw. der Preise verringert.

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net werden könnte (siehe Modigliani und Lucas Papademos, 1975). Fallen auf der anderen Seite die Arbeitsplätze unter und steigt die Arbeitslosigkeit über die inflationsfreie Rate, werden die Unternehmen die Zahl der offenen Stellen als nicht mehr optimal ansehen (im Grenzfall werden diese sogleich von den wartenden Arbeitslosen vor den Fabriktoren besetzt) und bestrebt sein, i h r relatives Lohnangebot herabzusetzen. Der Rückgang der Lohnänderungsrate, der i n diesem Fall eint r i t t , ist wahrscheinlich aber noch geringer als die entsprechende Beschleunigung i m umgekehrten Fall, wenn zu wenigen Leuten zu viele Arbeitsplätze angeboten werden. Der Hauptgrund dafür ist, daß die Arbeit nicht homogen ist. Die bei weitem größte und wertvollste Quelle für das Arbeitsangebot besitzt eine Unternehmung i n den bereits Beschäftigten, die nicht ohne weiteres gegen Arbeitslose ausgetauscht werden können, und die i m Gegensatz zu jenen i n erster Linie daran interessiert sind, ihr Einkommen aufrechtzuerhalten und nicht etwa Vollbeschäftigung wiederherzustellen. Aus diesen Gründen und da die besten Arbeiter wahrscheinlich als erste kündigen, ist es i n bestimmten Grenzen wirtschaftlicher, eine Reduzierung der Arbeitskräfte nicht durch die Verringerung der Löhne vorzunehmen, u m genügend Kündigungen zu provozieren, sondern durch Entlassungen und wenn möglich durch Kurzarbeit, die bei Wiederanziehen der Nachfrage den Zugang zu den ausgebildeten Arbeitskräften sichert. Ganz allgemein w i r d der Anreiz, die relativen Löhne zu reduzieren, u m das Überschußangebot abzubauen, durch den negativen Effekt auf Kündigungen und kostspielige Umbesetzungen verringert, selbst wenn die daraus resultierenden offenen Stellen sogleich aus der Reihe der Arbeitslosen besetzt werden könnten. Gleich bedeutsam sind die Konsequenzen i n Form eines Schwindens der Moral und des Wohlwollens der Beschäftigten, teilweise aus Gründen, die i n der Literatur über implizite Verträge (siehe Robert Gordon) herausgearbeitet wurden. Obwohl nun zwar die Lohnänderungsrate tendenziell u m so weiter fällt, je größer die Arbeitslosigkeit ist (zumindest i n einer Wirtschaft wie der der Vereinigten Staaten, wo es keine überwiegend zentral organisierte Gewerkschaft gibt), ist diese Tendenz doch stark abgeschwächt. Ich bezweifle auch, ob empirische Evidenz jemals die Frage beantworten wird, ob bei einer Arbeitslosenrate, die deutlich und langanhaltend über der inflationsfreien Rate liegt, die Lohnänderungsrate i m Lauf der Zeit negativ w i r d und unbegrenzt sinkt, oder ob sie sich asymptotisch einem Grenzwert nähert. Das einzige uns zur Verfügung stehende Experiment, die große Depression, legt eine negative A n t w o r t nahe; und während ich zugebe, daß diese Evidenz aus einer Vielzahl von Gründen keinen eindeutigen Schluß zuläßt, so hoffe ich, daß w i r niemals Gelegenheit für ein zweites, sauberes Experiment haben werden. 1

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Für praktische Zwecke ist jedenfalls nicht die langfristige Gleichgewichtsbeziehung als solche wirklich wichtig, sondern die Geschwindigkeit, m i t der sie erreicht wird. Sowohl das skizzierte Modell als auch die empirische Evidenz legen nahe, daß der Prozeß der Lohnakzeleration oder -dezeleration bei einer Abweichung der Arbeitslosigkeit von der inflationsfreien Rate mehr ein Kriechen als ein Galoppieren sein wird. Es mag genügen, i n diesem Zusammenhang i n Erinnerung zu rufen, daß i n den Vereinigten Staaten zumindest von 1965 bis Mitte 1970 ein Nachfrageüberhang bestand, und daß i n diesem Zeitraum die Inflation von 1,5 % nur auf ungefähr 5,5 °/o pro Jahr stieg. Und die Reaktion auf den Angebotsüberhang von Mitte 1970 bis Anfang 1973 und von Ende 1974 bis heute (1977) war ähnlich träge. 2. Die Stärke der Mechanismen der Selbststabilisierung: Die Evidenz aus den ökonometrischen Modellen Übrigbleibt, die anfängliche monetaristische K r i t i k am Keynesianismus zu betrachten, nämlich daß die Reaktion des Systems auf Nachfragestörungen selbst ohne große Lohnflexibilität dank der Wirkungsstärke des Hicksschen Mechanismus schwach und kurzlebig ausfällt. Es muß hier anerkannt werden, daß sich jeder der monetaristischen Kritikpunkte am frühen Keynesianismus als weitgehend richtig erwiesen hat. I m Hinblick auf die Zinselastizität der Geldnachfrage weisen postkeynesianische Weiterentwicklungen der Geldtheorie und insbesondere die theoretischen Beiträge von W i l l i a m Baumol, James Tobin, Merton Miller und Daniel Orr auf einen mäßigen Wert von ungefähr ein Halb bis ein Drittel hin, wobei die empirischen Studien (siehe z. B. Stephen Goldfeld) weitgehend m i t dieser Hypothese übereinstimmen (zumindest bis 1975). Ferner führen die Abhängigkeit der Konsumnachfrage vom langfristigen oder Lebenseinkommen und vom Vermögen i n Verbindung m i t den hohen Grenzsteuersätzen der Nachkriegszeit (insbesondere der Körperschaftsteuer) sowie die Absorption durch Importe zu einem eher kleinen Wert des Multiplikators. Nicht zuletzt haben sowohl theoretische als auch empirische Arbeiten, teilweise innerhalb ökonometrischer Modelle, die monetaristische These weitgehend bestätigt, daß die Zinseffekte auf die Nachfrage umfassend und stark sind. So fanden w i r i m Aufbau und i n der Schätzung des ökonometrischen Modells des MIT-Penn-Social-Science Research Council (MPS) für die Vereinigten Staaten Hinweise auf zumindest schwache Effekte auf fast jede gesamtwirtschaftliche Nachfragekomponente. Eine der Reaktionen auf Geldangebotsänderungen, die speziell für das MPS wichtig wenn auch etwas kontrovers ist, läuft über die Zinssätze zum Marktwert aller Vermögenstitel und damit zur Konsumnachfrage.

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Es herrscht somit weitgehend Übereinstimmung darüber, daß der Hickssdie Mechanismus i n den Vereinigten Staaten die Auswirkungen von Störungen weitgehend begrenzen kann, und daß die Reaktion der Löhne und Preise auf einen Nachfrage- oder Angebotsüberschuß Schritt für Schritt auf eine teilweise, wenn nicht vollständige Eliminierung eines jeglichen Beschäftigungseffektes hinarbeitet. Aus der Sicht der Nichtmonetaristen unterstützt die Evidenz aber i n überwältigender Weise den Schluß, daß die Übergangsreaktion noch von beachtlichem Umfang und ansehnlicher Dauer ist; i n erster Linie, w e i l sich die Räder des Ausgleichsmechanismus langsam drehen. Natürlich kommt bei der gegebenen geringen Elastizität der Geldnachfrage das erste Glied des Mechanismus, der Anstieg der kurzfristigen Zinssätze, sofort und m i t heftiger Gewalt ins Spiel. Aber die meisten Ausgaben hängen von den langfristigen Zinssätzen ab, die i n der Regel nur langsam reagieren, so daß die Nachfragereaktion i m allgemeinen auch erst nach und nach erfolgt. Ferner führen, während die Reaktionskette aufgebaut wird, M u l t i p l i kator· und Akzeleratormechanismen zu einer Verstärkung der Störung. Schließlich w i r k t der klassische Mechanismus — die Änderung des realen Geldangebots durch Preisänderungen — m i t einer noch längeren Verzögerung, da die Löhne auf den Nachfrageüberschuß nur träge reagieren. Diese gegenseitigen Wirkungsstörungen zeigen sich auch bei Simulationen m i t ökonometrischen Modellen wie dem MPS. Betrachtet man durch Konstanthalten der Preise zuerst die Wirkungsweise des Hickssehen Mechanismus, so ergibt eine einprozentige Nachfragestörung (sagen wir, ein Anstieg des realen Exports) einen anfänglichen Effekt auf den gesamten Output von kaum mehr als 1 %. Er erreicht seinen höchsten Wert von ungefähr 2 % ein Jahr später und sinkt langsam auf ein N i veau von etwas über 1,5 °/o ab. Berücksichtigt man den Lohn-Preis-Mechanismus, so ändert sich wegen seiner Trägheit das B i l d i m ersten Jahr kaum. Danach w i r k t er jedoch zunehmend stärker, so daß ein Jahr später die reale Reaktion auf das anfängliche Niveau zurückgegangen ist. A m Ende des dritten Jahres ist die Störung vollständig ausgeglichen; der Output weist dann gedämpfte Schwingungen u m N u l l auf. Die Reaktion des Geldeinkommens erreicht auf der anderen Seite einen Höchstwert von über 2,5 und dies bloß bis zur Mitte des zweiten Jahres. Danach schwächt sie sich ab und neigt schließlich zu Schwingungen u m einen positiven Wert, da normalerweise eine Nachfragestörung letztendlich eine Änderung der Zinssätze und daher der Umlaufsgeschwindigkeit und des Geldeinkommens erfordert. Diese Ergebnisse, die durch andere ökonometrische Modelle allgemein bestätigt werden, unterstützen sicherlich nicht den Eindruck von einer

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höchst instabilen Wirtschaft, i n der die Fiskalpolitik starke und dauerhafte Wirkungen zeigt. Aber ebensowenig sprechen sie für die monetaristische Annahme einer stabilen Wirtschaft, i n der Störungen kaum ein Kräuseln verursachen und die Effekte der Fiskalpolitik winzig und von kurzer Dauer sind. 3. Die monetaristische Evidenz und die verzwickte Lage des St. Louis Modells Monetaristen neigten jedoch i m allgemeinen dazu, diese Evidenz i n Frage zu stellen. Anfangs konterten sie m i t Tests bezüglich der Stabilität der Umlaufsgeschwindigkeit und der mangelnden Signifikanz des Multiplikators, die jedoch, wie i n meiner K r i t i k m i t Albert Ando (1965) angedeutet, als nahezu wertlos angesehen werden müssen. I n neuerer Zeit haben einige Autoren der Federal Reserve Bank of St. Louis (Leonall C. Andersen, K e i t h M. Carlson, Jerry Lee Jordan) vorgeschlagen, die Multiplikatoren nicht durch die analytische oder numerische Lösung eines ökonometrischen Modells m i t vielen, möglicherweise fragwürdigen Gleichungen abzuleiten, sondern direkt durch Gleichungen der reduzierten Form zu schätzen, welche die Einkommensänderung auf entsprechende Maße laufender und verzögerter Änderungen des Geldangebots und der Fiskalimpulse beziehen. Die Ergebnisse des Originaltests, der die laufenden sowie nur vier verzögerte Werte von M i und der staatlichen Vollbeschäftigungsausgaben als Maßstäbe für geld- und fiskalpolitische Impulse verwendete, fielen dergestalt aus, daß sie das Herz eines Monetaristen m i t Freude erfüllen konnten. Der Beitrag der Änderung der Geldmenge, nicht nur der laufenden, sondern auch der verzögerten, war groß, und die Koeffizienten deuteten einen nicht unbegründeten Einfluß i n der Größenordnung der Umlaufsgeschwindigkeit an. Andererseits schienen die geschätzten Koeffizienten der Fiskalvariablen die monetaristische These voll zu unterstützen, daß ihre W i r k u n g sowohl gering als auch flüchtig sei: Der Effekt erreichte i n nur zwei Quartalen seinen Höhepunkt von rund Eins und verschwand bis zum vierten Quartal nach dem Impuls vollständig. Diese Ergebnisse wurden sofort m i t der Begründung angegriffen, daß die Autoren falsche Größen für die geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen benutzt hätten. Zudem wurde gezeigt, daß das Ergebnis ziemlich empfindlich auf alternative Größen reagierte. Der Grundtenor der Ergebnisse änderte sich jedoch zumindest qualitativ nicht. Insbesondere ändert sich, zumindest i m Originalzeitraum bis 1969, das Ergebnis nicht wesentlich, wenn man die Vollbeschäftigungsausgaben durch eine möglicherweise geeignetere Variable ersetzt, wie die Staatsausgaben für Güter und Dienste zuzüglich den Exporten.

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Diese Ergebnisse müssen zugegebenermaßen Nichtmonetaristen beunruhigen, denn es bestehen dann wenig Zweifel, daß Bewegungen der Staatskäufe und der Exporte eine Hauptquelle für Nachfragestörungen sind: Wenn nun die Schätzungen der Reaktion auf Nachfragestörungen über ökonometrische Modelle eine gewisse Gültigkeit besitzen, wie können sie dann so unverträglich sein m i t den Schätzungen der reduzierten Form? Versuche, die beiden Ansätze auszusöhnen, gingen i n verschiedene Richtungen, die i n einem A r t i k e l besprochen sind, den ich zusammen m i t Ando (1976) verfaßt habe. Unsere auf der Basis von Simulationstechniken getroffene Kernaussage geht dahin, daß der St. Louis-Ansatz der reduzierten Form dann zu höchst instabilen und unzuverlässigen Schätzungen der tatsächlichen Struktur des diese Daten liefernden Systems führt, wenn den geld- und fiskalpolitischen Variablen nur noch ein bescheidener Teil der Einkommensvariation zugerechnet w i r d (in den Vereinigten Staaten ungefähr die Hälfte bis zu zwei Dritteln) und bedeutende Störungen von vielen anderen Herden ausgehen. Die entscheidende Rolle unzuverlässiger und instabiler Schätzungen wurde seitdem i n einer neueren Forschungsarbeit von Daniel O'Neill bestätigt, die demnächst als MIT-Dissertation herauskommt. Zunächst zeigt er, daß verschiedene Schätzmethoden zu sehr unterschiedlichen Schätzergebnissen führen, wobei viele den Ausgabenmultiplikator eindeutig über- und den Geldmultiplikator unterschätzen. Z u m anderen legt er dar, daß bei einer aus Multikollinearität und einer großen Residualvarianz resultierenden Unzuverlässigkeit der Schätzungen nicht danach gefragt werden sollte, ob diese Schätzergebnisse von jenen des strukturgebundenen Schätzvorganges abweichen, sondern ob die A b weichungen statistisch signifikant, d.h. größer als nur zufallsbedingt sind. Ich habe diesen üblichen statistischen Test durchgeführt, indem ich als wahre Reaktionskoeffizienten jene des oben erwähnten MPS-Modells benutzte 2 . Es zeigt sich, daß zumindest beim größtmöglichen Stichprobenumfang (der gesamte Zeitraum nach dem Koreakrieg bis zu den letzten beiden sehr unruhigen Jahren) der Unterschied bei Verwendung von Niveaugrößen vollkommen insignifikant (F < 1) und bei Benutzung erster Differenzen noch bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 °/o nicht signifikant ist.

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Für den Test wurden die Koeffizienten um ein Drittel verkleinert, um bestimmte größere Verzerrungen in den gemessenen laufenden Staatsausgaben zu berücksichtigen (hauptsächlich die Behandlung der militärischen Beschaffung auf der Basis der Lieferungen und nicht des Fertigungsstandes, und der Einschluß direkter militärischer Ausgaben im Ausland).

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Dieser Test löst das Rätsel, indem er zeigt, daß es i n Wirklichkeit gar kein Rätsel gibt: Die beiden alternativen Schätzungen der Ausgabenmultiplikatoren sind bei gegebenem Spielraum des Schätzfehlers nicht unverträglich miteinander. Dies bedeutet, daß man diejenige Schätzung nehmen sollte, die man aus einer zuverlässigeren und gesicherten Methode erhält, und die i m allgemeinen besser einsichtig ist. Für mich besteht kein Zweifel daran, daß diese Kriterien für die ökonometrischen Modellschätzungen sprechen. Sollten aber noch einige restliche Zweifel bei dieser Wahl bestehen, so b i n ich i n der glücklichen Lage, über die Ergebnisse eines entscheidenden Tests berichten zu können, der, so glaube ich, die Schätzungen der reduzierten Form v e r w i r f t ; zumindest für eine Weile. Nehmen w i r an, die St. Louis-Schätzungen der Ausgabenmultiplikatoren sind näher an der göttlichen Wahrheit als die Schätzungen mittels ökonometrischer Modelle. Dann müßte der Fall eintreten, daß Einkommensprognosen nach dem Schätzzeitraum unter Verwendung dieser Koeffizienten deutlich besser sind als jene Prognosen, die man aus einer Prognosegleichung erhält, i n der die Koeffizienten der Ausgabenvariablen aus ökonometrischen Modellen stammen. Ich habe diesen Test durchgeführt und eine Gleichung der reduzierten Form (die ich über den Originalzeitraum bis 1969, wie er i n St. Louis benutzt wurde, m i t den jüngst revidierten Daten neu schätzte) m i t einer Gleichung verglichen, i n der die Koeffizienten der Staatsausgaben und des Exports aus dem MPS-Modell stammen, wie sie i m obigen F-Test benutzt wurden. Die Ergebnisse sind äußerst gravierend: Die Prognosefehler bei Verwendung der Koeffizienten der reduzierten Form sind nicht kleiner, sondern i m Durchschnitt wesentlich größer als jene bei Verwendung der MPS-Multiplikatoren. Für die ersten vier Jahre bis Ende 1973 sind die Prognosefehler der St. Louis-Gleichung i n acht Quartalen deutlich größer und nur i n drei Quartalen kleiner. Dabei ist die Summe der Fehlerquadrate u m ein Drittel größer. Für die letzten zwei unruhigen Jahre liefern beide Gleichungen erbärmliche Ergebnisse; allerdings sind sie für die MPS-Koeffizienten gerade noch ein bißchen besser. Ich habe diesen Test m i t Gleichungen wiederholt, die über die erste Hälfte des Nachkriegszeitraums geschätzt wurden, und die Ergebnisse sind, wenn überhaupt so zu nennen, sogar noch einseitiger. Die Moral aus der Geschichte ist ziemlich eindeutig. Erstens sind Gleichungen der reduzierten Form m i t nur zwei exogenen Variablen für die Schätzung der Struktur sehr unzuverlässig sowie bei der Prognose nicht besonders genau. Allerdings liefern sie pro Dollar Forschungsausgaben überraschend gute Ergebnisse. Zweitens sollten die St. Louis-Leute, wenn sie die Methode weiterverwenden wollen und die bestmögliche Vorhersage haben möchten, lieber das MPS oder andere ökonometrische Großmodelle nach den Koeffizienten für die Staatsaus-

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gaben überprüfen, anstatt zu versuchen, sie m i t ihrer unzuverlässigen Methode zu schätzen. W i r müssen also aus den genannten theoretischen Überlegungen und empirischen Ergebnissen schließen, daß eine Entscheidung für eine konstante Wachstumsrate des nominalen Geldangebotes nur beim Ausbleiben von bedeutenden exogenen Störungen zu einer stabilen W i r t schaft führen kann. Aber offensichtlich war und w i r d die Wirtschaft vielen ausgeprägten Störungen ausgesetzt sein, die aus Vorgängen herrühren wie Krieg und Frieden sowie anderen großen Veränderungen z.B. der Staatsausgaben, des Außenhandels, der Landwirtschaft, des technischen Fortschritts, des Bevölkerungswachstums usw. Den besten Hinweis auf die Wichtigkeit solcher Störungen liefert unsere Nachkriegsgeschichte m i t ihren sechs Rezessionen. I V . Das Ergebnis der Stabilitätspolitik: Stabilisierung oder Destabilisierung 1. War ein instabiles Geldmengenwachstum an den Nachkriegsschwankungen schuld? A n diesem Punkt würden Monetaristen natürlich einwenden, daß w i r nach dem Krieg keine Politik des konstanten Geldmengenwachstums betrieben haben; sie werden andeuten, daß die beobachteten Schwankungen weitgehend auf die Instabilität der Geldmenge zurückgeführt werden können. Die einzige Möglichkeit, diesem Einwand eindeutig zu entgegnen, würde darin bestehen, die Geschichte m i t einem Computer nachzuzeichnen, der i n der Lage ist, die Sache m i t 3 € /o p. a. Geldmengenwachstum und m i t dem Fed am Ruder auszurechnen. Ein weniger aufwendiges, wenn auch weniger schlüssiges Verfahren mag darin bestehen, einige längere Perioden zu ermitteln, i n denen das Geldangebot ziemlich gleichmäßig wuchs, und zu sehen, wie sich die Wirtschaft verhielt. Als ich unsere Geschichte seit dem Koreakrieg durchging, fand ich genau zwei über mehrere Jahre reichende Zeitspannen, i n denen das Geldmengenwachstum relativ stabil war; unabhängig davon, ob man die prozentuale Abweichung von einer konstanten Wachstumsrate oder die Streuung der Änderungen über vier Quartale als Maßstab für Stabilität wählt. Es dürfte etwas überraschen, daß eine dieser Perioden i n die jüngste Zeit fällt und fast vier Jahre von Anfang 1971 an umfaßt (siehe Modigliani und Papademos, 1976). Während dieses Zeitraums war das durchschnittliche Geldmengenwachstum m i t etwa 7 % ziemlich groß, aber relativ gleichmäßig; es schwankte i m allgemeinen genau zwischen 6 % und 8°/o. Die durchschnittliche Abweichung vom M i t telwert betrug ungefähr 0,75 °/o. Die andere Periode dauerte von Anfang 1953 bis i n die erste Hälfte des Jahres 1957, umfaßt also wieder eine

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Zeitspanne von grob vier Jahren. I n scharfem Gegensatz zur jüngsten Periode besteht hier m i t nur rund 2 °/o ein ziemlich geringes Wachstum; aber wiederum fallen die meisten Änderungen über vier Quartale bei einer durchschnittlichen Abweichung von 0,7 % genau i n eine Bandbreite von 2 Prozentpunkten. Dagegen waren die Veränderungen des Geldmengenwachstums während der verbleibenden 13jährigen Zeitspanne von Mitte 1957 bis Ende 1970 ungefähr zweimal so groß, wenn man die durchschnittliche Abweichung der Änderungen über vier Quartale betrachtet, und etwa fünfmal größer, wenn man die prozentuale Abweichung der Geldmenge von einem konstanten Wachstumstrend zugrunde legt. Wie verhielt sich die Wirtschaft i n den beiden Zeiträumen des relativ stabilen Geldmengenwachstums? Es ist allgemein bekannt, daß der Zeitabschnitt zwischen 1971 und 1974 (oder zwischen 1972 und 1975, wenn man der Geldmenge einen Wirkungslag von einem Jahr zugesteht) durch starke Schwankungen des Outputs u n d heftige Ausschläge der Preisänderungsrate gekennzeichnet, also bestimmt der instabilste i n unserer neueren Geschichte war. Deshalb betrug die durchschnittliche Abweichung der Outputveränderung über vier Quartale auch 3,3 °/o und war damit mehr als zweimal so groß wie i n der Periode des weniger stabilen Geldmengenwachstums. Aber auch der erste Zeitraum war durch eine eindeutig überdurchschnittliche Instabilität gekennzeichnet. So fielen i n diese Periode die Kontraktion 1954, der schnelle Aufschwung 1955 und der erneute Abschwung 1958, der m i t Ausnahme des gegenwärtigen (1976) der stärkste i n der Nachkriegsgeschichte war. Wiederum fallen die Veränderungen des Output um 50 °/o größer aus als i n der mittleren Periode. Sicherlich spielen i n der letzten Zeitspanne beträchtliche exogene Störungen für die Entwicklung der Preise und möglicherweise des Outputs eine wichtige Rolle. Aber für die Periode von 1953 bis 1958 ist dies nicht so ohne weiteres augenfällig. Solche abschwächenden Umstände sind für mein Problem aber ohnehin ziemlich irrelevant; denn ich stelle nicht die These auf, daß die Geldmengenstabilität auch nur i n irgendeiner Weise der Hauptgrund für die wirtschaftliche Instabilität war. Ich w i l l allein begründen, daß (i) es keine Grundlage für die monetaristische Behauptung gibt, unsere Nachkriegsinstabilität sei auf monetäre Instabilität zurückzuführen: Unsere instabilsten Perioden sind vielmehr m i t Zeiten relativ stabiler Geldmengenentwicklung zusammengefallen; und daß (ii) ein stabiles Geldangebot eben wegen der exogenen Störungen für eine stabile Wirtschaft nicht ausreichend ist. Lassen Sie mich schließlich erwähnen, daß ich vor kurzem den Versuch gemacht habe, die Geschichte nachzuzeichnen, u m zu sehen, ob ein

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stabiles Geldangebot die Wirtschaft stabilisieren würde, obwohl die dabei angewandte Methode, nämlich eine Simulation m i t dem MPS-Modell, der Analyse der Realität weit unterlegen ist, wie ich gerne eingestehe. Das i n Zusammenarbeit m i t Papademos durchgeführte Experiment deckte den relativ ruhigen Zeitraum von Anfang 1959 bis zur Einführung von Lohn-Preis-Kontrollen Mitte 1971 ab. Schalteten w i r alle wichtigen Störungsquellen aus, ζ. B. durch das Glätten der Staatsausgaben, so stellten w i r wie auch Otto Eckstein i n einem früheren Experiment fest, daß ein stabiles Geldmengenwachstum von 3 % pro Jahr die Wirtschaft, wie erwartet, stabilisiert. Ließen w i r aber alle tatsächlich eingetretenen Störungen zu, führte dies bei einem konstanten Geldmengenwachstum zu einer alles andere als stabilen Wirtschaft — sie war i n der Tat m i t einem Faktor von 50 % deutlich weniger stabil als i n Wirklichkeit. 2. Die alles in allem recht wirksame Stabilitätspolitik der Nachkriegszeit Aber selbst wenn ein stetiges Geldangebot zugegebenermaßen keine sehr stabile Welt bedingt und somit Raum für stabilitätspolitische Maßnahmen bleibt, werden Monetaristen weiterhin dafür plädieren, daß w i r nichtsdestoweniger solche Maßnahmen unterlassen sollten. Z u m einen behaupten sie, daß auf Grund nicht vorhersagbarer variabler Verzögerungen und unvorhersehbarer zukünftiger Störungen unser Wissen nicht ausreicht, u m erfolgreich eine Stabilitätspolitik konzipieren zu können. Z u m anderen vertreten sie die These, daß die Regierungen sicherlich nicht i m Stande sind, die entsprechenden Maßnahmen zu wählen, oder politisch nicht gewillt sind, sie rechtzeitig durchzusetzen. Deshalb w i r d die Stabilitätspolitik i n der praktischen Anwendung meist destabilisierend auf die Wirtschaft wirken. Dieser Standpunkt w i r d durch ein logisches und ein empirisches A r gument unterstützt. Das logische Argument wurde von Friedman i n seiner Presidential Address (1968) entwickelt. Ein Versuch, die W i r t schaft bei Vollbeschäftigung zu stabilisieren, muß zwangsläufig destabilisierend wirken, da die Rate der Vollbeschäftigung oder die natürliche Rate nicht m i t Sicherheit bekannt ist und sich i m Zeitablauf verschiebt. Streben w i r die falsche Rate an, so muß dies notgedrungen zu explosiver Inflation oder Deflation führen. I m Gegensatz dazu w i r d die Wirtschaft bei einer Politik des konstanten Geldangebotes automatisch Jagd auf diese unstete natürliche Rate machen und sie i m Laufe der Zeit entdecken, wo immer sie versteckt sein mag. Meiner Meinung nach ist dieses Argument rein akademisch. Es beruht auf der verdrehten Annahme, daß die einzige Alternative zu einem konstanten Geldmengenwachstum die Verfolgung eines sehr präzisen

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Beschäftigungszieles ist, an dem ununterbrochen festgehalten wird, komme was da wolle, und daß bei einer Zielabweichung i n der zweiten Dezimalstelle nach dem Komma eine galoppierende Inflation ins Haus steht. Was w i r i n Wirklichkeit brauchen, u m Stabilitätspolitik zu betreiben, ist eine ungefähre Größenordnung, die die infrage stehende Rate der Beschäftigung miteinschließt, und die man sich ebenfalls als Bandbreite und nicht schmal wie eine Rasierklinge vorzustellen hat. Die verantwortlichen Anhänger der Stabilitätspolitik sind sich natürlich seit langem der Tatsache bewußt, daß die Zielgröße an vorhersehbare Verschiebungen der angepeilten Bandbreite angepaßt werden muß. Gleiches gilt, wenn sich Hinweise ergeben, daß die laufende Zielsetzung m i t Preisstabilität nicht vereinbar ist. Genau aus diesem Grund lehne ich ebenso wie viele andere Nichtmonetaristen zusammen m i t den Monetaristen entschieden neuere Vorschläge ab, ein Beschäftigungsziel durch Gesetz streng zu fixieren (obwohl nichts daran zu kritisieren ist, daß der Kongreß sich und das Land dazu verpflichtet, auf die etwaige Erreichung eines Beschäftigungszieles eher durch strukturelle Maßnahmen als durch die Steuerung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage hinzuarbeiten). Gewiß, selbst wenn die Ziele fortlaufend adjustiert werden, besteht noch keine Garantie dafür, daß Fehler gänzlich vermieden oder auch nur sofort erkannt werden; und solange Fehler vorkommen, werden sie zu Inflations- (oder Deflations-)erscheinungen führen. Aber, u m es zu wiederholen, die drohende Inflation, auf die Friedman hinweist, schleicht, sie galoppiert nicht. I n diesem Zusammenhang mag es nützlich sein, sich die weiter oben angesprochenen Erfahrungen der Zeit von 1965 bis 1970 ins Gedächtnis zurückzurufen, wobei man beachten sollte, daß das Vorhandensein von Überbeschäftigung allgemein rechtzeitig erkannt wurde. Das Versäumnis, diese zu beseitigen, resultierte hauptsächlich aus politischen Überlegungen und beruhte nicht auf einer falschen Diagnose 3 . Übrigbleibt nur noch die empirische Streitfrage: War die Stabilitätspolitik i n der Vergangenheit erfolgreich und w i r d sie es i n Zuk u n f t sein? Monetaristen meinen, daß die A n t w o r t negativ ausfallen 3 Friedmans logisches Argument gegen die Stabilitätspolitik und für eine konstante Geldmengenwachstumsregel hat, wie ich bemerken darf, viel Ähnlichkeit mit der Begründung, warum ein Mann aus St. Paul, der wegen wichtiger Geschäfte nach New Orleans reisen möchte, ein Narr wäre, wenn er mit dem Auto fahren würde. Er sollte statt dessen einen Kahn nehmen und sich den Mississippi hinuntertreiben lassen, da er ganz sicher sein kann, daß ihn der Fluß schließlich zu seinem Bestimmungsort bringen wird. Mit dem Auto dagegen könnte er sich verfahren und, ehe er es bemerkt, immer weiter von seinem Zielort entfernt sein und schon bald könnte seine Reise in Alaska enden, wo er bestimmt eine Lungenentzündung bekommen und niemals mehr nach New Orleans gelangen wird.

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muß und vertreten, wie gesagt, die Auffassung, daß mißglückte Stabilisierungsversuche, insbesondere geldpolitische Maßnahmen, für einen großen Teil der festzustellenden Instabilität verantwortlich sind. Das wichtigste Beweismaterial für diese Behauptung liefert ihnen die große Depression; ein Stück Zeitgeschichte, das durch die sorgfältige Arbeit von Friedman und Anna Schwartz gut belegt, gleichwohl noch Gegenstand der Diskussion ist (siehe ζ. B. Peter Temin). Diese Periode ist aber i n jeder Hinsicht, auch wenn sie die Einflußstärke der Geldmenge zeigen mag, für die vorliegende Untersuchung irrelevant, da die Kontraktion des Geldangebotes m i t Sicherheit nicht Teil eines umfassenden Stabilitätsprogramms i m postkeynesianischen Sinn war. Wenn w i r zur relevanten Nachkriegsperiode übergehen, w i r d das Problem, den Erfolg oder das Versagen der Stabilitätspolitik nachzuweisen, ein höchst schwieriges Unterfangen. Viele Versuche sind unternommen worden, genaue objektive Tests zu entwickeln. Aber aus meiner Sicht hat keiner dieser Tests viel Wert, obwohl ich bedauerlicherweise selbst an ihnen i n einer meiner schlechtesten Veröffentlichungen mitgearbeitet habe (1964). Selbst der äußerst geistreiche, von Victor Argy angeregte Test, der auf einem Vergleich der Variabilität des Einkommens m i t derjenigen der Umlaufsgeschwindigkeit aufbaut, stellt sich nur unter höchst unrealistischen Annahmen als beweiskräftig heraus. Dennis Starleaf und Richard Floyd haben vorgeschlagen, die Wirksamkeit stabilitätspolitischer Maßnahmen durch einen Vergleich der Stabilität des GeldmengenWachstums m i t derjenigen des Einkommenswachstums zu testen, so wie ich es oben für die Vereinigten Staaten gemacht habe. Der Unterschied besteht darin, daß sie ihren Test bei einer Querschnittsanalyse für industrialisierte Länder anwandten. Bei einer Stichprobe von 13 Ländern ermittelten sie einen deutlich positiven Zusammenhang. Aber dieser Test ist wieder von geringem Wert. Eine negative Korrelation für ein gegebenes Land, wie ich sie durch meinen Test für die USA ermittelt habe, gibt zwar einen schwachen Hinweis dafür, daß die geldpolitischen Maßnahmen eher förderlich als schädlich waren. Ein positiver statistischer Zusammenhang zwischen mehreren Ländern beweist jedoch absolut nichts. Tatsächlich kann man einfach zeigen, daß eine erfolgreiche Stabilisierungspolitik auch eine positive Korrelation zwischen Einkommens- und der Geldmengenveränderungen impliziert, wenn divergierende Einkommensveränderungen Unterschiede i m Charakter der Störungen wiedergeben, was i n ihrer Stichprobenanalyse als sehr wahrscheinlicher Begleitumstand angesehen werden muß. Obgleich die Suche nach eindeutigen quantitativen Tests bislang nur zu einer dürftigen Ausbeute geführt hat, gibt es eine andere A r t eindrucksvoller Evidenz zugunsten keynesianischer Stabilitätspolitik, die

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allerdings schwierig zu quantifizieren ist. Ich zitiere einen der Altväter der Konjunkturforschung, A r t h u r Bums, der 1959 schreibt: „Seit 1937 haben w i r fünf Rezessionen gehabt, die längste dauerte nur 13 Monate. Es gibt keine Parallele für eine solche Folge von milden oder kurzen Kontraktionen, zumindest während der letzten hundert Jahre i n unserem Land" (S. 2). Jetzt können w i r die Rezessionen von 1961 und 1971 dieser Liste hinzufügen. Überdies gibt es Hinweise, daß ganz ähnliche Schlußfolgerungen für andere industrialisierte Länder gelten, die von der Stabilitätspolitik Gebrauch gemacht haben; jedenfalls war dies die vorherrschende Meinung der Teilnehmer einer internationalen Konferenz, die 1967 unter dem Thema: „Ist der Konjunkturzyklus veraltet?" (siehe M a r t i n Bronfenbrenner, Hrsg.) abgehalten wurde. Niemand schien die größere Stabilität der westlichen Volkswirtschaften i n der Nachkriegszeit i n Frage zu stellen; dies überrascht auch nicht, wenn man sich i n Erinnerung ruft, daß sich u m diese Zeit die Konjunkturspezialisten von der neugefundenen Stabilität so verunsichert fühlten, daß sie die Frage einer Neudefinition der Konjunkturzyklen als Schwankungen der Wachstumsrate und nicht mehr des Niveaus des Outputs diskutierten. Es wurde erkannt, daß die geringere Ausprägung der Schwankungen zum einen auf strukturelle Änderungen der Wirtschaft zum anderen auf wirksamere automatische Stabilisatoren, wie sie durch die keynesianische Analyse angeregt wurden, zurückgehen könnten. Ferner wurde eine Abhängigkeit zwischen der größeren Stabilität der Vereinigten Staaten und anderer industrialisierter Länder festgestellt. Dennoch schienen, zumindest zum Zeitpunkt dieser Konferenz, kaum Zweifel, aber einige Hinweise dafür zu bestehen, daß ein Teil des Verdienstes für die größere Stabilität dem gezielten und i m Durchschnitt erfolgreichen Bestreben, die Wirtschaft zu stabilisieren, zukommt. V. Der Fall von Angebotsstörungen und die Episode 1974 - 76 1. War die Depression von 1974 auf fehlerhaftes oder auf Nichthandeln zurückzuführen?

Handeln

Bei meinem Hinweis auf unsere relativ große Nachkriegsstabilität und den nicht unerheblichen Erfolg der Stabilitätspolitik habe ich die Nachkriegszeit vorsichtigerweise nur bis zum Jahre 1973 definiert. Was ist seither geschehen, daß sich das Ansehen der Ökonomen so verschlechtert hat? Angesichts dieses Problems muß als erstes gefragt werden, ob die jetzige Kombination von beispiellosen Inflations- wie auch A r beitslosenraten auf fehlerhaftes Handeln oder Nichthandeln zurückgeführt werden muß. Versagten unsere geld- und fiskalpolitischen Stabilisierungsmaßnahmen oder versäumten wir, sie einzusetzen?

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Beginnen w i r m i t einem Punkt, der durch die pauschale Verurteilung der heutigen Geldpolitik durch die Monetaristen verwischt worden ist: Die böse Explosion der Inflationsrate über vier Quartale von rund 4 °/o 1972 auf 6,5 °/o i m dritten Quartal 1973, dann auf 11,5 υ /ο 1974 m i t einem Höchstwert von 13,5%, kann keineswegs auf ein übermäßiges oder unruhiges Wachstum des Geldangebotes zurückgeführt werden. Wie schon erwähnt, betrug die durchschnittliche Wachstumsrate der Geldmenge von Anfang 1970 bis zur zweiten Hälfte 1974 fast 7 °/o. Sicherlich, dies war eine hohe Rate, und man konnte annehmen, daß sie früher oder später zu einer unerwünscht hohen Inflationsrate führen würde; aber i n welcher Höhe? Unter jeder vertretbaren Annahme kommt man zu nicht viel mehr als 6 °/o. Dies mag zwar erklären, was bis zum Herbst 1973, aber nicht was vom dritten Quartal 1973 bis Ende 1974 geschah, dem wirklich problematischen Zeitraum. Das Wachstum der Geldmenge war, wie oben angedeutet, auch während dieser Periode leidlich stetig, ja sogar stetiger als zu irgendeiner anderen Zeit i n der Nachkriegsperiode; es blieb innerhalb einer Bandbreite von zwei Prozentpunkten. Daher kann das Debakel von 1974 nicht auf ein erratisches Verhalten der Geldmenge, ausgelöst durch einen mißglückten Stabilisierungsversuch, zurückgeführt werden. Sollte man dann folgern, die Katastrophe sei daraus entstanden, daß eine stabile Wachstumsrate zu starr verfolgt und damit die Gelegenheit versäumt wurde, die Geldpolitik zur Stabilisierung der Wirtschaft einzusetzen? Meiner Meinung nach muß diese Frage i n einem gewissen Sinn m i t Ja beantwortet werden. Es gibt genügend Gründe für die Behauptung, daß die rapide Kontraktion, die nach dem langsamen Rückgang der drei vorhergehenden Quartale gegen Ende 1974 einsetzte, und die Arbeitslosigkeit auf ihren Höchstwert von 9°/o trieb, weitgehend das Ergebnis des astronomischen Anstiegs der Zinssätze u m die Jahresmitte war. Diese Zinssteigerungen waren ihrerseits das unvermeidliche Ergebnis der sturen Weigerung des Fed, sich bis zu einem gewissen Grad an den durch die Ölkrise bedingten exogenen Inflationsschub anzupassen und das Wachstum des Geldangebotes über die Anfang des Jahres angekündigten 6 °/o hinausgehen zu lassen. Und dies trotz wiederholter Warnungen vor den unvermeidlichen Folgen (siehe ζ. B. Modigliani 1974). Monetaristen haben unterstrichen, daß die scharfe Rezession nicht das Ergebnis eines zu geringen monetären Wachstums während des Jahres war, sondern die Folge der i n der zweiten Hälfte 1974 und zu Beginn 1975 eingetretenen Dezeleration. Aber gerade diese Erklärung stimmt nicht m i t den Fakten überein. Der Rückgang des vierteljährlichen Geldmengenwachstums i m dritten und vierten Quartal war, insbesondere auf der Grundlage der heute verfügbaren Daten, winzig: Die Rate fiel von

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5,7 % i m zweiten Quartal auf 4,3 % und dann auf 4,1 % — kann mehr als der Schätzfehler für die vierteljährlichen Raten. Sicherlich, i m ersten Quartal 1975 fiel die Wachstumsrate auf 0,6 °/o. Aber zu diesem Zeitpunkt war die heftige Kontraktion schon weit fortgeschritten. So sank zwischen September 1974 und Februar 1975 die industrielle Produktion aufs Jahr umgerechnet u m 25°/o. Ferner wuchs i n den darauffolgenden Quartalen die Geldmenge wieder kräftig. Es gibt daher keine Möglichkeit, den monetaristischen Standpunkt m i t diesen Fakten i n Einklang zu bringen, es sei denn, daß ihre langen und variablen Verzögerungen (Lags) so variabel sind, daß sie manchmal zu deutlichen A n stößen (Leads) werden. Aber auch dann kann eine Senkung des Geldmengenwachstums während eines einzigen Quartals keinen wahrnehmbaren Effekt gehabt haben, welches Modell man auch zugrunde legt. 2. Was makroökonomische

Stabilitätspolitik

„wie" bewirken

kann

Die Erkenntnis, daß das Festhalten an einem stabilen Wachstumspfad für die Geldmenge über den größten Teil des Jahres 1974 die Hauptverantwortung für die starke Kontraktion trägt, bedeutet per se aber noch nicht, daß die Politik falsch war. Der Schock, der 1973 - 74 auf das System einwirkte, war nämlich keine gewöhnliche Nachfragestörung, m i t der einigermaßen fertig zu werden w i r allmählich gelernt hatten. Es handelte sich vielmehr u m eine Angebots- oder Preisstörung, die i n einem Zusammentreffen weitgehend externer Ursachen begründet lag. Ein solcher Sachverhalt stellt ein gänzlich anderes Stabilisierungsproblem dar. I m Falle von Nachfragestörungen besteht eine ideale Politik, die alle sozialen Kosten vermeidet, darin, die Störung vollkommen a b zugleichen und so gleichzeitig Beschäftigung und Preisniveau zu stabilisieren. Es mag zwar Meinungsverschiedenheiten darüber geben, ob und wie dieses Ziel erreicht werden kann, nicht aber über die Zielsetzung an sich. Demgegenüber gibt es kein Wundermittel gegen Angebotsstörungen. Es gibt keine makroökonomische Politik, die i n diesem Falle sowohl ein stabiles Preisniveau aufrechterhalten als auch die Beschäftigung auf ihrer natürlichen Rate fixieren könnte. Bei einer exogenen Preisstörung (sagen w i r bei einem Anstieg der Importgüterpreise) würde die Erhaltung eines stabilen Preisniveaus einen Rückgang der Preise aller einheimischen Güter verlangen. W i r kennen aber keine makroökonomische Politik, welche die inländischen Preise verringern kann, außer daß man genügend deflationiert, u m auf diese Weise die Löhne nach unten zu drücken. Und das Ausmaß der Deflationierung müßte i n Anbetracht der Trägheit der Löhne bei Unterbeschäftigung beträchtlich sein. Gleichen w i r jedoch die exogene Störung nicht vollkommen aus, w i r d der erste Inflationsprozeß, selbst wenn sie nur durch einen vorübergehenden

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Anstieg einiger Preise (wie z.B. eine einmalige Verschlechterung der Terms of Trade) hervorgerufen wurde, weitere Preiserhöhungen auslösen, w e i l die Nominallöhne bei dem vergeblichen Versuch, die Reallöhne zu halten, ansteigen. Auch diese Folgereaktion könnte nur durch Deflationspolitik unterbrochen werden. Kurz gesagt, hat uns einmal eine Preisstörung erreicht, so führt kein Weg zum ursprünglichen Gleichgewicht zurück, außer nach einer schmerzvollen Zeit hoher Arbeitslosigkeit und Inflation. Prinzipiell lassen sich natürlich andere politische Maßnahmen als die gesamtwirtschaftliche Nachfragesteuerung anwenden, die i n Anbetracht der unerfreulichen Alternativen einer derartigen Politik verlockend erscheinen. Aber bisher haben sich solche politische Maßnahmen, zumindest i n Form von Lohn-Preis-Kontrollen, als enttäuschend erwiesen. Die Konzipierung besserer Alternativen ist wahrscheinlich die größte Herausforderung, m i t der sich zur Zeit diejenigen konfrontiert sehen, die an Stabilisierung interessiert bzw. beteiligt sind. Derartige politische Maßnahmen fallen jedoch aus dem Rahmen dieser Betrachtungen. Innerhalb des Bereichs gesamtwirtschaftlicher Nachfragesteuerung bleibt der Gesellschaft nur das Dilemma der Wahl zwischen alternativen Inflationspfaden und den damit zusammenhängenden Arbeitslosenraten. Das Beste, was ein MakroÖkonom anbieten kann, ist der Entwurf einer wirtschaftspolitischen Strategie, die möglichst nahe an den gewählten Pfad heranführt. Unter dem Gesichtspunkt des bisher Gesagten läßt sich die Frage auf werf en: Ist es denkbar, daß eine konstante Wachstumsrate des Geldangebotes für eine i n dem Sinne befriedigende Reaktion auf Preisstörungen sorgen wird, daß man eine Kombination von Inflation und Arbeitslosigkeit erreicht, gegen die das Land am wenigsten einwenden würde? 3. Das monetaristische Konzept. Oder noch einmal: Konstantes Geldmengenwachstum Die Monetaristen neigen dazu, diese Frage m i t Ja zu beantworten, wobei sie jedoch dem Land eine bestimmte Präferenzstruktur unterstellen. Dies zeigte sich besonders deutlich, als sie an einer Weiterverfolgung der 6prozentigen oder einer ähnlichen Wachstumsrate über die Jahre 1974,1975 und 1976 unerschütterlich festhielten. Ihre Begründung scheint i n die folgende Richtung zu gehen: Die Hypothese von der natürlichen Rate der Beschäftigung impliziert, daß sich die Inflationsrate nur dann ändern kann, wenn die Beschäftigung von der natürlichen Rate abweicht. Angenommen, w i r beginnen bei der natürlichen Rate und einer entsprechenden festen Inflationsrate, die ohne Verlust der Allgemeingültigkeit N u l l betragen kann. Eine exogene 18 B e i h e f t e z u K r e d i t u n d K a p i t a l 4

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Störung soll anfänglich die Inflationsrate, sagen wir, auf 10 °/o anheben. Wenn die Zentralbank sich dem Preisanstieg anpaßt und die Beschäftigung auf dem Niveau der natürlichen Rate hält, w i r d auch die neue Inflationsrate von 10 °/o tatsächlich immer weiter bestehen, solange sie durch das Geldangebot unterstützt wird. Die einzige Möglichkeit, die Inflation zum Verschwinden zu bringen, besteht darin, die Arbeitslosigkeit für hinreichend lange Zeit weit genug über die natürliche Rate anzuheben, so daß die Inflation immer weiter zurückgeht, bis das Anfangsniveau wieder erreicht ist. Es gibt natürlich viele Pfade der Arbeitslosigkeit, die zu diesem Ergebnis führen. Somit muß die nächste Frage lauten: Welcher Pfad stellt das geringste Übel dar? Die A n t w o r t der Monetaristen — und hier gebe ich zu, daß die Kennzeichnung schwierig ist — scheint dahin zu gehen, daß zwischen den Pfaden keine großen Unterschiede bestehen, da i n erster Annäherung der kumulierte Umfang der Arbeitslosigkeit, der nötig ist, u m die Inflation zurückzuschrauben, vom eingeschlagenen Pfad unabhängig ist. Entscheidet man sich für mehr Arbeitslosigkeit zu einem früheren Zeitpunkt, braucht man später weniger hinzunehmen und umgekehrt. Daraus folgt aber unmittelbar, daß der spezielle Pfad der Arbeitslosigkeit, der bei einem konstanten Wachstum der Geldmenge zustande kommt, zumindest gleich gut, wenn nicht sogar besser als irgendein anderer ist. Folge: Ein konstantes Geldmengen Wachstum ist eine zufriedenstellende A n t w o r t auf Angebotsstörungen genauso wie auf Nachfragestörungen — als auch, so muß man vermuten, auf irgendwelche anderen denkbaren Krankheiten, Unpäßlichkeiten oder Unruhen. 4. Warum ein konstantes Geldmengenwachstum nicht die Antwort sein kann Diese Begründung ist bewundernswert einfach und elegant, leidet aber unter einigen Schönheitsfehlern. Der erste besteht i n einer Verwechslung des Preisniveaus m i t seiner Veränderungsrate. Bei einem unverändert konstanten Wachstum der nominalen Geldmenge w i r d sich das System nicht schon dann wieder i m alten Gleichgewicht befinden, wenn die Inflation srate auf N u l l zurückgegangen ist, sondern erst, wenn zusätzlich das Preis niveau selbst auf seinen ursprünglichen Wert gefallen ist. Dies bedeutet, daß sich die Arbeitslosigkeit, wenn die Inflationsrate schließlich auf die gewünschte ursprüngliche Rate zurückgekehrt ist, nicht ebenfalls auf dem Ausgangsniveau befinden kann. Sie w i r d stattdessen so lange über diesem Niveau bleiben, wie es notwendig ist, mittels ausreichender Deflationspolitik die vorher kumulierte I n flation zu kompensieren. Ich bezweifle, daß diese Lösung viele Anhänger finden würde, und zwar aus gutem Grund. Sie läuft nämlich auf das Verlangen hinaus, daß die Besitzer langfristiger nomineller Forderungen,

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wie ζ. B. Schulden, nicht von der Last der Preisstörungen betroffen werden, sondern daß alle anderen Sektoren der Gesellschaft die Kosten, die zur Erreichung des Stabilisierungs-Ergebnisses notwendig sind, voll auf sich nehmen sollen. Strebt aber die Gesellschaft stattdessen die Rückkehr des Systems zur ursprünglichen Inflationsrate an (in unserem Beispiel Null), worüber sich ziemlich alle einig zu sein scheinen, so kann das Wachstum des Geldangebotes nicht konstant gehalten werden. Zwischen dem Zeitpunkt der Störung und dem Zeitpunkt, i n dem die Inflation auf ihr langfristiges Niveau zurückgegangen sein wird, muß das Geldangebot zusätzlich, entsprechend dem Anstieg des Preisniveaus bzw. der kumulierten Inflation, ansteigen. Ein zweites Problem der monetaristischen Argumentation besteht darin, daß eine ziemlich spezielle Präferenzfunktion unterstellt wird, die nur von der kumulierten Arbeitslosigkeit abhängt. Vor allem w i r d die heroische Annahme gemacht, daß die Phillips-Kurve nicht nur langfristig vertikal, sondern auch kurzfristig linear ist, was jedoch offensichtlich nicht m i t den empirisch ermittelten Kurven übereinstimmt. Ist die kurzfristige Phillips-Kume nicht linear, so gibt es für jede gegebene gesellschaftliche Präferenz i m allgemeinen nur einen einzigen optimalen Pfad. Sicherlich wäre es ein Wunder, wenn dieser Pfad genau der wäre, der bei einem konstanten Geldmengenwachstum eingeschlagen w i r d — oder die „unsichtbare Hand" müßte ein solches Ergebnis m i t einigen Kunststücken herbeiführen. Es gibt i n der Tat Gründe für die Behauptung, daß der aus einem konstanten Wachstum der Geldmenge resultierende Pfad der Arbeitslosigkeit wahrscheinlich nicht annähernd optimal sein kann, selbst wenn er zeitweilig angehoben wird, u m den zuerst genannten K r i t i k punkt zu berücksichtigen. Dieser Schluß basiert auf einer Analyse optimaler Pfade, die auf dem Typ linearer Wohlfahrtsfunktionen aufbaut, der anscheinend der monetaristischen Argumentation zugrunde liegt, und die auch eine direkte Verallgemeinerung von Okuns berühmten „Index des ökonomischen Unbehagens" darstellt. Dieser Index (der laut Michael Lovell empirisch sinnvoll zu sein scheint) setzt sich aus der A r beitslosen- und der Inflationsrate zusammen. Der Index, den ich i n meiner Analyse verwendet habe, stellt ein gewogenes M i t t e l der A r beitslosigkeit und Inflation dar, die sich entlang des Pfades kumulieren. Die Gewichte drücken dabei die relative Bedeutung aus, die die Gesellschaft der Inflation und der Arbeitslosigkeit beimißt. M i t Hilfe dieses Index ist i n einer demnächst erscheinenden Dissertation von Papademos gezeigt worden, daß eine optimale Politik i m allgemeinen erfordert, die Arbeitslosigkeit sofort auf ein bestimmtes k r i tisches Niveau anzuheben und dort zu halten, bis die Inflation wesent18·

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lieh nachgelassen hat. Das kritische Niveau hängt von der Beschaffenheit der Phillips-Kurve und den relativen Gewichten ab, ist aber, soweit dies abschätzbar ist, von der anfänglichen Störung signifikant unabhängig. U m eine Vorstellung von der Größenordnung zu geben: Benutzt man die Schätzung derjenigen Phillips-Kurve, von der i n meiner gemeinsamen Veröffentlichung m i t Papademos (1975) berichtet w i r d und die fast völlig senkrecht verläuft, sowie die Gewichte von Okun, so erhält man als Ergebnis, daß (i) die Arbeitslosenrate, die aktuell keinen I n flationsimpuls auslöst und m i t einer zweiprozentigen Preissteigerungsrate kompatibel ist, bei 5,6 % angesiedelt werden muß, und daß (ii) die optimale Reaktion auf eine große exogene Preisstörung i n einer Erhöhung der Arbeitslosenquote von 5,6 % auf nur rund 7 °/o besteht. Dieses Niveau muß solange aufrechterhalten werden, bis die Inflation auf etwas unter 4 °/o gefallen ist; dann sollte sie langsam und danach schnell gesenkt werden, bis die Inflationsrate 2,5 °/o beträgt (was schätzungsweise zwei Jahre dauert). Empfindet die Gesellschaft andererseits die Inflation als doppelt so unangenehm wie die Arbeitslosigkeit, w i r d die anfängliche Arbeitslosigkeit etwas mehr als 8 °/o betragen. Der Anpassungspfad zum Endgleichgewicht fällt dann aber kürzer aus. Diese Ergebnisse scheinen i n t u i t i v einleuchtend, quantitativ vernünftig und stellen eine weitere Rechtfertigung für die angenommene Wohlfahrtsfunktion m i t ihrer angenehmen Eigenschaft dar, Präferenzen i n einer einzigen leicht verständlichen Ziffer zusammenzufassen. Unabhängig von der relativen Bedeutung, die der Arbeitslosigkeit und der Inflation beigemessen wird, folgt aus dem oben beschriebenen optimalen Pfad, daß ein konstantes Wachstum der Geldmenge während der Inflationsbekämpfung unmöglich optimal sein kann. Es wäre für einige Anfangsperioden entschieden zu klein und danach zu groß. Man muß deshalb folgern, daß die Argumente für ein konstantes Geldmengenwachstum i m Falle von Angebotsstörungen genauso wenig haltbar sind wie i m Falle von Nachfragestörungen. V I . Schluß Faßt man zusammen, so haben die Monetaristen einen richtigen und höchst wertvollen Beitrag geleistet, indem sie zeigten, daß unsere W i r t schaft weit weniger instabil ist, als es sich die frühen Keynesianer vorstellten, und indem sie das Geld als Bestimmungsgrund gesamtwirtschaftlicher Nachfrage wieder i n den Vordergrund stellten. Sie irren jedoch m i t ihrer extremen Behauptung, daß die Wirtschaft so weit unanfällig für Störungen ist, daß stabilitätspolitische Maßnahmen nicht benötigt werden. Ein weiterer wichtiger Beitrag besteht darin, daß sie auf die mögliche destabilisierende W i r k u n g solcher Maßnahmen hinwie-

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sen. Die K r i t i k der Monetaristen gab den Anstoß für eine gesunde Neueinschätzung der Möglichkeiten und Grenzen der Stabilitätspolitik und setzten den Ambitionen zur Feinsteuerung einen Dämpfer auf. Dagegen hält ihre Behauptung, daß die Nachkriegsschwankungen aus einem instabilen Geldmengenwachstum resultieren oder stabilitätspolitische Maßnahmen die Stabilität eher verringerten als sie zu erhöhen, einer unvoreingenommenen Überprüfung an Hand der für die Vereinigten Staaten und andere industrialisierte Länder vorliegenden Nachkriegsdaten nicht stand. Bis 1974 haben die wirtschaftspolitischen Maßnahmen mitgeholfen, die Wirtschaft i m Vergleich zu früheren Perioden leidlich stabil zu halten, wenn auch gelegentliche Fehlschläge sicherlich nicht zu übersehen sind. Die seit 1973 zu beobachtende beträchtliche Verschlechterung der ökonomischen Stabilität muß i n erster Linie auf die Neuartigkeit der uns treffenden Schocks, nämlich die Angebotsstörung, zurückgeführt werden. Selbst die bestmögliche gesamtwirtschaftliche Nachfragesteuerung kann diese Impulse nicht ohne hohe Arbeitslosigkeit und eine beträchtliche Inflationsrate ausgleichen. Hinzu kommt aber, daß die Nachfragesteuerung noch lange nicht die bestmögliche gewesen ist. Dieser Mangel muß i n großem Maße der Tatsache zugeschrieben werden, daß w i r wenig Erfahrung geschweige denn adäquate Konzepte zur Bekämpfung solcher Störungen hatten; diese Unzulänglichkeiten waren (jedenfalls nach meiner Interpretation der Ereignisse) auch auf den unzureichenden Einsatz stabilitätspolitischer Maßnahmen zurückzuführen, worunter ich auch das starre Festhalten an der monetaristischen Vorschrift eines konstanten Geldmengenwachstums zähle. W i r müssen deshalb den monetaristischen A u f r u f kategorisch zurückweisen, die U h r um 40 Jahre zurückzustellen und die grundlegende Botschaft der „General Theory" zur Seite zu legen. Statt dessen sollten w i r bestrebt sein, unsere Anstrengungen darauf zu konzentrieren, die Stabilitätspolitik für die Zukunft noch effektiver als i n der Vergangenheit auszugestalten.

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